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German Pages 1900 [1892] Year 2009
Gerda Haßler/Cordula Neis Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts
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Gerda Haßler/Cordula Neis
Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts
Walter de Gruyter · Berlin · New York
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 978-3-11-017825-5 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2009 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Laufen
VORWORT
Das Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts ist Ergebnis langjähriger Forschungen zur Geschichte der Sprachtheorien und wendet sich an ein historisch, sprachtheoretisch oder philosophisch interessiertes Publikum. Dabei ist nicht nur allein an Lehrende und Studierende sprachnaher Disziplinen, sondern auch an eine aufgeschlossene Öffentlichkeit gedacht. Das Lexikon entstand aus der Einsicht, dass bislang ein Nachschlagewerk zu den begrifflichen Grundlagen des Sprachdenkens dieser Epoche noch fehlte. In dieser Situation konnten Texte über Sprache, ihren Ursprung, ihre Wirkungen und Zusammenhänge nur unzulänglich verstanden und in den Zeithorizont eingeordnet werden. Mit dem Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts ist ein Nachschlagewerk entstanden, das die entsprechenden Begriffe und ihre Bezeichnungen in mehreren europäischen Sprachen definitorisch und begrifflich aufbereitet und in Textzusammenhängen präsentiert. Einen Begriff als solchen zu identifizieren setzt normalerweise das Vorhandensein eines Wortes oder einer Wortgruppe voraus, die ihn dauerhaft bezeichnen. Für viele sprachtheoretische Grundbegriffe ist dies jedoch nicht der Fall, so dass wir mit Varianten von Bezeichnungen rechnen und diese berücksichtigen mussten. Andererseits gibt es seit der Antike tradierte Termini, die jedoch in ihren Inhalten im Verlauf der Geschichte nicht unverändert blieben. Wir entschieden uns für einen onomasiologischen Aufbau des Lexikons, das heißt die Bezeichnungen für sprachliche oder mit Sprache zusammenhängende Gegebenheiten wurden begrifflich geordnet. Die Darstellungen der Inhalte und Beziehungen der einzelnen Begriffe sollen einen Eindruck von ihrem Gewicht und ihrer Entwicklung in der behandelten Epoche geben. Textbeispiele belegen die Verwendung der Begriffe bei Autoren in verschiedenen europäischen Sprachen. Natürlich mag der eine oder andere Leser des Lexikons dabei seinen Lieblingsautor vermissen, bei dem ein bestimmter Begriff auch prominent ist. Es wurden schriftliche Zeugnisse der Beschäftigung mit dem Gegenstand Sprache untersucht, wobei das Spektrum von philosophischen Traktaten bis zu Schulgrammatiken und Sprachlehrbüchern reicht. Die Berücksichtigung aller Texte der beiden Jahrhunderte für alle Begriffe wäre jedoch eine nicht zu lösende Aufgabe gewesen. Der Forderung nach einem Bezug zur Aktualität des sprachtheoretischen Denkens versuchen wir in den einzelnen Artikeln durch Hinweise auf die Kontinuität der dargestellten Begriffe bis in die Gegenwart gerecht zu werden. Es soll damit auch verdeutlicht werden, dass es problematisch ist, einen An-
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Vorwort
fangspunkt der Sprachwissenschaft im 19. oder 20. Jahrhundert zu setzen und vorangegangene Epochen als „Vorgeschichte“ zu deklarieren. Für die Mitarbeit am Lexikon sind wir zahlreichen Helfern zu Dank verpflichtet. Dr. Gesina Volkmann entwickelte für dieses Werk eine Datenbank und schuf damit die Grundlage für die ersten vier Jahre der Laufzeit des Projekts. Dr. Uwe Dietzel, Beatrice Voigt, Sandra Rath, Jana Gleisberg, Daniel Renken, Katja Schenk und Anja-Undine Kurz hatten in dieser Phase großen Anteil an der Erfassung und Eingabe der Daten. Prof. Dr. Friederike SpitzlDupic und Dr. Aino Kärnä trugen die Artikel zum Adverb und zur Konjunktion bei. Dr. Sybille Große und Ronny Karol halfen bei dem umfangreichen Korrekturlesen und Dr. Gesina Volkmann leistete wertvolle und unentbehrliche Hilfe bei der Einrichtung der Abbildungen und komplizierten Fragen der Formatierung. Danken möchten wir auch Herrn Dr. Heiko Hartmann vom Verlag de Gruyter für sein Interesse an unserem Buch und seine geduldige Unterstützung. Unser besonderer Dank gebührt jedoch Susanne Giesen, die nicht nur das gesamte Lexikon Korrektur gelesen und formatiert, sondern auch in mühsamer Kleinarbeit die zahlreichen bibliographischen Einzelangaben geordnet und in die endgültige Form einer Bibliographie und eines Personenverzeichnisses gebracht hat. Ohne ihre aufopferungsvolle, ermutigende und engagierte Mitarbeit wäre das Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts nicht fertig geworden. Gerda Haßler
Cordula Neis
INHALT BAND I Vorwort ................................................................................................................V Einleitung ..............................................................................................................1 TEIL I
ONTOLOGIE, ZEICHEN, SPRACHE UND DENKEN Wesen der Sprache ............................................................................................135 Natürliche Sprache ............................................................................................149 Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen).................................................160 Arbitrarität.........................................................................................................206 Konvention ........................................................................................................219 Natürlichkeit......................................................................................................230 Linearität ...........................................................................................................247 Zeichen und Idee ...............................................................................................262 Spracherwerb.....................................................................................................298 Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) ....................................343 Mitteilungsfunktion der Sprache .......................................................................375 Kognitive Funktion der Sprache........................................................................387 Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache ..........................................426
TEIL II
URSPRUNG, ENTSTEHUNG, ENTWICKLUNG Ursprung............................................................................................................451 Ursprache ..........................................................................................................485 Sprachverwirrung ..............................................................................................513 Sprachveränderung............................................................................................549 Korruption .........................................................................................................567 Gebärdensprache vs. Lautsprache .....................................................................582 Etymologie ........................................................................................................626 Analogie ............................................................................................................659 Normierung .......................................................................................................675 Apologie ............................................................................................................720
TEIL III
EINHEIT UND VIELFALT Universalität und Verschiedenheit.....................................................................751 Besonderer Charakter einer Sprache .................................................................777 Universalsprache ...............................................................................................790 Sprachvergleich und Sprachtypus .....................................................................837 Dialekt ...............................................................................................................866 Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel................................................................882 Klarheit..............................................................................................................903 Wohlklang .........................................................................................................921 Reichtum ...........................................................................................................930 Universelle Geltung...........................................................................................945 Perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia............................................951
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Inhalt Band II
BAND II TEIL IV
SPRACHVERWENDUNG Gebrauch ...........................................................................................................967 Stil .....................................................................................................................975 Missbrauch ......................................................................................................1000 Übersetzung.....................................................................................................1020
TEIL V
GRAMMATISCHE BESCHREIBUNG Grammatik.......................................................................................................1039 Syntax..............................................................................................................1066 Satz ..................................................................................................................1088 Wortstellung / ordo naturalis / Inversion ........................................................1114 Wortarten.........................................................................................................1149 Nomen .............................................................................................................1171 Pronomen.........................................................................................................1199 Verb .................................................................................................................1218 Partizip.............................................................................................................1262 Adverb .............................................................................................................1274 Konjunktion.....................................................................................................1292 Interjektion ......................................................................................................1310 Artikel..............................................................................................................1329 Partikel.............................................................................................................1338
TEIL VI
LEXIKALISCHE BESCHREIBUNG Bedeutung........................................................................................................1357 Metapher..........................................................................................................1400 Synonyme / Bedeutungsrelationen ..................................................................1420 Neologismen....................................................................................................1455 Wortbildung.....................................................................................................1470
TEIL VII
PHONETISCHE BESCHREIBUNG Stimme.............................................................................................................1493 Vokal ...............................................................................................................1517 Konsonant........................................................................................................1536 Laut vs Buchstabe............................................................................................1558 Artikulation .....................................................................................................1580 Prosodie / Akzent ............................................................................................1595
TEIL VIII
BESCHREIBUNG DER SCHRIFT Schrift ..............................................................................................................1663 Orthographie....................................................................................................1716 ANHANG Bibliographie ...................................................................................................1775 Personenverzeichnis ........................................................................................1859
Inhalt
IX AUFBAU DES LEXIKONS SPRACHTHEORETISCHER GRUNDBEGRIFFE DES 17. UND 18. JAHRHUNDERTS
Band I Einleitung .................................................. 1 I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken...135 II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung ..........451 III. Einheit und Vielfalt .................................751
Band II IV. Sprachverwendung ................................. 967 V. Grammatische Beschreibung...................1039 VI. Lexikalische Beschreibung .....................1357 VII. Phonetische Beschreibung ...................1493 VIII. Beschreibung der Schrift .....................1663
ALPHABETISCHES VERZEICHNIS DER STICHWÖRTER Adverb (V) ................................................. 1274 Analogie (II).................................................659 Apologie (II) ................................................720 Arbitrarität (I) ...............................................206 Artikel (V) ................................................. 1329 Artikulation (VII)........................................ 1580 Bedeutung (VI) ........................................... 1357 Besonderer Charakter einer Sprache (III) .........777 Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) (I) ...................343 Dialekt (III) ................................................. 866 Etymologie (II) .............................................626 Gebärdensprache vs. Lautsprache (II)..............582 Gebrauch (IV) ..............................................967 Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache (I) ..............................................426 Grammatik (V) ........................................... 1039 Interjektion (V) .......................................... 1310 Klarheit (III) .................................................903 Kognitive Funktion der Sprache (I) .................387 Konjunktion (V) ......................................... 1292 Konsonant (VII).......................................... 1536 Konvention (I) ..............................................219 Korruption (II) ..............................................567 Laut vs Buchstabe (VII)............................... 1558 Linearität (I) .................................................247 Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen) (I) ...............................160 Metapher (VI)............................................. 1400 Missbrauch (IV).......................................... 1000 Mitteilungsfunktion der Sprache (I) ................375 Natürliche Sprache (I) ...................................149 Natürlichkeit (I) ............................................230 Neologismen (VI) ....................................... 1455 Nomen (V) ................................................. 1171
Normierung (II) ........................................... 675 Orthographie (VIII) .....................................1716 Partikel (V).................................................1338 Partizip (V) ................................................1262 Perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia (III) ..................................... 951 Pronomen (V) ............................................1199 Prosodie / Akzent (VII) ................................1595 Reichtum (III) .............................................. 930 Satz (V)......................................................1088 Schrift (VIII) ..............................................1663 Spracherwerb (I) .......................................... 298 Sprachveränderung (II) ................................. 549 Sprachvergleich und Sprachtypus (III) ............ 837 Sprachverwirrung (II) ................................... 513 Stil (IV)....................................................... 975 Stimme (VII) ..............................................1493 Synonyme / Bedeutungsrelationen (VI) .........1420 Syntax (V) ..................................................1066 Übersetzung (IV) ........................................1020 Universalität und Verschiedenheit (III) ........... 751 Universalsprache (III) ................................... 790 Universelle Geltung (III) ............................... 945 Ursprache (II) .............................................. 485 Ursprung (II) ............................................... 451 Verb (V).....................................................1218 Vokal (VII).................................................1517 Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel (III) ....... 882 Wesen der Sprache (I) .................................. 135 Wohlklang (III) ............................................ 921 Wortarten (V) .............................................1149 Wortbildung (VI) ........................................1470 Wortstellung / ordo naturalis / Inversion (V) .1114 Zeichen und Idee (I) ..................................... 262
ANHANG Bibliographie.............................................. 1775
Personenverzeichnis ....................................1859
BAND I
EINLEITUNG
1. Anliegen des Lexikons sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts Das 17. und 18. Jahrhundert wurden in der Geschichtsschreibung des sprachtheoretischen Denkens mit anspruchsvollen Charakteristika versehen. Kennzeichnungen des 17. Jahrhunderts als âge classique (ROBINET 1978) und des 18. Jahrhunderts als Jahrhundert der Sprachdiskussion (RICKEN 1990: 66) sprechen für die Relevanz, die der Reflexion über Sprache, ihrer Normierung und ihrem Einfluss auf kognitive und soziale Handlungen zugeschrieben wurde. Dennoch fehlt bisher eine Darstellung der begrifflichen Grundlagen des Nachdenkens über Sprache in dieser Zeit, was damit begründet wird, dass sprachtheoretische und sprachbeschreibende Begriffsbildungen vor der Institutionalisierung der Sprachwissenschaft noch in den Anfängen waren. Gerade das Gewicht der Beschäftigung mit Sprache in beiden Jahrhunderten, die vielfältigen Kommunikationsprozesse zwischen Sprachgelehrten, Philosophen und Grammatikern und der Bedarf an Sprachbeschreibungen und theoretischen Reflexionen über Sprache brachten jedoch einen Konzeptualisierungsschub hervor, der für die nachfolgende Zeit wichtige Ansatzpunkte lieferte. Gegenstand des Lexikons sprachtheoretischer Grundbegriffe sind sprachbezogene Konzepte, in denen sich das Sprachdenken des 17. und 18. Jahrhunderts sowohl in synchroner Perspektive als auch in seiner Kontinuität gegenüber der Tradition, seiner epochenbezogenen Dynamik und als Konzeptualisierungsangebot für spätere Zeiträume darstellt. Mit dem Terminus Grundbegriffe soll dabei ein Typ von Begriffen erfasst werden, der sowohl im Sprachbewusstsein der Epoche als auch in der sprachtheoretischen Reflexion und in den verschiedenen Formen des praktischen Umgangs mit Sprache verankert ist. Da empirische Grundbegriffe einer wissenschaftlichen Theorie nicht zur Definitionsebene gehören, wurde darauf hingewiesen, dass sich Begriffe wie ‘Sprache’, ‘Recht’, ‘Krankheit’ oder ‘Politik’ nur schwer definieren lassen (BERSCHIN 1989: 52). Derartige nicht axiomatisch eingeführte und nicht definierbare Grundbegriffe sind jedoch interpretierbar. Ihre Interpretation besteht darin, dass dem Begriff ein empirisch überprüfbarer Wirklichkeitsbereich zugeordnet wird. Im Lexikon soll berücksichtigt werden, wie das mit den Grundbegriffen gegebene Konzeptualisierungsangebot später aufgenommen wird, inwiefern es Transformationen, Vergessensprozessen und Aufwertungen durch
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Einleitung
traditionskonstituierende Legitimation unterzogen wurde. Im Vordergrund steht jedoch die Rekonstruktion der authentischen Konzepte in ihren Text- und Argumentationszusammenhängen. Nur auf den ersten Blick entspricht der Gegenstand dieses Lexikons einem wirklich synchronen Schnitt durch die Entwicklung der Sprachtheorien. Der Zustand vieler Begriffe im 17. und 18. Jahrhundert wäre ohne die Berücksichtigung vorheriger Entwicklungen nicht schlüssig darzustellen gewesen und auch die Kontinuität vor und nach dem Untersuchungszeitraum wurde nicht ausgeblendet. Vor allem musste jedoch die Entwicklung in den beiden sprachtheoretisch außerordentlich reichen Jahrhunderten berücksichtigt werden. Einflüsse verschiedener Ansätze aufeinander, Diskussionen, in denen es zur Weiterentwicklung und Diversifizierung kam und die Differenzierung von Begriffen in unterschiedlichen nationalen Traditionen sind mindestens ebenso wichtig wie die statische Beschreibung der Begriffe und ihrer Konstituenten. Ziel dieses Lexikons ist es daher, Konzeptualisierungen im Sprachdenken vor der Zeit der Institutionalisierung der Sprachwissenschaft darzustellen, sie in ihrer spezifischen Ausprägung im 17. und 18. Jahrhundert zu betrachten und in längere Entwicklungen von der Antike bis zur Gegenwart einzuordnen. Dabei wurden auch die Bezeichnungen untersucht, unter denen die sprachbezogenen Begriffe in den beiden Jahrhunderten auftraten. Dass sich Geschichte in Konzeptualisierungen niederschlägt und Ergebnisse solcher Begriffsbildungen oft über Jahrhunderte tradiert und verändert werden, muss dabei ebenso bewusst sein wie die Tatsache, dass sich Begriffe nicht bloß als Bezeichnungen manifestieren, sondern in Texten entwickelt werden. So werden in diesem Lexikon teilweise Begriffe in textuellen und diskursiven Zusammenhängen untersucht, denen keine spezifischen authentischen Bezeichnungen entsprechen (ĺ Spracherwerb; ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Das Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe soll über die wichtigsten Begriffe des Sprachdenkens des 17. und 18. Jahrhunderts, ihre Entfaltung und Vernetzung Auskunft geben. Es werden fünfundsechzig Begriffe beschrieben, von denen sich einige in weitere untergeordnete Begriffe aufgliedern. Vielfach war es notwendig, auch die vorangegangene Entwicklung der Begriffe seit der Antike zu berücksichtigen und Kontinuitäten, aber auch Umdeutungen aufzuzeigen. Ebenso wird die nachfolgende Entwicklung, die auf den Begriffen des 17. und 18. Jahrhunderts beruht, in ihrer Kontinuität und Diskontinuität beschrieben. Angestrebt wurde eine möglichst breite europäische Perspektive, was sich in der obligatorischen Einbeziehung lateinischer, deutscher, englischer und französischer Werke und – entsprechend ihrer Relevanz für die einzelnen Be-
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griffe und der Verfügbarkeit – auch von Schriften in anderen Sprachen (Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Russisch) äußert. Das Anliegen des Lexikons sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts unterscheidet sich von dem in Wörterbüchern sprachwissenschaftlicher Begriffe1 verfolgten Ziel, insofern diese eine vollauf berechtigte synchrone, auf die Gegenwart bezogene Orientierung haben, die durch einzelne historische Verweise untersetzt sein kann. Wollte man in ihnen historischen Informationswert erreichen, so müssten sie den Entwicklungsstand der Begriffe zu einer bestimmten Zeit darstellen und sie in ihrer Vernetzung mit früheren Zeiträumen erfassen. Gegenwartsbezogene Lexika der linguistischen Terminologie besitzen für historiographisches Arbeiten in erster Linie Indikatorenwert im Hinblick auf Stereotypenbildungen über “Vorgeschichten” und “Ursprünge” von Begriffsbildungen. Dies bezieht sich in erster Linie auf die Festlegung eines Autors oder Textes als Referenz für bestimmte Konzepte. Da solche Aussagen sich an den geläufigen und auch für heutige objektbezogene Aussagen grundlegenden Vorstellungen über den Ablauf wissenschaftshistorischer Prozesse orientieren, sind sie auch dann relevant, wenn sie wissenschaftsgeschichtlich nicht der Wahrheit entsprechen. Es muss berücksichtigt werden, dass die Festlegung auf einen Autor als Schöpfer einer bestimmten Konzeptualisierung von vielfältigen Faktoren, insbesondere von den Wirkungsbedingungen des privilegiert behandelten Textes und dem Relationsgefüge, in dem die fragliche Begriffsbildung steht, abhängt. Andererseits muss im Interesse der wissenschaftsgeschichtlichen Wahrheitsfindung festgestellt werden, dass solche Fehlzuweisungen von Begriffsbildungen die Historiographie der Sprachwissenschaft besonders nachhaltig behindern können und durch solide begriffsgeschichtliche Forschungen zu korrigieren sind. Inwieweit begriffsgeschichtliche Forschungen auch in gegenwartsbezogene Wörterbücher der sprachwissenschaftlichen Terminologie eingehen können, wird sicher von deren Zielstellung abhängen. Es scheint jedoch ein durchaus erstrebenswertes Ziel zu sein, Ergebnisse und Relevanz historiographischen Arbeitens auf die heutige Linguistik zu beziehen. Zugleich unterscheidet sich das Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts auch von historiographischen Arbeiten, die mit personen-, sozial-, epochen- oder institutionengeschichtlichen Ansätzen Gegenstände aus der Geschichte der Sprachtheorien behandeln. Die Historiographie der Sprachwissenschaft ist auch heute noch dort am ehesten erfolgreich, wo sie sich aus historisch-philologischen Zusammenhängen heraus entwickelt und dabei im Grunde mit einer Geschichte und Deutung von Texten 1
Stellvertretend für derartige Lexika sei SCHAD 2007 genannt.
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einhergeht.2 Es soll damit nicht gesagt werden, dass dies der einzig mögliche Zugang ist. Arbeiten zur Historiographie der Sprachwissenschaft gehen vielfach davon aus, dass ein klar definierter Objektbereich nur dort anzutreffen wäre, “wo sie als eigenständige Disziplin mit eigenen, wohldefinierten Forschungsprogrammen und eigenen beruflichen Organisationsformen anerkannt und etabliert ist” (AUROUX / KOERNER / NIEDEREHE / VERSTEEGH 2000–2006: I, XXXVII). Für den Zugang zum Sprachdenken des 17. und 18. Jahrhunderts müssen wir auf derartige klare Bezugspunkte verzichten. Auch die im Handbuch Geschichte der Sprachwissenschaften getroffene Unterscheidung von “vorherrschender” Lehre und “unterschwelligen” Richtungen erweist sich für die Zeit vor der Institutionalisierung der Sprachwissenschaft als zu grob. Zwar wird sie der Tatsache gerecht, dass sich in der Geschichte der Sprachwissenschaft kaum Richtungsänderungen aufzeigen lassen, die durch den plötzlichen Zusammenbruch früherer Forschungsprogramme oder irgendwelcher revolutionärer Entdeckungen hervorgerufen worden wären (AUROUX / KOERNER / NIEDEREHE / VERSTEEGH 2000–2006: I, XL) und kennzeichnet damit die Kuhnsche These vom Paradigmenwechsel als für die Sprachwissenschaft nicht anwendbar. Für die Bestimmung eines Autors oder eines Textes als “vorherrschend” oder “unterschwellig” ist jedoch eine Differenzierung der Richtungen des Erkenntnisinteresses und der theoretischen Ausrichtungen erforderlich, die durchaus zu mehreren “vorherrschenden” Lehren oder zur Einordnung eines Textes als “vorherrschend” und “unterschwellig” zugleich führen kann. Obwohl das Lexikon Sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts hinsichtlich der Breite der Anlage und seiner begriffsgeschicht2
Als für den behandelten Zeitraum wichtige Arbeiten vgl. z. B. ARCHAIMBAULT 1999a, ARCHAIMBAULT 1999b, AYRES-BENNETT 1987, BAHNER 1984, CHEVALIER 2006 [1968], DE CLERCQ / LIOCE / SWIGGERS 2000, DENGLER 2003, GARDT 1999, GÓMEZ ASENCIO 1981, GÓMEZ ASENCIO 2006, HOVDHAUGEN / KARLSSON / HENRIKSEN / SIGURD 2000: 24129, KEIPERT 2004, LINN / MCLELLAND 2002, NEUMER 2005, SWIGGERS 1997, SWIGGERS 1984, SWIGGERS 1986, TIEKEN-BOON VAN OSTADE 2006, 2008. Methodologisch relevant sind z. B. ARCHAIMBAULT 2006, AUROUX 2006, AUROUX / COLOMBAT / LALLOT 1998, COLOMBAT / SAVELLI, 2001, BUBLITZ 1994, CHEVALIER 1984, CRAM 2003, DUTZ 2000, DUTZ 2003, EICHINGER 1996, FOURNIER / RABY 2006, KOERNER 2006, KOSELLECK 2006, LECOINTRE 2000, MEIER 2005, ROBINS 1973, ROBINS 1974, SCHMITTER 1987, SCHMITTER 2003, VERSTEEGH 2006. Innovativ ist in diesem Zusammenhang das Corpus représentatif des grammaires et des traditions linguistiques (http://ctlf.ens-lsh.fr/default.htm), das von Bernard COLOMBAT geleitet wird (vgl. auch COLOMBAT 1998a, 1998b, 2000) und eine Verfügbarkeit der wichtigsten Texte der Geschichte der Sprachwissenschaft im Internet anstrebt. Im Zentrum des Projekts stehen nicht die Autoren und damit bio-bibliographische Verfahren, sondern die Texte selbst in ihrem theoretischen Wert, aber auch in ihrer Materialität, ihrer Entwicklung und ihren Varianten und nicht zuletzt in ihrem Gewicht als Institutionen.
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lichen Orientierung Neuland betritt, stützt es sich auf die Ergebnisse früherer Forschungen. Die Geschichte der Sprachwissenschaft ist zwischen dem Ende der sechziger und dem Beginn der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts als eigenständige Disziplin in Erscheinung getreten. Eine Beschäftigung mit der Geschichte der Sprachreflexion gab es jedoch schon wesentlich früher. Ein früher Versuch einer Geschichte der Grammatik wurde noch in unserem Untersuchungszeitraum unternommen. Es handelt sich um den Discours Préliminaire, den François THUROT unter dem Titel Progrès de la Science Grammaticale zu einer 1796 publizierten Übersetzung des Hermes (1751) von James HARRIS publiziert hatte. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erschienen umfangreichere wissenschaftsgeschichtliche Darstellungen, die vor allem der Klassischen Philologie gewidmet waren, wie zum Beispiel die Sprachphilosophie der Alten (1838–1841) von Laurenz LERSCH oder die Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern (1863) von Heymann STEINTHAL. Eine Reihe von Arbeiten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (BENFEY 1869, RAUMER 1870, BURSIAN 1883) berücksichtigten längere Perioden der Geschichte der Sprachwissenschaft, blieben jedoch auf eine historiographische Rechtfertigung des damaligen Wissenschaftsverständnisses fokussiert. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts erschien, wohl nicht unwesentlich ausgelöst durch Noam CHOMSKYs Cartesian Linguistics (1966), eine beachtliche Zahl von Hand- und Lehrbüchern zur Geschichte der Sprachwissenschaft. Ein größeres wissenschaftliches Interesse dokumentiert die zweibändige Historiography of Linguistics, die 1975 erscheint und die von Thomas A. SEBEOK herausgegebenen Current Trends in Linguistics beschließt. Seit den siebziger Jahren wurden verstärkt methodologische und epistemologische Fragen der Geschichte der Sprachwissenschaft behandelt und es entstanden Zeitschriften, die ausschließlich diesem Gegenstand gewidmet sind (Historiographia Linguistica seit 1973, Histoire, Épistémologie, Langage seit 1979, Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft seit 1991). Auch aus den Akten der seit 1978 im dreijährigen Abstand stattfindenden International Conference on the History of the Language Sciences lässt sich ein vertieftes Interesse an der Geschichte der Disziplin ablesen. Umfassende Überblicksdarstellungen geben heute Auskunft über die Geschichte der Sprachwissenschaft und der Sprachtheorien, wobei auch außereuropäische Richtungen gebührend gewürdigt werden. An erster Stelle ist dabei das Handbuch History of the Language Sciences – Geschichte der Sprachwissenschaften (3 Bände, 2000, 2001, 2006) zu erwähnen, das einen Überblick über alle Traditionen und alle Epochen von der Antike bis zur Gegenwart bietet (AUROUX / KOERNER / NIEDEREHE / VERSTEEGH 2000–2006). Von 1987 bis 2007 erschienen sechs Bände der von Peter SCHMITTER herausgegebenen
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Einleitung
Reihe Geschichte der Sprachtheorie, ähnliche Ziele verfolgen auch die von Sylvain AUROUX herausgegebene Histoire des idées linguistiques (3 Bände, 1989–2000) und die dreibändige Storia della linguistica (1990–1994) von Giulio LEPSCHY (englische Fassung History of linguistics, 1994–1996). In der von KOERNER und ASHER herausgegebenen Concise History of the Language sciences: From the Sumerians to the Cognitivists (1995) wird ein Überblick über die wichtigsten Traditionen und den aktuellen Forschungsstand der verschiedenen Schulen der Sprachwissenschaft des 20. Jahrhunderts gegeben. Derartige Überblicksdarstellungen die dem Informationsbedarf über die verschiedenen Entwicklungsstadien der Sprachtheorien Rechnung tragen und dabei im Idealfall auch die Diversität regionaler Traditionslinien berücksichtigen, werden durch personenbezogene Lexika, die in den neunziger Jahren beachtliche Dimensionen annahmen, ergänzt. Erwähnt seien das von Harro STAMMERJOHANN herausgegebene Lexicon Grammaticorum (1996), das von Herbert E. BREKLE edierte Bio-bibliographische Handbuch zur Sprachwissenschaft des 18. Jahrhunderts (1992–2005), das Biographien der Grammatiker, Lexikographen und Sprachtheoretiker des deutschsprachigen Raumes sowie Beschreibungen ihrer Werke enthält, und das Biographische und bibliographische Lexikon der Fremdsprachenlehrer des deutschsprachigen Raumes, Spätmittelalter bis 1800 (2001) von Konrad SCHRÖDER. Gleichfalls eine personengeschichtliche Zielstellung verfolgen Ernst EICHLER mit Slawistik in Deutschland von den Anfängen bis 1945 und das Marbacher Internationale Germanistenlexikon 1800–1950 (KÖNIG 2003). Keines der genannten Nachschlagewerke erlaubt jedoch einen begrifflichen Zugriff auf das über Jahrhunderte angesammelte Sprachdenken, was die Relationierung früherer begrifflicher Inhalte zu den Kontexten der einzelnen Epochen und zu heutigen sprachtheoretischen Themen erschwert. Aus dieser Situation ergibt sich eine Reihe von Aufgaben für die heutige Geschichtsschreibung der Sprachtheorien, die auf dem Hintergrund umfassender Kompendien und der zunehmenden digitalen Verfügbarkeit der Primärtexte transversale Fragen aufwerfen muss. An erster Stelle sei die historisch-relativierende Funktion genannt, die dazu ermutigen kann, spannende Fragestellungen zu entdecken und sie als solche zu behandeln, auch wenn die heute dominanten Forschungsprogramme nicht dazu anhalten. In diesem Sinne könnte es z. B. durchaus interessant sein, in einer “exotischen” Sprache auf eine grammatische Kategorie zu stoßen und nach dem Ausdruck der mit ihr verbundenen Funktion auch dort zu fragen, wo die Tradition der Grammatikschreibung sie nicht kennt. Für die Historiographie ergeben sich daraus interessante Anstöße, etwa im Zusammenhang mit der Erklärung, warum Grammatiken so und nicht anders geschrieben wurden. Eine
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solche Blickrichtung wird verstellt, wenn man sich von vornherein auf den Standpunkt dominanter Kategoriensysteme begibt und sich weigert, deren historische Relativität anzuerkennen. Eine weitere, durch die Entwicklungen der letzten Jahre weitgehend vergessene Funktion der Geschichtsschreibung der Sprachtheorien ließe sich als die sprachtheoretisch-heuristische bezeichnen. Es ist anzunehmen, dass die Summe der Gesichtspunkte, unter denen Sprache im Verlauf der theoretischen Diskussion betrachtet wurde, größer ist und ein vielfältigeres Bild liefert als die heute zur Diskussion stehenden Ansätze. Eine Historiographie, die sich dieser Frage bewusst ist, wäre auch bereit, einen Beitrag zur Historisierung des “Gedächtnisses” der Sprachwissenschaft zu leisten. Zweifellos würden dabei auch verstärkt Beziehungen zu philosophischen Positionen und externen Anforderungen an sprachwissenschaftliches Arbeiten zu verschiedenen Zeiten ins Blickfeld treten. Schließlich kann die Geschichte der Sprachwissenschaft auch in einem kulturhistorischen Kontext einen beachtlichen Stellenwert erhalten. Das Nachdenken über Sprache, Normierungsbestrebungen bei der Herausbildung der Nationalsprachen, Wertzuweisungen anhand sprachlicher Kriterien und nicht zuletzt die Definition sprachlicher Identitäten können zu kulturhistorischen Fragestellungen führen, die ohne die Mitwirkung von Historiographen der Sprachwissenschaft nicht kompetent bearbeitet werden können. Begriffsgeschichtliche Forschungen insbesondere über längere Zeiträume verführen leicht zur Annahme einer Selbstbewegung der Begriffe, bei der auf die Betrachtung der Bedingungen ihres Entstehens und Wirkens sowie letztlich auch der Absichten der Akteure der Begriffsverwendung verzichtet wird. Der Einfluss der Professionalisierung und weiterer gesellschaftlicher Determinanten auf die Entwicklung der Sprachwissenschaft in späteren Epochen wird bei der hier vorgeführten begriffsgeschichtlichen Betrachtungsweise nicht unterschätzt, wird aber nur vereinzelt thematisiert werden können. Es erscheint uns berechtigt, Konzeptualisierungen in Texten zu betrachten und einen solchen Zugang, der sich als gleichberechtigt neben anderen Methoden der Historiographie der Sprachwissenschaft versteht, zu verfolgen. Eine gewisse methodologische Verkürzung ist bei der Untersuchung von Begriffen zweifellos gegeben. Sie erfordert komplementäre Arbeiten, die eine Berücksichtigung der Konzeptualisierungsprozesse erlauben. Neben institutionengeschichtlichen, biographischen und wissenssoziologischen Forschungen hat sich die Rekonstruktion von Wissensbeständen und ihrer Verarbeitung in Texten als besonders tragfähiger Zugang erwiesen. Auch unabhängig von den institutionellen, sozialen und personellen Bedingungen ihres Entstehens können Texte wirken und Traditionszusammenhänge herstellen. Sie können kon-
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stitutiv für die Entstehung von Forschungsprogrammen und Forschergemeinschaften werden, die nur über Bezugstexte zueinander in Relation stehen.
2. Sprache im 17. und 18. Jahrhundert 2.1. Stellenwert sprachtheoretischer Begriffe im 17. und 18. Jahrhundert Im 17. Jahrhundert trat das Thema Sprache in zwei wichtigen Zusammenhängen ins Blickfeld. Einerseits wurde die Frage, inwiefern das Wesen des Menschen durch sein Verfügen über die Sprache bestimmt ist, aktuell. Andererseits begann man den Vorteil der Kommunikation in den Vernakularsprachen, die sich im Gebrauch entwickelt hatten, zu erkennen und wandte sich ihrer Normierung zu. Muster, die aus der Antike und der Zeit des Humanismus für den philosophischen und praktisch beschreibenden Umgang mit Sprache überliefert waren, wurden aufgegriffen, umgedeutet und durch Neues ergänzt. Das Sprachdenken der Zeit war durch eine Mischung narrativer und begrifflich rationaler Reflexionsformen gekennzeichnet, die sich gegenseitig ergänzten. Während begriffliches Denken versucht, wesentliche Eigenschaften eines Gegenstands zu erfassen und rational zu ordnen, wollen die narrativen Formen der Sprachreflexion Sprache nicht als begriffenes, sondern als zu begreifendes Objekt repräsentieren (KÖLLER 2006: 5). Insofern sind sie auch immer als Formen einer unbegrifflichen Sprachphilosophie zu verstehen, die eher an der Ausarbeitung von Fragen als an der Formulierung von Antworten interessiert ist. Im Unterschied zu vorwiegend begrifflichen Beschreibungsund Reflexionsformen können narrative Formen der Sprachreflexion komplexe Zusammenhänge auf exemplarische Weise veranschaulichen. Sie müssen nicht zu wahren oder zumindest wahrheitsfähigen Sätzen über das Phänomen Sprache führen, sondern können zufällige Erlebnisse mit Sprache erzählen oder analogisierende und assoziative Zugänge zu ihr vermitteln. Doch auch in narrativen Darstellungen der Sprache, ihrer Erscheinungsformen und Entwicklungen finden sich schon früh Ansätze begrifflicher Reflexionsformen wieder, die sich erfassen und beschreiben lassen. Wir bezogen daher als Grundlage des Lexikons sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts durchaus auch essayistische und erzählende Texte ein, die nicht primär auf Aussagen zur Sprache abzielen. Aussagen zum Wesen der Sprache kamen im 17. Jahrhundert zunächst vor allem in philosophischen Schriften vor, die sich mit der Abgrenzung von Mensch und Tier befassten (ĺ Wesen der Sprache). Bereits MONTAIGNE hatte mit seiner Darstellung der Handlungen der Tiere, die sich selbst verteidigen und durch hoch entwickelte Sozialisationsformen ihre Bedürfnisse befriedigen können, die Vertreter der traditionellen Ansicht, die dem Menschen eine privi-
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legierte Stellung zuwiesen, herausgefordert. Er ging so weit, die Differenzen zwischen den einzelnen menschlichen Rassen als größer als den Unterschied zwischen dem Menschen als Gattung und den Tieren zu betrachten. Das Konzept der ‘Sprache’ wurde in diesem Kontext über die Lautsprache hinaus ausgeweitet. Von den Tieren verwendete Zeichen betrachtet MONTAIGNE als Sprache, unabhängig davon, ob sie die Menschen verstehen (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Ebenso schätzt er alle von den Menschen gesprochenen Sprachen als gleichwertig ein und es liege an den Menschen, wenn sie sie nicht verstünden. Die Vielzahl der zur Kommunikation verwendeten akustischen und gestischen Zeichensysteme lasse keine Hierarchie zu. Neben der unmittelbaren anthropologischen Konsequenz, die eine Begründung der Überlegenheit des Menschen mit dem Gebrauch der Lautsprache in Frage stellt, ergab sich daraus auch eine neue Bewertung der Vielfalt der menschlichen Sprachen, die nicht mehr nur als Strafe für das hochmütige Verhalten der Menschen beim Turmbau von Babel angesehen, sondern als Gegebenheit betrachtet wurde, die vielleicht auch eine Chance in sich birgt. Eine Schlüsselstellung für die sprachphilosophische Diskussion des 17. Jahrhunderts nimmt DESCARTES’ Philosophie ein, von der auch CHOMSKY den Titel seines Buches Cartesian Linguistics (1966) abgeleitet hat. Sicher konnten nicht die wenigen expliziten Aussagen DESCARTES’ zur Sprache CHOMSKY zu dieser Bezeichnung veranlassen. Möglicherweise haben gerade die “Leerstellen” und der durch sie herausgeforderte Interpretationsbedarf eine Tradition eröffnet. Die historiographischen Wellen, die CHOMSKYs Cartesianische Linguistik schlug, sollen hier nicht nachgezeichnet werden, zumal sie das Anliegen des Buches, das sicher nicht zu den wichtigsten seines Autors gehört, in den seltensten Fällen treffen. Zweifellos gab jedoch das Erscheinen von CHOMSKYs Buch einen wichtigen Anlass für die Beschäftigung mit den Sprachtheorien des 17. und 18. Jahrhunderts in den letzten Jahrzehnten. Nach der Veröffentlichung des Discours de la méthode (1637) hatte das “montaignistische” Lager eine Gegenposition zum Cartesianismus entwickelt, die insbesondere DESCARTES’ These vom Tierautomatismus als Paradoxon darstellte und sie in ihrem argumentativen Bruch zum Rest des Discours kritisierte (vgl. GONTIER 1996: 168). DESCARTES hatte den Tieren lediglich die Fähigkeit zugestanden, mechanisch auf Gegebenheiten der Umwelt zu reagieren; ebenso wie bei Automaten seien diese Reaktionen stets situationsabhängig und ließen nicht auf eine Verarbeitung im Denken schließen. Der menschliche Geist, für den er das Vorhandensein von Sprache als Kriterium annimmt, stellt sich nach DESCARTES als eine grundlegend von allem Materiellen, darunter auch den materiellen Lautäußerungen der Sprache, getrennte Substanz dar. Natürlich war DESCARTES das Provozierende an der Annahme des Tierautomatismus nicht entgangen. Im fünften Teil des Discours wechselt der Ton der Darlegung von strenger Beweisführung zu deutlicher Polemik. Die Argu-
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mentation orientiert sich nicht mehr an der methodischen Ordnung, der die Rekonstruktion der Welt und der Stellung des Menschen in ihr gefolgt war, dafür wird eine dialektische Argumentationsweise eingeführt, die Argumente des Gegners vorführt und widerlegt. DESCARTES will damit der Provokation begegnen, die MONTAIGNEs Darstellung der Tiere für die Wissenschaften und die Theologie darstellte. Nicht nur ein radikaler Skeptizismus konnte durch MONTAIGNE unterstützt werden, sondern seine Anhänger legten zu DESCARTES’ Zeit auch eine materialistische Psychologie nahe, die das menschliche Erkenntnisvermögen auf körperliche Wahrnehmungen reduzierte und damit die Beweisbarkeit der unsterblichen Seele untergrub. In der Annahme einer unüberbrückbaren Kluft zwischen dem durch die res cogitans bestimmten Wesen des Menschen und dem der Tier-Automaten fand sich ein sicherer Weg zur Abwehr dieser Tendenzen. Bei DESCARTES gibt es zunächst zwei Gruppen von Beweisen des Tierautomatismus, die beide ausschließender Natur sind. Die erste Gruppe von Beweisen eines grundsätzlichen Unterschieds zwischen dem seelenlosen Tier und dem aufgrund seiner Sonderstellung in jeder Situation anpassungsfähigen Menschen ergibt sich aus seiner Sprachfähigkeit, die Tiere und konstruierte Automaten nie erreichen würden (DESCARTES AT VI: 56-57). Gegenüber der mechanischen und körperlichen Seite der Sprachproduktion wird hier eine nicht nur reaktive Fähigkeit zur sprachlichen Äußerung zum unterscheidenden Kriterium des Menschen erklärt. In der zweiten Gruppe von Beweisen dafür, dass Tiere keine Seele haben, stellt DESCARTES im Discours de la Méthode fest, dass Tiere zwar einige Handlungen sogar besser ausführen als die Menschen, aber nicht nach einer universellen Vernunft, nicht frei von sehr speziellen Umständen handeln können (DESCARTES AT VI: 57). Im Discours de la Méthode war DESCARTES bei der Unterscheidung einer universellen geistigen Anpassungsfähigkeit des Menschen und eines entsprechenden sprachlichen Ausdrucksvermögens offensichtlich von der Unterscheidung der Stoiker zwischen Innerem und Äußerem angeregt worden, er stellt jedoch diese Symmetrie nicht im klassischen Sinne her. In späteren Briefen verschwindet sie sogar zunehmend, so schreibt er im Brief an NEWCASTLE vom 23. November 1646 nicht mehr von einer Nicht-Universalität der Handlungen der Tiere, die er noch kurz zuvor gegen einen montaignistischen Einwand als Beweis für die Besonderheit des menschlichen Denkens herangezogen hatte (vgl. GONTIER 1996: 447). Noch deutlicher bleibt im Brief an MORUS vom 5. Februar 1649 die Sprache als einzige Form übrig, in der sich das vom Körper verhüllte und eingeschlossene Denken zu erkennen gibt (DESCARTES AT V: 344-345: quae sola cogitationem in corpore demonstrat). Im Grunde reduziert sich DESCARTES’ Beweisführung damit auf folgenden Schluss: 1. Es ist unmöglich, dass eine Maschine sprechen kann, 2. Das Tier kann nicht sprechen,
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3. Es ist also eine seelenlose Maschine. Mit der Umkehrung des ersten Satzes zu einer Prämisse (‘Was nicht sprechen kann, ist eine Maschine’) ist der Ansatz für eine hohe Gewichtung der Sprache bei DESCARTES gegeben. Dieser Ansatz wird jedoch nicht weiter ausgeführt und von daher den unterschiedlichsten Deutungen preisgegeben. Wenn der Verweis auf die Sprachfähigkeit in den Briefen an NEWCASTLE und MORUS als einziges Argument für die Sonderstellung des Menschen gegenüber den als Automaten aufgefassten Tieren übrig bleibt, wird zudem der Sprache gewissermaßen die Universalität des Handelns des Menschen, das vernunftgeleiteten und nicht wie bei den Tieren rein mechanischen und reaktiven Prinzipien folgt, übertragen. Im gleichen Maße tritt die materielle Gestalt nicht nur der menschlichen Handlungen allgemein, sondern auch der sprachlichen Handlungen in den Hintergrund. Wie bereits für den Discours de la méthode festgestellt, hatte DESCARTES deutlich zwischen einer materiellen Perfektion des Automaten und seiner Sprach- und universellen Handlungsfähigkeit unterschieden. Ebenso wie eine Uhr die Zeit besser messen könne als der Mensch, könne ein Tier für bestimmte Verrichtungen durch seine organische Disposition sogar besser eingerichtet sein (DESCARTES AT VI: 59). Im Hinblick auf die Sprachfähigkeit können dagegen auch noch so wohl konstruierte Tiere und Automaten nicht einmal mit den zurückgebliebensten und stumpfsinnigsten Menschen mithalten (DESCARTES AT VI: 57). Von daher ist es durchaus möglich, dass Papageien oder andere Tiere sprachliche Äußerungen ebenso oder besser von sich geben als Menschen, sie werden jedoch nicht in der Lage sein, sie der Vernunft entsprechend einzusetzen und zu verstehen zu geben, dass sie denken, was sie sagen. Dagegen erfinden Menschen, die taub und stumm geboren sind, sich selbst Zeichen zum Ausdruck ihrer Gedanken, da die menschliche Natur danach verlangt. Der Unterschied zwischen den Tieren und den Menschen ist für DESCARTES somit kein gradueller, der durch besonders hervorragende oder depravierte Vertreter einer Gattung in der einen oder anderen Richtung zu überwinden wäre, sondern ein unüberbrückbarer und durch das Vorhandensein von Vernunft beim Menschen gegebener (DESCARTES AT VI: 58). Die generelle und auf Universalität zielende Bestimmung der Sprachfähigkeit als entscheidendes Wesensmerkmal des Menschen legte ebenso wie DESCARTES’ Anliegen, metaphysische Wahrheiten mindestens so einsichtig wie geometrische Beweise werden zu lassen, Hoffnungen in die kognitive Funktion einer Universalsprache nahe (DESCARTES AT I: 143-144; (ĺ kognitive Funktion der Sprache). In einem Brief an MERSENNE vom 20. November 1629 wirft DESCARTES einige Fragen zu einem Universalsprachenprojekt auf.3 3
Zur Autorschaft des Projekts vgl. GAUKROGER 1995: 200-201. Vieles spricht dafür, dass es sich um einen Autor Namens DES VALLÉES handelt, von dem bereits im 17. Jahrhundert
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DESCARTES ist von dem Projekt einer neuen Universalsprache (ĺ Universalsprache) nicht sehr beeindruckt, verwirft es aber auch nicht von vornherein grundsätzlich. Er hält es für durchaus denkbar, einfache Wörter und Symbole in einer solchen Sprache so festzulegen, dass sie sehr schnell gelernt werden kann, und zwischen diesen Elementen eine Ordnung festzulegen, wie sie der ‘natürlichen’ Ordnung entspricht. So wie man alle Zahlen an einem einzigen Tag lernen und sie in jeder beliebigen unbekannten Sprache aufschreiben kann, könnte man dann mit allen Wörtern verfahren, die notwendig wären, um alle dem Menschen möglichen Gedanken auszudrücken. Wenn dieses Geheimnis gelüftet und eine solche Sprache erfunden würde, würde sie bald über die ganze Welt verbreitet, weil jeder gerne fünf oder sechs Tage für das Erlernen einer Sprache aufwenden würde, in der er dann von jedem verstanden werden könnte. Offensichtlich habe der Autor des Projekts aber weniger daran gedacht, zumindest erinnere nichts in dem Projekt daran. Vor allem würde die Erfindung einer solchen Sprache aber den Besitz der wahren Philosophie voraussetzen, denn sonst wäre es nicht möglich, die Ideen der Menschen zu benennen und anzuordnen, oder auch nur diejenigen zu unterscheiden, die klar und einfach sind, was im Erwerb von Wissen(schaft) (scientia) das größte Geheimnis sei. Wenn es jemandem gelingen würde, die einfachen Ideen zu erklären, aus denen alle komplexen Gedanken zusammengesetzt sind, und wenn diese Erklärung allgemein anerkannt wäre, so ließe sich auf eine universelle Sprache hoffen, die leicht zu lernen, zu sprechen und zu schreiben wäre. Vor allem würde eine solche Sprache unser Denken durch das klare Repräsentieren der Gegenstände so unterstützen, dass es fast unmöglich wäre, sich zu irren. In Wirklichkeit haben aber fast alle Wörter unklare Bedeutungen, und das menschliche Denken hat sich so an sie gewöhnt, dass fast nichts mehr vollkommen verstanden werden kann. Nimmt man nun an, dass eine solche Sprache möglich wäre und dass das Wissen, auf dem sie beruhen müsste, entdeckt werden könnte, so wären Bauern in die Lage versetzt, besser zu urteilen als es Philosophen (ohne diese Sprache) jetzt sind. Man kann aber nicht darauf hoffen, jemals eine solche Sprache im Gebrauch zu sehen, denn dafür müsste sich die natürliche Weltordnung ändern. Die Welt müsste ein irdisches Paradies werden (DESCARTES AT I: 80-82). Die Universalsprache, von der DESCARTES hier spricht, ist künstlich im Sinne von a priori ohne Berücksichtigung der Gestalt vorhandener Sprachen gesetzt und beruht auf den klaren und einfachen Ideen, zu denen wir durch das natürliche Licht des Verstandes geführt werden. Eine solche Universalsprache ist jedoch für DESCARTES die einzige ‘natürliche’ (ĺ natürliche Sprache;
Charles SOREL und TALLEMENT Ursprache entdeckt.
DE
RÉAUX feststellen, er habe eine langue matrice oder
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ĺ Universalsprache), während die im alltäglichen Gebrauch befindlichen Sprachen ‘künstlich’ sind, insofern sie äußerlichen Zufälligkeiten folgen. Die von der sprachlichen Alltagserfahrung abweichende Verwendung des Begriffspaars ‘natürlich’ (der Ratio entsprechend) / ‘künstlich’ (zufällig, historisch gegeben) entspricht der bis heute gängigen Festlegung in der kognitiven Linguistik und hat immer wieder Diskussionen ausgelöst. Von DESCARTES’ Aussagen zur Universalsprache im Brief an MERSENNE lassen sich einige Parallelen zu seiner Darstellung des Niedergangs der Rhetorik in einem achtzehn Monate vorher geschriebenen offenen Brief an JeanLouis GUEZ DE BALZAC feststellen. Aus diesem Brief lässt sich ein Sprachdenken rekonstruieren, nach dem DESCARTES eine reine ‘natürliche’ Ursprache angenommen hat, diese sei jedoch durch Perversionen der Rhetorik und Emotionen der Seele verloren gegangen (ĺ Ursprache). Mit deutlichen politischen Untertönen wird eine hypothetische Rekonstruktion der Sprache im ursprünglichen Zustand angedeutet. In ursprünglichen, vor der Zivilisation liegenden Zeiten, bevor es Streit in der Welt gab und als Sprache naiver und spontaner Ausdruck von Emotionen einer transparenten Seele war, entsprach die Eloquenz herausragender Geister einer göttlichen Kraft, deren Ursprung im Streben nach Wahrheit und Gemeinwohl lag. Diese Kraft brachte Halbwilde aus den Wäldern heraus, gab Gesetze, gründete Städte und gab die Macht sowohl zum Herrschen als auch zum Überzeugen. Später wurde die Eloquenz unter den Griechen und den Römern durch Streitigkeiten vor Gerichten und häufigen Gebrauch in politischen Reden korrumpiert (ĺ Gebrauch). Sie wurde an das gemeine Volk weitergegeben, das kein Interesse an der Verteidigung der Wahrheit im ehrlichen Kampf hatte und auf Sophismen und leere Wörter zurückgriff. Dabei kam es auch vor, dass fähige Menschen irregeleitet wurden, zumal es keinen Grund mehr gab, um Ruhm zu streiten (DESCARTES AT I: 9). Sprache muss deshalb nach dem Maßstab klarer und einfacher Ideen neu gestaltet werden. Die Sprache, in der wir denken, widerspiegelt sich nicht mehr in der Sprache, in der wir sprechen und schreiben, aber letztere könnte unter idealen Bedingungen prinzipiell so reformiert werden, dass sie in der Lage wäre, unsere Gedanken direkt und transparent zu erfassen (vgl. auch GAUKROGER 1995: 202). MERSENNE war im Hinblick auf die Möglichkeit, eine solche auf universeller Harmonie basierende Universalsprache tatsächlich zu schaffen, optimistischer. Gestützt auf DESCARTES’ Vorstellung von der Konstruktion einer solchen Sprache auf der Basis einfacher Ideen und diese Ideen in Analogie zur Mathematik anordnend, untersuchte er die mathematische Möglichkeit der Schaffung neuer Wörter zur Benennung aller Dinge, die im Rahmen einer wissenschaftlichen Klassifizierung stehen müssen (MERSENNE 1636: I, 47-50) (ĺ Universalsprache). Eine ideale Sprache (la meilleure langue) muss für MERSENNE ebenso wie für DESCARTES auf eindeutigen Begriffen basieren, die
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kurz und präzise bestimmt werden können. Im Sinne der sprachlichen Ökonomie plädiert MERSENNE zudem für kurze Wörter, die maximal aus vier Buchstaben bestehen sollten. Grundprämissen einer Universalsprache sind für ihn Kürze und Einfachheit ihrer Elemente, leichte Verständlichkeit ihres Lexikons und geringer mnemotechnischer Aufwand. MERSENNEs Vorschläge zum idiome universel sind in unmittelbarem Kontext kryptographischer Systeme zu würdigen, da sein Alphabet einer idealen Sprache stark von den Prinzipien der ars combinatoria eines Raimundus LULLUS beeinflusst ist. Entsprechend dieser kombinatorischen Prinzipien möchte MERSENNE eine Universalsprache durch die Permutation von Ziffern, die den Buchstaben des Alphabets zugeordnet werden, aufbauen. Ebenso wie DESCARTES hat aber auch MERSENNE das Projekt einer Universalsprache nicht systematisch ausgearbeitet, sondern sich diesbezüglich auf theoretische Überlegungen beschränkt. 1629 ist DESCARTES’ Sprachdenken deutlich von der Annahme klarer und distinkter Ideen geprägt, auf die sich eine Reform der Sprache stützen muss. Entwicklungen in DESCARTES’ Denken Anfang 1630 lassen die Annahme einer solchen intellektuellen Fähigkeit problematisch werden. Nach dem Schritt von der mathematischen zur metaphysischen Erkenntnis wird die Lehre von den klaren und distinkten Ideen anders eingebunden. Solche Ideen, die für sich genommen bis dahin ausreichende Wahrheitsgarantie waren, erfordern von nun an selbst Legitimierung, wenn sie eine Garantie darstellen sollen. Die Frage, ob die Schaffung einer vollkommenen Universalsprache die ‘natürliche’ Ordnung insofern aufheben würde, durchzieht in vielfältigen Formen die Sprachdiskussion des 18. Jahrhunderts. Auch auf dem Hintergrund der Annahme einer Interdependenz von Körper und Geist, Sprache und Denken war die Annahme der Möglichkeit einer Universalsprache keineswegs zwingend. Wie sollten Menschen, die selbst nur über unvollkommene Sprachen und ein ihnen entsprechendes Denken verfügen, in der Lage sein, eine vollkommenes Denken voraussetzende Sprache zu entwickeln? Auf dem Hintergrund dieser Frage kam Ende des 18. Jahrhunderts unter den französischen Ideologen ein Streit auf, in dem François THUROT aus der stets wechselseitigen Stützung von Sprache und Denken auf dem Weg ihrer Perfektion Argumente gegen Universalsprachenprojekte ableitete (vgl. HASSLER 1993), die sich auf die Begrenzung des menschlichen Denkvermögens durch seine Bindung an Körperlichkeit beziehen. Wörter wie éternel (‘ewig’), immuable (‘unveränderlich’), absolu (‘absolut’) können für unser Denken nur eine vage und unbestimmte Bedeutung haben. Obwohl wir sie richtig zu verwenden glauben, rechnen wir in diesen Fällen nur mit Zeichen, deren Wert uns vollkommen unbekannt ist (THUROT 1830–1833: I, 292; ĺ Bedeutung). Zwischen den Überlegungen DESCARTES’ und MERSENNEs und der Ablehnung der Universalsprachenprojekte durch THUROT liegen zwei Jahrhunderte der Sprachdiskussion, in denen immer wieder zur Möglichkeit, das Denken
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durch eine vollkommene Sprache zu unterstützen, Stellung bezogen wurde. Gleichzeitig wurde jedoch auf die Grenzen derartiger Versuche, die im Wesen des Menschen selbst liegen, hingewiesen (ĺ Universalsprache). Insbesondere im angelsächsischen Raum, der im 17. Jahrhundert vor allem durch die Debatten um Sprache und Erkenntnis im Umfeld der Royal Society beeinflusst wurde, lässt sich eine Kontinuität der Reflexion über eine Universalsprache nachweisen. Als Referenzautoren, die in besonderer Weise die Diskussion um einen universal character beeinflusst haben, sind etwa Cave BECK, Thomas URQUHART, Francis LODWICK, George DALGARNO, John WILKINS, John WEBSTER und Seth WARD zu nennen. Richtungsweisend für die Entwicklung der angelsächsischen Konzeption einer Universalsprache war die Sprachkritik Francis BACONs, der die fehlende Eindeutigkeit von Wortbedeutungen, den damit einhergehenden Sprachmissbrauch (ĺ Missbrauch) und die daraus resultierende mangelnde Eignung der Sprache, Konzepte zu repräsentieren, anprangerte. Weniger anspruchsvoll, da nicht auf die Universalität des Denkens und der Sprache gerichtet, waren die Versuche der Normierung einzelner Nationalsprachen, die sich vielfach noch mit deren Verteidigung gegenüber dem Latein und anderen, prestigereicheren Nationalsprachen verbanden. Wenn wir dafür den Terminus Apologie verwenden, greifen wir eine Bezeichnung auf, die für die Kontinuität gegenüber dem Sprachdenken des Humanismus steht (ĺ Apologie). Die Weiterentwicklung und der Ausbau der Nationalsprachen waren jedoch inzwischen zu einem wichtigen Anliegen geworden, das in einigen Ländern zur Gründung von Sprachakademien geführt hatte (Accademia de la Crusca 1582/83, Académie Française 1635, Real Academia de la Lengua 1713). Die Normierungsbestrebungen folgten in erster Linie dem praktischen Bedarf an einer Sprache, die über den Gebrauch in alltäglichen Situationen hinaus den Ansprüchen der Öffentlichkeit und der Kommunikation anspruchsvollerer Inhalte genügen sollte und deshalb durch ein Mindestmaß an Einheitlichkeit gekennzeichnet sein musste. Mit dem Fortschreiten der Normierung wurde das Sprachbewusstsein der Sprecher vertieft und entwickelt. Die Aktivitäten der Normierung verhielten sich kontrapunktisch zur institutionell oder pädagogisch geförderten Grammatikschreibung und sie bewegten sich im Spannungsfeld zwischen bloßer Beobachtung und Formulierung eines Ideals (CARON 2004: 7). Texte ihrer Akteure können als metasprachliche Texte in erster Linie den Zugang zu einer Geschichte des Sprachbewusstseins unterstützen. Zweifellos wird man dem Begriff des ‘Sprachbewusstseins’ Unschärfe zuschreiben und ihn letztlich sogar in seiner Existenz anzweifeln dürfen. Sprecher verwenden ihre Sprache in den seltensten Fällen bewusst und gerade in dieser Unbewusstheit der zentralen Komponenten sprachlicher Kompetenz liegt letztlich auch ein Faktor des Sprachwandels (ĺ Sprachveränderung). Andererseits war und ist die Verwendung von Sprache Gegenstand der Reflexion, die sich nicht im-
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mer in begrifflichen Formen vollzog. Sylvain AUROUX’ Modell (AUROUX 1994: 26) eines fließenden Übergangs von einem vorbewussten sprachlichen Können (savoir linguistique) zu einem begrifflich repräsentierten und von Traditionen geprägten Wissen (savoir métalinguistique) ist eine Grundlage, Texte der sprachlichen Normierung in eine Betrachtung der sprachtheoretischen Grundbegriffe einzubeziehen. Sprachtheoretische Auffassungen waren gerade in der Aufklärung nicht nur Ausdruck, sondern oft sogar konstitutiver Bestandteil philosophischer Positionen. Anthropologische Probleme, wie die Überwindung des Dualismus von Körper und Geist, das geschichtliche Menschenbild der Aufklärung, die Entwicklung und Perfektibilität menschlicher Fähigkeiten und Erkenntnisprozesse wurden auch in Gestalt sprachtheoretischer Fragestellungen diskutiert. In ihren Stellungnahmen zu Problemen der Sprache haben Philosophen, wie z. B. VOLTAIRE, DIDEROT, ROUSSEAU, CONDILLAC, LEIBNIZ, WOLFF, HERDER und Adam SMITH gerade ihre Positionen als Aufklärer ausgedrückt. Bei aller weltanschaulich-philosophischen Differenziertheit und nationalen Spezifik ihrer Aussagen zur Sprache im Allgemeinen und zu den historischen Sprachen im Besonderen verband sich die auf dem Höhepunkt der Aufklärung ausgearbeitete säkularisierte Sicht des Menschen und der Gesellschaft mit einer entsprechenden Weiterentwicklung und Umwertung sprachtheoretischer Positionen des 17. Jahrhunderts. Im Spannungsfeld der Auseinandersetzungen um das sinnliche Vorstellungsvermögen und die körperliche oder geistige Natur des Menschen hatte die Sprachproblematik bereits im 17. Jahrhundert große philosophische Aktualität gewonnen. Mit der Erklärung der Sprache und des Denkens als Ergebnisse einer langen wechselseitigen Entwicklung in der Geschichte der Menschheit wird Stellungnahmen zu Wesen und Ursprung der Sprache in der Aufklärung eine neue Tragweite verliehen (ĺ Wesen der Sprache, ĺ Ursprung). In naturwissenschaftlicher Richtung weitergeführt, verbindet sich die Auseinandersetzung über den Sprachursprung mit den damaligen Ansätzen des Evolutionsdenkens, dessen sprachtheoretische Gesichtspunkte sich in der naturwissenschaftlichen Transformationslehre des 20. Jahrhunderts wiederfinden lassen (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Auch die Betrachtung grammatischer Erscheinungen der Sprachen, wie z. B. der Wortstellung, der Metaphorik oder der Synonymenunterscheidung, gewann in der Aufklärung ausgeprägt philosophische Züge (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion, ĺ Metapher, ĺ Synonyme und Bedeutungsrelationen). In Frankreich, wo diese Tendenz besonders deutlich war, wurden Autoren, die sich in philosophisch-weltanschaulicher Sicht mit sprachlichen Problemen beschäftigten, grammairiens-philosophes genannt, eine Wortneubildung, die den engen Zusammenhang philosophischer und linguistischer Probleme unterstreicht. Die Skala der verschiedenen Grammatiktypen erstreckt sich von
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überwiegend sprachphilosophischen, die eine Erklärung sprachlicher Erscheinungen und ihrer Zusammenhänge mit dem Denken beabsichtigen, bis zu Gebrauchsgrammatiken, die der Vermittlung einer Sprache als Fremd- oder Muttersprache dienten. Neben das Interesse für sprachliche Normen und Korrektheit des Ausdrucks, das durch das Bedürfnis nach einer einheitlichen nationalen Literatursprache in einzelnen Ländern (z. B. Italien, Russland) besonders stark sein konnte, trat auch im Bewusstsein der sprachlich interessierten Öffentlichkeit zunehmend die Frage nach der Funktion der Sprache für den Menschen und für die Gesellschaft, nach der Rolle der sprachlichen Zeichen für das menschliche Denken in den Vordergrund (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). In diesem Zusammenhang wurde in der Sprachdiskussion der Aufklärung auch die Wahrheit der Erkenntnisse und Ideen, die mit Hilfe der Wörter fixiert und kommuniziert werden, thematisiert. Die grundsätzliche Erörterung der Zuverlässigkeit durch Sprache vermittelter Erkenntnisse verband sich in der Aufklärung zunehmend mit dem Bewusstwerden der Sprachverwendung als Instrument der Täuschung und der geistigen, oft auch der politischen Unterwerfung (ĺ Missbrauch). Dass solche Sprachkritik unmittelbar in Gesellschaftskritik münden konnte, zeigt besonders eindrucksvoll die Beschreibung der Sprache als Instrument der Ausbildung und Festigung der Herrschaft eines Teils der Gesellschaft über den anderen in ROUSSEAUs Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes, 1755). So liefert ROUSSEAU zu Beginn des zweiten Teiles dieses Werks das vielleicht eindrücklichste Beispiel für einen Wortmissbrauch mit unmittelbaren sozialen Konsequenzen, wenn er mit der Affirmation “Ceci est à moi” (‘Das ist mein eigen’) die sich dann stetig weiterentwickelnde soziale Ungleichheit begründet. Die Entstehung der zivilisierten Gesellschaft verdankt sich nach Auffassung ROUSSEAUs einem fundamentalen Akt des Sprachmissbrauchs, einer Besitzeserklärung, die im rhetorischen Vollzug die künftige soziale Ungerechtigkeit zementiert. Auch in so zentralen Werken der Aufklärung wie HELVÉTIUS’ Diskurs über den Geist des Menschen (De l’esprit, 1758) ist die Darstellung des Sprachmissbrauchs einer korrupten Gesellschaftsform eine Verbindung von Sprachkritik und Gesellschaftskritik (ĺ Missbrauch, ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Im Rahmen einer radikalen Sprachkritik identifiziert HELVÉTIUS unklare Wortbedeutungen sogar als Grund für die Entstehung kriegerischer Auseinandersetzungen. Gegenüber einer möglichen Bekämpfung des Wortmissbrauchs durch eine Universalsprache äußert er sich skeptisch, denn er beurteilt Gottfried Wilhelm LEIBNIZ’ Projekt einer ars characteristica als Utopie. Sprachen sind nach HELVÉTIUS’ Meinung nicht das Werk von Philoso-
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phen, sondern sie entspringen analog zur epikureischen Konzeption des Ursprungs der Sprache (ĺ Ursprung) den menschlichen Primärbedürfnissen (besoins). Aufgrund dieses spontanen, unreflektierten Ursprungs der Sprache hätten sich von Beginn an Irrtümer eingeschlichen und falsche Konzepte mit bestimmten Ideen verbunden. Im Zuge der weiter fortschreitenden Sprachentwicklung hätten sich diese Irrtümer perpetuiert und so sehr vervielfacht, dass es unmöglich wäre, sie zu beseitigen. Die Geschichte der Sprache wird für HELVÉTIUS somit zu einer Geschichte ihrer fortschreitenden Irrtümer und Wortmissbräuche. Als eine für das Anliegen der Aufklärung besonders geeignete Publikationsform erwies sich das dictionnaire, das die bewusste und oft unverhohlene Stellungnahme nicht nur zu sprachlichen, sondern darüber hinaus zu philosophischen, ästhetischen, politischen und naturwissenschaftlichen Kontroversen der Epoche erlaubt. Als Sachwörterbücher illustrieren VOLTAIREs Dictionnaire philosophique (1764) und die gegenaufklärerische Erwiderung in Gestalt des Dictionnaire antiphilosophique (1764) das unmittelbare Eintreten für oder gegen die Aufklärung in dieser Publikationsform. DIDEROTs und D’ALEMBERTs Enzyklopädie (Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 1751–1772) ist als größtes buchhändlerisches Unternehmen des 18. Jahrhunderts zugleich wissenschaftliches Sachwörterbuch und Wörterbuch der französischen Sprache und widerspiegelt außerdem in den sprach- und grammatiktheoretischen Artikeln wichtige Aspekte der Sprachtheorien der Aufklärung. Im Zusammenhang mit dem Aufschwung der Lexikographie und der Diskussion des Zusammenhangs von Sprache und Denken steht auch die Aktualität semantischer Fragestellungen, beginnend mit der zunehmenden Detaillierung der praktischen Bedeutungsbeschreibung in Wörterbüchern bis hin zur Erörterung der Zuverlässigkeit sprachlich fixierter Erkenntnis. Ein besonderer Stellenwert in der damit verbundenen Diskussion um die Wortbedeutungen, ihren Wahrheitswert und ihre Entstehung kommt der Auffassung vom arbiträren (willkürlichen) Zeichencharakter zu, in deren Modifikation und Umdeutung im 18. Jahrhundert zugleich eine spezifisch aufklärerische Sicht der Sprache deutlich wird (ĺ Arbitrarität).
2.2. Sprachtheoretische Implikationen der Zeichenproblematik Die Einbeziehung der Sprache in die philosophischen Systeme solcher Denker wie DESCARTES, ARNAULD, MALEBRANCHE, LEIBNIZ und SPINOZA beruht vor allem auf der Annahme einer Analogie der Beziehung von Sprache und Denken zum Verhältnis von Körper und Geist. In ihren Grundzügen bereits bei AUGUSTINUS entwickelt, wurde die Lehre vom unkörperlichen, reinen Denken, das jedoch für den Menschen nach der Erbsünde nicht mehr verfügbar sei und
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durch ein von Zeichen unterstütztes Denken ersetzt werde, auch zur Grundlage der rationalistischen Sprachtheorien. Sprache ist für Augustinus das notwendige Gewand des Denkens, wenn dieses sich in die körperliche Welt herablässt, d. h. wenn es mitgeteilt werden soll. Das vom sprachlichen Zeichen Bezeichnete ist demnach ein rein geistiger Gegenstand, der mit dem Wort als körperlichem Gegenstand, nur eine Repräsentationsbeziehung eingehen kann (ĺ Zeichen und Idee). Während Wörter eine unterschiedliche, willkürliche Lautgestalt haben, sind die Begriffe weder griechisch noch lateinisch, sondern universell und von sinnlichen Gegebenheiten unabhängig (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Wie für AUGUSTINUS ergibt sich auch für die an ihn anknüpfenden Philosophen des 17. Jahrhunderts die Notwendigkeit der Sprache erst durch die Kommunikation zwischen den Menschen, in der eine Weitergabe reiner Begriffe unmöglich ist. Schon die Tatsache, dass Tiere mit hoch entwickelten Sprechwerkzeugen zwar in der Lage sind, menschliche Lautsprache nachzuahmen, aber niemals menschliches Denkvermögen erreichen können, verweise auf die besondere Stellung des Menschen und die Unabhängigkeit seines Denkens von materiellen Erscheinungen wie der Sprache (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). In der rationalistischen Erkenntnistheorie wird die Verbindung zwischen Zeichen und Gedanken als eine Art Modell der Beziehung von Körper und Geist angenommen (ĺ Zeichen und Idee). Nur weil Körper und Seele nicht identisch sind, könne es überhaupt zur Verschiedenheit der Sprachen kommen. Einen Beweis für die Sprachunabhängigkeit des Denkens sieht schließlich CORDEMOY auch darin, dass wir uns oft nicht erinnern können, in welcher Sprache wir einen Gedanken formuliert hörten. Wenn in der augustinisch-rationalistischen Tradition das reine Denken zwar als sprachfrei angenommen wird, so wird eine Folge der Kommunikation mittels Sprache darin gesehen, dass die Menschen sich daran gewöhnt haben, auch in ihrem Denken Zeichen zu benutzen (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die unumgänglich gewordenen sprachlichen Zeichen genügen jedoch dem Denken nur in sehr unvollkommener Weise, denn intuitive Konzeptionen überfluten das Denken, während die Sprache eher verlangsamt und ablenkt. Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen unkörperlichem Denken und körperlichem Kommunikationsmittel, insbesondere aus der Annahme, dass die Unvollkommenheit der Wörter mit ihren verschwommenen Bedeutungen das Denken behindert, ergeben sich bereits deutliche Anhaltspunkte für eine rationalistische Sprachkritik. Die Untersuchung der drei Ebenen des sprachfreien Denkens, des in der Kommunikation mitgeteilten Denkens und des schließlich aus Gewohnheit sprachgebundenen Denkens findet sich auch in der Grammatik (1660) und der Logik (1662) von Port-Royal wieder. ARNAULD, der philosophisch bestim-
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mende Autor beider Werke, knüpft an die augustinisch-cartesianische Position an und sieht das einzige Mittel zur Erkenntnis der Wahrheit darin, dem Gedanken mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Wörter sind arbiträr, was bedeutet, dass es lächerlich wäre, so natürliche und einleuchtende Erscheinungen wie die Gedanken als abhängig von den nur nach Phantasie und Laune festgelegten Wörtern anzunehmen (ĺ Arbitrarität). Die Bedeutung eines Wortes wird jedoch in der Logik von Port-Royal nicht als feste Größe angenommen, sondern in Abhängigkeit von der Anschauungsweise des jeweiligen Sprachverwenders gesehen (ĺ Bedeutung). Diese Auffassung beruht auf einer Trennung von Begriff (= Idee) und Bedeutung, wobei der Begriff als sprachunabhängig, die Bedeutung jedoch als von Sprache beeinflussbar angesehen wird. Einen Zusammenhang zwischen Sprache und spezifischen Bedeutungen sehen ARNAULD und NICOLE nicht nur beim Vergleich der verschiedenen Nationalsprachen, sondern auch bei der Betrachtung verschiedener Entwicklungsetappen einer Sprache. Diese Problematisierung des Zusammenhangs von Sprache und Denken ergibt sich daraus, dass die Entsprechung des Zeichens nicht unmittelbar im Gegenstand gesehen wird, sondern in den sich verändernden Vorstellungen der Menschen von diesem Gegenstand (ĺ Zeichen und Idee). Mit dieser Feststellung wies die Logik von Port-Royal bereits über den streng rationalistischen Rahmen hinaus und bereitete die Erkenntnis vor, dass sich gute Rhetorik, um das Bewusstsein der Menschen zu erreichen, auch unter Berücksichtigung konnotativer Merkmale an die Imagination und nicht nur an den Verstand wenden müsse. Unter ‘Konnotation’ versteht man dabei mit einem Wort verbundene zusätzliche Vorstellungen, die sich auch aus dem kulturellen Umfeld der Sprecher ergeben können. Hatte bereits die Logik von Port-Royal auf den erkenntnisfördernden Einfluss der Sprache hingewiesen, indem sie erklärte, dass von einem Wort gebildete Ableitungen uns durch ihre Form zu neuen Gedanken hinführen, so wendet sich SPINOZA noch grundsätzlicher gegen eine Überbetonung der hemmenden Wirkung der Sprache im Erkenntnisprozess. Alles durch Sprache Überlieferte, auch die Bibeltexte, ist nach SPINOZAs Auffassung unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen, inwieweit allgemeingültige Konzeptionen oder entsprechend der Sprache der Zeit und des Volkes ausgeprägte Begriffe ausgedrückt werden. SPINOZAs Anliegen ist ein von sprachlichen Vorbildern freier und kritischer Sprachgebrauch. Die Verwechslung von Wörtern, Ideen und Sachen wird von ihm als gefährliche Quelle von Irrtümern und Vorurteilen beschrieben. Bei ARNAULD, DESCARTES und SPINOZA sowie bei anderen rationalistischen Denkern des 17. Jahrhunderts waren somit bereits Ansätze gegeben, den Einfluss der Sprache auf den Erkenntnisprozess als Problemstellung zu erkennen und zu erörtern. In Verbindung mit der Anerkennung eines sprachfreien,
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reinen und in seinen Grundzügen eingeborenen Denkens war jedoch erkenntnistheoretisches Interesse an der Sprache eine zweitrangige Erscheinung, der nur im Rahmen rationalistischer Sprachkritik größere Bedeutung zukam. Die Auffassung vom arbiträren (willkürlichen) Zeichencharakter nimmt dabei noch eine Schlüsselstellung in der Argumentation gegen eine erkenntnistheoretische Relevanz der Sprachverschiedenheit ein (ĺ Arbitrarität). Der Hypothese einer körperlichen Natur des Denkens, die bereits Thomas HOBBES als extreme Schlussfolgerung aus der Abhängigkeit des Denkens von den Sprachzeichen vorgebracht hatte, hatten DESCARTES und die Logik von Port-Royal entgegengehalten, dass das menschliche Denken mit dem Bedeuteten operieren würde, nicht mit den Wörtern selbst, die durch Konvention festgelegt würden und daher einzelsprachlich verschieden sein könnten, ohne die Universalität des Denkens aller Menschen in Frage zu stellen (ĺ Konvention). Wesentliche Veränderungen in der Auffassung vom sprachlichen Zeichen hatten sich vor allem infolge der nominalistischen Grundhaltung des englischen Empirismus ergeben. Ausgehend von empiristisch-sensualistischen erkenntnistheoretischen Positionen dehnte John LOCKE in seinem Essay concerning Human Understanding (1690) den arbiträren Zeichencharakter nicht nur auf die Beziehung zwischen Lautfolgen und Ideen, sondern auch auf die Zusammensetzung der bezeichneten Ideen selbst aus (ĺ Zeichen und Idee, ĺ Arbitrarität). Das sprachliche Zeichen repräsentiert nach LOCKE nicht unmittelbar die Erkenntnisgegenstände, sondern die Begriffe, die sich der Erkennende bildet. Sowohl Ideenbildung als auch Bezeichnung sind durch willkürliche Setzung, durch voluntary imposition, festgelegt. Die Sprache wird von LOCKE nicht mehr als System zum Ausdruck der universellen Ratio, sondern als Widerspiegelung des unter den speziellen historischen und sozialen Bedingungen einer Sprachgemeinschaft organisierten Denkens verstanden. Umgebung, Sitten und Gewohnheiten sind nach LOCKE maßgebend für die begriffliche Einteilung der Welt, für die Bildung komplexer Ideen und deren Bezeichnung. Ideenkombinationen, die im Leben der Menschen häufig auftreten, werden zu komplexen Ideen und erhalten Namen, während die Menschen es bei seltenen Kombinationen von Ideen vorziehen, sie lose und ohne Namen zu lassen und die einzelnen Ideen aufzuzählen, wenn sie diese wirklich einmal benötigen. Sprachlich fixierte Ideenkomplexe wirken dann auf das Denken zurück. Zum Beispiel würde das Vorhandensein der unterschiedlichen Bezeichnungen ice und water jedem Engländer nahelegen, auch zwischen zwei verschiedenen Dingen zu unterscheiden. Dagegen würde jemand, der in Jamaika aufgewachsen sei und daher weder die Erscheinung Eis noch den Namen dafür kenne, nicht zögern, Eis und Wasser als ein und dieselbe Sache anzusehen und sie mit demselben Wort zu benennen.
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Diese nominalistische Erklärung der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess forderte die Kritik LEIBNIZ’ heraus, der auf der Grundlage seiner Lehre von der prästabilierten Harmonie die Annnahme ablehnte, dass die sprachlichen Zeichen die einfachen Ideen willkürlich zusammenfassen. Er billigt damit sogar den sprachlichen Zeichen eine gewisse Motiviertheit zu. Zwar werde nicht die Gestalt der Wörter durch eine natürliche Notwendigkeit bedingt (ĺ Natürlichkeit), ihre Bedeutungen werden jedoch nicht vom Zufall festgelegt. Im Hinblick auf LOCKEs Erkenntnistheorie hatte LEIBNIZ die sensualistische Formulierung nihil est in intellectu quod non prius fuerit in sensu mit dem Zusatz nisi intellectus ipse versehen. Er spielt damit auf die Tatsache an, dass LOCKE mit der reflection eine von den Sinneswahrnehmungen und von den Einflüssen der Sprache unabhängige Erkenntnisquelle angenommen hatte. Mit dem Dualismus von sensation und reflection unterscheidet LOCKE neben dem unmittelbar durch die gegenständliche Welt hervorgerufenen Sinneseindrücken eine neue Stufe von Ideen, die auf apriorische Denkfähigkeit des Menschen zurückgehen. Diese Annahme einer neben der Sinnestätigkeit von Anfang an vorhandenen Reflexion korreliert bei LOCKE mit der Übernahme der biblischen Schöpfungsthese in der Erklärung des Sprachursprungs: Gott stellte den Menschen als ein über Reflexion verfügendes und damit der Sprache fähiges gesellschaftliches Wesen in die Welt. Der Mensch als von Gott geschaffenes sozial lebendes Wesen (a sociable creature) habe von diesem die Sprache als Mittel zur Schaffung und Aufrechterhaltung der Gesellschaft (language, which was to be the great instrument and common tie of society) erhalten (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Versuche einer Lösung der Widersprüche, die sich bei LOCKE aus dem dualistischen Relikt für eine kohärente Erklärung der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess ergeben, wurden bereits im 17. Jahrhundert unternommen. Als Mangel in LOCKEs Essay empfindet es George BERKELEY, dass der Sprache nicht durchgängig und systematisch Aufmerksamkeit gewidmet werde. LOCKE habe der Sprache zu sehr vertraut und verkannt, dass sie das größte Hindernis auf dem Wege zur Erkenntnis sei. Die folgenschwerste Auswirkung des Einflusses der Sprache im Erkenntnisprozess sieht BERKELEY gerade darin, dass sprachliche Zeichen den Anschein erwecken, es gäbe abstrakte Ideen, zu deren gefährlichsten die Materie gehöre. Nach BERKELEYs Auffassung bezeichnen die Wörter nichts anderes als eine Vielzahl von Ideen, die den Empfindungen des Subjekts entsprechen, und erwecken nur den Anschein, es handle sich um Abstraktionen. Einen wichtigen Grund für die hemmende und irreführende Wirkung der Sprache im Erkenntnisprozess sieht BERKELEY neben dem Vortäuschen von Abstraktionen auch darin, dass sich die Sprache an den Begriffen und Vorurteilen der Menge orientiert. So müsse selbst der von der Richtigkeit des kopernikanischen Weltbildes Überzeugte davon sprechen, dass die Sonne auf-
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geht, untergeht oder sich dem Scheitelpunkt nähert (BERKELEY 1871: I, 182183). Zwar nehme man stillschweigend eine Korrektur an diesem Sprachgebrauch vor, das sei jedoch nur möglich, weil in diesem Fall das Auseinanderklaffen von Sprache und Vorstellung besonders sinnfällig sei. In anderen Fällen sei dem sprachlich verursachten Irrtum Tür und Tor geöffnet. Ebenfalls ausgehend von LOCKE, jedoch mit ganz anderen Schlussfolgerungen als BERKELEY, entwickelte CONDILLAC in seinem Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746) eine zusammenhängende sensualistische Theorie für die Entwicklung aller Denkvorgänge, in der die Auffassung vom arbiträren Zeichencharakter eine zentrale Stellung einnimmt. Hatte LOCKE neben den sensations in der reflection noch eine von den Sinnen unabhängige Erkenntnisquelle anerkannt, so führte CONDILLAC die gesamte menschliche Erkenntnistätigkeit auf die Sinneswahrnehmung zurück und erklärte die höheren Denkoperationen als mit Hilfe sprachlicher Zeichen umgewandelte Empfindungen. Inspiriert von William WARBURTONs Konzeption der gestischen Ursprache der Menschheit in The divine legation of Moses (1738–1742) nimmt CONDILLAC zu Beginn der Sprachentstehung die Existenz einer Aktionssprache (langage d’action) an, die aus Gesten und unartikulierten Lauten bestand und zunächst für die primitiven Lebensverhältnisse der Urmenschen genügte (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache; ĺ Ursprung; ĺ Ursprache). Die Befähigung des Urmenschen zur Verwendung von Gebärden und ersten rudimentären Lauten als Gebärden der Stimme (ĺ Stimme) sieht CONDILLAC als grundlegend für die Genese der Sprache an. Nach seiner Auffassung zählt die Verwendung von Gebärden und unartikulierten Lauten als vokale Gesten bzw. Gebärden der Stimme und Emotionsträger mit zu den natürlichen Fähigkeiten des Menschen, die die Sprache erst ermöglichen. Grundlage dieser primitiven Form von Kommunikation ist das Prinzip der Imitation. Erst im Laufe der Sprachentwicklung treten durch das wachsende Kommunikationsbedürfnis der Urgesellschaft zu diesen natürlichen Zeichen auch arbiträre, institutionalisierte Zeichen hinzu, die die Gestensprache zu einem rein sprachbegleitenden Element werden lassen (ĺ Natürlichkeit; ĺ Arbitrarität). Mit Hilfe der arbiträren Zeichen der Lautsprache wird es für den Menschen möglich, frei über seine Imagination zu verfügen und Sinneseindrücke abwesender Gegenstände bewusst wachzurufen (ĺ Arbitrarität). Arbiträren Charakter besitzen nach CONDILLAC solche Zeichen, deren Gebrauch von unmittelbaren äußeren Stimuli unabhängig ist und der Entscheidungsfreiheit des Sprechenden unterliegt. Darin bestehen gerade die Voraussetzungen für die höheren Denkoperationen des Unterscheidens, Verallgemeinerns, Vergleichens, Urteilens und Schließens, durch deren psychogenetische Erklärung CONDILLAC die Kluft zwischen Erfahrung und Verstand überwinden konnte.
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Kennzeichnet CONDILLAC in seinem Essai die Sprachzeichen noch im Anschluss an LOCKE als institutionell und arbiträr, so schlägt er in seiner Grammatik (1775) vor, sie zur Vermeidung von Missverständnissen nicht ‘arbiträr’ (arbitraires), sondern ‘künstlich’ (artificiels) zu nennen. Diese künstlichen oder institutionellen Zeichen sind in einem kontinuierlichen Prozess aus natürlichen hervorgegangen, wobei stets von schon bekannten Zeichen ausgegangen wurde. Dieses von CONDILLAC immer wieder unterstrichene Prinzip der Analogie bei der Bereicherung von Zeichensystemen ist dann auch die notwendige Bedingung für das Funktionieren der künstlichen Zeichen, nachdem sie einen autonomen Status gegenüber den natürlichen Zeichen erreicht haben (ĺ Natürlichkeit; ĺ Analogie). Mit der Berufung auf die Analogie bei der Erklärung des Funktionierens und der Weiterentwicklung der menschlichen Lautsprache spricht CONDILLAC den Sachverhalt an, der in der modernen Linguistik als Motiviertheit des sprachlichen Zeichens charakterisiert wird. In dieser funktionellen Perspektive lässt die Lautsprache keinesfalls eine von der Laune des Sprechenden abhängige Zeichenwahl zu. Die in einem langen Prozess der Wechselwirkung von Sprache und Denken entstandenen Regeln für Kombinationen von Ideen und für deren Belegen mit Zeichen sind vielmehr für den Sprecher verbindlich (ĺ Arbitrarität; ĺ Konvention) und bestimmen den besonderen Charakter einer Sprache (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Zum besonderen Charakter der Sprachen gehört ihre einzelsprachliche Spezifik als analytische Methode, die vor allem davon abhängt, welche Bedeutungen mit sprachlichen Zeichen belegt werden. Arbiträre Zeichen sind aufgrund ihrer Beziehungen untereinander Träger von Bedeutungen und funktionieren auf der Grundlage der im Sprachsystem vorliegenden Analogie. Die Verwendung arbiträrer Zeichen ist nicht mehr natürliche und spontane Reaktion auf Sinneswahrnehmungen, sondern Sprachtätigkeit auf einer bestimmten Stufe der miteinander verflochtenen Entwicklung von Sprache und Denken (ĺ Arbitrarität; ĺ Natürlichkeit). CONDILLAC wendet sich dabei ausdrücklich gegen eine vorwiegend negative Einschätzung des Einflusses der Sprache auf das Denken. Die Sprachen sind zwar unvollkommene Methoden und lenken deshalb das Denken manchmal auf Irrwege. Aber gerade weil sie Methoden sind, deren Funktionieren auf innerer Analogie beruht, müssen sie in vielen Fällen zu richtigen Ergebnissen führen (ĺ Analogie). Je größer die Bewusstheit der Menschen in der Verwendung der Sprache wird, um so besser sind sie in der Lage, sich von den negativen Einflüssen der Sprache auf das Denken zu befreien, die Sprache selbst zu korrigieren und sie als analytische Methode zu verbessern. Für die richtige Verwendung der Sprache im Interesse des Denkens und der Wissenschaft trägt nach CONDILLACs Auffassung die Gesellschaft volle Verantwortung. Mehrfach richtet er die Auf-
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forderung an die Herrschenden, sich für eine sinnvolle Sprachverwendung einzusetzen, um die menschliche Erkenntnis zu fördern. Wenn die Erkenntnisentwicklung gehemmt wird, so ist daran nicht die Sprache schuld, die ihrem Wesen nach fähig ist, sich an neue Bedürfnisse anzupassen, sondern die Regierungen, die das Fortschreiten der Vernunft aufhalten. Die aufklärerische Forderung, sich der eigenen Vernunft zu bedienen und dabei scheinbare Schwierigkeiten, die sich aus den Unvollkommenheiten der Sprache ergeben, zu überwinden, richtet CONDILLAC auch an die Philosophen. Ein grundsätzlicher Fehler der Metaphysik sei es, um Worte, statt um Dinge zu streiten. Den übermäßigen Drang der Philosophen, ihre Lehren zu Systemen auszubauen und die Rolle der Sprache beim starren Beibehalten dieser Systeme kritisierte CONDILLAC in seinem Traité des systémes (1749). Der sprachkritische Gedanke, den er vor allem von LOCKE übernehmen konnte, erhält im Rahmen seiner Sprachtheorie durch die Annahme der Möglichkeit einer bewussten Einwirkung auf die Sprache und ihrer Anpassung an die Erfordernisse des Denkens eine erkenntnisoptimistische Ergänzung.
2.3. Die Erklärung des Entstehens und der Entwicklung der Sprache 2.3.1. Narrative und begriffliche Erklärungen Für Hypothesen zum Ursprung der Sprache bot der biblische Mythos vom Turmbau zu Babel den Vorzug eines Erklärungsmodells, welches über Jahrhunderte hinweg kaum hinterfragt und topisch an den Anfang von Überlegungen zu Sprachursprung und Sprachverschiedenheit gesetzt wurde. Auch im 17. und teilweise sogar noch im 18. Jahrhundert wird diese biblische Erzählung oftmals zur Darstellung der Entstehung der Verschiedenheit der Sprachen verwendet. Sie wird etwa von Autoren wie Claude DURET, John BULWER, Christoph CRINESIUS, Samuel BOCHART, Athanasius KIRCHER, Johann Amos COMENIUS, John WILKINS oder Jean FRAIN DU TREMBLAY zitiert, wobei jeweils unterschiedliche Akzentuierungen vorgenommen werden. So wird beispielsweise die Episode der Sprachverwirrung mit Überlegungen zu Etymologien verbunden, die zur Legitimation vorgeblicher Ursprachen dienen sollen, wenn etwa Bezug auf den Stamm Heber genommen wird, von dem das Hebräische als Ursprache des Menschengeschlechtes abgeleitet wird (ĺ Etymologie; ĺ Ursprache). Zahlreiche Etymologien dieser Art können jedoch als Auswüchse apologetischer Bestrebungen, die auf die Proklamierung jeweils verschiedener Nationalsprachen zur Ursprache abzielen (ĺ Apologie), klassifiziert werden. Diese Bemühungen gipfelten bereits in der Renaissance in den fragwürdigen Etymologien eines Goropius BECANUS und wurden später von LEIBNIZ in den Nouveaux Essais sur l’entendement humain. (1765) der Lächerlichkeit preisgegeben.
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Gemeinsam ist diesen Vorstellungen vom Ursprung der Sprache der narrative Duktus, der sich eng an biblischen Erzählungen und Berichten orientiert, zu denen etwa die nominatio rerum durch Adam, der babylonische Turmbau oder die Völkertafel, die die Abkommen Noahs auflistet und als Grundlage für die Bestimmung vorgeblicher Urvölker und Ursprachen herangezogen wird, zu zählen sind (ĺ Sprachverwirrung; ĺ Ursprung). Narrative Darstellungen des Sprachursprungs oder der Entwicklung von Einzelsprachen wollen nicht primär allgemeines und belastbares Wissen über Sprache vermitteln, das weder randständig noch zufällig ist (KÖLLER 2006: 22), sie können jedoch auf sprachtheoretische Grundbegriffe nicht verzichten. Diese müssen nicht definitorisch entwickelt sein, liegen jedoch in ihren Relationen den narrativen Darstellungen zugrunde. Die meisten Begriffe des Bereichs ‘Ursprung, Entstehung und Entwicklung’ werden in dieser Weise diskursiv verwendet und in narrativen Darstellungen entwickelt (‘Ursprung’, ‘Ursprache’, ‘Sprachverwirrung’, ‘Sprachveränderung’, ‘Korruption’, ‘Gebärdensprache vs. Lautsprache’). Ähnlich verhält es sich mit den Begriffen ‘Normierung’ und ‘Apologie’, die ein vorhandenes Sprachbewusstsein einschließen und die Rückwirkung des Menschen auf die Sprache beziehungsweise ihre Verteidigung gegenüber anderen Sprachen implizieren. Mit der ‘Etymologie’ tritt eine begrifflich gefasste Form der Sprachreflexion ins Blickfeld, mit der man die Rückführung auf die Ursprünge als Finden des wahren Wortes oder der richtigen Bedeutung deutete (ĺ Etymologie). Auch der Begriff der ‘Analogie’ weist Berührungspunkte mit der Problematik der Entwicklung der Sprachen auf, insofern die damit implizierte Regelhaftigkeit grammatischer Formen und Wortbildungsmuster als positiver Zustand einer Sprache gesehen und angestrebt wurde. Wie in der Erklärung der Entstehung der menschlichen Sprache (ĺ Ursprung, vgl. DROIXHE 2000, DUTZ / KACZMAREK 2000, NEIS 2003) bediente man sich auch für die Darstellung der Entwicklung einzelner Sprachen bis zum 17. Jahrhundert vorwiegend narrativer Erklärungsformen. Auffällig ist dabei, dass die narrative Erklärung des Sprachursprungs als Voraussetzung übernommen wurde und im 17. Jahrhundert durch Versuche der (wenn auch hypothetischen) historischen Rekonstruktion der Entwicklung einzelner Sprachen ergänzt wurde. So beginnt zum Beispiel ALDRETE sein Traktat über den Ursprung der kastilischen Sprache (Del Origen y principio de la lengua castellana, o romance que hoy se usa en España, 1606) mit einer Darstellung der Romanisierung der Iberischen Halbinsel und benennt Einflüsse, die zur Veränderung der Sprache und durch Vermischungen zu ihrer Korruption geführt haben (ĺ Sprachveränderung; ĺ Korruption). Er verzichtet dabei auf die im 16. Jahrhundert durchaus noch üblichen Berufungen auf den biblischen Sprachursprungsmythos und die Erklärung, TUBAL habe mit seinem Stamm nach der Sprachverwirrung von Babel eine fertige Sprache biblischen Ursprungs mitge-
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bracht (ĺ Sprachverwirrung). Obwohl die Methode ALDRETEs sich kaum philologischer Argumentationen bedienen kann, ist die narrative Darstellung doch an realen Abläufen orientiert. Bereits in der Frühaufklärung wurde die Frage nach dem Sprachursprung im Rahmen der historischen Bibelkritik (insbesondere Richard SIMON) und der Naturrechtslehre (Samuel PUFENDORF) aufgeworfen, wobei sich Bezüge zu der vom Cartesianismus ausgelösten Debatte über die Existenz psychischer und kommunikativer Fähigkeiten der Tiere ergaben. Im Bemühen um eine “Resakralisierung” (DROIXHE 1978: 162) der Tendenz zu einer säkularisierten Interpretation des Sprachursprungsproblems hatte FRAIN DU TREMBLAY in seinem Traité des langues (1703) den später mehrfach aufgegriffenen Einwand erhoben, wie es denn möglich sein sollte, dass man Sprache erfindet, ohne sprechen zu können, da man doch keine Brillen herstelle, ohne sehen zu können. In der weiteren Diskussion um die Reihenfolge der Entstehung der Sprache, des Denkens und des sozialen Verhaltens als wichtiger Wesenszüge des Menschen sowie um den Typus der Gattung Mensch, der am Anfang der Geschichte steht, ging ein ähnliches Dilemma aus der Erkenntnis der gegenseitigen Bedingtheit von Sprache, Denken und Gesellschaft hervor (ĺ kognitive Funktion der Sprache; ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Ein Lösungsversuch bestand in der Annahme, dass Formen der menschlichen Gesellschaft und die mit voller Denkfähigkeit ausgestattete Gattung Mensch als Ergebnis übernatürlicher Schöpfung bestanden haben müssen, bevor die Sprache erfunden wurde. Selbst das unter anderem bei LOCKE vorzufindende Postulat, dass Sprachfähigkeit und Gesellschaft auf einen gemeinsamen Schöpfungsakt zurückgehen, konnte durchaus den Blick auf Aspekte der gegenseitigen Abhängigkeit und gemeinsamen Entwicklung von Sprache und Gesellschaft freigeben. Durch das Prisma biblischer Überlieferung gebrochen, wurde diese Problematik dann in Gestalt der babylonischen Sprachverwirrung oder der grundsätzlichen Annahme, Sprache und Gesellschaft hätten sich von einem idealen Urzustand entfernt, thematisiert (ĺ Sprachverwirrung). Bei grober Abstraktion von vielfältigen Besonderheiten bei den einzelnen Autoren lassen sich die im 18. Jahrhundert vorgetragenen Hypothesen über den Ursprung der Sprache in drei hauptsächliche Gruppen einteilen (vgl. RICKEN 1984: 164, NEIS 2003): (a) Übernatürliche Eingebung der Sprache an die ersten Menschen (z. B. FRAIN DU TREMBLAY, SÜSSMILCH, BEAUZÉE), (b) Sprache als Schöpfung der mit Denkfähigkeit ausgestatteten Menschen, womit sowohl für eine rationalistische Ausgangsposition als auch für einen Sensualismus Lockescher Prägung der Sprachursprung erklärbar und zudem durch das Ausgehen von einer Denkfähigkeit übernatürlicher Herkunft die Übereinstimmung mit einem religiösen Weltbild gesichert war (HERDER), (c) gemeinsame Entstehung und Entwicklung von Sprache und Denken im Verlauf der Geschichte der Menschheit (CONDILLAC).
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Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen um die Philosophie der Aufklärung gewann die Debatte über den Sprachursprung zunehmende Aktualität (ĺ Ursprung). Der Zusammenhang von Zeichen und Denken und der Bezug zur Entstehung der Gesellschaft stellten die Sprachursprungsproblematik in den Rahmen der Diskussion um ein neues geschichtliches Bild des Menschen und der Gesellschaft. 2.3.2. Psychogenetische Erklärung des Sprachursprungs und geschichtliches Menschenbild Während bei LOCKE der Sprachursprung als Problem noch außerhalb des Gesichtskreises lag, war CONDILLACs Sprachursprungshypothese besonders deshalb folgenreich für die Sicht des Menschen und der Gesellschaft, weil er den Zeichen die bestimmende Rolle beim Übergang von der sinnlichen Erkenntnis zum abstrakten Denken zuwies. Nicht unbedeutend dürfte dabei der Einfluss Christian WOLFFs gewesen sein, der die Sprache mit den Leibnizschen Erkenntnisstufen in Beziehung gesetzt hatte und dabei zu der Schlussfolgerung gekommen war, dass die Sprache der Stufe der figürlichen Erkenntnis entspricht, möglicherweise diese Stufe sogar erst begründet. CONDILLACs Sprachursprungshypothese bezieht nun auch die Gesellschaft in die genetische Betrachtung ein und stellt sie damit in eine neue entwicklungsgeschichtliche Perspektive. War bereits mit der kommunikativ beabsichtigten Verwendung von Schreien und Gebärden im Stadium des langage d’action ein erster Schritt vom Instinktiven zum Bewussten gegeben, so waren diese Zeichen der Gebärdensprache doch entsprechend dem Bau des menschlichen Körpers von der Natur vorgegeben, in ihren Grundzügen eingeboren. Gerade im Zusammenhang mit der Ablehnung der eingeborenen Ideen gewinnt die Annahme eines eingeborenen Kommunikationsmittels besondere Bedeutung. Die Frage nach der Herkunft der ersten geistigen Operationen, die über reine Wahrnehmungsprozesse hinausgingen, sich aber noch nicht auf bewusste Zeichenverwendung stützen konnten, wurde von CONDILLAC durch den Verweis auf die Gebärdensprache und ihre Rolle im Erkenntnisprozess beantwortet. Die mit der weiteren Entwicklung der Kommunikationsbedürfnisse entstandenen arbiträren Zeichen der Lautsprache vermischten sich zunächst mit der Gebärdensprache. Erst allmählich erlangte die Lautsprache in einem Prozess der ständigen Wechselwirkung mit dem Denken allgemeine Geltung, behielt jedoch zunächst noch Merkmale des langage d’action bei, was sich besonders in der Wortstellung, der Flexion und der Prosodie äußerte (ĺ Wortstellung, ĺ Prosodie / Akzent). Die Bedürfnisse der Menschen in ihrer Auseinandersetzung mit der Umwelt erfordern und ermöglichen dann die beständige Weiterentwicklung der intellektuellen und kommunikativen Fähigkeiten.
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Wenn sich CONDILLAC hier des Gedankenexperiments zweier ausgesetzter Kinder bedient, die sich zunächst über Gebärden verständigen und allmählich eine Lautsprache entwickeln, nutzt er ebenfalls die Form einer Erzählung. Diese säkularisierte narrative Darstellung des Sprachursprungs bedient sich aber genauso wie der biblische Sprachurprungsmythos begrifflicher Formen. Gedankenexperimente dieser Art, die in narrativen Formen beschrieben werden, sind charakteristisch für Argumentationsmuster des 18. Jahrhunderts, die sich der Problematik der Entstehung und Fortentwicklung von Sprache widmen. Oftmals knüpfen sie auch an das von HERODOT in seinen Fünf Büchern der Geschichte überlieferte legendäre Experiment des ägyptischen Königs PSAMMETICHOS an, der zwei Kinder isoliert von der Gesellschaft aufwachsen ließ, um zu ergründen, welches die Ursprache sei (ĺ Ursprache; ĺ Ursprung). Die geschichtliche Entwicklungsdimension der Menschheit wird durch die menschliche Lautsprache und die auf ihrer Stufe erreichte kognitive und kommunikative Funktion überhaupt erst ermöglicht (ĺ Ursprung; ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen); ĺ kognitive Funktion der Sprache; ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Während bei den Tieren der Lernprozess von Generation zu Generation immer wieder auf der gleichen Stufe einsetzt und auf diese Weise keine Entwicklung zulässt, die über den Stand des Individuums der Gattung hinausgeht, können die Menschen in ihrer Sprache von Generation zu Generation gesellschaftliche Erfahrung akkumulieren und weitergeben. In dem Maße, wie sich die anthropologische Betrachtung der Sprache als Instrument der Entfaltung geistiger Fähigkeiten des Individuums der Gattung Mensch zur Einordnung der Sprache als Voraussetzung für die geschichtliche Entwicklung der Gesellschaft erweitert, wird die Geschichte der menschlichen Gesellschaft ebenso wie die Sprache und das Denken als Werk des Menschen selbst verstanden. Gesellschaft, voll ausgebildete menschliche Denkfähigkeit und Sprache sind somit für CONDILLAC Ergebnisse der Geschichte, und die Gemeinschaft der Menschen ist ihr Schöpfer in einem kontinuierlichen Prozess geschichtlicher Erfahrung. Die sensualistische Sprachursprungshypothese erhielt in ROUSSEAUs Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalite parmi les hommes (1755) eine betont sozialkritische Stoßrichtung. ROUSSEAU übernimmt CONDILLACs Hypothesen zur Rolle der Sprache in der Entwicklung des Denkens und beim Übergang der Menschheit vom Natur- zum Kulturzustand, wendet sich allerdings in stärkerem Maße als CONDILLAC dem Zusammenhang zwischen Sprache und Gesellschaft zu. Während CONDILLACs Ursprungshypothese vor allem die kognitive Funktion der Sprache (ĺ kognitive Funktion der Sprache) berücksichtigt, widmet sich ROUSSEAU eher dem Zusammenhang zwischen Sprache und Gesellschaft (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache; ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Während CONDILLAC einen relativ
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harmonischen Verlauf der Menschheitsentwicklung annimmt, hebt ROUSSEAU gerade die sozialen Widersprüche hervor, die Gesellschaft und Individuum deformieren. Mit Hilfe der Sprache konnte von denjenigen, die sich den Boden aneigneten, allmählich die Idee des Eigentums ausgebildet und zu einer bestimmenden Norm des gesellschaftlichen Lebens gemacht werden. Mit der Feststellung der sprachlichen und damit historischen Relativität der Begriffe und Termini der Moral, des Besitzes und der Macht wendet sich ROUSSEAU gegen ihre naturrechtliche Legitimierung (ROUSSEAU [1755] 1970: 197-200; 209; 215). In seinem Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalite parmi les hommes (1755) stellt ROUSSEAU jedoch vor allem eine Hypothese zur Weiterentwicklung der Sprache auf (ĺ Sprachveränderung), nachdem er seine Unfähigkeit eingestanden hat, eine plausible Erklärung des Sprachursprungs liefern zu können. Im Einklang mit der epikureischen Ursprungstheorie hält RousSEAU den Menschen des Naturzustandes für ein tierhaftes, vagabundierendes Geschöpf, das auf seine Primärbedürfnisse reduziert ist und eigentlich keine Veranlassung hätte, Sprache zu erfinden. Eine entscheidende Schwierigkeit sieht er in der Etablierung einer Konvention ohne die Existenz einer Sprache, die doch notwendig zur Begründung sprachlicher Konventionen wäre (ĺ Konvention). So ist ROUSSEAU paradoxerweise darum bemüht, Hindernisse aufzutürmen, die den Ursprung der Sprache vereiteln, anstatt eine plausible Sprachursprungshypothese zu entwickeln. Der Beginn des Sprechens wird von ROUSSEAU aus dem Naturzustand in eine geschichtliche Zeit verlagert und gemeinsam mit der Entstehung sozialer Ungerechtigkeit als Ergebnis eines Lernprozesses der Menschen dargestellt, der sich aus bestimmten Veränderungen in der physischen Welt ergibt. Katastrophen, Überschwemmungen und Gewaltakte der Natur, die zur Vereinigung der Menschen in der Gesellschaft drängten, hinterließen ihre Spuren in der entstehenden Sprache (ĺ Sprachveränderung). Der Gedanke eines Bruches wird dabei durch die Verbindung von Sprache, Gesellschaft und Ungleichheit besonders akzentuiert. Der erste, der mit den Worten ceci est à moi etwas als Eigentum beanspruchte und der Menschen fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war nach dieser These der wahre Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Hätte sich damals jemand gefunden, der diese sprachliche Eigentumsbekundung als Lüge entlarvt hätte, so wären den Menschen Verbrechen, Kriege, Morde und anderes Elend erspart geblieben. Der Missbrauch der Sprache im Zuge der Institutionalisierung des Eigentums ist für ROUSSEAU das Mittel der Zementierung sozialer Ungleichheit schlechthin (ĺ Missbrauch). Vor diesem Hintergrund sieht er den Ursprung der Sprache als kritisches Phänomen, das die Zerstörung des im Gegensatz zur Zivilisation unkorrupten Naturzustandes begründet habe. ROUSSEAUs kritische Vision der Entstehung von Sprache und Gesellschaft im Discours hat ihn zur Zielscheibe
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zahlreicher Autoren wie etwa HERDER, Francesco SOAVE oder BEAUZÉE werden lassen (ĺ Ursprung). Das zentrale Spannungsfeld in ROUSSEAUs Sprachdenken liegt zwischen dieser gesellschaftskritischen Konzeption und dem eher ‘affektiven’ Herangehen, das im Sprechen einen spezifischen und dem Wesen des Gesangs vergleichbaren Ausdruck von Gefühl sah. Beide Tendenzen fließen in ROUSSEAUs Essai sur l’origine des langues (postum 1781) zusammen, wo das affektive Herangehen bereits durch den Untertitel privilegiert wird (où il est parlé de la mélodie, et de l’imitation musicale) und die Darstellung durch die Annahme eines polygenetischen Sprachursprungs an Komplexität gewinnt. Außerdem wird der Sprache in ihrer Funktion, Geschichte und sogar in ihrem Verfall die Bestimmung offen gehalten, der moralischen, affektiven und materiellen Vereinigung des Menschengeschlechts zu dienen. Die Sprachentstehung wird dabei nicht etwa einem bestimmten Menschentyp oder einer bestimmten Epoche vorbehalten. Die historisch aufeinander folgenden Produktionsstufen der Jagd, Weidewirtschaft und Bodenbearbeitung werden vielmehr als Etappen der Vergesellschaftung des Menschen und seiner Kommunikationsfähigkeit gesehen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache; ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache; ĺ Ursprung). Im Zeitalter der Weidewirtschaft entwickelt sich die primitive Sprache auf zwei Wegen, von denen der eine mit den Notwendigkeiten des Überlebens zusammenhängt. Ein Teil der Jäger wurde sesshaft und zähmte Vieh, woraus sich bereits eine größere Übung der Sprechorgane ergab. Das Hirtenleben weckte außerdem Leidenschaften, die nicht auf das unmittelbare Überleben gerichtet waren. Während die lebenserhaltenden Bedürfnisse und die Suche nach Nahrungsmitteln die Menschen dazu brachten, sich gegenseitig zu fliehen, wurden sie durch diese passions einander näher gebracht. Nicht der Hunger und der Durst, für deren Ausdruck außerdem Gesten genügt hätten, brachten somit die ersten lautsprachlichen Äußerungen hervor, sondern Gefühle wie Liebe, Hass, Mitleid und Wut (vgl. ROUSSEAU [1755] 1970, Kapitel 2). Solche passions oiseuses, insbesondere die Liebe, werden jedoch durch nichts anderes als durch auf Lebenserhaltung gerichtete Bedürfnisse ermöglicht. ROUSSEAU fragt danach, wie die Selbstgenügsamkeit und das Gleichgewicht des Hirtenzeitalters zerrüttet werden konnten und führt als Grund wie im Discours zunächst den störenden Einfluss der Umwelt an. Dabei handelt es sich im Unterschied zum Discours jedoch nicht um Katastrophen, sondern Unterschiede der Jahreszeiten und des Klimas genügen, um Gruppenbildung und Zusammenarbeit zu bewirken. Wenn die Winter hart und Jagdzüge unmöglich wurden, waren die Menschen zur Vereinigung gezwungen und wurden dadurch zugleich in die Lage versetzt, einander zu helfen und eine Art Konvention untereinander einzugehen. In den warmen Klimazonen führte die Notwendigkeit der Wassersuche die Menschen zusammen und brachte dadurch die passions hervor, aus denen sich Sprache ergab. Es erscheint daher übertrieben, einem
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Süden mit gesungener Sprache und Kommunikation aus Liebe einen Norden gegenüberzustellen, der Prinzip des Unglücks und der Verderbtheit sei. ROUSSEAUs sprachphilosophisches Denken lässt sich nicht auf dichotomische Gliederungen und Wortspiele reduzieren, wie etwa seine Aussage über die Völker des Nordens: “le premier mot ne fut pas chez eux, aimez moi, mais aidez moi” (‘das erste Wort war bei ihnen nicht liebt mich, sondern helft mir’, ROUSSEAU [1755] 1970: 131). Auch die Opposition Natur vs. Zivilisation erfasst offensichtlich nur die als solche unvollständigen Gegenpole einer dialektischen Bewegung, die nicht auf eine nostalgische Sicht, sondern auf Befreiung abzielt. Wie der Mensch selbst wird die Sprache entwürdigt und missbraucht, wenn sie vor allem dazu dient, das egoistische Ich zu behaupten, ungerechten Eigentumsverhältnissen Dauerhaftigkeit zu verleihen oder gesellschaftliche Missstände zu verdecken. Dennoch ist die Sprache so eng mit der Vervollkommnung des Menschen und dem Prozess seines notwendigen Hinauswachsens über die passive und animalische Natur verbunden, dass man die Andeutungen einer positiven Kraft der Sprache in ROUSSEAUs Essai nicht übersehen kann. Der polygenetische Erklärungsansatz im Essai erlaubt es ROUSSEAU, Sprache nicht nur als Instrument der Unterdrückung und Manifestation bestehender Macht- und Konkurrenzverhältnisse darzustellen, sondern sie ebenso als Mittel zur Herstellung affektiver Bindungen und als Medium ästhetischer Erbauung zu beschreiben. Die Ursprache wird von ROUSSEAU im Essai mit den Attributen der Gesanglichkeit, Spontaneität und Affektivität versehen (ĺ Ursprache). Im weiteren Verlauf der Geschichte wird dieser ursprüngliche authentisch-expressive Charakter der Sprache nach ROUSSEAUs Auffassung jedoch zusehends durch den Verschriftungsprozess (ĺ Schrift) verdrängt, der die Sprache alteriert, indem er sie dem Diktat der ratio opfert. 2.3.3. Zur Darstellung des Sprachursprungs in der Enzyklopädie der französischen Aufklärung Für die philosophische und epistemologische Heterogenität der von DIDEROT und D’ALEMBERT herausgegebenen Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers (1751–1772), aber auch für die Komplexität des Sprachursprungsproblems selbst spricht allein schon die Tatsache, dass mit nur wenigen Seiten Abstand zwei völlig entgegengesetzte Auffassungen zu dieser Frage vertreten werden konnten. Im Artikel langage begründet der CHEVALIER DE JAUCOURT unter Berufung auf CONDILLAC den menschlichen Sprachursprung, während BEAUZÉE im Artikel langue die übernatürliche Schöpfung der Sprache als einzige Erklärungsmöglichkeit ansieht. Bei DIDEROT selbst, aber auch bei den für die Mitarbeit an der Enzyklopädie gewonnenen Grammatikern César Chesneau DU MARSAIS und BEAUZÉE sind Bemerkungen zum Sprachursprung der Absicht untergeordnet, die allgemeinen, abstrakten, aber verifizierbaren Bedingungen der Entstehung eines
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Ausdrucksmittels zu untersuchen (ĺ Ursprung). War bereits ROUSSEAU davon ausgegangen, dass die Entwicklung der Gesellschaft eines Tages Sprache hervorbringen musste, und hatte er die tatsächliche Existenz der Sprache in die Geschichte projiziert, so verlagern die Enzyklopädisten den Sprachursprung in eine zeitlich unbegrenzte Gegenwart, da die für Sprachentstehung notwendigen Bedingungen ständig gegeben sind. Die Frage nach der Kausalität des Sprechens und der Sprache schließt dabei die genetische Fragestellung nicht aus, verlagert sie jedoch auf die Ebene theoretischer Notwendigkeiten. DIDEROT entwickelte seine Gedanken zum Sprachursprung in der Lettre sur les sourds et muets (1751) vor allem im Zusammenhang mit der Problematik der Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion, vgl. RICKEN 1978: 118-123). Sollten sich aus der Reihenfolge der Entstehung von Benennungen nicht auch Hinweise für das viel diskutierte Thema finden lassen, welche Wortfolge in der gegenwärtigen Verwendung der Sprachen die natürliche ist (ĺ natürliche Sprache)? DIDEROT folgt dabei der Auffassung, dass zunächst die wahrnehmbaren Objekte benannt wurden, die als erste die Sinne getroffen haben. Mit bereits vorliegenden sensualistischen Positionen stimmt DIDEROT auch in der Erklärung der Entstehung abstrakter Begriffe durch den Vergleich und das Herausarbeiten des Gemeinsamen sprachlich verarbeiteter Bedeutungen überein. Im Unterschied zu CONDILLAC steht jedoch bei DIDEROT die Simultaneität des Denkakts im Vordergrund. Das Problem der Entstehung und Verwendung sprachlicher Zeichen stellt sich daher im Grunde immer wieder von neuem, sobald die Ganzheit eines Gedankens durch die lineare Abfolge von Wörtern ausgedrückt werden soll (ĺ Linearität). Die Lettre sur les sourds et muets liefert zudem Einblicke in die Spezifik unterschiedlicher Kommunikationssysteme und Kunstformen, wobei der Linearität der artikulierten Lautsprache z. B. die Simultaneität der Malerei gegenübergestellt wird. Gegenstand der Lettre sur les sourds et muets ist das komplexe Verhältnis zwischen Ausdrucksmitteln der verschiedenen Künste wie Musik, Malerei, Skulptur und deren Bezug zu Sprachursprung, Gebärdensprache und artikulierter Lautsprache (ĺ Ursprung; ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Einen ähnlichen, auf die gegenwärtigen Funktionen und die Kausalität der Sprache gerichteten Anspruch wie DIDEROT erhebt DU MARSAIS’ Fragment sur les causes de la parole, das 1793, also siebenunddreißig Jahre nach dem Tode seines Verfassers, erschien. DU MARSAIS gehörte als vermutlicher Autor eines Essais über die Vorurteile zu den hervorragenden Denkern seiner Zeit. Im Anschluss an LOCKE kommt DU MARSAIS zu der Feststellung, dass die Analyse der Sinneswahrnehmungen als Grundlage der gesamten Denk- und Sprachtätigkeit erst durch das Kommunikationsbedürfnis veranlasst wird. Wenn bereits im Titel von DU MARSAIS’ Aufsatz nach den Gründen des Sprechens gefragt wird, so ist also andererseits das Sprechen selbst eigentliche Ursache des Denkens.
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Sprache wird notwendig, um unser Denken zu gliedern, zu analysieren, es in seinen Einzelheiten auszudrücken und wahrnehmbar zu machen. Die Notwendigkeit der Analyse des Denkens zum Zweck der Kommunikation lässt uns dann oft erst erkennen, was ohne die sprachliche Verarbeitung unbemerkt geblieben wäre (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Nach erfolgter Analyse muss der Satz in der Sprachverwendung das wiederherstellen, was im Denken als Einheit existierte. Eine solche Sichtweise, die auch DIDEROT teilte, lässt die Frage nach einer notwendigen, festgelegten Wortfolge unangebracht erscheinen. Alle Sprachen haben eine ihnen angemessene Wortfolge und lassen durch die Beziehungen zwischen den Wörtern im Satz Sinn entstehen. Neben der Syntax behandelte DU MARSAIS als bevorzugtes Thema die Metaphern (Des tropes, 1730), die er als eine Art zweite Geburt der Sprache betrachtet (ĺ Metapher). Nachdem in der Phase des Ursprungs der Sprache den sinnlich wahrnehmbaren Objekten Namen beigelegt wurden, entstehen durch Nachahmung und Analogie Metaphern, die Abstraktes durch Konkretes, Geistiges durch nahe liegendes Materielles abbilden (ĺ Analogie). Wie im Bereich der Syntax ersetzte DU MARSAIS auch in der Semantik die Genesis durch eine Nachschöpfung, die im alltäglichen Sprechen fassbar wird. Bemerkenswert am Vorgehen BEAUZÉEs, der die Nachfolge DU MARSAIS’ als wichtigster Grammatiker der Enzyklopädie antrat und 1767 eine Grammaire générale veröffentlichte, ist das Bemühen, den offensichtlichen Widerspruch zwischen der Schöpfungslehre und der für die menschliche Erfahrung fassbaren Sprachentwicklung zu überbrücken. Die göttliche Sprachgebung betrachtet BEAUZÉE lediglich als Schöpfung und Anregung einer menschlichen Fähigkeit, die dann entsprechend den Bedürfnissen der sich entwickelnden Gesellschaft wirksam wurde. Mit der Bezugnahme auf die kommunikativen Bedürfnisse und der Feststellung, dass die Menschen selbst die notwendigen Wörter und Wendungen erfinden, versucht BEAUZÉE, den sprachlichen Erfahrungstatsachen Rechnung zu tragen. In seiner Begründung des göttlichen Sprachursprungs interpretiert er ROUSSEAUs Eingeständnis, dass die Entstehung der Sprache auf natürlichem Wege schwer erklärbar ist, als Beweis gegen den menschlichen Sprachursprung. Den einzelnen Argumenten ROUSSEAUs brauche man nichts hinzuzufügen, nur habe er in der Annahme göttlicher Einwirkung noch einen Schritt weiter gehen sollen. Die Vorstellung von einem primitiven Zustand der Menschen, in dem sich die Sprache allmählich entwickelte, betrachtet BEAUZÉE als besonders gefährliche und Glaubenswahrheiten widersprechende Hypothese. Jede Sprache setze bereits eine Gesellschaft voraus, die jedoch ohne Sprache ihrerseits nicht entstehen könne. Als Ausweg aus diesem Dilemma sieht BEAUZÉE nur die Anerkennung einer gleichzeitigen Erschaffung von Sprache und Gesellschaft durch Gott. Mit der Auffassung vom göttlichen Sprachursprung verbindet sich hier der Hinweis auf den Offenbarungscharakter der entstandenen gesellschaft-
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lichen Verhältnisse (ĺ Ursprung). Der Sprachursprung bringt in diesem Sinne eine politische Konsequenz mit sich, die auf die Erhaltung der bestehenden Ordnung gerichtet ist und zu einer der wichtigsten sprachphilosophischen Thesen der Gegenaufklärung wurde. 2.3.4. Resakralisierung und säkularisierte Sicht der Sprachursprungsfrage in der Debatte an der Berliner Akademie Die Lehre vom göttlichen Sprachursprung behielt nicht nur Anhänger aus Gründen der Orthodoxie, sondern sie gewann als fertige Antwort auf ein schwieriges Problem wieder an Attraktivität. Der enge entwicklungsgeschichtliche und funktionelle Zusammenhang von Sprache, Denken und Gesellschaft ließ die Frage nach der Priorität eines der drei sich gegenseitig voraussetzenden Relationspartner zu einem Dilemma werden, das Autoren wie BEAUZÉE oder Noël-Antoine PLUCHE mit dem Hinweis auf göttliche Einwirkung lösen wollten. Die Möglichkeit, in derartige Begründungen eines übernatürlichen Sprachursprungs Argumente ROUSSEAUs einzubeziehen, ergab sich eher aus Gemeinsamkeiten in der Komplexität der Sichtweise als aus einem selbständigen epistemologischen Wert dieser Argumente. Besonders deutliche Gegensätze in der philosophischen Erklärung wechselseitiger Beziehungen von Sprache, Denken und Gesellschaft zeigt die Sprachursprungsdebatte an der Berliner Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste (vgl. AARSLEFF 1982a: 146 ff; DROIXHE 1978: 178 ff; RICKEN 1984: 177 ff; NEIS 2003). Eine wichtige Vermittlerrolle kommt dabei deren Präsidenten, dem französischen Philosophen, Mathematiker und Biologen Pierre-Louis Moreau de MAUPERTUIS zu, der 1748 selbst eine Arbeit unter dem Titel Réflexions philosophiques sur l’origine des langues et la signification des mots in die Diskussion eingebracht hatte. Von ihm war die Anregung ausgegangen, in der schließlich für 1759 ausgeschriebenen Preisfrage der Akademie den Zusammenhang der Sprache mit den Meinungen des Volkes zur Diskussion zu stellen. Ausschlaggebend dafür, dass auch die Sprachursprungsfrage dann 1769 als Preisfrage thematisiert wurde, war neben dem breiten Interesse für dieses Problem SÜSSMILCHs Versuch eines Beweises, daß die erste Sprache ihren Ursprung nicht vom Menschen, sondern allein vom Schöpfer erhalten habe (gelesen 1756, veröffentlicht 1766). SÜSSMILCH wollte diese Arbeit ausdrücklich als Reaktion gegen MAUPERTUIS verstanden wissen, wandte sich darin jedoch auch gegen CONDILLAC und ROUSSEAU. Ganz im Sinne einer Resakralisierung der Sprachursprungsfrage wird dabei die These vom untrennbaren Zusammenhang von Sprache und Denken zum zentralen Argument gegen die Möglichkeit der Sprachhervorbringung durch den Menschen umgedeutet: Sprache ist nach SÜSSMILCH notwendige Voraussetzung für die Tätigkeit des Verstandes, sie ist jedoch andererseits selbst ein so kompliziertes und vollkommenes Produkt,
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dass ihre Erfinder unbedingt bereits über Verstand verfügt haben müssen, was wiederum ohne Sprache unmöglich sei. Als Ausweg aus diesem Dilemma sieht SÜSSMILCH nur die Anerkennung der Sprachgebung durch Gott. Andererseits trug zur Verbreitung der Sprachphilosophie ROUSSEAUs in Deutschland insbesondere die 1756 erschienene und von Moses MENDELSSOHN besorgte Übersetzung des Discours sur l’origine de l’inégalite bei. MENDELSSOHN teilt darin vollkommen die natürliche Erklärung der Sprache als Schöpfung des Menschen, ohne sich allerdings ROUSSEAUs politischer Radikalisierung anzuschließen. Als Voraussetzung für die Schaffung der Sprache sieht MENDELSSOHN nicht eine ausgebildete Vernunft, sondern sinnesgebundene Einbildungskraft und die Fähigkeit zur Vervollkommnung. Gegen diese sensualistische Erklärung des Sprachursprungs wandte sich z. B. Jean-Henri-Samuel FORMEY, der später als ständiger Sekretär der Akademie sogar den Ankündigungstext der einschlägigen Preisfrage zu verlesen hatte. Unter dem Eindruck des Widerspruchs zwischen MAUPERTUIS und SÜSSMILCH war 1759 FORMEYs Schrift Réunion des principaux moyens pour découvrir l’origine du langage, des idées et des connaissances de l’homme entstanden, die ihr Autor wegen der besonders gegen ROUSSEAU gerichteten Polemik 1763 in seinen Anti-Emile aufnahm. Bemerkenswert ist, dass FORMEY von Anfang an auf die Argumentationsweise aus säkularisierter Sicht eingeht und die Frage nach dem Sprachursprung mit der Frage nach der Natur des Menschen verbindet (ĺ Ursprung). Unmittelbar auf die explizite Formulierung dieser wichtigen Grundposition der Sprachdiskussion der Aufklärung lässt FORMEY jedoch den Vorwurf folgen, Philosophen wie CONDILLAC oder Charles BONNET hätten nichts zur Unterscheidung von Körper und Seele und damit auch nichts zur Erfassung des ursprünglichen Charakters der menschlichen Seele beigetragen, ja sogar möglicherweise durch ihre Lehren dem Materialismus den Weg geebnet (vgl. FORMEY 1763: 213). Die Ablehnung auch nur in der Tendenz materialistisch interpretierbarer Thesen liegt der gesamten Schrift FORMEYs zugrunde und führt schließlich auch zur Verneinung der Frage, ob die Menschen sich selbst überlassen Sprache erfinden könnten (FORMEY 1763: 229). Wenn er dennoch ein Experiment vorschlägt, bei dem Kinder isoliert von jeglichen sprachlichen Einflüssen aufwachsen sollten, äußert er von vornherein die Überzeugung, dass diese Versuchspersonen keine Sprache entwickeln und bis zu ihrem Lebensende im Zustand der animalité verbleiben würden. Der Gedanke eines Naturzustandes der Menschen wird schließlich von FORMEY zugunsten der Vorstellung verworfen, der Mensch habe vom Schöpfer zusammen mit seiner Existenz auch die ersten Ideen und die Fähigkeit zu ihrer Mitteilung erhalten (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Für die Ausbildung und weitere Entwicklung dieser Fähigkeit setzt er jedoch gesellschaftliche Unterweisung und Kommunikation als notwendig voraus.
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Eine heftige Diskussion, in der vor allem die sensualistische Sprachursprungsthese auf weltanschaulich betonte Ablehnung gestoßen war, hatte somit die schließlich 1769 gestellte Preisfrage vorbereitet: “Haben die Menschen, ihrer Naturfähigkeit überlassen, sich Sprache erfinden können? und auf welchem Wege wären sie am füglichsten dazu gelangt”. Wenn HERDER 1771 schließlich als Preisträger aus 31 Einsendungen ausgewählt wurde, ist zunächst bemerkenswert, dass fast alle Einsendungen, die vom Preisrichter mit lobenden Worten bedacht wurden, Momente der psychologischen Sprachbetrachtung und des Verhältnisses von Sprache und Denken bzw. von Sprache und Gesellschaft betonten. Eine Reihe von Einsendungen, nicht zuletzt die preisgekrönte Schrift HERDERs selbst, verdeutlichen, dass die Frage nach dem Ursprung der Sprache immer zugleich eine Frage nach ihrem Wesen und ihrem Verhältnis zum Denken und zur Gesellschaft ist (NEIS 2003; ĺ Ursprung). Unter den von den Berliner Juroren lobend erwähnten Einsendungen auf die Preisfrage für 1771 befindet sich auch eine lateinische Preisbewerbungsschrift, die Francesco SOAVE zugeordnet werden kann ([SOAVE] Preisfrage 1771, Manuskript I-M-666). Wie wir in NEIS 2003 gezeigt haben, kann die Zuordnung zu diesem Autor aufgrund der Tatsache vorgenommen werden, dass SOAVE seine in diesem Manuskript vorgetragenen Überlegungen zum Sprachursprung später in italienischer Sprache unter dem Titel “Ricerche intorno all’istituzione naturale di una società e di una lingua” veröffentlichen ließ. Diese “Ricerche” sind Bestandteil seiner Istituzioni di logica, metafisica ed etica, die jedoch erst postum im Jahre 1813 publiziert wurden (vgl. NEIS 2002, 2003). Charakteristisch für SOAVEs Argumentationsweise ist seine Orientierung an sensualistischen Sprachursprungstheorien. So beruft er sich etwa ausdrücklich auf LOCKE und CONDILLAC, deren empiristisch-sensualistische Konzeption des Erkenntnisprozesses er übernimmt. Ebenso verweist er auf Charles de BROSSES, dessen im Traité de la formation méchanique des langues (1765) vorgetragene Überlegungen zur zentralen Rolle der Imitation und Onomatopoiesis als Grundlage der ĺ Ursprache für ihn richtungsweisend sind. Konsequent verfolgt SOAVE in seiner Abhandlung einen hypothetischen Empirismus, wenn er ähnlich wie CONDILLAC in einem Gedankenexperiment ein isoliertes Kinderpaar Sprache erfinden lässt. Dabei beruft sich SOAVE auf die im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Berichte über ‘wilde Kinder’, die in den verschiedenen Wäldern Europas gefunden worden waren und selbst in den taxonomischen Systemen eines Carl von LINNÉ einen festen Platz einnahmen. Ein zentrales Element der Argumentation SOAVEs besteht außerdem in der Zurückweisung von ROUSSEAUs pessimistischem Menschenbild und der Hervorhebung der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). SOAVE stellt die Notwendigkeit des Zusammenschlusses der Menschen im Naturzustand zur Bewältigung von
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Krisen und Überwindung von Bedrohungen anhand einer Vielzahl hypothetischer Fallbeispiele dar, die den Ursprung der Sprache modellhaft und exemplarisch zu rekonstruieren versuchen. Seine Argumentationsweise lässt ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Historizität der Sprache erkennen, das seinen Ausdruck in dem Bemühen findet, nicht nur den Ursprung der Sprache, sondern auch ihre weitere Entwicklung und Vervollkommnung zu beleuchten, wobei durchaus auch Beispiele aus Einzelsprachen wie dem Französischen oder dem Lateinischen herangezogen werden (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Nicht nur die Abhandlung SOAVEs, sondern auch weitere Einsendungen zur Berliner Preisfrage, die nicht konkreten Autoren zuzuordnen sind, zeugen von einem fundierten Wissen um die erkenntnistheoretischen und anthropologischen Implikationen der Sprachursprungsproblematik. In einer Vielzahl von Preisbewerbungsschriften erfolgt eine Zurückweisung von ROUSSEAUs gesellschaftskritischer Vision des Menschen, die als falscher Ausgangspunkt für eine überzeugende Theorie zum Ursprung der Sprache verworfen wird. Allerdings geraten weniger ROUSSEAUs sprachtheoretische Annahmen in den Fokus der Kritik, sondern vielmehr sein pessimistisches Menschenbild. Sprachtheoretische Implikationen der Argumentation ROUSSEAUs eignen sich ohnehin weniger zur Kritik, da er sich im Discours darauf beschränkt, die Schwierigkeit des Ursprungsproblems zu illustrieren und im zweiten Teil dieses Werks plötzlich einen Sprachursprung annimmt, ohne ihn plausibel zu erklären. Für eine Vielzahl von Autoren, die sich an der Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache beteiligten, bot der Sensualismus Condillacscher Prägung Anknüpfungspunkte für die Formulierung von Hypothesen zur Sprachentstehung. So argumentiert etwa Johann Nicolaus Tetens, der seine Ursprungsschrift im Jahre 1772 unabhängig vom Berliner Preiswettbewerb unter dem Titel Ueber den Ursprung der Sprache und der Schrift publizierte, dass am Beginn der Sprachentwicklung eine Gebärdensprache aus Gesten und unartikulierten tierhaften Schreien gestanden habe, die zusehends bewusst als Mittel der Kommunikation eingesetzt worden sei (ĺ Ursprache; ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen); ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Charakteristisch für zahlreiche Preisbewerbungsschriften ist das Bestreben, entsprechend der Formulierung der Preisfrage, die natürlichen Fähigkeiten des Menschen aufzuzeigen, wobei die Konzeption DESCARTES’ von den eingeborenen Ideen implizit oder explizit zurückgewiesen wird. Sowohl die erkenntnistheoretischen als auch die gesellschaftstheoretischen Implikationen der Fragestellung, die das für das Denken der Aufklärung so typische Konzept der natürlichen Fähigkeiten beschrieben wissen will, werden zum Gegenstand der Untersuchung erhoben. Neben dem Ursprung der Sprache werden oftmals auch ihre weitere Entwicklung, Phänomene des Sprachwandels sowie Perfektion und Korruption von Sprachen behandelt. Dabei steht die Historizität der Spra-
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che, die als ein geschichtliches Produkt, das durch den “Generationenvertrag” zwischen Eltern und Kindern weitergegeben wird und beständigen Veränderungen unterworfen ist, im Fokus der Argumentation. Diese historisierende Vision der Sprache steht zumeist im Zeichen einer teleologischen Orientierung auf die Perfektibilität des Menschen, die etwa in ROUSSEAUs Konzept der perfectibilité Anknüpfungspunkte findet (NEIS 2003; ĺ Ursprung; ĺ Sprachveränderung; ĺ Korruption). Die entwicklungsgeschichtliche Dimension der Sprache und ihre Historizität prägten auch die Argumentation der preisgekrönten Abhandlung HERDERs. Auf dem Hintergrund der vorangegangenen Diskussion um die Sprachursprungsfrage wirkt der erste Satz von HERDERs Preisschrift provokatorisch: “Schon als Thier hat der Mensch Sprache” (HERDER [1772] 1978: II, 91). HERDER beabsichtigt damit jedoch nicht jene Rückführung der Sprache auf unartikulierte Schreie, die er in Auseinandersetzung mit CONDILLAC und ROUSSEAU ablehnt, sondern vielmehr die Kennzeichnung des Menschen als sprachliches Wesen von Anfang an. Schon vor seiner Preisschrift hatte HERDER SÜSSMILCH vorgeworfen, dass ihm der Geist der Geschichte fehle und damit das Verständnis dafür, dass die Sprache nur als ein historisches Entwicklungsprodukt im Verlauf der Menschheitsgeschichte erklärbar sei. Als die Eigenschaft des Menschen, die ihn aus dem Tierreich hervorhebt und auch zur Entwicklung von Sprache befähigt, hebt HERDER in der Preisschrift die Besonnenheit hervor. Diese Besonnenheit ist zwar noch nicht mit der voll ausgebildeten Reflexion gleichzusetzen, ermöglicht jedoch sowohl Sprache als auch Reflexion, indem sie den Strom der Empfindungen anhält und in Merkmale zergliedert. Nach ihrer Herausbildung wirkt dann auch die Sprache fördernd auf die Besonnenheit zurück, sie ist somit letztlich sowohl ihr Produkt als auch ihr Organ. Das eigentliche Wesen des Menschen bildet sich, ausgehend von der Besonnenheit als einer apriorischen Grundlage, erst im Verlauf der nachfolgenden Evolution von Sprache und Denken heraus. Nach den äußerst kritischen Einwänden seines Lehrers Johann Georg HAMANN etwas verhaltener geworden, wandte sich HERDER im Vorwort zu der 1784 erschienenen deutschen Übersetzung von Lord MONBODDOs Origin and Progress of Language nochmals der Sprachursprungsfrage zu, ohne allerdings im Sinne seiner Preisschrift auf MONBODDOs Widersprüchlichkeit in der Behandlung dieses Problems einzugehen. Für James Burnett Lord MONBODDO hat die Sprache, die erst nach der Ausbildung der Ideen entstand, ihren Ursprung in unartikulierten Schreien, und sie kann nur von in einer Gesellschaft lebenden Menschen hervorgebracht werden, sobald sie für die Bedürfnisse der kollektiven Arbeit notwendig ist. In einer zweiten Phase treten bei MONBODDO dann anti-empiristische Momente in den Vordergrund, die seine Sprachursprungslehre als historische Seite und Ergänzung der neoplatonischen universellen Grammatik James HARRIS’ kennzeichneten. Dagegen war HERDERs an den
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Sensualismus der Aufklärung angelehnte Sprachauffassung Bestandteil seines geschichtlichen Menschenbildes und trug zu seinem Vertrauen in die Perfektibilität des Menschen bei. Obwohl HERDERs Position zur Sprachursprungsfrage in ihren philosophischen und gesellschaftstheoretischen Konsequenzen gemäßigt war, wurde ihm aus der Sicht der Gegner der Aufklärung vorgeworfen, mit der Leugnung des göttlichen Sprachursprungs die menschliche Gesellschaft als ein Werk der Menschen selbst erklärt und damit ihre Umwälzung vorbereitet zu haben. 2.3.5. Differenziertheit der Aspekte der Sprachursprungsfrage Die Sprachursprungsfrage findet sich in der Aufklärung in sehr speziellen Aspekten des Funktionierens und des Erwerbs von Zeichensystemen thematisiert (ĺ Spracherwerb). Phylogenese und Ontogenese werden dabei bis zu einem solchen Grade identifiziert, dass die Beschreibung des Spracherwerbs durch ein menschliches Individuum zum Modell der Sprachentstehung überhaupt werden konnte. In dieser Perspektive waren außerhalb der Gesellschaft aufgewachsene ‘wilde Kinder’, Taubstumme, primitive Stämme oder auch Völker mit stark abweichenden Sprach- bzw. Schriftsystemen viel versprechende Forschungsgegenstände, die es durch den als defizitär empfundenen Spracherwerb erlaubten, bestimmte Aspekte der komplexen Problematik auszuklammern und andere zu fokussieren (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell); ĺ Schrift). Als empirisches Material wurden allerdings oft nur im Gedankenexperiment gewonnene Überlegungen herangezogen. Derartige Gedankenexperimente, die als hypothetische Modelle der Rekonstruktion der Sprachgenese herangezogen werden (vgl. NEIS 1999 & 2003), knüpfen teilweise explizit an das sagenhafte Psammetichos-Experiment an bzw. orientieren sich an Auflistungen der Fälle ‘wilder Kinder’ (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)), die etwa Gegenstand der Sprachursprungshypothesen CONDILLACs, ROUSSEAUs, HERDERs, MONBODDOs oder SOAVEs sind. Grundlage ihrer Argumentationen ist die Annahme, dass der sozial defizitäre Spracherwerb von außerhalb der Gesellschaft aufgewachsenen Kindern, die man in den verschiedenen Wäldern Europas gefunden hatte, Rückschlüsse auf den präzivilisatorischen Naturzustand der menschlichen Spezies und damit auf Rudimente der Sprachentstehung ermögliche. Die dieser Hypothese zugrunde liegende unzulässige Übertragung der Erkenntnisse zur Ontogenese defizitärer Individuen auf die Phylogenese der gesamten Menschheit gelangt auch im Rahmen von Gedankenexperimenten mit Taubstummen und primitiven, “exotischen” Völkern zur Anwendung. Ein charakteristisches Beispiel für die Verwendung hypothetischer Experimente zur Formulierung von Hypothesen zum Sprachursprung und zum Verhältnis verschiedener semiotischer Systeme untereinander ist DIDEROTs Lettre sur les sourds et muets, in der der Autor eine Reihe von Experimenten mit
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Taubstummen beschreibt, die er teilweise auch in Wirklichkeit durchgeführt haben will. Insbesondere für die Relation zwischen Sprache und Denken schien das Modell der Taubstummen aufschlussreich, da es eine Beantwortung der Frage nach der Existenz sprachunabhängigen Denkens in greifbare Nähe rücken ließ. Waren es beim Taubstummen physische Defizite, die ihn zum Modell eines primitiven Stadiums der Sprachentstehung prädestinierten, wurde im Falle der exotischen Völker ihre vorgebliche kulturelle und sprachliche Rückständigkeit als Grundlage hypothetischer Experimente angenommen. Aus einer eurozentristischen Perspektive wurde z. B. von BUFFON in seiner Histoire naturelle générale et particulière (1749–1767) eine Charakterisierung verschiedener menschlicher Rassen vorgenommen, die etwa den Hottentotten als Inbegriff der Vulgarität beschreibt. Auch BUFFONs Identifizierung der Sprache der Hottentotten mit dem Glucksen eines Truthahns, die etwa von Etienne MAYET (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-664), einem Teilnehmer am Berliner Sprachursprungswettbewerb aufgegriffen wurde, gehört zu den typischen Charakterisierungen kulturell defizitären Spracherwerbs. Den Topoi der Sprachbetrachtung des 18. Jahrhunderts ist auch die Behauptung, dass exotische Völker Afrikas, Amerikas oder Asiens aufgrund kognitiver und sprachlicher Defizite nicht weiter als bis drei zählen könnten (vgl. LA CONDAMINE [1745] 1778: 64–65), zuzuordnen. Nicht nur die Sprachen, sondern auch die Schriftsysteme exotischer Völker sind Gegenstand eurozentristischer Kritik, wenn nicht gleich die Primitivität schriftloser Kulturen direkt angegriffen wird (ĺ Schrift). Im Rahmen eines Vergleichs werden im Hinblick auf Vorzüge und Nachteile von Schriftsystemen Wertungen vorgenommen, die in der Regel die lateinische Alphabetschrift als Inkarnation der Vollkommenheit und als Endpunkt einer teleologischen Entwicklung von primitiven Vorstufen hin zum Gipfel der Schriftentwicklung charakterisieren. Oftmals wird der Vergleich verschiedener Schriftsysteme im 17. und 18. Jahrhundert im Rahmen einer allgemein gehaltenen “Geschichte der Schrift” dargestellt, die mit der Erfindung des Alphabets ihren Höhepunkt erreicht, dem außerdem eine Schlüsselrolle für die Entwicklung des geistigen Fortschritts der Menschheit zugeschrieben wird. Im Zuge dieser vergleichenden Betrachtungen werden auch Vorformen der Schrift wie z. B. Kerbstöcke als Vorform von Zählsystemen, Quippos der Peruaner, Wampun-Gürtel der Irokesen oder Bilderschriften im Stile der Azteken behandelt. Sowohl ägyptischen Hieroglyphen als auch chinesischen Zeichen wird zwar im Vergleich zu primitiven Vorformen der Schrift ein höheres Maß an Abstraktheit zugesprochen, aber sie werden von Autoren wie ROUSSEAU, DE BROSSES, Joseph PRIESTLEY oder James BEATTIE fälschlicherweise als reine Bilderschriften dargestellt und als der lateinischen Alphabetschrift unterlegen charakterisiert. Das Thema der Schriftentstehung wird vielfach im unmittelbaren Zusammenhang von Hypothesen über den Sprachursprung mitbehandelt, insbeson-
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dere, wenn im Zuge einer genealogisch-historisierenden Konzeption die Genese der Lautsprache als eines von mehreren Kommunikationssystemen beschrieben wird, dem zwar entwicklungsgeschichtlich Priorität zugesprochen wird, welches aber zugleich als Grundlage für die Erklärung der Entstehung weiterer semiotischer Systeme wie etwa der Gebärdensprache oder der Schrift herangezogen wird (ĺ Ursprung; ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache; ĺ Schrift). Mit dem Bewusstwerden der Schwierigkeiten des Sprachursprungsthemas im 18. Jahrhundert geht außerdem seine Aufspaltung in mehrere Richtungen einher, in denen die philosophische Problematik auf unterschiedliche Weise mit anthropologischen, politisch-gesellschaftstheoretischen, philologischen und poetischen Gesichtspunkten verbunden wird. Jede dieser Richtungen fasst die zeitliche Ausdehnung des Begriffs der Genese sehr unterschiedlich auf: vom mythologischen Ursprung jenseits aller möglichen Erkenntnis über die rekonstruierte Ursprache oder die unmittelbare Herkunft bestimmter Sprachen bis hin zur aktuellen Sprachverwendung als Folge allgemeingültiger Gesetzmäßigkeiten der Sprachentstehung werden die verschiedensten Gegenstände im Zusammenhang mit der Sprachursprungsfrage thematisiert (ĺ Ursprung; ĺ Ursprache; ĺ Sprachverwirrung). Elemente einer Resakralisierung des Ursprungs der Sprache aufnehmend, kam es auch zur Hervorkehrung mythisch-poetischer Anhaltspunkte für die Suche nach transzendentaler Erkenntnis. Für den im Zentrum der französischen Illuminaten stehenden philosophe inconnu Louis-Claude de SAINT-MARTIN liegt der Sprachursprung nicht in einem nach der Entstehung des Menschen und seines Geistes vollzogenen Ereignis, sondern Sprachursprung und Ursprung des Denkens fallen zusammen. Unterscheidet er sich in dieser dialektischen Sicht der Entstehung der Sprache im Zusammenhang mit den menschlichen Fähigkeiten kaum von hervorragenden Vertretern der Aufklärung, so hebt sich der übergreifende Rahmen seiner Sprachtheorie deutlich von deren Anliegen ab. Die Sprache (langage) der geoffenbarten Geisteseinheit mit Gott sei verloren gegangen, sie schimmere aber – gemäß dem Symbolcharakter aller Erscheinungen – in den langues, den gefallenen Sprachen, noch durch. Dieser universale Symbolismus zeigt sich auch in der Annahme einer ursächlichen Verbindung zwischen Wörtern (Namen) und Sachen, wobei den Wörtern die Eigenschaft zugeschrieben wird, etwas vom Wesen der Sachen zu enthüllen. Das Bestreben der Illuminaten, unter Umgehung des diskursiven Denkens der Wahrheit innerlich ansichtig zu werden, erhielt bei SAINT-MARTIN eine ausdrücklich sprachtheoretische Prägung. In einigen Grundgedanken besteht dabei Übereinstimmung mit Autoren wie BEAUZÉE und FORMEY, die bereits im Verlauf der Sprachdiskussion des 18. Jahrhunderts um eine Neubegründung des göttlichen Sprachursprungs bemüht waren. Ähnlich wie diese verwendet SAINT-MARTIN die von ROUSSEAU aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Sprachentstehung als Argument gegen den natürlichen Ursprung der Sprache.
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Die von SAINT-MARTIN selbst erwähnte Gemeinsamkeit mit ROUSSEAU erstreckt sich auch auf die Ablehnung der Auffassung, dass die Sprache nur als Instrument zur Befriedigung der unmittelbaren Lebensbedürfnisse entstanden sei sowie auf die Annahme eines Bruchs zwischen der Ebene des Ursprungs und der geschichtlichen Zeit. Wenn SAINT-MARTIN diese Gedanken ROUSSEAUs aufnimmt und zuspitzt, so unterscheiden sich beide jedoch in wesentlichen Zügen ihres Denkens. Was ROUSSEAU als Argumente in einer Beweisführung darstellte, verwandelt SAINT-MARTIN in Schlussfolgerungen, und ROUSSEAUs Suche nach den Ursachen der Entfremdung im Verlauf der Geschichte wird bei SAINT-MARTIN durch eine Poetik des Verfalls ersetzt. Trotz ihrer gegensätzlichen Orientierung, der Notwendigkeit der persönlichen und sozialen Wiederherstellung des Menschen bei ROUSSEAU und der Sehnsucht nach einer in der Vielzahl von Sprachen verloren gegangenen Einheit bei SAINTMARTIN, teilen beide die Auffassung von der Sprache als wesentlichem Instrument des menschlichen Wesens. Ein anderer Weg, das Sprachursprungsproblem in seinen Auswirkungen in die Gegenwart zu verlagern, regte die Dichtkunst an, die immer deutlicher als Bestandteil des Wesens der Sprache verstanden wurde. So bereitete z. B. DU MARSAIS die Wiederbelebung der bildhaften Sprache vor, und DIDEROT suchte am Gegenstand des Inversionsproblems eine neue Art und Weise, die ursprüngliche Ganzheitlichkeit der Sinneswahrnehmungen im sprachlichen Ausdruck herzustellen. Der notwendigen und für die menschliche Erkenntnis vorteilhaften Wirkungsweise der Sprachen als analytische Methoden wird somit bereits in der Aufklärung die beschwerliche Linearität der Rede als Nachteil gegenübergestellt, den der Dichter durch Andeutungen, Konnotationen der Wörter und Inversionen in der Wortfolge überwinden muss (ĺ Linearität; ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Unabhängig davon, ob sie von der schöpferischen Kraft des Wortes in seiner aktuellen Verwendung ausgingen oder sich vorwiegend für die Harmonie der Sprachen und ihre Verwandtschaft interessierten, führten die Überlegungen zur Ursprungsproblematik oft zu politischen Implikationen. In Fortsetzung der Theorien BEAUZÉEs und SAINT-MARTINs verbanden Antoine FABRE D’OLIVET, Louis BONALD, Pierre-Simon BALLANCHE und Joseph de MAISTRE mit der sprachlichen Offenbarung die göttliche Auferlegung einer festen sozialen Ordnung. Durch die Betonung des wichtigen Anteils der sprachlichen Zeichen an der Vervollkommnung des Individuums und der Entwicklung der Gesellschaft verlagern dagegen z. B. CONDILLAC und ROUSSEAU den Schwerpunkt vom Problem der Genese auf das Problem der ständigen Spracherzeugung und der Ursachen dieses Prozesses. Wie Daniel DROIXHE (1976: 119) am Beispiel PROUDHONs nachgewiesen hat, konnte ein in dieser Perspektive entwickeltes sprachphilosophisches Interesse zu gesellschaftstheoretischen Konsequenzen und sogar zu entsprechenden Handlungen führen.
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Die anthropologischen Konsequenzen der Sprachursprungsdiskussion der Aufklärung fanden auch bei den Naturwissenschaftlern Aufnahme und Fortsetzung. Im Kontext der Debatte um naturwissenschaftliche und philosophische Fragen der Entstehung der Arten ergaben sich Ansätze einer naturgeschichtlichen Entwicklungslehre auch bei der Behandlung der ‘Tiersprache’ und des Sprachursprungs (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen); vgl. RICKEN 1984: 182 ff), wie überhaupt bei der Anwendung solcher zentralen Begriffe des Geschichtsdenkens der Aufklärung wie ‘Fortschritt’ und ‘Perfektibilität’ versucht wurde, den Menschen auch in seiner Sprach- und Kommunikationsfähigkeit in den Gesamtzusammenhang der Natur zu stellen. Das Streben nach einer Einordnung des Menschen in das Gesamtsystem der Natur entfaltet sich im 18. Jahrhundert in der Entstehung einer naturgeschichtlichen Entwicklungslehre. Insbesondere BUFFONs allgemeine Naturgeschichte (Histoire naturelle générale et particulière, 1749–1767), in der die Differenzierung und Vervollkommnung der Lebewesen im Sinne einer Stufenleiter konzipiert wird, ist in diesem Zusammenhang zu würdigen. BUFFONs Konzeption einer Kette der Lebewesen (chaine des êtres) sollte auch noch für JeanBaptiste de LAMARCKs Erklärung der Entwicklung der animalischen Welt richtungsweisend sein. In der naturgeschichtlichen Entwicklungslehre des 18. Jahrhunderts kommt dem Verhältnis von Mensch und Tier sowie Unterschieden zwischen artikulierter Lautsprache und Formen der Zoosemiose besondere Relevanz zu. So lassen sensualistische Modelle bereits in Ansätzen Argumentationen erkennen, die für die Evolutionstheorie und Transformationslehre Charles DARWINs charakteristisch sind. Die Präformationslehre des 18. Jahrhunderts war noch von der Annahme einer allmählichen Entwicklung der Arten im Sinne eines bereits vorgefertigten, also aus Vorstrukturen aufgebauten Ablaufplans ausgegangen und kam damit DESCARTES’ Auffassung von den eingeborenen Ideen (idées innées) nahe. Der Konzeption einer Präformation stellen etwa MAUPERTUIS, DIDEROT oder ROUSSEAU eine Vorstellung von der Entwicklung der Arten gegenüber, die diese als Transformation begreift. Charakteristisch für die naturgeschichtliche Entwicklungslehre, wie sie im Zuge sensualistischer Hypothesen zum Sprachursprung vorgetragen wird, ist die Annahme von Grundbegriffen wie ‘Perfektibilität’ und ‘Fortschritt’, die das gesamte Geschichtsdenken der Aufklärung prägen. Im Rahmen der Etablierung eines säkularisierten Weltbildes wird die Stellung des Menschen im Universum und sein Verhältnis zum Tier hinterfragt, wobei die Vorstellung menschlicher Perfektibilität ein wichtiges Konzept auf biologischem wie gesellschaftlichem Gebiet darstellt. Sensualistische Hypothesen zum Sprachursprung (ĺ Ursprung), wie sie etwa von CONDILLAC und ROUSSEAU vorgetragen werden, liefern im Gegensatz zu der strikten Konzeption DESCARTES’ Ansatzpunkte für körperliche Grundlagen der Sprache, verwischen damit die Grenzen zwischen tierischen und menschlichen Kommunikationsformen und verleihen der Dis-
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kussion um die Existenz einer ‘Tiersprache’ und einer ‘Tierseele’ eine neue Dimension, indem der Sonderstatus des Menschen im Reiche des Lebendigen hinterfragt wird (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Schon 1739 hatte Guillaume-Hyacinthe BOUGEANT mit seiner Schrift Amusement philosophique sur le langage des bêtes die Kirche zum Eingreifen veranlasst, weil seine Darstellung der Empfindungs- und Kommunikationsformen von Tieren den Rang des Menschen als Krone der Schöpfung in Frage stellte. Da BOUGEANT die Verwendung eines Kommunikationssystems zur Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Strukturen generell für unverzichtbar hält, spricht er nicht nur der menschlichen Spezies, sondern auch allen Herdentieren die Verwendung eines langage zu. Als unerlässliches Mittel der Überlebenssicherung eines sozial lebenden Tieres, wie z. B. der Biber es verkörpert, nennt BOUGEANT die Sprachfähigkeit (la faculté de parler). Allerdings grenzt er das Kommunikationssystem des Bibers von menschlicher Lautsprache ab, indem er die Existenz artspezifischer Verständigungssysteme zwischen im Sozialverband lebenden Tieren wie etwa Biber, Bienen und Ameisen annimmt. Die Verwendung eines artspezifischen Kommunikationssystems schreibt BOUGEANT aber nicht nur Herdentieren zu, sondern auch allen anderen Tieren bis hin zu Auster und Nacktschnecke, deren Sprachfähigkeit er jedoch für verhältnismäßig geringer entwickelt hält. Den Vogelgesang interpretiert er als “Sprache”, die zwar dem Menschen unverständlich sei, aber ein höchst effizientes Verständigungssystem darstelle. BOUGEANT stellt sie der Sprache der Hottentotten an die Seite, die er mit dem Glucksen eines Truthahns vergleicht (BOUGEANT 1739: 110), wobei er sich eines Topos der eurozentristischen Sprachbeschreibung des 18. Jahrhunderts bedient (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Mit seiner Annahme der Existenz einer ‘Sprache der Tiere’, die die Vorstellung von der Einmaligkeit des Menschen im System der Lebewesen unterminierte, geriet BOUGEANT in Konflikt mit den kirchlichen Autoritäten. Zwar hatte BOUGEANT versucht, die philosophische Tragweite der Anerkennung einer Seele der Tiere als unabwendbare Folgerung der Anerkennung ihrer Sprache einzuschränken, indem er ihnen nur Seelen von Dämonen zuwies. Doch sogar die bei VOLTAIRE von LOCKE übernommene Beteuerung, dass die hypothetische Annahme einer materiellen Seele nicht glaubenswidrig sei, da sie die Allmacht des Schöpfers, der auch die Materie mit Denkfähigkeit ausstatten könne, unterstreiche, hatte den Verdacht des Materialismus und Atheismus nicht abwenden können. Als Autor des skandalträchtigen materialistischen Pamphlets L’homme-machine (1748) geriet LA METTRIE in Konflikt mit der herrschenden Lehrmeinung der Kirche. Dieses Werk ist ebenso wie BOUGEANTs Amusement philosophique sur le langage des bêtes durch die Verwischung der Grenzen zwischen den verschiedenen Lebewesen und die Infragestellung der menschlichen Superiori-
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tät gegenüber dem Tierreich gekennzeichnet. Mit seiner Vorstellung vom Menschen als Maschine antwortet LA METTRIE unmittelbar auf DESCARTES’ Konzeption der Tiere als Automaten im Discours de la méthode, indem er dessen Automatentheorie pervertiert und auf den Menschen anwendet. In LA METTRIEs Argumentation wird der Mensch auf seine physiologische Natur reduziert. Die Vergleichbarkeit physiologischer Prozesse wie Atmung, Nahrungsaufnahme und Ausscheidung bei Mensch und Tier veranlasst den Autor, beide auf einer Ebene anzusiedeln. Mit der Radikalisierung von DESCARTES’ Automatentheorie und ihrer Anwendung auf den Menschen wird der cartesischen Konzeption von der auf Verstand und Sprache beruhenden Superiorität des Menschen die Vorstellung von der Gleichberechtigung zwischen Mensch und Tier gegenübergestellt, die im mechanischen Charakter physiologischer Prozesse ihre Legitimation findet. Die sensualistische Hypothese über Ursprung und Entwicklung der Sprache gab sprachtheoretischen Fragestellungen eine neue epistemologische Dimension, die auch für das Evolutionsdenken wichtig wurde (ĺ Ursprung; ĺ Ursprache). Die These, dass die Tiere nach Maßgabe ihrer Bedürfnisse untereinander kommunizieren und dafür Körperbewegungen und nichtartikulierte Laute einer auch dem Menschen eigenen Gebärdensprache verwenden, wird in die Argumentation für eine naturgeschichtliche Entwicklungslehre einbezogen (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen); ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Den Lernprozess, der für die Anwendung der Aktionssprache bei Tier und Mensch nötig ist, führt der Mensch schließlich bis zur Ausbildung der artikulierten Lautsprache weiter (CONDILLAC 1947–1951: I, 360 ff). In seinem Traité des animaux (1755) betrachtet CONDILLAC die Elemente der Aktionssprache als für Tier und Mensch gleichermaßen in Gestalt ihres Organismus gegeben. Formen der Zoosemiose fallen nach CONDILLACs Darstellung jedoch artspezifisch verschieden aus, da etwa Luft- und Landtiere verschieden organisiert seien und unterschiedliche Bewegungen und Laute von sich gäben. Ebenso wie er im Essai sur l’origine des connoissances humaines die Aktionssprache (langage d’action) als Vorstufe auf dem Weg zur Entwicklung einer artikulierten Lautsprache beschrieben hatte, stellt CONDILLAC auch im Traité des animaux fest, dass es sich beim langage d’action um eine Kommunikationsform handle, die auf die Verwendung der artikulierten Lautsprache vorbereite. Tiere verfügen nach CONDILLACs Verständnis durchaus über eine “Sprache”, die zwar recht unvollkommen und beschränkt, aber im Verhältnis zur Spezifik der Art, der das jeweilige Tier angehört, adäquat konstruiert ist. CONDILLAC schreibt den Tieren aufgrund ihrer Fähigkeit, Wahrnehmungen zu verarbeiten, Denkfähigkeit und auch imagination, also Einbildungskraft und Phantasie, zu. Sie sind seiner Meinung nach durchaus auch zu kreativen, nicht rein instinktiven Kommunikationsformen befähigt. Allerdings bleiben tierische
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Kommunikationsformen entsprechend der anders gearteten anatomischen Konfiguration der Tiere nach CONDILLACs Auffassung hinter der artikulierten Lautsprache des Menschen trotz aller Zugeständnisse weit zurück. Dennoch ist sein Traité des animaux als ein Plädoyer gegen den Cartesianismus und für die Vorstellung einer Denk-, Einbildungs- und Sprachfähigkeit der Tiere zu sehen, wenngleich der langage des bêtes nur rudimentäre Züge menschlicher Kommunikation aufweist. Mit der Annahme der Existenz einer ‘Tiersprache’ und der Zuschreibung elementarer kognitiver Fähigkeiten an die Tiere nimmt CONDILLAC im Gegensatz zu DESCARTES einen nur graduellen Unterschied zwischen Mensch und Tier in der Kette der Lebewesen an (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Trotz aller qualitativen Unterschiedlichkeit haben die tierisch-menschliche Aktionssprache und die artikulierte Lautsprache des Menschen ein gemeinsames Funktionsprinzip in der Gedankenverknüpfung (liaison des idées) und eine gemeinsame Triebkraft in Gestalt der Kommunikationsbedürfnisse. Diese bei CONDILLAC vorwiegend philosophisch-spekulativ formulierte Erklärung der tierischen und menschlichen Kommunikation wird bei Charles BONNET durch Tierbeobachtungen und physiologisch-anatomische Gesichtspunkte erweitert. Neben den Kommunikationsbedürfnissen werden von ihm vor allem Unterschiede in der organischen Struktur als Ursache unterschiedlicher Kommunikationsfähigkeit bei Mensch und Tier aufgezeigt (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Auch der bedeutende Naturforscher Albrecht von HALLER widersprach der von BUFFON im Anschluss an den cartesischen Dualismus gezogenen Trennungslinie zwischen Mensch und Tier und sah eine wichtige Gemeinsamkeit beider in der Sprache der Leidenschaften, die sogar eine Kommunikation zwischen Mensch und Tier erlaube. Das schlechtere Gedächtnis und damit die geringere Perfektibilität der Tiere erklärt HALLER aus der Tatsache, dass sie weniger Zeichen besitzen. An die Stelle einer statischen Stufenfolge und Verkettung der Lebewesen (chaine des êtres) trat bei MAUPERTUIS und mit noch deutlicheren sprachtheoretischen Bezügen bei DIDEROT ein evolutionistisches Transformationskonzept, das die Funktion von Sprache und Zeichen einbezog (vgl. RICKEN 1984: 189). DIDEROT ging dabei in seinen Pensées sur l’interprétation de la nature (1753– 1754) bis zu der Annahme, dass eine Vereinigung von Elementen der Materie einen Organismus bildet, der in einem langen Entwicklungsprozess immer neue Stufen erreichen kann. Die Übernahme sprachphilosophischer Überlegungen der Aufklärung in das naturwissenschaftliche Evolutionsdenken lässt sich bis hin zu DARWIN nachweisen. Schon LAMARCK hatte im Anschluss an die sensualistische Erklärung der Sprachentwicklung die Rolle der Bedürfnisse bei der Höherentwicklung der Artikulationsorgane und des Gehirns betont und letztere außerdem in einem Prozess der Wechselwirkung mit der Sprache gesehen. In DARWINs 1871
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veröffentlichter Abstammung des Menschen (The Descent of Man) findet sich dann die Feststellung: “I cannot doubt that language owes its origin to the imitation and modification, aided by signs and gestures, of various natural sounds, the voices of other animals, and man’s own instinctive cries” (DARWIN 1871: I. 56). DARWIN beruft sich dabei auf Veröffentlichungen von zeitgenössischen Linguisten, die er zum Teil selbst durch sein erstes Hauptwerk Über den Ursprung der Arten (On the Origin of Species, 1859) angeregt hatte. So hatte August SCHLEICHER unter dem Einfluss DARWINs in seiner Schrift Über die Bedeutung der Sprache für die Naturgeschichte des Menschen (1865) die Entstehung und Entwicklung der Sprache in Formulierungen dargelegt, die an die sensualistischen Argumente der Sprachursprungsdiskussion in der Aufklärung erinnern. Ebenso betonte Ernst HAECKEL unter Berufung auf die glänzenden Resultate der vergleichenden Sprachforschung seiner Zeit den Zusammenhang von Sprachursprung und Anthropogenese. Auch in dieser Fortsetzung einer Reihe von Grundpositionen der Sprachursprungsdebatte der Aufklärung im 19. Jahrhundert und in ihrer Integration in ein naturwissenschaftlich orientiertes Weltbild zeigt sich die philosophische Tragweite der auf dem Höhepunkt der Aufklärung entwickelten Sprachphilosophie. Sie wurde zum Bestandteil und Instrument einer säkularisierten Sicht des Menschen, die über ihre Zeit hinauswies und zu anthropologischen Forschungen anregte.
2.4. Einheit und Vielfalt der Sprachen Die Vorstellung von einem Paradigma der Sprachphilosophie des 17. und 18. Jahrhunderts, das die Vielfalt der Sprachen universell gültigen Denkstrukturen nach- und unterordnet und für die Sprachbetrachtung feste Kategorien einer an streng rationalistischer Logik orientierten allgemeinen Grammatik vorschreibt, ist in der Forschung der letzten Jahrzehnte mehrfach relativiert worden. Die These, dass die Sprachen in ihrer vielfältigen Gestalt nur in Abhängigkeit von einer universellen Struktur des Denkens existieren, ließe sich als eine der in der damaligen Sprachphilosophie vorliegenden paradigmatischen Positionen charakterisieren, die sich vor allem mit der Begründung der Einheit und Unveränderlichkeit der Menschheit in Zeit und Raum verbindet. Mit der Erkenntnis der historischen Entstehung und Entwicklung des Menschen und all seiner Lebensund Kommunikationsformen erlangt jedoch eine andere paradigmatische Position an Gewicht, die der Sprache einen formenden Einfluss auf das Denken zugesteht. Die Sprachenvielfalt ist aus dieser Perspektive nicht mehr Hülle und Verkleidung des universellen Denkens, sondern Folge der unterschiedlich verlaufenen gemeinsamen Entwicklung von Sprache und Denken (ĺ Universalität und Verschiedenheit). In Anlehnung an später besonders explizite und wirksame Formulierungen dieser paradigmatischen Position ist der Gedanke, dass die Sprache, d. h. in erster Linie die Muttersprache, in irgendeiner Art und in
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irgendeinem Ausmaß (also keineswegs notwendigerweise vollständig) die Weltansicht, das Denken, das Leben ihrer Sprecher beeinflusst auch im Hinblick auf die Sprachphilosophie des 17. und 18. Jahrhunderts als These vom Weltbild der Sprache oder als Linguistic Relativism bezeichnet worden (CHRISTMANN 1981). Mit der Sprachrelativität des Denkens als Diskussionsgegenstand ist die das Denken konstituierende und in seiner Spezifik gestaltende Funktion der Sprache gemeint. Diese Auffassung konnte sich vor allem auf der Grundlage einer neuen Einordnung der Problematik des arbiträren Zeichencharakters ergeben, die im Rahmen der sensualistischen Sprachtheorien erfolgte und mit einer Überwindung der dualistischen Interpretation des Verhältnisses von Sprache und Denken verbunden war (ĺ Arbitrarität). LOCKE hatte die Tatsache der Sprachverschiedenheit und die damit verbundene unterschiedliche Bildung komplexer Ideen bei verschiedenen Völkern als Argument gegen die rationalistische Annahme angeborener Ideen verwendet. Die Verschiedenheit der Sprachen konnte auch als sprachpraktisches Phänomen, das sich vor allem bei der Übersetzung und im Erwerb fremder Sprachen stellte (ĺ Übersetzung; ĺ Spracherwerb), nicht übersehen werden und musste in der wissenschaftlichen Sprachbetrachtung zunehmend beachtet werden. Dabei verschob sich das Interesse von einer Begründung der Tatsache der Sprachverschiedenheit zugunsten der Notwendigkeit, den besonderen Charakter der Sprachen in der Bestimmung des Verhältnisses von Sprache und Denken zu berücksichtigen (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Obwohl der Blick auf jene, die über andere Zeichensysteme verfügen, oft nicht ein Blick auf die Alterität, sondern auf die Vergangenheit war, wurde das Bewusstsein für die Verschiedenheit der Sprachen auch in erkenntnistheoretischen Zusammenhängen geschärft. Die aus der Sprachdiskussion erwachsene Annahme einer Sprachrelativität des Denkens trug zur Überwindung der rationalistischen Erkenntnistheorie bei und unterstützte den Aufruf zur verantwortungsbewussten Verwendung der Sprache. Dabei ergab sich bereits als ein wichtiger Aspekt der intensiven Diskussion um den Zusammenhang von Sprache und Denken die Korrelation beziehungsweise Wechselwirkung zwischen dem besonderen Charakter der Sprachen und der Denkweise ihrer Sprecher (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Die bei LOCKE vorhandene Tendenz zur Annahme einer Sprachrelativität des Denkens, die zunächst durch den Dualismus von Sensation und Reflexion eingeschränkt blieb, wurde durch die späteren Vertreter des Sensualismus in verschiedenen Richtungen weiterentwickelt. CONDILLACs Erklärung der höheren Denkprozesse als mit Hilfe sprachlicher Zeichen umgewandelte Sinneswahrnehmungen gibt auch der Besonderheit der einzelnen Sprachen als Erkenntnismethoden eine neue Tragweite.
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Voraussetzung für das Funktionieren der Sprache als Kommunikationsmittel und Mittel der Erkenntnis ist die Berücksichtigung der durch ihren besonderen Charakter vorgegebenen inneren Zusammenhänge und Regelmäßigkeiten (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache; ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die funktionelle Bestimmung der sprachlichen Zeichen als historisch motiviert eröffnet daher die Möglichkeit, dass bestimmte relativ selbständige und isolierbare Kategorien für einen konkreten Zustand der Sprache als vorgegeben angenommen und in ihrer Rückwirkung auf das Denken betrachtet werden können. Die Annahme eines Denkens in der jeweiligen Einzelsprache verbindet sich dabei jedoch mit der Anerkennung einer über die Bedürfnisse vermittelten Bezogenheit des Erkenntnisprozesses auf die Außenwelt. Sprachen sind korrigierbar, sobald es der von den Bedürfnissen angeregte Erkenntnisprozess erfordert, denn die Wechselbeziehung zwischen Sprache und Denken schließt ein, dass zur Weiterentwicklung des Denkens eine Änderung der sprachlichen Konvention notwendig werden kann (ĺ Konvention). Damit wird den Menschen, trotz aller Verbindlichkeit der sprachlichen Zeichen durchaus zugestanden, die Sprache zu verbessern. Die Annahme einer Sprachrelativität des Denkens ordnet sich somit der Forderung unter, sich der eigenen Vernunft zu bedienen und dabei scheinbare Schwierigkeiten, die sich aus der Sprache ergeben, zu überwinden. Am Beispiel BERKELEYs lässt sich jedoch bereits sehen, dass die Annahme eines formenden Einflusses der Sprache auf das Denken auch zu ausgesprochen pessimistischen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Verlässlichkeit und Perfektibilität der menschlichen Erkenntnis führen konnte. Mit der an CONDILLAC gerichteten Aufforderung DIDEROTs zur Auseinandersetzung mit dem subjektiven Idealismus war deutlich geworden, dass die vom Sensualismus als erkenntnistheoretischer Richtung durchlaufene Entwicklung zwei gegensätzliche Tendenzen aufwies. Einerseits wurde Mitte des 18. Jahrhunderts die Auffassung der Sinneserkenntnis als Widerspiegelung der objektiven Realität im menschlichen Bewusstsein vertreten. Dieser stand andererseits die Isolierung der Perzeptionen von ihrer außerhalb des Bewusstseins liegenden Quelle, der Materie, gegenüber, die in extremen Fällen bis zum Aufgeben des Materiebegriffs führte. Dass sich dieser Gegensatz auch auf sprachphilosophischem Gebiet ausprägte, ist sicher nicht zuletzt auf die Bedeutung der Sprache als Methode zur Analyse der Perzeptionen zurückzuführen. Nicht zu übersehen ist auch, dass dabei das Problem der Sprachrelativität des Denkens im Mittelpunkt stand. Die konzentrierteste Anwendung der Erkenntnistheorie BERKELEYs auf die Sprache und ihre Stellung im Erkenntnisprozess hatte MAUPERTUIS 1748 in seinen Réflexions philosophiques sur l’origine des langues et la signification des mots vorgelegt. MAUPERTUIS hatte versucht, eine Art mathematisches Modell der Sprachentstehung darzulegen, ließ dabei jedoch keinen Zweifel daran, dass
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es ihm um die Fortsetzung der Philosophie BERKELEYs auf sprachtheoretischem Gebiet ging. Dabei geht er ganz in Übereinstimmung mit ihm davon aus, dass der Erkenntnis zunächst nur isolierte Perzeptionen zur Verfügung stehen, über deren Herkunft und Beziehungen untereinander keine gültige Aussage möglich sei. Um sie voneinander zu unterscheiden, belege der Mensch diese Perzeptionen mit Zeichen, etwa mit A für die Perzeption ‘ich sehe einen Baum’ und mit B für die Perzeption ‘ich sehe ein Pferd’. Allmählich stelle sich dabei heraus, dass die dafür benötigte Menge an Zeichen die Möglichkeiten des menschlichen Gedächtnisses übersteigt, weshalb schließlich im Ergebnis einer weiteren Aufgliederung der Perzeptionen jeweils gleiche und rekurrente Teile gleiche Zeichen erhalten. Im Unterschied zur psychogenetischen Erklärung des Sprachursprungs sind für MAUPERTUIS die ersten Zeichen demnach nicht Namen für Gegenstände und Erscheinungen der Außenwelt, sondern Bezeichnungen subjektiv vermittelter Perzeptionen. Die anschließend erfolgende sprachliche Fixierung der Aufgliederung der Perzeptionen folgt keiner vorgegebenen Richtung und lässt von vornherein der Sprache viel Selbständigkeit. Durch ein Gedankenexperiment, in dem er den Sprachvergleich als Methode zur Gewinnung philosophischer Erkenntnisse vorschlägt, gelangt MAUPERTUIS zur Annahme sprachlich bestimmter geistiger Ebenen, die die Erkenntnismöglichkeiten der Sprecher festlegen. Aus der Auffassung von solchen plans d’idées ergibt sich für MAUPERTUIS die Frage, ob eine objektive, von den Besonderheiten des jeweiligen Sprachbaus unabhängige Erkenntnis überhaupt möglich sei. Ein extremer Pessimismus in dieser Frage kann MAUPERTUIS nur mit wesentlichen Einschränkungen zugeschrieben werden, obwohl Formulierungen, die Fragestellungen und Denkmuster der Wissenschaften allein auf die Gestalt der Sprachen zurückführen, einen solchen Gedanken nahe legen könnten. Diese gegenüber den Wissenschaften und den menschlichen Erkenntnismöglichkeiten skeptischen Überlegungen werden jedoch dadurch modifiziert, dass MAUPERTUIS im Zusammenwirken von Wissenschaftlern mit unterschiedlichen Muttersprachen eine Möglichkeit zur Überwindung der Grenzen des durch die plans d’idées vorgegebenen Erkenntniskreises sieht. Mit dem Gedanken, dass die verschiedenen Sprachen im Zusammenwirken gerade durch ihre Verschiedenheit zur weiteren Annäherung an die Erkenntnis der Wirklichkeit beitragen können, hatte seinerzeit bereits LEIBNIZ auf einen wichtigen Aspekt der Problematik der Sprachrelativität des Denkens hingewiesen. Im Sinne einer – analog zur Vielheit der Monaden – durch die Sprachen bewirkten Vervielfältigung der Welt hatte sich LEIBNIZ Aufschlüsse für die Erkenntnis der Wirklichkeit und der menschlichen Denkprozesse durch die Aufzeichnung und den Vergleich des Wortschatzes und der Grammatiken verschiedener Sprachen erwartet. MAUPERTUIS abstrahiert nun bewusst von bestimmten durch den sozialökonomischen Entwicklungsstand objektiv gegebenen Erkenntnisschranken der Völker, die wenig entwickelte Sprachen spre-
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chen, und betrachtet die Sprachen verschiedener Erkenntnisstufen als gleichwertige Methoden der Erkenntnis, die im Zusammenwirken fruchtbare Ergebnisse bringen können. Trotz der zunächst sehr geringen Anzahl der verfügbaren Exemplare fanden die Réflexions MAUPERTUIS’ bald Beachtung und ausführliche Kritik. 1752 antwortete CONDILLAC, dem MAUPERTUIS ein Exemplar zugesandt hatte und der auf Veranlassung des Präsidenten MAUPERTUIS in die Preußische Akademie aufgenommen worden war, in einem Brief mit dem Bekenntnis, möglicherweise selbst den Zeichen einen zu großen Einfluss zuerkannt zu haben (CONDILLAC 1947–1951: II, 536). Die Präzisierung des Verhältnisses von Sprache und Denken in späteren Arbeiten CONDILLACs, die sich im Vermeiden von Überspitzungen der These von der Sprachrelativität des Denkens und in der Betonung des eingeborenen Charakters einer Aktionssprache ausdrückt, ist sicher nicht zuletzt auf die Auseinandersetzung mit der relativistischen Grundhaltung in MAUPERTUIS’ Réflexions zurückzuführen. Doch schon 1750 hatte ihm ein damals noch sehr junger Gelehrter die wesentlichsten Gedanken einer konsequent sensualistischen Kritik an MAUPERTUIS’ Abhandlung vorweggenommen. Der später vor allem als Ökonom und Staatsmann bekannt gewordene Anne-Robert-Jacques TURGOT hatte mit den bis zu seinem Tode unveröffentlichten Remarques critiques sur les Réflexions philosophiques de Maupertuis eine der besten und eigenständigsten Arbeiten seiner frühen Schaffensperiode geschrieben. Vielleicht war es gerade die offensichtliche Übereinstimmung MAUPERTUIS’ mit BERKELEY, zu dessen Widerlegung TURGOT 1750 eine weitere Schrift verfasste, die ihn zur Abfassung der kritischen Bemerkungen gegen MAUPERTUIS anregte. Inkonsequenzen in MAUPERTUIS’ Anwendung des sensualistischen Prinzips auf die Beschreibung der Sprachentstehung bilden zunächst den Hauptangriffspunkt der Kritik TURGOTs. Die Sprachen sind nach TURGOTs Auffassung nicht mit mathematischen Gebilden zu vergleichen, die im Ergebnis kühler Reflexion entstehen, sondern sie bilden sich unter Einwirkung von Bedürfnissen und Leidenschaften heraus. Unvorstellbar ist von diesem Standpunkt aus, wie die sprachlichen Zeichen zunächst nur Perzeptionen und nicht sinnliche Dinge bezeichnet haben sollen. In seiner Polemik gegen MAUPERTUIS beruft sich TURGOT auch auf den traditionellen Gegensatz von Wörtern und Sachen und deutet ihn im Sinne seiner Theorie. Nicht die Suche nach Wörtern als Entsprechungen irgendwelcher Perzeptionen sei für die sprachliche Tätigkeit des Menschen kennzeichnend, sondern die Dinge selbst müssten ausgedrückt werden. Wenn alle Menschen die gleichen Sinne haben, ist es nach TURGOTs Auffassung unmöglich, ihnen unterschiedliche plans d’idées zuzuschreiben. Für die Ausrichtung der geistigen Entwicklung einer Menschengruppe sei es daher nicht von so weitreichender Bedeutung, mit welcher Sprache man die ersten Ideen bezeichnete, da die Quelle der Ideen, die Sinneswahrnehmungen, in
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jedem Fall die gleiche bliebe. Ohne einen engen Zusammenhang von Sprache und Denken in Frage zu stellen, wendet sich TURGOT damit gegen MAUPERTUIS’ sprachrelativistische Konsequenz und betont die Bezogenheit der Erkenntnisprozesse auf die Außenwelt. Die Sprachen können die Weiterentwicklung des Denkens unterstützen, sie jedoch nicht selbst hervorbringen. Wie die Kontroverse zwischen TURGOT und MAUPERTUIS zeigt, waren auch innerhalb der paradigmatischen Position, die der Sprache einen formenden Einfluss auf das Denken zugesteht, gegensätzliche Standpunkte möglich. Ausgehend von der entgegengesetzten paradigmatischen Position, der Annahme einer Sprachunabhängigkeit des Denkens, wurde der Streit zwischen MAUPERTUIS und TURGOT 1815 Gegenstand von Überlegungen, die eine Abkehr vom Gedankengut der Aufklärung kennzeichneten. Der ehemals von der sensualistischen Richtung der Aufklärungsphilosophie beeinflusste, im Verlauf seiner Entwicklung aber immer mehr auf spiritualistische Positionen übergehende MAINE DE BIRAN unterzog die Gedanken MAUPERTUIS’ und TURGOTs einer Kritik, in der er sich sowohl gegen den subjektiven Idealismus MAUPERTUIS’ als auch gegen den Sensualismus TURGOTs wandte. TURGOT habe zu Unrecht versucht, MAUPERTUIS nachzuweisen, dass man die Sprachentstehung nicht mit mathematischen Modellen beschreiben kann. Sprachen seien nämlich durchaus das Werk des sich selbst gegenwärtigen Verstandes, nicht, wie TURGOT behauptete, das Ergebnis einer durch Bedürfnisse und Gefühle bestimmten Auseinandersetzung mit der Umwelt. Gegen MAUPERTUIS wendet sich MAINE DE BIRAN mit der Überzeugung, dass man keine Sprache finden könne, die tatsächlich auf grundsätzlich anderen geistigen Ebenen aufgebaut ist als die bekannten europäischen Sprachen. In den verschiedenen Sprachen werde man vielmehr immer wieder die gleichen Grundformen des Denkens wiederfinden, die dem menschlichen Wesen von der Natur gegeben sind und das charakteristische Kennzeichen aller denkenden Lebewesen ausmachen. Gegen die relativistische Auffassung von sprachspezifischen gedanklichen Ebenen stellte MAINE DE BIRAN somit die Annahme eingeborener Ideen und der Existenz des Denkens vor der Sprache. Zu den von MAUPERTUIS ausgegangenen Einflüssen auf die sprachphilosophische Diskussion gehört auch die Anregung, in der für 1759 ausgeschriebenen Preisfrage der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften den Zusammenhang der Sprache mit den “Meinungen des Volkes” zur Diskussion zu stellen. Die bereits durch den Text der Preisaufgabe vorgezeichnete Grundposition einer Wechselseitigkeit des Zusammenhangs von Sprache und Denken machten sich die einzelnen Bewerber keinesfalls in der gleichen Tiefe zu eigen. Den Preis erhielt schließlich die Beantwortung der Frage von dem Einfluß der Meinungen in die Sprache und der Sprache in die Meinungen von Johann David MICHAELIS, der sich als gründlicher Philologe und Kenner der bisheri-
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gen Sprachdiskussion der Aufklärung erwies, auf die er seinerseits zurückwirkte. Ausgehend von einer am Gebrauch orientierten, demokratischen Sprachauffassung sieht MICHAELIS die Beziehung zwischen Einzelsprache und Erkenntnisstand unter neuen Gesichtspunkten und misst der Rückwirkung der Angehörigen aller Schichten auf ihre Muttersprache noch größere Bedeutung bei als etwa CONDILLAC und DIDEROT (ĺ Gebrauch). Jede einzelne Sprache betrachtet MICHAELIS als “eine Sammlung der Weisheit und des Genies gantzer Völcker, zu dem ein jeder das seinige gegeben hat: nicht blos der Gelehrte, der oft ein kleines Genie hat, und noch öfter durch Vorurtheile abgehalten wird etwas neues zu entdecken, und am Ende doch nur den hundertsten Theil der Menschen ausmacht, sondern auch der witzige, und der Natur gleichsam näher wohnende Ungelehrte: nicht blos der, dessen Gedancken die Menge annahm, sondern auch der weiter sehende Kätzer; ja das Kind, dessen Genie das lebhafteste, und von Vorurtheilen am wenigsten eingeschränckte ist. und welches oft durch dreiste Associationen der Ideen Wahrheit findet, giebt seinen Tribut zu diesem allgemeinen Schatz des Volckes” (MICHAELIS 1760: 150). Damit erweitert MICHAELIS die bereits von den französischen Aufklärern gestellte Forderung, entsprechend den spezifischen Erkenntnismöglichkeiten jeder Berufsgruppe zur Verbesserung der Sprache beizutragen, indem er sie auf jeden auch noch so “ungelehrten” Sprecher anwendet. Allerdings wird nicht jeder gleich eine wirkliche Sprachveränderung bewirken können, denn die “oberste Gewalt” in der Sprache ist das Volk selbst, das eine Neuerung annehmen oder ablehnen kann (ĺ Sprachveränderung). Den rückwirkenden Einfluss der Sprache auf die “Meinungen” des Volkes sieht MICHAELIS sowohl als positive als auch als negative Erscheinung. Vorteilhaft ist dieser Einfluss der Sprache, wenn ihr Reichtum an Wörtern genügend Genauigkeit im Denken zulässt (ĺ Reichtum). Dagegen ist es für MICHAELIS, wie vor und nach ihm für viele andere Vertreter der These von der Sprachrelativität des Denkens, unvorstellbar, dass man bei Völkern, deren Sprache und Denken noch keine Bezeichnungen für größere Zahlen entwickelt habe, Menschen zu Mathematikern heranbilden könnte (vgl. MICHAELIS 1760: 54). Jedoch nicht nur Armut in der Sprache kann zu schädlichen Auswirkungen für Denken und “Meinungen” führen, sondern auch unproportionierter Überfluss und Homonymie verwechselbarer, bedeutungsverwandter Wörter. Auch das Fehlen von neutralen Bezeichnungen für bestimmte Begriffe kann sich ungünstig auswirken, insofern negativ oder positiv wertende Bezeichnungen Vorurteile festlegen. So gebe es im Deutschen kein wertungsfreies Wort für das französische le luxe, mit dem eine in der Aufklärung vieldiskutierte Erscheinung bezeichnet wurde, und Wörter wie Üppigkeit oder Überfluß legten bereits abwertende Urteile fest. In Etymologien können nach MICHAELIS’ Auffassung sowohl Wahrheiten als auch Irrtümer verewigt werden und die Meinung der
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Sprecher bestimmen. So komme von der Etymologie der Krankheitsbezeichnung Krebs die abergläubische Vorstellung, dass diese Krankheit von der Berührung toter und verfaulter Krebse herrühre (MICHAELIS 1760: 50) (ĺ Etymologie). Obwohl MICHAELIS den nachteiligen Einflüssen der Sprache auf die “Meinungen” des Volkes breiten Raum gibt, möchte er sie nicht überschätzt wissen. Falsche sprachliche Bilder und Etymologien, Armut oder unnötiger Überfluss in der Sprache bilden sich immer gemeinsam mit einem fehlerhaften Denken heraus, können allerdings unter Umständen in der Sprache länger und nachhaltiger wirken. MICHAELIS wendet sich damit bereits gegen die Ersetzung einer verantwortungsbewussten Haltung zum gesamten Erkenntnisprozess und seinen Ergebnissen durch den Verweis auf eine sprachliche Determiniertheit des Denkens. Eine Seite der von MICHAELIS behandelten Preisfrage griff der Mathematiker und Philosoph Johann Heinrich LAMBERT 1764 nochmals in einer Arbeit auf, der er den Titel Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein gab. Doch nicht nur die Fragestellung, ob die Sprache, in die der Mensch “die Wahrheit einkleidet, durch Mißverstand, Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit sie unkenntlicher und zweifelhafter mache, oder andere Hindernisse in den Weg lege” (LAMBERT 1764: Vorrede) weist große Ähnlichkeit mit MICHAELIS auf. LAMBERT stimmt in wichtigen Positionen mit dem Preisträger überein, der in Deutschland bei vielen Aufklärern ein Nachdenken über den Einfluss der Sprache auf die Denkprozesse ausgelöst hatte. Ein so bedeutender Denker wie HAMANN hatte sich zur Thematik der Preisfrage selbst geäußert, in Gotthold Ephraim LESSINGs Literaturbriefen erschien eine ausführliche Besprechung von MICHAELIS’ Schrift, und direkte Bezüge zu ihr finden sich sogar noch 1796 in einer Philosophisch-kritischen Vergleichung und Würdigung von vierzehn älteren und neueren Sprachen Europens des Berliner Predigers Daniel JENISCH. Wie MICHAELIS sieht LAMBERT die “Sprache als eine Democratie […], wo jeder dazu beytragen kann, wo aber auch alles, gleichsam wie durch die Mehrheit der Stimmen, angenommen oder verworfen wird, ohne daß man sich immer um das Wahre oder Falsche, Richtige oder Unrichtige, Schickliche oder Ungereimte viel umsieht” (LAMBERT 1764: II, 6). Sprachliche Zeichen werden von “Ungelehrten” entworfen, sie gehen der wissenschaftlichen Erkenntnis voraus, die sich dann jedoch ihrer bedienen muss. Zu Schwierigkeiten kann es dabei kommen, wenn ein Begriff nach wissenschaftlichen Erkenntnissen anders gefasst werden muss, als ihn das Volk vorher auffasste. Wörter konservieren nämlich nicht nur die Resultate des bisherigen Denkens, sondern die “ziemlich bestimmte Anzahl der Wörter einer Sprache setzet unserer Erkenntniß, in Absicht auf ihre Ausdehnung, gewissermaßen Schranken und giebt derselben eine ihr eigene Form
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oder Gestalt, welche allerdings in die Wahrheit selbst einen Einfluß hat […]” (LAMBERT 1764: II, 5). In Überwindung dieser Schranken soll die Neuordnung der Wissenschaften, ausgehend von den Sinnesempfindungen und deren Verarbeitung, auch die Grundlage für eine wissenschaftliche Sprache schaffen. Da die ständige Verwechslung von Begriffen und Wörtern unvermeidlich sei, sieht LAMBERT das Ideal einer Sprache in dem Zustand, wo die Theorie der Sache und die Theorie der Zeichen ohne Gefahr miteinander verwechselt werden können. LAMBERT wiederholt damit CONDILLACs Gedanken von der Wissenschaft als einer wohlgeformten Sprache und stellt ganz im Sinne der Aufklärung die Forderung nach ständiger Verbesserung der Sprache und ihrer Anpassung an die Erfordernisse des Erkenntnisprozesses. Neben der Frage, welche sprachlichen Voraussetzungen die Entwicklung der Wissenschaften fördern können, wurde im Zusammenhang mit der Sprachrelativität des Denkens auch der Einfluss der Sprache auf die Nation und ihre Geschichte diskutiert. Die Betrachtung der Sprache als Bildungsmittel der Nation trat dabei besonders dort in den Vordergrund, wo der Kampf um eine einheitliche Literatursprache und deren Geltungsbereich noch nicht abgeschlossen war. So wurde die Problematik einer Sprachrelativität des Denkens zum Bestandteil der italienischen Questione della lingua, die bis zum 17. Jahrhundert vor allem den Geltungsbereich des Toskanischen und der übrigen Dialekte, Fragen der sprachlichen Norm, die Bewertung des im 14. Jahrhundert erreichten Höhepunkts in der Sprachentwicklung und den Widerstreit zwischen Modernisten und Traditionalisten beinhaltet hatte (ĺ Normierung; ĺ Dialekt). Mit der Forderung, das Italienische gegenüber anderen Sprachen, insbesondere dem Lateinischen und dem Französischen, aufzuwerten, war die Notwendigkeit verbunden, seine Eigenart und Individualität gegen den rationalistischen Universalismus zu verteidigen (ĺ Universalität und Verschiedenheit; ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Eine Bezugnahme auf den besonderen Charakter der Sprachen (genio della lingua) ergab sich somit bereits aus der Tradition der Questione della lingua. Die im 18. Jahrhundert auch in Italien zunehmende philosophische Durchdringung der Sprachbetrachtung (vgl. FORMIGARI 1984: 61 ff) und die gesellschaftliche und politische Relevanz einer einheitlichen Nationalsprache führten dazu, dass insbesondere dem Verhältnis zwischen Sprache und Kultur sowie dem Zusammenhang zwischen Sprache und Wesensart eines Volkes besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Zwar hatte VICO den gegenseitigen Zusammenhang von Sprache und Denken bereits als Feststellung formuliert, systematisch wurde jedoch dieses sprachtheoretische Problem in Italien erst behandelt, nachdem der französische Sensualismus diskutiert bzw. übernommen war. Das Verdienst, die Sprachtheorie CONDILLACs in Italien bekannt gemacht zu haben, gebührt vor allem Francesco ALGAROTTI, dessen Saggio sopra la necessità di scrivere nella propria
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lingua (1750) die grundlegenden sprachtheoretischen Feststellungen des Essai sur l’origine des connoissances humaines zusammenfasst. Die von ALGAROTTI beabsichtigte Verteidigung des Gebrauchs der italienischen Sprache auf allen Gebieten stützt sich auf Argumente, die die Erkenntnis eines Einflusses der Einzelsprache auf das Denken voraussetzen. Nachdem er Beispiele für den besonderen Charakter einzelner Sprachen genannt hat, kommt ALGAROTTI zu der Erkenntnis, dass Sprache und Denken eines Volkes so eng zusammenhängen, dass in einer fremden Sprache zu schreiben hieße, seine eigene Wesensart aufgeben zu wollen. Die Diskussion um die Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess erreichte in Italien in den Jahren des Erscheinens der Zeitschrift Il Caffè (Juni 1764 – Mai 1766) ihren Höhepunkt. Mit Cesare BECCARIAs Frammento sullo stile wurde in ihr 1764 ein Text abgedruckt, der die Grundlagen einer sensualistischen Sprach- und Stiltheorie in sehr konzentrierter Form darbot (ĺ Stil). Später baute BECCARIA seine Stiltheorie in Ricerche intorno alla natura dello stile (1770) weiter aus. Das Verfolgen der kulturellen und sprachlichen Entwicklung der Völker lässt BECCARIA zur Feststellung der Wechselseitigkeit des Zusammenhangs von Sprache und Denken kommen. Das einfache Volk sei größtenteils darauf angewiesen, die Objekte danach zu unterscheiden, welche Unterschiede in den Wörtern einer Sprache vorzufinden sind. Bevor ein Volk den Höhepunkt seiner geistigen Entwicklung erreichen kann, müsse die Sprache bereits diesen höchsten Stand erreicht haben, das “Jahrhundert des Ausdrucks” (secolo dell’espressioni) gehe immer dem “Jahrhundert der Reflexion” (secolo delle riflessioni) voraus. Im bedeutendsten italienischen sprachphilosophischen Traktat des 18. Jahrhunderts, CESAROTTIs Saggio sulla filosofia delle lingue, wurde dann der flexible Charakter der sprachlichen Besonderheiten betont, die sich ständig mit der Entwicklung des Wissens der Völker verändern und sich als Resultat der Auffassungs- und Urteilsweise der Sprachgemeinschaft an neue Erfordernisse anpassen (CESAROTTI 1788: 125; ĺ Sprachveränderung). Auch in der Apologie der spanischen Sprache nimmt die These von der Sprachrelativität des Denkens eine wichtige Stellung ein (ĺ Apologie). Schon der bedeutendste Vertreter der spanischen Frühaufklärung Benito Jerónimo FEIJOO Y MONTENEGRO hatte die Betonung des Wortreichtums der spanischen Sprache mit Angriffen gegen ihre Überfremdung durch Entlehnungen aus dem Französischen verbunden (ĺ Reichtum). Er appelliert an das Nationalgefühl der Spanier, wenn er das Französieren der spanischen Sprache als ein Zeichen der Unterwürfigkeit gegenüber einer anderen Nation kennzeichnet, und nennt Beispiele aus der spanischen Geschichte, wo die Sprache trotz fremder Besetzung beibehalten oder im Fall der Eroberung durch die Römer erst spät aufgegeben wurde. Können diejenigen, die ohne Notwendigkeit die spanische Sprache französieren wollen, noch als legitime Abkömmlinge dieser Geschichte gelten? (FEIJOO [1726–1740] 1923–1925: I, 273–274). Verbindet sich diese
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Frage bei FEIJOO mit der ausdrücklichen Bejahung der Verarbeitung des Gedankenguts aus dem Ausland und damit verbundener sprachlicher Entlehnungen, so wurde sie bald aus traditionalistischer Sicht vereinnahmt. Aus der Sprachdiskussion der Aufklärung entlehnte z. B. Juan Pablo FORNER die Feststellung eines engen Zusammenhangs zwischen der Denkweise eines Volkes und dem Charakter seiner Sprache, kehrte sie jedoch zu einem Argument gegen die afrancesados um. Gerade wegen dieses Zusammenhangs zwischen dem Volkscharakter und den Besonderheiten der Sprache könne man die Denkweise eines anderen Volkes nicht nachahmen, ohne dem Charakter der eigenen Sprache Schaden zuzufügen. Einen unmittelbar sprachpraktischen und sprachpolitischen Aspekt gewann die Einsicht in den Zusammenhang von Sprache und Kultur einer Nation in Russland. Die sich in der Aufklärung vollziehende und mit ihr verbundene Herausbildung der russischen Literatursprache ist ein Prozess, der durch theoretische und praktische Bemühungen der russischen Aufklärer gefördert wurde. Die dabei gewonnene Erkenntnis des eigenständigen Werts und der gesellschaftlichen Bedeutung einer philologischen Kultur trug zur Formierung des Bilds einer Sprecherpersönlichkeit und einer Sprachgemeinschaft bei. Bereits LOMONOSOV hatte sich die Annahme einer Wechselbeziehung zwischen Sprache und Denken zu eigen gemacht und die Sprache als Voraussetzung der Entwicklung der Gesellschaft betrachtet. Einen noch größeren Stellenwert erhält die Sprache in RADIŠýEVS’ philosophischer Schrift Über den Menschen, über seine Sterblichkeit und Unsterblichkeit (O þeloveke, o ego smertnosti i bessmertii, 1792), wo sprachliche Zeichen als Voraussetzung für die praktische und wissenschaftliche Tätigkeit des Menschen angenommen werden. Wegen der wichtigen Rolle der Sprache für die Erziehung des Denkens tritt RADIŠýEVS für den Unterricht in der Muttersprache ein, die sich am Sprachgebrauch des Volkes zu orientieren habe und eine Norm erhalten müsse (ĺ Normierung; ĺ Gebrauch). Der Beitrag, den die Sprachdiskussion in Deutschland für die Bestimmung des Verhältnisses von Sprache und Denken, insbesondere die Vorbereitung der Humboldtschen Idee von der sprachlichen Weltansicht leistete, wird in vielen Darstellungen der Geschichte der Sprachtheorie als entscheidend betrachtet, wobei oft vom Vorläufer-Denken, das in HERDER einen Vorromantiker sieht, ausgegangen wird. Abgesehen davon, dass die Sprachdiskussion an der Berliner Akademie in allen Grundzügen der Aufklärung verbunden ist, lässt sich jedoch nachweisen, dass auch aus anderen Ländern zahlreiche Anregungen kamen, die HUMBOLDTs innerer Sprachform und sprachlicher Weltansicht einen geschichtlichen Hintergrund geben. HAMANN hatte für seinen Schüler HERDER 1768 HARRIS’ Hermes bestellt, über den sich dieser später in seinem Vorwort zur Übersetzung von MONBODDOs Of the Origin and Progress of Language sehr lobend äußerte. Die Wert-
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schätzung HERDERs für HARRIS und MONBODDO kann sicher nicht nur als eine Verbeugung vor dem englischen Neoplatonismus gewertet werden, die HERDER HAMANN nach dessen Kritik an der Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772) schuldig zu sein glaubte. In James HARRIS’ Hermes or a philosophical inquiry concerning universal grammar (1751), den HERDER durch HAMANNs Vermittlung zwanzig Jahre vor dem Erscheinen einer deutschen Übersetzung kennenlernen konnte, finden sich tatsächlich Ansätze zu einer Bestimmung des Verhältnisses von Sprache und Denken, die erst bei HUMBOLDT konsequent angewandt wurden. Nachdem eine sprachliche Gestaltung der menschlichen Erkenntnisprozesse bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts diskutiert worden war, gibt HARRIS erstmalig Hinweise, die den Begriff der ‘inneren Form’ mit der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess in Zusammenhang bringen. In der Anwendung des Begriffspaares ‘Stoff / Form’, das er aus der griechischen Philosophie entlehnte, bleibt HARRIS allerdings ganz im Rahmen eines besonders an PLATON und der Cambridger Schule orientierten Rationalismus, der den Stoff als passiv und nur potentiell als Träger von Gestalten auffasst und alles Aktive, Bewegende, Strukturierende der Form zuschreibt. Während im mechanischen Hervorbringen von Lauten die menschliche Sprache durch nichts Wesentliches ausgewiesen sei, sie in ihrem Stoff also mit vielen anderen hörbaren Erscheinungen übereinstimme, bestehe ihr Charakter gerade darin, dass bestimmte Gliederungseinheiten der Sprache eine Bedeutung haben und Ideen ausdrücken (ĺ Bedeutung). Diese Ideen und Bedeutungen, die die Menschen durch Beobachtung und Abstraktion gewonnen haben, sind die Form, das eigentlich Prägende der Sprache. Durch eine einfache Zuordnung, die von den in der Gesellschaft lebenden Menschen vorgenommen wird, erhalten die Laute Symbolcharakter und werden zusammen mit ihren Bedeutungen zu Wörtern. Diese Wörter tragen jedoch nichts zum Abstraktionsprozess bei, abstrakte Ideen seien vielmehr vor ihren sprachlichen Bezeichnungen gegeben. Die Beschreibung der Wörter anhand ihres linguistischen Status ermöglicht nicht die Konstruktion einer Theorie des Verstandes, sondern höchstens die Beobachtung verschiedener Abstraktionsgrade, so wie der Verstand sie sich aneignet. HARRIS’ Beitrag zur Weiterentwicklung der Auffassungen von der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess liegt jedoch weniger in seinen unmittelbaren Aussagen zu diesem Problem als vielmehr in einer nur in Ansätzen skizzierten Analogie der Erkenntnisfindung zum künstlerischen Schaffensprozess. Die Frage nach der Herkunft unserer Ideen versucht HARRIS durch den Vergleich mit der Beobachtung eines komplizierten, kunstvoll hergestellten Uhrwerks zu beantworten. Nach eingehender Betrachtung habe man ein genaues Bild von der Uhr und ihrem Aufbau. Dieses Bild habe nichts Materielles an sich, es sei eine ‘innere Form’ (internal form), die sich der Mensch im Prozess der Beobachtung eines materiellen Objekts, einer ‘äußeren Form’ (external form) bildet.
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Die dabei gewonnene innere Form, die auch zur inneren Form der Sprache wird, sobald das Erkenntnisergebnis mitgeteilt werden soll, ist zwar zunächst etwas Festes, ein ‘Werk’ oder – mit einem späteren Terminus – ein Ergon. Gleichzeitig besitzt aber der Mensch damit auch eine Art intellektuelle Form, mit der er in der Lage ist, nicht nur den Mechanismus bereits gesehener Werke zu erkennen und zu verstehen, sondern auch den jeglicher anderen Werke der gleichen Art, die er später sehen könnte. Darüber hinaus sieht HARRIS in der inneren Form sogar eine Art Bauplan für das Vorgehen in der schöpferischen Tätigkeit: Der Uhrmacher hat eine Idee von dem, was er bauen will, bevor er die Uhr als äußere, wahrnehmbare Form schaffen kann. Damit gesteht HARRIS der inneren Form auch die Eigenschaft zu, nicht nur Ergebnis, sondern gestaltendes Element des Erkenntnisprozesses, nicht nur Ergon, sondern Energeia zu sein. HARRIS gliedert seine epistemologische Kritik somit nach einer Typologie der Ideen, in der es drei Entstehungsebenen gibt: die des Beobachters, die Ebene des beobachteten Gegenstandes und die des Schöpfers. Auf der Ebene des Beobachters können die empirischen Beschreibungen gültig sein, jedoch nicht zu einer Aussage über die Natur der Ideen, sondern höchstens über ihre Aneignung führen. Die Trennung von Erfahrung und Wissenschaft sowie von Aneignung und Entstehung ermöglicht es HARRIS in Übereinstimmung mit LOCKE, das Wort als Symbol einer allgemeinen, durch Abstraktion angeeigneten Idee zu akzeptieren und dennoch die sensualistische Erkenntnisformel in nihil est in sensu, quod non prius fuit in intellectu umzukehren. Nicht weniger bedeutsam ist es, dass HARRIS in der isolierten Betrachtung des menschlichen Erkenntnisprozesses die Sinneswahrnehmungen zum Ausgangspunkt für die Ideenbildung erklärt. Dementsprechend zwiespältig ist sein Verhältnis zum Sensualismus, den er insbesondere in Gestalt der Assoziationspsychologie in David HARTLEYs Observations on Man, his Frame, his Duty and his Expectations (1749) zwar bekämpfte, dessen sprachtheoretische Schlussfolgerungen zur Rolle des besonderen Charakters der Sprachen im Erkenntnisprozess aber mit seinen eigenen Überlegungen nicht nur übereinstimmten, sondern durch HARRIS’ Formbegriff sogar größere Tragweite erhielten. Doch auch als System von Bedeutungen, als Genius of the language, ist die Sprache sekundär und durch eine vorher existierende innere Form gestaltet. Eben jene Postulierung des Primats der Ideen, die sich aus dem Neoplatonismus ergab, lässt auch MONBODDO in seinem Origin and Progress of Language (1773–1792) zwar eine notwendige Verbindung zwischen Denken und Reden anerkennen, gleich darauf aber feststellen, dass es keine Sprache ohne Ideen und keine Ideen ohne Abstraktion gebe. Seine Theorie über den Sprachursprung erscheint auf diese Weise als die historische Seite der universellen Grammatik und entspricht zunächst der gleichen Zielstellung, eine Gegenposition zu LOCKEs Erkenntnistheorie zu entwickeln. Ausgehend von der entge-
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gengesetzten paradigmatischen Position eines Einflusses der Sprache auf das Denken, aber in einer gegenüber MONBODDO wesentlich engeren Perspektive hatte sich in England auch Adam SMITH in seinen Considerations concerning the First Formation of Languages (1761) der Sprachursprungsfrage zugewandt und war dabei zu Ansätzen einer Sprachtypologie gekommen. Wie die dargestellten Beispiele zeigen, hatte sich die Korrelation bzw. Wechselwirkung zwischen dem besonderen Charakter der Sprachen und der Denkweise der Sprecher als ein wichtiger Aspekt der intensiven Debatte um den Zusammenhang von Sprache und Denken ergeben. Hans Helmut CHRISTMANN (1981: 87 ff) hat sogar “praktische” Anwendungsversuche der These von der Sprachrelativität des Denkens im 18. Jahrhundert nachgewiesen: So ergab sich der Kampf des Abbé GRÉGOIRE gegen die Dialekte (ĺ Dialekt) aus dem nach der Französischen Revolution vorhandenen Bedürfnis nach einer einheitlichen Nationalsprache, die auch das Denken der Bürger entsprechend formen sollte, und eine 1780 im fürstlichen Auftrag entstandene Schrift von Carl August GÖRIZ lässt bereits im Titel keinen Zweifel an der Hoffnung, die man in die erkenntnisleitende Funktion der Sprache setzte: Untersuchung über den Einfluß der Verbesserung der mutterländischen Sprache in den moralischen Charakter einer Nation.
2.5. Differenzierung und gesellschaftspolitische Konsequenzen der Sprachphilosophie Die Darstellung der sprachtheoretischen Entwicklung des 17. und 18. Jahrhunderts als einer einheitlichen Erscheinung, die sich in ein und derselben Richtung entwickelte und auf eine eindeutig bestimmbare Weise zur Säkularisierung des Weltbildes und zur Mündigsprechung des menschlichen Verstands beitrug, wäre eine unzulässige Vereinfachung. Schon das Erscheinungsbild der allgemeinen (philosophischen) Grammatik, die als vorherrschendes Paradigma der Sprachbetrachtung im 17. und 18. Jahrhundert angesehen werden könnte, ist recht differenziert. Ging es in der Grammatik von Port-Royal noch um die Darstellung jener universellen Prinzipien der Logik, als deren Manifestation die Sprache betrachtet wurde, so suchte BEAUZÉE auch Allgemeines in den Gesetzmäßigkeiten der Sprachen selbst, und mit dem Vordringen der empiristischen Methode war es üblich geworden, dieses Allgemeine zumindest hypothetisch auf induktivem Weg zu ermitteln (AUROUX 1979a: 19–20; DELESALLE / CHEVALIER 1986: 88). Auch am Beispiel der These von der Sprachrelativität des Denkens wurde deutlich, dass durchaus von sehr unterschiedlichen philosophischen Standpunkten Beiträge zu aktuellen sprachtheoretischen Fragestellungen geleistet wurden. Andererseits wirkten die Verwendung sprachtheoretischer Einsichten zu politischen Zwecken, die unterschiedlichen nationalen Bedingungen der Entfaltung der sprachtheoretischen Diskussion, Anforderungen der gesellschaft-
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lichen Sprachpraxis sowie gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Notwendigkeit der Anpassung an die veränderte Situation nach der Französischen Revolution und ihre Auswirkungen in Europa als Faktoren der Differenzierung. Neben der Abschwächung philosophischer Konsequenzen, die sich sowohl aus den veränderten Bedingungen als auch aus dem Vordringen empirischer Verfahren in der Sprachbetrachtung ergeben konnten, kam es in einigen Fällen auch zur Radikalisierung sprachphilosophischer Positionen der Aufklärung. Die folgende Darstellung kann nur einige wenige Beispiele für die Differenzierungsprozesse innerhalb der Sprachtheorie und ihre gesellschaftspolitischen Konsequenzen vorführen. 2.5.1. Das Thema ‘Missbrauch der Wörter’ Nicht unbeeinflusst von der philosophisch-anthropologischen und erkenntnistheoretischen Problematik, wandte sich die Diskussion des 17. und 18. Jahrhunderts auch dem Sprachgebrauch in der gesellschaftlichen Kommunikation zu. Vehemente Kritik wurde gegen die sprachliche Verfestigung und Überlieferung der Vorurteile als eine Form des Missbrauchs gerichtet (vgl. RICKEN 1984: 195; ĺ Missbrauch). Hatte die Betonung eines Abstandes oder Gegensatzes zwischen Wörtern und Dingen eine lange, bis zu PLATONs Kratylos zurückgehende Tradition, so war insbesondere im 17. Jahrhundert der politische Sprachmissbrauch zu einem Thema geworden, zu dem sich Gelehrte wie BACON, HOBBES, PUFENDORF, SPINOZA äußerten. Nach Auffassung BACONs stellt die Sprache ein Hindernis des Erkenntnisprozesses dar, da sie im Wesentlichen als Vermittlerin von Trugbildern (idola) in Erscheinung tritt, die das wahre Wesen der Dinge verschleiert und somit a priori den Sprachmissbrauch begünstigt. BACONs profunder Skeptizismus gegenüber der Sprache als Instrument der Erkenntnis wurde richtungsweisend für die weitere sprachkritische Auseinandersetzung mit diesem Thema. Während BACON die Sprache insbesondere vor einem erkenntnistheoretischen Hintergrund als Quelle des Missbrauchs ansieht, stehen für HOBBES die politischen Implikationen der Problematik im Vordergrund. In Anlehnung an BACON fordert auch HOBBES in seinem Leviathan (1651) einen reflektierten Sprachgebrauch, der sich durch die Verwendung richtiger Definitionen (the right Definition of Names) auszeichnet. Als Konsequenz der Verwendung falscher Definitionen entstehe der Sprachmissbrauch, der allerdings durch die Verwendung korrekter Definitionen bekämpft werden könne. Diese korrekten Definitionen seien jedoch nicht anhand der Lektüre von Werken vorgeblicher (scholastischer) Autoritäten zu gewinnen, sondern einzig durch ein selbständig denkendes Individuum, das sie einer kritischen Verifizierung unterzieht. In seinem Leviathan zeigt HOBBES aber nicht nur die Nachteile, die dem wissenschaftlichen Denken aus der Verwendung falscher Begrifflichkeiten erwachsen, sondern er zeichnet im 19. Kapitel auch Beispiele des Sprachmiss-
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brauchs in der politischen Terminologie nach. So würden Kritiker, denen die drei klassischen Herrschaftsformen der Monarchie, Aristokratie und Demokratie nicht gefielen, diese in ihrer Unzufriedenheit als Tyrannis, Oligarchie und Anarchie bezeichnen. Allerdings dürfe das Gefallen oder Nicht-Gefallen einer Regierungsform kein Kriterium für die Verwendung des einen oder des anderen Terminus sein; vielmehr sei eine überindividuelle, intersubjektive Gültigkeit politischer Termini notwendig. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Wortmissbrauch unter dem Eindruck der Überlegungen von BACON und HOBBES zu einem dominanten Thema der Sprachbetrachtung LOCKEs, der sich in seinem Essay Concerning Human Understanding (1690) eingehend mit dem abuse of words auseinandersetzte. LOCKEs Reflexionen zum Sprachmissbrauch sind nicht zuletzt im Kontext seiner Betonung der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache zu würdigen (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Als oberstes Grundprinzip des Sprachgebrauchs muss nach Meinung LOCKEs die Wahrheit herrschen, weshalb er den Sprachmissbrauch, der die Wahrheit verschleiert (to darken truth) und Nebel vor unseren Augen aufsteigen lässt (to raise mists), als unmoralisch verurteilt. LOCKE weist sogar darauf hin, dass die Sprache zu einem Instrument der Aufhebung des Völkerrechts werden und durch pompöse Terminologie den Weg zu wirklicher Erkenntnis verstellen könne. Als direkte Replik auf LOCKEs Sprachkritik und seine Darstellung des Sprachmissbrauchs antwortet LEIBNIZ mit seinen Nouveaux essais sur l’entendement humain, in denen er sowohl hinsichtlich der kognitiven als auch der kommunikativen Leistungen der Sprache (ĺ kognitive Funktion der Sprache, ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) zu einer wesentlich optimistischeren Einschätzung gelangt. So begegnet er etwa LOCKEs grundsätzlichem Vorwurf, dass viele Menschen mit den Wörtern keine klaren Ideen verbänden, mit dem Einwand, dass nur eine Minderheit der Wörter keine deutliche Verbindung zur Idee aufweise und dass man mit etwas Sorgfalt und gutem Willen dieses Problem beheben könne (ĺ Zeichen und Idee). Schließlich sei Weisheit nichts anderes als die Wissenschaft vom Glück. Mit dieser Argumentation stellt LEIBNIZ LOCKEs Skeptizismus seinen festen Glauben an die beste aller Welten, an die prästabilierte Harmonie, gegenüber. Tendenziell ist LEIBNIZ bestrebt, LOCKEs Kritik am Sprachmissbrauch die Schärfe zu nehmen und lediglich einen unreflektierten Sprachgebrauch als Ursache sprachlicher Unzulänglichkeiten anzunehmen. Die Diskussion um den Sprachmissbrauch wurde jedoch auch im weiteren Fortgang insbesondere von der Sprachkritik BACONs, HOBBES’ und LOCKEs beeinflusst. Dem abus des mots, der sich auf die Unklarheit der Wortbedeutungen stützte, schreibt HELVÉTIUS im Anschluss an LOCKE nicht nur die Verantwortung für philosophische und religiöse Streitigkeiten, sondern auch für Blutvergießen und Kriege zu. Besonders spürbar werde die Verschwommenheit der
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Bedeutungen bei solchen Wörtern wie amour-propre ‘Eigenliebe’, liberté ‘Freiheit’, vertu ‘Tugend’, welche die Menschen sehr nah berührten und für deren Bedeutungsbestimmung sie oft aus Eigennutz kein Interesse hätten. Der Sprachverbesserung, der Erfindung einer philosophischen Sprache, in der alle Bedeutungen genau definiert sind, steht HELVÉTIUS schon aus diesem Grunde sehr skeptisch gegenüber. Da der Sprachgebrauch das Bewusstsein der Beherrschten ablenken soll, sei die Festlegung der Wortbedeutungen unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich. Falls ein solches Projekt tatsächlich zu verwirklichen sei, könne es nur von einem freien Volk in Angriff genommen werden. Mit deutlichen gesellschaftskritischen Akzenten wendet sich auch DIDEROT in seinem Enzyklopädieartikel Bassesse sprachkritischen Fragen zu und verwirft die Erklärung von bassesse ‘Niedrigkeit’ und abjection ‘Verworfenheit, Gemeinheit’ als Synonyme, die von einer Verbindung von Bezeichnungen der sozialen Herkunft mit moralischen Wertungskriterien ausgeht und damit Vorurteile sprachlich anerzieht. Die Erkenntnis, dass die Verwendung der Sprache nicht außerhalb gesellschaftlicher Beziehungen und Interessen erfolgt, verleiht der Betrachtung des Einflusses der Sprache auf das Denken einen pragmatischen Aspekt, der auf die Problematik der Bewusstseinsbildung mittels Sprache hinweist. Nach ROUSSEAUs Auffassung ist die gesellschaftliche Kommunikation seit dem Zustand der Ungleichheit ein Dialog zwischen Reichen und Armen, Mächtigen und Unterdrückten, in dem die Wörter zum Instrument der “Überzeugung” werden, mit dessen Hilfe die Zustimmung des Volkes zu den im Interesse der Herrschenden gesetzten gesellschaftlichen Normen erreicht werden soll. Bezeichnungen für ‘Gerechtigkeit’ und ‘Gehorsam’ sind deshalb in Wirklichkeit Instrumente der Gewalt und des Unrechts, und Wörter wie bien public ‘Allgemeinwohl’, patrie ‘Heimat’ und citoyen ‘Bürger’ dienen der Verschleierung sozialer Ungleichheit und sind in dieser Eigenschaft Indiz einer korrupten Gesellschaftsform (ĺ Missbrauch; ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Durch die Französische Revolution wurde der Auseinandersetzung um sozial und politisch relevante Wortbedeutungen eine noch größere Aktualität verliehen. Anhänger wie Gegner der Revolution beschuldigten einander, die Sprache zu verfälschen und den Wortmissbrauch für ihre politischen Zwecke einzusetzen (ĺ Missbrauch). Aus der Sicht der Konterrevolution wurde der Wortmissbrauch als Instrument der Verführung des Volkes sogar zur Ursache der revolutionären Umwälzungen erklärt (vgl. RICKEN 1984: 206). Die Maßnahmen gegen den Wortmissbrauch gingen bis zu praktischen Vorschlägen und der Gründung verantwortlicher Gremien. So wurde 1791 eine Société des amateurs de la Langue Française gegründet, die das Befreiungswerk der Revolution auf die Sprache übertragen sollte. Der vielleicht verhängnisvollste
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Irrtum, der die Menschen ins Unglück stürzte, nämlich der Missbrauch der Wörter, der uns über die Natur der Dinge täuscht, sollte jetzt endlich beseitigt werden. Zu den Abonnenten des Journal de la Langue Française, das dieser Gesellschaft nahe stand, gehörten auch CONDORCET und ROBESPIERRE. 2.5.2. Der linguistische Empirismus Horne Tookes und seine gesellschaftspolitischen Konsequenzen Zu einer nicht nur anthropologischen und erkenntnistheoretischen Zuspitzung des sensualistischen Standpunkts kam es in der Sprachtheorie des englischen Philosophen und Demokraten John HORNE TOOKE, der eher eine Einzelerscheinung der Sprachdiskussion in seinem Land war und sich bald heftiger Kritik ausgesetzt sah. In Gegenposition zu der Sprachtheorie HARRIS’ und MONBODDOs führt HORNE TOOKE einen zugespitzten Nominalismus ein, den er außerdem mit ethisch-politischen Aussagen verbindet. Die Rekonstruktion der ursprünglichen Bedeutung der Wörter durch die Untersuchung ihrer historischen Überlieferung in den Sprachen ermöglicht es nach HORNE TOOKE zu zeigen, dass auch abstrakte Wörter auf Bezeichnungen sinnlicher Wahrnehmungen der gegenständlichen Welt zurückgehen (ĺ Bedeutung). Als Gegner des konservativen Establishments und Anhänger der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung war HORNE TOOKE 1777 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er in einer aufrührerischen Schrift die englischen Soldaten des Mordes angeklagt hatte. HORNE TOOKE hatte bereits damals die Gültigkeit des Urteils anhand linguistischer Argumente bestritten, indem er die semantische Interpretation bestimmter Anklagepunkte diskutierte. Besonders im zweiten Teil seiner Diversions of Purley (1. Teil 1786, 2. Teil 1805) nutzt er dann die etymologische Argumentation bei der Untersuchung ethischer und juristischer Schlüsselwörter wie true, right, law mit unmittelbar ideologischer Zielstellung. Die Etymologie ist für ihn Argument dafür, dass die Begriffe ‘Wahrheit’, ‘Gesetz’, ‘Gerechtigkeit’, ‘Ungerechtigkeit’ nur in ihrem Bezug auf konkrete menschliche Zustände bestimmt werden können (ĺ Etymologie). Den Begriffen des Rechts und der Moral wird somit der Bezug auf eine ewige, vom Menschen unabhängige Wahrheit abgesprochen, sie werden völlig säkularisiert und sogar historisiert. Die Thesen HORNE TOOKEs lösten eine Debatte aus, in die im sprachtheoretischen Bereich vor allem John FEARN mit seinem Anti-Tooke (1824–1827) eingriff. Doch auch Dugald STEWART hielt die sprachtheoretischen Auffassungen von HORNE TOOKE für so gefährlich, dass er selbst eine gesonderte Antwort auf sie verfasste (Philosophical Essays, 1810), in der er den Aussagewert historischer Untersuchungen über die Sprache für philosophische Zwecke bestreitet und ähnlich wie seinerzeit HARRIS den Bereich der empirischen Erforschung der Welt von dem der Ontologie und der Moral trennt. Um sowohl Anzeichen von Skeptizismus und Materialismus als auch eine Rückkehr zum systematischen
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Idealismus zu vermeiden, akzeptieren Thomas REID und STEWART die induktive Methode, schränken ihre Gültigkeit aber zugleich durch den Hinweis auf die apriorische Existenz bestimmter Kategorien ein, die unter Berufung auf den common sense begründet werden. 2.5.3. Lösungen und Kompromisse in der Sprachdiskussion am Beispiel Spaniens Zur Differenzierung der Sprachphilosophie der Aufklärung trugen auch nationale Besonderheiten bei, die sich aus der Spezifik der Aufklärungsbewegung in den einzelnen Ländern, aber auch aus den besonderen Erfordernissen bei der Entwicklung nationaler Literatursprachen ergaben. Gerade in Spanien führte das Spannungsverhältnis zwischen der Fortführung nationaler Traditionen und den Einflüssen der europäischen Aufklärung zu sprachtheoretischen Fragestellungen, deren Brisanz sich in der Rezeption fortsetzte. Die Grenzen, die der spanischen Aufklärung durch “die unzerreißbare Macht des katholischen Glaubens” (KRAUSS 1973: 7–8) gesetzt waren, wurden auch auf sprachtheoretischem Gebiet sichtbar und führten insbesondere bei der Behandlung des Sprachursprungs und des arbiträren Zeichencharakters zu spezifischen Lösungsversuchen und Kompromissen. So wäre es im Spanien des 18. Jahrhunderts zweifellos eine sinnlose Verwegenheit gewesen, die Sprachursprungslehre der Bibel prinzipiell anzugreifen. Auch auf dieser Basis kam es jedoch zur Diskussion sprachtheoretischer Fragestellungen, die säkularisierte weltanschauliche Positionen sichtbar werden lassen (vgl. LÁZARO CARRETER 1985: 65 ff). Die Erklärung des Ursprungs der menschlichen Sprache tritt dabei hinter Überlegungen zu ihren funktionellen Eigenschaften zurück (z. B. bei FEIJOO), oder die Perspektive wird unter Hervorkehrung nationaler Gesichtspunkte auf die Herkunft und Entwicklung des Spanischen verkürzt (z. B. bei Martín SARMIENTO). Die relativ späte Rezeption des Lockeschen Sensualismus in Spanien bedingt allerdings auch, dass er von Anfang an durch Einflüsse des konsequenteren, insbesondere auch sprachtheoretisch weiter ausgearbeiteten Sensualismus Condillacscher Prägung überlagert war. Der Rezeption einer Sprachtheorie, die den Zeichen der Lautsprache eine zentrale Rolle bei der Erklärung der höheren Denkprozesse beimisst, kam entgegen, dass ein qualitativer Unterschied zwischen den ursprünglichen (natürlichen) und den arbiträren Zeichen in der spanischen Sprachdiskussion bereits vorher mehrfach festgestellt worden war (ĺ Natürlichkeit, ĺ Arbitrarität). Der Hintergrund dieser Feststellung war allerdings die Notwendigkeit gewesen, zwischen den natürlichen Wörtern der Ursprache und den arbiträren Zeichen der historisch überlieferten Sprachen zu unterscheiden. Als Besonderheit kam außerdem hinzu, dass die Grammatik und die Logik von Port-Royal in Spanien weitgehend unberücksichtigt geblieben waren, obwohl der spanische Grammatiker des 16. Jahrhunderts Francisco
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SANCHEZ DE LAS BROZAS (SANCTIUS) zu den wichtigsten Quellen des grammatischen Rationalismus gehört hatte. Die zeitliche Verkürzung in der aufeinander folgenden Rezeption des Sensualismus Lockescher, Condillacscher und ideologischer Prägung sowie die um etwa ein Jahrhundert verzögerte Aufnahme der rationalistischen Sprachtheorie von Port-Royal führte in Spanien zu einem Nebeneinander und zur Verflechtung verschiedenartiger Ansätze und Positionen. So folgte Gaspar Melchor de JOVELLANOS in seiner Trennung der sinnlichen Erkenntnis von den höheren Denkprozessen dem Lockeschen Dualismus von Sensation und Reflexion und begründete seine Notwendigkeit unter dem Eindruck der inzwischen erfolgten Weiterentwicklung des Sensualismus sogar ausdrücklich mit der Unteilbarkeit, Unkörperlichkeit und Unveränderlichkeit der Seele. Demgegenüber schloss er sich in methodologischer Hinsicht CONDILLAC an und erklärte die analytische Methode zum einzig möglichen Weg der Wahrheitsfindung und der Vermittlung der Wissenschaften. In einem in dieser Traditionslinie stehenden Werk von Ramon CAMPOS PÉREZ (El don de la palabra en órden a las lenguas y al exercicio del pensamiento, 1804) kommt es sogar zu einer Radikalisierung der These von einer konstitutiven Rolle der Sprache für das Denken. CAMPOS attackiert CONDILLACs Bestimmung der Identität der menschlichen Persönlichkeit als ein Sich-Empfinden mit sprachtheoretischen Argumenten und wirft ihm Inkonsequenz in der Anwendung des sensualistischen Prinzips vor. Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, das menschliche Denken sei von Natur aus nicht zur Abstraktion und Verallgemeinerung fähig, da es immer an irgendwelche sinnlichen Eindrücke gebunden sei. Auch die Bedeutungen der Pronomen (yo ‘ich’, tu ‘du’ etc.) seien Abstraktionen, nämlich aus den möglichen Handlungsträgern der Verben entstanden. Das Wesen des Menschen als vernunftbegabter und moralisch Handelnder bestehe demgegenüber in einer Menge für ihn charakteristischer Instinkte. Zu völlig entgegengesetzten Schlussfolgerungen kommt Lorenzo HERVÁS Y PANDURO, dessen Werke sich als philosophische Zurückweisung, aber auch als empirische Fortsetzung und Bestätigung der Sprachphilosophie der Aufklärung ansehen lassen. Der ehemalige Jesuit und Gegner des ‘dunklen Zeitalters’ der Aufklärung (siglo tenebroso) betrachtet den Zusammenhang zwischen Zeichen und Ideen analog zum Verhältnis von Körper und Geist. Während die psychogenetische Erklärung der gemeinsamen Entstehung von Sprache und Denken in ihren weltanschaulichen Konsequenzen nicht mit HERVÁS’ Absicht vereinbar ist, erweist sich die funktionelle Bestimmung des Wechselverhältnisses von Besonderheiten in Sprache und Denken der Völker als durchaus nutzbar. Eben diese Wechselbeziehung ist auch die Grundlage für HERVÁS’ berühmten Catálogo de las lenguas de las naciones conocidas (1800–1805), der eine Art Fortsetzung seines anthropologischen Werkes unter dem besonderen Gesichtspunkt der Verschiedenheit der Sprachen und Völker, ihrer Kultur und Geschichte ist.
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Die anthropologische, in der Tradition der Aufklärung stehende Zielstellung des Catálogo bringt HERVÁS selbst zum Ausdruck, wenn er die Sprachen zum geeignetsten Kriterium für die Klassifizierung der Völker erklärt. Wie bereits Fernando LÁZARO CARRETER (1985: 123) feststellte, wollte HERVÁS mit seinem monumentalen Werk jedoch nachweisen, dass die Vielfalt der Sprachen nur durch übernatürliches Eingreifen erklärbar ist. Ein Werk, das noch heute mitunter zu den unmittelbaren Vorläufern der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft gezählt wird, entstand somit aus der Überzeugung vom göttlichen Sprachursprung und der Sprachverwirrung von Babel (ĺ Sprachverwirrung).
2.6. Empirie und Berücksichtung der Vielfalt der Sprachen 2.6.1. Das Bewusstwerden des Wertes der Vernakularsprachen und ihre Verteidigung und Normierung Obwohl in Europa bis ins 18. Jahrhundert viele schriftsprachliche kommunikative Bereiche noch durch das Latein besetzt waren, waren mindestens seit dem Wirken der Humanisten auch die vom Volk im Alltag gebrauchten Vernakularsprachen Objekt der Betrachtung geworden. Während man lateinisch schrieb, um europaweit von den Gelehrten verstanden zu werden, bediente man sich der Muttersprache, um in der eigenen Nation Breitenwirkung zu erzielen. Der Gebrauch der Vernakularsprachen wurde auch metasprachlich verteidigt, was häufig auch zum Aufruf nach ihrem Ausbau und ihrer Verbesserung führte (ĺ Apologie). Doch zu Beginn des 17. Jahrhunderts war für die Vernakularsprachen noch keine einheitliche Norm geschaffen, dialektale Varianten konkurrierten im Gebrauch (ĺ Dialekt). Sprachliche Normen entwickeln sich zunächst spontan in der Kommunikation (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) und bedürfen nicht der Kodifizierung. Stabile sprachliche Realisierungen werden von den Sprechern immer wieder gewählt, was jedoch einen hohen Grad des gegenseitigen Austausches und der Aufmerksamkeit für die Sprache voraussetzt. Im 17. Jahrhundert wurde die Aufgabe der Normierung verstärkt eigens dafür geschaffenen Institutionen übertragen, die aus der Vielfalt konkurrierender Formen die geeigneten auswählen sollten. Auf diese Weise entstanden kodifizierte Normen (ĺ Normierung), die in Wörterbüchern und Grammatiken festgelegt wurden, aber auch in formal eher ungeordneten Schriften, die in Frankreich den Namen Remarques erhielten, in Erscheinung traten. Als Kriterien für die Normierung wurden neben der sozialen Trägerschicht auch linguistische genutzt: der Bau bestimmter Wortformen nach dem gleichen Prinzip, die Analogie galt als ein erstrebenswerter Zustand in Teilbereichen der Sprache (ĺ Analogie). Das Vorhandensein mehrerer gleichbedeutender Wörter wurde als störend empfunden und sollte durch die Differenzierung der Synonyme oder durch die Eliminierung eines von ihnen beseitigt werden (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). In einzelnen Ländern waren normative Bestre-
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bungen auch auf die Eliminierung von Fremdwörtern gerichtet, die als störend für den Charakter der betreffenden Sprache empfunden wurden. Eine besondere Rolle kommt im übergreifenden Kontext der Normierung auch der Orthographie zu (ĺ Orthographie). Unabhängig von der nationalen Spezifik der orthographischen Diskussion lassen sich im Wesentlichen drei konkurrierende Prinzipien unterscheiden, die bei der Erstellung von Normen für die Rechtschreibung richtungsweisend waren, nämlich das phonetische / phonologische Prinzip, das etymologische Prinzip und das Prinzip des Sprachgebrauchs. In der Regel wird einem dieser drei Prinzipien die Vorherrschaft als Regulativ der Orthographie zugestanden; allerdings sind auch Mischformen zwischen ihnen möglich. Zwar ist der Prinzipienbegriff im Zusammenhang der Diskussion zur Orthographie in heutiger Zeit in Frage gestellt worden (vgl. MENZEL 1978, KOHRT 1985: 408–409), aber seine Produktivität im Laufe der Geschichte dieser Diskussion ist unbestritten. An QUINTILIAN anknüpfend fordert bereits NEBRIJA in seiner Gramática castellana (1492) für die spanische Orthographie ein phonographisches Schreibsystem, bei dem jedem Laut ein Graphem entsprechen soll. Dieses Ideal der Isomorphie zwischen Laut und Buchstabe (ĺ Laut vs. Buchstabe), das auch als Quintiliansches Prinzip bezeichnet wurde, erwies sich im Verlaufe der Diskussion um die Reformierung und Normierung nationaler Orthographien als besonders wirkungsmächtig (vgl. K. MÜLLER 1990), wie etwa an den Orthographie-Konzeptionen von Louis MEIGRET, Mateo ALEMÁN, Gonzalo de CORREAS, Valentin ICKELSAMER oder Johann Rudolph SATTLER deutlich wird. In Konkurrenz zum phonetischen / phonologischen Prinzip mahnen verschiedene Sprachgelehrte für die Orthographie die Orientierung an der Etymologie der Wörter an (ĺ Etymologie). In der Renaissance wird die Anwendung dieses Prinzips namentlich von den Druckern postuliert, wie z. B. von den humanistischen Gelehrten Robert ESTIENNE und Henri ESTIENNE. Die Berücksichtigung des etymologischen Prinzips dient allerdings nicht nur als Mittel der Differenzierung von Homonymen, sondern ebenso als Möglichkeit, durch die graphische Markierung der Abkunft des Französischen von der prestigeträchtigen Gelehrtensprache Latein, die Apologie des Französischen zu vertreten (ĺ Apologie). Die Orientierung an der Etymologie der Wörter fand insbesondere auch in den Reihen der Sprachakademien ihre Anhänger, wobei nicht zuletzt sprachpolitische Kriterien wie etwa die Verwendung latinisierender und gräzisierender Schreibungen als Zeichen der Distinktion der Gelehrten gegenüber dem ungebildeten Volke eine wesentliche Rolle spielten (vgl. etwa die Orthographie-Diskussion an der Académie française und die Anfänge der Orthographie-Diskussion an der Real Academia Española). Als drittes Grundprinzip wird die Orientierung der Orthographie am etablierten Schreibgebrauch (usus scribendi) angeführt. Traditionell spielt der Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch), welcher neben Aussprache und Etymologie
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für die Festlegung orthographischer Regeln zu konsultieren ist, eine wichtige Rolle in den Überlegungen der Sprachgelehrten. In der europäischen Sprachreflexion des 17. und 18. Jahrhunderts nimmt der Usus einen besonderen Stellenwert ein, der nicht zuletzt durch die Arbeiten der remarqueurs in Frankreich untermauert wurde. Allerdings beklagt beispielsweise die Real Academia Española das Fehlen eines konstanten, zuverlässigen Sprachgebrauchs angesichts einer großen Vielfalt individueller Schreibweisen. An die Stelle des uso trete vielmehr der abuso, also der Missbrauch der Sprache (ĺ Missbrauch) aufgrund der Vielzahl individueller, teilweise inkohärenter sprachlicher Entscheidungen. Bestehen Zweifel über den richtigen Sprachgebrauch, so sei die geläufige Aussprache, welche zudem mit dem Attribut der Natürlichkeit belegt wird, maßgebliches Kriterium der Orthographie. Für die Konzeption der Orthographie der Real Academia Española in ihrer Orthographía Española [1741] lässt sich die Befürwortung eines Kompromisses zwischen etymologischem und phonetischem Prinzip konstatieren, welche im Zweifelsfall um das Prinzip des Sprachgebrauchs erweitert werden (vgl. SARMIENTO 2001). Entscheidend für die Beurteilung phonetisch orientierter Schriftsysteme sind Kriterien wie die Ökonomie der Buchstaben, die Relation zwischen Graphem und Laut, das Verhältnis zwischen Etymologie und Aussprache sowie der Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch). Vergleiche zwischen Schriftsystemen und Lautungen werden allerdings auch vorgenommen im Rahmen allgemeiner Überlegungen über die Vorzüge und Nachteile der Schrift im Vergleich zur gesprochenen Sprache sowie zum Verhältnis zwischen mündlicher Kommunikation und schriftsprachlichen Ausdrucksformen (ĺ Schrift). Charakteristisch für die Sprachdiskussion des 17. und 18. Jahrhunderts ist die Verwechslung zwischen lautlicher und graphischer Ebene. So wird oftmals das Fehlen einer 1:1-Relation zwischen Lauten und Graphemen beklagt (ĺ Laut vs. Buchstabe), die fehlende Eindeutigkeit der Rechtschreibung wird kritisiert und der Wunsch nach einer idealen Orthographie vorgebracht (vgl. die Orthographie-Konzeptionen von NEBRIJA, ALEMÁN, CORREAS, MEIGRET, ICKELSAMER, SATTLER, PRIESTLEY). Die Utopie einer Relation der Isomorphie zwischen Laut und Graphem kann als ein Topos der Orthographie-Diskussion betrachtet werden, die in diesem Punkt mit Überlegungen zu einem universal character (ĺ Universalsprache) zusammentrifft. Das Ansinnen, zu einer möglichst günstigen Laut-Graphem-Relation (ĺ Laut vs. Buchstabe) in den jeweiligen Einzelsprachen gelangen zu wollen, steht im Kontext von Bemühungen um die Kodifizierung einer Literatursprache, die sich als Standardvarietät aus dem Spektrum der Dialekte (ĺ Dialekt) absetzt und dabei einem mehr oder minder lange andauernden Prozess der Normierung unterworfen wird. Die Etablierung einer standardisierten Norm bewirkt das Verschwinden des weitverbreiteten Multigraphismus, der schier unüberblickbaren Menge an individuellen Graphien, die der neu entstehenden normierten
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Nationalsprache weichen müssen. Dabei verlaufen die Prozesse der Normierung der Orthographie mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Während man in Italien im 16. Jahrhundert im Wesentlichen auf das phonetische Modell des florentinischen 14. Jahrhunderts zurückgriff, das durch das Dreigestirn DANTE ALIGHIERI, Francesco PETRARCA und Giovanni BOCCACCIO verbreitet worden war und auch in Spanien die Normierungsbestrebungen, welche sich mit dem Namen NEBRIJAs verbanden, an der Schwelle des 15. und 16. Jahrhunderts erfolgten, wird in Frankreich eine offizielle Normierung der Orthographie erst durch die Bemühungen der Académie française im 17. Jahrhundert erreicht. In Deutschland wurde die Etablierung einer einheitlichen orthographischen Norm lange Zeit durch den innerstaatlichen Partikularismus behindert, so dass eine erste offizielle staatliche Normierung der Orthographie im Grunde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der II. Orthographischen Konferenz von 1901 erfolgen konnte. Die Durchsetzung einer verbindlichen nationalen Orthographie ist im direkten Kontext der Etablierung einer standardsprachlichen Norm zu würdigen, als deren Charakteristika etwa die Überwindung regionalsprachlicher Beschränkungen, die Verbindlichkeit für die Angehörigen der jeweiligen Sprachgemeinschaft und sprachliche Einheitlichkeit zu nennen sind (ĺ Normierung). Im Zusammenhang der Diskussion der Konzepte ‘Normierung’ und ‘Orthographie’ gerät immer wieder das Verhältnis zwischen gesprochener und geschriebener Sprache in den Fokus, wobei oftmals auch grundsätzliche Fragestellungen zur Schrift (ĺ Schrift) aufgeworfen werden, wie etwa der Vergleich von Schriftsystemen oder ihre Möglichkeiten und Grenzen. Bestrebungen der sprachlichen Normierung im Allgemeinen und der Orthographiereform im Besonderen sind zudem interpretierbar als Antwort auf die seit der Renaissance in der europäischen Sprachdiskussion häufig auftretende Annahme einer Korruption der Volkssprachen (ĺ Korruption), die entweder durch den zu großen Einfluss der prestigeträchtigen lateinischen Gelehrtensprache oder durch den Sprachkontakt mit anderen als höherwertig eingestuften rivalisierenden Volkssprachen entstanden sein soll. Namentlich der apologetische Diskurs der Renaissance (ĺ Apologie) ist vom Gegensatz zwischen der vorgeblichen Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) bestimmter als vorbildlich eingestufter Volkssprachen einerseits und der Gefahr der Korruption im Prozess einer degenerativen Sprachentwicklung andererseits geprägt. Prozesse der Normierung wie z. B. Orthographiereformen werden in diesem Kontext als Wege der Eindämmung sprachlicher Korruption begriffen (ĺ Korruption). Im 17. und 18. Jahrhundert orientierte man sich bei der Normierung der Sprachen an einem Ideal, das teilweise aus der Renaissance übernommen und wenig präzise war. Sprachen sollten über klare, nach Möglichkeit selbsterklärende Wörter verfügen, und dies in einer ausreichenden Zahl, so dass sie eine kraftvolle Ausdrucksweise ermöglichen (ĺ Reichtum, ĺ Klarheit). Außerdem
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sollten sie in ihrer Lautgestalt angenehm sein (ĺ Wohlklang). Die aus der Sprachdiskussion der Renaissance übernommenen Kategorien der perspicuitas ‘Klarheit’, energeia ‘Energie, Kraft’, abundantia ‘Reichtum’und harmonia ‘Harmonie’ stammen aus einer Zeit, in der über die Überlegenheit einzelner Sprachen diskutiert wurde. Sie wurden an die Bedürfnisse des wertenden Sprachvergleichs des 17. und 18. Jahrhunderts und der normierenden Einflussnahme auf die Sprache angepasst. Zugleich repräsentierten sie Zielvorstellungen, die in der Normierung und im Ausbau der Sprachen erreicht werden sollten (ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia, ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, ĺ universelle Geltung).
2.6.2. Sprachtheoretische Grundbegriffe in der einzelsprachlichen Grammatikographie und Lexikographie Aufbauend auf den frühen Grammatiken des 16. Jahrhunderts entstanden in den einzelnen europäischen Ländern grammatikographische Traditionen, die sich unterschiedlich ausprägten (ĺ Grammatik). Als erste Funktion von Grammatiken der Vernakularsprachen wurde die Erleichterung des Lateinunterrichts gesehen. Wenn man die Grammatik der eigenen Muttersprache verstanden habe, könne man ein leichteres Erlernen des Lateinischen erwarten. Allmählich entwickelten sich jedoch auch Gebrauchsgrammatiken, die das Erlernen moderner Sprachen als Ziel verfolgten oder sogar dem Muttersprachunterricht dienten und für den praktischen Zweck des Sprachenlernens geschrieben wurden. Inhalt der Grammatiken war vor allem eine Darstellung der Formen und Funktionen der Wortarten, die aus der Antike übernommen und an die Bedürfnisse der Beschreibung einzelner Sprachen teilweise angepasst wurden (ĺ Wortarten, ĺ Nomen, ĺ Pronomen, ĺ Verb, ĺ Partizip, ĺ Adverb, ĺ Konjunktion, ĺ Interjektion, ĺ Partikel, ĺ Artikel). Diese Anpassung erfolgte jedoch nur unvollkommen, so dass die Wortart ‘Artikel’ vielfach nicht in Grammatiken aufgenommen wurde, weil sie im Lateinischen nicht vorkommt, und auch in Grammatiken romanischer Sprachen die Deklination behandelt wurde, obwohl es keine Deklinationsmorpheme gibt. Vielfach waren die Grammatiker zu sehr der Tradition verhaftet, um alte Darstellungsweisen zu verwerfen oder auch nicht mehr gebrauchte Formen wegzulassen (ĺ Gebrauch). Die Beschreibung der Flexion nahm in den Gebrauchsgrammatiken einen breiten Raum ein, während Fragen der Beziehungen der Wörter im Satz nur geringe Aufmerksamkeit erhielten (ĺ Satz, ĺ Syntax). Der Tradition folgend erschien in vielen Grammatiken zunächst ein Kapitel über die lautliche Seite (ĺ Stimme; ĺ Vokal; ĺ Konsonant), das deren graphischer Repräsentation (ĺ Laut vs. Buchstabe; ĺ Schrift) vorangestellt wurde.
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Auch die allgemeinen Grammatiken, die durch das Erscheinen der Grammatik von Port-Royal (1660) beträchtlichen Aufschwung erhielten, bedienten sich ähnlicher Beschreibungskategorien. Im Zusammenhang mit der universalistischen Grundlegung der Grammatiken, die sich auf rationalistische Positionen stützte, wurde die Lehre von der “natürlichen” Wortfolge besonders wichtig und fand von Frankreich ausgehend auch in anderen europäischen Ländern ihre Verfechter und Gegner (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion; ĺ Universalität und Verschiedenheit). Im 17. Jahrhundert entstanden einsprachige Sprachwörterbücher mit bedeutungserklärender Funktion, die für die Epoche der entwickelten Lexikographie kennzeichnend sind (MATORÉ 1968, QUEMADA 1997). In diesem Zusammenhang wurden theoretische Überlegungen zur Definition entwickelt, die auch auf allgemeine Positionen zur Bedeutung sprachlicher Zeichen zurückgreifen konnten (ĺ Bedeutung). Eine normative Frage für die Lexikographie stellte sich mit der Akzeptanz von Entlehnungen und Wortneubildungen (ĺ Neologismen; ĺ Wortbildung). Sie wurde in Abhängigkeit von der generellen Aufgeschlossenheit gegenüber Neuerungen und dem Bewusstsein des Charakters der eigenen Sprache und ihrer Ausbaubedürftigkeit beantwortet. Ein aus der Rhetorik übernommenes Thema, das jedoch zunehmend der Normalität der Sprachverwendung zugeordnet wurde, war die Metaphorik. Ausgehend von der Erkenntnis, dass Bezeichnungen für abstrakte und allgemeine Begriffe durch Übertragung von Wörtern, die sinnliche Gegenstände bezeichnen, entstanden sind, wurde sie als ein wichtiger Weg der Entwicklung des Wortschatzes betrachtet (ĺ Metapher). 2.6.3. Sprachensammlungen im 17. und 18. Jahrhundert Einer vorläuferorientierten Historiographie fällt es nicht schwer, Kontinuitäten zwischen den sprachtheoretischen Positionen des 17. und 18. Jahrhunderts und dem Beginn der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft mit den Arbeiten von Franz BOPP, Rasmus Kristian RASK, Jacob GRIMM und Aleksandr Christoforoviþ VOSTOKOV festzustellen: The framework for comparative and historical linguistics created at the beginning of the nineteenth century by scholars like Franz Bopp, Rasmus Rask, and Jacob Grimm was, therefore, by no means without influential antecedents; on the contrary, there is sufficient evidence to prove that these linguists have greatly benefited from the labours – and insights – of their seventeenth- and eighteenth-century predecessors. The IndoEuropean hypothesis that unites most European languages with languages as far away as India provided a focus which led to more and more precision in the description and analysis of languages and their history. (JANKOWSKY 1995: 181–182)
Obwohl es gute Gründe gibt, den Beginn der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft nicht vor dem 19. Jahrhundert anzusetzen, erlangten drei der um
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die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert immer zahlreicher und umfangreicher werdenden Sprachensammlungen besondere Berühmtheit (vgl. HAARMANN 2000). 1787–1789 war die Sprachensammlung des deutschen Naturforschers Peter Simon PALLAS erschienen. 1800–1805 erschien die spanische Fassung des Sprachenkatalogs von Lorenzo HERVÁS Y PANDURO, für die er die Materialien der aus den Kolonien ausgewiesenen Jesuiten benutzt hatte. 1806–1817 folgte schließlich der Mithridates von Johann Christoph ADELUNG und Johann Severin VATER. Waren solche Sammlungen als Materialbasis für eine wissenschaftlich betriebene vergleichende Sprachwissenschaft geeignet und wurden sie überhaupt rezipiert? Schlossen sie nicht eher eine obsolet gewordene Epoche des Sprachdenkens ab, das sich fortan nicht nur anderer Methoden bedienen, sondern auch seine Daten auf anderen Wegen gewinnen sollte? Veränderte sich mit der Entstehung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft auf einmal die Datenlage oder wusste man nur neu zu interpretieren, was seit längerer Zeit bekannt war? Der Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) hatte in Europa zu der betrachteten Zeit bereits eine lange Vorgeschichte. 1555 veröffentlichte der Schweizerdeutsche Conrad GESSNER einen ersten großen Versuch, seinen Mithridates: De differentiis linguarum, tum veterum, tum quae hodie apud diversas nationes in toto orbe terrarum in usu sunt, in dem er 22 Sprachen ausgehend vom Text des Vaterunsers verglich. Wenn GESSNER in der Widmung an Johannes BALAEUS sagt, Sprachen seien in der Art und Weise, wie sie das Denken ausdrücken, sehr unterschiedlich und die Unterschiede in den grammatischen Strukturen verwiesen auf das Ausmaß, in dem Sprachen miteinander verbunden sind, so kann diese Aussage bereits als ein frühes, empirisch basiertes Verständnis von Sprachverwandtschaft gedeutet werden. 1686 veröffentlichte Andreas JÄGER in Wittenberg De Lingua Vetustissima Europae, Scytho-Celtica et Gothica, ein Werk, das eine Reihe erstaunlich zutreffender Aussagen über den Zusammenhang von Sprachen beinhaltet. JÄGER vertritt die Auffassung, dass man im Vergleich mehrere Sprachstadien berücksichtigen muss und verwendet für genetische Zusammenhänge bereits die Zweigmetapher (rami). Dass sich aus der bloßen Wortvergleichung eine Vorahnung der indoeuropäischen Sprachwissenschaft ergeben konnte, zeigt das Vorgehen einer ganzen Reihe von Autoren vor dem 19. Jahrhundert. MONBODDO hatte ähnlich wie bereits Julius Caesar SCALIGER in mehreren Sprachen nach wenigen, aber wichtigen Wörtern gesucht und dafür Verwandtschaftsbezeichnungen wie die für ‘Mutter’, ‘Vater’, ‘Bruder’ und ihre Entsprechungen ausgewählt. Damit war er einer derjenigen Autoren, die allein aus dem unzureichenden Verfahren der Wortvergleichung dem Gedanken einer indogermanischen bzw. semitischen Urverwandtschaft am nächsten kamen. Dieses Verfahren hatte bereits Jahrhunderte früher in der sogenannten Wortharmonie seinen Anfang genommen. Ein
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anderer Anstoß ging von der vergleichenden Etymologie Antoine COURT DE GÉBELINs aus, der Sprachen anhand des Vergleichs von Wortfamilien auf ihre Ursprünge zurückführen wollte. Einen gewissen Abschluss der Wortvergleichung zum Zwecke ethnischer Verwandtschaftsbestimmung bilden Peter Simon PALLAS’ Vergleichende Vokabularien, die zuletzt etwa 300 Wörter in über 200 Sprachen der Welt verzeichnen. Dass dabei viele Abstrakta nicht aufgenommen wurden, verwundert bei den Möglichkeiten der Erschließung wenig bekannter Sprachen und Dialekte nicht. Doch selbst bei semantischen Unterscheidungen ist die jeweils vorausgesetzte einzelsprachliche Matrix präsent und dominiert die real verglichenen Sprachen. So führt PALLAS (1786–1789: 63) die russischen Wörter trud und rabota jeweils als eigene Einträge ohne Beziehungen zueinander auf, was selbst bei der Zuordnung von Entsprechungen in kulturhistorisch nicht zu fern stehenden Sprachen zu Zufälligkeiten und Ordnungsproblemen führt, wie die folgenden Beispiele aus dem Lateinischen und den romanischen Sprachen zeigen. Zu trud werden lat. labor, it. lavoro, pena, neapolitan. pena, span. trabajo, port. fadiga (sic!), neufranz. peine; zu rabota lat. labor, opera, it. lavoro, neap. travaglio, fatica, sp. trabajo, port. trabalho, neufr. travail zugeordnet. Eine Unterscheidung der Herkunft von trud und rabota hat PALLAS zu Recht nicht einfach auf die romanischen Sprachen übertragen, wie es Dichotomien von Latinität und Volkssprachlichkeit oder Buchwörtern und Erbwörtern nahelegen konnten. Andererseits ist jedoch auch die synchrone semantische Gestaltung des Feldes ‘Arbeit / Mühe’ nicht problemlos auf die vom Russischen ausgehende Unterscheidung projizierbar. Dass die Arbeit PALLAS’ von den Autoren vergleichbarer Bemühungen in Westeuropa zur Kenntnis genommen wurde, ist durchaus erwiesen. Constantin François VOLNEY, auf den eine über die indogermanische Sprachfamilie hinausgehende vergleichende Sprachwissenschaft in Frankreich zurückgeht, hat PALLAS’ Sprachensammlung 1806 für die Keltische Akademie rezensiert. Er bemerkte dabei insbesondere lobend, dass PALLAS vom Bekannten zum Unbekannten vordrang und im Unterschied zum Vorgehen sprachvergleichender Wortsammlungen des 16. Jahrhunderts nicht einfach aus den religiösen Quellen abgeleitet vier Ausgangssprachen (langues-mères) annahm (VOLNEY 1806: 2). Als schwerwiegenden Nachteil, der sich vermutlich auch tatsächlich als rezeptionshemmend herausstellen sollte, erwähnte VOLNEY allerdings erwartungsgemäß das kyrillische Alphabet, das einen nur geringen Verbreitungsgrad habe und den seit einem Jahrhundert unternommenen Anstrengungen zur Europäisierung entgegenstehe. Später erklärte es VOLNEY (1819) zu einem grundsätzlichen Fehler aller Sprachensammlungen, dass sie sehr unterschiedliche Sprachen mit denselben Buchstaben transkribierten. Das durch Studien zur Verschriftung im Allgemeinen und zur Orthographie im Besonderen erhöhte Problembewusstsein verlangte somit zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereits
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nach anderen Notierungssystemen für sprachvergleichende Studien (ĺ Schrift, ĺ Orthographie). Christian Jacob KRAUS rezensierte PALLAS’ Werk in der Allgemeinen Literatur-Zeitung von 1787 und erklärte dabei das Prinzip der bloßen Wortvergleichung für ungenügend. Als grundlegendes Kriterium jeglichen Sprachvergleichs und der Verwandtschaftsbestimmung nimmt er den Sprachbau, genauer den grammatischen Bau der Sprachen an. Es ist festgestellt worden, dass er damit einen entscheidenden theoretischen Schritt hin zur vergleichenden Grammatik, wie sie in der Generation von BOPP für das Indogermanische begründet wird, vollzogen habe, was freilich durch eine nicht geringe Zahl von Parallelentwicklungen etwas relativiert wird. KRAUS setzte große Hoffnungen in die Sanskritstudien der gelehrten Gesellschaft von Calcutta und nannte die von ihm angestrebte vergleichende Sprachwissenschaft philosophische Universal-Linguistik. Dieser zu sehr im Denken einer anderen Traditionslinie verwurzelte Terminus konnte dem Innovationsanspruch nicht gerecht werden. Woher sollte man aber eine Benennung für eine unvoreingenommene, empirisch gestützte, und viele, möglichst sehr unterschiedliche Sprachen vergleichende Betrachtung nehmen, wenn nicht aus dem Instrumentarium der allgemeinen, schließlich keinesfalls vorwiegend im deduktiven Sinne universalistischen Sprachbetrachtung? Das begriffliche Dilemma und die Ahnung eines tiefgreifenden Einschnitts verdeutlicht auch ein Zitat aus Daniel JENISCHs 1794 von der Berliner Akademie preisgekrönter Schrift Vergleichung der Hauptsprachen Europas, lebender und todter, in Bezug auf Reichthum, Regelmäßigkeit, Kraft, Harmonie und andere Vorzüge; in welchen Beziehungen ist die eine der anderen überlegen, welche kommen der Vollkommenheit menschlicher Sprache am nächsten: Eben so wenig aber glaube ich das Hypothetische mancher Behauptungen in dieser Abhandlung, z. B. über den Gebrauch des Griechischen Artikels, über die Entstehung des Artikels überhaupt, und in den Lateinischen Tochtersprachen insbesondere, entschuldigen zu müssen. Mögen gelehrtere und scharfsinnigere Männer da durchdringen, wo ich anbrach. (JENISCH 1796: VI)
Offensichtlich ist dem Verfasser bewusst, dass eine neue Art der Empirie in der Sprachforschung kurz vor dem Durchbruch steht, er betrachtet es jedoch nicht als seine Aufgabe, diese Entwicklung zu befördern. Für die Aufmerksamkeit, die der Sprachensammlung PALLAS’ in Westeuropa zuteil wurde, ist jedoch vor allem die Erwähnung in der größten dieser Unternehmungen beachtenswert, dem Catálogo de las lenguas de las naciones conocidas (1800–1805) von Lorenzo HERVÁS Y PANDURO. HERVÁS gehörte zu den 1767 im Interesse der Reformpolitik Karls III. und der Festigung des Absolutismus ausgewiesenen Jesuiten, die – 1799 nach Spanien zurückgekehrt – zwei Jahre später das Land erneut verlassen mussten. Die Ergebnisse seiner umfangreichen sprachwissenschaftlichen Studien in Rom verwendete er zunächst 1784 in seinem auf Italienisch erschienenen Catalogo delle lingue
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conosciute. Später brachte HERVÁS im Zusammenhang mit enzyklopädisch angelegten anthropologischen Arbeiten seinen umfangreicheren spanischen Catálogo heraus. Obwohl ihm PALLAS’ Werk HERVÁS nur vom Hörensagen bekannt war, gab es für ihn den Anlass, generelle Skepsis gegenüber einem rein an Wörtern orientierten Sprachvergleich zu formulieren. Man lerne den Charakter der Sprachen nicht vollständig durch den Vergleich der Vokabulare kennen, sondern man müsse zum grammatischen Bau der Sprachen (artificio gramatical) vordringen. Auch sein eigenes Vocabulario Poligloto (1787) habe diesem Anspruch noch nicht genügt, und selbst ein sicher umfassenderes Werk wie das von PALLAS müsse bei der Einschränkung auf den lexikalischen Sprachvergleich unzulänglich bleiben. Auf dasselbe Problem läuft die Kritik von ADELUNG an reinen Wortsammlungen hinaus, die auch dann in ihrer Aussagekraft in Frage zu stellen seien, wenn sie auf die Idee einer Monarchin zurückgingen. Ihr wichtigster Mangel sei, “daß sie nichts von dem Geiste einer Sprache in der Verbindung der Begriffe zeigen” (ADELUNG / VATER 1806–1817: I, S. IX). HERVÁS’ sprachtheoretische Studien ordnen sich in das Bestreben ein, eine Synthese aus religiösen Dogmen und der im Zeitalter der Aufklärung entstandenen neuen Kultur und Philosophie zu schaffen (vgl. 2.5.3., S. 67). Diese anthropologische Zielstellung äußerte HERVÁS selbst, wenn er die Sprachen zum geeignetsten Kriterium für eine Klassifizierung der Völker erklärte. Dem grammatischen Bau der Sprachen schrieb HERVÁS die Verantwortung für die Art und Weise zu, wie die einzelnen Völker ihre Ideen anordnen. Diese Ordnungsprinzipien könnten zwar durch Wissenschaften und Kultur verfeinert werden, jedoch niemals im grundsätzlichen Bau, der wegen seiner Stabilität als oberstes Prinzip für die Einteilung der Sprachen gelten sollte (HERVÁS Y PANDURO 1800–1805: I, 23). Ein Sprachvergleich, der durch Verschiedenheiten der Wörter und Aussprachegewohnheiten hindurch vor allem den artificio gramatical betrachtet, werde ungeahnte Verwandtschaften zwischen Sprachen entdecken lassen (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). In gleicher Weise äußert sich auch ADELUNG, der den Gang und Geist einer Sprache in Stücken zusammenhängender Rede, in diesem Fall am Beispiel des Vaterunsers, betrachten will: Überhaupt reichen Sammlungen einzelner Wörter weder zur nothdürftigen Kenntnis einer Sprache, noch zur Vergleichung mehrerer Sprachen hin. Sie haben wesentliche Mängel, welche sich hier nicht aufzählen lassen, aber bey ein wenig Nachdenken von einem jeden selbst gefunden werden können. Der wichtigste ist, dass sie nichts von dem Gang und Geiste einer Sprache in der Verbindung der Begriffe zeigen. Das kann nur ein Stück einer zusammen hängenden Rede, und dazu both sich das Vater Unser von selbst an, weil man keine Formel in so vielen Sprachen haben kann, als diese. (ADELUNG / VATER 1806–1817: I, S. VIII)
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Auch der Prozess der Entdeckung des Sanskrit durch die europäische Wissenschaft lässt sich weder als plötzlicher Sprung noch als lineare Akkumulation im Hinblick auf ein Ziel beschreiben. Der erste linguistische Kommentar stammt aus einem bis 1957 unveröffentlichten Brief des englischen Jesuiten Thomas STEPHENS in Goa aus dem Jahre 1583. In diesem Brief wird zwar das Sanskrit nicht explizit erwähnt, es werden aber strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen den indischen Dialekten, dem Griechischen und dem Lateinischen herausgestellt. 1586 schrieb der Florentinische Literat und Händler Filippo SASSETTI aus Indien über den Status des Sanskrit als gelehrte Sprache, wobei er lexikalische Gemeinsamkeiten mit dem Italienischen, insbesondere die Numeralia ‘sechs’ bis ‘neun’ sowie Bezeichnungen für ‘Gott’ und ‘Schlange’ erwähnte. Im 17. Jahrhundert begannen Sanskritstudien unter dem Einfluss der Jesuiten und Missionare verschiedener Konfessionen. Dieser Sammeleifer hatte auch im 18. Jahrhundert angehalten, was ADELUNG in seinem Mithridates folgendermaßen resümiert: Hält man es nicht für überflüssig, die Münzen, Trachten, Gebräuche u. s. f. der verschiedenen Völker in der Welt zu sammeln, und sich bekannt zu machen, warum sollte man nicht auch die verschiedenen Arten zu kennen wünschen, wie so viele Völker von so vielfachen Graden der Cultur sich ihre Gedanken, ihren Sinn und Unsinn mitteilen. (ADELUNG / VATER 1806–1817: I, S. III)
Jean François PONS hatte 168 Sanskrit-Manuskripte nach Europa geschickt. Vor allem war jedoch die Kenntnis der indischen Kultur zur kolonialen Notwendigkeit geworden. In diesem Zusammenhang hatte Alexander DOW (1768) vermutet, dass die Brahmanen das Sanskrit nach rationalen Prinzipien geschaffen haben, um darin ihre Religion und Philosophie auf mysteriöse Weise aufzubewahren. Darauf aufbauend hatte Christoph MEINER auffällige Gemeinsamkeiten des Sanskrits mit anderen Sprachen damit erklärt, dass die Brahmanen ihre künstliche Sprache nach griechischem Muster gebildet hätten. Nachdem – ganz dem konzeptuellen Hintergrund der Diskussion um die europäischen Volkssprachen folgend – der ‘Reichtum’ des Sanskrit festgestellt worden war, wurde durch Sir William JONES ein neuer Impuls gegeben (ĺ Reichtum). Als Richter des obersten Gerichtshofes in Kalkutta interessierte ihn das Sanskrit aus juristischen Gründen, denn er wollte die Fundiertheit und Authentizität der Rechtsauffassungen prüfen. 1786 kommt er zu seiner berühmt gewordenen Aussage über die gemeinsamen Ursprünge des Sanskrit, des Gothischen und des Keltischen. Wenngleich diese Aussage später retrospektiv in den Rang einer Charta der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft erhoben wurde, so ging es für JONES eher um die Suche nach dem Ursprung der Kultur in Kunst, Recht, Wissenschaft, Religion und Philosophie. Der Ansatz JONES’ wurde durch die absurde These, dass Hindi die ursprüngliche Sprache Indiens sei, ebenso beeinträchtigt wie durch einige wilde Etymologien, nach denen indische und südamerikanische Götternamen zusammenhingen.
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Für seine Hypothese, dass die indoeuropäischen Sprachen auf dieselbe Ausgangssprache zurückzuführen sind, konnte William JONES zu seiner Zeit keinen empirischen Nachweis führen. Zeitgleich wurde für Gemeinsamkeiten mit anderen Sprachen noch die Erklärung verbreitet, dass ins Sanskrit entlehnt worden sei. Korrigierend wirkte jedoch auch die 1789 von Paulinus a SANCTO BARTHOLOMAEO vorgenommene und vor allem für den Gebrauch der Geistlichen bestimmte Zusammenstellung des Wissens über Indien. Zugunsten der Annahme eines gemeinsamen Ursprungs wurden darin Erklärungen der Gemeinsamkeiten durch Kontakt und Entlehnung ebenso abgelehnt wie skythische Ursprünge. Schließlich veröffentlichte in Petersburg Franz Carl ALTER 1799 seine Sanskrit-Wortliste, die eine wichtige Quelle für HERVÁS und ADELUNG wurde. ADELUNG hatte die Forschungen William JONES’ durchaus gekannt und erwähnt sie auch im Mithridates, wertet sie jedoch als Übertreibung in der Gewichtung dieser Sprache. Nach einer deskriptiven Charakteristik, zu der unter anderem Mehrsilbigkeit, das Verhältnis von Vokalen und Konsonanten, Wortarten und Flexion gehören, folgt eine Darstellung unter der Überschrift Übereinkunft vieler Wörter des Sanskrit mit den Wörtern anderer alter Sprachen (ADELUNG / VATER 1806–1817: I, 149). Es handelt sich um eine reine, 26 Seiten umfassende Aufzählung, wobei sich ADELUNG selbst zum Fehlen einer Methode bekennt. Im Unterschied zu ADELUNG war es HERVÁS, der dieselben Quellen benutzt, mehr um Filiationsverhältnisse zwischen den Sprachen gegangen. Die Sprache der Brahmanen wird von ihm als Ausgangspunkt mehrerer Dialekte gesehen, deren Filiation vor allem anhand der Sprachbezeichnungen selbst beschrieben wird. Dabei spielen Laut-Buchstaben-Vergleiche, wenngleich auf wenig reflektierter Ebene, durchaus eine Rolle. Die historische Dimension ist bei HERVÁS insofern vertieft, als er eine Anteriorität des Sanskrits gegenüber anderen Sprachen annimmt, was ihn linear zur Annahme von Entlehnungen aus dem Sanskrit ins Griechische, und ausdrücklich nicht umgekehrt führt. Die Behandlung des Sanskrits im Verhältnis zu den anderen indogermanischen Sprachen bei BOPP unterscheidet sich von den bloßen Auflistungen bereits durch die Annahme von Sprachstufen, die mehr oder weniger konserviert werden können und nicht mit geographischer Nähe korrelieren müssen. Die eigentliche Innovation besteht hier nicht in der Anordnung und im Vergleich des Materials – beides findet sich mindestens bei HERVÁS, in Ansätzen auch bei ADELUNG – sondern in der Feststellung charakteristischer Gesetzmäßigkeiten für bestimmte Wirkungszeiträume. BOPP beschreibt diese Ansicht 1823, also nur wenige Jahre nach den genannten Sprachensammlungen folgendermaßen: Die vergleichende Zergliederung grammatischer Formen, welche wir hier eröffnen, wird nicht nur das nähere und entferntere Verhältnis der obengenannten Sprachen zu dem Sanskrit entwickeln, sondern auch zeigen, in wiefern mehrere unter ihnen neben
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Einleitung der allgemeinen Verwandtschaft noch durch ein näheres mehr spezielles Band an einander geknüpft sind. (BOPP 1972: 122–123)
Im Normalfall objektbezogener Forschung wird sich der einzelne Wissenschaftler der Geschichte und Tradition der von ihm behandelten Fragestellungen nicht bewusst. Konfrontation mit dieser Geschichte kann sogar zu einem “historiographischen Paradoxon” führen (vgl. 3.2.; AUROUX 1996: 28). So falsch es ist, dass der Bau des Sanskrits künstlich am Griechischen orientiert worden wäre, so ist doch die Tatsache, dass dies festgestellt wurde, eine wissenschaftshistorische Wahrheit, die auf Zeithorizonte, Argumentationen und Absichten verweist. Ein objektbezogen arbeitender Wissenschaftler blickt zielund interessengeleitet in die Forschungsgeschichte zurück. Unter dieser Perspektivierung entsteht ein Retrospektionshorizont, der für bestimmte Schulen und Epochen charakteristische Gemeinsamkeiten aufweisen kann. Ein solcher gemeinsamer Retrospektionshorizont lässt sich für die Frühphase der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft durchaus feststellen. Einige Aussagen sprechen eindeutig für das Innovationsbewusstsein der ersten Generation der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaftler des 19. Jahrhunderts: Die Etymologie ist eine Disziplin, die Griechen und Römer nicht eigentlich gepflegt haben und die den unsinnigsten Meinungen und den lächerlichsten Einfällen freien Spielraum gelassen hat. Dies sind wohl auch die Ursachen dafür gewesen, daß verschiedene, insbesondere jüngere Sprachforscher die Etymologie verachtet haben. (RASK 1992: 43)
Rasmus Kristian RASK erwähnt in seiner 1818 erschienenen Undersøgelse om det gamle Nordiske eller Islandske Sprogs Oprindelse jedoch zumindest einen Referenztext positiv, und zwar den im 6. Band der französischen Enzyklopädie (1756) abgedruckten unsignierten Artikel Etymologie von Anne-RobertJacques TURGOT, von dem ihm allerdings offensichtlich nur sein Abdruck in der Encyclopédie Méthodique bekannt war (RASK 1992: 43). RASK meint mit dem Lob für TURGOT freilich mehr die Stringenz seiner Etymologielehre als deren wissenschaftstheoretische und philosophische Bezüge, die er – ganz entsprechend seiner Zeit – als eher überflüssig empfindet. Ausgangspunkt TURGOTs ist die explizite Negation eines natürlichen Zusammenhanges zwischen Wortkörper und Bedeutung: Die Herstellung einer Beziehung zwischen Lautformen und Bedeutungen wird vielmehr durch einen unbewussten, von Gewohnheiten abhängigen und durch diese veränderbaren Prozess zurückgeführt. Etymologische Forschung wird dabei den probabilistischen Wissenschaften zugerechnet. Die Wahrscheinlichkeit, die sich aus dem Zusammentreffen mehrerer Bedingungen für den Ablauf eines Prozesses erhöht, wird zum einzigen Wahrheitskriterium der Etymologie erklärt (ĺ Etymologie). Der mit der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft vollzogene Methodensprung besteht nicht schlechthin in einer Kenntnisnahme von mehr oder besseren Daten. Im Hinblick auf die Breite der erfassten Sprachen gingen die
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Sprachensammlungen sogar darüber hinaus, insofern sie auch afrikanische, asiatische und amerikanische Sprachen einbezogen. Freilich führte dabei die Erhebung der Daten selbst über nichtprofessionnelle, von ganz anderen Erkenntnisinteressen geleitete Gewährsleute zwangsläufig zu Fehlern, zu denen außerdem noch Fehlinterpretationen der zweifelsfrei feststehenden Daten hinzukamen. So glaubte ADELUNG, die Menschen hätten in ihrer Frühzeit einsilbige Wörter verwendet, und bringt das Sanskrit, dessen Relationierung mit europäischen Sprachen längst Mode war, auch mit finno-ugrischen und semitischen Sprachen in Zusammenhang. Die grundlegende Veränderung besteht vielmehr in dem Mut, analoge Entwicklungen als solche anzuerkennen, auch wenn geographische und chronologische Gegebenheiten zunächst dagegen sprechen.
3. Methodologische Grundlagen 3.1. Metasprachliche Begriffe und ihre Bezeichnungen Im umgangssprachlichen Gebrauch wird das Wort Begriff häufig synonym zu Wort oder Bezeichnung verwendet. Von diesem Gebrauch grenzen wir uns ab, wenn wir Begriffe als eine komplexe Gesamtheit von Gedanken über Unterscheidungsmerkmale eines untersuchten Objektes definieren. Begriffe sind somit Einheiten des Denkens, die in Urteilen ausgesprochen werden können und allgemeine und gleichzeitig möglichst wesentliche Eigenschaften des außersprachlichen Objektes angeben. Durch sprachliche Bezeichnungen werden Begriffe gefestigt und vielfach erst für unser Denken verfügbar. Ebenso wie der Begriff nicht mit dem Objekt identisch ist, sondern nur seine wesentlichen Merkmale beinhaltet, darf er jedoch mit der Bezeichnung, die sein sprachlicher Träger ist, nicht verwechselt werden. Eine strenge Trennung zwischen dem Wort und dem Konzept oder Begriff erscheint daher wesentlich. Diese Trennung ist umso wichtiger bei Begriffsfeldern, die keine unmittelbare Stütze in der Realität haben und deren Inhalt sich durch gegenseitige Abgrenzung der Bezeichnungen konstituiert und verteilt wird (vgl. HASSLER 1991). In diesem Sinne gehen wir vom semiotischen Dreieck aus, das wir dadurch modifizieren, dass die Relation zwischen der Bezeichnung und dem Objekt durch eine nur mittelbar – über den Begriff – erfassbare Beziehung zwischen den Bezeichnungen und ihren Relationen und dem Gegenstandsbereich ersetzt wird: Begriff
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Bezeichnungen und ihre Relationen
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Alle in diesem Lexikon verzeichneten Begriffe sind metasprachlicher Natur, das heißt sie betreffen die Sprache über Sprache und sind von der Objektsprache, der Sprache über nichtsprachliche Gegenstände, abzugrenzen. Der metasprachliche Charakter der behandelten Begriffe bedingt ihre abstrakte Natur. Sprachtheoretische Grundbegriffe können nicht wie gegenständliche Begriffe der Alltagswelt mit Merkmalen beschrieben werden, die der unmittelbaren Beobachtung zugänglich sind. Den objektsprachlichen Begriff des ‘Schraubenschlüssels’ kann man leicht mit der Bezugnahme auf den übergeordneten Begriff ‘Handwerkzeug’ und den differenzierenden Merkmalen ‘zum Anziehen oder Lösen von Schrauben und Muttern’ und ‘mit verschiedenen Antriebsprofilen’ definieren und seine unterschiedlichen, nach Gestalt und Funktion differenzierten Bezeichnungsmöglichkeiten beschreiben (Schraubenschlüssel, Schraubenzieher, Schraubendreher, Gabelschlüssel, Maulschlüssel, Ringschlüssel, Steckschlüssel). Bei metasprachlichen Begriffen ist hingegen häufig eine Zuordnung von Bedeutungsmerkmalen nur auf der Grundlage der im Kontext hergestellten Beziehungen möglich. Diese Begriffsbeziehung kann definitorisch, durch Abgrenzung oder diskursiv erfolgen. In der folgenden Textstelle aus DU MARSAIS’ Arbeit Des tropes (1730) wird zum Beispiel eine definitorische Bestimmung des Begriffs der ‘Metapher’ gegeben, die sich der typischen Struktur einer Definition bedient. Auf den übergeordneten Ausdruck, der die ‘Bildhaftigkeit’ benennt (figure), folgen das ‘Übertragen einer Bedeutung’ auf eine andere, die dem Wort nur durch einen ‘Vergleich’ zukommt: (DU MARSAIS 1730: 125): La Métaphore [ȂİIJĮijȠȡĮ translátio ȂİIJĮijİȡȦ Tránsfere.] est une figure par laquelle on transporte, pour ainsi dire, la signification propre d’un nom à une autre signification qui ne lui convient qu’en vertu d’une comparaison qui est dans l’esprit.
Eine abgrenzende Begriffsbestimmung wird dagegen durch die Verdeutlichung der Gegensatzrelation zu anderen Begriffen vorgenommen. Zum Beispiel kennzeichnet LOCKE den Begriff der ‘Arbitrarität’ des sprachlichen Zeichens zunächst durch die Gegenüberstellung zu seiner ‘Natürlichkeit’. Die Sprachlaute erhalten nicht etwa durch eine natürliche Beziehung zu bestimmten Ideen Bedeutung, was schon deshalb verworfen wird, weil es sonst nur eine Sprache gäbe, sondern sie werden aufgrund einer willkürlichen Setzung zum Zeichen bestimmter Ideen. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 8): Thus we may conceive how words, which were by nature so well adapted to that purpose, came to be made use of by men as the signs of their ideas; not by any natural connexion that there is between particular articulate sounds and certain ideas, for then there would be but one language amongst all men; but by a voluntary imposition, whereby such a word is made arbitrarily the mark of such an idea.
Eine diskursive Begriffsbestimmung findet hingegen über die Einbindung eines Begriffs in eine logische Abfolge von Gedanken und Argumentationen statt.
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Die Benennung der zur Diskussion stehenden Begriffe kann dabei mehr oder weniger explizit sein, sie muss jedoch nicht mit Termini oder Einwortbezeichnungen erfolgen. Ein Beispiel für die diskursive Einbindung ist der Umgang mit dem Begriff der ‘Partikel’ in der folgenden Textstelle von Dietrich TIEDEMANN: (TIEDEMANN 1772: 243): […] man [die Angehörigen der frühen Sprachgemeinschaft – G. H.] fieng auch schon an ordentlich und zusammenhängend zu denken, man bemühete sich folglich wie Gedanken mit Gedanken, so auch Sätze mit Sätzen zu verknüpfen. Man suchte auch seine Gedanken bestimmt, und ohne Besorgniß einer Zweydeutigkeit, lebhaft und rührend vorzutragen. Die eigentlichen Ausdrücke dazu fehlten noch, sie mußten also erfunden werden, und diejenigen, die dazu erdacht wurden, waren Bestimmungswörter.
TIEDEMANN beginnt hier mit den Funktionen der Partikel, Zusammenhänge zwischen Gedanken zu verdeutlichen und Sätze zu verknüpfen sowie emotionale Momente zu vermitteln. Dem zeittypischen Anliegen folgend, beschreibt er die Entstehung von sprachlichen Mitteln für den Ausdruck dieser Funktionen als Desiderat, das in der historischen Entwicklung erfüllt wurde. Zum Schluss benennt er die dafür “erdachten” Mittel als Bestimmungswörter, ein Wort, das im Deutschen mit mehreren anderen für die Bezeichnung der ‘Partikel’ konkurrierte (eine Particul, Particuln, Wörterchen, Nebenwörtlein, Bestimmwörtlein, Beziehwörtlein, Zuwörter, Vorwörtlein, Fügwörtlein, Zwischenwörtlein). In anderen Fällen endet die diskursive Begriffsbestimmung nicht mit einer direkten Bezeichnung des Begriffs, für den es möglicherweise auch noch kein eingeführtes Wort gab. Ein solcher Fall liegt mit der Entwicklung des Begriffs der ‘Normierung’ der Sprache in LEIBNIZ’ Unvorgreifflichen Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache (1697) vor: (LEIBNIZ [1697] 1908: 333): Gleichwie nun gewissen gewaltsamen Wasserschüssen und Einbrüchen der Ströhme nicht so wohl durch einen steiffen Damm und Widerstand, als durch etwas so Anfangs nachgiebt, hernach aber allmählig sich setzet und fest wird, zu steuren; also wäre es auch hierin vorzunehmen gewesen. Man hat aber gleich auff einmahl den Lauff des Ubels hemmen, und alle fremde auch so gar eingebürgerte Worte ausbannen wollen. Dawider sich die gantze Nation, Gelehrte und Ungelehrte gestreubet, und das sonsten zum Theil gute Vorhaben fast zu spott gemacht, dass also auch dasjenige nicht erhalten worden, so wohl zu erlangen gewesen, wann man etwas gelinder verfahren wäre.
LEIBNIZ bedient sich hier einer in sprachtheoretischen Texten nicht untypischen bildhaften Ausdrucksweise und vergleicht die Versuche, das Eindringen neuer Wörter in die Sprache zu verhindern, mit dem Bau von Dämmen, die jedoch dem Einbruch von Wasserströmen nicht standhalten könnten. Schließlich plädiert er für ein maßvolles Eingreifen in die Entwicklung der Sprache durch Normierung.
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Bei Begriffen, die wie in diesem Fall, im 17. und 18. Jahrhundert noch nicht über eigene Bezeichnungen verfügten, stellt sich die Frage nach ihrer Benennung zu analytischen Zwecken. Dass eine metaphorische Benennung oder das Mitliefern des diskursiven Kontexts nicht möglich ist, ergibt sich bereits aus dem Anliegen, Konzepte mehrerer Autoren und Sprachen zu betrachten und zu vergleichen. Die im vorliegenden Lexikon gefundenen Lösungen richten sich vor allem nach dem aktuellen Bezeichnungsangebot in der deutschen Sprache. Wenn eine moderne Bezeichnung (z. B. Normierung) gewählt wurde, muss darauf geachtet werden, dass ihr heute geläufiger Inhalt nicht zurückprojiziert wird. In anderen Fällen, in denen bis heute kein Terminus vorliegt, wurden umschreibende Bezeichnungen gewählt, die den Charakter des zeittypischen Begriffes verdeutlichen sollen (z. B. besonderer Charakter einer Sprache). Andererseits wurden auch zeittypische Bezeichnungen für Begriffe gewählt, die heute nicht mehr üblich sind. Z. B. wurden die in Fortsetzung der humanistischen Diskussion häufig gemeinsam auftretenden Bezeichnungen perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia als Benennung der entsprechenden Vorzüge von Sprachen genutzt, die in ihrer Gesamtheit etwas anderes bedeuten als die gleichfalls auftretenden Begriffe ‘Klarheit’, ‘Reichtum’ und ‘Wohlklang’. Zu beachten ist außerdem, dass sich die behandelten Begriffe in der Art ihrer metasprachlichen Konzeptualisierung voneinander unterscheiden. Neben (1) sprachtheoretischen Konzeptualisierungen im engeren Sinne, die Aspekte des Wesens der Sprache erfassen (z. B. ‘Zeichen’, ‘Arbitrarität’, ‘Analogie’), beschrieben wir auch (2) Konzeptualisierungen der Beschreibung einer Sprache (z. B. ‘Nomen’, ‘Pronomen’, ‘Verb’, ‘Satz’, ‘Wortstellung’), (3) Konzeptualisierungen des Handelns mit und an Sprache (z. B. ‘Sprachgebrauch’, ‘Sprachmissbrauch’, ‘Normierung’), und (4) Konzeptualisierungen der Wertung bestimmter Sprachen (z. B. ‘Vorzüge’ / ‘Vollkommenheit’, ‘Mängel, ‘Klarheit’, ‘Wohlklang’, ‘Reichtum’). Da sich metasprachliche Begriffe in Texten konstituieren und auch über Texte verbreitet werden, ist ihre rein lexikographische Erfassung nicht ausreichend. Vielmehr muss ihre Konzeptualisierung in Texten gleichfalls betrachtet werden (vgl. 3.6. Konzeptualisierung in Texten, S. 107).
3.2. Retrospektive und authentische Begriffe Eine begriffliche Arbeit, die sich auf eine vom gegenwärtigen auf Sprache gerichteten Denken entfernte Epoche bezieht, muss sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie retrospektiv vorgeht oder die Rekonstruktion der authentischen Begriffe der beschriebenen Epoche beabsichtigt. Leitbegriffe der Gegenwart wie ‘pragmatisch’, ‘funktional’, ‘generativ’, ‘modular’, ‘kognitiv’, ‘strukturell’ können die Komplexität der Problem-Begriff-Verschränkung illu-
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strieren, insofern es sich auch hier um authentische Selbstbeschreibungen, nicht um polemische oder tendenziöse Fremdbeschreibungen handelt. Auf unseren Gegenstand bezogen bedeutet dies die Beantwortung der Frage, inwieweit heute gültige objektbezogene Aussagen über Sprache, die in einer oder mehreren Theorien begrifflich verankert sind, zum Ausgangspunkt der Untersuchung werden sollten oder ob im Sinne einer Vermeidung jeglicher teleologischen Perspektivierung ausschließlich eine Rekonstruktion von Begriffen aus dem Sprachdenken des 17. und 18. Jahrhunderts erfolgen sollte. Diese Alternative bewegt sich nahe an dem historiographischen Paradoxon (AUROUX 1996: 28), das sich aus dem Verhältnis der beiden folgenden Prämissen ergibt: (1) Aussagen einer Wissenschaft sind, sofern sie objektbezogen argumentativ von Belang sind, frei von zeitlicher Verankerung. (2) Die Historiographie einer Wissenschaft gelangt zu Aussagen, deren Wahrheitswert indifferent gegenüber dem objektbezogen argumentativen Wert im wissenschaftlichen Denken ist. Für den Historiographen sind alle Annäherungsweisen an den Gegenstand gleichwertig. Die Geschichte wird nicht als bloße kumulative Entwicklung bis hin zur gegenwärtigen Lage der Disziplin betrachtet. Der Historiograph muss vermeiden, die Vergangenheit als Legitimation der Gegenwart zu benutzen (AUROUX / KOERNER / NIEDEREHE / VERSTEEGH 2000–2006: I, XXXVIII). Wissenschaftsgeschichtliche Forschungen betreffen nicht Eigenschaften der Sprache, sondern den Diskurs, der solche Forschungen zum Gegenstand hat. Eine auf das Objekt Sprache bezogene Aussage ist jedoch nicht immer transparent; sie ist als Ausdrucksform immer von ihren Äußerungsbedingungen abhängig. Vorrangige Aufgabe des Wissenschaftshistorikers ist es, diese Äußerungsbedingungen für Rezipienten zu rekonstruieren, die nicht mehr über dieselben Ausdrucksformen verfügen und keinen Anteil mehr an deren Entstehungssituation haben. Jeder Erkenntnisakt ist ein historisches Faktum, seine Existenzform ist nicht die ideale Zeitlosigkeit der logischen Ebene der Entfaltung der Wahrheit. Aufgrund seiner historischen Begrenztheit hat das Wissen einen Retrospektionshorizont und einen Projektionshorizont (AUROUX 1996: 31). Die Wissenschaft zerstört ihre Vergangenheit nicht, sondern sie organisiert sie, wählt aus, vergisst, deutet, idealisiert, ebenso wie sie ihre Zukunft antizipiert und konstruiert. Die Besonderheit historiographischer Arbeit gegenüber dem Vorgehen des einfach an seiner Fachgeschichte interessierten Wissenschaftlers ist gerade in der Rekonstruktion des Entstehens von Theorien und Positionen in Kontexten zu sehen. Für diese Aufgabe wird sehr zu Recht Interdisziplinarität angemahnt (SCHMITTER / VAN DER WAL 1998). Die Korrektur von retrospektiven Faktenselektionen und durch den Mainstream erhobenen Verdikten wird notwendigerweise auch zur Akzentuierung vergessener oder marginalisierter Wissensbestände führen.
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Wenn wir uns das Ziel stellen, Konzeptualisierungen im Sprachdenken vor der Zeit der Institutionalisierung der Sprachwissenschaft zu betrachten, und dabei nicht ausschließen, dass eine solche Arbeit auch zu einem Verständnis der Ausgangspunkte und Grundlagen heute stark divergierender begrifflicher Festlegungen in einzelnen Schulen und Richtungen der Sprachwissenschaft beitragen kann, ist sowohl eine retrospektive Sicht als auch eine ausgehend von der beschriebenen Epoche prospektive Sicht impliziert. Trotz eines ständigen Wandels begrifflicher Inhalte lässt sich auch für den metasprachlichen Bereich eine relative Kontinuität an Grundstrukturen und Relationen feststellen. KOSELLEK hat dies für die allgemeine Begriffsgeschichte mit folgenden Worten vermerkt: “Man kann Begriffsgeschichte(n) als Wandel von Bedeutungen und Pragmatiken nur thematisieren, wenn man weiß, daß eine ganze Menge anderes sich gleich bleibt und also repetitiv ist” (KOSELLEK 2006: 60). Dies darf selbstverständlich nicht zur Feststellung linearer Kontinuitäten führen, die weder die Entstehungsbedingungen noch das relationale Gefüge des einzelnen Begriffes berücksichtigen. Basis einer Inbezugsetzung über die zeitliche Verankerung hinweg sind vielmehr hinreichend allgemeine Fragestellungen, die tendenziell zu vergleichbaren Antworten führen. Wir bevorzugen zur Charakterisierung derartiger Fragestellungen und Lösungsansätze die Bezeichnung Konzeptualisierungen, um die Prozesshaftigkeit der beschriebenen Erscheinung zu charakterisieren, zu der eine statische Begriffsbeschreibung nur Elemente beitragen kann, die ihrerseits durch die Untersuchung in ihren historischen Entstehungsbedingungen und Relationen transparent werden müssen. Neben der zeitlichen Dimension, in der Begriffe sich entwickelten und veränderten, muss auch die räumliche Dimension beachtet werden, die in der Geschichte der Sprachwissenschaft lange nicht hinreichend berücksichtigt wurde (AUROUX 2006: 106). Begriffe werden in Traditionen überliefert und bei Integration in andere Kulturen angepasst. Nicht nur durch den Objektbereich der Sprachen in ihrer geographischen Variation, sondern auch durch das Instrumentarium der Beschreibung selbst sind Unterschiede im begrifflichen Bereich bedingt. Während Erscheinungen in der Zeit wechseln, fassen Begriffe generalisierend und subsumierend zusammen. Die dabei repräsentierten Beziehungsgeflechte und funktionalen Zusammenhänge können mit einem hinreichenden Allgemeinheitsgrad beschrieben werden, um auch bei größeren wissenschaftsgeschichtlichen Veränderungen Gemeinsamkeiten in Fragestellungen und Antworten festzustellen. Die Suche nach authentischen Begriffen einer Epoche lässt die Merkmale, die der Klassenbildung zugrunde liegen, transparent werden, begründet sie in ihrer historischen Gebundenheit und bestimmt den Stellenwert des Begriffs im zeitgebundenen Netzwerk. Retrospektiv geht begriffsgeschichtliches Arbeiten dann vor, wenn von den begriffskonstituierenden
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Merkmalen ausgegangen wird, die den objektbezogenen Einsichten einer bestimmten Zeit entsprechen, und nach vergleichbaren früheren Konzeptualisierungen gefragt wird. Die retrospektive Betrachtung kann dazu beitragen, hinreichend allgemeine Merkmale für Konzeptualisierungen festzustellen, sie darf dabei allerdings nicht in den Fehler verfallen, einen zeitlich gebundenen “Maßstab” an frühere Epochen des Sprachdenkens anzulegen. Mitunter fallen authentische Begriffe aufgrund des Fehlens geläufiger lexikalischer Formen erst bei einer solchen Sicht als Fragestellungen auf. So wird man Ende des 18. Jahrhunderts vergeblich nach einer Entsprechung für die Termini Fokussierung und Topikalisierung suchen, die diesem Begriff entsprechende Fragestellung erscheint jedoch unter der wenig spezifischen Benennung Nachdruck in Daniel JENISCHs Philosophisch-kritischer Vergleichung und Würdigung von vierzehn ältern und neuern Sprachen Europens (1796) und wird sogar in ihrem Beziehungsgeflecht zu anderen Konzeptualisierungen vorgeführt (grammatikalischer Bau, Wortstellung, Syntax, Sprache vs. (Strom der) Rede): (JENISCH 1796: 26–27): Zu dem grammatikalischen Bau, in so fern er auf den Nachdruck der Sprache Beziehung hat, gehört vorzüglich auch die Wortstellung (Syntax). Sind die Gesetze derselben für jeden Fall durchaus bestimmt und unabänderlich, wie z. B. in der Französischen Sprache: so kann der Geist da, wo es der Strom der Rede und die Heftigkeit der Empfindung erfordert, daß der Gegenstand aus der Masse der Ideen besonders herausgehoben und dem Auge nahe gebracht werde, und wo ofte das, was in dem ruhigen Flusse der Rede das erste Wort seyn würde, das letzte seyn muß, und umgekehrt; – so kann er hier Empfindung und Leidenschaft nicht mit aller der Fülle und nach allen den Nüanzen in der Sprache darstellen, als er’s ohne dieß würde thun können.
Wie das Beispiel nahe legt, führt die retrospektive Blickrichtung außerdem bereits in die Nähe des onomasiologischen Ansatzes. Die entsprechende Fragestellung könnte hier lauten: Wie wurde die heute als Fokussierung bekannte Verschiebung von Satzgliedern aufgrund ihres Mitteilungswertes Ende des 18. Jahrhunderts konzeptualisiert und wie wurde das entsprechende Konzept benannt? Die Frage nach der Konzeptualisierung wäre auflösbar in folgende Teilfragen: Wurden sprachliche Erscheinungen aufgrund des Merkmals ‘Verschiebung mit Veränderung des Mitteilungswerts’ zu einer Klasse zusammengefasst? Gab es geläufige, gegebenenfalls sogar spezifische Benennungen dieser Klasse? Welche Beziehungsgeflechte und funktionalen Zusammenhänge werden zu anderen Klassen hergestellt? Die Art der Fragestellung verdeutlicht, dass wir kognitive Prozesse bei der Begriffsbildung in den Mittelpunkt stellen und die onomasiologische Frage nicht auf eine Auflistung authentischer Bezeichnungen für einen feststehenden Begriff reduzieren. Die Zusammenfassung aufgrund von Merkmalen kann sich im Konzeptualisierungsprozess auch in einem vorbegrifflichen Stadium feststellen lassen, das sich sprachlich mit unspezifischen oder paraphrasierenden Bezeichnungen verbinden kann. Die Begriffsprägung selbst wird mit der Fest-
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legung auf in der Regel eine Bezeichnung jedoch nicht abgeschlossen, da sich das Beziehungsgefüge, in dem der Begriff steht, erst später festigen oder neu konstituieren kann. Selbst eine Veränderung in den konstitutiven Merkmalen der Begriffsbildung ist dabei möglich. In unserem Beispiel wird mit Nachdruck eine sehr unspezifische Bezeichnung für die Veränderung des Mitteilungswertes eines Satzgliedes gewählt, die jedoch durch ihre expliziten Relationen in einem signifikanten Beziehungsgefüge steht. Der grammatische Bau wird als übergeordnet und nur partiell auf den Nachdruck beziehbar eingeführt, während Wortstellung in unmittelbare Beziehung gesetzt und in Klammern mit Syntax erklärt wird. Deutlich wird auch eine Beziehung des Nachdrucks zum Strom der Rede hergestellt.
3.3. Die onomasiologische Methode Die mehrfach begründete Notwendigkeit einer begriffsgeschichtlichen Fundierung wissenschaftshistorischer Forschungen wirft die Frage nach einer geeigneten Methode auf. Die onomasiologische Lexikographie ist eine durch besondere Stabilität gekennzeichnete Tradition, die seit den Glossaren der frühen Schriftkultur eine nicht abreißende Kette von Wortlisten, Thesauren oder topikalen Wörterbüchern hervorgebracht hat. Diese Tradition ist in den letzten Jahren selbst Gegenstand wissenschaftshistorischer Forschungen geworden (vgl. HÜLLEN 1994, HÜLLEN 2005). Mit der onomasiologischen Methode wählt man analog zum Sprecher, der ausgehend von darzustellenden Inhalten nach Ausdrucksmöglichkeiten fragt, den Begriff als Ausgangspunkt und untersucht seine unterschiedlichen Bezeichnungen in einer Sprache. Onomasiologische Wörterbücher gelangen von daher zur Auflistung bedeutungsverwandter Wörter, die auch in ihren differenzierenden Merkmalen dargestellt werden können. Komplementär dazu untersucht die Semasiologie die verschiedenen Bedeutungen des Einzelwortes und ihre Entwicklung. Beide Betrachtungsweisen sind für eine Untersuchung des Wortschatzes einer Sprache notwendig und bedingen sich gegenseitig. Während die semasiologische Anordnung jedoch zur alphabetischen Reihung der Wörter führt, legen onomasiologische Untersuchungen eine Anordnung nach begrifflichen Gesichtspunkten nahe. Zweifellos ist eine semasiologische Untersuchung der Voraussetzungen, die Bezeichnungen für die Festigung und Weitervermittlung von Begriffen haben, für das Anliegen des Lexikons unumgänglich. Sie hat die authentischen Bedeutungen eines Begriffsträgers oder eines anderen an Konzeptualisierungen beteiligten Wortes als Potential zu analysieren. Allein ausgehend von einer Bedeutungsanalyse des deutschen Wortes Nachdruck am Ende des 18. Jahrhunderts ließen sich die in unserem Beispiel gegebenen Verhältnisse jedoch nicht erklären.
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Ausschlaggebend für die Entscheidung für eine onomasiologische Fragestellung und eine entsprechende Anlage des Lexikons war weiterhin die Tatsache, dass gerade angesichts der im 19. und 20. Jahrhundert erfolgten Professionalisierung der Sprachwissenschaft und der Ausdifferenzierung einzelner Schulen eine Relationierung historischer Lemmata des 17. und 18. Jahrhunderts mit Begriffen oder gar mit kontinuierlich fortbestehenden Fragestellungen und Konzepten schwierig, in vielen Fällen sogar ausgeschlossen ist. In der Erarbeitung des Lexikons ergänzten sich vielmehr in den unterschiedlichen Phasen der Arbeit die onomasiologische und die semasiologische Betrachtungsweise. Wenn Karl VOSSLER 1919 die Onomasiologie oder Bezeichnungslehre gegenüber der bis dahin bevorzugten Semasiologie als “einen der größten Fortschritte der Sprachwissenschaft kennzeichnete, […] dessen Tragweite sich noch kaum ermessen lässt” (VOSSLER 1919: 43), so ist damit eine präzise methodologische Festlegung gemeint, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts herausgebildet und die gerade um die Jahrhundertwende zu zahlreichen materialintensiven Einzelstudien geführt hatte. QUADRI betont in seinem entwicklungsgeschichtlichen Abriss die universelle und sprachvergleichende Ausrichtung dieser Methode, die den Blick auf die Ausdrucksmöglichkeiten des Begriffs in den verschiedensten Sprachgebieten richtet (QUADRI 1952: 4). Dennoch ist die Entwicklung der onomasiologischen Methode wesentlich durch romanistische Arbeiten geprägt, bevor sie bei Germanisten und Indogermanisten, später auch in anderen Philologien Fuß fasste und sich dabei teilweise veränderte. Wenn auch die Methoden im Einzelnen voneinander abweichen, so kann doch gesagt werden, dass die Bezeichnungslehre (Onomasiologie) auf einer Synthese von Diachronie und Synchronie beruht. In den älteren, vorwiegend diachronisch aufgebauten Arbeiten werden Bezeichnungen mit Blickrichtung vom ursprünglichen (für die romanischen Sprachen also lateinischen) Sprachzustand zum modernen untersucht. Dabei ging es um die Frage, wie sich altes (z. B. lateinisches) Wortgut unverändert oder verändert erhalten hat oder aber in welchem Umfang es durch Neuschöpfungen ersetzt wurde. Die später vorherrschende Betrachtungsweise besteht in der Verschmelzung der horizontalen Perspektive der Sprachgeographie und der vertikalen im Sinne der Sprachgeologie, wobei in gleicher Weise dem modernen Sprachzustand als dem Gewordenen wie dem Entwicklungsprozess selbst Rechnung getragen wird. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hatten sich zahlreiche Einzelstudien angehäuft, in denen die Bezeichnungen eines Begriffes diachronisch oder im synchronischen Vergleich untersucht wurden. Onomasiologisch in diesem Sinne sind bereits die Aufsätze von Jacob GRIMM unter den Titeln Das Wort des Besitzes, Ueber die Namen des Donners, Friedrich BECHTELs Untersuchung der Verben des Schmeckens oder Berthold DELBRÜCKs Abhandlung
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über die indogermanischen Verwandtschaftsnamen. Auch das mit Friedrich DIEZ’ Romanischer Wortschöpfung (1875) implizierte Programm lässt sich retrospektiv als onomasiologisch betrachten. DIEZ sucht Antworten auf die Frage “Wie hat der Sprachgenius mit dem römischen Erbtheil geschaltet” und er kommt zu einer Einteilung in 27 Begriffsklassen, bei denen es sich um eine Auswahl von konkreten und abstrakten Substantiven handelt. In romanistischen Arbeiten am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich onomasiologisches Herangehen aus der zunächst dominierenden Semasiologie heraus als deren komplementäre Methode. Auf der Suche nach einem geeigneten Namen für diese der Semasiologie komplementäre Methode schlägt Ernst TAPPOLET in seiner Arbeit Über die romanischen Verwandtschaftsnamen (1895) den Ausdruck vergleichende Lexikologie vor, der sich allerdings nicht durchsetzte. Die Probleme, deren Lösung diese neue Sprachbetrachtung anstreben sollte und die durchaus bereits als umfassendes Programm einer Onomasiologie betrachtet werden können, werden in folgender Formulierung umschrieben: Im Vordergrund steht für sie die Grundfrage: wie drückt die Sprache einer bestimmten Zeit, eines bestimmten Ortes den gegebenen Begriff aus? d. h. hat sie den von einer früheren Periode überkommenen Ausdruck beibehalten oder hat sie ihn durch eine Neuschöpfung ersetzt? Im ersten Fall: hat sie ihn mit oder ohne Umänderung in Form und Inhalt beibehalten? Im zweiten Fall: auf welche Weise, mit welchen Mitteln hat sie neue Bezeichnungen geschaffen? Wann und wo sind sie aufgetreten? Und wieder drängt sich dem, der in erster Linie nur beobachten will, die ewig brennende Frage des “Warum” auf; woher dieser Wechsel in der Ausdrucksweise ein und desselben Begriffs? Oder ist es vielleicht gerade deshalb nicht mehr derselbe Begriff, weil er anders ausgedrückt wurde? (TAPPOLET 1895: 4)
Mit der Frage nach dem Warum des Bezeichnungswandels wird die Onomasiologie bereits in frühen Arbeiten in einen kulturhistorischen Zusammenhang gestellt, dessen Potential jedoch bis in die Gegenwart nicht ausgeschöpft wurde. Dies wurde auch durch den Einfluss zweier neuer Richtungen innerhalb der Sprachwissenschaft nicht grundsätzlich korrigiert. Die eine der beiden betrifft die Wortgeschichte. Diese soll sich nicht auf die Analyse der lautlichen Veränderungen beschränken, sondern auch die Veränderungen des damit bezeichneten Gegenstandes mit einbeziehen. Nach der von dem Indogermanisten Rudolf MERINGER und dem Romanisten Hugo SCHUCHARDT entwickelten Methode sollte das Studium der Wörter nicht von der Erforschung der Sachen getrennt werden. Die andere bahnbrechende Neuerung war die von Jules GILLIÉRON begründete Sprachgeographie, die unmittelbar den Kontakt zwischen Forschung und lebender Sprache herstellt. Wenn die Onomasiologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Arbeitsweise wesentlich verfeinern konnte, so verdankt sie dies dem glücklichen Umstand, dass sie alle entscheidenden sprachwissenschaftlichen Fortschritte dieser Zeitspanne auszunutzen verstand (vgl. QUADRI 1952: 82).
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Die weitere Entwicklung der Bezeichnungslehre steht im Zeichen des Ausbaus der bisherigen Methoden nach allen Richtungen. Damit stößt die Onomasiologie auch in Gebiete wie Volksglaube und Brauchtum vor, die sprachlich bisher kaum ernsthaft erforscht wurden. Neben den kulturell wichtigen Begriffen, bei denen die Sprache vor allem ihre nivellierende Mitteilungsfunktion ausübt, werden nun auch jene nebensächlichen Dinge des Alltags Gegenstand bezeichnungsgeschichtlicher Untersuchungen, deren Namen von den Einflüssen der Verkehrssprache unberührt in der privaten Sprache eine umso größere Vielfalt besitzen. Differenzierter muss die onomasiologische Methode vor allem dort vorgehen, wo es keine sachlich vorgegebenen Begriffsraster gibt. Begriffe wie ‘dreschen’, ‘Mühle’, ‘Korn’, ‘Schlitten’, ‘Pflug’ lassen eine rein sachlich onomasiologische Bearbeitung zu, bei anderen drängt sich eine psychologisch vertiefte Betrachtung auf (‘Kind’, ‘Dummkopf’, ‘Nesthäkchen’, ‘Geck’, ‘Armut’, ‘Eifersucht’). Der Geltungsbereich der onomasiologischen Methode schien einerseits durch das Aufwerfen der Relevanzfrage angesichts immer spezieller und ausgefallener werdender Untersuchungsthemen4 eingeschränkt. Andererseits warf jedoch auch die Hinwendung zu der Frage, ob die Sprachen wirklich nur Begriffe bezeichnen oder möglicherweise an der Begriffsbildung selbst beteiligt sind, zunehmend Probleme auf. Ansatzpunkte für eine Erneuerung der onomasiologischen Fragestellung in der Lexikographie ergaben sich vor allem mit dem von Rudolf HALLIG und Walter von WARTBURG entworfenen Begriffssystem als Grundlage der Lexikographie (1952). Einflussreich war insbesondere im deutschen Sprachraum auch das 1933 erstmals erschienene nicht-alphabetische Wörterbuch Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen von Dornseiff, mit dem sich auch HALLIG und WARTBURG auseinandersetzten. Durch das Begriffssystem von HALLIG und WARTBURG wurde auch eine Diskussion über das Verhältnis von Begriffen und Wortbedeutungen ausgelöst. Begriffe wurden als objektive und außersprachliche Einheiten, die sich in eine strukturierte Welt einfügen, aufgefasst und dem “Begriffssystem” oder den “Sachgruppen” zugrunde gelegt. Der Vorteil der “sachbezogenen” Anordnung wurde dabei vor allem in der Möglichkeit gesehen, das Sprachgut einer oder mehrerer Sprachen, je nach System, in ihren diastratischen, diatopischen und zugleich diaphasischen Entwicklungsvarianten aufzulisten. Dies ermöglicht allerdings die Erfassung des Nebensinns und des Gefühlswertes nur dann, wenn die Bezeichnungswörter in ihren verschiedenen geschichtlichen Entwicklungsstufen nicht als bloße Aufzählung nebenein4
Vgl. z. B. Christiane BUDAHN, Die Bezeichnungen der Johannisbeere und der Stachelbeere im Galloromanischen. Diss. Berlin, Weimar 1939, 78 S.; S. STURM, Die Begriffe Sumpf und Pfütze im Galloromanischen. Versuch einer onomasiologischen Darstellung, Diss. Leipzig, 1938, VII-84 S.; E. POPPE, Zu den Namen der Bachstelze im Italienischen und Französischen, ZRPh 56 (1936), 392-404.
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anderstehen. Die sachlich-systematische Anordnung setzt die Existenz einer partiellen Begriffspyramide oder eines logischen Relationssystems voraus. Die diachronische Untersuchung der Sachgruppen trägt schließlich dazu bei, die Wörter in ihrer sprachgeschichtlichen und semantischen Veränderung zu erfassen. Auf dieser Grundlage wird es möglich, die Frage zu beantworten, inwieweit die systematische Gliederung bestimmte begriffliche Strukturen wiedergibt und inwieweit sie sich von ihnen abhebt. Ein Charakteristikum der onomasiologischen Methode in ihrer Kontinuität ist eine sehr flexible Beziehbarkeit auf semantische Theorien, die seit den fünfziger Jahren zu zwei Wiederbelebungen geführt hat, die zu beachtlichen Ergebnissen führten. Die erste Renaissance der onomasiologischen Methode verbindet sich mit Versuchen, Ergebnisse der Feldmethode auf sie zu beziehen und dadurch den vorwiegend punktuellen Charakter früherer onomasiologischer Forschungen zu überwinden. Betrachtet man die von QUADRI (1952) beschriebene Entwicklung der Onomasiologie, so überwiegen tatsächlich Arbeiten, die konkrete Gegenstände behandeln, davon wiederum überwiegend naturgegebene (Pflanzen, Tiere) oder Arbeitsgeräte. Der Anteil der Beiträge über geistig-kulturelle Begriffe ist gering, und nur bei wenigen ist wirkliches Bemühen um kulturhistorische Zusammenhänge feststellbar. Dieser Bereich wurde sehr erfolgreich von der Feldmethode besetzt, der eine Zusammenführung der aus der HUMBOLDTTradition hervorgegangenen inhaltbezogenen Sprachbetrachtung und der aus SAUSSUREs Paradigmatisierung des Wertbegriffs hervorgegangenen strukturellen Sprachbetrachtung gelungen war. Trotz der in den fünfziger und sechziger Jahren heftig geführten Debatte um die Berechtigung von Onomasiologie oder Feldmethode, wurde letztlich die onomasiologische Methode gerade dadurch in ihrem Fortbestehen und ihrer Relevanz gefördert, dass sie Elemente der Feldmethode aufnahm (vgl. RICKEN 1961 a, b und c). Dabei war zunächst eine genauere und stabilere Bestimmung des Verhältnisses von Begriff und Bedeutung erforderlich, für die nunmehr auch bessere Voraussetzungen im Bereich der Semantik bestanden. Sobald kulturgeschichtliche Begriffe als Ausgangspunkt onomasiologischer Untersuchungen gesetzt werden, ergibt es keinen Sinn, bei Vergleichen zwischen Sprachen oder Sprachzuständen simple Entsprechungen zu erwarten. Die kulturgeschichtliche Bindung der Begriffe und ihre Differenzverhältnisse schließen jedoch eine onomasiologische Vergleichbarkeit nicht aus: Wenn von onomasiologischen “Begriffen” auch auf kulturgeschichtlichem Gebiet gesprochen werden könnte, dann wohl nur in dem Sinne, daß darunter jeweils eine Anzahl Wörter mit eng verwandten und zusammengehörigen Bedeutungen zusammengefaßt werden, Wörter, die einen gemeinsamen begrifflichen Inhalt haben. So ließen sich zum Beispiel science, savoir, connaissances, érudition u. a., früheres clergie, doctrine, lumières usw. unter dem Begriff “Gelehrsamkeit” oder “gelehrte Kenntnisse” – der Name ist nicht das Entscheidende – zusammenfassen. Allen diesen Wörtern ist
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gemeinsam, daß sie unmittelbar “Gelehrtheit” ausdrücken, Bezeichnungen für “Gelehrtheit” sind. In den Bedeutungsnuancen dieser Wörter untereinander widerspiegeln sich unterschiedliche Aspekte oder Formen der “Gelehrtheit”, deren jeweilige Kennzeichnung eben diese Wörter sind. Die aus dem Zusammenspiel solcher Bezeichnungen zu erzielenden Aufschlüsse würden mit einer vom einzelnen Wort ausgehenden Betrachtungsweise nicht aufgedeckt werden können. Eben daher kommt es der Onomasiologie darauf an, nicht einzelne Wörter an sich, sondern möglichst mehrere zusammengehörige Bezeichnungen zu behandeln, die bestimmten Begriffen gemeinsam zugeordnet sind. (RICKEN 1961a: 10)
Die Notwendigkeit der Onomasiologie als Komplement zur Semasiologie als der auch für diesen Wortschatzbereich seit langem etablierten Methode, wird somit in der Orientierung auf Zusammenhänge gesehen, letztlich in der Frage nach Strukturen und deren Grundlagen, auf die die Linguistik generell eine Antwort suchte. Die Onomasiologie blieb auch in dieser Frage flexibel und integrierte den Ansatz der Feldmethode, der vor allem in der Bestimmung des zugrunde liegenden Begriffsrasters bestand. Nach den konsequentesten Ausprägungen der Feldmethode grenzen sich die einzelnen Wörter gegenseitig ab und teilen ein begriffliches Feld vollständig, lückenlos und ohne Überschneidungen untereinander auf. Die Onomasiologie ist aufgrund ihrer methodologischen Prämissen nicht darauf angewiesen, diese Zuspitzung vorzunehmen, kann jedoch den begriffsprägenden Einfluss sprachlicher Abgrenzungen durchaus integrieren. Dies geschieht in erster Linie durch eine Teilung von Bedeutungen und Begriffen in kleinste Einheiten, wobei das Ideal der Onomasiologie weiter eine noematische (vgl. HEGER 1963: 1976), das heißt außersprachliche Bestimmung der begrifflichen Bestandteile als Ausgangspunkt bleibt. Bereichert wurde die onomasiologische Methode auch durch die Arbeiten zum Frühneuhochdeutschen Wörterbuch (vgl. REICHMANN 1994), die dem Anliegen unseres Lexikons methodologisch insofern nahe stehen, als es sich um ein Sprachstadienwörterbuch handelt, das eine Zugangsmöglichkeit von der Gegenwartssprache her sucht. Diese Arbeiten sahen sich mit der Situation konfrontiert, dass man auf onomasiologische Fragen in semasiologischen Sprachstadienwörterbüchern keine unmittelbare Antwort findet. Dies gilt auch für den Fall, dass in die semasiologische Anlage pro Bedeutung onomasiologische Information eingefügt wird, etwa in Gestalt einer Aufzählung von Synonymen, Antonymen, Hyperonymen und Hyponymen. Sobald einem historischen (etwa frühneuhochdeutschen) Lemma Ausdrücke der gleichen Sprachstufe zugeordnet werden, ist eine Zuordnung aufgrund heute für den entsprechenden Begriff oder die Sache gültiger Sprachzeichen erschwert. Wenn das historische Lemmazeichen keine Fortsetzung in der heutigen Standardsprache findet, wenn es besonderen, z. B. dialektalen, sozialen oder fachlichen Gebrauchseinschränkungen unterliegt, ist eine Relationierung mit dem entsprechenden gegenwartssprachlichen Zeichen besonders schwierig. Auch in Fällen hoher ausdrucks-
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und inhaltsseitiger Konstanz, wie bei den Lexemen Acker oder Apfel (REICHMANN 1994: 232), wird bei semasiologischer Aufbereitung des Sprachmaterials dem Nachschlagenden ein Suchen nach dem Prinzip “Versuch und Irrtum” zugemutet. Das Ziel onomasiologischer Aufbereitung historischer Sprachstadienwörterbücher besteht dagegen in der “Schaffung eines schnell und möglichst unproblematisch handhabbaren Nachschlagewerkes, dessen Makrostruktur aus einer Folge von alphabetisch angeordneten, als Lemmazeichen fungierenden, gegenwartssprachlichen Ausdrücken besteht und dessen Mikrostruktur diejenigen Ausdrücke bilden, die zu den Lemmazeichen nach Ausweis des gerade aufbereiteten semasiologischen Wörterbuches in bestimmten lexikalischen Relationen stehen” (REICHMANN 1994: 233). Mit der verstärkten Entwicklung kognitiver Methoden in der Linguistik erfuhr die onomasiologische Methode eine weitere Erneuerung. Auf dieser Basis untersuchten Andreas BLANK und Peter KOCH Typen des Bedeutungswandels (Vgl. KOCH / BLANK 2003). Dafür ist eine kohärente Theorie semantischer Veränderungen erforderlich, die auch lexikographisch angewendet werden kann. Ein besonderes Problem stellt dabei die genaue Beschreibung der einzelnen semantischen Veränderungen dar, die ein Etymon im Verlauf der Sprachgeschichte erfahren konnte. Gerade für die Lösung dieses Problems wird ein onomasiologischer Ausgangspunkt vorgeschlagen. Auf diese Weise wird es für den jeweils betrachteten Begriff möglich, die Prozesse zu beschreiben, die zur Entstehung neuer Bezeichnungen in bestimmten Sprachen geführt haben. Die onomasiologische Betrachtungsweise hat dabei einen doppelten Vorteil, insofern sie ein Sich-Verlieren in der Vielfalt der Formen und Bedeutungen von Wörtern verhindert und es andererseits erlaubt, die komplexe Analyse besonders interessanter Begriffsfelder in Angriff zu nehmen, ohne sofort die Gesamtheit des Wortschatzes einzubeziehen. Ziel ist es, kognitive Bezeichnungskonstanten zu finden, die den Völkern gemeinsam und vielleicht sogar universell sind. Mit dem Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts erfährt die onomasiologische Methode insofern eine Ausweitung, als eine Anwendung auf die metasprachliche Dimension erfolgt. Dabei treffen die bei der Untersuchung geistig-kultureller Begriffe gewonnenen Erfahrungen genauso zu. Allerdings kommt mit der Metasprachlichkeit größere Bewusstheit hinzu, die sich auch in der Bezeichnungswahl ausdrücken kann.
3.4. Der eingeschränkte Retrospektionshorizont linguistischer Wörterbücher In Wörterbüchern der linguistischen Terminologie wird man die Wörter, die metasprachliche Begriffe des 17. und 18. Jahrhunderts bezeichnen, zum großen
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Teil nicht finden. Die auf heutige linguistische Ansätze gerichteten Wörterbücher der linguistischen Terminologie geben zwar mitunter Hinweise zur Geschichte einzelner Begriffe, setzen dabei aber oft den Beginn ihrer Entwicklung nach wissenschaftshistorisch problematischen Gesichtspunkten an. Der eingeschränkte Retrospektionshorizont dieser Wörterbücher zeigt sich besonders dann, wenn auf der Basis der Theorie einer bestimmten Richtung oder Schule argumentiert wird und andere Überlegungen zu dem gleichen Begriff ausgeblendet werden. Das trifft sogar auf den Begriff der ‘Arbitrarität des sprachlichen Zeichens’ zu, der im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitet war. Seit vierzig Jahren liegt mit COSERIUs Studie ein fundierter historischer Längsschnitt zu diesem Begriff vor, der unter anderem für das 17. und 18. Jahrhundert durch stärker textuell basierte und von daher das Beziehungsgefüge besser berücksichtigende Untersuchungen zu ergänzen ist. Mit der Aufspaltung des aristotelischen Begriffes in non natura sed ad placitum ‘nicht von Natur, sondern beliebig’ und der damit gegebenen Möglichkeit, eine der beiden Seiten zu betonen und sogar zu isolieren, erscheint jedoch der Ausgangspunkt späterer begrifflicher Entwicklungen erfasst. Umso erstaunlicher ist es auf den ersten Blick, dass in den Formulierungen in Lexika der sprachwissenschaftlichen Terminologie unter dem Stichwort arbiträr / Arbitrarität in der Regel SAUSSURE als Ausgangspunkt genannt wird, obwohl dieser ausdrücklich feststellte, an eine Tradition anzuknüpfen. Darüber hinaus variiert die inhaltliche Bestimmung sehr stark und lässt sich durchaus partiell den von COSERIU genannten Richtungen zuordnen. Die folgenden Zitate aus Wörterbüchern der Sprachwissenschaft sollen dies verdeutlichen: Arbitrarität [lat. arbitrium ‘Willkür’ – Auch: Beliebigkeit, Konventionalität, Unmotiviertheit, Willkürlichkeit]. Grundlegende Eigenschaft von sprachlichen oZeichen, die besagt, daß zwischen dem Bezeichnenden (= Lautbild, Zeichengestalt) und dem Bezeichneten eine beliebige, nicht naturnotwendige, d. h. abbildende Beziehung besteht. Je nach sprachtheoretischem Ausgangspunkt bezieht sich diese “Willkürlichkeit” entweder auf das Verhältnis von sprachlichen Zeichen und außersprachlicher Realität oder auf das Verhältnis von sprachlichem Zeichen und seiner Bedeutung. F. De Saussure [1916] bezieht A. auf das Verhältnis von Lautbild (= image acoustique) und Vorstellung (= concept) und belegt die Beliebigkeit dieser Verbindung durch die Tatsache, daß dasselbe Objekt der Realität von Sprache zu Sprache verschieden benannt wird. (BUSSMANN 1990: 94–95) arbiträr: e. arbitrary. Charakterisierung des Verhältnisses von Form und Inhalt sprachlicher Zeichen, die nicht oonomatopoetisch (lautmalend wie z. B. “kikeriki”) sind; die Phonemfolge gibt keinen Aufschluß über Bedeutung; d. h. Phonemfolgen können in verschiedenen Sprachen bei gleicher Gestalt Verschiedenes bedeuten; erstmals deutlich von Saussure herausgestellt. (BURGSCHMIDT 1976: 16)
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Einleitung arbitrariness: The absence of any physical correspondence between linguistic signals (such as words) and the entities in the world to which they refer. There is nothing in the way the word table is pronounced or written which physically resembles the thing ‘table’. The opposite view is sometimes maintained, with evidence adduced from onomatopoeic and other symbolic uses of sound. See also Nominalism; Onomatopoeia; Sound Symbolism. (CRYSTAL 1992: 26) Dans la théorie saussurienne, l’arbitraire caractérise le rapport qui existe entre le signifiant et le signifié. La langue est arbitraire dans la mesure où elle est une convention implicite entre les membres de la société qui l’utilisent; c’est dans ce sens qu’elle n’est pas “naturelle”. Le concept qu’exprime un mot comme corde n’a aucun rapport de nécessité avec la suite des sons [kord] ou la graphie corde. La preuve en est que les langues aussi voisines que le français et l’italien ont pour désigner des objets identiques des mots entièrement différents […] Arbitraire exclut dans cette acception la possibilité pour le sujet parlant de faire dépendre de sa volonté personnelle le choix de la forme exprimant tel signifié ou le choix d’un signifié pour telle forme […]. (DUBOIS 1994: 46–47) Arbitrarität (lat. arbitrium ‘Willkür’. Auch: Unmotiviertheit, Willkürlichkeit) Auf F. de Saussure (1857–1913) zurückgehende Bez. für die Beliebigkeit des sprachl. ¼Zeichens. Das sprachl. Zeichen ist willkürl. geschaffen, es gibt keinen naturgegebenen Zusammenhang zwischen dem Lautkörper des Zeichens und dessen Inhalt. Es besteht keine natürliche Zusammengehörigkeit von ¼Signifikant (Bezeichnendem) und ¼Signifikat (Bezeichnetem). Ausnahmen bilden die sog. ¼Onomatopoetika (lautmalerische Wörter, z. B. dt. Kuckuck frz. coucou, lat. cuculus, ital. cuculo, bulgar. kukuvica). Die Bedeutungszuordnung erfolgt jedoch nicht in dem Sinne arbiträr bzw. unmotiviert, daß sie für jeden einzelnen Sprecher beliebig ist, sondern sie wird durch Konventionen innerhalb einer ¼Sprachgemeinschaft geregelt. Die A. des sprachl. Zeichens ist somit durch seine soziale Determiniertheit eingeschränkt; ¼Konventionalität. Lit. F. de Saussure, Cours de Linguistique générale. Paris 1916. Dt.: Grundfragen der allgemeinen Sprachwiss. Bln. 1931, 21967. (GLÜCK 1993: 52) Arbitrarität, auch Willkürlichkeit od. Beliebigkeit: Grundeigenschaft des Zeichens, derzufolge zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem kein natürlich notwendiger innerer Zusammenhang besteht. Zum Beispiel ist die Wahl der Lautkomplexe zur Bezeichnung der Gegenstandsklasse ‘Baum’ nicht durch die Natur dieser Gegenstände bedingt, wie die unterschiedlichen Bezeichnungen in verschiedenen Sprachen bezeugen (vgl. russ. ɞɟɪɟɜɨ, lat. arbor, engl. tree usw.). “Arbiträr” wird in der Linguistik gewöhnlich mit “unmotiviert” gleichgesetzt, obwohl dies nicht unbedingt der Fall sein muß (vgl. Motivation). (BARTSCHAT / CONRAD 1985: Arbitrarität)
Während BUSSMANN eine (hier nicht vollständig wiedergegebene) inhaltlich sehr differenzierte synchronische Analyse des Arbitraritätsbegriffs gibt, außer SAUSSURE allerdings keine historischen Bezugstexte nennt, ist die Darstellung bei BURGSCHMIDT historisch falsch verortet und begrifflich vereinseitigt, insofern nur die Beziehung zwischen Phonemfolge und Signifikat als ‘arbiträr’ erfasst wird, was selbst dem Saussureschen Arbitraritätsbegriff nur partiell gerecht wird. Im Vordergrund steht die differentiell-oppositive Abgrenzung des Arbitraritätsbegriffs gegenüber dem Lautsymbolismus, allerdings ohne
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jeglichen Bezug auf Referenztexte, auch bei CRYSTAL. GLÜCK nennt den scheinbaren Ausgangstext gleich im ersten Satz als Bezugsgröße, im Unterschied zur Hervorhebung fehlender Naturnotwendigkeit der Lautqualität betont er jedoch den Gesichtspunkt sprachlicher Konvention und hebt ihn ausdrücklich von individueller Willkürlichkeit ab. Dabei ist interessant, dass sich gerade diese Argumentation in früheren Texten zum Arbitraritätsbegriff (z. B. CONDILLAC, Essai sur l’origine des connoissances humaines [1746]) ausführlich und fast gleichlautend findet. Möglicherweise hat hier eine argumentative Tradition im Umfeld sprachtheoretischer Grundbegriffe über spätere paradigmensetzende Referenztexte hinaus gewirkt. Geradezu irreführend ist wegen des Nahelegens einer sprachgenetischen Aussage die von GLÜCK gewählte Formulierung willkürlich geschaffen, die (in dieser Beziehung zu unrecht) wiederum auf SAUSSURE bezogen und weiter mit der fehlenden Lautsymbolik fortgesetzt wird. Es schließt sich allerdings ein Hinweis auf die nicht individuell willkürliche, sondern sozial bestimmte Relation zwischen Signifikat und Signifikant an. Die klare Orientierung auf den Cours de Linguistique générale zeigt sich in BARTSCHAT / CONRAD in Gestalt einer engen Anlehnung an SAUSSUREs Text, bei der sogar auf jegliche Namensnennung verzichtet wird. Andere Theoriebindungen des Arbitraritätsbegriffs als die Referenz auf SAUSSUREs Cours de Linguistique générale sind in Wörterbüchern sprachwissenschaftlicher Terminologie durchaus nicht ausgeschlossen, aufgrund der Abweichung vom Retrospektionshorizont der gegenwärtigen Sprachwissenschaft jedoch eher erklärungsbedürftig und von daher in der Regel noch enger auf einen ganz bestimmten theoretischen Rahmen bezogen. So entwickelt John N. MATTOCK den Arbitraritätsbegriff in ASHERs Encyclopedia of Language and Linguistics (1994) ausgehend vom mathematischen Begriff arbiträrer Objekte in Anlehnung an FINE (Reasoning with Arbitrary Objects, 1985) und an die MONTAGUE-Grammatik. Das Beispiel sollte verdeutlichen, dass die Explikation sprachtheoretischer Grundbegriffe in gegenwartsbezogenen Lexika sprachwissenschaftlicher Termini den “Anfangsverdacht” dafür liefern kann, dass die gängige Bezugnahme auf Referenztexte historisch zu kurz greift und durch epochenbezogene historische Rekonstruktion ergänzt werden muss. Im gegebenen Fall liefert der Referenztext selbst einen klaren Hinweis. SAUSSURE kennzeichnet seinen Arbitraritätsbegriff keinesfalls als innovativ, er ist sich vielmehr der langen Tradition des Arbitraritätsgedankens durchaus bewusst und betrachtet ihn sogar als allgemein anerkannt.5 Allerdings betont er ausdrücklich, dass dem arbiträren Zeichencharakter bisher noch nicht die dominierende Rolle in Sprachtheorien zugestanden wurde, die ihm eigentlich zukomme. 5
SAUSSURE 1967–1968: 152. Vgl. auch HASSLER 1991: 168ff).
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Von dieser neuen Stellung im begrifflichen Netzwerk gesehen scheint es nicht unberechtigt, dem Cours de Linguistique générale tatsächlich eine paradigmatische Rolle zuzugestehen und ihn als Ausgangspunkt der Entwicklungen im 20. Jahrhundert zu betrachten. Dass eine komplementäre historische Rekonstruktion gerade für die von uns zu betrachtende Epoche erforderlich ist, lässt sich jedoch exemplarisch mit folgenden, auch von COSERIU (1967) nicht berücksichtigten Formulierungen erkennen: (ARNAULD / NICOLE [1662] 1965: I, 33): Enfin il y a une grande équivoque dans ce nom d’arbitraire; quand on dit que la signification des mots est arbitraire. Car il est vrai que c’est une chose purement arbitraire que de joindre une telle idée à un tel son plutôt qu’à un autre; mais les idées ne sont point des choses arbitraires; et qui dépendent de notre fantaisie, au moins celles qui sont claires et distinctes. Et pour le montrer évidemment, c’est qu’il serait ridicule de s’imaginer que des effets très réels pûssent dépendre des choses purement arbitraires. (LOCKE 1755: Buch III, 327)6: Les Mots, par un long & familier usage, excitent, comme nous venons de le dire, certaines idées dans l’esprit si réglément & avec tant de promptitude, que les Hommes sont portés à supposer qu’il y a une liaison naturelle entre ces deux choses. Mais que les mots ne signifient autre chose que les idées particulières des Hommes, & cela par une institution tout-à-fait arbitraire, c’est ce qui paroît évidemment en ce qu’ils s’excitent pas toujours dans l’esprit des autres, (lors même qu’ils parlent le même Langage) les mêmes idées dont nous supposons qu’ils sont les signes.
Der Vergleich derartiger Konzeptualisierungen, die sich bereits des Terminus arbitraire bedienten und die auch über das 17. Jahrhundert hinaus in ihrer Kontinuität belegt werden können, mit den oben genannten Wörterbuchdefinitionen verdeutlicht, dass zwar unterschiedliche Beziehungsgeflechte und begriffliche Netzwerke hergestellt werden, aber eine für die Herstellung von Beziehungen hinreichende Kontinuität auch über die Bezeichnungskontinuität hinaus besteht. Die Unterschiede, die wir zwischen den Darstellungen in den einzelnen Terminologiewörterbüchern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts feststellen mussten, sind zum Teil beträchtlich größer als die zwischen der Saussureschen Begrifflichkeit und den Arbitraritätskonzepten LOCKEs oder der Logik von Port-Royal.
3.5. Begriffsgeschichte und Wissenschaftsgeschichte In der Historiographie der Sprachwissenschaften ist bisher nur vereinzelt und global festgestellt worden, dass Begriffe vergesellschaften, damit konsensuelle und dissensuelle Kommunikation ermöglichen und wissenschaftliche Gegenstände im Kontext wissenschaftlicher Diskurse und Institutionen nicht nur benennen, sondern auch erzeugen (vgl. KNOBLOCH 1996: 261). Innerhalb der Begriffsgeschichte werden Grundbegriffe als Indikatoren vergangener gesellschaftlicher und fachlicher Verhältnisse angenommen. Sie 6
Wir zitieren hier nach der europaweit wirksameren französischen Übersetzung von COSTE.
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gelten gleichzeitig als Faktoren in der Konstitution und Bestätigung eben dieser Verhältnisse (KOSELLECK 1979: 107ff). In der wissenschaftsgeschichtlichen Begriffsforschung wird versucht, den Begriffen im Nachhinein Verhältnisse “abzulauschen” (KNOBLOCH 1996: 262), indem man ihre Funktionsweise in der Sprach- und Symbolökonomie des jeweiligen fachlichen oder allgemeinen Diskurses rekonstruiert. Der Anlass, sich den Grundbegriffen eines fachgeschichtlichen Problemfeldes zuzuwenden, besteht dabei häufig in der “Relevanzvermutung” (vgl. BURKE 1969, KNOBLOCH 1996). Aktuell relevante, aber vergessene Wissensbestände können in alten Texten vermutet werden. Diese Relevanzvermutung liefert der wissenschaftshistorischen Untersuchung jedoch nur den Anlass und den Ausgangspunkt, von dem ausgehend die historischen Problemkontexte sorgfältig gegen den aktuellen abgesetzt werden müssen. Für den zu behandelnden Gegenstand ist auch eine differenzierte Berücksichtigung der Problematik der Fachlichkeit im 17. und 18. Jahrhundert erforderlich. Sprachwissenschaftliche Tätigkeit war in der zu behandelnden Epoche kein professionalisierter Bereich, ebenso wenig kann jedoch von einem allgemeinen Sprachbewusstsein ausgegangen werden, das etwa entsprechend der Charakteristik des 18. Jahrhunderts als “Jahrhundert der Sprachdiskussion” die entstehenden Diskurse als allgemeinsprachlich verstehen ließe. Es zeigt sich gerade anhand der Untersuchung serieller Texte, dass auch die differenziertesten symbolischen Ordnungen nicht nur vergesellschaften und innerhalb der jeweiligen Forschergemeinschaft Geltung erlangen, sondern Resonanz im Denkstil und in der Mentalität des großen Publikums brauchen. Innerhalb der Philosophiegeschichte wird ein früher begriffsgeschichtlicher Zweig bereits durch solche Arbeiten repräsentiert wie Rudolf EUCKENs Geschichte der philosophischen Terminologie im Umriß (1879) oder Rudolf EISLERs Wörterbuch der philosophischen Begriffe (1899). Neuere herausragende Zeugnisse dieser philosophischen Tradition sind das Archiv für Begriffsgeschichte (1955 ff) und das ebenfalls als Begriffsgeschichte angelegte Historische Wörterbuch der Philosophie (RITTER / GRÜNDER 1971–2007). Mit dem Ziel einer methodologischen Verbindung von Begriffsgeschichte und Historiographie ist innerhalb der Philosophiegeschichte das Konzept einer Dianoetik eingeführt worden. Für bestimmte Thesen und Konzeptualisierungszusammenhänge werden dabei Entstehungsbedingungen, innere Architektonik und (Re)interpretation in späteren Theorien untersucht. Auch nach einem ersten Versuch einer Anwendung dieses Konzepts auf die Geschichte des Sprachdenkens (SWIGGERS 1997) scheinen grundlegende theoretische und methodologische Fragen eines solchen Transfers noch nicht abschließend gelöst. Der von SWIGGERS gewählte Zeitraum erstreckt sich von der Antike bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, weshalb in das dianoematische Konzept zu viele und zu verschiedenartige Brüche der Entwicklung integriert werden.
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Andererseits werden Texte nur punktuell und nach ihrer meist retrospektiv festgestellten Wichtigkeit untersucht, was Vorentscheidungen bedingt, die gerade in einer begriffsgeschichtlich orientierten Historiographie vermeidbar wären. Das als Ausgangspunkt historiographischer Forschung festgestellte historiographische Paradoxon (vgl. 3.2., S. 85) findet auch seine begriffsgeschichtliche Ausprägung. Die gestellten objektbezogenen Fragen und somit auch die Begrifflichkeiten entstammen unserer Gegenwart. Befragen wir davon ausgehend Quellen der Wissenschaftsgeschichte, entsteht die Gefahr, eigenen Leitbegriffen eine Geschichte zu erfinden. Bereits die Auswahl der Quellen kann unter diesem Gesichtspunkt relevant sein. Wortkörper, die Anlass für begriffsgeschichtliche Untersuchungen sind, müssen in der Gegenwart des Historiographen aufgefallen sein. Gegen eine Identifikation der Kontinuität eines Wortkörpers mit begrifflicher Konstanz bzw. des terminologischen Wandels mit begrifflicher Innovation sprechen in der Geschichte der Sprachwissenschaften bereits elementare Einsichten, die KNOBLOCH folgendermaßen formuliert: Die Praxis begriffsgeschichtlicher Unternehmungen muß der Tatsache Rechnung tragen, daß es in jedem Fach Begriffe unterschiedlicher Logik und Reichweite gibt, daß durchgehaltene (oder gleiche) Wortkörper so wenig Kontinuität oder Identität signalisieren wie neue Wortkörper Diskontinuität. Im Kerngebiet der traditionellen Grammatik, in der Wortart- und Satzgliedlehre, sind die terminologischen Revolutionen Legion, die begrifflich alles beim Alten lassen. Das begriffliche Repertoire einer Disziplin läßt sich natürlich nach vielen Gesichtspunkten einteilen: fachspezifisches vs. fächerübergreifendes, technisches vs. axiomatisches, auf Binnenkommunikation vs. auf Außenkommunikation ausgerichtetes etc. Was hier jeweils in den Vordergrund tritt, hängt von den Interessen des Historiographen ab. (KNOBLOCH 1996: 262)
Dieses Bewusstsein einer nicht zu vermeidenden Perspektivierung durch den heutigen Standort sprachtheoretischen und kategorialen Arbeitens schließt das Bestreben, Indikatoren für die rekonstruierende historiographische Arbeit zu finden und diese als ehemals wirkende Faktoren der Begriffsbildung zu interpretieren, keinesfalls aus. In diesem Bewusstsein der historischen Relativität von Begriffsbildungen und deren Bezeichnungen scheint uns die Wissenschaftsgeschichte der allgemeinen Begriffsgeschichte sogar weit voraus zu sein. Begriffsgeschichtliche Arbeiten und Methoden entwickelten sich in den Zwanziger und Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, um präzisere Instrumente für die Erforschung der Vergangenheit zu gewinnen; erinnert sei an Erich ROTHACKER für die Philosophiegeschichte, Werner JÄGER für die Altphilologie, Johannes KÜHN für die Geistesgeschichte, Carl SCHMITT für die Rechtsgeschichte, Walter SCHLESINGER und Otto BRUNNER für die Mediävistik. Gehören diese Arbeiten forschungsgeschichtlich zur bewährten historischphilologischen Quellenkritik, so trat mit dem begriffsgeschichtlichen Gesichts-
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punkt auch eine Art Quellensprachkontrolle ins Blickfeld historischer Forschung. Haben Texte und die ihnen zugeordneten Entstehungssituationen innerhalb der Sozialgeschichte nur Hinweischarakter (KOSELLECK 1979: 19), so entstanden die Methoden der Begriffsgeschichte im Umkreis der philosophischen Terminologiegeschichte, der historischen Philologie, der Semasiologie und der Onomasiologie. Texte dienen in diesem Kontext der Überprüfung: “Jede Begriffsgeschichte bewegt sich im Spannungsfeld zwischen den Sachbereichen, auf die sich die Begriffe erstrecken, und der Sprache, kraft derer die Begriffe artikuliert werden. Beide, die Sachbereiche und die Sprache, haben ihre eigenen Geschichten, die nicht zuletzt durch die begriffsgeschichtliche Forschung zusammengehalten werden.” (KOSELLECK 1979: 1). Methodologische Reflexion um die Begriffsgeschichte entwickelte sich in Deutschland vor allem im Kontext der Praxis zweier chronologisch parallel laufender Forschungsprojekte, das Historische Wörterbuch der Philosophie von Joachim RITTER und Karlfried GRÜNDER und die Geschichtlichen Grundbegriffe (BRUNNER / CONZE / KOSELLECK 1972–1997). Die dabei angestrebten Ergebnisformen legen eine Reflexion über das Verhältnis von Wort und Begriff nicht besonders nahe, da Lexika immer mit Lemmata als ihrer makrostrukturellen Gliederungsebene rechnen müssen. Gleiches trifft auf Rolf REICHARDTs Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680– 1820 zu. Forschungsziel dieser Unternehmen ist die Darstellung von Gesellschaftsgeschichte in der Sprachgeschichte anhand ausgewählter Begriffe, die das Bewusstsein über gesellschaftliche Zustände und Entwicklungen reflektieren. In den Geschichtlichen Grundbegriffen wird dies bereits durch den Untertitel expliziert: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Als Bestandteile dieser Sprache werden 120 Lexeme wie Autorität, Bedürfnis, Bürger, Ehre, Eigentum, Gesetz, Interesse, Macht, Recht, Regierung, Volk, Staat monographisch behandelt und dabei als Indikatoren und zugleich Faktoren historischer Zustände und Entwicklungen aufgefasst. Damit gelten sie zugleich als Ausdruck widerstreitender Interessen gesellschaftlicher Kräfte in der Bestimmung und Durchsetzung solcher Begriffe. Als Ergebnis der Kritik herkömmlicher Geistes- und Ideengeschichte und der Selbstreflexion der Geschichtswissenschaften in den Sechziger und Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts erschien Begriffsgeschichte als besonders effiziente Form der Überprüfung des gesellschaftlichen und kulturellen Begriffsrepertoires. Erich ROTHACKER hatte das Archiv für Begriffsgeschichte begründet, um Bausteine zu einem historischen Wörterbuch der Philosophie zu sammeln. Durch das Historische Wörterbuch, aber auch durch andere Unternehmungen wie besonders das Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe, ist eine begriffsgeschichtliche Forschung verstärkt worden, deren Ertrag nicht gänzlich von
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den Lexika selbst aufgenommen werden konnte. Das Archiv für Begriffsgeschichte bringt den Vorteil, nicht an lexikalische Verknappung gebunden zu sein. Es hat außerdem einen viel größeren Themenbereich und versteht sich als Organ für alle begriffsgeschichtlichen Forschungen. Neben Arbeiten zu philosophischen Begriffen der europäischen und außereuropäischen Tradition publiziert das Archiv Forschungen zu Begriffen aus der Geschichte aller anderen Wissenschaften; Beiträge zu mythologischen und religiösen Begriffen; zu Begriffen des allgemeinen Sprachgebrauchs, die für eine Epoche oder Kultur charakteristische Bedeutung haben, zum Übersetzungsproblem von Begriffen, zu aufschlussreichen Metaphern und zur Methode und Kritik der Begriffsgeschichte. Während ein Handbuchartikel sich in der Regel an einem einzigen Lemma orientieren muss, kann hier ein ganzes Begriffsfeld untersucht werden, was den geschichtlichen Entwicklungen in höherem Maße gerecht wird. Als neueres Resultat begriffsgeschichtlicher Forschungen in den Geisteswissenschaften erschienen von 2000 bis 2005 die unter der Leitung von Karlheinz BARCK herausgegebenen Ästhetischen Grundbegriffe in sieben Bänden, die das gegenwärtige ästhetische Wissen in einem inter- und transdisziplinär angelegten Nachschlagewerk in begriffsgeschichtlicher Perspektive erschließen sollen. Der damit implizierte gegenwärtige Ästhetikhorizont erfordert einen aktuellen Einstieg, der aus der gegenwärtigen Konstellation auf die vorangegangene Entwicklung zurückblickt. Die Gegenwartsbestimmtheit der historischen Begriffsarbeit hat Folgen für die historische Begriffsarbeit, insofern die Narrativität sich mit anderen Arten des wissenschaftlichen Diskurses von Wort- und Bedeutungsgeschichten bis zu essayistischen Formen verbindet. Zwar wird zu Recht bemerkt, dass prospektive Geschichte von Begriffen und Problemen vom Anfang her immer wieder Gefahr läuft, begriffliche Abweichungen auszugrenzen oder Invarianzen festzuschreiben, “indem sie einen kontinuierlichen, entlang der Chronologieachse sich fortschreibenden Prozess von Lösungsvorschlägen unterstellte, in den das gegenwärtige Interesse – sofern es in den Blick kam – nur einzurücken brauchte” (BARCK et al. 2000– 2005: I, VIII). Wenn die Ästhetischen Grundbegriffe jedoch den Zusammenhang von Begriff und Problem vom heutigen Standpunkt aus situieren, also Begriffsgeschichte gewissermaßen als “Vorgeschichte” gegenwärtiger Begriffsverwendung schreiben, unterstellen sie eine lineare Projizierbarkeit aktueller Problemstellungen auf die Geschichte heutiger Bezeichnungen der Begriffe. Eine Geschichte der Bedeutung ausgewählter Termini und eine Beschreibung ihres Verwendungszusammenhangs führen nicht notwendigerweise zu Bezugspunkten und Kategorien, welche die geschichtliche Konstruktion leiten und die Voraussetzung dafür bieten, dass die Genese eines Begriffes als ein Problemzusammenhang verstanden wird. Problematisch ist auch in den Ästhetischen
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Grundbegriffen insbesondere die Identifizierung von Wort und Begriff, durch die bezeichnungsgeschichtliche Diskontinuitäten nicht sichtbar und wortgeschichtliche Zusammenhänge verkürzt werden. In Frankreich ist die Annäherung von Begriffsgeschichte und Diskursanalyse vor allem Resultat der interdisziplinären Ausrichtung der AnnalenGeschichtsschreibung und der Entwicklung des Strukturalismus in den Fünfziger und Sechziger Jahren, wobei auch hier die Einschränkung auf politischsoziale Begriffsbereiche auffällt. Auf diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Begriffsgeschichte Diskontinuitäten nur im Hinblick auf das Verhältnis von Wort (meist als Begriff bezeichnet) und Sachverhalt beschrieben hat, wobei zudem Konzept und Sachverhalt unter Sachverhalt zusammengefasst werden. Mit der Vernachlässigung der historischen Semantik wird schließlich auch die Geschichtsauffassung selbst auf eine Dichotomie reduziert. Begriffe werden zu Janusköpfen erklärt, die einen erklärungsbedürftigen Teil vor einer Mitte des 18. Jahrhunderts angesetzten Sattelzeit durchlaufen, nach der sie zur Begreifbarkeit übergehen, einer Kategorie, die letztlich auf der Identifizierung von Begriff und Bedeutung beruht: Der heuristische Vorgriff der Lexikonarbeit besteht in der Vermutung, daß sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ein tiefgreifender Bedeutungswandel klassischer Topoi vollzogen, daß alte Worte neue Sinngehalte gewonnen haben, die mit Annäherung an unsere Gegenwart keiner Übersetzung mehr bedürftig sind. Der heuristische Vorgriff führt sozusagen eine “Sattelzeit” ein, in der sich die Herkunft zu unserer Präsenz wandelt. Entsprechende Begriffe tragen ein Janusgesicht: rückwärtsgewandt meinen sie soziale und politische Sachverhalte, die ohne kritischen Kommentar nicht mehr verständlich sind, vorwärts und uns zugewandt haben sie Bedeutungen gewonnen, die zwar erläutert werden können, die aber auch unmittelbar verständlich zu sein scheinen. Begrifflichkeit und Begreifbarkeit fallen seitdem für uns zusammen. (BRUNNER / CONZE / KOSELLECK 2004: I, S. XV)
Besonders problematisch erscheint auch in neueren begriffsgeschichtlichen Arbeiten das geringe Bewusstsein für eine Unterscheidung zwischen Wort und Begriff. Deutlich wird dies unter anderem in der folgenden Formulierung aus dem Vorwort der geschichtlichen Grundbegriffe: Die Unterscheidung zwischen Wort und Begriff ist im vorliegenden Lexikon pragmatisch getroffen worden. Es wird also darauf verzichtet, das sprachwissenschaftliche Dreieck von Wortkörper (Bezeichnung) – Bedeutung (Begriff) – Sache in seinen verschiedenen Varianten für unsere Untersuchung zu verwenden. (BRUNNER / CONZE / KOSELLECK 2004: I, S. XXII).
Linguistisch-semantische Wortgeschichte (vgl. z. B. BUSSE 1987, BUSSE / HERMANNS / TEUBERT 1994) unterscheidet sich von der Begriffsgeschichte u. a. durch eine andere Zielsetzung (sie ist vor allem nicht lexemgebunden), eine
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andere Quellenauswahl (nicht durch das Vorhandensein einer Leitvokabel vorgegeben), und schließlich eine stärkere Berücksichtigung von semantischen Querverbindungen und die Ausarbeitung einer makrosemantischen und zugleich tiefensemantischen Forschungsstrategie. Eine Rückwirkung auf historische Forschungen ist dabei nicht von vornherein ausgeschlossen. Über die Berücksichtigung der Wortgeschichte könnten zum Beispiel gerade die seriellen Zugänge zur Geschichte verstärkt werden. Die Serialität von Bedeutungsinnovationen ist immer ein Anzeichen grundlegender Veränderungen im Bereich der sozialen Erfahrung selbst. Dies gilt selbstverständlich auch für die Serialität des Absterbens von Wörtern, die eine “negative” Bedeutungsgeschichte aufzudecken hätte. Beide Serien sind nicht notwendig komplementär, wohl aber sind sie korrelierbar. Die sozialgeschichtliche Signifikanz der Serien selbst kann dadurch noch bedeutend erhöht werden (STIERLE 1979: 185). In neueren Arbeiten zur Begriffsgeschichte wird häufig der Zusammenhang von Begriffen und Diskursen akzentuiert. Damit wird sowohl der Tatsache Rechnung getragen, dass sich Begriffe durch Wiederholung in Texten konstituieren und durchsetzen, nicht zuletzt aber auch die enge Lexikzentriertheit früherer begriffsgeschichtlicher Forschungen korrigiert. Begriffe sind nicht selten geronnene Aussagen, sie tragen etwas von der Widersprüchlichkeit der Diskurse in sich, antworten aufeinander und heben sich – auch in absentia – voneinander ab (BUSSE 2005, LAUCKEN 1994). Ausgehend von einer frühzeitig einsetzenden Auseinandersetzung mit dem Paradigma-Begriff Kuhnscher Prägung wurde auch innerhalb der Sprachwissenschaftsgeschichtsschreibung der Diskurs-Begriff eingeführt. Als problematisch hatte sich der Paradigma-Begriff vor allem wegen seiner Exklusivität erwiesen: “[…] ein Paradigma löst das jeweils vorhergehende vollständig ab. Dadurch ist die Bearbeitung von Gleichzeitigkeiten und Ungleichzeitigkeiten, die doch in der Geschichte aller Kulturgegenstände so wichtig sind, ausgeschlossen” (SCHLIEBEN-LANGE 1996: 233). Trotz seiner Vieldeutigkeit plädierte Brigitte SCHLIEBEN-LANGE wiederholt für den Diskurs-Begriff und sah seine unverzichtbare Leistung darin, “daß damit Ensembles von Fragestellungen und Argumentationen in ihren rekurrenten sprachlichen Ausprägungen, die zu einer bestimmten Zeit im Horizont der Zeitgenossen befindlich und erwartbar sind, erfaßt und identifiziert werden. Das impliziert auch, daß Diskurse keine Konstrukte ex post, sondern in der Geschichte identifizierte und wirksame Systeme sind” (SCHLIEBEN-LANGE 1996: 234). In dieser spezifischen Fassung, die den Diskursbegriff historisiert und ihm eine klare systematische Dimension verleiht, erscheint er durchaus für die Untersuchung fest umrissener wissenschaftshistorischer Phänomene, wie im konkreten Fall der Sprach- und Zeichentheorien der Ideologen, sinnvoll und überzeugend angewendet. In dem
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Maße wie eine systematische Bestimmbarkeit der Diskursmerkmale bei der Untersuchung größerer Zusammenhänge nicht mehr möglich ist, verliert jedoch auch der Diskursbegriff an Erklärungskraft. Seine Reduktion auf ein Ensemble von Rekurrenzen setzt, wie bereits für begriffsgeschichtliche Arbeiten kritisiert, die Konstanz des Inhalts bei Wiederholung der Wortform voraus. Zur Erfassung konkreter sprachlich-textueller Rekurrenzen in Äußerungen zur Sprache (und darüber hinaus zu anderen Gegenständen) haben wir einen modifizierten Begriff der Intertextualität vorgeschlagen (HASSLER 1996), der jedoch ebenso wie SCHLIEBEN-LANGEs Diskursbegriff den Nachteil hat, erheblich vom üblichen Sprachgebrauch abzuweichen und für eine Untersuchung der begrifflichen Verarbeitung wissenschaftshistorischer Prozesse schwer operationalisierbar zu sein. Beide Konzepte verfolgen die Absicht, soziale und kulturelle Bedingungen des Sprachdenkens sowie institutionelle Bedingungen insofern mit aufzuheben, als diese Bedingungen auf die Texte durchschlagen. Während der Intertextualitätsbegriff den Rekurs auf konkrete Bezugstexte voraussetzt, werden in der Diskursanalyse globalere Rekurrenzen hinsichtlich Themen, Fragestellungen, Präsentation von Daten und Resultaten, Argumentationsverfahren und Metaphern als ausreichend für die Herstellung von Zusammenhängen betrachtet. Das Konzept eines ‘Diskurses’ umschließt also auch das ‘Forschungsprogramm’, das in der Wissenschaftstheorie eingeführt worden ist, um die Probleme des Paradigma-Konzepts zu vermeiden. Diskursanalyse legt allerdings besonderen Wert auf die rekurrente sprachliche Gestaltung, der gegenüber sich das Konzept des ‘Forschungsprogramms’ indifferent verhält. Abzugrenzen und aufeinander zu beziehen sind in diesem Zusammenhang die in der Forschungsliteratur geläufigen Konzepte ‘Begriff’, ‘Text’, ‘Textserie’, ‘Diskurs’. Nach SCHLIEBEN-LANGE (1996: 236) kann die Intuition des Sprachwissenschaftshistorikers über das Vorliegen von Diskursen einerseits durch Frequenzen, andererseits durch (Selbst- und Fremd-) Zuschreibungen in Form von Klassifikatoren überprüft werden. Der Diskurs ist nach diesem Verständnis “ein in der Synchronie funktionierendes Ensemble: er erfaßt die Gleichförmigkeiten in einem bestimmten Zeitraum. Demgegenüber rekonstruiert der serielle Zugriff Traditionslinien in der longue durée” (SCHLIEBENLANGE 1996: 236). In diesem Sinne weicht SCHLIEBEN-LANGE von FOUCAULT ab, der die Serie als Erscheinungsweise des Diskurses bezeichnet. Die Zielvorstellung bei der Einführung des seriellen Verfahrens in der Geschichtswissenschaft (zuerst für ökonomische und demographische Daten, dann auch für Mentalitäten) war ja gerade, langfristige Entwicklungen, solche der longue durée, sichtbar zu machen, die einem auf die moyenne durée oder das événement fixierten Blick entgehen. Als solche langlebige Traditionslinien, die als Serien der longue durée erfasst werden können, betrachtet SCHLIEBEN-LANGE
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den Begriff des arbitraire du signe (COSERIU 1967), die Tradition des Zusammenhangs von Sprache und Weltbild (CHRISTMANN 1967), die zweitausendjährige Tradition des Auflistens von Wortarten, die Bewertung von Texten in der rhetorischen Tradition in Termen von perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia, die dann zur Bewertung von Sprache verwendet werden. Daraus leitet sie die Forderung ab, die “Sprachwissenschaftsgeschichte müßte gerade das Zusammenspiel von Traditionen (die in Form von Serien erfaßt werden können) und Diskursen erforschen. Brüche in Serien können in dieser Perspektive gerade als Erscheinungsform des diskursiven Zugriffs gelesen werden: die Serien verändern sich, wenn sie in den Sog der Diskurse als je neuer Systematisierungen des sprachlich formulierten Wissens (z. B. über Sprache) geraten” (SCHLIEBEN-LANGE 1996: 237). Obwohl dieses Anliegen nachvollziehbar ist und für die Sprachwissenschaftsgeschichte Gewinn versprechen könnte, halten wir es für nicht gerechtfertigt, als einziges Kriterium für die Konstituierung einer Textserie die Kontinuität einer ‘paradigmatischen Position’ (PARRET 1982, HASSLER 1991) anzunehmen. Die beschriebenen Beispiele lassen sich in einigen Fällen als begriffliche Kontinuitäten im weiteren Sinne annehmen, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich sowohl Bezeichnungen als auch konkrete Begriffsinhalte wandeln. Der Arbitraritätsbegriff kann in seiner Entwicklung über Jahrhunderte sowohl beide Seiten als auch jeweils nur eine Seite der Formel non natura sed ad placitum umfassen, er kann auf die Relation zwischen Signifikat und Signifikant beschränkt bleiben oder auch die Konstitution der relationierten Seiten betreffen. Die Beziehung zwischen Sprache und Weltbild kann eine einfache Ausdrucksfunktion, eine wechselseitige Beeinflussung oder einen mehr oder weniger verbindlichen Sprachdeterminismus meinen. Auch ohne bis zur soziokulturellen Einbindung solcher paradigmatischer Positionen vorzudringen, ist bereits ihre begriffliche Konstituierung so unterschiedlich, dass sie wohl Anhaltspunkte für eine Überprüfung der Indikatoren für Gemeinsamkeiten, sicher jedoch nicht hinreichende Konstituenten von Textserien sind. Für die Konstituierung einer Textserie erachten wir die folgenden Momente als ausschlaggebend: Textserien sind Texte, die zum gleichen Gegenstand mit gleichen Fragestellungen und Erkenntnisinteressen und unter weitgehend vergleichbaren Bedingungen geschrieben werden. In der Regel gehören die Texte einer Textserie auch derselben Textsorte an, zusätzlich können aus wissenschaftshistorisch legitimen Gründen Einschränkungen über den sozialen oder demographischen Status der Produzenten und Rezipienten getroffen werden (z. B. Angehörige derselben Berufsgruppe, Teilnehmer eines Korrespondentennetzes, eine bestimmte Wissenschaftlergeneration). Begriffliche Gemeinsamkeiten, die letztlich unserem Erkenntnisinteresse entsprechen, sind in Text-
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serien in der Regel gegeben, wir betrachten ihre Feststellung jedoch als Ziel, nicht als methodologische Voraussetzung der Bestimmung einer Textserie. Im Vergleich zum Diskursbegriff, den wir nicht grundsätzlich verwerfen, aufgrund seiner Globalität jedoch für begriffsgeschichtliche Untersuchungen für eher zweitrangig erachten, akzentuieren Textserien somit die Produktionsbedingungen und die Subjekte, die an Produktion und Rezeption beteiligt sind. Ein Beispiel einer Textserie, die auch im Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts teilweise herangezogen wurde, um den durch die Referenztexte bereits bekannten Reflexionshorizont des Sprachdenkens des 18. Jahrhunderts aus heutiger Perspektive entweder zu bestätigen bzw. zu erweitern, stellen die Manuskripte I-M 663 bis I-M 686, die im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften einsehbar sind, dar. Es handelt sich dabei um die Einsendungen, die auf die Preisfrage der Berliner Akademie nach dem Ursprung der Sprache (1771) eingegangen sind.
3.6. Konzeptualisierung in Texten Ausgangspunkt unseres Lexikons sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts war die Unzulänglichkeit der bisherigen lexikographischen Hilfsmittel als Unterstützung für das Verständnis von Texten aus der Geschichte der Sprachwissenschaft. Betrachten wir zum Beispiel den folgenden Textausschnitt, so stehen keine lexikographischen Hilfsmittel zur Verfügung, um Wörter wie Reichthum, Nachdrücklichkeit, Kürze, gemächliche Thätigkeit, Deut1ichkeit, Gewandtheit, Wohlklang, Organ außerhalb des Kontextes als metasprachliche Termini zu semantisieren: Sprache, als das Mittheilungs-Organ unsrer Begriffe und Empfindungen, erreicht ihre Bestimmung alsdann, wenn sie Begriff und Empfindung dem jedesmaligen Bedüfnisse des Geistes gemäss, darstellt. Da der Begriffe und Empfindungen, besonders eines gebildeten Geistes, so viele und mannichfaltige sind, und, nach der Menge und Mannichfaltigkeit derselben, die intellectuelle Vortrefflichkeit des Geistes geschätzt wird: so ist der Reichthum an Worten und Wendungen, wodurch Begriffe und Empfindungen bezeichnet werden, einer der Hauptvorzüge der Sprache. Die Darstellung der Begriffe und Empfindungen durch die wörtliche Bezeichnung muss ferner der Fülle und dem Umfange dieser geistigen Operationen entsprechen, und die Begriffe mit aller Wahrheit und Vollständigkeit, die Empfindungen nach dem jedesmaligen Grade ihrer Stärke und Innigkeit, ausdrücken. Diese Eigenschaft der Sprache heisst: die Nachdrücklichkeit (Energie). Der Geist geht bei jeder bestimmten Kraftäusserung einen gewissen raschen Gang; alles, was ihn nicht fördert, hindert ihn. Er will lieber viel Kraft in wenig Zeit, als wenig Kraft auf viel Zeit verwenden. Daher ist ihm auch in der Entwickelung seiner Ideen die Kürze, die mehr Worte und Begriffe gleichsam in Einen Punkt zusammendrängt, angenehmer, als die Weitschweifigkeit, die dieselben auseinander dehnt. Da die Sprache, in starken oder heftigen Bewegungen besonders, Begriffe und Empfindungen, und also auch bei der Darstellung derselben, den Ausdruck durch Worte, zusammendrängt: so schliessen wir die Eigenschaft der Kürze
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Einleitung als schicklichsten dem Abschnitt von der Energie an. Der bestimmte Hang unsers Geistes bei allen seinen Kraftäusserungen, und also auch bei, der Sprache, ist eine gewisse gemächliche Thätigkeit, wodurch der intellectuelle sowohl, als der sinnliche Theil seiner Natur, auf eine ihm angenehme Weise ins Spiel gesetzt wird. Zuviel Ideen, auf Einmal dargestellt, überladen, zuwenig – langweiligen ihn. Das Mittel zwischen jener Ueberladung, und dieser Leere – trifft die Deut1ichkeit, wodurch Begriffe und Empfindungen so leicht und so schnell, als möglich, in die Seele übertragen werden. Der Deutlichkeit schliessen wir sogleich die Gewandtheit an, als den Vorzug einer Sprache, nach welchem jeder Begriff und jede Empfindung, ohne Mühe, zweckmässig dargestellt und gleichsam mit Leichtigkeit gehandhabt werden kann. Eine Sprache kann sehr glücklich für die Deutlichkeit gebildet sein, und doch der Gewandtheit mangeln, (obgleich Gewandtheit immer zugleich auch Deutlichkeit mit sich führt.) Da endlich der Sinn des Gehörs das Organ ist, durch welches die Rede in die Seele fliesst, und der Geist selbst durch den Eindruck der äussern Sinne empfindlich gerührt wird: so ist der ausdruckvolle und harmonische Zusammenklang der Sylben und Worte mit den darzustellenden Ideen und Empfindungen, dem Geiste eben so vortheilhaft zur Beförderung des Nachdrucks und der Deutlichkeit der wörtlichen Bezeichnung, als dem Gefühle angenehm. Daher gehört auch der Wohlklang mit zu den wesentlichen Vorzügen einer Sprache. Durch die genannten Eigenschaften des Reichthums, des Nachdrucks, der Deutlichkeit und des Wohlklanges erfüllt die Sprache alle die Forderungen, welche der Philosoph nach Massgabe der intellectuellen und sinnlichen Kraftäusserungen des Geistes, in so fern diese auf die Rede Beziehung haben, an eine Sprache überhaupt machen kann. Durch die Vereinigung aller dieser Eigenschaften wird sie also (was sie durch ihre Bestimmung sein soll) das vollkommenste Werkzeug zu dem Ausdrucke unserer Begriffe und Empfindungen. (JENISCH 1796: 3–5. Hervorhebungen im Original)
Für den heutigen Leser hinterlässt der Textausschnitt den Eindruck großer Vagheit, obwohl sich der Autor hier an die vier seit der Sprachbetrachtung der Humanisten geläufigen Kategorien des wertenden Sprachgebrauchs anlehnt: Klarheit, Energie, Reichtum und Wohlklang. Gegenüber dem klassischen Begriffsgefüge perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia war im 17. und 18. Jahrhundert eine Vielzahl von Bezeichnungen für Vorzüge einer Sprache entstanden, die unterschiedliche Blickrichtungen akzentuierten. Die Bezeichnungen für positive Wertungen sind dabei weitaus häufiger als die Benennung von Mängeln einzelner Sprachen. Neben der grundsätzlichen Eignung für die Kommunikation wird im 18. Jahrhundert auch die Möglichkeit, kognitive Prozesse positiv zu beeinflussen, zu einem wesentlichen Moment bei der Bestimmung der Vorzüge von Sprachen. Diese Entwicklung setzt eine Übertragung der Bezeichnung positiver Wertungen von Texten auf Eigenschaften der ihnen zugrunde liegenden Sprachen voraus (vgl. SCHLIEBENLANGE 1992). Obwohl die Autoren zwischen Text und Sprache durchaus unterschieden, bildete die Wertung von Texten eine Grundlage für die Übertragung ihrer Maßstäbe auf die Sprachen, die die Basis der Texte sind und in denen sie verfasst sind.
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Die Gründe für den Eindruck der Vagheit des zitierten deutschen Textes liegen auf zwei Ebenen. Einerseits entstanden metasprachliche Texte im Rahmen unterschiedlicher gelehrter Aktivitäten und waren nicht an den Sprachgebrauch einzelner, noch vor ihrer eigentlichen Konstituierung befindlicher Wissenschaften gebunden. Dem entsprechen auch die häufig essayistische Form, die von Definitionen meist absieht, und die noch nicht abgeschlossene Terminologisierung vieler sprachtheoretischer Begriffe (vgl. auch HASSLER 2003). Andererseits ist gerade in deutschen Texten häufig bemerkbar, dass man sich noch nicht auf ein Wort für die Übersetzung des lateinischen Terminus festgelegt hatte und unterschiedliche Varianten, teilweise im selben Text, aber auch mit der Absicht der Etablierung von Bedeutungsnuancen verwendet wurden. Mit der Verwendung von Deut1ichkeit, Nachdruck, Reichtum und Wohlklang hatte sich der lutherische Theologe Daniel JENISCH zwar eng an die lateinischen Kategorien der perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia angelehnt, dabei aber doch eigene Akzente gesetzt. Die Klarheit (perspicuitas) spaltet er auf in eine Deutlichkeit und eine Gewandtheit, die teilweise zueinander im Widerspruch stehen, sich aber auch bedingen. Die Deutlichkeit bestimmt er als das richtige Maß an sprachlichen Mitteln, mit dem Begriffe und Empfindungen so leicht und so schnell, als möglich, in die Seele übertragen werden. Die Gewandtheit akzentuiert das Leichte und Mühelose in der Darstellung, stellt also gewissermaßen einen höheren Grad an Deutlichkeit dar. Die Nachdrücklichkeit genannte Energie der Sprache erklärt JENISCH auf der Basis des Einwirkens auf die Sinne, weshalb jede rohe Sprache eine kultivirte an Nachdruck und Kraft übertreffe. Die ursprünglichen, natürlichen Sprachen, die aus Onomatopoetika und Wurzelwörtern bestehen, seien elementare Formen von Energie, die sich allerdings auf die grobsinnlichen Ideen- und Empfindungskreise beschränken würden. Abstraktionen, Artikel, feine Verbindungs- und Uebergangspartikeln stellt JENISCH in einen Gegensatz zur Energie. Da die Sprachen sich jedoch vom ursprünglichen, energiereichen Zustand entfernt haben, sucht JENISCH die Nachdrücklichkeit in den modernen Sprachen auf verschiedenen Ebenen. Den lexikalischen Nachdruck sieht er in der Verwendung der Wörter mit ursprünglicher Bedeutung. Da sich die Bedeutungen der Wörter durch Metaphorisierung vom ursprünglichen, sinnliche Wahrnehmungen bezeichnenden Inhalt entfernt haben, ist ein Verlust an Nachdruck der Sprachen zu verzeichnen, der durch die Wiederbelebung der sinnlichen Bedeutung ihrer Wörter wieder ausgeglichen werden soll. Den Nachdruck im grammatischen Bau nennt JENISCH grammatikalische Energie. Auch sie gehe im Verlauf der Sprachentwicklung mit der Einführung
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der Artikel, Hülfs-Verbindungs und Uebergangswörter verloren. Die lebhafte Einbildungskraft und erschütterte Leidenschaft verschwinde mit der Ausbreitung der Funktionswörter. Zum grammatikalischen Bau, insofern er auf den Nachdruck der Sprache Bezug hat, zählt JENISCH auch die Wortstellung, zu der er die intensive Diskussion des 18. Jahrhunderts zur Kenntnis genommen hat (vgl. RICKEN 1978 und 1984). Eine regelmässige und natürliche Syntax erklärt er für die Deutlichkeit als notwendig. Er räumt dabei ein, dass man im Interesse der Harmonie (Wohlklang) durchaus von der festen Wortfolge abweichen könne, man reiße damit aber Worte und Ideen auseinander, was zu einem höheren Aufwand beim Hörer oder Leser führe, der sie wieder zusammen ordnen müsse. Als dritte Form der Energie einer Sprache nimmt Jenisch eine Energie der Sprache durch die charakteristische Energie der Nation und ihrer OriginalSchriftsteller an. Hier bezieht auch er die Ebene des Gebrauchs in die Betrachtung der Vollkommenheitskriterien von Sprache ein. Die Anwendung der klassischen Kriterien auf die Charakteristik von Sprachen als Voraussetzungen der Sprachverwendung ist im 18. Jahrhundert vorherrschend, wird jedoch auch durch die Bezugnahme auf den Gebrauch der Sprache und damit auf rhetorische Kriterien durchsetzt. Das Beispiel sollte verdeutlichen, dass es im 18. Jahrhundert durchaus Versuche einer terminologischen Verwendung allgemeinsprachlicher Wörter in metasprachlichen Texten gab. Derartige Versuche definitorischer Festlegungen von Wortbedeutungen auf sprachbezogene Begriffe konnten von anderen Autoren aufgegriffen werden und somit einen normativen Status erhalten. Die damit in Gebrauch geratenen Bedeutungen stellen deutlich einen Mehrwert gegenüber dem Allgemeinsprachlichen dar, der in lexikographischen Werken bisher nicht erfasst wurde. Am identischen und teilweise abweichenden Gebrauch von Bezeichnungen für sprachtheoretische Begriffe in Texten lassen sich auch Zusammenhänge zwischen Autoren und ihre Einordnung in bestimmte Traditionslinien feststellen. Entscheidend ist jedoch immer die textuelle Einbindung, aus der sich die inhaltliche Bestimmung erkennen lässt.
3.7. Textserien und begriffsprägende Texte Nach der Bestimmung des onomasiologischen Ausgangspunktes ließe sich das Anliegen des Lexikons sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts rein lexikalisch-semantisch als Suche nach Bezeichnungen für die als relevant vorausgesetzten Begriffe im 17. und 18. Jahrhundert bestimmen. Damit könnte jedoch in zweifacher Hinsicht eine unzulässige Vereinfachung verbunden sein:
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Für die relevanten Konzepte der Sprachdiskussion und Beschreibung von Sprachen im 17. und 18. Jahrhundert kann in vielen Fällen nicht von Terminologisierungen ausgegangen werden. Selbst wo Termini aus der lateinischen Grammatiktradition übernommen wurden, ist gerade deren Modifikation und Neubestimmung für das Sprachdenken der Epoche interessant. (2) Gerade die Wechselwirkung zwischen Konzeptualisierungsprozessen und deren sprachlichen Formen stellt ein interessantes Forschungsfeld dar, das nicht im Interesse versimplifizierter lexikalischer Fassbarkeit in seiner kognitiven Komplexität verkürzt werden sollte. Wir wenden also die onomasiologische Fragestellung in einem weiten Sinne an, der ausdrücklich nicht nur lexikalische Benennungen oder Paraphrasierungen eines Begriffes erfassen lässt, sondern davon ausgeht, dass bestimmte Stufen der Konzeptualisierung nicht über Nomination (der Begriff X wird a, b oder c genannt), sondern erst über die Berücksichtigung der Prädikation (eine zu dem Begriff X führende Eigenschaft wird mit d, e oder f prädikativ verbunden) erfasst und beschrieben werden können. Ausgehend von den genannten Prämissen ergibt sich, dass für das Lexikon relevante Untersuchungen an Texten durchgeführt werden mussten. Texte, in denen bewusst Konzeptualisierungsprozesse gestaltet werden, nennen wir in diesen Zusammenhängen begriffsprägende Texte, und zwar zunächst unabhängig davon, ob sich die begriffsprägende Absicht auch in einer entsprechenden Rezeption des Textes niederschlägt. Dass sich die Absicht, neue Begriffe zu prägen, d. h. Abgrenzungen von bestehenden Begriffen vorzunehmen, diese lexikalisch zu fixieren und in ein semantisches System einzupassen, bestimmter Texte bedienen muss, ist am ehesten einleuchtend. Wir betrachten einen Text jedoch auch dann als begriffsprägend, wenn er durch eine Serie von Texten bereits vorbereitete Konzeptualisierungen auf besonders wirkungsvolle Weise benennt oder in die weitere Rezeption einbringt. Texte, deren begriffsprägende Rolle sich auch in der nachfolgenden Rezeption bestätigt, bezeichnen wir als Referenztexte für nachfolgende Konzeptualisierungen. Stellt sich dabei heraus, dass diese im Wesentlichen in Kontinuität zu den charakteristischen begrifflichen Merkmalen im Referenztext stehen, wirkt dieser als Intertext für die nachfolgende Textserie, die das Ausgangskonzept verbreiten, variieren oder an jeweils neue Bedingungen anpassen kann. Gerade begriffsprägende Texte sind durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet, die sich weniger syntaktisch als begrifflich manifestiert. Wie ein dichtes, bisweilen mit recht sperrigen Knoten geknüpftes Netz durchziehen die mittels Nach-, Um- und Neubildung gewonnenen Konzepte den Text. Konzepte entstehen dabei nicht nur durch die den Begriffen explizit beigefügten Definitionen und Paraphrasen, sondern vor allem durch die Logik ihrer
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diskurskontextuellen Organisation (vgl. ASCHENBERG/ASCHENBERG 1998: 84). Die Einbettung in den argumentativen Zusammenhang trägt maßgeblich zur konzeptuellen Fixierung bei. In der Regel bedienen sich begriffsprägende Texte auch schon im 17. und 18. Jahrhundert bestimmter Verfahren der Terminologiebildung: Neologismen, Terminologisierung von gemeinsprachlichen Lexemen durch Umdeutung des Signifikats, Entlehnungen mit grammatischer und gegebenenfalls syntaktischer Adaptation der Signifikanten an die Zielsprache. Auffällig ist dabei nicht allein das Auftreten solcher Prozesse als solches, sondern ihre Frequenz und Intensität. Insbesondere können in Analogie zu Termini in anderen Sprachen kreierte Benennungen einem Text ein besonderes Gepräge verleihen. Typischerweise bedienen sich solche Texte definitorischer Sätze und kontrastiver Merkmalszuschreibungen, die ebenfalls den Charakter des Normativen unterstreichen. Die Diversität der Texte und Themenstellungen, in denen sprachtheoretische Grundbegriffe auftreten, und die Unterschiedlichkeit der zu berücksichtigenden nationalen Traditionen ließ eine Untersuchung im Hinblick auf die Schwellen, an denen ein Wort der Allgemeinsprache oder ein Neologismus zum Terminus avancierte, nicht als sinnvoll erscheinen. Dennoch stellten wir die Fragen, welche Elemente der Bedeutung eines Wortes die Terminologisierung ermöglichten und welche Reduktion der Mehrdeutigkeit, welche Konkretisierung und Abstrahierung mit Terminologisierungsprozessen einhergingen. Auch die Reduktion der Bezeichnungsbreite und die Entscheidung für die Einführung eines Neologismus oder den Gebrauch traditioneller Bezeichnungen wurden berücksichtigt. Es ist wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, auf diskursive Formationen zurückzugreifen, in denen das Wort seinen jeweiligen Ort hat. Wie wirken jedoch mit begriffsprägender Absicht produzierte Texte in der Sprachgeschichte und welche Bedingungen sorgen dafür, dass bestimmte Texte oder Textserien tatsächlich das begriffliche Gefüge und damit auch lexikalischsemantische Verhältnisse verändern? Offensichtlich handelt es sich hier um eine Frage, für die bisher wenig konkrete Fallstudien vorliegen, was dem Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts neben der wissenschaftshistorischen Zielstellung auch eine Aufgabe im Bereich methodologischer Grundlagen der Begriffsgeschichte zuweist. Die methodologische Unterscheidung zwischen Wort- und Begriffsgeschichte hilft einer Tatsache gerecht zu werden, die STIERLE als unterschiedliches Entwicklungstempo der Ausdrucks- und Bedeutungsseite der Sprache beschreibt: Signifiant und signifié, Wortkörper und Bedeutungskontinuum, haben andere Tempi, in denen sich ihr Wandel vollzieht. Der relativen Stabilität des signifiant steht die Dynamik der Bedeutungen gegenüber. Während die Lautgestalt sich nach relativ sicheren und überschaubaren Regeln im Geschichtsraum der ‘longue durée’ verändert, steht die Dimension der Bedeutung zugleich in einem historischen Raum der longue durée, inso-
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fern als vergangene Bedeutungen nicht ohne weiteres verlorengehen, und in einem historischen Ereignisraum insofern, als aus den gegebenen Bedeutungen sich immer neue Bedeutungen nach einer großen Vielfalt von Übergangsmöglichkeiten bilden können. (STIERLE 1979: 169).
Zum konservativen Wesen der Wortbedeutungen gehört auch, dass Diskurse der Vergangenheit nicht einfach überholbar und nicht einfach ohne Verlust aus dem Kollektivgedächtnis der Diskursgemeinschaft entfernbar sind. Die vergangene Bedeutung ist immer noch eine gegenwärtige Bedeutungsmöglichkeit (vgl. STIERLE 1979: 178). Bedingung dafür, dass die vergangene, an Schrift gebundene Bedeutung sich aus der Latenz heben und neu aktivieren lässt, ist lediglich, dass die Signifiant-Seite des Wortes dem gegenwärtigen Sprachbewusstsein noch präsent und von ihm akzeptiert ist. Durch seine asymmetrische Kommunikationssituation überspielt das geschriebene Wort immer schon die Trennung von Synchronie und Diachronie. Vergangene Bedeutung ist nicht einfach “überholte” Bedeutung, die neue Bedeutung übernimmt vielmehr eine komplementäre Rolle: “Gerade weil dies aber so ist, gibt es Ideologien der Sprachverwendung, mit denen alternative Bedeutungsinnovationen durchgesetzt werden sollen. Der Streit um Worte ist zumeist ein Streit um Reizworte, die ideologische Programme ‘semiotisch’ zusammenfassen und zugleich markierte Kontinuitätsbrüche in der Bedeutung intendieren” (STIERLE 1979: 179). Den begriffsprägenden Texten stellen wir die Textserien gegenüber, für die folgende Definition vorgeschlagen wird (vgl. HASSLER 2000): Eine Textserie ist eine Menge gedruckter Texte oder Manuskripte, die denselben Gegenstand im selben epistemologischen Rahmen behandeln und dabei dasselbe Ziel unter vergleichbaren Bedingungen verfolgen. Hinzu können soziale Beziehungen zwischen den Produzenten solcher Texte kommen, außerdem Bedingungen des akademischen Betriebs und Normen der Textproduktion. Die Untersuchung von Textserien lässt den dynamischen Charakter wissenschaftshistorischer Prozesse transparent werden, die über den Horizont des einzelnen Werkes oder Forschers hinausgehen. Oft kann man gerade in den von auctores minores geschriebenen Textserien mögliche Tendenzen der Wissenschaftsentwicklung erkennen. In der Konstituierung von Textserien sind soziokulturelle Bedingungen zu berücksichtigen, die sich unter anderem in der Art des Zitierens und der Integration in eine Tradition widerspiegeln. Andererseits können Textserien jedoch einen großen Text der Wissenschaftsgeschichte refunktionalisieren und ihm eine Überlebenschance in einem völlig neuen wissenschaftlichen Kontext geben. Gerade ein auf theoretischer Ebene wenig fixierter Text kann zu einer besonders intensiven Erneuerung der Theorie beitragen. Das Verändern des
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bisherigen Begriffsgefüges vollzieht sich allmählich und kann zu völlig neuen Konzepten führen. Textserien und Referenztexte können dabei in unterschiedlichen funktionalen Verhältnissen zueinander stehen. Ein Referenztext kann durch Textserien konzeptuell, argumentativ und terminologisch vorbereitet werden. Er kann diese Textserien abschließen, damit ihr wissenschaftsgeschichtliches Vergessen einleiten oder die in den Textserien überlieferten Konzepte unter neuen Bedingungen für neue Fragestellungen verfügbar machen. Nachfolgende Textserien können die im Referenztext enthaltenen Konzepte verbreiten, aber auch vertiefen und modifizieren. Schließlich kann es Parallelserien zum Referenztext geben, die Lösungen für dasselbe Problem suchen. Im Zusammenhang mit den Grund- und Leitbegriffen einer Wissenschaft fällt insbesondere ihr polemischer Charakter ins Auge. Dies trifft erst recht auf die mit vielfältigen emotionalen, nationalen, politischen und soziokulturellen Bezügen belastete Sprachdiskussion im 17. und 18. Jahrhundert zu. Ein rhetorisch-polemischer Gehalt von Konzepten und ihren Vernetzungen lässt sich jedoch nur über die Untersuchung textueller Relationen erfassen. Im wissenschaftlichen Normalbetrieb geht der polemische Wert der Begriffe vielfach verloren, sie werden zu selbstverständlichen Größen mit Hintergrundcharakter (KNOBLOCH 1996: 264). Daraus ergibt sich ihre Funktion als fachlich vorbildliche Problemlösungen, rhetorische Zurückweisung anderer Ansätze, Muster einer propagandistischen Außenwirkung. In der Rezeption von Konzepten und Lösungsansätzen kann die Relevanz eines stark dominierenden Problemhorizonts Passendes auslesen und Unpassendes ausblenden. Die bisherige geistesgeschichtliche Historiographie, in der allein die theoretischen Kontexte einander antworteten und Beziehbarkeiten stifteten, hat in vorbildlichen Einzelstudien der Vielfalt und der wechselnden Reichweite von Problemhorizonten durchaus Rechnung getragen (KNOBLOCH 1996: 265). Der mit dem Lexikon auch beabsichtigte Beitrag zum Verständnis eines historischen Zeitraums wird jedoch eine Inbezugsetzung mit anderen Bereichen und Erscheinungsformen des Lebens im 17. und 18. Jahrhundert erfordern, die in die Begriffsbildungen unmittelbar über die Entstehungsbedingungen der Texte eingehen.
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4. Der Aufbau des Lexikons sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts 4.1. Makrostruktur Das Lexikon gliedert sich nach Hierarchieebenen, denen die in den einzelnen Artikeln beschriebenen Begriffe zugeordnet sind. Die oberste Hierarchieebene besteht aus folgenden Bereichen: I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Ursprung, Entstehung, Entwicklung Einheit und Vielfalt Sprachverwendung Grammatische Beschreibung Lexikalische Beschreibung Phonetische Beschreibung Beschreibung der Schrift
Obwohl die Benennungen dieser Bereiche größtenteils dem heutigen Sprachdenken entsprechen und in dieser zusammenfassenden Form im 17. und 18. Jahrhundert nicht anzutreffen sind, erscheint die Zuordnung der einzelnen Begriffe zu den Bereichen aufgrund ihrer inhaltlichen Bezüge und des gehäuften Auftretens bestimmter Begriffe in charakteristischen Texttypen gerechtfertigt. So treten Begriffe, die das Wesen der Sprache, die Zeichenproblematik und das Verhältnis von Sprache und Denken betreffen, gehäuft in sprachtheoretischen Traktaten auf. Die im 18. Jahrhundert sehr aktuell gewordene Sprachursprungsproblematik nimmt dabei eine besondere Rolle ein und ist häufig zudem mit spekulativen Betrachtungen der Entwicklung von Sprachen verbunden. Die Einheit aller Sprachen, die sich auch als ihre Universalität darstellte, bildet in ihrem Spannungsverhältnis zur Vielfalt der Sprachen gleichfalls einen gesonderten thematischen Bereich, dem sich Begriffe zuordnen lassen. Die Grammatik, die Lexik und die Phonetik einer Sprache bildeten im 17. und 18. Jahrhundert Beschreibungsebenen, auf denen in unterschiedlichem Maße auch Theoriebildung stattfand und sprachtheoretische Grundbegriffe verwendet wurden. Schließlich ist die Schrift ein Gegenstand, der zur vielfältigen Spekulationen sowie theoretischen und praktischen Traktaten Anlass gab. Obwohl der Grad der Theoretisierung von der Ebene der Ontologie bis hin zu den Beschreibungsebenen der Grammatik, der Lexik, der Phonetik und der Schrift auf den ersten Blick abzunehmen scheint, erweisen sich auch die vier letzten Bereiche als von zahlreichen Begriffsbildungen durchsetzt, die in ihrer theoretischen Relevanz nicht zu unterschätzen sind. Das Analyseraster, das wir für die Untersuchung der Primärtexte verwendeten, ergab sich aus jahrelanger Lektüre und Beschäftigung mit sprachtheoretischen und sprachbeschreibenden Texten. Am Vorwissen orientierte heuristi-
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sche Begriffe können sicher keinen “harten” Kriterien genügen oder Einwänden unstrittig begegnen. Zweifellos bezeichnet der Terminus Grundbegriff keinen scharf umgrenzten Begriffstyp, der allen begriffstheoretischen Erwägungen über die Extension und Intension von Begriffen und ihrem begriffshierarchischen Standort Rechnung tragen würde. Unabhängig von ihrem über- oder unterordnendem Charakter nahmen wir auch dann Grundbegriffe als solche an, wenn sie in den untersuchten Texten häufig und mit Selbstverständlichkeit auftreten und in sprachtheoretischen Texten unter verschiedenen Gesichtspunkten bedeutsam wurden. Sprachtheoretische Grundbegriffe sind insofern transferfähig, als sie über eine nationale Tradition hinaus auftreten und vielfach auch in Texten zu finden sind, die nicht primär sprachtheoretische Inhalte behandeln. Anfänglich umfasste das Begriffsraster eine weit umfangreichere und detailliertere begriffliche Gliederung, die wir im Prozess der Arbeit reduzierten. Ausschlaggebend für diese Reduzierung waren einerseits die geringe Repräsentanz bestimmter Begriffe in den untersuchten Texten, andererseits aber auch die Zweckmäßigkeit der Zusammenfassung untergeordneter Begriffe und ihre gemeinsame Behandlung. Für den Bereich (1) Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken waren wir zum Beispiel von der folgenden Begriffsgliederung ausgegangen, wobei die Bezifferung mit weiteren Zahlen Verzweigungen hierarchisch übergeordneter Begriffe in Unterbegriffe verdeutlichen soll: 1.1. Wesen der Sprache 1.1.1. Beschäftigung mit dem Wesen der Sprache, Sprachtheorie7 1.1.2. natürliche Sprache 1.2. Sprachfähigkeit vs. Einzelsprache 1.2.1. Sprache vs. Sprachgebrauch 1.3. menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen) 1.3.1. Arbitrarität 1.3.2. Konvention 1.3.3. Natürlichkeit 1.3.4. Linearität 1.4. Zeichen und Idee 1.5. Spracherwerb 1.5.1. Erstspracherwerb, Mutterspracherwerb 1.5.2. Fremdsprachenerwerb 1.5.2.1. lebende vs. tote Fremdsprache im Spracherwerb 1.5.3. Methode 1.5.4. defizitärer Spracherwerb 1.5.4.1. sozial defizitärer Spracherwerb (ausgesetzte Kinder) 1.5.4.2. physisch defizitärer Spracherwerb (Gehörlose) 1.5.4.3. kulturell defizitärer Spracherwerb (exotische Völker) 7
Allein im Deutschen finden sich im 18. Jahrhundert Bezeichnungen wie Glottologie, philosophische Universallinguistik, Sprachkunde, philosophische Sprachenkunde, Philologie, linguistische Kenntnisse. Vgl. hierzu den Beitrag von Barbara KALTZ in HASSLER / SCHMITTER 1999.
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1.6. Funktionen der Sprache (allgemeine) 1.6.1. Mitteilungsfunktion der Sprache 1.6.2. Darstellung / Vorstellung 1.6.3. kognitive Funktion der Sprache 1.6.3.1. Hilfe des Denkens 1.6.3.1. konstitutiv für Denken 1.6.3.2. Behinderung für Denken 1.6.4. gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache 1.7. Funktion einzelner sprachlicher Mittel 1.7.1. Satzbeziehungsmittel 1.7.2. Determination 1.7.3. Nomination 1.7.4. Prädikation
Bei einigen der genannten Begriffe fällt ihre Benennung in Gegensatzpaaren auf (z. B. ‘Sprachfähigkeit vs. Einzelsprache’, ‘Sprache vs. Sprachgebrauch’, ‘Zeichen und Idee’). Diese entspricht der in den Texten vorgenommenen abgrenzenden Begriffsbestimmung, in der häufig Relationen zwischen den beiden gegenübergestellten Begriffen in ihre Definition und Verwendung einbezogen wurden. Einige der untergeordneten Begriffe der zweiten und dritten Ebene wurden dem übergeordneten oder benachbarten Begriff zugeordnet und gemeinsam mit ihm behandelt (1.1.1. Beschäftigung mit dem Wesen der Sprache, Sprachtheorie 1.1. Wesen der Sprache, 1.6.2. Darstellung / Vorstellung, 1.6.1. Mitteilung, Ausdruck des Denkens). Untergeordnete Begriffe der vierten Ebene wurden in der Regel zusammengefasst und unter dem übergeordneten Begriff behandelt. So wurden die Begriffe 1.5.4.1. ‘sozial defizitärer Spracherwerb (ausgesetzte Kinder)’, 1.5.4.2. ‘physisch defizitärer Spracherwerb (Gehörlose)’, 1.5.4.3. ‘kulturell defizitärer Spracherwerb (exotische Völker)’ unter dem ihnen gemeinsam zugrunde liegenden Begriff 1.5.4. ‘defizitärer Spracherwerb’ behandelt und in der Beschreibung dieses Begriffes auch differenziert. Dabei ergab sich allerdings die Notwendigkeit, im 17. und 18. Jahrhundert nicht vorgenommene Verallgemeinerungen und Abstraktionen vorzunehmen. So wurde zwar im nicht vorhandenen Hörvermögen eine Einschränkung für den Spracherwerb gesehen und es wurden über die kompensatorische Pädagogik hinausgehende theoretische Überlegungen zur Kommunikationsfähigkeit Gehörloser angestellt, diese erscheinen jedoch nicht unbedingt im unmittelbaren Kontext von Beschreibungen des Spracherwerbs ausgesetzter Kinder, die ihre Sprache erst nach der Eingliederung in die Gesellschaft erwerben, oder des Spracherwerbs bei exotischen Völker, die aufgrund eines niedrigeren Entwicklungsstands eine Sprache mit weniger Differenzierungen erlernen. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten in den Darstellungen des ‘defizitären Spracherwerbs’, die sogar bis zur Übertragung von Merkmalen der einen auf die andere Gruppe
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gehen und die die Zusammenfassung unter dem Begriff ‘defizitärer Spracherwerb’ rechtfertigen (vgl. zu dieser Einteilung auch NEIS 2003). Darunter ist ein Spracherwerb unter einschränkenden und erschwerenden Bedingungen zu verstehen, die im Fehlen eines für die Sprache relevanten Sinns, in mangelndem sprachlichem Input und in reduziertem kommunikativem Anreiz bestehen und zu einer geminderten Sprachbeherrschung führen können. Auch die ‘kognitive Funktion’ wurde als Begriff nicht nochmals in ‘Hilfe für das Denken’, ‘konstitutiv für das Denken’ und ‘Behinderung für das Denken’ unterteilt, obwohl diese verschiedenen Ausprägungen des Einflusses der Sprache auf das Denken im 17. und 18. Jahrhundert durchaus unterschieden wurden. Andererseits wurde die Beschreibung zu allgemeiner und abstrakter Begriffe (z. B. ‘allgemeine Funktionen der Sprache’) weggelassen, da sie in ihrer unspezifischen Form kaum vertreten sind und mit den Unterbegriffen (‘Mitteilungsfunktion der Sprache’, ‘kognitive Funktion der Sprache’, gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache’) gut repräsentiert sind. Im Interesse der Kohärenz der Darstellung wurden die Begriffe, die mit den Funktionen einzelner sprachlicher Mittel in Beziehung stehen (‘Satzbeziehungsmittel’, ‘Determination’, ‘Nomination’, ‘Prädikation’), im Zusammenhang mit der grammatischen Beschreibung der entsprechenden Wortarten behandelt. In der Darstellung der Begriffe verzichten wir auf die ursprünglich vorgenommene hierarchische Gliederung, so dass die Begriffe unterschiedlicher Hierarchieebenen und Allgemeinheitsgrade hintereinander stehen. So finden sich zum Beispiel die Eigenschaften der menschlichen Lautsprache (‘Arbitrarität’, ‘Konvention’, ‘Natürlichkeit’, ‘Linearität’) nach der in Abgrenzung zu anderen Zeichen vorgenommenen Bestimmung der ‘menschlichen Lautsprache’ selbst und vor dem Begriff ‘Zeichen und Idee’.
4.2. Mikrostruktur Als Lemma der einzelnen Artikel steht eine Bezeichnung des jeweiligen Begriffs, die diesen nach Möglichkeit neutral und unabhängig von der Ausprägung des Begriffs in einzelnen nationalen Traditionen und von spezifischen Auffassungen bei einzelnen Autoren ausdrückt. Dafür wurden überwiegend Ausdrücke der deutschen Sprache genutzt, die auch eine gewisse selbsterklärende Qualität haben. Da gerade die deutsche Sprache in der Festigung sprachbezogener Termini im 17. und 18. Jahrhundert noch nicht sehr weit fortgeschritten war, mussten wir im Kauf nehmen, dass einige der gewählten Bezeichnungen in den authentischen Texten nicht auftreten (z. B. Wesen der Sprache, Linearität, Normierung). Es ist jedoch nicht unsere Absicht, die Konzeptualisierung dieser Begriffe teleologisch auf die heute mit den entsprechen-
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den Termini bezeichneten Begriffe zulaufen zu lassen, mit der retrospektiv gewählten Bezeichnung soll vielmehr ein weiter Bedeutungsraum abgesteckt werden, in dem sich unterschiedliche Konzepte herausbildeten. In Fällen, in denen ein Begriff sehr stark an eine bestimmte Sprache gebunden ist, wie z. B. der Begriff des ‘génie de la langue’, wurde eine neutralere, unter Umständen aber auch sperrigere Bezeichnung gewählt, in diesem Fall besonderer Charakter einer Sprache. Die Verwendung von im Deutschen geläufigen Ausdrücken wie Weltansicht oder Sprachrelativität des Denkens hätte den Begriff in die Richtung späterer Theorien perspektiviert und ihn außerdem im Sinne dieser auf eine Festlegung oder Beeinflussung der kognitiven Fähigkeiten der Menschen eingeengt. Da sich die Grundlemmata an konzeptuellen Einheiten, nicht an Wörtern orientieren, werden für sie keine grammatischen oder sonstigen lexembezogenen Hinweise gegeben. Die einzelnen Artikel bestehen aus vier Teilen, die folgenden Inhalt haben: I. Schlüsselwörter des Bezeichnungsfeldes Unter römisch I werden in der Regel lateinische, deutsche, englische und französische Bezeichnungen des Begriffs genannt. Je nach Wichtigkeit der Konzeptualisierung in einzelnen Textsorten und Kulturräumen wurden auch spanische, italienische, portugiesische, russische, polnische, tschechische, finnische und niederländische Bezeichnungen aufgenommen. Eine vollständige Bearbeitung der jeweiligen Bezeichnungsfelder in allen europäischen Sprachen hätte allerdings unsere Möglichkeiten weit überschritten. Bei der Auflistung der Bezeichnungen werden die geläufigen, weitgehend kontextfreien Bezeichnungen bevorzugt und nur in einigen Fällen die am Konzeptualisierungsprozess beteiligten, jedoch stark kontextgebundenen oder paraphrasierenden Bezeichnungen angegeben. Alle Bezeichnungen werden im Abschnitt I der Artikel kursiviert. In den meisten Fällen war es angebracht, auch eine semasiologische Erläuterung der angeführten Bezeichnungen zu geben. Hier geht es um die Fragen, wodurch bestimmte Wörter für die Bezeichnung des jeweiligen Begriffs geeignet sind und welche Bedeutungsentwicklung sie durchlaufen haben. Auch gegebenenfalls vorliegende Bedeutungsdifferenzierungen und Gebrauchsbeschränkungen werden unter I. beschrieben. II. Authentische Definitionen und Verwendungskontexte Es folgt eine Auflistung von Textstellen, in denen der betreffende Begriff vorkommt. Dabei handelt es sich nicht nur um Definitionen, sondern auch um abgrenzende und diskursive Bestimmungen der Begriffe. Da Begriffe in erster
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Linie in Texten entwickelt werden, ist auch ihre Verwendung für den begrifflichen Inhalt aufschlussreich. Die Textstellen werden unter Angabe des Textes hintereinander in chronologischer Reihenfolge der Erstausgaben und unabhängig von den jeweiligen Sprachen und Autoren aufgeführt. Dieses Prinzip soll das Verfolgen der Begriffsentwicklung erleichtern. Für Autoren, die über einen längeren Zeitraum publizierten, war eine Trennung der Werke nach ihren Erscheinungsdaten erforderlich. Dabei auftretende Ungereimtheiten, die durch eine wesentlich spätere Erstpublikation eines Textes entstehen können (z. B. wurden die 1703– 1704 von LEIBNIZ geschriebenen Nouveaux Essais sur l’entendement humain erst 1765 publiziert), werden durch die korrekte wirkungsgeschichtliche Einordnung, die sich nach dem Publikationsdatum richtet, ausgeglichen. In einigen Fällen, in denen mehrere Begriffe niedrigerer Hierarchieordnungen in der Darstellung zu einem Begriff zusammengefasst wurden, können die Textstellen im Abschnitt II zusätzlich noch inhaltlich gegliedert sein. Dabei werden immer zuerst die Textstellen genannt, die sich direkt auf den allgemeinen, als Lemma auftretenden Begriff beziehen. Innerhalb der dann folgenden Textstellen zu spezifischeren Begriffen ist die Ordnung wiederum chronologisch. So wurden im Artikel Übersetzung neben den Textstellung zum Begriff ‘Übersetzung’ auch Textstellen zu folgenden spezifischen Begriffen angeordnet: ‘Wörtlichkeit vs. Freie Übersetzung’, ‘Übersetzbarkeit / Teilübersetzbarkeit / Nichtübersetzbarkeit’, ‘Übersetzung in die Muttersprache / Fremdsprache’, ‘ Entsprechung, Äquivalenz’. Zu Beginn der Textstelle steht dabei der Name des Autors in Kapitälchen oder – bei größeren Lexika (z. B. Encyclopédie) oder anonymen Schriften (z. B. Kratkija Pravila Rossijskoj Grammatiki) – der Titel des Werkes kursiviert. Danach folgt die Angabe des Erscheinungsjahres, wobei bei späteren Ausgaben die Erstausgabe als erste in eckigen Klammern und die benutzte Ausgabe dahinter steht. Nach einem Doppelpunkt folgt die Seitenzahl aus der benutzten Ausgabe, z. B. (LEIBNIZ [1697] 1908: 346). Diese Angaben zum Text werden in runde Klammern gesetzt. Die Voranstellung des Jahres der Erstausgabe soll die zeitliche Zuordnung des Textes erleichtern. In der Bibliographie erfolgt die vollständige Angabe der zitierten Werke, allerdings wird hier das Erscheinungsjahr der verwendeten Ausgabe als erstes genannt und der Herausgeber in eckigen Klammern erwähnt: z. B. LEIBNIZ, Gottfried Wilhelm [PIETSCH, Paul] (1908 [1697]). Bei größeren Nachschlagewerken wird nach dem Werktitel auch der Titel des entsprechenden Beitrags genannt, z. B. Zedlers Universallexicon, Artikel Dialectus, 1734: VII, 743; Encyclopédie, Artikel Traduction, BEAUZÉE, 1765: XVI, 511. Bei mehrbändigen Werken erfolgt die Bandangabe in römischen
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Ziffern. In Fällen, in denen der Autor bekannt ist, wie hier BEAUZÉE, wird er auch angegeben. Werke, deren Autoren nicht bekannt sind, wurden als ANONYM mit der entsprechenden Jahreszahl oder – entsprechend für einzelne Sprachen konventionellen Zitierweisen – mit der kursivierten Kurzform des Titels angegeben. Bei Preisbewerbungsschriften, die nicht erfolgreich waren und deren Autoren deshalb unbekannt blieben, wurde mit der Jahreszahl und der durch das Archiv zugewiesenen Chiffre zitiert, z. B. Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 9. Die Zahl nach dem Doppelpunkt bezieht sich hier auf die Seitenzahl der handschriftlichen Blätter. In Fällen, in denen die Ermittlung des Autors im Umfeld des Projekts erfolgte, geben wir den Autor in eckigen Klammern an. Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich bei Jürgen STOROST für seine Hinweise auf Etienne MAYET (1751–1825) als Autor des Manuskripts I-M 664 und Johann Gottlieb EICHHORN (1752–1827) als Autor des Manuskripts I-M 934 des Akademiearchivs Berlin. Die Texte der Zitate werden ohne Hervorhebungen von uns in der Form gebracht, wie sie in den verwendeten Ausgaben stehen. Hervorhebungen in den Zitaten folgen dem Original, sofern es sich um Kursivierungen handelt. Andere Hervorhebungen (Fettdruck, Sperrungen) wurden kursiviert Die Länge der Zitate richtet sich nach ihrer Aussagekraft und den Notwendigkeiten, Argumentationen in ihrer Ganzheit darzustellen. III. Darstellung des Begriffs und seiner Vernetzung Im umfangreichsten Teil der Artikel erfolgt eine Darstellung des Begriffs, seiner Verwendung und Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert. Vielfach war es dabei notwendig, die Entwicklung des Begriffs bis in die Antike zurückzuverfolgen. Insbesondere in grammatischen Beschreibungen fiel die Verankerung der Konzepte des 17. und 18. Jahrhunderts in der Antike auf und veranlasste, entsprechende Darstellungen voranzustellen. Auf diesem Hintergrund waren jedoch auch die Umdeutungen und Weiterentwicklungen sprachtheoretischer Konzepte im 17. und 18. Jahrhundert entsprechend zu gewichten. Teilweise wurden die antiken Grundlagen der Begriffsentwicklung dann nochmals detaillierter in Teil IV Kontinuität und Rezeption des Begriffs beschrieben. Den Normen der Textsorte des Lexikonartikels folgend, wurden in diesem Abschnitt Zitate oder Verweise auf Literatur weitestgehend vermieden. Die Darstellungen unter III. greifen Gedanken aus den Zitaten unter II. auf, beschränken sich jedoch nicht auf deren Kommentierung und Interpretation, sondern ordnen sie in größere Zusammenhänge ein. Dabei wird auch auf Konzeptualisierungsprozesse, Terminologisierungen und Bezeichnungswandel
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eingegangen. Gerade dichotomisch angelegte Begriffspaarungen wie etwa Gebärden- vs. Lautsprache oder menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen erforderten unter Umständen Darstellungsformen, die eine breiter angelegte, interdisziplinäre Verortung des Begriffes, seiner thematischen Vernetzung und diskursiven Verankerung notwendig werden ließen. Auch Konzepte wie z. B. Universalsprache oder Schrift erforderten Darstellungsformen, die über rein begriffliche Untersuchungen hinausgehen, wenn etwa die Spezifik verschiedener Universalsprachenkonzepte oder Schriftsysteme (von Vorformen der Schrift bis hin zu alphabetischen Systemen) beschrieben werden sollte. Mit der Trennung von Teil II und Teil III wird vor allem in der Auswertung der Quellen sowie in der Darstellung in den einzelnen Einträgen deutlich zwischen genus activum (wo einzelne Autoren für sich sprechen) und genus exegeticum (wo der Wissenschaftshistoriker beschreibt und analysiert) unterschieden. Ein genus mixtum (Mischung zwischen beiden) gibt es nur im Zusammenhang mit Problemlösungsprozessen in der Zuordnung zu den hinreichend allgemeinen Fragestellungen, die zu Konzeptualisierungen führen. In längeren Artikeln ist der Teil III in mehrere Abschnitte untergliedert, die arabisch nummeriert sind und einzelne Aspekte des Begriffs und seiner Entwicklung beinhalten. Begriffe und die semantischen Elemente ihrer Beschreibung sind in diesem Teil ebenso wie im darauf folgenden Teil IV grundsätzlich durch einfache Anführungsstriche gekennzeichnet (z. B. ‘Laut vs. Buchstabe’, ‘Analogie’). Die sprachlichen Bezeichnungen von Begriffen werden hingegen, den allgemeinen Gepflogenheiten entsprechend, kursiviert (z. B. articulirter Ton, figures ou caractères). Die Vernetzung der Begriffe wird im Text des Artikels beschrieben und argumentativ entwickelt. Darüber hinaus gibt es Kurzverweise auf andere Artikel (ĺ Schrift; ĺ Natürlichkeit), die die Lesbarkeit erleichtern und Zusammenhänge rekonstruieren sollen. IV. Kontinuität und Rezeption Begriffliche und terminologische Entwicklungen nach und teilweise auch vor dem Untersuchungszeitraum des 17. und 18. Jahrhunderts werden im Teil IV dargestellt. Unter Rezeption wird ein eventuelles Rekurrieren späterer sprachwissenschaftlicher Theorien auf das dargestellte Konzept unter Einschluss von Umdeutungen, Einbau in Theorienlegitimation, Festlegung auf spätere Referenztexte – möglicherweise sogar unter Ausblenden des Sprachdenkens der betrachteten Zeit – beschrieben. Die Darstellung soll hier auch das Anliegen verfolgen, den linguistisch nicht weiter vorgebildeten Leser in die Kontinuität, Diskontinuität und gegebenenfalls Aktualität der betrachteten Frage-
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stellungen und Begriffe einzuführen. Der Eindruck einer linearen Fortführung der Begriffe des 17. und 18. Jahrhunderts, die in der Regel nicht gegeben ist, soll dabei jedoch vermieden werden. V. Literaturhinweise An dieser Stelle werden Hinweise auf weiterführende Literatur zum behandelten Begriff und seiner Historiographie gegeben. Die Literaturhinweise verstehen sich als eine Auswahl und streben keine Vollständigkeit an. Genannt werden hier ausschließlich wissenschaftliche Studien, die sich aus historiographischer Perspektive mit dem Begriff und dem Umfeld seiner Entwicklung befassen sowie einige Werke, die sich ihm auf dem Horizont der heutigen Sprachtheorien und Linguistik befassen. Die Primärliteratur, d. h. die Literatur, aus der im Teil II der Artikel zitiert wurde, findet sich mit ausführlichen Angaben in der Bibliographie am Ende des Lexikons. Bibliographie und Personenregister Die Bibliographie des Lexikons sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts beschränkt sich auf die Primärliteratur zum Untersuchungszeitraum im weiteren Sinne. Unter Primärliteratur verstehen wir spachbezogene Texte, die Gegenstand der Untersuchung sind. Den Untersuchungszeitraum mussten wir “im weiteren Sinne” auffassen, da auch Texte vor dem 17. Jahrhundert einbezogen wurden, wenn sie für die entsprechenden Begriffsbildungen relevant waren. Außerdem erforderten die in den einzelnen nationalen Traditionen unterschiedlich verlaufende Rezeptionsgeschichte und die in einigen Ländern verspätet einsetzende Ausprägung der Sprachtheorien der Aufklärung die Berücksichtigung einiger Werke, die erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erschienen sind. Die bibliographischen Angaben sind in alphabetischer Reihenfolge der Namen der Autoren bzw. Körperschaften geordnet. Spätere Bearbeiter oder Herausgeber der Texte werden in eckigen Klammern hinter den Autorennamen eingefügt, z. B. RIVAROL, Antoine de [DUTOURD, Jean] (1998 [1784]): L’universalité de la langue française: Discours qui a remporté le prix à l’académie de Berlin. Présenté par Jean Dutourd de l’Académie Française. Paris: Arléa. Wir bemühten uns, die Vornamen der Autoren zu ermitteln und fügten sie in Fällen, in denen sie nicht im Buch stehen, in eckigen Klammern hinzu. Verlage wurden, soweit ermittelbar, gleichfalls angegeben. Im Personenregister erscheinen die Namen und Lebensdaten der im Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts erwähnten Autoren. In einigen wenigen Fällen konnten die Vornamen nicht ermittelt werden. Wenn die Lebensdaten nicht ermittelbar waren, geben wir ungefähre
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Angaben über ihre zeitliche Einordnung oder benennen bekannte Höhepunkte ihrer Schaffensperiode mit fl. (< floruit, lat. ‘er / sie / es blühte’) vor Jahresangaben für die beste Schaffens- oder Tätigkeitsperiode einer Persönlichkeit, deren Geburts- und Sterbedaten nicht bekannt sind. Unterschiedliche Formen der Namen werden jeweils angegeben und nach den üblichen Nennungen geordnet. Da das Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts keine systematischen Aussagen über einzelne Personen anstrebt und solche Informationen auch nicht aus einer Gesamtsicht des Auftretens einzelner Personennamen in den einzelnen Artikeln des Lexikons zu gewinnen wären, wurde auf eine Angabe der Seiten, auf denen die jeweiligen Personen genannt sind, verzichtet. Das Personenregister dient lediglich der Identifizierung und zeitlichen Einordnung der Autoren. Gerda Haßler & Cordula Neis
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I. ONTOLOGIE, ZEICHEN, SPRACHE UND DENKEN Wesen der Sprache I. Lat. lingua, sermo, sermo vocalis, loquela, oratio; dt. Sprache, Sprach, Sprache der Natur, Sprache des Herzens, Sprach-Art, Rede; engl. language, speech, discourse; frz. langue, langue primitive, langue originale, langue vivante, langue morte, langage, langage naturel, langage du cœur, langage de l’esprit, parole, idiome, discours, langage des bestes, langage des bêtes, langage des animaux. II. (COMENIUS [1648] 1978: 18): 2. […] Sumitur nomen Lingvæ pro rationabili illo humanæ lingvæ effectu, qvô homines variè articulatô sonô animi sensa sibi mutuò communicant: qvod Loqvelam & Sermonem vocamus. Atqve hoc sensu Lingvæ usus Homini proprius est. (COMENIUS [1648] 1978: 21): [1.] LINGVA, cùm pro Sermone sumitur, est VERBORUM RES significantium, & MENTI præsentantium, certâ ratione contextorum, aut contexendorum, apparatus. (COMENIUS [1648] 1978: 50): 3. Respiciendum hîc omninò est, ad deprehentia jam ante Lingvæ cujusvis fundamentalia Reqvisita (Cap. II. §. 15.) Positô enim, Nomenclaturam Rerum, & de Vocum significatione Consensum: & Sermonis struendi Leges, esse tria essentialia Lingvæ: omninò seqvitur Lingvarum Culturam hanc esse veram, ut Verba constituantur tot qvot Rebus omnibus pulchrè exprimendis sufficiant: eáqve examussim adaptentur, & commensurentur, primò qvidem REBUS ipsis; dehinc CONCEPTIBVS humanis; tandem SIBI ipsis. Nempe qvia Verba non de nihilo sunt, sed de Rebus: adaptanda igitur Rebus, Rerum ordine. Et qvia non funduntur in ventos, sed sunt Mentis ad Mentem vehicula, sensum secum deferentia: Ergò nè alius Vocem aut Phrasin hanc hôc, alius aliô, sensu accipiat, providendum. Et qvia deniqve non in congeriem projiciuntur, qvisqviliarum instar, sed connectuntur certis legibus, ad ordinatæ structuræ formam: ergò construendi Sermonis figendæ sunt leges normæqve.
(CARAMUEL Y LOBKOWITZ [1654] 1989: 6): […] signum habere binos terminos; nimirùm terminum quem, & terminum cui. Terminus qui, est res illa, quam dictio significat; & terminus cui, est persona, cui vox illa obiectum repræsentat. Si agamus determino qui, dicendum est, sicut materia prima Aristotelica est pura potentia ad omnem formam, & quando unâ informatur, aliarum quarumcumque est capax, ita vocem secundum se consideratam esse indifferentem ad quamcumque significationem recipiendam; & quando unâ significatione afficitur, etiam tunc posse illam perdere, & recipere quamcunque aliam. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 21): Parler (à mon avis) n’est autre chose que faire connoistre ce que l’on pense, à ce qui est capable de l’entendre […]. (HOLDER [1669] 1967: 16–17): By what has bin premised, we may define Language (if we consider it more materially) to be An apt Connexion of Letters, forming and producing Words and Sentences. But if we consider it more according to the Reason and Design thereof, then Language is the most excellent Instrument for Communication. Or, a connexion of the apt signes for Communication of our Thoughts and Notions. And Speaking is nothing else than A sensible Expression and Communication of the Notions of the Mind by several Discriminations of utterance of voice, used as Signes i. e. having by Consent, several determinate significancies. (HOLDER [1669] 1967: 63): Language is a Connexion of Audible signes, the most apt and excellent in whole nature for Communication of our Thoughts and Notions by Speaking. Written Language is a description of the said Audible Signes, by Signes Visible. The Elements of Language are Letters, viz. Simple discriminations of Breath or Voice, Articulated by the Organs of Speech. (LAMY [1675] 1688: 4–5): Cette remarque nous donne lieu de distinguer deux choses
136 dans les mots, le corps et l’ame, c’est à dire ce qu’ils ont de materiel, & ce qu’ils ont de spirituel; ce que les oyseaux qui imitent la voix des hommes, ont de commun avec nous, & ce qui nous est particulier. Les idées qui sont presentes à nostre esprit, lorsqu’il commande aux organes de la voix de former les sons qui sont les signes de ces idées, sont l’ame des paroles: Les sons que forment les organes de la voix, & qui n’ayant rien de semblable en eux-mêmes à ces idées, ne laissent pas de les signifier, sont la partie materielle, ou le corps des paroles. (LAMY [1675/1701] 1998: 245): Tout le langage n’est qu’un assemblage de sons simples, dont les lettres, que nous appelons les éléments du discours, sont les signes. (LOCKE [1690] 1894: III, V, 47): The use of language is, by short sounds, to signify with ease and dispatch general conceptions; wherein not only abundance of particulars may be contained, but also a great variety of independent ideas collected into one complex one. (LOCKE [1690] 1894: III, V, 106): To make words serviceable to the end of communication, it is necessary, as has been said, that they excite in the hearer exactly the same idea they stand for in the mind of the speaker. Without this, men fill one another’s heads with noise and sounds; but convey not thereby their thoughts, and lay not before one another their ideas, which is the end of discourse and language. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 141): […] men take words to be the constant regular marks of agreed notions, which in truth are no more but the voluntary and unsteady signs of their own ideas. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Langage, 1694): Langage. s. m. Idiome. Langue que parle une Nation. Le langage des Turcs. le langage Persan. personne n’entend ce langage. un langage Barbare. un langage inconnu. il entend la pureté du langage. Il signifie aussi, Discours, style & maniere de parler. Un beau langage. un langage figuré, orné, affecté, fleuri, pompeux. langage naïf, pur, simple, sans ornement. la pureté du langage. cela est escrit en beau langage, en vieux langage.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Il signifie aussi, La maniere de parler de quelque chose, eu esgard au sens plustost qu’aux mots ny à la phrase. Vous me tenez là un estrange langage. ce langage ne me plaist point. je n’entends point ce langage. il a bien changé de langage. Il tient à cette heure un autre langage. c’est le langage de l’Escriture sainte. le langage des Conciles. le langage des Peres. ce n’est pas le langage d’un homme de bien. Il se dit aussi de la voix, du cri, du chant, du sifflement &c. dont les animaux se servent pour se faire entendre. Les oiseaux ont certain langage entre eux. le langage des bestes. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Langue, 1694): LANGUE s. f. Cette partie charnuë & mobile qui est dans la bouche de l’animal, & qui est le principal organe du goust & de la parole. […] Langue, signifie aussi, Idiome, termes & façons de parler dont se sert une nation. La Langue Grecque. la Langue Latine. La Langue Françoise, &c. les Langues Orientales. une belle langue. une langue abondante, riche, feconde. langue sterile, pauvre, rude, barbare. une langue energique, forte. langue grave, pompeuse. cette langue est fort estenduë. Cette langue a cours en tout l’Orient. langue matrice. langue primitive, originale. la Langue Italienne est derivée de la Latine. enrichir, polir, appauvrir une langue. la richesse, la beauté, la politesse d’une langue. les proprietez de la langue. il entend les finesses, les secrets, les delicatesses, la pureté de la langue. c’est une phrase de la langue. il sçait bien cette langue. il parle plusieurs langues. les Apostres avoient le don des langues. la confusion des langues arriva à la tour de Babel. il est Professeur en Langue Grecque, en Langue Hebraïque. il enseigne les langues. les maistres de la langue, &c. On appelle, Langue vivante, Une langue que tout un peuple parle: & Langue morte & grammaticale, celle qu’un peuple a parlé, mais qui n’est plus en usage que dans les livres. La Langue Françoise, la Langue Espagnole, sont des langues vivantes. la Langue Latine, la Langue Grecque litterale, sont des langues mortes. (LEIBNIZ [1697] 1908: 327): 1. Es ist bekandt, daß die Sprach ein Spiegel des Verstandes, und dass die Völcker, wenn Sie den Verstand hoch schwingen, auch zugleich die
Wesen der Sprache Sprache wohl ausüben, welches der Griechen, Römer und Araber Beyspiele zeigen. (LEIBNIZ [1697] 1908: 328): 4. […] Man will von allem dem so daran hanget, anitzo nicht handeln, sondern allein bemercken, dass die rechte Verstandes-Ubung sich finde, nicht nur zwischen Lehr- und Lernenden, sondern auch vornehmlich im gemeinen Leben unter der grossen Lehrmeisterin, nehmlich der Welt oder Gesellschaft, vermittelst der Sprache, so die menschlichen Gemüther zusammen füget. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 399–400): Das Wort Sprache hat zweyerley Bedeutung: Einmahl wird dadurch verstanden das Vermögen, welches der Mensch hat, seine Gedancken durch eine vernehmliche Stimme zu erkennen zu geben. Solch Vermögen ist ein Vorzug, dessen sich das vernünftige Geschöpfe allein zu rühmen hat, und wird betrachtet, als innerlich, wie sie in dem Verstande empfangen, oder äußerlich, wie sie durch den Mund verrichtet wird. Und in diesem letzten Verstande bedeutet es die vernehmliche Stimme selbst, durch welche ein Mensch dem andern seine Gedancken mittheilet. (Zedlers Universallexicon, Artikel SprachKunst, 1744: XXXIX, 453): Vors andere ist zu mercken: Daß man keiner Sprache ohne Ursache einen Vorzug vor der andern geben soll. Die Sprachen können nach ihren wesentlichen und zufälligen Eigenschafften betrachtet werden. Dem Wesen nach sind sie willkührliche Zeichen, wodurch man dem andern das Innere seines Gemüths zu verstehen giebt, worinnen alle Sprachen einander gleich sind, daß man in dieser Absicht keine vor besser als die andere halten kan. Die zufälligen Umstände sind verschiedentlich, als das Alter, die Weitläuffigkeit, die Annehmlichkeit in der Aussprache, u. s. w. worinnen eine vor der andern etwas haben kan, daß sie älter, reicher an Worten, einen angenehmen Klang erwecket. Doch giebt ihr dieses nicht gleich einen Vorzug. Denn das Alter thut hier zur Sache nichts, indem sonst das alte Deutsche und Frantzösische besser seyn müste, als dasjenige, so man heut zu Tage redet, wenn es nehmlich lebende Sprachen sind, wie man sie zu nennen pfleget. (PLATS 1749: 191–192): Langue, Zunge, Sprach. f.; languette, Zünglein. f.; langage,
137 Sprach-Art. f.; languiste, Sprach-Verständiger. m. (HARRIS [1751/1786] 1993: 2): HERE a large field for speculating opens before us. We may either behold SPEECH, as divided into its constituent Parts, as a Statue may be divided into its several Limbs; or else, as resolved into its Matter and Form, as the same Statue may be resolved into its Marble and Figure. (Encyclopédie, Artikel Langage, JAUCOURT, 1765: IX, 242): LANGAGE, s. m. (Arts. Raisonn. Philos. Metaphys.) modus & usus loquendi, maniere dont les hommes se communiquent leurs pensées, par une suite de paroles, de gestes & d’expressions adaptées à leur génie, leurs moeurs & leurs climats. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 252): Mais suivons le simple raisonnement. Une langue est, sans contredit, la totalité des usages propres à une nation pour exprimer les pensées par la voix; & cette expression est le véhicule de la communication des pensées. Ainsi toute langue suppose une société préexistente, qui, comme société, aura eu besoin de cette communication, & qui, par des actes déja réitérés, aura fondé les usages qui constituent le corps de sa langue. D’autre part une société formée par les moyens humains que nous pouvons connoìtre, présuppose un moyen de communication pour fixer d’abord les devoirs respectifs des associés, & ensuite pour les mettre en état de les exiger les uns des autres. Que suit-il de-là? que si l’on s’obstine à vouloir fonder la premiere langue & la premiere société par des voies humaines, il faut admettre l’éternité du monde & des générations humaines, & renoncer par conséquent à une premiere société & à une premiere langue proprement dites: sentiment absurde en soi, puisqu’il implique contradiction, & démenti d’ailleurs par la droite raison, & par la foule accablante des temoignages de toute espece qui certifient la nouveauté du monde: Nulia igitur in principio facta est ejusmodi congregatio, nec unquam fuisse homines in terra qui propter insantiam non loquerentur, intelliget, cui ratio non deest. Lactance. De vero cultu. cap. x. C’est que si les hommes commencent par exister sans parler, jamais ils ne parleront. Quand on sait quelques langues, on pourroit aisément en inventer une autre: mais si l’on n’en sait aucu-
138 ne, on n’en saura jamais, à moins qu’on n’entende parler quelqu’un. L’organe de la parole est un instrument qui demeure oisif & inutile, s’il n’est mis en jeu par les impressions de l’ouie; personne n’ignore que c’est la surdité originelle qui tient dans l’inaction la bouche des muets de naissance; & l’on sait par plus d’une expérience bien constatée, que des hommes élevés par accident loin du commerce de leurs semblables & dans le silence des forêts, n’y avoient appris à prononcer aucun son articulé, qu’ils imitoient seulement les cris naturels des animaux avec lesquels ils s’étoient trouvés en liaison, & que transplantés dans notre société, ils avoient eu bien de la peine à imiter le langage qu’ils entendoient, & ne l’avoient jamais fait que très imparfaitement. Voyez les notes sur le discours de M. J. J. Rousseau sur l’origine & les fondemens de l’inégalité parmi les hommes. (Encyclopédie, Artikel Nom, BEAUZÉE, 1765: XI, 199): Ainsi, les mots qui ont la priorité dans l’ordre analytique, sont postérieurs dans l’ordre synthétique. Mais comme ces deux ordres sont inséparables, parce que parler & penser sont liés de la même maniere; que parler c’est, pour ainsi dire, penser extérieurement, & que penser c’est parler interieurement; le Créateur en formant les hommes raisonnables, leur donna ensemble les deux instrumens de la raison, penser & parler: & si l’on sépare ce que le Créateur a uni si étroitement, on tombe dans des erreurs opposées, selon que l’on s’occupe de l’un des deux exclusivement à l’autre. (Encyclopédie, Artikel Mot, JAUCOURT, 1765: X, 753): Or le premier coup-d’œil jetté sur les langues, montre sensiblement que le cœur & l’esprit ont chacun leur langage. Celui du cœur est inspiré par la nature & n’a presque rien d’arbitraire, aussi est-il également entendu chez toutes les nations, & il semble même que les brutes qui nous environnent en aient quelquefois l’intelligence; le vocabulaire en est court, il se réduit aux seules interjections, qui ont par-tout les mèmes radicaux, parce qu’elles tiennent à la constitution physique de l’organe. Voyez INTERJECTION. Elles désignent dans celui qui s’en sert une affection, un sentiment; elles ne l’excitent pas dans l’ame de celui qui les entend, elles ne lui en présentent que l’idée. […]
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Je donnerois à ce premier ordre de mots le nom d’affectifs, pour le distinguer de ceux qui appartiennent au langage de l’esprit, & que je désignerois par le titre d’énonciatifs. Ceux-ci sont en plus grand nombre, ne sont que peu ou point naturels, & doivent leur existence & leur signification à la convention usuelle & fortuite de chaque nation. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-663: 1–2): Der Ausdruck meiner Gedanken, durch gewiße Töne, wodurch ich mich andren verständlich mache, wird die Sprache, und diejenige Erkäntniß, welche ein Mensch, ohne den Unterricht eines dritten, hat, das natürliche Vermögen genannt. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 9): Que le langage ne peut subsister sans société, c’est ce qui se prouve par sa définition même: c’est l’art par lequel un homme fait passer sa pensée actuelle dans l’esprit d’un autre, moyennant des sons communs, c’est à dire également compris par celui qui parle, et celui qui l’ecoute. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 65): […] le langage n’a pas pour objet simplement d’imiter les choses sonores, mais d’imiter la pensée qui est un objet bien plus vaste, & on n’a eu recours à la première imitation, que faute d’autres moyens suffisants. (HERDER [1772] 1978a: 109): Ich gebe dem Menschen nicht gleich plötzlich neue Kräfte, keine sprachschaffende Fähigkeit wie eine willkürliche Qualitas occulta. Ich suche nur in den vorher bemerkten Lücken und Mängeln weiter. Lücken und Mängel können doch nicht der Charakter seiner Gattung sein, oder die Natur war gegen ihn die härteste Stiefmutter, da sie gegen jedes Insekt die liebreichste Mutter war. Jedem Insekt gab sie, was und wieviel es brauchte: Sinne zu Vorstellungen und Vorstellungen, in Triebe gediegen, Organe zur Sprache, soviel es bedorfte, und Organe, diese Sprache zu verstehen. Bei dem Menschen ist alles in dem größten Mißverhältnis. […] Es muß uns also ein gewisses Mittelglied fehlen, die so abstehende Glieder der Verhältnis zu berechnen. Fänden wir’s, so wäre nach aller Analogie der Natur diese Schadloshaltung seine Eigenheit [die Eigenheit des Menschen, C. N.], der
Wesen der Sprache Charakter seines Geschlechts, und alle Vernunft und Billigkeit foderte, diesen Fund für das gelten zu lassen, was er ist, für Naturgabe, ihm so wesentlich als den Tieren der Instinkt. Ja, fänden wir eben in diesem Charakter die Ursache jener Mängel und eben in der Mitte dieser Mängel […] den Keim zum Ersatze, so wäre diese Einstimmung ein genetischer Beweis, daß hier die wahre Richtung der Menschheit liege und daß die Menschengattung über den Tieren nicht an Stufen des Mehr oder Weniger stehe, sondern an Art. Und fänden wir in diesem neu gefundnen Charakter der Menschheit sogar den notwendigen genetischen Grund zur Entstehung einer Sprache für diese neue Art Geschöpfe, wie wir in den Instinkten der Tiere den unmittelbaren Grund zur Sprache für jede Gattung fanden, so sind wir ganz am Ziele. In dem Falle würde die Sprache dem Menschen so wesentlich, als – er ein Mensch ist. (HERDER [1772] 1978a: 125): Hier sei es gnug, die Sprache als den würklichen Unterscheidungscharakter unsrer Gattung von außen zu bemerken, wie es die Vernunft von innen ist. (HERDER [1772] 1978a: 126): Es wird sonach die Sprache ein natürliches Organ des Verstandes, ein solcher Sinn der menschlichen Seele, wie sich die Sehekraft jener sensitiven Seele der Alten das Auge und der Instinkt der Biene seine Zelle bauet. (HERDER [1772] 1978a: 179): “[…] Jeder Gedanke also, den ich darauf gezeichnet, ist ein Siegel meines Eigentums, und wer mich davon vertreibet, der nimmt mir nicht bloß mein Leben, wenn ich diesen Unterhalt nicht wiederfinde, sondern würklich auch den Wert meiner verlebten Jahre, meinen Schweiß, meine Mühe, meine Gedanken, meine Sprache – ich habe sie mir erworben!” Und sollte für den Erstling der Menschheit eine solche Signatur der Seele auf eine Sache, durch Kennenlernen, durch Merkmal, durch Sprache, nicht mehr Recht des Eigentums sein als ein Stempel in der Münze? (HERDER [1772] 1978a: 188): […] da Sprache eigentlich Merkwort des Geschlechts, Band der Familie, Werkzeug des Unterrichts,
139 Heldengesang von den Taten der Väter und die Stimme derselben aus ihren Gräbern war. (ROUSSEAU [1781] 1968: 27): La parole distingue l’homme entre les animaux […]. (ROUSSEAU [1781] 1968: 27): […] la parole étant la prémiére institution sociale ne doit sa forme qu’à des causes naturelles. (RIVAROL [1784] 1998: 82–83): Le langage est la peinture de nos idées, qui à leur tour sont des images plus ou moins étendues de quelques parties de la nature. Comme il existe deux mondes pour chaque homme en particulier, l’un hors de lui, qui est le monde physique, et l’autre au-dedans, qui est le monde moral ou intellectuel, il y a aussi deux styles dans le langage, le naturel et le figuré. Le premier exprime ce qui se passe hors de nous et dans nous par des causes physiques; il compose le fond des langues, s’étend par l’expérience, et peut être aussi grand que la nature. Le second exprime ce qui se passe dans nous et hors de nous; mais c’est l’imagination qui le compose des emprunts qu’elle fait au premier. Le soleil brûle, le marbre est froid, l’homme désire la gloire: voilà le langage propre ou naturel. Le coeur brûle de désir, la crainte le glace, la terre demande la pluie: voilà le style figuré, qui n’est que le simulacre de l’autre et qui double ainsi la richesse des langues. Comme il tient à l’idéal, il paraît plus grand que la nature. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 10–11): “[…] une langue est, 1°. la totalité des mots qu’une nation s’est appropriés pour 1’expression des idées et des affections; et 2°. la totalité des procédés qu’elle a adoptés pour lier ces mots entr’eux, et les faire concourir à l’expression des pensées”. (BERNHARDI [1805] 1990: 1): Dasjenige Ganze von articulirten Lauten, durch welches der Mensch seine Vorstellungen darstellt, wird Sprache genannt. 2) In dem eben hingestellten Begriffe liegen also drei Merkmale: a) die Vorstellung, b) die Darstellung, c) der articulirte Laut. 3) Von diesen drei Punkten wird der erste ganz vorausgesetzt; wo es nöthig ist, wird historisch gesagt: so und nicht anders finde es sich in den Vorstellungen und darum müsse es sich in der Darstellung eben so finden.
140 (BERNHARDI [1805] 1990: 21): Sprache ist Darstellung von Vorstellungen durch articulirte Laute […]. (BERNHARDI [1805] 1990: 34): Die Sprache selbst ist ein System von Begriffen und von ihr läßt sich auf diese zurückschließen. (BERNHARDI [1805] 1990: 161–162): Die Sprache ist nemlich etwas der Freiheit ganz unmittelbar unterworfenes, ein Instrument, welches sie brauchen kann, wie sie will und damit sie dies könne, muß man gleichsam von jedem Punkte aus nach dem andern Linien ziehen können.
III.
1. Ebenen der Sprachbetrachtung Das Wesen der Sprache ist ein außerordentlich komplexer und vielschichtiger Gegenstand, da die sprachtheoretisch relevanten Texte des 17. und 18. Jahrhunderts den Begriff ausgehend von einer Vielzahl von Perspektiven und Erklärungsansätzen zu beschreiben versuchen, wobei sowohl unterschiedliche Ebenen der Sprachbeschreibung als auch unterschiedliche Sprachfunktionen Berücksichtigung finden. Allerdings wird der Begriff selbst nicht unter der konkreten Bezeichnung Wesen der Sprache thematisiert, obwohl die zahlreichen Erklärungsversuche zeigen, dass vor dem Horizont der sprachtheoretischen Reflexionen des 17. und 18. Jahrhunderts ein deutliches Bewusstsein dieses Begriffs erkennbar ist. Charakteristisch für die Betrachtung des Wesens der Sprache ist die Berücksichtigung sowohl sprachimmanenter als auch externer Faktoren, die den Begriff ausgehend von verschiedenen Blickwinkeln beschreiben. Neben systemimmanenten Faktoren wie der Beschreibung z. B. der ĺ Grammatik, ĺ Syntax oder Phonetik finden sich zeichentheoretische Ausführungen über Sprache als ein semiotisches System (ĺ Zeichen und Idee), das mit den Eigenschaften der ĺ Arbitrarität, ĺ Konvention und ĺ Natürlichkeit versehen wird und im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit mit anderen semiotischen Systemen wie etwa tierischen Kommunikationsformen (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)) oder den Gebärdensprachen der Taubstummen (ĺ defi-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken zitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell); ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) verglichen wird. Schon im 17. und 18. Jahrhundert lässt sich ein Bewusstsein von der Systemhaftigkeit der Sprache nachweisen, da Sprache als Phänomen aus verschiedenen hierarchischen Ebenen gesehen wird, denen jeweils unterschiedliche Funktionen zugewiesen sind, die sich einander ergänzen und das Wesen der Sprache im Ganzen ausmachen (vgl. hierzu etwa die sprachtheoretischen Auffassungen von HARRIS, HOLDER oder BERNHARDI). Bei verschiedenen Ansätzen der Sprachbeschreibung lassen sich zwei unterschiedliche Perspektiven nachweisen, die den systematischen Charakter von Sprache berücksichtigen: Entweder wird Sprache in einem holistischen Ansatz als ein fertiges Ganzes betrachtet, das aus mehreren hierarchischen Ebenen besteht (so etwa bei HOLDER, LAMY oder BERNHARDI), oder Sprache wird aus einer genetischen Perspektive als Produkt eines komplexen historischen Entstehungsprozesses beschrieben. Der holistische Ansatz begreift Sprache gleichsam als ein Epiphänomen, dessen Zustandekommen nicht unbedingt diskutiert werden muss. Ein Bewusstsein für die Existenz verschiedener Ebenen der Sprache findet sich z. B. bei HARRIS, der Sprache als eine Einheit sieht, die ebenso wie eine Statue in verschiedene Teile zerlegbar ist und die aus Substanz (matter) und Form (form) besteht. Im 17. Jahrhundert lässt sich außerdem bereits ein Wissen um die Kreativität der Sprache und die Vielfalt der Kombinationsmöglichkeiten, die innerhalb des Sprachsystems denkbar sind, nachweisen. So werden Kombinierbarkeit und Kreativität als Charakteristika der Sprache etwa von CORDEMOY beschrieben, für den Sprechen nicht in einer Wiederholung von Worten besteht, die das Ohr bereits vernommen hat, sondern in der Möglichkeit, ausgehend von dem Gehörten neue Wörter zu erfinden. Ende des 18. Jahrhunderts verweist auch BERNHARDI auf die Kreativität von Sprache, die er als ein “der Freiheit ganz unmittelbar unterworfenes [Instrument]” erachtet, das es erlaubt, “von jedem Punkte aus nach dem andern Linien [zu] ziehen”.
Wesen der Sprache Neben dem holistischen Ansatz, der Sprache als ein fertiges Ganzes begreift, wird sie aus einer genetisch orientierten Perspektive als ein Phänomen betrachtet, das vom Menschen erst mühsam erschaffen werden muss und über die Stadien des Sprachursprungs (ĺ Ursprung), der Sprachentwicklung und der Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) schließlich in einen Zustand des Niedergangs, der ĺ Korruption, übergeht. Bei dieser Form der externen Sprachbetrachtung wird Sprache ausgehend von einer genetischen Perspektive im Rahmen einer historischen Entwicklung als Gegenstand eines permanenten Wandels untersucht (ĺ Sprachveränderung). Wesentlich für genetisch orientierte Erklärungsmuster von Sprache ist insbesondere auch die Abgrenzung zwischen Sprache und Sprachfähigkeit, da ein holistischer Erklärungsansatz, der Sprache als ein dem Menschen a priori verliehenes Ganzes konzipiert, Möglichkeiten einer genetischen Erklärung der Sprachentstehung einschränkt. Eng mit der Untersuchung des Wesens der Sprache ist die Betrachtung des Ursprungs (ĺ Ursprung) verbunden, da man sich insbesondere im 18. Jahrhundert von der Spekulation über die Entstehung von Sprache Einsichten sowohl in das Wesen der Sprache als auch in das Wesen des Menschen erhoffte. Sprache und Sprachfähigkeit werden im 17. Jahrhundert von DESCARTES und im 18. Jahrhundert von HERDER als anthropologische Konstanten beschrieben, die den Menschen gegenüber dem Tier auszeichnen und ihn als privilegiertes Geschöpf erscheinen lassen. Gegen die cartesische Konzeption des Menschen als Krone der Schöpfung und einzigem Inhaber von Sprache und Vernunft wendet sich CONDILLAC im Traité des animaux (1755), der damit die bereits ab dem 17. Jahrhundert leidenschaftlich geführte Diskussion um die Existenz einer ‘Tiersprache’ fortführt (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Für die Diskussion um das Wesen der Sprache spielen im Zusammenhang mit Theorien zum ĺ Ursprung insbesondere auch Theorien zum ĺ Spracherwerb eine wichtige Rolle. Wird der Mensch erst einmal als ein homo loquens, als ein sprechender Mensch, definiert,
141 so stellt sich die Frage, wie er zur Sprache und damit zum Menschsein gelangte. Um Aufschluss über den Ursprung der Sprache zu erhalten, erscheint es daher nahe liegend, verschiedene hypothetische Probandengruppen von sprachlich Depravierten zu konsultieren, da sie am ehesten eine Hypothesenbildung über die Sprachgenese erlauben (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Spekulationen über die Entstehung der Sprache beinhalten auch oftmals Reflexionen über die Existenz einer verloren gegangenen ĺ Ursprache. Hypothetische Rekonstruktionen einer Ursprache des Menschengeschlechts zeugen ebenso wie die insbesondere im 17. Jahrhundert zahlreich auftretenden Versuche der Erfindung einer ĺ Universalsprache von dem Bemühen, sprachliche Universalien (ĺ Universalität und Verschiedenheit) zu entdecken, die im Sinne eines Vollkommenheitsdenkens in eine perfekte Sprache münden sollten (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Die Idealvorstellung sprachlicher Vollkommenheit beeinflusst zudem in maßgeblicher Weise die Wertung konkreter Einzelsprachen, die oftmals auch im Zusammenhang der Sprachbeschreibung anzutreffen ist (ĺ Apologie). Neben universalistisch geprägte Sichtweisen treten solche, die sich den Besonderheiten konkreter Nationalsprachen widmen (ĺ besonderer Charakter einer Sprache), neben dem philosophischen Sprachvergleich steht der wertende Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), neben die grammatische Beschreibung von Sprachen, basierend auf der Gleichsetzung von Sprache und ĺ Grammatik, tritt die pragmatische Beschreibung des Wesens der Sprache als eines Mediums der Kommunikation und sozialen Interaktion (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Sprache wird dann als ihr aktueller ĺ Gebrauch beschrieben. Neben die grammatische und die pragmatische Betrachtung von Sprache tritt die Ebene der phonetischen Beschreibung, wobei insbesondere der ĺ Artikulation eine besondere Bedeutung zugemessen wird. Das Wesen der Sprache wird in einer Vielzahl sprachtheoretisch und sprachphilosophisch relevanter Texte des 17. und 18. Jahr-
142 hunderts als Grundlage allgemeiner Überlegungen zum Themenkreis Sprache schlechthin beschrieben. Freilich wird der Begriff ‘Wesen der Sprache’ nicht unter dieser Bezeichnung behandelt; jedoch zeigen die verschiedenen Texte, dass die Autoren sehr wohl eine genaue Vorstellung von ihrem Gegenstand haben und dem Begriff eine Vielzahl von Attributen zuordnen. Je nach Sichtweise auf das Phänomen Sprache werden unterschiedliche Aspekte hervorgehoben. So wird z. B. auf den Spuren der antiken Sprachreflexion und namentlich unter dem Eindruck von PLATONs Kratylos, dem ältesten erhaltenen Dokument abendländischer Sprachreflexion, Sprache als Mittel der Darstellung der inneren Vorstellung des Menschen betrachtet. In diesem Sinne sieht u. a. BERNHARDI Sprache als eine Gesamtheit von artikulierten Lauten, mit deren Hilfe der Mensch seine Ideen und Vorstellungen nach außen einem Gegenüber darstellt. Derselbe BERNHARDI führt aber neben dieser eher ganzheitlich orientierten Beschreibung des Wesens der Sprache auch Charakterisierungen an, die auf jeweils verschiedene Aspekte der Sprache eingehen: Einerseits verweist er auf die repräsentative Funktion von Sprache, indem er sie als die “Darstellung von Vorstellungen durch articulirte Laute” beschreibt und nähert sich dem Wesen der Sprache somit von einem sprachphilosophisch und sprachtheoretisch orientierten Ansatz. Andererseits betrachtet er das Wesen der Sprache aus einer eher phonetisch-prosodischen Perspektive heraus, wenn er Sprache als ein “System von Tönen” charakterisiert (ĺ Prosodie / Akzent), die musikalisch angeordnet werden; zugleich zieht er die etymologische Herangehensweise als Verfahren zur Konstruktion sprachlicher Elemente heran (ĺ Etymologie), die ihrerseits auf dem Prinzip der ĺ Analogie beruht. Darüber hinaus besitzt Sprache für BERNHARDI aber auch imitatorischen Charakter. Der Imitation kommt namentlich im Kontext genealogischer Erklärungsmuster, die sich dem Ursprung der Sprache (ĺ Ursprung) widmen, besondere Relevanz zu. Sprache ist für BERNHARDI aber nicht nur die “Darstellung von Vorstellungen durch articulirte Laute” oder ein “System von Tönen”, sondern sie ist zugleich auch ein
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken “System von Begriffen”, eine Art Nomenklatur. 2. Sprachfunktionen: Kognitive und kommunikative Sprachfunktionen Die Komplexität des Wesens der Sprache wird auch an der Polyvalenz sprachlicher Funktionen deutlich: So wird etwa zwischen der kognitiven und der kommunikativen Funktion der Sprache unterschieden und je nach Gewichtung eventuell einer der beiden Funktionen der Primat zugesprochen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). Aus einer eher erkenntnistheoretisch geprägten Perspektive heraus betont etwa CONDILLAC die konstitutive Rolle der Sprache für das Denken. Demgegenüber erachtet beispielsweise ROUSSEAU die Sprache primär als ein Instrument sozialer Interaktion und Kommunikation (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Viele Autoren wie z. B. COMENIUS, LAMY, LEIBNIZ LOCKE, BERNHARDI oder ZEDLER verweisen schon von vornherein auf die Existenz der kognitiven und kommunikativen Funktion der Sprache, die als die beiden zentralen Sprachfunktionen betrachtet werden. So ist für LEIBNIZ etwa die Sprache ein “Spiegel des Verstandes”, aber zugleich auch Mittel, die “menschlichen Gemüther zusammen [zu] füge[n]”. Als ein Mittel der Gedankenübermittlung wird Sprache definiert bei COMENIUS, LAMY, CORDEMOY, HOLDER, LOCKE, ZEDLER, BEAUZÉE, HERDER, ROUSSEAU und BERNHARDI. Im Zusammenhang mit der kognitiven Funktion (ĺ kognitive Funktion der Sprache) wird insbesondere auch auf die mnemotechnische Funktion von Sprache verwiesen. So erachtet z. B. schon HOBBES Sprachzeichen als marks of ideas, als Merkzeichen unserer Ideen, die als Grundlage unseres Gedächtnisses dienen. Auch HERDER spricht ähnlich wie HOBBES von Merkworten und Merkzeichen unserer Erinnerung, die das Denken erst ermöglichen. Für LOCKE besteht eine wesentliche Funktion von Sprache in ihrer Fähigkeit, Abstraktionen zu formulieren und auf diese Weise Wissen zu ordnen. Allerdings spielt auch die kommunikative Funktion der Sprache für LOCKE eine entscheidende Rolle, da er sie als einendes Band menschlicher Gesellschaft beschreibt.
Wesen der Sprache Für die kommunikative Funktion der Sprache (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) ist es im Allgemeinen wesentlich, dass sie immer im Zusammenhang mit der Existenz einer Gesellschaft von Sprechern behandelt werden muss, wobei entweder genetische Aspekte der Sprachbetrachtung (ĺ Ursprung) oder pragmatische Beschreibungsansätze, die Sprache als Kommunikationsinstrument einer Sprechergemeinschaft unter dem Gesichtspunkt des Gebrauchs (ĺ Gebrauch) beschreiben, im Vordergrund stehen. Ein repräsentatives Beispiel für diese Art der Sprachbetrachtung, die primär die soziale und kommunikative Funktion der Sprache untersucht, ist BEAUZÉEs Artikel Langue aus der Encyclopédie. Hier wird ‘Sprache’ als Gesamtheit der verschiedenen Sprachgebräuche einer Nation (la totalité des usages propres à une nation) definiert und als Medium der Mitteilung unserer Gedanken (le véhicule de la communication des pensées) beschrieben. In diesem Zusammenhang wird insbesondere das Problem der Notwendigkeit der Existenz einer Gesellschaft diskutiert, die mit der Einrichtung einer sprachlichen ĺ Konvention betraut ist. Die Schwierigkeit, eine sprachliche Konvention festzulegen, ohne bereits über Sprache zu verfügen, wird im Artikel Langue ausgehend von ROUSSEAUs Überlegungen zum Problem der Konvention im Discours de l’inégalité (1755) behandelt. Da die Möglichkeit einer menschlichen Spracherfindung am Problem der Anteriorität von Sprache und Gesellschaft scheitert, erscheint es BEAUZÉE nicht angemessen, von einer rein menschlichen ĺ Ursprache auszugehen. Eine menschliche Gesellschaft ohne Sprache ist nach BEAUZÉEs Konzeption nicht denkbar, da Sprache überhaupt erst das Mittel der Stiftung einer Gemeinschaft sein kann (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Der gesellschaftliche Umgang wird von BEAUZÉE als Movens der Weiterentwicklung von Sprache charakterisiert, da selbst Taubstumme (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) versuchten zu kommunizieren. Stummheit sei nur ein Ergebnis von Taubheit. Wie sehr der Mensch für den Gebrauch der Sprache abhängig von der Gesellschaft ist, beweist BEAUZÉE am Beispiel der ‘wilden Kinder’, die man vor allem im 18. Jahrhundert abgeschieden von aller Zivilisation in
143 Gesellschaft von Tieren in den Wäldern Europas aufgefunden und beschrieben hat. Soziale Isolation vereitelt hier den Erwerb menschlicher Sprache (ĺ Spracherwerb). Das Beispiel von BEAUZÉEs Encyclopédie-Artikel Langue zeigt, wie sehr Argumentationen über die kommunikative Funktion von Sprache im 18. Jahrhundert mit der gängigen Form der genetischen Sprachbetrachtung verknüpft sind, wobei dem Ursprung der Sprache und dem Spracherwerb eine besondere Rolle zukommt. Eine stärker pragmatisch orientierte Betrachtung des Wesens der Sprache findet sich demgegenüber im Encyclopédie-Artikel Langage von JAUCOURT. Dieser beschreibt ‘Sprache’ entsprechend der Formulierung des HORAZ als modus & usus loquendi, indem er die Sprache mit dem Sprachgebrauch selbst identifiziert (ĺ Gebrauch). Sprache ist für JAUCOURT die Mitteilung von Gedanken in einer aktuellen Sprechsituation mit Hilfe von Wörtern und Gesten, die dem besonderen Charakter des jeweiligen Volkes, seinen Sitten und seinen klimatischen Verhältnissen entsprechen. Mit diesem Ansatz stellt sich JAUCOURT in die Tradition eines CONDILLAC, der ebenfalls ein génie d’une langue, einen besonderen Charakter einer Sprache, annimmt (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Der langage ist somit für JAUCOURT der konkrete, aktuelle Gebrauch einer bestimmten Einzelsprache. Das Wesen der Sprache wird hier auf der Ebene der Pragmatik betrachtet und im Sinne der kommunikativen Funktion interpretiert (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Zumeist wird das Wesen der Sprache im Spannungsfeld von Theorien der Erkenntnis, der Gesellschaftsentstehung und des Kommunikationsvorgangs untersucht. Zwischen den beiden Ebenen der kognitiven und kommunikativen Funktion der Sprache vermittelt die Betrachtung des Verhältnisses von Darstellung und Vorstellung (ĺ kognitive Funktion der Sprache, ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Während die Vorstellung dem Bereich der inneren, mentalen und kognitiven Vorgänge zuzuordnen ist, verweist die Funktion der Darstellung auf die äußere Repräsentation dieser mentalen Vorgänge. Die Dichotomie Darstellung – Vorstellung, die etwa für die Sprachbetrachtung von VICO ebenso wie
144 von BERNHARDI wesentlich ist, zeigt, wie stark kognitive und kommunikative Sprachfunktionen miteinander verflochten sind. Von untergeordneter Bedeutung erscheinen demgegenüber ästhetisch-affektive Sprachfunktionen, die aber bei Autoren wie HERDER, ROUSSEAU, SULZER oder auch in der Encyclopédie näher betrachtet werden. So würdigt SULZER etwa vor allem die ästhetische Funktion der Sprache als Ausdruck von Leidenschaften und Medium der Darstellung innerer Seelenzustände. SULZER spricht von einer ‘Sprache des Herzens’, die als ‘Sprache der Natur’ die verschiedenen Leidenschaften jeweils unterschiedlich darstelle. Die affektive Funktion der Sprache wird auch in JAUCOURTs Darstellung in der Encyclopédie hervorgehoben, in der eine Unterscheidung zwischen der ‘Sprache des Herzens’ (langage du cœur) und der ‘Sprache des Geistes’ (langage de l’esprit) vorgenommen wird. Dabei wird die ‘Sprache des Herzens’ mit dem Attribut der ĺ Natürlichkeit versehen und aus dem Bereich der ĺ Arbitrarität nahezu völlig verbannt. Die ‘Sprache des Herzens’ ist eine Sprache der Affekte, die sich bedingt durch ihre Spontaneität Konventionalisierungsprozessen weitgehend entzieht (ĺ Konvention). Zur ‘Sprache des Herzens’ gehören insbesondere die Interjektionen (ĺ Interjektion), die auch als ein Reflex der physischen Disposition des menschlichen Körpers angesehen werden (vgl. dazu auch die Sprachursprungstheorie von DE BROSSES, die in ĺ Ursprung näher beschrieben wird). Die ‘Sprache des Herzens’ spricht zwar vor allem zum Herzen des Kommunikationspartners, vermag allerdings unter Umständen auch, an den Verstand des Gegenübers zu appellieren. Neben dieser affektiven Funktion von Sprache lassen sich noch weitere Funktionen beschreiben, denen im Zusammenhang der Diskussion um das Wesen der Sprache Relevanz zukommt und die im weitesten Sinne unter der sozialen Funktion von Sprache subsumiert werden können. So klassifiziert z. B. HERDER Sprache als Merkwort des Geschlechts, Band der Familie, Werkzeug des Unterrichts, Heldengesang von den Taten der Väter und die Stimme derselben aus ihren Gräbern. HERDER bezieht sich hier vor allem auf die soziale und kommunikative Funktion
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken der Sprache, wobei er zugleich auf ihre pädagogisch-didaktische Funktion als Mittel der Wissensübermittlung verweist. Neben dieser pädagogischen Funktion spricht er ihr aber auch eine mythische Funktion zu, wenn er im Geiste der Frühromantik Heldengesänge und transzendente Erfahrungen evoziert. Abgesehen von dieser romantisch inspirierten Auffassung von Sprache deutet HERDER ihre Notwendigkeit aber auch in einem eher pragmatischen Sinn, indem er Sprache als Signatur der Seele auf eine Sache und als Siegel [meines] Eigentums bezeichnet. Das Wesen der Sprache besteht nach dieser Konzeption in ihrer Fähigkeit, Eigentumsverhältnisse zu etablieren und auf diese Weise gesellschaftliche Strukturen zu erschaffen und zu erhalten (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Sprache wird somit zu einem Instrument der Macht. Wie sehr Sprache allerdings auch als ein Instrument des Missbrauchs von Macht anzusehen ist, wird von HERDER nicht thematisiert. Das Problem des Missbrauchs der Sprache und der daran geknüpften usurpatorischen Vorgehensweisen despotischer Herrscher und Oligarchen wird allerdings von Autoren wie LOCKE, ROUSSEAU oder HELVÉTIUS näher behandelt (ĺ Missbrauch). 3. Semiotische Sprachkonzeptionen Grundlegend für eine Vielzahl von Auffassungen über das Wesen der Sprache im 17. und 18. Jahrhundert ist eine semiotische Betrachtungsweise, die Sprache als ein Zeichensystem zur Kommunikation von Gedanken begreift. Wenn Sprache im Sinne von LEIBNIZ als ‘Spiegel des Verstandes’ aufgefasst wird, der es ermöglicht, die “menschlichen Gemüther zusammen [zu fügen]”, bezieht sich LEIBNIZ neben der kommunikativen Funktion von Sprache auch auf ihre Fähigkeit, als Zeichensystem Gedanken zu gliedern und von der Ebene der Vorstellung zu derjenigen der Darstellung übergehen zu können (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ Zeichen und Idee). Im 17. Jahrhundert finden sich im Rahmen zeichentheoretischer Überlegungen immer wieder binäre Zeichenkonzeptionen, die das sprachliche Zeichen als eine Entität aus Signifikat und Signifikant auffassen. In diesem
Wesen der Sprache Sinne sieht etwa COMENIUS Sprache als verborum res significantium, & menti præsentantium apparatus an. Als Fundament der Sprache wird bei COMENIUS die Übereinkunft über eine Nomenklatur der Dinge und die Bedeutung der Worte (Nomenclaturam Rerum, & de Vocum significatione Consensum) betrachtet. Das Funktionieren des sprachlichen Zeichens ist somit abhängig von der ĺ Konvention, von der gesellschaftlichen Sanktionierung sprachlicher ĺ Bedeutung. Entscheidend für die Formulierung dieser Konvention sind sprachliche Normen und Gesetze, die die Sprache strukturieren (Sermonis struendi Leges; certis legibus, ad ordinatæ structuræ formam) (ĺ Normierung). Das sprachliche Zeichen wird dabei mit der Aufgabe versehen, das Wesen der Dinge in ästhetisch befriedigender Weise zum Ausdruck zu bringen (Verba constituantur tot quot Rebus omnibus pulchrè exprimendis sufficiat) und muss somit nicht nur semantischen, sondern auch ästhetischen Kriterien genügen. Der Bezug zwischen Lautbild und Konzept wird auch von LAMY behandelt, wobei seine diesbezüglichen Überlegungen vom Geiste des Cartesianismus geprägt sind. Für LAMY besteht das Wort nämlich aus zwei Elementen, dem Körper (le corps) und der Seele (l’ame). LAMYs Sprachauffassung lehnt sich an DESCARTES’ Dualismus an, der die Sprache als körperlichen Ausdruck der Seele, des Verstandes, konzipiert. Für LAMY sind unsere geistigen Vorstellungen, unsere Ideen, die Seele der Worte. Der Geist selbst befehle unseren Sprechwerkzeugen, Laute zu bilden, die Zeichen unserer Ideen sind. Die Sprachlaute besitzen zwar keinerlei Ähnlichkeit mit den Ideen, sind aber nichtsdestotrotz Bedeutungsträger (ĺ Zeichen und Idee). Sie sind der materielle Teil bzw. der Körper der Worte. LAMY erachtet Sprache also als ein auf ĺ Arbitrarität beruhendes System, das aus Lautbildern besteht, die ĺ Bedeutung tragen. Die Sprache ist für ihn eine Ansammlung einfacher Laute (un assemblage de sons simples), deren Buchstaben als Zeichen dienen (ĺ Laut vs. Buchstabe). Damit vertritt LAMY die Auffassung, dass die ĺ Schrift ein sekundäres Repräsentationssystem gesprochener Sprache sei und begreift Sprache primär als artikulierte Lautsprache. Als wesentliches
145 Charakteristikum menschlicher Lautsprache hebt er ihren arbiträren Charakter hervor. Die Auffassung von der Sprache als einem System arbiträrer Zeichen finden wir auch in einer Vielzahl von Traktaten des 18. Jahrhunderts, so etwa in den sprachtheoretischen Überlegungen CONDILLACs, ROUSSEAUs, HERDERs, DE BROSSES’ oder auch in Zedlers Universallexicon (ĺ Arbitrarität). Im Artikel Sprache wird hier insbesondere die Legitimität des – in dieser Zeit häufig auftretenden – wertenden Sprachvergleichs (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) hinterfragt. Alle Sprachen seien “dem Wesen nach […] willkührliche Zeichen”. Grundlage für das Funktionieren von Sprache ist somit ihr arbiträrer Charakter. Da die Arbitrarität jedoch Grundlage aller Sprachen sei, sei es nicht gerechtfertigt, bestimmte Einzelsprachen als anderen überlegen zu klassifizieren. Durch jeweils verschiedene “zufällige Umstände” wie etwa “das Alter, die Weitläufigkeit, die Annehmlichkeit in der Aussprache” bildeten sich in verschiedenen Einzelsprachen jeweils unterschiedliche Zuordnungen von Laut und Konzept heraus, die jedoch alle als berechtigt erschienen, da die Arbitrarität Grundprinzip aller Sprachen sei (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Der arbiträre Charakter des sprachlichen Zeichens ist somit verantwortlich für die Diversität der Einzelsprachen. Jeweils unterschiedliche “zufällige Umstände” tragen zur Ausformung des jeweils verschiedenen Charakters einer Einzelsprache bei (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Der arbiträre Charakter begünstigt nicht nur die Ausformung verschiedener Einzelsprachen (ĺ Arbitrarität). Er wurde etwa von LOCKE auch für die fehlende Stabilität der Relation zwischen Lautbild und Konzept verantwortlich gemacht, da Wörter als Merkzeichen gesellschaftlich sanktionierter Begriffe in Wirklichkeit nur willentlich festgelegte instabile Zeichen unserer Ideen seien (no more but voluntary and unsteady signs of [their] own ideas). Das Zeichen ist somit Ergebnis eines Konventionalisierungsprozesses, der die Zuordnungen zwischen Lautbild und Konzept festlegen muss (ĺ Konvention;ĺ Zeichen und Idee).
IV. Überlegungen zum Wesen der Sprache lassen sich als fundamentale Fragestellung
146 der Sprachtheorie und Sprachphilosophie von der Antike bis in die Gegenwart hin verfolgen. Dabei nimmt das Nachdenken über das Wesen der Sprache seinen Anfang in PLATONs Kratylos, dem ältesten Dokument abendländischer Sprachreflexion, in dem vor allem das Problem der Relation zwischen Wort und Ding untersucht wird. Hauptfrage ist, ob der Bezug zwischen Lautkörper und Konzept natürlich oder arbiträr motiviert sei (zu dieser Diskussion vgl. auch ĺ Arbitrarität). Zugunsten der ĺ Natürlichkeit der Sprache werden Etymologien angeführt (ĺ Etymologie), deren Ernsthaftigkeit allerdings bezweifelt werden darf. Hauptargument für die Arbitrarität des Sprachzeichens ist die Verschiedenheit der Einzelsprachen (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Im Kratylos werden allerdings auch andere sprachphilosophische Problemkreise angeschnitten, wie etwa die Frage, ob Sprache als Instrument der Übermittlung von Wahrheit geeignet sei oder nicht. In diesem Zusammenhang entwickelt sich auch eine Diskussion des Sprachmissbrauchs (ĺ Missbrauch) vor dem Hintergrund der Sophistik als maßgeblicher philosophischer Orientierung der Zeit PLATONs. Wichtige Impulse erfährt die Diskussion um das Wesen der Sprache durch ARISTOTELES, dessen Auffassung vom arbiträren Charakter des Sprachzeichens die gesamte weitere Diskussion entscheidend beeinflusste (ĺ Arbitrarität). Im Unterschied zu PLATON entscheidet sich ARISTOTELES nämlich zugunsten des arbiträren Zeichencharakters. “Non natura, sed ad placitum”, nicht gemäß der Natur, sondern nach dem Belieben des Menschen erhält das Wort seine Bedeutung nach der aristotelischen Sprachauffassung. Ihr Niederschlag ist in der Vielzahl der Schriften, die sich dieser Auffassung angeschlossen haben, deutlich spürbar (vgl. dazu Teil III., insbesondere die Sprachkonzeptionen von COMENIUS, CARAMUEL Y LOBKOWITZ, LAMY, LOCKE oder Zedlers Universallexicon). Auch der konventionelle Charakter der Sprache wurde von ARISTOTELES postuliert, der den Menschen primär als ein Gemeinschaftswesen begreift. Die daraus resultierende Privilegierung der kommunikativen Funktion von Sprache tritt insbesondere in der Sprachauffassung ROUSSEAUs in Erscheinung
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Wichtige Impulse zur Diskussion der ĺ Konvention finden sich im 20. Jahrhundert in den Beiträgen von WITTGENSTEIN und LEWIS, die beide den Begriff ausdehnen und in einem noch allgemeineren Sinn als dem rein sprachlichen interpretieren. So ist für WITTGENSTEIN ‘Konvention’ nicht nur eine Übereinstimmung von Meinungen, sondern gar der Lebensformen und für LEWIS stellen Konventionen Verhaltensregularitäten in bestimmten Situationen dar, in denen das Verhaltensmuster einer allgemeinen Erwartung entspricht. Die Diskussion der ĺ Arbitrarität des Zeichens, die sich über die Jahrhunderte hinweg verfolgen lässt, wird ihrerseits seitens der Sprachwissenschaft im 20. Jahrhundert in Unkenntnis der aristotelischen sprachtheoretischen Tradition vor allem auf der Grundlage der Arbeiten SAUSSUREs fortgeführt, der in zahlreichen Lexika und einführenden Werken der Sprachwissenschaft gleich zum Erfinder der Arbitrarität erklärt wird. Auch SAUSSUREs Auffassung von ‘Sprache’ als einer Algebra der Zeichen, d. h. als eines Systems mit Laut- und Bedeutungsform, schließt im Wesentlichen an die auch im 17. und 18. Jahrhundert geläufige Auffassung vom Sprachzeichen als einer binären Entität aus Laut und Bedeutung an (ĺ Zeichen und Idee). Zeichentheoretische Auffassungen des Aristotelismus gelangen vermittelt über den mittelalterlichen Universalienstreit in die Diskussion um das Wesen der Sprache im 17. und 18. Jahrhundert hinein. Das 20. Jahrhundert knüpft durch die Arbeiten SAUSSUREs ebenfalls an diese Problemstellung an. Neben semiotisch orientierten Auffassungen vom Wesen der Sprache als System von Zeichen lässt sich aber auch im Hinblick auf die Konzeption von Sprache als Medium des sozialen Verhaltens eine bemerkenswerte Kontinuität nachweisen. So wird die Bedeutung der Sprache für die Stiftung von Gesellschaft, die etwa LOCKE oder ROUSSEAU ausdrücklich betont hatten, im 20. Jahrhundert durch die Arbeiten von BLOOMFIELD und MEAD hervorgehoben (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Relevanz von Spra-
Wesen der Sprache che wird das Wesen der Sprache im 20. Jahrhundert auch Gegenstand semiotisch-pragmatischer Überlegungen etwa bei MORRIS. Die Gleichsetzung von Sprache und Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) findet sich in zugespitzter Form bei WITTGENSTEIN, der das Wesen der Sprache vor allem im Sinne eines Sprachspiels konzipiert, dessen Struktur er jedoch als nicht hintergehbar bezeichnet. Auch für Theorien von der zentralen Rolle der Sprache als Instrument des Denkens und der Erkenntnis lässt sich eine bemerkenswerte Kontinuität nachweisen (ĺ kognitive Funktion der Sprache). So wird etwa die Auffassung von der Sprache als Organon oder Werkzeug des Denkens, die sich schon bei PLATON und ARISTOTELES findet, im 19. Jahrhundert von HUMBOLDT weiterentwickelt, für den Sprache energeia, die energetisch-dynamische Tätigkeit des menschlichen Geistes, ist. HUMBOLDT knüpft ebenfalls an die im 18. Jahrhundert weit verbreitete These an, dass verschiedene Einzelsprachen ein verschiedenes Weltbild vermitteln (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Die Konzeption vom ‘Weltbild der Sprache’, die im 18. Jahrhundert bereits von CONDILLAC, HERDER oder CESAROTTI vertreten worden war, wird im 20. Jahrhundert durch die Arbeiten von SAPIR und WHORF aufgegriffen, die ebenfalls die Sprachrelativität des Denkens postulieren. Für sprachrelativistische Auffassungen besteht das Wesen der Sprache darin, als Determinante menschlicher Seins-, Denk- und Verhaltensweisen zu fungieren. Auffassungen vom Wesen der Sprache als einem historisch und kulturell geformten Phänomen, das permanentem Sprachwandel unterliegt (ĺ Sprachveränderung), stehen im 20. Jahrhundert Konzeptionen entgegen, die Sprache als eine artspezifische, biologisch determinierte Erscheinung auffassen, die festen hierarchischen Regeln unterliegt. In diesem Sinne verstehen etwa CHOMSKY und LENNEBERG ‘Sprache’ als ein Organ, das auf der Grundlage angeborener Regeln entsteht und sich weiterentwickelt (ĺ Spracherwerb). Für seine innatistische Konzeption vom Wesen der Sprache beruft CHOMSKY sich ausdrücklich auf DESCARTES, wenngleich diese Referenz in der Geschichte der Sprachwissenschaft zahlreiche Polemiken entfacht hat,
147 nicht zuletzt deshalb, weil DESCARTES’ primäres Erkenntnisinteresse keineswegs im Bereich der Sprache lag (ĺ Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Allerdings lassen sich schon bei DESCARTES ebenso wie bei CORDEMOY oder später bei BERNHARDI Hinweise auf den kreativen Gebrauch der Sprache finden, der aus den vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten innerhalb des Sprachsystems resultiert und von CHOMSKY als creative use of language bezeichnet wird. Auch für die biologistischen Überlegungen von LENNEBERG ebenso wie für die verschiedenen Ansätze der Zoosemiotik (vgl. dazu die Arbeiten von TEMBROCK, SEBEOK, AITCHISON) finden sich im 17. und 18. Jahrhundert bereits erste Anknüpfungspunkte in der Diskussion um die Existenz von ‘Tiersprachen’ und die Unterschiede der artspezifischen Kommunikationsformen von Mensch und Tier (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Diese Diskussionen sind im allgemeineren anthropologischen Zusammenhang der Debatte um die Sonderstellung des Menschen als Sprachwesen im Reiche des Lebendigen zu betrachten. Reflexionen zum Wesen der Sprache sind jedenfalls im 18. Jahrhundert wie auch in der Folgezeit ganz wesentlich auch Überlegungen zum Wesen des Menschen. Das Wesen der Sprache wird auch in unserer Gegenwart immer wieder im Kontext anthropologischer Grundprämissen und Konstanten untersucht.
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Natürliche Sprache I. Lat. naturalis; dt. natürlich; engl. natural
Articulation, frz. Naturel / naturelle, signes naturels; ital. parlar naturale; span. natural. Die entsprechenden Adjektive finden sich überwiegend kopulativ und nicht attributiv mit den Bezeichnungen für Sprache verbunden, was auf ein niedriges Stadium der Begriffsbildung hinweist. Der Begriff variiert in seiner Verwendung zwischen der Kennzeichnung der geläufigen Alltagssprache, der Wertung anhand verschiedener Kriterien und dem Bezug auf die rationalistische Grundlage der Sprache.
II. (DANTE: De Vulgari Eloquentia, I, I, 4):
Harum quoque duarum nobilior est vulgaris: tum quia prima fuit humano generi usitata; tum quia totus orbis ipsa perfruitur, licet in diversas prolationes et vocabula sit divisa; tum quia naturalis est nobis, cum illa potius artificialis existat.
(VALDÉS [1534–1540?] 1737: 7): […] todos los hombres somos mas obligados a ilustrar, y enriquecer la lengua, que nos es natural, y que mamamos en las tetas de nuestras madres, que no la que nos es pegadiza, y que aprendemos en libros. (SANCTIUS 1587: 5b): An homo rationis particeps quicquam aget, dicet, machinabitur sine consilio & ratione? Audi Philosophos, qui nihil fieri sine causa obnixè testantur; audi Platonem ipsum, qui nomina & verba natura constare affirmat: qui sermonem esse à natura, non ab arte contendit. (SANCTIUS 1587: 6): Nomina certè & verba rerum naturam significare cum Platone affererem libentissimè, si hoc ille tantum de primaeua omnium linguarum affeuerasset. Ut in Genesi legimus. Formatis igitur Dominus Deus de humo cunctis animantibus terrae, & universis volatilibus caeli, adduxit ea ad Adam, ut videret quid vocaret ea: Omne enim quod vocavit Adam animae viventis ipsum
150 est nomen eius. appellavitque Adam nominibus suis cuncta animantia, & universa volatilia caeli, & omnes bestias terrae. Vides in illo primo sermone, quicunque ille fuit, nomina & etymologias rerum ab ipsa natura fuisse depromptas. (SANCTIUS 1587: 234a–b): 1. Si voces (ut ait Plato in Cratylo & Aulus Gellius libro. 10 capit. 4. & divinae literae nos passim docent) natura significant, quonam, obsecro, pacto uno eodemque nomine diversae naturae nuncupabuntur? Sin autem (ut) (docet Aristoteles, qui cum Platone non pugnat, modo rectè intelligatur) significent ex instituto (institutum autem seu ad placitum intelligo prudentium virorum, qui rerum inspecta natura nomina solent imponere) dementem & insanum impositorem vocum iudicemus oportet, qui mensam & librum uno nomine nominari praeceperit. (DU VAL 1604: Avant-propos, [8]): Et quoy que la vive voix soit une maistresse bien requise pour ceux qui desirent apprendre en peu de temps, si est-ce que parmy nous, plusieurs parlent si incongrument qu’il seroit plus utile de ne les point ouïr. Tout ce mal neantmoins ne procede sinon que ceste Langue nous estãt naturelle, nous en sçavons moins les reigles artificielles, pour les avoir negligees, tellement que les Estrangers qui nous veulent sonder de pres, trouvent qu’au fonds nous ignorons du tout nostre langue. (GODARD 1620: 33): Ce premier langage […] qui êt naturel aux François, qui, presque dez leur naissance en tirant par la bouche le lait des mamelles de leur nourrice, tirent aussi par l’oreille le langage François, de la bouche de leur nourrice. (DESCARTES [1641] 1953: 327): Comme, par exemple, la notion que j’ai de cette vérité, que ce qui a une fois été fait ne peut plus n’avoir point été fait, et une infinité d’autres semblables, que je connais par la lumière naturelle sans l’aide du corps; et qu’il en comprend aussi plusieurs autres qui n’appartiennent qu’au corps seul, et ne sont point ici non plus contenues sous le nom de nature; comme la qualité qu’il a d’être pesant, et plusieurs autres semblables, desquelles je ne parle pas aussi, mais seulement des choses que Dieu m’a données, comme étant composé de l’esprit et du corps. Or cette nature m’ap-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken prend bien à fuir les choses qui causent en moi le sentiment de la douleur, et à me porter vers celles qui me communiquent quelque sentiment de plaisir; mais je ne vois point qu’outre cela elle m’apprenne que de ces diverses perceptions des sens nous devions jamais rien conclure touchant les choses qui sont hors de nous, sans que l’esprit les ait soigneusement et mûrement examinées; Car c’est ce me semble à l’esprit seul, et non point au composé de l’esprit et du corps, qu’il appartient de connaître la vérité de ces choses-là. (LANCELOT [1644] 1736: 557): L’Hyperbate est le Mélange et la confusion qui se trouve dans les mots contre l’ordre naturel de la construction, qui devrait être commun à toutes les langues comme nous le voyons en la nôtre. Mais les Romains ont tellement affecté le discours figuré, qu’ils ne parlent quasi jamais autrement, et Horace est celui qui s’y est rendu le plus obscur. (HOLDER 1669: 85): But we may imagine the Vowel (a) to be made by the freest and openest passage of the Throat through the Mouth, and so to have a kind of natural Articulation without Art, onely by opening the Mouth […]. (LAMY [1675] 1688: 4): On distingue deux sortes de signes: les uns sont naturels, c’est à dire qu’ils signifioient par eux-même, comme la fumée est un signe naturel qu’il y a du feu. où on la voit. Les autres qui ne signifient que ce que les hommes sont convenus qu’ils signifieroient, sont artificiels: les mots sont des signes de cette sorte; aussi le même mot a differentes significations selon les langues où il se trouve […]. (LAMY [1675] 1688: 6): C’est à ceux qui traitent l’art de penser, de parler de cet ordre naturel qu’il faut garder dans l’arrangement de nos pensées. (LAMY [1675] 1688: 28): Je ne doute point que les termes de ce nouveau langage ne portassent au moins les signes de quelqu’une de ces circonstances, puisque dans toute proposition il faut déterminer le temps de l’attribut, & que le desir d’abreger le discours est naturel à tous les hommes. (LAMY [1675] 1688: 42): Afin que le discours soit naturel, il doit avoir des signes
Natürliche Sprache pour tous les traits de nos pensées, & representer toutes nos pensées comme elles sont rangées dans nôtre esprit. Cela seroit ainsi dans toutes les Langues, si ce n’est que le desir qu’on a d’abreger n’avoit porté les hommes à retrancher du discours tout ce qu’on y peut suppléer, & choisir pour cela des expressions abregées. Cela se voit manifestement dans la langue Latine: toutes ces expressions qu’on y voit qui surprennent, parce qu’il semble que l’ordre naturel n’y soit pas gardé, n’ont cependant rien de particulier, si ce n’est que l’usage en a retranché quelque mot qui se suppléoit facilement. (LAMY [1675] 1688: 66): Il est tres certain qu’il y a des voix naturelles, & que dans les passions l’air sort des poûmons d’une maniere particuliere, & forme les soûpirs, & plusieurs exclamations, qui font des voix veritablement naturelles. Mais il y a bien de la difference entre ce langage, qui n’est pas libre, & celui dont nous usons pour exprimer nos idées. (RENAUD 1697: 38): […] une langue generale, ce n’est qu’une vision, à moins que cette Langue ne fût le François, qui est de toutes les Langues la plus naturelle. – (40) […] les François […] pensent […] le plus naturellement […] c’est une preuve concluante que leur Langage est […] le plus naturel. (RENAUD 1697: 67): Dans le François les mots se placent […] selon l’ordre naturel du sens et du raisonnement (BUFFIER 1732: 2): Je pourrois faire voir aussi sensiblement que ce qu’on dit communément des autres parties d’oraison, n’est ni moins obscur ni moins défectueux. Mais tous ces défauts qui tombent sur chaque partie de la Grammaire, sont encore moins importans qu’un autre qui semble les regarder toutes; savoir, qu’on ne fait point assez sentir leur rapport mutuel, leur arrangement, leur dépendance; ce qu’elles ont d’essentiel selon l’ordre naturel, & ce que l’usage ou la prévention y ont ajouté d’arbitraire: de sorte qu’après avoir étudié la Grammaire plusieurs années, il n’en reste qu’une pratique de routine aquise à force d’exemples: mais sans des principes assez surs, ni des notions assez claires.
151 (BUFFIER 1732: 3): Il se trouve essentiellement dans toutes, ce que la Philosophie y considére, en les regardant comme les expressions naturelles de nos pensées. Comme la nature a mis un ordre nécessaire entre nos pensées, elle a mis par une conséquence infaillible, un ordre nécessaire dans les langues: mais cet ordre naturel, qui est de soi trèssimple, est tellement changé par les usages divers des langues particuliéres, qu’il y est la plupart du tems entiérement méconnu. (VICO 1744: LVII): I mutoli si spiegano per atti o corpi c’hanno naturali rapporti all’idee ch’essi vogliono significare. Questa degnità è ‘l principio del parlar naturale, che congetturò Platone nel Cratilo, e, dopo di lui, Giamblico, De mysteriis ægyptiorum, essersi una volta parlato nel mondo. Co’ quali sono gli stoici ed Origene, Contra Celso; e, perché ‘l dissero indovinando, ebbero contrari Aristotile nella Perì ermeneia e Galeno, De decretis Hippocratis et Platonis: della qual disputa ragiona Publio Nigidio appresso Aulo Gellio. Alla qual favella naturale dovette succedere la locuzion poetica per immagini, somigli–anze, comparazioni e naturali propietà. (VICO 1744: Logica Poetica, 1): E convenevolmente fu così dalla divina provvedenza ordinato in tali tempi religiosi, per quella eterna propietà: ch’alle religioni più importa meditarsi che favellarne; onde tal prima lingua ne’ primi tempi mutoli delle nazioni, come si è detto nelle Degnità, dovette cominciare con cenni o atti o corpi ch’avessero naturali rapporti all’idee: per lo che lógos o “verbum” significò anche “fatto” agli ebrei, ed a’ greci significò anche “cosa”, come osserva Tommaso Gatachero, De instrumenti stylo. E pur mûthos ci giunse diffinita “vera narratio”, o sia “parlar vero”, che fu il “parlar naturale” che Platone prima e dappoi Giamblico dissero essersi parlato una volta nel mondo; i quali, come vedemmo nelle Degnità, perché ‘l dissero indovinando, avvenne che Platone e spese vana fatiga d’andarlo truovando nel Cratilo, e ne fu attaccato da Aristotile e da Galeno: perché cotal primo parlare, che fu de’ poeti teologi, non fu un parlare secondo la natura di esse cose (quale dovett’esser la lingua santa ritruovata da Adamo, a cui Iddio concedette la divina onomathesia ovvero imposizione de’ nomi alle cose secondo la
152 natura di ciascheduna), ma fu un parlare fantastico per sostanze animate, la maggior parte immaginate divine. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (frantzösische), 1744: XXXIX, 432): Wenn man den Wohlklang betrachte; so sey theils der Inhalt der Worte gleichgültig, und rühre das, was uns dabey verdrüßlich oder angenehm vorkomme, blos von der Deutung her, so man denselben beygelegt: theils habe auch jede Sprache, zum wenigsten vor diejenigen, die sie brauchen, was wohlklingendes in sich, obgleich diejenigen, denen sie nicht natürlich ist, solches nicht verstünden. (CONDILLAC [1746] 1961: I, II, IV, 68): Je répondrois qu’alors ils cesseroient d’être des signes naturels, dont le caractère est de faire connoître par eux-mêmes, et indépendamment du choix que nous en avons fait, l’impression que nous éprouvons, en occasionnant quelque chose de semblable chez les autres. (CONDILLAC [1746] 1961: I, II, IV, 69): Or un homme qui n’a que des signes accidentels et des signes naturels n’en a point qui soient à ses ordres. Ses besoins ne peuvent donc occasionner que l’exercice de son imagination. Ainsi il doit être sans mémoire. (CONDILLAC [1746] 1961: I, II, IX, 117– 118): Cette erreur est générale. On ne veut pas s’appercevoir que les mêmes sens, les mêmes opérations et les mêmes circonstances doivent produire partout les mêmes effets. On veut absolument avoir recours à quelque chose d’inné ou de naturel, qui précède l’action des sens, l’exercice des opérations de l’ame et les circonstances communes. (CONDILLAC [1746] 1961: I, IV, II, 205): J’ai distingué trois sortes de signes: les signes accidentels, les signes naturels et les signes d’institution. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, I, 9): […] cependant ces hommes ayant acquis l’habitude de lier quelques idées à des signes arbitraires, les cris naturels leur servirent de modèle, pour se faire un nouveau langage. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, II, 20–21): En troisième lieu, dans l’origine des langues, les hommes trouvant trop d’obstacles à imaginer de nouveaux mots, n’eurent pendant longtemps, pour exprimer les sentimens de l’ame,
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken que les signes naturels ausquels ils donnèrent le caractère des signes d’institution. Or les cris naturels introduisent nécessairement l’usage des inflexions violentes; puisque différens sentimens ont pour signe le même son, varié sur différens tons. ah, par exemple, selon la manière dont il est prononcé, exprime l’admiration, la douleur, le plaisir, la tristesse, la joie, la crainte, le dégoût et presque tous les sentimens de l’ame. (Encyclopédie, Artikel Construction, DU MARSAIS, 1754: IV, 73): CONSTRUCTION, s. f. terme de Grammaire; ce mot est pris ici dans un sens métaphorique, & vient du latin construere, construire, bâtir, arranger. – (75) Il est vrai qu’il y a des différences dans les langues; différence dans le vocabulaire ou la nomenclature qui énonce les noms des objets & ceux de leurs qualificatifs; différence dans les terminaisons qui sont les signes de l’ordre successif des correlatifs; différence dans l’usage des métaphores, dans les idiotismes, & dans les tours de la construction usuelle: mais il y a uniformité en ce que par-tout la pensée qui est à énoncer est divisée par les mots qui en représentent les parties, & que ces parties ont des signes de leur relation. (Encyclopédie, Artikel Construction, DU MARSAIS, 1754: IV, 75): Enfin cette construction est encore appellée naturelle, parce qu’elle suit la nature, je veux dire parce qu’elle énonce les mots selon l’état où l’esprit conçoit les choses; le soleil est lumineux. On suit ou l’ordre de la relation des causes avec les effets, ou celui des effets avec leur cause; je veux dire que la construction simple procede, ou en allant de la cause à l’effet, ou de l’agent au patient; comme quand on dit, Dieu a créé le monde; Julien Leroi a fait cette montre; Auguste vainquit Antoine; c’est ce que les Grammairiens appellent la voix active: ou bien la construction énonce la pensée en remontant de l’effet à la cause, & du patient à l’agent, selon le langage des philosophes; ce que les Grammairiens appellent la voix passive: le monde a été créé par l’Etre toutpuissant; cette montre a été faite par Julien Leroi, horloger habile; Antoine fut vaincu par Auguste. La construction simple présente d abord l’objet ou sujet, ensuite elle le qualifie selon les propriétés ou les accidens que les sens y découvrent, ou que l’imagina-
Natürliche Sprache tion y suppose. Or dans l’un & dans l’autre de ces deux cas, l’état des choses demande que l’on commence par nommer le sujet. En effet, la nature & la raison ne nous apprennent-elles pas, 1. qu’il faut être avant que d’operer, prius est esse quam operari; 2. qu’il faut exister avant que de pouvoir être l’objet de l’action d’un autre; 3. enfin qu’il faut, avoir une existence réelle ou imaginée, avant que de pouvoir être qualifié, c’est-à-dire avant que de pouvoir être considéré comme ayant telle ou telle modification propre, ou bien tel ou tel de ces accidens qui donnent lieu à ce que les Logiciens appellent des dénominations externes: il est aimé, il est haï, il est loüé, il est blâmé. On observe la même pratique par imitation, quand on parle de noms abstraits & d’êtres purement métaphysiques: ainsi on dit que la vertu a des charmes, comme l’on dit que le roi a des soldats. La construction simple, comme nous l’avons déjà remarqué, énonce d’abord le sujet dont on juge, apres quoi elle dit, ou qu’il est, ou qu’il fait, ou qu’il souffre, ou qu’il a, soit dans le sens propre, soit au figuré. (Encyclopédie, Artikel Grammaire, BEAUZÉE, 1757: VII, 842): C’est pour les avoir confondues que le P. Buffier, (Gramm. fr. n. 9. & suiv.) regarde comme un abus introduit par divers Grammairiens, de dire: l’usage est en ce point opposé à la Grammaire. “Puisque la Grammaire, dit-il à ce sujet, n’est que pour fournir des regles ou des réflexions qui apprennent à parler comme on parle; si quelqu’une de ces regles ou de ces réflexions ne s’accorde pas à la maniere de parler comme on parle, il est évident qu’elles sont fausses & doivent être changées”. Il est tres clair que notre Grammairien ne pense ici qu’à la Grammaire particuliere d’une langue, à celle qui apprend à parler comme on parle, à celle enfin que l’on designe par le nom d’usage dans l’expression censurée. Mais cet usage a toûjours un rapport nécessaire aux lois immuables de la Grammaire générale, & le P. Buffier en convient lui-même dans un autre endroit. “Il se trouve essentiellement dans toutes les langues, dit-il, ce que la Philosophie y considere, en les regardant comme les expressions naturelles de nos pensees: car comme la nature a mis un ordre nécessaire dans nos pensees, elle a mis, par une conséquence infaillible, un ordre nécessaire dans
153 les langues”. C’est en effet pour cela que dans toutes on trouve les mêmes especes de mots; que ces mots y sont assujettis à-peuprès aux mêmes especes d’accidens; que le discours y est soûmis a la triple syntaxe, de concordance, de régime, & de construction, &c. Ne doit-il pas résulter de tout ceci un corps de doctrine indépendant des décisions arbitraires de tous les usages, & dont les principes sont des lois également universelles & immuables? Or c’est à ces lois de la Grammaire générale, que les usages particuliers des langues peuvent se conformer ou ne pas se conformer quant à la lettre, quoiqu’effectivement ils en suivent toûjours & nécessairement l’esprit. Si l’on trouve donc que l’usage d’une langue autorise quelque pratique contraire à quelqu’un de ces principes fondamentaux, on peut le dire sans abus, ou plûtôt il y auroit abus à ne pas le dire nettement; & rien n’est moins abusif que le mot de Cicéron (orat. n. 47.) Impetratum est à consuetudine peccare suavitatis causâ liceret: c’est à l’usage qu’il attribue les fautes dont il parle, & conséquemment il reconnoît une regle independante de l’usage & supérieure à l’usage; c’est la nature même, dont les décisions relatives à l’art de la parole forment le corps de la science grammaticale. Consultons de bonne foi ces décisions, & comparons y sans préjugé les pratiques usuelles; nous serons bientôt en état d’apprecier l’opinion du P. Buffier. Les idiotismes suffiroient pour la sapper jusqu’aux fondemens, si nous voulions nous permettre une digression que nous avons condamnée ailleurs (voyez Gailicisme & Idiotisme): mais il ne nous faut qu’un exemple pour parvenir à notre but, & nous le prendrons dans l’Ecriture. Que signifient les plaintes que nous entendons faire tous les jours sur les irrégularités de notre alphabet, sur les emplois multipliés de la même lettre pour représenter divers élémens de la parole, sur l’abus contraire de donner à un même element plusieurs caracteres différens, sur celui de réunir plusieurs caracteres pour représenter un élément simple, &c? C’est la comparaison secrete des institutions usuelles avec les principes naturels, qui fait naître ces plaintes; on voit, quoi qu’on en puisse dire, que l’usage autorise de véritables fautes contre les principes immuables dictés par la nature.
154 (DE BROSSES 1765: I, 8–9): […] lorsque l’homme veut représenter par la voix quelque objet réel, & faire passer dans l’oreille d’autrui l’idée de cet objet qu’il a lui-même dans l’esprit, il ne peut employer de méthode plus naturelle, plus efficace, plus prompte, que de faire avec sa voix le même bruit que fait l’objet qu’il veut nommer. Car il y a peu d’objet qui n’en fassent; & c’est de ce bruit sur-tout dont on se sert pour imposer les noms originaux. Rien de plus simple que d’adopter cette méthode, puisque la parole s’adresse à l’ouie. Un Sauvage qui veut nommer un fusil, ne manque pas de l’appeller pouh. On veut nommer un certain oiseau, on dit Coucou, parce que l’oiseau a fait entendre un pareil son. Premiere méthode méchanique & naturelle de la formation des mots. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 253): Le langage des animaux paroit n’avoir pour objet que les sensations interieures, & c’est pour cela qu’il est invariable comme leur maniere de sentir, si même l’invariabilité de leur langage n’en est la preuve. C’est la même chose parmi nous: nous ferons entendre partout l’état actuel de notre ame par nos interjections, parce que les sons que la nature nous dicte dans les grands & premiers mouvemens de notre ame, sont les mêmes pour toutes les langues: nos usages à cet égard ne sont point arbitraires, parce qu’ils sont naturels. Il en seroit de même du langage analytique de l’esprit, s’il étoit naturel, il seroit immuable & unique. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 5–6): Es wird wohl ohnedem keiner sich verwundern wenn ich glaube, ein ungemein ansehnlicher Theil der Sprachen sey aus natürlichen Wörtern entstanden. Selbst die Deutsche, nebst ihren Schwestern, den Nordischen Sprachen, welche außerordentlich viel natürliche Wörter besitzen, und ihrer etwas entferntern Freundin, der Griechischen, geben uns die reichesten Beyspiele hievon. Wir erfinden alle Tage solche Wörter, und wir sehen bey uns selbst, wenn wir die idee einer neuen Sache andern beyzubringen suchen, deßen Nahmen wir nicht wißen; so bemühen wir uns allemahl solche Nahmen zu erfinden, die mit der Natur des Dinges, deßen Schall oder andern Umständen übereinstimmen und ausdrücken. Ich könnte wohl hundert derglei-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken chen Exempel aus meiner Muttersprache anführen. Nichts ist natürlicher als dies. Die Noth und die Natur selbst zeiget uns diesen Weg vor. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, XIV, 172): It is a clear case, that we do not speak in that state which, of all others, best deserves the appellation of natural: I mean when we are born, nor for a considerable time after; and even then we learn but slowly, and with a great deal of labour and difficulty. About the same time also we begin to form ideas. But the same answer, I know, is made to serve for both; namely, That our minds, as well as our bodily organs, are then weak, and therefore are unable to perform several of their natural functions; but as soon as they become strong and confirmed by age, then we both think and speak. That this is not true with respect to speaking […]. (MORITZ [1784] 1801: 144): Sey es, wie es wolle, so herrscht in der Englischen Aussprache fast durchgängig ein gewisses Bestreben, das Grobe und Volle zu vermeiden, und sich, anstatt dessen, mit einer gewissen Zartheit auszudrücken, die doch dem Ganzen der Englischen Aussprache nicht eigentlich natürlich ist, woher es denn kommt, daß man auf einmal wieder in das ganz grobe all, awful, owl, etc. (ahl, ahfoll, aul) zurückfällt (RIVAROL [1784] 1998: 83–84): L’homme le plus dépourvu d’imagination ne parle pas longtemps sans tomber dans la métaphore. Or c’est ce perpétuel mensonge de la parole, c’est le style métaphorique, qui porte un germe de corruption. Le style naturel ne peut être que vrai, et, quand il est faux, l’erreur est de fait, et nos sens la corrigent tôt ou tard; mais les erreurs dans les figures ou dans les métaphores annoncent de la fausseté dans l’esprit et un amour de l’exagération qui ne se corrige guère. Une langue vient donc à se corrompre lorsque, confondant les limites qui séparent le style naturel du figuré, on met de l’affectation à outrer les figures et à rétrécir le naturel, qui est la base, pour charger d’ornements superflus l’édifice de l’imagination. Par exemple, il n’est point d’art ou de profession dans la vie qui n’ait fourni des expressions figurées au langage. On dit: la trame de la perfidie, le creuset du malheur, et on voit que ces expres-
Natürliche Sprache sions sont comme à la porte de nos ateliers et s’offrent à tous les yeux. Mais quand on veut aller plus avant, et qu’on dit: Cette vertu qui sort du creuset n’a pas perdu tout son alliage, il lui faut plus de cuisson; lorsqu’on passe de la trame de la perfidie à la navette de la fourberie, on tombe dans l’affectation. (DU MARSAIS 1797: V, Construction): Cicéron a dit selon trois combinaisons différentes, accepi litteras tuas, tuas accepi litteras et litteras accepi tuas: il y a là trois constructions, puisqu’il y a trois différents arrangements de mots; cependant, il n’y a qu’une syntaxe; car dans chacune des ces trois constructions, il y a les mêmes signes des rapports que les mots ont entre eux […]; en sorte qu’après qu’on a achevé de lire ou d’entendre quelque’une de ces trois propositions, l’esprit voit également que litteras est le déterminant d’accepi, que tuas est l’adjectif de litteras; ainsi chacun de ces trois arrangements excite dans l’esprit le même sens, j’ai reçu votre lettre. (BUTET 1801a: 7–8): On divise les racines en naturelles et conventionnelles. Dans les premières on apperçoit la raison suffisante de leur analogie, avec l’idée qu’elle représentent. On comprend sous la dénomination des secondes, toutes celles dans lesquelles ne reste aucune trace de cette analogie: par exemple, fr prononcé, semble peindre l’action par laquelle les parties d’un tout se meuvent ou se détachent à l’occasion d’une force active qui s’exerce contr’elles, et fr est une racine naturelle dans frotter, frémir, enfreindre, fracasser. Parce qu’on ne voit pas la raison de six, en fonction de 6, plutôt que de 8, ni celle de huit, en fonction de 8, plutôt que de 6: ces racines des mots six et huit, sont dites conventionnelles. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 338): Maintenant remarquez, je vous prie, que tous ces langages sont au moins dans leurs détails absolument de convention; car la peinture même, quand vous la supposeriez assez parfaite, ce qui est impossible dans l’enfance de l’art, pour imiter la nature de manière à ne laisser rien à desirer, elle parviendrait seulement à donner une idée exacte et complète de la chose représentée: mais il est hors de son pouvoir de peindre les impressions que fait sur vous cette chose ou les motifs qui vous
155 portent à en tracer l’image; en un mot elle ne saurait, pas plus que les autres langages, exprimer ce qui se passe en vous qu’à l’aide de quelques signes convenus. (BERNHARDI [1805] 1990: 24): Als Macht erscheint die Natur größer wie die Vernunft, als körperliches Wesen sieht sich das Individuum genöthigt, sich immerdar in einen Kampf einzulassen, aber es hat das Gefühl der Ohnmacht gegen die Natur und fühlt daher das Bedürfniß sich zu verstärken, und ein zweites Individuum zu Hülfe zu rufen, dem es sich durch nichts anders assimiliren kann, als eben durch jene Interjectionen, die, weil sie natürliche Zeichen sind, auch ihre Verständlichkeit mit sich führen.
III. Als Gegenstück zur Idee der ĺ Kon-
vention ist der Begriff der natürlichen Sprache seit der Antike in der Sprachdiskussion präsent. Er verbindet sich jedoch zunächst primär mit der Funktionsfähigkeit von Zeichen, die aufgrund der naturgegebenen Beziehung zwischen Signifikant und Signifikat als natürlich betrachtet werden (ĺ Natürlichkeit, ĺ Zeichen und Idee). Die Kennzeichnung der Sprache als natürlich beruht einerseits auf der anthropologischen Überzeugung, dass Sprache dem Wesen des Menschen entspricht. Von daher werden die Erfindung und der ĺ Gebrauch der Sprache als natürlich betrachtet. Geht es über das anthropologische Faktum hinaus jedoch um konkrete Eigenschaften einzelner Sprachen, so kommen die unterschiedlichsten Blickwinkel ins Spiel. Von der Geläufigkeit des Gebrauchs über das Vorhandensein bestimmter morphologischer und syntaktischer Eigenschaften bis zu stilistischen Qualitäten können die unterschiedlichsten Kriterien für die Natürlichkeit herangezogen werden (ĺ Syntax, ĺ Stil). Auffällig ist im 17. und 18. Jahrhundert die Verknüpfung der anthropologischen Perspektive mit der Betrachtung der Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) als einer einzelsprachlichen Kategorie, an der Natürlichkeit gemessen wurde. Die ĺ Natürlichkeit der Wörter ist eine Position, die seit der Antike immer wieder unter Berufung auf PLATO formuliert wurde. Stellvertretend für die Kontinuität vor dem 17. Jahrhundert sei auf SANCTIUS verwiesen, der den platonischen Gedanken aufgreift und so-
156 gar auf die Seite des Natürlichen bezieht, während er die ĺ Arbitrarität als Gegenposition auf ARISTOTELES projiziert und als institutionelle Setzung deutet. Der Diskurs über das natürliche Zeichen, seine Entstehung und sein Funktionieren in der Kommunikation durchzieht das gesamt siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert. Natürliche Zeichen werden als durch sich selbst bedeutend gekennzeichnet, wie etwa der Rauch das Feuer bedeuten kann. Demgegenüber bedürfen institutionelle Zeichen einer ĺ Konvention (vgl. LAMY, VICO, CONDILLAC, BEAUZÉE, DE BROSSES, Manuskript I-M-686 (Preisfrage 1771)) (ĺ Zeichen und Idee). Aus diesem Sachverhalt wird auch das Differieren der Laut-Bedeutungszuordnung in unterschiedlichen Sprachen erklärt. Die Natürlichkeit des Ausstoßens von Luft, der Schreie, des unartikulierten Produzierens von Lauten (LAMY, HOLDER) ist jedoch weniger frei als das Verwenden der artikulierten Lautsprache zum Ausdruck unserer Gedanken. Die Überlegung, dass der Mensch erst mit der artikulierten Lautsprache über ein flexibel einsetzbares Ausdrucksmittel verfügt, wird insbesondere bei CONDILLAC deutlich, der die Funktionen der Sprache für die menschliche Kognition einbezieht (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Mit den signes accidentels, den signes naturels und den signes d’institution nimmt er drei verschiedene Arten von Zeichen an, wobei er für letztere auch die Ausdrücke signes arbitraires und später, um Missverständnisse zu vermeiden, signes artificiels verwendet. Die signes naturels drücken ihren Inhalt aufgrund ihrer Natur notwendig aus und hängen nicht von einer zwischen Menschen getroffenen Vereinbarung ab. Sobald die Menschen jedoch den Gebrauch arbiträrer Zeichen erworben haben, können sie nach dem Muster der natürlichen Zeichen neue arbiträre bilden, indem sie Schreie konventionell bestimmten Empfindungen zuordnen. Diese Einbindung der natürlichen Zeichen in den Prozess des ontogenetischen und des phylogenetischen Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) erlaubt CONDILLAC eine Erklärung des menschlichen Sprachursprungs (ĺ Ursprung). Ein weiterer, nur zum Teil auf den Begriff des natürlichen Zeichens beziehbarer Diskurs
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken über natürliche Sprache findet im Zusammenhang mit der Herausbildung der europäischen Volkssprachen und ihrer Wertung statt, die sich von naturalis abgeleiteter Bezeichnungen bedienten (ĺ Natürlichkeit, ĺ Zeichen und Idee, ĺ Apologie). Bei DANTE erscheint das Wort naturalis mit seinem Antonym artificialis beim Abwägen zwischen Volgare und Latein. Die Kennzeichnung der Volkssprache als edler (nobilior) mag erstaunen, sie steht jedoch in enger Beziehung zu ihrer Charakteristik als natürlich, die hier jedoch nicht allein steht. Natürlicher ist die Volkssprache ‘für uns’, das heißt es wird bereits hier eine Bestimmung auf der Basis der Geläufigkeit des Gebrauchs für eine Trägergruppe vorgenommen (ĺ Gebrauch). Das grammatisch beschriebene und festgelegte Latein erscheint hier als Gegenposition zum Begriff der natürlichen Sprache, die der unreflektiert gebrauchten Muttersprache, der lingua materna (DANTE, De volgari eloquentia: I, VI, 2), entspricht. Daneben verwendet DANTE jedoch naturalis auch zur Kennzeichnung der wesensmäßigen Sprachbegabung des Menschen (DC, Par. 26, 130: opera natural è ch’uomo favella) und stellt das Volgare in einen Zusammenhang mit jener adamitischen Schöpfungssprache, die bis zur babylonischen ĺ Sprachverwirrung dem Hebräischen entsprochen habe. Bei der Orientierung des Humanismus und der Renaissance auf die Pflege des klassischen Latein einerseits und die Diskussion um den Ausbau der Volkssprachen andererseits ist es verständlich, dass diese adamitische Deutung des Natürlichkeitsbegriffs in den Hintergrund trat (ĺ Natürlichkeit). Bereits DANTE hatte die lingua materna als Sprache der Nähe und der Emotion gekennzeichnet, sie war von ihrem Erlernen her durch den Gebrauch der Eltern zur Natürlichkeit prädestiniert. Auch in der weiteren Entwicklung dominiert diese Seite des Natürlichkeitsbegriffs. Natürlichkeit wird immer wieder auf den ĺ Spracherwerb bezogen, wobei Sprache und Muttermilch zueinander in Relation gesetzt werden (VALDÉS, GODARD). ‘Natürlich’ korreliert mit geringerem zu betreibendem Aufwand, und zwar hier beim ĺ Spracherwerb . Der Maßstab der ĺ Natürlichkeit bleibt weiter die Geläufigkeit des
Natürliche Sprache Gebrauchs in der natürlichen Umgebung (ĺ Gebrauch). Nicht irgendwelche einer Sprache innewohnenden Eigenschaften kennzeichnen sie als natürlich, sondern der frühzeitige, kindliche Erwerb. Selbst das Französische wird von GODARD als natürlich für die Franzosen dargestellt, die es mit der Muttermilch einsaugen. Dieselbe Sprache kann für Ausländer überhaupt nicht zu natürlichem Sprachgebrauch führen. Mit bemerkenswerter Klarheit konstatiert dies DU VAL in einer 1604 erschienenen Ausländergrammatik des Französischen. Die Kennzeichnung einer Sprache als natürlich erfordert somit eine Aussage darüber, für wen sie als natürlich betrachtet werden soll. Dieselbe Sprache ist somit sowohl natürlich als auch artifiziell, wobei beide Attribute durchaus aufeinander beziehbar bleiben. Aufeinander beziehbar werden sie durch das Erlernen und Beschreiben der Regeln, die als artifiziell gekennzeichnet sind, was dem bereits mit Blick auf das Erlernen fremder Sprachen vorgefundenen Begriff des Aufwands entspricht (ĺ Spracherwerb). Wer eine Sprache in ihrer natürlichen Umgebung ohne großen Aufwand lernt, verwendet sie zwar natürlich, kennt aber ihre Regeln nicht und muss für das Explizieren der Regeln Aufwand treiben, um in das Artifizielle der natürlich beherrschten Sprache einzudringen (ĺ Natürlichkeit). Noch in einer weiteren Richtung erscheint der Natürlichkeitsbegriff mit Blick auf die Sprachen zum Aufwand entgegengesetzt: Das volgare naturale ist eine ursprünglich gesprochene Sprache und wird deshalb einer Sprache der Bücher entgegengesetzt, die Kunstprodukt ist und als solches erhöhten Aufwand erfordert. Allerdings führt Sprachreflexion im Zuge der Betrachtung der Verschriftlichung (ĺ Schrift) auch zu Abstufungen, die nicht nur eine Sprache oder ihre Verwendung als Ganzes ins Blickfeld nehmen, sondern auch verschiedene Stile als natürlich oder als künstlich kennzeichnen (ĺ Stil). Dabei wird jenes Kennzeichen des Natürlichen als Textqualität vorbereitet, das als Merkmal der klassischen Ästhetik gesehen wurde. Über die Zuschreibung dieses Merkmals zu einer vorbildlichen Textgestaltung hinaus wurde es jedoch zunehmend für den Charakter einer gan-
157 zen Sprache, insbesondere des Französischen, in Anspruch genommen (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Einerseits wird das Merkmal der Einfachheit und ĺ Natürlichkeit nicht mehr auf den Charakter der in französischer Sprache geschriebenen Texte, sondern auf die Sprache insgesamt, ja sogar auf das mit ihr korrelierende Denken bezogen. Zum anderen erscheint die Integration des Lexems naturel in ein Bezeichnungsfeld der ‘Einfachheit’, ‘Klarheit’, ‘Reinheit’ bemerkenswert (ĺ Klarheit). Die Vorbereitung durch die Verwendung in Opposition zu ‘sprachlichen Aufwand treiben’ erscheint dabei nicht ausreichend als Erklärung, denn im 17. Jahrhundert wurde Einfachheit, etwa durch den Kampf gegen Synonyme oder konkurrierende Formen, durchaus mit Aufwand herzustellen versucht (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). Auch das Streben nach Reinheit bedeutete für den Purismus der Zeit aufwändige Arbeit an Sprache. Der Natürlichkeitsbegriff erscheint hier vielmehr als fester Bestandteil eines ästhetischen Ideals, das auf Produkte der Sprachproduktion gerichtet war, jedoch auch an der Sprache selbst nicht vorbei ging. Der Begriff der natürlichen Sprache verbindet sich auch mit Vorstellungen von der einfachen, unaufwändigen ĺ Artikulation bestimmter Laute (vgl. den Vokal a bei HOLDER). Desgleichen werden auch morphologische und syntaktische Mittel (ĺ Syntax) auf ihre ‘Natürlichkeit’ geprüft und entsprechende Ergebnisse werden zur Betonung der Vorzüge einzelner Sprachen genannt (ĺ Natürlichkeit, ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Dabei kann der allgemeine Eindruck einer Sprache (vgl. ĺ besonderer Charakter einer Sprache) Kriterium für die natürliche Passfähigkeit einer Eigenschaft sein, wie zum Beispiel in MORITZ’ Erklärung der Aussprachebesonderheiten des Englischen. Häufiger wird jedoch eine Eigenschaft als rational erforderlich, weil durch das Denken vorgegeben erklärt. So wird mit der rationalistischen Erklärung der Wortfolge Subjekt-Verb-Objekt ein Natürlichkeitspostulat unterstützt, das sich auf DESCARTES’ Dualismus von Geist und Körper stützt (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). So wie wir nichts aus äußeren Sinneswahrnehmungen lernen könnten,
158 was über die lumière naturelle hinausgehen würde, stellt konsequent betrachtet jede Inversion im Satzbau nur eine unnötige und zusätzlichen Aufwand bedeutende Abweichung vom natürlichen Denken dar (LAMY, BUFFIER, DU MARSAIS, BEAUZÉE). Schon die Antike unterschied einen ordo naturalis und einen ordo artificialis, womit in der Rhetorik zwei Grundformen der dispositio gemeint waren: die durchschnittlich-normale und die figurenreiche (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Die Abweichung vom “Normalen” als artificialis zu bezeichnen, scheint mit dem Aufwand, den man für die Figuren und Umstellungen verwendende Ausdrucksweise unterstellte, zusammenzuhängen. Ein Fall der Umdeutung des Natürlichkeitsbegriffs, bei der auch wieder der anthropologische Begriff der menschlichen Sprachfähigkeit ins Spiel kommt, lässt sich im Zusammenhang mit der alten Fügung ordo naturalis beobachten (ĺ Natürlichkeit). In der Diskussion um die ĺ Universalsprache wird der ordre naturel immer wieder als Argument für das Französische verwendet. So kommt RENAUD 1697 auf dem Hintergrund der Feststellung, dass das Französische seine Wörter immer nach der natürlichen Folge des Denkens anordne, zum Erklären des Französischen zur einzig möglichen Universalsprache. Die Verabsolutierung des Natürlichkeitsprinzips führt, in anthropologischer Richtung weiter gedacht, zur Postulierung des Französischen als der Sprache, die aufgrund ihrer Natur der gesamten Menschheit zukomme. Die Umstellung der Wortfolge (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) in der lateinischen Sprache wurde bereits in LANCELOTs 1644 erschienener lateinischer Methode zur Ursache für Konfusion und Unklarheit erklärt und mit affektierter und metaphorischer Ausdrucksweise der Römer in Zusammenhang gebracht (ĺ Klarheit, ĺ Metapher, ĺ Stil). Als Maßstab diente dabei erklärtermaßen das Französische. Daraus leitet sich insbesondere für den Anfangsunterricht in der lateinischen Sprache ein Verfahren ab, das den Verehrern der Schönheit der Texte klassischer Autoren barbarisch erscheinen musste. Die im Lateinischen aufgrund des ausgeprägten Kasussystems mögliche sehr freie und funktional
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken äußerst differenzierte Wortstellung wurde einfach auf die vermeintlich natürliche Wortfolge zurückgeführt, wie sie den Schülern aus dem Französischen geläufig war. Im 18. Jahrhundert war diese Methode vor allem durch DU MARSAIS verteidigt und ausgearbeitet worden, dessen Enzyklopädieartikel nicht zuletzt auch zu einer Internationalisierung der Diskussion beitrugen. Bemerkenswert dabei ist, dass DU MARSAIS die Lehre von der natürlichen Wortfolge mit einem empirischsensualistischen Prinzip der Sprachdidaktik verband, das er selbst als Maxime formulierte: la routine doit précéder les règles. Mit Routine ist hier das Kennenlernen des Sprachgebrauchs gemeint, aus dem auf dem Weg der Verallgemeinerung die Regeln abzuleiten sind (ĺ Gebrauch). Damit dieser Gebrauch jedoch nicht zu schwer ist, plädiert er gleichermaßen für eine Veränderung der lateinischen Wortfolge in Angleichung an die französische im Lateinunterricht. Die für den Lateinunterricht geforderte Wiederherstellung der natürlichen Wortfolge (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) hat somit gewissermaßen propädeutische Funktion zum Bewusstmachen des richtigen, in der Muttersprache auch in der Ausdrucksform gegebenen Denkens. Sprachunterschiede werden auf dieser Grundlage als unproblematisch angesehen, da sie ohnehin nur das äußere körperliche Erscheinungsbild, nicht das eigentliche auf der raison und der âme beruhende Wesen der Sprachen ausmachen (ĺ Wesen der Sprache). Wörter sind austauschbar, sobald man die bezeichneten Konzepte erfasst hat, von daher sei auch die Leichtigkeit zu erklären, mit der man immer wieder neue Sprachen lerne, wenn man einmal die natürliche, d. h. konzeptuelle Basis beherrsche.
IV. Als Dimensionen des Begriffs natürli-
che Sprache zeichnen sich heute ab: (a) die Opposition natürliche Sprache / Fachsprache und damit die Gleichsetzung mit Umgangsprache im weitesten Sinne, (b) die Opposition natürliche Sprache / formalisierte Sprache, (c) die Gleichsetzung der natürlichen Sprache mit den angeborenen Eigenschaften der Sprache und damit mit der intensionalen Sprache und der Gegensatz zur extensionalen. Setzt man an Stelle der Fachsprache das
Natürliche Sprache Latein, so lässt sich eine begriffliche Kontinuität im Sinne von (a) bis heute feststellen. Auch in der Bezugnahme auf angeborene Grundlagen der Sprache weisen generativistische Positionen Analogien zu rationalistischen Deutungsmustern auf. Bemerkenswert ist dabei, dass gerade in neueren Forschungen zur Wortfolge (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) im Rahmen der Informationsstruktur im Anschluss an die Generativistik die intensive Diskussion zu dieser Problematik im 17. und 18. Jahrhundert nicht zur Kenntnis genommen wird. Der Begriff der ĺ Natürlichkeit und der Abweichung von einer natürlichen Anordnung, die “Kosten” verursacht und Aufwand bedeutet, ist noch immer aktuell. Bei der Widersprüchlichkeit der Verwendung der Bezeichnung natürliche Sprache ergibt sich die Frage, ob es gerechtfertigt ist, von der Bezeichnung eines einheitlichen Begriffs ‘natürliche Sprache’ auszugehen. So erscheint die Bezeichnung natürliche Sprache für die jeweilige Muttersprache als historische Sprache im Sinne COSERIUs, das heißt unter Einschluss ihrer Varietäten. Bezeichnet wird damit die in einer Bevölkerung verbreitete Sprache, die in ihrer Terminologie stark den jeweiligen Modetrends folgt, und die in weiten Bereichen das unscharfe Wissen einer Bevölkerung abbildet. Sie zeigt eine hohe Flexibilität, weil sie auf die Belange von Kleinkindern ebenso Rücksicht nehmen muss wie auf die von ausgebildeten Fachkräften. Begrifflich konstitutiv ist hier der Gegensatz zur Fachsprache, die terminologisch kontrolliert ist und im Gegensatz zur unscharfes Wissen transportierenden natürlichen Sprache dem Wissen der Spezialisten entspricht. Jedoch auch dieser Gegensatz ist relativ, denn für die Spezialisten eines bestimmten Fachgebietes kann ihre Fachsprache zur natürlichen Sprache werden und die in ihr enthaltenen Thesauri folglich auch natürlichen Charakter annehmen. Die Unterscheidung von natürlicher und Fachsprache ist also kein Unterschied, der in der Sprache selbst liegen würde, sondern in der Geläufigkeit ihres Gebrauchs (ĺ Gebrauch). ĺ Natürlichkeit wird durch den Gebrauch zu eine graduellen Eigenschaft, die jederzeit relativierbar ist.
159 Ganz nahe an dieser Bedeutung von natürliche Sprache befindet sich die Verwendung des Terminus für nicht formalisierte Sprachen, etwa in der Computerlinguistik. Natürliche Sprache konkurriert in diesem Sinne mit der Bezeichnung Umgangssprache, die freilich dann nicht eine diastratische oder diaphasische Varietät, sondern einfach den Sachverhalt des nicht weiter formalisierten Sprechens bezeichnet. Während sich die Bezeichnung natürliche Sprache in den beiden skizzierten Verwendungen auf real gebrauchte und beobachtbare Sprache bezieht, kommt mit der Betrachtung des eingeborenen Charakters der Sprache, ihrer anthropologisch bedingten Natürlichkeit, eine andere Dimension ins Spiel. ĺ Natürlichkeit lässt sich in diesem Sinne als graduelle Eigenschaft deuten, die als umso ausgeprägter gesehen wird, je mehr in ihr eingeborene Züge erkennbar sind. Für die Erkennbarkeit des Eingeborenen gibt es ein einfaches Maß: die Universalität der Eigenschaften der Sprache. In diesem Sinne findet sich auch die Opposition von natürlich und formalisiert in neueren Entwicklungen der Generativistik wieder. CHOMSKYs I-Sprache ist die natürliche Sprache, die jemand aufgrund seines MenschSeins erworben hat: When we say that Jones has the language L, we now mean that Jones’s language faculty is in the state L, which we identify with a generative procedure embedded in performance systems. To distinguish this concept of language from others, let us refer to it as I-language, where I is to suggest “internal”, “individual,” and “intensional” (CHOMSKY 1995: 15). Demgegenüber nimmt CHOMSKY eine formale ESprache an, wobei das E für ‘extern’ und ‘extensional’ steht. Die Klärung, ob in der natürlichen Sprache ein Gegenstück zu dieser ‘externen’ Sprache existiert, ist nach CHOMSKY nur empirisch möglich. Die vielfältige und oft gegensätzliche Verwendung der Bezeichnung natürliche Sprache (natural language, langage naturel) scheint auf ein begriffliches Chaos hinzuweisen. Während CHOMSKYs I-Sprache von den einzelsprachlichen Besonderheiten abstrahiert und gerade aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades der Natur menschlicher Sprach-
160 kompetenz entsprechen soll, gibt es andererseits Bemühungen um eine Verständigung zwischen Mensch und Computer auf der Basis einer benutzerfreundlichen, den kommunikativen Gewohnheiten entgegenkommenden Sprache. Natural Language Engineering und Communication Homme-Machine en Langage Naturel sind inzwischen eigene Begriffe, die auch auf den Begriff der ‘natürlichen Sprache’ zurückwirken.
V. CHOMSKY, Noam (1995): The Minimalist
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Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen) I. Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ ist von komplexer Natur: Einerseits ist unter dieser Begrifflichkeit insbesondere der Gegensatz zwischen menschlicher Lautsprache (ĺ Wesen der Sprache) und der ‘Sprache der Tiere’ (Thiersprache, Tiersprache, langage des bêtes, la langue des bestes, l’idiome des bestes, le langage des animaux, les cris des animaux, les différens langages des Bêtes, le jargon des oiseaux, language of the beasts, linguaggio delle bestie, linguaggio degli animali) zu verstehen. Andererseits sind zur Kategorie der ‘anderen Zeichen’ aber auch beispielsweise verschiedene Schriftsysteme wie etwa Bilderschriften im Stile von Höhlenmalereien oder auch Hieroglyphen, die sich durch die Kombination
logographischer und phonetischer Zeichen charakterisieren lassen, zu rechnen (ĺ Schrift). Ein weiteres eigenständiges Zeichensystem, welches im Gegensatz zur menschlichen Lautsprache betrachtet wird, ist die Taubstummensprache (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)), welche im engeren Zusammenhang mit der Gestensprache und Gebärdensprache (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) untersucht wird. Der Vergleich mit der artikulierten Lautsprache wird aber auch auf Notationssysteme ausgedehnt, die für die Spezifik verschiedener Disziplinen charakteristisch sind, wie etwa die Notationssysteme der Musik oder der Chemie. Von paradigmatischer Bedeutung für die Überlegungen zu Zeichensys-
Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)
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temen und Codes, die die Lautsprache ersetzen könnten, ist insbesondere die characteristica universalis eines LEIBNIZ (ĺ Universalsprache). Typisch für die Kontrastierung der artikulierten Lautsprache mit anderen Zeichen ist auf der Ebene der gesprochenen Sprache der Vergleich mit tierischen Lauten. Auf der Ebene der geschriebenen Sprache (ĺ Schrift) dienen demgegenüber Vergleiche mit besonderen Notationssystemen als Modell. Einen noch höheren Grad an Abstraktheit erreicht die characteristica universalis, die auch für die im Weiteren erfolgte verstärkte Abstrahierung und Hierarchisierung sprachlicher Elemente in den Universalsprachensystemen eines WILKINS und DALGARNO bedeutsam war (ĺ Universalsprache). Die Idee der weitgehenden Abstrahierbarkeit von Sprachzeichen kulminiert in den arithmetischen Überlegungen von CONDILLACs langue des calculs. Der vorliegende Artikel widmet sich im Wesentlichen dem Konzept des Gegensatzes zwischen menschlicher Lautsprache und ‘Tiersprache’.
que les Latins prennent verbum, qui se doit prononcer auec intention de signifier par chaque parole les choses pour lesquelles elles ont esté inuentées, ou du moins il faut auoir dessein de signifier les pensees à celuy à qui l’on parle. (MERSENNE [1636] 1975: II, 49–50): Proposition XXXIX. Pourquoy tous les oiseaux ne parlent pas; d’où vient que nul animal à quatre pieds ne peut chanter ou parler; si l’on peut dire que leurs cris ou leurs voix leur seruent de parole, & s’il y a moyen de l’entendre. Ie suppose qu’il y a plusieurs oiseaux qui ne peuuent apprendre à parler, quoy que l’on puisse dire qu’il faudroit auoir fait de particulieres experiences sur toutes sortes d’oiseaux auant que d’asseurer qu’il y en a qui ne peuuent parler: ce que l’on peut semblablement objecter contre la supposition que l’on fait des animaux terrestres, à sçauoir qu’ils ne peuuent parler, ny chanter; car l’on croid [sic] que plusieurs choses sont impossibles iusques à ce que l’experience nous aye conuaincus, laquelle monstre en plusieurs choses que ce que l’on iugeoit impossible est tres-facile. Et l’on a veu des chevaux qui faisoient des cris differens, & qui sembloient rire au commandement de leur maistre. A quoy l’on peut adioûter que l’on ne sçait peut estre pas la maniere dont il faut vser pour apprendre à chanter & à parler aux bœufs, aux chiens, & aux autres animaux, & que l’on en viendroit à bout si l’on prenoit l’heure du iour ou de la nuict, & si l’on se seruoit des instrumens & de toutes les circonstances necessaires pour ce sujet, car puis que leur temperament, leurs organes & leurs imaginations ne sont pas entierement semblables, il y a de l’apparence qu’il faut vser d’autres industries pour enseigner les animaux terrestres, que pour enseigner les oiseaux: & qu’entre les oiseaux il y en a qui sont plus difficiles à enseigner les vns que les autres. (MERSENNE [1636] 1975: II, 50): Fabricius a décrit le larynx de l’homme, de la brebis, du porc, du cheual, du bœuf, du singe & de la poule, dans son traité du larynx, mais il n’a pas assez donné de lumiere pour connoistre ce qui manque à ces animaux pour pouuoir parler ou chanter; & mesme ie ne croy pas
II. (LUKREZ: De rerum natura, V, 1028– 1029): At varios linguae sonitus natura subegit mittere, et utilitas expressit nomina rerum.
(HORAZ: Satiren, Buch I, Satire 3, 99–105): cum prorepserunt primis animalia terris, mutum et turpe pecus, glandem atque cubilia propter unguibus et pugnis, dein fustibus atque ita porro pugnabant armis quae post fabricaverat usus; donec verba, quibus voces sensusque notarent, nominaque invenere; dehinc absistere bello, oppida coeperunt munire, et ponere leges. (MERSENNE [1636] 1975: II, 10–11): Il faut donc dire qu’elle est la forme, l’ornement & la perfection de la voix, qui ne peut estre formée & figurée en parole que par l’homme, comme la parole ne peut estre formée en discours que par l’esprit: car les perroquets & les autres oiseaux qui parlent ne sçauent ce qu’ils disent, & apprennent leur leçon sans sçauoir ce qu’elle signifie, de sorte que leur jargon n’est pas digne du nom de parole, si nous la prenons en la mesme signification
162 que les Anatomistes puissent remarquer cela, à raison que les parties qui seruent à la voix, ont plusieurs mouuemens qui ne se peuuent reconnoistre que dans l’animal vivant lors qu’il crie, qu’il chante, ou qu’il parle: De là vient qu’ils se trompent souuent, lors qu’ils disent que tel ou tel muscle ne peut seruir à tel ou à tel mouuement, parce que les parties ont plusieurs vsages dans les viuans qui sont seulement connus de celuy qui en est le premier & le principal autheur. (MERSENNE [1636] 1975: II, 51): Quant à la première partie, il n’y a nul doute que le jargon des oiseaux, & les cris des animaux, leurs seruent de paroles, que l’on peut appeller la langue, & l’idiome des bestes, car l’on experimente que celles qui sont de mesme espece s’entendent aussi bien par leur voix differentes, que les hommes par leurs paroles, & que leurs cris sont du moins aussi differens que leurs passions. Et si l’on auoit obserué assez exactement toutes les voix que font les animaux de chaque espece, l’on pourroit establir autant de langues naturelles pour exprimer tout ce qu’ils sentent, comme il y en a d’especes: car l’on a remarqué que les animaux de chaque espece ont autant de differens cris pour appeller & aduertir les autres, comme ils rencontrent de differens alimens, & consequemment que l’oiseau qui trouue du froment vse d’vn autre chant ou d’vne autre voix, que lors qu’il rencontre du millet ou quelqu’autre aliment. Ils en ont encore d’autres pour exprimer leurs desirs, la cholere & la tristesse; ce que l’on peut aisément remarquer au chien, à la poule qui mene ses poussins, & en plusieurs autres animaux; […]. (DESCARTES [1637] 1982: 56): Et ie m’étois icy particulierement aresté a faire voir que, s’il y avoit de telles machines, qui eussent les organes & la figure d’vn singe, ou de quelque autre animal sans raison, nous n’aurions aucun moyen pour reconnoistre qu’elles ne seroient pas en tout de mesme nature que ces animaux […]. (DESCARTES [1637] 1982: 57–58): Or, par ces deux mesmes moyens, on peut aussy connoistre la difference qui est entre les hommes & les bestes. Car c’est vne chose bien remarquable, qu’il n’y a point d’hommes si hebetez & si stupides, sans en excepter mesme les insensez, qu’ils ne soient capables d’arrenger
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken ensemble diuerses paroles, & d’en composer vn discours par lequel ils facent entendre leurs pensées; et qu’au contraire, il n’y a point d’autre animal, tant parfait & tant heureusement né qu’il puisse estre, qui face le semblable. Ce qui n’arriue pas de ce qu’ils ont faute d’organes, car on voit que les pies & les perroquets peuuent proferer des paroles ainsi que nous, & toutefois ne peuuent parler ainsi que nous, c’est a dire, en tesmoignant qu’ils pensent ce qu’ils disent; au lieu que les hommes qui, estans nés sours & muets, sont priuez des organes qui seruent aux autres pour parler, autant ou plus que les bestes, ont coustume d’inuenter d’eux mesmes quelques signes, par lesquels ils se font entendre a ceux qui, estans ordinairement auec eux, ont loysir d’apprendre leur langue. Et cecy ne tesmoigne pas seulement que les bestes ont moins de raison que les hommes, mais qu’elles n’en ont point du tout. (COMENIUS [1648] 1978: 18): 9. Habent sanè Bruta qvoqve omnium istorum umbram, sed umbram: qvia gradu longè inferiori. Qvicqvid enim cognoscunt, aut de se indicant, aut circa se agunt, bruto, muto, & ad unum qvid determinato impetu, cognoscunt, indicant, agunt. Nempe habent Sensus: at non habent MENTEM, in qva, velut interiore speculo, omnia sensibus collecta distinctè resplendeant, ratiocinationiq; perpetuæ materiam perpetuam ministrent. Habent & susurros qvosdam, garritusqve suos, qvibus alia aliis indicia sui faciant: at non habent Sonos articulatos, qvi ad omnes animi conceptus exprimendos sufficiant. Operantur etiam varia, qvaedam ingeniosè satis (ut Arancæ, Formicæ, Apes, Simiæ &c.) ea tamen naturæ potiùs instinctu, qvàm deliberatò: determinantur qvippe ad actiones suas, ut agant qvod agunt. (CARAMUEL Y LOBKOWITZ [1654] 1989: 6): Hurtadus disp. 8. Log. §. 10. significationem asserit ex triplici respectu componi: dictio enim significativa respicit primò intellectum à quo imponitur, secundò personam cui significat; tertiò rem cui imponitur. Infert brutorum voces, (sunt aves & quadrupedes quae voce humanam imitantur) non esse dictiones significativas ad placitum, quia Psittacus, exempli gratiâ, non utitur illis ut signis defectu cognitionis.
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(CORDEMOY [1668/1677] 1970: Préface, VIII–IX): Le titre aussi delà, dequoy me convaincre, que les bestes n’ont pas besoin d’une ame pour crier, ny pour estre émeuës par des voix, ny mesme pour imiter le son de nos paroles; & que si le cry de celles qui sont d’une mesme espece, les dispose à s’approcher, & fait reculer celles qui sont d’une autre espece, on n’en doit chercher la cause que dans leur corps, & la differente construction de leurs organes; mais en mesme temps ie reconnois que dans les hommes le mouvement des parties qui servent à la voix, ou de celles qui en sont ébranlées, est toujours accompagné de quelques pensees, & que dans la parole il y a toûjours deux choses, sçavoir la formation de la voix, qui ne peut venir que du corps, & la signification ou l’idée qu’on y joint; qui ne peut estre que de la part de l Ame. (HOLDER [1669] 1967: 5–6): And even Brute Animals make use of this artificial way of making divers motions to have several significations, to Call, Warne, Chide, Cherish, Threaten, &c. especially within their own kinds. But of all other, there is none for this use comparable to the variety of instructive Expressions by Speech, wherewith Man alone is endowed, as with an Instrument suitable to the Excellency of his Soul, for the most easie, speedy, certain, full communication of the Infinite variety of this Thoughts, by the ready Commerce between the Tongue and the Ear. And if some Animals, as Parrots, Magpies, &c. may seem to be capable of the same discriminations, yet we see, that their souls are too narrow to use so great an Engine. (ANONYM 1683: 4–5): La parola non è solamente un suono, mà un suono articolato dalla bocca, perche chi fischia non parla, e i bambini appena nati, come i muti fanno strepito colla bocca senza però si possa dire, che parlino oltre di ciò bisogna, che quel suono articolato significhe alcuna cosa per esser una parola veramente humana della quala si ragiona nel nostro quesito; così il termine (Blitri) od altro simile dal quale nulla vien designato non à vna parola, ed il pronunziare termini così fatti non è parlare: in quella manera, ch’vn Papagallo proferendo (buon giorno) senza hauer l’idea congiunta, e corrispondente alle voci di (buon giorno) se propriamente parliamo, non diremo, che parli. Dun-
que per formarsi il concetto distinto, e perfetto della parola, si deve aggiungere, che quel suono articolato spiega i pensieri della mente, e non sol questo, ma che anco li spieghi senza hauer vna connessione necessaria, e naturale à gli stessi pensieri, i quali vengono spiegati ed accennati dal suono articolato, non per sua natura, mà pel consenso, & patto degli huomini trà di loro, perche la parola è, come ogn’vno sà, vn segno non naturale, ma arbitrario. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 13–14): Ce que l’on appelle langue est une suite ou un amas de certains sons articulez propres à s’unir ensemble, dont se sert un peuple pour signifier les choses, & pour se communiquer ses pensées: mais qui sont indifférens par euxmêmes à signifier une chose ou une pensée plûtost qu’une autre. Il faut expliquer cette définition: Je dis qu’une langue est un amas de sons articulez, parce que ces sons qui sont renfermez dans les Dictionnaires, n’ont pas naturellement plus de liaison entr’eux que les pierres qui forment un morceau, & qu’ils n’en acquièrent que par la composition; comme les pierres ne forment un bastiment que par l’arrangement que leur donne le Maçon. Je dis de sons articulez, pour les distinguer des cris que font les bêtes & les hommes mêmes émûs de quelque passion; qui n’ont point d’articulation, parce qu’ils se font avec une même ouverture de la bouche, un même mouvement de l’organe, & par une même impulsion de l’air; & qui par conséquent ne sçauroient signifier que certains mouvemens naturels, ou certaines passions: au lieu que les sons articulez se forment par les divers mouvemens de l’organe, & en brisant diversement l’air pour produire ou les différentes syllabes, qui sont comme les articles dont ces sons sont composez; ou les différentes lettres necessaires pour composer les syllabes, car les lettres sont les articles des syllabes. Il en faut pourtant excepter les voyelles qui sont des sons tout unis, & qui se poussent comme les cris, plûtost qu’elles ne se prononcent. (LUZÁN [1729] 1991: 65): Uno de los singulares favores y privilegios con que la humana naturaleza ha sido por la liberal mano de Dios adornada y distinguida entre los demás ani-
164 males es la habla. […]; el hablar sólo es propio del hombre. […] como la Naturaleza suele hacer sus obras imperfectas (casi dejando – por un género de condescendencia – al arte y al ingenio humano la gloria de dar la última mano a las cosas […]. (BOUGEANT 1739: 64–67): Mais ne peut-on point, sans ce secours, se faire bien entendre & parler véritablement? C’est de quoi on ne sçauroit douter. Les Anges se parlent, & n’ont point l’organe de la voix. Laissons-là le surnaturel. Tout parle dans nous quand nous voulons. Ne parlons-nous pas tous les jours par un regard, par un mouvement de la tête, par un geste, par le moindre signe? Imaginezvous, Mad.… un peuple de muets. Croyez vous qu’ils ne se feroient pas entendre les uns aux autres, & que privés de l’usage de nos mots & de nos phrases, ils n’y suppléeroient pas par des cris, par des gestes, des regards & des mines? Pour moi, je suis persuadé qu’ils vivroient fort bien en societé comme nous, & qu’après que les premiers auroient, avec quelque peine, établi les signes & les expressions sensibles, ils les apprendroient aisément à leurs enfans: que ceux-ci se perfectionneroient de plus en plus dans cette maniere de s’exprimer, & formeroient peu à peu, non pas une langue, mais un langage très net & aussi intelligible pour eux que nos langues le sont pour nous. Nous avons sur cela des exemples si étonnants qu’il n’est pas permis d’en douter: & j’irai, si l’on veut, jusqu’à soutenir que la même idée pouvant être exprimée de diverses manieres, il pourroit y avoir dans un tel langage de choix dans les expressions, de l’énergie, de l’éloquence, du simple & du figuré, peut-être même du précieux. Sans doute il y auroit aussi quelquefois de l’obscur & l’équivoque; mais où n’y en a-t’il pas? (BOUGEANT 1739: 69): Il en seroit de même des Bêtes qui vivent en societé. Si l’on suppose qu’elles n’ont point entr’elles un langage, quel qu’il soit, pour s’entendre les unes les autres, on ne conçoit plus comment leur societé pourroit subsister. (BOUGEANT 1739: 79–80): Je reprens donc mon exemple & mon raisonnement. Si ce n’est pas par un instinct particulier que les Castors font leurs petits établissemens avec tant de concert, c’est donc par un effet de leur connoissance. Or j’ai prouvé par la supposi-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken tion d’un peuple absolument muet que la connoissance, sans une communication réciproque par un langage sensible & connus, ne suffit pas dour [sic] entretenir la societé, ni pour exécuter une entreprise qui demande de l’union & du concert. Concluons donc que puisque la nature, qui agit toûjours avec tant de sagesse, a fait les Castors pour vivre en societé, elle leur en a donné tous les moyens nécessaires, & par conséquent la faculté de parler, quelque soit leur langage, puisque sans ce secours il est impossible qu’aucune societé puisse subsister; & comme la nature suit partout les mêmes loix, appliquons ce raisonnement aux abeilles, aux fourmis & à toutes les espéces de Bêtes qui vivent en societé; & voilà déja une partie fort considérable des Bêtes pourvûë de sla [sic] faculté de parler. (BOUGEANT 1739: 80–83): Mais peut-on dire la même chose des Bêtes qui ne vivent pas en societé? Tels sont la plûpart des Quadrupedes, les Oiseaux, les Poissons, les Reptiles, & c’est sans contredit le plus grand nombre. Je ne sçais Mad.… si vous appercevez les conséquences du premier pas que je viens de hazarder. Car s’il y a quelques Bêtes qui parlent, il faut qu’elles parlent toutes. Si les Castors & les Perroquets ont un langage, il faut que l’Huitre & le Limaçon ayent le leur. Me voilà engagé, pour ainsi dire, dans un défilé dangereux dont les plus forts préjugés gardent toutes les issuës. Mais dans le Pays des systêmes, comme ailleurs, il n’y a souvent que le premier pas qui coute. J’ai prouvé, ce me semble, avec assez de vrai-semblance que les Bêtes qui vivoient en societé devoient nécessairement avoir un langage. Il faut étendre la proposition à toutes les autres espéces de Bêtes. Pourquoi en effet la nature auroit-elle refusé aux unes un privilege qu’elle auroit accordé aux autres? Rien ne seroit plus contraire à l’uniformité qu’elle affecte dans toutes ses productions. Je sçais que la nature aussi avare dans le superflu, qu’elle est prodigue dans le nécessaire, ne fait rien sans nécessité. Mais n’est-ce pas une nécessité que deux Bêtes associées ensemble pour former un ménage & une famille, deux Oiseaux, par exemple, s’entendent & puissent s’exprimer mutuellement leurs sentimens & leurs pensées? Associés deux personnes absolument muettes, je défie
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que l’union subsiste, si elles n’ont aucun moyen de convenir ensemble de leurs faits & de s’exprimer leurs besoins. (BOUGEANT 1739: 85): Je ne m’attache, comme vous voyez, qu’à des raisons solides, & je soûtiens qu’il est impossible dans l’ordre de la nature qu’un Moineau qui aime sa femme n’ait pas pour se faire écouter un langage plein d’expressions & de tendresse. Il faut qu’il la gronde lorsque’elle fait la coquette: il faut qu’il menace les galans qui viennent la cajoler, il faut qu’il puisse l’entendre lorsqu’elle l’appelle; il faut tandis qu’elle couve assidument ses œufs qu’il puisse pourvoir à ses besoins, & distinguer si c’est de la nourriture qu’elle demande, ou quelques plumes pour réparer son nid, & pour tout cela il faut un langage. (BOUGEANT 1739: 88–90): Entre les Animaux il y en a qui voyent & qui entendent plus ou moins, mais tous voyent & entendent. Il en est ainsi de la faculté de parler. Peut-être que cette faculté est plus parfaite dans les Bêtes qui vivent en societé & en famille; mais dès qu’elle est dans quelques-unes, il faut croire qu’elle est dans toutes, plus ou moins parfaite à proportion de leurs besoins. Il faut même observer que les animaux qui ne vivent ni en corps de societé, ni en menage établi, ne laissent pas d’avoir entr’eux dans chaque espéce, un certain commerce & une sorte de societé. Tels sont les quadrupedes, les poissons, les reptiles, les oiseaux mêmes indépendamment de leur menage, comme les Etourneaux, les Perdrix, les Corbeaux, les Canards, les Poules. Or de quoi serviroit aux Bêtes de rechercher ainsi la societé les unes des autres, si ce n’étoit pour s’entr’aider, & profiter réciproquement de leurs connoissances, de leurs découvertes & de tous les secours qu’elles peuvent se prêter; & comment le pourroient-elles faire si elles ne s’entendent pas les unes les autres? Tous les raisonnemens que j’ai faits pour prouver que les Bêtes qui vivent en corps de societé doivent avoir un langage, retrouvent ici leur place & toute leur force. Il ne peut y avoir différence que du plus au moins, & si l’on en juge par les faits, vraisemblablement il n’y en a aucune.
(BOUGEANT 1739: 110): Les Oiseaux chantent, dit-on, c’est une erreur. Les Oiseaux parlent & ne chantent point. Ce que nous prenons pour un chant n’est que leur langage naturel. La Pie, le Geai, le Corbeau, la Choüette, le Canard chantent-ils? Ce qui nous fait croire qu’ils chantent, ce sont les accens de leur voix. C’est ainsi que les Hottantots dans l’Afrique semblent glousser comme le Cocq d’Inde, quoique ce soit l’accent naturel de leur langue, & qu’il y a des peuples qui nous paroissent chanter en parlant. Les Oiseaux chantent si l’on veut dans le même sens; mais ils ne chantent point pour chanter, comme nous nous imaginons. S’ils chantent, ce n’est que pour parler. (BOUGEANT 1739: 118–120): On peut m’objecter que les Oiseaux répetent toujours la même chose, & par conséquent ne varient point leurs phrases comme je le prétends. A cela je réponds qu’outre les différences qu’il est aisé de remarquer dans le parler des Oiseaux, de vîtesse ou de lenteur, de haut & de bas, de longueur & de briéveté, il y en a vraisemblablement beaucoup d’autres que nous n’appercevons pas, faute d’entendre leur langage, mais que les Oiseaux entr’eux remarquent fort bien. Distinguons-nous leur physionomie? A peine nous doutons-nous qu’ils en ayent de différentes; rien n’est cependant plus certain, & ils ne s’y trompent point. J’ai vû une hirondelle porter à manger à six ou sept petits rangés à la file sur une aiguille de cadran. Les petits avoient beau changer de place, la mere ne se méprenoit jamais en donnant à manger deux fois de suite au même, & elle n’en oublioit aucun. Que dans un troupeau de cent Agneaux une Brebis entende bêler le sien, elle le reconnoît aussi-tôt & court le chercher. Deux Moineaux se reconnoissent entre mille au son de la voix. Je pourrois alléguer cent faits pareils pour prouver que tous les Animaux ont dans leur commerce entr’eux une finesse de discernement qui nous échappe, & qui leur fait remarquer entr’eux des différences qui sont absolument imperceptibles pour nous. Si donc beaucoup d’Oiseaux nous paroissent chanter toujours la même chanson, comme le Moineau, le Pinson, le Serin, ne concluons pas qu’ils disent toujours la même chose.
166 (BOUGEANT 1739: 122–123): Il n’en est pas ainsi des Bêtes. La nature a donné à leurs connoissances des bornes si étroites, qu’elles ne peuvent envisager qu’un objet à la fois; & comme elles l’envisagent toujours simplement & de la même maniere, elles n’ont aussi communément qu’une seule façon d’exprimer leurs connoissances ou leurs sentimens. Cette remarque est importante pour connoître plus à fond le langage des Bêtes. Non-seulement il est borné, comme j’ai déja dit, aux seuls objets qui interessent leur conservation, mais il est encore borné par lui-même, en ce qu’il n’a communément qu’une seule expression pour chaque objet; & c’est là la cause de leurs répetitions fréquentes; car comme il est naturel que les Bêtes insistent toujours sur le même objet, jusqu’à ce que leur désir soit satisfait, ou qu’il soit détourné par un objet plus pressant; & comme elles n’ont qu’une seule façon de s’exprimer sur chaque objet, il est nécessaire qu’elles repetent toujours la même expression, & que cette répetition dure aussi long-temps que l’objet les occupe. (BOUGEANT 1739: 152–153): Voulez-vous encore une méthode fort simple? La voici. Tout le langage des Bêtes se réduit à exprimer les sentimens de leurs passions, & on peut réduire toutes leurs passions à un petit nombre; ce sont: le plaisir, la douleur, la colére, la crainte, l’amour, le désir de manger, le soin de leurs Petits. Si vous voulez donc avoir le dictionnaire du langage des Bêtes, observez-les dans les circonstances de ces différentes passions; & comme elles n’ont communément qu’une expression pour chacune, vous aurez bien-tôt composé vos dictionnaires sur le modéle que je vous ai proposé. Ensuite de ces différens dictionnaires réünis, vous en ferez un polyglotte qui contiendra tous les différens langages des Bêtes. (LA METTRIE 1748: 25–26): PARMI les Animaux, les uns apprennent à parler & à chanter; ils retiennent des airs & prennent tous les tons aussi exactement qu’un Musicien. Les autres, qui montrent cependant plus d’esprit, tels que le Singe, n’en peuvent venir à bout. Pourquoi cela, si ce n’est par un vice des organes de la parole? MAIS ce vice est-il tellement de conformation, qu’on n’y puisse apporter aucun remè-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken de? En un mot seroit-il absolument impossible d’apprendre une Langue à cet Animal? Je ne le crois pas. (LA METTRIE 1748: 27–28): […] mais le Singe voit & entend; il comprend ce qu’il entend & ce qu’il voit: il conçoit si parfaitement les Signes qu’on lui fait, qu’à tout autre jeu, ou tout autre exercice, je ne doute point qu’il ne l’emportât sur les disciples d’Amman. Pourquoi donc l’éducation des Singes seroit-elle impossible? Pourquoi ne pourroit-il enfin, à force de soins, imiter, à l’exemple des sourds, les mouvemens nécessaires pour prononcer? Je n’ose décider si les organes de la parole du singe ne peuvent, quoiqu’on fasse, rien articuler; mais cette impossibilité absolüe me surprendroit, à cause de la grande Analogie du Singe & de l’Homme, & qu’il n’est point d’Animal connu jusqu’à présent, dont le dedans & le dehors lui ressemblent d’une manière si frappante. (LA METTRIE 1748: 30): LA même Mécanique, qui ouvre le Canal d’Eustachi dans les Sourds, ne pourroit-il le déboucher dans les Singes? Une heureuse envie d’imiter la prononciation du maître, ne pourroit-elle mettre en liberté les organes de la parole, dans des Animaux, qui imitent tant d’autres Signes, avec tant d’adresse & d’intelligence? Non seulement je défie qu’on me cite aucune expérience vraiment concluante, qui décide mon projet impossible & ridicule; mais la similitude de la structure & des opérations du singe est telle, que je ne doute presque point, si on exerçoit parfaitement cet Animal, qu’on ne vînt enfin à bout de lui apprendre à prononcer, & par conséquent, à savoir une langue. (BUFFON [1749] 2007–: II, 462–463): L’homme rend par un signe extérieur ce qui se passe au dedans de lui, il communique sa pensée par la parole, ce signe est commun à toute l’espèce humaine; l’homme sauvage parle comme l’homme policé, & tous deux parlent naturellement, & parlent pour se faire entendre: aucun des animaux n’a ce signe de la pensée, ce n’est pas, comme on le croit communément, faute d’organes; la langue du singe a paru aux Anatomistes aussi parfaite que celle de l’homme: le singe parleroit donc s’il pensoit; si l’ordre de ses pensées avoit quelque chose de commun avec les nôtres, il parleroit notre langue, & en supposant qu’il
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n’eût que des pensées de singe, il parleroit aux autres singes; mais on ne les a jamais vûs s’entretenir ou discourir ensemble; ils n’ont donc pas même un ordre, une suite de pensées à leur façon, bien-loin d’en avoir de semblables aux nôtres; il ne se passe à leur intérieur rien de suivi, rien d’ordonné, puisqu’ils n’expriment rien par des signes combinez & arrangez; ils n’ont donc pas la pensée, même au plus petit degré. (BUFFON [1749] 2007–: II, 464): Il est si vrai que ce n’est pas faute d’organes que les animaux ne parlent pas, qu’on en connoît de plusieurs espèces auxquels on apprend à prononcer des mots, & même à répéter des phrases assez longues, & peut-être y en auroit-il un grand nombre d’autres auxquels on pourroit, si l’on vouloit s’en donner la peine, faire articuler quelques sons; mais jamais on n’est parvenu à leur faire naître l’idée que ces mots expriment; ils semblent ne les répéter, & même ne les articuler, que comme un écho ou une machine artificielle les répéteroit ou les articuleroit; ce ne sont pas les puissances méchaniques ou les organes matériels, mais c’est la puissance intellectuelle, c’est la pensée qui leur manque. C’est donc parce qu’une langue suppose une suite de pensées, que les animaux n’en ont aucune; car quand même on voudroit leur accorder quelque chose de semblable à nos premières appréhensions, & à nos sensations les plus grossières & les plus machinales, il paroît certain qu’ils sont incapables de former cette association d’idées, qui seule peut produire la réflexion, dans laquelle cependant consiste l’essence de la pensée; c’est parce qu’ils ne peuvent joindre ensemble aucune idée, qu’ils ne pensent ni ne parlent, c’est par la même raison qu’ils n’inventent & ne perfectionnent rien. (LA METTRIE [1751] 1774: XI, 119–120): §. III. Que les animaux expriment leurs idées par les mêmes signes que nous. Nous tâcherons de marquer avec précision en quoi consistent les connoissances des animaux, & jusqu’où elles s’étendent; mais sans entrer dans le détail trop rebattu de leurs opérations, fort agréables sans doute dans les ouvrages de certains Philosophes qui ont daigné plaire (1), admirables dans le livre de la natu-
re. Comme les animaux ont peu d’idées, ils ont aussi peu de termes pour les exprimer. Ils apperçoivent comme nous, la distance, la grandeur, les odeurs, la plupart des secondes qualités (2), & s’en souviennent. Mais outre qu’ils ont beaucoup moins d’idées, ils n’ont gueres d’autres expressions que celles du langage affectif dont j’ai déjà parlé. Cette disette vient-elle du vice des organes? Non, puisque les perroquets redisent les mots qu’on leur apprend, sans en savoir la signification, & qu’ils ne s’en servent jamais pour rendre leurs propres idées. Elle ne vient point aussi du défaut d’idées, car ils apprenent à distinguer la diversité des personnes, (1) V. principalement le P. Bougeant, Ess. Phil. sur le lang. des bêtes. (2) Comme parle Locke.
& même des voix, & nous répondent par des gestes trop vrais, pour qu’ils n’expriment pas leur volonté. Quelle différence y a-t-il donc entre notre faculté de discourir, & celle des bêtes? La leur se fait entendre quoique muette, ce sont d’excellents pantomines; la notre est verbeuse, nous sommes souvent de vrais babillards. Voilà des idées & des signes d’idées qu’on ne peut refuser aux bêtes, sans choquer le sens commun. Ces signes sont perpétuels, intelligibles à tout animal du même genre, & même d’une espece différente, puisqu’ils le sont aux hommes mêmes. (LA METTRIE [1751] 1774: XI, 120–121): Qu’on ne nous objecte pas que les signes du discernement des bêtes sont arbitraires, & n’ont rien de commun avec leurs sensations: car tous les mots dont nous nous servons le sont aussi, & cependant ils agissent sur nos idées, ils les dirigent, ils les changent. Les lettres qui ont été inventées plus tard que les mots, étant rassemblées, forment les mots, desorte [sic] qu’il nous est égal de lire des caractères; ou d’entendre les mots qui en sont faits, parce que l’usage nous y a fait attacher les mêmes idées, antérieures aux unes & aux autres lettres, mots, idées, tout est donc arbitraire dans l’homme, comme dans l’animal: mais il est évident, lors-qu’on jette les yeux sur la masse du cerveau de l’homme, que ce viscere peut contenir une multitude prodigieuse d’idées, & par conséquent exige pour
168 rendre ces idées, plus de signes que les animaux. C’est en cela précisément que consiste toute la supériorité de l’homme. (LA METTRIE [1751] 1774: XI, 121): Quelle différence y a-t il entre l’enfant & le perroquet qu’on instruit? ne redisent-ils pas également les sons dont on frappe leurs oreilles, & cela avec tout aussi peu d’intelligence l’un que l’autre. Admirable effet de l’union des sens externes, avec les sens internes; de la connexion de la parole de l’un, avec l’ouie de l’autre, & d’un lien si intime entre la volonté & les mouvements musculeux, qu’ils s’exercent toujours au gré de l’animal, lorsque la structure du corps le permet. (CONDILLAC [1755] 1947: II, IV, 360a): Il y a des bêtes qui sentent comme nous le besoin de vivre ensemble: mais leur société manque de ce ressort qui donne tous les jours à la nôtre de nouveaux mouvemens, et qui la fait tendre à une plus grande perfection. Ce ressort est la parole. J’ai fait voir ailleurs combien le langage contribue aux progrès de l’esprit humain. C’est lui qui préside aux sociétés, et à ce grand nombre d’habitudes qu’un homme qui vivroit seul ne contracteroit point. Principe admirable de la communication des idées, il fait circuler la sève qui donne aux arts et aux sciences la naissance, l’accroissement et les fruits. (CONDILLAC [1755] 1947: II, IV, 360b– 361a): Les bêtes qui ont cinq sens participent plus que les autres à notre fonds d’idées; mais, comme elles sont, à bien des égards, organisées différemment, elles ont aussi des besoins tout différens. Chaque espèce a des rapports particuliers avec ce qui l’environne: ce qui est utile à l’une est inutile ou même nuisible à l’autre; elles sont dans les mêmes lieux sans être dans les mêmes circonstances. Ainsi, quoique les principales idées, qui s’acquièrent par le tact, soient communes à tous les animaux, les espèces se forment, chacune à part, un système de connoissances. […] Mais, puisque les individus, qui sont organisés de la même manière, éprouvent les mêmes besoins, les satisfont par des moyens semblables, et se trouvent à-peu-près dans de pareilles circonstances, c’est une conséquence qu’ils fassent chacun les mêmes études, et qu’ils aient en commun le même fonds
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken d’idées. Ils peuvent donc avoir un langage, et tout prouve en effet qu’ils en ont un. Ils se demandent, ils se donnent des secours: ils parlent de leurs besoins, et ce langage est plus étendu, à proportion qu’ils ont des besoins en plus grand nombre, et qu’ils peuvent mutuellement se secourir davantage. (CONDILLAC [1755] 1947: II, IV, 361a– 361b): Les cris inarticulés et les actions du corps sont les signes de leurs pensées [des pensées des bêtes, C. N.]; mais pour cela il faut que les mêmes sentimens occasionnent dans chacun les mêmes cris et les mêmes mouvemens; et, par conséquent, il faut qu’ils se ressemblent jusques dans l’organisation extérieure. Ceux qui habitent l’air, et ceux qui rampent sur la terre, ne sauroient même se communiquer les idées qu’ils ont en commun. Le langage d’action prépare à celui des sons articulés. Aussi y a-t-il des animaux domestiques capables d’acquérir quelque intelligence de ce dernier. Dans la nécessité où ils sont de connoître ce que nous voulons d’eux, ils jugent de notre pensée par nos mouvemens, toutes les fois qu’elle ne renferme que des idées qui leur sont communes, et que notre action est à-peu-près telle que seroit la leur en pareil cas. En même temps, ils se font une habitude de lier cette pensée au son dont nous l’accompagnons constamment, en sorte que, pour nous faire entendre d’eux, ils nous suffit bientôt de leur parler. C’est ainsi que le chien apprend à obéir à notre voix. Il n’en est pas de même des animaux dont la conformation extérieure ne ressemble point du tout à la nôtre. Quoique le perroquet, par exemple, ait la faculté d’articuler, les mots qu’il entend et ceux qu’il prononce ne lui servent ni pour découvrir nos pensées, ni pour nous faire connoître les siennes, soit parce que le fonds commun d’idées que nous avons avec lui n’est pas aussi étendu que celui que nous avons avec le chien, soit parce que son langage d’action diffère infiniment du nôtre. Comme nous avons plus d’intelligence, nous pouvons, en observant ses mouvemens, deviner quelquefois les sentimens qu’il éprouve: pour lui, il ne sauroit se rendre aucun compte de ce que signifie l’action de nos bras, l’attitude de notre corps, l’altération de notre visage. Ces mouvemens n’ont point assez de rap-
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ports avec les siens, et d’ailleurs ils expriment souvent des idées qu’il n’a point et qu’il ne peut avoir. (CONDILLAC [1755] 1947: II, IV, 361b): C’est donc une suite de l’organisation que les animaux ne soient pas sujets aux mêmes besoins, qu’ils ne se trouvent pas dans les mêmes circonstances, lors même qu’ils sont dans les mêmes lieux, qu’ils n’acquièrent pas les mêmes idées, qu’ils n’aient pas le même langage d’action, et qu’ils se communiquent plus ou moins leurs sentimens, à proportion qu’ils diffèrent plus ou moins à tous ces égards. Il n’est pas étonnant que l’homme, qui est aussi supérieur par l’organisation que par la nature de l’esprit qui l’anime, ait seul le don de la parole; mais, parce que les bêtes n’ont pas cet avantage, faut-il croire que ce sont des automates, ou des êtres sensibles, privés de toute espèce d’intelligence? Non sans doute. Nous devons seulement conclure que, puisqu’elles n’ont qu’un langage fort imparfait, elles sont à-peu-près bornées aux connoissances que chaque individu peut acquérir lui-même. (CONDILLAC [1755] 1947: II, IV, 361b– 362a): Mais si les bêtes pensent, si elles se font connoître quelques-uns de leurs sentimens, enfin, s’il y en a qui entendent quelque peu notre langage, en quoi donc diffèrent-elles de l’homme ? N’est-ce que du plus au moins? Je réponds que, dans l’impuissance où nous sommes de connoître la nature des êtres, nous ne pouvons juger d’eux que par leurs opérations. C’est pourquoi nous voudrions vainement trouver le moyen de marquer à chacun ses limites: nous ne verrons jamais entre eux que du plus ou du moins. C’est ainsi que l’homme nous paroît différer de l’ange, et l’ange de Dieu même, mais de l’ange à Dieu la distance est infinie, tandis que de l’homme à l’ange elle est très-considérable, et sans doute plus grande encore de l’homme à la bête. (CONDILLAC [1755] 1947: II, V, 365a): L’instinct des bêtes ne remarque dans les objets qu’un petit nombre de propriétés, il n’embrasse que des connoissances pratiques; par conséquent, il ne fait point ou presque point d’abstractions. […]
Dès qu’elles forment peu d’abstractions, elles ont peu d’idées générales: presque tout n’est qu’individu pour elles. (PRIESTLEY [1762] 1971: 10–12): THE kind author of nature hath given to every animal that is capable of any kind of society, a power of communicating his sensations and apprehensions, at least, to every other animal he is connected with: and this power is more or less extensive in proportion as the animal is fitted for a more perfect or imperfect state of society. An animal that hath little connection with, or dependance upon any others, either of his own or a different species, as he hath little to communicate, hath a power of communication proportionably small: but when the connections of any animal are more numerous, and the dispositions and actions of others are of more consequence to him, it is requisite that, for his own advantage, he be furnished with a greater power of affecting them, by communicating his own ideas, apprehensions, and inclinations to them. The instrument and medium of this communication are different, according to the different situations of animals: in some it being most convenient to apply to one sense, and in others to another. E. G. Fishes, which, it is supposed, have no organs of hearing, probably give all the information they can give to one another by motion, perceived by the sight or feeling: but the air, by means of its elasticity […] affords to all animals that live in it a most convenient medium of communication by sounds, which are perceived by the ear. (PRIESTLEY [1762] 1971: 12): The nature of these communications is such as is best suited to the character and occasions of each animal respectively. The strong and ravenous animals are furnished with a tone of voice that inspires terrour and consternation into those to whom it is directed; whereas the shrieking and wailing note of the more timorous and defenceless creatures tends to inspire pity and compassion; and animals of a middle nature, that are capable both of annoying others, and being annoyed themselves, have their organs formed to emit sounds adapted to each condition.
170 (PRIESTLEY [1762] 1971: 13–14): The power of communication being, exactly proportioned to our social connections, must be nearly of the same extent with the furniture of the mind. And as the mental powers are intimately connected with the corporeal, an endeavour to express an alteration in the one will produce a correspondent alteration in the other: so that from the voices and gestures of brute animals, others (and particularly those of the same species, which have the same feelings, and the same power of expression with themselves,) may understand the whole of what they mean to convey: and even men, who have given sufficient attention to them, may be able to decypher their meaning to a considerable degree. Joy, sorrow, surprize, with the various subdivisions of those passions, hope, fear, love, anger, jealousy, and the like, as they have a strong feeling of, they have strong expressions for: and it is probable that their other intellectual operations are very imperfect, as they are able to give but very obscure indications of them: though dogs, horses, elephants, and some few others give very strong proofs of thinking and sagacity by their actions. (PRIESTLEY [1762] 1971: 14): Brute animals, though capable of emitting a considerable variety of sounds, have very little power of modulating their voices; which is called ARTICULATION. Of this men are capable. It consists not only in varying the aperture of the mouth, and thereby straitening or opening the passage of the sound, or in giving a greater or less degree of force to it; but, chiefly, in checking and stopping it in a great variety of ways, by the action of the tongue, lips, palate, and teeth. (Encyclopédie, Artikel Voix, JAUCOURT, 1765: XVII, 428): VOIX, (Physiologie.) c’est le son qui se forme dans la gorge & dans la bouche d’un animal, par un méchanisme d’instrumens propres à le produire. Voyez SON. Voix articulées sont celles qui étant réunies ensemble, forment un assemblage ou un petit système de sons: telles sont les voix qui expriment les lettres de l’alphabet, dont plusieurs, jointes ensemble, forment les mots ou les paroles. Voyez LETTRE, MOT, PAROLE. Voix non articulée, sont celles qui ne sont point organisées ou assemblées en paroles,
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken comme l’aboi des chiens, le sifflement des serpens, le rugissement des lions, le chant des oiseaux, &c. (Encyclopédie, Artikel Voix, JAUCOURT, 1765: XVII, 432–433): Quelques animaux terrestres ont la voix plus articulée que les autres, & la diversifient non-seulement par l’entrecoupement du son, mais encore par le changement de ton. Et cette articulation leur est naturelle; ensorte qu’ils ne la changent & ne la perfectionnent jamais, comme certains oiseaux. Les chiens, & sur-tout les chats, ont naturellement une diversité de ports de voix & d’accens qui est admirable; cependant leur voix n’est articulée que très-imparfaitement, si on la compare avec la parole. C’est la parole qui est particuliere à l’homme. Elle consiste dans une variation d’accens presque infinie; toutes leurs différences étant sensibles & remarquables, dépendent d’un grand nombre d’organes que la nature a fabriqués pour cet effet. Cependant la parole dans l’homme dépend beaucoup moins des organes que de la prééminence de l’être qui les possede; car il y a des animaux comme le singe qui ont tous les organes de même que l’homme pour la parole, & les oiseaux qui parlent n’ont rien approchant de cette structure. C’est une chose remarquable que la grande différence qu’on voit entre la langue du perroquet & celle de l’homme qui est assez semblable à celle d’un veau, tandis que celle du perroquet est ordinairement épaisse, ronde, dure, garnie au bout d’une petite corde, & de poil pardessus. On fait parler des chats & des chiens, en donnant à leur gosier une certaine configuration dans le tems qu’ils crient. Cela ne doit pas paroître surprenant depuis qu’on est venu à bout de faire prononcer une sentence assez longue à une machine, dont les ressorts étoient certainement moins déliés que ceux des animaux. On doit être encore moins surpris de ce phénomene dans ce siecle, après qu’on a vû le fluteur de M. de Vaucanson. (Encyclopédie, Artikel Interjection, BEAUZÉE, 1765: VIII, 827): “[…] Le langage d’un enfant, avant qu’il puisse articuler aucun mot, est tout d’interjections. La peinture d’aucun objet n’est encore entrée en lui par les portes des sens extérieurs, si ce n’est peut-être la
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sensation d’un toucher fort indistinct: il n’y a que la volonté, ce sens intérieur qui naît avec l’animal, qui lui donne des idées ou plûtôt des sensations, des affections; ces affections, il les désigne par la voix, non volontairement, mais par une suite nécessaire de sa conformation méchanique & de la faculté que la nature lui a donnée de proférer des sons. Cette faculté lui est commune avec quantité d’autres animaux [mais dans un moindre dégré d’intensité]; aussi ne peut-on pas douter que ceux-ci n’ayent reçu de la nature le don de la parole, à quelque petit degré plus ou moins grand”, [proportionné sans doute aux besoins de leur œconomie animale, & à la nature des sensations dont elle les rend susceptibles; d’où il doit résulter que le langage des animaux est vraisemblablement tout interjectif, & semblable en cela à celui des enfans nouveau-nés, qui n’ont encore à exprimer que leurs affections & leurs besoins.] (SÜSSMILCH [1766] 1998: 55–56): Alle Zeichen, wodurch die Gedanken der Seele können mitgetheilet werden, sind entweder natürlich, oder sie sind willkührlich und künstlich. Zu den natürlichen Zeichen gehören die Gliedmaßen des Leibes, die Augen, die Hände, Finger, die Füße, die Züge und Farbe des Gesichts, wie auch die Laute, das Lachen, Heulen und die ganze Stellung des Leibes. Hiedurch können sich Menschen und Thiere ihre Empfindungen, Begierden und Leidenschaften zu erkennen geben. Die Thiere haben besonders verschiedene durch die Gliedmassen der Kehle und ihre Natur bestimmte Töne, deren sie sich zur Warnung bey Annäherung eines Feindes zum Locken und dergleichen Verrichtungen bedienen. Es ist schon längst bemerket worden, daß die Thiere diese Töne gebrauchen, wenn sie auch gleich selbige nicht von ihren Voreltern gelernet haben. Bey dem allen aber bleiben die Thiere doch nur Thiere, und die Seele kommt dadurch nicht zum Gebrauch der obern und edlern Kräfte, nemlich zur Deutlichkeit der Begriffe, zum Licht des Verstandes und zum Gebrauch dessen, was eigentlich Vernunft ist und heißet, das ist, zur deutlichen und vollständigen Einsicht in den Zusammenhang allgemeiner Wahrheiten.
(SÜSSMILCH [1766] 1998: 100): Ein Thier braucht zu seiner Sprache keinen Lehrmeister wie die Kinder, es redet selbige sogleich nach der Geburt in der Vollkommenheit seiner Eltern. So bald der Trieb der Natur enstehet, so bedienet es sich des angebohrnen Tons als eines Zeichens seiner Bedürfniß, ohne daß es selbigen vorher von andern darf gehöret haben, weil solcher Schall ohne alle Ueberlegung blos durch die Werkzeuge des Schalles der Kehle und der Luftröhre hervorgebracht wird. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 100–101): Man höret gewisse einfache und gleichförmige allgemeine Töne, die allen Thieren einer Art in der ganzen Welt eigen und gemein sind. Es erhellet daraus klärlich, daß ihre Sprache sehr einfach sey. Ihre Bedürfnisse sind nicht vielfach, also brauchen sie auch nicht viele Zeichen. Ihr Vergnügen ist blos sinnlich und ihre Gesellschaft und umgang sehr schlecht, daher waren ihnen wenige Schalle und Geberden hinlänglich. Ganz andere Bestimmungen aber hat der Mensch, daher war er auch einer grössern Menge willkührlich gebildeter Zeichen benöthiget. Kan man aber 3) wohl behaupten, daß in den Schallen der Thiere auch abgezogenen, allgemeine Wörter, wie auch Zahlwörter befindlich wären? Man müste mit der Sprache der Thiere sehr bekant seyn und ein sehr feines Gehör haben, wenn jemand wolte die Thorheit haben und solches behaupten. Kan man aber dieses nicht von ihrer sogenannten Sprache behaupten, so fehlet es ihnen an den Hauptmitteln zur Vernunft wie solches vorher erwiesen ist. ([MAYET 1771] I-M-664: 5): Quand on accorderoit que ces animaux anthropoformes ayent les sens de la vue, de l’ouie, de l’odorat, du goût, et même celui du toucher, aussi parfaits que l’homme, il seroit toujours vrai de dire que l’homme est particuliérement doué d’une faculté qui le distingue essentiellement d’eux, je veux dire la faculté de parler, d’où dérive celle de se perfectionner plus que le singe et l’orang-outang. Répliquer avec Mr. de Buffon, que ces animaux ont comme nous les organes propres à former des sons articulés, et qu’ils ne parlent pas, parcequ’ils ne peuvent point, c’est supposer gratuitement ce qu’on n’a pas encore mis assez en question.
172 (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 66– 67): Pourquoi les animaux ne parviennent-ils pas à se “former un langage par l’imitation d’autant plus qu’ils pourroient profiter en cela de ce que l’homme a fait avant eux? Le singe, à ce que disent les Anatomistes a tous les organes nécessaires pour le faire, et jamais on n’est parvenu à lui faire prononcer un seul mot.(”) Je répons: 1) Que les besoins des animaux sont en plus petit nombre que les nôtres: 2) Que chaque animal ayant ses prerogatives particulières, celle d’imiter par le geste peut être échue au singe, & celle d’imiter par la voix à l’homme: 3) Que l’homme est le plus spirituel des animaux. Le perroquet apprend à imiter des sons; mais il n’a pas le génie d’aller plus loin. il n’appartient qu’à l’homme d’inventer; les autres animaux se contentent de ce que la nature leur a donné, ou de ce que l’artifice de l’homme leur a communiqué: 4) Que quand même il semble que les animaux ont des organes suffisants pour le langage; ils se peut fort bien qu’il y manque un *minimum* que nous ne remarquons pas: 5) Que la compagnie de l’homme ne pourroit pas aider beaucoup les animaux s’ils vouloient inventer un langage, & que le langage de chaque espèce d’animaux seroit très différent de celui de l’homme: il faudroit qu’ils fissent exactement ce que l’homme a fait; qu’ils imitassent des sons conformes à leurs organes; qu’ils les modificassent & les combinassent à leur manière: or comme je l’ai déja dit, il n’apartient qu’à l’homme d’inventer. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-667: 3): Kein Mensch hat jemals gedankenlos oder mechanisch reden gelernt, wie die abgerichteten Vögel dergleichen thun. Ein jeder verbindet mit den Wörtern seiner Sprache die dahingehörende Begriffe. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-680: 9): So wie allso die Thiere einen Schall bildeten ihre Empfindungen von sich zu geben, so machten sie es bey nahe auch. Die ersten Ausdrücke des Menschen, womit sie die Gegenstände bezeichneten, müßen allso vieles von dem Laute der Thiere entlehnet haben. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-680: 10): Es ist fraglich wahr, daß da die Menschen andere Sprachwerkzeuge hatten, als die Thiere, sie die Luft auch nicht auf eine völlig gleiche
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Art zitternd gemacht haben, als diese letztern thun. Man konte doch immer den Schall des Menschen von demjenigen des Viehes unterscheiden. Ich sage nur, er habe demselben in etwa geglichen. Mit der Zeit sonderten sich die Menschen in ihrer Sprache immer mehr ab. Sie konten die mancherley Begriffe, die ihre Seele sich vorzüglich nach und nach machte, auch mit mancherley Tönen bezeichnen. Die Thiere blieben allso hinten, und die Menschen gingen weiter. Mit Verlauf der Zeiten ist gar keine Änlichkeit mehr in diesem Stücke zwischen ihnen beyden geblieben. (HERDER [1772] 1978a: 101–102): Aber ich kann nicht meine Verwunderung bergen, daß Philosophen, d. i. Leute, die deutliche Begriffe suchen, je haben auf den Gedanken kommen können, aus diesem Geschrei der Empfindungen den Ursprung menschlicher Sprache zu erklären; denn ist diese nicht offenbar ganz etwas anders? Alle Tiere, bis auf den stummen Fisch, tönen ihre Empfindung; deswegen aber hat doch kein Tier, selbst nicht das vollkommenste, den geringsten eigentlichen Anfang zu einer menschlichen Sprache. Man bilde und verfeinere und organisiere dies Geschrei, wie man wolle – wenn kein Verstand dazukommt, diesen Ton mit Absicht zu brauchen, so sehe ich nicht, wie nach dem vorigen Naturgesetz je menschliche, willkürliche Sprache werde. Kinder sprechen Schälle der Empfindung wie die Tiere; ist aber die Sprache, die sie von Menschen lernen, nicht ganz eine andre Sprache? (HERDER [1772] 1978a: 105): Und da die Menschen für uns die einzigen Sprachgeschöpfe sind, die wir kennen, und sich eben durch Sprache von allen Tieren unterscheiden, wo finge der Weg der Untersuchung sichrer an als bei Erfahrungen über den Unterschied der Tiere und Menschen? Condillac und Rousseau mußten über den Sprachursprung irren, weil sie sich über diesen Unterschied so bekannt und verschieden irrten, da jener die Tiere zu Menschen und dieser die Menschen zu Tieren machte. (HERDER [1772] 1978a: 106–107): Nun aber: Der Mensch hat keine so einförmige und enge Sphäre, wo nur eine Arbeit auf ihn warte – eine Welt von Geschäften und Bestimmungen liegt um ihn.
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Seine Sinne und Organisation sind nicht auf eins geschärft – er hat Sinne für alles und natürlich also für jedes einzelne schwächere und stumpfere Sinne. Seine Seelenkräfte sind über die Welt verbreitet; keine Richtung seiner Vorstellungen auf ein Eins, mithin kein Kunsttrieb. Seine Sinne und Organisation sind nicht auf eins geschärft – er hat Sinne für alles und natürlich also für jedes einzelne schwächere, keine Kunstfertigkeit – und, das eine gehört hier näher her, keine Tiersprache. (HERDER [1772] 1978a: 107–108): Mit dem Menschen ändert sich die Szene ganz. Was soll für seinen Würkungskreis, auch selbst im dürftigsten Zustande, die Sprache des redendsten, am vielfachsten tönenden Tieres? Was soll für seine zerstreuten Begierden, für seine geteilte Aufmerksamkeit, für seine stumpfer witternden Sinne auch selbst die dunkle Sprache aller Tiere? Sie ist für ihn weder reich noch deutlich, weder hinreichend an Gegenständen noch für seine Organe – also durchaus nicht seine Sprache; denn was heißt, wenn wir nicht mit Worten spielen wollen, die eigentümliche Sprache eines Geschöpfs, als die seiner Sphäre von Bedürfnissen und Arbeiten, der Organisation seiner Sinne, der Richtung seiner Vorstellungen und der Stärke seiner Begierden angemessen ist? Und welche Tiersprache ist so für den Menschen? (HERDER [1772] 1978a: 109): Ich gebe dem Menschen nicht gleich plötzlich neue Kräfte, keine sprachschaffende Fähigkeit wie eine willkürliche Qualitas occulta. Ich suche nur in den vorher bemerkten Lücken und Mängeln weiter. Lücken und Mängel können doch nicht der Charakter seiner Gattung sein, oder die Natur war gegen ihn die härteste Stiefmutter, da sie gegen jedes Insekt die liebreichste Mutter war. Jedem Insekt gab sie, was und wieviel es brauchte: Sinne zu Vorstellungen und Vorstellungen, in Triebe gediegen, Organe zur Sprache, soviel es bedorfte, und Organe, diese Sprache zu verstehen. Bei dem Menschen ist alles in dem größten Mißverhältnis. […] Es muß uns also ein gewisses Mittelglied fehlen, die so abstehende Glieder der Verhältnis zu berechnen.
Fänden wir’s, so wäre nach aller Analogie der Natur diese Schadloshaltung seine Eigenheit [die Eigenheit des Menschen, C. N.], der Charakter seines Geschlechts, und alle Vernunft und Billigkeit foderte, diesen Fund für das gelten zu lassen, was er ist, für Naturgabe, ihm so wesentlich als den Tieren der Instinkt. Ja, fänden wir eben in diesem Charakter die Ursache jener Mängel und eben in der Mitte dieser Mängel […] den Keim zum Ersatze, so wäre diese Einstimmung ein genetischer Beweis, daß hier die wahre Richtung der Menschheit liege und daß die Menschengattung über den Tieren nicht an Stufen des Mehr oder Weniger stehe, sondern an Art. Und fänden wir in diesem neu gefundnen Charakter der Menschheit sogar den notwendigen genetischen Grund zur Entstehung einer Sprache für diese neue Art Geschöpfe, wie wir in den Instinkten der Tiere den unmittelbaren Grund zur Sprache für jede Gattung fanden, so sind wir ganz am Ziele. In dem Falle würde die Sprache dem Menschen so wesentlich, als – er ein Mensch ist. (HERDER [1772] 1978a: 124): Der Affe äffet immer nach, aber nachgeahmt hat er nie, nie mit Besonnenheit zu sich gesprochen: “Das will ich nachahmen, um mein Geschlecht vollkommner zu machen!” Denn hätte er das je, hätte er eine einzige Nachahmung sich zu eigen gemacht, sie in seinem Geschlecht mit Wahl und Absicht verewigt, hätte er auch nur ein einziges Mal eine einzige solche Reflexion denken können – denselben Augenblick war er kein Affe mehr! In aller seiner Affengestalt, ohne einen Laut seiner Zunge, war er inwendig sprechender Mensch, der sich über kurz oder lang seine äußerliche Sprache erfinden mußte. Welcher Orang-Utan aber hat je mit allen menschlichen Sprachwerkzeugen ein einziges menschliches Wort gesprochen? (HERDER [1772] 1978a: 125): Der Hund hat viele Worte und Befehle verstehen gelernt, aber nicht als Worte, sondern als Zeichen, mit Gebärden, mit Handlungen verbunden; verstünde er je ein einziges Wort im menschlichen Sinne, so dienet er nicht mehr, so schaffet er sich selbst Kunst und Republik und Sprache.
174 (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, I, XIV, 174–175): Further, not only solitary savages, but a whole nation, if I may call them so, have been found without the use of speech. This is the case of the Ouran Outangs that are found in the kingdom of Angola in Africa, and in several parts of Asia. They are exactly of the human form; walking erect, not upon all-four, like the savages that have been found in Europe; they use sticks for weapons; they live in society; they make huts of branches of trees, and they carry off negroe girls, whom they make slaves of, and use both for work and pleasure. These facts are related of them by Mons. Buffon in his natural history: and I was further told by a gentleman who had been in Angola, that there were some of them seven feet high, and that the negroes were extremely afraid of them; for when they did any mischief to the Ouran Outangs, they were sure to be heartily cudgelled when they were catched. But though from the particulars above mentioned it appears certain, that they are of our species, and though they have made some progress in the arts of life, they have not come the length of language; and accordingly none of them that have been brought to Europe could speak, and what seems strange, never learned to speak. (ROUSSEAU [1781] 1968: 39): Les animaux ont pour cette communication une organisation plus que suffisante, et jamais aucun d’eux n’en a fait cet usage. Voila, ce me semble, une différence bien caractéristique. Ceux d’entre eux qui travaillent et vivent en commun, les Castors, les fourmis, les abeilles ont quelque langue naturelle pour s’entre-communiquer, je n’en fais aucun doute. Il y a même lieu de croire que la langue des Castors et celle des fourmis sont dans le geste et parlent seulement aux yeux. Quoiqu’il en soit, par cela même que les unes et les autres de ces langues sont naturelles, elles ne sont pas acquises; les animaux qui les parlent les ont en naissant, ils les ont tous, et partout la même: ils n’en changent point, ils n’y font pas le moindre progrès. La langue de convention n’appartient qu’à l’homme. Voila pourquoi l’homme fait des progrès soit en bien soit en mal, et pourquoi les animaux n’en font point.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken (BEATTIE [1788] 1968: 2): That some inferiour animals should be able to mimick human articulation, will not seem wonderful, when we recollect, that even by machines certain words have been articulated. But that the parrot should annex thought to the word he utters, is as unlikely, as that a machine should do so. Rogue and knave are in every parrot’s mouth: but the ideas they stand for are incomprehensible, except by beings endued with reason and a moral faculty. (BEATTIE [1788] 1968: 2–3): It has however been a common opinion, and is probable enough, that there may be, among irrational animals, something, which by a figure we may call Language, even as the instinctive economy of bees is figuratively called Government. This at least is certain, that the natural voices of one animal are in some degree intelligible, or convey particular feelings, or impulses, to others of the same species. The summons of the hen is understood by the chickens: and a similar mode of communication may be observed, in many of the irrational tribes, between the parents and offspring, and between one animal and his customary associate. (BEATTIE [1788] 1968: 4–5): But these, and the like animal voices, have no analogy with human speech. – For, first, men speak by art and imitation, whereas the voices in question are wholly instinctive: for that a dog, which had never heard another bark, would notwithstanding bark himself, admits of no doubt; and that a man, who had never heard any language, would not speak any, is equally certain. – Secondly, the voices of brute animals are not broken, or resolvable, into distinct elementary sounds, like those of man when he speaks, (who is, from this circumstance, called by Homer and Hesiod Merops or voicedividing); nor are they suspectible of that variety, which would be necessary for the communication of a very few sentiments: and it is pretty certain, that, previously to instruction, the young animals comprehend their meaning, as well as the old. – And, thirdly, these voices seem intended by nature to express, not distinct ideas, but such feelings only, as it may be for the good of the species, or for the advantage of man, that they should have the power of uttering: in which, as in all other
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respects, they are analogous, not to our speaking, but to our weeping, laughing, groaning, screaming, and other natural and audible expressions of passion. (BEATTIE [1788] 1968: 5): In this light they are considered by Aristotle, in the following passage. “Man of all animals is only possessed of speech. Bare sound indeed may be the sign of what is pleasurable or painful; and for that reason is it common even to other animals also. For so far we perceive even their nature can go, that they have a sense of those feelings, and signify them to each other. But Speech is made to indicate what is expedient, and what hurtful, and, in consequence of this, what is just, and unjust. It is therefore given to men: because this, with respect to other animals, is to men alone peculiar, that of Good and Evil, Just and Unjust, they only posess a sense or feeling. (BEATTIE [1788] 1968: 5–6): Some animals seem to employ their voice, without any purpose of giving information to others of the species. The lark sings a great part of the day, even when alone. This affords a presumption, that her song has nothing in it of the nature of speech. That energy seems natural to the animal when soaring in the sky: perhaps it may be of benefit to her, as an amusement: certainly it is very pleasing to the ear of man. (BEATTIE [1788] 1968: 6): Some birds sing, while preparing their nests, and taking care of their young, and are silent the rest of the year. But it is not the nature of speech to be periodical: whereas those energies must be so, which are the effect of periodical feelings. Others of the brute creation are most apt to utter their voices, when the weather is about to change. But can we suppose, that they are then thinking of the weather, or that they intend to give information concerning it? Is it not more likely, that, as Virgil observes, their bodies being affected by alterations of the atmosphere which we cannot perceive, they are then; without any purpose, expressing instinctively certain pleasant, or painful sensations; even as the infant of a month old does, while it is crying, or smiling? (BEATTIE [1788] 1968: 18–19): Any human action might be made the sign of thought; but all are not equally convenient. Our ideas arise
and shift with great quickness: and therefore those actions or signs only can do them justice in the expression, which are easily performed, and of great variety, and in each variety obvious to sense. By means of an alphabet formed by pointing to the joints of the fingers, and by other sorts of gesticulation, many human sentiments might no doubt be expressed; but visible signs of this kind are of no use in the dark, and when distant are not perceptible; nor do they admit of sufficient variety; nor are they so easy in the performance, as the necessities of life would often require. But Audible Signs are equally useful by night and by day, and may be understood at a considerable distance: and the sounds of one and the same human voice may be varied without end, and are, in all their varieties, easily managed, and by the human ear distinctly perceptible. Indeed, when we compare the ear with the voice of man, we are at a loss to determine, whether the one is the more admirable for its power of diversifiying sounds, or the other for that of distinguishing them. – Audible Signs, therefore, constitute language in all nations. And if men could always be present with those to whom they wish to give information, signals, and every other visible sign of thought, would be unnessesary; and speech, as it is the readiest, would be the only, vehicle of human sentiment. (DEBRUN 1801: 63): 59. Mais il y a trois espèces de signes de nos pensées: les uns, naturels, proviennent de notre constitution physique; tels sont les cris par lesquels nous manifestons nos besoins et les affections de notre ame; d’autres, accidentels, proviennent du hasard qui associe quelquefois les objets les plus disparates: enfin, les autres se nomment artificiels, parce qu’ils sont l’effet de l’art et de l’industrie humaine, et tels sont les mots par lesquels l’homme manifeste sa pensée. (BERNHARDI [1805] 1990: 18): Der articulirte Ton ist ein solcher, welcher durch die dem Menschen allein eigenthümlichen Sprachwerkzeuge hervorgebracht wird. (BERNHARDI [1805] 1990: 18): Den unarticulirten Ton, oder das Zeichen der bloßen Empfindung theilt der Mensch mit den Thieren. (CALLEJA 1818: 1): Asi es que todas ellas se componen de sonidos, los que en su primer
176 origen, modificados por un gesto, ó por su entonación representaban una idea: pero como estos por si solos no bastasen para comunicarse todos los pensamientos, fue necesario que los hombres hiciesen una combinacion de dos, tres, cuatro, ó seis de ellos, para que espresasen la idea, ó pensamiento que cada uno de por sí no podia verificar. (BELLO [1847] 1995: 5): El habla de un pueblo es un sistema artificial de signos, que bajo muchos respectos se diferencia de los otros sistemas de la misma especie.
III.
1. Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ im 17. Jahrhundert Zur näheren Charakterisierung der Besonderheit menschlicher Lautsprache werden im 17. und 18. Jahrhundert bevorzugt tierische Kommunikationsformen (‘Tiersprache’) als Gegenpol angeführt. Eine Unterscheidung zwischen menschlichen und tierischen Formen der Verständigung wird im 17. Jahrhundert im Kontext der Diskussion um das Wesen des menschlichen Verstandes und der menschlichen Seele getroffen. Die Frage nach der Existenz einer ‘Tiersprache’ und Formen tierischer Kommunikation ist zugleich zentral für die Konzeption des Menschen, da ihre Bejahung seinen Sonderstatus im Reiche des Lebendigen unterminieren würde. Besondere Relevanz kommt dieser Problematik in den anthropologischen Diskussionen des 18. Jahrhunderts zu. Unter dem Eindruck der naturgeschichtlichen Entwicklungslehre BUFFONs, der in seiner Histoire naturelle générale et particulière (1749) die Differenzierung und Vervollkommnung der Lebewesen im Sinne einer Stufenleiter konzipiert hatte, bemühte man sich um die Einordnung des Menschen in das Gesamtsystem der Natur. Die Diskussion um die Unterscheidung zwischen menschlichen und tierischen Kommunikationsformen erhielt im 17. Jahrhundert den entscheidenden Anstoß durch DESCARTES’ Überlegungen im Discours de la méthode (1637). In diesem Werk integriert DESCARTES seine Überlegungen zur Sprache in den Kontext seiner dualistischen Metaphysik, die auf dem Gegensatz zwischen zwei grundverschiedenen Substanzen, nämlich der den-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken kenden (res cogitans) und der ausgedehnten (res extensa) basiert. Seine Sprachauffassung beruht wesentlich auf der dualistischen Differenzierung in Geist und Körper: So ist die Sprache für ihn äußerliches Ausdrucksmittel des Verstandes (raison), dem die seelenlosen Automatismen der Tiere gegenübergestellt werden. Tiere sind für DESCARTES reine Automaten, die im Unterschied zum Menschen weder über eine eigene Seele, noch über Sprache verfügen. Die Sprache stellt für DESCARTES das entscheidende Distinktionskriterium zwischen Mensch und Tier dar: Während selbst Schwachsinnige ihre Gedanken mit Hilfe der Sprache zu übermitteln vermögen (Car c’est vne chose bien remarquable, qu’il n’y a point d’hommes si hebetez & si stupides, sans en excepter mesme les insensez, qu’ils ne soient capables d’arrenger ensemble diuerses paroles, & d’en composer vn discours par lequel ils facent entendre leurs pensées) und auch Taubstumme eine Form der Kommunikation mit Hilfe von Zeichen erfinden (que les hommes qui, estans nés sours & muets, sont priuez des organes qui seruent aux autres pour parler, autant ou plus que les bestes, ont coustume d’inuenter d’eux mesmes quelques signes, par lesquels ils se font entendre a ceux qui, estans ordinairement auec eux, ont loysir d’apprendre leur langue), besitzt nach DESCARTES’ Meinung selbst das vollkommenste Tier nicht einmal im Ansatz eine Sprache. Zwar seien Papageien und Elstern durch ihre physiologische Grunddisposition zur Entäußerung von Lauten befähigt, aber dabei handele es sich um reine Imitation, da sie keinerlei mentale Konzepte mit ihren Lautäußerungen verbänden (on voit que les pies & les perroquets peuuent proferer des paroles ainsi que nous, & toutefois ne peuuent parler ainsi que nous, c’est a dire, en tesmoignant qu’ils pensent ce qu’ils disent). Weil die Vokalisationen der Papageien nach DESCARTES’ Meinung nicht der Übermittlung von Gedanken dienen, sondern nur auf instinktiven Automatismen beruhen, spricht er ihnen jegliche Form von Verstand ab (Et cecy ne tesmoigne pas seulement que les bestes ont moins de raison que les hommes, mais qu’elles n’en ont point du tout). Der Mensch ist in der dualistischen Philosophie DESCARTES’ demgegenüber das einzige Wesen, in dem res cogitans und res
Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)
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extensa als Seele und Körper miteinander vereint sind. Nur der Mensch verfügt nach DESCARTES über eine Seele und damit über die raison, die Denkfähigkeit, deren äußerliches Ausdrucksmittel die Sprache ist. Die artikulierte Lautsprache ist daher eine Prärogative der menschlichen Spezies. DESCARTES’ Position zur ‘Sprache der Tiere’ sollte auch im weiteren Verlauf der Diskussion über die Jahrhunderte bis in unsere Zeit hinein ein bedeutsamer Diskussionsgegenstand werden (vgl. Teil IV). Bereits MERSENNE hatte in seiner Harmonie universelle (1636) darauf verwiesen, dass einzig der Mensch Laute in artikulierter Form zu produzieren vermöge, die die Bezeichnung parole verdienten. Da die Imitationen etwa der Papageien nicht in der Absicht erfolgten, etwas zu bedeuten und den Laut mit einem Konzept zu verbinden (car les perroquets & les autres oiseaux qui parlent ne sçauent ce qu’ils disent, & apprennent leur leçon sans sçauoir ce qu’elle signifie), könnten sie nicht als Sprache bezeichnet werden (ĺ Zeichen und Idee). Zwar spricht MERSENNE von einem idiome des bestes, aber er hebt diese Kommunikationsform von den intentionalen Lautäußerungen des Menschen ab. Menschliche Lautsprache ist für MERSENNE wesensgemäß durch die Absicht, ĺ Bedeutung zu übermitteln, charakterisiert, die er tierischen Kommunikationsformen abspricht. Formen der Zoosemiose verdienen es seiner Ansicht nach nicht, als Sprache bezeichnet zu werden (leur jargon n’est pas digne du nom de parole), da tierische Vokalisationen weder intentional gebraucht würden noch Bezug auf Dinge der Außenwelt nähmen. Allerdings gesteht MERSENNE den Tieren die Verwendung artspezifischer Kommunikationsformen durchaus zu, wobei er die unterschiedliche physiologische Disposition etwa von Vögeln oder Landtieren zur Produktion von Lauten für berücksichtigenswert hält. MERSENNE zieht auch die Möglichkeit, Tiere rudimentäre Sprachlaute oder Gesang zu lehren, in Erwägung, nicht ohne jedoch unterschiedliche Methoden für Vögel und Landtiere zu postulieren (il y a de l’apparence qu’il faut vser d’autres industries pour enseigner les animaux terrestres, que pour enseigner les oiseaux).
Auch die Gründe für die Sprachlosigkeit der Tiere interessieren MERSENNE, der die anatomische Sektion tierischer Kehlköpfe, wie sie etwa von FABRICIUS AB AQUAPENDENTE vorgenommen wurde, jedoch nicht für zielführend hält, da das Wesen der ĺ Artikulation nur während des Artikulationsprozesses selbst erfassbar sei und am toten Objekt nicht adäquat beschrieben werden könne (les parties qui seruent à la voix, ont plusieurs mouuemens qui ne se peuuent reconnoistre que dans l’animal vivant lors qu’il crie, qu’il chante, ou qu’il parle). Das Wissen um das genaue Zusammenspiel der einzelnen Organe beim Artikulationsprozess sei daher ihrem göttlichen Schöpfer vorbehalten (parce que les parties ont plusieurs vsages dans les viuans qui sont seulement connus de celuy qui en est le premier & le principal autheur). Tierische Kommunikationsformen beschreibt MERSENNE als wesensmäßig verschieden von artikulierter Lautsprache. Innerhalb der Zoosemiose unterscheidet er allerdings zwischen unterschiedlichen Ausprägungen der ‘Tiersprache’, die er allgemein als la langue, & l’idiome des bestes bezeichnet. MERSENNE betont die Existenz artspezifischer tierischer Kommunikationsformen und lobt die Effizienz intraspezifischer Verständigungsmuster, die mit der der menschlichen Lautsprache durchaus vergleichbar sei (car l’on experimente que celles qui sont de mesme espece s’entendent aussi bien par leur voix differentes, que les hommes par leurs paroles). Ferner hebt er die Varianz tierischer Vokalisierungen hervor, da Tiere über mindestens ebenso viele verschiedene Schreie wie Leidenschaften verfügten (leurs cris sont du moins aussi differens que leurs passions). Die artspezifischen Vokalisationen der Tiere beschreibt er als natürliche Sprachen (langues naturelles), da sie zum Ausdruck emotionaler Befindlichkeiten wie Lust, Zorn oder Trauer (leurs desirs, la cholere & la tristesse) dienen. Obwohl MERSENNE den Tieren effiziente intraspezifische Kommunikationsformen zum Ausdruck ihrer Emotionen zugesteht, beurteilt er die Zoosemiose als wesensmäßig verschieden von der durch die Merkmale der Intentionalität und Bedeutungshaftigkeit ge-
178 kennzeichneten Lautsprache des Menschen (ĺ Bedeutung). Das Postulat eines grundsätzlichen Unterschiedes zwischen menschlichen und tierischen Kommunikationsformen erhebt auch COMENIUS, der der mens, dem Geist des Menschen, die sensus, also die Sinne der Tiere, gegenüberstellt. Zwar besitzen Tiere den Abklatsch, genauer den “Schatten” (umbra) einer Sprache, wie etwa die Vögel, die Laute verwenden, um mit Artgenossen zu kommunizieren, aber da sie diese Laute nicht zum Ausdruck von Gedanken benutzen, bleibt ihre Form der Kommunikation weit hinter der des Menschen zurück (Habent & susurros qvosdam, garritusqve suos, qvibus alia aliis indicia sui faciant: at non habent Sonos articulatos, qvi ad omnes animi conceptus exprimendos sufficiant). Da Tiere nur über Sinnesempfindungen, nicht aber über Verstand verfügten (Nempe habent Sensus: at non habent MENTEM), könnten sie auch keine Sprachlaute artikulieren. Den durch die ratio gesteuerten Lautäußerungen des Menschen stehen die Instinktlaute des Tieres unversöhnlich gegenüber. Die Vorstellung, dass menschliche Lautsprache sich im Gegensatz zu tierischen Kommunikationsformen vor allem durch die Merkmale der Bedeutungshaftigkeit (ĺ Bedeutung) und der ĺ Arbitrarität auszeichnet, wird auch von CARAMUEL Y LOBKOWITZ vertreten. So könne man die Laute von Vögeln und Vierbeinern nicht mit der artikulierten Lautsprache der Menschen vergleichen, da tierische Laute nicht als willkürliche bedeutungstragende Zeichen fungierten (non esse dictiones significativas ad placitum). Überlegungen zu tierischen Kommunikationsformen im Vergleich zur artikulierten Lautsprache werden auch in einem anonymen italienischen Werk aus dem Jahre 1683 in den breiteren Kontext der Reflexion zum ĺ Wesen der Sprache integriert und ähneln der Argumentation DESCARTES’ im Discours de la méthode (1637). Menschliche Sprache (parola) wird in der Darstellung des Anonymus als Gebilde artikulierter Laute charakterisiert, die mit Hilfe der Sprechwerkzeuge hervorgebracht werden. Wesentlich ist die Kategorie der ĺ Artikulation, da sie menschliche Sprachlaute fundamental von unartikulierten
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Lauten wie etwa dem Pfeifen, den noch undifferenzierten Vokalisationen Neugeborener (ĺ Spracherwerb) und dem Stammeln Taubstummer (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) unterscheidet. Auch die imitatorischen Lautäußerungen von Papageien werden nicht als Sprache beschrieben, da sie nicht als Ausdruck von Gedanken interpretiert werden. Sprache zeichne sich nicht nur dadurch aus, dass sie der Repräsentation menschlicher Ideen diene, sondern auch dadurch, dass die Verbindung zwischen Gedanken und Lauten nicht naturgegeben sei, sondern auf einer allgemeinen ĺ Konvention der Sprechergemeinschaft beruhe (gli stessi pensieri, i quali vengono spiegati ed accennati dal suono articolato, non per sua natura, mà pel consenso, & patto degli huomini trà di loro), da die Sprache ihrem Wesen nach arbiträr sei (perche la parola è, come ogn’vno sà, vn segno non naturale, ma arbitrario) (ĺ Wesen der Sprache, ĺ Arbitrarität). Im Geiste des Cartesianismus beschreibt auch HOLDER in seinen Elements of speech (1669) den Menschen als ein privilegiertes Geschöpf, das allein über Sprache verfügt. Sprache erachtet HOLDER im Sinne DESCARTES’ als geeignetes Instrument zur Repräsentation der Vollkommenheit der menschlichen Seele (But of all other, there is none for this use comparable to the variety of instructive Expressions by Speech, wherewith Man alone is endowed, as with an Instrument suitable to the Excellency of his Soul). Der Besitz der Sprache gestattet dem Menschen nach HOLDERs Auffassung, die unendliche Vielfalt seiner Gedanken durch ein einfaches, schnelles und ökonomisches System nach außen dringen zu lassen, das durch das Zusammenspiel von Zunge und Gehör funktioniert. Selbst wenn ihre physiologische Disposition Tieren wie Papageien und Elstern die Differenzierung von Lauten erlaube, so erwiesen sich ihre Seelen und damit ihr Verstand als zu klein für den Gebrauch eines so komplexen Systems wie der Sprache (their souls are too narrow to use so great an Engine). Mit der Vorstellung, dass die artikulierte Lautsprache als äußerliche Ausdrucksform des menschlichen Verstandes fungiert, dessen Existenz wiederum das Vorhandensein einer menschlichen Seele beweist, knüpft HOLDER
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an die Postulate des cartesischen Dualismus unmittelbar an. Da die Tiere jedoch nicht über ein so vollkommenes System wie die artikulierte Lautsprache verfügten, könne man ihnen allenfalls Rudimente einer Seele zusprechen. HOLDERs Argumentation zur ‘Tiersprache’ im Gegensatz zur menschlichen Lautsprache folgt der cartesianischen Vorstellung von der unangefochtenen Superiorität des Menschen im Reiche des Lebendigen, dessen Lautsprache Ausdruck von Verstand und Seele ist. Die cartesische Konzeption des Dualismus von Körper und Geist übernimmt auch CORDEMOY in seinem Discours physique de la parole. Während die ĺ Stimme Ausdruck der Körperlichkeit des Menschen sei, sei das Denken geistiger Natur und komme einzig der Seele als immaterieller Substanz zu. Ebenso wie DESCARTES beschreibt CORDEMOY Tiere als Wesen, die für ihre Vokalisierungen keiner Seele bedürfen (les bestes n’ont pas besoin d’une ame pour crier), nicht einmal für die Imitation menschlicher Lautsprache. Auch die artspezifische Ausprägung ihrer Vokalisationen beurteilt CORDEMOY nicht als Ausdrucksform ihrer Seele, d. h. ihrer Denkfähigkeit, sondern als Resultat der unterschiedlichen anatomisch-physiologischen Konfiguration verschiedener tierischer Spezies (si le cry de celles qui sont d’une mesme espece, les dispose à s’approcher, & fait reculer celles qui sont d’une autre espece, on n’en doit chercher la cause que dans leur corps, & la differente construction de leurs organes). Menschliche Lautäußerungen seien jedoch immer Ausdruck unseres Denkens und artikulierte Lautsprache (parole) zeichne sich immer durch zwei Dinge aus: die Stimmproduktion, welche körperlicher Natur sei (la formation de la voix, qui ne peut venir que du corps), und die ĺ Bedeutung bzw. die Idee, die man mit dem Stimmlaut verbinde (la signification ou l’idée qu’on y joint). Diese Bedeutung kann nach CORDEMOY nur von der Seele herrühren, d. h. mit Hilfe unseres Verstandes generiert werden. Die Abgrenzung seelenloser, instinktiver Tierlaute von den bedeutungshaften, intentionalen Lauten menschlicher Sprache steht auch bei
CORDEMOY im Zeichen des cartesischen Dualismus von res cogitans und res extensa. Die Problematik der ‘Tiersprache’ und damit das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein einer Tierseele wird damit in einen weiteren ontologischen und anthropologischen Zusammenhang gerückt, der auf die Konzeption der Rolle des Menschen im Reiche der Lebewesen und die Rolle des Tieres im Verhältnis zum Menschen abzielt. Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ wird im 17. Jahrhundert vielfach im Kontext des cartesischen Dualismus von Körper und Geist betrachtet. Dabei werden tierische Vokalisationen als verstandeslose Äußerungen von Automaten begriffen und die menschliche Spezies aufgrund ihrer Denkfähigkeit, deren äußeres Zeichen die Verwendung artikulierter Lautsprache ist, über die Tiere erhoben. Zwar werden bestimmten Tierarten wie etwa Papageien und Affen durchaus gewisse anatomische Voraussetzungen zur Sprachproduktion zugestanden, aber zugleich wird ihnen jede Form von Vernunft, die als Grundvoraussetzung menschlicher Sprachfähigkeit gilt, abgesprochen. DESCARTES’ Übertragung seines Leib-SeeleDualismus auf seine Sprachkonzeption ist allerdings auch als eine Reaktion auf epikureisch-sensualistische Vorstellungen GASSENDIs oder LA FONTAINEs zu verstehen, die ebenso wie im vorherigen Jahrhundert bereits MONTAIGNE die Existenz tierischer Intelligenz und Sprache annahmen. Im Gegensatz zum Rationalismus DESCARTES’ begreift GASSENDI den Menschen im Gefolge der Überlegungen antiker Autoren wie EPIKUR und LUKREZ primär als ein körperliches Wesen und postuliert einen nur graduellen Unterschied zwischen dem Vorstellungsvermögen (imagination) der Tiere und den Denkformen des Menschen. Diese epikureischsensualistische Auffassung einer ‘Tiersprache’ prägte im 18. Jahrhundert etwa die Konzeption CONDILLACs von einem langage des bêtes, der sich explizit gegen die Positionen DESCARTES’ und BUFFONs wandte. 2. Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ im 18. Jahrhundert Im Zusammenhang der Diskussion der Sprachursprungsfrage im 18. Jahrhundert
180 (ĺ Ursprung) wird auch das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ thematisiert, wobei die sensualistischen Modelle bereits in Ansätzen Argumentationen erkennen lassen, die für die Evolutionstheorie und die Darwinsche Transformationslehre charakteristisch sind. Die Präformationslehre des 18. Jahrhunderts war noch von der Annahme einer allmählichen Entwicklung der Arten im Sinne eines bereits vorgefertigten, also aus Vorstrukturen aufgebauten Ablaufplans ausgegangen und kam damit DESCARTES’ Auffassung von den eingeborenen Ideen (idées innées) nahe. Dieser Lehre wurde nun etwa von MAUPERTUIS, DIDEROT oder ROUSSEAU eine Vorstellung von der Entwicklung der Arten gegenübergestellt, die diese als Transformation begreift. Charakteristisch für die naturgeschichtliche Entwicklungslehre, wie sie im Zuge sensualistischer Hypothesen zum Sprachursprung vorgetragen wird, ist die Annahme von Grundbegriffen wie ‘Perfektibilität’ und ‘Fortschritt’, die das gesamte Geschichtsdenken der Aufklärung prägten. Im Rahmen der Etablierung eines säkularisierten Weltbildes wird die Stellung des Menschen im Universum und sein Verhältnis zum Tier hinterfragt, wobei die Vorstellung menschlicher Perfektibilität ein wichtiges Konzept auf biologischem wie gesellschaftlichem Gebiet darstellt. Das Streben nach einer Einordnung des Menschen in das Gesamtsystem der Natur entfaltet sich in der Entstehung einer naturgeschichtlichen Entwicklungslehre, in der dem Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ im 18. Jahrhundert besondere Relevanz zukommt. Sensualistische Hypothesen zum Sprachursprung (ĺ Ursprung), wie sie etwa von CONDILLAC und ROUSSEAU vorgetragen werden, liefern im Gegensatz zu der strikten Konzeption DESCARTES’ Ansatzpunkte für körperliche Grundlagen der Sprache, verwischen damit die Grenzen zwischen tierischen und menschlichen Kommunikationsformen und verleihen der Diskussion um die Existenz einer ‘Tiersprache’ und einer ‘Tierseele’ eine neue Dimension, indem der Sonderstatus des Menschen im Reiche des Lebendigen in Frage gestellt wird. Als skandalträchtiger Angriff auf diese Sonderstellung wurde etwa BOUGEANTs Amusement philoso-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken phique sur le langage des bêtes (1739) beurteilt, in dem der Unterschied zwischen Mensch und Tier nivelliert wird. BOUGEANT nimmt die Existenz eines grundsätzlichen Kommunikationsbedürfnisses von Menschen und Tieren an. So geht er in einem hypothetischen Experiment von der Existenz einer universellen Gestensprache aus, die ein Volk von Taubstummen zur gegenseitigen Verständigung erfinden und auch perfektionieren würde (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Da BOUGEANT die Verwendung eines Kommunikationssystems zur Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Strukturen für unverzichtbar hält, spricht er auch allen Herdentieren die Verwendung eines langage zu. Weil die Natur etwa den Biber als sozial lebendes Tier geschaffen habe, müsse dieser auch mit den zum Überleben notwendigen Mitteln ausgestattet worden sein (la nature, qui agit toûjours avec tant de sagesse, a fait les Castors pour vivre en societé, elle leur en a donné tous les moyens nécessaires, & par conséquent la faculté de parler, quelque soit leur langage, puisque sans ce secours il est impossible qu’aucune societé puisse subsister). Als unerlässliches Mittel der Überlebenssicherung eines sozial lebenden Tieres, wie der Biber es verkörpert, nennt BOUGEANT die Sprachfähigkeit (la faculté de parler). Allerdings grenzt er das Kommunikationssystem des Bibers von menschlicher Lautsprache ab, indem er die Existenz artspezifischer Verständigungssysteme zwischen im Sozialverband lebenden Tieren wie etwa Biber, Bienen und Ameisen annimmt. Die Verwendung eines artspezifischen Kommunikationssystems schreibt BOUGEANT aber nicht nur Herdentieren zu, sondern auch allen anderen Tieren bis hin zu Auster und Nacktschnecke (Si les Castors & les Perroquets ont un langage, il faut que l’Huitre & le Limaçon ayent le leur). Jedoch geht er von einem unterschiedlichen Grad der Entwicklung der Sprachfähigkeit bei verschiedenen Tierarten aus, die er bei Herdentieren für am höchsten entwickelt hält (Il en est ainsi de la faculté de parler. Peut-être que cette faculté est plus parfaite dans les Bêtes qui vivent en societé & en famille). Den Vogelgesang interpretiert BOUGEANT als Sprache (Les Oiseaux chantent, dit-on, c’est
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une erreur. Les Oiseaux parlent & ne chantent point) und als natürliches artspezifisches Verständigungsmedium. Zwar sei die ‘Sprache der Vögel’ dem Menschen unverständlich, aber sie stelle ein höchst effizientes Verständigungssystem dar. BOUGEANT stellt sie der Sprache der Hottentotten an die Seite, die er mit dem Glucksen eines Truthahns vergleicht, wobei er sich eines Topos der eurozentristischen Sprachbeschreibung des 18. Jahrhunderts bedient (vgl. NEIS 2003) (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). BOUGEANTs Konzeption der ‘Tiersprache’ im Vergleich zur menschlichen Lautsprache lässt aber auch Grenzen und Beschränkungen der Zoosemiose erkennen. So erachtet er die tierische Intelligenz als geringer, da Tiere sich seiner Auffassung nach immer nur auf einen Gegenstand fokussieren können, den sie stets auf dieselbe Art wahrnehmen. Diese Beschränktheit der Wahrnehmung impliziert für BOUGEANT, dass Tiere sich immer nur auf dieselbe Art und Weise über einen bestimmten Gegenstand mitteilen können und für die Bezugnahme auf dasselbe Objekt auch nur einen ‘Ausdruck’ (expression) verwenden (elles n’ont aussi communément qu’une seule façon d’exprimer leurs connoissances ou leurs sentimens). Aufgrund dieser monodimensionalen Zuordnung von Objekt und Vokalisationstyp sowie der Fixierung auf die hic-et-nunc-Situation, in der der Gegenstand ihrer Kommunikation in Erscheinung tritt, sind tierische Verständigungsformen nach BOUGEANT durch ihren repetitiven Charakter gekennzeichnet (il [le langage des Bêtes, C. N.] est encore borné par lui-même, en ce qu’il n’a communément qu’une seule expression pour chaque objet; & c’est là la cause de leurs répetitions fréquentes). Die instinktund lustgeleitete Objektfixierung verleiht dem langage des Bêtes in der Konzeption BOUGEANTs den Charakter der engen Beschränktheit auf eine hic-et-nunc-Situation, die keine Varianz der Vokalisationen oder der Gestik erforderlich macht. Die ‘Tiersprache’ ist seiner Auffassung nach durch zeitliche und örtliche Gebundenheit sowie durch den instinktiv-affektiven Charakter der Vokalisationen, die dem Ausdruck von Basisemotionen dienen, charakterisiert (Tout le langa-
ge des Bêtes se réduit à exprimer les sentimens de leurs passions, & on peut réduire toutes leurs passions à un petit nombre). BOUGEANT interpretiert die ‘Tiersprache’ damit als eine Sprache der Emotionen, die auf eine vergleichsweise geringe Anzahl an Gefühlen reduziert werden kann, zu denen er Lust, Schmerz, Wut und Angst zählt (ce sont: le plaisir, la douleur, la colére, la crainte, l’amour). Zu den Primärbedürfnissen, die das Tier ebenfalls zum Ausdruck bringt, zählt er ferner Hunger und Brutpflege (le désir de manger, le soin de leurs Petits). Aufgrund der Beschränktheit der Emotionen und der Primärbedürfnisse der Tiere ist ein “Wörterbuch” der ‘Tiersprache’ nach BOUGEANTs Meinung rasch zu erstellen, wobei es sich wegen der Artspezifik tierischer Kommunikationssysteme jedoch um ein “polyglottes” Exemplar handeln müsse (Ensuite de ces différens dictionnaires réünis, vous en ferez un polyglotte qui contiendra tous les différens langages des Bêtes). Die Nivellierung des Unterschiedes zwischen Mensch und Tier im System der Lebewesen, die BOUGEANT durch die Anerkennung einer ‘Tiersprache’ vorgenommen hatte, brachte ihn in Konflikt mit kirchlichen Autoritäten. Mit der Annahme der Existenz einer ‘Tiersprache’ hatte BOUGEANT den Tieren auch Verstand und eine Seele zugesprochen, obwohl er versuchte, diesen Eindruck abzumildern, indem er ihnen nur Seelen von Dämonen zubilligte. Mit der Anerkennung einer ‘Tiersprache’ und einer Seele der Tiere nahm BOUGEANT zudem eine explizit anticartesianische Position ein. Als anticartesianisches Pamphlet ist nicht nur BOUGEANTs Amusement philosophique sur le langage des bêtes, sondern auch LA METTRIEs L’homme-machine (1748) zu interpretieren. Bei diesem Werk handelt es sich ebenfalls um einen wichtigen Referenztext für das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ im 18. Jahrhundert. Dieses materialistische Traktat ist durch die Verwischung der Grenzen zwischen den verschiedenen Lebewesen und die Infragestellung der menschlichen Superiorität gegenüber dem Tierreich gekennzeichnet. LA METTRIE antwortet mit diesem Text direkt auf DESCARTES’ Konzeption der Tiere als Auto-
182 maten im Discours de la méthode, indem er dessen Automatentheorie pervertiert und auf den Menschen anwendet. In LA METTRIEs Argumentation wird der Mensch auf seine physiologische Natur reduziert. Die Vergleichbarkeit physiologischer Prozesse wie Atmung, Nahrungsaufnahme und Ausscheidung bei Mensch und Tier veranlasst den Autor, beide auf einer Ebene anzusiedeln. Mit der Radikalisierung von DESCARTES’ Automatentheorie und ihrer Anwendung auf den Menschen wird der cartesischen Konzeption von der auf Verstand und Sprache beruhenden Superiorität des Menschen die Vorstellung von der Gleichberechtigung zwischen Mensch und Tier gegenübergestellt, die im mechanischen Charakter physiologischer Prozesse ihre Legitimation findet. In seinem Traktat L’homme-machine nimmt LA METTRIE eine Assimilierung von Mensch und Tier vor. So hält er es durchaus für möglich, dass Affen Sprache erlernen könnten, da seiner Auffassung nach einzig der Bau ihrer “Sprechorgane” (organes de la parole) sie an der Produktion artikulierter Lautsprache hindere (ĺ Artikulation). Aufgrund ihrer guten Auffassungsgabe und ihrer Geschicklichkeit beim Gestikulieren seien Affen wahrscheinlich sogar Taubstummen überlegen, selbst wenn diese die zur damaligen Zeit berühmte Unterweisung des Schweizer Taubstummenlehrers AMMAN genossen (il [le Singe, C. N.] conçoit si parfaitement les Signes qu’on lui fait, qu’à tout autre jeu, ou tout autre exercice, je ne doute point qu’il ne l’emportât sur les disciples d’Amman) (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Eine völlige Unfähigkeit des Affen, artikulierte Lautsprache zu produzieren, hält LA METTRIE wegen der großen Ähnlichkeit zwischen Affen und Menschen für unwahrscheinlich (mais cette impossibilité absolüe me surprendroit, à cause de la grande Analogie du Singe & de l’Homme). Die Stummheit der Affen könnte nach LA METTRIEs Auffassung ebenso wie im Falle mancher Taubstummer auch lediglich in einer Verstopfung der Eustachischen Röhre begründet liegen. Außerdem könne das imitatorische Lernen am Modell des Lehrers die Affen zum Sprechen bringen. Die biologische Ähnlichkeit zwischen Affen und Menschen veranlasst LA
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken METTRIE zu der Annahme, dass Primaten bei entsprechender Instruktion die ĺ Artikulation von Lauten und in der Folge eine Sprache zu erlernen imstande wären (mais la similitude de la structure & des opérations du singe est telle, que je ne doute presque point, si on exerçoit parfaitement cet Animal, qu’on ne vînt enfin à bout de lui apprendre à prononcer, & par conséquent, à savoir une langue). Auch in seinem 1751 veröffentlichten Traité de l’âme postuliert LA METTRIE die Existenz eines tierischen Sprachvermögens. Im dritten Abschnitt (§. III.) des 11. Kapitels, der die Überschrift Que les animaux expriment leurs idées par les mêmes signes que nous trägt, vergleicht LA METTRIE menschliche und tierische Kommunikationsformen. Im Vergleich zur artikulierten Lautsprache des Menschen sei die ‘Tiersprache’ zwar durch eine relative Armut der Ideen gekennzeichnet und auf ‘Ausdrücke’ aus dem affektiven Bereich beschränkt (Mais outre qu’ils ont beaucoup moins d’idées, ils n’ont gueres d’autres expressions que celles du langage affectif), aber LA METTRIE führt diese Armut an Ausdrucksmöglichkeiten nicht auf organische Defizite zurück, da z. B. Papageien über hervorragende Artikulationsfähigkeiten verfügten (ĺ Artikulation). Der substantielle Unterschied zwischen menschlicher Lautsprache und der ‘Sprache der Tiere’ besteht nach LA METTRIEs Meinung darin, dass tierische Kommunikation mit Hilfe der Gestik stattfindet, während menschliche Sprache auf Worten beruht und bisweilen zur belanglosen Geschwätzigkeit degeneriert (Quelle différence y a-t-il donc entre notre faculté de discourir, & celle des bêtes? La leur se fait entendre quoique muette, ce sont d’excellents pantomines; la notre est verbeuse, nous sommes souvent de vrais babillards) (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Im Hinblick auf den Zeichengebrauch postuliert LA METTRIE gar für Tier wie Mensch die ĺ Arbitrarität der verwendeten Zeichen (Lettres, mots, idées, tout est donc arbitraire dans l’homme, comme dans l’animal). Die größere Vielfalt und Anzahl der Ideen, die die menschliche Lautsprache im Vergleich zur affektiven ‘Tiersprache’ zum Ausdruck zu bringen vermag, führt er auf das größere Gehirnvolumen
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des Menschen zurück, das er allein für dessen Überlegenheit gegenüber dem Tier verantwortlich macht (mais il est évident, lorsqu’on jette les yeux sur la masse du cerveau de l’homme, que ce viscere peut contenir une multitude prodigieuse d’idées, & par conséquent exige pour rendre ces idées, plus de signes que les animaux. C’est en cela précisément que consiste toute la supériorité de l’homme). Auch der ĺ Spracherwerb des Kindes unterscheidet sich für LA METTRIE kaum vom Imitationslernen eines Papageis, da beide im Grunde nur die Laute wiederholten, die sie zuvor über das Gehör wahrgenommen hätten. Den kindlichen Spracherwerb beschreibt er als einen Akt mechanischer Imitation, der aufgrund der Verbindung äußerer Sinne wie des Gehörs mit dem inneren Willen zur Imitation und der Bereitschaft der Muskeln, die entsprechenden Bewegungen auszuführen, erfolgen kann. LA METTRIEs Vorstellung des Konzepts ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ ist im Kontext seines sensualistischmechanistischen Weltbildes zu sehen, das im direkten Widerspruch zum Leib-Seele-Dualismus DESCARTES’ formuliert wird und durch die Nivellierung der körperlichen und geistigen Unterschiede zwischen Mensch und Tier zur Anerkennung einer affektiven ‘Tiersprache’ gelangt, die im Wesentlichen als gestisch beschrieben, aber mit der artikulierten Lautsprache des Menschen nahezu auf dieselbe Stufe gesetzt wird. Zu weniger radikalen Ergebnissen als LA METTRIE gelangt CONDILLAC bei seiner Auseinandersetzung mit dem Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ im Traité des animaux (1755). Auch CONDILLACs Vergleich zwischen menschlicher artikulierter Lautsprache und tierischen Kommunikationsformen ist im Kontext seiner sensualistischen Philosophie zu würdigen. Anliegen CONDILLACs in diesem Traktat ist die Beschreibung tierischer Fähigkeiten im Gegensatz zu denen des Menschen, wobei er sich explizit gegen die Auffassungen DESCARTES’ und BUFFONs wendet, die beide den Tieren jede Form von Denkfähigkeit abgesprochen hatten. Für CONDILLAC verfügen die Tiere
dagegen durchaus über die Fähigkeit, Vergleiche anzustellen, Urteile zu bilden, Ideen zu entwickeln und diese zu speichern, da sie ebenso wie der Mensch mit Hilfe ihrer Sinneswahrnehmungen Erkenntnisse sammeln können. Der Denkprozess ist in der sensualistischen Philosophie CONDILLACs nichts anderes als die umgewandelte Sinnesempfindung (la sensation transformée) und diese ist seiner Meinung nach auch den Tieren zugänglich. Zu den Fähigkeiten der Tiere (les facultés des animaux) rechnet CONDILLAC auch die Verwendung einer ‘Tiersprache’, der er das 4. Kapitel seines Traité des animaux mit dem Titel Du langage des animaux widmet. Für CONDILLAC besteht ein substantieller Unterschied zwischen der menschlichen Gesellschaft und im Sozialverband lebenden Tieren, da diese keine artikulierte Lautsprache besitzen. Der Sprache verdankt der Mensch nach CONDILLAC den Fortschritt des menschlichen Geistes sowie die Herausbildung von Zivilisation, Kultur, Kunst und Wissenschaften. Sprache gestattet dem Menschen die Vervollkommnung seiner Fähigkeiten, seine Perfektibilität. Im Gegensatz zu LA METTRIE vertritt CONDILLAC jedoch die Auffassung, dass menschliche Lautsprache sich von den Kommunikationsformen der Tiere substantiell unterscheide und auch niemals von ihnen erlernt werden könne. Die Tatsache, dass Tiere nicht über eine artikulierte Lautsprache, sondern über artspezifische Kommunikationssysteme verfügen, beruht für CONDILLAC auf ihrer anders gearteten Organisation und Bedürfnisstruktur (Les bêtes […] sont, à bien des égards, organisées différemment, elles ont aussi des besoins tout différens). Da die verschiedenen Sinne, die die jeweiligen Tierarten innehaben, unterschiedlich stark ausgeprägt seien, bildeten sich bei verschiedenen Spezies auch unterschiedliche Kenntnissysteme heraus (les espèces se forment, chacune à part, un système de connoissances). Für CONDILLAC existieren im Tierreich Formen intraspezifischer Kommunikation, da alle Individuen, die zu derselben Spezies gehören, die gleichen Bedürfnisse empfinden, den gleichen Erfahrungsschatz teilen und vergleichbare Vorstellungen aufweisen. Aus diesem Grunde besitzen sie ein spezifisches Kommunikationssys-
184 tem, das zur Mitteilung und Befriedigung ihrer Bedürfnisse dient (Ils peuvent donc avoir un langage, et tout prouve en effet qu’ils en ont un. Ils se demandent, ils se donnent des secours). Ebenso wie CONDILLAC in seiner Hypothese zum Sprachursprung (ĺ Ursprung) im Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746) eine Aktionssprache (langage d’action) bestehend aus Gesten und unartikulierten Schreien an den Beginn der Sprachgenese gestellt hatte (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache), beschreibt er auch die ‘Tiersprache’ als eine Form der Verständigung durch unartikulierte Schreie und Körperbewegungen (Les cris inarticulés et les actions du corps sont les signes de leurs pensées). Diese Form der Zoosemiose fällt nach CONDILLACs Darstellung jedoch artspezifisch verschieden aus, da Luft- und Landtiere verschieden organisiert seien und unterschiedliche Bewegungen und Laute von sich gäben. Ebenso wie er im Essai sur l’origine des connoissances humaines die Aktionssprache (langage d’action) als Vorstufe auf dem Weg zur Entwicklung einer artikulierten Lautsprache beschrieben hatte, stellt CONDILLAC auch im Traité des animaux fest, dass es sich beim langage d’action um eine Kommunikationsform handle, die auf die Verwendung der artikulierten Lautsprache vorbereite (Le langage d’action prépare à celui des sons articulés). Bis zu einem gewissen Grad gelangten auch Haustiere zu einem Verständnis der artikulierten Lautsprache ihrer menschlichen Gebieter, wenn sie deren Befehle wunschgemäß ausführen wollten. So seien sie gezwungen, aufgrund der Körperbewegungen ihres Herren auf die Idee zu schließen, die damit ausgedrückt werde (Dans la nécessité où ils sont de connoître ce que nous voulons d’eux, ils jugent de notre pensée par nos mouvemens) und dann bald auch die Stimmlaute, die damit einhergehen, unabhängig zu “verstehen” (En même temps, ils se font une habitude de lier cette pensée au son dont nous l’accompagnons constamment, en sorte que, pour nous faire entendre d’eux, ils nous suffit bientôt de leur parler). CONDILLAC beschreibt damit Prinzipien der Dressur und der klassischen Konditionierung avant la lettre.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Während Bedeutungen (ĺ Bedeutung) menschlicher Lautsprache durch Akte der Dressur und Konditionierung bis zu einem gewissen Grad von Haustieren wie dem Hund erfasst werden könnten, gilt dies nach CONDILLACs Ansicht jedoch nicht für Tierarten, deren Körperbau und Struktur noch stärker von der des Menschen abweichen. So erachtet CONDILLAC zwar die Stimme des Papageis als geeignet für die Lautproduktion (ĺ Artikulation), aber er vertritt die Annahme, dass diese Laute dem Vogel weder zur Mitteilung eigener Ideen noch zur Ermittlung der Konzepte des “Gesprächspartners” dienten, da aufgrund ihrer gänzlich anders gearteten physischen Organisation keinerlei gemeinsame Ideenwelt zwischen Papageien und Menschen bestehe und folglich auch keine Affinität der Papageienlaute zur menschlichen Aktionssprache vorhanden sei. Kommunikation zwischen Papageien und Menschen ist für CONDILLAC trotz der Artikulationsfähigkeiten des Papageis nicht möglich, weil durch die unterschiedliche anatomische Konfiguration verschiedene Welten sinnlicher Erfahrung, sinnlicher Erkenntnis und verschiedene Arten der Aktionssprache aufeinandertreffen, die keine hinreichenden Gemeinsamkeiten enthalten (Quoique le perroquet, par exemple, ait la faculté d’articuler, les mots qu’il entend et ceux qu’il prononce ne lui servent ni pour découvrir nos pensées, ni pour nous faire connoître les siennes, soit parce que le fonds commun d’idées que nous avons avec lui n’est pas aussi étendu que celui que nous avons avec le chien, soit parce que son langage d’action diffère infiniment du nôtre). Da Tiere über eine anders geartete Körperstruktur verfügen, entwickeln sie andere Bedürfnisse, andere Ideen und eine von der des Menschen abweichende Aktionssprache, die vor allem zur Mitteilung von Affekten und Emotionen verwendet wird (ils se communiquent plus ou moins leurs sentimens). Während LA METTRIE jedoch durch die Reduktion des Menschen auf seine körperliche Struktur und die daraus resultierenden physiologischen Prozesse den Menschen ebenso zu einer Maschine degradiert wie DESCARTES die Tiere als Automaten beschrieben hatte, tastet CONDILLAC die Überlegenheit des Menschen im Vergleich zum Tier nicht an:
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Sowohl hinsichtlich seiner physischen Grunddisposition als auch seiner mentalen Fähigkeiten sei der Mensch dem Tier überlegen, vor allem durch die Gabe der Sprache (Il n’est pas étonnant que l’homme, qui est aussi supérieur par l’organisation que par la nature de l’esprit qui l’anime, ait seul le don de la parole). Obwohl CONDILLAC die Superiorität menschlicher Lautsprache im Vergleich zur ‘Tiersprache’ nicht in Frage stellt, verwirft er DESCARTES’ Vorstellung von den Tieren als geist- und seelenlosen Automaten (mais, parce que les bêtes n’ont pas cet avantage, faut-il croire que ce sont des automates, ou des êtres sensibles, privés de toute espèce d’intelligence? Non sans doute). Tiere verfügen nach CONDILLACs Verständnis durchaus über eine “Sprache”, die zwar recht unvollkommen und beschränkt ist, aber im Verhältnis zur Spezifik der Art, der das jeweilige Tier angehört, adäquat konstruiert ist. CONDILLAC schreibt den Tieren aufgrund ihrer Fähigkeit, Wahrnehmungen zu verarbeiten, Denkfähigkeit und auch imagination, also Einbildungskraft und Phantasie, zu. Sie sind seiner Meinung nach durchaus auch zu kreativen, nicht rein instinktiven Kommunikationsformen befähigt. Allerdings seien Tiere aufgrund ihrer instinktiven Mechanismen auf eine relativ praktische Form von Erkenntnis begrenzt und nicht oder kaum in der Lage, Abstraktionen zu bilden (L’instinct des bêtes ne remarque dans les objets qu’un petit nombre de propriétés, il n’embrasse que des connoissances pratiques; par conséquent, il ne fait point ou presque point d’abstractions). Tierische Kommunikationsformen bleiben entsprechend der anders gearteten anatomischen Konfiguration der Tiere nach CONDILLACs Auffassung hinter der Lautsprache des Menschen trotz aller Zugeständnisse weit zurück. Dennoch ist sein Traité des animaux als ein Plädoyer gegen den Cartesianismus und für die Vorstellung einer Denk-, Einbildungsund Sprachfähigkeit der Tiere zu sehen, wenngleich der langage des bêtes nur rudimentäre Züge menschlicher Kommunikation aufweist. Mit der Annahme der Existenz einer ‘Tiersprache’ und der Zuschreibung elementarer kognitiver Fähigkeiten an die Tiere konzipiert CONDILLAC im Gegensatz zu DESCARTES einen nur graduellen Unterschied
zwischen Mensch und Tier in der Kette der Lebewesen. Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ ist ein Schlüsselkonzept in CONDILLACs Argumentation im Traité des animaux, der einen wichtigen Beitrag zur Untersuchung der natürlichen Fähigkeiten des Menschen, die im Zentrum des anthropologischen Erkenntnisinteresses des 18. Jahrhunderts standen, leistet. Mit Hilfe des Konzepts ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ wird die Stellung des Menschen im Reiche des Lebendigen ebenso untersucht wie seine körperlichen, geistigen und psychischen Fähigkeiten. Im Rahmen der fortschreitenden Säkularisierung der Aufklärung leistet gerade das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ einen entscheidenden Beitrag für die Bestimmung der Rolle des Menschen in seiner Umwelt. CONDILLACs besondere Hervorhebung der Bedeutung menschlicher Lautsprache für den Erkenntnisprozess und die Entstehung von Künsten und Wissenschaften ist integrativer Bestandteil einer geschichtlichen Entwicklungslehre, die sich der Entstehung und Entwicklung der menschlichen Spezies annimmt. Vor dem Hintergrund des aufklärerischen Fortschritts- und Perfektibilitätsdenkens ist auch die Behandlung des Konzepts ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ durch ROUSSEAU zu würdigen, der der menschlichen Lautsprache eine entscheidende Funktion für den Zivilisationsprozess zuweist. In seinem Essai sur l’origine des langues geht ROUSSEAU gleich im 1. Kapitel auf den fundamentalen Unterschied zwischen Zoosemiose und menschlicher Lautsprache ein. Zwar schreibt er im Sozialverband lebenden Tieren wie Bibern, Ameisen oder Bienen eine Art Natursprache (quelque langue naturelle) zu, wobei er im Einzelnen die Sprache der Biber und Ameisen als eine natürliche Gestensprache beschreibt; die ĺ Natürlichkeit dieser Kommunikationsformen impliziert für ihn aber zugleich ihre Beschränktheit: Da diese Kommunikationssysteme den Tieren angeboren sind, erfahren sie keinerlei Entwicklungsprozess und die Tiere machen darin keinerlei Fortschritte (Quoiqu’il en soit, par cela même que les unes et les autres de ces langues sont naturelles, elles ne sont pas acquises; les ani-
186 maux qui les parlent les ont en naissant, ils les ont tous, et partout la même: ils n’en changent point, ils n’y font pas le moindre progrès). Das Wesen menschlicher Lautsprache (ĺ Wesen der Sprache) besteht nach ROUSSEAUs Auffassung dagegen gerade in ihrem konventionellen Charakter (ĺ Konvention), der es dem Menschen ermöglicht, Fortschritte zu erzielen, während die Tiere auf derselben Stufe verharren (La langue de convention n’appartient qu’à l’homme. Voila pourquoi l’homme fait des progrès soit en bien soit en mal, et pourquoi les animaux n’en font point). Die Abgrenzung menschlicher Lautsprache von der ‘Tiersprache’ beruht bei ROUSSEAU im Wesentlichen auf der Konventionalität (ĺ Konvention) artikulierter Lautsprache und der damit verbundenen Möglichkeit des Fortschritts und der Weiterentwicklung. Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ wird auch von HERDER in den Zusammenhang des aufklärerischen Geschichtsdenkens gestellt, das in der Entwicklungsfähigkeit des Menschen den Schlüssel zu seiner Entfaltung und Vervollkommnung sieht. Einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen menschlicher Lautsprache und tierischen Vokalisierungen sieht auch HERDER. Er kontrastiert die instinktiven Laute der Tiere mit der auf Besonnenheit, Reflexion und Absicht basierenden menschlichen Lautsprache. Auch wenn HERDER seine Abhandlung über den Ursprung der Sprache mit dem Ausspruch “Schon als Thier, hat der Mensch Sprache” beginnt, möchte er keineswegs unterstellen, dass der Mensch sich aus einem tierhaften Zustand zum Menschsein fortentwickelt habe. Er möchte damit auch nicht andeuten, dass der Mensch von Anbeginn über eine vollkommen ausgebildete Sprache verfügt habe, sondern er bezieht sich vielmehr auf natürliche, spontane, emotionale Schreie, die sowohl dem Menschen als auch zahlreichen Tierarten gemeinsam sind. Mensch und Tier stellen für ihn zunächst einmal empfindsame Lebewesen dar und besitzen eine natürliche, nicht willentlich manipulierbare Gefühlssprache. Mit dem Postulat einer derartigen Gefühlssprache tritt HERDER in Gegensatz zur cartesianischen Konzeption des Tieres als eines reinen Automaten.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Allerdings sieht HERDER in dieser Gefühlssprache im Gegensatz zur sensualistischen Konzeption eines langage d’action, wie sie etwa von CONDILLAC und ROUSSEAU vertreten wird, keine Vorform oder Grundlage artikulierter Lautsprache. Nach HERDERs Auffassung besteht eine unüberwindliche Kluft zwischen der tierisch-instinktiven Natur der Aktionssprache einerseits und der Intentionalität und ĺ Arbitrarität menschlicher Lautsprache andererseits (Man bilde und verfeinere und organisiere dies Geschrei, wie man wolle – wenn kein Verstand dazukommt, diesen Ton mit Absicht zu brauchen, so sehe ich nicht, wie nach dem vorigen Naturgesetz je menschliche, willkürliche Sprache werde). Als Grundlage der artikulierten Lautsprache sieht HERDER Reflexion und Absicht der Sprachverwendung, die er den instinktiven Mechanismen der Zoosemiose gegenüberstellt. Daher definiert er auch den Menschen als das einzige Sprachgeschöpf und erhebt die Sprachfähigkeit zum Distinktionskriterium zwischen Mensch und Tier. HERDER verwirft die Erklärungen CONDILLACs und ROUSSEAUs zum ĺ Ursprung der Sprache, weil sie den Unterschied zwischen artikulierter Lautsprache und tierischen Kommunikationssystemen nicht deutlich genug herausgearbeitet und die Unterschiede zwischen Tier und Mensch verwischt hätten (Condillac und Rousseau mußten über den Sprachursprung irren, weil sie sich über diesen Unterschied so bekannt und verschieden irrten, da jener die Tiere zu Menschen und dieser die Menschen zu Tieren machte). Während HERDER den Wirkungskreis der Tiere durch seine artspezifische Beschränktheit bestimmt und die instinktiv bedingte Repetitivität tierischer Handlungsmuster hervorhebt, schreibt er dem Menschen die Fähigkeit der Besonnenheit zu, die es ihm ermöglicht, aus dem Strom der Sinnesempfindungen, der auf ihn einbricht, einzelne Eindrücke herauszufiltern und mit Merkworten zu versehen. Dem gleichförmigen Mechanismus tierischer Aktivitäten stellt er den Menschen gegenüber, der seine Sprache bewusst zu steuern und weiterzuentwickeln vermag, da ihn die Fähigkeit der Besonnenheit in die Lage versetzt, sich vervollkommnen zu können und Fortschritte zu erzielen, was dem Tier ver-
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wehrt bleibt. Im Sinne des Cartesianismus sieht HERDER einen grundsätzlichen Unterschied zwischen menschlicher Lautsprache und Formen der Zoosemiose, der Zwischenstufen, wie sie etwa von CONDILLAC eingeräumt werden, nicht zulässt. Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ spielt auch in den Argumentationen von HERDERs Konkurrenten in der Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache (1771) eine zentrale Rolle (ĺ Ursprung). Da die Preisfrage die Untersuchung der natürlichen Fähigkeiten des Menschen als Voraussetzung für die “Erfindung der Sprache” fordert, stellt die Einordnung des Menschen ins Reich des Lebendigen eine Prämisse der Behandlung dieses Themas dar. Als entscheidende Kategorie für die Differenzierung zwischen menschlicher Lautsprache und tierischen Kommunikationsformen wird von MAYET ([MAYET 1771] I-M-664), einem der Konkurrenten HERDERs in der Berliner Preisfrage, die Sprachfähigkeit (la faculté de parler) genannt. Sie ist die Grundlage artikulierter Lautsprache und einzig dem Menschen von Anfang an verliehen. Die Sprachfähigkeit bildet für MAYET im Sinne eines naturgeschichtlichen Entwicklungsdenkens auch die Voraussetzung für die Perfektibilität des Menschen im Gegensatz zum Tier (l’homme est particuliérement doué d’une faculté qui le distingue essentiellement d’eux, je veux dire la faculté de parler, d’où dérive celle de se perfectionner plus que le singe et l’orang-outang). Die Vorstellung, dass Sprache bzw. Sprachfähigkeit das entscheidende Distinktionskriterium des Menschen im Vergleich zum Tier darstellt, ist ein wichtiges Argument der Teilnehmer an der Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung (1771) (ĺ Ursprung). Ihre Argumentationen differieren vor allem hinsichtlich der Frage, ob die artikulierte Lautsprache des Menschen in nuce etwas anderes als die Kommunikationsformen der Tiere darstelle oder ob es einen nur graduellen Unterschied zwischen einer ‘Tiersprache’ und der Sprache des Menschen zu konstatieren gebe. Im Manuskript I-M-665 (Preisfrage 1771) wird die Fähigkeit, etwas Neues zu erfinden als Privileg des Menschen beschrieben (il
n’apartient qu’à l’homme d’inventer) und als Grund dafür benannt, weshalb manche Tiere, trotz der grundsätzlichen Disposition zur Produktion artikulierter Laute (ĺ Artikulation), keine Sprache entwickeln können. Außerdem wird die Verwendung einer artikulierten Lautsprache als im Tierreich für nicht notwendig beschrieben, da der einfacheren Bedürfnisstruktur der Tiere auch weniger komplexe Verständigungsformen wie z. B. die Gestik der Affen angemessen seien (Je répons: 1) Que les besoins des animaux sont en plus petit nombre que les nôtres: 2) Que chaque animal ayant ses prerogatives particulières, celle d’imiter par le geste peut être échue au singe, & celle d’imiter par la voix à l’homme). Die Erfindungsgabe, die den Menschen charakterisiert, wird als der Grund beschrieben, warum es ihm möglich sei, Sprache zu entwickeln, während etwa die Papageien auf der Ebene reiner Imitation verblieben (Le perroquet apprend à imiter des sons; mais il n’a pas le génie d’aller plus loin. il n’appartient qu’à l’homme d’inventer). Die schon von DESCARTES erhobene Behauptung, dass die Lautäußerungen der Papageien auf reiner Imitation beruhten und nicht zur Versprachlichung mentaler Konzepte verwendet würden, wird auch im Manuskript IM-667 (Preisfrage 1771) aufgestellt (Kein Mensch hat jemals gedankenlos oder mechanisch reden gelernt, wie die abgerichteten Vögel dergleichen thun). Allerdings werden tierische Lautäußerungen von Autoren der Berliner Preisfrage im Geiste der epikureischen Tradition oftmals auch als Modell menschlicher Sprache zu Beginn der Sprachgenese (ĺ Ursprung) herangezogen (vgl. Manuskript I-M-680 (Preisfrage 1771)). Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Sprachursprungs (ĺ Ursprung) im Rahmen der Berliner Preisfrage (1771) lässt vielfach Ansätze einer naturgeschichtlichen Entwicklungslehre erkennen, die die Vorstellung vom göttlichen Ursprung der Sprache, wie sie etwa von SÜSSMILCH vertreten wurde, hinter sich lässt. SÜSSMILCHs Annahme, dass die menschliche Sprache ein zu vollkommenes Konstrukt sei, als dass sie vom Menschen selbst habe ersonnen werden können, wird durch hypothetische Erklärungsversuche des Sprachursprungs überwunden, die auf die
188 Spezifik des Entwicklungsprozesses menschlicher Sprache hin orientiert erscheinen und zur Rekonstruktion der Sprachgenese u. a. auf die ‘Tiersprache’ zurückgreifen, die als Modell für die hypothetische Rekonstruktion der allerersten Ursprünge menschlicher Sprache herangezogen wird (vgl. NEIS 2003). In seinem Versuch eines Beweises, daß die erste Sprache ihren Ursprung nicht vom Menschen, sondern allein vom Schöpfer erhalten habe (1766) setzt SÜSSMILCH sich kritisch mit der epikureisch-sensualistischen Annahme einer ‘Tiersprache’ als Modell menschlicher Spracherfindung auseinander. Zwar konzediert er, dass Menschen wie Tieren Lautäußerungen auf der Ebene des Gefühlsausdrucks gemeinsam seien, aber er grenzt beide Arten der Kommunikation als grundsätzlich voneinander verschieden ab. Während er die Zeichen menschlicher Lautsprache als “willkührlich und künstlich” beschreibt und mit der Eigenschaft der ĺ Arbitrarität belehnt, charakterisiert er tierische Laute als Resultate des “Trieb(s) der Natur”, die ohne Reflexion (ohne alle Ueberlegung) und nur aus einfachen Bedürfnissen heraus entstehen. Das Wesen menschlicher Lautsprache (ĺ Wesen der Sprache) erkennt SÜSSMILCH demgegenüber in ihrer Fähigkeit, Generalisierungen, Abstrakta (allgemeine Wörter, wie auch Zahlwörter) und allgemeine Wahrheiten ausdrücken zu können und somit zum Spiegel der Vernunft zu werden. Da in der “sogenannten Sprache” der Tiere derartige Abstraktionsleistungen nicht vorhanden seien, könne man ihnen weder Vernunft noch Seele zusprechen. Die strikte, cartesianisch anmutende Trennung zwischen menschlicher Lautsprache und ‘Tiersprache’ findet sich auch gegen Ende des 18. Jahrhunderts, etwa in der Sprachtheorie eines BEATTIE. Für BEATTIE ist im Sinne der cartesianischen Tradition die artikulierte Lautsprache ein menschliches Privileg. Sie ist das Produkt aus Kunst und Imitation im Gegensatz zu den Instinktlauten der Tiere. Wesentlich an BEATTIEs Argumentation ist sein Hinweis darauf, dass das Lautkontinuum der menschlichen Sprache sinnvoll in einzelne Elementarteile zerlegt werden kann (voice-dividing). Der lautlichen Vielfalt sind bei Tieren dagegen bedingt durch die
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken anatomische Konfiguration ihres Vokaltraktes Grenzen gesetzt. Sie können daher nicht eine, dem Menschen vergleichbare Diversität von Lauten produzieren (ĺ Artikulation). Während die zentrale Funktion menschlicher Lautsprache für BEATTIE im Ausdruck von Ideen (ideas) besteht, dienen tierische Lautbekundungen lediglich dem Ausdruck von Gefühlen (feelings). Im Sinne der aristotelischen Tradition sieht BEATTIE ein weiteres Spezifikum menschlicher Lautsprache in ihrer Fähigkeit zur Differenzierung moralischer Kategorien. Nur mit Hilfe der menschlichen Lautsprache ließen sich Gut und Böse unterscheiden. Die Diskussion des Konzeptes ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ steht im 18. Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen der cartesianisch orientierten Annahme von der Sonderstellung des mit Vernunft und Sprache begabten Menschen im Reiche des Lebendigen und der sensualistischen Position, die die ‘Tiersprache’ als Modell für die Rekonstruktion des menschlichen Sprachursprungs (ĺ Ursprung) heranzieht. Eine radikale Position nimmt in dieser Diskussion LA METTRIE ein, der die Grenzen zwischen Tier und Mensch durch die Umkehrung von DESCARTES’ Automatentheorie und ihre Anwendung auf die menschliche Spezies verwischt. Die Schwierigkeit, die mit der Einordnung der menschlichen Spezies im Gegensatz zur Tierwelt verbunden sein kann, wird deutlich in MONBODDOs Überlegungen, der den OrangUtan als zwar sprachloses, aber gesellschaftsbildendes, werkzeuggebrauchendes, auf zwei Beinen gehendes Wesen beschreibt und ihm in höherem Maße menschliche Züge zugesteht als etwa den sprachlosen ‘wilden Kindern’ (ĺ defizitärer Spracherwerb), die ebenfalls ein geläufiges Modell zur hypothetischen Rekonstruktion des Sprachursprungs darstellten. MONBODDOs Einordnung des Orang-Utans als menschliches Wesen stieß zu seinen Lebzeiten auf Kritik u. a. HERDERs, der in seiner Anthropologie zwar auch eine naturgeschichtliche Perspektive einnimmt, aber nicht zu solch radikalen Schlüssen wie der Schotte gelangt. Die Diskussion um die Existenz oder NichtExistenz einer ‘Tiersprache’ im 17. und 18. Jahrhundert wird geprägt durch den Gegen-
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satz zwischen der cartesianischen Zurückweisung jeder Art von ‘Tiersprache’ und einem Stufenmodell naturgeschichtlicher Entwicklung, das den Menschen als Sprachgeschöpf und als höchste Stufe einer Evolution von Vorformen der Sprache bis hin zu ihrer vollkommensten Ausprägung im Menschen beschreibt.
Einen entscheidenden Beitrag zur Konzeption einer ‘Tiersprache’ leistete im 19. Jahrhundert insbesondere DARWIN, der mit seinem 1859 veröffentlichten Werk On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life eine Selektionstheorie entwarf, die die Grundlage der modernen Synthetischen Evolutionstheorie schuf. In The descent of man, and selection in relation to sex (1871) stellt DARWIN eine Theorie der sexuellen Zuchtwahl auf und ordnet dabei den Menschen in die Stammesgeschichte der Tiere ein. Im 3. Kapitel dieses Werkes, in dem er sich dem Vergleich der Geisteskräfte von Menschen und niederen Tierarten widmet, geht er auch auf die menschliche Sprache und Formen der Zoosemiose ein. Zwar sei der Gebrauch der artikulierten Lautsprache zu Recht als einer der Hauptunterschiede zwischen Mensch und Tier angeführt worden, aber auch Tiere besäßen die Fähigkeit, mit Hilfe verschiedener Laute Gedanken und Emotionen auszudrücken. Neben Lauten verwendeten etwa Primaten auch Gesten, um miteinander zu kommunizieren. Ferner verweist DARWIN auf die Tatsache, dass der Hund im Zuge seiner Domestizierung verschiedene Arten des Bellens erlernt habe, um unterschiedliche Emotionen und Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen. Der beständige Gebrauch der artikulierten Lautsprache sei jedoch ein Charakteristikum der menschlichen Spezies, die allerdings bei der Emotionsexpression die Verwendung unartikulierter Schreie in Verbindung mit gestischen und mimischen Ausdrucksformen mit den niederen Tierarten teile. Unartikulierten Schreien, die der Entäußerung elementarer Gefühle dienen, schreibt DARWIN eine größere Ausdruckskraft als artikulierter Lautsprache zu (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Die Fähigkeit, artikulierte Laute zu verstehen, sieht DARWIN nicht als ein Spezifikum des Menschen an, da z. B. Hunde zahlreiche Wörter und Sätze verstünden und in dieser Hinsicht auf derselben Entwicklungsstufe wie Kleinkinder im Alter zwischen zehn und zwölf Monaten anzusiedeln seien (ĺ Spracherwerb). Auch die ĺ Artikulation von Sprache stellt für DARWIN kein Distinktionskriterium des Menschen im Gegensatz zum Tier
IV.
1. Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ bis zum 19. Jahrhundert Das Konzept einer ‘Tiersprache’ lässt sich bis zur epikureischen Tradition zurückverfolgen (vgl. insbesondere LUKREZ, De rerum natura V, VITRUV, De architectura II,1, HORAZ, Satiren, I,3). Im Sinne der epikureischen Tradition, deren Positionen zur Sprachentstehung im 18. Jahrhundert vom französischen Sensualismus übernommen wurden, bilden die Laute der Tiere erste Ansätze für den Sprachursprung. Der ĺ Ursprung menschlicher Lautsprache basiert im Wesentlichen auf der Imitation von Tierlauten. Nach LUKREZ waren es elementare Bedürfnisse, die den tierhaft existierenden Urmenschen zur Produktion erster Lautäußerungen nötigten. Als tierhafte Wesen beschreiben auch VITRUV im De architectura und HORAZ in seinen Satiren die Urmenschen. HORAZens Charakterisierung des Urmenschen als mutum et turpe pecus, als stummes und hässliches Vieh, prägt auch die aufklärerische Diskussion zum Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ und wird etwa von HERDER für die Beschreibung des Menschengeschlechtes zu Beginn der Sprachgenese wieder aufgegriffen. Die cartesianische Position wendet sich gegen die epikureische Anschauung vom Vorbildcharakter tierischer Laute für den ĺ Ursprung menschlicher Sprache und definiert ‘Sprache’ als Prärogative der menschlichen Spezies. DESCARTES’ Gleichsetzung von Tieren mit Automaten kann als Grundlage für die bis heute vorherrschende logozentrische Auffassung der Semiotik gesehen werden, die die Zoosemiotik aus ihrem Gegenstandsbereich ausklammern möchte (vgl. NÖTH 2000: 260a).
190 dar, weil etwa die Papageien und andere Vögel über hervorragende Artikulationsfähigkeiten verfügten. Allerdings schreibt DARWIN ihnen im Unterschied zu DESCARTES die Kompetenz zu, bestimmte Laute mit bestimmten Ideen, Personen oder Ereignissen zu verbinden. Der Mensch unterscheide sich nur durch den Grad seiner Fähigkeit, verschiedenartige Verbindungen und Assoziationen zwischen Lauten und Konzepten herzustellen, was DARWIN auf die größeren allgemeinen geistigen Fähigkeiten der menschlichen Spezies zurückführt. Gegen HORNE TOOKEs Behauptung, dass die Sprache eine Kunst wie das Brauen und Backen darstelle, wendet DARWIN ein, dass die artikulierte Lautsprache von allen Künsten sehr verschieden sei, weil bereits das Kleinkind eine instinktive Neigung zum Lallen aufweise. Allerdings stellt die menschliche Lautsprache für DARWIN keinen echten Instinkt dar, weil jede Einzelsprache über einen Lernprozess erworben werden müsse (ĺ Spracherwerb). Auch die in der Aufklärung sehr verbreitete Vorstellung von der “Erfindung” menschlicher Sprache wird von DARWIN verworfen, der die verschiedenen Sprachen ebenso wie zuvor CONDILLAC als Resultat eines langsamen und unbewussten Entwicklungsprozesses ansieht (ĺ Sprachveränderung). Für DARWIN beruht die menschliche Lautsprache sowohl auf einer instinktiven Veranlagung, die im Lallen des Kleinkindes zum Ausdruck kommt, als auch auf einem kontinuierlichen Lernprozess des Individuums. Phylogenetisch ist die Entwicklung der Einzelsprachen durch Prozesse des Sprachwandels und der Sprachveränderung gekennzeichnet, die jedoch nicht im Sinne bewusster Sprachplanung, sondern unbewusst und allmählich vonstattengehen. Den Prozess des kindlichen Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) vergleicht DARWIN mit dem Auftreten der Gesänge bei jungen männlichen Singvögeln, die zwar über ein instinktives Singvermögen verfügen, aber die Lockrufe und Gesänge von ihren Eltern erst erlernen müssten. Die ersten Gesangsversuche junger Singvögel stellt DARWIN dem Stammeln und Lallen von Kleinkindern an die Seite. Geringe Abweichungen des Gesangs bei Individuen derselben Vogelspezies in unter-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken schiedlichen Gegenden vergleicht er mit den verschiedenen Dialekten menschlicher Einzelsprachen. Die instinktive Neigung, sich eine Fähigkeit anzueignen, bildet für DARWIN keine Prärogative der menschlichen Spezies, sondern ist ebenso im Tierreich auffindbar, wie er am Beispiel des Vogelgesangs nachzuweisen versucht. Die menschliche Lautsprache ist nach Auffassung DARWINs durch Nachahmung von Lauten der Umwelt und Tierstimmen sowie durch eigene instinktiv gesteuerte Ausrufe des Menschen, die dieser durch Zeichen und Gesten unterstützte, entstanden (ĺ Ursprung). Ebenso wie in den epikureisch-sensualistischen Theorien vom Ursprung der Sprache spielen auch für DARWIN Imitation und Onomatopoiesis eine zentrale Rolle bei der Entstehung menschlicher Lautsprache. DARWIN geht bei seinen Überlegungen zur Sprachgenese von der Annahme aus, dass der Urmensch ähnlich wie die Gibbons seine Stimme zur Produktion musikalischer Kadenzen gebraucht habe und setzt damit eine gesangliche ĺ Ursprache der Menschheit voraus, die auch von Autoren wie CONDILLAC, ROUSSEAU, VICO oder HERDER postuliert worden war. Da die Fähigkeit der Nachahmung aber nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Affen in besonderem Maße entwickelt sei, nimmt DARWIN an, dass diese Tiere etwa durch die Imitation des Rufes eines Raubtieres ihren Artgenossen die drohende Gefahr durch einen bestimmten Prädatoren angezeigt haben dürften. Die besondere Komplexität menschlicher Lautsprache im Vergleich zu Formen der Zoosemiose führt DARWIN nicht nur auf die im Laufe der Evolution kontinuierlich erfolgte Kräftigung der Stimmorgane, sondern vor allem auf die zunehmende Entwicklung des Gehirns im Zuge der Hominisation zurück. Mit der Entfaltung des Denkvermögens sei auch die Ausbildung der Lautsprache einhergegangen. Allerdings weist DARWIN die Annahme Max MÜLLERs zurück, dass der Gebrauch der Sprache die Fähigkeit zur Bildung von Allgemeinbegriffen voraussetze. Während MÜLLER dem Tier dieses Vermögen abspricht und die Existenz einer unüberwindlichen Kluft zwischen Tier und Mensch postuliert, gesteht DARWIN den Tieren zumindest
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rudimentäre Ansätze der Fähigkeit zur Generierung von Allgemeinbegriffen zu. Die Tatsache, dass Menschenaffen ihre Stimmorgane nicht zur Produktion artikulierter Lautsprache verwenden, führt DARWIN auf die geringere Intelligenz der Primaten im Vergleich zum Menschen zurück. Ähnlich wie bestimmte Vogelarten, die zwar über Gesangsorgane verfügen, aber diese nicht benutzen, hätten auch die Affen auf eine Verwendung ihrer Stimmorgane zur Produktion von artikulierter Lautsprache verzichtet. Charakteristisch für DARWINs Konzeption der ‘Tiersprache’ in The descent of man, and selection in relation to sex ist die Annahme eines nur graduellen Unterschiedes zwischen menschlicher Lautsprache und tierischen Kommunikationsformen, der im Wesentlichen mit der größeren Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns begründet wird. Die in On the Origin of Species (1859) und in The descent of man, and selection in relation to sex (1871) vertretene Annahme einer Kontinuität der Arten untermauert DARWIN in The Expression of Emotions in Man and Animals (1872). In diesem Werk postuliert er die Universalität der Emotionen von Mensch und Tier. Eines der Hauptanliegen DARWINs in dieser Schrift besteht darin, aufzuzeigen, dass die Gesichtsmimik des Menschen beim Ausdruck von Gefühlen starke Ähnlichkeit zu der fazialen Mimik anderer Tierarten wie Menschenaffen, aber auch Hunden und Katzen aufweist. In den Analogien des fazialen Ausdrucks sieht DARWIN einen Beweis für die Kontinuität der Evolution der Arten. Die von DARWIN in The Expression of Emotions in Man and Animals dargestellten Ergebnisse zu tierischen Kommunikationsformen sind auch für aktuelle Forschungen zu Zoosemiotik und Kultursemiotik von Relevanz (vgl. EKMAN / CAMPOS / DAVIDSON / DE WAAL (2003)).
miotik, Sprachwissenschaft, Ethologie, Anthropologie, Kulturanthropologie, Psychologie und Emotionsforschung angestellt worden. Die Behandlung des Gegensatzes zwischen menschlicher Lautsprache und anderen Zeichen führte sowohl zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Eigenschaften menschlicher Lautsprache (vgl. HOCKETT 1958, [1960] 1977, CHOMSKY 1966, 1968, 1980, 1986), die gerade auch anhand der Abgrenzung zur Zoosemiose definiert wurde, als auch zur intensiven Beschäftigung mit Formen der Zoosemiose und ihren spezifischen Charakteristika. Explizite Forschungen zur Zoosemiotik wurden vor allem durch die Arbeiten von SEBEOK (1972, 1981), TEMBROCK (1971, 1996) und SMITH (1977) vorgelegt. Der Begriff der ‘Zoosemiose’ wurde zwar erst 1963 zur Bezeichnung eines eigenständigen neuen Gebiets der Semiotik eingeführt (vgl. NÖTH 2000: 260a), aber die Tradition der Reflexion zur ‘Tiersprache’ geht ja bereits bis in die Antike, etwa auf die Naturphilosophie des ARISTOTELES oder die Überlegungen der Epikureer, zurück. Die Zoosemiotik als interdisziplinäres Forschungsfeld wird seitens der Linguistik, aber insbesondere auch von der Verhaltensbiologie oder Ethologie betrieben, die auf die Arbeiten DARWINs aufbaut und beispielsweise mit VON FRISCHs Studien zur ‘Tanzsprache der Honigbienen’ oder TEMBROCKs und THORPEs Untersuchungen zur akustischen Kommunikation bei Vögeln wichtige Beiträge liefert. Aufgrund der von DARWIN aufgezeigten evolutionsbedingten Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier schließt SEBEOK in seinen ersten Definitionen von ‘Zoosemiotik’ auch Teilaspekte der menschlichen nonverbalen Kommunikation mit ein (SEBEOK 1972: 178–181; 1981: 109), aber im weiteren Verlauf der Begriffsverwendung setzt sich die Referenz auf ausschließlich tierische Kommunikationsformen durch. Im Rahmen der Bezugnahme auf zoosemiotische Systeme hat sich die Bezeichnung Tiersprache bis in die heutige Zeit weiter erhalten, wird allerdings zumeist in Anführungszeichen gesetzt und tritt z. T. in näher spezifi-
2. Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ im 20. und 21. Jahrhundert 2.1. Zur interdisziplinären Verortung des Konzepts Untersuchungen zum Gegensatz von ‘Tiersprache’ und menschlicher Lautsprache sind in unserer Gegenwart von einer Vielzahl unterschiedlicher Disziplinen wie Zoologie, Se-
192 zierten Verwendungsweisen wie etwa “Tanzsprache der Bienen” auf (vgl. dazu VON FRISCH 1965, MYNAREK 1967, MARQUARDT 1984). 2.2. Zur Bestimmung von Charakteristika menschlicher Lautsprache bei HOCKETT und CHOMSKY Das Bemühen um die Bestimmung menschlicher Lautsprache und ihre Abgrenzung von Formen der Zoosemiose erfuhr in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts einen entscheidenden Anstoß durch die Arbeiten HOCKETTs und CHOMSKYs. So legte HOCKETT ([1960] 1977) eine Aufstellung von insgesamt 16 Merkmalen vor, die nach seiner Auffassung die menschliche Lautsprache kennzeichnen und nur für sie alleine spezifisch sind. Bereits in A Course in Modern Linguistics (1958) hatte er sich in einem mit “Animal communication” titulierten Kapitel den Besonderheiten tierischer Verständigung gewidmet. Für HOCKETT ist allein der Mensch ein Sprachwesen; Tiere verfügen über Mitteilungssysteme, die er jedoch als beschränkt, genetisch angelegt und instinktiv beschreibt (HOCKETT 1958: 571). Sowohl den Bienentanz als auch den Zick-Zack-Tanz des Stichlingsmännchens bestimmt er als genetisch motivierte Kommunikationsformen, die die Tiere weder erlernen müssten noch gelehrt würden. Für HOCKETT besteht nur ein gradueller Unterschied zwischen menschlicher Sprache und Formen der Zoosemiose. Er ordnet der menschlichen Sprache eine Reihe von Eigenschaften zu, die zwar vereinzelt, nicht jedoch in ihrer Gesamtheit in tierischen Kommunikationssystemen in Erscheinung treten. Als Charakteristikum menschlicher Sprache benennt HOCKETT (1960) den vokalauditiven Kanal. Damit schränkt er jedoch den Horizont menschlicher Sprache erheblich ein, da diese phonozentrische Sichtweise den visuell operierenden Kommunikationssystemen der Gebärdensprachen Gehörloser (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) ebenso wenig Rechnung trägt wie der ĺ Schrift. Zu den charakteristischen Eigenschaften menschlicher Sprache zählt HOCKETT ferner die Dualität der Sprache, die in der linguistischen Terminologie MARTINETs als double articulation du langage, also als ‘doppelte
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Gliederung der Sprache’, bezeichnet wird. Gemeint ist damit, dass jede Äußerung zugleich aus einer Ansammlung von Phonemen als auch von Morphemen besteht, bei der jedes Morphem aus einer spezifischen Kombination von Phonemen zusammengesetzt ist. Außerdem bestimmt HOCKETT die Produktivität (productivity) der Sprache als eines ihrer charakteristischsten Merkmale, da mit Hilfe des Analogieprinzips (ĺ Analogie) eine unendliche Vielfalt von Kombinationsmöglichkeiten sprachlicher Einheiten gebildet werden kann. Im Gegensatz zu tierischen Kommunikationsformen beschreibt HOCKETT die menschliche Lautsprache als nahezu völlig arbiträr (ĺ Arbitrarität). Während Formen der Zoosemiose wie der Bienentanz, der sowohl Angaben zur Richtung als auch zur Entfernung der Futterquelle vermittelt, nahezu völlig ikonisch seien, spielt Ikonizität in der menschlichen Lautsprache nur im Kontext onomatopoetischer Formen eine gewisse Rolle (ĺ Natürlichkeit). Bedingt durch ihre Arbitrarität könne die menschliche Lautsprache sich jedem beliebigen Gegenstand zuwenden, während die Ikonizität tierischer Kommunikationsformen diesen erhebliche Beschränkungen auferlege. Als typisches Merkmal menschlicher Lautsprache nennt HOCKETT außerdem die Vertauschbarkeit der Sender-Empfänger-Rollen (interchangeability), da beide Gesprächspartner sowohl Nachrichten senden als auch empfangen können, was im Tierreich zwar z. B. für den Bienentanz oder die Rufe der Gibbons möglich ist, jedoch nicht beim ZickZack-Tanz des Stichlings. Auch die zeitliche und räumliche Unabhängigkeit (displacement) ordnet HOCKETT als Spezifikum menschlicher Lautsprache ein und stellt ihr die Fixierung tierischer Kommunikation auf eine hic-et-nunc-Situation gegenüber. Ein zentrales Merkmal menschlicher Sprache sieht er auch in ihrer Fähigkeit, kulturelle Traditionen weiterzugeben, indem sie sowohl Möglichkeiten des Lernens als auch des Lehrens bietet. Die Kriterien der Tradierung und Lernbarkeit spielen allerdings auch im Tierreich eine Rolle, etwa bei den artspezifischen Gesängen der Vögel. Diese müssen im Gegensatz zu den Rufen erst erlernt werden und weisen zudem regionale “Dialekte” auf (vgl.
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MARLER 1956, THORPE 1961, TEMBROCK 1971, 1982, 1996, ARGYLE 1989). Bereits DARWIN hatte ja eine Analogie zwischen dem Erlernen der Vogelgesänge und dem ĺ Spracherwerb des Kindes hergestellt und damit die Rolle des Lernens und der Tradierung betont (vgl. dazu OWINGS / MORTON 1998). Von HOCKETTs insgesamt 16 Merkmalen menschlicher Lautsprache im Gegensatz zu Formen der Zoosemiose können nach der Einschätzung von NÖTH (2000: 271) lediglich die drei Merkmale der Produktivität, der Reflexivität und der doppelten Gliederung als spezifisch menschliche Charakteristika angenommen werden. Nur der Mensch vermag, Sprachzeichen beliebig zu kombinieren und mit Sprache über Sprache selbst im Sinne einer Metareflexion nachzudenken. Eine Segmentierbarkeit in einzelne Lautsequenzen konnte zwar für den Vogelgesang nachgewiesen werden (TEMBROCK 1971), aber bisher konnte noch keine semantische Struktur, die diesen Lauteinheiten entspräche, ermittelt werden, so dass die doppelte Gliederung menschlicher Sprache als eines ihrer wesentlichen Charakteristika gelten darf. Neben den Arbeiten HOCKETTs, der die Spezifik menschlicher Lautsprache gerade auch durch ihre Kontrastierung mit Formen tierischer Kommunikation zu ermitteln versucht, sind vor allem CHOMSKYs Beiträge zur Charakteristik menschlicher Lautsprache bedeutsam. Während für HOCKETT ‘Sprachlichkeit’ eine Frage des Grades ist, postuliert CHOMSKY ihre wesensmäßige Verschiedenheit gegenüber jeder Art tierischer Kommunikation. Einen besonderen Aufschwung erlebt die Diskussion um die Existenz einer ‘Tiersprache’ insbesondere durch CHOMSKYs 1966 erschienenes kontrovers diskutiertes Buch Cartesian Linguistics. In diesem Werk versteht CHOMSKY das Konzept einer ‘cartesianischen Linguistik’ als Arbeitsbegriff, mit dem er Bezug auf die angeborene Fähigkeit des Menschen zum kreativen Umgang mit Sprache im Gegensatz zu den instinktiven, automatischen Lautäußerungen von Tieren nimmt. CHOMSKY hat seine als “cartesianisch” definierte Linguistik im Geiste des cartesianischen Rationalismus zum Ausgangspunkt seiner Über-
legungen zur generativen Transformationsgrammatik (GTG) werden lassen. Auch in weiteren Veröffentlichungen (vgl. CHOMSKY 1965, 1968, 1980, 1986) wendet er sich gegen die von den Anhängern einer evolutionistisch orientierten Sprachwissenschaft vorgetragene Annahme eines rein graduellen Unterschiedes zwischen Formen der Zoosemiose und menschlicher Lautsprache. Ebenso wie DESCARTES sieht CHOMSKY einen fundamentalen Unterschied zwischen tierischen Lautäußerungen und Gestikulationen einerseits und menschlicher Lautsprache andererseits, deren reife Ausprägung seiner Auffassung nach durch den Erwerb der ĺ Grammatik erreicht wird, welche als Resultat eines biologischen Programms entstehe, das auf universell gültigen Prämissen beruhe. Hierarchische Struktur der Elemente und Rekursivität beschreibt er als zentrale Charakteristika menschlicher Sprache, die er unter Berufung auf HUMBOLDT vor allem auch als ein System auffasst, das von begrenzten Mitteln einen unendlichen Gebrauch macht. Diesen kreativen Sprachgebrauch (creative use of language) erachtet er als einen Vorzug menschlicher Lautsprache, der sie substantiell von den mechanisch und instinktiv gesteuerten Kommunikationssystemen der Tiere unterscheidet. Den Besitz der Sprachfähigkeit (faculty of language) betrachtet CHOMSKY als ein Privileg, das ausschließlich der menschlichen Spezies zuzuordnen sei, deren Lautsprache sich gegenüber den Systemen tierischer Kommunikation durch ihre Überlegenheit auszeichne. Zwar gesteht er den Tieren gewisse kognitive und soziale Fähigkeiten wie strukturiertes Verhalten oder Grundformen der Symbolisierung durchaus zu (CHOMSKY 1980: 435), aber im Wesentlichen sind Formen der Zoosemiose seiner Auffassung nach gekennzeichnet durch ihre fehlende Universalität, d. h. durch ihre Beschränktheit auf enge Anwendungsbereiche, das Fehlen einer ĺ Grammatik und syntaktischer Regularitäten sowie die Absenz semantischer Grundelemente menschlicher Lautsprache wie z. B. Modalität, Aspektualität oder Propositionalität. Für die von ihm angenommene besondere Stellung menschlicher Lautsprache im Vergleich zu zoosemiotischen Systemen macht CHOMSKY neuronale
194 Strukturen verantwortlich, die offenbar im Tierreich in vergleichbarer Form nicht existieren (vgl. CHOMSKY 1980: 436). Evolutionistisch orientierten Untersuchungen zu tierischen Kommunikationsformen, insbesondere auch Experimenten mit Menschenaffen, steht CHOMSKY kritisch gegenüber, da er menschliche Lautsprache als ein genetisch bedingtes Programm versteht, das mühelos und selbstverständlich erworben wird, während Versuche, Tieren Ansätze menschlicher Sprache oder Symbolisierungsprinzipien (z. B. auch Elemente der Gebärdensprache) beizubringen, eine Trainingssituation implizieren, in der die Tiere nicht freiwillig agieren, sondern durch Verfahren der klassischen Konditionierung und externe Stimuli zur Produktion von Zeichen motiviert werden. Nach CHOMSKYs Auffassung sind Versuche, Menschenaffen Ansätze von Sprache beizubringen und dabei Analogien zum kindlichen ĺ Spracherwerb herzustellen, nicht legitim, da der Unterschied zwischen tierischen Kommunikationssystemen und menschlicher Lautsprache für ihn nicht gradueller, sondern fundamentaler Natur ist. CHOMSKY gehört ebenso wie LENNEBERG (vgl. LENNEBERG 1967, 1980), LIMBER (vgl. LIMBER 1980), BICKERTON (vgl. BICKERTON 1991, 1995) oder PINKER (1994) zu den Verfechtern der Diskontinuitätstheorie, die im Gegensatz zum darwinistischen Evolutionsparadigma menschliche Sprache nicht als das Resultat einer über verschiedene Stufen sich entwickelnden kommunikativen Fähigkeit verstehen, sondern als ein durch neurobiologische und genetische Prädisposition ererbtes Programm, das sich durch die Spontaneität seiner Manifestierung und die universellen Prinzipien seiner Produktivität auszeichnet. 2.3. Evolutionistische Sprachkonzeptionen im Zeichen der Kontinuitätshypothese und Formen der Zoosemiose 2.3.1. Vokalisationen bei Vögeln und Meerkatzen Im Gegensatz zur Position CHOMSKYs wird von Vertretern des evolutionistischen Paradigmas das Postulat einer Kontinuität der Arten und der Entwicklung der Kommunikationssysteme erhoben, wobei zwischen Formen der Zoosemiose und menschlicher Lautspra-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken che ein nur gradueller Unterschied angenommen wird. So wurden im Zeichen des evolutionistischen Paradigmas in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Untersuchungen zur Zoosemiose durchgeführt, wobei sowohl Vokalisationen (vgl. THORPE 1961, TEMBROCK 1971, 1996, SMITH 1977, TROJAN 1975, SEYFARTH / CHENEY 2003) als auch gestische Kommunikationsverfahren (vgl. EKMAN / CAMPOS / DAVIDSON / DE WAAL 2003) ins Blickfeld gerieten und z. T. auch mit den Charakteristika menschlicher Lautsprache verglichen wurden. Bei der Untersuchung der akustischen Kommunikation der Vögel kamen auch Verfahren der Phonetik zur Anwendung (vgl. MARLER 1956, THORPE 1961, TEMBROCK 1971). Die Vokalisationen der Vögel lassen sich in Rufe und Gesänge einteilen. Den Rufen kommt einerseits eine expressive Funktion zu, da sie dem Ausdruck von Emotionen dienen können, aber andererseits nehmen sie auch eine repräsentative Funktion wahr, wenn sie z. B. Informationen über Raubfeinde (Prädatoren), Nistplätze oder Nahrungsquellen vermitteln. Sogar Rufe mit phatischer Funktion, die zur Aufrechterhaltung des Kontakts mit anderen Artgenossen dienen, gehören zum Rufrepertoire der Vögel. Während die Rufe weitgehend angeboren sind, erscheinen die Vogelgesänge als von komplexer Natur und müssen durch Lernen erworben werden. TEMBROCK (1971: 160) nimmt eine nähere Differenzierung der Einheiten der Vogelgesänge vor, bei der er diese in Strophen, Verse, Silben, Phrasen und Impulse untergliedert. Eine Zuordnung von Bedeutungen auf der Ebene dieser einzelnen Segmente konnte allerdings bisher noch nicht vorgenommen werden. In einem holistischen Sinne kommt dem Vogelgesang als Ganzem eine Bedeutung zu, nicht jedoch den akustisch einzeln herausfilterbaren Teilsegmenten. Trotz seiner unbestreitbaren Komplexität ist aber selbst der Vogelgesang durch weitgehend stereotype Muster gekennzeichnet, die ihm den Charakter der Repetitivität und Monotonie verleihen (CORBALLIS 2002: 3–4). Tierische Kommunikation basiert zwar zu einem wesentlichen Anteil auf nonverbalen Elementen und dient vor allem der Mitteilung von Emotionen und Einstellungen zum Emp-
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fänger dieser nonverbalen Signale, aber inzwischen wird zusehends über die Rolle semantischer Funktionen tierischer Kommunikation diskutiert (vgl. OWINGS / MORTON 1998, VAUCLAIR 1990, DE WAAL 2003, SEYFARTH / CHENEY / MARLER 1980, SEYFARTH / CHENEY 2003), wenn ihr etwa Informationen über Futterquellen, Aggressoren und sonstige Ereignisse in der Umwelt zugeordnet werden können. Gegen die traditionelle Dichotomie zwischen der Semantizität menschlicher Lautsprache und der reinen Emotionalität tierischer Vokalisationen wenden sich SEYFARTH / CHENEY / MARLER (1980) und SEYFARTH / CHENEY (1995, 2003), die mit ihren Feldstudien an Grünen Meerkatzen (Vervet-Meerkatzen) den Nachweis erbringen konnten, dass tierische Kommunikationsformen ebenso wie menschliche Lautsprache gleichzeitig sowohl emotionale als auch semantische Informationseinheiten übermitteln. Rufe afrikanischer Vervet-Meerkatzen, die diese beim Herannahen eines Raubfeindes von sich gaben, wurden nicht nur als reine Alarmsignale identifiziert, sondern als Träger von Informationen über die Spezies des jeweiligen Prädators erkannt. So kündigen Vervet-Meerkatzen mindestens drei ihrer hauptsächlichen Raubfeinde mit verschiedenen Warnrufen an, indem sie mit unterschiedlichen Signalen zwischen Greifvögeln, Leoparden oder Schlangen differenzieren. Während SEYFARTH / CHENEY 2003 einerseits nachzuweisen versuchen, dass Vokalisationen von Vervet-Meerkatzen der Übermittlung semantischer Information dienen, da sie Auskunft über die Art des herannahenden Raubfeindes geben, räumen sie andererseits ein, dass diese Warnrufe nicht im menschlichen Sinne intentional sind, da der Empfänger diese Auskunft als eine ungewollte Konsequenz des Signalverhaltens des Senders erhalte (vgl. SEYFARTH / CHENEY 2003: 33). Die Vokalisierung des Senders erfolgt nicht notwendigerweise in der Absicht, einen Empfänger zu informieren, und unterscheidet sich damit von der Intentionalität und Finalität menschlicher Kommunikation (vgl. TEMBROCK 1996). Auch Untersuchungen zu Vokalisierungen von Schimpansen ergaben, dass diese ihre Schreie nicht willentlich kontrollieren können
(GOODALL 1986, TOMASELLO / CALL 1997). Sequenzen von Vokalisierungen bei Schimpansen wurden als nicht-dialogisch, sondern vielmehr als phatisches Medium der Kontaktaufnahme und -erhaltung charakterisiert (ARCADI 2000). 2.3.2. Kennzeichen nonverbaler Kommunikation bei nicht-menschlichen Primaten Im Rahmen der Erforschung tierischer Kommunikation wurden neben dem Studium von Formen der Vokalisation auch Gestik und Mimik verschiedener Tierarten untersucht. Diese Forschungen zielten vor allem darauf ab, konstitutive Merkmale nonverbaler tierischer Kommunikation im Gegensatz zur menschlichen Sprache herauszuarbeiten, wobei insbesondere das nonverbale Verhalten von Primaten aufgrund ihrer engen Verwandtschaft zum Menschen untersucht wurde (vgl. KELLOGG & KELLOGG [1933] 1967, SEBEOK 1968, GARDNER & GARDNER 1969, HINDE 1972, PREMACK 1976, RUMBAUGH 1977, SEBEOK & UMIKER-SEBEOK 1980, VALSINER / ALLIK 1982, SAVAGE-RUMBAUGH 1986, PREUSCHOFT 1990, AITCHISON 1996, SEYFARTH / CHENEY 2003). Als charakteristisch für Formen der Zoosemiose ist die Tatsache zu betrachten, dass viele tierische Signale nur im Rahmen von ReizReaktions-Automatismen ablaufen. Demgegenüber ist die nonverbale menschliche Kommunikation ebenso wie die verbale von der Absicht geleitet, bedeutungstragende Signale an den Empfänger zu übermitteln. Tierische Kommunikation, die zu einem hohen Anteil auf nonverbalen Signalen basiert, wie schon MONBODDO in seinen Ausführungen zum Wesen der Gestik im Kontext seiner Sprachursprungshypothese gezeigt hat (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache), scheint in höherem Maße der Mitteilung von Emotionen und Einstellungen zum Empfänger dieser nonverbalen Signale als der Darstellung semantischer Information zu dienen (vgl. ARGYLE 1989). Eine zentrale Rolle bei der Beschreibung nonverbaler Kommunikation bei nichtmenschlichen Primaten nimmt das affiliative Verhalten zwischen Geschwistern und Freunden etwa in Form der sozialen Fellpflege (grooming) ein. Ein weiteres wesentliches
196 Element der Mimik nicht-menschlicher Primaten ist außerdem das Spielgesicht. Es dient dazu, Artgenossen zu gemeinsamen Spielen aufzufordern, welche aus langen imitatorisch strukturierten Interaktionssequenzen bestehen. Auch Gesten der Unterwerfung, Beschwichtigung und Bedrohung ebenso wie Signale zu Angriff und Flucht stellen wesentliche Elemente tierischer nonverbaler Kommunikation dar. Sowohl Mimik als auch Gestik bei Tieren haben im Laufe der Evolution Ritualisierungen erfahren. Einige Verhaltensmuster haben einen regelrechten Status der “Konventionalität” (vgl. SMITH 1977) erlangt, d. h. sie gehen über das phylogenetisch stereotype Verhaltensmuster von Ritualisierungen hinaus und beruhen auf individuell erworbener Erfahrung, die z. B. durch Lernprozesse erzielt wurde (SMITH 1977; VAUCLAIR 1990). 2.3.3. Sprachexperimente mit Menschenaffen Aufgrund der engen stammesgeschichtlichen Verwandtschaft zwischen Pongiden und Menschen und den auffälligen Parallelen etwa im Sozialverhalten beider Spezies (FOSSEY 1983) wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Reihe von Versuchen mit Menschenaffen durchgeführt, deren Gegenstände ihr Sozialverhalten, ihre Intelligenz und die Frage nach ihrer potentiellen Sprachfähigkeit waren. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts konnte der deutsche Primatologe KOEHLER anhand seiner Experimente auf der Insel Teneriffa nachweisen, dass Schimpansen Fähigkeiten vorausplanenden Verhaltens zeigen, die nur durch gewisse Formen von Intelligenz, aber nicht durch rein instinktive Abläufe erklärt werden können, wie z. B. den geschickten, situativ adaptierten Zusammenbau von Werkzeugen (KOEHLER 1921). Neben der Untersuchung allgemeiner intellektueller Fähigkeiten von Schimpansen versuchte man vor allem zu ermitteln, ob sie sich mit Hilfe von Sprache verständigen könnten (YERKES / LEARNED 1925, KELLOGG & KELLOGG [1933] 1967, HAYES 1952, GARDNER & GARDNER 1969, PREMACK 1976, SAVAGERUMBAUGH 1986, FOUTS 1973, FOUTS / MILLS 1997). Schon 1925 konnten YERKES / LEARNED zeigen, dass Menschenaffenkinder keine Disposition zur akustischen Nachah-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken mung erkennen ließen, sondern nur durch visuelle Reize angeregt wurden. Die mangelnde Bereitschaft der Affen, Laute zu produzieren, wurde in der Folgezeit durch die Experimente von KELLOG & KELLOGG [1933] 1967 sowie HAYES 1952 bestätigt, die ein Schimpansenbaby wie ein Menschenkind aufzogen und versuchten, ihm menschliche Lautsprache beizubringen. Zwar können Primaten wie Schimpansen und Gorillas einen passiven Wortschatz von 60–100 Wörtern erwerben, aber die Fähigkeit zur eigenen Lexemproduktion reicht über ein Vokabular von vier Wörtern nicht hinaus (KELLOG & KELLOGG [1933] 1967). Während die Position des Larynx Affen die Erzeugung lautsprachlicher Zeichen nicht ermöglicht, bildet die Abwärtswanderung des Kehlkopfes beim Menschen im Zuge der Hominisation die Grundvoraussetzung für die Produktion artikulierter Laute (vgl. KELEMAN 1948, LENNEBERG 1967, LIEBERMAN 1972, PORTMANN 1974, PREUSCHOFT 1990, AITCHISON 1996, CORBALLIS 2002). Allerdings wird die konstitutive Rolle der Abwärtsbewegung des Larynx im Laufe der Hominisation und der Individualontogenese für die Produktion artikulierter Laute inzwischen teilweise in Frage gestellt (vgl. WIND 1976, 1978, 1990; VON BLOCK 1998), weil u. a. die Zugrundelegung eines idealisierten Phonemsystems und die Überschätzung der äußeren Form des Ansatzrohres für die Erzeugung artikulierter Laute verworfen wurde. Die Übertragung von Begriffen wie ‘Vokal’ (ĺ Vokal) und ‘Konsonant’ (ĺ Konsonant) aus der menschlichen Lautsprache auf die ‘Tiersprache’ der Affen ist nach VON BLOCK nicht legitim (VON BLOCK 1998: 66). Außerdem beweise eine Analogie zu Kindern mit Behinderungen des Spracherwerbs durch das DownSyndrom (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)), dass in ihrem Falle die Hochstellung des Kehlkopfes keineswegs die ĺ Artikulation vokalähnlicher und konsonantenähnlicher Laute verhindere (VON BLOCK 1998: 67–68). Die offenkundige Beschränkung der Fähigkeit zur ĺ Artikulation von Schimpansen (KELLOG & KELLOGG [1933] 1967, HAYES 1952) im Zusammenhang mit einer deutlich erkennbaren nonverbalen Intelligenz führte
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zu Versuchsreihen, in denen man ihnen die Amerikanische Taubstummensprache (American Sign Language (ASL)) beibrachte (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). So wurde das Schimpansen-Weibchen Washoe im Experiment von GARDNER und GARDNER (GARDNER & GARDNER 1969) wie ein Menschenkind aufgezogen und seine Lernfähigkeit mit der des Spracherwerbs eines gehörlosen Kindes (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) verglichen. Washoe erlernte etwa 90 Zeichen der Amerikanischen Taubstummensprache. Washoes Erlernung der American Sign Language ließ Parallelen zum kindlichen ĺ Spracherwerb erkennen wie z. B. die stetig zunehmende Verwendung von manual babbling, d. h. des spontanen Gebrauchs der Zeichensprache für Verweise auf Gegenstände und Begriffe, sowie die Tendenz, Wünsche unter starker Affektaufladung zu äußern. In ihrem Experiment konnten GARDNER und GARDNER nachweisen, dass Schimpansen in gewissem Maße auch kreative Generalisierungen und Abstraktionen im Rahmen eines Wortschatzes von ca. 1000 Lexemen hervorzubringen vermögen. Die Fähigkeit, grammatikalische von nicht grammatikalischen Sätzen unterscheiden zu können, entwickelte sich jedoch nicht. Die Bemühungen, Washoe und andere Schimpansen im gemeinsamen Umgang mit der Amerikanischen Gebärdensprache zu trainieren, kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass Schimpansen untereinander die erlernte Taubstummensprache nur in ganz geringem Umfang verwendeten (vgl. die Untersuchungen von FOUTS). Ebenso wie GARDNER und GARDNER nutzte auch PREMACK (PREMACK 1976) die Begabung der Schimpansen bei der Verwendung nicht-lautlicher Symbolsysteme, indem er seine Schimpansin Sarah mit einer Art Schrift arbeiten ließ. Der Affe erlernte Wörter mit Hilfe von Plastikplättchen unterschiedlicher Farbe und Form, die Symbole darstellten. Die metallische Rückseite der Plättchen wurde auf eine magnetische Tafel geheftet. Die Symbole auf den Plättchen wurden bestimmten Begriffen zugeordnet, wobei zwischen der Darstellung auf den Plättchen und dem
Begriff keinerlei optische Ähnlichkeit bestand. Die Schimpansin Sarah war sowohl in der Lage, die Symbole korrekt anzuwenden als auch logische Operationen durchzuführen wie etwa den Unterschied zwischen Ähnlichkeit und Verschiedenheit von Gegenständen zu erkennen, Negationen zu gebrauchen oder Eigenschaften zuzuordnen. Den Einfluss der menschlichen Bezugsperson auf das Lernverhalten von Schimpansen untersuchte TERRACE (1979) am Beispiel seines Schimpansen Nim. Nach dieser Studie konnten nur 10 % des Lernverhaltens des Affen als spontan klassifiziert werden. Um eine Beeinflussung des Lernverhaltens durch die Versuchsleiter zu verhindern, führte das Primatologenehepaar RUMBAUGH seit den Siebziger Jahren Experimente mit einer künstlichen Sprache namens “Yerkisch” durch, die sie das Schimpansenkind Lana mit Hilfe des Computers lernen ließen. Lana beherrschte ca. 150 Zeichensymbole (Lexigramme). Diese mehrfarbigen Zeichen befanden sich auf einer Computertastatur und ihre korrekte Anwendung wurde vom Computer kontrolliert, so dass eine Beeinflussung des Lernverhaltens durch die Trainer ausgeschlossen werden konnte. Experimente mit Menschenaffen wurden von Verfechtern der Kontinuitätstheorie befürwortet, die einen nur graduellen Unterschied kognitiver und sprachlicher Fähigkeiten zwischen Mensch und Tier annehmen. Vertreter der Diskontinuitätstheorie wie etwa CHOMSKY, LENNEBERG, LIMBER oder MOUNIN stehen Versuchen mit Menschenaffen ablehnend gegenüber. Während der kindliche ĺ Spracherwerb sich als ein natürliches Bioprogramm durch die Spontaneität auszeichne, mit der er sich bei entsprechender Anregung durch das soziale Umfeld entfalte, erscheine der Gebrauch von Symbolen bei Affen als Resultat von Trainingsleistungen und Konditionierungen, die stark von Belohnungen und externen Stimuli seitens der Betreuer abhängig seien (vgl. die Kritik von CHOMSKY, LENNEBERG, MOUNIN, TERRACE). Die Annahme von Analogien zwischen kindlichem ĺ Spracherwerb und Symbolsystemen, die von Affen erlernt wurden, gelangt nach Auffassung CHOMSKYs höchstens zu tri-
198 vialen Ergebnissen (CHOMSKY 1980: 436), da selbst z. B. taubstumme Kinder spontan und von sich aus eine Zeichensprache erfänden (ĺ defizitärer Spracherwerb), während man diese Affen mühsam beibringen müsse. Auch MOUNIN lehnt die Annahme der Existenz einer Sprache der Affen ab. Er verweist darauf, dass Washoe in ihrer Trainingssituation fast niemals selbst die Initiative zur Kommunikation ergriffen und fast immer die Rolle des Empfängers wahrgenommen habe (MOUNIN 1980: 167). Für MOUNIN erklärt sich die Sprachlosigkeit der Affen aus der einfachen Organisation ihrer Sozialstruktur, die ein so komplexes System wie eine Lautsprache nicht erforderlich mache (MOUNIN 1980: 168). Als Resultat der Experimente verfügen Affen nach der Auffassung MOUNINs zwar über die Fähigkeit zur Generierung von Abstrakta und ein Verständnis von klassifikatorischen Schemata, aber den Nachweis, dass sie zur Bildung mentaler Repräsentationen in Abwesenheit eines konkreten Gegenstandes fähig seien, seien sie schuldig geblieben (MOUNIN 1980: 174). Auch für TERRACE (1979) besteht ein wesentliches Kennzeichen des kommunikativen Verhaltens von Affen im Experiment in ihrer Fixierung auf die hic-et-nuncSituation, bei der die Befriedigung ihrer Bedürfnisse und der Ausdruck ihrer Emotionen im Vordergrund stehen. Im Gesamtergebnis haben die Experimente mit Menschenaffen gezeigt, dass erhebliche Unterschiede zwischen der Fähigkeit der symbolischen Kommunikation bei nicht-menschlichen Primaten und Menschen bestehen, so dass die Bezeichnung Sprache der Tiere problematisch erscheinen muss. Menschenaffen erbrachten in den genannten Experimenten ihre Leistungen nur bei entsprechender Belohnung, so dass eher von einer auf einem Reiz-Reaktions-Schema basierenden klassischen Konditionierung im Sinne des Behaviorismus als von einer echten kommunikativen Situation, die ja auf der Austauschbarkeit der Sender- und Empfängerrollen basiert, die Rede sein kann. Bedingt durch die nonverbalen Verhaltensweisen der Trainer kommt es zudem zu Habituationseffekten, die die Wahrscheinlichkeit richtiger Antworten erhöhen. Die sprachlichen Leistungen der Menschen-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken affen deuten allerdings darauf hin, dass sie durchaus zum Symbolgebrauch befähigt sind und somit ein Bewusstsein von der Bedeutungshaftigkeit von Sprache besitzen. Zweifelhaft bleibt allerdings, ob sie zu einem kreativen Sprachgebrauch, der die Erfindung und Kombination von Symbolen impliziert, befähigt sind. 2.3.4. Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Betrachtung des Konzepts ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ Das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ kann auf eine bemerkenswerte Kontinuität zurückblicken. So knüpft CHOMSKY explizit an DESCARTES an, wenn er Bezug auf die angeborene Fähigkeit des Menschen zum kreativen Umgang mit Sprache im Gegensatz zu den instinktiven, automatischen Lautäußerungen von Tieren nimmt. Für die Vertreter der Diskontinuitätstheorie, die menschliche Lautsprache und Formen der Zoosemiose als grundverschieden erachten, bietet CHOMSKYs Popularisierung von DESCARTES’ Sprachdenken einen historischen Anknüpfungspunkt ihrer Theorien. Da CHOMSKY den Begriff der ‘cartesianischen Linguistik’ jedoch eher als ein Schlagwort benutzt, um die ideologische Orientierung seiner Sprachauffassung durch eine historische Autorität zu stützen, sei auch auf Unterschiede in der Auffassung des Konzepts ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ bei CHOMSKY und DESCARTES verwiesen. CHOMSKY (1965, 1966, 1968, 1980, 1986) geht wie auch LENNEBERG (1967) von der Annahme aus, dass es sich bei der menschlichen Lautsprache um eine artspezifische Fähigkeit handle, die genetisch bedingt sei und sich im Wesentlichen unabhängig von sonstigen kognitiven Strukturen entwickelt habe. Im Rahmen seines nativistischen Ansatzes postuliert CHOMSKY die Existenz einer ĺ Grammatik, die nach universellen Prinzipien funktioniert. In den verschiedenen Einzelsprachen werden die einzelnen Parameter nach seiner Auffassung spezifisch verändert. Da Sprache aber zu komplex sei, um ausschließlich anhand der Beachtung und Analyse ihrer Regeln erlernt zu werden, nimmt CHOMSKY eine angeborene Universalgrammatik an, die beim ĺ Spracherwerb der Spe-
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zifik der jeweils erworbenen Einzelsprache angepasst wird. Die Existenz einer Universalgrammatik begründet er mit der Tatsache, dass jedes Kind aus jeder Kultur jede verschiedene Sprache erlernen könne. Während CHOMSKY eine allgemeine Sprachfähigkeit (language faculty) annimmt, die sich unabhängig von sonstigen Strukturen des Denkens entwickelt habe, war DESCARTES weit davon entfernt, der Sprache eine vergleichbar große Bedeutung zuzumessen, da er sie nur als äußerliches, körperliches Ausdrucksmittel des Denkens auffasste. Als Grundlage menschlicher Lautsprache sah DESCARTES das Denken an, während CHOMSKY eine spezifische Sprachfähigkeit annimmt, die für die Entstehung der Sprache verantwortlich sei. DESCARTES’ Einlassungen zum Gegensatz zwischen menschlicher Lautsprache und tierischen Kommunikationsformen sind bis in unsere Gegenwart die Matrix von Reflexionen zu diesem Konzept geblieben (vgl. CHOMSKY 1966, LENNEBERG 1967, LIMBER 1980, MOUNIN 1980, PREUSCHOFT 1990, NÖTH 2000, CORBALLIS 2002). Der Gegensatz zwischen Befürwortern der Singularität menschlicher Lautsprache einerseits und den Apologeten zoosemiotischer Systeme andererseits verschärfte sich im 17. und 18. Jahrhundert im Zuge der Diskussion um die Existenz einer ‘Tiersprache’. Während DESCARTES und BUFFON menschliche Lautsprache als Distinktionskriterium der menschlichen Spezies betrachten, erkennen Autoren wie CONDILLAC, BOUGEANT oder LA METTRIE nur graduelle Unterschiede zwischen menschlicher und tierischer Kommunikation. Diese Polarisierung des Gegensatzes von menschlicher Lautsprache und tierischen Kommunikationsformen wird im 20. und 21. Jahrhundert wieder aufgegriffen und durch die Rezeption und Weiterverarbeitung der Evolutionstheorie DARWINs noch verstärkt. Während CHOMSKY und LENNEBERG substantielle Unterschiede zwischen menschlicher Lautsprache und Formen der Zoosemiose annehmen, ist ‘Sprachlichkeit’ für HOCKETT und die Befürworter der Kontinuitätshypothese nur eine Frage des Grades. Bei einer retrospektiven Anwendung der Begriffe ‘Diskontinuitätstheorie’ und ‘Kontinuitätstheorie’ auf das Sprachdenken des 17. und 18.
Jahrhunderts ließen sich DESCARTES und BUFFON der Seite der Diskontinuitätstheorie zuordnen, während LA METTRIE als radikaler Vertreter der Kontinuitätsannahme gelten muss, da er gar die kognitiven Fähigkeiten der Affen über die sprachlich defizitärer Individuen stellt (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell))). CONDILLAC ließe sich als gemäßigter Anhänger der Kontinuitätstheorie einordnen, da er trotz seiner Zugeständnisse an eine ‘Tiersprache’ die Lautsprache als Spezifikum der menschlichen Spezies unangetastet lässt. Bereits im 17. und 18. Jahrhundert wird das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ problematisiert, indem Versuche angestellt werden, die typischen Charakteristika menschlicher Sprache zu bestimmen und von anderen Zeichensystemen abzugrenzen (ĺ Wesen der Sprache). CONDILLAC beschreibt die menschliche Lautsprache sowohl im Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746) als auch im Traité des animaux (1755) als Instrument der Tradierung und als Stifterin von Kultur, Kunst und Fortschritt. Die menschliche Lautsprache zeichnet sich auch für ROUSSEAU gerade durch die Tatsache aus, dass ihre Aneignung im Prozess des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) erfolgt und sie daher Weiterentwicklung und Perfektionierung erfahren kann, während tierische Kommunikation durch Instinktivität und Automatismen beschränkt sei. Auch für HERDER besteht ein wesentliches Spezifikum menschlicher Lautsprache in der Tatsache, dass sie erlernt und tradiert wird und daher Fortschritte der Zivilisation und Kultur ermöglicht. Die von CONDILLAC, ROUSSEAU und HERDER genannten Kriterien der Tradierung und Lernbarkeit wurden auch von HOCKETT ([1960] 1977) als wesentliche Charakteristika menschlicher Lautsprache angeführt. Obwohl diese Kriterien auch auf die komplexen, regional differenzierten Gesänge der Vögel angewendet werden können (vgl. MARLER 1956, THORPE 1961, TEMBROCK 1971, 1996, NÖTH 2000), erscheinen im Gesamten die stereotypen und repetitiven Komponenten ihrer Vokalisationen ausgeprägter als bei menschlicher Lautsprache (CORBALLIS 2002).
200 Im Zuge seines Vergleichs zwischen menschlicher Lautsprache und tierischen Kommunikationsformen gelangt MERSENNE in seiner Harmonie universelle (1636) zu dem Ergebnis, dass tierische Schreie ausschließlich dem Ausdruck von Emotionen dienen und weder als intentional noch als bedeutungshaft beschrieben werden können. Auch für DESCARTES stellen tierische Lautäußerungen das Resultat instinktiver Automatismen dar, die sich gerade durch die Absenz mentaler Vorstellungen kennzeichnen lassen, wie er anhand des Imitationsverhaltens von Papageien zu belegen versucht. DESCARTES’ Annahme, dass die Lautkundgebungen von Papageien als reine Imitationsleistung zu klassifizieren seien, konnte in jüngster Zeit durch Studien PEPPERBERGs (PEPPERBERG 1999a und 1999b) widerlegt werden. So vermochte PEPPERBERG den Nachweis zu erbringen, dass ihr Graupapagei Alex in der Lage war, über 100 Wörter zur Bezeichnung von Objekten und Handlungen zu verwenden, Befehle zu erteilen sowie Fragen zu Ortsangaben, Formen, Farben und Zahlen zu beantworten. Auch wenn Alex über mentale Repräsentationen verfügt, so besitzt er doch keine echte ĺ Grammatik, da z. B. weder das Kriterium der Rekursivität erfüllt ist noch das des Gebrauchs von Tempora oder der Hierarchisierung von Sätzen. In diesem Fall kann allerdings mit BICKERTON (1995) und CORBALLIS (2002) die Existenz einer Protosprache angenommen werden, da Alex über das Potential verfügt, anhand seiner allgemeinen kognitiven Fähigkeiten mentale Repräsentationen zu bilden, die als Grundlage sprachlicher Fähigkeiten angesehen werden können. MERSENNEs und DESCARTES’ Annahme, dass Intentionalität und Semantizität spezifische Eigenschaften menschlicher Lautsprache seien, wird auch von CHOMSKY, MOUNIN, LENNEBERG und anderen Vertretern der Diskontinuitätstheorie unterstützt. Auch wenn SEYFARTH / CHENEY versuchen, Ansätze von Semantizität im Kommunikationsverhalten Grüner Meerkatzen nachzuweisen, wird die Zoosemiose nach wie vor primär als Kommunikation von Emotionen beschrieben (vgl. ARGYLE 1989). Ein Nachweis der Intentionalität der Vokalisationen von Vervet-Meerkatzen ist auch SEYFARTH / CHENEY nicht gelungen.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Gegen DESCARTES’ Behauptung, dass tierische Lautäußerungen das Resultat instinktiver Automatismen darstellten und Papageien nur zu reinen Imitationsleistungen befähigt seien, wurde beispielsweise von BOUGEANT die Annahme vertreten, dass dem Vogelgesang Bedeutung zuzusprechen sei. So geht BOUGEANT von der Existenz einer ‘natürlichen Sprache der Vögel’ (langage naturel) aus, der man keinesfalls mangelnde Komplexität unterstellen dürfe, nur weil sie dem Menschen ähnlich unverständlich sei wie die Sprache der Hottentotten (ĺ defizitärer Spracherwerb). Auch wenn bisher den einzelnen Teilstrukturen des Vogelgesangs keine spezifische Bedeutung zugeordnet werden konnte, so wird doch etwa von TEMBROCK 1971 in einem holistischen Sinne dem Vogelgesang als Ganzem Semantizität zugesprochen. Die Kategorien der Semantizität und Intentionalität werden von CORDEMOY im Geiste des cartesianischen Rationalismus als typische Charakteristika menschlicher Lautsprache der Tierkommunikation gegenübergestellt, die sich durch ihre Instinktivität charakterisieren lässt. Studien an Schimpansen von GOODALL (1986) ergaben ebenfalls, dass deren Vokalisationen nicht willentlich gesteuert werden können und somit keine Intentionalität der Lautbekundung vorliegt, die etwa von HOCKETT als typisches Merkmal menschlicher Lautsprache definiert wurde. Neben dem Kriterium der Semantizität führt CARAMUEL Y LOBKOWITZ auch das der ĺ Arbritrarität als Unterscheidungskriterium menschlicher Lautsprache gegenüber Formen der Zoosemiose an. Untersuchungen zur ‘Tanzsprache der Bienen’ (VON FRISCH 1965) und die Versuchsreihen zu Menschenaffen (vgl. PREMACK 1976, SAVAGE-RUMBAUGH 1986) haben jedoch gezeigt, dass im Rahmen tierischer nonverbaler Kommunikation durchaus willkürliche Zeichen verwendet, Bezüge zu zeitlich und räumlich abwesenden Gegenständen hergestellt und Signale miteinander kombiniert werden (NÖTH 2000: 262). Allerdings unterliegt dieser symbolische Zeichengebrauch den Besonderheiten der Artifizialität eines Versuchsaufbaus und Formen der Konditionierung.
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Die Fixierung zoosemiotischer Systeme auf die hic-et-nunc-Situation, in der der Gegenstand ihrer Kommunikation in Erscheinung tritt, im Gegensatz zur zeitlichen und räumlichen Unabhängigkeit menschlicher Lautsprache wird bereits von BOUGEANT erkannt. Das Kriterium der Unabhängigkeit von Zeit und Raum wird später auch von HOCKETT unter der Bezeichnung displacement als eines der Hauptcharakteristika menschlicher Lautsprache angeführt. Da die ‘Tiersprache’ durch ihre Fixierung auf eine hic-et-nunc-Situation und durch den instinktiv-affektiven Charakter der Vokalisationen, die dem Ausdruck von Basisemotionen dienen, gekennzeichnet ist, bewertet sie BOUGEANT ihrem Wesen nach als repetitiv und monoton. Zu diesem Urteil gelangt in neuerer Zeit etwa auch CORBALLIS (2002), der den repetitiven Charakter des Vogelgesangs betont. Autoren wie CONDILLAC und BOUGEANT entwickeln bereits ein deutliches Gespür für die Bedeutung der Artspezifik tierischer Kommunikation und für die Unterschiedlichkeit der Verständigungsweisen bei verschiedenen Spezies. Beide verweisen darauf, dass eine unterschiedliche Struktur der verschiedenen Arten zur Entstehung unterschiedlicher Bedürfnisse führt, die sich von denen des Menschen so sehr abheben, dass eine der menschlichen Lautsprache vergleichbare Art der Kommunikation im Tierreich nicht notwendig sei. Das Argument der geringeren Komplexität tierischer Sozialverbände wird in neuerer Zeit etwa auch von KORTLANDT (1973: 14) angeführt, der für die Schimpansen von der Annahme ausgeht, dass die geringe Komplexität ihrer Sozialstruktur keine sprachlichen Kompetenzen erfordere, gerade weil sie einander nicht viel zu “sagen” hätten. Bereits im 17. und 18. Jahrhundert führt die Diskussion um das Wesen menschlicher Lautsprache (ĺ Wesen der Sprache) und die Existenz einer ‘Sprache der Tiere’ zu einer Spaltung in ein Lager, das sich im Gefolge DESCARTES’ für einen fundamentalen Unterschied zwischen menschlicher Lautsprache und Formen der Zoosemiose ausspricht, und in ein sensualistisch geprägtes Lager, das ‘Sprachlichkeit’ als ein graduelles Phänomen
betrachtet. Zahlreiche Argumente der gegenwärtigen Diskussion um das Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’ wurden bereits im 17. und 18. Jahrhundert in nuce angeführt und teilweise – wie etwa im Falle CHOMSKYs – explizit wieder aufgegriffen. Aber auch Argumentationen zum Konzept ‘menschliche Lautsprache vs. andere Zeichen’, die im Zeichen des evolutionistischen Paradigmas stehen, lassen sich in Ansätzen bereits auf sensualistisch geprägte Reflexionen CONDILLACs, BOUGEANTs oder LA METTRIEs zurückführen.
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Arbitrarität I. Lat. arbitrarium, signum arbitrarium, arbitrariae impositiones, ad placitum nomina significare, signum artificiale; dt. willkürliche Zeichen, willkührliche Zeichen; künstlichste[n] und willkührlichste[n] Zeichen¸ willkürliche Zeichen der Gegenstände, zufällige Zeichen der Gegenstände, Eine durch Fleiß und Uebung errichtete so genaue Verknüpfung zwischen den zu denkenden Begriffen und den hörbaren Tönen; engl. arbitrary, arbitrarily, a perfect arbitrary imposition; not natural, but only imposed and arbitrarily; arbitrary marks, arbitrary characters, voluntary imposition, voluntary signs; frz. arbitraire, caractère arbitraire, signe arbitraire, Signes arbitraires, les signes arbitraires des idées, mots libres et arbitraires, l’arbitraire dans les langues, signes d’institution, d’institution arbitraire, signes artificiels, reflexion ou choix arbitraire, des significations aciden-
telles, signification arbitraire; ital. arbitrario, segni arbitrarii, non per sua natura, mà pel consenso, & patto degli huomini trà di loro; segno non naturale, ma arbitrario; span. determinacion á significar tal objeto arbitraria ó dependiente de la libre voluntad de los hombres. Die Komplexität des Begriffes ‘Arbitrarität’ und seine zentrale Bedeutung für die Geschichte der Sprachtheorie spiegelt das zugehörige Bezeichnungsfeld wider: Einerseits finden sich darin Bezeichnungen, die auch morphologisch unmittelbar mit der Begrifflichkeit verbunden sind, wie etwa arbitrarium, signum arbitrarium, arbitraire, arbitrary, arbitrarily, arbitrary imposition, arbitrary marks, arbitrary characters, arbitrario, arbitrariae impositiones, caractère arbitraire, signe arbitraire. Andererseits sind beispielsweise auch folgende Elemente dem Bezeich-
Arbitrarität nungsfeld zuzurechnen: non natura, sed ad placitum, signes d’institution, signum artificiale, signes artificiels, voluntary imposition und voluntary signs. Bei der aristotelischen Devise non natura, sed ad placitum, handelt es sich um eine zentrale Auffassung der Konventionalisten, die auf den konventionellen Charakter der Verbindung zwischen Wort und Ding sowie zwischen Signifikat und Signifikant verweist (ĺ Konvention). Angefangen von ARISTOTELES vermittelt über den Universalienstreit sollte diese Auffassung für die Vertreter der thesei-Richtung maßgeblich sein (vgl. Teil IV). Die Bezeichnung signes d’institution wird oftmals als direkter Gegensatz zu den signes arbitraires angeführt und soll als Kontrast der Illustration des Arbitraritätskonzepts dienen. Bezeichnungen wie signum artificiale oder signes artificiels werden verwendet, um die Idee der Beliebigkeit des sprachlichen Zeichens durch die der Künstlichkeit zu ersetzen und auf diese Weise den systematischen Charakter der Sprache hervorzuheben, dem die Idee der Beliebigkeit und Willkürlichkeit entgegenstünde (CONDILLAC, Grammaire I, chap. I). Die Komplexität des Bezeichnungsfeldes zur Arbitrarität beweist, dass es sich hierbei keineswegs um ein eindeutiges, monodimensionales Konzept handelt. Einerseits impliziert die Bezeichnung arbitraire den willkürlichen, beliebigen, gewissermaßen wahllosen Charakter des sprachlichen Zeichens; andererseits ist mit der Konzeption des ‘Arbiträren’ die Idee der ĺ Konvention, der intentionellen Setzung, also der Setzung der ĺ Bedeutung nach Übereinkunft, verbunden. Ferner betrifft die Arbitrarität des sprachlichen Zeichens bereits seit PLATONs Kratylos sowohl die Relation zwischen Wort und Umweltreferenten als auch zwischen Signifikat und Signifikant. Eine zusätzliche Schwierigkeit für die Betrachtung des Arbitraritätskonzepts ergibt sich aus der Tatsache, dass dieses Konzept in der modernen Sprachwissenschaft zumeist unter dem Schlüsselwort des principe de l’arbitraire du signe als eine Konzeption SAUSSUREs (Cours de linguistique générale, 1916) aufgefasst wird und somit die Betrachtung der Geschichtlichkeit des Konzeptes wegfällt.
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II. (SANCTIUS [1587] 1986: 6): Qui igitur primi nomina rebus imposuêre credibile est, illos adhibito consilio id fecisse, & id crediderim Aristotelem intellexisse, quum dixit, ad placitum nomina significare. Nam qui nomina casu facta contendunt, audacissimi sunt: nimirum illi, qui universi mundi seriem, & fabricam fortuitò, ac temere or tam persuadere conabantur. (MERSENNE [1636] 1975: II, 41): Le chant est tres-different de la parole, car il ne requiert point de consonantes, ny de voyelles, comme l’on experimente sur l’Orgue, & sur les Instrumens dont on vse pour faire ouyr toutes sortes de chansons, encore qu’ils ne prononcent nulle lettre, neantmoins l’on peut faire vne langue entiere de tant de dictions que l’on voudra par le moyen de ces chants, comme l’on peut aysément conclure de ce que nous auons demonstré dans le liure des Chants; & consequemment la parole n’a nul aduantage par dessus les chants que le seul vsage, & l’institution des hommes, qui ont voulu que les dictions composées de voyelles & de consonantes signifiassent leurs pensées & les objects exterieurs; de sorte qu’il n’y a nulle autre difference entre la parole & le chant, sinon que le chant est ce semble plus propre & plus naturel pour signifier les passions & les autres choses, & particulierement celles qui consistent dans le mouuement. (MERSENNE [1636] 1975: II, 65): Mais puis que le son des paroles n’a pas vn tel rapport auec les choses naturelles, morales, & surnaturelles, que leur seule prononciation nous puisse faire comprendre leur nature, ou leurs proprietez, à raison que les sons & les mouuemens ne sont pas des caracteres attachez aux choses qu’ils representent, auant que les hommes ayent conuenu ensemble, & qu’ils leur ayent imposé telle signification qu’ils ont voulu, & que les noms qu’Adam a imposé aux animaux sont aussi indifferens de leur nature à signifier les pierres, ou les arbres, que les animaux, comme l’on auoüera si l’on examine iudicieusement les vocables Hebreux ou Chaldeans, que l’on tient auoir esté prononcez par Adam, puis que les lettres, les syllabes, & leur prononciation sont indifferentes, & ne signifient autre chose que ce que nous voulons, il faut voir si l’art & l’esprit des
208 hommes peut inuenter la meilleure langue de toutes les possibles. (CARAMUEL Y LOBKOWITZ [1654] 1989: 9): Dictio igitur signum artificiale est, quia sicut color Eucharisticus signum est, quia praeter speciem, quam ingerit oculis, facit nos in Christi substantis notitiam devenire; ita etiam servat analogiâ vox […] signum erit, quia praeter speciem quam auditui ingerit, conducit nos ad cognitionem lucis, moraliter sub eâ substantis. Hinc constat in dictione seu quolibet signo arbitrario, aliud esse vocem significare talem rem, aliud significare rem tali personae, aliud significare talem rem tali personae per modum locutionis. Primum pendet à Nomenclatoris instituto: Secundum ab audientis notitiâ: Tertium à notitia dicentis & audientis simul. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 79): Et de là il s’ensuit premièrement, que les définitions de noms sont arbitraires, et que celles des choses ne le sont point; car chaque son étant indifférent de soi-même et par sa nature à signifier toutes sortes d’idées, il m’est permis, pour mon usage particulier, et pourvu que j’en avertisse les autres, de déterminer un son à signifier précisément une certaine chose, sans mélange d’aucune autre […]. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 86): Tout ce que nous avons dit des définitions de noms ne doit s’entendre que de celles où l’on définit les mots dont on se sert en particulier; et c’est ce qui les rend libres et arbitraires, parce qu’il est permis à chacun de se servir de tel son qu’il lui plaît pour exprimer ses idées, pourvu qu’il en avertisse. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: Préface, [4]): Outre ces signe [sic] naturels des passions de l’ame; j[e] découvre qu’il y en a d’autres qui ne sont que d’institution par lesquels elle peut exprimer tout ce qu’elle conçoit […]. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 32–33): Vne des principales choses que ie trouve digne de consideration touchant ces signes, est qu’ils n’ont aucune conformité avec les pensées que l’on y joint par institution. En effet soit que nous exprimions nos pensées par des gestes, par des discours ou par des caracteres, qui sont les trois sortes de signes les plus ordinaires, par lesquels nous fassions connoistre nos pensées, nous voyons bien, si nous y fai-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken sons un peu de reflexion, qu’il n’y a rien de moins ressemblant à nos pensées que tout ce qui nous sert à les expliquer. (ANONYM 1683: 4–5): La parola non è solamente un suono, mà un suono articolato dalla bocca, perche chi fischia non parla, e i bambini ni appena nati, come i muti fanno strepito colla bocca senza però si possa dire, che parlino oltre di ciò bisogna, che quel suono articolato significhe alcuna cosa per esser una parola veramente humana della quala si ragiona nel nostro quesito; così il termine (Blitri) od altro simile dal quale nulla vien designato non à vna parola, ed il pronunziare termini così fatti non è parlare: in quella manera, ch’vn Papagallo proferendo (buon giorno) senza hauer l’idea congiunta, e corrispondente alle voci di (nuon giorno) se propriamente parliamo, non diremo, che parli. Dunque per formarsi il concetto distinto, e perfetto della parola, si deve aggiungere, che quel suono articolato spiega i pensieri della mente, e non sol questo, ma che anco li spiegi senza hauer vna connessione necessaria, e naturale à gli stessi pensieri, i quali vengono spiegati ed accennati dal suo articolato, non per sua natura, mà pel consenso, & patto degli huomini trà di loro, perche la parola è, come ogn’vno sà, vn segno non naturale, ma arbitrario. (ANONYM 1683: 25–26): Le parole humane sono segni arbitrarii, chei spiegano le cose, e palesano nostri pensieri, non per la natura de gli stessi suoni, mà per consenso de gli huomini tra loro. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 8): Thus we may conceive how words, which were by nature so well adapted to that purpose, came to be made use of by men as the signs of their ideas; not by any natural connexion that there is between particular articulate sounds and certain ideas, for then there would be but one language amongst all men; but by a voluntary imposition, whereby such a word is made arbitrarily the mark of such an idea. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 12): Words, by long and familiar use, as has been said, come to excite in men certain ideas so constantly and readily, that they are apt to suppose a natural connexion between them. But that they signify only men’s peculiar ideas, and that by a perfect arbitrary imposition, is evident, in
Arbitrarität that they often fail to excite in others (even that use the same language) the same ideas we take them to be signs of: and every man has so inviolable a liberty to make words stand for what ideas he pleases, that no one hath the power to make others have the same ideas in their minds that he has, when they use the same words that he does. (LOCKE [1690] 1894: III, IV, 38): In light and colours, and all other simple ideas, it is the same thing: for the signification of sounds is not natural, but only imposed and arbitrary. And no definition of light or redness is more fitted or able to produce either of those ideas in us, than the sound light or red, by itself. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Arbitraire, 1694): Arbitraire. adj. Qui depend de la volonté du choix de chaque personne. L’Eglise n’a point decidé là-dessus, cela est arbitraire. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 47–48): Il n’y a point de langue qui n’ait un grand nombre de noms composez, pour signifier certaines choses, certains métiers & certains ministeres. Chacun en peut trouver des exemples par tout: Mais on trouvera que les mots simples, qui sont comme les élemens de ces composez, n’ont par eux-mêmes d’autre valeur que celle qu’on leur a donnée. Et les composez ne present naturellement l’idée de la chose qu’ils signifient, qu’à ceux qui ont l’intelligence des primitifs par la connoissance de la langue. C’est de ces noms composez seuls, que l’on peut dire que quand on les connoît on connoît les choses, comme le dit Platon dans son Dialogue de la raison des noms. Car à l’égard des simples on ne les sçauroit connoître que l’on ne connoisse auparavant les choses, comme le dit encore le même Philosophe; ce que l’on ne sçauroit trop remarquer. Les noms composez font connoître les choses, & les choses font connoître les noms simples. (FEIJOO [1726] 1952: 46): §. III. […] la propiedad de una voz no es otra cosa que su específica determinacion á significar tal objeto; y como esta es arbitraria ó dependiente de la libre voluntad de los hombres, supuesto que en una region esté tal voz determinada á significar tal objeto, tan propia es como otra cualquiera que le signifique en idioma diferente.
209 (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, I, 8–9): […] le langage d’action: langage qui, dans ses commencemens, […] ne consistoit vraisemblablement qu’en contorsions et en agitations violentes. Cependant ces hommes ayant acquis l’habitude de lier quelques idées à des signes arbitraires, les cris naturels leur servirent de modèle, pour se faire un nouveau langage. (LA METTRIE 1748: 32): Tout s’est fait par des Signes; chaque espèce a compris ce qu’elle a pu comprendre: & c’est de cette manière que les Hommes ont acquis la connoissance symbolique, ainsi nommée encore par nos Philosophes d’Allemagne. RIEN de si simple, comme on voit, que la Mécanique de notre Education! Tout se réduit à des sons, ou à des mots, qui de la bouche de l’un, passent par l’oreille de l’autre, dans le cerveau, qui reçoit en même tems par les yeux la figure des corps, dont ces mots sont les Signes arbitraires. (LA METTRIE [1751] 1774: 120): Qu’on ne nous objecte pas que les signes du discernement des bêtes sont arbitraires, & n’ont rien de commun avec leurs sensations: car tous les mots dont nous nous servons le sont aussi, & cependant ils agissent sur nos idées, ils les dirigent, ils les changent. Les lettres qui ont été inventées plus tard que les mots, étant rassemblées, forment les mots, desorte [sic] qu’il nous est égal de lire des caractères; ou d’entendre les mots qui en sont faits, parce que l’usage nous y a fait attacher les mêmes idées, antérieures aux unes & aux autres lettres, mots, idées, tout est donc arbitraire dans l’homme, comme dans l’animal […]. (Encyclopédie, Artikel Grammaire, BEAUZÉE, 1757: VII, 841): Mais on sent bien qu’aucun mot ne peut être le type essentiel d’aucune idée; il n’en devient le signe que par une convention tacite, mais libre; on auroit pu lui donner un sens tout contraire. Il y a une égale liberté sur le choix des moyens que l’on peut employer, pour exprimer la corrélation des mots dans l’ordre de l’énonciation, & celle de leurs idées dans l’ordre analytique de la pensée. Mais les conventions une fois adoptées, c’est une obligation indispensable de les suivre dans tous les cas pareils; & il n’est plus permis de s’en départir que pour se conformer à quelque autre convention égale-
210 ment autentique, qui déroge aux premieres dans quelque point particulier, ou qui les abroge entierement. De-là la possibilité & l’origine des différentes langues qui ont été, qui sont, & qui seront parlées sur la terre. (Encyclopédie, Artikel Interjection, BEAUZÉE, 1757: VIII, 827–828): Si on entend par oraison, la manifestation orale de tout ce qui peut appartenir à l’état de l’ame, toute la doctrine précédente est une preuve incontestable que l’interjection est véritablement partie de l’oraison, puisqu’elle est l’expression des situations même les plus intéressantes de l’ame; & le raisonnement contraire de Sanctius est en pure perte. C’est, dit-il, (Minerv. I. ij.) la même chose partout; donc les interjections sont naturelles. Mais si elles sont naturelles, elles ne sont point parties de l’oraison, parce que les parties de l’oraison, selon Aristote, ne doivent point être naturelles, mais d’institution arbitraire. Eh, qu’importe qu’Aristote l’ait ainsi pensé, si la raison en juge autrement? Le témoignage de ce philosophe peut être d’un grand poids dans les choses de fait, parce qu’il étoit bon observateur, comme il paroît même en ce qu’il a bien vû que les interjections étoient des signes naturels & non d’institution; mais dans les matieres de pur raisonnement, c’est à la raison seule à prononcer définitivement. Il y a donc en effet des parties d’oraison de deux especes; les premieres sont les signes naturels des sentimens, les autres sont les signes arbitraires des idées: celles-là constituent le langage du cœur, elles sont affectives: celles-ci appartiennent au langage de l’esprit, elles sont discursives. Je mets au premier rang les expressions du sentiment, parce qu’elles sont de premiere nécessité, les besoins du cœur étant antérieurs & supérieurs à ceux de l’esprit: d’ailleurs elles sont l’ouvrage de la nature, & les signes des idées sont de l’institution de l’art; ce qui est un second titre de prééminence, fondé sur celle de la nature même à l’égard de l’art. (MICHAELIS 1760: 52): So gut der Mathematicus eine Linie, deren Größe er untersuchen will, mit einem willkührlich gewählten Buchstaben bezeichnet, der nichts weiter von ihren Eigenschaften enthält, eben so gut kann auch das Wort einer Sprache gebraucht werden, dessen Abstammung entweder nichts von
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken dem Wesen der Sache entdecket, oder gäntzlich verlohren gegangen und unbekannt geworden ist. Die allerersten Grundwörter der ersten Sprache haben ohnehin keine Abstammung haben können, sondern waren willkührliche Zeichen: mit welchem Recht kann man denn fodern, daß alle jetzige Wörter Abschilderungen und Definitionen der Sachen seyn sollen? (PRIESTLEY [1762] 1971: 34–35): The last improvement of such a method as this may be illustrated by the characters that we ourselves use to denote numbers. 1. 2. 3. &c. and the character &. These are arbitrary marks, to denote ideas directly, without the intervention of words, and are alike known to all the nations of Europe. Imagine now that not only the ideas of numbers, and the particle and but all our other ideas and particles were denoted in the same manner, by arbitrary characters, which any nation might use, at the same time that they gave them what names they pleased and we should have the ideas of just such a written language as the Chinese is said to be. (DE BROSSES 1765: I, 18–19): […] tout roule primordialement sur deux principes matériels; l’imitation des objets par la voix, & le mouvement propre à chaque organe en conformité de sa structure; qu’ainsi les premieres opérations sur lesquelles s’est propagé tout le systême de la parole, sont nées de la nature physique des choses, ou de la nécessité des effets résultans d’une cause donnée, bien plus que de la reflexion ou d’un choix arbitraire fait par l’esprit humain. Mais puisque c’est la nature qui a posé les premiers fondemens, puis-qu’elle est l’auteur véritable des premiers germes et des vrais mots primitifs que les grammairiens ont avec raison nommé racines; puisqu’on lui doit tous les termes qui sont incontestablement radicaux; n’en faut-il pas tiré cette conséquence, qu’elle a beaucoup influé dans le développement du total […]. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 516): USAGE, s. m. (Gram.) La différence prodigieuse de mots dont se servent les différens peuples de la terre pour exprimer les mêmes idées, la diversité des constructions, des idiotismes des phrases qu’ils employent dans les cas semblables, & souvent pour peindre les mêmes pensées; la mobilité
Arbitrarität même de toutes ces choses, qui fait qu’une expression reçue en un tems est rejettée en un autre dans la même langue, ou que deux constructions différentes des mêmes mots y présentent des sens qui quelquefois n’ont entr’eux aucune analogie, comme grosse femme & femme grosse, sage femme & femme sage, honnête homme & homme honnête, &. [sic] Tout cela démontre assez qu’il y a bien de l’arbitraire dans les langues, que les mots & les phrases n’y ont que des significations accidentelles, que la raison est insuffisante pour les faire deviner, & qu’il faut recourir à quelqu’autre moyen pour s’en instruire. Ce moyen unique de se mettre au fait des locutions qui constituent la langue, c’est l’usage. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 56): Zu den künstlichsten und willkührlichsten Zeichen gehören nun vornehmlich Schrift und Sprache. Man kan sich auch der Finger und Hände bedienen und sie willkührlich zu Zeichen bestimmen. Es sind Beyspiele genug vorhanden, daß Taub- und Stummgebohrne sich völlig dadurch ausdrucken und ihre Gedanken mittheilen können. Allein diese Exempel setzen allezeit die Vernunft zum voraus und haben einen geduldigen und vernünftigen Unterricht erfordert, folglich können sie hier nicht zum Beweis des Gegentheils gebraucht werden. Ueberdem sind Finger und Hände willkührliche Zeichen von andern willkührlichen Zeichen, nemlich von den Buchstaben, und also kommt es auf diese hauptsächlich an. (BEAUZÉE 1767: III, 555): La signification des mots est incontestablement arbitraire dans son origine; & cela est vrai surtout des mots techniques, tels que ceux dont il est ici question. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-667: 15): Die Wörter, als Zeichen für das Gehör, und die Buchstaben, als Zeichen für das Gesicht, sind keinesweges gantz willkührlich (oder ohne Grund ergriffen,) sondern es ist in ihnen etwas verwandtes mit dem Bezeichneten. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 8–9): So gehet auch die würckliche Entstehung einer Sprache zu, und auf die Weise ist es möglich, was einem anfangs fast unmöglich scheinen möchte, daß Töne, die mit der Sache nicht die geringste Ähnlichkeit oder Verhältniß haben, Zeichen derselben werden.
211 (HERDER [1772] 1978a: 135): Was hat die Farbe, die Rundheit mit dem Namen gemein, der aus ihr so entstehe wie der Name Blöken aus dem Schafe? Die Verteidiger des übernatürlichen Ursprungs wissen hier gleich Rat. “Willkürlich! Wer kann’s begreifen und im Verstande Gottes nachsuchen, warum grün grün und nicht blau heißt? Ohne Zweifel hat’s ihm so beliebt!” Und damit ist der Faden abgeschnitten! Alle Philosophie über die Erfindungskunst der Sprache schwebt also willkürlich in den Wolken, und für uns ist jedes Wort eine Qualitas occulta, etwas Willkürliches! Nun mag man’s nicht übelnehmen, daß ich in diesem Falle das Wort willkürlich nicht begreife. Eine Sprache willkürlich und ohne allen Grund der Wahl aus dem Gehirn zu erfinden ist wenigstens für eine menschliche Seele, die zu allem einen, wenn auch nur einigen Grund haben will, solch eine Qual als für den Körper, sich zu Tode streicheln zu lassen. (TETENS 1772: 60): Man nennt die Wörter in den Sprachen, willkürliche Zeichen der Gegenstände. Eigentlich sind sie zufällige, das ist, solche, die durch keine Nothwendigkeit dazu bestimmt sind, diese oder jene Sache zu erkennen zu geben, sondern nur durch gewisse natürliche aber zufällige Veranlassungen zu dieser Absicht gebrauchet worden. Die natürlichen Töne sind etwas weniger zufällig, als die übrigen, allein es war bey ihnen eben sowohl als bey andern möglich, daß zum Ausdruck einer Idee ein natürlicher Ton von einer andern Art genommen werden konnte, als derjenige, dessen man sich wirklich bedienet hat. Nun sind die Wörter zwar in so weit willkürliche Zeichen, in so weit alles, was eine Wirkung einer zufälligen Handlung des Menschen ist, von einer Bestimmung seines Willens, und also von seiner Wahl, zum Theil mit abhänget, zumal da, wo die Handlung mit einem klaren Bewustseyn unternommen wird; allein der Beynahme Willkürlich, ausserdem daß er in vieler Rücksicht unrichtig ist, enthält diese Neben-Idee, als wenn eine gewisse Auswahl bey der ersten Erfindung der Wörter statt gefunden haben müsse, und also auch eine nach einer erkannten Absicht handelnde Ueberlegung.
212 (TIEDEMANN [1772] 1985: 165): Kein Mensch zweifelt daran, daß die Worte und Vorstellungen keine nothwendige Verbindung haben. (MEINER 1781: 4–5): Es gehören demnach zu dem vollkommenen Verständniß einer solchen Sprache, die aus Tönen und Schriftzeichen bestehet, zwey Stücke: I) Eine durch Fleiß und Uebung errichtete so genaue Verknüpfung zwischen den zu denkenden Begriffen und den hörbaren Tönen, daß sie einander auf das leichteste und geschwindeste wechselweise in uns erwecken können, so, daß bey Empfindung dieser oder jener Töne, alsobald die dazu gehörigen Begriffe, und, bey Vorstellung dieser und jener Begriffe, alsobald die dazu gehörigen Töne in uns erwecket werden. Geschieht das erstere, so heißt es eine Rede richtig verstehen; geschieht aber das letztere, so nennen wir es reden. (JENISCH 1796: 7): Dass übrigens viele Wörter der Sprache auch blossen Zufälligkeiten ihren Ursprung verdanken, z. B. gewisse Farben, Moden u. d. g., ist allbekannt. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 8): Mais les signes naturels, et même ceux qui tiennent aux gestes et au jeu de la physionomie, étant bien éloignés de pouvoir suffire à nos besoins, les hommes ont été forcés d’en établir de conventionnels: sans doute, ces signes d’institution, n’ont pas été d’abord entièrement arbitraires: car s’ils l’eussent été, on n’eût pu les comprendre […]. (BERNHARDI [1805] 1990: 15): Eine jede Nachahmung führt eine absolute Verständlichkeit mit sich, so wie sie als eine solche erkannt wird, das ist, so wie ihr Urbild bekannt ist. Ein jedes willkührliche Zeichen, bedarf neben der Bekanntschaft mit dem Bezeichneten, noch das Auffassen des Zusammenhanges zwischen beiden, wenn es verstanden werden soll.
III. Konstitutiv für das Verständnis der Ar-
bitrarität über die Jahrhunderte hinweg ist die Vielseitigkeit des Konzeptes und die scheinbare Antonymie zwischen ‘Willkürlichkeit’ im Sinne von ‘Beliebigkeit’ einerseits und der Idee des ‘sprachlichen Zeichens’ (ĺ Zeichen und Idee) als Resultat eines Konventionalisierungsprozesses andererseits (ĺ Konvention) der unabhängig von Ähnlichkeitsrelationen zwischen Wort und Ding bzw. zwi-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken schen Signifikat und Signifikant erfolgen kann. Der negativen Konnotation der ‘Beliebigkeit’ steht andererseits ein positiv konnotiertes produktives Verfahren der Generierung von ĺ Bedeutung gegenüber, welches unabhängig von natürlichen Ähnlichkeitsrelationen wie etwa bei onomatopoetica anwendbar ist und auf gesellschaftlicher Übereinkunft basiert. Im Sinne des aristotelischen non natura, sed ad placitum betont SANCTIUS (Minerva 1587), dass ein Zeichen nicht von Natur aus, sondern vermittelt über einen Beschluss, als Ergebnis einer Beratung (consilio) etwas bedeutet, der einem bestimmten Ding einen bestimmten Namen zuordnet. Bereits SANCTIUS ist bemüht, die Idee der Arbitrarität ihrer negativen Konnotationen zu berauben, denn die Wörter werden für ihn nicht zufällig bestimmten Gegenständen zugeordnet, sondern nach Überlegung. Auch in der Arbitraritätsauffassung von CARAMUEL Y LOBKOWITZ wird das Konzept des arbiträren Zeichens (signum arbitrarium) mit der Idee der Künstlichkeit des Zeichens (dictio igitur signum artificiale est) verbunden, um so den Gegensatz zur Konzeption der ĺ Natürlichkeit des sprachlichen Zeichens zu betonen. Ein funktionierendes willkürliches, künstlich geschaffenes Zeichen basiert für CARAMUEL Y LOBKOWITZ auf der Einrichtung einer Nomenklatur; es ist abhängig vom Wissen des Hörers sowie vom zeitgleichen Verständnis zwischen Sprecher und Hörer. Bemerkenswert an CARAMUEL Y LOBKOWITZ’ Arbitraritätskonzept ist die nicht nur am Sprecher, sondern auch am Hörer orientierte Konzeption des sprachlichen Zeichens. Ebenso wie CARAMUEL Y LOBKOWITZ distanziert sich auch LOCKE von der Idee eines natürlichen Zusammenhangs zwischen Wort und Welt bzw. zwischen Signifikat und Signifikant. Wörter entstehen für LOCKE nicht durch eine irgendwie geartete Verbindung zwischen bestimmten artikulierten Lauten und bestimmten Ideen, sondern einzig durch eine willentliche Setzung (by a voluntary imposition). Durch diese Setzung wird das Wort zum Merkzeichen der entsprechenden Idee. Nach LOCKE setzen sich die arbiträr erschaffenen Wörter durch den usus (by long and familiar use) durch (ĺ Gebrauch).
Arbitrarität Als ein arbiträres Zeichensystem wird die Sprache auch von MERSENNE in der Harmonie universelle (1636) beschrieben. MERSENNE vergleicht darin das ĺ Wesen der Sprache mit dem des Gesangs. Während der Gesang auf eine genaue ĺ Artikulation von Vokalen (ĺ Vokal) oder Konsonanten (ĺ Konsonant) zu verzichten vermag, ist die Sprache dadurch gekennzeichnet, dass ihr ĺ Gebrauch durch eine menschliche Setzung (l’institution des hommes) erfolgt, die das Verhältnis von Redewendungen, welche aus Vokalen und Konsonanten zusammengesetzt sind, einerseits sowie den Konzepten (pensées) und Gegenständen der Außenwelt (objects exterieurs) andererseits festlegt. Das Lautbild, das einem Konzept oder einem Objekt zugeordnet wird, ist nach MERSENNE keineswegs natürlich (ĺ Natürlichkeit), denn die Zuordnung von Laut und Idee sei abhängig von einer ĺ Konvention, als deren Ergebnis bestimmte Laute mit bestimmten Bedeutungen (ĺ Bedeutung) versehen werden (les sons & les mouuemens ne sont pas des caracteres attachez aux choses qu’ils representent, auant que les hommes ayent conuenu ensemble, & qu’ils leur ayent imposé telle signification qu’ils ont voulu). Selbst die Namen, welche Adam den Tieren und weiteren Lebewesen im Zuge der nominatio rerum (Genesis 2) beigelegt habe, hätten in keinerlei natürlicher Beziehung zu ihren Objekten gestanden. Kein Buchstabe und keine Silbe des von Adam gesprochenen Hebräisch oder Chaldäisch stehe in einer notwendigen Verbindung zu den damit bezeichneten Konzepten. Mit dieser Behauptung kennzeichnet MERSENNE bereits die ĺ Ursprache als arbiträr und wendet sich damit gegen die zu seiner Zeit weit verbreitete Auffassung von der ĺ Natürlichkeit der Ursprache. Aus diesem Grunde äußert er sich auch skeptisch gegenüber dem von ihm selbst wiederholt ins Gespräch gebrachten Projekt einer ĺ Universalsprache, da die menschliche Kunstfertigkeit und der menschliche Verstand sich dann dem sprachlichen Erfindungsgeist Adams gegenüber als überlegen erweisen müssten. Die Annahme, dass Sprache sich aus nichtnatürlichen, arbiträren Zeichen, welche durch ĺ Konvention festgelegt werden, zusammensetzt, wird auch von einem italienischen Ano-
213 nymus vertreten. Dieser definiert Sprache im Geiste des Cartesianismus als artikulierte Lautsprache, die von den unartikulierten Lauten Neugeborener und Papageien, welche mit ihren Lautäußerungen noch keine mentalen Konzepte verbinden (senza hauer vna connessione necessaria, e naturale à gli stessi pensieri), abzugrenzen sei (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Der Bezug zwischen unseren Gedanken und den Tönen der artikulierten Lautsprache sei einzig durch Übereinkunft der Menschen untereinander (pel consenso, & patto degli huomini trà di loro) festgelegt worden, da das Sprachzeichen bekanntermaßen ein nicht-natürliches, sondern ein arbiträres Zeichen sei (perche la parola è, come ogn’vno sà, vn segno non naturale, ma arbitrario). Die Auffassung, dass Sprache ihrem Wesen nach arbiträr ist, wird auch von FEIJOO vertreten. Für ihn besteht die Aufgabe eines Wortes darin, durch seine spezifische Fähigkeit der Determinierung auf ein bestimmtes Objekt Bezug zu nehmen. Das Verhältnis zwischen Wort und Ding sei jedoch arbiträr und abhängig vom freien Willen der Menschen (arbitraria ó dependiente de la libre voluntad de los hombres), wie anhand der Verschiedenheit der Einzelsprachen (ĺ Universalität und Verschiedenheit) erkennbar sei, die jeweils eine unterschiedliche, für das jeweilige Idiom spezifische Bezeichnung für ein Objekt auswählten. Die Existenz der Sprachenvielfalt wird auch in der Encyclopédie (1757: VII, 841) im Artikel Grammaire von BEAUZÉE als Beleg für die Arbitrarität des sprachlichen Zeichens angeführt. Kein Wort vermöge es, den Grundtyp einer bestimmten Idee zu verkörpern (aucun mot ne peut être le type essentiel d’aucune idee). Zum Zeichen einer Idee werde ein Wort vielmehr erst durch eine stillschweigende Übereinkunft (ĺ Konvention), die nach freiem Willen getroffen werde (par une convention tacite, mais libre), da man einem bestimmten Wort ebenso gut eine völlig andere ĺ Bedeutung hätte verleihen können (ĺ Zeichen und Idee). Eine einmal festgelegte Konvention zeichne sich allerdings durch ihre Verbindlichkeit für die Mitglieder einer Sprechergemeinschaft aus (Mais les conventions une fois adoptées, c’est une obligation indis-
214 pensable de les suivre) und könne nur durch eine ebenso allgemein verbindliche neue Konvention geändert werden (il n’est plus permis de s’en départir que pour se conformer à quelque autre convention également authentique). Aufgrund der Modifizierbarkeit von Konventionen kommt es nach BEAUZÉEs Auffassung zur Entstehung der Vielfalt verschiedener Sprachen. Der Zusammenhang zwischen Arbitrarität und Sprachenvielfalt wird von BEAUZÉE auch im Encyclopédie-Artikel Usage aufgegriffen. Zunächst führt er darin verschiedene Belege für den arbiträren Charakter des Sprachzeichens an: Als Hauptcharakteristikum benennt er die Diversität der Einzelsprachen, welche dieselben menschlichen Gedanken jeweils auf die ihnen eigene Art und Weise auszudrücken vermögen (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Auch die sprachspezifische Gestaltung des Satzbaus oder die verschiedenen, sprachspezifischen Strukturen der Redewendungen, die die gleichen Gedanken in verschiedenen Sprachen jeweils unterschiedlich wiedergeben, werden von BEAUZÉE als Beweis für die Arbitrarität angeführt. Auch die Möglichkeiten der Veränderung der Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) in ein und derselben Sprache, die etwa im Falle der Prä- oder Postdetermination des Adjektivs im Französischen zu völlig unterschiedlichen Bedeutungen (ĺ Bedeutung) führen können, die jegliche ĺ Analogie vermissen lassen, dokumentierten den arbiträren Charakter des Sprachzeichens. Aufgrund der Diversität der Einzelsprachen, der sprachspezifischen Idiotismen, der oftmals fehlenden Analogie der Konstruktionen und dem daraus resultierenden akzidentellen Charakter von Wort- und Satzbedeutungen, wird der Verstand (la raison) als ungeeignetes Mittel für den ĺ Spracherwerb, insbesondere im Hinblick auf Redewendungen beurteilt. Als einzig zuverlässiges Kriterium für die Erlernung von Redeweisen empfiehlt BEAUZÉE daher den usage, d. h. den ĺ Gebrauch der Sprache. Die zentrale Bedeutung arbiträrer Zeichen nicht nur für die Sprache als solche, sondern insbesondere für ihre Entwicklung wird von CONDILLAC im Essai verdeutlicht. Während am Anfang der Sprachgenese (ĺ Ursprung)
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken zunächst eine Gestensprache (langage d’action) steht, die sich aus unartikulierten Schreien und heftigen Körperbewegungen zusammensetzt (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache), kann der Übergang zur artikulierten Lautsprache nur mit Hilfe arbiträrer Zeichen vollzogen werden. Als Modell arbiträrer Zeichen dienen jedoch natürliche, instinktive Schreie und Lautbekundungen (signes naturels; ĺ Natürlichkeit). CONDILLAC revidiert allerdings seine Konzeption von der ‘Arbitrarität’, die er im Essai darlegt, in seiner Grammaire (I, chap. I), in der er vorschlägt, das sprachliche Zeichen als artificiel zu charakterisieren. Auf diese Weise versucht er, die negative Konnotation mangelnder Systemhaftigkeit und Funktionalität, die durch die Idee des arbitraire transportiert wird, zu annullieren. Im Gegensatz zum CONDILLAC der Grammaire verteidigt MICHAELIS die Konzeption der ‘Arbitrarität’ des sprachlichen Zeichens unter Berufung auf die algebraischen Verfahren in der Mathematik. Ebenso gut wie verschiedene Variablen in der Algebra oder der Geometrie zur Bezeichnung von unbekannten Größen und Linien benutzt werden könnten, könne man auch Sprachzeichen zur Benennung von Dingen benutzen, mit denen sie keinerlei natürliche Ähnlichkeit hätten. Für MICHAELIS sind Sprachzeichen somit in Analogie zu den Variablen der Mathematik Abstraktionen. Sprache ist nach seiner Auffassung ein abstraktes System, für dessen Funktionieren die Arbitrarität des sprachlichen Zeichens konstitutiv ist. Allerdings rückt auch MICHAELIS ebenso wie vor ihm CONDILLAC die möglichen negativen Konnotationen, die mit dem Konzept der ‘Arbitrarität’ verbunden werden können, ins Blickfeld. So hätten die ‘Urwörter’ der ĺ Ursprache des Menschengeschlechtes keine Abstammung, d. h. keine Etyma gehabt, auf die sie zurückgegangen seien, sondern wären willkührliche Zeichen gewesen (ĺ Etymologie). Die Zweischneidigkeit des Arbitraritätskonzeptes wird also auch in diesem Falle deutlich, da mit willkührlichen Zeichen hier unvollkommene Wörter der Sprachgenese gemeint sind. Die Arbitrarität wird auch von SÜSSMILCH als eine charakteristische Eigenschaft menschlicher Sprache hervorgehoben. Dieser belehnt
Arbitrarität jedoch nicht nur die artikulierte Lautsprache, sondern auch die ĺ Schrift und die Gestensprache (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) mit dem Attribut der Arbitrarität. Sprache und Schrift rechnet er zu den “künstlichsten und willkührlichsten Zeichen”, womit er ähnlich wie CONDILLAC Arbitrarität und Artifizialität von Zeichen in einen engen Zusammenhang stellt, um damit auch die negativen Konnotationen eines im Sinne von ‘Beliebigkeit’ verstandenen Arbitraritätsbegriffes ausschließen zu können. Auch die Gebärdensprache Taubstummer (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) dient SÜSSMILCH als Beleg für die Arbitrarität und Artifizialität semiotischer Systeme. Die Arbitrarität und Künstlichkeit der Sprache fungieren in SÜSSMILCHs Argumentation vor allem auch als Nachweis für den göttlichen ĺ Ursprung der Sprache, da sowohl artikulierte Lautsprache als auch Gebärdensprache oder Schrift für ihre Entstehung bereits eine voll ausgeprägte Denkfähigkeit erforderten, über die nach SÜSSMILCHs Auffassung einzig Gott verfügt. Eine radikale Konzeption der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens wird von LA METTRIE vertreten, der in L’homme machine (1748) den Zeichen eine konstitutive Rolle für den Erkenntnisprozess zuschreibt (ĺ kognitive Funktion der Sprache). So beruhe die symbolische Erkenntnis in ihrer Gesamtheit auf Zeichen. Auch die Erziehung des Menschen lasse sich auf das Erlernen von Lauten oder Wörtern reduzieren, die von einem Sprecher an den Hörer weitergeleitet werden, dessen Gehirn diese Sprachzeichen aufnimmt und zugleich mit ihnen auch das Abbild der Gegenstände erhält, deren arbiträre Zeichen die vom Hörer wahrgenommenen Wörter sind. Die Vorstellung von der Arbitrarität wird in LA METTRIEs Traité de l’âme (1751) radikal vertreten, da in diesem Traktat nicht nur die Zeichen der menschlichen Lautsprache, sondern auch tierische Kommunikationsformen als arbiträr beschrieben werden (tout est donc arbitraire dans l’homme, comme dans l’animal) (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Grundsätzlich gegen die Konzeption der Arbitrarität argumentiert DE BROSSES. Als Anhänger einer mechanistisch-physiologisch
215 ausgerichteten Theorie des Sprachursprungs plädiert DE BROSSES für einen natürlichen ĺ Ursprung der Sprache (ĺ Natürlichkeit). Die Wörter der Sprache resultieren zwangsläufig aus physiologischen Grundprämissen (wie der Position bestimmter Organe, unserer Veranlagung zum Entsenden von Lautbekundungen, der Beschaffenheit unserer Sprechorgane) und aus unserer Begabung zur Imitation. DE BROSSES setzt die physische Natur der Dinge (la nature physique des choses) als Basis der Sprachentstehung gegen die sorgfältige Überlegung (reflexion) oder die willkürliche, nach Gutdünken erfolgende Wahl (le choix arbitraire) eines bestimmten Wortes als Träger einer bestimmten Idee. Kritik am Konzept der ‘Arbitrarität’ übt auch HERDER im Rahmen seiner Polemik gegen SÜSSMILCH in der Abhandlung über den Ursprung der Sprache. In diesem Zusammenhang wendet sich HERDER gegen die Idee der Arbitrarität, indem er die Willkürlichkeit des sprachlichen Zeichens mit einer qualitas occulta gleichsetzt und sich somit ausschließlich auf die negative Konnotation, die die Idee der Arbitrarität impliziert, einlässt. Unberücksichtigt bleibt demgegenüber die Tatsache, dass die Konzeption der Arbitrarität als Gegensatz zum natürlich motivierten Ursprung von Bedeutungsrelationen dienen soll (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). Eine moderatere Kritik am Konzept der ‘Arbitrarität’ übt ein Mitbewerber HERDERs in seiner Einsendung auf die Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-667). Gestützt auf die Idee der Existenz einer Ähnlichkeitsrelation zwischen Wort und Ding, wird in der Preisbewerbungsschrift I-M-667 die Idee einer relativen Arbitrarität vertreten. Ein anderer Bewerber des Berliner Sprachursprungswettbewerbs verweist demgegenüber auf den abstrakten Charakter sprachlicher Zeichen und streitet die Notwendigkeit einer Ähnlichkeit zwischen Wort und Ding ab (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686). Die Notwendigkeit der Imitation und Nachahmung für die Generierung des Zusammenhanges zwischen Wort und Ding fordert demgegenüber BERNHARDI, für den am Anfang zunächst natürliche Zeichen stehen, die erst über den Reflexionsprozess zu abstrakten arbiträren Zeichen werden können (ĺ Zeichen und Idee).
216 Die Relation zwischen Arbitrarität und ĺ Natürlichkeit wird auch in der Encyclopédie im Artikel Interjection von BEAUZÉE thematisiert. Überlegungen zur Arbitrarität und Natürlichkeit von Zeichen werden hier in Zusammenhang mit einer Diskussion der ĺ Wortarten angestellt, wobei insbesondere der Status der ĺ Interjektion behandelt wird. Konträr zur Auffassung des SANCTIUS versteht BEAUZÉE die Interjektion als Wortart (partie de l’oraison), da es sich bei ihr um einen Redeteil handle, welcher die interessantesten und bedeutsamsten Seelenregungen ausdrücke (elle est l’expression des situations même les plus intéressantes de l’ame). Damit sei die von SANCTIUS in seiner Minerva vorgebrachte Argumentation, Interjektionen seien überall gleich und daher natürlich, widerlegt. Gegen die von SANCTIUS postulierte Universalität von Interjektionen wird ihr kontextabhängiger und expressiver Charakter angeführt. Auch die Annahme, bei Interjektionen handle es sich aufgrund ihrer vorgeblichen Natürlichkeit und Universalität nicht um eine Wortart, weil ARISTOTELES die Wortarten per se als arbiträr gesetzt beschrieben habe (les parties de l’oraison, selon Aristote, ne doivent point être naturelles, mais d’institution arbitraire), lehnt BEAUZÉE ab. Vielmehr müsse man bei der Klassifizierung der Wortarten zwischen zwei verschiedenen Typen unterscheiden: Zur ersten Gruppe zähle man natürliche Zeichen von Gefühlen, welche als signes naturels des sentiments bezeichnet werden. Zur zweiten Gruppe der Wortarten gehörten demgegenüber die arbiträren Zeichen der Ideen (les signes arbitraires des idées). Die natürlichen Zeichen, die dem Gefühlsausdruck dienen, werden der ‘Sprache des Herzens’ (le langage du cœur) und dem Bereich der Affektivität zugeordnet, während die arbiträren Zeichen der Ideen diskursiven Charakter besitzen und in die Domäne der Sprache des Geistes (langage de l’esprit) verwiesen werden. Beide Typen von Wortarten werden auch hinsichtlich der Reihenfolge ihrer Entstehung klassifiziert. So stehen am Beginn der Sprachgenese (ĺ Ursprung) Wortarten, die dem Gefühlsausdruck und dem langage du cœur zuzuordnen sind, da die Bedürfnisse des Herzens und der Ausdruck der Gefühle höherwertig seien und dem Ausdruck der Sprache des Geistes vorangingen.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Zudem seien die Zeichen der Gefühlsentäußerung ein Werk der Natur, während die arbiträren Zeichen der Ideen das Ergebnis von Setzung und Kunst seien (ĺ Konvention). Die Diskussion um unterschiedliche Gruppen von Wortarten wird damit in den Kontext des in der Sprachdiskussion der Neuzeit topisch auftretenden Gegensatzes von natura und ars gestellt. Einen Gegensatz zwischen natürlichen Zeichen, die dem Ausdruck der Seelenregungen und Leidenschaften dienen (ces signes naturels des passions de l’ame) und Zeichen, die nur aufgrund einer intentionalen Setzung ĺ Bedeutung ausdrücken können (d’autres qui ne sont que d’institution par lesquels elle peut exprimer tout ce qu’elle conçoit), nimmt auch CORDEMOY an. Als Hauptmerkmal arbiträrer Zeichen sieht er die Tatsache an, dass sie über keinerlei Gemeinsamkeit mit den Gedanken, die sie ausdrücken, verfügen (qu’ils n’ont aucune conformité avec les pensées que l’on y joint par institution; ĺ Zeichen und Idee). Die Relation zwischen Lautkörper und Idee wird einzig durch eine willentliche Setzung getroffen (ĺ Konvention). Der fehlende Zusammenhang zwischen Lautbild und Konzept gilt nach CORDEMOYs Auffassung für Gestensprache (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache), Lautsprache und ĺ Schrift, welche er als die geläufigsten Zeichensysteme klassifiziert (soit que nous exprimions nos pensées par des gestes, par des discours ou par des caracteres, qui sont les trois sortes de signes les plus ordinaires). Die Besonderheit der drei semiotischen Systeme Lautsprache, Gebärdensprache und Schrift sieht CORDEMOY gerade in der fehlenden ĺ Analogie zwischen dem mentalen Konzept und seinen Ausdrucksformen. Eine Unterscheidung zwischen arbiträren und natürlichen Zeichen nimmt auch TETENS vor. Dieser nimmt zuerst Bezug auf die geläufige Bezeichnung der Wörter als “willkührliche Zeichen der Gegenstände”. Um das Konzept der Willkürlichkeit jedoch seiner negativen Konnotation im Sinne von ‘Beliebigkeit’ zu berauben, spricht TETENS lieber von “zufällige[n]” Zeichen. Er legt Wert auf die Feststellung, dass zufällige Zeichen nicht das Resultat einer Notwendigkeit seien, sondern “durch gewisse natürliche aber zufällige Veranlas-
Arbitrarität sungen zu dieser Absicht gebrauchet worden”. Interessant ist, dass hier der Benennungsakt zugleich als zufällig und als natürlich beschrieben wird, womit ausdrücklich kein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen Arbitrarität und ĺ Natürlichkeit konstruiert wird. Der Unterschied zwischen natürlichen und arbiträren Zeichen ist für TETENS nur gradueller Natur, denn er hält die “natürlichen Töne” lediglich für “etwas weniger zufällig” als die arbiträren Laute. TETENS vertritt das Konzept einer relativen Natürlichkeit und relativen Motiviertheit des sprachlichen Zeichens, da selbst scheinbar natürliche Laute ebenso gut durch andere Laute zum Ausdruck eines Konzeptes ersetzt werden könnten. Damit findet sich bereits bei TETENS die von der modernen Sprachwissenschaft oftmals SAUSSURE zugeschriebene Erkenntnis, dass man auch bei natürlichen Zeichen wie Interjektionen (ĺ Interjektion) und Onomatopoetika nur von einer relativen Motiviertheit des Zeichens sprechen könne, da diese Zeichen in verschiedenen Sprachen unterschiedlich ausfallen. Zwar kann man Sprache nach TETENS’ Auffassung mit dem Attribut der Arbitrarität versehen, weil sie willentlich bestimmt, das Ergebnis einer bewussten Wahl ebenso wie das Resultat bewusster Entscheidungen ist (Nun sind die Wörter zwar in so weit willkürliche Zeichen, in so weit alles, was eine Wirkung einer zufälligen Handlung des Menschen ist, von einer Bestimmung seines Willens, und also von seiner Wahl, zum Theil mit abhänget, zumal da, wo die Handlung mit einem klaren Bewustseyn unternommen wird). Allerdings beinhaltet das Konzept der ‘Willkürlichkeit des Zeichens’, abgesehen davon, dass es terminologisch als problematisch erscheint, für TETENS auch die Konnotation, dass bereits zu Beginn der Sprachgenese (ĺ Ursprung) aus dem möglichen Inventar an Lauten und deren Kombinationen eine bewusste Auswahl getroffen worden sei. Damit negiert TETENS die im 18. Jahrhundert geläufige Auffassung von der Natürlichkeit der Urwörter (vgl. DE BROSSES, HERDER, ROUSSEAU) und der ĺ Ursprache zugunsten der Annahme einer arbiträren Komponente der Sprache bereits in ihren ersten Anfängen. Neuzeitliche Konzeptionen von ‘Arbitrarität’ lassen sich im Wesentlichen in drei Gruppen einteilen:
217 1. Arbitrarität wird als eine konstitutive Eigenschaft menschlicher Lautsprache angenommen (vgl. etwa SANCTIUS, CARAMUEL Y LOBKOWITZ, LOCKE, MERSENNE, FEIJOO, CONDILLAC, MICHAELIS, SÜSSMILCH, LA METTRIE; ĺ Wesen der Sprache). 2. Arbitrarität wird aufgrund eines radikalen Natürlichkeitsdenkens, das auch mit genealogisch motivierten Konzeptionen von Sprache verbunden wird, abgelehnt (DE BROSSES, HERDER; ĺ Natürlichkeit, ĺ Ursprung). 3. Arbitrarität und ĺ Natürlichkeit werden als zwei konkurrierende, auf unterschiedliche Bereiche verwiesene, Eigenschaften der Sprache verstanden. In diesem Sinne wird etwa in der Encyclopédie zwischen signes naturels und signes arbitraires unterschieden. Ähnlich unterteilt auch CORDEMOY sprachliche Zeichen in natürliche Zeichen zum Ausdruck von Leidenschaften und institutionalisierte Zeichen ohne direkten Objektbezug. Die drei genannten Konzeptionen der Arbitrarität widerspiegeln im Grunde die bereits in PLATONs Kratylos dargestellten Positionen. Die Vorstellung von der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens wird hier von Hermogenes vertreten, dem sein Gegenspieler Kratylos als Befürworter der Natürlichkeitsthese gegenübertritt. Die vermittelnde Position, die die scheinbar konkurrierenden Eigenschaften Arbitrarität und Natürlichkeit gleichermaßen als bedeutsam einordnet, wird von Sokrates vertreten.
IV. Unter dem Begriff der ‘Arbitrarität’
wird ein komplexes Bezeichnungsfeld verstanden, welches in der Geschichte der Sprachwissenschaft auf eine lange Tradition zurückblicken kann, die sich bis auf PLATONs Kratylos zurückverfolgen lässt. Die in diesem platonischen Dialog aufgeworfene Frage nach der Richtigkeit der Benennungen zielt im Wesentlichen darauf ab, ob die Relation zwischen Wort und Ding von Natur aus gegeben (physei) oder durch Setzung (thesei) entstanden sei. Ebenso wird die Frage gestellt, ob die Relation zwischen dem Signifikaten und dem Signifikanten natürlich motiviert ist, d. h. ob zwischen der lautlichen Zusammensetzung des Wortes und seinem semantischen Gehalt eine Übereinstimmung herrscht (ob den Signifikanten also eine
218 phonosymbolische Kraft innewohnt) oder ob die Relation zwischen Signifikat und Signifikant beliebig ist und allein durch Übereinkunft (ĺ Konvention) zustande kommt. Ausgehend von PLATONs Kratylos und in der Folge vermittelt über die aristotelische Auffassung aus dem De interpretatione wird die Frage nach der natürlichen Motiviertheit (ĺ Natürlichkeit) oder der Willkürlichkeit des sprachlichen Zeichens über den mittelalterlichen Universalienstreit bis hin in die frühe Neuzeit immer wieder aufgeworfen, wobei sich für die sprachtheoretischen Konzeptionen des Abendlandes die Idee einer durch intentionelle Setzung entstandenen Relation zwischen Wort und Ding und Signifikat und Signifikant behauptet, womit die aristotelische Sprachauffassung sich im Wesentlichen gegenüber den Verfechtern der physei-Richtung (Kratylos) durchsetzt. Das Konzept der ‘Arbitrarität’ kann auf eine lange Tradition zurückblicken, welche mit PLATONs Kratylos beginnend, vermittelt über die Auffassung des ARISTOTELES aus dem De interpretatione bis in die Neuzeit hinein zum Gegenstand sprachtheoretischer Diskussionen erhoben wurde. Die Betrachtungen zur Arbitrarität des sprachlichen Zeichens stützen sich im Mittelalter und in der Neuzeit im Wesentlichen auf die von ARISTOTELES entwickelten Positionen, wobei ARISTOTELES nicht ganz zu Recht (wie in COSERIU 1996: 890a nachzulesen ist) zum Vertreter eines reinen Konventionalismus ausgerufen wurde (ĺ Konvention). Für die Entwicklung der Sprachtheorie hat sich in der Tat die Position des Konventionalismus, die in PLATONs Kratylos von Hermogenes vertreten wurde, als zentral erwiesen. Die Privilegierung des Konventionalismus gegenüber der Idee eines natürlichen Zusammenhangs zwischen Wort und Ding (ĺ Natürlichkeit) lässt sich mit der Dominanz des Aristotelismus über die Jahrhunderte hinweg erklären. Zudem passt eine konventionell motivierte Relation zwischen Wort und Ding bzw. zwischen Signifikat und Signifikant besser zu einer Auffassung, die die Systematizität der Sprache betont. Die Eigenschaft der Arbitrarität menschlicher Sprache ist somit eng mit der der Konventionalität verwoben, da das scheinbar willkürlich gesetzte Wort der Sanktionierung durch die
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Sprachgemeinschaft und einer Etablierung durch den usus bedarf (ĺ Gebrauch). Bedeutsam für die Diskussion des Arbitraritätsbegriffs ist zu allen Zeiten seine Polyvalenz, da die Idee der Arbitrarität einerseits im Zusammenhang mit der der Institutionalisierung und Konventionalisierung (ĺ Konvention) betrachtet wird und somit im Gegensatz zu einer rein natürlich motivierten Abbildrelation zwischen Wort und Ding bzw. zwischen Signifikat und Signifikant steht. Andererseits bietet das Konzept der ‘Arbitrarität’ eine Ebene der negativen Konnotation des Willkürlichen im Sinne von ‘unmotiviert’, ‘zufällig’, ‘nicht logisch begründbar’ an. Ausgehend von dieser negativen Konnotation wird die Idee der physei-thesei-Dichotomie zurückgedrängt zugunsten einer Interpretation, die die Abstraktheit und Systemhaftigkeit des sprachlichen Zeichens im Vordergrund sieht und den Begriff der ‘Arbitrarität’ durch den der ‘Künstlichkeit’ ersetzt. Demgegenüber tritt dann die Kritik am Naturalismus mit seiner Konzeption einer Ähnlichkeitsrelation zwischen Wort und Ding und seinen imitatorischen und phonosymbolischen Zeichenauffassungen in den Hintergrund (ĺ Natürlichkeit). In der heutigen Zeit erweist sich der Umgang mit dem Arbitraritätsbegriff als problematisch, da er oftmals als eine Erfindung SAUSSUREs angesehen wird. Das Bewusstsein für die historischen Wurzeln des Begriffs ist weitgehend verschüttet, wie die Tatsache belegt, dass in zahlreichen einführenden Werken und Lexika zur Sprachwissenschaft das Konzept der Arbitrarität als genuine Idee SAUSSUREs aufgefasst wird (vgl. dazu BUSSMANN 1990: 95, DUBOIS / GIACOMO / GUESPIN 1994: 46, STAMMERJOHANN et al. 1975: 40 und GLÜCK 2000: 58). Selbst die Idee einer relativen Arbitrarität findet sich schon lang vor SAUSSURE etwa in den Einsendungen zur Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung (ĺ Ursprung), ohne dass allerdings diese Bezeichnung dafür verwendet würde (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-667: 15).
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Konvention I. Lat. conventio, consensus; dt. ein Anerkennen der willkührlichen Zeichen, Uebereinkunft; Konvention; Einvertrag, Einverständnis, willkürliche Konvention, Verabredung, einmüthige Uebereinstimmung, conuention, Convention, natürlicher Einvertrag der Sprache; engl. institution and agreement, consent and institution, the common acceptation, the convenience, a tacit consent, by use or consent, voluntary connexion, universal use; frz. l’usage ou le consentement commun des hommes, une convention, une convention réfléchie, un consentement mutuel, un dessein, un consentement, le consentement mutuel des hommes, la langue de convention, un commun consentement, un accord unanime, signes conventionnels, des signes purement conventionnels, les signes de convention, une convention tacite, mais libre; ital. il consenso de gli huomini.
II. (CARAMUEL Y LOBKOWITZ [1654] 1989: 5): Signum artificiale ab arte & hominum consensu pendet. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 86): Mais, comme les hommes ne sont maîtres que de leur langage, et non pas de celui des autres, chacun a le droit de faire un dictionnaire pour soi; mais on n’a pas droit d’en faire pour les autres, ni d’expliquer leurs paroles par ces significations particulières qu’on aura attachées aux mots. C’est pourquoi, quand on n’a pas dessein, de faire connaître simplement en quel sens on prend un mot, mais qu’on prétend expliquer celui auquel il est communément pris, les définitions qu’on en donne ne sont nullement arbitraires, mais elles sont liées et astreintes à représenter, non la vérité des choses, mais la vérité de l’usage; et on doit les estimer fausses, si elles n’expriment pas véritablement cet usage, c’est-à-dire si elles
220 ne joignent pas aux sons les mêmes idées qui y sont jointes par l’usage ordinaire de ceux qui s’en servent; et c’est ce qui fait voir aussi que ces définitions ne sont nullement exemptes d’être contestées, puisque l’on dispute tous les jours de la signification que l’usage donne aux termes. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 148): Ainsi un homme qui aurait établi dans son esprit que certaines choses en signifieraient d’autres, serait ridicule, si, sans en avoir averti personne, il prenait la liberté de donner à ces signes de fantaisie le nom de ces choses, et disait, par exemple, qu’une pierre est un cheval, et un âne un roi de Perse, parce qu’il aurait établi ces signes dans son esprit. Ainsi la première règle qu’on doit suivre sur ce sujet, est qu’il n’est pas permis indifféremment de donner aux signes le nom des choses. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 40–41): […] on peut apprendre une langue, ou une maniere d’écrire, & mesme qu’on en peut inventer: Car il est évident, que soit qu’on les apprenne, ou qu’on les invente, on ne fait autre chose que convenir que certains caracteres signifieront certaines pensées […]. (HOLDER [1669] 1967: 10): […] And hence Languages arise, when by institution and agreement, such a composure of Letters, i. e. such a Word is intended to signifie such a certain thing. And the Learning of a Language is (or at least needs be) nothing else, but the informing our selves, and remembring what Composures of Letters are, by consent and Institution, to signifie such certain Notions of things, with their Modalities and Accidents […]. (LAMY [1675] 1688: Preface, VII): je [sic] prouve que ce n’est pas le hazard qui a fait trouver aux hommes l’usage de la parole. Je fais voir neanmoins que le langage dépend de leur volonté, & que l’usage ou le consentement commun des hommes exerce un empire absolu sur les mots […]. (LAMY [1675] 1688: 4): On appelle signe une chose qui outre cette idée qu’elle donne quand on la voit, en donne une seconde: comme lorsqu’on voit à la porte d’une maison une branche de lierre, outre l’idée du lierre on conçoit qu’on vend du vin dans cette maison. On distingue deux sortes de signes: les uns
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken sont naturels, c’est à dire qu’ils signifient par eux-mêmes, comme la fumée est un signe naturel qu’il y a du feu, où on la voit. Les autres qui ne signifient que ce que les hommes sont convenus qu’ils signifieroient, sont artificiels: les mots sont des signes de cette sorte; aussi le même mot a differentes significations selon les langues où il se trouve […]. (LAMY [1675] 1688: 4): Il dépendoit des hommes d’établir le mot qui leur plaisoit pour être le signe de leurs pensées. Le Soleil est le même en Perse, dans la Judée, en Grece, en Italie; & cependant les Perses, les Juifs, les Grecs & les Latins, n’ont pas choisi les mêmes sons pour estre le signe de cet Astre. Il n’y a aucun rapport naturel entre ce mot Soleil, & l’Astre dont il donne l’idée […]. (LAMY [1675] 1688: 68): Ainsi l’on ne peut penser ni dire raisonnablement que les mots soient naturels. L’experience montre le contraire. L’on fait tous les jours des mots nouveaux. L’on en tire quelque-uns des autres langues; mais aussi on en invente qui n’ont jamais été. C’est pourquoi ce n’est point la nature que nous devons consulter pour apprendre d’elle quels termes on doit emploïer. L’usage est le maître, & l’arbitre souverain des langues, personne ne lui peut contester cet empire. Or cet usage n’est rien autre chose que ce que les hommes usant de leur liberté ont coûtume de faire. Un particulier s’avise de proposer un certain terme, si plusieurs veulent bien prendre la coûtume de se servir de ce terme, c’en est fait, ce n’est plus un son confus qui ne signifie rien, mais un veritable mot qui a une idée, qui se lie avec lui par la coûtume que l’on a de penser à la chose qu’il signifie, en même temps qu’on le prononce, & qu’on l’entend prononcer. Nous avons vû ci-dessus comment les langues s’étoient formées, ce qui confirme encore ce que nous disons que le langage dépend de la volonté des hommes, de la coûtume & de l’usage. (ANONYM 1683: 26): Egli è dunque di mestieri che il consenso de gli huomini interuenga, accioche sia stabilito l’uso della parola, mà certo è che gli huomini non consentono nessun trattato senza uso delle parole, senza il quale essi non sono habili di patteggiar tra di loro, e di formar trattati per accordarsi sopra qualsiuoglia materia, che fosse prima incerta, ed incognita
Konvention (LOCKE [1690] 1894: III, II, 11): […] but think it enough that they use the word, as they imagine, in the common acceptation of that language; in which they suppose that the idea they make it a sign of is precisely the same to which the understanding men of that country apply that name. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 13): It is true, common use, by a tacit consent, appropriates certain sounds to certain ideas in all languages, which so far limits the signification of that sound, that unless a man applies it to the same idea, he does not speak properly: and let me add, that unless a man’s words excite the same ideas in the hearer which he makes them stand for in speaking, he does not speak intelligibly. (LOCKE [1690] 1894: III, III, 15): Men learn names, and use them in talk with others, only that they may be understood: which is then only done when, by use or consent, the sound I make by the organs of speech, excites in another man’s mind who hears it, the idea I apply it to in mine, when I speak it. (LOCKE [1690] 1894: III, IV, 37): […] words being sounds, can produce in us no other simple ideas than of those very sounds; nor excite any in us, but by that voluntary connexion which is known to be between them and those simple ideas which common use has made them the signs of. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 17): […] puisque si chacun, pour exprimer ses pensées, tournoit à sa fantaisie les verbes & les noms, les hommes ne se pourroient pas entendre les uns les autres; & il n’y auroit proprement point de langue, parce qu’il n’y en auroit point de commune à un certain peuple, à une certaine nation. (DU MARSAIS 1730: 60): La signification des mots ne leur a pas été donnée dans une assemblée générale de chaque peuple, dont le résultat ait été signifié à chaque particulier qui est venu dans le monde; cela s’est fait insensiblement & par l’éducation: les enfans ont lié la signification des mots aux idées que l’usage leur a fait conoitre que ces mots signifioient. (BOUGEANT 1739: 64): Dans l’usage ordinaire ce qu’on appelle parler c’est se faire entendre par une suite de mots articulés, par les-
221 quels les hommes sont convenus d’exprimer telle idée ou tel sentiment […]. (ROUSSEAU [1755] 1964: 147–148): Franchissons pour un moment l’espace immense qui dut se trouver entre le pur état de Nature et le besoin des langues; et cherchons, en les supposant nécessaires, comment elles purent commencer à s’établir. Nouvelle difficulté pire encore que la précédente; car si les Hommes ont eu besoin de la parole pour apprendre à penser, ils ont eu bien plus besoin encore de savoir penser pour trouver l’art de la parole; et quand on comprendroit comment les sons de la voix ont été pris pour les interprétes conventionnels de nos idées, il resteroit toûjours à sçavoir quels ont pû être les interprétes mêmes de cette convention pour les idées qui, n’ayant point un objet sensible, ne pouvoient s’indiquer ni par le geste, ni par la voix, de sorte qu’à peine peut-on former des conjectures supportables sur la naissance de cet Art de communiquer ses pensées, et d’établir un commerce entre les esprits […]. (ROUSSEAU [1755] 1964: 148–149): Quand les idées des hommes commencérent à s’étendre et à se multiplier, et qu’il s’établit entr’eux une communication plus étroite, ils cherchérent des signes plus nombreux et un langage plus étendu: Ils multipliérent les inflexions de la voix, et y joignirent des gestes, qui, par leur Nature, sont plus expressifs, et dont le sens depend moins d’une détermination antérieure. Ils exprimoient donc les objets visibles et mobiles par des gestes, et ceux qui frappent l’ouye, par des sons imitatifs: mais comme le geste n’indique guéres que les objets présens, ou faciles à décrire, et les actions visibles; et qu’il n’est pas d’un usage universel, puisque l’obscurité, ou l’interposition d’un corps le rendent inutile, et qu’il exige l’attention plûtôt qu’il ne l’excite; on s’avisa enfin de lui substituer les articulations de la voix, qui, sans avoir le même rapport avec certaines idées, sont plus propres à les représenter toutes, comme signes institués; substitution qui ne put se faire que d’un commun consentement, et d’une maniére assés difficile à pratiquer pour des hommes dont les organes grossiers n’avoient encore aucun exercice, et plus difficile encore à concevoir en elle-même, puisque cet accord unanime dut être
222 motivé, et que la parole paroît avoir été fort nécessaire, pour établir l’usage de la parole. (ROUSSEAU [1755] 1964: 151): Quant à moi, effrayé des difficultés qui se multiplient, et convaincu de l’impossibilité presque démontrée que les langues ayent pû naître, et s’établir par des moyens purement humains, je laisse à qui voudra l’entreprendre, la discussion de ce difficile Problême, lequel a été le plus nécessaire, de la Société déjà liée, à l’institution des Langues, ou des Langues déjà inventées, à l’établissement de la Société. (Encyclopédie, Artikel Grammaire, BEAUZÉE, 1757: VII, 841): Mais on sent bien qu’aucun mot ne peut être le type essentiel d’aucune idée; il n’en devient le signe que par une convention tacite, mais libre; on auroit pu lui donner un sens tout contraire. Il y a une égale liberté sur le choix des moyens que l’on peut employer, pour exprimer la corrélation des mots dans l’ordre de l’énonciation, & celle de leurs idées dans l’ordre analytique de la pensée. Mais les conventions une fois adoptées, c’est une obligation indispensable de les suivre dans tous les cas pareils; & il n’est plus permis de s’en départir que pour se conformer à quelque autre convention également autentique, qui déroge aux premieres dans quelque point particulier, ou qui les abroge entierement. De-là la possibilité & l’origine des différentes langues qui ont été, qui sont, & qui seront parlées sur la terre. (BLANCHET 1760: 23–24): Les paroles sont des signes conventionnels: il doit y avoir autant d’expressions que d’appréhensions & de sentimens. Un mot simple ne renferme qu’une conception, ou qu’un sentiment: un terme complexe en présente plusieurs. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 111): Er [Maupertuis] supponirt, daß die ersten Menschen ihre nöthigsten Bedürfnisse blos durch einige Töne und Bewegungen der Gliedmaasen haben zu erkennen gegeben; daß daher durch diese erste Sprache nur eine gewisse Zahl von Begriffen hat können ausgedrucket werden und daß man lange Zeit nachher an andre Arten sich auszudrucken gedacht habe, ce ne fut que long temps après qu’on pensa a d’autres manieres de s’exprimer. Da es möglich gewesen, dieser ersten Sprache eine grössere Ausdehnung zu geben, so sey es wahrscheinlich, daß man zu der ersten unvollkommenen Sprache
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken andre natürliche Laute und gestus hinzugegeben und sich darüber vereiniget, de conuention. Man habe sowohl die Töne als die gestus vollkommen machen und sich durch beyder Verbindung die Gedanken einander entdecken können. Hierbey supponirt der Verfasser die Convention. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 119–120): Er [Rousseau] gedenket hier nächst der Art, wie andre die Entstehung der articulirten Töne, nach dem ersten Schalle und Geberden, erklären und beschliesset also: “Diese Aenderung konnte ohne eine allgemeine Einwilligung nicht geschehen, und die Ausführung mußte ihnen damahls sehr schwer geworden seyn, weil die Werkzeuge der Sprache noch rauh und ungeübt waren. Weit schwerer aber ist die einmüthige Uebereinstimmung an sich selbst zu begreiffen; denn ohne Bewegungsgründe konnten sie niemahls dazu gebracht werden; und also scheinet es, daß man, ohne den Gebrauch der Sprache nie eine Sprache habe einführen können.” (RADONVILLIERS 1768: 17): Après la formation des Langues articulées, les hommes ont pu se parler également par les gestes & par le discours. Si on fait la comparaison de ces deux sortes de langages, on y trouvera d’abord une différence essentielle. Le lien qui unit la pensée aux gestes est naturel & nécessaire; celui qui l’unit aux paroles est libre & de convention. ([MAYET 1771] I-M-664: 17): Je crois en avoir dit assez pour prouver que l’invention du langage ne peut avoir été le fruit d’une convention réflechie, comme quelques auteurs l’ont supposé, et que si le langage a pu être inventé par les hommes abbandonnés par la Nature à leurs facultés virtuelles, cette invention n’a pu être qu’accidentelle. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 24): Le langage ne peut pas non plus ètre conventionnel: pour faire des conventions il faut savoir parler, ou du moins raisonner; mais on ne raisonne point dans l’état de Nature non plus que dans l’enfance. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-668: 22): […] on peut aisement sentir qu’une convention est une action dependante de deux ou de plusieurs, que c’est cette action qui caracterise les langages en donnant à chaque mot le
Konvention sens et la place qu’il doit avoir. elle est donc en particulier la clef et le noeud d’un langage comme la Nature l’est en général de l’assemblage des hommes. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-685: 4): En effet, en supposant Son homme primitif capable, avant que de parler, d’idées qui avoient besoin dela parole pour être communiquées à Ses Semblables; et aucun de ces hommes – n’ayant en particulier aucun moyen de faire passer ces idées dans l’esprit des autres, il étoit – bien embarrassant de découvrir par quel Secret, par quels dégrés S’étoit formé lepremier langage; Mais il est bien extraordinaire en même tems de supposer, comme l’a fait M. ROUSSEAU, un dessein, un consentement, parmi des hommes qui, comme il l’avoue luimême, avoient besoin de la parole pour établir l’usage de la parole. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-685: 17– 18): Il reconnoîtra encore ce philosophe que ce qu’on appelle, par rapport au langage, le consentement mutuel des hommes n’est qu’un simple instinct d’imitation et de besoin. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-685: 25): On reconnoîtra encore quel’idée d’un consentement mutuel entre les hommes pour se faire un langage artificiel, est une illusion occasionnée par la Surprise que causent à l’esprit la contemplation du point de perfection et d’abondance où a eté porté le langage dans les tems sçavans, et la difficulté de suivre la gradation parlaquelle les langues sont parvenues à cette perfection. Illusion qui auroit été considérablement affoiblie si l’on eût voulu prendre garde à la Stérilité de certains langages dans les sociétés isolées. (HERDER [1772] 1978a: 118): Die meisten endlich haben eine bloße Konvention, einen Einvertrag angenommen, und dagegen hat Rousseau am stärksten geredet; denn was ist’s auch für ein dunkles, verwickeltes Wort: ein natürlicher Einvertrag der Sprache? (HERDER [1772] 1978a: 118): Kein Prinzipium der Nachahmung in der Seele; die etwannige Nachahmung der Natur ist bloß ein Mittel zu einem und dem einzigen Zweck, der hier erklärt werden soll. Am wenigsten ist’s Einverständnis, willkürliche Konvention der Gesellschaft; der Wilde, der Einsame im Walde hätte Sprache für sich selbst erfinden müs-
223 sen, hätte er sie auch nie geredet. Sie war Einverständnis seiner Seele mit sich, und ein so notwendiges Einverständnis, als der Mensch Mensch war. (HERDER [1772] 1978a: 177): Da steht nun der kalte Philosoph und frägt, durch welches Gesetz denn wohl die Menschen einander ihre willkürlich erfundene Sprache hätten aufdringen und den andern Teil hätten veranlassen können, das Gesetz anzunehmen. Diese Frage, über die Rousseau so pathetisch und ein andrer Schriftsteller so lange predigt, beantwortet sich, wenn wir einen Blick in die Ökonomie der Natur des menschlichen Geschlechts tun, von selbst, und wer kann nun die vorigen Predigten aushalten? Ist’s denn nicht Gesetz und Verewigung gnug, diese Familienfortbildung der Sprache? Das Weib, in der Natur so sehr der schwächere Teil, muß es nicht von dem erfahrnen, versorgenden, sprachbildenden Manne Gesetz annehmen? (ROUSSEAU [1781] 1968: 39): La langue de convention n’appartient qu’à l’homme. Voila pourquoi l’homme fait des progrès soit en bien soit en mal, et pourquoi les animaux n’en font point. (BEATTIE [1788] 1968: 53): To speak as others speak, is one of those tacit obligations, annexed to the condition of living in society, which we are bound in conscience to fulfil, though we have never ratified them by any express promise; because, if they were disregarded, society would be impossible, and human happiness at an end. (BEATTIE [1788] 1968: 53–54): It is true, that, in a book of science founded on definition, words may be used in any sense, provided their meaning be explained: in this case there is no falsehood, because there is no intention to deceive: but, even in this case, if the common analogies of language were violated, the author would be justly blamed for giving unnecessary trouble to his readers, and for endeavouring capriciously to abrogate a custom, which universal use had rendered more respectable, as well as more convenient, than any other that he could substitute in its room. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 9): On aura donc débuté par des signes qui auront eu une liaison quelconque, mais étroite, ou quelques traits
224 de ressemblance bien sensibles avec leurs objets. De-là, on aura passé à d’autres signes plus foibles, plus éloignés, ou moins directs, mais analogues à ceux qui auront déjà été reçus, ou y appartenants de quelque manière que ce soit; et c’est ainsi que de dégrés en dégrés, on sera arrivé aux signes qui, considérés en eux-mêmes, ne sont plus aujourd’hui pour nous, que des signes purement conventionnels, tels que les mots dans les langues, et les lettres dans l’écriture. (BERNHARDI [1805] 1990: 41–42): Mit andern Worten: Sprachdarstellung besteht freilich aus willkührlichen Zeichen, allein diese haben ja in einem bestimmten Kreise eine Nothwendigkeit. Die letztere setzt ein Anerkennen der willkührlichen Zeichen voraus und woher kommt dies? An eine Verabredung ist in dieser Periode nicht zu denken, sondern an sich bildende Anerkennung. (BERNHARDI [1805] 1990: 44): Kein Begriff hat bei der Untersuchung vom Ursprunge der Sprache so viele Verwirrungen angerichtet, als der der bürgerlichen Gesellschaft. Dies kam aber daher, weil man die Sprache nicht unmittelbar aus der Vernunft und ihrem Streben, absolut Eines und Untheilbares zu seyn ableitete, sondern aus dem ganz verwerflichen Princip einer Uebereinkunft, welche dann freilich erst in der bürgerlichen Gesellschaft statt haben kann. Aber die bürgerliche Gesellschaft muß nicht als höchstes Princip, sondern als ein Accessorium angesehen werden.
III. Die Idee der sprachlichen ‘Konvention’
gehört seit PLATONs Kratylos zu den bedeutendsten Elementen der Beschreibung des Wesens und Funktionierens von Sprache (ĺ Wesen der Sprache). In PLATONs Dialog wird die Frage gestellt, ob der Bezug zwischen Wort und Ding natürlich (physei) oder durch Übereinkunft (thesei) gegeben sei, was in der Folgezeit die Sprachdiskussion in die Lager des Naturalismus sowie des Konventionalismus spalten sollte. Während die Anhänger des Naturalismus behaupteten, es existiere ein von Natur gegebener Bezug zwischen Wort und Ding, wobei dem Wort gleichsam eine Abbildfunktion zukäme (ĺ Natürlichkeit), leugneten die Adepten des Konventionalismus einen solchen Bezug und begriffen das Wort als Ergebnis einer Übereinkunft, die willkürlich gesetzt worden sei (ĺ Arbitrari-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken tät). PLATON hatte im Kratylos gleichfalls die Frage gestellt, ob zwischen der Lautgestalt des Wortes und seinem semantischen Gehalt ein Zusammenhang bestünde, d. h. ob dem Signifikanten eine lautsymbolische Kraft innewohne. Ferner hatte PLATON in diesem Dialog das Problem aufgeworfen, ob die Relation zwischen Signifikat und Signifikant beliebig (arbiträr) sei und ob sie allein durch Übereinkunft zustande kommen könne. Der platonische Dialog Kratylos hat – vermittelt über die aristotelische Auffassung aus dem De interpretatione – über den mittelalterlichen Universalienstreit bis hin in die frühe Neuzeit die Sprachdiskussion geprägt. Seit PLATON wird der Begriff der ’Konvention’ in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Problem der ĺ Arbitrarität oder der ĺ Natürlichkeit der Sprache und dem ĺ Ursprung der Sprache diskutiert. Seit PLATONs Kratylos konkurriert die Auffassung, dass die Relation zwischen Wort und Ding naturgegeben und objektiv existent sei, mit der Idee, die Richtigkeit der Bezeichnungen beruhe auf Übereinkunft, Konvention, Einverständnis oder Eintracht, die durch den Usus oder den ĺ Gebrauch gegeben seien. Im Sinne der platonischen physei-These würden die Namen die Wahrheit der Sachen widerspiegeln, wobei der Name unter Umständen mit Hilfe seiner phonosymbolischen Kraft die Sache durch Imitation nachzubilden vermöge. Demgegenüber leugnen die Anhänger der theseiAuffassung die natürliche Motiviertheit des sprachlichen Zeichens. Sie nehmen eine rein subjektive Motivation durch den Namensgeber bzw. durch die Sprachgemeinschaft und den Sprachgebrauch an. Der Gegensatz zwischen physei- und theseiAuffassung ist auch konstitutiv für die Diskussion des Begriffes der ‘Konvention’ im 17. und 18. Jahrhundert. So wird ‘Konvention’ etwa von CARAMUEL Y LOBKOWITZ als eine Übereinkunft (consensus) gesehen, die die Sprachgemeinschaft zur Erschaffung künstlicher Zeichen befähigt. Die Idee des Konsensus, also der Übereinstimmung, prägt auch die Sprachauffassung HOLDERs, für den die Entstehung der Sprache auf Institution und Übereinkunft (institution and agreement; consent and institution) beruht (ĺ Ursprung). HOLDER hebt dabei auch die Bedeutung der
Konvention ĺ Schrift für die Entstehung von Traditionen und Konventionen hervor. Die Rolle der Schrift im Zusammenhang mit der Etablierung einer sprachlichen Konvention betont auch CORDEMOY. So könne man eine Sprache ebenso wie eine einzelsprachliche ĺ Orthographie (une maniere d’écrire) erlernen oder auch erfinden: In beiden Fällen sei eine Vereinbarung erforderlich, dass bestimmte Zeichen bestimmte Gedanken bedeuteten. Die Rolle der Konvention für eine erfolgreiche Verständigung wird im Verlaufe der Diskussion dieses Konzepts aber nicht nur im Zusammenhang mit der artikulierten Lautsprache und der ĺ Schrift, sondern auch im Hinblick auf die Gestensprache betrachtet (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). So vergleicht etwa RADONVILLIERS (1768) Lautsprache und Gesten und stellt zwischen beiden einen grundsätzlichen Unterschied fest: Während er die Gestensprache mit dem Attribut der ĺ Natürlichkeit belehnt, weil der Zusammenhang zwischen Gedanken und Gesten natürlich sei, zeichne sich die Verbindung zwischen der Lautsprache und dem Denken durch ihren konventionellen Charakter aus, da die Beziehung zwischen Sprachlauten und Gedanken frei gewählt sei. Wie zuvor HOLDER betont auch LOCKE die Bedeutung einer allgemeinen übereinstimmenden Akzeptanz (common acceptation) von Wörtern, bevor sie zum Zeichen einer Idee werden und in den Sprachgebrauch des jeweiligen Volkes übergehen können (ĺ Zeichen und Idee, ĺ Gebrauch). Diese allgemeine Übereinkunft ist jedoch nicht das Resultat einer öffentlichen Diskussion um Wörter, sondern es handelt sich um eine stillschweigende Einigung (a tacit consent), die den Sprachbenutzer dazu verpflichtet, ein bestimmtes Wort zu verwenden, um eine bestimmte ĺ Bedeutung zu übermitteln. Maßgeblich für die Durchsetzung einer Konvention ist jedoch der Sprachgebrauch. So sind use und consent nach LOCKEs Sprachauffassung dafür verantwortlich, dass neue Wörter geprägt werden und sich durchsetzen können. Für LOCKE beruht das Funktionieren von Konventionen allerdings ganz wesentlich auf dem arbiträren Charakter des sprachlichen Zeichens (ĺ Arbitrarität). Ohne die willentlich festgelegte Verbindung (voluntary connexion)
225 zwischen Signifikat und Signifikant, die das sprachliche Zeichen ausmacht, könne auch der Prozess der Konventionalisierung nicht funktionieren. Die Bedeutung von Konventionalisierungsprozessen für die Verständigung innerhalb einer Sprachgemeinschaft heben auch ARNAULD und NICOLE in der Logique de Port-Royal hervor. Allerdings weisen sie auch auf Schwierigkeiten und Grenzen von Konventionen hin. So sei das Individuum keineswegs mit einer absoluten Entscheidungsfreiheit, Bezeichnungen nach seinem Gutdünken zu verwenden, ausgestattet, sondern müsse sich nach dem gängigen Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) richten. Der Konventionalisierungsprozess wird damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Sprachverwendung durch die Sprachgemeinschaft beschrieben. Ein Einzelner, der nach seiner Phantasie Bedeutungen (ĺ Bedeutung) festlegt, die vom gängigen Usus abweichen, wird von ARNAULD und NICOLE als lächerlich verspottet (Ainsi un homme qui aurait établi dans son esprit que certaines choses en signifieraient d’autres, serait ridicule), da eine individuell vorgenommene, willkürliche Wort-Ding-Zuordnung Kommunikation verhindert. Die Tatsache, dass Kommunikation nur durch Konvention gelingen kann, betont auch FRAIN DU TREMBLAY, der darauf verweist, dass das Individuum nicht befugt ist, nach seinem eigenen Willen Bedeutungen (ĺ Bedeutung) zu generieren (puisque si chacun, pour exprimer ses pensées, tournoit à sa fantaisie les verbes & les noms, les hommes ne se pourroient pas entendre les uns les autres; & il n’y auroit proprement point de langue). Ein Verfechter des Konventionalismus ist auch LAMY, der die Existenz natürlich motivierter Wörter gänzlich abstreitet. Zwar gebe es natürliche Zeichen (signes naturels) wie z. B. den Rauch, der ein natürliches Zeichen des Feuers sei, aber natürliche Wörter anzunehmen, verstoße gegen jede Erfahrung. Als Beleg für die Konventionalität der Sprache zieht LAMY die ĺ Neologismen heran. Die Tatsache, dass täglich neue Wörter den Wortschatz einer Sprache erweiterten, die zuvor niemals aufgetaucht seien, beweist für LAMY den konventionellen Charakter der Sprache. Der höchste Sachwalter der Sprache ist für
226 LAMY wie schon in der Antike für HORAZ der Usus (ĺ Gebrauch). Der Usus wiederum ist das Resultat der sprachlichen Gewohnheiten der Sprachgemeinschaft. Der Usus ist das Produkt des Konventionalisierungsprozesses, denn vor dem verbindlichen Gebrauch durch die Sprachgemeinschaft stehen der Wille (la volonté) und die Gewohnheit (la coûtume), die die Institutionalisierung des Wortes ermöglichen. Der Zusammenhang zwischen Konvention und Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) findet sich auch in DU MARSAIS’ Des Tropes (1730) wieder. DU MARSAIS legt Wert auf die Feststellung, dass die Etablierung einer sprachlichen Konvention nicht das Ergebnis einer Generalversammlung eines Volkes sei (La signification des mots ne leur a pas été donnée dans une assemblée générale de chaque peuple), welches Bedeutungen festlege, sondern dass Konvention unmerklich durch Erziehung (éducation) und den gängigen Sprachgebrauch (usage) entstehe, indem die Kinder Bedeutungen aus der Sprache der Eltern übernähmen. Die Idee, dass die Einführung eines Wortes in den Wortschatz einer Sprachgemeinschaft auf einer stillschweigenden, aber frei festgelegten Konvention (une convention tacite, mais libre) beruhe, findet sich im 17. und 18. Jahrhundert nicht nur bei Autoren wie LOCKE oder DU MARSAIS, sondern auch in der Encyclopédie im Artikel Grammaire wieder, der von BEAUZÉE verfasst wurde. Allerdings wird hier der freie Charakter der Konvention besonders hervorgehoben. Im Gegensatz zum Naturalismus, der ja eine von Natur gegebene Beziehung zwischen Lautbild und Sache annimmt, betont BEAUZÉE im Geiste des Konventionalismus, dass die Zuordnung zwischen Signifikant und Signifikat auf einer frei gewählten Entscheidung und Festlegung seitens der Sprachgemeinschaft beruhe. Sobald sich eine bestimmte Wort-Ding-Relation jedoch durchgesetzt habe, besitze sie für alle Sprecher Verbindlichkeit, selbst wenn eine andere Zuordnung gleichermaßen plausibel erscheine. Der besondere Charakter der Konvention beruht somit auf ihrer Verbindlichkeit. Dieser verbindliche Charakter einer durch die Sprachgemeinschaft ratifizierten Konvention stellt für die Sprachauffassung ROUSSEAUs
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken ein unüberwindliches Hindernis dar. Im Zusammenhang seiner kurzen Überlegungen zum ĺ Ursprung der Sprache, die er in seinen Discours de l’inégalité von 1755 integriert, stößt ROUSSEAU von Beginn an auf das Problem der sprachlichen Konvention, welches ihn in einen Teufelskreis von Anterioritätsrelationen zwischen Sprache und Denken und Sprache und Gesellschaft verwickelt. ROUSSEAU versucht in seiner Vision des Naturzustands der Menschheit, die er im Discours de l’inégalité entwickelt, die Entstehung von Sprache als Notwendigkeit anzunehmen, obwohl dies schon im Ansatz gegen seine Konzeption des Urmenschen verstößt. Für ROUSSEAU erscheint es unmöglich, sich vorzustellen, wie Sprache entstehen konnte, da die Institutionalisierung von Sprache bereits Sprache voraussetze und man für die Erfindung von Sprache schon Sprache benötige. Auch wenn die Sprache notwendig für das Denken sein sollte, so müsste der Mensch des Urzustandes doch erst recht über die Denkfähigkeit verfügt haben, um Sprache zu erfinden. Selbst wenn man Sprachlaute als Repräsentanten unserer Ideen annähme, so bliebe die Frage, wie man Ideen konventionalisieren könne, wenn nicht mit Hilfe der Sprache. Für ROUSSEAU ist die Entstehung der Lautsprache und damit der sprachlichen Konvention nicht erklärbar, da er das Problem immer wieder als ein Problem von Anterioritätsrelationen zwischen Sprache und Denken bzw. Sprache und Gesellschaft begreift (ĺ Ursprung). Analog zu CONDILLAC, der ihm nach eigenem Eingeständnis als Vorbild seiner Überlegungen zum Sprachursprung dient, nimmt ROUSSEAU zunächst die Entstehung einer Gebärdensprache (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) an. Diese Gebärdensprache im Stile der Condillacschen Aktionssprache (langage d’action) stößt jedoch rasch an ihre Grenzen, da Dunkelheit oder Gegenstände, die den Kommunikationspartnern die Sicht versperren, ihren Gebrauch vereiteln können. Daher habe man schließlich die Gebärdensprache durch eine institutionalisierte Lautsprache ersetzt. Diese Ersetzung habe jedoch nur durch eine allgemeine Übereinstimmung (d’un commun consentement) erfolgen können, welche wiederum für grobschlächtige
Konvention Urmenschen mit unflexiblen Sprechorganen kaum praktikabel gewesen sein dürfte. Eine noch größere Schwierigkeit sieht ROUSSEAU allerdings in der Motivation dieser allgemeinen Übereinstimmung (accord unanime), da das Wort selbst doch sehr nötig für die Institutionalisierung des Sprachgebrauchs gewesen zu sein scheine (La parole paroît avoir été fort nécessaire, pour établir l’usage de la parole). Die Einführung einer Konvention ohne die Hilfe der Sprache ist für ROUSSEAU unvorstellbar. Da Konventionen aber an Sprache gebunden sind, ergibt sich ein Teufelskreis hinsichtlich der Entstehung von Wort und Konvention. ROUSSEAU versteht es nicht, die Entstehung einer institutionalisierten Lautsprache zu motivieren, da er an der Entstehung von Konvention scheitert und schließlich auch vor dem Problem des Sprachursprungs (ĺ Ursprung) als Ganzem kapituliert. ROUSSEAUs Verzicht auf eine Erklärung der Motivation für die Entstehung sprachlicher Konventionen im Discours de l’inégalité steht eine Äußerung im postum (1781) erschienenen Essai sur l’origine des langues gegenüber, in der er die konventionalisierte Sprache als exklusives Attribut des Menschen würdigt (La langue de convention n’appartient qu’à l’homme). Gerade die sprachliche Konvention ermögliche dem Menschen, im Gegensatz zum Tier Fortschritte im Guten wie im Bösen zu machen (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Erst durch Konvention wird der Mensch auch zu einem moralischen Geschöpf, das über Gut und Böse zu urteilen vermag. Die Konventionalität der Sprache wird somit im Essai sur l’origine des langues zum Kriterium des Menschseins schlechthin. ROUSSEAUs Aussagen zur Konvention sind namentlich bei den Teilnehmern der Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung (1771) auf Kritik gestoßen. HERDER konzediert allerdings, dass der Begriff der ‘Konvention’ ein dunkles, verwirrtes Wort sei. Ebenso wie für ROUSSEAU, den er über weite Strecken seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache hart angeht, erscheint es HERDER problematisch, einen “natürliche[n] Einvertrag der Sprache” anzunehmen. Da nach HERDER dem Menschen die Sprache so wesentlich ist als er
227 ein Mensch ist, kann sie nicht das Ergebnis eines Einverständnisses der Gesellschaft sein, sondern ist im Menschen selbst individuell angelegt (Sie war Einverständnis seiner Seele mit sich, und ein so notwendiges Einverständnis, als der Mensch Mensch war). HERDER erklärt ROUSSEAUs Aussagen zur Konvention für irrelevant, da die Sprache als ein Geschenk der Generationen von Mensch zu Mensch weitergegeben werde und es ein Naturgesetz sei, dass die Frau vom Manne als Versorger auch die Gesetze der Sprache übernehme. Gegen ROUSSEAUs Versuch, eine menschliche Zusammenkunft zur Institutionalisierung von Sprache anzunehmen, setzt HERDER seine Idee der natürlichen und nicht weiter institutionalisierten Familienfortbildung der Sprache (ĺ Natürlichkeit). Kritik an ROUSSEAUs Aussagen zur Konvention findet sich auch in einer weiteren Einsendung auf die Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung, dem Manuskript I-M-685 (Preisfrage 1771) (ĺ Ursprung). In diesem Text wird ROUSSEAUs Versuch, die Konvention als Basis der Sprachentstehung anzunehmen, ausdrücklich und namentlich verworfen. ROUSSEAU wird entgegengehalten, dass er das Konzept der gegenseitigen Übereinkunft der Menschen (le consentement mutuel des hommes) falsch verstanden habe, da sich dahinter nichts als ein primitiver Instinkt zur Imitation und zum Ausdruck der eigenen Elementarbedürfnisse verberge. Die Unmöglichkeit, den Sprachursprung auf der Basis einer Übereinkunft der Menschen über den ĺ Gebrauch der Wörter zu erklären, zeige sich auch an der Vollkommenheit und dem ĺ Reichtum, die die Sprachen in ihrer Blütezeit erreicht hätten (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). So sei es nicht möglich, die unzähligen Stufen nachzuzeichnen, welche zwischen dem Anbeginn menschlicher Lautsprache und ihrer Blütezeit gelegen hätten. ROUSSEAUs Auffassung von der Unmöglichkeit, den konventionellen Charakter der Sprache erklären zu können, fand aber im Rahmen der Berliner Preisfrage auch ihre Befürworter. So wird seine Argumentation etwa im Manuskript I-M-665 (Preisfrage 1771) unmittelbar aufgegriffen: Um Konventionen vereinbaren zu können, müsse man reden können oder zumindest denken. Jedoch denke der
228 Mensch des Urzustandes ebenso wenig nach wie ein Kleinkind. Im Manuskript I-M-668 (Preisfrage 1771) wird der Konvention eine Schlüsselrolle für die Sprachentstehung zugesprochen (ĺ Ursprung). Da die Konvention das Ergebnis einer Verhandlung von zweien oder mehreren sei, welche jedem Wort den Sinn und den Platz zuwiese, die ihm zukämen, sei gerade die Konvention der Schlüssel zu einer jeden Sprache. ‘Konvention’ wird hier in einem sehr konkreten Verständnis als ein Zusammenkommen mehrerer interpretiert, die über den Sprachgebrauch befinden (ĺ Gebrauch). Im Gegensatz zu dieser Auffassung steht die Vorstellung BEATTIEs, der – ähnlich wie HOLDER oder LOCKE – Sprache als das Resultat stillschweigender Verpflichtungen (tacit obligations) begreift, ohne die sie selbst und die Gesellschaft nicht funktionieren können (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Diese Konventionen seien jedoch niemals von der Sprachgemeinschaft öffentlich ratifiziert oder ausdrücklich vereinbart worden. Sie kämen vielmehr aus dem Innern des Einzelnen selbst, da bei Missachtung das gesellschaftliche Zusammenleben zugrunde gehen würde. Die Nichteinhaltung allgemeiner sprachlicher Konventionen bedeutet für BEATTIE auch das Ende des Glücks. Gegen diese politischen Implikationen, mit denen sich der Begriff der ‘Konvention’ etwa bei BEATTIE verbindet, wendet sich BERNHARDI mit aller Entschiedenheit: Die Verwendung willkürlicher Zeichen setze die Anerkennung dieser Zeichen voraus. Jedoch könnten die Zeichen keineswegs das Ergebnis einer Verabredung, sondern höchstens einer sich langsam bildenden Anerkennung sein (ĺ Zeichen und Idee). BERNHARDI geht in diesem Zusammenhang sogar so weit, das Prinzip der Konvention für verwerflich zu erklären, da die Konzeption von der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft, auf die so mancher seine Theorie vom ĺ Ursprung der Sprache gegründet habe, direkt vom Prinzip der Konvention abgeleitet worden sei. Eine Konvention könne sich indessen erst in der bürgerlichen Gesellschaft selbst etablieren und daher keineswegs als Movens für deren Entstehung herangezogen werden.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken
IV. Seit PLATONs Kratylos ist die Konventi-
onalität der Sprache immer wieder zum Gegenstand der sprachtheoretischen Diskussion erhoben worden. Verschiedene Philosophen haben entweder an die physei- oder an die thesei-Position aus dem platonischen Dialog angeknüpft und sich entweder für die ĺ Natürlichkeit der Wort-Ding-Relation ausgesprochen oder deren Konventionalität postuliert. Von besonderer Bedeutung für die weitere Rezeption des Kratylos war zweifelsohne die Diskussion dieses Textes bei ARISTOTELES im De interpretatione und dessen Betonung von ĺ Arbitrarität und Konventionalität des sprachlichen Zeichens (ĺ Zeichen und Idee) als Grundlagen des Funktionierens von Kommunikation. Im 17. Jahrhundert betonte insbesondere LOCKE die Bedeutung von Konventionen für das Funktionieren von Sprache und menschlicher Gesellschaft (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Im 18. Jahrhundert hat namentlich ROUSSEAU die Diskussion um die Konvention aufgegriffen und sowohl Autoren bedeutsamer Referenztexte als auch auctores minores zu Positionsnahmen inspiriert. Das Bewusstsein von der politischen und sozialen Bedeutung sprachlicher Konvention ist durch ROUSSEAU offenbar geschärft worden. In der Folgezeit wurde gerade diese politische Dimension des Begriffes ‘Konvention’ vor allem von BERNHARDI kritisiert. Im 20. Jahrhundert verlagert sich das Problem der Konvention, das in der Antike insbesondere als ein semantisches gestellt wurde, da nach der Relation zwischen Wort und Ding gefragt wurde, in Richtung der Pragmatik. Hier geht es dann um die Bedeutung der Konvention für das soziale Miteinander der Mitglieder einer Sprachgemeinschaft; die gesellschaftliche Bedeutung der Konvention steht im Mittelpunkt des Interesses. Das Konzept der ‘Konvention’ ist im 20. Jahrhundert insbesondere im Kontext der Sprechakttheorie zu würdigen (AUSTIN 1962, SEARLE 1970, WUNDERLICH 1972), in der Konvention als Kennzeichen des illokutiven Sprechaktes fungiert. Entscheidend für die Auffassung der ‘Konvention’ bei WITTGENSTEIN ist sein Postulat, dass die soziale Übereinstimmung, auf der die
Konvention sprachliche Konvention beruht, keine Übereinstimmung der Meinungen, sondern eine Übereinstimmung der Lebensform sein müsse (WITTGENSTEIN 1953: § 241). Einen noch allgemeineren Begriff von ‘Konvention’ finden wir bei LEWIS (1975), für den Konventionen alle denkbaren Verhaltensregeln in wiederkehrenden Situationen sind, bei denen die dargebotene Verhaltensweise der allgemeinen Erwartung entspricht. Konventionen sind für LEWIS somit Grundlage aller Semioseprozesse, die auf Regeln und Kodes basieren. Das Problem der Motivation der sprachlichen Konvention, das ROUSSEAU so sehr beschäftigte, wird allerdings auch im 20. Jahrhundert nicht gelöst, da man sich vielfach auf eine als-ob-Situation beschränkt, die als hypothetische Grundlage stillschweigender Konventionen angenommen wird (vgl. HENNIGFELD 1982, SCHNEIDER 1996).
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I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken (Schwerpunkte Linguistik und Kommunikationswissenschaft, 12). Frankfurt/Main: Athenäum-Verlag. Cordula Neis
Natürlichkeit I. Lat. naturalis; dt. natürlich; engl. natural,
without art; frz. naturel, naturels & non d’institution, natives au genre humain; sur ce premier plan d’imitation dicté par la nature (DE BROSSES). Als natürlich wird eine aus der bezeichneten Sache heraus erklärbare Benennung verstanden, deren Ursprung häufig in lautmalenden Qualitäten des Wortkörpers besteht. Die Auffassung, dass die Natur die Beschaffenheit sprachlicher Zeichen vorgibt, steht im Widerspruch zur These vom arbiträren Charakter des Zeichens und hängt von dessen unterschiedlichen Deutungen ab (ĺ Arbitrarität, ĺ Zeichen und Idee). Da die Geschichte der Sprachtheorien seit der Antike mit dieser Opposition arbeitet, konnte der Begriff der Natürlichkeit häufig auch mit dem negierten Gegenteil als ‘nicht arbiträr’ oder ‘nicht institutionell’ bezeichnet werden. Der arbiträre Charakter des sprachlichen Zeichens ist dabei der markierte Pol der Opposition, die Begründung des Gegenteils erfordert größeren argumentativen Aufwand und kann auf die Benennung der Arbitrarität in der Regel nicht verzichten. Obwohl die Arbitrarität der sprachlichen Zeichen sich in der sprachtheoretischen Diskussion weitgehend durchgesetzt hatte und im 18. Jahrhundert als neue Qualität des Zeichencharakters, die menschliche Erkenntnisprozesse erlaubt, eine weitere Aufwertung erfuhr, blieb die Auffassung von der Natürlichkeit sprachlicher Zeichen dennoch aktuell. Häufig wird mit der Natürlichkeit der Gedanke der Ursprünglichkeit assoziiert, was den Überlegungen zur Natürlichkeit der Zeichen eine besondere anthropologische Relevanz verleiht. Eine in Ansätzen methodologische Rekonstruktion der natürlichen Ursprünge findet in einigen Versuchen zur ĺ Etymologie statt. Im Vordergrund steht in der Verwendung des Begriffs der Natürlichkeit stets
der zeichentheoretische Bezug. Auch die Bewertung stilistischer Qualitäten als natürlich ist häufig am Maßstab des Einfachen und Ursprünglichen orientiert, wobei diese Bezugsgrößen in Abhängigkeit vom sprachtheoretischen Standpunkt variieren können (ĺ Stil).
II. (MERSENNE [1636] 1975: II, 14): Si nous
auions vne langue naturelle, l’on pourroit faire la mesme question, à sçauoir si nous la pourrions establir, supposé qu’elle se perdist: & parce que nous confessons que nous ne sçaurions maintenant trouuer vne langue naturelle, encore que nous soyons de mesme condition que celle où nous serions apres l’auoir perduë, il faut semblablement auoüer que l’art & la raison que nous auons ne pourroit nous fournir les mesmes voix qui nous seruent naturellement à expliquer nos passions, si nous en avions perdu l’vsage; Car qui pourroit deuiner que les pleurs & les sanglots accompagnez de cris & d’hurlemens sont des signes plus propres pour representer la tristesse, & que le ris est plus propre pour signifier la joye que plusieurs autres signes dont on pourroit s’aduiser? Car à quel propos de verser des ruisseaux de larmes pour tesmoigner la douleur? les picqueures qui font sortir le sang seroient beaucoup plus propres à cela. Mais parce que nous traictons icy plus particulierement de la voix que des autres signes exterieurs, ie ne croy pas que l’on puisse demonstrer que les voix que nous appellons naturelles, & qui seruent de langue aux passions, soient plus propres à les exprimer que plusieurs autres voix que l’on peut establir pour ce sujet. Et si l’on remarque les voix dont les animaux expriment leurs passions & leurs affections, on les iugera aussi indifferentes pour signifier lesdites passions, comme sont nos paroles pour signifier nos conceptions, ou les autres choses dont nous voulons parler; car la syl-
Natürlichkeit labe kik n’a pas dauantage de proportion à la suite des poussins, quoy que la poule s’en serue pour les faire éuader, que la syllabe glo, dont elle vse pour les rappeller. L’on peut dire la mesme chose des autres voix dont vsent toutes les sortes d’animaux, auxquelles ie ne sçay pourquoy il se sont plustost determinez qu’à d’autres sortes de cris & de voix, si ce n’est que les ayans trouuees plus aisees, ils les ont retenuës sans en inuenter d’autres; car si l’on dit que la Nature ne leur a pas fait les organes capables de former d’autres articles, c’est ce qu’il faudroit prouuer; & si l’on n’auoit iamais enseigné les oiseaux à parler, l’on pourroit semblablement s’imaginer que la nature les auroit privez des organes necessaires à la parole, ce qui seroit neantmoins tres-faux. Certainement encore que nous ne sçachions pas pourquoy les voix des animaux, ou celles des hommes signifient naturellement les passions, à raison des differentes difficultez que i’ay apportees, ou que l’on se peut imaginer, il y a neantmoins grande apparence qu’elles sont naturelles, & qu’elles ont en elles quelque chose de plus propre pour signifier les passions, que n’ont les autres qui peuuent estre inuentees. Ce qui est d’autant plus probable, que l’on tient plus asseurément que l’Autheur de la nature, ou la nature intelligente determine les animaux, & les conduit tellement, qu’ils n’ont nulle liberté en leurs actions. (MERSENNE [1636] 1975: II, 75): Si les lettres signifient quelque chose naturellement lors qu’elles sont prononcees ou escrites, il semble que l’on en puisse composer des vocables pour faire vne langue naturelle, puis que les langues sont composees de dictions, & les dictions de lettres, comme de leurs elemens: or plusieurs ont remarqué qu’il y a des lettres propres pour exprimer la douceur & la rudesse, & les autres qualitez des corps, & des actions, & passions: car les deux voyelles a & o sont propres pour signifier ce qui est grand, & plein: & parce que a se prononce auec vne grande ouuerture de la bouche, elle signifie les choses ouuertes, & les actions dont on vse pour ouurir & pour commencer quelque ouurage. De là vient que Virgile a commence son Æneide par cette diction Arma, & qu’il a iugé que cette voyelle signifie l’amour qui ouure le cœur des amans pour se répandre les
231 vns dans les autres, comme l’on void en ces paroles, Phillida amor ante alias, dans lesquelles il y a cinq a qui se suiuent. (MERSENNE [1636] 1975: II, 75–76): La voyelle o sert pour exprimer les grandes passions, lorsque sa prononciation est longue, comme il arriue en ces parolles, O patria! ô tempora! ô mores! &c. pour representer les choses qui sont rondes, par ce que la bouche se forme en rond lors qu’elle la prononce. (MERSENNE [1636] 1975: II, 76–77): Quant aux syllabes & aux dictions composees des voyelles & des consones qui se suivent de telle maniere qu’elles se prononcent doucement & aisément, elles sont propres pour exprimer les choses douces, égales, & polies; & les autres, dont la prononciation est rude & difficile sont propres pour signifier les choses dures, & fascheuses. Or il suffit d’avoir touché cette difficulté, parce que les Grammairiens & les Rhetoriciens en traitent plus au long, comme l’on peut voir dans Quintilian, Scaliger au 4. de sa Poëtique, Lipse, Sturmius, Kekerman, Vossius, & plusieurs autres. L’on peut aussi considerer les vers dont les Poëtes ont vsé pour representer au vif & au naturel ce qu’ils ont descrit, comme quant Virgile represente vn cheual qui court. Quadrupedante putrem sonitu quatit ungula campum. […] Si les objets exterieurs affectoient tellement l’oeil & les autres sens, que nous sentissions de certains mouuemens de l’imagination qui nous fissent remuër la langue, & les autres parties qui seruent à la voix, & qui nous fissent pousser l’air du poulmon en differentes manieres pour exprimer les differentes impressions de tout ce qui nous affecte, & que chacun experimentast les mesmes mouuemens & les mesmes affections dans soy-mesme lors que l’on est également touché par les objets, nous aurions des vocables qui signifieroient naturellement, dont on pourroit composer vne langue naturelle, mais nul ne tesmoigne ces ressentimens; & lors que l’on regarde le Soleil & les Estoiles, l’on n’apperçoit pas que l’imagination fournisse des mouuemens particuliers de la langue pour former des dictions conformes à ce que nous avons apperceu. C’est pourquoy ie n’estime pas qu’il y ait aucune langue naturelle, si ce n’est que l’on die que les dictions qui se prononcent tardiue-
232 ment, & qui ont plusieurs syllabes, signifient naturellemӁt les actions longues & tardiues, & que ce que i’ay dit des lettres soit suffisant pour seruir de fondement à vne langue naturelle, dont il seroit aisé de faire la Grammaire, & le Dictionnaire, si l’on vouloit la mettre en vsage: car toutes les dictions qui seroient composees des 2 voyelles a & o, & des consones qui sonnent plus fort seroient destinees à exprimer les choses grandes, hautes, & éleuees; & celles que l’on composeroit des voyelles e, i & u, signifieroient les actions, & les autres choses basses & raualees. (WILKINS [1641/1707] 1984: 2): The Communion betwixt both these, is by Speech or Language, which was but one at first, but hath since been confounded into several kinds. And Experience now shews, that a Man is equally disposed for the Learning of all, according as Education shall direct him. Which would not be, if (as some fondly conceive) any one of them were Natural unto us. For Intus existens prohibet alienum. (WILKINS [1641/1707] 1984: 2): Languages are so far Natural unto us, as other Arts and Sciences. A Man is born without any of them, but yet capable of all. (COMENIUS [1648] 1978: 38): 31. Liqvere verò jam qvoqve potest, qvid de illa qvæstione, Vtrùm detur Lingva naturalis? sentiendum sit. Nullam nempe dari: Nam si aliqva esset naturalis, omnes Gentes eam loqverentur: qvia naturalia communia sunt, nec mutantur, uti sunt Corporis figura, Sensuum organa &c. (COMENIUS [1648] 1978: 38–39): 32. Sed qvamvis Lingua naturalis nulla sit, constitui tamen posse naturali aliqvô modô, similem, non diffitemur: nempe qvæ ipsâ soni qvalitate, partiúmq; structurâ, Rerum naturas qvodammodo exprimat. Sparsa enim ejus per omnes lingvas esse semina, patet ex Interjectionibus, similibúsqve voculis, qvæ ipsâ soni qvalitate rem qvam significant innuunt. Verùm hac de re alibi. (CARAMUEL Y LOBKOWITZ 1654: 6–7): Quae virgo ingenua & nobilis auderet habere psittacum verba impudica proferentem? ergo dicendum est verba, posita semel concordiâ, & hominum communi consensu, habere in se quòd res significent, sive ab homine sive à volucre auralio agente proferantur. Verba tandem ut
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken ad collucutionem pertineant, debent habere relationem ad res significatas, hancque cognitam audienti & proferenti; colloquium enim conceptuum communicatio est; & haec per incognita signa fieri non potest. (CHIFLET [1659] 1681: 132): Notre langue a coustume de suivre l’ordre naturel des paroles en l’arrangement des mots. (HOLDER 1669: 85): But we may imagine the Vowel (a) to be made by the freest and openest passage of the Throat through the Mouth, and so to have a kind of natural Articulation without Art, onely by opening the Mouth. (LAMY [1675] 1688: V): Ajoûtez que la connoissance de l’Art de Parler, doit donner de grandes ouvertures pour l’étude de toutes les Langues pour les parler purement & poliment, pour en découvrir le génie & la beauté; car il est certain que lorsqu’on a une fois conçû nettement ce qu’il faut faire pour exprimer ses pensées, & les differens moyens que la nature donne pour le faire, on a une connoissance generale de toutes les Langues, qu’il est facile d’appliquer en particulier à toutes les Langues qu’on voudra apprendre. (LAMY [1675] 1688: 1–2): Nous remuons la langue aisément; & nous pouvons diversifier le son de notre voix en differentes manieres faciles et agreables; c’est pourquoy la nature a porté les hommes à se servir des Organes de la Voix pour donner des signes sensibles de ce qu’ils pensent, & de ce qu’ils veulent. (LAMY [1675] 1688: 4): On distingue deux sortes de signes: les uns sont naturels, c’est à dire qu’ils signifient par eux-même, comme la fumée est un signe naturel qu’il y a du feu, où on la voit. Les autres qui ne signifient que ce que les hommes sont convenus qu’ils signifieroient, sont artificiels: les mots sont des signes de cette sorte; aussi le même mot a differentes significations selon les langues où il se trouve. (LAMY [1675] 1688: 66–67): Il est tres certain qu’il y a des voix naturelles, & que dans les passions l’air sort des poûmons d’une maniere particuliere, & forme les soûpirs, & plusieurs exclamations, qui font des voix veritablement naturelles. Mais il y a bien de la difference entre ce langage, qui n’est pas libre, & celui dont nous usons pour exprimer nos idées. Il y a plusieurs preuves pour prouver que les mots ne sont point naturels. Premiere-
Natürlichkeit ment ils ne sont pas les mêmes en toutes les langues, ce qui devroit être si la nature avoit trouvé elle-même les mots dont nous nous servons. (LAMY [1675] 1688: 67): Toutes les brutes d’une même espece font le même cri; & communément nous ne voyons rien faire à un homme, qui soit different de ce que nous faisons, que dans ce qui dépend de sa liberté; la nature agit de la même maniere en tous les hommes; les peuples ayant donc differens langages, c’est une marque assurée que le langage n’est point l’ouvrage de leur nature, mais de leur liberté. (LOCKE [1690] 1894: I, I, 40): For if they are not notions naturally imprinted, how can they be innate? and if they are notions imprinted, how can they be unknown? To say a notion is imprinted on the mind, and yet at the same time to say, that the mind is ignorant of it, and never yet took notice of it, is to make this impression nothing. (LOCKE [1690] 1894: II, IV, 38): In light and colours, and all other simple ideas, it is the same thing: for the signification of sounds is not natural, but only imposed and arbitrary. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 8–9): Thus we may conceive how Words, which were by Nature so well adapted to that purpose, come to be made use of by Men, as the Signs of their Ideas; not by any natural connexion, that there is between particular articulate Sounds and certain Ideas, for then there would be but one Language amongst all Men; but by a voluntary Imposition, whereby such a Word is made arbitrarily the Mark of such an Idea: The use then of Words, is to be sensible Marks of Ideas; and the Ideas they stand for, are their proper and immediate Signification. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, II, 21): Enfin, je pourrois ajouter que les premiers noms des animaux en imitèrent vraisemblablement le cri: remarque qui convient également à ceux qui furent donnés aux vents, aux rivières et à tout ce qui fait quelque bruit. Il est évident que cette imitation suppose que les sons se succédoient par des intervalles très-marqués. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, II, 22–23): Dans l’origine des langues, la manière de prononcer admettoit donc des inflexions de voix si distinctes, qu’un musicien eût pu la noter en
233 ne faisant que de légers changemens; ainsi je dirai qu’elle participoit du chant. Cette prosodie a été si naturelle aux premiers hommes, qu’il y en a eu à qui il a paru plus facile d’exprimer différentes idées avec le même mot prononcé sur différens tons, que de multiplier le nombre des mots à proportion de celui des idées. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, III, 44–45): Il n’étoit donc pas naturel que des hommes, dont la prosodie participoit du chant, observassent des tenues égales sur chaque syllabe: cette manière de prononcer n’eût pas assez imité le caractère du langage action. Les sons, dans la naissance des langues, se succédoient donc les uns avec une rapidité extrême, les autres avec une grande lenteur. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, IV, 53–54): […] si, comme je l’ai dit, il est naturel à la voix de varier ses inflexions à proportion que les gestes le sont davantage, il est également naturel à des hommes qui parlent une langue dont la prononciation approche beaucoup du chant, d’avoir un geste plus varié: ces deux choses doivent aller ensemble. En effet, si nous remarquons dans la prosodie des grecs et des romains quelques restes du caractère du langage d’action, nous devons, à plus forte raison, en apercevoir dans les mouvemens dont ils accompagnoient leurs discours. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, VI, 93): En effet, quel est le son le plus propre à rendre un sentiment de l’ame? C’est d’abord celui qui imite le cri qui en est le signe naturel: il est commun à la déclamation et à la musique. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, VIII, 114): Mais quand, par une longue habitude, un nom fut devenu le signe le plus naturel d’une idée, il ne fut pas aisé d’y suppléer. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, IX, 124): Il me semble même qu’aujourd’hui ce seroit encore la manière la plus naturelle de se servir de ce langage. Le verbe venant après son régime, le nom qui le régissoit, c’est-à-dire le nominatif, ne pouvoit être placé entre deux; car il en auroit obscurci le rapport. Il ne pouvoit pas non plus commencer la phrase, parce que son rapport avec son régime eut été moins sensible. Sa place étoit donc après le verbe. Par-là, les mots se construisoient dans le même ordre dans lequel ils se régissoient;
234 unique moyen d’en faciliter l’intelligence. On disoit fruit vouloir Pierre, pour Pierre veut du fruit; et la première construction n’étoit pas moins naturelle que l’autre l’est actuellement. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, IX, 126): C’est de la sorte que les hommes parvinrent insensiblement à imaginer les conjugaisons. Quand les mots furent devenus les signes les plus naturels de nos idées, la nécessité de les disposer dans un ordre aussi contraire à celui que nous leur donnons aujourd’hui, ne fut plus la même. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XII, 164): Cependant nous avons vu que, dans l’origine des langues, la construction la plus naturelle exigeoit un ordre tout différent. Ce qu’on appelle ici naturel varie nécessairement selon le génie des langues, et se trouve dans quelques-unes plus étendu que dans d’autres. (Encyclopédie, Artikel Interjection, BEAUZÉE, 1757: VIII, 827–828): Si on entend par oraison, la manifestation orale de tout ce qui peut appartenir à l’état de l’ame, toute la doctrine précédente est une preuve incontestable que l’interjection est véritablement partie de l’oraison, puisqu’elle est l’expression des situations même les plus intéressantes de l’ame; & le raisonnement contraire de Sanctius est en pure perte. C’est, dit-il, (Minerv. I. ij.) la même chose partout; donc les interjections sont naturelles. Mais si elles sont naturelles, elles ne sont point parties de l’oraison, parce que les parties de l’oraison, selon Aristote, ne doivent point être naturelles, mais d’institution arbitraire. Eh, qu’importe qu’Aristote l’ait ainsi pensé, si la raison en juge autrement? Le témoignage de ce philosophe peut être d’un grand poids dans les choses de fait, parce qu’il étoit bon observateur, comme il paroît même en ce qu’il a bien vû que les interjections étoient des signes naturels & non d’institution; mais dans les matieres de pur raisonnement, c’est à la raison seule à prononcer définitivement. (DE BROSSES 1765: I, ix–xj): RECONNAISSANT alors, QUE ces germes de la parole si variée, & des langages multipliés chez tant de peuples, ne sont autres que les inflexions simples & primitives de la voix humaine; Que la forme de chaque inflexion ou articulation vocale, dont le bruit arrive à l’oreille par l’ondulation de l’air, dépend de la forme & de la
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken construction de l’organe qui le produit; Que la construction de chaque organe est déterminée par la nature, en telle sorte, que l’effet suivant nécessairement d’une cause donnée & mise en action, un organe ne peut produire d’autre effet, ni moduler l’air d’une autre manière que de celle que sa structure naturelle lui a rendu possible; Que chacun des organes de la voix humaine a sa structure propre, de laquelle résulte la forme du son qu’il rend, déterminée par la forme de sa construction; Que les organes qui composent l’instrument total, & le méchanisme complet de la voix humaine, sont en petit nombre; Que, par conséquent, le nombre des articulations vocales doit y correspondre, & ne peut être plus grand, puisque c’est-là tout l’effet que la machine peut produire. (DE BROSSES 1765: I, xj–xij): Que les germes de la parole, ou les inflexions de la voix humaine, d’où sont éclos tous les mots des langages, sont des effets physiques & nécessaires, résultans absolument, tels qu’ils sont, de la construction de l’organe vocale; & du méchanisme de l’instrument, indépendamment du pouvoir & du choix de l’intelligence qui le met en jeu; Que les germes étant en très petit nombre, l’intelligence ne peut faire autre chose que de les répéter, de les assembler, de les combiner de toutes les manières possibles pour fabriquer les mots tant primitifs que dérivés, & tout l’appareil du langage. Que, dans ce petit nombre de germes ou d’articulations, le choix de celle qu’on veut faire servir à la fabrique d’un mot, c’est-à-dire au nom d’un objet réel, est physiquement déterminé par la nature & par la qualité de l’objet même; de manière à dépeindre, autant qu’il est possible, l’objet tel qu’il est, sans quoi, le mot n’en donnerait aucune idée: […]. (DE BROSSES 1765: I, xiij–xiv): Que le systême de la premiere fabrique du langage humain & de l’imposition des noms aux choses n’est donc pas arbitraire & conventionel, comme on a coutume de se le figurer; mais un vrai systême de nécessité déterminée par deux causes. L’une est la construction des organes vocaux qui ne peuvent rendre que certains sons analogues à leur structure: l’autre est la nature & la propriété des choses réelles qu’on veut nommer.
Natürlichkeit (DE BROSSES 1765: I, xiv–xv): Que la premiere fabrique du langage humain n’a donc pu consister, comme l’expérience & les observations le démontrent, qu’en une peinture plus ou moins complette des choses nommées; telle qu’il étoit possible aux organes vocaux de l’effectuer par un bruit imitatif des objets réels. Que cette peinture imitative s’est étendue de degrés en degrés, de nuance en nuance; par tous les moyens possibles, bons ou mauvais, depuis les noms des choses le plus susceptibles d’être imitées par le son vocal, jusqu’aux noms des choses qui le font le moins; & que toute la propagation du langage s’est faite, de maniere ou d’autre, sur ce premier plan d’imitation dicté par la nature; ainsi que l’expérience & les observations le prouvent encore. (DE BROSSES 1765: I, xvij–xix): Que puisque le systême fondamental du langage humain & de la premiere fabrique des mots n’est nullement arbitraire, mais d’une nécessité déterminée par la nature même, il n’est pas possible que le systême accessoire de dérivation ne participe plus ou moins à la nature du premier dont il est sorti en second ordre; & qu’il ne soit comme lui plutôt nécessaire que conventionnel, du moins dans une partie de ses branches. Que le langage humain & la forme des noms imposés aux choses n’est donc pas, autant qu’on se le figure, l’opération de la volonté arbitraire de l’homme: que dans la premiere fabrique du langage humain & des noms radicaux, cette forme est l’effet nécessaire des sensations venues des objets extérieurs, sans que la volonté y ait eu presque aucune part: qu’elle en a même eu beaucoup moins qu’on ne l’imagine aux dérivations, toujours tirées des premiers noms radicaux & imitatifs des objets réels, même lorsque la dérivation vient à s’exercer, non sur des objets intellectuels qui n’ont d’existence que dans l’esprit humain; en un mot, sur des êtres abstraits qui n’appartiennent qu’à l’entendement ou aux autres sens intérieurs. (DE BROSSES 1765: I, xxiv): […] ce fond du langage universel existe en effet. […], on y met à découvert ce qu’à fait la nature. (DE BROSSES 1765: I, xxviij–xxix): On montre que les ordres & les suites sont du même genre dans l’écriture, comme dans la parole;
235 en ce que la nature a de même servi de guide, en donnant les principes & les développemens, par de semblables procédés d’imitation, d’approximation & de comparaison; jusqu’à ce qu’enfin l’homme ait totalement changé le systême de l’écriture, en s’attachant à peindre, non les objets extérieurs comme ci-devant, mais les mouvemens de chacun des organes vocaux, par l’invention d’un alphabet. (DE BROSSES 1765: I, 6–7): Quelques écarts qu’il y ait dans la composition des Langues, dans la fabrique des mots, quelque part que l’arbitraire puisse y avoir, la convention n’a pu s’établir qu’en vertu d’une raison effective, née de l’existence même & de la propriété des choses. L’expérience nous montre qu’on retrouve cette raison, en suivant le fil pied à pied jusqu’aux premieres sources. Sans elle l’arbitraire même, qui la cache ou la défigure, n’auroit jamais eu lieu. L’homme n’est pas créateur de la matiere; obligé d’employer l’organe vocal, tel qu’il l’a reçu de la nature, il n’est pas même ici l’artiste de l’instrument dont il se sert: il ne fait donc que donner bien ou mal, la forme dont le sujet est susceptible; car c’est la matiere qui détermine la forme; c’est dans ses propriétés que réside le principe physique & primordial de toute l’opération. Quand la nature a mis des barrières insurmontables entre les êtres, nul pouvoir humain ne peut les réunir; […]. (DE BROSSES 1765: I, 10): C’est la nature qui conduit la voix à se servir, par exemple, d’un organe dont le mouvement soit rude pour former l’expression racler. (DE BROSSES 1765: I, 13–14): […] s’il y a certaines expressions qui se développent régulierement les premieres, dès que la faculté de parler commence à se mettre en exercice; […] si ces expressions se retrouvent essentiellement les mêmes chez les peuples des quatres angles de la terre, il en faudra conclure qu’elles sont natives au genre humain; nécessairement résultantes de la structure physique de l’organe vocal, & du produit de son plus simple exercice. (DE BROSSES 1765: I, 18–19): […] on a, pour former la racine du nom de l’objet, naturellement fait usage du mouvement de l’organe le plus fixe, ou le plus mobile, ou le plus creux, ou le plus rude, &c. comme étant sur-tout propre à dépeindre l’effet qu’on vouloit dési-
236 gner. […] la nature a mis un rapport entre la forme du son & la maniere d’exister des objets nommés, & que ce rapport est naturellement fondé entr’elles sur un espece de ressemblance imparfaite, telle que le mouvement de l’organe employé par préférence peut la produire mieux qu’aucun autre. […] chaque classe de choses, ou de considérations sur les choses, se rapporte, quant aux noms qu’elles ont reçus, à un certain mouvement propre à l’un des organes, & s’articule presque toujours par ce même mouvement vocal. (DE BROSSES 1765: I, 18–19): […] tout roule primordialement sur deux principes matériels: l’imitation des objets par la voix, & le mouvement propre à chaque organe en conformité de sa structure; qu’ainsi les premieres opérations sur lesquelles s’est propagé tout le systême de la parole, sont nées de la nature physique des choses, ou de la nécessité des effets résultans d’une cause donnée, bien plus que de la reflexion ou d’un choix arbitraire fait par l’esprit humain. […] c’est la nature qui a posé les premiers fondemens, puisqu’elle est l’auteur véritable des premiers germes et des vrais mots primitifs que les grammairiens ont avec raison nommé racines; puisqu’on lui doit tous les termes qui sont incontestablement radicaux; n’en faut-il pas tiré cette conséquence, qu’elle a beaucoup influé dans le développement du total; […]. (DE BROSSES 1765: I, 30–31): La premiere régle, la plus simple qu’indique la nature dans la formation des mots est qu’ils soient vrais; c’est-à-dire qu’ils représentent la chose nommée, aussi-bien qu’il est possible à l’instrument vocal de la représenter. La vérité des mots, ainsi que celle des idées, consiste dans leur conformité avec les choses: aussi l’art de dériver les mots a-t-il été nommé étymologie, c’est à dire discours véritable […]. […] Nul doute que les premiers noms ne fussent convenables à la nature des choses qu’ils expriment: en juger autrement ce seroit croire les hommes insensés: car ce seroit dire que leur but en parlant n’étoit pas de faire entendre. (RADONVILLIERS 1768: 7–9): De l’origine des Langues articulées. Non seulement cette Langue naturelle existe, mais elle auroit pu donner naissance à toutes les autres. Car supposons deux hommes seuls dans l’univers, qui ne sachent se parler que par des gestes &
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken par des cris, ils ne tarderont pas à inventer une Langue articulée. Ils s’apercevront que les mêmes organes, qui poussent les cris, forment aussi des sons, il en est qui imitent certains objets. Le son COQ imite le chant du volatile qu’on [a] nommé coq en françois; gasouillement a quelque ressemblane avec le chant des oiseaux; sifflement avec le bruit des vents. Il paroîtra plus prompt & plus commode de prononcer le son COQ, que de désigner un coq par des gestes, qui souvent seroient équivoques, & qui d’ailleurs emploient des organes utiles à autres usages. Le son coq sera appliqué à cet objet, & en deviendra le nom dans la Langue articulée. Un autre objet ressemble au premier avec une légère différence, on lui appliquera un son approchant du premier. Toutes les choses sensibles, en allant successivement de l’une à l’autre, seront désignées par des sons, & la suite des sons différens, composera la suite de différens noms. Les objets même qui ne tombent pas sous les sens auront pu être nommés; parce qu’il n’en est point qui n’ait quelque rapport prochain ou éloigné, avec un objet sensible. L’ame ne peut être ni vue ni touchée: mais nous éprouvons la rapidité de ses opérations: les vents ont aussi de la rapidité; de-là on lui a donné le nom d’ame, qui dans son origine signifie vent, souffle. (HERDER [1772] 1978a: 93): Es ist natürlich, daß der Araber, der mit seinem Pferde nur ein Stück ausmacht, es mehr versteht als der, der zum ersten Mal ein Pferd beschreitet; fast so gut, als Hektor in der Iliade mit den Seinigen sprechen konnte. Der Araber in der Wüste, der nichts Lebendiges um sich hat als sein Kamel und etwa den Flug umirrender Vögel, kann leichter jenes Natur verstehen und das Geschrei dieser zu verstehen glauben als wir in unsern Behausungen. Der Sohn des Waldes, der Jäger, versteht die Stimme des Hirsches und der Lappländer seines Rentiers. Doch alles das folgt oder ist Ausnahme. Eigentlich ist diese Sprache der Natur eine Völkersprache für jede Gattung unter sich, und so hat auch der Mensch die seinige. (HERDER [1772] 1978a: 99–100): Da unsre Töne der Natur zum Ausdrucke der Leidenschaft bestimmt sind, so ist’s natürlich, daß sie auch die Elemente aller Rührung werden! Wer ist’s, dem bei einem zuckenden, wim-
Natürlichkeit mernden Gequälten, bei einem ächzenden Sterbenden, auch selbst bei einem stöhnenden Vieh, wenn seine ganze Maschine leidet, dies Ach! nicht zu Herzen dringe? Wer ist der fühllose Barbar? Je harmonischer das empfindsame Saitenspiel selbst bei Tieren mit anderen Tieren gewebt ist, desto mehr fühlen selbst diese miteinander: ihre Nerven kommen in eine gleichmäßige Spannung, ihre Seele in einen gleichmäßigen Ton, sie leiden würklich mechanisch mit. Und welche Stählung seiner Fibern, welche Macht, alle Öffnungen seiner Empfindsamkeit zu verstöpfen, gehört dazu, daß ein Mensch hiegegen taub und hart werde! – Diderot meint, daß ein Blindgeborner gegen die Klagen eines leidenden Tiers unempfindlicher sein mußte als ein Sehender, allein ich glaube unter gewissen Fällen das Gegenteil. Freilich ist ihm das ganze rührende Schauspiel dieses elenden zuckenden Geschöpfs verhüllet, allein alle Beispiele sagen, daß eben durch diese Verhüllung das Gehör weniger zerstreut, hordiender und mächtig eindringender werde. (HERDER [1772] 1978a: 101): Wollen wir also diese unmittelbaren Laute der Empfindung Sprache nennen, so finde ich ihren Ursprung allerdings sehr natürlich. Er ist nicht bloß nicht übermenschlich, sondern offenbar tierisch: das Naturgesetz einer empfindsamen Maschine. (HERDER [1772] 1978a: 108): Bei jedem Tier, wie wir gesehen, seine Sprache eine Äußerung so starker sinnlicher Vorstellungen, daß diese zu Trieben werden; mithin ist Sprache, so wie Sinne und Vorstellungen und Triebe, angeboren und dem Tier unmittelbar natürlich. Die Biene summet, wie sie sauget, der Vogel singt, wie er nistet – aber wie spricht der Mensch von Natur? Gar nicht! so wie er wenig oder nichts durch völligen Instinkt, als Tier tut. Ich nehme bei einem neugebornen Kinde das Geschrei seiner empfindsamen Maschine aus; sonst ist’s stumm; es äußert weder Vorstellungen noch Triebe durch Töne, wie doch jedes Tier in seiner Art; bloß unter Tiere gestellet, ist’s also das verwaisetste Kind der Natur, nackt und bloß, schwach und dürftig, schüchtern und unbewaffnet und, was die Summe seines Elendes ausmacht, aller Leiterinnen des Lebens beraubt. – Mit einer so zerstreueten, geschwächten Sinnlichkeit, mit so unbestimmten, schlafenden Fähigkeiten, mit
237 so geteilten und ermatteten Trieben geboren, offenbar auf tausend Bedürfnisse verwiesen, zu einem großen Kreise bestimmt – und doch so verwaiset und verlassen, daß es selbst nicht mit einer Sprache begabt ist, seine Mängel zu äußern – Nein, ein solcher Widerspruch ist nicht die Haushaltung der Natur. Es müssen statt der Instinkte andre verborgne Kräfte in ihm schlafen. (HERDER [1772] 1978a: 126): Es wird sonach die Sprache ein natürliches Organ des Verstandes, ein solcher Sinn der menschlichen Seele, wie sich die Sehekraft jener sensitiven Seele der Alten das Auge und der Instinkt der Biene seine Zelle bauet. (HERDER [1772] 1978a: 166): Da der Mittelpunkt ihres Gebrauchs auf Besonnenheit fällt, mithin nicht ohne Sprache ist, so wird mit jedem leichtern, gebildetem Gebrauch der Besonnenheit ihm Sprache mehr gebildet. Folglich wird die Fortbildung der Sprache dem Menschen so natürlich als seine Natur selbst. (HERDER [1772] 1978a: 194): Der sonderbare und schwere Gedanke, sich aus den Bestandteilen der willkürlichen Worte, aus Lauten willkürliche Zeichen zu bilden, ist so springend, so verwickelt, so sonderbar, daß es gewiß unerklärlich wäre, wie viele und so viele auf den einen so entfernten Gedanken und alle ganz auf eine Art auf ihn gefallen wären; daß sie alle die weit natürlichern Zeichen, die Bilder von Sachen, vorbeiließen und Hauche malten, unter allen möglichen dieselben zwanzig malten und sich gegen die übrigen fehlenden dürftig behalfen, daß zu diesen zwanzig so viele dieselben willkürlichen Zeichen nahmen. Wird hier nicht Überlieferung sichtbar? Die morgenländischen Alphabete sind im Grunde eins, das griechische, lateinische, runische, deutsche usw. Ableitungen; das deutsche hat also noch mit dem koptischen Buchstaben gemein, und Irländer sind kühn gnug gewesen, den Homer für eine Übersetzung aus ihrer Sprache zu erklären. Wer kann, so wenig oder viel er drauf rechne, im Grunde der Sprachen Verwandtschaft ganz verkennen? Wie ein Menschenvolk nur auf der Erde wohnet, so auch nur eine Menschensprache; wie aber diese große Gattung sich in so viele kleine Landarten nationalisiert hat, so ihre Sprachen nicht anders.
238 (ADELUNG [1774–1786] 1811: Artikel Natürlichkeit, Natürlich): Die Natürlichkeit plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es natürlich ist. Die Natürlichkeit unserer Triebe. Die Natürlichkeit der Schreibart. Natürlich -er, -ste, welche Comparation doch nur in einigen Fällen üblich ist, adj. et adv. der Natur gemäß, in der Natur gegründet. 1. So fern die Natur die Veränderungskraft oder die Verbindung des Mannigfaltigen eines einzelnen Dinges ist. 1) Überhaupt in dieser Veränderungskraft, in dieser Verbindung des Mannigfaltigen gegründet. (a) Einiger Maßen in derselben gegründet, derselben gemäß, in welcher Bedeutung auch die Comparation Statt findet; im Gegensatze des unnatürlich. In diesem Verstande ist die Tugend, das Christenthum, die Frömmigkeit dem Menschen natürlich. Kohlen, Spinnen u. s. f. sind keine natürlichen Speisen des Menschen. Das ist kein natürlicher Hunger. (b) Noch häufiger, ganz darin gegründet, seinen zureichenden Grund darin habend, von dem ersten Entstehen an in einem Dinge gegründet; im Gegensatze des übernatürlich und zuweilen auch unnatürlich. Das natürliche Leben, im Gegensatze des geistlichen. Der natürliche Tod, welcher aus erschöpften Bewegungskräften entstehet, im Gegensatze eines unnatürlichen oder gewaltsamen. Mit seinem geschwinden Tode ist es wohl nicht natürlich zugegangen. Eines natürlichen Todes sterben, natürliche Weise sterben, aus einem innern zur Auflösung der wesentlichen Theile hinreichenden Grunde. In einem andern theologischen Verstande ist der natürliche, leibliche oder zeitliche Tod, der in der gegenwärtigen Verfassung unserer Veränderungskräfte gegründet ist, im Gegensatze des geistlichen und ewigen Todes. Uns alle treibt ein natürlicher Trieb zu dem Glücke, dem Ziele unsrer Wünsche. Natürliche Strafen, welche aus den Wirkungen des Versprechens bestehen, und ganz in demselben gegründet sind; im Gegensatze der willkührlichen. Wir haben einen natürlichen Hang, an dem Guten und Übel andrer Theil zu nehmen. Deine natürliche cholerische Heftigkeit. Natürliche Ursachen. Der natürliche Trieb, (S. Naturtrieb.) Ohne die Herrschaft des Verstandes arten die natürlichen Triebe in verderbliche Leidenschaften aus. Das natürliche Geschicke eines Menschen. Der Gebrauch des Neben-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken wortes natürlich für von Natur, wie Weish. 13, 1, alle Menschen sind natürlich eitel, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Oft wird auch dasjenige natürlich genannt, was bey allen oder doch den meisten Individuis einer Art angetroffen wird. Die Sünde ist dem Menschen natürlich. Der Stolz ist ein natürliches Laster des Menschen. Der Eigensinn ist den Kindern natürlich. So auch, was bey einem und eben demselben Individuo gemeiniglich angetroffen wird. Die Grobheit ist ihm sehr natürlich, weil er sie schon mehrmahls bewiesen hat. Das ist ihm nicht natürlich, weil man es noch nie an oder von ihm gesehen hat. Wie ich merke, so mag ihm diese Tugend sehr natürlich seyn. (c) Im engsten Verstande ist nur dasjenige natürlich, was so sehr in der Veränderungskraft, in der anfänglichen Einrichtung eines Dinges gegründet ist, daß auch keine freye Wahl dabey Statt findet; im Gegensatze des willkührlich. So werden die Verdauung der Speisen, der Umlauf des Geblütes, die Fortschaffung unnützer Theile aus dem Körper u. s. f. natürliche Handlungen genannt. 2) In verschiedenen Einschränkungen, wo dieses Wort mehr Unterabtheilungen leidet, als dessen Hauptwort, weil die Art und Weise, wie eine Sache in der Natur eines Dinges gegründet ist, verschiedene Stufen leidet. (a) In Ansehung des Körpers allein, was in dessen Bewegungskraft zum Theil, oder auch ganz, oder endlich auch mit Ausschließung aller Willkührlichkeit gegründet ist, in welchem letztern Falle es zu der nächst vorher gegangenen Bedeutung gehöret. (b) In der Theologie, wo natürlich dem übernatürlich und zuweilen auch dem geoffenbart entgegen gesetzt wird; ohne Comparation. Die natürliche Theologie, die Erkenntniß Gottes, so fern selbige allein durch rechtmäßigen Gebrauch der Vernunft, aus eigenen dem Menschen bey seinem Entstehen mitgetheilten Kräften, erlangt wird. Der natürliche Mensch, 1 Cor. 2, 14, so wie er ohne alle übernatürliche Veränderung betrachtet wird. Natürliche Pflichten, welche durch das Naturgesetz bestimmt werden. Die natürliche Frömmigkeit, welche sich auf natürliche Erkenntniß gründet. (c) Der ersten anfänglichen Beschaffenheit einer Sache gemäß, in derselben gegründet, mit Ausschließung aller nachmahls erfolgten oder von außen herrührenden Veränderungen, wo es wieder mancherley Unterarten gibt. Im Gegensatz des Unterrich-
Natürlichkeit tes, der Erziehung, der bürgerlichen Einrichtung und Ordnung, ist natürlich der ersten unausgebildeten Beschaffenheit gemäß. Der natürliche Mensch, oder Naturmensch, so wie er ohne alle gesittete Erziehung, ohne alle bürgerliche Gesellschaft betrachtet wird. Die natürliche Freyheit, welche ein Geschöpf in dem Stande der Natur genießt. Das Tanzen ist dem Hunde nicht natürlich. Wo es denn zuweilen auch als ein gelinderer Ausdruck für grob gebraucht wird. Das kommt sehr natürlich heraus. Dahin scheint vermuthlich auch die Bedeutung des Wortes natürlich zu gehören, wenn es in der anständigen und glimpflichen Sprechart für unehelich gebraucht wird. Ein natürlicher Sohn, eine natürlicher Tochter, ein natürliches Kind, welche bloß aus einem natürlichen Bedürfnisse, bloß nach dem Stande der Natur, ohne Beobachtung der bürgerlichen Ordnung gezeuget worden. Im mittlern Lat. Filius naturalis, Franz. Fils naturel, welche aber zuweilen auch von einem rechtmäßigen Sohne gebraucht werden. Im Gegensatze der Kunst, oder der durch willkührliche Mittel vorgenommenen Veränderungen, des Gekünstelten. Natürlicher Wein, natürliches Wasser. Der Wein war nicht natürlich, sondern gekünstelt. Natürliches Haar, eigenes Haar, im Gegensatze des falschen. Einer Sache ihren natürlichen Geruch lassen. Diese Farbe ist der Blume nicht natürlich. Eine natürliche Gesichtsfarbe. Der natürliche Tag, der vom Aufgange der Sonne bis zu ihrem Untergange dauert, zum Unterschiede des bürgerlichen, der in 24 Stunden eingetheilet wird. Eine natürliche Cavallerie, im Tarok-Spiele, welche aus vier Bildern in einer Farbe bestehet, im Gegensatze der durch den Skiis gemachten. In weiterer Bedeutung ist auch etwas natürlich, wenn es gleich durch die Kunst verändert ist, doch aber der wahren natürlichen Beschaffenheit sehr ähnlich ist, wo es aber zu einer der folgenden Bedeutungen gehöret. Im Gegensatze des Gesuchten, des Mühsamen. Das folgt ganz natürlich daraus. Natürliche Gedanken, welche jedem Menschen von gesunder Vernunft von selbst einfallen, und aus der Sache selbst zu entstehen scheinen. Oft ist natürlich auch minder künstlich, minder gesucht, im Gegensatze des mehr Künstlichen, mehr Gesuchten. Eine natürliche Tonleiter in der Musik, deren Töne durch keine Versetzungszeichen verändert werden; im
239 Gegensatze der versetzten. Im Gegensatze des Zwanges oder des Gezwungenen, für ungezwungen. Das folgt ganz natürlich. Ein Gram, der eigensinnig ist, verbreitet sich nicht so natürlich über fremde Gegenstände Hermes. Daher wird es im Nieders. auch häufig für gelinde, sanft, gebraucht. Es regnet so natürlich, so sanft. 3) In der weitern Bedeutung des Wortes Natur ist natürlich in Ansehung des Ursprunges, mit einer Sache zugleich entstehend, in dem gleichzeitigen Ursprunge gegründet. Die natürliche Gesellschaft, die Gesellschaft zwischen Ältern und Kindern, weil sie mit dem Entstehen eines jeden einzelnen Menschen zugleich entstehet. In diesem Verstande heißt in der Theologie das Ebenbild Gottes dem Mensch natürlich, weil es mit der Natur, mit der Verbindung des Mannigfaltigen in dem Menschen zugleich entstand. Natürliche Zeichen, wo eine Sache beständig neben der andern ist oder beständig auf dieselbe folgt. So ist der Rauch ein natürliches Zeichen des Feuers. Wo es denn zuweilen auch für rechtmäßig gebraucht wird. Der natürliche Oberherr, welchem man gleichsam von seinem Entstehen an unterworfen ist. 4) In noch weiterer Bedeutung, der Beschaffenheit einer Sache, der Verbindung des Mannigfaltigen in ihr gemäß, in derselben gegründet. War es nicht natürlich, daß dieser Argwohn meine ganze Freude verderben mußte? Ists nicht natürlich auf die Gewißheit einer künftigen Einrichtung der Welt zu schließen, da in der gegenwärtigen fast alles nur Anlage ist? Da er die Hoffnung zu gefallen aufgab, so war es ganz natürlich, daß er auch die Bemühung darum aufgab. Die natürliche Schreibart. 2. So fern Natur die wirkende Kraft aller Körper als eine Einheit betrachtet ist, ist natürlich, 1) Eigentlich, dieser wirkenden Kraft gemäß, in derselben entweder zum Theile oder ganz gegründet aus derselben erklärbar, verständlich; im Gegensatze des unnatürlich, übernatürlich und widernatürlich. Das gehet ganz natürlich zu. Die natürliche Zauberey. daß die Sonne auf- und untergehet, ist sehr natürlich. Das ist natürlicher Weise gar nicht möglich. 2) Zur Natur, d. i. zur Körperwelt gehörig, einzelnen Theilen derselben gemäß oder ähnlich. Natürliche Körper, welche zu einem der Naturreiche gehören, so lange sie durch die Kunst noch nicht merklich verändert worden; Naturalien. Wo es denn in weiterer Bedeutung auch für
240 einen wirklichen oder doch leicht möglichen Gegenstand, gebraucht wird. Das Bild stehet natürlich so aus, wie er selbst. Er stellet sich natürlich so, als wenn er betrübt wäre. Jemanden sehr natürlich nachahmen. Daher denn in den schönen Künsten natürlich auch der Natur, d. i. den wirklich vorhandenen oder doch möglichen Körpern ähnlich und gemäß bedeutet. Anm. So ist dieses Wort ähnlich oder gemäß bedeutet, leidet es auch die Comparation, weil die Sache selbst hier mehrerer Grade fähig ist. (COURT DE GÉBELIN 1776: 7–8): C’est ce juste rapport entre les noms & les objets qu’ils désignent, qui fait la force & l’énergie des mots; qui les maintint au moment où ils s’établirent, qui obligea tous les hommes à les adopter, & les empêcha de les abandonner pour leur en substituer d’autres à volonté. Il en est ici comme d’un portrait, qui ne peut être arbitraire, mis qui doit être conforme à son modèle; puisque si on le faisoit de fantaisie, on n’en reconnoîtrait pas l’objet, on n’auroit pas fait un portrait, le but seroit maqué. (COURT DE GÉBELIN 1776: 11): L’arbitraire n’a nulle autorité & ne put jamais faire loi, dans les mots, comme dans la conduite des Peuples & des Familles […]. Les premiers qui parlerent, designerent donc les êtres par des sons qui peignoient leur qualités; ceci étoit d’autant plus facile, que dans les commencemens on avoit peu d’objets à peindre, que ces objets étoient frappans, & qu’on pouvoit choisir entre une multitude de sons; on préfera donc nécessairement les sons qui étoient frappans comme ces objets. (COURT DE GÉBELIN 1776: 13–15): Les objets inanimés se peindront par des sons qui imitent les bruits que rendent leurs mouvements: c’est ainsi que la Cigale & le Bœuf tirent leur nom du cri; que les objets bruyants, le Tambour, la Tymbale, les Bombes, le Tonnerre, doivent leurs noms à la nature du bruit qu’ils font entendre. D’autres objets se peindront par des sons qui expriment le rapport de ces objets avec des objets animés: ainsi dans presque toutes les Langues, le nom du Bœuf est devenu le nom de la grosseur, & de tout ce qui est gros. Tous les objets se trouverent ainsi nommés par imitation ou par comparaison.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Cependant presque tous les noms paroissent arbitraires par le fait, & ils varient sans cesse d’une langue à l’autre: mais ceci n’anéantit point les vérités que nous venons de développer. La plupart des noms, imitatifs dans l’origine, se sont altérés insensiblement, en sorte qu’on ne peut apercevoir sans une extrême attention leurs rapports avec les objets qu’ils designent; & comme les noms donnés par comparaison ont nécessairement dû suivre le point de vue d’après lequel on faisoit ces comparaisons, & que ce point de vue a dû varier suivant les contrées & suivant les siécles, les noms eux-mêmes ont éprouvé divers changements, d’un Peuple à l’autre, quoiqu’ils ayent toujours eu une cause essentielle, qu’ils n’ayent jamais pû être arbitraires. (COURT DE GÉBELIN 1776: 20): Si les mots ne sont pas arbitraires si l’on eut quelque motif pour imposer un nom plutôt qu’un autre, ce motif fut nécessairement le rapport que l’on voyoit entre ce nom & l’objet qu’on vouloit nommer: en effet, lorsqu’on impose un nom, c’est pour rappeller à notre esprit l’objet qu’il désigne; c’est pour le peindre à notre imagination: mais ne serons-nous pas plus surs de produire cet effet, lorsque le nom de cet objet en sera réellement la peinture, que lorsqu’il n’aura aucun rapport avec lui? (COURT DE GÉBELIN 1776: 21–22): Puisque la Parole ne fut point l’effet du hasard & de la simple recherche des hommes, puisqu’elle n’est point non-plus l’effet arbitraire de la Puissance Divine, mais qu’elle est fondée sur les Elémens pris dans la Nature, assortis à celle de l’homme & à celle des objets qu’il est obligé de peindre, on peut espérer de découvrir la manière dont elle se forme & les causes de cette énergie avec laquelle elle fait naître dans l’esprit de tous, les idées qu’y veut exciter celui qui parle. (BEATTIE [1788] 1968: 10–11): The Natural Signs of thought are those changes in the complexion, eyes, features, and attitude, and those peculiar tones of the voice, which all men know to be significant of certain passions end sentiments. Thus Anger, Joy, Sorrow, Hope, Fear, Scorn, Contentment, Pity, Admiration, when under no restraint, appear in the voice, looks, and behaviour: and the appearance is every where understood, either by a natural instinct; or by our having learned experimen-
Natürlichkeit tally, that a certain sign accompanies, and indicates, a certain feeling, or idea. And that this kind of signs admits of considerable variety, is evident, not only from the pantomime, in which the whole progress of a dramatic sable is represented in dumb show, and by natural signs only; but also from the manifold expressions of human thought, which are exhibited to the eye by painters and statuaries. Yet, when compared with the endless variety of our ideas, theses natural sign will appear to be but few. And many thoughts there are, in the mind of every man, which produce no sensible alteration in the body.
III. Die Natürlichkeit des sprachlichen Zei-
chens wurde im 17. und 18. Jahrhundert durchgehend unter Referenz auf PLATON behauptet, ohne dass man sich der inzwischen erfolgten vielfältigen Umdeutungen des platonischen physei-Begriffs bewusst war oder gar seine Verwurzelung im Denken HERAKLITs kannte. HERAKLIT war noch in der archaischen Logik einer Identifizierung von Sprache und Sein verhaftet und argumentiert auch auf der Ebene der Namen mit ontischen, das Wesen der Dinge betreffenden Argumenten: Der Name des Bogens (ȕȓȠȢ) ist Leben (ȕȓȠȢ), aber sein Werk (ȑȡȖȠȞ) ist Tod (șȐȞĮIJȠȢ) (Fragment B 48). Der Logos ist für ihn zugleich Gesetz der Sprache und der außersprachlichen Wirklichkeit, aufgrund ihrer ĺ Analogie, ihrer symbolischen Angemessenheit, ist es unmöglich, etwas Falsches zu sagen, weil die Sprache immer das sagt, was ist. Aus dieser Identifizierung von Sprache und Sein bei dem Vorsokratiker HERAKLIT entwickelte PLATON dann eine auf die Frage nach der Richtigkeit der Wörter zentrierte Argumentation, in der er im Kratylos seinen Protagonisten Sokrates zunächst die physei-These gegen Hermogenes, dann die entgegengesetzte These gegen Kratylos vertreten lässt. In ihrem Kern beinhaltet die physei-These die materielle Reproduktion der Welt der Dinge durch die Sprache. Mit Blick auf den ĺ Ursprung der Sprache ist damit die zumindest ursprüngliche unmittelbare Entsprechung zwischen Wortlaut und bezeichneter Wirklichkeit gemeint. Gegen die physei-These sind mehrere Einwände erhoben worden. So wurde ihr vorgeworfen, dass sie die Sachen in ihrem Sein als
241 schon vor der Sprache abgegrenzt gegeben voraussetzt. Außerdem nehme sie ein direktes Verhältnis zwischen Wortlaut und bezeichneter Sache an und deute dieses Verhältnis als Kausalverhältnis im Sinne einer Bestimmung des Wortlauts durch die schon im Voraus gegebene physis der Sache. Schließlich werden dabei die mögliche nachahmende Funktion der sprachlichen Zeichen und ihre Bedeutungsfunktion miteinander verwechselt und von dieser ikastischen Funktion auf die Bedeutung geschlossen. In den semiotischen Auffassungen des 17. und des 18. Jahrhunderts sind diese Argumente gegen die physei-These stark präsent (ĺ Arbitrarität). Es gab jedoch auch einzelne Sprachtheoretiker, die die ĺ Bedeutung der Wörter auf ihre etymologische Motivation zurückführen wollten, die sie vielfach auch als die “richtige” Bedeutung ansetzten. Auch wenn die Ursprünge eines Wortes durch die vielfach als ĺ Korruption gedeutete Lautentwicklung verloren gegangen seien, wurden Regeln für ihre Rekonstruktion gesucht (ĺ Etymologie). Als wichtiges Argument für die Natürlichkeit der Wörter wurden vor allem lautnachahmende Wörter (Onomatopoetika) und Interjektionen (ĺ Interjektion) genutzt, für die man besonders bei der Bezeichnung von menschlichen Gefühlen Beispiele fand. Weiter geht MERSENNE, der eine natürliche Bedeutungsqualität einzelner Laute unterstellt und von daher auch die Konstruktion einer natürlichen Sprache für möglich hält (ĺ natürliche Sprache). Er unterstellt dabei, dass sich eine Sprache hierarchisch gliedert und wenn die unterste Ebene, die Laute, natürlich seien, sich auch die zusammengesetzten Elemente natürlich gestalten lassen müssten. Über die lautnachahmenden und synästhetischen Eigenschaften hinaus nimmt er grundsätzliche ikonische Qualitäten der Laute an, so bezeichnet beispielsweise der Laut a etwas Großes und Offenes. Vielsilbige, lange Wörter seien geeignet, lang andauernde Prozesse zu bezeichnen. Auch COMENIUS schreibt Interjektionen und ähnlichen Wörtern die Fähigkeit zu, die Eigenschaften der bezeichneten Dinge auszudrücken (ĺ Interjektion), und CARAMUEL Y LOBKOWITZ nimmt eine Beziehung der Wörter zu den bezeichneten Dingen an (de-
242 bent habere relationem ad res significatas). Die aus der Antike überkommene physei-These, die durch das Vertrauen der Renaissance in die Richtigkeit und damit die Natürlichkeit der Wörter unterstützt wurde, fand in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch zahlreiche Anhänger. Der Begriff der Natürlichkeit wurde jedoch auch auf verschiedene sprachliche Phänomene außerhalb der natürlichen Motiviertheit von Wörtern angewendet und im Verhältnis zur physei-These entterminologisiert. So schreibt HOLDER von einer natürlichen, das heißt anstrengungslosen ĺ Artikulation. Auch in der Diskussion über Stilfragen fand der Begriff der Natürlichkeit Anwendung (ĺ Stil). Im Bereich der ĺ Syntax wurde eine natürliche Wortfolge als die dem eingeborenen Denken entsprechende postuliert (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Die einfache Unterscheidung zwischen natürlichen, auf kausalen Zusammenhängen beruhenden Zeichen (Rauch als Zeichen von Feuer) und arbiträren sprachlichen Zeichen war eine Basis, die auch die Erklärung lautmalender Qualitäten erlaubte (ĺ Zeichen und Idee). So konnte sich LAMY durchaus auf kausalen, lautmalenden Zusammenhängen beruhende Ausdrucksformen vorstellen, diese seien jedoch nicht mit den leistungsfähigeren, weil frei verfügbaren arbiträren Sprachen vergleichbar (ĺ Arbitrarität). Ein starkes Argument gegen die Natürlichkeit der Wörter war die Vielfalt der verschiedenen Einzelsprachen und der damit verbundenen Unterschiede in der Wortschatzgliederung. Wie sollten sich diese Unterschiede ergeben, wenn die Wörter natürlich die bezeichneten Sachen evozieren und möglicherweise sogar im Grundsätzlichen eingeboren sein sollen? Die Aussage WILKINS’, dass Menschen ohne Sprachen geboren werden, aber die Fähigkeit zu ihnen mitbringen, war nach LOCKE eine dominante Position geworden. Über Erfahrung und Erziehung, beides kulturelle Sachverhalte, erlerne der Mensch die Wörter und ihre Bedeutungen (ĺ Bedeutung). Mit der Erkenntnis der Einzelsprachlichkeit der Bedeutungen (ĺ Bedeutung) kam es zur Einsicht in das kulturgegebene Wesen der semantischen Korrelate der Wortformen. Zwar können die physischen Objekte als naturgege-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken ben betrachtet werden, jedoch auch für deren Verarbeitung muss mit kultureller Willkür gerechnet werden. So könne man grundsätzlich verschiedene Arten von Wasser (nach Temperatur, Kohäsion, Farbe usw.) unterscheiden und eine Sprache könne dafür neben Wasser weitere Benennungen (Eis, Schnee, Dampf) einführen, naturgegeben habe man jedoch nur Wasser. Für die sensualistisch-nominalistische Erkenntnistheorie ergibt sich die Zusammensetzung komplexer Ideen, die benannt werden, aus dem Bedarf der Menschen, der kultureller Willkür unterliegt. Naturgegebenheit der Zusammensetzung der Ideen und folglich auch Natürlichkeit der Benennung wird von LOCKE ausdrücklich negiert. Er argumentiert gegen die eingeborenen Ideen und verwendet dabei den zu seiner Zeit üblichen Ausdruck natural inscription and innate notions. Ideen sind dem Menschen nicht natürlich eingeschrieben oder angeboren. Mit dem hier negativ verwendeten Natürlichkeitsbegriff wird auf das Ursprüngliche und Wesenhafte des Menschen Bezug genommen. Ein wichtiger Referenztext im Streit um die Natürlichkeit der Wörter ist CONDILLACs Essai sur l’origine des conaissances humaines (1746), in dem er eine historische Erklärung der Entstehung arbiträrer Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) aus den natürlichen Zeichen der Gebärdensprache (langage d’action) gibt (ĺ Arbitrarität). Diese Entwicklung sei nicht in einem Sprung verlaufen, vielmehr habe man zunächst auch lautliche Modifikationen der ĺ Stimme wie Gebärden verwendet. Dann seien bestimmte Laute durch den Gebrauch für bestimmte Dinge oder Prozesse konventionalisiert worden und hätten sich schließlich über die gesellschaftliche Konventionalisierung zu arbiträren Zeichen entwickelt (ĺ Konvention). Arbiträre Zeichen seien durch ihre verallgemeinernde und abstrahierende Wirkung sowie durch ihre Fähigkeit, auch nicht nur situationsgebunden gebraucht zu werden, den natürlichen Zeichen der Gebärdensprache überlegen (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Wie später im Anschluss an ihn HERDER nimmt CONDILLAC an, dass die ersten Zeichen für Tiere, Flüsse und andere Laute produzierende Objekte durchaus lautnachahmend waren. Auch für menschliche Gefühle seien
Natürlichkeit am Anfang die natürlichen Zeichen, das heißt Laute, die von diesen Gefühlen hervorgerufen werden, zu deren Bezeichnungen geworden. Für den ĺ Ursprung der Sprache geht er von einer Nähe zur Musik aus, in der sich die Quantität der Laute und die Geschwindigkeit der ĺ Artikulation noch als unterschiedlich und verwischt darstellten. Bei den Sprachen, die noch nahe zur Musik sind, sei eine Vermischung mit der Gebärdensprache mit der Lautsprache zur Vereindeutigung des kommunikativen Anliegens die Regel (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Wenn die aus der Lautnachahmung hervorgegangenen Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) zudem noch durch lange Benutzung ‘natürlich’, zur selbstverständlichen Gewohnheit geworden seien, so sei es schwer, sie durch andere zu ersetzen. Der Begriff der Natürlichkeit bei CONDILLAC erweist sich als polyvalent: einerseits wird damit auf den ĺ Ursprung der Sprache und die lautnachahmende Qualität der Zeichen Bezug genommen, andererseits betrachtet er jedoch auch das durch den ĺ Gebrauch selbstverständlich Gewordene und damit letztlich Konventionalisierte als natürlich (ĺ Konvention). Die Opposition von Natürlichkeit und ĺ Arbitrarität stellt sich somit auf genetischer und auf funktioneller Ebene unterschiedlich dar. Während genetisch betrachtet ein Zeichen natürlich ist, das aus der Natur der bezeichneten Sache hergeleitet ist, z. B. durch Nachahmung eines von der Sache abgegebenen Lautes, verschiebt sich die Grenze zwischen Natürlichkeit und Arbitrarität in funktioneller Hinsicht. CONDILLAC möchte ab seiner 1775 erschienenen Grammatik auch nicht mehr von arbiträren Zeichen (signes arbitraires) sprechen, weil damit die Willkür ihrer Verwendung nahe gelegt werden könnte, sondern er betont den künstlich geschaffenen Charakter dieser Zeichen (signes artificiels). Ebenso sind für ihn Zeichen, die gemäß dem besonderen Charakter der Sprache (ĺ besonderer Charakter einer Sprache) gebildet und verwendet werden, durchaus natürlich. Ebenso liegt für HERDER der ĺ Ursprung der Sprache in den Tönen, die Gegenstände abgeben und die der Mensch aufgrund seiner Besonnenheit absondert und zu Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) verarbeitet. Auch die Laute,
243 die auf Empfindungen zurückgehen, könne man durchaus als Sprache bezeichnen, die als solche den Menschen und den Tieren gemeinsam sei (ĺ Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). HERDER entgeht dabei jedoch nicht, dass der ĺ Spracherwerb sich beim Menschen anders als bei Tieren vollzieht. Während die Biene von Anfang an summe und der Vogel singe, spreche der Mensch nach seiner Geburt nicht, wenn man von undifferenzierten Schreien absieht. Der Mensch erweist sich als schwach, dürftig, schüchtern und unbewaffnet, und er würde als von der Natur benachteiligtes Wesen dastehen, wenn ihm nicht andere, über den Instinkt hinausgehende Kräfte zukommen würden. Die entscheidende Eigenschaft, die den Menschen vom Tier unterscheidet und die ihn auch absichtsvoll gebrauchte, willkürliche Zeichen (ĺ Arbitrarität) festlegen lässt, ist die Besonnenheit. HERDER widerspricht der Rückführung der arbiträren Zeichen auf eine göttliche Eingebung, und er erklärt sie – ähnlich wie CONDILLAC – als Festlegung aus dem ĺ Gebrauch und der Überlieferung. Auch HERDER ist es dabei bewusst, dass die Gliederung des Wortschatzes und damit die Bedeutungen der Wörter (ĺ Bedeutung) sich nicht aus den bezeichneten Sachen ableiten lassen. Sie hänge vielmehr von der Intensität des Umgangs des Menschen mit den bezeichneten Sachen ab. Wenn HERDER diesen Umstand als natürlich bezeichnet, so gebraucht er hier das Wort eher umgangssprachlich im Sinne von selbstverständlich und leicht einsichtig. Bei der Entwicklung von onomatopoetischen Zeichen zu letztlich arbiträren Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) spielt auch die Wirkung der Synästhesie eine große Rolle (ĺ Arbitrarität). Das Wort Synästhesie ist abgeleitet von den altgriechischen Wörtern syn und aisthesis und bedeutet ‘Miterregung eines Sinnesorgans bei Reizung eines anderen’. Synästhesie ist ein zusätzlicher Kanal der Wahrnehmung, der sich bei einigen Menschen auch physiologisch zum Beispiel im Sehen von Farben beim Hören von Klängen manifestiert. Man versuchte, ein Lichtklavier, das Töne in Farben und Formen übersetzen sollte, zu konstruieren. Bei der Übertragung eines ursprünglich onomatopoetischen Wortes auf
244 eine optische Erscheinung ergibt sich eine Bedeutungserweiterung, die zwar durch den synästhetischen Zusammenhang motiviert, als solche jedoch arbiträr ist. Ob und in welcher Richtung solche Bedeutungsübertragungen stattfinden, hängt von der Wahrnehmung der Menschen und der Einsichtigkeit und Akzeptanz des Ergebnisses ab. Schließlich ist auch die onomatopoetische Benennung von Gegenständen in einzelnen Sprachen unterschiedlich und meist zusätzlich noch morphologisch verarbeitet (ĺ Bedeutung). Es ist von daher nicht verwunderlich, dass BEAUZÉE sogar den natürlichen Charakter der Interjektionen anzweifelt (ĺ Interjektion). Als reine Ausrufe der Gefühle gehörten Interjektionen nicht zur Sprache, die allein der Vernunft folgen müsse. Diese rationalistische Interpretation trifft sich im Negieren der Natürlichkeit sprachlicher Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) durchaus mit der durch CONDILLAC eingeleiteten Entwicklung des Sensualismus, nach der arbiträre Zeichen die Grundlage der Entwicklung der höheren Denkprozesse des Menschen sind (ĺ Arbitrarität). Demgegenüber heben sich von der generellen Tendenz zur Aufwertung der ĺ Arbitrarität im 18. Jahrhundert jedoch einige Autoren ab, für die der Blick auf die ursprünglichen, nach ihrer Auffassung natürlichen Wurzelwörter entscheidend ist und sogar Aufschluss über die funktionell richtige aktuelle ĺ Bedeutung geben soll. Einer dieser Autoren ist DE BROSSES, der in seinem Traité de la formation mécanique des langues (1765) die Struktur der Sprechorgane für die einzelne Ausformung der Laute verantwortlich macht und insofern mechanisch erklärt. Die Gestalt der Sprechorgane selbst ist für DE BROSSES abhängig von den Lebensbedingungen und dem Klima, woraus sich auch Unterschiede in der ĺ Artikulation ableiten. Während einerseits die Sprechorgane, die nur die Produktion ihnen analoger Laute zulassen, Grenzen für die Wortformen setzten, sei mit dem Wesen und den Eigenschaften der zu bezeichnenden realen Dinge eine weitere Vorgabe für die Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) gegeben. Auf dieser Basis habe der ĺ Ursprung der Sprachen in einer mehr oder weniger vollständigen Abbildung der zu bezeichnenden Dinge durch Lautnachahmung bestanden, so weit wie die Sprechor-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken gane dazu in der Lage waren. Davon ausgehend seien die Zeichen dann von Stufe zu Stufe auf abstraktere, auch auf keine Laute aussendende Gegenstände angewandt worden, bis sie sich zum heutigen Zustand entwickelt hätten, der mit der von der Natur diktierten Imitation wenig zu tun habe. Da die ursprünglichen Zeichen jedoch keineswegs arbiträr, sondern durch die Natur selbst bestimmt gewesen wären, sei es undenkbar, dass die davon abgeleiteten Sprachen nicht einen gewissen Anteil an dieser Natürlichkeit hätten. Zur Bildung der natürlichen Wurzelwörter habe die Sprache je nach dem zu erreichenden Zweck die Möglichkeit gehabt, das beweglichste oder das festeste, das feinste oder das gröbste Sprechorgan zu benutzen. Nach DE BROSSES hat die Natur eine enge Beziehung zwischen der Lautform und der Daseinsweise der bezeichneten Objekte hergestellt, die sich in Abhängigkeit von der Benutzung einzelner Sprechorgane jedoch unterschiedlich optimal gestaltet. Bei der Bildung der Wurzelwörter, die zu Recht so bezeichnet würden, hätten die Menschen also keine willentliche Auswahl vorgenommen, sondern sie hätten sich von der physischen Natur der Dinge (la nature physique des choses) leiten lassen. Die Natur habe auf diese Weise die Grundlage gelegt und die weitere Entwicklung sehr beeinflusst. Die Natur sei dabei in erster Linie nach dem Wahrheitsgebot vorgegangen, das heißt sie habe die Merkmale des zu bezeichnenden Objekts, so gut es den Sprechorganen möglich war, repräsentiert. In dieser Konformität der Wörter und der Sachen liege auch die Wahrheit der Wörter. Die Funktion der ĺ Etymologie wird gewissermaßen prospektiv umgekehrt. Als die Kunst der Ableitung der Wörter wird ihre Bedeutung wörtlich genommen: die Etymologie gilt als die wahre Rede (étymologie, c’est à dire discours véritable). Zweifel an der Angemessenheit der ersten Wörter gegenüber den bezeichneten Dingen werden nicht zugelassen, denn sonst würde man den ersten Menschen unterstellen, dass sie sich nicht verständigen wollten. An diese Argumentation schließt sich auch COURT DE GÉBELIN an, der die Wörter mit einem Portrait der bezeichneten Gegenstände verglich, die man nicht erkennen würde, wenn
Natürlichkeit sie willkürlich wiedergegeben würden. Aus der Entsprechung zwischen Zeichen(ĺ Zeichen und Idee) und Gegenständen rühre auch die Kraft der Wörter, die sie zur Zeit ihres Entstehens stützte, die alle Menschen zu ihrer Verwendung zwang und sie daran hinderte, die ursprünglichen Wörter durch andere nach Belieben zu ersetzen. Die ĺ Arbitrarität habe dagegen keinerlei gesetzgeberische Autorität. Die ersten sprechenden Menschen hätten alles mit Lauten bezeichnet, die Eigenschaften nachzeichneten, was umso leichter gewesen sei, als man am Anfang nur wenige Objekte zu bezeichnen hatte. Man wählte für die Bezeichnung dieser wenigen herausragenden Objekte folglich die Laute aus, die besonders auffällig waren (ĺ Ursprung). Während die konkreten Gegenstände, die er als nicht belebte (objets inanimés) bezeichnet, ihre Benennungen den von ihnen abgegebenen Tönen verdanken, würden abstrakte aufgrund der Beziehung dieser Objekte zu belebten benannt. Die Grille (la cigale) und der Ochse (le bœuf) haben ihren Namen von dem Schrei, den sie abgeben. Eine Beziehung werde dagegen zugrunde gelegt, wenn die Bezeichnung des Ochsen (bœuf) in fast allen Sprachen zur Benennung von Grobheit geworden sei. Alle Objekte seien auf diese Weise durch Imitation oder über Vergleiche benannt worden. Den Eindruck von ĺ Arbitrarität würden die Wörter nur aufgrund der Verschiedenheit der Sprachen hervorrufen, was aber kein Argument gegen ihren natürlichen Charakter sei. Die Mehrzahl der ursprünglich lautnachahmenden Wörter habe im Laufe der Zeit Veränderungen erfahren. Bei den durch Vergleich festgelegten Benennungen konnte der Gesichtspunkt, unter dem verglichen wurde, außerdem nach Ort und Zeit variieren. Schließlich kam es zu Veränderung beim Übergang von Wörtern zwischen Sprachen. Dennoch haben alle Wörter einen wesentlichen, natürlichen Grund (cause essentielle) und können niemals arbiträr gewesen sein. COURT DE GÉBELIN baut seine Natürlichkeitshypothese auf zwei Prämissen auf: (1) Die Sprache war nicht das Ergebnis von Zufall und einfacher Suche des Menschen nach Benennungen. (2) Die Sprache ist nicht das Ergebnis göttlicher Willkür (ĺ Arbitrarität).
245 Daraus folgte die Notwendigkeit, sprachliche Zeichen als der Natur entnommene Elemente zu betrachten (Elémens pris dans la Nature). Aus ihr leitete er die Hoffnung ab, die Art und Weise ihrer Entstehung (ĺ Ursprung) und die Gründe der Energie, mit der sie im menschlichen Geist Ideen entstehen lässt (ĺ kognitive Funktion der Sprache), zu entdecken. Diese Entdeckung der am ĺ Ursprung der Sprache waltenden natürlichen Prozesse und der kognitiven Energie der Sprache ist bei COURT DE GÉBELIN nicht nur von sprachtheoretischem Interesse. Der französischsprachige Schweizer und Pastor wurde in die Pariser Freimaurerloge Les Neuf Sœurs aufgenommen und beschäftigte sich mit Esoterik und Tarot. Sein Ziel war die Erkundung der Anfänge der menschlichen Gesellschaft, die er als universell, intellektuell fortgeschritten und aufgeklärt betrachtete. Das Verfolgen der Sprache zu ihren Ursprüngen war dabei sein wichtigstes Mittel. Er vertrat unter anderem die Auffassung, dass Tarot eine ägyptische Erfindung sein muss, und gestand ihm zeitlose, ebenfalls auf die Ursprünge verweisende Wahrheit zu. Die uneingeschränkte Rückführung der sprachlichen Zeichen auf Natürliches galt jedoch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weithin als keiner Beweisführung fähig. Das schließt nicht aus, dass natürlichen Zeichen (ĺ Zeichen und Idee), wie Körper- und Augenbewegungen oder auch bestimmten natürlichen Modifikationen der Stimme, durchaus kommunikative Relevanz insbesondere für den Ausdruck von Gefühlen zugestanden wurde (vgl. BEATTIE) (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Verglichen mit der Vielfalt der menschlichen Ideen erscheinen diese natürlichen Zeichen jedoch als gering an der Zahl und nicht geeignet, alle Gedanken auszudrücken.
IV. Der sprachtheoretische Gegensatz physei/thesei entstand im Laufe der Entwicklung der höheren altgriechischen Kultur und entspricht einer dieser Kultur entsprechenden Denkweise. In der abendländischen Entwicklung wurde dieser Gegensatz fortgesetzt. In anderen Kulturen, wie zum Beispiel in der indischen, wird das Verhältnis Wortlaut-Wort-
246 bedeutung und Name-Sache nicht problematisiert. In der Geschichte der Sprachtheorien blieb der Gegensatz, den man als ‘von Natur aus’ vs. ‘durch Setzen bzw. Festsetzung’ oder ‘natürlich motiviert’ vs. ‘willkürlich bzw. konventionell gesetzt’ beschreiben kann, nicht gleich (ĺ Konvention, ĺ Arbitrarität). Der Gegensatz physei vs. thesei gehört in dieser Form zu einer späten Phase der antiken Streitfrage, wobei festzuhalten bleibt, dass der Terminus physei in allen Phasen gleich bleibt, sich das Gegenstück aber ändert. In der vorplatonischen Sprachtheorie und bei PLATON selbst erscheinen als Gegenstück zu ijȪıİȚ ‘von Natur aus’ die vier Termini ȞȩȝУ, σșİȚ,ȱ ϳȝȠȜȠȖȓθ, ȗȣȞșȒțϙ ‘durch Gesetz, Usus (ĺ Gebrauch), Konvention, Übereinkunft’. Bei ARISTOTELES und seinen Nachfolgern erscheinen țĮIJΣ ıȣȞșȒțȘȞ ‘als eingerichtet’. Erst in der nacharistotelischen Philosophie wird der Gegensatz zur Natürlichkeit als șȑıİȚ ‘durch Setzung’ bezeichnet. Die Veränderung des Relationspartners hat auch auf die Inhalte des physei-Begriffs gewirkt, der sich trotz materieller Kontinuität in den drei Phasen unterschiedlich darstellt. Beim ersten Gegensatz bezieht sich physei auf die Natur der bezeichnete Sachen und betrifft damit die Frage, ob für die Urnamen eine bestimmte Analogie zwischen der Beschaffenheit der Sachen und den sie bezeichnenden Wörtern anzunehmen ist. Beim zweiten Gegensatz bezieht sich physei auf die Natur der Laute und damit auf die Frage, ob ein Laut von Natur aus als ein Name gelten kann. Eine Analogie zwischen Namen und bezeichneter Sache ist dabei belanglos. Beim dritten Gegensatz bezieht sich physei auf die ursprüngliche analoge Beschaffenheit von Name und Sache. Diese Analogie kann aber bei der thesei-Lösung nur als Motivation der Namengebung, nicht als Grund der Namensfunktion gelten (vgl. COSERIU 2004: 122). Als Annahme einer sinnvollen Nomenklatur, die dem Wesen der Sache entsprechen soll, wurde die physei-Position in der Geschichte der Sprachtheorie oft als naiv und vor allem wegen ihrer etymologischen Argumente sogar als absurd angesehen. Genetisch betrachtet wird die Natürlichkeitsthese auch deshalb als fragwürdig betrachtet, weil die Sprachen
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt entstanden sind, sondern sich fortdauernd, als historische Traditionen des Sprechens entwickelten, in denen auch die Namensgebung stattfand. Doch obwohl man den kausalen Zusammenhang zwischen Wortkörper und Bedeutung ausschließt, hat man keinen Grund, die finalistische Nachbildung im weitesten Sinne, d. h. in ihren verschiedenen ikonischen und metaphorischen Formen auszuschließen. Zum Bereich der Nachbildung gehören auch die abgeleiteten und zusammengesetzten Wörter, die aber schon Satzstrukturen voraussetzen und in gewissem Sinne enthalten. Eine derartige objektive Motivation des Wortkörpers ist natürlich keine notwendige, insofern sie nicht die einzig mögliche, sondern nur eine unter vielen möglichen Motivationen darstellt. Diese objektive Motivation kann von Fall zu Fall in ein und derselben Sprache und in analogen Fällen in verschiedenen Sprachen verschieden sein, sie ist also eine freie Motivation. Das vulgäre Argument, dass im Falle einer natürlichen Motivation der Namengebung alle Namen in allen Sprachen gleich lauten müssten und die ganze Menschheit nur eine Sprache sprechen würde, lässt sich durch die Forschungen der wissenschaftlichen ĺ Etymologie widerlegen, die Vielfalt der in der Geschichte der Sprachen nachgewiesenen Formen der natürlichen Motivation feststellt. Die Geschichte der Sprachen kennt keine völlig willkürlichen Zeichen (ĺ Zeichen und Idee), sondern nur innersprachlich objektiv motivierte Zeichen (ĺ Arbitrarität).
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Linearität I. Dt. die Verbindungen ihrer Gedanken,
Verknüpfung der blos einzeln auf einander folgenden Ideen, nachfolgendes…, vorhergehendes…; regelmässige Aneinanderreihung der Ideen, die natürliche und regelmässige Ideenfolge, bestimmte Aneinanderreihung der Worte, unabänderliche Wortfügung, Gesetzmässigkeit der Wortstellung, natürlicher Gang des Geistes in der Ideen-Entwickelung, folgen auf einander in einem gewissen Abstande, schnell auf einander folgenden Modificationen der Töne; engl. a connexion upheld among the different ideas, which succeeded each other; succession of thought, the regular tract or chain of ideas; frz. liaison des idées, propres à s’unir ensemble, l’arrangement naturel des idées. Die Erkenntnis, dass Sprache ein lineares Medium ist, das heißt sowohl im gesprochenen als auch im geschriebenen Text einzelne Elemente aneinander gereiht werden, ergab sich aus der Betrachtung der Aneinanderreihung von Lauten und Wörtern, wurde jedoch im 18. Jahrhundert auch im Zusammenhang mit erkenntnistheoretischen Überlegungen relevant. Linearität besteht dabei in der Auflösung der Hierarchie der Merkmale eines komplexen Gegenstandes in eine eindimensionale Reihenfolge. Auch bei der Versprachli-
chung gleichzeitig und plötzlich erfasster Sinneswahrnehmungen ist eine lineare Anordnung und damit eine zeitliche Ausdehnung erforderlich.
II. (FRAIN
DU TREMBLAY 1703: 14–15): Il faut que ces sons soient propres à s’unir ensemble, parce qu’autrement ils ne pourroient jamais faire du tout, tel qu’il est necessaire pour former un discours. Et cette proprieté consiste soit dans la conformité de la prononciation des mots & de leur terminaison, soit dans celle de l’inflection des verbes & des noms; ce qui fait ce que l’on appelle ordinairement l’analogie d’une langue. Sans ces conformitez les mots ne pourroient s’unir entr’eux d’une maniere facile & agréable, facile à prononcer, & agréable à entendre. (CONDILLAC [1746] 1961: I, II, III, 55–58): [C]omment la liaison des idées, formée par l’attention, engendre l’imagination, la contemplation et la mémoire. On pourroit, à l’occasion de ce qui a été dit dans le chapitre précédent, me faire deux questions: la première, pourquoi nous avons le pouvoir de réveiller quelques-unes de nos perceptions; la seconde, pourquoi, quand ce pouvoir nous manque, nous pouvons souvent nous en rappeller, au moins, les noms ou les
248 circonstances. Pour répondre d’abord à la seconde question, je dis que nous ne pouvons nous rappeller les noms ou les circonstances, qu’autant qu’ils sont familiers. Alors ils rentrent dans la classe des perceptions qui sont à nos ordres, et dont nous allons parler en répondant à la première question, qui demande un plus grand détail. La liaison de plusieurs idées ne peut avoir d’autre cause que l’attention que nous leur avons donnée, quand elles se sont présentées ensemble. Ainsi, les choses n’attirant notre attention que par le rapport qu’elles ont à notre tempérament, à nos passions, à notre état, ou, pour tout dire en un mot, à nos besoins; c’est une conséquence que la même attention embrasse, tout à la fois, les idées des besoins et celles des choses qui s’y rapportent, et qu’elle les lie. Tous nos besoins tiennent les uns aux autres; et l’on en pourroit considérer les perceptions comme une suite d’idées fondamentales, auxquelles on rapporteroit tout ce qui fait partie de nos connoissances. Au-dessus de chacune s’éleveroient d’autres suites d’idées qui formeroient des espèces de chaînes, dont la force seroit entièrement dans l’analogie des signes, dans l’ordre des perceptions, et dans la liaison que les circonstances qui réunissent quelquefois les idées les plus disparates auroient formée. À un besoin est liée l’idée de la chose qui est propre à le soulager; à cette idée est liée celle du lieu où cette chose se rencontre; à celle-ci, celle des personnes qu’on y a vues; à cette dernière, les idées des plaisirs ou des chagrins qu’on en a reçus, et plusieurs autres. On peut même remarquer qu’à mesure que la chaîne s’étend, elle se soudivise en différens chaînons; ensorte que, plus on s’éloigne du premier anneau, plus les chaînons s’y multiplient. Une première idée fondamentale est liée à deux ou trois autres; chacune de celles-ci à un égal nombre, ou même à un plus grand, et ainsi de suite. Les différentes chaînes ou chaînons, que je suppose au-dessus de chaque idée fondamentale, seroient liés par la suite des idées fondamentales, et par quelques anneaux qui seroient vraisemblablement communs à plusieurs; car les mêmes objets, et, par conséquent, les mêmes idées, se rapportent souvent à différens besoins. Ainsi, de toutes nos con-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken noissances, il ne se formeroit qu’une seule et même chaîne, dont les chaînons se réuniroient à certains anneaux pour se séparer à d’autres. Ces suppositions admises, il suffiroit, pour se rappeller les idées qu’on s’est rendues familières, de pouvoir donner son attention à quelques-unes de nos idées fondamentales, auxquelles elles sont liées. Or cela se peut toujours; puisque, tant que nous veillons, il n’y a point d’instant où notre tempérament, nos passions et notre état n’occasionnent en nous quelques-unes de ces perceptions que j’appelle fondamentales. Nous réussirions donc avec plus ou moins de facilité, à proportion que les idées que nous voudrions nous retracer tiendroient à un plus grand nombre de besoins, et y tiendroient plus immédiatement. Les suppositions que je viens de faire ne sont pas gratuites. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XII, 167– 171): Cette observation fait comprendre que, pour ne pas choquer l’arrangement naturel des idées, il suffit de se conformer à la plus grande liaison qui est entr’elles. Or c’est ce qui se rencontre également dans les deux constructions latines, Alexander vicit Darium, Darium vicit Alexander. Elles sont donc aussi naturelles l’une que l’autre. On ne se trompe à ce sujet, que parce qu’on prend pour plus naturel un ordre qui n’est qu’une habitude que le caractère de notre langue nous a fait contracter. Il y a cependant, dans le françois même, des constructions qui auroient pu faire éviter cette erreur, puisque le nominatif y est beaucoup mieux après le verbe: on dit, par exemple, Darius que vainquit Alexandre. La subordination des idées est altérée à proportion qu’on se conforme moins à leur plus grande liaison; et pour lors les constructions cessent d’être naturelles. Telle seroit celle-ci, vicit Darium Alexander; car l’idée d’Alexander seroit séparée de celle de vicit à laquelle elle doit être liée immédiatement. Les auteurs latins fournissent des exemples de toutes sortes de constructions. conferte hanc pacem cum illo bello: en voilà une dans l’analogie de notre langue. Hujus praetoris adventum, cum illius imperatoris victoria; hujus cohortem impuram, cum illius exercitu invicto; hujus libidines, cum illius continen-
Linearität tia: en voilà qui sont aussi naturelles que la première, puisque la liaison des idées n’y est point altérée; cependant notre langue ne les permettroit pas. Enfin la période est terminée par une construction qui n’est pas naturelle. ab illo qui cepit conditas, ab hoc qui constitutas accepit captas dicetis Syracusas. Syracusas est séparé de conditas, conditas d’ab illo, etc. Ce qui est contraire à la subordination des idées. Les inversions, lorsqu’elles ne se conforment pas à la plus grande liaison des idées, auroient des inconvéniens, si la langue latine n’y remédioit par le rapport que les terminaisons mettent entre les mots qui ne devroient pas naturellement être séparés. Ce rapport est tel que l’esprit rapproche facilement les idées les plus écartées, pour les placer dans leur ordre: si ces constructions font quelque violence à la liaison des idées, elles ont d’ailleurs des avantages qu’il est important de connoître. Le premier, c’est de donner plus d’harmonie au discours. En effet, puisque l’harmonie d’une langue consiste dans le mélange des sons de toute espèce, dans leur mouvement, et dans les intervalles par où ils succèdent, on voit quelle harmonie devoient produire des inversions choisies avec goût: Cicéron donne pour un modèle la période que je viens de rapporter. Un autre avantage, c’est d’augmenter la force et la vivacité du style: cela paroît par la facilité qu’on a de mettre chaque mot à la place où il doit naturellement produire le plus d’effet. Peut-être demandera-t-on par quelle raison un mot a plus de force dans un endroit que dans un autre. Pour le comprendre, il ne faut que comparer une construction où les termes suivent la liaison des idées, avec celle où ils s’en écartent. Dans la première, les idées se présentent si naturellement, que l’esprit en voit toute la suite, sans que l’imagination ait presque d’exercice. Dans l’autre, les idées qui devroient se suivre immédiatement, sont trop séparées pour se saisir de la même manière: mais si elle est faite avec adresse, les mots les plus éloignés se rapprochent sans effort, par le rapport que les terminaisons mettent entr’eux. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XV, 203– 205): [S]i l’on se rappelle que l’exercice de l’imagination et de la mémoire dépend entiè-
249 rement de la liaison des idées, et que celle-ci est formée par le rapport et l’analogie des signes; on reconnoîtra que moins une langue a de tours analogues, moins elle prête de secours à la mémoire et à l’imagination. Elle est donc peu propre à développer les talens. Il en est des langues comme des chiffres des géométres: elles donnent de nouvelles vûes, et étendent l’esprit à proportion qu’elles sont plus parfaites. Les succès de Newton ont été préparés par le choix qu’on avoit fait avant lui des signes, et par les méthodes de calcul, qu’on avoit imaginées. S’il fut venu plutôt, il eut pu être un grand homme pour son siècle, mais il ne seroit pas l’admiration du nôtre. Il en est de même dans les autres genres. Le succès des génies les mieux organisés dépend tout-à-fait des progrès du langage pour le siècle où ils vivent; car les mots répondent aux signes des géométres, et la manière de les employer répond aux méthodes de calcul. On doit donc trouver dans une langue qui manque de mots, ou qui n’a pas des constructions assez commodes, les mêmes obstacles qu’on trouvoit en géométrie avant l’invention de l’algebre. Le françois a été pendant longtems si peu favorable aux progrès de l’esprit, que si l’on pouvoit se représenter Corneille successivement dans les différens âges de la monarchie, on lui trouveroit moins de génie à proportion qu’on s’éloigneroit davantage de celui où il a vécu, et l’on arriveroit enfin à un Corneille qui ne pourroit donner aucune preuve de talent. Peut-être m’objectera-t-on que des hommes tels que ce grand poëte, devoient trouver dans les langues savantes les secours que la langue vulgaire leur refusoit. Je réponds qu’accoutumés à concevoir les choses de la même manière qu’elles étoient exprimées dans la langue qu’ils avoient apprise en naissant, leur esprit étoit naturellement retréci. Le peu de précision et d’exactitude ne pouvoit les choquer, parce qu’ils s’en étoient fait une habitude. Ils n’étoient donc pas encore capables de saisir tous les avantages des langues savantes. En effet, qu’on remonte de siècles en siècles, on verra que plus notre langue a été barbare, plus nous avons été éloignés de connoître la langue latine; et que nous n’avons commencé à écrire bien en latin, que quand nous avons été capable de le faire en françois.
250 D’ailleurs, ce seroit bien peu connoître le génie des langues, que de s’imaginer qu’on put faire passer tout d’un coup dans les plus grossières les avantages des plus parfaites: ce ne peut être que l’ouvrage du tems. (HUME [1748/1777] 2000a: Section III, Of the association of ideas, 23–24): It is evident that there is a principle of connexion between the different thoughts or ideas of the mind, and that in their appearance to the memory or imagination, they introduce each other with a certain degree of method and regularity. In our more serious thinking or discourse this is so observable that any particular thought, which breaks in upon the regular tract or chain of ideas, is immediately remarked and rejected. And even in our wildest and most wandering reveries, nay in our very dreams, we shall find, if we reflect, that the imagination ran not altogether at adventures, but that there was still a connexion upheld among the different ideas, which succeeded each other. Were the loosest and freest conversation to be transcribed, there would immediately be observed something which connected it in all its transitions. Or where this is wanting, the person who broke the thread of discourse might still inform you, that there had secretly revolved in his mind a succession of thought, which had gradually led him from the subject of conversation. Among different languages, even where we cannot suspect the least connexion or communication, it is found, that the words, expressive of ideas, the most compounded, do yet nearly correspond to each other: a certain proof that the simple ideas, comprehended in the compound ones, were bound together by some universal principle, which had an equal influence on all mankind. Though it be too obvious to escape observation, that different ideas are connected together; I do not find that any philosopher has attempted to enumerate or class all the principles of association; a subject, however, that seems worthy of curiosity. To me, there appear to be only three principles of connexion among ideas, namely, Resemblance, Contiguity in time or place, and Cause or Effect. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 522–523): Pour bien traiter la matière des inversions, je crois qu’il est à propos d’examiner comment les langues se sont for-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken mées. Les objets sensibles ont les premiers frappé les sens; et ceux qui réunissaient plusieurs qualités sensibles à la fois ont été les premiers nommés: ce sont les différents individus qui composent cet univers. On a ensuite distingué les qualités sensibles les unes des autres; on leur a donné des noms: ce sont la plupart des adjectifs. Enfin, abstraction faite de ces qualités sensibles, on a trouvé ou cru trouver quelque chose de commun dans tous ces individus, comme l’impénétrabilité, l’étendue, la couleur, la figure, etc.; et l’on a formé les noms métaphysiques et généraux, et presque tous les substantifs. Peu à peu on s’est accoutumé à croire que ces noms représentaient des êtres réels; on a regardé les qualités sensibles comme de simples accidents, et l’on s’est imaginé que l’adjectif était réellement subordonné au substantif, quoique le substantif ne soit proprement rien, et que l’adjectif soit tout. Qu’on vous demande ce que c’est qu’un corps, vous répondrez que c’est une substance étendue, impénétrable, figurée, colorée et mobile. Pour bien traiter la matière des inversions, je crois qu’il est à propos d’examiner comment les langues se sont formées. Les objets sensibles ont les premiers frappé les sens; et ceux qui réunissaient plusieurs qualités sensibles à la fois ont été les premiers nommés: ce sont les différents individus qui composent cet univers. On a ensuite distingué les qualités sensibles les unes des autres; on leur a donné des noms: ce sont la plupart des adjectifs. Enfin, abstraction faite de ces qualités sensibles, on a trouvé ou cru trouver quelque chose de commun dans tous ces individus, comme l’impénétrabilité, l’étendue, la couleur, la figure, etc.; et l’on a formé les noms métaphysiques et généraux, et presque tous les substantifs. Peu à peu on s’est accoutumé à croire que ces noms représentaient des êtres réels; on a regardé les qualités sensibles comme de simples accidents, et l’on s’est imaginé que l’adjectif était réellement subordonné au substantif, quoique le substantif ne soit proprement rien, et que l’adjectif soit tout. Qu’on vous demande ce que c’est qu’un corps, vous répondrez que c’est une substance étendue, impénétrable, figurée, colorée et mobile. Mais ôtez de cette définition tous les adjectifs, que restera-t-il pour cet être
Linearität imaginaire que vous appelez substance? Si on voulait ranger dans la même définition les termes, suivant l’ordre naturel, on dirait colorée, figurée, étendue, impénétrable, mobile, substance. C’est dans cet ordre que les différentes qualités des portions de la matière affecteraient, ce me semble, un homme qui verrait un corps pour la première fois. L’œil serait frappé d’abord de la figure, de la couleur et de l’étendue; le toucher, s’approchant ensuite du corps, en découvrirait l’impénétrabilité; et la vue et le toucher s’assureraient de la mobilité. Il n’y aurait donc point d’inversion dans cette définition; et il y en a une dans celle que nous avons donnée d’abord. De là, il résulte que, si on veut soutenir qu’il n’y a point d’inversion en français, ou du moins qu’elle y est beaucoup plus rare que dans les langues savantes, on peut le soutenir tout au plus dans ce sens, que nos constructions sont pour la plupart uniformes; que le substantif y est toujours ou presque toujours placé avant l’adjectif; et le verbe, entre deux: car si on examine cette question en elle-même; savoir si l’adjectif doit être placé devant ou après le substantif, on trouvera que nous renversons souvent l’ordre naturel des idées: l’exemple que je viens d’apporter en est une preuve. Je dis l’ordre naturel des idées; car il faut distinguer ici l’ordre naturel d’avec l’ordre d’institution, et, pour ainsi dire, l’ordre scientifique: celui des vues de l’esprit, lorsque la langue fut tout à fait formée. Les adjectifs représentant, pour l’ordinaire, les qualités sensibles, sont les premiers dans l’ordre naturel des idées; mais pour un philosophe, ou plutôt pour bien des philosophes qui se sont accoutumés à regarder les substantifs abstraits comme des êtres réels, ces substantifs marchent les premiers dans l’ordre scientifique, étant, selon leur façon de parler, le support ou le soutien des adjectifs. Ainsi, des deux définitions du corps que nous avons données, la première suit l’ordre scientifique, ou d’institution; la seconde, l’ordre naturel. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 526): C’est que, les pensées s’offrant à notre esprit, je ne sais par quel mécanisme, à peu près sous la forme qu’elles auront dans le discours, et, pour ainsi dire, tout habillées, il y aurait à craindre que ce phénomène particulier ne gênât le geste de nos
251 muets de convention; qu’ils ne succombassent à une tentation qui entraîne presque tous ceux qui écrivent dans une autre langue que la leur, la tentation de modeler l’arrangement de leurs signes sur l’arrangement des signes de la langue qui leur est habituelle; et que, de même que nos meilleurs latinistes modernes, sans nous en excepter ni l’un ni l’autre, tombent dans des tours français, la construction de nos muets ne fût pas la vraie construction d’un homme qui n’aurait jamais eu aucune notion de langue. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 536): J’ai pensé que les inversions s’étaient introduites et conservées dans le langage, parce que les signes oratoires avaient été institués selon l’ordre des gestes, et qu’il était naturel qu’ils gardassent dans la phrase le rang que le droit d’aînesse leur avait assigné. J’ai pensé que, par la même raison, l’abus des temps des verbes ayant dû subsister, même après la formation complète des conjugaisons, les uns s’étaient absolument passés de certains temps, comme les Hébreux, qui n’ont ni présent ni imparfait, et qui disent fort bien, Credidi propter quod locutus sum, au lieu de Credo et ideo loquor; j’ai cru, et c’est par cette raison que j’ai parlé; je crois, et c’est par cette raison que je parle. Et que les autres avaient fait un double emploi du même temps, comme les Grecs, chez qui les aoristes s’interprètent tantôt au présent, tantôt au passé. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 538–539): Vous avez pourtant cru, monsieur, devoir soutenir que, dans la période de Cicéron dont il s’agit entre nous, il n’y avait point d’inversion; et je ne disconviens pas qu’à certains égards, vous ne puissiez avoir raison; mais il faut, pour s’en convaincre, faire deux réflexions qui, ce me semble, vous ont échappé. La première, c’est que l’inversion proprement dite, ou l’ordre d’institution, l’ordre scientifique et grammatical, n’étant autre chose qu’un ordre dans les mots contraire à celui des idées, ce qui sera inversion pour l’un, souvent ne le sera pas pour l’autre: car, dans une suite d’idées, il n’arrive pas toujours que tout le monde soit également affecté par la même. Par exemple, si de ces deux idées contenues dans la phrase serpentem fuge, je vous demande quelle est la prin-
252 cipale, vous me direz, vous, que c’est le serpent; mais un autre prétendra que c’est la fuite; et vous aurez tous deux raison. L’homme peureux ne songe qu’au serpent; mais celui qui craint moins le serpent que ma perte, ne songe qu’à ma fuite: l’un s’effraie, et l’autre m’avertit. La seconde chose que j’ai à remarquer, c’est que, dans une suite d’idées que nous avons à offrir aux autres, toutes les fois que l’idée principale qui doit les affecter n’est pas la même que celle qui nous affecte, eu égard à la disposition différente où nous sommes, nous et nos auditeurs, c’est cette idée qu’il faut d’abord leur présenter: et l’inversion, dans ce cas, n’est proprement qu’oratoire. Appliquons ces réflexions à la première période de l’oraison pro Marcello. Je me figure Cicéron montant à la tribune aux harangues: et je vois que la première chose qui a dû frapper ses auditeurs, c’est qu’il a été longtemps sans y monter; ainsi diuturni silentii, le long silence qu’il a gardé, est la première idée qu’il doit leur présenter, quoique l’idée principale, pour lui, ne soit pas celle-là, mais hodiernus dies finem attulit, car ce qui frappe le plus un orateur qui monte en chaire, c’est qu’il va parler et non qu’il a gardé longtemps le silence. Je remarque encore une autre finesse dans le génitif diuturni silentii; les auditeurs ne pouvaient penser au long silence de Cicéron, sans chercher en même temps la cause, et de ce silence, et de ce qui le déterminait à le rompre. Or le génitif, étant un cas suspensif, leur fait naturellement attendre toutes ces idées que l’orateur ne pouvait leur présenter à la fois. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 539–541): Mais allons plus loin: je soutiens que, quand une phrase ne renferme qu’un très petit nombre d’idées, il est fort difficile de déterminer quel est l’ordre naturel que ces idées doivent avoir par rapport à celui qui parle; car si elles ne se présentent pas toutes à la fois, leur succession est au moins si rapide, qu’il est souvent impossible de démêler celle qui nous frappe la première. Qui sait même si l’esprit ne peut pas en avoir un certain nombre exactement dans le même instant? Vous allez peut-être, monsieur, crier au paradoxe. Mais veuillez, auparavant, examiner avec moi comment l’article hic, ille, le, s’est introduit dans la langue latine et dans la
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken nôtre. Cette discussion ne sera ni longue ni difficile, et pourra vous rapprocher d’un sentiment qui vous révolte. Transportez-vous d’abord au temps où les adjectifs et les substantifs latins, qui désignent les qualités sensibles des êtres et des différents individus de la nature, étaient presque tous inventés; mais où l’on n’avait point encore d’expression pour ces vues fines et déliées de l’esprit, dont la philosophie a même aujourd’hui tant de peine à marquer les différences. Supposez ensuite deux hommes pressés de la faim, mais dont l’un n’ait point d’aliment en vue, et dont l’autre soit au pied d’un arbre si élevé qu’il n’en puisse atteindre le fruit. Si la sensation fait parler ces deux hommes, le premier dira: j’ai faim, je mangerais volontiers; et le second: Le beau fruit! j’ai faim, je mangerais volontiers. Mais il est évident que celui-là a rendu précisément, par son discours, tout ce qui s’est passé dans son âme; qu’au contraire il manque quelque chose dans la phrase de celui-ci, et qu’une des vues de son esprit y doit être sous-entendue. L’expression, je mangerais volontiers, quand on n’a rien à sa portée, s’étend en général à tout ce qui peut apaiser la faim: mais la même expression se restreint et ne s’entend plus que d’un beau fruit quand ce fruit est présent. Ainsi, quoique ces hommes aient dit: J’ai faim, je mangerais volontiers, il y avait dans l’esprit de celui qui s’est écrié: Le beau fruit! un retour vers ce fruit; et l’on ne peut douter que si l’article le eût été inventé, il n’eût dit: Le beau fruit! j’ai faim. Je mangerais volontiers icelui, ou icelui je mangerais volontiers. L’article le ou icelui n’est, dans cette occasion et dans toutes les semblables, qu’un signe employé pour désigner le retour de l’âme sur un objet qui l’avait antérieurement occupée; et l’invention de ce signe est, ce me semble, une preuve de la marche didactique de l’esprit. N’allez pas me faire des difficultés sur le lieu que ce signe occuperait dans la phrase, en suivant l’ordre naturel des vues de l’esprit; car, quoique tous ces jugements, le beau fruit! j’ai faim, je mangerais volontiers icelui, soient rendus chacun par deux ou trois expressions, ils ne supposent tous qu’une seule vue de l’âme; celui du milieu, j’ai faim, se rend en latin par le seul mot esurio. Le fruit et
Linearität la qualité s’aperçoivent en même temps; et quand un latin disait esurio, il croyait ne rendre qu’une seule idée. Je mangerais volontiers icelui ne sont que des modes d’une seule sensation. Je marque la personne qui l’éprouve; mangerais, le désir et la nature de la sensation éprouvée; volontiers, son intensité ou sa force: icelui, la présence de l’objet désiré; mais la sensation n’a point dans l’âme ce développement successif du discours; et si elle pouvait commander à vingt bouches, chaque bouche disant son mot, toutes les idées précédentes seraient rendues à la fois: c’est ce qu’elle exécuterait à merveille sur un clavecin oculaire, si le système de mon muet était institué, et que chaque couleur fût l’élément d’un mot. Aucune langue n’approcherait de la rapidité de celle-ci. Mais au défaut de plusieurs bouches, voici ce qu’on a fait: on a attaché plusieurs idées à une seule expression. Si ces expressions énergiques étaient plus fréquentes, au lieu que la langue se traîne sans cesse après l’esprit, la quantité d’idées rendues à la fois pourrait être telle, que, la langue allant plus vite que l’esprit, il serait forcé de courir après elle. Que deviendrait alors l’inversion, qui suppose décomposition des mouvements simultanés de l’âme, et multitude d’expressions? Quoique nous n’ayons guère de ces termes qui équivalent à un long discours, ne suffit-il pas que nous en ayons quelques-uns; que le grec et le latin en fourmillent, et qu’ils soient employés et compris sur-le-champ, pour vous convaincre que l’âme éprouve une foule de perceptions, sinon à la fois, du moins avec une rapidité si tumultueuse, qu’il n’est guère possible d’en découvrir la loi? (TETENS 1772: 53–54): Das erste, was der Mensch von einander unterscheiden und mit Tönen bemerket zu haben scheint, waren seine Empfindungen, sein Verlangen, sein Thun und Leiden. Durch diese hat er die äussern in die Sinne fallende Gegenstände kennen und mit Nahmen zu belegen gelernet. Dadurch erhielt die Sprache zwo Redetheile, nämlich Zeitwörter, und Nennwörter. Diese zween Theile allein waren hinreichend, zur Noth seine Gedanken sich einander zu erkennen zu geben. Die Art, sich auszudrücken, welche man bey Kindern, bey Leuten, die von Jugend auf halb taub gewesen sind, bey sol-
253 chen, welche mit der Sprache, in der sie reden wollen, noch wenig bekannt sind, und bey gemeinen Leuten, welche selten die Verbindungen ihrer Gedanken übersehen, bemerken kan, machen es begreiflich, wie abgebrochen, wie zerstreuet, wie getrennet, mit wie geringer Verknüpfung der blos einzeln auf einander folgenden Ideen, der Mensch im Anfang habe reden, und doch sich seines Gleichen verständlich machen können, zumal, da der Ton der Stimme, die Mienen und Geberden, ihm zu Hülfe kamen. So wie der Verstand mit der Sprache anwuchs, so fieng man auch an, die Neben-Umstände einer Sache von der Hauptsache zu unterscheiden, und die Beziehungen, Verhältnisse und Verknüpfungen in ihnen wahrzunehmen, und solche mit besondern Zeichen merklich zu machen. (TETENS 1772: 62–63): Die Articulation der Wörter bestehet darinnen, daß ihre kleinern Theile, die wir durch einzelne Buchstaben bezeichnen, in der Aussprache sich besonders vernehmen und unterscheiden lassen. Dies hat zwo Ursachen. Die kleinen Theile eines Wortes fließen nicht so in eins fort, wie die musicalischen Töne, sondern folgen auf einander in einem gewissen Abstande. Dazu erfordert jeder Theil eine eigene Modification des Stimm-Organs. Die Aussprache einer Sylbe ist nicht blos eine anhaltende Fortsetzung einer und derselbigen Eröfnung [sic] des Mundes, oder einer und derselbigen Stimmung der Kehle. Jeder folgende Buchstabe macht eine neue und von der vorhergehenden unterschiedene Bestimmung des Organs nothwendig. Die erste dieser Ursachen fällt bey den einfachen Sylben weg. Die Sylben selbst folgen in einigem Abstande auf einander; aber die Buchstaben in den Sylben machen nur einen in eins fortgehenden Ton aus. Wären nicht die Buchstaben unterschieden, aus denen die Sylbe bestehet, so würde ihr Ton von einem etwas gedehnten Singeton sich schwerlich unterscheiden lassen, z. B. wenn ooo, uuu, aaa, ausgesprochen werden sollte. Die Töne in der Music, die wir unarticulirte nennen, haben ebenfalls ihre kleinen Theile, und diese sind verschieden. Aber nicht so merklich als in den Wörtern. Der Unterschied unter articulirt seyn und unarticulirt seyn, beruhet auf
254 ein Mehr oder Weniger, wie der Unterschied zwischen Hart und Weich, zwischen Fest und Flüßig. Die vorzügliche Geschmeidigkeit des menschlichen Stimm-Organs, macht eine solche Verschiedenheit in den schnell auf einander folgenden Modificationen der Töne möglich. ([EICHHORN] 1792: 40): Der Deutsche und Franzose müssen sich der Umschreibung bedienen. Jener sagt: ‘Welcher von beyden’, und dieser ‘le quel de deux’. Eben das gilt auch vom relativen Fürworte, womit alle Sprachen ein nachfolgendes Prädikat auf ein vorhergehendes Substantiv zurückzuführen pflegen. (JENISCH 1796: 43–44): Da es, so wie bey dem regelmässigen Denken auf die regelmässige Aneinanderreihung der Ideen, also bey dem Ausdrucke dieser Ideen auf die, durch die natürliche und regelmässige Ideenfolge bestimmte Aneinanderreihung der Worte, ankommt: so erfordert die Deutlichkeit auch: C) Eine regelmässige und natürliche Syntax. So wie eine durchaus bestimmte und unabänderliche Wortfügung dem Nachdrucke der Sprache, in jedem bedeutendern Momente der Leidenschaften und des heftigen Ideenstroms Eintrag thut, (siehe oben) so ist sie, alsdann, wenn diese Gesetzmässigkeit der Wortstellung auf den natürlichen Gang des Geistes in der Ideen-Entwickelung, und nicht auf den Eigensinn des Gebrauchs gegründet ist, der Deutlichkeit höchst zuträglich. Ist dagegen diese Wortstellung durchaus, oder mehrentheils der Willkühr des Redenden überlassen (denn einige Regeln der Wortfügung hat jede auch noch so freie Sprache) so brauche der Geist des Zuhörers oder Lesers schon mehr Anstrengung, um die, durch die freiere Wortstellung von einandergerissenen Worte und Ideen (möge, der Redende oder Schreibende sie um des Wohlklangs oder um des Nachdrucks willen von einander getrennt haben), zusammen zu ordnen, führt, werden wir in der Schlussanmerkung zu diesem Abschnitte von der Deutlichkeit, ausser allen Zweifel setzen und sie, zur leichtern Auffassung des Sinnes, gleichsam in den hellesten Lichtpunct zu stellen.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Alle neueren Sprachen, die Russische und Polnische ausgenommen, haben eine viel regelmässigere Syntax, als die Griechische und Lateinische. Unter den drei Töchtern der letztern ist die Italienische die freiere: die Französische die ängstlichste, so dass über der Deutlichkeit oft der Nachdruck verloren geht. Unter den Germanischen Sprachen befolgt die Englische die natürlichste und gesetzmässigste Stellung der Worte: behält sich aber dabei die Freiheit vor, in prägnannten Momenten der Bewegung der Seele von der gewöhnlichen Regel abzuweichen. Die Schwedische und Dänische Sprache ahmen die Brittin hier rühmlich nach. Die Deutsche allein (nach ihr sogleich die Holländische) stellt unter allen übrigen die Worte mehr nach dem Eigensinn des Gebrauchs, als nach dem natürlichen Ideengange: und verliert dadurch unter allen am meisten an der Deutlichkeit.
III. Der Begriff der Linearität deutete sich
in einigen sprachtheoretischen Schriften im Zusammenhang mit der Wesensbestimmung der Sprache an (ĺ Wesen der Sprache). Sobald die wichtigste Funktion der Sprache in der Kommunikation von Ideen gesehen wird, ist die Annahme der Kombinierbarkeit sprachlicher Zeichen zwingend (ĺ Zeichen und Idee). Obwohl die meisten sprachtheoretischen Texte sich auf die Betrachtung isolierter Zeichen beschränkten, ergab sich somit die Betrachtung der Regularitäten ihrer Kombination aus dem Zweck der Sprache, der Kommunikation von Ideen. In FRAIN DU TREMBLAYs Traité des langues (1703) werden deshalb die sprachlichen Zeichen mit Eigenschaften beschrieben, die sie untereinander kombinationsfähig machen. Diese Kombinationsfähigkeit ergebe sich aus der Flexion der Verben und der Nomina, aber auch aus dem allgemeinen Befolgen der ĺ Analogie einer Sprache (ĺ Verb; ĺ Nomen). Ohne diese Eigenschaften könnten sich die Wörter nicht einfach miteinander verbinden, außerdem wären sie nicht so leicht auszusprechen und zu verstehen. Mit dieser Feststellung verband sich noch keine Annahme über die kognitive Wirkung der Sprache bei der Ideenverknüpfung, die jedoch mit der Entwicklung sensualistischer Erklärungsansätze wichtig werden sollte. Wenn das menschliche Erkenntnisvermögen
Linearität einzelne Sinneswahrnehmungen aufnimmt und aus ihnen dann komplexe Ideen bildet, die durch Zeichen zusammengehalten und damit für weitere Denkprozesse verfügbar werden, ergibt sich auch die Frage nach der Rolle der Zeichen bei der Verknüpfung der Ideen (ĺ Zeichen und Idee). Für HUME ist es in seinem Hauptwerk An enquiry concerning human understanding (1748) selbstverständlich, dass die verschiedenen Gedanken durch ein Prinzip in Verbindung gebracht werden und dass sie sich einander gegenüber dem Gedächtnis oder der Imagination mit Regelmäßigkeit einführen. HUME sieht als Sensualist und Empiriker die Quelle allen Wissens in der Erfahrung. Diese besteht lediglich aus einem Strom von Eindrücken (Empfindungen, Erlebnissen und Emotionen), die sich in Vorstellungen (Gedanken, Ideen) niederschlagen. Das Denken ist von sekundärer Bedeutung und hat nur die Fähigkeit der Verbindung, Umstellung, Vermehrung oder Verminderung des Stoffes zu leisten, den uns Sinne und Erfahrung liefern. Abstrakte und allgemeine Vorstellungen im eigentlichen Sinne gibt es nach HUME nicht, die Sinneswahrnehmungen, die sich uns in geordneter Reihe präsentieren, können lediglich zu komplexen Ideen zusammengefasst werden. Jeder Gedanke, der der regelmäßigen Kette von Ideen (the regular tract or chain of ideas) widerspricht, fällt dabei auf und wird zurückgewiesen. Selbst in unseren wildesten und ungeordneten Träumen halten die Gedanken eine bestimmte Reihenfolge ein. Auch in der losesten und freiesten Konversation sei etwas Verbindendes in allen Übergängen zu bemerken. Selbst wenn jemand die Abfolge des Diskurses bricht, wird derjenige bestätigen, dass ihm eine Folge von Gedanken gekommen ist, die ihn vom Gegenstand des Gesprächs ablenkte. Sogar in unterschiedlichen Sprachen, zwischen denen es keinerlei Verbindung oder Kommunikation gibt, lässt sich feststellen, dass die Wörter, die die komplexesten Ideen ausdrücken, sich einander beinahe entsprechen. Dies beweise, dass die einfachen Ideen, die in den komplexen enthalten sind, durch ein universelles Prinzip miteinander verbunden sind, das die gesamte Mensch-
255 heit beeinflusst (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Dieses Prinzip der Gedankenverknüpfung teilt er dann in drei Assoziationsprinzipien auf: die Ähnlichkeit, die Kontiguität in Zeit und Raum, das heißt ein zeitliches oder räumliches Zusammentreffen, und die Beziehung von Ursache und Wirkung. Die drei Arten von Assoziationen bilden die Grundlage der verschiedenen Wissensgebiete. Die Linearität der sprachlichen Anordnung ergibt sich für HUME zwingend aus der Art der Verkettung unserer Gedanken, der die drei Assoziationsprinzipien zugrunde liegen. Auch CONDILLAC entwickelte eine sensualistische Erkenntnistheorie, in der er der Ideenverknüpfung (la liaison des idées) eine Schlüsselrolle zuwies. In seinem Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746) wies er nach, wie die Ideenverknüpfung, die durch Aufmerksamkeit entsteht, die menschlichen Fähigkeiten der Imagination, der aufmerksamen Beobachtung und des Gedächtnisses hervorbringt. Selbst wenn wir uns nicht an bestimmte Sinneswahrnehmungen erinnerten, seien wir in der Lage, uns deren Namen und die Umstände, unter denen wir sie erfahren haben, ins Gedächtnis zu rufen. Die Verknüpfung mehrerer Ideen, die sich in dieser Tatsache auswirke, werde durch die Aufmerksamkeit ausgelöst, die wir diesen Ideen gewidmet haben, als wir sie zusammen wahrgenommen haben. Alle unsere Bedürfnisse hängen zusammen, und die Sinneswahrnehmungen ließen sich als eine Folge von einfachen Ideen auffassen, auf die sich unser gesamtes Wissen beziehen lässt. Auf jede solche Ideenkette würden weitere Ketten von Ideen aufbauen, deren Kraft allein auf der ĺ Analogie der Zeichen, der Reihenfolge der Wahrnehmungen und der Verknüpfung, die die Wahrnehmungsbedingungen manchmal auf sehr disparate Weise herstellen, beruht (ĺ Zeichen und Idee). Mit einem Bedürfnis verbindet sich die Idee von dem Objekt, die es befriedigen kann, mit dieser wiederum die Idee des Ortes, wo es sich befindet, mit dieser die Idee der Personen, die man dort gesehen hat, die Freude oder der Ärger, den man dabei empfunden hat usw. Je weiter sich die Kette der verknüpften Ideen ausdehnt, umso
256 mehr treten Verzweigungen ein und die Zahl der Kettenglieder multipliziert sich. Es genügt also, die uns vertrauten Ideen auf bestimmte einfache Ideen zurückzuführen. Da die Objekte und ihre Ideen in der Regel für mehrere Menschen in gleicher Relation zu ihren Bedürfnissen und deren Befriedigung stehen, sind Gemeinsamkeiten in der Ideenverknüpfung zu erwarten. Wenn es um die Versprachlichung der Ideenverknüpfung geht, so steht für CONDILLAC die Linearisierung durch Wortstellung im Mittelpunkt (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Er möchte, dass die Wortstellung so natürlich wie möglich ist, d. h. der natürlichen Gedankenfolge folgt. Der Begriff der ĺ Natürlichkeit hat dabei nichts mit der rationalistischen Lehre vom ordo naturalis zu tun, sondern orientiert sich an kommunikativer und kognitiver Zweckmäßigkeit. Die beiden lateinischen Wortfolgen Alexander vicit Darium und Darium vicit Alexander sind somit beide natürlich, insofern die eine das Objekt, die andere das Subjekt des Siegens hervorhebt und in den Mittelpunkt stellt. Man werde durch die Wortfolge, an die das Französische gewöhne, bei der Bewertung der “natürlichen” Reihenfolge leicht irregeführt. Doch auch im Französischen gebe es Wortfolgen, die von diesem Irrtum abhalten müssten: Darius que vainquit Alexandre. Während im Lateinischen vielfältige Umstellungen möglich sind, ohne dass die Gedankenverknüpfung dadurch beschädigt werde, würde sie die französische Sprache oft nicht zulassen, weil dadurch die Verknüpfung der Ideen beeinträchtigt werde. Die Inversionen im Lateinischen würden, wo sie sich nicht an die größtmögliche Ideenverknüpfung hielten, störend wirken, wenn dem nicht die Endungen entgegenwirkten, die Verbindungen zwischen Ideen, die nicht getrennt werden dürften, herstellten. Wenn solche Konstruktionen unter Umständen die liaison des idées verletzen würden, hätten sie jedoch auch Vorteile; sie würden der Harmonie dienen und die Kraft und Lebendigkeit des Stils erhöhen (ĺ Stil). Normalerweise stelle man jedes Wort an den Platz in der Redekette, wo es den größten Effekt erzielen kann. Um zu verstehen, warum ein Wort an einer
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Stelle einen größeren Effekt als an einer anderen erzielen kann, müsse man nur eine Konstruktion, in der die Wörter die liaison des idées befolgen, und in einer, in der sie dies nicht tun, vergleichen. Im ersteren Fall stellen sich die Ideen so natürlich dar, dass der Geist die ganze Folge wahrnimmt, ohne dass dafür eine geübte Imagination notwendig wäre. Im anderen Fall wären die Ideen zu getrennt und könnten nur durch die Flexionsendungen wieder verbunden werden. Wenn die Imagination und das Gedächtnis vollständig von der liaison des idées abhängen und diese wiederum durch die Analogiebeziehungen der Zeichen gebildet werde (ĺ Analogie), so wird einsichtig, dass je weniger eine Sprache Zeichen hat, ihre Unterstützung für das Gedächtnis und die Imagination umso geringer ist (ĺ Zeichen und Idee). Mit den Sprachen verhalte es sich wie mit den Ziffern der Geometer, sie eröffnen neue Ansichten und erweitern den Geist, in dem Maße wie sie vollkommen sind. Die Erfolge NEWTONs seien durch die bei den Zeichen getroffene Wahl vorbereitet worden und durch die Rechenmethoden, die man sich ausgedacht habe. Wäre er zu früh gekommen, so wäre er zwar ein großer Mann geworden, aber nicht vom ganzen Jahrhundert bewundert worden. Der Erfolg genialer Menschen hänge vom Entwicklungsstand ihrer Sprache ab. Wenn die Sprache noch nicht den erforderlichen Entwicklungsstand erreicht habe, so seien die Menschen dadurch in ihrer geistigen Entwicklung natürlich eingeengt, da sie an die Ausdrucksformen ihrer Muttersprache gewöhnt wären. Die liaison des idées spielt somit bei CONDILLAC auf drei Ebenen eine Rolle (1) bei der Verknüpfung unserer Sinnenwahrnehmungen mit den Bedürfnissen und mit Namen, (2) bei der linearen Anordnung der Gedanken zu ihrer Kommunikation und dann wieder (3) bei der Unterstützung kognitiver Prozesse durch sprachliche Zeichen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). Nach DIDEROT waren die sprachlichen Zeichen zunächst synthetisch und kraftvoll gewesen. Zunächst wurden Gegenstände benannt, die als erste von den Sinnesorganen er-
Linearität fasst wurden und als Individuen in Erscheinung traten. Nachdem man von bestimmten Eigenschaften dieser Individuen, wie ihrer Form, Ausdehnung, Farbe und stofflichen Beschaffenheit abstrahiert hatte, entstanden Klassenbildungen, die ihrerseits sprachlich benannt wurden, womit der Ausgangspunkt dafür gegeben war, diese Abstraktionen als reale Wesen zu betrachten. Erst im Verlauf einer analytischen Entwicklung seien die verschiedenen Ideen und Wahrnehmungen, die den Menschen eigentlich gleichzeitig beschäftigen, voneinander getrennt und linear angeordnet worden, was auch zur Herauslösung von Elementen mit sehr allgemeinen, abstrakten Bedeutungen führte. Analog zur geläufigen Wiederholung eines alten Versuches mit ausgesetzten Kindern als reinem Gedankenexperiment nimmt DIDEROT zwei Menschen an, die mit einer primitiven Sprache ohne Flexion und Ergänzungen ausgestattet sind, um ihre einfachsten Bedürfnisse mitzuteilen. Ein solcher Mensch wäre befähigt, Äußerungen aneinander zu reihen: Le beau fruit. J’ai faim. Je mangerai volontier. Es fehlt dabei aber ein Zeichen, das die Verbindung zwischen den einzelnen Propositionen herstellen würde, etwa das Objektspronomen in dem Satz Je le mangerais volontiers. Unter dem Druck des Hungers wird es von dem angenommenen sehr ursprünglichen Menschen in der Situation der Bedürftigkeit geschaffen. Diese Erfinder des direkten Objekts in einer der Beobachtung nicht mehr zugänglichen Zeit werden von DIDEROT durch ein neues Gedankenexperiment, den Uhrenmenschen (l’homme-horloge) ersetzt. Nicht zufällig ist die Analogie zu LA METTRIEs materialistischem Konzept des homme-machine hervorgehoben worden, denn DIDEROT lokalisiert das menschliche Erkenntnisvermögen tatsächlich in einer cerveau (‘Gehirn’) genannten Substanz anstelle der menschlichen Seele. Gegenüber einem synthetischen Ausdruck, den das menschliche Erkenntnisvermögen idealerweise fördern würde, hat also die Sprache den Nachteil, analysieren und linearisieren zu müssen. Dieses Spannungsverhältnis von Komplexität und Gleichzeitigkeit des Wahrnehmens und der Linearität des Diskurses ist ein wichtiger Ausgangspunkt für DI-
257 DEROTs Ästhetik. Während für die Alltagssprache ĺ Klarheit und Reinheit des analytischen Ausdrucks zu fordern ist, muss die Dichtkunst gerade die Komplexität wiederherstellen. Sie ist daher auch als ein Gewebe von Hieroglyphen zu bezeichnen, sie ist im eigentlichen Sinne bildhaft (ĺ Schrift). Bildhaftigkeit wird hier zwar als dem analytischen Entwicklungsgang der Erkenntnisfähigkeiten entgegenlaufend, dafür aber nicht weniger dem eigentlichen, ursprünglichen Wesen des Menschen entsprechend dargestellt. Wenn die Entwicklung der Sprache mit ihren abstrakten, an Derivationsmorpheme, Flexion und ĺ Pronomen angelagerten und linear hintereinander gereihten Bedeutungen (ĺ Bedeutung) und einer fixierten Wortstellung an ursprünglicher Kraft eingebüßt hat, so liegt es nahe, anhand anderer Ausdruckssysteme zu überprüfen, wie diese im Verhältnis zur Komplexität des menschlichen Denkens stehen. Ein zeitgemäßer Ausgangspunkt sind dabei die Hieroglyphen, von denen DIDEROT jedoch in einem viel weiteren Sinne spricht (ĺ Schrift). Hieroglyphisch sind für ihn alle poetischen, mehr als den strengen propositionalen Gehalt vermittelnden Ausdrücke bis hin zum ikonischen Wert von einzelnen Lauten. ‘Hieroglyphisch’ steht somit in einem Gegensatz zum Begriff der Linearität und der analytischen Wirkung der Sprache. Zeitgemäß ist auch der Hinweis auf das Farbenklavier, auf dem ein Taubstummer analog zu Buchstabenzusammensetzungen ganze Farbensymphonien komponieren könnte. Der von Geburt an Taubstumme würde bei Übertragung dieser Erfahrung auf die Funktionsweise eines richtigen Klaviers Musiker als auf eine andere Art Taubstumme betrachten und Musikinstrumente als Hilfsinstrumente für ein Sprechen anderer Art sehen (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Der von DIDEROT eingeführte Taubstumme ist jedoch nicht Repräsentant einer Zielgruppe kompensatorischen Sprachunterrichts, sondern ein Modell. Eingeführt wird also nicht ein Mensch mit wirklich defizitärem sprachlichem und kommunikativem Verhalten, sondern ein “Taubstummer aus Konvention” (muet de convention). Dieser Mensch
258 müsste sich mit Gebärden verständlich machen, und man könne anhand der Reihenfolge dieser Gebärden beobachten, welche Ideen den Menschen an den Ursprüngen ihrer Entwicklung zuerst wichtig gewesen wären und in welcher Reihenfolge sie lautliche Zeichen erfunden hätten (ĺ Ursprung, ĺ Zeichen und Idee). Der muet de convention ersetzt bei DIDEROT ausdrücklich das nach dem Topos des PSAMMETICHOS-Experiments ausgesetzte Kinderpaar, das in seiner Sprachentwicklung beobachtet werden sollte (ĺ Ursprung, ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Analog zu diesem Experiment handelt es sich auch hier um die Schaffung eines Ersatzes für nicht mehr beobachtbare Ursprünge der Menschheit. Im Blickfeld stehen also bestimmte Eigenschaften der Sprache und deren Entwicklung als anthropologische Konstanten, die dem Taubstummen genauso zukommen, die er aber aufgrund des Fehlens eines entwickelten Ausdrucksbereichs wie der linearisierenden Lautsprache anders und vor allem übersichtlicher zur Entfaltung bringen muss. In Bezug auf die Wortfolge, das eigentliche Thema der Auseinandersetzung mit BATTEUX und anderen, würde sich so die tatsächlich natürliche Ordnung zeigen, nicht die oft als solche bezeichnete institutionelle Ordnung, die in Wirklichkeit eine künstliche, durch die Festlegungen der bereits entwickelten Lautsprache vorgegebene sei (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Über den muet de convention, der aufgrund seiner größeren Nähe zur ursprünglichen, natürlichen Ordnung der Dinge mehr und unvoreingenommener sieht, sollten Philosophen Antworten auf eine ganze Reihe von Fragen erhalten. Dabei tritt jedoch das methodologische Problem auf, dass es sich eben um eine Abmachung handelt, aufgrund derer Inhalte durch Gebärden auszudrücken sind. Möglicherweise ist der konventionelle Taubstumme in seinem Denken bereits durch die Reihenfolge beeinflusst, in der er, gesteuert durch die Festlegungen der ansonsten auch von ihm verwendeten Lautsprache, seine Gedanken anordnen würde. Die wirklich ungeordnete Komplexität des Ursprungs könne deshalb nur ein von Geburt an Taubstummer erfassen und in seinen Gesten ausdrücken (ĺ Ur-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken sprung). Er könne als Bild jener Menschen gelten, die über keine institutionellen Zeichen verfügen und aus diesem Grunde in ihrem Erkenntnisvermögen den Tieren nahe stehen (ĺ Zeichen und Idee). Vor allem erhabene Inhalte lassen sich nach DIDEROTs Auffassung nicht durch analytische Zwänge der Linearisierung in der Lautsprache, sondern durch ihnen eher entsprechende erhabene Gesten ausdrücken. Er führt dabei das Beispiel einer Frau an, die ihrem in einem Turm eingekerkerten Mann mitteilen will, dass er zum Tode verurteilt ist. An einem Ort, an dem er sie sehen kann, legt sie ihren Sohn auf den Boden und streut Erde über ihn. Der Mann versteht das Zeichen und kommt der Vollstreckung des Urteils zuvor, indem er fortan keine Nahrung mehr zu sich nimmt (ĺ Zeichen und Idee). Auch für die Beurteilung schauspielerischer Leistungen schlägt DIDEROT vor, sich in die Position des konventionellen Taubstummen zu versetzen, um aus Gesten und Bewegungen mehr Aufschluss zu erhalten. Nachdem er oft ins Theater gegangen sei und die meisten guten Stücke auswendig kenne, habe er sich in den dritten Rang gesetzt, um möglichst weit von den Schauspielern entfernt zu sein, und vor Beginn der Aufführung zur großen Verwunderung der anderen Zuschauer die Finger in die Ohren gesteckt. Nur wenige Schauspieler hätten dieser Probe auf die Aussagefähigkeit ihrer Gebärden wirklich standgehalten (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). DIDEROT begründet die Berechtigung dieses Experiments der Eliminierung der linear anordnenden Lautsprache mit der Notwendigkeit, einzelne Seiten und Erscheinungsformen des komplexen kommunikativen Verhaltens des Menschen zu isolieren, um sie wirklich genau beschreiben zu können. Vor allem geht es ihm bei der Einführung des Taubstummen jedoch um ein Modell für das Spannungsverhältnis zwischen komplexer Gleichzeitigkeit und analytischer Linearität. Betrachten wir dazu das folgende von DIDEROT gegebene Beispiel. Ein Taubstummer will seinem Diener sagen, dass er seinem Gast etwas zu trinken eingießen soll. Es handelt sich um eine komplexe kommunikative Absicht, bei deren Verbalisierung mindestens der Diener als auf-
Linearität geforderter Handlungsträger, die Handlung selbst und der Nutznießer der Handlung zu benennen wären. Der Taubstumme würde zunächst die Aufmerksamkeit des Dieners mit einer Geste fordern, dann den Gast ansehen und schließlich die Handlung des Eingießens mit Arm und Hand nachahmen. Dabei wäre die Reihenfolge der beiden letzten Gesten beliebig, die erste, das Ansprechen des Dieners, jedoch kaum an einer anderen Stelle vorstellbar. DIDEROT sieht darin eine logische, in der Natur der Dinge begründete Reihenfolge, die der Taubstumme befolgen würde, ohne durch eine sprachlich vorgegebene Wortfolge gesteuert zu sein. Auf dieser Basis deutet DIDEROT die Bezeichnung ordre naturel um (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Im Unterschied zu den rationalistisch geprägten Theorien, nach denen eine Wortfolge Subjekt-PrädikatObjekt und die Stellung des Adjektivs natürlichen Prinzipien des Denkens folgen, heißt natürlich für DIDEROT, die Reihenfolge der Gebärden möglichst getreu in die lautsprachliche Linearität zu übersetzen. Dabei sind Inversionen gerade das Natürliche, und sie helfen am ehesten dabei, die Komplexität des auszudrückenden Gedanken auch nach seiner sprachlich-analytischen Aufbereitung wiederherzustellen. Die Linearität des Mediums Sprache bringt somit Vorteile aber auch Nachteile hervor. Das Bild ist nach DIDEROT nicht klarer, sondern bezogen auf einen Moment des Geschehens komplexer als das Wort. Für solche Momentdarstellungen, die nicht zuletzt in erhabenen Situationen, aber auch bei ganz einfachen technischen Zusammenhängen wichtig werden, ist die Lautsprache gegenüber dem Bild eindeutig im Nachteil. Gerade weil sie aus abstrakten und in ihrer referentiellen ĺ Bedeutung nicht eindeutigen Elementen besteht, die außerdem linear angeordnet werden müssen, bringt sie jedoch gegenüber dem Bild auch Vorteile mit: Sprache zwingt zur Analyse, indem sie die in der Wirklichkeit vorhandene Komplexität auf rekurrente Elemente bezieht und damit vereinfacht. Sie erlaubt gerade durch ihre Linearität auch das Darstellen von Prozessen, die mit der im Bild möglichen Momentaufnahme nicht erfasst werden können.
259 Die Möglichkeit der Verknüpfung von Gedanken durch Sprache wurde als entschiedener Fortschritt in der Entwicklung gesehen (vgl. TETENS). Linearisierung wurde aber auch unter der Ebene des Wortes als Prinzip des Funktionierens menschlicher Sprache angesehen. Durch ĺ Artikulation werden die Laute als Elemente der menschlichen Sprache produziert, die sich voneinander deutlich unterscheiden. Im Unterschied zu musikalischen Tönen fließen die Laute nicht so in eins fort, sondern sie folgen auf einander in einem gewissen Abstande. Die Artikulation einer Silbe besteht nicht nur in der lang anhaltenden Produktion eines Lautes, sondern es sind verschiedene, aneinander gereihte und linearisierte Organbewegungen notwendig, die unterschiedliche Lautqualitäten hervorbringen. Auch auf der nächst höheren Ebene, der der Kombination von Wörtern, wird die Notwendigkeit der Verbindung und der Linearisierung erkannt. Eine regelmäßige und natürliche ĺ Syntax benennt selbst JENISCH hierfür noch als das anzustrebende. Sie soll auf den natürlichen Gang des Geistes in der IdeenEntwickelung, und nicht auf den Eigensinn des Gebrauchs gegründet sein (ĺ Gebrauch).
IV. Heute versteht man unter Linerarität die
Eigenschaft natürlicher Sprachen (ĺ natürliche Sprache), die die eindimensionale Aufeinanderfolge, das zeitliche Nacheinander sprachlicher Einheiten (Laute, Wörter, Sätze) im Kommunikationsprozess beinhaltet. Die Linearität der Sprache und damit auch des geschriebenen Textes ist eine grundlegende Annahme der modernen Sprachwissenschaft, für die in erster Linie auf SAUSSURE verwiesen wird. Bis vor wenigen Jahren wurde im Zusammenhang mit der als Linearität bezeichneten Tatsache, dass wir sprachliche Elemente in der Kommunikation stets nacheinander schreiben und aussprechen müssen, betont, dass Sätze nicht bloße Wort-Sequenzen sind, sondern sich hinter der oberflächlichen Linearität von Wörtern eine Struktur verbirgt (ĺ Satz). Diese Hervorhebung des Nicht-Linearen an der Sprache hebt vor allem auf die
260 von CHOMSKY betonten hierarchischen syntaktischen Strukturen ab (ĺ Syntax). Uneingeschränkt trifft die Linearität nur auf die physikalischen Eigenschaften gesprochener Sprache zu, die als kontinuierlicher Strom zeitlich aneinander gereihter Laute in Erscheinung tritt. Auch bei geschriebener Sprache gilt: words are typically represented as sequences of discrete units (MCKNIGHT e. a. 1991: 17) (ĺ Schrift). Dagegen kann im gedruckten Medium sprachliche Information mehrdimensional dargestellt werden, wie sich etwa z. B. an Tabellen mit Zeilen und Spalten sehen lässt. Bereits geschriebene Standarddokumente besitzen ein gewisses Maß an nichtlinearen Strukturen. Hierzu zählen Verweise auf andere Seiten, Abschnitte, Kapitel oder Bücher und die Inhaltsangabe, der Index, Glossar oder ein Lesezeichen. Auch auf einer höheren Abstraktionsebene ist die gesamte Struktur gedruckter Bücher – wie auch die sequentiell abgespeicherten Dateien in EDVSystemen – lediglich auf der physikalischen Ebene linear, während der logische Aufbau mehrdimensional ist. Die Linearität der gesprochenen Sprache wurde ausgehend von der Überlegung in Frage gestellt, dass ĺ Bedeutung wegen des begrenzten menschlichen Gedächtnisses durch häufige Wiederholungen konstruiert wird (meaning is constructed in an iterative fashion with much repetition because of the limitations of human memory, MCKNIGHT e. a. 1991: 17). Die Beschränkungen des Gedächtnisses sind zwar beim geschriebenen Text vom Medium her nicht gegeben, aber die damit zusammenhängenden Techniken der Wissensorganisation änderten sich wesentlich erst mit der Erfindung des Buchdruckes. Der Buchdruck führte dazu, dass Bücher durch die nun mögliche massenhafte Produktion und Verbreitung nicht nur als Wissensspeicher für zukünftige Generationen geschrieben wurden, sondern auch als Quelle zeitgenössischen Wissens verwendet werden konnten (MCKNIGHT e. a. 1991: 25). Mit der elektronischen Kommunikation wurde die Linearität der Sprache grundsätzlich in Frage gestellt. In elektronischen Dokumenten ist der Anteil nicht-linearer Strukturen un-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken gleich höher, da hier Information vermittelt werden soll, auf die der Benutzer gezielt zugreifen kann. Der Zusammenhang (die Kohärenz) eines elektronischen Dokumentes muss durch Verweise (Verknüpfungen) zwischen den einzelnen Seiten entstehen, da der lineare Zusammenhang fehlt. Es besteht die Gefahr, sich in den Verknüpfungen zu verlieren. Damit stellt sich die Frage der optimalen Präsentationsform elektronischer Texte. Wie auch bei dem Übergang von der gesprochenen Rede zu geschriebenem Text und von Handschriften zum gedruckten Buch versuchen die frühen Produkte im neuen Medium die den Nutzern bekannte “alte” Benutzungsoberfläche zu simulieren. Allerdings hat sich schon gezeigt, dass die dem Papier ähnlichen elektronischen Textsysteme mit seitenweisem Blättern und Ganzseitendarstellung außer bei der Druckvorbereitung sich nicht durchsetzen können. Auch andere Orientierungs- und Zugriffstechniken, die bei gedruckten Texten standardisiert und allgemein bekannt sind, müssen durch neu zu erlernende und zudem systemspezifische Bedienungselemente ersetzt oder durch aufwendige Metaphern simuliert werden. Auf der anderen Seite kann das elektronische Medium einige Einschränkungen des gedruckten Textes überwinden. Bei elektronischem Text bietet sich gegenüber der Rede und gedruckten Texten in verstärktem Maße die Möglichkeit, eine von der weitgehenden Linearität der Wissensdarstellung losgelöste neue, dynamische und benutzergerechte Form der Informationsvermittlung zu finden. In diesem Zusammenhang tritt der Hypertext in Erscheinung, den T. H. NELSON, der Schöpfer dieses Begriffes, wie folgt definiert: Hypertext is the combination of natural-language text with the computer’s capacities for interactive, branching or dynamic display, when explicitly used as a medium (NELSON 1967: 195). Ein Hypertext wird erst dann konkret brauchbar, wenn reichhaltige Verknüpfungen dem Leser die Möglichkeit geben, die repräsentierten informationellen Einheiten flexibel zu manipulieren. Grundlegende Merkmale von Hypertext sind die Modularisierung von Wis-
Linearität sensrepräsentationen in Knoten und eine Assoziierung dieser Knoten durch verknüpfende Kanten. Die charakterisierende Eigenschaft von Hypertext ist eine maschinelle Unterstützung, um Verknüpfungen zwischen den Knoten verfolgen zu können. Ein weiteres Merkmal des Hypertexts ist die Dialogisierung, die insbesondere bei großen Hypertexten Hilfsmittel und Methoden zur direkten Interaktion zwischen Benutzer und Hypertextsystem gibt. Erwähnt sei schließlich das Merkmal der Individualisierung, das sowohl die Ergänzung der Informationssammlung durch persönliche, eigene Anmerkungen und Notizen des Lesers, als auch die individuelle Anpassung der Benutzungsoberfläche umfasst. Weitere Möglichkeiten der Individualisierung sind die Definition personen- oder sogar problemspezifischer Filterfunktionen und eine technische Vermittlung der direkten Kommunikation zwischen dem Leser und dem Autor.
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262
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken
Zeichen und Idee I. Lat. signum; dt. Zeichen; engl. sign; frz. signe; it. segno; span. signo; russ. ɡɧɚɤ. Als Bezeichnung für das, was für etwas Anderes steht, wurden in den europäischen Sprachen überwiegend auf lat. signum zurückgehende Bezeichnungen gewählt. Im Deutschen erscheint dafür Zeichen (von althochdeutsch zeihhan zeihen, hinweisen). Mit dem Begriff des Zeichens verbindet sich etwas materiell Unterscheidbares, dem eine ĺ Bedeutung zugesprochen wird. Zeichen sind Grundelemente aller Kommunikationssysteme, also z. B. Gesten, Gebärden, Laute, Markierungen, Symbole (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen); ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Die Frage, worin die Besonderheit der sprachlichen Zeichen besteht, wurde im 17. und 18. Jahrhundert umfassend diskutiert. Bei der Betrachtung des Begriffs des Zeichens ist eine Verbindung mit dem Begriff des ‘Begriffs’ oder der ‘Idee’ und zugleich eine Abgrenzung davon nahe liegend. Dem tragen auch die Textstellen unter II. und die Darstellung unter III. Rechnung. II. (NICOT 1606: 344): Idées, sont imagina-
tions que les hommes font en leurs pensées, Ideae, idearum, Ce sont aussi les images des choses qui s’impriment en nostre ame. Les Platoniques disoyent en l’esprit de Dieu estre certains eternels patrons et portraicts de toutes choses lesquelles ils nommoyent Idées. (NICOT 1606: 595): Un signe qui nous represente et denote quelque chose, Signum. (GUICHARD 1610: III): Entre autres, Platon surnommé le divin, a trauaillé en ceste recherche de l’origine des mots, & en a tant estimé la connoissance, qu’il disoit en son Cratyle Que celuy qui entendoit les mots, entendoit aussi les choses. Car aussi y a il une telle conuenance du nom auec la chose, que le mesme mot Hebrieu qui signifie verbum, sermo, davar, signifie aussi res, aliquid, causa, & du mot Grec exposé diction loquutio, Res fut deriué en Latin, pour signifer une chose qui est en effect. Les noms doncq estans les signes des choses, il s’ensuit que celuy qui conoit ces signes, connoisse aussi les choses signifiees par iceux.
(DESCARTES [1637] 1974: 58): […] on voit que les pies & les perroquets peuuent proferer des paroles ainsi que nous, & toutfois ne peuuent parler ainsi que nous, c’est a dire, en tesmoignant qu’ils pensent ce qu’ils disent; au lieu que les hommes qui, estans nés sours & muets, sont priuez des organes qui servent aux autres pour parler, autant ou plus que les bestes, ont coustume d’inuenter d’eux mesmes quelques signes, par lesquels ils se font entendre a ceux qui, estans ordinairement auec eux, ont loysir d’apprendre leur langue. Et cecy ne tesmoigne pas seulement que les bestes ont moins de raison que les hommes, mais qu’elles n’en ont point du tout. (COMENIUS [1648] 1978: 26–27): 27. Est autem Scriptura visibilis sermo, visibilibus descriptus characteribus. Reqvirit proinde, primò Signa, seu characteres pictos. Secundò, attributas illis significationes. Tandem, de illarum intellectu Pactum mutuum. Nisi enim intelligantur, nullas menti rerum notiones imprimunt, millies licet inspectata: æqve ut sermo Lingvæ, Verborum significationes non intelligenti. (COMENIUS [1648] 1978: 27): 28. Characteres hi picti, à significandi vi differentiam accipiunt trinam. Significant enim vel immediatè Res ipsas; vel Rerum Conceptus, seu notiones; vel deniqve Sonos & Verba. Eôqve sunt vel Reales, vel Mentales, vel Verbales. (COMENIUS [1648] 1978: 27): 31. Sunt autem Charactes [sic] Verbales, Literarum notæ; tot numero, qvot primi illi, minimi & simplicissimi, oris nostri reperiuntur soni A, B, C, &c. ex quorum collectione fiunt Syllabæ, Voces, Sententiæ, &c. Atqve hoc demùm propriè est Sermonem pingere, non Res, non Notiones: (potest enim hôc modô omnis sermo, etiam non intellectus legi ab illo, qvi literas novit) nisi qvatenus sermo ipse Notiones, tandémq; Res ipsas, repræsentat: qvia Cogitationum tesseræ Verba sunt, Verborum Literæ. (CARAMUEL Y LOBKOWITZ 1654: 5): Quid sit signum? receptissima est definitio Doctoris Africani. Signum est, ait libri de Doctr. Christ. secundi primo capite, quod praeter speciem quam ingerit sensibus facit aliud in nostram notitiam devenire. Ideò sumus dicitur esse
Zeichen und Idee signum, quia semper ignem indigitat seu causam, & aliquando est multarum aliarum rerum index. Signum dividitur in naturale & artificiale: Illud est quod independenter ab hominum concordiâ & consensu aliquam rem significat: quoniam naturâ duce, viso vestigio scimus transivisse animantem, viso sumo intellegimus subesse ignem. (CARAMUEL Y LOBKOWITZ 1654: 5): Voces igitur sunt signa naturalia, Primò, quia significat animal tanquàm pronuntiationis causam; & haec significatio est à posteriori. Secundò vox illa species impressas, siquas produxit, significavit à priori & ut causa. Tertiò etiam potest habere significationem proportionis. (ARNAULD / LANCELOT [1660/1768] 1973: 1): Parler, est expliquer ses pensées par des signes que les hommes ont inventés à ce dessein. On a trouvé que les plus commodes de ces signes étoient les sons & les voix. (ARNAULD / LANCELOT [1660/1768] 1973: 1– 2): Ainsi l’on peut considérer deux choses dans ces signes. La premiere; ce qu’ils sont par leur nature, c’est-à-dire, en tant que sons & caractéres. La seconde; leur signification, c’est-à-dire, la maniere dont les hommes s’en servent pour signifier leurs pensées. (DALGARNO 1661: 18): Cum enim Signa a nobis pro Rebus ipsis supponantur, omnino rationi consentaneum est, ut Ars Signorum Artem Rerum sequitur. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 46): Quand on considère un objet en lui-même et dans son propre être, sans porter la vue de l’esprit à ce qu’il peut représenter, l’idée qu’on en a est une idée de chose, comme l’idée de la terre, du soleil; mais quand on ne regarde un certain objet que comme en représentant un autre, l’idée qu’on en a est une idée de signe, et ce premier objet s’appelle signe. C’est ainsi qu’on regarde d’ordinaire les cartes et les tableaux. Ainsi le signe enferme deux idées: l’une de la chose qui représente, l’autre de la chose représentée, et sa nature consiste à exciter la seconde par la première. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 46–48): On peut faire diverses divisions des signes; mais nous nous contenterons ici de trois qui sont de plus grande utilité. Premièrement, il y a des signes certains qui s’appellent en grec
263 IJİȤȝȘȡȚĮ, comme la respiration l’est de la vie des animaux; et il y en a qui ne sont que probables et qui sont appelés en grec ıȘȝİȚĮ, comme la pâleur n’est qu’un signe probable de grossesse dans les femmes. […] 2° Il y a des signes joints aux choses, comme l’air du visage, qui est signe des mouvements de l’âme, est joint à ces mouvements qu’il signifie; les symptômes, signes des maladies, sont joints à ces maladies; et pour me servir d’exemples plus grands, comme l’arche, signe de l’Église, était jointe à Noé et à ses enfants, qui étaient la véritable Église de ce temps-là; ainsi nos temples matériels, signes des fidèles, sont souvent joints aux fidèles; ainsi la colombe, figure du Saint-Esprit, était jointe au SaintEsprit; ainsi le lavement du baptême, figure de la régénération spirituelle, est joint à cette régénération. Il y a aussi des signes séparés des choses, comme les sacrifices de l’ancienne loi, signes de JÉSUS-CHRIST immolé, étaient séparés de ce qu’ils représentaient. […] La troisième division des signes est qu’il y en a de naturels qui ne dépendent pas de la fantaisie des hommes, comme une image qui paraît dans un miroir est un signe naturel de celui qu’elle représente, et qu’il y en a d’autres qui ne sont que d’institution et d’établissement, soit qu’ils aient quelque rapport éloigné avec la chose figurée, soit qu’ils n’en aient point du tout. Ainsi les mots sont signes d’institution des pensées et les caractères des mots. On expliquera, en traitant des propositions, une vérité importante sur ces sortes de signes, qui est que l’on en peut, en quelques occasions, affirmer les choses signifiées. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 79): […] dans la définition du nom, comme nous avons déjà dit, on ne regarde que le son, et ensuite on détermine ce son à être signe d’une idée que l’on désigne par d’autres mots. Il faut aussi prendre garde de ne pas confondre la définition de nom dont nous parlons ici, avec celle dont parlent quelques philosophes, qui entendent par là l’explication de ce qu’un mot signifie selon l’usage ordinaire d’une langue, ou selon son étymologie: c’est de quoi nous pourrons parler en un autre endroit; mais ici, on ne regarde, au contraire, que l’usage particulier auquel celui qui définit un mot veut qu’on le prenne pour bien concevoir sa pensée, sans se mettre en peine si les autres le
264 prennent dans le même sens. Et de là il s’ensuit premièrement, que les définitions de noms sont arbitraires, et que celles des choses ne le sont point; car chaque son étant indifférent de soi-même et par sa nature à signifier toutes sortes d’idées, il m’est permis, pour mon usage particulier, et pourvu que j’en avertisse les autres, de déterminer un son à signifier précisément une certaine chose, sans mélange d’aucune autre; mais il en est tout autrement de la définition des choses: car il ne dépend point de la volonté des hommes que les idées comprennent ce qu’ils voudraient qu’elles comprissent; de sorte que si, en voulant les définir, nous attribuons à ces idées quelque chose qu’elles ne contiennent pas, nous tombons nécessairement dans l’erreur. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 80): Néanmoins ce que je viens de dire, que la définition du nom peut être prise pour principe, a besoin d’explication; car cela n’est vrai qu’à cause que l’on ne doit pas contester que l’idée qu’on a désignée ne puisse être appelée du nom qu’on lui a donné; mais on n’en doit rien conclure à l’avantage de cette idée, ni croire pour cela seul qu’on lui a donné un nom, qu’elle signifie quelque chose de réel. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 84): […] les hommes, ayant une fois attaché une idée à un mot, ne s’en défont pas facilement […]. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 147): […] car, à l’égard des signes naturels, il n’y a pas de difficulté, parce que le rapport visible qu’il y a entre ces sortes de signes et les choses, marque clairement que quand on affirme du signe la chose signifiée, on veut dire, non que ce signe soit réellement cette chose, mais qu’il l’est en signification et en figure; et ainsi l’on dira sans préparation et sans façon d’un portrait de César, que c’est César; et d’une carte d’Italie, que c’est l’Italie. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: [III–V]): Dans la suite ayant reconnu, que parler n’est en general autre chose, que donner des signes de sa pensée, j’observe quelques-uns de ces signes; les premiers que je considere, sont ces mouvements d’yeux ou de visage, & ces cris, qui accompagnent ordinairement les differents estats du corps; je remarque qu’ils sont naturellement joints aux passions, que l’ame ressent à l’occasion des changemens du corps, & que le meilleur moyen qu’on ait de
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken faire entendre ce qu’elle souffre, est de ne pas contraindre le visage, les yeux ny la voix; je remarque aussi que cette façon de s’expliquer est la premiere des langues, & la plus universelle, puisqu’il n’y a point de nation qui ne l’entende; Mais en mesme temps j’observe que la malice des hommes l’a renduë la plus trompeuse de toutes. Outre ces signes naturels des passions de l’ame; je découvre qu’il y en a d’autres qui ne sont que d’institution par lesquels elle peut exprimer tout ce qu’elle conçoit; je montre assez sommairement le rapport & la difference de quelques uns de ces signes pour faire entendre tout ce que j’en veux deduire en cét endroit, & me reservant d’en parler plus precisément & plus à propos dans la suite, je m’arreste à considerer comment on peut inventer une langue; comment un homme peut aprendre celle d’un pays où personne ne sçait la sienne; & enfin comment les enfans apprennent à parler […]. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: [XII]): […] la peine que nous avons dans les entretiens, n’est pas de concevoir la pensée de ceux qui nous parlent, mais de la demesler des signes dont ils se servent pour l’exprimer, qui souvent ne luy conviennent pas; d’où-je conclus que la pensée d’un esprit est toûjours claire à l’autre, dés qu’il la peut appercevoir […]. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 21–22): […] le seul moyen de nous expliquer les uns aux autres ce que nous pensons, est de nous en donner des signes exterieures. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 23): D’où ie connois, que ces signes sont d’institution; & comme cette institution suppose necessairement de la raison & des pensées en ceux qui sont capables d’en convenir, ie n’avancerois peut estre rien avec temerité, si i’asseurois dés à present que ces Corps sont unis à des Ames. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 60–62): Il n’est pas difficile maintenant de concevoir, pourquoy nous avons tant de facilité à apprendre une langue estrangere d’une personne qui la sçait, & qui sçait aussi la nostre: car alors nous pouvons nous enquerir aysément, du nom de chaque chose. Nous pouvons aussi par ce moyen apprendre plusieurs langues, estant manifeste qu’apres avoir appris le mot qui signifie une chose en François, l’on peut apprendre encore par quels mots les Italiens,
Zeichen und Idee les Espagnols & d’autres Nations expriment cette chose: & ce qu’il y a de remarquable est, que quand nous sommes une fois convenus que plusieurs mots signifient une mesme chose, nous joignons si bien l’idée ou la pensée de cette chose à chacun de ces mots, que souvent nous nous souvenons tres-bien qu’on nous en a donné l’idée, sans nous souvenir duquel de tous ces mots on s’est servy; d’où vient, que quand on se trouve avec des personnes de differens Pays dont on sçait les langues, on retient aisément chaque nouvelle, & tout ce qui a esté dit sur les sujets dont on a parlé, sans pouvoir precisément se ressouvenir des mots ny de la langue dont on s’est servy, pour nous donner les idées qui nous en restent. (HOLDER 1669: 3–5): Now Signes for Communication may be contrived at pleasure from any variety of Objects (especially of one kind) appertaining to either Sense. For example, Four Bells admit Twenty four changes in Ringing, and Five Bells One hundred and twenty: each change may, by agreement and consent, have a certain signification imposed upon it, and so Communication may be performed at a distance by Hearing. And for the Sight, Four or Five Torches held up at a Distance in the Night, 1 or 2, or 3, or 4, and any, or more of them elevated, or depressed out of their Order, either in Breadth, or Longways, may by agreement give great variety of Notifications. And thus, Thousands of Signes may be invented and agreed upon, and learnt, and practised. Thus the Drum and Trumpet by their several Sounds, serve for many kinds of Advertisements in Military affairs: and Bells serve to proclaim a scare-fire, and (in some places) Water-Breaches; […]. (LAMY [1675] 1688: 4–5): On appelle signe une chose qui outre cette idée qu’elle donne quand on la voit, en donne une seconde: comme lorsqu’on voit à la porte d’une maison une branche de lierre on conçoit qu’on vend du vin dans cette maison. On distingue deux sortes de signes: les uns sont naturels, c’est à dire qu’ils signifions par eux-même, comme la fumée est un signe naturel qu’il y a du feu, où on la voit. Les autres qui ne signifient que ce que les hommes sont convenus qu’ils signifieroient, sont artificiels: les mots sont des signes de cette sorte; aussi le même mot a dif-
265 ferentes significations selon les langues où il se trouve […]. Cette remarque nous donne lieu de distinguer deux choses dans les mots, le corps et l’ame, c’est à dire ce qu’ils ont de materiel, & ce qu’ils ont de spirituel; ce que les oyseaux qui imitent la voix des hommes, ont de commun avec nous, ce qui nous est particulier. Les idées qui sont presentes à nostre esprit, lorsqu’il commande aux organes de la voix de former les sons qui sont les signes de ces idées, sont l’ame des paroles: Les sons que forment les organes de la voix, & qui n’ayant rien de semblable en eux-même à ces idées, ne laissent pas de les signifier, sont la partie materielle, ou le corps des paroles. (LAMY [1675] 1688: 13): L’on appelle idée la forme d’une pensée qui est l’objet d’une perception, c’est à dire d’une pensée qu’on a à l’occasion de ce qu’on connoit par la premiere operation de l’esprit. (ANONYM 1683: 4): La parola non è solamente un suono, ma un suono articolato dalla bocca perche chi sischia non parla, e i bambini appena nati, come i muti fanno strepito colla bocca, senza però si possa dire, ch’essi parlino: oltre di ciò bisogna, che quel suono articolato significhi alcuna cosa per esser una parola veramente humana della quale si ragiona nel nostro quesito così il termine (Blitri) od altro simile dal quale nulla vien designato non è una parola, ed il pronunziare termini cosí fatti non è parlare: in quella maniera, ch’un Papagallo proferendo (buon giorno) senza hauer l’idea congiunta, e corrispondente alle voci di (buon giorno) se propriamente parliamo. non diremo, che parli. (CHARPENTIER 1683a: 81): […] car les mots n’estans en usage que pour expliquer les choses & les actions qui sont les mesmes chez tous les Peuples, il semble que ces mots qui en sont les images, portent par tout un mesme caractere de noblesse ou de turpitude. (LOCKE [1690] 1894: III, I, 4): To make them signify the absence of positive ideas. Besides these names which stand for ideas, there be other words which men make use of, not to signify any idea, but the want or absence of some ideas, simple or complex, or all ideas together; such as are nihil in Latin, and in English, ignorance and barrenness. All which negative or privative words cannot be said
266 properly to belong to, or signify no ideas: for then they would be perfectly insignificant sounds; but they relate to positive ideas, and signify their absence. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 8): The comfort and advantage of society not being to be had without communication of thoughts, it was necessary that man should find out some external sensible signs, whereof those invisible ideas, which his thoughts are made up of, might be made known to others. For this purpose nothing was so fit, either for plenty or quickness, as those articulate sounds, which with so much ease and variety he found himself able to make. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 11–12): Secondly, That though the proper and immediate signification of words are ideas in the mind of the speaker, yet, because by familiar use from our cradles, we come to learn certain articulate sounds very perfectly, and have them readily on our tongues, and always at hand in our memories, but yet are not always careful to examine or settle their significations perfectly; it often happens that men, even when they would apply themselves to an attentive consideration, do set their thoughts more on words than things. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 12): But so far as words are of use and signification, so far is there a constant connexion between the sound and the idea, and a designation that the one stands for the other; without which application of them, they are nothing but so much insignificant noise. (LOCKE [1690] 1894: III, III, 14): It is impossible that every particular thing should have a distinct peculiar name. For, the signification and use of words depending on that connexion which the mind makes between its ideas and the sounds it uses as signs of them, it is necessary, in the application of names to things, that the mind should have distinct ideas of the things, and retain also the particular name that belongs to every one, with its peculiar appropriation to that idea. (LOCKE [1690] 1894: III, III, 18): For, observing that several things that differ from their idea of man, and cannot therefore be comprehended under that name, have yet certain qualities wherein they agree with man,
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken by retaining only those qualities, and uniting them into one idea, they have again another and more general idea; to which having given a name they make a term of a more comprehensive extension: which new idea is made, not by any new addition, but only as before, by leaving out the shape, and some other properties signified by the name man, and retaining only a body, with life, sense, and spontaneous motion, comprehended under the name animal. (LOCKE [1690] 1894: III, III, 20): […] definition being nothing but making another understand by words what idea the term defined stands for, a definition is best made by enumerating those simple ideas that are combined in the signification of the term defined […]. (LOCKE [1690] 1894: III, III, 31): […] the doctrine of the immutability of essences proves them to be only abstract ideas; and is founded on the relation established between them and certain sounds as signs of them; and will always be true, as long as the same name can have the same signification. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 134–135): This, I think, I may at least say, that we should have a great many fewer disputes in the world, if words were taken for what they are, the signs of our ideas only; and not for things themselves. For, when we argue about matter, or any the like term, we truly argue only about the idea we express by that sound, whether that precise idea agree to anything really existing in nature or no. And if men would tell what ideas they make their words stand for, there could not be half that obscurity or wrangling in the search or support of truth that there is. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 145): He that, in a newly-discovered country, shall see several sorts of animals and vegetables, unknown to him before, may have as true ideas of them, as of a horse or a stag; but can speak of them only by a description, till he shall either take the names the natives call them by, or give them names himself. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 145): […] 1. I may have in my memory the names of modes, as gratitude or charity, and yet not have any precise ideas annexed in my thoughts to those
Zeichen und Idee names. 2. I may have ideas, and not know the names that belong to them: v. g. I may have the idea of a man’s drinking till his colour and humour be altered, till his tongue trips, and his eyes look red, and his feet fail him; and yet not know that it is to be called drunkenness. (LOCKE [1690] 1894: III, XI, 150): Let us look into the books of controversy of any kind, there we shall see that the effect of obscure, unsteady, or equivocal terms is nothing but noise and wrangling about sounds, without convincing or bettering a man’s understanding. For if the idea be not agreed on, betwixt the speaker and hearer, for which the words stand, the argument is not about things, but names. As often as such a word whose signification is not ascertained betwixt them, comes in use, their understandings have no other object wherein they agree, but barely the sound; the things that they think on at that time, as expressed by that word, being quite different. (LOCKE [1690] 1894: III, XI, 152): It is not enough a man uses his words as signs of some ideas: those he annexes them to, if they be simple, must be clear and distinct; if complex, must be determinate, i. e., the precise collection of simple ideas settled in the mind, with that sound annexed to it, as the sign of that precise determined collection, and no other. (LOCKE [1690] 1894: III, XI, 162–163): Nor is it a shame for a man not to have a certain knowledge of anything, but by the necessary ways of attaining it; and so it is no discredit not to know what precise idea any sound stands for in another man’s mind, without he declare it to me by some other way than barely using that sound, there being no other way, without such a declaration, certainly to know it. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Idée, 1694): IDÉE. s. f. La notion, & l’image que l’esprit se forme de quelque chose. Noble idée. belle idée. idée claire & nette. Idée confuse. avoir une idée, des idées dans l’esprit. se former, se faire une idée. les premieres idées. une fausse idée. l’esprit plein d’idées. ce que j’en ay veu ne respond pas à l’idée que je m’en estois faite, n’a pas
267 remply mon idée. j’en avois conceu une haute idée. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Signe, 1694): SIGNE. s. m. Indice, ce qui est la marque d’une chose ou presente, ou passée, ou à venir. Signes necessaires. Signes équivoques ou probables. par tout où l’on voit de la fumée, c’est signe qu’il y a du feu. la respiration est un signe de vie. aprés cela il ne donna plus nul signe de vie. la campagne estoit couverte d’ossemens, c’estoit signe qu’il s’estoit donné là quelque combat. le poux intermittant est d’ordinaire un signe de mort. quand les hirondelles volent bas, c’est signe de pluye, c’est signe qu’il pleuvra. quand la lune est rouge c’est signe de vent. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 149–151): Il faut d’abord poser pour principe, que la parole exterieure n’est point proprement la parole, mais la voix de la parole veritable, comme on l’a déja dit aprés saint Augustin; c’est pourquoy il a appellé le son articulé, la voix de la parole. Il faut encore sçavoir, que l’écriture est l’expression ou la peinture de la voix articulée, comme celle-cy est l’expression ou la peinture de la pensée: car il n’est pas inutile de donner de justes idées de l’écriture, lorsqu’il s’agit de la parole, comme on le verra cy-aprés. Or si la voix articulée est la peinture de la pensée, il faut d’abord que celle-cy se peigne dans l’imagination, parce qu’autrement nous ne pourrions peindre par la parole ce que nous aurions pensé. Nos pensées sont donc suivies de certains traits dans l’imagination, ces traits sont suivis de ceux de la parole, & ceux de la parole sont suivis de ceux de l’écriture; quand nous voulons écrire ce que nous pensons. C’est dans cet ordre que se forment toutes ces diverses peintures, quoy que cela se fasse avec tant de promptitude, que nous croyons que cela se fait dans un même instant, & que nous croyons même que quelqu’une de ces choses ne se fait point du tout. Car il est certain que comme les pensées des choses que nous connoissons & dont nous sçavons les noms, sont toûjours accompagnées des traits de l’imagination qui represente leurs noms; l’on ne voit pas d’abord pourquoy il est necessaire que nos pensées se peignent dans l’imagination pour pouvoir être peintes par la parole. Et on peut même croire que cette peinture que je dis qui
268 se fait dans l’imagination ou dans le cerveau, est une pure imagination. (CONDILLAC [1746] 1961: I, II, IV, 65–69): [Q]ue l’usage des signes est la vraie cause des progrès de l’imagination, de la contemplation et de la mémoire. Pour développer entièrement les ressorts de l’imagination, de la contemplation et de la mémoire, il faut rechercher quels secours ces opérations retirent de l’usage des signes. Je distingue trois sortes de signes. 1° les signes accidentels, ou les objets que quelques circonstances particulières ont liés avec quelques-unes de nos idées; ensorte qu’ils sont propres à les réveiller. 2° les signes naturels, ou les cris que la nature a établis pour les sentimens de joie, de crainte, de douleur, etc. 3° les signes d’institution, ou ceux que nous avons nous-mêmes choisis, et qui n’ont qu’un rapport arbitraire avec nos idées. Ces signes ne sont point nécessaires pour l’exercice des opérations qui précédent la réminiscence: car la perception et la conscience ne peuvent manquer d’avoir lieu tant qu’on est éveillé; et l’attention n’étant que la conscience qui nous avertit plus particulièrement de la présence d’une perception, il suffit, pour l’occasionner, qu’un objet agisse sur les sens avec plus de vivacité que les autres. Jusques-là les signes ne seroient propres qu’à fournir des occasions plus fréquentes d’exercer l’attention. Mais supposons un homme qui n’ait l’usage d’aucun signe arbitraire. Avec le seul secours des signes accidentels, son imagination et sa réminiscence pourront déjà avoir quelque exercice; c’est-à-dire, qu’à la vue d’un objet la perception, avec laquelle il s’est lié, pourra se réveiller, et qu’il pourra la reconnoître pour celle qu’il a déjà eue. Il faut cependant remarquer que cela n’arrivera qu’autant que quelque cause étrangère lui mettra cet objet sous les yeux. Quand il est absent, l’homme que je suppose n’a point de moyens pour se le rappeller de lui-même; puisqu’il n’a à sa disposition aucune des choses qui y pourroient être liées. Il ne dépend donc point de lui de réveiller l’idée qui y est attachée. Ainsi l’exercice de son imagination n’est point encore à son pouvoir. Quant aux cris naturels, cet homme les formera, aussitôt qu’il éprouvera les sentimens ausquels ils sont affectés. Mais ils ne seront pas, dès la première fois, des signes à son égard; puisqu’au lieu de
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken lui réveiller des perceptions, ils n’en seront que des suites. Lorsqu’il aura souvent éprouvé le même sentiment, et qu’il aura, tout aussi souvent, poussé le cri qui doit naturellement l’accompagner; l’un et l’autre se trouveront si vivement liés dans son imagination, qu’il n’entendra plus le cri qu’il n’éprouve le sentiment en quelque manière. C’est alors que ce cri sera un signe. Mais il ne donnera de l’exercice à l’imagination de cet homme que quand le hasard le lui fera entendre. Cet exercice ne sera donc pas plus à sa disposition que dans le cas précédent. Il ne faudroit pas m’opposer qu’il pourroit, à la longue, se servir de ces cris, pour se retracer à son gré les sentimens qu’ils expriment. Je répondrois qu’alors ils cesseroient d’être des signes naturels, dont le caractère est de faire connoître par eux-mêmes, et indépendamment du choix que nous en avons fait, l’impression que nous éprouvons, en occasionnant quelque chose de semblable chez les autres. Ce seroient des sons que cet homme auroit choisis, comme nous avons fait ceux de crainte, de joie, etc. Ainsi il auroit l’usage de quelques signes d’institution, ce qui est contraire à la supposition dans laquelle je raisonne actuellement. La mémoire, comme nous l’avons vu, ne consiste que dans le pouvoir de nous rappeller les signes de nos idées, ou les circonstances qui les ont accompagnées; et ce pouvoir n’a lieu qu’autant que, par l’analogie des signes que nous avons choisis, et par l’ordre que nous avons mis entre nos idées, les objets que nous voulons nous retracer tiennent à quelques-uns de nos besoins présens. Enfin, nous ne sçaurions nous rappeller une chose qu’autant qu’elle est liée, par quelque endroit, à quelques-unes de celles qui sont à notre disposition. Or un homme qui n’a que des signes accidentels et des signes naturels n’en a point qui soient à ses ordres. Ses besoins ne peuvent donc occasionner que l’exercice de son imagination. Ainsi il doit être sans mémoire. (CONDILLAC [1746] 1961: I, IV, I, 173–179): [D]e l’opération par laquelle nous donnons des signes à nos idées. Cette opération résulte de l’imagination, qui présente à l’esprit des signes dont on n’avoit point encore l’usage, et de l’attention qui les lie avec les idées. Elle est une des plus essentielles dans la recherche de la vérité; cependant elle est des moins con-
Zeichen und Idee nues. J’ai déjà fait voir quel est l’usage et la nécessité des signes pour l’exercice des opérations de l’ame. Je vais démontrer la même chose, en les considérant par rapport aux différentes espèces d’idées. C’est une vérité qu’on ne sçauroit présenter sous trop de faces différentes. L’arithmétique fournit un exemple bien sensible de la nécessité des signes. Si, après avoir donné un nom à l’unité, nous n’en imaginions pas, successivement, pour toutes les idées que nous formons par la multiplication de cette première; il nous seroit impossible de faire aucun progrès dans la connoissance des nombres. Nous ne discernons différentes collections, que parce que nous avons des chifres qui sont eux-mêmes fort distincts. Ôtons ces chifres, ôtons tous les signes en usage, et nous nous appercevrons qu’il nous est impossible d’en conserver les idées. Peut-on seulement se faire la notion du plus petit nombre, si l’on ne considère pas plusieurs objets, dont chacun soit comme le signe auquel on attache l’unité? Pour moi, je n’apperçois les nombres deux ou trois, qu’autant que je me représente deux ou trois objets différens. Si je passe au nombre quatre, je suis obligé, pour plus de facilité, d’imaginer deux objets d’un côté et deux de l’autre: à celui de six, je ne puis me dispenser de les distribuer deux à deux ou trois à trois; et si je veux aller plus loin, il me faudra bientôt considérer plusieurs unités comme une seule, et les réunir pour cet effet à un seul objet. Locke parle de quelques américains qui n’avoient point d’idées du nombre mille, parce qu’en effet ils n’avoient imaginé des noms que pour compter jusqu’à vingt. J’ajoute qu’ils auroient eu quelque difficulté à s’en faire du nombre vingt-un. En voici la raison. Par la nature de notre calcul, il suffit d’avoir des idées des premiers nombres, pour être en état de s’en faire de tous ceux qu’on peut déterminer. C’est que, les premiers signes étant donnés, nous avons des règles pour en inventer d’autres. Ceux qui ignoreroient cette méthode, au point d’être obligés d’attacher chaque collection à des signes qui n’auroient point d’analogie entre eux, n’auroient aucun secours pour se guider dans l’invention des signes. Ils n’auroient donc pas la même facilité que nous, pour se faire de nouvelles idées. Tel étoit,
269 vraisemblablement, le cas de ces américains. Ainsi, non seulement ils n’avoient point d’idée du nombre mille, mais même il ne leur étoit pas aisé de s’en faire immédiatement au-dessus de vingt. Le progrès de nos connoissances dans les nombres vient donc uniquement de l’exactitude avec laquelle nous avons ajouté l’unité à elle-même, en donnant à chaque progression un nom qui la fait distinguer de celle qui la précède et de celle qui la suit. Je sçais que cent est supérieur d’une unité à quatre-vingt-dix-neuf, et inférieur d’une unité à cent un; parce que je me souviens que ce sont là trois signes que j’ai choisis pour désigner trois nombres qui se suivent. Il ne faut pas se faire illusion, en s’imaginant que les idées des nombres, séparées de leurs signes, soient quelque chose de clair et de déterminé. Il ne peut rien y avoir qui réunisse dans l’esprit plusieurs unités, que le nom même auquel on les a attachées. Si quelqu’un me demande ce que c’est que mille; que puisje répondre? Sinon que ce mot fixe dans mon esprit une certaine collection d’unités. S’il m’interroge encore sur cette collection, il est évident qu’il m’est impossible de la lui faire apercevoir dans toutes ses parties. Il ne me reste donc qu’à lui présenter successivement tous les noms qu’on a inventés pour signifier les progressions qui la précèdent. Je dois lui apprendre à ajoûter une unité à une autre, et à les réunir par le signe deux; une troisième aux deux précédentes, et à les attacher au signe trois; et ainsi de suite. […] Mais pourquoi ce qui est vrai en arithmétique ne le seroit-il pas dans les autres sciences? Pourrions-nous jamais réfléchir sur la métaphysique et sur la morale, si nous n’avions inventé des signes pour fixer nos idées, à mesure que nous avons formé de nouvelles collections? Les mots ne doivent-ils pas être aux idées de toutes les sciences ce que sont les chifres aux idées de l’arithmétique? (CONDILLAC [1746] 1961 1746: II, I, 9): [C]ependant ces hommes ayant acquis l’habitude de lier quelques idées à des signes arbitraires, les cris naturels leur servirent de modèle, pour se faire un nouveau langage. Ils articulèrent de nouveaux sons; et, en les répétant plusieurs fois, et les accompagnant de quelque geste qui indiquoit les objets qu’ils vouloient faire re-
270 marquer, ils s’accoutumèrent à donner des noms aux choses. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XIII, 178– 179): […] les hommes, en état de se communiquer leurs pensées par des sons, sentirent la nécessité d’imaginer de nouveaux signes propres à les perpétuer et à les faire connoître à des personnes absentes. Alors l’imagination ne leur représenta que les mêmes images qu’ils avoient déjà exprimées par des actions et par des mots, et qui avoient, dès les commencemens, rendu le langage figuré et métaphorique. Le moyen le plus naturel fut donc de dessiner les images des choses. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, X, 140): […] plus l’usage des termes abstraits s’établit, plus il fit connoître combien les sons articulés étoient propres à exprimer jusqu’aux pensées qui paroissent avoir le moins de rapport aux choses sensibles. L’imagination travailla pour trouver dans les objets qui frappent les sens des images de ce qui se passoit dans l’intérieur de l’ame. (HUME [1748/1777] 2000a: 20): A LAPLANDER or NEGRO has no notion of the relish of wine. And though there are few or no instances of a like deficiency in the mind, where a person has never felt or is wholly incapable of a sentiment or passion that belongs to his species; yet we find the same observation to take place in a less degree. A man of mild manners can form no idea of inveterate revenge or cruelty; nor can a selfish heart easily conceive the heights of friendship and generosity. It is readily allowed, that other beings may possess many senses of which we can have no conception; because the ideas of them have never been introduced to us in the only manner by which an idea can have access to the mind, to wit, by the actual feeling and sensation. (HUME [1748/1777] 2000a: 49): Provided we agree about the thing, it is needless to dispute about the terms. (HUME [1748/1777] 2000a: 81): I hope, therefore, to make it appear that all men have ever agreed in the doctrine both of necessity and of liberty, according to any reasonable sense, which can be put on these terms; and that the whole controversy, has hitherto turned merely upon words.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken (Zedlers Universallexicon, Artikel Zeichen, 1749: LXI, 545–546): Zeichen, Lat. Signum, ist ein Ding, daraus man entweder die Gegenwart, oder die Ankunfft eines andern Dinges erkennen kann. Die neuern Philosophen haben unterschiedene Erklärungen gegeben, welche aber doch in der Haupt-Sache mit der unsrigen übereinkommen. Einige sagen: Ein Zeichen wäre, wenn man aus dem einen Dinge auf das andere den Schluß machen könne. Die Zeichen wären dreyerley, und man könnte sie in Vorbedeutungen, Wahrzeichen, und Denkmähler eintheilen. […] Ein Zeichen ist ein sinnliches Ding, durch dessen Vorstellung man auf die Vorstellung eines andern damit verknüpften kommen kann. Dasjenige, welches man durch Hülffe eines gewissen Zeichen sich vorstellen soll, heisset das Bezeichnete Lat. Signatum; Die Verhältniß aber des Zeichens zu dem Bezeichneten, heisset die Bedeutung oder Bezeichnung Lat. Significatio. Einige haben folgende Definition angenommen: Ein Zeichen sey überhaupt dasjenige, welches den Sinnen und dem Verstande etwas vorstellete, welchem das Signatum oder dasjenige, so anzeiget und vorgestellet würde, entgegen stünde. Der Jenaische Philosoph Reusch giebt diese Erklärung: Ein Zeichen sey dasjenige, welches die Existenz eines andern Dinges bedeute; und als müßte desselben Gedancke den Gedancken einer andern Sache erwecken. Das Bezeichnete, Signatum, dessen Existenz von einem andern Dinge angedeutet würde. Damit nun der Gedancke des Zeichens den Gedancken oder die Vorstellung des Bezeichneten erwecken möge: so muß das Zeichen mit dem Bezeichneten eine Verbindung haben. Diese entstehet entweder durch den Willen und Gutdüncken eines vernünfftigen Wesens, z. E. eines Menschen; oder durch den Zusammenhang der Natur, der mechanisch nothwendig ist. Jenes wird ein Willkührliches oder Künstliches, ingleichen ex impositione tale; Dieses aber ein Natürliches genennet. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 519): Sicché non ci rimanga scrupolo alcuno di aver usato il termine naturale e proprio; che è pur nello scrivere la importantissima cosa di tutte, onde nella mente dell’uditore si viene ad eccitare quella precisa idea che conviene, e non altra,
Zeichen und Idee ed equivale alla intonazione perfetta, al toccar giusto nella musica. (Encyclopédie, Artikel Construction, DU MARSAIS, 1754: IV, 73–74): L’homme est un être vivant, capable de sentir, de penser, de connoître, d’imaginer, de juger, de vouloir, de se ressouvenir, &c. Les actes particuliers de ces facultés se font en nous d’une maniere qui ne nous est pas plus connue que la cause du mouvement du coeur, ou de celui des piés & des mains. Nous savons par sentiment intérieur, que chaque acte particulier de la faculté de penser, ou chaque pensée singuliere est excitée en nous en un instant, sans division, & par une simple affection intérieure de nousmêmes. C’est une vérité dont nous pouvons aisément nous convaincre par notre propre expérience. & sur-tout en nous rappellant ce qui se passoit en nous dans les premieres années de notre enfance: avant que nous eussions fait une assez grande provision de mots pour énoncer nos pensées, les mots nous manquoient, & nous ne laissions pas de penser, de sentir, d’imaginer, de concevoir, & de juger. C’est ainsi que nous voulons par un acte simple de notre volonté, acte dont notre sens interne est affecté aussi promptement que nos yeux le sont par les différentes impressions singulieres de la lumiere. Ainsi je crois que si après la création l’homme fût demeuré seul dans le monde, il ne se seroit jamais avisé d’observer dans sa pensée un sujet, un attribut, un substantif, un adjectif, une conjonction, un adverbe, une particule négative, &c. C’est ainsi que souvent nous ne faisons connoître nos sentimens intérieurs que par des gestes, des mines, des regards, des soupirs, des larmes, & par tous les autres signes, qui sont le langage des passions plûtôt que celui de l’intelligence. La pensée, tant qu’elle n’est que dans notre esprit, sans aucun égard à l’énonciation, n’a besoin ni de bouche, ni de langue, ni du son des syllabes; elle n’est ni hébraïque, ni greque, ni latine, ni barbare, elle n’est qu’à nous: intùs, in domicilio cogitationis, nec hæbrea, nec græca, nec latina, nec barbara… sine oris & linguæ organis, sine strepitu syllabarum. S. August. confes. l. XI. c. iij. Mais dès qu’il s’agit de faire connoître aux autres les affections ou pensées singulieres, & pour ainsi dire, individuelles de l’intelligence,
271 nous ne pouvons produire cet effet qu’en faisant en détail des impressions, ou sur l’organe de l’ouïe par des sons dont les autres hommes connoissent comme nous la destination, ou sur l’organe de la vûe, en exposant à leurs yeux par l’écriture, les signes convenus de ces mêmes sons; or pour exciter ces impressions, nous sommes contraints de donner à notre pensée de l’étendue, pour ainsi dire, & des parties, afin de la faire passer dans l’esprit des autres, où elle ne peut s’introduire que par leurs sens. Ces parties que nous donnons ainsi à notre pensée par la nécessité de l’élocution, deviennent ensuite l’original des signes dont nous nous servons dans l’usage de la parole; ainsi nous divisons, nous analysons, comme par instinct, notre pensée; nous en rassemblons toutes les parties selon l’ordre de leurs rapports; nous lions ces parties à des signes, ce sont les mots dont nous nous servons ensuite pour en affecter les sens de ceux à qui nous voulons communiquer notre pensée: ainsi les mots sont en même tems, & l’instrument & le signe de la division de la pensée. C’est de-là que vient la différence des langues & celle des idiotismes; parce que les hommes ne se servent pas des mêmes signes partout, & que le même fond de pensée peut être analysé & exprimé en plus d’une maniere. (WOLFF [1754] 1996: 64): Hieraus ist nun sonnenklar, daß man mit einander reden, und einander verstehen, doch keiner einen Begriff von dem haben kann, was er redet, oder höret, indem von lauter nichts geredet wird. Dergleichen Discurse sind unter Gelehrten nicht selten, absonderlich trift man viele in der NaturLehre der Schul-Weisen. (BONNET 1755: 39): L’usage des Termes ne se borne pas à multiplier les Idées, à les universaliser. Il les fixe, pour ainsi dire, sous les yeux de l’Ame, il la rend maitresse de les considérer aussi longtems qu’elle le veut. Il facilite merveilleusement leur rappel, en multipliant à l’infini les Liens qui les unissent. (BONNET 1755: 39–40): Le simple Son, la simple Vuë d’un mot suffit pour rappeller à l’Ame une foule d’Idées, qui ne tiennent souvent à ce mot que par une certaine ressemblance d’expression, ou par des rapports encore plus legers. Enfin, par l’usage des Termes l’Ame donne à ses Idées l’arrangement que
272 les circonstances exigent. Elle dispose ainsi de ses idées comme bon lui semble, elle exerce sur elles l’Empire le plus despotique. (Encyclopédie, Artikel Idée, JAUCOURT, 1757: VIII, 492): L’étude & l’usage des langues nous apprennent que presque tous les mots, qui sont des signes de nos idées, sont des termes généraux, d’où l’on peut conclure, que presque toutes les idées des hommes sont des idées générales, & qu’il est beaucoup plus aisé & plus commode de penser ainsi d’une maniere universelle. (Encyclopédie, Artikel Idée, JAUCOURT, 1757: VIII, 493–494): Cet exemple même nous indique un obstacle à nous procurer des idées distinctes, c’est l’imperfection & l’abus des mots comme signes représentatifs, mais signes arbitraires de nos idées. Voyez Mots, Syntaxe. Il n’est que trop fréquent, & l’expérience nous montre tous les jours que l’on est dans l’habitude d’employer des mots sans y joindre d’idées précises, ou même aucune idée, de les employer tantôt dans un sens, tantôt dans un autre, ou de les lier à d’autres, qui en rendent la signification indéterminée, & de supposer toujours comme on le fait, que les mots excitent chez les autres les mêmes idées que nous y avons attachées. Comment se faire des idées distinctes avec des signes aussi équivoques? Le meilleur conseil que l’on puisse donner contre cet abus, c’est qu’après s’être appliqué à n’avoir que des idées bien nettes & bien terminées, nous n’employons jamais, ou du moins le plus rarement qu’il nous sera possible, de mots qui ne nous donnent du moins une idée claire, que nous tâchions de fixer la signification de ces mots, qu’en cela nous suivions autant qu’on le pourra, l’usage commun, & qu’enfin nous évitions de prendre le même mot en deux sens différens. Si cette regle générale dictée par le bon sens, étoit suivie & observée dans tous ses détails avec quelque soin, les mots bien loin d’être un obstacle, deviendroient un aide, un secours infini à la recherche de la vérité, par le moyen des idées distinctes, dont ils doivent être les signes. C’est à l’article des définitions & à tant d’autres, sur la partie philosophique de la Grammaire que nous renvoyons. (HELVÉTIUS 1758: 8): […] tous les mots des diverses langues ne désignent jamais que des
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken objets ou les rapports de ces objets avec nous & entre eux […]. (BLANCHET 1760: 23): La progression naturelle des choses veut que je parle ici des signes, des conceptions & des sentimens. Les mots sont les signes des idées & des sentimens: ils ne sçauroient être naturels: il n’y a aucun rapport entre les choses représentées & les signes, & les mêmes perceptions sont rendües par des termes différens chez les différentes nations. (BLANCHET 1760: 27–28): Je puis encore inférer de la nature des mots envisagés comme signes, qu’il doit regner une convenance parfaite entre les conceptions, les sentimens & les termes qui les représentent: si les premiers sont si simples & naïfs, ou nobles & sublimes, ou fiers & terribles, il faut que les seconds soient marqués au coin de la simplicité & de la naïveté, ou de la noblesse & de la sublimité, ou de la fierté & de la terreur; il faut de plus qu’ils conservent les mêmes nuances que les premiers. C’est à la nature des objets de décider le caractère des idées & des sentimens. (MICHAELIS 1760: 8): Einer von der Philosophie noch nicht bearbeiteten Sprache muß es nothwendig an vielen solchen Wörtern fehlen, die etwas nicht die äußern Sinne fallendes, vornehmlich metaphysische Ideen ausdrücken. (MICHAELIS 1760: 13): Bey Ehre denken wir alle etwas, und gewissermaßen einerley. Wir verstehen das Wort, allein die Abstammung ist uns unbekannt. Es hilft uns daher nicht mehr, als wenn wir ein algebraisches Zeichen dafür hinsetzten, und die Ehre Z nennten: nichts von dem Wesen der Ehre wird uns dadurch entdecket, und keinem Irrthume gesteuret, durch welchen entweder der pöbelhafte Held rasend, oder der finstere Moraliste niederträchtig und fühllos wird. […] Dieser im Worte liegende Begriff der Ehre zeigete, daß man sie durch Uebelthaten, nicht durch bloße Verwüstungen der Länder, sondern durch Wohlthaten erlangen könnte: es folgete aus ihm, daß die Ehre ein wahres und großes Gut sey; denn da ich so viel gutes oder böses von meinen Nebenmenschen zu erwarten habe, so darf ihre gute Meinung mir nicht gleichgültig seyn, und der mürrische Moraliste, der sie für Dunst ausgiebt, vergißt dabey die Natur und den Zustand der Menschen eben so sehr, als
Zeichen und Idee wenn er ihnen beföhle, sich so unabhängig aufzuführen, als Gott thun kann, und so wenig Hülfe und Wohlthaten von andern zu verlangen, als Gott bedarf. (MICHAELIS 1760: 41): Ich erinnere mich hiebey des Vorwurffs, den einige Theologen allen menschlichen Sprachen überhaupt machen, als wären sie so unvollkommen, daß wir deshalb manche göttliche Dinge nicht ausdrücken könnten, ohne uns zu verwirren. (MICHAELIS 1760: 51): Die Wörter, Zeit und Raum darf ich wohl nicht vorbey gehen, ob ich gleich keine Klage wieder sie habe. Gantze Schulen von Philosophen, die beides nur vor Reihen von Monaden, und vor Veränderungen oder Begebenheiten halten, und weder leeren Raum noch leere Zeit zugeben, beschuldigen hier die Sprachen, daß sie unsere Phantasie betrügen, Zeit und Raum auch ohne Dinge zu dencken. (MICHAELIS 1762: 15): Toute Langue, avant d’être maniée par les philosophes, manquera nécessairement de termes propres à désigner les objets qui ne tombent point sous les sens, & sur tout les idées métaphysiques. (MICHAELIS 1762: 23): Nous pensons tous quelque chose, & jusqu’à un certain point la même chose, lorsque nous prononçons, ou entendons prononcer le mot de Gloire: Nous entendons le mot, mais nous en ignorons l’étymologie: nous n’en sommes donc pas plus avancés que si nous nous fussions servi d’un caractere algébraïque, en exprimant, par exemple la Gloire par Z. Ce mot ne nous découvre pas en quoi consiste la Gloire; il ne remédie à aucune erreur: il ne désabuse ni le héros insensé qui court après le fantôme de la Gloire, ni le sombre Moraliste qui affecte de la mépriser. (MICHAELIS 1762: 25–26): Cette idée de la Gloire, renfermée dans l’expression, faisoit voir encore que ce n’étoit pas par le crime, ni par la dévastation des provinces, mais par des vertus, & par des bienfaits que l’on y parvenoit. Il s’ensuivoit que la Gloire est un bien réel, & un des plus grands biens; car si nous considérons combien notre bonheur ou notre malheur dépendent des autres hommes, l’opinion qu’ils ont de nous, ne nous fera certainement pas indiférente, & le Docteur Misantrope, qui nous représente la Gloire comme
273 une vaine fumée, enseigne une doctrine tout aussi contraire à la nature humaine, & à la situation où nous sommes placés ici bas, que s’il nous ordonnoit d’être indépendans comme la Divinité, & de n’avoir, comme elle, aucun besoin des secours & des bons offices d’autrui. (MICHAELIS 1762: 81): Je me rappelle ici un reproche d’imperfection que quelques théologiens ont fait à toutes les langues humaines, fondés sur ce qu’il n’y en a aucune qui puisse rendre toutes les choses divines, sans nous jetter dans la confusion. (MICHAELIS 1762: 99–100): Il ne me seroit gueres permis de passer sous silence les mots de Tems & d’Espace, quoique je n’y trouve rien à redire. On fait que des Ecoles entieres de Philosophes ne regardent le Tems & l’Espace que comme des series de monades, de changemens ou de phénomènes, & n’admettent aucun vuide ni dans l’un ni dans l’autre, & ces philosophes accusent le langage de tromper à cet égard l’imagination, en lui représentant le Tems & d’Espace indépendamment de toute autre chose, & comme des Etres subsistans par eux-mêmes. (LAMBERT [1764] 1990: 468): Da die eigentlich klaren Begriffe nur bei den Empfindungen statt haben, so ist notwendig, daß solche Zeichen ebenfalls von der Art sein müssen, daß wir sie jedesmal und nach Belieben wieder empfinden können. Denn nicht nur wird dadurch der Begriff des Zeichens klar, sondern, weil stärkere Empfindungen die schwächern unterdrücken, so können wir auch ohne Mühe die Aufmerksamkeit darauf richten, und das Zeichen erinnert uns an den Begriff, dessen wir uns zwar ohne Empfindung nicht klar bewusst sind, den wir aber, so bald die Empfindung erneuert wird, wieder erkennen können. Dieses ist alles, was wir uns vorstellen, wenn wir, ohne die Empfindung zu erneuern, an den Begriff Rot, Weiß, Grün, etc. oder eine Terz, Quart, Quint, Oktave etc. oder an süß, bitter, sauer gedenken. (LAMBERT [1764] 1990: 469): So lange die Sache, welche ein Zeichen vorstellet, nicht gegenwärtig ist, noch von uns empfunden wird, haben wir nur den Begriff des Zeichens klar, weil wir in der Tat keine andere unmittelbare Zeichen wählen können, als solche, die in Empfindungen bestehen. Denn wähleten wir
274 Zeichen, die wir nicht immer wieder empfinden könnten, so würde der Begriff desselben in seiner Abwesenheit uns eben so dunkel bleiben, als der Begriff der ebenfalls abwesenden Sache, die das Zeichen vorstellet, und wir müssten ein neues Zeichen annehmen, welches wir empfinden könnten. (LAMBERT [1764] 1990: 470): Aus den bisherigen Betrachtungen erhellet nun, dass die symbolische Erkenntnis uns ein unentbehrliches Hülfsmittel zum Denken ist. Denn da wir, ohne die Empfindung der Sache zu erneuern, den Begriff derselben wachend nicht aufklären können, wie es etwan im Träume geschieht, so würden wir ohne die Zeichen der Begriffe, entweder von jeder gegenwärtigen Empfindung hingerissen werden, und uns höchstens nur der ähnlichen Empfindung dunkel bewußt sein, oder von andern vormals gehabten Empfindungen nur ein dunkeles und flüchtiges Bewusstsein haben, welches nun aber wenig dienen würde, wenn wir es nicht an Zeichen binden könnten, deren Empfindung wir erneuern, und die Aufmerksamkeit ganz darauf richten könnten. (DE BROSSES 1765: I, 10): […] si les sons vocaux signifient les idées représentatives des objets réels, c’est parce que l’organe a commencé par s’efforcer de se figurer lui-même, autant qu’il a pu, semblables aux objets signifiés, pour rendre aussi par-là les sons aeriens […]. (DE BROSSES 1765: I, 12): De sorte que la réunion de trois especes par elles-même aussi disparates que le sont l’idée, la voix, & la lettre, résulte de ce commun effort d’assimilation, & de leur tendance vers l’objet signifié, ou elles trouvent un centre commun, établissant entr’elles une relation non seulement intuitive, mais réelle, & dont l’effet est d’une extrême promptitude. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 249): Un vocabulaire est véritablement la suite ou l’amas des mots dont se sert un peuple, pour signifier les choses & pour se communiquer ses pensées. Mais ne faut-il que des mots pour constituer une langue; & pour la savoir, suffit-il d’en avoir appris le vocabulaire? (Encyclopédie, Artikel Lettres, BEAUZÉE, 1765: IX, 407–408): Il est cependant arrivé
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken par le laps de tems, que sous le nom du signe on a compris indistinctement & le signe & la chose signifiée. Priscien, ibid. remarque cet abus: abusivè tamen & elementa pro litteris & litterae pro elementis vocantur. Cet usage contraire à la premiere institution, est venu, sans doute de ce que, pour désigner tel ou tel élément de la voix, on s’est contenté de l’indiquer par la lettre qui en étoit le signe, afin d’éviter les circonlocutions toujours superflues & très-sujettes à l’équivoque dans la matiere dont il est question. (Encyclopédie, Artikel Metapher, BEAUZÉE, 1765: X, 437): Nous avons déja remarqué que les langues n’ont pas autant de mots que nous avons d’idées; cette disette de mots a donné lieu à plusieurs métaphores: par exemple, le coeur tendre, le coeur dur, un rayon de miel, les rayons d’une roue, &c. L’imagination vient, pour ainsi dire, au secours de cette disette; elle supplée par les images & les idées accessoires aux mots que la langue peut lui fournir; & il arrive même, comme nous l’avons déja dit, que ces images & ces idées accessoires occupent l’esprit plus agréablement que si l’on se servoit de mots propres, & qu’elles rendent le discours plus énergique: par exemple, quand on dit d’un homme endormi qu’il est enseveli dans le sommeil, cette métaphore dit plus que si l’on disoit simplement qu’il dort. (Encyclopédie, Artikel Mot, BEAUZÉE, 1765: X, 762–763): Je finirai cet article par une définition du mot la plus exacte qu’il me sera possible. L’auteur de la Grammaire genérale (part. II. ch. i.) dit que “l’on peut définir les mots, des sons distincts & articulés dont les hommes ont fait des signes pour signifier leurs pensées”. Mais il manque beaucoup à l’exactitude de cette définition. Chaque syllabe est un son distinct & souvent articulé, qui quelquefois signifie quelque chose de nos pensées: dans amaveramus, la syllabe am est le signe de l’attribut sous lequel existe le sujet; av indique que le tems est prétérit (voyez Tems.); er marque que c’est un prétérit défini; am final désigne qu’il est antérieur; us marque qu’il est de la premiere personne du pluriel; y a-t-il cinq mots dans amaveramus? La préposition françoise ou latine à, la conjonction ou, l’adverbe y, le verbe latin co, sont des sons non-articulés, & ce sont pour-
Zeichen und Idee tant des mots. Quand on dit que ce sont des signes pour signifier les pensées, on s’exprime d’une maniere incertaine; car une proposition entiere, composée même de plusieurs mots, n’exprime qu’une pensée; n’est-elle donc qu’un mot? Ajoutez qu’il est peu correct de dire que les hommes ont fait des signes pour signifier; c’est un pléonasme. Je crois donc qu’il faut dire qu’un mot est une totalité de sons, devenue par usage pour ceux qui l’entendent, le signe d’une idée totale. 1°. Je dis qu’un mot est une totalité de sons; parce que, dans toutes les langues, il y a des mots d’une & de plusieurs syllabes, & que l’unité est une totalité aussi-bien que la pluralité. D’ailleurs, j’exclus par-là les syllabes qui ne sont que des sons partiels, & qui ne sont pas des mots, quoiqu’elles désignent quelquefois des idées, même complexes. 2°. Je n’ajoute rien de ce qui regarde l’articulation ou la non articulation des sons; parce qu’il me semble qu’il ne doit être question d’un état déterminé du son, qu’autant qu’il seroit exclusivement nécessaire à la notion que l’on veut donner: or, il est indifferent à la nature du mot d’être une totalité de sons articulés ou de sons opposés, n’exclut ni l’un ni l’autre de la notion du mot: son simple, son articulé, son aigu, son grave, son bref, son alongé, tout y est admissible. 3°. Je dis qu’un mot est le signe d’une idée totale; & il y a plusieurs raisons pour m’exprimer ainsi. La premiere, c’est qu’on ne peut pas disconvenir que souvent une seule syllabe, ou même une simple articulation, ne soit le signe d’une idée, puisqu’il n’y a ni inflexion ni terminaison qui n’ait sa signification propre: mais les objets de cette signification ne sont que des idées partielles, & le mot entier est nécessaire à l’expression de l’idée totale. La seconde raison, c’est que si l’on n’attachoit pas à la signification du mot une idée totale, on pourroit dire que le mot, diversement terminé, demeure le même, sous prétexte qu’il exprime toûjours la même idée principale; mais l’idée principale & les idées accessoires sont également partielles, & le moindre changement qui arrive dans l’une ou dans l’autre est un changement réel pour la totalité; le mot alors n’est plus le même, c’en est un autre, parce qu’il est le signe d’une autre idée totale. Une troisieme raison, c’est que
275 la notion du mot ainsi entendue est vraie, de ceux même qui équivalent à des propositions entieres, comme oui, non, allez, morieris, &c. car toute une proposition ne sert qu’à faire naître dans l’esprit de ceux qui l’entendent une idée plus precise & plus développée du sujet. 4°. J’ajoute qu’un mot est signe pour ceux qui l’entendent. C’est que l’on ne parle en effet que pour être entendu; que ce qui se passe dans l’esprit d’un homme, n’a aucun besoin d’être représenté par des signes extérieurs, qu’autant qu’on veut le communiquer au-dehors; & que les signes sont pour ceux à qui ils manifestent les objets signifiés. Ce n’est d’ailleurs que pour ceux qui entendent que les interjections sont des signes d’idées totales, puisqu’elles n’indiquent dans celui qui les prononce naturellement que des sentimens. 5°. Enfin, je dis qu’un mot devient par usage le signe d’une idée totale, afin d’assigner le vrai & unique fondement de la signification des mots. “Les mots, dit le pere Lami (Rhét. liv. I. ch. iv.), ne signifient rien par euxmêmes, ils n’ont aucun rapport naturel avec les idées dont ils sont les signes; & c’est ce qui cause cette diversité prodigieuse de langues: s’il y avoit un langage naturel, il seroit connu de toute la terre & en usage partout”. C’est une vérité que j’ai exposée en détail & que je crois avoir bien établie à l’article Langue (art. I. sub fin.). Mais si les mots ne signifient pas par nature, ils signifient donc par institution; quel en est l’auteur? Tous les hommes, ou du-moins tous les sages d’une nation, se sont-ils assemblés pour régler dans une délibération commune la signification de chaque mot, pour en choisir le matériel, pour en fixer les dérivations & les déclinaisons? Personne n’ignore que les langues ne se sont pas formées ainsi. La premiere a été inspirée, en tout ou en partie, aux premiers auteurs du genre humain: & c’est probablement la même langue que nous parlons tous, & que l’on parlera toûjours & par-tout, mais altérée par les changemens qui y survinrent d’abord à Babel en vertu de l’operation miraculeuse du ToutPuissant, puis par tous les autres qui naissent insensiblement de la diversité des tems, des climats, des lumieres, & de mille autres circonstances diversement combinées. “Il dépend de nous, dit encore le pere Lami (ibid. ch. vij.), de comparer les choses comme nous
276 voulons”; (ce choix des comparaisons n’est peut-être pas toûjours si arbitraire qu’il l’assure, & il tient souvent à des causes dont l’influence est irrésistible pour les nations, quoiqu’elle pût être nulle pour quelques individus; mais du moins est-il certain que nous comparons très-différemment, & cela suffit ici: car c’est) “ce qui fait, ajoute-t-il, cette grande différence qui est entre les langues. Ce que les Latins appellent fenestra, les Espagnols l’appellent ventana, les Portugais janella; nous nous servons aussi de ce nom croisée pour marquer la même chose. Fenestra, ventus, janua, crux, sont des mots latins. (LEIBNIZ [1765] 1962: 278): […] il est vray qu’elles [les significations] ne sont point déterminées par une nécessité naturelle, mais elles ne laissent pas de l’estre par des raisons tantost naturelles où le hazard a quelque part, tantost morales où il y entre du choix. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 40): Wenn nun durch ein wilkührlich gewähltes und die Sinne rührendes Zeichen, durch ein Wort, oder einen geschriebenen Character, der materielle Begriff wieder hervorgebracht wird, so wird auch der Abdruck dessen, was damit willkührlich verbunden worden, in meinem Gemüthe wieder lebendig gemacht. Man kan sich also durch ein solches Hülfsmittel einer Sache leichter wieder erinnern. Je öfter man nun das Zeichen mit dem Bezeichneten dem Gemüthe in Verbindung dargestellet, und sich hierin geübet, so leichter wird auch sodann die Erinnerung werden, so, daß man endlich zu einer Fertigkeit kommt. Es ist also leicht einzusehen, daß die gewählte Zeichen als Hülfsmittel bey dem Fortgang der Seele zur Attention und Reflexion und folglich zur Deutlichkeit der Begriffe e numero sensibilium seyn müßen. Wären sie es nicht, so könten sie nicht die materiellen Begriffe hervorbringen, folglich auch nicht die intellectuellen; sie könten also nicht Mittel des zu erreichenden Endzwecks seyn. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 42): Daher ist es nothwendig, daß wir bey dem Abstrahiren die vortreflichen Hülfsmittel der Zeichen anwenden, um dadurch der sonst unausbleiblichen Verwirrung zu begegnen. Diese Zeichen müssen also die Führer in dem Labyrinth unserer Vorstellungen seyn. Sie sind die Stützen, wo-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken durch ein abgesonderter und und allgemeiner Begriff den Augen des Gemüths als gegenwärtig dargestellet wird, wodurch wir uns der Individuorum, Specierum und Generum bewußt bleiben, von denen wir selbige abgesondert haben. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 43–44): Diese Kunst durch Zeichen zu denken, heißet Cognitio symbolica, so wie die, ohne dieselbe, intuitiua genannt wird. Beyde sind nothwendig, letztere aber würde ohne die erstere sehr unvollständig bleiben müssen. So bald nun der Mensch sich der Zeichen zu bedienen anfängt, und zu deutlichen und abgesonderten Begriffen gelanget, so bald fängt er an aus den Orden der Thiere auszugehen, und ein Mensch zu werden, als dessen wesentlicher Unterschied in dem Gebrauch der Vernunft bestehet. Bey dem Herrn Reusch findet man dies alles in der Kürze beysammen. Er setzet die Erfahrung zum Grunde, nach der in unserer Seele ein beständiges Bemühen ist, die perceptiones zu verändern, daher man eine und eben dieselbe Vorstellung nicht lange ohne Veränderung erhalten kan, wodurch folglich die Attention beständig unterbrochen, und die Reflexion und Bildung abstracter Begriffe gehindert wird. Und da die Apperception der Aehnlichkeiten bey abstracten Begriffen blos in der Seele geschiehet, und im Körper keine damit übereinstimmende Bewegung vorhanden ist, so muß man der Vorstellungskraft ideae materiales verschaffen und also die Zeichen gebrauchen lernen, als wodurch ideae materiales objectorum verschaft und dadurch die ideae mentales in ihrer Fortdauer können erhalten werden. Daraus schliesset er, daß es, sonderlich bey der Abstraction, überaus schwer halte, das Gemüth von einem Begriffe abzuziehen, und es allein an das anzuheften, was man besonders denket, dafern man nicht die Seele durch Wörter als durch Zeichen auf das hinlenke und durch Zeichen gleichsam als mit Fingern auf das hinweise, was sonst leichtlich unsere Aufmerksamkeit betrügen kan. Der Freyherr von Wolf hat dieses alles umständlicher und zusammenhängend in seinem grössern lateinischen Werke bewiesen, und die Nothwendigkeit der Zeichen für unser Gedächtniß und alle übrige Würkungen der Seele bey Abstractionen dargethan. Er zeiget, daß
Zeichen und Idee man weder scharf, noch tief, noch gründlich ohne selbige denken könne, woraus denn also die unzertrennliche Verbindung der intuitiven und symbolischen Erkenntniß sowohl a priore als a posteriore, aus Vernunftsgründen und der Erfahrung, von ihm dargethan wird. ([MAYET 1771] I-M-664: 15): Les dénominations mêmes, qui viennent bientôt attacher dans le cerveau d’un enfant en société les images des objets qui ne faisoient jusques-là que s’y peindre successivement et accidentellement, ne lui donnent d’abord que la simple puissance de se rappeller l’image d’un objet, en prononçant ou en entendant prononcer sa dénomination, ou la puissance réciproque de se rappeller la dénomination à la faveur de l’objet; et ce n’est qu’à force de tems, d’exercice et d’expérience, que son imagination parvient à mettre de l’ordre et de la combinaison dans les objets gravés ainsi dans son cerveau avec leurs modifications, à les remuer, à les transposer, à en chercher les rapports, et à former cette association d’idées qui produit le jugement et la réflexion. “Mais les Signes, dit Mr. Bonnet (Essai analytique sur les facultés de l’ame), ne donnent pas la faculté d’abstraire, ils ne font que la perfectionner. […]” (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-680: 8): Und ob uns gleich sein Geschichtschreiber erzählet, was er bey Erblickung derselben gesagt, so läßt sich doch hierauf antworten, daß uns Moses nur will begreiflich machen, was für Gedancken damahls bey dem neuen Ehemann entstanden sind. Worzu hätten ihm sonsten die Begriffe und die Sprache beygewohnt, wenn er nicht gewust hätte, auf welchen Gegenstand sich der Begrif und der Ausdruck leite. Er würde entweder alles durcheinander gemenget haben, oder Gott hätte ihm außerordentlicher Weise zeigen müßen, wie er mit jedem Dinge den gehörigen Begrif verknüpfen und ihm die zukommende Benennung geben müße. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 4): Sie fangen erstlich an, Sachen mit natürlichen Wörtern zu benennen, und geben alsdenn ihre Gedancken, theils durch Zeichen der Händen oder Füßen, theils durch dergleichen Wörter zu erkennen. (Ich nenne diejenigen Wörter natürliche, welche den natürlichen Schall der Dingen ausdrücket; die andern, so solches
277 nicht thun, pfleget man willkührliche heißen.). (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 11): Wir müßen aber auch überhaupt hier gedencken, daß, wo einer unter unseren Sprachlosen Leuten, um die idee einer Sache zu exprimiren, einen Schall hervorbringet, welcher entweder schwer auszusprechen, oder sonst nicht wohl getroffen sey; ein andrer, der ein gutes genie von der Natur besitzet, ein beßeres Wort leicht werde erfinden können, welches dann immer zu gebrauchen die gantze Gesellschaft bald kan einig werden. (TETENS 1772: 34–36): Diese sinnliche Abstraction gehet vor der logischen Abstraction des Verstandes vorher, und unterstützet diese. Man hat bey dem Ursprung der allgemeinen Begriffe Schwierigkeiten gefunden, weil man den Einfluß von jener übersehen hat. Die Abstraction des Verstandes setzet, wie sich viele sie vorstellen, voraus, daß die einzelnen wirklichen Dinge schon mit völliger Klarheit von einander unterschieden werden. Diese Dieen einzelner Gegenstände sollen alsdenn von der Denkkraft gegen einander gehalten, verglichen, das Gemeinschaftliche in ihnen gesammlet, abgesondert und zusammen gefasset, und nun, damit es in derselben Verbindung beysammen erhalten werde, mit einem Ton, oder überhaupt mit einem sinnlichen Zeichen, merkbarer gemacht werden. Wahr ist es, diese Arbeiten der höhern Erkenntnißkraft sind nothwendig, wenn wir unsere allgemeine Begriffe genau bestimmen, deutlich machen, und in logische Erklärungen einkleiden wollen. Wahr ist es auch, daß diejenige Vorstellung, welche das Gemeinschaftliche mehrerer Dinge enthält, in unzählichen Fällen wieder aus einander fliessen, sich auflösen, und in ihre Theile zergehen würde, wenn das Wort nicht die Stelle eines Bandes, das sie in der Seele zusammenhält, vertreten würde. Dies würde am meisten alsdenn statt finden, wo die Aehnlichkeit der wirklichen Gegenstände nur allein aus einem gewissen künstlichen Gesichtspuncte bey ihnen wahrgenommen werden kan. Aber wo die Natur selbst, so zu sagen, die Classen gemacht hat, wie bey den Bäumen, Menschen, Bergen, und dergleichen, da ist eben sowohl möglich, daß die gemeinschaftlichen Züge in den allgemeinen Bildern der Einbildungskraft, zu einer
278 festen und stätigen Verbindung gelangen, ohne Beyhülfe der Töne, obgleich diese immer jene Vereinigung noch mehr befördern; als es möglich ist, daß wir täglich tausend äussere einzelne Objecte von einander vollkommen unterscheiden, ohne sie mit besondern Nahmen beleget zu haben. (HELVÉTIUS 1773: 242): A-t-on des idées claires et vraies? Ce n’est point assez. Il faut pour les communiquer aux autres pouvoir encore les exprimer nettement. Les mots sont les signes représentatifs de nos idées. Elles sont obscures, lorsque les signes le sont, c’est-à-dire, lorsque la signification des mots n’a pas été très-exactement déterminée. (ADELUNG [1774–1786/1793–1801] 1990: I, 781): Bedeutung. (b) Der Begriff, der durch ein Wort oder Zeichen erreget werden soll. (MEINER 1781: 1): Die Sprache, im weitläufigsten Verstande genommen, ist eine durch willkührlich gewählte und gleichsam verabredete Zeichen bewirkte Abbildung alles dessen, was in unserer Seele vorgehet. (ANONYM 1787: V): […] en effet, quels sont les procédés qui conduisent les Enfans à la connoissance de leur langue maternelle? n’estce pas en plaçant sans cesse devant eux le mot à côté de la chose, qu’on leur apprend à nommer? (CAMPOS 1791: 24): Fíxanse las ideas con las palabras, y casi se identifican, en términos, que no podemos separarlas, ni discurrir sobre las unas sin discurrir sobre las otras. (JENISCH 1796: 6): Durch das bezeichnende Wort wird der Gegenstand gleichsam in die Seele eingeheftet. Daher ist es dem Menschen natürlich, ein jedes Ding, welches seine Sinne mit einem empfindlichen Eindruck berührt, mit einem bestimmten Ausdruck, als mit seinem eigenthümlichen Namen, zu bezeichnen. Die scholastische Philosophie war vielleicht nicht reicher an namentlichen Bezeichnungen ihrer Eintheilungen und Unterordnungen der Begriffe, als die Sprache des Wilden an bedeutungsvollen Ausdrücken für die kleinen Geschäfte des Jagt- Hirten- oder Nomadenlebens, welches er führt; – oder als die Sprache des Handwerkers an Namen zur Bezeichnung der Werkzeuge und des Zubehörs in seinem Gewerbe. So natürlich ist es dem Menschen, die Gegenstände, die sich seiner Beobachtung
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken darbieten, mit Worten zu bezeichnen! Und es ist daher der Natur des Menschen sehr gemäss geschildert, wenn der älteste Geschichtschreiber von dem ersten Menschen sagt, dass er jedem Thier, welches der Schöpfer ihm vorführte, seinen bestimmten Namen beilegte […]. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 87–88): Dans cet état cette idée est individuelle et particulière: si vous n’avez l’usage d’aucune langue, le signe de cette idée est l’individu lui-même. Si vous vous faites à vous-même un langage qui vous soit propre, vous donnez à votre idée le nom, ou le signe que vous voulez; mais ce nom ne représente que l’individu observé. Si vous êtes avec des gens qui parlent français, et c’est le cas où vous vous êtes trouvés dans votre enfance, ils vous disent que cela s’appelle une pêche: mais ce mot pêche, qu’ils ont déjà généralisé, et qui est pour eux le nom commun à toutes les pêches imaginables, n’est encore pour vous que le nom de celle que vous voyez; il est purement individuel, comme le serait celui que vous auriez créé arbitrairement pour votre usage. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 89): Voyons actuellement celle par laquelle ces idées particulières, et propres à un individu seulement, deviennent générales et communes à plusieurs. Revenons à l’exemple de la pêche. Après vous être formé l’idée de cette première pêche, vous voyez d’autres êtres qui ont àpeu-près les mêmes qualités qu’elle, qui ont avec elle beaucoup de caractères communs, mais qui en diffèrent cependant à bien des égards, car il n’y a pas deux êtres absolument semblables dans la nature. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 91): Cette opération d’abstraire, ainsi que celle de concraire, est d’un très-fréquent usage: nous leur devons toutes nos idées composées; mais remarquez bien la différence essentielle de leurs effets. L’opération de concraire nous sert à nous former l’idée des êtres qui existent, et celle d’abstraire à composer des groupes d’idées dont le modèle n’existe pas dans la nature, et qui néanmoins nous sont très-commodes pour faire de nouvelles comparaisons et appercevoir de nouveaux rapports entre les résultats des rapports que nous connaissons déjà.
Zeichen und Idee (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 91–92): En effet une telle pêche existe réellement, telles et telles autres existent aussi; c’est par l’opération de concraire les sensations qu’elles nous ont données que nous avons formé l’idée de chacune d’elles. Mais une pêche en général, abstraction faite des circonstances particulières qui distinguent chacun de ces individus pêches, une telle pêche n’existe que dans notre esprit, et c’est par l’opération d’abstraire que nous en avons formé l’idée: néanmoins cette idée me sera très-utile si je veux, par exemple, établir la différence entre les pêches et les abricots; car alors je n’ai pas besoin de faire attention à toutes les nuances qui différencient les pêches entre elles, et les abricots entre eux; je n’ai à considérer que ce qui est commun à toutes les pêches, et ce qui est commun à tous les abricots. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 93–94): C’est déjà une classification, une généralisation que ces expressions bien et bonnes; car toutes ces choses ne nous font pas le même bien, ne nous sont pas bonnes de la même manière. Ainsi ce sont des impressions différentes entre elles que nous réunissons sous un même point de vue par la ressemblance commune qu’elles ont de nous faire chacune un bien, de nous être chacune ce que nous appelons bonne. Mais nous ne nous en tenons pas là: de toutes ces choses qui sont bonnes, nous extrayons l’idée de bonté, et nous employons cette idée comme si c’était une chose qui existât indépendamment des êtres dans lesquels elle se trouve; de tout ce qui est utile, nous extrayons de même l’idée d’utilité; de ce qui est beau, l’idée de beauté. ce sont ces termes et ces idées qu’on appelle plus communément termes abstraits, idées abstraites. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 94–95): Remarquez même que ces deux opérations opposées, concraire et abstraire, se trouvent toujours réunies, et sont nécessaires toutes deux dans la formation de toute idée composée quelconque; car toutes les fois que je forme une nouvelle idée avec divers élémens pris çà et là, si je sépare chacun de ces élémens de circonstances que je néglige, parcequ’elles ne sont pas nécessaires à mon objet, si je les en abstrais, en même tems je les réunis, je les concrais pour en former l’idée nouvelle.
279 (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 99): Si nous avions donné des noms particuliers aux saveurs et aux odeurs comme aux couleurs, je ferais de même à l’occasion des rapports que cette fraise a avec moi de me causer une certaine odeur et une certaine saveur; car tout rapport donne nécessairement lieu à trois idées, celle du rapport lui-même, celle de son effet, celle de sa cause: si le plus souvent nous ne formons pas ces idées, ou si nous ne les désignons pas distinctement par des noms particuliers, c’est que cela ne nous est pas utile, ou plutôt c’est que les noms particuliers que nous leur avons donnés d’abord, nous les avons étendus à d’autres idées à-peu-près semblables; qu’ainsi ils sont devenus communs et généraux, et que nous ne nous sommes pas embarrassés de les remplacer par d’autres qui soient restés particuliers et spéciaux. Mais il n’y a pas un des innombrables rapports que chacun des êtres existans ont avec nous, qui ne pût être la source de trois idées particulières, de trois mots particuliers pour les exprimer. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 102– 103): […] la science des idées est bien intimement liée à celle des mots; car nos idées composées n’ont pas d’autre soutien, d’autre lien qui unisse tous leurs élémens que les mots qui les expriment et qui les fixent dans notre mémoire. Nous examinerons quelque jour les causes et les conséquences de ce fait; mais en attendant, je puis parler d’une idée et du mot qui la représente comme d’une seule et même chose; car tout ce qui arrive à l’un arrive à l’autre. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 103– 104): Voyons comment ces idées et ces noms vont se généraliser. Après avoir vu cettre fraise, j’en vois d’autres; je les examine: elles lui ressemblent par des qualités constantes, communes à toutes; elles en diffèrent par des circonstances variables. Je retranche ces circonstances variables et de l’idée de la première fraise et de celles des fraises que je vois ensuite, je réunis les qualités constantes, et voilà que l’idée et le nom de fraise sont devenus communs à bien des êtres, et sont généralisés autant qu’ils peuvent l’être. Par la même raison les mots belle, bonne, utile, rouge; plaisir, bien, service, le rouge; beauté, bonté, utilité, rougeur, n’expriment plus les
280 rapports de cette première fraise avec moi, leurs produits et leurs causes, mais les rapports, les effets et les qualités des fraises en général: ils sont déjà généralisés aussi, mais pas à beaucoup près autant qu’ils peuvent l’être; car dans la suite je les étendrai à bien d’autres êtres, les uns plus, les autres moins, d’après mes observations. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 323): Des signes de nos idées, et de leur effet principal. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 329): Nous l’avons déjà dit, les mots dont nous nous servons sont les signes de nos idées; leur réunion forme une langue: et toutes les nations connues ont un langage de ce genre, c’est-àdire une langue parlée. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 334): […] ce sont donc des signes dont l’ensemble forme une langue. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 347– 348): La preuve générale que sans les signes nous ne pouvons presque pas nous rappeler nos idées ni les combiner, c’est que chacun de nous éprouve que, lorsqu’il réfléchit sur un sujet quelconque, ce n’est pas directement sur les idées qu’il médite, mais sur les mots; nous répétons ces mots, nous les retournons, nous en faisons divers arrangemens, nous sentons les nuances de leur signification, nous les prononçons tout bas, comme pour nous frapper nous-mêmes par une impression qui ne soit pas purement intellectuelle. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 349): C’est déjà un signe précieux que ce mot un; il fixe dans nos têtes une idée qui, sans son secours, demeurerait très-vague. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: III, 329– 331): L’homme surtout, malgré le nombre infini de ses idées, parvient à attacher un signe distinct à chacune de celles dont il fait un usage fréquent; il exprime les autres par les combinaisons qu’il fait des signes de celleslà. Ces combinaisons postérieures, les phrases, ne sont point des monumens durables, elles s’évanouissent après l’instant du besoin et se renouvellent quand il renaît. Mais les signes fondamentaux, les mots, sont des notes permanentes qui restent constamment attachées aux idées qu’elles représentent, qui fixent et perpétuent le résultat des opérations intellectuelles par lesquelles les idées ont été compo-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken sées, et que l’homme emploie dans toutes ses déductions, le plus souvent sans remonter jusqu’à ces opérations intellectuelles qui en déterminent la valeur. C’est donc avec des mots que nous raisonnons sur des idées faites par des jugemens, d’après les souvenirs; et ce que nous appelons raisonner, c’est encore porter des jugemens qui suivent des premiers. C’est là toute notre histoire. Que résulte-t-il de là? Que pour bien raisonner, il ne s’agit jamais que de connaître la valeur des mots et les lois de leur assemblage; pour connaître cette valeur, de connaître les idées que ces mots représentent, et les jugemens en vertu desquels ces idées sont composées; et que cette connaissance nous donne le contenu de l’idée, sujet du nouveau jugement que nous voulons porter, et la certitude que l’attribut y est ou n’y est pas compris. C’est-à-dire qu’il nous faut savoir l’idéologie et la grammaire, et qu’alors nous avons toute la logique, toute la science du discours; car elle ne consiste pas dans autre chose. Il ne peut y avoir dans la science de l’usage des mots, que celle de leur valeur et des lois de leur assemblage, comme il n’y a dans l’algèbre que la connaissance de ses signes et celle des règles du calcul. (DENINA 1804: X): […] on n’apprend guère des paroles sans apprendre des choses. (DENINA 1804: XI): […] les Stoïciens cherchoient à trouver dans le matériel du nom, l’esprit de la chose. (BERNHARDI [1805] 1990: 15): Eine jede Nachahmung führt eine absolute Verständlichkeit mit sich, so wie sie als eine solche erkannt wird, das ist, so wie ihr Urbild bekannt ist. Ein jedes willkührliche Zeichen, bedarf neben der Bekanntschaft mit dem Bezeichneten, noch das Auffassen des Zusammenhanges zwischen beiden, wenn es verstanden werden soll. (BERNHARDI [1805] 1990: 32–33): Alle innere Anschauung demnach wird in der Sprache metaphorisch dargestellt, und ist als Metapher allerdings anfangs eine Nachahmung. Willkührliches Zeichen wird sie dann erst, wenn durch die wiederholte Bekanntschaft mit dem Objekt, das Zeichen aus der Einbildungskraft in den Verstand tritt. (BERNHARDI [1805] 1990: 35): Denn das Zeichen war ja nicht nach einem Princip aufge-
Zeichen und Idee funden, sondern selbst da, wo die Nachahmung nicht in einem absolut zufälligen Merkmale bestand, zeigt sich ja die Anschauung, selbst als tönend unter verschiedenen Formen; welches der Merkmale aber aufgenommen werden sollte, als bezeichnend, hing vom Zufalle ab. (BERNHARDI [1805] 1990: 118): Alle Begriffe betreffen nichts als die Substanz und bezeichnen entweder diese selbst oder deren Eigenschaften. Die Eigenschaften werden nur an sich getrennt gedacht, aber werden immerdar auf die Substanz bezogen. (THUROT 1830–1833: I, 173): Ce n’est qu’à l’aide des signes, que nous avons des idées, ou générales, ou abstraites; que même elles ne sont telles, qu’autant que nous les considérons dans les signes qui nous les représentent; qu’enfin, ce ne sont pas véritablement les idées qui sont générales, mais qu’il n’y a que les signes, c’est-à-dire, ici, les mots, qui soient généraux, […]. (THUROT 1830–1833: I, 173): […] ce ne sont pas véritablement les idées qui sont générales, mais qu’il n’y a que les signes, c’est-à-dire, ici, les mots, qui soient généraux, parce que les mêmes mots peuvent, en effet, s’appliquer à une infinité d’objets réellement différents. (THUROT 1830–1833: I, 175): Il faudra avouer que l’homme tout entier, c’est-à-dire la raison, le génie, qui élèvent au-dessus de tout ce qui a vie et mouvement sur ce globe, consistent uniquement dans l’art des signes. (BELLO [1847] 1995: 15): Toda lengua consta de palabras diversas, llamadas también dicciones, vocablos, voces. Cada palabra es un signo que representa por sí solo alguna idea o pensamiento, y que construyéndose, esto es, combinándose, ya con unos, ya con otros signos de la misma especie, contribuye a expresar diferentes conceptos, y a manifestar así lo que pasa en el alma del que habla.
III.
1. Der Zeichenbegriff der Antike und seine Überlieferung Ein früher Text, auf den im 17. und 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Zeichenbegriff immer wieder Bezug genommen wurde, ist PLATONs Kratylos. In ihm wird die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem
281 Wort und dem von ihm bezeichneten Gegenstand vorwiegend unter ontologischem Gesichtspunkt gestellt: Entspricht ein Wort tatsächlich dem Sein des Gegenstandes, den es benennt? Die Fragestellung konnte sich auch auf den ĺ Ursprung der Namen verschieben und damit zum glottogonischen Problem werden. In logisch-funktionaler Hinsicht konnte nach dem Verhältnis zwischen dem durch den Namen bezeichneten Gegenstand und dem, was über ihn ausgesagt wird, gefragt werden. Während die Vorsokratiker die Frage nur ontologisch gestellt hatten, wird der logisch-funktionale Aspekt zwar von PLATON mehrmals angedeutet, jedoch erst von ARISTOTELES explizit herausgearbeitet. Die glottogonische Fragestellung, wie es dazu kam, dass bestimmte Gegenstände mit ihnen zugehörigen Namen belegt wurden, beherrscht schließlich die Diskussion in der nacharistotelischen Philosophie und erscheint in ähnlich lautenden Formulierungen in der späteren Sprachphilosophie bis hin zu LEIBNIZ. PLATON erkannte, dass die Sprache keine willkürliche Ansammlung von Wörtern ist, die außer ihr selbst liegende Gesetzmäßigkeiten abbilden würde, sondern dass sie selbst ȞóȝȠȢ ‘Gesetz’ ist (ĺ Arbitrarität). Die Frage nach dem erkenntnistheoretischen Wert der Sprache beantwortet er insofern negativ, als er der Analyse der Wörter die Möglichkeit abspricht, zu Erkenntnissen über die Natur der Dinge zu führen. Einige Wörter scheinen eine natürliche Beziehung zu den bezeichneten Gegenständen zu haben und damit die ijȪıİȚAnnahme zu stützen, andere eher auf den Gegenstand hinzudeuten (ĺ Natürlichkeit). Da beide Arten von Wörtern durch den Sprachgebrauch üblich geworden sind und gleichermaßen ihre Aufgabe erfüllen, eröffnen die Wörter keinen sicheren Zugang zur Natur der durch sie bezeichneten Dinge (ĺ Gebrauch). Während die Diskussion um die Richtigkeit der Wörter im Grunde bereits begriffliche Vorstellungen von den Beziehungen zwischen Zeichen und Bezeichnetem voraussetzt, wurden diese in der Antike gleichfalls allmählich entwickelt und auf Zeichen in einem allgemeinen Sinne bezogen. So liegt eine Abbildungsrelation den ikonischen Zeichen zugrunde, eine Folgerelation indexikalischen Zeichen (z. B. Donner als Zeichen für den Blitz,
282 Stimme als Zeichen für Alter), während die symbolische Relation auf Zeichen bezogen wurde, für deren Gestalt es keinen besonderen Grund gibt. Die Beziehung zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten beruht hier auf ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention, insofern sie nicht naturgegeben oder kausal erklärbar ist und innerhalb der Gruppe, die das Zeichen verwendet, Einigkeit über seine Form und ĺ Bedeutung bestehen muss. Bei den Stoikern werden bei jedem Zeichenprozess drei Korrelate unterschieden (1) das sƝmainon (das Bezeichnende), d. h. das eigentliche Zeichen als physische Entität; (2) das sƝmainomenon (das Bezeichnete), d. h. das, was vom Zeichen ausgesagt wird und keine physische Entität darstgellt; (3) prƗgma, d. h. das Objekt (im weitesten Sinne), auf das das Zeichen sich bezieht und das wiederum eine physische Entität oder ein Ereignis bzw. eine Handlung ist. Für ARISTOTELES ist das, was wir beim Sprechen mit der ĺ Stimme äußern, ein Symbol für das, was dabei unserem Geist widerfährt, und das, was wir aufschreiben, ein Symbol für das, was wir mit der Stimme aussprechen (ĺ Schrift). In De Interpretatione gibt er dafür folgende Erklärung: So wie nicht alle Menschen mit denselben Buchstaben schreiben, so sprechen sie auch nicht alle dieselbe Sprache. Die geistigen Widerfahrnisse, für welche diese sprachlichen Äußerungen an erster Stelle Zeichen sind, sind jedoch bei allen Menschen dieselben; und so sind denn auch die Dinge, von denen diese geistigen Widerfahrnisse Abbildungen sind, für alle dieselben. Der aristotelische Zeichenbegriff impliziert somit eine mehrstufige Folge von Symbolen. Die für alle Menschen gleichen Dinge der Realität werden durch Begriffe (‘geistige Widerfahrnisse’) repräsentiert, diese wiederum durch Laute und schließlich die Laute durch Buchstaben (ĺ Laut vs. Buchstabe). In der aristotelischen Tradition ist im weitesten Sinne alles Zeichen, was für etwas anderes steht; was als zuvor Erkanntes zur Erkenntnis eines anderen führt, eine andere Gegebenheit repräsentiert bzw. diese bezeichnet oder darstellt, irgendetwas, das einem anderen, dem Bezeichneten zugeordnet ist; das, was zu diesem in einer Verweisbeziehung steht. Ein
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Zeichen ist alles, was und insofern es dazu dient, etwas anzuzeigen oder kenntlich zu machen. Zeichen sind “physikalische Dinge” (Markierungen mit Tinte auf Papier, Tonwellen etc.). Was sie zu Zeichen macht, ist die vermittelnde (intermediäre) Stellung, die sie zwischen einem Objekt und einem Zeichenverwender, d. h. einer Person einnehmen. Auch AURELIUS AUGUSTINUS hat das Problem des Zeichens im Allgemeinen und des sprachlichen Zeichens im Besonderen immer wieder beschäftigt. Ein Zeichen ist für ihn etwas, das außer der Gestalt, die es der Sinneswahrnehmung eingibt, etwas anderes aus sich heraus in das Denken gelangen lässt. Auf die Zusammensetzung des durch Zeichen vermittelten Bildes haben diese jedoch keinen Einfluss. Nach AUGUSTINUS ist das reine Denken von der materiellen Gestalt der Sprachen unabhängig. Das Gedächtnis beinhalte Begriffe und Vorstellungen von deren Beziehungen, die nicht über die Sinne in das menschliche Bewusstsein gelangt sein können. Begriffe sind weder als Farben noch als Töne, Geruchsoder Geschmacksempfindungen wahrnehmbar. Daraus ergibt sich, dass die Idee als Begriff ihrem Wesen nach nichts von der widergespiegelten Sache hat. Das vom sprachlichen Zeichen Bezeichnete ist demnach ein rein geistiger Gegenstand, der auch mit dem Wort als körperlichem Gegenstand nur eine Repräsentationsbeziehung eingehen kann. Sprache ist für AUGUSTINUS das notwendige Gewand des Denkens, wenn dieses sich in die körperliche Welt herablässt, d. h. wenn es mitgeteilt werden soll (ĺ kognitive Funktion der Sprache, ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Während Wörter eine unterschiedliche, arbiträre Lautgestalt haben (ĺ Arbitrariät), sind die Begriffe weder griechisch noch lateinisch, sondern universell und von sinnlichen Gegebenheiten unabhängig (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Nur ein solches reines Denken hat nach AUGUSTINUS Anspruch auf Wahrheit, es ist unmittelbare Erkenntnis, die zwischen unkörperlichen Wesen ohne Zeichen weitergegeben würde. In ihren Grundzügen bereits bei AUGUSTINUS entwickelt, wurde die Lehre vom unkörperlichen reinen Denken, das jedoch für den Menschen nach der Erbsünde nicht mehr verfügbar sei und durch ein von Zeichen unterstütztes Denken ersetzt
Zeichen und Idee werde, auch zur Grundlage der rationalistischen Sprachtheorien. Im Mittelalter war jedoch mit dem Nominalismus eine Richtung entstanden, die sich gegen den platonischen Begriffsrealismus wendete und die Allgemeinbegriffe (universalia) nicht als etwas Wirkliches, sondern als Namen der Dinge (nomina rerum) gelten ließ. Diese Auffassung war im frühen Mittelalter revolutionär und trug entscheidend zur Bildung oppositioneller und revolutionärer Strömungen bei, insofern der Nominalismus im Gegensatz zur reinen Glaubenswissenschaft zur kritischen Wissenschaft führte. Das Vorwärtsweisende des Nominalismus war seine uneingeschränkte Betonung des Einzelnen und Individuellen, dem allein Realität zugesprochen wurde. Durch die ausnehmende Hervorkehrung des Einzelnen unter gleichzeitiger Abwertung des Allgemeinen hat der Nominalismus zunächst den Bestand der mittelalterlichen kirchlichen Lehre untergraben. Denn aus der Verneinung der Realität des Allgemeinen folgte zwangsläufig in der damaligen Denkweise, dass nicht eine Instanz auf der Welt als allenthaltender Verband ihre Hierarchie und ihre metaphysischen Dogmen, die ja sämtliche hochgradig Allgemeines beinhalten, eigentlich maßgebend sind, sondern primär ihre einzelnen Mitglieder. Die Institution insgesamt war bloß der (Sammel-)Name ihrer einzelnen Bestandteile oder Glieder. Waren aber die einzelnen Mitglieder der Institution das eigentlich Entscheidende, dann war vor allem die Hierarchie als Vermittlungsträger zwischen Gott und dem einzelnen Mitglied überflüssig. Aus der nominalistischen Bewertung des Allgemeinen folgte, dass die Dogmen dem einzelnen Menschen als Glaubenssache gegenübertreten, nicht aber Gegenstand des Denkens, des Wissens, der Wissenschaft sein können. 2. Die semiotische Relation Dass es bei der Konstitution von Zeichen um eine Relation geht, die reale Sachverhalte, mentale Gegebenheiten und materielle Träger in Beziehung setzt, gehörte bereits in der ersten Hälfte des 17. Jh. zu den Grundannahmen. Diese Annahme wurde auch auf die Wörter als materielle Träger bezogen (vgl. COMENIUS). Die Funktion des Repräsentierens oder Denotierens wird Zeichen zugeschrieben,
283 teilweise werden die Begriffe (Ideen) aber in ähnlicher Relation zu den bezeichneten Gegenständen gesehen (vgl. NICOT). Die wesentlichen Merkmale einer Klasse von Gegenständen bilden einen Begriff, der als mentales Zeichen der Klasse gelten kann. Wird dagegen eine einfache semiotische Relation zwischen Gegenständen und Zeichen etabliert, so kann diese durch das Aussparen der Begriffsebene noch weiter verkürzt werden. So setzt GUICHARD Zeichen direkt mit den bezeichneten Gegenständen in Beziehung. Damit werden Zeichen als Abbilder der Realität aufgefasst, die unter Aussparung der menschlichen Erkenntnis zu wirklichkeitsgetreuen Repräsentationen führen. In der Logik von Port-Royal wird davon ausgegangen, dass man zu einer als Begriff (idée) bezeichneten Vorstellung von einem Objekt gelangt, wenn man das Objekt als solches betrachtet, ohne dabei an das zu denken, wofür es stehen könnte. Wenn man dagegen ein Objekt ausschließlich als Repräsentant von etwas anderem betrachtet, dann ist die Vorstellung, die man davon gewinnt, die Idee eines Zeichens, und das Objekt selbst wird Zeichen (signe) genannt. Interessant ist dabei, dass sowohl bei der Betrachtung des Objekts als auch des Zeichens auf die mentale Seite abgehoben wird. Bereits aus augustinisch-rationalistischer Perspektive ergibt sich bei einer komplexen Betrachtung der semiotischen Verhältnisse eine dreistufige Repräsentanz der Zeichen: Innere, mentale Zeichen (Ideen) stehen für reale Gegenstände, ihrerseits werden die mentalen Zeichen durch Laute ausgedrückt, die wiederum durch Schriftzeichen repräsentiert werden. So nennt FRAIN DU TREMBLAY die inneren Zeichen wirkliche Sprache (parole veritable), den lautlichen Ausdruck äußere Sprache (parole exterieure oder voix articulée) und die schriftlichen Zeichen (écriture) (ĺ Schrift). Bevor jedoch ein Ausdruck durch äußere Zeichen möglich ist, müsse sich das Denken in der Imagination entsprechend ausprägen, da sein Ausdruck sonst nicht möglich sei. 3. Einteilung der Zeichen in Arten Zeichen selbst wurden als zweiseitige Gebilde angesehen, in denen eine materielle Seite, bestehend aus Lauten und Buchstaben, und
284 eine Bedeutungsseite unterschieden wird (z. B. ARNAULD / LANCELOT). Sprachliche Zeichen werden überwiegend als institutionell geschaffen aufgefasst (ĺ Konvention; ĺ Arbitrarität), wobei es immer wieder zur Diskussion der entsprechenden Merkmale des Begriffs kommt. So wird betont, dass institutionell nicht heißt, dass sie den Charakter einer plötzlich und nach dem Willen der Menschen geschaffenen Institution tragen, konventionell heiße nicht, dass die Menschen zusammen gekommen seien und über die sprachlichen Zeichen eine Übereinkunft geschlossen hätten. Arbiträr dürfe nicht mit persönlicher Willkür in der Zeichenverwendung verwechselt werden. Schließlich gab es auch Tendenzen, den sprachlichen Zeichen partielle ĺ Natürlichkeit zuzusprechen. So betrachtet DE BROSSES alle in semiotischer Relation zum bezeichneten Objekt stehenden Größen, den Begriff (idée), die Lautform (voix) (ĺ Stimme) und die Schriftform (lettre) (ĺ Schrift), als im Hinblick auf das Objekt angepasst, woraus sich zwischen ihnen nicht nur eine intuitive, sondern auch eine reale Beziehung ergebe. Die auf PLATON zurückgehende Einteilung der Zeichen in natürliche (naturale) und künstliche (artificiale) ist die seit der Antike geläufigste Art der Klassifizierung von Zeichen (ĺ Natürlichkeit). Als natürlich werden dabei solche betrachtet, bei denen sich die materielle Gestalt des Zeichens aus dem bezeichneten Gegenstand und seiner Beschaffenheit ergibt, künstliche Zeichen gelten dagegen als vom Menschen eigens für den Zweck der Repräsentation des bezeichneten Gegenstands geschaffen. Wo diese Klassifizierung aufgenommen und auch auf die menschliche Lautsprache bezogen wird, werden die Wörter in der Regel den künstlichen Zeichen zugerechnet, es kann aber auch eine Einordnung unter natürliche Zeichen erfolgen (vgl. CARAMUEL Y LOBKOWITZ). Daneben gab es einige weitere Unterteilungen nach verschiedenen Arten von Zeichen, die zur Diskussion standen. Die Autoren der Logik von Port-Royal erkannten unter den möglichen Einteilungen folgenden drei besonderes Gewicht zu: (1) Es gibt Zeichen, die mit Sicherheit auf etwas hindeuten, wie z. B. das Vorhandensein von Atmung Leben be-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken deutet, und andere, denen lediglich Wahrscheinlichkeitswert zukommt, wie z. B. Blässe auf Schwangerschaft hindeuten kann. (2) Bestimmte Zeichen sind mit den bezeichneten Dingen oder Sachverhalten verbunden, wie etwa ein Gesichtsausdruck bestimmte psychische Zustände bezeichnen kann, andererseits gibt es Zeichen, die von den bezeichneten Sachverhalten getrennt sind, wie etwa die Jesus Christus dargebrachten Opfer von dem, was sie repräsentieren. (3) Schließlich gibt es natürliche Zeichen, die nicht von der Phantasie und Entscheidung der Menschen abhängen, wie zum Beispiel das Spiegelbild für das Repräsentierte steht, andererseits gibt es eingerichtete Zeichen (signes d’institution), die nur eine entfernte oder auch keine Beziehung zur bezeichneten Sache haben (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen), ĺ Natürlichkeit). Zu letzteren zählen die Autoren von Port-Royal auch die Wörter. Laute werden also institutionell als Zeichen bestimmter Ideen eingerichtet. Der Akt dieser Institution müsse von der Erklärung der ĺ Bedeutung aus dem ĺ Gebrauch und ihrer ĺ Etymologie getrennt werden. In dieser Trennung manifestiert sich zugleich eine Grundlage der ĺ Arbitrarität des Zeichens, das von seiner Setzung her willkürlich für den bezeichneten Gegenstand gewählt wurde, aber aus dem Gebrauch heraus und durch seine Etymologie durchaus erklärt werden kann, also partiell motiviert ist. Von allen Einteilungen ist die in natürliche und konventionelle Zeichen die am häufigsten auftretende, wobei für konventionell auch institutionell, arbiträr oder artifiziell stehen kann (vgl. LAMY, CORDEMOY) (ĺ Natürlichkeit; ĺ Konvention; ĺ Arbitrarität). LAMY bezeichnet die Ideen, die uns zur Verwendung bestimmter Wörter veranlassen, als Seele (ame), für deren Ausdruck die Laute, die von ihrer Natur her nichts mit den Ideen zu tun haben, als materielle Seite oder Körper (corps) der Wörter eingerichtet wurden. Der Bezug zu DESCARTES’ Dualismus von Körper und Geist ist in dieser Gegenüberstellung des corps und der idée, die beide zum sprachlichen Zeichen gehören, deutlich ausgeprägt. Als Idee betrachtet LAMY dabei die Form des
Zeichen und Idee Gedankens, den man bei der ersten geistigen Operation, der Perzeption, gewinnt. CONDILLAC teilt die Zeichen in akzidentelle, natürliche und institutionelle ein. Die akzidentellen Zeichen sind durch bestimmte Umstände mit unseren Ideen verbundene materielle Gegenstände, die uns die Wiedererkennung der Ideen erlauben. Unter natürliche Zeichen fasst er die Schreie und andere Lautäußerungen, die für Freude, Furcht und Schmerz stehen (ĺ Natürlichkeit). Institutionelle Zeichen (ĺ Konvention) sind hingegen von den Menschen selbst gewählt worden und stehen in einer arbiträren Beziehung (ĺ Arbitrarität) zu den bezeichneten Ideen. 4. Der Dualismus von Körper und Geist und sein Bezug zum Verhältnis von Zeichen und Bezeichnetem Die Unterscheidung von Körper und Geist, die bei einer Übertragung auf die Sprachproblematik zwingend die Annahme einer arbiträren Relation zwischen Lauten und Bedeutungen voraussetzt, ist auch in CORDEMOYs Discours physique de la parole (1668, korrigierte Ausgabe 1677) der eindeutige Ausgangspunkt. Dabei wird nicht mehr wie bei DESCARTES einfach festgestellt, dass die Art der menschlichen Sprachfähigkeit auf eine von Automaten nicht erreichbare Qualität von Verstandesleistungen hindeutet, sondern es wird auch der am körperlichen Wesen des Menschen partizipierende Teil der Sprache ausführlich behandelt. Nicht mit einem Körper verbundene Geister hätten freilich den Vorteil, auf nichtkörperliche, stets klare Kommunikationsformen zurückgreifen zu können. Dieser Zustand sei dem Menschen zwar nicht erreichbar, jedoch könne ihm ein esprit éclairé zustreben. Die Beschäftigung mit der Sprache und ihrer Erklärung wird hier zu einer Art Annäherung an Kommunikations- und Erkenntnismöglichkeiten erhoben, die dem Menschen aufgrund seines körperlichen Wesens nicht gegeben sind (ĺ Mitteilungsfunktuion der Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). In Umkehrung der Argumentation wird aus der Gleichartigkeit, mit der die Menschen ihre Sprachfähigkeit gebrauchen, auf das Vorhandensein einer Seele geschlossen. Über die Produktion von Lauten hinaus, die Papageien
285 ebenso wie Menschen zustande brächten, lasse die Zweckgerichtetheit der menschlichen Sprachverwendung das Vorhandensein der raison erkennen. Neben den Schreien, die Leidenschaften des Körpers ausdrücken (signes naturels de la passion) und allen Völkern gemeinsam, wenngleich durch ĺ Missbrauch trügerisch seien, nimmt CORDEMOY in ihrer universellen Ausdrucksfähigkeit leistungsstärkere signes d’institution an (ĺ Konvention). Diese konventionellen Zeichen der menschlichen Lautsprache erklärt er in ihrem Wesen analog zum Verhältnis von Körper und Geist. Die verschiedenen Wege, auf denen Menschen Kommunikation mit ihresgleichen herstellen, also die Erfindung von Universalsprachen (ĺ Universalsprache), der Erwerb einer Fremdsprache oder der kindliche ĺ Spracherwerb, ließen das Wirken einer Seele deutlich werden, die nicht von äußeren körperlichen Bedingungen abhängt. Demgegenüber würden die Tiere bereits aufgrund ihrer körperlichen Beschaffenheit bestimmte, für ihre Artgenossen erkennbare Laute abgeben (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Den Regeln der ĺ Grammatik, die hier als etwas universell Gültiges betrachtet werden, folgt bereits der Spracherwerb des Kindes, in dem sich die Prinzipien der raison auf elementare und beobachtbare Weise manifestieren. In der Art, wie Kinder ihre Sprache erlernen und dabei Bedeutungen (ĺ Bedeutung) unterscheiden und Gedanken anordnen, ist hinter den Zufälligkeiten der Umgebung das Wirken der raison zu erkennen, das auf diesem Wege genug Argumente für die Unterscheidung von Körper und Seele liefere. Unterschiede in den sprachlichen Zeichen zwischen den einzelnen Sprachen werden auf dieser Grundlage als unproblematisch angesehen, da sie ohnehin nur das äußere körperliche Erscheinungsbild, nicht das eigentliche auf der raison und der âme beruhende Wesen der Sprachen ausmachen (ĺ Wesen der Sprache). Wörter sind austauschbar, sobald man die bezeichneten Konzepte erfasst hat. 5. Die sensualistische Bestimmung der Rolle der Zeichen Bei rationalistischen Denkern wie CORDEMOY konnte die semiotische Relation Zeichen-Idee-Objekt auch zur Relation Zeichen-
286 Objekt vereinfacht werden. Da die kognitiven Prozesse des Menschen durch die Annahme angeborener Ideen als vorherbestimmt angenommen werden, konnte die Bezeichnung direkt auf das Objekt und ohne Umweg über dessen mentale Verarbeitung vorgenommen werden. Auf sensualistischer Grundlage war eine solche Auffassung nicht mehr möglich, da die Ideen als aus einzelnen Sinneswahrnehmungen zusammengefasst betrachtet wurden. Welche Sinneswahrnehmungen dabei perzipiert würden, hinge von der Wahrnehmung des einzelnen Subjekts ab, die freilich von den Gegenständen ausgeht und durch soziale Konventionen gesteuert werden kann (ĺ Konvention). Das sprachliche Zeichen repräsentiert nach LOCKE nicht unmittelbar die Erkenntnisgegenstände, sondern lediglich die Begriffe, die sich der Erkennende subjektiv bildet und die durch Namen erst Dauerhaftigkeit und Kommunizierbarkeit erlangen. Da das Zeichen erst in einer dauerhaften Verbindung von Lauten mit Ideen entsteht, in der das Eine für das Andere steht, können die Laute für sich nur als nichts bedeutende Geräusche betrachtet werden. LOCKE betrachtet den menschlichen Geist (mind) in seinem Essay concerning Human Understanding (1690) zunächst als ein weißes Blatt Papier und verwirft die Annahme eingeborener Ideen. Komplexe Ideen, wie die mit den Wörtern whiteness, hardness, sweetness, thinking, motion, man, elephant, army, drunkenness bezeichneten, sind nicht eingeboren, sondern sie müssen von dem einzelnen Menschen als Subjekt der Erkenntnis erworben werden. Der Ursprung des Wissens liegt nach seiner Auffassung in der Sinneserfahrung, die das Material für das menschliche Denken vermittelt. Über distinkte Perzeptionen erhält der menschliche Geist sinnlich wahrnehmbare Ideen (ideas) wie yellow, white, heat, cold, soft, hard, bitter, sweet, die LOCKE Sensations nennt. Eine weitere Erkenntnisquelle, die Wahrnehmung unserer geistigen Operationen in uns selbst, führt zu einer anderen Art von Ideen, die unser Bewusstsein durch Beobachtung geistiger Vorgänge selbst erlangt. LOCKE nennt sie Reflection und möchte darunter das
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Zur-Kenntnis-Nehmen der eigenen Handlungen durch den menschlichen Geist verstanden wissen. Solche Operationen (perception, thinking, doubting, believing, reasoning, knowing, willing) nimmt er als ohne die Mitwirkung externer Objekte in jedem Menschen gegeben an. Diese beiden Erkenntnisquellen sind die einzigen, über die der Mensch verfügt, während die Sensation ihm Ideen von sinnlich wahrnehmbaren Objekten vermittelt, bringt Reflection Wissen über die eigenen Geisteshandlungen. Um sich davon zu überzeugen, dass sich die geistigen Operationen des Menschen stufenweise aufbauen, empfiehlt LOCKE die Beobachtung von Kindern. Zwar würden sich offensichtliche und verbreitete Eigenschaften einprägen, bevor das Gedächtnis sie nach Zeit und Reihenfolge anordnet, an die erste Begegnung mit ungewöhnlicheren Eigenschaften würden sich die Menschen jedoch erinnern. Man könne den Prozess des Aufbaus komplexer Ideen auch durch Verzögerung sichtbarer gestalten. LOCKE entwickelt in diesem Zusammenhang das Gedankenexperiment, ein Kind in einer Umgebung aufwachsen zu lassen, in dem es nur schwarz und weiß gibt. Es hätte ebenso wenig eine Idee von den Farben Purpur und Grün wie jemand, der noch nie Austern oder Ananas gegessen hätte, eine Vorstellung von deren Geschmack entwickeln könne (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Genauso wie die Zunahme der äußeren Sinneswahrnehmungen die Anzahl der Ideen anwachsen lassen würde, führe die innere Reflexion zu mehr Ideen, gebe ihnen mehr Festigkeit und Verfügbarkeit. Die ersten Jahre der Entwicklung der Kinder seien jedoch durch die Aufnahme von Ideen aus der Vielfalt der Außenwelt über die Sinnesorgane geprägt, es dauere lange und sei für viele Individuen nicht möglich, eine ausgeprägte innere Reflexion zu erreichen. Die Rolle der Zeichen, genauer gesagt der Wörter, kommt bei LOCKE erst bei den mixed modes, aus Kombinationen verschiedenartiger einfacher Ideen und bestehender komplexer Ideen, ins Spiel. Die mixed modes sind nicht als Kombinationen von Eigenschaften wirklicher Dinge mit kontinuierlicher Existenz zu betrachten, sondern es handelt sich
Zeichen und Idee dabei um unabhängige Ideen, die der Geist zusammenbringt, nicht um komplexe Ideen von realen Substanzen. Dabei sollte man auf der Grundlage der Erfahrung annehmen, dass sich der Geist gegenüber den einfachen Ideen passiv verhält, über Sensation und Reflection aufnimmt und nicht in der Lage ist, selbst Ideen zu produzieren. Bei der Betrachtung der mixes modes kommt man jedoch zu sehr unterschiedlichen Ausgangspunkten. Diese Unterschiedlichkeit lässt LOCKE schließlich auch eine aktive Rolle des menschlichen Geistes annehmen. Die auf diese Weise gebildeten Ideen, auch Begriffe (notions) genannt, haben ihren Ursprung und ihre Existenz im Denken der Menschen, nicht in der Realität der Dinge. Um sie zu bilden, genügt das Zusammenfügen verschiedener einfacher Ideen durch den menschlichen Geist und ihre konsistente Verwendung im Erkenntnisprozess, ohne dass sie auf reale Gegebenheiten bezogen sein müssten. Dabei kommt es natürlich vor, dass mixed modes von der Beobachtung der Realität ausgehen und reale einfache Ideen kombinieren. Wer als erster die komplexe Idee der hypocrisy gebildet hat, kann dabei durchaus von der Beobachtung eines Menschen ausgegangen sein, der gute Eigenschaften vortäuschte, er kann aber diese Idee ebenso in seinem Geist zusammengefügt haben, ohne sich dabei an einem gegebenen Muster zu orientieren. Zu Beginn der menschlichen Gesellschaft und ihrer sprachlichen Ausdrucksformen mussten komplexe Ideen zuerst in den Köpfen der Menschen entstanden sein und auch Namen erhalten haben, bevor ihnen Gegebenheiten in der Realität entsprachen. Die Existenz von Namen für mixed modes nimmt LOCKE auch vor der Existenz der bezeichneten Dinge selbst an, ihnen kommt damit sogar eine gewisse gestaltende Kraft zu. Nachdem in den Sprachen auf diese Weise zahlreiche Wörter entstanden sind und ihnen keine Realitäten entsprechen, lassen sich die entsprechenden Begriffe nur durch das Aufzählen der einfachen Ideen, aus denen sie zusammengesetzt wurden, explizieren. LOCKE geht in der Relativierung der komplexen Begriffe sehr weit, wenn er sacrilege und murder als Beispiele für auf diesem Weg konstituierte Begriffe nennt.
287 Aus der Erklärung der Entstehung komplexer Ideen ergibt sich nun die Frage, wie deren heterogene und weder durch eine Realität noch durch eine Autorität bedingte Zusammensetzung überhaupt zustande kommt und dauerhaft wird, nach ihrer Konstituierung sogar realitätsgestaltend wirken kann. Auf diese Frage gibt LOCKE eine konsequent nominalistische Antwort. Über die Festlegung von Namen regulierten die Menschen die Abgrenzung zwischen verschiedenen Ideen, die sie danach für ihr Denken verfügbar haben. So habe man mit dem Wort parricide den Begriff ‘Vatermord’ belegt, während man keine Namen für die Bezeichnung des Tötens eines alten, eines jungen oder eines beliebigen Menschen unterscheide, die als solche durchaus auch begrifflich abgrenzbar und von daher bezeichenbar wären. Ist die Bildung komplexer Ideen von der Realität unabhängig und beliebig vollziehbar, so liege der Grund für die Festlegung auf ganz bestimmte von ihnen im Zweck der Sprache, der Mitteilung der Ideen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Es würden nämlich solche komplexen Ideen mit Namen belegt und dadurch gefestigt, die durch die Häufigkeit ihres Gebrauchs (ĺ Gebrauch) dafür nahe gelegt würden, während man selten auftretende komplexe Begriffe lieber durch die Aufzählung ihrer einzelnen Bestandteile explizieren würde statt das Gedächtnis mit überflüssigen Namen zu belasten. Auf diesem Hintergrund werden auch die Unterschiede der einzelnen Sprachen in der Benennung und Bildung komplexer Ideen erklärt. Die unterschiedlichen Sitten und Bräuche haben zu festen, mit Namen bezeichneten komplexen Ideen geführt, die den Sprecher einer Sprache effiziente Kommunikation und die Unterscheidung komplexer Ideen durch einfache Benennungen ermöglichen, während die Sprecher einer anderen Sprache dafür lange Umschreibungen benutzen müssten (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die ĺ Arbitrarität als grundlegende Eigenschaft sprachlicher Zeichen diskutiert LOCKE vor allem im dritten Buch seines Essays, das er den Wörtern (Words) gewidmet hat. Als sinnlich wahrnehmbare, für die Kommunikation erforderliche Hilfsmittel erweisen sich
288 die artikulierten Laute als Zeichen zugleich als gesellschaftskonstitutiv (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache) und in großer Vielfalt produzierbar. Ihre Bezeichnungsqualität erhalten die Wörter nicht aufgrund einer natürlichen Beziehung zwischen den artikulierten Lauten und bestimmten Ideen (ĺ Natürlichkeit), denn wenn eine solche bestehen würde, wäre die Vielfalt der Sprachen nicht erklärbar und alle Menschen würden ein und dieselbe natürliche Sprache benutzen (ĺ Universalität und Veschiedenheit). Vielmehr werde ein Wort durch Festlegung (voluntary imposition) zur arbiträren Bezeichnung einer Idee, die ihrerseits zur ĺ Bedeutung des Wortes wird (ĺ Konvention). Wörter stehen in ihrer ersten und unmittelbaren ĺ Bedeutung jedoch für nichts anderes als die Ideen, die ihnen der Benutzer der Sprache beigelegt hat. Der die Zeichen Benutzende kann nicht davon ausgehen, dass sie für einen anderen das gleiche bedeuten. Ein Kind, das in seinem Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) das Wort gold auf die Farbe der Federn eines Fasans bezieht, hat nur eine Idee aus dem Sprachgebrauch abgeleitet, ein zweites Kind hat vielleicht besser beobachtet und assoziiert damit auch die Idee von etwas Schwerem. Wir entnehmen die Wörter aus dem Sprachgebrauch und orientieren uns dabei an der ĺ Konvention, die in einer Sprache getroffen wurde. Das heißt jedoch nicht, dass der Sprecher mit einem Wort mehr ausdrücken würde als seine eigenen Gedanken. Dennoch verhalten wir uns aufgrund von Gewohnheit im ĺ Gebrauch der Sprache so, als würde den Wörtern eine Realität entsprechen, Wörter werden ganz selbstverständlich für die abwesenden, von ihnen bezeichneten Gegenstände angenommen. Das Verkennen der semiotischen Relation zwischen den Wörtern und den bezeichneten Ideen kann zu Missverständnissen in der Kommunikation führen. Das Wesen der Dinge ist keinesfalls aus den Wörtern ableitbar, sondern die Bezeichnungsfunktion der Wörter beruht auf einer vollkommen arbiträren Festlegung. Jeder Mensch hat außerdem die Freiheit, Wörter für beliebige Ideen zu verwenden, und es liegt nicht in seiner Macht, seinem Gesprächspartner dieselben Ideen zu vermitteln, wenn er dieselben Wörter verwendet. Die ĺ Arbitrarität des
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken sprachlichen Zeichens erhält damit bei LOCKE eine nicht berechenbare, individuelle und kommunikationsstörende Komponente. Mit der Negierung der eingeborenen Ideen geht bei LOCKE auch die Verbindung des Rationalen und Realen verloren, die Wörter sind nicht mehr Zeichen der Sachen, sondern der Ideen. Namen werden komplexen Ideen gegeben, für deren Zusammensetzung es keine natürliche Begründung gibt (ĺ Natürlichkeit), Verschiedene Völker bilden und bezeichnen entsprechend ihrer konkreten Lebensbedingungen, Sitten und Gebräuche komplexe Ideen. Der Gedanke einer Sprachrelativität des Denkens wird von LOCKE auf der Basis einer Erkenntnistheorie, die Sprache nicht mehr als System zum Ausdruck der universellen Ratio, sondern als Ausdruck des in den speziellen historischen und sozialen Bedingungen der Sprachgemeinschaft organisierten Denkens versteht, dem rationalistischen Inneismus entgegengestellt (ĺ Universalität und Verschiedenheit). LOCKE hatte die ĺ Arbitrarität von der Beziehung zwischen dem Signifikat und dem Signifikanten auch auf die Zusammensetzung der Signifikate ausgedehnt, die sich an den Bedürfnissen der Sprachbenutzer orientiert und von daher einzelsprachlich verschieden ist. LEIBNIZ nimmt in Bezug auf die Arbitrarität und die ĺ Natürlichkeit sprachlicher Zeichen eine vermittelnde Rolle ein, die ihn eine natürliche Grundlage der entstandenen Bedeutungen annehmen lässt (ĺ Bedeutung). Arbiträr kann nach LEIBNIZ allenfalls das Wort, nicht jedoch die von ihm bezeichnete Idee sein. Die Ideen werden von Gott auf Ewigkeit vorgegeben und sie sind im Menschen, ohne dass wir sie wirklich denken. Auch wenn das Wort parricide nicht existieren würde und die Gesetzgeber es nie erwähnt hätten, wäre der Vatermord ein mögliches Verbrechen, dessen Idee real existieren würde. Ideen entsprechen Möglichkeiten, die jedoch nicht realisiert und versprachlicht werden müssen. Die von der universellen Ratio vorgegebenen Begriffe müssen sich nicht historisch ausprägen. Freilich würde jemand, der eine universelle ĺ Grammatik schreiben möchte, nach Möglichkeit viele Sprachen in ihren Ausdrucksmitteln untersuchen, ebenso wie ein Rechtsgelehrter viele Rechtssysteme in ihren Begrif-
Zeichen und Idee fen betrachten müsste. Für die reine Wissenschaft seien solche historischen Formen, die Menschen ihren Begriffen gegeben haben, jedoch unwichtig. Die Zusammenfassung der komplexen Ideen hängt nach LEIBNIZ’ Auffassung nicht vom Vorhandensein eines Namens ab. So verhindere das Fehlen eines Wortes für den Mord an einem alten Menschen nicht das Vorhandensein eines entsprechenden Begriffes, der bei Bedarf, etwa zur Bezeichnung eines entsprechenden Verbrechens, jederzeit benannt werden könnte. Auch die von LOCKE für die Begründung der Gebundenheit spezifischer komplexer Begriffe an Wörter verwendeten Beispiele ostracisme und proscription werden von LEIBNIZ als zufällig verworfen. Es bestehe zum Beispiel kein Zweifel daran, dass die Franzosen durchaus Pferde benutzen und einen Begriff vom Reiten haben, zu seiner Bezeichnung verwendeten sie jedoch nicht ein einzelnes Wort wie die Italiener cavalcare, sondern die Periphrase aller à cheval. Die Bildung komplexer Ideen erfolgt nach LEIBNIZ eigenständig, sprachliche Zeichen erlangen eine lediglich benennende Funktion. LEIBNIZ räumt ein, dass es durch die Beilegung von Namen geschaffene Realitäten gibt, so etwa die durch Titel und Benennungen wie docteur, chevalier, ambassadeur, roi geschaffenen soziokulturellen Realitäten, die LEIBNIZ als vague, douteuses, arbitraires, nominales bezeichnet. Bei komplexen Ideen diene der Name durchaus zur Steuerung der Aufmerksamkeit und zur Festigung im Gedächtnis, er trage jedoch nichts zur Ideenbildung selbst bei. Auf der Grundlage der prästabilierten Harmonie auch im Verhältnis zwischen Sprache und Wirklichkeit verwirft LEIBNIZ die nominalistische Annahme, dass die sprachlichen Zeichen die einfachen Ideen völlig willkürlich zusammenfassen. Zwar werde nicht die Gestalt der Wörter durch eine natürliche Notwendigkeit bestimmt, ihre Bedeutungen werden jedoch nicht vom Zufall festgelegt (ĺ Natürlichkeit, ĺ Bedeutung). Obwohl LEIBNIZ dem Wahrheitsgehalt der intuitiven Erkenntnis vollkommen vertraut, kennzeichnet er bereits in den Meditationes (1684) die symbolische Erkenntnisform als die für den Menschen vorherrschende. Gerade die Unfähigkeit, alles auf dem Wege intui-
289 tiver Erkenntnis zu erfassen, erklärt auch die Notwendigkeit von Zeichen für die ĺ Klarheit und Schärfe des Denkens. Die Hilfe der Zeichen für die unvollkommenen Erkenntnisfähigkeiten beruhe darauf, dass sie Ideen oder Dinge ersetzen können und in dieser Stellvertreterrolle Denkprozesse wesentlich erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Bevor man negative Wirkungen den Wörtern zuschreibt, müsse man nach Fehlern im Denkprozess selbst suchen. So wendet sich LEIBNIZ gegen Unachtsamkeit im Umgang mit Sprachen, nicht gegen deren prinzipiellen Erkenntniswert, wenn er von den Wörtern als einem Medium spricht, durch das die Strahlen der sichtbaren Gegenstände hindurchgingen und das oft Nebel vor unseren Augen ausbreite (ĺ Missbrauch). Die Rezeption der Sprach- und Zeichentheorie LEIBNIZ’ hat zu umfangreicher Literatur geführt, die hier nicht dargestellt werden kann. Erwähnt sei lediglich WOLFF, bei dem der Begriff eine zentrale Rolle einnimmt. In den Vernünftigen Gedanken von den Kräften des menschlichen Verstandes unterscheidet er einen Begriff von dem Tone des Worts und einen Begriff von der Sache. Letzterer sei im Gebrauch der Sprache nicht immer vorhanden. Das Reden ohne Begriffe wird von WOLFF auf die Schuld der Sprachverwender zurückgeführt, die sich mit leeren Tönen zufrieden geben (ĺ Missbrauch). Die Begriffe sind ihrerseits durch Anstrengungen zu gewinnen, sie sind zwar bestimmten Wörtern zugeordnet, jedoch nicht an ihre Existenz gebunden. Sprachkritik und Kritik am Sprachgebrauch im Leibnizschen und Wolffschen Sinne führt hier zu einer Emanzipation des Denkens von seiner Bindung an sprachliche Formen. 6. Konstitutive Rolle der sprachlichen Zeichen für das menschliche Denken Aus sensualistischer Perspektive begründet sich die Notwendigkeit der Zeichen daraus, dass sie als materielle Träger für eine Vielzahl von Sinneswahrnehmungen stehen und diese gewissermaßen zusammenfassen. Ohne Zeichen hätten wir deshalb auch keine komplexen Ideen. Dies wurde immer wieder am Beispiel der Zahlen belegt, für das LOCKE auf amerikanische Ureinwohner verwiesen hatte, die keine Vorstellung von der Zahl 1000 hät-
290 ten, weil sie kein entsprechendes Wort hätten. CONDILLAC bezweifelt allerdings, ob sich diese Menschen überhaupt im Bereich der Zahlen über 20 bewegen könnten, bis wohin das auf Sinneswahrnehmungen beruhende menschliche Vorstellungsvermögen ausreichen könnte. Für das Benennen größerer Zahlen würden nur wenige Zeichen, die dann nach den Regeln der ĺ Analogie kombiniert würden, ausreichen. Die Zahlen wurden immer wieder als Modell für die Erklärung des Funktionierens sprachlicher Zeichen verwendet. Der Fortschritt des Denkens wird somit als abhängig von der Richtigkeit der ersten Zeichen (Namen) betrachtet, die durch analoge Verwendung und Kombination zu immer weiteren Zeichen führen (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Für Perzeptionen und Bewusstsein betrachtet CONDILLAC die Zeichen als nicht notwendig, sie geben auf dieser Stufe lediglich Anlass für eine intensivere Ausprägung der Aufmerksamkeit (attention). Ein Mensch der nur über akzidentelle und nicht über arbiträre Zeichen verfügt, könnte durchaus bereits Imagination oder Wiedererinnerung haben, diese seien jedoch an die physische Präsenz des entsprechenden Objekts gebunden. Ohne arbiträre Zeichen hätte der Mensch keine Möglichkeit, sich abwesende Gegenstände ins Gedächtnis zu rufen. Natürliche Zeichen würde der Mensch beim Auftreten entsprechender Emotionen wie Freude oder Schmerz sofort verwenden, aus seiner Sicht wären diese aber nicht Zeichen, sondern eher Folgen derartiger Emotionen. Wenn der Mensch solche natürliche Zeichen mehrfach produziert und gehört habe, könne er sie durchaus auch unabhängig vom Vorhandensein der entsprechenden Gefühle nutzen, um anderen etwas mitzuteilen. In diesem Moment hören diese Zeichen jedoch auf, natürlich zu sein, und werden institutionelle Zeichen. Das Gedächtnis beruht nur auf der Kraft, uns die Zeichen unserer Ideen oder die Bedingungen, die sie begleitet hatten, in Erinnerung zu rufen. Für die Entwicklung des Gedächtnisses und der höheren Denkprozesse benötigt der Mensch Zeichen, die ihm frei zur Verfügung stehen. Als solche fungieren lediglich die institutionellen Zeichen (ĺ Arbitrarität; ĺ Konvention; ĺ Na-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken türlichkeit, ĺ kognitive Funktion der Sprache). CONDILLAC legte in seinem Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746) eine zusammenhängende sensualistische Theorie für die Entstehung aller Denkvorgänge dar, die es ermöglichte, auf die Annahme einer außerhalb menschlicher Erfahrung liegenden Reflexion zu verzichten. Für CONDILLAC ist die Reflexion nicht mehr wie bei LOCKE eine selbständige Erkenntnisquelle, sondern weiterentwickelte und umgewandelte Sinnesempfindung. Das Prinzip, das es ermöglicht, alle Erkenntnis von den sensations herzuleiten, ist die Gedankenverknüpfung (liaison des idées). Die liaison des idées ist zunächst bei der Verknüpfung der einzelnen Wahrnehmung mit ihren Begleitumständen gegeben, ist aber später auch in der Verbindung Zeichen-Idee sowie in der Verbindung der Ideen untereinander, die ihrerseits über die Verknüpfung der Zeichen verläuft, wirksam. Ursprünglich verfügten die Menschen nach CONDILLACs Auffassung über eine aus Schreien und Gebärden bestehende Sprache (langage d’action), die zunächst für ihre primitiven Bedürfnisse genügte (ĺ Ursprache). Bereits im langage d’action war ein erster Schritt vom Instinktiven zum Bewussten gegeben. Die Zeichen der Gebärdensprache waren entsprechend dem Bau des menschlichen Körpers von der Natur vorgegeben, sie waren in ihren Grundzügen eingeboren. Gerade im Zusammenhang mit der Ablehnung der eingeborenen Ideen gewinnt die Annahme eines eingeborenen Kommunikationsmittels besondere Bedeutung. Die Frage nach der Herkunft der ersten geistigen Operationen, die über reine Wahrnehmungsprozesse hinausgingen, sich aber noch nicht auf bewusste Zeichenverwendung stützen konnten, wurde von CONDILLAC durch den Verweis auf die Gebärdensprache und ihre Rolle im Erkenntnisprozess beantwortet (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache; ĺ Ursprung). Mit der weiteren Entwicklung der Kommunikationsbedürfnisse entstanden die signes d’institution der Lautsprache, arbiträre Zeichen, die sich vorerst mit der Gebärdensprache vermischten (ĺ Konvention, ĺ Arbitrarität). Bei der Entwicklung der ersten institutionellen Zeichen folgten die Menschen zunächst dem Modell der Gebärden-
Zeichen und Idee sprache und führten von den unmittelbaren Umständen losgelöste Zeichen ein, die ihrem Geist mehr Freiheit gaben (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die signes d’institution der Lautsprachen sind nicht natürlich vorgegeben oder eingeboren. Ihre Verwendung ist nicht mehr spontane Reaktion auf Sinneswahrnehmungen, sondern Sprachtätigkeit auf einer bestimmten Stufe der miteinander verflochtenen Entwicklung von Sprache und Denken (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Mit der Bestimmung als nicht natürlich ist CONDILLACs Auffassung vom arbiträren Zeichencharakter jedoch nur von einer Seite her erfasst (ĺ Natürlichkeit, ĺ Arbitrarität). Die Notwendigkeit, genau zu unterscheiden, was an den sprachlichen Zeichen arbiträr ist, verbindet er mit dem Hinweis auf ihren konventionellen Charakter, denn die Zeichen der Lautsprache entstanden in einem langen Prozess der Wechselwirkung mit dem Denken und dessen Besonderheiten (ĺ Konvention). Dabei entstanden Regeln für Kombinationen von Ideen und für deren Belegen mit Zeichen, die für den Sprecher die Gestalt einer Übereinkunft haben müssen. Nach CONDILLACs historischer und psychologischer Erklärung der Sprachentstehung stellen die arbiträren Zeichen eine neue Qualität des Zeichencharakters dar, obwohl sie nicht geschaffen wurden, sondern sich in einem langen Prozess aus der ursprünglichen Verwendung natürlicher Zeichen entwickelten (ĺ Ursprung, ĺ Natürlichkeit). Mit den arbiträren Zeichen (ĺ Arbitrarität) ist dem Menschen ein Mittel gegeben, das ihn frei über seine Imagination verfügen lässt und das bewusste Wiederwachrufen der Sinneseindrücke abwesender Gegenstände ermöglicht. Darin bestehen gerade die Voraussetzungen für die höheren Denkprozesse des Unterscheidens, Verallgemeinerns, Vergleichens, Urteilens und Schließens, durch deren psychogenetische Erklärung CONDILLAC die Kluft zwischen Erfahrung und Verstand überwinden konnte (ĺ kognitive Funktion der Sprache). 7. Die Funktionen der Zeichen Die Funktionen der Zeichen beschränken sich nach der im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Meinung nicht auf die Mitteilung von Ideen
291 (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache), wobei auch bei dieser sich die institutionellen Zeichen aufgrund der Unabhängigkeit des Gebrauchs (ĺ Gebrauch) von sonstigen Bedingungen als effizienter erweisen. Sie dienen vielmehr auch als Merkzeichen und als Zeichen zur Identifizierung und Fixierung komplexer Ideen. Der Gebrauch institutioneller Zeichen ermöglicht ein freies Verfügen über die Ideen, was Voraussetzung für die höheren Denkprozesse ist (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Über den Wert der Zeichen für das menschliche Denken herrschte im 18. Jahrhundert weitgehende Einigkeit. Die cognitio symbolica ist der cognitio intuitiva überlegen, insofern sie deutliche und abgesonderte Begriffe schafft. Da der Mensch seine Sinneswahrnehmungen nur in Anwesenheit der entsprechenden Gegenstände haben kann, benötigt er Zeichen, um verallgemeinern und abstrahieren zu können. Diese funktionieren als materielle Träger und können den Ideen als geistigen Einheiten (ideae mentales) Dauerhaftigkeit verleihen und sie zu materiellen Ideen (ideae materiales) machen, womit sie Verallgemeinerung und Abstraktion ermöglichen. Sobald der Mensch damit beginnt, Zeichen zu verwenden, tritt er aus dem Tierreich heraus (vgl. SÜSSMILCH) (ĺ kognitive Funktion der Sprache, ĺ menschliche Lautsprach (vs. andere Zeichen)). Während von rationalistisch-augustinischen Positionen aus betrachtet Ideen als eingeboren galten, gingen allerdings die einzelnen Autoren, die sich von diesen Positionen distanziert hatten, in der Annahme einer kognitiven Funktion der Zeichen unterschiedlich weit. So konnte man die höheren Denkprozesse gänzlich auf Zeichen zurückführen oder den Zeichen lediglich eine unterstützende Funktion zuerkennen. Insbesondere sei man bei allgemeinen Begriffen, die auf von der Natur selbst geschaffenen Klassen von Gegenständen beruhen, nicht darauf angewiesen, den begrifflichen Zusammenhalt nur über ein Zeichen zu erreichen (TETENS) (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Gerade das freie Operieren mit Zeichen leistet aber auch ihrem ĺ Missbrauch Vorschub, der auf bewusst oder unbewusst falscher Zusammenfassung von einfachen Ideen zu kom-
292 plexen beruht. Zeichen erlauben auch die Existenz von Gegenständen vorzutäuschen, indem sie konstruierte Begriffe bezeichnen, denen der Bezug zur Realität fehlt. Die hohe Wertung der Zeichen im Erkenntnisprozess führte auch zu der Annahme, dass Streitigkeiten zwischen Menschen, insbesondere wissenschaftliche Dispute, durch die Einigung über die den Zeichen beigelegte ĺ Bedeutung oder durch die Verwendung geeigneter Zeichen vermieden werden könnten. Auch in der intensiv geführten Diskussion um Wörter und Dinge (les mots et les choses) ging es letztlich um die Wirkung der Zeichen und ihre Adäquatheit. Die semiotische Diskussion geriet dabei in die Gefahr einer Verkürzung, die die Seite der Bedeutungen ausklammern konnte (ĺ Bedeutung). 8. Zeichenbegriff der Ideologen und Semiotisierung der Wissenschaften Der Zeichenbegriff Condillacscher Prägung wurde Ende des 18. Jahrhunderts von den französischen Ideologen weitergeführt und Anfang des 19. Jahrhunderts über die von ihnen geschriebenen Handbücher verbreitet. Mit dem heutigen Ideologiebegriff hatte die idéologie nur insofern Gemeinsamkeiten, als es ebenfalls um die Erklärung von grundlegenden Formen der menschlichen Weltdeutung und Selbstinterpretation ging. Den Namen idéologie hatte DESTUTT DE TRACY 1796 in bewusster Abgrenzung von den metaphysisch belasteten Bezeichnungen psychologie und philosophie geprägt. Im Mittelpunkt des Interesses der Ideologen stand die Analyse der Ideen mittels sprachlicher Zeichen. Die sprachliche Steuerung des Erkennens versprach sowohl Gleichheit der Bildungschancen als auch Anwendbarkeit in den verschiedenen Wissenschaften, da schließlich jede von ihnen mit Zeichen operiert. Das für die Ideologen charakteristische Anliegen, Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen zu schaffen, die eine optimale Verwirklichung des Wegs der Menschheit in die Perfektion garantierten, konnte sich der These von der Vervollkommnung des Denkens durch perfekte Zeichensysteme bedienen. Schon CONDILLAC hatte festgestellt, dass selbst nicht unbedingt geniale Menschen zumindest in der Lage seien, eine Sprache zu erlernen, die
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken dann ihrerseits entsprechend ihrer inneren ĺ Analogie zu richtigen Schlüssen führen könne (ĺ kognitive Funktion der Sprache). In ihrer Auffassung von einer zentralen Stellung der Analyse mittels sprachlicher Zeichen in allen Erkenntnisprozessen setzten die Ideologen die Lehre CONDILLACs fort. Das Verhältnis von Sprache und Denken ist für die Ideologen wie für CONDILLAC durch Wechselseitigkeit gekennzeichnet. Wenn das einzige Mittel der Wahrheitsfindung im analytischen Denken besteht, so ist dieses seinerseits auf Zeichen angewiesen (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Vom Grad der Vollkommenheit der Zeichen hängt somit die Entwicklung des Denkvermögens ab. Entsprechend dem sensualistischen, genetischen und semiotischen Wissenschaftsprogramm der Ideologen stellte sich die Geschichte des Menschengeschlechts als die seiner Selbstkonstruktion über immer bessere Zeichensysteme hin zu seiner Vervollkommnung dar. Doch selbst in der grundsätzlichen Bestimmung der Erkenntnisfunktion der Zeichen kam es bei den einzelnen Ideologen zu Modifikationen, die zum Teil aus einer veränderten, vor allem auf die Beobachtung positiver Fakten orientierten Wissenschaftsauffassung zu erklären sind. Als Faktor der Differenzierung wirkte außerdem die pädagogische Zielstellung der Ideologen, die zum Streben nach einer homogenisierten ‘Summe’ der Aufklärungsphilosophie, aber auch zu selbst auferlegter pragmatischer Beschränkung unter Verzicht auf theoretische Kohärenz führte. So waren schon gegen den Sprachbegriff des Ideologen GARAT, der in den Jahren 1795– 1797 an der École Normale Vorlesungen zur Analyse der Erkenntnisprozesse gehalten hatte, aus dem Zuhörerkreis Einwände erhoben worden. Mit seinen Vorlesungen wollte GARAT auf der Basis der analytischen Methode CONDILLACs in das Studium der Wissenschaften einführen. Er bediente sich dabei eines zugespitzten Vergleichs des Denkens mit dem Rechnen und verwies darauf, dass beide gleichermaßen von Zeichen abhingen und durch die Vervollkommnung der Zeichensysteme verbessert werden könnten. Zeichen (signe) sei deshalb eine angemessenere Bezeichnung als parole oder langue, weil alle Sprachen
Zeichen und Idee nur zur Repräsentation unserer Ideen dienten. Gegen diese instrumentalistische Reduzierung der Sprache auf den Zeichenaspekt richtete sich die Kritik SAINT-MARTINs, der seinem Gegner eine vereinfachende, die institutionelle Setzung verabsolutierende Verwendung des Zeichenbegriffs vorwirft (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die deutlich werdenden gegensätzlichen Tendenzen in der Bewertung der Rolle der Zeichen für die Erkenntnisprozesse ließen sich als Semiotisierung und Entsemiotisierung der Wissenschaftstheorie kennzeichnen. Ausgangspunkt einer Semiotisierung der Ideologie als Metawissenschaft ist die konstitutive Rolle, die bereits CONDILLAC den sprachlichen Zeichen bei der Erklärung der höheren Denkprozesse eingeräumt hatte. Zugleich betonten gerade in diesem Punkt viele Ideologen ihre Meinungsverschiedenheit gegenüber CONDILLAC, den sie keinesfalls als chef de secte verstanden wissen wollten (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Eine der dabei auffallenden Richtungen ist die vor allem von CABANIS vorgenommene Zuspitzung der sensualistischen Thesen unter physiologischen Gesichtspunkt. Ohne Zeichen gäbe es nach CABANIS kein Denken und möglicherweise sogar keine voneinander unterschiedenen Sinneswahrnehmungen. Über die Nervenbahnen würden die ungeordneten und voneinander isolierten Sinneswahrnehmungen zum Gehirn geleitet, wo sie in einem dem Verdauungsprozess vergleichbaren Vorgang verarbeitet und mit Zeichen belegt würden (ĺ kognitive Funktion der Sprache). In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts hatten sich außerdem einige praktische Anstöße ergeben, zeichentheoretische Fragen neu zu durchdenken. Die Wissenschaftssprache der Chemie war ein wichtiger Grund dafür, dass die Beschreibung des Einflusses der Zeichen auf die Ideenbildung in der Preisaufgabe des Institut National 1797 ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Fortschritt der Wissenschaften thematisiert wurde. Zu verarbeiten waren auch Vorschläge zu einer Universalschrift und die Ergebnisse des Taubstummenunterrichts, aus denen die Ideologen vor allem die Frage nach der Natur der für den Erkenntnisprozess notwendigen Zeichen ableiteten (ĺ Universalsprache; ĺ Schrift;
293 ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell). Als außerdem der Ideologe LAROMIGUIÈRE 1798 CONDILLACs unvollendetes Werk über die Sprache des Rechnens veröffentlichte, gab vor allem die Bestimmung der Wissenschaft als einer wohlgeformten Sprache (langue bien faite) Anlass für ausdrückliche Stellungnahmen. Der These CONDILLACs, dass man mit der Verbesserung der Sprachen beginnen müsse, um die Wissenschaften zu vervollkommnen, begegneten einige Ideologen mit Argumenten, die eine Entsemiotisierung der Wissenschaftsauffassung zum Ausdruck bringen. So betonte PRÉVOST, dass die Beobachtung kaum von der Sprache abhinge und es schließlich für eine Wissenschaft nicht genüge, eine Nomenklatur aufzubauen. DESTUTT DE TRACY, der im ersten Band der Éléments d’idéologie wie CONDILLAC die Sprache der Algebra mit ihrer vollkommenen ĺ Analogie als Beispiel für eine Wissenschaftssprache behandelt hatte, fügte 1805 eine längere Anmerkung hinzu, mit der er offensichtlich der kritischen Diskussion unter den Ideologen Rechnung trug. Die Sprache bestimme nicht die Erkenntnismöglichkeiten der Sprecher, nicht die Wörter führen zu den Dingen, sondern nur im Zusammenhang mit der Entwicklung wissenschaftsimmanenter Erkenntnismittel könne die Sprache vervollkommnet werden und somit Erkenntnisprozesse positiv beeinflussen. Am Beispiel der oft erwähnten Zahlen stellt schließlich DEGÉRANDO in seiner Preisschrift fest, dass unterentwickelte Zeichen keine Behinderung des Denkens darstellen, sondern vielmehr Ausdruck des fehlenden Bedürfnisses sind, den damit bezeichneten Erkenntnisbereichen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Tendenz zur Aufwertung einer inneren, von der physischen Organisation des Körpers und den Sinneswahrnehmungen weitgehend freien Aktivität des Menschen wird noch konsequenter von MAINE DE BIRAN fortgesetzt, der einem ‘inneren Zeichen’ (signe intérieur), das er als nicht näher bestimmte Erscheinungsform der Willenskraft deutet, die Fähigkeit zuspricht, Sinneswahrnehmungen zu Ideen zu verarbeiten. Damit kehrt er zwar von der semiotischen Betrachtungswiese der Ideologen zur erkenntnistheoretischen Fragestellung
294 CONDILLACs zurück, deutet jedoch die sensualistische Sprachtheorie in ihrem zentralen Punkt um. IV. In der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts trat der Zeichenbegriff weit in den Hintergrund und galt höchstens in der logisch orientierten Schulgrammatik noch als vertretbar. Als BRÉAL jedoch in seinem grundlegenden Werk zur Semantik Essai de sémantique (Science des significations) (1897) die Untersuchung der Zeichen durch die Ideologen als durchaus sinnvolle und ehrenwerte Methode darstellte und die Betrachtung der Sprachen als Organismen verwarf, griff er für eine neue Disziplin der Sprachwissenschaft auf diese bisher als veraltet angesehene Betrachtungsweise zurück. Anders als in der Sprachwissenschaft war in der Logik durchgehend mit dem Zeichenbegriff gearbeitet worden. Grundlage der Zeichentheorie ist der Grundsatz “aliquid stat pro aliquo” = “Etwas steht für etwas”. Ein Wesensmerkmal eines Zeichens ist demnach seine Stellvertreterfunktion: Ein Zeichen steht per definitionem für etwas anderes, es ist also prinzipiell nicht selbstreferentiell. Nach FREGE ist das Zeichen das, was uns dazu dient, irgendetwas zu bezeichnen, auszudrücken oder zu behaupten. Der Nutzen der Zeichen als willkürlich gewähltes Mittel des Gedankenausdrucks wird dabei in ihrer Stellvertretung für die bezeichneten Dinge gesehen. Dabei ist jedoch auch bewusst, dass Zeichen Dinge der Welt nicht unvermittelt, sondern vermittelt über einen “Begriff”, eine “Vorstellung” etc. bezeichnen, was eine naive Konzeption überwindet. Die Sachen werden von den Zeichen nicht präsentiert, sondern repräsentiert. Diese Einsicht wurde für die ganze Geschichte der Semiotik entscheidend. In der Sprachwissenschaft erfuhr der Zeichenbegriff eine grundlegende Rehabilitierung durch SAUSSUREs Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft (Cours de linguistique générale). Das Werk wurde 1916 auf der Grundlage von Vorlesungsmitschriften zu den von SAUSSURE 1906 bis 1911 an der Universität Genf gehaltenen Vorlesungen über allgemeine Sprachwissenschaft durch BALLY und SECHEHAYE herausgegeben. Zu vielen Gesichtspunkten seiner Zeichentheorie
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken verweist SAUSSURE selbst auf frühere Ansätze, so betrachtet er den bei ihm zentralen Arbitraritätsbegriff als allgemein bekannt (ĺ Arbitrarität). Um den schulenbildenden Ansatz und den Innovationswert zu unterstreichen, erwähnten BALLY und SECHEHAYE jedoch nur die Richtungen der Sprachwissenschaft, zu denen sich SAUSSURE in unmittelbarem Gegensatz stand, insbesondere die punktuelle Betrachtung lautlicher Entwicklungen bei den Junggrammatikern. Erst in den 1950er Jahren entstand eine quellenkritische Rezeption, die sich seither darum bemüht, die authentische Sprachidee SAUSSUREs aus seinem fragmentarischen Nachlass zu erschließen. Insbesondere seit der Entdeckung der Manuskripte SAUSSUREs im Jahre 1996, die von BOUQUET und ENGLER 2002 veröffentlicht wurden, ist die Diskussion durch eine Überprüfung der bisherigen Auffassungen von SAUSSUREs Gedanken geprägt, die zu einigen Nuancierungen geführt, jedoch die zentrale Rolle und das Konzept des sprachlichen Zeichens bestätigt hat. Nach SAUSSUREs Cours ist ein Zeichen die Beziehung (Verbindung) zwischen Bezeichnetem (Signifié) und Bezeichnung (Signifiant, Bezeichnendes). Das Bezeichnete entspricht einer Vorstellung oder einem Konzept, das Bezeichnende ist ein Lautbild. Das Lautbild ist auch etwas Gedachtes (also ein ‘psychischer Eindruck’ und nicht die physikalische Schallwelle), da man für sich selber eine Lautfolge gedanklich “aussprechen” kann, ohne die Lippen zu bewegen. Damit greift er die durchaus früher bereits nachweisbare Auffassung von einer mentalen Natur der beiden Seiten des sprachlichen Zeichens auf. Der Zusammenhang zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendem ist arbiträr, jedoch nicht in dem Sinne beliebig, dass jede Person frei einen Signifikanten für ein Signifikat aussuchen kann, sondern dass die ursprüngliche Festlegung eines Zeichens unmotiviert ist (ĺ Arbitrarität). Diese Unmotiviertheit relativiert SAUSSURE jedoch sogleich, indem er lautmalenden Wörtern (Onomatopoetika) und zusammengesetzten Wörtern eine gewisse Teilmotiviertheit durch ihre Bestandteile zugesteht (ĺ Natürlichkeit). Zeichen für die Kommunikation zwischen Menschen bedürfen jedoch der “Verabredung”, einer ĺ Konvention. Ist
Zeichen und Idee das Zeichen erst einmal zur Konvention geworden, bleibt es fest zugeordnet. Außerdem stützen die Zeichen einander im System, durch ihre Beziehungen und Differenzen zueinander konstituieren sich sowohl auf formaler wie auf semantischer Ebene ihre Werte (valeurs). Während der Cours SAUSSUREs von einem zweiseitigen (bilateralen) Zeichenbegriff ausgeht, in dem die Beziehung zwischen Zeichenkörper und ĺ Bedeutung als untrennbare Einheit gedacht sind, gibt es auch einen einseitigen (unilateralen) Zeichenbegriff, der nur den Zeichenkörper umfasst. SAUSSURE begreift sprachliche Zeichen als (laut)materiale Einheiten, denen Bedeutungen assoziiert sind, als Formen also, denen insofern Bedeutung zugesprochen werden kann, als die Sprecher sie gemeinsam mit anderen sprachlichen Formen im Zuge der parole zu verstehbaren sprachlichen Ausdrücken zusammensetzen. Die unilaterale Zeichenauffassung steht dazu nicht im unmittelbaren Widerspruch, als auch sie durchaus vom Assoziieren von Bedeutungen ausgeht und die Erzeugung von Sinn in der Verknüpfung von Zeichen annimmt (ĺ Bedeutung). Das sprachliche Zeichen (signe linguistique) ist für SAUSSURE eine komplexe mentale und physiologische Einheit, die im Vorgang der Artikulation erzeugt wird. Während im Cours de Linguistique générale noch der Begriff des signe (Zeichen) Verwendung findet und die mentale und lautliche Seite sprachlicher Zeichen als Signifikat und Signifikant unterschieden wird, gibt der authentische SAUSSURE diese Begrifflichkeit auf. Der Begriff des signe erscheint ihm in theoretischer Hinsicht vorbelastet, da er von der alten weit verbreiteten Konzeption eines binär gefassten Zeichens nicht mehr abzulösen ist. Ein binärer Zeichenbegriff fasst die gedankliche und die lautliche Seite als jeweils autonome, auch unabhängig voneinander denkbare Zeichenteile auf. Von dieser Konzeption rückt SAUSSURE zugunsten eines synthetischen Zeichenbegriffs ab. Er prägt für das Ganze des Zeichens den Begriff des Sème, für die lautliche Hülle des Sème den des Aposème sowie den des Parasème für den mentalen Zeichenaspekt. Der Begriff des Sème meint dabei stets das Ganze des Zeichens, Zeichen und ĺ Bedeutung in einer Art
295 Persönlichkeit vereint. Damit möchte er die Vorherrschaft entweder der lautlichen oder der gedanklichen Seite beseitigen. Auch die Begriffe Parasème und Aposème bezeichnen nicht die Teile eines Sème, sondern Aspekte desselben. Es werden also nicht lediglich bereits mental vorhandene Bedeutungen mit ebenfalls vorhandenen Lauten verknüpft, sondern erst im Akt des Sprechens, der Artikulation, vollzieht sich die Verbindung (Synthese) eines vorsprachlichen und daher chaotischen und gleichsam spurlos vorüberziehenden Denkens mit der lautlichen Substanz. In einem linearen Prozess der ĺ Artikulation wird der Strom der Gedanken zergliedert und der Ausdruck des Gedanken geschaffen. Erst der Akt der Artikulation verleiht so dem Gedanken jene Identität und Unterscheidbarkeit, die es erlaubt, ihn als ein dem Prozess der Zeichensynthese vermeintlich vorausliegendes Inneres anzunehmen. Die beiden Aspekte des sprachlichen Zeichens sind für SAUSSURE vergleichbar mit einem Blatt Papier: das Denken ist die Vorderseite, der Laut die Rückseite. So wenig wie man die Vorderseite zerschneiden kann, ohne zugleich die Rückseite zu zerschneiden, so wenig kann der Gedanke vom Laut getrennt werden. In diesem Sinne ist auch die Bedeutung für SAUSSURE nichts der Zeichensynthese logisch Vorausgehendes, sondern wird konkret im sozialen Austausch, in der Zeichensynthese erzeugt. ĺ Bedeutung ist keine ontologische Eigenschaft von Zeichen, sondern sie verdankt sich dem Umstand, dass Sprachzeichen Teile eines Systems (der langue) sind, innerhalb dessen jedes Zeichen von allen anderen Zeichen unterscheidbar ist. Ein Zeichen wird in seiner Bedeutung nicht aus sich heraus und damit positiv, sondern durch seine Differenz zu anderen Zeichen bestimmt. Bedeutung kommt für SAUSSURE durch die Opposition zu anderen Zeichen. Diesen systemischen Aspekt der differenziellen Bestimmung von Bedeutung bezeichnet SAUSSURE als valeur, als systemischen Wert des Zeichens. SAUSSUREs Werk hat den strukturalistischen und poststrukturalistischen Diskurs maßgeblich geprägt und zahlreiche Anschlussdiskurse hervorgebracht. Die meisten dieser Theorien verdanken sich dem Cours und dessen vorkritischer Rezeption.
296 Während der Zeichenbegriff in der nachsaussureschen Sprachwissenschaft vereinnahmt und als sprachliches Zeichen gedeutet wurde, ist er jedoch bis heute vor allem Gegenstand der Semiotik. Für den Logiker und Semiotiker PEIRCE ist ein Zeichen etwas, das für jemanden in gewisser Hinsicht für etwas steht. ECO schlägt vor, alles Zeichen zu nennen, was aufgrund einer vorher vereinbarten sozialen ĺ Konvention als etwas aufgefasst werden kann, das für etwas anderes steht. Er übernimmt damit weitgehend die Definition von MORRIS (1938). PEIRCE geht von einem dreiteiligen System aus, welches er Semiosis nennt. Die Semiosis ist ein Prozess, der drei Instanzen umfasst, nämlich das Zeichen, sein Objekt und den Interpretanten. Der Interpretant kann hierbei in erster Annäherung als die ĺ Bedeutung des Zeichens verstanden werden, die in PEIRCEs System wiederum selbst als Zeichen mit eigenem Interpretanten aufgefasst wird. Auf diese Weise setzt sich der Interpretationsprozess prinzipiell bis ins Unendliche fort. Jedes Zeichen vermittelt so zwischen seinem Objekt und seinem Interpretanten. PEIRCE schließt auch solche Phänomene ein, die keinen Menschen als Sender haben, die natürlichen Zeichen, und auch solche, die keinen Menschen als Empfänger haben: So sei der Sonnenstrahl für die Blume ein Zeichen, sich ihr zuzuwenden (ĺ Natürlichkeit). Unter dem Einfluss der amerikanischen ist auch in der deutschen Semiotik eine Terminologie von PEIRCE verbreitet, in der zwischen Symbol, Ikon und Index unterschieden wird. Die Terminologie von PEIRCE für den Ausdruck Symbol widerspricht dabei der europäischen Tradition. Symbole (im Sinne von PEIRCE) sind Zeichen, bei denen zwischen der Form des Zeichens (Bezeichnendes) und seiner Bedeutung (Bezeichnetes) ein Verhältnis, das durch ĺ Arbitrarität und Konventionalität (ĺ Konvention) gekennzeichnet ist, besteht. Ein Ikon ist ein Zeichen, das eine Ähnlichkeit zu seinem Gegenstand aufweist (ein Abbildverhältnis): lautmalerische (Kuckuck, Uhu, wiehern, Wau) ebenso wie formikonische Wörter (“S-Kurve”, “T-Träger”, “VAusschnitt”, etc.). Ein Index ist ein Zeichen, das die Folge oder Wirkung seines Objektes ist, so ist z. B. Rauch ein Index für Feuer.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken
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Spracherwerb I. Für die Beschreibung des Konzepts ‘Spracherwerb’ ergibt sich eine besondere Schwierigkeit: Einerseits ist festzustellen, dass die Implikationen dieses Begriffs von einer Vielzahl von Autoren diskutiert werden, die teilweise unter Bezug auf die Alltagspraxis besondere Aspekte des Spracherwerbs näher charakterisieren. Sie stützen sich etwa auf eigene Beobachtungen an Kindern oder geben Hinweise für das didaktische Vorgehen bei der Vermittlung einer Fremdsprache. Andererseits werden diese Beschreibungen und Beobachtungen jedoch zumeist terminologisch nicht näher abgesichert, so dass Bezeichnungen wie Spracherwerb, acquisition
of language oder acquisition du langage nicht direkt aufzufinden sind. Vielmehr wird oftmals der Vorgang des Spracherwerbs anhand konkreter Fallbeispiele oder anhand allgemeinerer methodologischer Konzepte des Lernens (etwa durch Imitation) beschrieben. Der Vorgang des Spracherwerbs wird etwa unter Verwendung von Paraphrasen wie les enfants apprennent à parler, concevoir comment un enfant apprend le langage de son père, if we will observe how children learn languages thematisiert. Der Verzicht auf eine direkte Bezeichnung des Konzepts ‘Spracherwerb’ impliziert jedoch nicht, dass im 17. und 18. Jahrhundert noch keine genauere Vorstel-
Spracherwerb lung über die dabei erfolgenden Prozesse bestanden hätte. II. (MERSENNE [1636] 1975: II, 48): Il faut donc dire que les oiseaux & les enfans apprennent seulement à parler, ou à chanter en remuant le larynx, & les autres parties qui seruent à la voix en toutes sortes de manieres, iusques à ce qu’ils ayent rencontré par hazard l’ouuerture de la languette, ou qu’ils ayent poussé l’air qui est necessaire pour faire le son, ou pour former la parole & le chant qu’ils veulent imiter, & admirer quant & quant comment l’imagination conduit la voix, & comme elle meut tous les muscles qui seruent à la parole sans les connoistre; ce qui témoigne qu’il y a quelque nature intelligente dans nous, qui est beaucoup plus excellente que nous mesmes, laquelle conduit tous ces mouuemens par vne science tres-certaine, & dont nos muscles & toutes nos autres parties dépendent entierement. Toutefois l’on experimente qu’il y a des enfans qui imitent si aisément toutes sortes de chants, qu’ils les repetent parfaitement si tost qu’ils les ont oüis; & lors que cela arriue, l’on peut conclure qu’ils sont tres-propres pour chanter la Musique. Or encore que l’on ne connoisse pas les muscles, ny leur mouuement, il faut aduoüer que l’imagination a vne admirable industrie & promptitude pour imiter toutes sortes de sons, qui ne surpassent pas l’estendüe de la voix, soit que les sons qui seruent d’exemplaires & d’originaux picquent & affectent le nerf de l’ouye, & celuy de la voix, qui respond par vne forme d’echo, comme fait la chorde qui est à l’vnisson de celle qui est touchee, ou que les interualles des sons dont on vse en chantant soient naturels à l’homme & aux oiseaux. (MERSENNE [1636] 1975: II, 57): Il faut seulement icy remarquer que les voyelles ont esté deuant les consones, parce que les enfans commencent leur articulation par les voyelles dont ils vsent pour crier, & particulierement par la lettre a, pource qu’elle est la plus aisee à prononcer. (MERSENNE [1636] 1975: II, 61): Quant aux differentes manieres de parler, elles dépendent plus de l’institution & de la coustume, que du temperament; car si l’on meine vn enfant de France en Italie, lors qu’il aura apris à
299 parler il parlera comme vn Italien: ce qui arriueroit de mesme si on le portoit dans la Tartarie, ou dans la Chine: & afin que l’on n’objecte pas que l’enfant acquiert vne particuliere disposition en n’aissant [sic] qui le determine à parler plustost d’vne façon que d’vne autre, ie dis que l’enfant qui sera porté à deux ou trois ans de France en Italie, ou en Perse, & qui reuiendra à vingt ou à cinquante ans, aura autant de difficulté à parler François que s’il estoit nay en Perse, & qu’vn François demeurant en Perse peut tellement instruire ses enfans Persans qu’ils parleront aussi bien François qu’à Paris; & qu’ils parleront aussi peu Persan que s’ils n’auoient iamais veu la Perse: ce que l’on peut confirmer par plusieurs experiences des Hollandois, & de plusieurs autres qui apprennent le François, ou les autres langages estrangers à leurs enfans auant qu’ils sçachent le langage du pays; d’où ie conclus que les differens climats n’apportent rien pour les differentes manieres de parler qui n’aissent [sic] seulement de la coustume, & consequemment que toutes sortes de langages sont indifferens pour toutes sortes de pays; ce que les Espagnols Ameriquains peuuent tesmoigner, dont les enfans parlent tousiours Espagnol, pourueu qu’ils ne corrompent point leur langue par le meslange de celle des Barbares, & des Sauvages. (COMENIUS [1648] 1978: 20): 26. Evidenter se in pueris infantibus facultates ordine illo exserunt. Primùm namq; illi Oculos per Res circumferre, eásq; sensibus captare, mox contrectare, movere, versare, tandem nominare, consvescunt. Qvem ordinem ab adultis qvoqve observari, sapientiæ est; violari, stultitiæ. Fatuum enim est loqvi, qvæ non intelligas; sine ratione autem agere aliqvid, temerarium, brutum, insipidum. (CHIFLET [1659] 1681: 166–167): Mais, disent-ils, ce seroit un grand soulagement pour les étrangers, qui lisent nos liures François, & apprennent nostre langue. Cette raison m’a tousjours semblé fort deraisonnable: & ie vous en feray le iuge. Car quoy que vous fassiez, iamais un estranger ne lira vostre langue, comme vous la lisez, s’il ne l’apprend de vous: ainsi que vous mesmes, si vous entreprenez de lire de l’Allemand, du Flamand ou de l’Espagnol, sans sçavoir leur façon de pro-
300 noncer, vous feres rire les personnes de ces nations de l’impertinence de votre mauuais langage. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: Préface, [V]): […] & enfin comment les enfans apprennent à parler; I’admire les efforts que la raison fait en eux dés le premier âge, pour leur faire discerner la signification de chaque mot; sur tout l’ordre qu’ils suivent pour cela me paroist surprenant, en ce qu’il est tout semblable à celuy de la Grammaire, de sorte que voyant combien cét art imite la nature, je n’ay pas de peine à découvrir, comment ceux qui nous en ont donné des regles, les ont apprises des enfans […]. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 42–43): […] je m’arresteray à considerer, comment une personne qui n’auroit aucune connoissance de la langue d’un Pays la pourroit apprendre, quoy que ceux du Pays ne sçeussent pas la sienne. Pour cela je conçois, que s’apliquant d’abord à sçavoir le nom des choses qui luy seroient les plus necessaires, il écouteroit soigneusement tout ce qui se diroit par ceux qui tiendroient, ou qui démontreroient quelqu’une de ces choses; & le mot qu’ils repeteroient le plus souvent en parlant de cette chose, devant necessairement estre son nom, il pourroit en prononçant ce mot, user en mesme temps pour obtenir la choses [sic!] de quelque signe qui témoignât le besoin qu’il en a: Que si en la démontrant & en faisant connoistre qu’il en a besoin, il ne la nommoit pas bien, on ne manqueroit pas de luy en dire le veritable nom; de sorte qu’il pourroit par de semblables démonstrations, sçavoir en peu de temps le nom de plusieurs choses […] (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 45–46): […] comment des hommes faits ne trouveroient ils pas les moyens de se faire entendre dans un Pays où ils arrivent, puisque les enfans en trouvent bien pour apprendre la langue du Pays où ils naissent? Ils n’apportent en venant au monde, que ce que la nature donne à tous les hommes, pour exprimer la douleur, la joye, ou les autres passions; cependant cela leur suffit, & pour peu qu’ils ayent vescu, ils estudient si bien le visage de leur nourrice, qu’elle peut les faire pleurer ou rire, à les regarder seulement; ainsi ils connoissent aisement les passions de ceux qui les approchent,
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken par les mouvemens exterieurs, qui en sont les signes naturels. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 60–62): Il n’est pas difficile maintenant de concevoir, pourquoy nous avons tant de facilité à apprendre une langue estrangere d’une personne qui la sçait, & qui sçait aussi la nostre: car alors nous pouvons nous enquerir aysément, du nom de chaque chose. Nous pouvons aussi par ce moyen apprendre plusieurs langues, estant manifeste qu’apres avoir appris le mot qui signifie une chose en François, l’on peut apprendre encore par quels mots les Italiens, les Espagnols & d’autres Nations expriment cette chose: & ce qu’il y a de remarquable est, que quand nous sommes une fois convenus que plusieurs mots signifient une mesme chose, nous joignons si bien l’idée ou la pensée de cette chose à chacun de ces mots, que souvent nous nous souvenons tres-bien qu’on nous en a donné l’idée, sans nous souvenir duquel de tous ces mots on s’est servy; d’où vient, que quand on se trouve avec des personnes de differens Pays dont on sçait les langues, on retient aisément chaque nouvelle, & tout ce qui a esté dit sur les sujets dont on a parlé, sans pouvoir precisément se ressouvenir des mots ny de la langue dont on s’est servy, pour nous donner les idées qui nous en restent. (LAMY [1675] 1688: 71–72): Il n’est donc pas difficile de concevoir comment un enfant apprend le langage de son pere, & comment il prononce avec le même ton, & de la même maniere les paroles qu’il entend. Son pere en lui presentant du pain ou quelqu’autre chose, a souvent fait sonner à ses oreilles ce mot pain. Ainsi comme nous avons dit ci-dessus, l’idée de la chose que l’on nomme pain, & le son des lettres qui composent ce nom se sont liées dans sa tête; de sorte qu’il est porté à dire ce même mot en voyant du pain; il se trouve disposé à le prononcer, & il le fait, l’experience lui ayant fait connoître que lorsqu’il prononce ce mot on lui en donne. C’est ainsi que plusieurs oiseaux apprennent à parler; mais il y a bien de la difference entre les enfans & les oiseaux, qui n’ayant point d’esprit ne prononcent jamais le petit nombre de mots qu’ils ont appris avec beaucoup de peine, que dans le même ordre, dans la même occasion où ces organes ont reçû cette dispo-
Spracherwerb sition pour les prononcer. Au lieu que cet enfant arrange en differentes manieres les mots qu’il a appris, & en fait milles usages differens. Il fait des discours suivis qui ne peuvent être l’effet d’une impression corporelle, ainsi que Virgile dit que les oiseaux chantent d’une maniere particuliere selon la disposition de l’air. La parole est l’appanage de l’homme. (LAMY [1675] 1688: 71): Nous aimons la compagnie, nous prenons plaisir à parler, & à entendre parler. Tout cela, quand nous nous trouvons dans un païs étranger, un peu de temps nous en fait apprendre la langue autant qu’il est necessaire pour entendre ceux avec qui nous conversons, & pour demander nos besoins les plus pressans. Les enfans sont encore plus ardens pour tout ce qu’ils souhaitent; c’est pourquoi ils apprennent les langues plus facilement. Si on veut faire apprendre le François à un petit étranger, il n’y a qu’à le faire joüer avec de petits François, le desir qu’il aura de prendre sa part du plaisir, ce qu’il ne peut faire qu’en exprimant ses desirs, & entendant tout ce que disent les autres lui fera plus apprendre de François en quinze jours qu’un Maître ne luy en montreroit dans dix mois, comme je l’ai veu par experience. (LOCKE [1690] 1894: III, IX, 108): For if we will observe how children learn languages, we shall find that, to make them understand what the names of simple ideas or substances stand for, people ordinarily show them the thing whereof they would have them have the idea; and then repeat to them the name that stands for it; as white, sweet, milk, sugar, cat, dog. (KRAMER 1700: 2–3): Wiewohl ich noch eine andere Gattung von familiären Entretiens oder Gesprächen unter der Feder habe, welche eigentlich beydes auf unsere teutsche Nation und Sitten, als auch auf unsere Weise zu reden zielen, und noch dazu mit einer so beschaffenen Ordnung und methode [sic!] eingerichtet werden, dass, nebst dass ein Sprachbeflissener, der ein wenig ein Fundament hat sich selbst von freyen Stücken daraus exerciren, und aus dem Teutschen (Frantzösischen) ins Französische (Teutsche) übersetzen wird lernen, man von allen, zu Haus und draußen vorfallenden Materien nicht allein die nöthige Worte und Red=Arten, sondern auch so gar
301 die Formularien sich in beyden Sprachen recht zu expliciren, als wie in einem reichen Lexico, oder Locis communibus, in der Geschwindigkeit nachschlagen und finden könne. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 23): […] Nous pouvons bien nous autres apprendre nostre langue à des enfans qui ne sçavent pas encore parler, parce que nostre langue est certaine & constante entre-nous; & que ceux qui parlent aux enfans ou en présence des enfans, se servent toûjours des mêmes termes pour signifier les mêmes choses & les mêmes pensées. Ce qui fait qu’enfin les enfans s’accoûtument aussi à se servir des mêmes termes pour marquer les mêmes choses & les mêmes pensées. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 25–26): […] Puisque nostre propre experience nous fait voir que la facilité de l’articulation ne se contracte que par imitation. Les enfans s’habituent à articuler leur voix en imitant celle de leur nourrice & de leur parens. (DU MARSAIS 1730: i): Je suis persuadé par des expériences réitérées, que la méthode la plus facile & la plus sure pour comencer à aprendre le latin, c’est de se servir d’abord d’une interprétation interlineaire, où la construction soit toute faite, & où les mots sousentendus soient suplées. J’espère doner bientôt au public quelques unes de ces traductions. Mais, quand les jeunes gens sont devenus capables, de réflexion, on doit leur montrer les règles de la Grammaire, & faire avec eux les observations grammaticales qui sont nécessaires pour l’intelligence du texte qu’on explique. C’est dans cette vue que j’ai composé une Grammaire où j’ai rassemblé ces observations. (DU MARSAIS 1730: 60–61): La signification des mots ne leur a pas été donnée dans une assemblée générale de chaque peuple, dont le résultat ait été signifié à chaque particulier qui est venu dans le monde; cela s’est fait insensiblement & par l’éducation: les enfans ont lié la signification des mots aux idées que l’usage leur a fait conoitre que ces mots signifioient. 1. A mesure qu’on nous a doné du pain, & qu’on nous a prononcé le mot pain; d’un côté
302 le pain a gravé par les yeux son image dans notre cerveau, & en a excité l’idée: d’un autre côté le son du mot pain a fait aussi son impression par les oreilles, de sorte que ces deux idées accessoires, c’est-à-dire, excitées en nous en même tems, ne sauroient se réveiller séparément sans que l’une excite l’autre. 2. Mais parce que la conoissance des autres mots qui signifient des abstractions ou des opérations de l’esprit, ne nous a pas été donée d’une maniére aussi sensible; que d’ailleurs la vie des homes est courte, & qu’ils sont plus ocupés de leurs besoins & de leur bien être, que de cultiver leur esprit & de perfectioner leur langage; come il y a tant de variété & d’inconstance dans leur situation, dans leur état, dans leur imagination, dans les diférentes rélations qu’ils ont les uns avec les autres; que par la dificulté que les homes trouvent à prendre les idées précises de ceux qui parlent, ils retranchent ou ajoutent presque toujours à ce qu’on leur dit; que d’ailleurs la mémoire n’est ni assez fidèle ni assez scrupuleuse pour retenir & rendre exactement les mêmes mots & les mêmes sons, & que les organes de la parole n’ont pas dans tous les homes une conformation assez uniforme pour exprimer les sons précisément de la même manière; enfin come les langues ne sont point assez fécondes pour fournir à chaque idée un mot précis qui y réponde: de tout cela il est arivé que les enfans se sont insensiblement écartés de la manière de parler de leurs péres, come ils se sont écartés de leur manière de vivre & de s’habiller […]. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 410): Wenn man eine todte Sprache erlernet, so folget man in allen denenjenigen, welche uns in ihren Schrifften selbige aufbehalten haben; man machet sich alles bekannt, so, wie es der Sprach Gebrauch haben will, es mag auch die Art zu schreiben und zu reden ordentlich oder unordentlich, vollkommen oder unvollkommen seyn. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, I, 9–10): Ce couple eut un enfant, qui, pressé par des besoins qu’il ne pouvoit faire connoître que difficilement, agita toutes les parties de son corps. Sa langue fort flexible se replia d’une manière extraordinaire, et prononça un mot tout nouveau. Le besoin continuant donna en-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken core lieu aux mêmes effets; cet enfant agita sa langue comme la première fois, et articula encore le même son. Les parens surpris, ayant enfin deviné ce qu’il vouloit, essayèrent, en le lui donnant, de répéter le même mot. La peine qu’ils eurent à le prononcer fit voir qu’ils n’auroient pas été d’eux-mêmes capables de l’inventer. (BUFFON [1749] 2007–: II, 494–495): Les enfans commencent à bégayer à douze ou quinze mois, la voyelle qu’ils articulent le plus aisément, est l’A, parce qu’il ne faut pour cela qu’ouvrir les lèvres & pousser un son; l’E suppose un petit mouvement de plus, la langue se relève en haut en même temps que les lèvres s’ouvrent; il en est de même de l’I, la langue se relève encore plus, & s’approche des dents de la mâchoire supérieure; l’O demande que la langue s’abaisse, & que les lèvres se serrent; il faut qu’elles s’allongent un peu, & qu’elles se serrent encore plus pour prononcer l’U. Les premières consonnes que les enfants prononcent, sont aussi celles qui demandent le moins de mouvement dans les organes; le B, l’M & le P sont les plus aisées à articuler; il ne faut pour le B & le P, que joindre les deux lèvres & les ouvrir avec vîtesse, & pour l’M, les ouvrir d’abord & ensuite les joindre avec vîtesse. […] ainsi de toutes les voyelles l’A est la plus aisée, & de toutes les consonnes le B, le P & l’M sont aussi les plus faciles à articuler; il n’est donc pas étonnant que les premiers mots que les enfants prononcent, soient composez de cette voyelle & de ces consonnes, & l’on doit cesser d’être surpris de ce que dans toutes les langues & chez tous les peuples les enfans commencent toûjours par bégayer Baba, Mama, Papa, ces mots ne sont, pour ainsi dire, que les sons les plus naturels à l’homme, parce qu’ils sont les plus aisez à articuler; les lettres qui les composent, ou plûtôt les caractères qui les représentent, doivent exister chez tous les peuples qui ont l’écriture ou d’autres signes pour représenter les sons. (BUFFON [1749] 2007–: II, 495–496): Il y a des enfans qui à deux ans prononcent distinctement & répètent tout ce qu’on leur dit, mais la plûpart ne parlent qu’à deux ans & demi, & très-souvent beaucoup plus tard; on remarque que ceux qui commencent à parler
Spracherwerb fort tard, ne parlent jamais aussi aisément que les autres. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 526): […] une tentation qui entraîne presque tous ceux qui écrivent dans une autre langue que la leur, la tentation de modeler l’arrangement de leurs signes sur l’arrangement des signes de la langue qui leur est habituelle […]. (PLUCHE 1751: [XII]–[XVI]): S’il s’apprend aujourd’hui quelques prétendus commencemens de Latin, ce sont des enfans, même de sept à huit ans, qui produisent ce latin du creux de leur cerveau. On exige d’eux qu’ils s’assujettissent au travail de la composition, & qu’ils se conforment à des régles de pure Logique, dès avant la naissance de leur raison. Vous les voyez tristement assis & dans un repos qui fait leur supplice. Grand silence. Méditation profonde. Choix de mots. Réformes de tour. Enfin il sera dit qu’ils composent en Latin, & qu’il y aura des degrés de mieux dans leurs compositions avant qu’ils ayent acquis la moindre idée, le moindre sentiment du caractère de cette langue. Dans le vrai, elle leur est en tout aussi inconnue que celle du Pérou ou de la terre Magellanique. […] une jeune Demoiselle qu’on amène ici de Londres ou de Florence, peut en moins d’un an de séjour parmi nous, sans livres & sans écriture, entendre & parler le François; au lieu que la plûpart de ceux qui étudient le Latin y perdent les huit & dix ans qu’ils y mettent. Communément il ne leur en reste rien: presqu’Aucun d’eux n’entend le Latin: & ceux qui croyent l’entendre n’osent le parler. Ils se rendent justice. (Encyclopédie, Artikel Construction, DU MARSAIS, 1754: IV, 74): Dès les premieres années de la vie, le penchant que la nature & la constitution des organes donnent aux enfans pour l’imitation, les besoins, la curiosité, & la présence des objets qui excitent l’attention, les signes qu’on fait aux enfans en leur montrant les objets, les noms qu’ils entendent en même tems qu’on leur donne, l’ordre successif qu’ils observent que l’on suit, en nommant d’abord les objets, & en énonçant ensuite les modificatifs & les mots déterminans; l’expérience répétée à chaque instant & d’une maniere uniforme, toutes ces circonstances & la liaison qui se trouve entre tant de mouve-
303 mens excités en même tems: tout cela, dis-je, apprend aux enfans, non-seulement les sons & la valeur des mots, mais encore l’analyse qu’ils doivent faire de la pensée qu’ils ont à énoncer, & de quelle maniere ils doivent se servir des mots pour faire cette analyse, & pour former un sens dans l’esprit des citoyens parmi lesquels la providence les a fait naître. Cette méthode dont on s’est servi à notre égard, est la même que l’on a employée dans tous les tems & dans tous les pays du monde, & c’est celle que les nations les plus policées & les peuples les plus barbares mettent en œuvre pour apprendre à parler à leurs enfans. C’est un art que la nature même enseigne. Ainsi je trouve que dans toutes les langues du monde, il n’y a qu’une même maniere nécessaire pour former un sens avec les mots: c’est l’ordre successif des relations qui se trouvent entre les mots, dont les uns sont énoncés comme devant être modifiés ou déterminés, & les autres comme modifiant ou déterminant: les premiers excitent l’attention & la curiosité, ceux qui suivent la satisfont successivement. C’est par cette maniere que l’on a commencé dans notre enfance à nous donner l’exemple & l’usage de l’élocution. D’abord on nous a montré l’objet, ensuite on l’a nommé. Si le nom vulgaire étoit composé de lettres dont la prononciation fût alors trop difficile pour nous, on en substituoit d’autres plus aisées à articuler. Aprés le nom de l’objet on ajoûtoit les mots qui le modifioient, qui en marquoient les qualités ou les actions, & que les circonstances & les idées accessoires pouvoient aisément nous faire connoître. A mesure que nous avancions en âge, & que l’expérience nous apprenoit le sens & l’usage des prépositions, des adverbes, des conjonctions, & surtout des différentes terminaisons des verbes destinées à marquer le nombre, les personnes, & les tems, nous devenions plus habiles à démêler les rapports des mots & à en appercevoir l’ordre successif, qui forme le sens total des phrases, & qu’on avoit grande attention de suivre en nous parlant. Cette maniere d’énoncer les mots successivement selon l’ordre de la modification ou détermination que le mot qui suit donne à celui qui le précede, a fait regle dans notre esprit. Elle est devenue notre modele invariable, au
304 point que, sans elle, ou du moins sans les secours qui nous aident à la rétablir, les mots ne présentent que leur signification absolue, sans que leur ensemble puisse former aucun sens. (Encyclopédie, Artikel Dictionnaire de Langues, D’ALEMBERT, 1754: IV, 960): En effet il n’est point de langue étrangere que nous ne puissions apprendre, comme nous avons appris la nôtre; & il est évident qu’en apprenant notre langue maternelle, nous avons deviné le sens d’un grand nombre de mots, sans le secours d’un dictionnaire qui nous les expliquât: c’est par des combinaisons multipliées, & quelquefois très-fines, que nous y sommes parvenus; & c’est ce qui me fait croire, pour le dire en passant, que le plus grand effort de l’esprit est celui qu’on fait en apprenant à parler; je le crois encore audessus de celui qu’il faut faire pour apprendre à lire: celui-ci est purement de mémoire, & machinal; l’autre suppose au moins une sorte de raisonnement & d’analyse. (Encyclopédie, Artikel Dictionnaire de Langues, D’ALEMBERT, 1754: IV, 966): Mais en général le meilleur moyen d’apprendre promptement une langue quelconque, c’est de se mettre d’abord dans la mémoire le plus de mots qu’il est possible: avec cette provision & beaucoup de lecture, on apprendra la syntaxe par le seul usage, sur-tout celle de plusieurs langues modernes, qui est fort courte; & on n’aura guere besoin de lire des livres de Grammaire, sur-tout si on ne veut pas écrire ou parler la langue, & qu’on se contente de lire les auteurs; car quand il ne s’agit que d’entendre, & qu’on connoît les mots, il est presque toûjours facile de trouver le sens. Voulez-vous donc apprendre promptement une langue, & avez-vous de la mémoire? apprenez un dictionnaire, si vous pouvez, & lisez beaucoup; c’est ainsi qu’en ont usé plusieurs gens de lettres. (ROUSSEAU 1755: 33): Remarquez encore que l’Enfant ayant tous ses besoins à expliquer, & par conséquent plus de choses à dire à la Mere, que la Mere à l’Enfant, c’est lui qui doit faire les plus grands fraix de l’invention, & que la langue qu’il emploie doit être en grande partie son propre ouvrage. (MONTIZON 1761: 4–5): Sçavoir une langue, c’est entendre ceux qui la parlent ou l’écri-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken vent, & pouvoir soi-même la parler ou l’écrire. La première cause de la lenteur de nos progrès dans la Langue Latine, ne provient que de l’opinâtreté de plusieurs Maîtres à vouloir faire marcher le thême ou l’application des mots, avant la version, qui seule peut donner la connoissance de ces mêmes mots. S’amuser à réfuter en forme une pareille conduite, seroit s’exposer à des redites inutiles. Tous les grands Hommes qui ont réfléchi sur cette matière, les Rollin, les Dumarsais, & ceux qui ont suivi leurs traces, n’ont-ils pas combattu cette méthode par des arguments si vrais & si frappans, que je ne puis qu’y envoyer ceux qui auroient encore quelque doute à ce sujet. Tous ces habiles Gens, ces Grammairiens Philosophes, sont convenus que le premier pas dans l’étude des Langues, est la connoissance des mots, & que sans elle en vain travaille-t-on à leur arrangement: d’où il résulte nécessairement que c’est par l’explication qu’on doit commencer. Je vois avec satisfaction cet usage s’introduire chez ceux qui, suivant les lumières d’un goût éclairé, préfèrent les découvertes utiles aux préjugés qui sont souvent pernicieux. Mais, dira-t-on, ceux même qui commencent par l’explication, sont-ils effectivement plus forts dans l’intelligence des Auteurs? Parlentils mieux Latin que les autres? N’y sont-ils pas quelquefois embarrassés? Je le sçais: c’est à quoi je veux remédier. (MONTIZON 1761: 10): En France les Femmes, pour la plûpart, possédent admirablement leur Langues. Que de charmes dans leur conversation! Que de graces dans leur style! C’est une justice que notre amour-propre ne peut nous empêcher de leur rendre. Pour acquérir cette perfection, ont-elles passé des années entières à pâlir sur les livres de principes? Point du tout. Qui les a donc formées? La constante habitude de converser avec gens instruits; la lecture peut-être plus fréquente que méditée des bons Auteurs. L’expérience étant de tous les principes le plus incontestable, il est clair qu’on en peut faire l’application à l’étude de toutes les Langues. (DE BROSSES 1765: I, 12–13): La parole commence dès l’enfance, dès que les organes de la voix ont acquis assez de force pour articuler. Mais tous les organes vocaux n’ac-
Spracherwerb quierent pas à la fois cette faculté d’opérer; elle ne se développe que successivement, selon que l’organe est plus mobile, ou son opération plus aisée. L’enfant qui ne peut encore mettre qu’un de ses organes en jeu, est dans la nécessité de rendre les seuls sons que cet organe peut produire. Cet enfant veut parler & nommer. Comment le pourroit-il faire autrement qu’en employant les seules articulations dont-il est encore capable? Il faut qu’il dise papa & mama, qui sont les inflexions simples de l’organe labial, le premier & le plus mobile de tous: il faut que ces syllabes deviennent les noms qu’il impose aux objets qu’il nomme. Il n’y a aucun choix de sa part, car il ne peut articuler autrement: c’est l’opération nécessaire de la nature; opération qui doit être à-peu-près la même dans tous les langages, dans tous les pays, puisqu’elle n’a rien d’arbitraire, de conventionel, ni d’autrement possible. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 261): En quelque pays que ce soit, le mouvement le plus facile est d’ouvrir la bouche & de remuer les levres, ce qui donne le son le plus plein a, & l’une des articulations labiales b, p, v, f ou m. De-là, dans toutes les langues, les syllabes ab, pa, am, ma, sont les premieres que prononcent les enfans: de-là viennent papa, maman, & autres qui ont rapport à ceux-ci; & il y a apparence que les enfans formeroient d’eux-mêmes ces sons dès qu’ils seroient en état d’articuler, si les nourrices, prévenant une expérience trèscurieuse à faire, ne les leur apprenoient d’avance; ou plutôt les enfans ont été les premiers à les bégayer, & les parens empressés de lier avec eux un commerce d’amour, les ont répétés avec complaisance, & les ont établis dans toutes les langues même les plus anciennes. On les y retrouve en effet, avec le même sens, mais désfigurés par les terminaisons que le génie propre de chaque idiome y a ajoutées, & de maniere que les idiomes les plus anciens les ont conservés dans un état ou plus naturel, ou plus approchant de la nature. (Encyclopédie, Artikel Méthode, BEAUZÉE, 1765: X, 446–447): I. 1°. Les langues vivantes, comme le françois, l’italien, l’espagnol, l’allemand, l’anglois, &c. se parlent aujourd’hui chez les nations dont elles portent le nom: & nous avons, pour les apprendre,
305 tous les secours que l’on peut souhaiter; des maitres habiles qui en connoissent le méchanisme & les finesses, parce qu’elles en sont les idiomes naturels; des livres écrits dans ces langues, & des interpretes sûrs qui nous en distinguent avec certitude l’excellent, le bon, le médiocre, & le mauvais: ces langues peuvent nous entrer dans la tête par les oreilles & par les yeux tout-à-la-fois. Voilà le fondement de la méthode qui convient aux langues vivantes, décidé d’une maniere indubitable. Prenons, pour les apprendre, des maîtres nationnaux: qu’ils nous instruisent des principes les plus généraux du méchanisme & de l’analogie de leur langue; qu’ils nous la parlent ensuite & nous la fassent parler; ajoutons à cela l’étude des observations grammaticales, & la lecture raisonnée des meilleurs livres écrits dans la langue que nous étudions. La raison de ce procédé est simple: les langues vivantes s’apprennent pour être parlées, puisqu’on les parle; on n’apprend à parler que par l’exercice fréquent de la parole; & l’on n’apprend à le bien faire, qu’en suivant l’usage, qui, par rapport aux langues vivantes, ne peut se constater que par deux témoignages inséparables, je veux dire, le langage de ceux qui par leur éducation & leur état sont justement présumés les mieux instruits dans leur langue, & les écrits des auteurs que l’unanimité des suffrages de la nation caractérise comme les plus distingués. 2°. Il en est tout autrement des langues mortes, comme l’hébreu, l’ancien grec, le latin. Aucune nation ne parle aujourd’hui ces langues; & nous n’avons, pour les apprendre, que les livres qui nous en restent. Ces livres même ne peuvent pas nous être aussi utiles que ceux d’une langue vivante; parce que, nous n’avons pas, pour nous les faire entendre, des interpretes aussi sûrs & aussi autorisés, & que s’ils nous laissent des doutes, nous ne pouvons en trouver ailleurs l’éclaircissement. Est-il donc raisonnable d’employer ici la même méthode que pour les langues vivantes? Après l’étude des principes généraux du méchanisme & de l’analogie d’une langue morte, débuterons nous par composer en cette langue, soit de vive voix, soit par écrit? Ce procédé est d’une absurdité évidente: à quoi bon parler une langue qu’on ne parle plus? Et comment prétend-on venir à bout de la parler
306 seul, sans en avoir étudié l’usage dans ses sources, ou sans avoir présent un moniteur instruit qui le connoisse avec certitude, & qui nous le montre en parlant le premier? Jugez par-là ce que vous devez penser de la méthode ordinaire, qui fait de la composition des thèmes son premier, son principal, & presque son unique moyen. Voyez ETUDE, & la Méch. des langues, liv. II. §. j. C’est aussi par-là que l’on peut apprécier l’idée que l’on proposa dans le siecle dernier, & que M. de Maupertuis a réchauffée de nos jours, de fonder une ville dont tous les habitans, hommes & femmes, magistrats & artisans ne parleroient que la langue latine. Qu’avons-nous affaire de savoir parler cette langue? Est-ce à la parler que doivent tendre nos études? Quand je m’occupe de la langue italienne, ou de telle autre qui est actuellement vivante, je dois apprendre à la parler, puisqu’on la parle; c’est mon objet: & si je lis alors les lettres du cardinal d’Ossat, la Jérusalem délivrée, l’énéïde d’Annibal Caro, ce n’est pas pour me mettre au fait des affaires politiques dont traite le prélat, ou des avantures qui constituent la fable des deux poëmes; c’est pour apprendre comment se sont énoncés les auteurs de ces ouvrages. En un mot, j’étudie l’italien pour le parler, & je cherche dans les livres comment on le parle. Mais quand je m’occupe d’hébreu, de grec, de latin, ce ne peut ni ne doit être pour parler ces langues, puisqu’on ne les parle plus; c’est pour étudier dans leurs sources l’histoire du peuple de Dieu, l’histoire ancienne ou la romaine, la Mythologie, les Belles-Lettres, &c. La Littérature ancienne, ou l’étude de la Religion, est mon objet: & si je m’applique alors à quelque langue morte, c’est qu’elle est la clé nécessaire pour entrer dans les recherches qui m’occupent. En un mot, j’étudie l’Histoire dans Hérodote, la Mythologie dans Homere, la Morale dans Platon; & je cherche dans les grammaires, dans les lexiques, l’intelligence de leur langue, pour parvenir à celle de leurs pensées. On doit donc étudier les langues vivantes, comme fin, si je puis parler ainsi; & les langues mortes, comme moyen. Ce n’est pas au reste que je prétende que les langues vivantes ne puissent ou ne doivent être regardées comme des moyens propres à acquérir
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken ensuite des lumieres plus importantes: je m’en suis expliqué tout autrement au mot LANGUE; & quiconque n’a pas à voyager chez les étrangers, ne doit les étudier que dans cette vûe. Mais je veux dire que la considération des secours que nous avons pour ces langues doit en diriger l’étude, comme si l’on ne se proposoit que de les savoir parler; parce que cela est possible, que personne n’entend si bien une langue que ceux qui la savent parler, & qu’on ne sauroit trop bien entendre celle dont on prétend faire un moyen pour d’autres études. Au contraire nous n’avons pas assez de secours pour apprendre à parler les langues mortes dans toutes les occasions; le langage qui résulteroit de nos efforts pour les parler ne serviroit de rien à l’intelligence des ouvrages que nous nous proposerions de lire, parce que nous n’y parlerions guere que notre langue avec les mots de la langue morte; par conséquent nos efforts seroient en pure perte pour la seule fin que l’on doit se proposer dans l’étude des langues anciennes. (Encyclopédie, Artikel Méthode, BEAUZÉE, 1765: X, 457): C’est le maître qui dans les commencemens fait aux éleves l’analyse de la phrase de la maniere dont j’ai présenté cidevant un modele sur un petit passage de Cicéron: il la fait répéter ensuite à ses auditeurs, dont il doit relever les fautes, en leur en expliquant bien clairement l’inconvénient & la nécessité de la regle qui doit les redresser. Cette premiere besogne va lentement les premiers jours, & la chose n’est pas surprenante; mais la patience du maître n’est pas exposée à une longue épreuve: il verra bientôt croître la facilité à retenir & à repéter avec intelligence: il sentira ensuite qu’il peut augmenter un peu la tâche; mais il le fera avec discrétion, pour ne pas rebuter ses disciples: il se contentera de peu tant qu’il sera nécessaire, se souvenant toujours que ce peu est beaucoup, puisqu’il est solide & qu’il peut devenir fécond; & il ne renoncera à parler le premier qu’au bout de plusieurs semaines, quand il verra que les répétitions d’après lui ne coutent plus rien ou presque rien, ou quand il retrouvera quelques phrases de la simplicité des premieres par où il aura débuté, & sur lesquelles il pourra essayer les éleves en leur en faisant faire l’analyse les premiers, après leur
Spracherwerb en avoir préparé les moyens par la construction. C’est ici comme le second degré par où il doit les conduire quand ils ont acquis une certaine force. Il doit leur faire la construction analytique, l’explication litérale, & la version exacte du texte; puis quand ils ont répété le tout, exiger qu’ils rendent d’eux-mêmes les raisons analytiques de chaque mot: ils hésiteront quelquefois, mais bientôt ils trouveront peu de difficulté, à-moins qu’ils ne rencontrent quelques cas extraordinaires; & je réponds hardiment que le nombre de ceux que l’analyse ne peut expliquer est très-petit. Les éleves fortifiés par ce second degré, pourront passer au troisieme, qui consiste à préparer eux-mêmes le tout, pour faire seuls ce que le maître faisoit au commencement, l’analyse, la construction, l’explication littérale, & la version exacte. Mais ici, ils auroient besoin, pour marcher plus surement, d’un dictionnaire latin-françois qui leur présentât uniquement le sens propre de chaque mot, ou qui ne leur assignât aucun sens figuré sans en avertir & sans en expliquer l’origine & le fondement. Cet ouvrage n’existe pas, & il seroit nécessaire à l’exécution entiere des vûes que l’on propose ici; & l’entreprise en est d’autant plus digne de l’attention des bons citoyens, qu’il ne peut qu’être très-utile à toutes les méthodes; il seroit bon qu’on y assignât les radicaux latins des derivés & des composés, le sens propre en est plus sensible. Exercés quelque tems de cette maniere, les jeunes gens arriveront au point de ne plus faire que la construction pour expliquer littéralement & traduire ensuite avec correction, sans analyser préalablement les phrases. Alors ils seront au niveau de la marche ordinaire; mais quelle différence entr’eux & les enfans qui suivent la méthode vulgaire! Sans entrer dans aucun détail analytique, ils verront pourtant la raison de tout par l’habitude qu’ils auront contractée de ne rien entendre que par raison: certains tours, qui sont essentiellement pour les autres des difficultés trèsgrandes & quelquefois insolubles, ou ne les arrêtent point du tout, ou ne les arrêtent que l’instant qu’il leur faudra pour les analyser: tout ce qu’ils expliqueront, ils le sauront bien, & c’est ici le grand avantage qu’ils auront sur les autres, pour qui il reste toujours mille
307 obscurités dans les textes qu’ils ont expliqués le plus soigneusement, & des obscurités d’autant plus invincibles & plus nuisibles, qu’on n’en a pas même le soupçon: ajoutez-y que désormais ils iront plus vîte que l’on ne peut aller par la route ordinaire, & que par conséquent ils regagneront en célérité ce qu’ils paroissent perdre dans les commencemens; ce qui assure à la méthode analytique la supériorité la plus décidée, puisqu’elle donne aux progrès des éleves une solidité qui ne peut se trouver dans la méthode vulgaire, sans rien perdre en effet des avantages que l’on peut supposer à celle-ci. Je ne voudrois pourtant pas que, pour le prétendu avantage de faire voir bien des choses aux jeunes gens, on abandonnât tout-à-coup l’analyse pour ne plus y revenir: il convient, je crois, de les y exercer encore pendant quelque tems de fois à autre, en réduisant, par exemple, cet exercice à une fois par semaine dans les commencemens, puis insensiblement à une seule fois par quinzaine, par mois, &c. jusqu’à ce que l’on sente que l’on peut essayer de faire traduire correctement du premier coup sur la simple lecture du texte: c’est le dernier point où l’on amenera ses disciples, & où il ne s’agira plus que de les arrêter un peu pour leur procurer la facilité requise, & les disposer à saisir ensuite les observations qui peuvent être d’un autre ressort que de celui de la Grammaire, & dont je dois par cette raison m’abstenir de parler ici. (RADONVILLIERS 1768: V–VI): L’étude des Langues est une des occupations les plus communes chez les nations policées. On fait un devoir à la moitié des enfans, qui naissent dans les conditions honnêtes, d’étudier le latin; & des personnes de tout âge se font aujourd’hui un amusement d’apprendre l’Italien, & sur-tout l’Anglois. L’Allemand est nécessaire aux gens de guerre & toute Langue dans laquelle il y a de bons livres, est utile aux gens de lettres. Comment est-il donc arrivé que la plupart des arts moins utiles & d’un usage moins étendu, ont été perfectionnés, & que l’art d’étudier les Langues n’a fait aucun progrès ? (RADONVILLIERS 1768: XI–XII): Aussi convient-on assez généralement que la meilleure méthode pour apprendre les Langues seroit l’usage? Mais comment apprendre par l’usa-
308 ge des Langues qui ne se parlent plus? Cet obstacle n’est pas insurmontable. Les Langues sont employées à écrire comme à parler; pourquoi ne pourroit-on pas les apprendre dans les livres comme dans le commerce de la vie? C’est également les étudier par l’usage. Il ne reste que l’embarras de faire entendre les livres à celui qui ne sait pas la Langue dans laquelle ils sont écrits. M. du Marsais en a trouvé un moyen fort simple. Il place au-dessus des mots latins les mots françois correspondans. D’autres auteurs ont inventé & même perfectionné cette invention, La forme est indifférente. La seule chose essentielle, est de joindre toujours un mot connu au mot inconnu, afin qu’en lisant un livre écrit dans une Langue qu’on ne sait pas, on entende cependant les mots & la pensée de l’auteur. (RADONVILLIERS 1768: 39–40): Comme on apprend à entendre la Langue maternelle. Un enfant est dans les bras de sa nourrice: son père arrive, & la nourrice dit, papa. Papa, est un terme de la Langue Françoise, que l’enfant n’entend pas; mais en même temps que la nourrice le prononce, & le répète, elle fixe les yeux sur l’homme qui vient, elle le montre de la main, elle s’avance vers lui. Ces mouvemens sont des termes de la langue naturelle: l’enfant les entend, & ils lui expliquent la signification du mot papa. La même leçon se répète le soir, le lendemain, tous les jours. Après un certain temps, le mot s’unit à l’idée représentative de la personne. Cette union une fois faite, dès que le son papa frappe l’oreille de l’enfant, il réveille en lui cette même idée. Voilà un mot appris: tous les autres s’apprendront successivement par la même méthode. (RADONVILLIERS 1768: 40–41): II y a cependant quelque difficulté pour les noms des objets qui ne tombent pas sous les sens. Comment expliquer par gestes ce que signifie le terme reconnoissance? Un hasard dont la gouvernante saura profiter, lui en fournira le moyen. L’enfant desire vivement quelque chose; il l’obtient. S’il est né reconnoissant, son cœur sera pénétré en ce moment d’un sentiment inconnu. La gouvernante prononce alors le mot reconoissance, & par un geste elle l’applique à cette émotion nouvelle; la liaison entre le sentiment & le mot commence
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken à se former, & dans la suite elle se resserra par la répétition du même évènement. D’où l’on voit que s’il naît des hommes ingrats, ils ne peuvent pas savoir ce que c’est que le sentiment appellé. (RADONVILLIERS 1768: 44–45): Mais le second interprète suit exactement la méthode du premier. Au mot inconnu il substitue un ou plusieurs mots connus, qui en sont l’équivalent. Voilà tout le secret: du reste nulle règle générale, nul principe, nul raisonnement. Cette observation est fondamentale dans le sujet que je traite, & je la répéterai plus d’une fois. Les leçons de la nature se bornent toujours à un fait, dont elle enseigne ni les raisons, ni les conséquences. Tel mot françois, telle inflexion, telle particule signifient telle chose. La science des enfans n’est que la somme de ces faits recueillis successivement. Rien de si simple & d’uniforme que cette méthode. Cependant le succès en est infaillible. Il n’est jamais arrivé que quelqu’un né & élevé dans un pays, n’en ait pas entendu le langage. ([MAYET 1771] I-M-664: 20–21): C’est dans cet heureux état d’innocence que j’ai cru pouvoir chercher la source du langage, et je crois l’entrevoir dans le commerce que la nature a établi entre ces êtres, sur-tout entre la mère et l’enfant. Ni le père, ni la mère n’ont pas, à la vérité, plus besoin de se parler qu’ils n’en ont les moyens; mais ils ont l’aptitude; et cette aptitude étant plus susceptible de développement dans l’enfant, parceque les organes de la parole sont en lui plus mobiles et plus flexibles, ce sera l’enfant qui fera les principaux fraix de l’invention. Je vois, au sein même de la société civilisée, un enfant entre les bras de sa mère, se tourmenter pour en avoir le téton: je l’entends rendre des sons inarticulés, mais, qui se modifient insensiblement par le mouvement que l’enfant fait de ses lèvres, comme s’il tenoit le téton. Ce mouvement souvent répété, sur tout lorsque l’enfant est pressé par le besoin, se joint au son de l’A, qui est, dans les enfans, le premier cri du besoin, et forme naturellement le mot *mama*. Il est vrai que dans l’etat de société civilisée, ce mot paroît être d’institution, parceque les mères, et tout ce qui environne l’enfant, sachant ce mot, le répètent sans cesse; ce qui met les enfans à la mamelle en
Spracherwerb état de le savoir beaucoup plutôt, et peut être plus distinctement, que ne put le prononcer le premier enfant dans l’état de nature. Mais cela n’empêche pas qu’on ne puisse faire remonter l’origine de ce mot jusqu’à l’enfant de cet état. Dans le nôtre, ce sont les mères, qui, si l’on veut, apprennent ce mot à leurs enfans; dans celui de nature, ce fut l’enfant qui l’apprit à sa mère et à son père. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-667: 3): Die Sprache nimt bey Kindern zu, wie ihrer Begriffe mehr werden. Ja sie haben immer mehr Begriffe als Worte, wie man siehet, daß sie viel Begriffe und Worte andrer verstehen, wenn sie selbst noch nicht dergleichen sprechen; ja sie sprechen solche nicht einmal nach, wenn sie ihnen auch vorgesagt werden. Es gehöret dazu noch viele Uebung, und man sieht es den Kindern an, wenn sie schon reden können, wie schwer es ihnen wird die Organen des Mundes zu stellen, und ihnen die Geschmeidigkeit zu geben. (HERDER [1772] 1978a: 108): Ich nehme bei einem neugebornen Kinde das Geschrei seiner empfindsamen Maschine aus; sonst ist’s stumm; es äußert weder Vorstellungen noch Triebe durch Töne, wie doch jedes Tier in seiner Art; bloß unter Tiere gestellet, ist’s also das verwaisetste Kind der Natur, nackt und bloß, schwach und dürftig, schüchtern und unbewaffnet und, was die Summe seines Elendes ausmacht, aller Leiterinnen des Lebens beraubt. – Mit einer so zerstreueten, geschwächten Sinnlichkeit, mit so unbestimmten, schlafenden Fähigkeiten, mit so geteilten und ermatteten Trieben geboren, offenbar auf tausend Bedürfnisse verwiesen, zu einem großen Kreise bestimmt – und doch so verwaiset und verlassen, daß es selbst nicht mit einer Sprache begabt ist, seine Mängel zu äußern. (HERDER [1772] 1978a: 120): Eltern lehren die Kinder nie Sprache, ohne daß diese nicht immer selbst mit erfänden, jene machen diese nur auf Unterschiede der Sachen mittelst gewisser Wortzeichen aufmerksam, und so ersetzen sie ihnen nicht etwa, sondern erleichtern und befördern ihnen nur den Gebrauch der Vernunft durch die Sprache. (HERDER [1772] 1978a: 176–177): Warum hängt dieser Unmündige so schwach und unwissend an den Brüsten seiner Mutter, an den
309 Knien seines Vaters? Damit er lehrbegierig sei und Sprache lerne. Er ist schwach, damit sein Geschlecht stark werde. Nun teilt sich ihm mit der Sprache die ganze Seele, die ganze Denkart seiner Erzeuger mit; aber eben deswegen teilen sie es ihm gerne mit, weil es ihr Selbstgedachtes, Selbstgefühltes, Selbsterfundnes ist, was sie mitteilen. Der Säugling, der die ersten Worte stammlet, stammlet die Gefühle seiner Eltern wieder und schwört mit jedem frühen Stammlen, nach dem sich seine Zunge und Seele bildet, diese Gefühle zu verewigen, so wahr er sie Vater- oder Muttersprache nennet. (HERDER [1772] 1978a: 179–180): Rousseau, der hier wie gewöhnlich nach seiner Art aufruft: “Was hatte denn die Mutter ihrem Kinde viel zu sagen? Hatte das Kind nicht seiner Mutter mehr zu sagen? Woher lernte denn dies schon Sprache, sie seine Mutter zu lehren?”, macht aber auch hier, wie nach seiner Art gewöhnlich, ein panisches Feldgeschrei. Allerdings hatte die Mutter mehr das Kind zu lehren als das Kind die Mutter – weil jene es mehr lehren konnte und der mütterliche Instinkt, Liebe und Mitleiden, den Rousseau aus Barmherzigkeit den Tieren zugibt und aus Großmut seinem Geschlecht versagt, sie zu diesem Unterricht, wie der Überfluß der Milch zum Säugen, zwang. (TETENS 1772: 12): Was wir im Anfang erlernen, erlernen wir durch Nachahmen. Unsre Kinder hören nur den Schall unserer Worte. Man giebt ihnen keine Anweisung, wie sie die Musceln des Stimm-Organs bewegen müssen. Fehlte ihnen nun das Vermögen Nachzuahmen, so würden sie zwar die ihnen vorgesagten Töne empfinden, und in ihrer Einbildungskraft aufbehalten können, aber niemals im Stande seyn, sie nachzuahmen, und das Reden zu erlernen. Das Nachmachen und Nachahmen, ist nicht bloß eine Wirkung der Einbildungskraft allein. Es ist vielmehr eine Folge, welche die ganze thierische Natur voraussetze. (TETENS 1772: 31–32): Daß diese Entstehungsart der ersten Gedanken möglich sey, wird am einleuchtendsten dadurch bewiesen, weil sie eben dieselbige ist, auf welcher wir bey unsern Kindern, die wir durch die Sprache unterrichten, die erste Anwendung der Vernunft hervorlocken. Wir sagen ihnen
310 unterschiedene Töne vor, um ihnen den Unterschied der Dinge bemerklich zu machen. Wir gehen in ihre Seele nicht hinein, und stimmen die Reflexion nicht unmittelbar. Man wirket nur auf ihre äussern Sinnen. Aber dadurch daß ihnen die Objecte durch verschiedene äussere Eindrücke auf das Gehör kenntlich gemacht werden, stellen sie sich dem Vermögen der Seele dar, und suchen solches zur Wirksamkeit zu reitzen. Unsere Instruction hat den Vorzug, daß einerley Uebung öfters gleich auf einander wiederholet, und auf mancherley Art abgewechselt wird. Will also die Thätigkeit das erstemal nicht erfolgen, so erfolget sie das zweyte oder drittemal. Der Mensch in der Gesellschaft, die sich selbst überlassen ist, wird weniger und auch nicht so gerade zum Ziel hinleitende Gelegenheit haben. Dennoch werden sie nicht gänzlich fehlen. Sobald die vorausgesetzte objectivische Deutlichkeit in den mechanischen Tönen schon vorhanden ist, hat er die erwehnten Anreitzungen seiner Reflexion alle Tage. Allein, es ist begreiflich, sie wird langsamer zur Fertigkeit werden, und zurücke bleiben. Bey unsern Kindern scheinet sich eine gewisse Trägheit bey dem ersten Gebrauch des Reflexionsvermögen und der Sprachfähigkeit zu finden, die so beträchtlich ist, daß man darauf einen Einwurf gegen die Möglichkeit, ohne mündlichen Unterricht zu diesem Gebrauch zu gelangen, gründen könnte. Man plaudert ihnen vor, sobald sie auf die Welt kommen, und es dauert zuweilen länger als ein Jahr, ehe sich Begriffe und Sprache bey ihnen einfinden. Allein dies rühret offenbar daher, weil man den Unterricht allzufrüh anfänget. Die Vorstellungskraft ist noch durch das Empfinden und Phantasiren nicht genug gestärket worden, und die Empfindungen selbst sind auch noch zu schwach, die Einbildungen noch zu unstätig, und fliessen zu sehr ineinander, als daß das Vermögen der Reflexion, welches einige Festigkeit in den Vorstellungen voraus erfordert, schon wirken könnte. Ist die Natur hingegen zu einer Arbeit vorbereitet, so wird das, was nur Vermögen war, oft durch eine einzige lebhafte Anwendung zu einer Fertigkeit. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, I, X, 131): Before we proceed further in reasoning
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken upon this subject, let us try what is to be learned from fact and experience, beginning with the infants of our own species. That they have at first no ideas, and but very imperfect sensations, is a matter of fact that cannot be denied; and it is as certain that they acquire their ideas, not by nature, as they do their bodily faculties, but by instruction, and by conversing with elderly persons. Now suppose them deprived of this method of communication, how long may we suppose that their infancy of mind would last? (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, I, XIV, 176–177): Further, to shew the difficulty of pronunciation, the fact is most certain, that those who have been accustomed to speak all their lives, cannot without the greatest labour and pains learn to pronounce sounds that they have not been accustomed to. Thus a Frenchman that has not been taught English early in his youth, can hardly ever learn to pronounce the aspirated t, that is, the th; and an Englishman cannot pronounce the aspirated K, or Ȥ of the Greeks, which we in Scotland pronounce with the greatest ease. (HELVÉTIUS 1773: 178–179): Du mot BON. Prend-t-on ce mot dans toute l’étendue de sa signification; pour s’assurer si les hommes peuvent s’en former la même idée, sachons la maniere dont l’enfant l’acquiert. Pour fixer son attention sur ce mot, on le prononce en lui montrant quelque sucrerie, ou ce qu’on appelle des bons bons. Ce mot pris dans sa signification la plus simple, n’est d’abord appliqué qu’à ce qui flatte le goût de l’enfant et excite une sensation agréable dans son palais. Veut-on ensuite donner à ce mot une idée un peu plus étendue ? On l’applique indifféremment à tout ce qui plaît à cet enfant, c’est-àdire, à l’animal, à l’homme, au camarade avec lequel il joue et s’amuse. En général tant qu’on n’attache cette expression qu’à des objets physiques, tels sont, par exemple, une étoffe, un outil, une denrée, les hommes s’en forment à peu près la même idée, et cette expression rappelle du moins confusément à leur mémoire l’idée de tout ce qui peut être immédiatement bon pour eux. (RESTAUT 1775: ix): Ce petit Livre est un extrait fort simple d’un autre plus étendu qui
Spracherwerb a pour titre, Principes généraux & raisonnés de la Grammaire Françoise. Je n’y ai rien fait entrer qui ne soit à la portée des Enfants, à qui on ne sauroit faire apprendre de trop bonne heure par regles les premiers éléments de leur Langue, pour les disposer à parler & à écrire correctement, ou à étudier avec plus de facilité les premiers éléments de la Langue Latine. (MEINER 1781: XXIV–XXV): Und sollte nicht eben diese genaue Verbindung, so sich zwischen der lateinischen und griechischen Litteratur befindet, unsere Vorfahren zu jener weisen und klugen Anordnung veranlasset haben, daß diese beyden Sprachen in dem Unterrichte der dem Studieren gewidmeten Jugend stets mit einander aufs genaueste verbunden werden sollten, und zwar also, daß I) das Griechische nicht in das Deutsche, sondern in das Lateinische übersetzet werden sollte, es müßte denn seyn, daß dem Schüler das Latein bey einer Stelle zu schwer vorkäme, in welchem Falle man es zuvor auch in das Deutsche und sodann erst ins Lateinische übersetzen lassen könnte? Dieses Verfahren hat den unläugbaren Nutzen, daß dem Schüler die nahe Verwandschaft und Aehnlichkeit der beyden Sprachen immer gegenwärtig erhalten, und ihm zugleich die Quelle zu allen lateinischen Wendungen eröffnet wird, welches ihm nothwendig das angenehmste Vergnügen verschaffen muß. 2) Daß diese beyden Sprachen in einem steten parallelismo, das heißt, also mit einander zusammen getrieben werden sollten, daß immer ähnliche Schriftsteller aus beyden Sprachen mit einander zu gleicher Zeit gelesen würden. (MEINER 1781: LIII–LIV): Gehöret zu dem gleichen Gange, den der menschliche Verstand in seinem Denken bey allen Völkern nimmt, auch dieses mit, daß alle Völker zu den Sätzen, die durch einen gemeinschaftlichen Zweck verbunden sind, dennoch das richtige Verhältniß hinzudenken, wenn sie es auch noch so unvollkommen bezeichnen sollten. Sollte jemand die Wahrheit dieses Satzes bezweifeln wollen, dem darf ich nur dieses zu Gemüthe führen, daß selbst die Kinder sich ohne irgend jemandes Beystand zu der wahren und richtigen Bedeutung derjenigen kleinen Wörter verhelfen, wodurch die neuern Sprachen das Verhältniß ihrer Sätze gegen
311 einander bestimmen. Kein Vater kann sich noch rühmen, seinen Kindern erkläret zu haben, was es unter den Wörtchen: aber, weil, nachdem, zu denken habe, wenn solche zwischen zween Sätzen vorkommen; entweder würde der Vater zu ungeschickt seyn, die Bedeutung derselben zu erklären, oder, wenn er diese Geschicklichkeit besitzet, so würde seine Erklärung so subtil und philosophisch ausfallen, daß sie das Kind sicher nicht verstehen könnte. Gleichwohl gelanget es nach und nach selber zu dem richtigen Begriff dieser kleinen Wörter. Dieses kann nicht anders, als also zugehen: indem das Kind die zwischen zween Sätzen befindliche Partikel höret, so denkt zu gleicher Zeit der Verstand das Verhältniß beyder Sätze, und wenn diese Verbindung von gleicher Partikel und gleichem Verhältniß öfters geschicht, so vereinigt sich endlich das Verhältniß mit der Partikel. (MEINER 1781: LVIII–LIX): Alle Perioden aber habe ich also abgehandelt, wie man sie den Schülern erklären und sie auch von ihnen übersetzen lassen soll, nämlich also, daß ich den Hauptsatz bey einer einfachen Periode, oder den Doppelsatz bey einer zusammengesetzten Periode, welches ich das Skelet der Periode nenne, von den Nebensätzen sorgfältig unterschieden habe. Denn dieses Skelet muß eben der Schüler beym exponiren heraus ziehen und allein übersetzen, welche Uebung von einem sehr ausgebreiteten Nutzen ist. Denn der Schüler lernet hiermit eben den Inhalt einer Periode deutlich denken und vollkommen verstehen, weil man den Inhalt einer Periode eben nur in so weit verstehet, als man sich deren Skelet mit Deutlichkeit vorstellet. Wer von der Periode, die er durchlesen hat, das Skelet noch nicht anzugeben weiß, der verstehet sie auch sicher noch nicht. Diese Fertigkeit, aus den Perioden die Skelete auszuziehen, kömmt nicht nur denen trefflich zu Statten, die aus weitläuftigen Schriften Auszüge machen, sondern auch denen, die als Juristen aus einem weitläuftigen Bündel Akten eine Relation verfertigen sollen. Der zweyte Nutzen von der Ausziehung des Skelets ist, daß alsdenn der Schüler die Magerkeit der Skelets selber empfindet, und durch sein inneres Gefühl alle diejenigen Lücken gewahr wird, die einer Ausfüllung bedürfen; dann erwartet er mit einer gewissen Sehnsucht deren
312 Ausfüllung und holet nunmehro mit Vergnügen die Nebensätze der Periode nach. Heißt aber dieses nicht den Schüler auf dem kürzesten und angenehmsten Weg zum Denken führen? Und hat hierbey der Lehrer nicht die schönste Gelegenheit, seinen Schülern die Logik praktisch beyzubringen? (BEATTIE [1788] 1968: 95): WE learn to speak, when our organs are most flexible, and our powers of imitation most active; that is, when we are infants. Yet even then, this is no easy acquisition, but the effect of daily exercise continued for several years from morning to night. (BEATTIE [1788] 1968: 95–96): […] in every language there are certain accents and articulate sounds, which they only can pronounce with ease, who have learned to do so when very young. Nay every province almost has some peculiarities of pronunciation, which the people of the neighbouring provinces find it very difficult to imitate, when grown up, but which, when they were children, they could have learned most perfectly in a few months. Infants, who have been taught to speak one language, acquire others with amazing facility. I knew an instance of a French child of six years old, who, on coming to Britain, forgot his mother tongue, and learned all the English he had occasion for, in little more than six weeks. A grown man, on the contrary, with all the helps of grammars, dictionaries, authors, masters, and conversation, seldom acquires a foreign tongue so as to speak it like a native. (SARMIENTO 1789: 188): […] así pues la enseñanza de los niños debe comenzar por la enseñanza de las voces, señalándoles con el dedo las cosas visibles. La ama de leche debe señalar con el dedo al niño las cosas y objetos que le rodean mas de cerca, y les debe dar el nombre vulgar en voz alta, y repitiéndolo dos ó tres veces, y que el niño lo repita, para que sea con la justa pronunciacion y con claridad […]. (HERVÁS Y PANDURO 1795: xy): En las escuelas de los niños, es la autoridad y el capricho quien los enseña á pronunciar, leer y escribir las palabras del idioma nativo; y ellos aprenden la pronunciacion, lectura, y escritura de éste por obediencia, y no por razon, porque saben antes obedecer que raciocinar […].
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 190): L’enfant qui commence à connoître et à parler, débute sans doute par ne voir que des individus, dans les especes qui sont à sa portée; et dès-lors les noms qu’il leur donnera, ne seront pour lui et dans sa pensée, que des noms propres. Mais cet enfant n’aura encore observé dans ces individus, que les qualités sensibles les plus frappantes; c’est-à-dire, des qualités physiques, qui prises chacune à part, sont toutes en général du nombre des qualités communes. Ainsi les premiers noms qu’il donnera aux objets, seront d’abord des noms propres dans sa langue particulière, et des noms communs selon leur valeur étymologique, puisqu’on n’y retrouvera que des images de qualités communes. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: II, 20–21): Dès que nous sommes nés, dès que nous sentons, nous exprimons ce que nous sentons; nous parlons; nous avons un langage, à prendre ces mots dans leur sens le plus étendu; et nous pouvons dire avec vérité, que nous sommes souvent très-éloquens, même avant de savoir et de pouvoir prononcer un seul mot articulé. Nous n’abandonnons jamais ce langage primitif, le seul que nous puissions parler: nous le cultivons sans cesse; nous en perfectionnons graduellement les diverses parties, à proportion qu’elles en sont plus ou moins susceptibles, et en suivant les conventions qui sont établies, ou qui s’établissent parmi les personnes qui nous entourent. Ainsi, nous arrivons tous sans savoir pourquoi ni comment, jusqu’à un langage très-perfectionné, ou du moins très-compliqué, avant de nous être seulement doutés qu’il y ait des règles immuables qui régissent ces opérations, et qu’elles soient des conséquences immédiates et nécessaires de notre organisation; tout comme nous avons acquis toutes nos idées, sans nous être apperçus de l’artifice de leur formation. (CALLEJA 1818: III): […] de que han de hacer uso en cualquier carrera que emprendan, y para la mejor y mas pronta inteligencia de otras lenguas. Por otra parte ¿Quien no vé la necesidad de hablar y escribir su propia lengua con propiedad y correccion? ¿No es el primer y mas necesario instrumento de que hacemos uso para comunicarnos nuestras ideas? Es pues el primer estudio en que debe ocuparse á la juventud.
Spracherwerb
III.
1. Das Konzept des ‘Spracherwerbs’ und sein Bezug zu verwandten Konzepten Reflexionen zum Konzept des ‘Spracherwerbs’ erscheinen im 17. und 18. Jahrhundert in eine Vielzahl verschiedener Themenkreise eingebettet. So treten Konzeptionen des ‘Spracherwerbs’ oftmals im Zusammenhang von Überlegungen zum ĺ Ursprung der Sprache in Erscheinung. Diese Verknüpfung erfolgt in der Annahme, dass Erkenntnisse zur Ontogenese des kindlichen Spracherwerbs ohne weiteres auf die Phylogenese der gesamten menschlichen Spezies übertragbar seien. Der kindliche Spracherwerb wird daher als repräsentatives hypothetisches Modell der Entstehung von Sprache überhaupt herangezogen. Fragen nach dem Spracherwerb verbinden sich zudem mit allgemeinen Reflexionen über das ĺ Wesen der Sprache und des Menschen. Da der Mensch als eine Spezies verstanden wird, die sich insbesondere durch ihre Sprachfähigkeit von anderen Lebewesen unterscheidet, werden seine Sprache und der Prozess ihrer Aneignung in der ontogenetischen Entwicklung des Individuums auch mit Formen der Zoosemiose verglichen, um etwa im Sinne des Cartesianismus die Einzigartigkeit der menschlichen Spezies und ihrer Sprache hervorzuheben (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Das Konzept des ‘Spracherwerbs’ umfasst eine Vielzahl linguistischer, psychologischer, kognitionstheoretischer, pädagogisch-didaktischer und kommunikationswissenschaftlicher Implikationen. Die ineinandergreifenden Aspekte des Spracherwerbs werden von den Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts, die sich dem Konzept zuwenden, auf zweierlei Art und Weise betrachtet: entweder unter Privilegierung allgemeiner Aussagen theoretischer Natur oder unter Bezugnahme auf konkrete Aussagen über die jeweiligen sprachlichen Entwicklungsstadien eines bestimmten Einzelfalles. Reflexionen zum Spracherwerb werden etwa oftmals verknüpft mit Hinweisen an die Eltern und Pädagogen für die Optimierung der sprachlichen Lernprozesse. Andererseits werden Annahmen über den Ablauf des Spracherwerbs mit komplexeren philosophischen Theorien verbunden, wie etwa bei CONDILLAC und DESTUTT DE TRACY, für die
313 der Wahrnehmungsvorgang die entscheidende Instanz bei der Aneignung der Außenwelt darstellt. Zum Konzept des ‘Spracherwerbs’ sind sowohl der Erwerb der Muttersprache als auch der Fremdsprachenerwerb zu rechnen. Aufschluss über Konzepte des Fremdsprachenerwerbs liefern im Untersuchungszeitraum insbesondere die zahlreich erscheinenden Werke pädagogisch-didaktischer Natur wie Grammatiken und Konversationsbücher, die durch ihre praktische und pragmatische Ausrichtung gekennzeichnet sind und dem Lernenden einen möglichst direkten und lebensnahen Zugriff auf die neue Sprache ermöglichen möchten. Aber auch in eher theoretisch orientierten Schriften wie etwa in BEAUZÉEs Encyclopédie-Artikel Méthode finden sich neben allgemein gehaltenen Überlegungen zu unterschiedlichen didaktischen Verfahren für die Lehre moderner und toter Sprachen Hinweise für das konkrete Vorgehen im Sprachunterricht. Im Folgenden wird zunächst das Konzept des ‘Mutterspracherwerbs’ untersucht, bevor auf den Fremdsprachenerwerb näher eingegangen werden soll. 2. Das Konzept des ‘Mutterspracherwerbs’ im 17. und 18. Jahrhundert Im 17. und 18. Jahrhundert stehen Konzeptionen vom ‘Spracherwerb’ vielfach im Zeichen allgemein gehaltener theoretischer Reflexionen, die sich mit dem ĺ Wesen der Sprache und ihrem Verhältnis zum Erkenntnisprozess und der Aneignung der lebensweltlichen Umwelt im Prozess des kindlichen Spracherwerbs befassen. So betont etwa COMENIUS im Geiste des Aristotelismus die besondere Bedeutung der Wahrnehmung des Kindes für das Verstehen der Welt und den Erwerb der Muttersprache. COMENIUS gilt das Erfassen der Dinge durch die Sinne (sensibus captare) als unverzichtbarer Ausgangspunkt für das zeitlich nachgeordnete Benennen der Objekte. Entsprechend seiner pädagogischen Zielsetzung ermahnt COMENIUS auch die Eltern, dem Kind zunächst die Gelegenheit zu geben, die Objekte der Außenwelt sinnlich zu erfassen, bevor sie es mit den verschiedenen Bezeichnungen vertraut machen. Die Generierung von ĺ Bedeutung muss also nach die-
314 sem Verständnis ihren Ausgangspunkt von dem zu bezeichnenden Referenten nehmen. Stumpfsinniges Auswendiglernen von Wörtern ohne Kenntnis ihres Bezugs zur Welt erscheint COMENIUS dagegen als Unsinn (Fatuum enim est loqui, quae non intelligas; sine ratione autem agere aliquid, temerarium, brutum, insipidum). Auch für LOCKE, der in seinem Essay concerning Human Understanding immer wieder pädagogische Hinweise für die Optimierung von Lernprozessen anführt, steht fest, dass Kinder, die eine Sprache erlernen sollen, zunächst mit den jeweiligen Objekten der Außenwelt konfrontiert werden müssen. Auf das Zeigen der Gegenstände folge dann das Vorsprechen der jeweiligen Bezeichnungen durch die Eltern oder Lehrenden. Entscheidend für den Lehrerfolg sei indes das oftmalige Wiederholen der Wörter. Im Geiste des Lockeschen Empirismus verweist auch MONBODDO auf die Bedeutung von Fakten und Erfahrung (fact and experience) für die Betrachtung des Spracherwerbs. Es sei unbestreitbar, dass Kinder zunächst noch über keine genauen Vorstellungen und nur über sehr unzureichende Sinneswahrnehmungen verfügten. Der Erwerb von Vorstellungen und Sprache gehe somit nicht mit Hilfe der Natur vonstatten, sondern sei das Ergebnis von Unterweisung (instruction) und Umgang mit Erwachsenen (conversing with elderly persons). Ein anregungsreiches, kommunikationsfreudiges Umfeld ist nach MONBODDOs Auffassung die conditio sine qua non für einen erfolgreichen Spracherwerb, da ohne diese Möglichkeit der Kommunikation die geistigen Fähigkeiten des Kindes verkümmerten. Die besondere Bedeutung der Imitation sprachlicher Muster, die die (elterlichen) Bezugspersonen anbieten, für den Prozess des kindlichen Spracherwerbs betont auch BEATTIE. Er erachtet die Kindheit nahezu als eine sensible Phase des Spracherwerbs, da zu dieser Zeit die Sprechorgane besonders flexibel seien und die Fähigkeit zur Imitation ihren Höhepunkt erreiche (We learn to speak, when our organs are most flexible, and our powers of imitation most active). BEATTIE verweist jedoch darauf, dass bei aller physischer Prädisposition der Spracherwerb keineswegs
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken problemlos erfolge, sondern das Ergebnis kontinuierlicher täglicher Übung über die Jahre hinweg sei (the effect of daily exercise continued for several years from morning to night). Ein weitgehend müheloser Spracherwerb ist nach Auffassung BEATTIEs nur in der frühen Kindheit möglich, da insbesondere die differenzierte ĺ Artikulation von Lauten und die Prosodie der Sprache (ĺ Prosodie / Akzent) nur in dieser Zeit ohne Schwierigkeiten erworben werden könnten (in every language there are certain accents and articulate sounds, which they only can pronounce with ease, who have learned to do so when very young). Für die angelsächsische Tradition lässt sich im Hinblick auf den Spracherwerb eine Orientierung an LOCKEs Empirismus konstatieren, in deren Gefolge direkte Bezüge auf die kommunikative Alltagspraxis zwischen Eltern und Kind auftreten. Im Gegensatz zu dieser von praktisch-pragmatischen Überlegungen getragenen angelsächsischen Reflexion finden sich im 17. Jahrhundert in der französischen Tradition verstärkt allgemeinere Aussagen über den Spracherwerb des Kindes, die der Aura des Individuell-Konkreten enthoben sind. Typisch für Aussagen zum Spracherwerb im Frankreich des 17. Jahrhunderts ist die Orientierung an den Postulaten des Cartesianismus, der die Fähigkeit, Sprache zu erwerben als ein Spezifikum und Distinktionskriterium der menschlichen Spezies gegenüber dem Tierreich in den Vordergrund stellt (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). So betont etwa CORDEMOY im Discours physique de la parole die Leichtigkeit und die Geschwindigkeit, mit der die kognitive Entwicklung und der Spracherwerb des Kindes vonstattengehen. Die rasche Entwicklung des Denkens erlaube den Kindern bereits frühzeitig die Unterscheidung von Wortbedeutungen (ĺ Bedeutung). Kindliche Denkprozesse beim Spracherwerb zeichnen sich nach der Auffassung CORDEMOYs durch einen hohen Grad an Systematizität aus. Den kindlichen Spracherwerb begreift CORDEMOY als Widerspiegelung der ĺ Grammatik. Da die Kunst der Grammatik ihm ihrerseits aber als Abbild der Natur erscheint, ließen sich grammatische Regeln letztendlich auf den Prozess des kindlichen Spracherwerbs zu-
Spracherwerb rückführen. Das Kind tritt in dieser Vorstellung als Erfinder sprachlicher Regeln und Regularitäten auf, durch deren Entdeckung der Spracherwerb voranschreitet. Im Geiste des Cartesianismus schreibt auch LAMY dem Kind besondere Kreativität beim Spracherwerb zu. Er beschreibt den Vorgang des Spracherwerbs als einen Prozess, bei dem zunächst die Imitation eine wesentliche Rolle spielt. Das Kind erlernt ein neues Wort wie z. B. pain (‘Brot’), indem sein Vater ihm das Objekt präsentiert und es zugleich benennt. Durch die Wiederholung dieses Vorgangs verfestigt sich der Bezug zwischen der Vorstellung des Brotes und dem dazugehörigen Lautbild. Diese Art des Imitationslernens teilt das Kind nach Auffassung LAMYs mit den Vögeln. Allerdings erkennt LAMY ebenso wie DESCARTES einen substantiellen Unterschied zwischen dem Imitationslernen von Papageien und dem kindlichen Spracherwerb (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Da Papageien nicht über Denkfähigkeit verfügten, seien sie nur zur Produktion einer begrenzten Menge von Wörtern in der Lage, die sie auch nur unter großen Mühen erlernten und stets in der gleichen Reihenfolge und in demselben Zusammenhang, in dem sie sie gelernt hätten, von sich gäben (les oiseaux, qui n’ayant point d’esprit ne prononcent jamais le petit nombre de mots qu’ils ont appris avec beaucoup de peine, que dans le même ordre). Das Kind beschreibt LAMY demgegenüber als kreativen Spracherfinder, der die gelernten Wörter auf immer wieder neue Weisen kombiniere und sie in unterschiedlichen Kontexten verwende (Au lieu que cet enfant arrange en differentes manieres les mots qu’il a appris, & en fait milles usages differens). Für LAMY zeichnet sich das Kind im Gegensatz zu den Papageien durch die Fähigkeit, einzelne Wörter zu zusammenhängenden Elementen der Rede verbinden zu können, aus. Die ĺ Artikulation von Lauten durch “sprechende Vögel” erachtet LAMY dagegen ebenso wie DESCARTES als Ergebnis eines rein mechanischen körperlichen Artikulationsvorgangs. ‘Sprache’ definiert LAMY im Sinne des Cartesianismus als Privileg des Menschen und als dessen Distinktionskriterium gegenüber dem Tierreich (La parole est l’appanage de l’homme).
315 Als Ausgangspunkt des kindlichen Spracherwerbs, der sich in zunehmendem Verlauf durch Kreativität auszeichnet, sieht LAMY allerdings die Fähigkeit der Imitation an. Die Bedeutung der Imitation für die Sprachentwicklung des Kindes, die von Autoren wie LAMY, BEATTIE oder MONBODDO hervorgehoben wird, beschreibt auch MERSENNE in seiner Harmonie universelle (1636). Die Fähigkeit, Laute nachzuahmen, wird darin als Grundlage der selbständigen Lautproduktion des Kindes beschrieben. MERSENNE wendet sich dem Phänomen der Nachahmung im Kontext seiner Darstellung der Erlernung des Gesangs bei Menschen und Singvögeln zu. Entscheidend für die Erlernung von Gesang und Sprache sei die Entdeckung, dass durch Modifikationen von Kehlkopf und Zunge im Zusammenspiel mit der Luft Töne erzeugt werden könnten. Für den problemlosen Ablauf des Artikulationsvorgangs (ĺ Artikulation) stellt nach MERSENNEs Auffassung der menschliche Verstand die entscheidende Instanz dar, weil er das komplexe Zusammenspiel der für die Lautproduktion erforderlichen Muskeln ohne Schwierigkeiten steuert. Die Begabung des Menschen, Laute und Töne zu imitieren, erachtet MERSENNE als Grundlage des Spracherwerbs und des Gesangs, zu der außerdem noch die Geschicklichkeit der Artikulationsorgane sowie die Vorstellungskraft (imagination) hinzutreten. Die Erzeugung eines Gesangstones oder Sprachlautes beschreibt MERSENNE als Vorgang, bei dem Laute, die als Muster oder Modell dienen, den Hörnerv stimulieren und die ĺ Stimme als eine Art Echo (analog zu den Obertonschwingungen der Oktave bei der Produktion eines Musiktones) zum Schwingen bringen. Die beim Gesang verwendeten Intervalle seien sowohl dem Menschen als auch den Vögeln natürlich. Beim Prozess des Spracherwerbs werden nach MERSENNE zunächst die Vokale (ĺ Vokal) und erst im Anschluss die Konsonanten (ĺ Konsonant) hervorgebracht, weil die Vokale leichter zu artikulieren seien und zum Schreien verwendet würden. Als Urvokal klassifiziert MERSENNE den Vokal [a], weil dieser am leichtesten zu erzeugen sei. Abgesehen von den natürlichen Ressourcen des Kindes, zu denen er neben der physischen
316 und geistigen Grunddisposition die Imitationsfähigkeit und die Vorstellungskraft zählt, betont MERSENNE aber auch die Abhängigkeit vom sprachlichen Angebot der Umwelt des Kindes für dessen Spracherwerb. Die Entstehung der verschiedenen “Arten des Sprechens” (differentes manieres de parler), mit denen MERSENNE die unterschiedlichen Einzelsprachen meint, die Kinder in den verschiedenen Ländern der Erde erlernen, sei von dem sprachlichen Angebot der Umgebung und ihren Gebräuchen abhängig: Wenn man ein Kind von Frankreich nach Italien bringe, lernen es sprechen wie ein Italiener, ebenso wie es Tatarisch in der Tatarei und Chinesisch in China lerne. Gegen die Annahme, dass das Kind bereits nach seiner Geburt eine Präferenz für eine bestimmte Einzelsprache erkennen ließe, wendet MERSENNE ein, dass ein französisches Kleinkind, das mit zwei bis drei Jahren von Frankreich nach Italien oder Persien gebracht werde, bei seiner Rückkehr nach Frankreich im Alter von zwanzig oder fünfzig Jahren genauso große Schwierigkeiten beim Gebrauch des Französischen empfinden werde, wie wenn es in Persien geboren worden wäre. Für den Erstspracherwerb nimmt nach der Auffassung MERSENNEs die von der Umgebung gesprochene Sprache die entscheidende Rolle ein. Die erworbene Erstsprache wird als abhängig vom elterlichen Input beschrieben, da ein Franzose in Persien seinen Kindern ebenso gut das Französische vermitteln könne wie sein Landsmann in Paris und zugleich so wenig Persisch beibringen könne, als ob sie nie in Persien gelebt hätten. Für den Erwerb der Muttersprache spielen nach MERSENNEs Ansicht Faktoren wie Klima oder Temperament keinerlei Rolle (ĺ Universalität und Verschiedenheit), sondern die erworbene Muttersprache sei ganz von der Einzelsprache der unmittelbaren Umgebung des Kindes abhängig. Der Spracherwerb des Kindes vollzieht sich in der Darstellung MERSENNEs als ein Zusammenspiel von natürlichen Dispositionen und Begabungen einerseits und dem sprachlichen Input, den die Umwelt anbietet, andererseits. Welche Einzelsprache ein Kind als Muttersprache erwirbt, sei abhängig von dem sprachlichen Angebot seiner Umwelt.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Die von MERSENNE hervorgehobene Rolle der Imitation findet sich auch in FRAIN DU TREMBLAYs Konzeption des Spracherwerbs Anfang des 18. Jahrhunderts wieder. Dieser beschreibt den Mutterspracherwerb als Imitation der Bezeichnungen, die die Bezugspersonen dem Kind in Form eines didaktischen Sprechens präsentierten. Diese Art der (elterlichen) Ansprache sei von stetiger Wiederholung derselben Wörter geprägt und diene dazu, das Kind an Wort-Ding-Zuordnungen zu gewöhnen. Die Nachahmung stellt nach FRAIN DU TREMBLAYs Auffassung auch das Fundament für die Aneignung einer mühelosen ĺ Artikulation dar. Auf Einzelstadien der Aneignung von Lauten im Spracherwerb geht BUFFON in seiner Histoire naturelle générale et particulière (1749) näher ein, der den ĺ Vokal [a] als den ersten Laut des Kindes charakterisiert, da er mit Hilfe der Öffnung des Mundes mühelos artikuliert werden könne. BUFFON beschreibt die dann folgenden Kardinalvokale in der Reihenfolge ihres Auftretens in der kindlichen Ontogenese, wobei er zunächst die Palatalvokale [e] und [i], die mit erhöhter Zungenposition und gespreizten Lippen und dann die velaren Vokale [o] und [u], die mit gerundeten Lippen hervorgebracht werden, charakterisiert. Aufgrund der leichten Artikulierbarkeit klassifiziert BUFFON den Vokal [a] als Urvokal, während unter den Konsonanten (ĺ Konsonant) die Labiale [b], [p] und [m] zuerst entstehen, da auch sie das Kriterium der leichten Produzierbarkeit erfüllen. Da der Vokal [a] und die Labialkonsonanten [b], [p] und [m] im Prozess des Spracherwerbs zuerst hervorgebracht werden, finden sich nach BUFFONs Auffassung in allen Sprachen und bei allen Völkern die Urwörter Baba, Mama, Papa als sprachliche Universalien wieder. Für BUFFON sind diese “Urwörter” natürliche Elemente der menschlichen Sprache (ĺ Natürlichkeit), die aufgrund ihrer leichten Produzierbarkeit allen Völkern gemeinsam sind. Im Rahmen seiner Überlegungen zum Spracherwerb verweist BUFFON auch auf die Existenz großer individueller Unterschiede, die der Zeitraum der Sprachaneignung beim Kind in Anspruch zu nehmen vermag. Zwar sei ein geringer Teil der Kinder bereits mit zwei Jahren zu müheloser ĺ Artikulation in
Spracherwerb der Lage, aber die Mehrzahl spreche erst im Alter von zweieinhalb Jahren oder sogar erheblich später. Bei einem späten Beginn des Sprechens werde Sprache jedoch niemals mit derselben Mühelosigkeit erworben wie bei früh Lernenden. BUFFONs Annahme der Existenz natürlicher “Urwörter”, die allen Sprachen gemeinsam seien, wird auch von DE BROSSES vertreten. Die Verwendung der “Urwörter” papa und mama beschreibt er als notwendigen und natürlichen Beginn der ĺ Artikulation des Kindes, da es sich dabei um Kombinationen leicht zu bildender Labiallaute handle, die das Kind zwangsläufig zuerst artikulieren würde. Da der Erwerb der Sprachlaute erst allmählich erfolgt und ein aufwändiges Training der Artikulationsorgane erfordert, sei das Kind, das von Natur aus sprechen und Dinge benennen möchte (Cet enfant veut parler & nommer), genötigt, auf leicht artikulierbare Labiallaute zurückzugreifen (les inflexions simples de l’organe labial, le premier & le plus mobile de tous). Die universellen “Urwörter” papa und mama stellen für DE BROSSES ein natürliches Resultat kindlicher Artikulationsbemühungen dar; sie beruhen weder auf einer arbiträren Wahl (ĺ Arbitrarität) noch auf einer konventionellen Vereinbarung (ĺ Konvention), sondern ergeben sich als notwendige natürliche Operation der kindlichen Sprechorgane zu Beginn des Spracherwerbs (Il n’y a aucun choix de sa part, car il ne peut articuler autrement: c’est l’opération nécessaire de la nature) (ĺ Natürlichkeit). Die von BUFFON und DE BROSSES vertretene Annahme, dass am Anfang des Spracherwerbs in allen Sprachen der Vokal [a] und labiale Konsonanten stehen, weil diese lediglich durch die Öffnung des Mundes und die Bewegung der Lippen erzeugt werden können, findet sich ebenfalls in BEAUZÉEs Encyclopédie-Artikel Langue. Auch nach Auffassung BEAUZÉEs handelt es sich bei Wörtern wie papa, maman und ähnlichen Lautkombinationen um “Urwörter”, die Kindern so natürlich sind, dass sie sie von selbst bildeten, wenn ihnen ihre Ammen nicht bereits zuvorgekommen wären und sie ihnen vorgesprochen hätten (il y a apparence que les enfans formeroient d’eux-mêmes ces sons dès qu’ils seroient en état d’articuler, si les nourrices,
317 prévenant une expérience très-curieuse à faire, ne les leur apprenoient d’avance). Es erscheint BEAUZÉE aber auch denkbar, dass die Kinder zuerst diese “Urwörter” artikuliert hätten, bevor die Eltern sie aus dem Bedürfnis, eine affektive Beziehung zu ihrem Nachwuchs aufzubauen, wiederholt hätten. Schließlich hätten sich diese universellen “Urwörter” im Vokabular aller, selbst der ältesten Sprachen, etabliert (ou plutôt les enfans ont été les premiers à les bégayer, & les parens empressés de lier avec eux un commerce d’amour, les ont répétés avec complaisance, & les ont établis dans toutes les langues même les plus anciennes). Tatsächlich fänden sich Lautkombinationen wie papa und maman in den unterschiedlichsten Sprachen der Welt wieder, wobei eine jede Sprache allerdings die Endungen dieser Wörter ihrer jeweiligen Eigenart entsprechend modifiziere (On les y retrouve en effet, avec le même sens, mais désfigurés par les terminaisons que le génie propre de chaque idiome y a ajoutées) (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). In den alten Sprachen der Menschheit sei der ursprüngliche natürliche Charakter dieser “Urwörter” noch besser erhalten als in den modernen, die die ursprünglichen Endungen stärker modifiziert hätten. BEAUZÉEs Entwicklungsdenken, das die Progression des kindlichen Spracherwerbs in Analogie zur Entwicklung von Sprachen ganzer Völker überhaupt betrachtet, ist typisch für die Sprachreflexion der Aufklärung. Ein allgemeiner Zug der europäischen Reflexion der Aufklärung über Sprache besteht in der kritiklosen Vermischung von Ontogenese und Phylogenese. Dieses Faktum ist insbesondere für Theorien zum Sprachursprung von Bedeutung, da Erkenntnisse über den Spracherwerb des Individuums oftmals als Modell der Sprachentstehung des gesamten Menschengeschlechtes herangezogen und somit auf die Ebene der Phylogenese übertragen werden (ĺ Ursprung). So verwendet etwa CONDILLAC in seinem Essai sur l’origine des connoissances humaines von 1746 den Spracherwerb des Kindes als Modell der Sprachgenese. Nach CONDILLACs Vorstellung lastet der entscheidende Beitrag für die Entwicklung der Sprache auf den Kindern. Die größere Flexibilität der Artikulationsor-
318 gane (insbesondere der Zunge) sowie die Notwendigkeit, den Eltern seine Bedürfnisse (besoins) mitzuteilen, veranlassen das Kind zur Erfindung von Wörtern (ĺ Artikulation, ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Diese Vorstellung CONDILLACs hat die weitere Diskussion über den Spracherwerb entscheidend geprägt. So übernimmt etwa ROUSSEAU im Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes (1755) die Auffassung von der tragenden Rolle des Kindes bei der Spracherfindung. Aufgrund seiner Bedürfnisse und seiner Abhängigkeit von der mütterlichen Bezugsperson verspüre das Kind ein stärkeres Mitteilungsbedürfnis als seine Mutter und trage daher die Hauptlast der Spracherfindung (Remarquez encore que l’enfant ayant tous ses besoins à expliquer, et par conséquent plus de choses à dire à la mère que la mère à l’enfant, c’est lui qui doit faire les plus grands frais de l’invention, et que la langue qu’il emploie doit être en grande partie son propre ouvrage). CONDILLACs und ROUSSEAUs Auffassung von der tragenden Rolle des Kindes bei der Spracherfindung wird von MAYET, einem Teilnehmer an der Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache ([MAYET] 1771, Manuskript I-M-664: 20-21), übernommen (Ni le père, ni la mère n’ont pas, à la vérité, plus besoin de se parler qu’ils n’en ont les moyens; mais ils ont l’aptitude; et cette aptitude étant plus susceptible de développement dans l’enfant, parceque les organes dela parole sont en lui plus mobiles et plus flexibles, ce sera l’enfant qui fera les principaux fraix de l’invention). Im Gegensatz zu MAYET wendet sich HERDER in seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache gegen die Konzeption einer tragenden Rolle der Kinder für die Entwicklung der Sprache (“Was hatte denn die Mutter ihrem Kinde viel zu sagen? Hatte das Kind nicht seiner Mutter mehr zu sagen? Woher lernte denn dies schon Sprache, sie seine Mutter zu lehren?” […] Allerdings hatte die Mutter mehr das Kind zu lehren als das Kind die Mutter). Das Kind stellt in der Konzeption HERDERs ein unterprivilegiertes Mängelwesen dar, das im Gegensatz zu den Tieren über keinerlei Instinkte verfügt und nur mit
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Hilfe elterlicher Unterweisung Sprache erlernen kann. Die körperliche und geistige Entwicklungsbedürftigkeit sieht HERDER zugleich als Grundlage und Motiv des Spracherwerbs, weil sich das Kind einzig durch die Sprache aus seiner ursprünglichen Abhängigkeit heraus zu emanzipieren und selbständig zu werden vermag (Warum hängt dieser Unmündige so schwach und unwissend an den Brüsten seiner Mutter, an den Knien seines Vaters? Damit er lehrbegierig sei und Sprache lerne. Er ist schwach, damit sein Geschlecht stark werde). Ebenso wie HERDER schreibt auch TETENS, einer seiner Konkurrenten in der Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung, dem Prinzip der Nachahmung eine Schlüsselrolle für den Prozess des kindlichen Spracherwerbs zu. Durch die Imitation der von den Eltern stetig wiederholten Wörter gelange das Kind zur Anwendung der Vernunft, deren Gebrauch TETENS als sprachabhängig charakterisiert. Allerdings beschreibt er die Verwendung der Vernunft als Resultat einer äußeren Einwirkung auf die Sinne der Kinder, die durch das pädagogische Vorgehen der Eltern zustande kommt, indem diese den Kindern Gegenstände im Zusammenhang mit den entsprechenden Bezeichnungen präsentieren. Der Prozess des Spracherwerbs wird von TETENS als Unterweisung (Instruction) der Kinder durch die Bezugspersonen dargestellt. Da das Kind von sich aus eine gewisse Trägheit in der Anwendung der Reflexion und Aktualisierung seiner Sprachfähigkeit aufweise, stellt die Wiederholung der Wörter und WortDing-Relationen ein wesentliches Element im Prozess der Aneignung der Muttersprache dar. Allerdings erfordert der kindliche Spracherwerb ein hohes Maß an Geduld, da es nach TETENS’ Auffassung ein Jahr und länger dauern kann, bis das erste Wort und Ansätze begrifflicher Vorstellung in Erscheinung treten (Man plaudert ihnen vor, sobald sie auf die Welt kommen, und es dauert zuweilen länger als ein Jahr, ehe sich Begriffe und Sprache bey ihnen einfinden). In diesem Zusammenhang wendet sich TETENS gegen einen zu frühen Beginn der sprachlichen Unterweisung des Kindes, dessen Sinnesempfindungen und Vorstellungskraft zunächst ausreichend stimuliert werden müssten, damit
Spracherwerb sich das Denkvermögen entsprechend ausbilden könne. Im Geiste einer sensualistischen Konzeption schreibt TETENS den Sinnen eine Schlüsselrolle für den Erkenntnisprozess zu, da er Empfindung und Vorstellungskraft als Grundbedingungen für die Entwicklung der Reflexion charakterisiert. Dieser Ansatz weist Ähnlichkeiten zu HERDERs Konzept der ‘Besonnenheit’ auf: Ebenso wie nach HERDERs Vorstellung der Mensch vermöge seiner Besonnenheit in der Lage ist, den Ozean der auf ihn einwirkenden Sinneseindrücke anzuhalten und einzelne Merkmale herauszufiltern, geht auch in TETENS’ Konzeption die aufmerksame Verarbeitung von Sinneseindrücken der Anwendung von Reflexion und Sprache voraus. Das Konzept des ‘Mutterspracherwerbs’ nimmt in sprachtheoretischen Diskussionen und Reflexionen des 17. und 18. Jahrhunderts einen wichtigen Platz ein. Da die artikulierte Lautsprache in der Auffassung des Cartesianismus das äußerliche Zeichen für die Existenz des menschlichen Verstandes und damit auch einer Seele darstellt, wird sie als Beleg für die vom Menschen zu beanspruchende Sonderstellung im Reiche des Lebendigen angeführt (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Das Problem des Spracherwerbs wird im Zusammenhang mit den Konzepten des ‘Sprachursprungs’ (ĺ Ursprung) und der ‘Sprachfähigkeit’ des Menschen diskutiert. In den cartesianisch geprägten Anschauungen CORDEMOYs und LAMYs wird der Spracherwerb des Kindes als kreativer Prozess beschrieben, der die Fähigkeit zur Generierung einer theoretisch unendlichen Vielzahl von Sätzen beinhaltet. Für CORDEMOY stellt der kindliche Spracherwerb eine Widerspiegelung der ĺ Grammatik dar, deren Regeln letztendlich auf den Spracherwerb selbst zurückzuführen sind. Empiristisch-sensualistische Auffassungen betonen stärker die Rolle der Sinnesempfindungen, der Erfahrung und der Imitation sprachlicher Vorbilder für den Prozess des kindlichen Spracherwerbs. So stehen für Autoren wie LOCKE, MONBODDO oder BEATTIE etwa die kontinuierliche Übung im Umgang mit Sprachlauten oder Wörtern sowie Wort-DingZuordnungen mit Hilfe der elterlichen Modelle im Vordergrund des Spracherwerbs. Al-
319 lerdings betont BEATTIE, dass eine mühelose Sprachaneignung nur im frühen Kindesalter vonstattengehen könne, während sich im Erwachsenenalter namentlich beim Erwerb prosodischer Strukturen fremder Sprachen erhebliche Schwierigkeiten zeigten (ĺ Prosodie / Akzent). Konzeptionen des ‘Spracherwerbs’ beinhalten teilweise auch die Annahme der Existenz sprachlicher Universalien. Grundlage dieses Postulates, das etwa von BUFFON, DE BROSSES oder BEAUZÉE aufgestellt wird, ist die Beobachtung, dass die leichte Artikulierbarkeit (ĺ Artikulation) des Vokals [a] (ĺ Vokal) und der Labialkonsonanten [p], [b] oder [m] (ĺ Konsonant) Silbenkombinationen wie papa und mama in einer Vielzahl von Sprachen als erste Manifestationen kindlicher Sprachbemühungen erscheinen lässt. Gegenstand der Diskussionen um den Spracherwerb des Kindes ist auch der Anteil, der der elterlichen Unterweisung durch die Präsentation sprachlicher Modelle zukommt. Während CONDILLAC und ROUSSEAU dem Kind die Hauptlast der Spracherfindung auferlegen, sieht HERDER es als hilfsbedürftiges Mängelwesen, das nur durch elterliche Unterweisung Sprache zu erlernen vermag, an. Bereits in Konzeptionen des ‘Spracherwerbs’, die im 17. und 18. Jahrhundert entwickelt werden, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen der genetischen Prädisposition zum Spracherwerb und der Rolle, die eine sprachlich anregungsreiche Umwelt dabei spielt. 3. Das Konzept des ‘Fremdsprachenerwerbs’ im 17. und 18. Jahrhundert Das Konzept des ‘Spracherwerbs’ wird im 17. und 18. Jahrhundert sowohl unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen des Mutterspracherwerbs als auch des Fremdsprachenerwerbs thematisiert. Dabei wird der Fremdsprachenerwerb teilweise in Analogie zum Mutterspracherwerb behandelt, wenn etwa ähnliche Kommunikationssituationen wie z. B. das Zeigen und Benennen von Gegenständen als Grundlagen dargestellt werden (vgl. CORDEMOY). Eine gute Kenntnis der Muttersprache wird als Basis für die Erlernung fremder Sprachen aufgefasst.
320 Den Erwerb einer Fremdsprache im Land selbst betrachtet CORDEMOY in Analogie zum kindlichen Spracherwerb, da er auch in diesem Fall die Verwendung indikatorischer Gesten und die direkte Etablierung von WortDing-Zusammenhängen als Mittel der Aneignung beschreibt. CORDEMOY stuft den Fremdsprachenerwerb im Vergleich zum Mutterspracherwerb als geringere kognitive Leistung ein, da das Neugeborene im Gegensatz zum Erwachsenen von Natur aus lediglich über die Möglichkeit zum Ausdruck von Gefühlen verfüge und Emotionen anderer zu deuten lerne (comment des hommes faits ne trouveroient ils pas les moyens de se faire entendre dans un Pays où ils arrivent, puisque les enfans en trouvent bien pour apprendre la langue du Pays où ils naissent?). Für den Fremdsprachenerwerb empfiehlt CORDEMOY den Umgang mit Muttersprachlern in deren Heimatland. Aufgrund der sprachlichen Verwandtschaft etwa von romanischen Sprachen wie dem Französischen, Italienischen und Spanischen erweist sich nach CORDEMOYs Auffassung auch der gleichzeitige Erwerb mehrerer Sprachen als gut zu meisternde Herausforderung. Die Annahme, dass der Fremdsprachenerwerb im Vergleich zum Erwerb der Muttersprache eine geringere Hürde darstelle, wird auch von D’ALEMBERT im Encyclopédie-Artikel Dictionnaire de Langues vertreten. In keiner Fremdsprache erreiche man eine der eigenen Muttersprache vergleichbare Kompetenz (En effet il n’est point de langue étrangere que nous ne puissions apprendre, comme nous avons appris la nôtre). Die größte Geistesleistung des Menschen bestehe im Erwerb der Muttersprache (le plus grand effort de l’esprit est celui qu’on fait en apprenant à parler). Im Gegensatz zum Fremdsprachenerwerb beruhe der Mutterspracherwerb auf der Entdeckung der Existenz der Wortbedeutungen (ĺ Bedeutung). Die Erschließung von Bedeutungen müsse beim Kleinkind jedoch ohne Hilfe von Wörterbüchern vonstattengehen und erfolge durch komplexe, nuancenreiche Kombinationen von Bedeutungskomponenten (il est évident qu’en apprenant notre langue maternelle, nous avons deviné le sens d’un grand nombre de mots, sans le secours d’un dictionnaire qui
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken nous les expliquât: c’est par des combinaisons multipliées, & quelquefois très-fines, que nous y sommes parvenus). Auch im Vergleich zum Lesenlernen, das als eine rein mechanische Gedächtnisleistung charakterisiert wird, stelle der Mutterspracherwerb eine anspruchsvolle kognitive Anstrengung dar, die ein analytisches Vorgehen (une sorte de raisonnement & d’analyse) voraussetze. Eine Erfolg versprechende Methode des Fremdsprachenerwerbs beruht nach D’ALEMBERTs Darstellung im Encyclopédie-Artikel Dictionnaire de Langues zunächst auf der Beherrschung einer Vielzahl an Lexemen und der intensiven Lektüre fremdsprachlicher Texte. Mit einem derartigen Vorgehen werde das Fundament für den Erwerb der ĺ Syntax gelegt, die insbesondere aufgrund ihres relativ geringen Komplexitätsgrades in den modernen Fremdsprachen leicht erlernbar sei. Vor allem bei einer Begrenzung der Sprachkompetenz auf reines Leseverstehen stelle die Beschränkung auf ein intensives Studium der Lexik und die Lektüre fremdsprachiger Autoren ein hinreichendes Mittel dar. Den Einfluss der Muttersprache auf die Erlernung einer Fremdsprache hebt auch DIDEROT in seiner Lettre sur les sourds et muets hervor. Nach seiner Auffassung besteht bei der Abfassung schriftlicher Texte in der Fremdsprache fast immer die Tendenz, die Zeichen dieser Sprache an die eigene Muttersprache anzupassen, da die sprachliche Gewohnheit sich in diesem Falle auch auf das fremde Idiom niederschlage. Die Gefahren, die eigene muttersprachliche Gewohnheiten für den korrekten Erwerb einer Fremdsprache in sich bergen, hebt auch CHIFLET hervor. Um eine akzentfreie Aussprache in der fremden Sprache zu erlangen, sei die Orientierung an muttersprachlichen Vorbildern unabdingbar (ĺ Prosodie / Akzent). Eine Sonderrolle nehmen im Zuge von Überlegungen zum Fremdsprachenerwerb die sogenannten toten Sprachen ein, da für ihre Erlernung ja nicht mehr auf lebende Sprecher und einen alltäglichen Sprachgebrauch zurückgegriffen werden kann (ĺ Gebrauch). Während für das Studium lebender Sprachen Reisen ins Ausland und muttersprachliche Lehrer gefordert werden, kann der Erwerb to-
Spracherwerb ter Sprachen nur anhand von Schriftzeugnissen erfolgen (vgl. Zedlers Universallexicon). Diskussionen zum Erwerb des Lateinischen werden im 17. und 18. Jahrhundert in Frankreich durch unterschiedliche Auffassungen von der besten Methode des Übersetzens geprägt (ĺ Übersetzung). Der lateinische Sprachunterricht stand im Frankreich dieser Epoche im Zeichen der Kontroverse um unterschiedliche Übersetzungsmethoden, die den Konflikt zwischen der engen Orientierung an der Sprache des Ausgangstextes und der Berücksichtigung der lexikalisch-stilistischen Eigenheiten der Sprache des Zieltextes zum Ausdruck brachten. In diesem Zusammenhang wird ein Bewusstsein für die Inferiorität der Übersetzung im Vergleich zum Originaltext deutlich, da der individuelle Charakter der verschiedenen Sprachen eine Äquivalenz zwischen Original und Übersetzung als unmöglich erscheinen lässt (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). So erweisen sich etwa nach der Ansicht DU MARSAIS’ z. B. die verschieden konzipierten Metaphern und Tropen (ĺ Metapher) als Hindernis für eine Übersetzung, die eine genaue Entsprechung zum Originaltext bildet. In seiner Methode der lateinischen Übersetzung orientierte sich DU MARSAIS eng an LANCELOTs 1644 erschienenem Lehrwerk, der Nouvelle méthode pour apprendre facilement et en peu de temps la langue latine. Für LANCELOT war die durch das Kasussystem bedingte große Flexibilität der lateinischen Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) Ausdruck stilistischer Affektiertheit. LANCELOT nahm an, dass es sich bei der lateinischen Wortstellung um eine Abweichung von der “natürlichen” S-P-O-Stellung (Subjekt-Prädikat-Objekt-Stellung) handelte, die er als universelle Struktur und genaues Abbild der linearen Abfolge des Denkens interpretierte (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Abweichungen von dieser als universell und natürlich empfundenen Wortfolge werden von LANCELOT sowohl im Lateinischen als auch im Französischen als emotional-affektive Ausdrucksformen charakterisiert. Für den Anfangsunterricht in der lateinischen Sprache fordert LANCELOT daher eine Reduktion der Komplexität der ĺ Syntax durch die Umstellung der lateinischen
321 Satzstruktur im Sinne der als natürlich wahrgenommenen Wortfolge des Französischen. Dieses Verfahren wurde im 18. Jahrhundert von DU MARSAIS übernommen und weiter perfektioniert. Für den Sprachdidaktiker DU MARSAIS steht allerdings vor dem Erwerb sprachlicher Regeln die Auseinandersetzung mit dem Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) im Vordergrund, von dem einzelne Regeln im Nachhinein abstrahiert werden können. Der Erwerb des Lateinischen werde allerdings für den französischen Lerner durch die Orientierung an der französischen Wortstellung erleichtert. Mit der Umstellung der lateinischen Wortstellung liefert DU MARSAIS unter methodischem Aspekt eine propädeutische Grundlage für die Übersetzung, da er damit die als natürlich empfundene Reihenfolge der Gedanken abbildet. Seine Methode der Interlinearübersetzung stellt DU MARSAIS in Véritables principes de la grammaire, ou nouvelle grammaire raisonnée pour apprendre la langue latine (1729) dar (ĺ Übersetzung). Gegen die Methode des Lateinunterrichtes, die in der Tradition des jansenistischen PortRoyal entwickelt wurde, polemisiert PLUCHE, dessen Lehrmethode an den Jesuitenkollegs praktiziert wurde. Neben der grundsätzlichen Infragestellung der von LANCELOT und später von DU MARSAIS propagierten Sprachlehrmethode geraten dabei auch weltanschauliche und religiös geprägte Positionen in den Fokus. Für das schlechte Niveau des Lateinunterrichts in Europa macht PLUCHE die Orientierung an der Methode LANCELOTs und DU MARSAIS’ verantwortlich. Der Lateinunterricht verlange bereits von Kindern im Alter von 7–8 Jahren die Produktion lateinischer Texte (composition) auf der Grundlage logischer Regeln, die ihren kaum entwickelten Verstand jedoch überforderten (S’il s’apprend aujourd’hui quelques prétendus commencemens de Latin, ce sont des enfans, même de sept à huit ans, qui produisent ce latin du creux de leur cerveau. On exige d’eux qu’ils s’assujettissent au travail de la composition, & qu’ils se conforment à des régles de pure Logique, dès avant la naissance de leur raison). Bedingt durch die noch nicht abgeschlossene Entwicklung ihres Gehirns verfügen 7–8 Jahre alte Kinder nach PLUCHEs Auffassung noch nicht über ein ausreichendes
322 Sprachgefühl. Daher bleibe ihnen die lateinische Sprache trotz aller Regelkunde und Übersetzungsbemühungen ebenso verschlossen wie exotische Sprachen Perus oder der Magellanischen Inseln (Enfin il sera dit qu’ils composent en Latin, & qu’il y aura des degrés de mieux dans leurs compositions avant qu’ils ayent acquis la moindre idée, le moindre sentiment du caractère de cette langue. Dans le vrai, elle leur est en tout aussi inconnue que celle du Pérou ou de la terre Magellanique). Die kognitive Überforderung des kindlichen Gehirns durch die Abfassung lateinischer Texte sorge bei den jungen Lernenden zudem für Traurigkeit und lasse sie die Produktion lateinischer Texte als Leidensweg erfahren (Vous les voyez tristement assis & dans un repos qui fait leur supplice. Grand silence. Méditation profonde. Choix de mots. Réformes de tour). Daher fordert PLUCHE in Anknüpfung an die innovativen didaktischen Ansätze ROLLINs, dass man im Lateinunterricht mit der explication des auteurs beginnen solle, bevor man sich der composition zuwende. Zwar hatte ROLLIN die Universalität der Regeln aller Sprachen postuliert und den Erwerb der Grammatikregeln des Französischen als sinnvolle Grundlage für das Studium der Regularitäten der lateinischen Sprache angesehen, aber seine Anerkennung der Bedeutung des Sprachgebrauchs (ĺ Gebrauch) ließ ihn das von DU MARSAIS verfochtene Verfahren der Angleichung der lateinischen Wortstellung an den orde naturel des Französischen zurückweisen (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Die Notwendigkeit eines substantiellen Unterschiedes in der Methodik der Vermittlung moderner und alter Fremdsprachen postuliert auch BEAUZÉE in seinem EncyclopédieArtikel Méthode. Für den Erwerb moderner Fremdsprachen wie Französisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch oder Englisch stehe ein vielfältiges Spektrum an Aneignungsmöglichkeiten zur Verfügung: Neben der Unterweisung durch muttersprachliche Lehrer (des maîtres nationnaux), denen alle Nuancen und Feinheiten ihrer Sprache bewusst seien, könne man eine Vielzahl von Texten vorbildlicher Autoren studieren, die im Hinblick auf unterschiedliche Stil- und Registerebenen differenzierbar seien. Der große Vorteil beim
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Erwerb moderner Fremdsprachen besteht für BEAUZÉE in der Tatsache, dass sie sowohl mit dem Gehör als auch den Augen wahrgenommen werden können (ces langues peuvent nous entrer dans la tête par les oreilles & par les yeux tout-à-la-fois). Im Gegensatz zu den toten Sprachen können sie sowohl durch mündliche Kommunikation als auch anhand der Schriftform studiert werden. Aussprache und Konversation werden mit Hilfe muttersprachlicher Lehrer erlernt, die außerdem ĺ Grammatik (des principes les plus généraux du méchanisme & de l’analogie de leur langue) vermitteln und das Stilgefühl durch die Lektüre der besten Autoren schulen. Diese Verfahren erscheinen BEAUZÉE sinnvoll, weil lebende Sprachen nach seiner Auffassung gelernt werden, um gesprochen zu werden: les langues vivantes s’apprennent pour être parlées, puisqu’on les parle. Eine gute Kompetenz im Sprechen wird jedoch nur durch häufige Übung (l’exercice fréquent de la parole) und durch die Orientierung am Sprachgebrauch (usage) der besten Sprecher und größten Autoren erzielt (ĺ Gebrauch). Im Gegensatz zu den Verfahren der Vermittlung moderner Fremdsprachen postuliert BEAUZÉE ein anders geartetes Vorgehen beim Studium und der Lehre alter Sprachen wie Hebräisch, Altgriechisch oder Latein. Da man für diese Idiome ausschließlich auf Schriftzeugnisse angewiesen ist, deren Korrektheit nicht immer zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, hält BEAUZÉE die Verwendung einer anderen Vermittlungsmethode als bei modernen Sprachen für erforderlich. Während im Falle lebender Fremdsprachen sowohl der mündliche als auch der schriftliche Erwerb der Sprache sinnvoll ist, verurteilt BEAUZÉE die mündliche Kommunikation in alten Sprachen als Absurdität: à quoi bon parler une langue qu’on ne parle plus? Aufgrund der Unsicherheit über die korrekte Aussprache toter Sprachen und in Ermangelung noch lebender Sprecher dieser Idiome lehnt BEAUZÉE die Produktion lateinischer Texte (composition) im Lateinunterricht als sinnloses Unterfangen ab. Auch die bereits im 17. Jahrhundert im Zuge der Diskussion um eine ĺ Universalsprache vorgebrachte und später von MAUPERTUIS wieder formulierte Vision einer Stadt, in der ausschließlich
Spracherwerb Latein gesprochen werde, wird von BEAUZÉE verworfen (Qu’avons-nous affaire de savoir parler cette langue? Est-ce à la parler que doivent tendre nos études?) Während die Lektüre älterer Texte in modernen Fremdsprachen wie etwa dem Italienischen primär auf den Erwerb sprachlicher Kompetenz abziele, lese man hebräische, griechische und lateinische Texte nicht, um eine tote Sprache zu sprechen, sondern um anhand des Quellenstudiums die Geschichte des auserwählten Volkes, die antike oder römische Geschichte, die Mythologie oder die klassische Literatur der Antike zu studieren. Die Beschäftigung mit toten Sprachen stellt für BEAUZÉE keinen Primärzweck dar, sondern es handelt sich dabei um einen Schlüssel, der den Zugang zur antiken Historie und Mythologie eröffnet (& si je m’applique alors à quelque langue morte, c’est qu’elle est la clé nécessaire pour entrer dans les recherches qui m’occupent). Während der Erwerb der Sprache bei modernen Fremdsprachen als Ziel des Unterrichts zu formulieren sei, dient das Studium toter Fremdsprachen nach Auffassung BEAUZÉEs nur als Mittel zum Studium der Geschichte und der Mythologie antiker Kulturen (On doit donc étudier les langues vivantes, comme fin, si je puis parler ainsi; & les langues mortes, comme moyen). Zwar könne der Erwerb lebender Sprachen auch dem Studium nichtsprachlicher Inhalte dienen, aber die Verfügbarkeit muttersprachlicher Kompetenzen als Korrektive des Studiums ermögliche andere Ansprüche an die Fähigkeit des Lernenden zur mündlichen Kommunikation und Textproduktion. Versuche des mündlichen Spracherwerbs toter Sprachen beurteilt BEAUZÉE als vergeblich, da man dabei nur seine eigene Muttersprache mit den Wörtern der toten Fremdsprache spreche (nous n’y parlerions guere que notre langue avec les mots de la langue morte). Diskussionen zum Fremdsprachenerwerb stehen zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Zeichen eines nationalsprachlich geprägten Europas, das zur Etablierung politischer, wirtschaftlicher und kultureller Kontakte einen mehrsprachigen Bürger fordert. Während das Lateinische bereits in der Renaissance im Zuge des Aufstiegs der Vernakulärsprachen zu-
323 rückgedrängt worden und auch im 18. Jahrhundert als Sprache der Wissenschaft zusehends im Niedergang begriffen war, nahm das Französische als Sprache gepflegter Konversation, wie sie bereits im 17. Jahrhundert am Hofe LUDWIGs XIV. kultiviert worden war, eine Vormachtstellung an den Fürstenhöfen und in den adeligen Zirkeln Europas ein. Mit dem Frieden von Rastatt (1714) wurde das Französische zur Sprache der internationalen Diplomatie erhoben. Für eine politische Karriere wurde daher der Erwerb dieser Sprache zur unabdingbaren Voraussetzung. Im frühen 18. Jahrhundert stellen europäische Vielsprachigkeit und daraus resultierend individuelle Mehrsprachigkeit ein allgemein verbreitetes Phänomen dar. Die Motivationen für den Erwerb einzelner Fremdsprachen fallen unterschiedlich aus: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist Französisch nicht nur die Sprache der Politik, sondern vor allem auch die Sprache der stilistisch anspruchsvollen galanten Konversation, die die Dame und der Herr von Welt zu beherrschen haben. Eine Orientierung am höfischen Konversationsideal erfolgt auch im Falle des Italienischen, das der Höfling im 18. Jahrhundert vor allem als Sprache der Oper lernt. Die Beweggründe, Englisch zu studieren, sind anderer Natur, da diese Sprache vor allem für die Lektüre medizinischer, naturwissenschaftlicher und theologischer Fachliteratur erworben wird. Während im Französischen und Italienischen vor allem eine flüssige mündliche Kommunikation im lockeren Konversationsstil, d. h. das Parlieren, angestrebt wird, wird Englisch primär als Lesesprache erworben. Die englische Aussprache gilt im 18. Jahrhundert als kaum lehrbar (ĺ Artikulation), nicht zuletzt weil sie so erheblich von der ĺ Orthographie abweicht, dass ROUSSEAU im Essai sur l’origine des langues behauptet, man müsse das Englische gleich zweifach lernen, um es zu beherrschen. Auch die slavischen oder baltischen Sprachen geraten im frühen 18. Jahrhundert in den Fokus von Bemühungen um den Fremdsprachenerwerb. Dabei steht auch das missionarische Bestreben des Hallenser Professors FRANCKE, den Osten Europas im Geiste des Pietismus zu reformieren, im Vordergrund.
324 Charakteristisch für die Methodik des Fremdsprachenerwerbs ist bis zum 18. Jahrhundert das weit verbreitete autodidaktische Vorgehen, das sich auf das Studium der ĺ Grammatik und der Konversationsbücher beschränkt. Der Verzicht auf eine Auseinandersetzung mit der Aussprache galt dabei nicht unbedingt als Hindernis, da man sich abgesehen von den romanischen Sprachen Französisch, Italienisch und Spanisch, die man auch mündlich beherrschen wollte, vielfach auf eine reine Lese- und Übersetzungskompetenz beschränkte. Die Zeit des 18. Jahrhunderts ist nicht zuletzt durch die Selbstverständlichkeit gekennzeichnet, mit der man sich mehrerer Sprachen bediente. Neben das schon seit der Renaissance verbreitete Bewusstsein von der Eigenart der verschiedenen Nationalsprachen (ĺ besonderer Charakter einer Sprache) tritt das Bedürfnis, sich als ubiquitärer mondäner Bürger in einer Vielzahl europäischer Länder mit Leichtigkeit zu bewegen. In diesem Zusammenhang ist etwa auch GOETHEs Maxime Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen zu verstehen. Diese Haltung ist von einer Offenheit gegenüber der Individualität verschiedener Einzelsprachen geprägt, bei denen man in einem ganz pragmatischen Sinne durchaus Anleihen machen darf, wenn sie etwa den einzig richtigen passenden Ausdruck für einen Gegenstand oder eine Erscheinung besitzen. GOETHE wendet sich kosmopolitisch gegen die – etwa im 17. Jahrhundert von LEIBNIZ propagierte – kategorische Ablehnung von Entlehnungen aus dem Französischen und gegen jede Art nationaler Bevormundung im Hinblick auf Fremd- und Lehnwörter. Nach GOETHEs Auffassung spielt für den Fremdsprachenerwerb der Sprachgebrauch die entscheidende Rolle, dem er gegenüber einem systematischen didaktisierten Unterricht den Vorzug erteilt (ĺ Gebrauch). Wenn GOETHE dem Sprachunterricht nur vergleichsweise geringe Einflüsse auf das Sprachenlernen zuschreibt und vor allem Theaterbesuche und die Lektüre großer Autoren als Mittel des Spracherwerbs beschreibt, ist dies sicherlich auch auf die Selbstverständlichkeit zurückzuführen, mit der der Dichter selbst verschiedene Sprachen beherrschte.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Im 18. Jahrhundert lässt sich insgesamt ein wachsendes Bewusstsein für die Möglichkeit des Begreifens der eigenen Muttersprache durch den Erwerb von Fremdsprachen erkennen. Das Wesen und die Eigenart einer konkreten Einzelsprache erschienen gerade durch den Vergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) mit anderen Idiomen besser erfassbar. Das wachsende Interesse an fremden Sprachen ist daher auch vor dem Hintergrund von Überlegungen zum Verhältnis zwischen Volksgeist und Volkssprache, wie sie von HERDER vorgebracht wurden, oder auch im Kontext von CONDILLACs Postulat einer Korrelation zwischen dem génie d’une langue und dem caractère d’un peuple zu würdigen. 4. Zur Diskussion der SpracherwerbsKonzepte im 17. und 18. Jahrhundert Die Konzepte ‘Mutterspracherwerb’ und ‘Fremdsprachenerwerb’ gehören zu den zentralen Gegenständen sprachtheoretischer und sprachpraktischer Reflexion des 17. und 18. Jahrhunderts. Vorstellungen zum kindlichen Spracherwerb stehen dabei im Zeichen der Debatte um eingeborene Eigenschaften wie Sprach- und Denkfähigkeit des Menschen, die von den Verfechtern des Cartesianismus hervorgehoben werden. Demgegenüber betonen die Adepten empiristisch-sensualistisch geprägter Konzeptionen die Rolle der sprachlichen Umwelt, wobei etwa der Imitation elterlicher Modelle und dem Spracherwerb durch Übung und Wiederholung sowie der kindlichen Interaktion mit dem Umfeld eine wesentliche Funktion zugeschrieben wird. Die Betonung von Aspekten wie der sprachlichen Interaktion und der Imitation sprachlicher Vorbilder findet sich vor allem in eher empiristisch-sensualistisch ausgerichteten Theorien. Die Diskussion um den Primat genetischer Prädispositionen einerseits und die Rolle des von den Bezugspersonen gelieferten sprachlichen Inputs andererseits bestimmt auch die gegenwärtige Debatte um den kindlichen Spracherwerb und wird als nature-nurture-Kontroverse bezeichnet. Konzepte des Fremdsprachenerwerbs sind im 17. und 18. Jahrhundert oftmals von einem unreflektierten Glauben an die Lernbarkeit von Fremdsprachen durch das Abarbeiten von Vokabellisten und grammatischen Paradigmen geprägt. Teilweise wird aber auch ein
Spracherwerb nicht-regelgeleiteter Spracherwerb durch die Vertrautheit mit der Sprachverwendung im Ausland anstelle einer mehr oder minder systematischen Methode bevorzugt. Verbreitet ist überdies die Annahme, dass das Studium von Wörterbüchern und die Lektüre vorbildlicher Autoren zum Erwerb einer Fremdsprache hinreichend seien. Eine progressive systematische Vermittlung grammatischer Elemente wird insbesondere im Falle der modernen Sprachen wegen der vorgeblichen geringen Komplexität ihrer syntaktischen Strukturen als nicht notwendig angesehen. Als Erfolg versprechende Methoden für den Erwerb moderner Fremdsprachen werden oftmals die Konversation mit Muttersprachlern sowie intuitive Erwerbsstrategien auf Auslandsreisen, die in Analogie zu den Verfahren des kindlichen Spracherwerbs beschrieben werden, propagiert. Für die geläufigen modernen Sprachen Europas werden teilweise divergierende Zielvorstellungen zugrunde gelegt: Während in den romanischen Sprachen galante Konversation und Parlieren und damit eine sichere, flüssige Beherrschung gesprochener Sprache angestrebt wurde, begnügte man sich für die als unaussprechlich geltende englische Sprache oftmals mit reiner Lesekompetenz. Ansprüche an den Erwerb toter Sprachen werden maßgeblich von der Auffassung von der Rolle der ĺ Übersetzung bestimmt. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts manifestiert sich Skepsis gegenüber der Übersetzung in die Fremdsprache nicht zuletzt, weil dieses Verfahren den besonderen Charakter der Zielsprache (ĺ besonderer Charakter einer Sprache) unterminiere. Bei einer Konzeption toter Sprachen als reine schriftsprachliche Zeugnisse der Vergangenheit musste die mündliche Sprachkompetenz als obsolet erscheinen. Die Befürwortung des gesprochenen Lateins fand in Frankreich allerdings vor allem auch in konservativen akademischen Kreisen ihren Widerhall, da z. B. noch bis ins 19. Jahrhundert hinein an der Pariser Sorbonne Vorlesungen in lateinischer Sprache abgehalten wurden.
IV.
1. Konzeptionen des ‘Spracherwerbs’ von der Antike bis zum 21. Jahrhundert Überlegungen zum Spracherwerb des Kindes geraten vor allem in der zweiten Hälfte des
325 19. Jahrhunderts durch die Entstehung der Kindersprachforschung, die von Medizinern, Psychologen und Pädagogen begründet wurde, in den Vordergrund. Dabei stützte sich die Kindersprachforschung immer wieder auf Topoi der sprachphilosophischen und sprachtheoretischen Reflexion des Abendlandes. Zu diesen Gegenständen sind etwa das ĺ Wesen der Sprache, ihr ĺ Ursprung, das Verhältnis von Wort und Ding und das Problem der Referenz, die Relation zwischen Natürlichem und Erworbenem sowie die Diskussion um das Verhältnis von eingeborenen Ideen und einem Erkenntnisprozess, der auf sinnlicher Wahrnehmung beruht, zu zählen. Das Nachdenken über die Entstehung von Sprache findet allerdings bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. auch in Form eines Experimentes seinen Niederschlag. Nach dem Bericht des Historienschreibers HERODOT soll der legendäre ägyptische König PSAMMETICHOS I. die Durchführung eines Isolationsexperiments befohlen haben, um herauszufinden, welches die ĺ Ursprache der Menschheit sei. Zu diesem Zwecke ließ er zwei Neugeborene in die Obhut eines Hirten geben, der diese von aller sprachlichen Kommunikation ausgeschlossen in der Gesellschaft von Ziegen aufwachsen ließ. Als sie das Alter erreichten, in dem Babys normalerweise die ersten Lautäußerungen von sich geben, sollen sie das Wort bekos gesagt haben, was im Phrygischen ‘Brot’ bedeutet. Dies veranlasste PSAMMETICHOS zu der Annahme, dass die älteste Sprache der Menschheit das Phrygische gewesen sei (ĺ Ursprache). Wie die Wiederholung des Experiments durch den Stauferkaiser FRIEDRICH II., den schottischen König JAMES IV. und den indischen Kaiser AKBAR DEN GROSSEN belegt, übte auch in der Folgezeit die Frage nach dem ĺ Ursprung der Sprache eine starke Faszination aus. Die Versuchskonstellation zeigt, dass man von der Annahme ausging, dass die menschliche Sprachfähigkeit angeboren sei und dass selbst Kinder, die keinerlei sprachlichem Input ausgesetzt wären, Sprache verwenden würden. Stand bei diesem Experiment der phylogenetische ĺ Ursprung der Sprache im Zentrum des Erkenntnisinteresses, so gesellte sich namentlich im 18. Jahrhundert, das wiederholt als Jahrhundert der Entdeckung der
326 Kindheit gefeiert wurde, das Interesse an den ontogenetischen Entwicklungsbedingungen von Sprache hinzu. Auch wenn derartige Isolationsexperimente unter ethischem Gesichtspunkt als fragwürdig erscheinen (vgl. AMENT 1899: 7), zeugen sie bereits von der intuitiven Annahme, dass die Kindersprache Aufschlüsse über das Funktionieren des Denkens zu geben vermag. Während das 18. Jahrhundert durch die kritiklose Vermischung von Überlegungen zur Ontogenese mit solchen zur Phylogenese gekennzeichnet war, geriet die Untersuchung des kindlichen Spracherwerbs ins Zentrum der neu etablierten Kindersprachforschung des 19. Jahrhunderts. Die Anfänge dieser Forschungsrichtung gehen auf Tagebuchaufzeichnungen zurück, in denen Eltern die Entwicklung ihrer Kinder festhielten. Diese Richtung nimmt ihren Anfang mit LOEBISCHs Entwicklungsgeschichte der Seele des Kindes (1851) und wird mit SIGISMUNDs Studie Kind und Welt (1856) fortgesetzt, an die Physiologen wie KUSSMAUL (1859) und VIERORDT (1879) anknüpfen. Auf die Entwicklung des Wortschatzes geht TAINE (1876) ein, der sich in dieser Untersuchung dem Spracherwerb seiner Tochter widmet. TAINEs Veröffentlichung regte DARWIN an, seinerseits seine Beobachtungen zur kindlichen Entwicklung in der Zeitschrift Mind unter dem Titel “A biographical sketch of an infant” zu publizieren (DARWIN 1877). Die erste Studie, die sich ausdrücklich dem Lauterwerb des Kindes zuwandte, war SCHULTZEs 1880 erschienene Untersuchung Die Sprache des Kindes: eine Anregung zur Erforschung des Gegenstandes. Grundlage dieser Arbeit war SCHULTZEs Postulat des Prinzips der geringsten Anstrengung für die Abfolge der kindlichen Lautentwicklung. Dieses auch als Grundsatz des kleinsten Kraftmaßes bekannte Prinzip besagt, dass diejenigen Sprachlaute vom Kind zuerst erlernt werden, die die geringste physiologische Anstrengung zu ihrer Erzeugung erfordern. Dieser Ansatz, der sich bereits bei BUFFON findet, wurde allerdings in der Folgezeit wiederholt wegen der Willkürlichkeit der Kriterien für den Anstrengungsgrad angefochten. Als zentraler Beitrag zur Kindersprachforschung ist PREYERs Die Seele des Kindes (1882) zu würdigen, mit dem der Autor eine
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken ausführliche systematische Beschreibung der Entwicklung seines Sohnes vorlegt. Eine andere theoretische Orientierung als PREYER, der den kindlichen Spracherwerb auf die Entwicklung der Kognition zurückführte, verfolgen STERN und STERN (1907) mit ihrem richtungsweisenden Werk Die Kindersprache. Eine psychologische und sprachtheoretische Untersuchung. Sie überwinden sowohl die reduktionistische Position PREYERs, der die Rolle der inneren, geistigen Kräfte für den kindlichen Spracherwerb hervorhebt, als auch die unter dem ideologischen Einfluss der Völkerpsychologie WUNDTs entstandene voluntaristische Positionsnahme von MEUMANN (1902) und IDELBERGER (1903), die den Einfluss der äußeren, sozialen Kräfte im Gegensatz zu PREYER hervorheben. MEUMANN und IDELBERGER begreifen den Spracherwerb vorwiegend als Produkt der Imitation und die ersten Sprachanfänge als Ausdruck der Gemütsbewegungen des Kindes. Die innovative Orientierung des Konzepts vom Spracherwerb, das STERN und STERN vertreten, besteht in der Überwindung des Antagonismus zwischen inneren, geistigen Kräften einerseits und äußeren, sozialen Kräften andererseits zugunsten einer Konvergenztheorie, die beide Positionen berücksichtigt. In ihrem Ansatz gehen STERN und STERN davon aus, dass die Grundfrage des Spracherwerbs darin besteht, zu klären, ob die von außen vermittelten Formen und Bedeutungen als Bestätigung der inneren Tendenzen erklärt werden können. Charakteristisch für das Spracherwerbskonzept von STERN und STERN sind außerdem die systematische Berücksichtigung des Erwerbs der ĺ Syntax sowie eine darauf beruhende Klassifizierung der Perioden des kindlichen Spracherwerbs. Entscheidend für die weitere Entwicklung von Konzeptionen des kindlichen Spracherwerbs war aber vor allem ihre Erkenntnis, dass die Kindersprache nicht lediglich als unterentwickelte Sprache, sondern als ein Idiom sui generis zu begreifen sei, das auch als Kinderdialekt bezeichnet werden könne. Einen Meilenstein für die Entwicklung von Konzeptionen des Spracherwerbs stellte die kognitivistische Auffassung PIAGETs dar, der seine Vorstellungen zum Spracherwerb in seinem Buch Le langage et la pensée chez
Spracherwerb l’enfant 1923 darlegte. Seine konstruktivistische Entwicklungstheorie arbeitete PIAGET zunächst anhand der Beobachtung der kognitiven und sprachlichen Entwicklung seiner eigenen Kinder und in der Folgezeit mit Hilfe von klinischen Interviews, die er mit größeren Kindergruppen durchführte, aus. In seinem kognitivistischen Erklärungsansatz beschreibt PIAGET die Entwicklung der Intelligenz von den ersten Wahrnehmungen und Bewegungen bis hin zur Entfaltung des abstrakten Denkens. Den Spracherwerb betrachtet PIAGET als eine besondere Ausprägung der allgemeinen Intelligenz, während das Denken selbst als eine spezielle Form des Handelns verstanden wird, die einen Sonderfall der biologischen Anpassung der menschlichen Spezies darstellt. Die Grundprinzipien menschlichen Denkens hält PIAGET für genetisch determiniert. Nach seiner Auffassung handelt es sich bei der Sprache um ein System, das eine Repräsentationsfunktion wahrnimmt, die sozial-konventionell verankert ist. Durch ihre Fähigkeit, Bedeutungen zu repräsentieren, wird die Sprache zu einem kognitiven Werkzeug. Allerdings postuliert PIAGET die Anteriorität des Denkens vor der Sprache, die er als Hilfe der Kognition versteht. So ermögliche die Sprache eine Perfektionierung des Denkens, da sie durch die Etablierung der Kommunikation dazu beitrage, die mentalen Repräsentationen des Kindes zu steigern und weiterzuentwickeln. Sprache, die von PIAGET als ein System kognitiver Werkzeuge im Dienste des Denkens verstanden wird, verleiht Denkprozessen eine größere Effizienz und ermöglicht die Loslösung vom Konkreten zugunsten der Abstraktion. Der kindliche Spracherwerb wird von PIAGET als ein aktiver Konstruktionsprozess aufgefasst, der stufenförmig voranschreitet. Charakteristikum dieser Entwicklung ist ihr Schwanken zwischen den Polen der Anpassung des Organismus an seine Umwelt (Akkomodation) einerseits und der Anpassung der Umwelt an den Organismus (Assimilation) andererseits, wobei sich zunehmend ein Gleichgewicht zwischen beiden Polen (Äquilibration) einpendelt. Nach diesem Ansatz ist es das Individuum selbst, das seine Kognition gleichsam von innen heraus konstruiert.
327 Die Entwicklung des kindlichen Denkens und Sprechens erfolgt nach PIAGET in vier Stufen: In der sensomotorischen Phase, die von der Geburt bis zum Alter von ca. 1,6 Jahren reicht, verläuft die Ausbildung der motorischen und sinnlichen Fähigkeiten mit hoher Geschwindigkeit. Diese Phase der sensomotorischen Intelligenz geht dem eigentlichen Spracherwerb voran. Normalerweise vergehen etwa 18 Monate bis das Kind Sprache entdeckt. In der Phase der sensomotorischen Intelligenz, die PIAGET als vorsprachliches Stadium beschreibt, beginnt das Kind mit der Produktion erster Sprachlaute und lernt, erste Wortinhalte zu verstehen, wenn diese sich auf eine aktuelle Situation beziehen. Dabei handelt es sich nach PIAGETs Verständnis jedoch noch nicht um sprachliche Leistungen im eigentlichen Sinne, da die Inhalte der verstandenen Wörter sich auf eine hic-et-nunc-Situation beziehen und nicht auf Handlungen in der Vergangenheit oder Zukunft. Die Phase der sensomotorischen Intelligenz wird vielmehr durch Signalleistungen des Kindes bestimmt sowie durch Leistungen, die auf eine Entwicklung der Wahrnehmung schließen lassen. Die Phase des Spracherwerbs siedelt PIAGET im Alter von 1,6 bis 4 Jahren an. In diesem Zeitraum entwickelt sich die Fähigkeit der Symbolverwendung. Die Sprache als Symbolsystem entwickelt sich aus den Spielhandlungen des Kindes und durch die Imitation der Tätigkeiten Erwachsener, die in wachsendem Maße auch von verbalen Kommentaren begleitet werden. In der darauffolgenden Phase der Wahrnehmungsentwicklung, die im Alter von 4–8 Jahren stattfindet und die PIAGET auch als voroperationale bzw. intuitive Phase bezeichnet, versucht das Kind, sich die Welt intuitiv mithilfe sinnlicher Wahrnehmungen anzueignen und etwa Unterschiede in Gestalt, Farbe oder Form der Dinge zu begreifen, ohne diese berühren zu müssen. Als letzte Phase bestimmt PIAGET die Phase der Entwicklung höherer kognitiver Funktionen. In einer ersten Phase dieser Endphase, der sogenannten konkret-operationalen Phase, die etwa vom 8. bis zum 12. Lebensjahr reicht, stehen die konkreten Operationen im Vordergrund. Das Kind beobachtet seine eigenen Handlungen und reflektiert darüber.
328 Erst in der anschließenden Phase der formalen oder abstrakten Operationen, die in der Zeit vom 12. bis zum 13. Lebensjahr anzusiedeln ist, beginnt das abstrakte Denken. Der Spracherwerb, der in die gesamte kognitive Entwicklung des Kindes eingebettet wird, erscheint bei PIAGET als ein aktiver Konstruktionsprozess. Er ist weder ausschließlich durch genetische Prädispositionen noch durch die Interaktion mit der Umwelt erklärbar, sondern wird als ein Prozess der Selbstregulierung aufgefasst. Die Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit des Kindes erfolgt erst allmählich und ist in ihrem Anfangsstadium noch durch den starken kindlichen Egozentrismus gekennzeichnet, der das Kind die Welt nur aus seiner eigenen, individuellen Perspektive betrachten lässt. Dieser Egozentrismus zeigt sich etwa durch den Verzicht auf eine explizite Bezugnahme auf den Partner oder anhand der Vorliebe des 4–6 Jahre alten Kindes für Monologe, die auch als Gruppenmonologe in Erscheinung treten können. Erst langsam entwickelte sich nach den Beobachtungen PIAGETs in gemeinsamen Gesprächen von Kindern eine Zusammenarbeit im Handeln, während eine Zusammenarbeit im abstrakten Denken erst im Alter von ca. 7 Jahren festgestellt werden konnte. Die Erforschung des Spracherwerbs nimmt bei PIAGET nicht den gleichen Stellenwert wie seine empirischen Untersuchungen zur allgemeinen kognitiven Entwicklung ein. Seine Verankerung des Spracherwerbs in der allgemeinen Intelligenzentwicklung wurde von WYGOTSKI zurückgewiesen, der die Auffassung eines Wechselverhältnisses von Sprache und Denken dagegensetzte (vgl. WYGOTSKI [1934] 2002). Großen Einfluss auf die Konzeption des Spracherwerbs übte in den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts der Behaviorismus aus, der von dem Psychologen WATSON begründet wurde. Kennzeichnend für diese Richtung, die sowohl die Psychologie als auch die Sprachwissenschaft nachhaltig beeinflusste, war ihre streng empiristische Orientierung und die Konzeption des Menschen als tabula rasa, die erst durch den prägenden Einfluss der Umwelt zur Entfaltung ihres Menschseins käme. Menschliches Verhalten könne durch Konditionierung, d. h. durch Verfahren der
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Belohnung und Bestrafung gesteuert werden. Die wissenschaftliche Analyse von Verhaltensweisen war nach Ansicht des Behaviorismus nur anhand objektiv messbarer Kriterien möglich, weshalb auch jegliche mentalistische Orientierung, die Aussagen über den menschlichen Geist trifft, zurückgewiesen wurde. In behavioristischen Versuchsaufstellungen wurde das Verhalten von Tieren im Rahmen von Reiz-Reaktions-Schemata untersucht. Die Interpretation tierischen Verhaltens als Reiz-Reaktions-Automatismen wurde in einem zweiten Schritt dann auch auf menschliches Verhalten und auf die Sprache übertragen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere SKINNERs 1957 erschienene Schrift Verbal behavior zu berücksichtigen, in der der Autor den Spracherwerb als Konditionierungsprozess erklärt. Nach dem Verständnis SKINNERs beruht auch der kindliche Spracherwerb auf Prozessen der Konditionierung, indem Kinder für sprachlich korrekte Sätze Lob und für grammatische Fehler Tadel erhalten. Entscheidend für den Spracherwerb ist nach der Auffassung SKINNERs einzig der Input, den das Kind durch die Außenwelt erfährt. Durch Imitation sprachlicher Modelle von Eltern und sonstigen Bezugspersonen erlerne das Kind Sprache ebenso wie jede andere Fähigkeit. Der behavioristische Ansatz SKINNERs und seine Erklärung des Spracherwerbs mit Hilfe eines Konditionierungsschemas, das auf dem Automatismus einer Reiz-Reaktions-Sequenz basiert, wurden von Linguisten wie CHOMSKY hart kritisiert (vgl. CHOMSKY 1959). Während das behavioristische Paradigma zur Erklärung tierischen Verhaltens hervorragend geeignet sei, könne es für die Explikation des kindlichen Spracherwerbs nicht als geeignetes Modell gelten. Da Kinder bereits im Alter von etwa drei Jahren Sprachkonstruktionen von sich geben, die sie nie zuvor gehört haben und auch sprachliche Neuschöpfungen erfinden, kann ein Ansatz, der die Sprache des Kindes nur auf Prozesse der Konditionierung und Imitation reduziert, nicht hinreichend sein. Der Kreativität des kindlichen Spracherwerbs, die CHOMSKY insbesondere in seinem umstrittenen Werk Cartesian Linguistics (1966) hervorhebt, wird eine derarti-
Spracherwerb ge Konzeption nicht gerecht. Auch die Tatsache, dass Kinder problemlos Grammatikregeln anwenden, die sie nie zuvor gehört haben, dokumentiert die Inadäquatheit des behavioristischen Ansatzes. Nicht zuletzt erweist sich der sprachliche Input, dem die Kinder ausgesetzt sind, als unzulänglich, um ihre sprachlichen Leistungen erklären zu können. Die Unzulänglichkeit des Stimulus (poverty of stimulus) spricht gegen eine Konzeption des Spracherwerbs als Prozess des ReizReaktions-Lernens. Im Gegensatz zum Behaviorismus vertreten die Anhänger des Nativismus (CHOMSKY, LENNEBERG, PINKER) die Ansicht, dass Sprache ein zu komplexes Phänomen sei, um allein aus der Erfahrung entstehen zu können. Der prominenteste Verfechter des Nativismus, CHOMSKY, betont, dass Sprache nicht durch Lernprozesse erworben wird, sondern Teil der biologischen Grundausstattung des Menschen sei. Im Sinne der Idee der Präformation ist ein Bauplan für Sprache nach CHOMSKYs Auffassung in den Genen enthalten, so dass die Sprachentwicklung im Wesentlichen vorherbestimmt ist. Sprache wird nach diesem Verständnis nicht erlernt, sondern der Spracherwerb ereilt das Kind ebenso wie die Pubertät (Learning language is something like undergoing puberty, CHOMSKY 1988: 173). Im Gegensatz zum behavioristischen Ansatz kommt der Umwelt in der Vorstellung des Nativismus keine entscheidende Funktion für die Ausbildung der Sprache beim Kind zu. Der Umwelt wird im nativistischen Paradigma lediglich die Rolle eines Auslösers zugeschrieben, der den Spracherwerb in Gang setzt, welcher jedoch im Wesentlichen einem vorherbestimmten Plan folgt. Zwar sei das Vorhandensein eines sprachlichen Inputs seitens der Umwelt für die Aktualisierung der Sprachfähigkeit des Kindes vonnöten, aber die Rolle der Umwelt beschränke sich auf die Auslösung eines biologisch determinierten, nach einem fertigen Bauplan ablaufenden Programm des Spracherwerbs. Nach der Ansicht CHOMSKYs ist die Fähigkeit des Menschen, von einer endlichen Anzahl von Wörtern einen unendlichen Gebrauch zu machen, indem sie zu einer unendlichen Anzahl von Sätzen kombiniert werden
329 können, angeboren, da sie Kinder in die Lage versetzt, vorher nie gehörte Satzstrukturen zu produzieren. Im Rahmen seiner nativistischen Theorie nimmt CHOMSKY an, dass der Spracherwerb auf einem angeborenen Spracherwerbsmechanismus (language acquisition device) beruhe. CHOMSKY geht von der Existenz eines angeborenen Sprachmoduls, das ausschließlich dem Menschen eigen sei und lediglich durch die Außenwelt aktiviert werden müsse, aus. Sprachliches Wissen ist nach dieser Auffassung durch die Unabhängigkeit von anderen Formen der Erkenntnis gekennzeichnet. Sprache wird nach diesem Verständnis modular gesteuert, d. h. verbalem Verhalten liegt ein neuronales System zugrunde, das spezifisch lokalisiert werden kann. Nach der Ansicht der Nativisten (CHOMSKY, PINKER 1994) wird Sprache unabhängig von anderen kognitiven Kompetenzen erworben; sprachliche Informationen werden auch unabhängig von anderen kognitiven Fähigkeiten verarbeitet, wobei auch einzelne sprachliche Kompetenzen modular funktionieren, indem z. B. Module für lexikalisches und grammatisches Wissen unabhängig voneinander arbeiten (PINKER 1994). Der kindliche Spracherwerb beruht für CHOMSKY auf einem angeborenen Spracherwerbsmechanismus (language acquisition device), der spezifisch für den Menschen ist, während nicht-menschliche Primaten nicht in der Lage seien, spontan menschliche Sprache zu erlernen (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Auch wenn Schimpansen zu beachtlichen Leistungen bei der Verwendung der Amerikanischen Taubstummensprache gebracht werden konnten, sind sie nicht in der Lage, komplexe grammatische Konstruktionen zu meistern (vgl. CHOMSKY 1980). Das Language-Acquisition-DeviceModell beruht auf der Vorstellung, dass jedes Kind von Beginn an über ein grammatisches Wissen verfügt, dass nicht einzelsprachlich spezifisch ist, sondern auf sprachlichen Universalien basiert, die für alle natürlichen Sprachen gelten. Diese allgemeine Fähigkeit, Sprachen syntaktisch zu strukturieren, bedingt nach CHOMSKYs Auffassung, dass nur ein minimaler Input vorhanden sein muss, um die Sprachentwicklung auszulösen.
330 Die Sprachverwendung setzt nach CHOMSKY ein Wissen über eine Menge sehr abstrakter, unbewusster Regeln voraus. Mithilfe des Spracherwerbsmechanismus vermag das Kind seiner Meinung nach, auf der Basis von sprachlichen Universalien Hypothesen über die zu erlernende Sprache aufzustellen und zu bewerten. So zeichne sich der Spracherwerb durch die Existenz von drei anlagebedingten Faktoren aus: Neben sprachlichen Universalien tritt ein Hypothesenbildungsverfahren und ein Hypothesenbewertungsverfahren in Kraft, bei dem das Kind aufgrund seiner Kenntnis sprachlicher Universalien Hypothesen über die Sprache aufstellt, die es als Input erhält und bewertet. Im Wesentlichen vollzieht sich der Spracherwerb damit als eine Auswahl und Bewertung von Regelsystemen. CHOMSKYs Language-Acquisition-DeviceModell wurde als unzureichend determiniert kritisiert, da das Kind z. B. nicht in der Lage ist, zu erkennen, wann es falsche Hypothesen generiert. Ferner ist das Modell nicht in der Lage, die systematischen Entwicklungsabfolgen des Spracherwerbsprozesses zu erklären. Derartige Unzulänglichkeiten des LanguageAcquisition-Device-Modells veranlassten CHOMSKY allerdings zu einer Revision seines Ansatzes zur Erklärung des Spracherwerbs. So verzichtet er in seinem Prinzipien- und Parameter-Modell (vgl. CHOMSKY 1986) auf die Annahme, dass das Kind auf der Grundlage seines spezifischen Sprachwissens mithilfe von Hypothesenbildungs- und -bewertungsprozessen die Sprache seiner Umgebung erwirbt. Vielmehr postuliert CHOMSKY die Existenz eines abstrakten sprachlichen und begrifflichen Wissens, das Bestandteil der genetischen Ausstattung eines jeden Kindes sei. So verfüge jedes Kind von Geburt an über eine Universalgrammatik aus abstrakten, allgemeinen Prinzipien, die für sämtliche Sprachen Gültigkeit besäßen. Allerdings wurde CHOMSKYs Annahme, dass der kindliche Spracherwerb auf einem genetischen Code beruhe, der einen Bauplan einer angeborenen Universalgrammatik beinhalte, in Zweifel gezogen, da bisher Sprachverhalten nicht auf genetische Mechanismen zurückgeführt werden konnte. In diesem Zusammenhang ist auch die Entdeckung des “Sprachgens” FOXP2 kritisch zu beurteilen,
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken das nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Mäusen aufgefunden werden konnte und auch im Falle von Sprachstörungen nicht immer erscheint. Die Rolle dieses Gens für den kindlichen Spracherwerb ist z. Z. noch als ungeklärt anzusehen (vgl. MARCUS / FISHER 2003). Zwar kann der Annahme genetischer Prädispositionen (constraints) für den Spracherwerb durchaus eine gewisse Plausibilität zugeschrieben werden, aber aufgrund der Überbetonung universeller Prinzipien im Prozess des Spracherwerbs finden interindividuelle und kulturell bedingte Unterschiede in der nativistischen Konzeption keine hinreichende Berücksichtigung (vgl. TOMASELLO 2004). Die große Unterschiedlichkeit der verschiedenen Sprachen der Welt lässt zudem die Konzeption angeborener, universeller grammatischer Regeln als problematisch erscheinen (vgl. SLOBIN 1997). Nativistische Konzeptionen des Spracherwerbs, wie sie etwa von CHOMSKY oder PINKER vertreten wurden, werden nicht nur wegen des Postulats einer allen Sprachen gemeinsamen Universalgrammatik, sondern auch wegen ihrer nahezu ausschließlichen Fokussierung auf die syntaktische Entwicklung der Sprache kritisiert. Außerdem vermag die Konzeption einer angeborenen Sprachfähigkeit nicht, Entwicklungs- und Lernprozesse zu erklären. Während in nativistischen Vorstellungen vom Spracherwerb die kognitiven Aspekte der Sprache im Vordergrund stehen, findet ihre kommunikative Funktion keine adäquate Berücksichtigung. Im Gegensatz zu Konzeptionen des Spracherwerbs, die dem Nativismus verpflichtet sind, stehen interaktionistische Positionen, die den maßgeblichen Einfluss der kommunikativen Funktion der Sprache auf die Sprachentwicklung betonen. In interaktionistischen Ansätzen wird die Bedeutung intrinsischer Motivationen des Kindes hervorgehoben, das seine Gedanken- und Gefühlswelt mitteilen und außerdem die Äußerungen, die die Umwelt an es richtet, verstehen möchte. Der Spracherwerb wird in diesem Ansatz als ein Entwicklungsprozess gesehen, der auf einem bidirektionalen Austausch mit der Umwelt basiert, da Eltern und Kinder sich dabei wechselseitig beeinflussten und keineswegs eine einseitige
Spracherwerb Beeinflussung des Kindes durch seine Erzieher zugrundezulegen sei (vgl. PAPOUŠEK / PAPOUŠEK 1989). Im Rahmen eines systemtheoretisch geprägten Ansatzes wird der kindliche Spracherwerb als Element eines KindUmwelt-Systems gesehen, bei dem außerdem weitere Subsysteme wie Motorik, Kognition und Affektausbildung involviert sind. Während nativistische Spracherwerbstheorien die formalen Struktureigenschaften der Sprache für angeboren erklären, betonen Vertreter interaktionistischer Konzeptionen, dass die Sprache im Wesentlichen eine soziale Fähigkeit sei (vgl. TOMASELLO 2003), die durch die Kommunikation und Interaktion mit anderen Menschen in einem Lernprozess erworben werde. Spracherwerb wird nach dieser Vorstellung als eine wechselseitige, absichtsvolle, soziale Handlung interpretiert. In interaktionistischen Theorien wird der Spracherwerb als zentraler Bestandteil eines humanspezifischen Entwicklungs- und Sozialisierungsprozesses gesehen. Plausibilität gewinnt das interaktionistisch orientierte Modell des Spracherwerbs aufgrund der Tatsache, dass Kleinkinder ihre sprachlichen Fähigkeiten zum Zwecke der Verständigung mit anderen Personen einsetzen und bereits frühzeitig eine bemerkenswerte Sensibilität gegenüber pragmatischen Aspekten der Sprachverwendung erkennen lassen. Allerdings kann anhand interaktionistischer Erklärungsmuster die Fähigkeit, abstrakte grammatische Prinzipien zu beherrschen, die im Vordergrund des nativistischen Ansatzes steht, nicht erklärt werden. Das intuitive Verständnis gewisser pragmatischer Aspekte der Sprache ist eher dem Bereich der semantischen als dem der syntaktischen Entwicklung zuzuordnen, die im Zentrum des nativistischen Paradigmas steht. 2. Zum Ablauf des kindlichen Spracherwerbs Die Unterschiedlichkeit verschiedener Konzeptionen des Spracherwerbs dokumentiert die Komplexität des Phänomens und lässt erkennen, dass hinsichtlich der Rolle von genetischer Prädisposition einerseits und Umwelteinflüssen andererseits immer noch Uneinigkeit herrscht. Während das Verhältnis zwischen der Rolle der Gene und der der Umwelt für die Entwicklung der kindlichen Sprache
331 immer noch unklar ist, herrscht in Bezug auf den Ablaufplan des Spracherwerbs weitgehend Konsens: Der Spracherwerb lässt sich als Prozess definieren, bei dem das komplexe System aus phonologischen, semantischen, syntaktischen und pragmatischen Regeln erlernt wird, deren korrekte Verwendung das Funktionieren von Sprache gewährleistet. Der Prozess des kindlichen Spracherwerbs läuft unbewusst und implizit in natürlicher Umgebung ab, wogegen der Fremdsprachenerwerb im Rahmen institutioneller Steuerungen bewusst erfolgt und von Lehrern angeleitet wird. Die Sprachfähigkeit des Menschen ist ein arteigenes Spezifikum, das ihn etwa von nicht-menschlichen Primaten abhebt, die zwar beachtliche Leistungen im Symbolgebrauch zu erbringen vermögen, aber keine voll ausgebildete Sprache erwerben können (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Eine Grundvoraussetzung für einen voll ausgeprägten Spracherwerb ist ein intaktes Gehirn mit seinen auf Sprachproduktion und Sprachrezeption spezialisierten Arealen. Die ersten Jahre der kindlichen Sprachentwicklung bis hin zur Pubertät bilden eine kritische (sensible) Phase des Spracherwerbs, da zu einem späteren Zeitpunkt nicht dieselben Fähigkeiten erzielt werden können (vgl. LENNEBERG 1967). Neben der biologischen Voraussetzung einer intakten Hirnstruktur ist aber auch eine anregungsreiche Umwelt vonnöten, die das Kind mit dem erforderlichen sprachlichen Input versorgt. Fehlt diese Umwelt, wie etwa im Falle der ‘wilden Kinder’, so entwickelt sich Sprache entweder überhaupt nicht oder in nur rudimentärer Form (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Der Input, den hörende Kinder erhalten, ist zum größten Teil dadurch gekennzeichnet, dass es sich um eine spezielle Art der Ansprache handelt, die in der Fachliteratur früher als Ammensprache, heute eher als motherese (‘Mutterisch’) bzw. als an Babys gerichtete Sprache (vgl. SZAGUN 2008: 36) bezeichnet wird. Kennzeichen dieser Kommunikationsform sind prosodische Merkmale wie die höhere Tonlage, der größere Ambitus der Stimme, der schnelle Wechsel zwischen melodischen Extrema, die deutliche Segmentierung durch klare und längere Pau-
332 sen sowie insgesamt die geringere Sprechgeschwindigkeit. Die höhere Lage der an Babys gerichteten Sprache, die nicht nur von Müttern, sondern auch von anderen Bezugspersonen verwendet wird, kommt der Tatsache entgegen, dass der Säugling in dieser Lage über ein höheres Vermögen, Töne zu diskriminieren, verfügt (vgl. KÜHNE 2008: 52). Bis zum Alter von 18 Monaten zeigt sich eine deutliche Präferenz des Säuglings für Äußerungen, die in motherese an ihn gerichtet werden, gegenüber solchen, die in der normalen Intonation der an Erwachsene gerichteten Sprache erfolgen (vgl. FERNALD 1993). Die Sensibilität gegenüber Lauten und Tönen, über die bereits der Säugling verfügt, sind ein wichtiges Fundament für die spätere eigene Produktion von Sprachlauten. Schon nach der Geburt kann das Neugeborene die Stimme seiner Mutter von anderen Stimmen und Sprachlaute von anderen Lauten unterscheiden. Bereits von Geburt an zeigt sich eine Empfänglichkeit gegenüber prosodischen Mustern, die sich in den stereotypen Konturen für Zustimmung, Beruhigung, Verbot oder Erregung von Aufmerksamkeit zeigen (vgl. FERNALD 1993). Schon Säuglinge verfügen über eine kategoriale Wahrnehmung von Sprachlauten, die es ihnen ermöglicht, spezifische Kontraste des Sprachsignals wahrzunehmen und Elemente eines lautlichen Kontinuums unter Ausblendung von Zwischenstufen getrennten Klassen zuzuordnen. Physikalisch ähnliche Laute werden so wahrgenommen, dass sie diskreten Kategorien zugeordnet werden können (SZAGUN 2008: 43– 47). Die erste vokale Signalgebung des Babys ist das Schreien, das sowohl eine physiologische Elementarfunktion wie die Organisation des kardio-respiratorischen Systems wahrnimmt als auch als Warnsignal zur Aktivierung der Betreuungspersonen dient. Allerdings sehen PAPOUŠEK / PAPOUŠEK (1989) im Schrei nicht den Ursprung menschlicher Kommunikation, da er eher aversive Reaktionen hervorruft. Als Grundlagen vokaler Kommunikation seien vielmehr die in den ersten Lebenswochen entstehenden vokalartigen Grundlaute anzusehen. Nach etwa sechs Wochen entstehen erste Gurrlaute, denen im Alter von 3–4 Monaten die Phase der stimmli-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken chen Expansion folgt, die durch ein von Funktionslust getriebenes Spiel mit der eigenen Stimme gekennzeichnet ist. Erst im Alter von etwa 6 Monaten kommt es zu einer systematischen Kombination von Vokalen und Konsonanten (ĺ Vokal, ĺ Konsonant). Diese Art der Lautgebung, die auch als Plappern (babbling) bezeichnet wird, wird nicht zuletzt durch die Entwicklung des Vokaltrakts ermöglicht: Durch eine allmähliche Absenkung des Kehlkopfes kommt es zu einer Vergrößerung des Mund- und Rachenraumes, der eine zusehends deutlichere ĺ Artikulation von Lauten gewährleistet. Vom 7.–10. Monat ist das repetitive Silbenplappern (reduplicated babbling) charakteristisch für die Sprache des Kindes, in der nun häufig Silbenfolgen wie baba, dada, gaga vorkommen, die in allen Sprachen der Welt zu beobachten sind. Auf die Phase des repetitiven Silbenplapperns folgt im Alter von 11–12 Monaten die des sogenannten variegated babbling. In dieser Phase des Spracherwerbs werden unterschiedliche Vokale und Konsonanten miteinander kombiniert, so dass etwa Lautkombinationen wie bada oder dadu entstehen. Die Entwicklung der Lall- und Babbel-Laute ist durch ein ständig wachsendes Maß an Komplexität gekennzeichnet, wobei zunächst die ĺ Artikulation einzelner Laute und Silben für sich geübt wird und dann eine Kombination zu neuen Lautmustern erfolgt. In dieser Phase des lautlichen Experimentierens treten auch Laute auf, die in der Muttersprache des Kindes nicht vorkommen und später aus seinem Lautrepertoire wieder verschwinden. In seinem richtungsweisenden Buch Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze (1941), in dem JAKOBSON den Ablauf des kindlichen Spracherwerbs mit Hilfe der Instrumentarien des strukturalistischen Paradigmas nachzeichnet, stellt er die Behauptung auf, dass alle Kinder sämtliche Laute aller Sprachen der Welt in der Phase des Plapperns und Babbelns artikulieren würden (vgl. JAKOBSON ([1941] 1969). Auch wenn in dieser Phase des Spracherwerbs eine Vielzahl von Lauten hervorgebracht wird, die nicht zum Phoneminventar der Muttersprache des Kindes gehören, so erfolgt keineswegs eine Artikulation sämtlicher möglichen Laute (vgl. KLANN-DELIUS 2008: 27). Die Tatsa-
Spracherwerb che, dass die frühe Phase der Sprachentwicklung, die das Plappern und Babbeln darstellt, in allen Kulturen der Welt gleich abläuft, veranlasste allerdings WERMKE und MENDE (1992) zu der Annahme, dass es sich dabei um einen biologisch determinierten Abschnitt des Spracherwerbs handele. In der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres entwickeln Babys in wachsendem Maße eine Sensibilität gegenüber den Lauten und phonotaktischen Mustern ihrer Muttersprache, die sie gegenüber den Mustern anderer Sprachen bevorzugen. Im Alter von etwa 6 Monaten beginnt das Erkennen von Wortbedeutungen (ĺ Bedeutung), d. h. dass vertraute Wörter mit ihren Referenten assoziiert werden. Das erste erkennbare Wort wird mit etwa einem Jahr hervorgebracht. In diesem Ein-Wort-Stadium dient ein Wort oft zum Ausdruck eines ganzen Satzes. Man spricht daher auch von der holophrasischen Phase. Aufgrund des noch beschränkten lexikalischen Repertoires sind Überdehnungen charakteristisch für diese Phase des Spracherwerbs, in der bestimmte Wörter in einem weiteren Kontext Anwendung finden als es der Wortbedeutung angemessen wäre. So kann etwa das Wort Auto auch für Ausdrücke wie Motorrad, Fahrrad, Laster oder Flugzeug gebraucht werden. Diese Einwortäußerungen können mit Hilfe des situativen Kontextes als vollständige Sätze interpretiert werden. Innerhalb von ca. 1,5 Jahren wächst der Wortschatz des Kleinkindes auf ca. 40–50 Lexeme an. Mit etwa 18 Monaten setzt dann der sogenannte Vokabelspurt ein. Die Erkenntnis, dass Gedanken, Wünsche oder Gefühle durch Sprache ergriffen und mitteilbar werden, ruft eine regelrechte “intellektuelle Explosion” beim Kind hervor. Durch die Verwendung der Bezeichnungen werden Begriffe für das Kind verfügbar und eröffnen ihm die Möglichkeit der Weltaneignung durch Sprache. Allerdings ist nicht bei jedem Kind ein derartiger Vokabelspurt (vocabulary spurt) feststellbar (vgl. TOMASELLO 2003). In der Tat lassen sich im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Sprachentwicklung zum Teil erhebliche Unterschiede konstatieren, so dass mit dem early talker und dem late talker zwei verschiedene Typen hervortreten. Für einen erfolgreich
333 verlaufenden Spracherwerb sollte jedoch bis zu einem Alter von zwei Jahren eine kritische Masse von 50 Wörtern verfügbar sein, da bei einem Rückstand der lexikalischen Entwicklung das Risiko einer Sprachbehinderung gegeben ist (vgl. BUTZKAMM / BUTZKAMM 2004: 93). In seinen wesentlichen Zügen ist der Erwerb des Lexikons im Alter von 12 Jahren abgeschlossen, aber auch nach dieser Zeit werden noch neue Wörter dazugelernt. Am Anfang der Wortschatzproduktion stehen Substantive (“Dingwörter”) im Vordergrund, die sich auf visuell wahrnehmbare Gegenstände beziehen und der kindlichen Lebenswelt verhaftet sind. An diese Anfangsphase schließt sich eine Phase an, in der Aktionen im Vordergrund stehen und das Kind sich auf Vorgänge bezieht, die mit den Dingen passieren. Ab dem Alter von ca. 3 Jahren erfolgt die lexikalische Strukturierung der Welt durch Wortfelder, die mit etwa 12 Jahren abgeschlossen ist. Im Alter von ca. 18–24 Monaten wird im Bereich der syntaktischen Entwicklung die Phase der Holophrasen zugunsten des Zweiwort-Satzes überwunden. In dieser Phase ist die Wortstellung noch flexibel und es zeigen sich noch kaum Elemente der Flexion. Diese zum Ende des 2. Lebensjahres produzierten kurzen Sätze werden auch als Telegrammstil bezeichnet, weil sie nur die wichtigsten Wörter enthalten. Zweiwortsätze sind auf die Prädikation fixiert, denn es wird das mitgeteilt, was über den gemeinsamen Ausgangspunkt von Sprecher und Hörer hinausgeht, wobei jegliches Beiwerk weggelassen wird. Obwohl der Telegrammstil des Kindes durch die Absenz von Flexionen, Konjugationen und Konjunktionen gekennzeichnet ist, erfährt es dabei kaum Korrekturen, sondern erlernt weitgehend durch unbewusste Schemabildung, Sprachregeln zu abstrahieren und zu generalisieren. Die Länge und Komplexität der Sätze wächst dann allmählich, so dass sich ab etwa vier Jahren ein Übergang von der einfachen zur komplexeren Syntax verzeichnen lässt. Dieser Prozess der zunehmenden Komplexität der syntaktischen Produktion verläuft bis ca. zum 12. Lebensjahr.
334 3. Kontinuitäten und Diskontinuitäten in Konzeptionen des ‘Spracherwerbs’ Ein Vergleich von Konzeptionen des ‘Spracherwerbs’, die im Untersuchungszeitraum vom 17. bis zum 18. Jahrhundert entworfen wurden, mit dem aktuellen Stand der Forschung zeigt, dass eine Vielzahl von Charakteristika des Spracherwerbs bereits vor der Professionalisierung psycholinguistischer, pädolinguistischer oder entwicklungspsychologischer Betrachtungsverfahren erkannt und beschrieben wurde. Grundsätzlich lässt sich hinsichtlich der theoretischen Orientierung der Beschreibung eine Fokussierung entweder auf die angeborenen Elemente und Voraussetzungen des Spracherwerbs oder auf die Betonung der Rolle des sprachlichen Inputs seitens der Außenwelt konstatieren. Als Vorbild für eine nativistische Konzeption des Spracherwerbs wurde DESCARTES’ Sprachauffassung, die die Sprache als Exteriorisation des menschlichen Geistes begreift, von CHOMSKY zur historischen Legitimation seiner generativen Transformationsgrammatik herangezogen. Der mit der Sprachfähigkeit versehene Mensch vermag nach der Auffassung DESCARTES’, mentale Konzepte zu versprachlichen und dadurch Zeugnis von der Existenz seines überlegenen Geistes im Vergleich zu den als reinen Automaten beschriebenen Tieren abzulegen. Während selbst artikulationsbegabte Papageien lediglich zur Produktion rein imitatorischer Vokalisierungen imstande seien, verfüge der Mensch über die Fähigkeit zur sprachlichen Repräsentation seiner geistigen Vorstellungen, was DESCARTES als Beleg menschlicher Superiorität bewertet. Dem Cartesianismus verpflichtete Autoren wie etwa CORDEMOY oder LAMY erachten die Sprache als ein Privileg der menschlichen Spezies, das dem Menschen angeboren ist und ihm die Möglichkeit verleiht, sich über die Tiere zu erheben. Während Tiere höchstens zu imitatorischen Artikulationsleistungen befähigt seien, zeichne sich der Mensch durch die Kreativität und den Einfallsreichtum aus, mit dem er verschiedenste Konzepte sprachlich zu repräsentieren vermöge. Da die Anhänger des Cartesianismus Sprache oder Sprachfähigkeit als angeboren betrachten, steht für sie die Leichtigkeit und Mühelosig-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken keit des kindlichen Spracherwerbs neben der Kreativität des Sprachgebrauchs im Vordergrund. Für CORDEMOY verkörpert der Prozess des kindlichen Spracherwerbs, der sich durch einen hohen Grad an Systematizität auszeichnet, eine Widerspiegelung der Grammatik. Indem das Kind als “Spracherfinder” in Erscheinung tritt, rekonstruiert es gleichsam die natürlichen Regeln der Grammatik, die als Kunst aufgefasst wird. Während in den Konzeptionen von DESCARTES, CORDEMOY oder LAMY der Spracherwerb als ein angeborener, spezifisch menschlicher Prozess begriffen wird, bei dem die Mühelosigkeit des Ablaufs und die Kreativität des Sprachgebrauchs im Zentrum stehen, orientieren sich empiristisch-sensualistische Autoren stärker an den Möglichkeiten, die der sprachliche Input bietet. So fokussieren sich etwa Autoren wie MONBODDO, BEATTIE oder TETENS auf Phänomene wie das Imitationslernen, das durch die Erfahrung mit sprachlichen Mustern, die dem Kind in der Interaktion mit seinen Bezugspersonen angeboten werden, befördert wird. Für die Konzeptionen des Spracherwerbs eines MONBODDO oder BEATTIE spielen Faktoren wie der Umgang des Kindes mit Erwachsenen und elterliche Unterweisung ebenso eine Rolle wie Imitation und Übung. Bereits im Untersuchungszeitraum des 17. und 18. Jahrhunderts lässt sich daher eine Polarisierung von Konzeptionen des Spracherwerbs nachzeichnen, die entweder die genetische Prädisposition des Menschen zum Spracherwerb oder die Relevanz des Inputs hervorheben. Während der Nativismus CHOMSKYs sich ausdrücklich in der Traditionslinie des Cartesianismus mit seiner Betonung eingeborener Prinzipien und einer eingeborenen Sprachfähigkeit verortet, lassen empiristisch-sensualistische Ansätze gewisse Parallelen zu interaktionistischen Erwerbstheorien (vgl. etwa TOMASELLO) erkennen, indem sie im Gegensatz zum Kognitivismus des cartesianischen Paradigmas die kommunikative und pragmatische Funktion der Sprache in den Vordergrund stellen. Empiristisch-sensualistische Ansätze privilegieren Konzeptionen des Spracherwerbs als interaktive Handlung, bei der Faktoren wie Imitation und auch Wiederholung sprachlicher Strukturen durch Training eine wesentliche Rolle spielen.
Spracherwerb Die Relevanz der Imitation für den Erwerb sprachlicher Strukturen wird von einer Vielzahl von Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts hervorgehoben (MERSENNE, FRAIN DU TREMBLAY, MONBODDO, BEATTIE, HERDER, TETENS, LAMY), die z. T. zwar im cartesianischen Sinne die Kreativität der Sprache betonen, aber andererseits der Imitation zum Beginn der Sprachentwicklung trotzdem eine wesentliche Funktion für die Ausbildung sprachlicher Strukturen zuweisen (vgl. LAMY). Dass Imitation ein wirksamer Lernmechanismus ist, der erste Grundlagen für den Aufbau von Sprache beim Kind bildet, welches, von einer imitatorischen Basis ausgehend, allmählich verallgemeinerte sprachliche Schemata konstruiert, wird auch in der modernen Pädolinguistik betont (vgl. SZAGUN 2008: 265). Auch die Tatsache, dass die Beherrschung einer kritischen Masse von ca. 50 Lexemen im Alter von 2 Jahren als Grundlage für grammatisches Lernen anzusehen ist (vgl. BUTZKAMM / BUTZKAMM 2004: 93; SZAGUN 2008: 265), beweist die Relevanz sprachlicher Strukturen des Inputs als Grundlage der weiteren Sprachentwicklung des Kindes. Die Bedeutung eines anregungsreichen Umfeldes für die Entwicklung von Sprache wird bereits von Autoren wie COMENIUS, LOCKE oder BEATTIE hervorgehoben, die den Spracherwerb zugleich als einen Prozess des Weltverstehens begreifen, bei dem durch den Kontakt mit den Objekten und Personen der Außenwelt die repräsentative Funktion von Sprache erschlossen wird. Für die Aneignung der Welt und die Zuordnung von Wort-DingRelationen spielen nach Auffasung von empiristisch orientierten Autoren wie LOCKE, MONBODDO oder BEATTIE Unterweisung durch Erwachsene, ein anregungsreiches Umfeld und tägliche Übung im Sprechen die entscheidende Rolle. Was den Einfluss des von den Eltern und sonstigen Bezugspersonen vermittelten Inputs auf die sprachliche Entwicklung des Kindes betrifft, so herrscht bei den Autoren des Untersuchungszeitraums Uneinigkeit. Während CONDILLAC und ROUSSEAU dem Kind die Hauptlast der Sprachentwicklung zuschreiben, weil es sowohl über eine flexiblere Zunge als auch über größere Bedürfnisse als sei-
335 ne Eltern verfüge, betont etwa HERDER die Relevanz der elterlichen Instruktion, da das Kind per se ein instinktloses Mängelwesen sei, das sich durch die völlige Abhängigkeit von seinen Betreuungspersonen charakterisieren lasse. Die Frage, wem die Hauptrolle bei der Entstehung der kindlichen Sprache zuzuweisen sei, bestimmt auch gegenwärtige Konzeptionen des Spracherwerbs. So behauptet etwa PINKER (1994), dass dem Kind selbst das größte Verdienst an seinem Spracherwerb zukäme, während ihm nach der Auffassung von BUTZKAMM / BUTZKAMM (2004) diese Rolle nicht vor dem 3. Lebensjahr, wenn es aktiv die Grammatik seiner Muttersprache zu erwerben beginne, zugeschrieben werden dürfe. Um jedoch den Prozess des Spracherwerbs überhaupt in Gang zu setzen, käme der Mutter die Hauptrolle zu, da nur durch ihre Verweise auf die Dinge der Objektwelt und das exemplarische gemeinsame Herstellen von Referenz das Kind in die Lage versetzt werde, zunächst anhand von Imitation Aussagen über seine Umwelt zu treffen (vgl. BUTZKAMM / BUTZKAMM 2004: 72). Dass der kindliche Spracherwerb einen interaktiven Prozess gemeinsamer Welterschließung durch die kindliche Erkenntnis der repräsentativen Funktion der Sprache mithilfe der von den Eltern und sonstigen Bezugspersonen vorgeführten Referenz auf die Objektwelt darstellt, wird an den Konzeptionen von COMENIUS, LOCKE oder BEATTIE deutlich. Die Rolle eines didaktisierenden Sprechens seitens der Eltern oder sonstiger Bezugspersonen für die sprachliche Entwicklung des Kindes betonen etwa Autoren wie FRAIN DU TREMBLAY oder TETENS. So stellen nach der Auffassung FRAIN DU TREMBLAYs die ständige Wiederholung von Wörtern in denselben Zusammenhängen sowie eine deutliche ĺ Artikulation seitens der Eltern oder Ammen eine Notwendigkeit für die Optimierung des Spracherwerbs dar. Dass eine Anpassung der elterlichen Sprechweisen im Sinne einer didaktisierend wirkenden, langsamen, deutlich artikulierenden und stark modulierenden Stimmführung bereits von Anbeginn im Umgang mit dem Kind für dessen Sprachentwicklung sinnvoll erscheint, haben aktuelle Studien gezeigt, die die Effizienz der an Kin-
336 der gerichteten Sprache (Ammensprache, motherese) hervorheben (vgl. FERNALD 1993, SZAGUN 2008, KÜHNE 2008). Auch hinsichtlich der Beschreibung des Ablaufs des Spracherwerbs lassen sich Parallelen zwischen Konzeptionen des 17. und 18. Jahrhunderts und gegenwärtigen Forschungserkenntnissen herstellen. So nimmt bereits BEATTIE die Existenz einer sensiblen Phase des Spracherwerbs an, da dieser nur in einem sehr jungen Alter mühelos vonstattengehe. Die Existenz einer derartigen kritischen (sensiblen) Phase des Spracherwerbs postuliert auch LENNEBERG (1967). Nach Überschreitung dieser Phase, die mit der frühen Adoleszenz endet, könne die Grammatik einer ersten Sprache nicht mehr erworben werden, da ein Aufbau der zum Sprachverständnis erforderlichen Hirnstrukturen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich sei. Überlegungen zu Einzeletappen der Lautentwicklung des kindlichen Spracherwerbs sind im Untersuchungszeitraum verbreitet. So gehört etwa die Behauptung, dass der kindliche Spracherwerb zunächst mit dem leicht zu bildenden [a]-Laut beginne und dann über Labiallaute fortschreite, zu den geläufigen Annahmen der Sprachreflexion des 17. und 18. Jahrhunderts und findet sich etwa in den Konzeptionen des Spracherwerbs von BUFFON, DE BROSSES oder BEAUZÉE. Die von BUFFON und DE BROSSES vertretene Ansicht, dass aufgrund der leichten artikulatorischen Realisierbarkeit das Kind im Prozess des Spracherwerbs zunächst den Vokal [a] und dann die Labiallaute erlerne, findet sich später in SCHULTZEs Die Sprache des Kindes: eine Anregung zur Erforschung des Gegenstandes (1880) unter der Bezeichnung Gesetz des geringsten Kraftaufwandes wieder. Auch die z. B. von BUFFON und DE BROSSES vertretene Annahme, dass wegen der leichten artikulatorischen Realisierbarkeit des [a]-Vokals und der Labiallaute Wörter wie Papa oder Mama als sprachliche Universalien zu klassifizieren seien, tritt in JAKOBSONs strukturalistischem Ansatz einer Beschreibung phonetischer Universalien der Sprachentwicklung, die dieser in Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze darstellt, in Erscheinung (vgl. JAKOBSON ([1941] 1969).
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Mit ihrem Postulat der Existenz universeller Urwörter in allen Sprachen, die etwa nach dem Modell papa und mama konstruiert werden, beschreiben Autoren wie BUFFON, DE BROSSES oder BEAUZÉE zutreffend lautliche Erscheinungen, die in der gegenwärtigen Theorie der kindlichen Sprachentwicklung der Phase des Plapperns (babbling) zugeordnet werden, welche als universelle Vorstufe des Spracherwerbs noch vor der Zentrierung des Kindes auf das Phoneminventar seiner Muttersprache lokalisierbar ist. Die von BUFFON, DE BROSSES oder BEAUZÉE beschriebenen gemeinsamen Elemente aller Sprachen beziehen sich im Grunde auf das sogenannte repetitive Silbenplappern (reduplicated babbling) vor der Ausbildung des eigentlichen Phoneminventars in der Frühphase des Spracherwerbs. Eine Sensibilisierung für die Phonemstruktur der Muttersprache setzt erst im Alter von ca. 6 Monaten ein (vgl. KLANNDELIUS 2008: 31). Dagegen lässt die Sensibilität gegenüber Lautunterschieden, die in der Muttersprache des Kindes nicht vorkommen und nicht funktional sind, nach. Dass das erste Wort erst ungefähr im Alter von einem Jahr in Erscheinung tritt, bemerkt TETENS, während BUFFON auf die Existenz interindividueller Unterschiede beim Durchlaufen der einzelnen Stadien des Spracherwerbs verweist. Diese Erscheinung wird in der modernen Forschung durch den Kontrast zwischen sogenannten early und late talkers beschrieben (vgl. BUTZKAMM / BUTZKAMM 2004: 91–95, KLANN-DELIUS 2008: 39). Im Unterschied zum Fremdsprachenerwerb, der auf das Muster einer bereits vorhandenen Erstsprache aufbauen kann, sehen Autoren wie CORDEMOY oder D’ALEMBERT im Erstspracherwerb die höchste Geistesleistung des Menschen. D’ALEMBERTs Einschätzung, dass die Entdeckung der Bedeutungshaftigkeit der Wörter (ĺ Bedeutung) die zentrale Erkenntnis des kindlichen Erstspracherwerbs darstellt, wird auch aus heutiger psycholinguistischer Sicht bestätigt (vgl. OKSAAR 1987: 82). Konstitutiv für den Erwerb der Erstsprache ist die Tatsache, dass diese nie im mentalen Vergleich mit einer Fremdsprache erworben wird, während eine Fremdsprache stets im mentalen Vergleich mit einer bereits erworbenen Erstsprache gelernt wird (vgl. HÜLLEN
Spracherwerb / JUNG 1979: 24–25). Während sich beim Mutterspracherwerb zunächst das Bewusstsein für den repräsentativen Charakter der Sprache entwickeln muss, zeigen sich beim Fremdsprachenerwerb andere Schwierigkeiten wie etwa Interferenzen mit der Muttersprache, die DIDEROT beispielsweise hervorhebt. Der Fremdsprachenerwerb blieb im 17. und 18. Jahrhundert oft auf reine Lese- und Übersetzungskompetenz beschränkt bzw. er diente der galanten Konversation bei Hofe und in adeligen Zirkeln. Noch im 19. Jahrhundert stand in Deutschland auch nach der Einführung des öffentlichen Schulwesens der Fremdsprachenunterricht im Zeichen des an den klassischen Sprachen orientierten Modells der Grammatikbeherrschung und des Übersetzens als Methode des Unterrichts (vgl. ROCHE 2008: 13). Erst Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte durch eine europäische Reformbewegung eine Abkehr von dem elitären klassischen Bildungsideal hin zu einer pragmatischen Ausrichtung. Allerdings ergab sich eine praktischer ausgerichtete Neuorientierung des Sprachunterrichts erst in den Vierziger und Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. In dieser Zeit wurde mit der sogenannten audiolingualen Methode ein Verfahren entwickelt, das der Erleichterung des Fremdsprachenerwerbs dienen sollte und in Analogie zum Erstspracherwerb konzipiert wurde. Diese Methode beruhte jedoch auf der irrigen Annahme, dass der kindliche Spracherwerb ausschließlich auf Imitation basiere. Mit der audiolingualen Methode wurde ein Pattern-Drill-Verfahren entwickelt, das im Sinne des Behaviorismus als ein StimulusResponse-Schema aufgebaut war. Die Vertreter kognitivistischer und konstruktivistischer Verfahren postulierten dagegen die Notwendigkeit einer stärkeren Autonomie des Lernenden. In diesem Kontext wurden als Grundlagen des Fremdsprachenerwerbs Informationsverarbeitungsprozesse angenommen, die der Lerner selbst bewusst steuern und auch metakognitiv reflektieren sollte. Die seit den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts etablierte kommunikative Sprachdidaktik orientiert sich nicht mehr an der schriftsprachlichen elitären Standardsprache, die das neuhumanistische Bildungsideal des 19. Jahrhun-
337 derts prägte, sondern zielt dagegen auf eine muttersprachliche Kompetenz in der Alltagskommunikation ab. Der Vergleich von Konzeptionen des Spracherwerbs des 17. und 18. Jahrhunderts mit Ansätzen der gegenwärtigen Spracherwerbsforschung lässt eine Vielzahl von Kontinuitäten erkennen. Bemerkenswert erscheint, dass bereits seit der Antike Grundlagen für eine Diskussion der Relevanz genetischer Prädispositionen einerseits und der Rolle des sprachlichen Inputs und der Umwelt andererseits gelegt wurden. Das in PLATONs Kratylos aufgeworfene Problem der Relation zwischen natürlichen (ĺ Natürlichkeit) und konventionellen Elementen der Sprache (ĺ Konvention, ĺ Arbitrarität) wird im Zuge der Diskussion um den phylogenetischen ĺ Ursprung der Sprache ebenso wie im Zusammenhang von Hypothesen zum kindlichen Spracherwerb aufgegriffen. So betonen etwa im Laufe der Geschichte DESCARTES, PREYER und CHOMSKY die angeborenen Elemente des kindlichen Spracherwerbs unter Privilegierung der kognitiven Funktion der Sprache. Dagegen ließe sich eine Traditionslinie konstruieren, die die empiristisch orientierte Spracherwerbskonzeption eines LOCKE, im 19. Jahrhundert die voluntaristisch orientierte Spracherwerbstheorie von MEUMANN und IDELBERGER und in der Gegenwart die interaktionistische Konzeption eines TOMASELLO miteinander vereint. Diese Autoren betonen die Rolle des sprachlichen Inputs und des sozialen Umfelds für den kindlichen Spracherwerb, der vor allem im Hinblick auf seine kommunikativ-pragmatische Funktion gewürdigt wird. Konzeptionen des Spracherwerbs sind im Verlaufe der Geschichte immer wieder im Kontext anthropologischer Grundfragen nach dem Wesen des Menschen, nach dem Zusammenhang von Sprache und Denken und dem Verhältnis zwischen Mensch und Gesellschaft behandelt worden. Das Konzept des ‘Spracherwerbs’ hat sich dabei bis in unsere Gegenwart als wesentlich für die Auseinandersetzung mit anthropologischen und epistemologischen Grundproblemen erwiesen.
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Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)
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Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) I. Unter ‘defizitärem Spracherwerb’ ist ein
Spracherwerb unter einschränkenden und erschwerenden Bedingungen zu verstehen, die im Fehlen eines für die Sprache relevanten Sinns, in reduziertem sprachlichen Input sowie in beschränktem kommunikativen Anreiz bestehen und zu einer geminderten Sprachbeherrschung führen. Eine besondere Schwierigkeit für die Behandlung des Begriffs ‘defizitärer Spracherwerb’ ergibt sich aus der Tatsache, dass das Phänomen als solches zwar in einer Vielzahl von Texten des 17. und 18. Jahrhunderts beschrieben wird, allerdings ohne dass der Begriff selbst sich in der damals geläufigen Bezeichnungspraxis identifizieren ließe. Ein charakteristischer, gängiger Bezeichnungsgebrauch findet sich erst auf der nachfolgenden von uns gewählten Gliederungsebene, die den Begriff des ‘defizitären Spracherwerbs’ in verschiedene Ausprägungsformen (sozial / physisch / kulturell) differenziert, die auch in dem zu untersuchenden Zeitraum zur Verwendung charakteristischer Bezeichnungen geführt haben. Diese Differenzierung in drei verschiedene Ausprägungsformen beruht auf der Tatsache, dass zwischen den Repräsentanten dieser drei Formen gemeinsame Merkmale hinsichtlich des defizitären Spracherwerbs bestehen, die eine Rubrizierung unter dem Begriff ‘defizitärer Spracherwerb’ gerechtfertigt erscheinen lassen. Typisch für die Betrachtung des Konzepts ‘defizitärer Spracherwerb’ im 17. und 18. Jahrhundert ist eine exemplarische, narrative Herangehensweise, die anhand von Fallbeispielen depravierter Individuen oder anhand der Reiseliteratur von Missionaren und Seefahrern über exotische Völker verschiedene Ausprägungen defizitären Spracherwerbs untersucht. Der von uns retrospektiv geschaffene Begriff des ‘defizitären Spracherwerbs’ versucht, die zahlreichen Äußerungen in Texten des 17. und 18. Jahrhunderts über Individuen, die aus verschiedenen Gründen Sprache nur unvollständig erlernen konnten, zu bündeln und in unterschiedliche Kategorien einzuordnen. Dabei wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in den jeweils relevanten Texten unterschiedliche Gründe und Umstän-
de als ausschlaggebend für den rudimentären Spracherwerb gesehen und unterschiedliche Gruppen von Depravierten herangezogen wurden. Aus diesem Grunde wurde zwischen sozial defizitärem Spracherwerb, physisch defizitärem Spracherwerb und kulturell defizitärem Spracherwerb unterschieden. ‘Sozial defizitärer Spracherwerb’ liegt im Falle ausgesetzter Kinder vor, die, einzig in der Gesellschaft von Tieren aufgewachsen, später in die menschliche Gesellschaft reintegriert wurden und spezifische Probleme bei der Aneignung von Lautsprache erkennen ließen. Die Literatur über solche Fälle ist insbesondere im 18. Jahrhundert sehr umfangreich und behandelt Kinder, die in den verschiedensten Teilen Europas gefunden wurden. Diese Repräsentanten sozial defizitären Spracherwerbs werden bezeichnet als lat. homo ferus, homo selvaticus; dt. wilde Kinder, Waldmensch, Waldmenschen; engl. feral children, savages; frz. l’homme sauvage, une fille sauvage, enfants sauvages; ital. bambini silvestri, bambini selvatici. Der Begriff des homo ferus geht auf LINNÉ zurück, der in der 10. Auflage seines Systema naturae (1758) den ‘wilden Menschen’ als eine Variante des homo sapiens anführt und ihn auf derselben Ebene seiner systematischen Klassifizierung wie den homo americanus oder den homo europaeus situiert. Die Bezeichnungen homo selvaticus, Waldmensch, enfants sauvages, savages oder bambini selvatici unterstreichen die enge Verwandtschaft zwischen ‘wilden Kindern’ und exotischen Völkern, die gleichermaßen als wild lebende, unzivilisierte und rückständige Wesen beschrieben werden. Der ‘kulturell defizitäre Spracherwerb’ exotischer Völker, der einen beliebten Gegenstand der Sprachreflexion des 17. und 18. Jahrhunderts darstellt, wird mit dem Fehlen kultureller Errungenschaften und der vorgeblichen Primitivität dieser Gruppe begründet. Ausgehend von einer eurozentristischen Perspektive, die die fremden Kulturen “wilder” Völker als retrograd charakterisiert, erachten zahlreiche Autoren Völker wie etwa die Hottentotten als Inkarnation kultureller und sprachlicher Zurückgebliebenheit. Die Bezugnahme auf exotische Völker erfolgt durch folgende
344 Bezeichnungen: lat. homines silvestres, gentes silvestres; dt. wilde Völker, wilde Völcker, Barbaren, Wilde, Jagdnationen; engl. savages, savage nations, barbarous nations, barbarians; frz. les sauvages, les peuples sauvages, les barbares; ital. le nazioni selvatiche. Die Bezeichnungen zur Charakterisierung exotischer Völker lassen die Nähe zu den ‘wilden Kindern’ erkennen, denen gleichfalls gravierende kulturelle, kognitive und sprachliche Defizite zugeschrieben werden. Die Terminologie der Beschreibung von ‘wilden Kindern’ und exotischen Völkern lässt insgesamt gewisse Unschärfen erkennen, die von der Schwierigkeit einer genauen Abgrenzung zwischen Natur und Kultur, Natur und Zivilisation bzw. zwischen Menschenhaftigkeit und Animalität zeugen. Einen Beleg dieser Tatsache stellt die Kategorie des homo sylvestris dar. In der Tat wird diese Bezeichnung sowohl zur Klassifizierung von Waldmenschen bzw. ‘wilden Kindern’ als auch von Angehörigen exotischer Völker verwendet. Darüber hinaus wird der Ausdruck homo sylvestris aber von TYSON in seinem 1699 publizierten Werk Orang-outang, sive Homo Sylvestris synonym zu Orang-Utan verwendet, so dass eine exakte terminologische Abgrenzung zwischen dem Waldmenschen, dem Angehörigen eines exotischen Volkes und dem Affen nicht gegeben ist. Das Anliegen TYSONs bestand darin, anhand streng empirisch durchgeführter anatomischer Sektionen das Mittelgeschöpf zwischen Mensch und Tier zu bestimmen, um die Kette der Lebewesen (the great chain of being) in ihrer Vollständigkeit darstellen zu können. Seine anatomischen Sektionen nahm er allerdings an dem Kadaver eines Schimpansen vor, den er mit dem Orang-Utan verwechselte (vgl. BITTERLI 2004: 336; TINLAND 1968: 104– 105). Daher bezieht sich TYSONs Bezeichnung homo sylvestris eigentlich auf den Schimpansen und nicht auf den Orang-Utan. Im Schimpansen glaubte er wegen der Analogien des Körperbaus das gesuchte Mittelgeschöpf zwischen dem Menschen und der Tierwelt gefunden zu haben. Da TYSON die Idee einer Kontinuität der Arten vertritt, besteht er auf den menschlichen Charakterzügen von Affen. Allerdings kann TYSON keineswegs als Verfechter eines evolutionisti-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken schen Denkens avant la lettre gesehen werden, da er die Schöpfung durchaus noch als ein statisches Gebilde begreift, in dem es keine fließenden Übergänge zwischen den Stufen der natürlichen Erscheinungswelt gibt (vgl. BITTERLI 2004: 337; TINLAND 1968: 106). Die Bezeichnung sowohl des Orang-Utans als auch der exotischen Völker und ‘wilden Kinder’ als homines sylvestres dokumentiert jedoch das Zerfließen der verschiedenen Kategorien von als defizitär wahrgenommenen Arten und Individuen, die durch das Band des Rohen, Natürlichen, Wilden und Unzivilisierten geeint werden. Die genannten Kategorien werden oftmals als Repräsentanten einer Zwischenwelt aufgefasst, die weder eindeutig als menschlich noch als tierisch definiert werden kann. Auch der von LINNÉ im Systema naturae beschriebene homo monstrosus gehört zur Kategorie dieser Zwischenwesen. Wahrscheinlich handelte es sich bei Angehörigen dieser Spezies um Kannibalen, die Wildkatzenfelle trugen, was den Eindruck entstehen ließ, sie hätten einen Schwanz (vgl. TINLAND 1968: 91). Eine dritte Gruppe sprachlich defizitärer Individuen, die teilweise auch im argumentativen Zusammenhang von Überlegungen zum Sprachursprung (ĺ Ursprung) gemeinsam mit exotischen Völkern und ‘wilden Kindern’ in Erscheinung tritt, sind die Taubstummen. In der Terminologie des 17. und 18. Jahrhunderts wurden sie als Taubstumme bezeichnet, während sich im gegenwärtigen Sprachgebrauch der Ausdruck Gehörlose durchgesetzt hat. Während im Falle ausgesetzter Kinder die soziale Deprivation für den defizitären Spracherwerb verantwortlich ist, liegt ‘physisch defizitärer Spracherwerb’ im Falle der Gehörlosen vor. Die Taubstummen sind ein bedeutendes Thema der Sprachdiskussion des 17. und 18. Jahrhunderts, was sich auch anhand der Vielzahl der Werke zur Gehörlosenpädagogik, die in dieser Epoche entstanden, nachweisen lässt. Das Thema des physisch defizitären Spracherwerbs findet sich in den verschiedenen Werken, die den Gehörlosen gewidmet sind, unter folgenden Bezeichnungen wieder: lat. surdi et muti, muti; dt. Taubstumme, Stumme; engl. the deaf, the deaf and dumb, deaf per-
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) sons; frz. les sourds, les sourds-muets; ital. i sordo-muti, i muti; span. los sordomudos, los mudos. Da Stummheit als Resultat von Taubheit identifiziert wurde (vgl. HOLDER, AMMAN, LA METTRIE), wurden Taubstumme teilweise lediglich als Stumme, muti oder mudos bezeichnet. Wie stark die Vorstellungen eines defizitären Spracherwerbs und kognitiver Rückständigkeit mit der Gruppe der Taubstummen assoziiert wurden, dokumentiert die englische Bezeichnung the deaf and dumb, da das Adjektiv dumb sowohl die Bedeutung ‘stumm’ als auch den Bedeutungsinhalt ‘dumm’ repräsentiert. Den drei Gruppen der Taubstummen, ‘wilden Kindern’ und exotischen Völker wurden neben sprachlichen Defiziten auch kognitive Einschränkungen zugeordnet, die sie als tierhaft und schwachsinnig erscheinen ließen. Sprachliche und kognitive Beeinträchtigungen wurden in engem Zusammenhang gesehen, so dass alle drei Gruppen aus unterschiedlichen Beweggründen als hypothetische Modelle der Sprachgenese (ĺ Ursprung) angesehen und zugleich als aufschlussreiche Beispiele für die Interpretation des Verhältnisses zwischen Sprache und Denken herangezogen wurden.
II. (SANCTIUS [1587] 1986: 148b): Vide El-
lipsim. Idem Valla: magna auctoritate est vir, vel magnae auctoritatis; & subdit: caeterum in eadem oratione non est utendum genitivo & ablativo, nisi velimus illud Plinianum sequi: Choromandarum gentem Silvestrem sine voce, stridoribus horrendis, hirtis corporibus, oculis glaucis, dentibus caninis. (COMENIUS [1648] 1978: 38): Deniqve res ipsa loqvitur, naturâ surdos fieri mutos. Id autem unde, nisi qvia dum auditu nullos articulatos sonos, nullásqve sonorum significationes, percipiunt, natura nullos suggerit. (HOLDER [1669] 1967: 15): But the chief design here intended by this accompt of the Natural Alphabet, is, to prepare a more easie and expedite way to instruct such as are Deaf and Dumb, and Dumb onely by consequence of their want of Hearing, (by shewing them the proper figures of the motions of the Organs, whereby Letters are framed) to be able to pronounce all Letters, and Syllables, and Words, and in a good measure to discern
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them by the Eye, when pronounced by another. (TULPIUS 1672: III, LVI, 270): Satyrus Indicus. Quamvis extra forum medicum, attexam tamen huic telæ, Satyrum Indicum; nostrâ memoriâ, ex Angolâ delatum: & Frederico Henrico, Arausionensium Principi, dono datum. Erat autem hic Satyrus quadrupes: sed ab humanâ specie, quam præ se fert, vocatur Indis orang-outang: sive homo sylvestris, uti Africanis quoias morrou. Exprimens longitudine puerum trimum; ut crassitie sexennem. Corpore erat nec obeso, nec gracili, sed quadrato: habilissimo tamen, ac pernicissimo. […] Facies mentiebatur hominem: sed nares simæ, & aduncæ, rugosam, & edentulam anum. (TULPIUS 1672: IV, X, 296–298): Juvenis balans. PRO ut variant multijugæ, ac dissonæ diversorum animalium voces, pro eo etiam discrepant instrumenta formandis singulorum vocibus destinata. […] uti homo animal perfectissimum, articulatam vocem […]. Quo absolutissimo instrumento solus instructus homo, satagit interdum voce suâ imitari, vel exprimere quorumcunque animalium sonos, idque successu tam felici; ut discrimen non animadvertat, nisi acutissimus auditus. cui tamen facilè imposuisset, non fictus, sed genuinus ille balatus, quem juxta mecum audiêre quàm plurimi editum, à Juvene Hiberno, inter oves ab ineunte aetate, enutrito, quem propterea hîc operæ fuerit, suis coloribus depingere. Allatus Amstelredamum, omniumque oculis expositus fuit Adolescens sedecim annorum, qui in Hiberniâ, à parentibus fortè devius, inter oves sylvestres, ab incunabulis altus, induerat quasi naturam ovillam. corpore pernici, perpete pede, vultu truci, carne durâ, cute exustâ, artubus strictis, fronte ut obtusâ, ac depressâ, sic occipitio convexo, ac tuberoso, rudis, temerarius, imperterritus, & exors omnis humanitatis. caetera sanus, & optimè valens. destitutus voce humanâ, balabat instar ovis, & aversatus cibum, potumque nobis usitarum, manducabat solùm gramen, ac fœnum, & quidem eo delectu, quo curiosissimæ oves. […]
346 Vixerat autem in montibus asperis, ac locis feris, ipsus non minùs ferox, ac indomitus, delectatus speluncis, aviis, ac inaccessis salebris. […] Præ se ferens, magis feræ, quàm hominis speciem. quod sylvestre ingenium, etiamnum coërcitus, atque inter homines degens non nisi invitus, ac longo pòst tempore exuit. Guttur erat ipsi amplum, ac latum, lingua palato quasi adnexa. præcordia, ob pronum incessum sursum retracta. […] potissimùm circa interiora gutturis penetralia, ad exprimendum balatum, ovibus naturâ, ipsi verò solâ consuetudine familiarem. (LAMY [1675] 1688: 18): Cela se voit dans le langage des Barbares qui vivent comme des bêtes, & qui ne pensent qu’à boire & à manger; ils n’ont presque point de termes que pour marquer ces actions. (LAMY [1675/1701] 1998: 244–245): La quatrième édition de cet ouvrage était commencée lorsque j’ai vu une excellente dissertation d’un médecin suisse qui réside en Hollande, et se nomme Amman. Il assure qu’il a appris à plusieurs personnes sourdes et muettes à parler, à lire et à écrire. Il explique sa méthode, qui consiste en deux choses, dont la première est d’observer avec les yeux les différents mouvements des organes de la prononciation. Il décrit les dispositions particulières à chaque lettre, et comment il les fait remarquer et distinguer à ceux qu’il instruit. Pour cela il les oblige, en se regardant dans un miroir, de s’habituer à faire les mêmes mouvements qu’ils lui voient faire. L’autre partie de sa méthode, c’est de donner lui-même au gosier de son disciple la disposition qu’il doit avoir pour certaines lettres, comme peut faire un maître à écrire qui prend la main de son disciple et la conduit, ou comme un maître à danser qui tourne les pieds de son écolier et lui fait faire les pas qu’il veut qu’il fasse. Cet admirable maître des muets, quand il leur donne ses premières lettres, forme avec ses mains dans leurs organes la disposition qui est nécessaire pour prononcer chaque lettre. Il presse leurs lèvres l’une contre l’autre, et il les sépare; il leur fait étendre la langue, ou la relier, l’enfler, selon que cela est nécessaire. Dans les lettres à la prononciation desquelles le nez contribue, il leur presse cette partie de la manière qu’il convient. Sans doute qu’il
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken faut pour cela beaucoup d’adresse et d’exercice. Car si nous avons tant de peine à prononcer des lettres d’une langue étrangère quand on n’y est point habitué dès sa naissance, il y a bien plus de difficulté à faire prendre la coutume à ceux qui n’ont point d’ouïe, de prononcer des lettres qu’ils n’ont jamais entendues. (AMMAN [1692a] 1700: 9): Nihil enim à nobis emanat, quod vividiorem vitae characterem gerat quam vox nostra, nec praeter veritatem dixerim in voce habitare spiritum vitae, per eam radios suos ejaculantis; est enim vox prolis cordis nostri, affectuum & concupiscentiae sedis. […] Vox est viva emanatio à spiritu illo, quem Deus homini, cum crearet eum in animam viventem, in nares sufflavit. (AMMAN [1692a] 1700: 9): Non est mirum itaque, si homines Voce & Loquela mentem suam aperire adeo gestiant, ii etiam qui ejus imaginem auribus nunquam perceperunt, quales sunt SURDI NATI, rident enim, exclamant, egregie vociferantur, flent, suspirant, gemunt, animique praecipuos motus VOCE, attendenti diversa, exprimunt, imo vix gestibus quid significant, quin inscii VOCEM aliquam admisceant. (BOUGEANT 1739: 110): Les Oiseaux chantent, dit-on, c’est une erreur. Les Oiseaux parlent & ne chantent point. Ce que nous prenons pour un chant n’est que leur langage naturel. La Pie, le Geai, le Corbeau, la Choüette, le Canard chantent-ils? Ce qui nous fait croire qu’ils chantent, ce sont les accens de leur voix. C’est ainsi que les Hottantots dans l’Afrique semblent glousser comme le Cocq d’Inde, quoique ce soit l’accent naturel de leur langue, & qu’il y a des peuples qui nous paroissent chanter en parlant. Les Oiseaux chantent si l’on veut dans le même sens; mais ils ne chantent point pour chanter, comme nous nous imaginons. S’ils chantent, ce n’est que pour parler. (LA CONDAMINE [1745] 1778: 52–53): Toutes les langues de l’Amérique Méridionale dont j’ai eu quelque notion, sont fort pauvres; plusieurs sont énergiques & susceptibles d’élégance, & singuliérement l’ancienne langue du Pérou; mais toutes manquent de termes pour exprimer les idées abstraites & universelles; preuve évidente du peu de progrès qu’ont fait les esprits de ces
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) peuples. Temps, durée, espace, être, substance, matiere, corps; tous ces mots & beaucoup d’autres n’ont point d’équivalent dans leurs langues: non-seulement les noms des êtres métaphysiques, mais ceux des êtres moraux, ne peuvent se rendre chez eux qu’imparfaitement & par de longues périphrases. Il n’y a pas de mot propre qui réponde exactement à ceux de vertu, justice, liberté, reconnoissance, ingratitude; tout cela paroît fort difficile à concilier avec ce que Garcilasso rapporte de la police, de l’industrie, des arts, du gouvernement & du génie des anciens Péruviens. Si l’amour de la patrie ne lui a pas fait illusion, il faut convenir que ces peuples ont bien dégénéré de leurs ancêtres. Quant aux autres nations de l’Amérique Australe, on ignore qu’elles soient jamais sorties de la barbarie. (LA CONDAMINE [1745] 1778: 64–65): Le même jour, nous arrêtâmes d’assez bonne heure & du même côté à une nouvelle mission de Sauvages appellés Yameos, récemment tirés des bois. Leur langage est d’une difficulté inexprimable, & leur maniere de prononcer est encore plus extraordinaire que leur langue. Ils parlent en retirant leur respiration, & ne font sonner presque aucune voyelle. Ils ont des mots que nous ne pourrions écrire, même imparfaitement, sans employer moins de neuf ou dix syllabes; & ces mots prononcés par eux, semblent n’en avoir que trois ou quatre. Poettarrarorincouroac signifie en leur langue le nombre trois: heureusement pour ceux qui ont à faire à eux, leur arithmétique ne va pas plus loin. Quelque peu croyable que cela paroisse, ce n’est pas la seule nation Indienne qui soit dans ce cas. La langue Brasilienne, parlée par des peuples moins grossiers, est dans la même disette; & passé le nombre trois, ils sont obligés, pour compter, d’emprunter le secours de la langue Portugaise. (CONDILLAC [1746] 1947: I, IV, II, 46b–47a): §. 23. Je n’avance pas de simples conjectures. Dans les forêts qui confinent la Lithuanie et la Russie, on prit, en 1694, un jeune homme d’environ dix ans, qui vivoit parmi les ours. Il ne donnoit aucune marque de raison, marchoit sur ses pieds et sur ses mains, n’avoit aucun langage, formoit des sons qui ne ressembloient en rien à ceux d’un homme. Il fut
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long-temps avant de pouvoir proférer quelques paroles, encore le fit-il d’une manière bien barbare. Aussi-tôt qu’il put parler, on l’interrogea sur son premier état; mais il ne s’en souvint non plus que nous nous souvenons de ce qui nous est arrivé au berceau. (CONDILLAC [1746] 1947: II, I, I, 60a): Mais je suppose que, quelque temps après le déluge, deux enfans, de l’un et de l’autre sexe, aient été égarés dans des déserts, avant qu’ils connussent l’usage d’aucun signe. (LA METTRIE [1748/1751] 1987: I, 76–77): […] mais le Singe voit & entend; il comprend ce qu’il entend & ce qu’il voit: il conçoit si parfaitement les Signes qu’on lui fait, qu’à tout autre jeu, ou tout autre exercice, je ne doute point qu’il ne l’emportât sur les disciples d’Amman. Pourquoi donc l’éducation des Singes seroit-elle impossible? Pourquoi ne pourroit-il enfin, à force de soins, imiter, à l’exemple des sourds, les mouvemens nécessaires pour prononcer? Je n’ose décider si les organes de la parole du singe ne peuvent, quoiqu’on fasse, rien articuler; mais cette impossibilité absolüe me surprendroit, à cause de la grande Analogie du Singe & de l’Homme, & qu’il n’est point d’Animal connu jusqu’à présent, dont le dedans & le dehors lui ressemblent d’une manière si frappante. (LA METTRIE [1748/1751] 1987: I, 87): La Nature nous avoit donc faits pour être au dessous des Animaux, ou du moins pour faire par là même mieux éclater les prodiges de l’Education, qui seule nous tire du niveau et nous élève enfin au-dessus d’eux. Mais accordera-t-on la même distinction aux Sourds, aux Aveugles nés, aux Imbéciles, aux Fous, aux Hommes Sauvages, ou qui ont été élevés dans les Bois avec les Bêtes; à ceux dont l’affection hypocondriaque a perdu l’imagination, enfin à toutes ces Bêtes à figure humaine, qui ne montrent que l’instinct le plus grossier? Non, tous ces Hommes de corps, et non d’esprit, ne méritent pas une classe particulière. (BUFFON [1749] 2007–: III, 433–434): Au nord de Manille on trouve l’isle Formose qui n’est pas éloignée de la côte de la province de Fokien à la Chine; ces insulaires ne ressemblent cependant pas aux Chinois. […] ces peuples sont fort fainéans, leurs armes sont le javelot & l’arc dont ils tirent très-bien,
348 ils sont aussi excellens nageurs […]. C’est dans cette isle où Struys dit avoir vû de ses propres yeux un homme qui avoit une queue longue de plus d’un pied, toute couverte d’un poil roux, & fort semblable à celle d’un bœuf; cet homme à queue assuroit que ce défaut, si c’en étoit un, venoit du climat, & que tous ceux de la partie méridionale de cette isle avoient des queues comme lui. (BUFFON [1749] 2007–: III, 513): Ils [les voyageurs Hollandois; C. N.] disent dans un autre endroit que les Hottentots sont de la couleur des Mulâtres, qu’ils ont le visage difforme, qu’ils sont d’une taille médiocre, maigres & forts légers à la course; que leur langage est étrange, & qu’ils gloussent comme des coqs d’inde. (BUFFON [1749] 2007–: III, 533): Autant il est donc inutile de se trop étendre sur les coûtumes & les mœurs de ces prétendues nations [sauvages; C. N.], autant il seroit peut-être nécessaire d’examiner la nature de l’individu; l’homme sauvage est en effet de tous les animaux le plus singulier, le moins connu, & le plus difficile à décrire […]. Un sauvage absolument sauvage, tel que l’enfant élevé avec les ours, dont parle Conor, le jeune homme trouvé dans les forêts d’Hanower, ou la petite fille trouvée dans les bois en France, seroient un spectacle curieux pour un philosophe, il pourroit en observant son sauvage, évaluer au juste la force des appétits de la Nature, il y verroit l’ame à découvert, il en distingueroit tous les mouvemens naturels, & peut-être y reconnoîtroit-il plus de douceur, de tranquillité & de calme que dans la sienne, peut-être verroit-il clairement que la vertu appartient à l’homme sauvage plus qu’à l’homme civilisé, & que le vice n’a pris naissance que dans la societé. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 524): Mais il n’est peut-être pas nécessaire de remonter à la naissance du monde et à l’origine du langage, pour expliquer comment les inversions se sont introduites et conservées dans les langues. Il suffirait, je crois, de se transporter en idée chez un peuple étranger dont on ignorerait la langue; ou, ce qui revient presque au même, on pourrait employer un homme qui, s’interdisant l’usage des sons articulés, tâcherait de s’exprimer par gestes.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Cet homme, n’ayant aucune difficulté sur les questions qu’on lui proposerait, n’en serait que plus propre aux expériences; et l’on n’en inférerait que plus sûrement de la succession de ses gestes, quel est l’ordre d’idées qui aurait paru le meilleur aux premiers hommes pour se communiquer leurs pensées par gestes, et quel est celui dans lequel ils auraient pu inventer les signes oratoires. Au reste, j’observerais de donner à mon muet de convention tout le temps de composer sa réponse […]. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 526): La langue des gestes n’est déjà pas trop claire, sans augmenter encore son laconisme par l’usage de cette figure. On conçoit aux efforts que font les sourds et muets de naissance pour se rendre intelligibles, qu’ils expriment tout ce qu’ils peuvent exprimer. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 527): Il vous paraîtra singulier, sans doute, qu’on vous renvoie à celui que la nature a privé de la faculté d’entendre et de parler, pour en obtenir les véritables notions de la formation du langage. Mais considérez, je vous prie, que l’ignorance est moins éloignée de la vérité que le préjugé; et qu’un sourd et muet de naissance est sans préjugé sur la manière de communiquer la pensée; que les inversions n’ont point passé d’une autre langue dans la sienne; que s’il en emploie, c’est la nature seule qui les lui suggère; et qu’il est une image très approchée de ces hommes fictifs qui, n’ayant aucun signe d’institution, peu de perceptions, presque point de mémoire, pourraient passer aisément pour des animaux à deux pieds ou à quatre. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 565): L’idée du muet de convention, ou celle d’ôter la parole à un homme, pour s’éclairer sur la formation du langage; cette idée, dis-je, un peu généralisée, m’a conduit à considérer l’homme distribué en autant d’êtres distincts et séparés qu’il a de sens; et j’ai conçu que, si pour bien juger de l’intonation d’un acteur, il fallait l’écouter sans le voir, il était naturel de le regarder sans l’entendre, pour bien juger de son geste. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 566): L’ordre qui doit régner entre
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) les gestes d’un sourd et muet de naissance, dont la conversation familière m’a paru préférable aux expériences sur un muet de convention; et la difficulté qu’on a de transmettre certaines idées à ce sourd et muet m’ont fait distinguer, entre les signes oratoires, les premiers et les derniers institués. (LA METTRIE [1751] 1987: I, XV, 229): Histoire IV. ou Méthode d’Amman pour apprendre aux sourds à parler. Voici la Méthode selon laquelle Amman apprend à parler en peu de tems aux sourds et muets de naissance. 1. Le disciple touche le gosier du maître qui parle, pour acquerir par le tact l’idée, ou la perception du tremblement des organes de la parole. 2. Il examine lui-même de la même manière son propre gosier, et tâche d’imiter les mêmes mouvemens que le toucher lui a déjà fait appercevoir. 3. Ses yeux lui servent d’oreilles, (selon l’idée d’Amman,) c’est-à-dire, il regarde attentivement les divers mouvemens de la langue, de la machoire, et des levres, lorsque le maître prononce une lettre. 4. Il fait les mêmes mouvemens devant un miroir, et les répete jusqu’à une parfaite exécution. 5. Le maître serre doucement les narines de son écolier, pour l’accoutumer à ne faire passer l’air que par la bouche. 6. Il écrit la lettre qu’il fait prononcer, pour qu’on l’étudie, et qu’on la prononce sans cesse en particulier. Les sourds ne parlent pas, comme on le croit, dès qu’ils entendent; autrement nous parlerions tous facilement une langue étrangere, qui ne s’apprend que par l’habitude des organes à la prononcer: ils ont cependant plus de facilité à parler; c’est pourquoi l’ouïe qu’Amman donne aux sourds, est le grand mistere & la baze de son art. (LA METTRIE [1751] 1987: I, XV, 236–237): Histoire V. D’un Enfant trouvé parmi des Ours Un jeune enfant, âgé de dix ans, fut trouvé l’an 1694 parmi un troupeau d’Ours, dans les forêts qui sont aux confins de la Lithuanie et de la Russie. Il étoit horrible à voir; il n’avoit ni l’usage de la raison, ni celui de la parole: sa voix et lui-même n’avoient rien d’humain, si ce n’est la figure extérieure du corps. Il marchoit sur les mains et sur les pieds, comme les quadrupèdes: séparé des Ours, il sem-
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bloit les regretter […] il s’apprivoisa enfin après un long espace de tems, et commença à proferer quelques mots d’une voix rauque, et telle que je l’ai dépeinte. Lorsqu’on l’interrogeoit sur son état sauvage, sur le tems que cet Etat avoit duré, il n’en avoit pas plus de mémoire, que nous n’en avons de ce qui s’est passé, pendant que nous étions au berceau. […] J’ai dit que ce pauvre enfant dont parle Conor, ne jouïssoit d’aucunes lumières de la raison; la preuve en est qu’il ignoroit la misère de son état; et qu’au lieu de chercher le commerce des hommes, il les fuyoit, et ne désiroit que de retourner avec ses Ours. Ainsi, comme le remarque judicieusement notre Historien, cet enfant vivoit machinalement, et ne pensoit pas plus qu’une bête, qu’un enfant nouveau né, qu’un homme qui dort, qui est en léthargie, ou en apoplexie. (LA METTRIE [1751] 1987: I, XV, 240): On parloit beaucoup à Paris, quand j’y publiai la première édition de cet ouvrage, d’une fille sauvage qui avoit mangé sa sœur, et qui étoit alors au Couvent à Châlons en Champagne. (LA CONDAMINE 1755: 3–4): AU mois de Septembre 1731, une fille de neuf ou dix ans pressée par la soif, entra sur la brune dans le Village de Songi, situé à quatre ou cinq lieues de Châlons en Champagne, du côté du midi. Elle avoit les pieds nus, le corps couvert de haillons & de peaux, les cheveux sous une calotte de calebasse, le visage & les mains noirs comme une Négresse. Elle étoit armée d’un bâton court & gros par le bout en forme de massue. Les premiers qui l’apperçurent s’enfuirent en criant, voilà le Diable; en effet, son ajustement & sa couleur pouvoient bien donner cette idée à des Païsans. Ce fut à qui fermeroit le plus vîte sa porte & ses fenêtres. Mais quelqu’un croyant apparemment que le Diable avoit peur des chiens, lâcha sur elle un dogue armé d’un collier à pointes de fer. (LA CONDAMINE 1755: 10–11): […] même plusieurs années depuis sa prise, elle [la fille sauvage de Songi; C. N.] attrapoit encore le gibier à la course, & qu’on en avoit fait voir la preuve à la Reine de Pologne, mere de la Reine; probablement en 1737, lorsqu’elle alla prendre possession du Duché de Lorraine. Cette Princesse passant à Châlons, on lui parla de la jeune Sauvage qui étoit alors dans la
350 Communauté qu’on appelle des Régentes, & on la lui amena: elle étoit aprivoisée depuis quelques années; mais son humeur, ses manières, & même sa voix & sa parole, ne paroissoient être, à ce qu’elle assure, que d’une petite fille de quatre à cinq ans. Le son de sa voix étoit aigu & perçant quoique petit, ses paroles brèves & embarrassées, telles que d’un enfant qui ne sçait pas encore les termes pour exprimer ce qu’il veut dire: enfin ses gestes & façons d’agir familières & enfantines, montroient qu’elle ne distinguoit encore que ceux qui lui faisoient le plus de caresses. (ROUSSEAU 1755: 130–132, Discours, Notes, pag. 7, [Fußnote 3]): Les changemens qu’un long usage de marcher sur deux pieds a pu produire dans la conformation de l’homme, les rapports qu’on observe encore entre ses bras & les jambes antérieures des Quadrupédes, & l’induction tirée de leur manière de marcher, ont pu faire naître des doutes sur celle qui devoit nous être la plus naturelle. Tous les enfans commencent par marcher à quatre pieds, & ont besoin de notre exemple & de nos leçons pour apprendre à se tenir debout. Il y a même des nations sauvages, telles que les Hottentots qui, négligeant beaucoup les enfans, les laissent marcher sur les mains si long-tems qu’ils ont ensuite bien de la peine à les redresser: autant en font les enfans des Caraïbes des Antilles. Il y a divers exemples d’hommes quadrupédes, & je pourrois entre autres citer celui de cet enfant qui fut trouvé en 1344, auprès de Hesse où il avoit été nourri par des loups, & qui disoit depuis à la Cour du Prince Henri, que s’il n’eût tenu qu’à lui, il eût mieux aimé retourner avec eux que de vivre parmi les hommes. Il avoit tellement pris l’habitude de marcher comme ces animaux, qu’il fallut lui attacher des pièces de bois qui le forçoient à se tenir debout & en équilibre sur ses deux pieds. Il en étoit de même de l’enfant qu’on trouva en 1694, dans les forêts de Lithuanie & qui vivoit parmi les ours. Il ne donnoit, dit Mr. de Condillac, aucune marque de raison, marchoit sur ses pieds & sur ses mains, n’avoit aucun langage & formoit des sons qui ne ressembloient en rien à ceux d’un homme. Le petit sauvage d’Hanovre qu’on mena il y a plusieurs années à la Cour d’Angleterre, avoit toutes les peines du monde à s’assujettir à marcher sur deux
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken pieds, & l’on trouva en 1719 deux autres sauvages dans les Pyrenées, qui couroient par les montagnes à la manière des quadrupédes. (MICHAELIS 1760: 34–35): Einige Americanische Völcker können über zwantzig nicht zählen: was darüber gehet, vergleichen sie den Haaren ihres Haupts. Ein recht bequemer Ausdruck, die unordentliche Menge zu bezeichnen, an deren Bestimmung man verzweifelt. Sie müssen statt der größern Zahlen blos etwas großes dencken, ohne zu wissen wie groß es ist. Was vor Mühe muß es kosten, aus einem solchen Holtz einen Mathematicum zu bilden? und wie weit von der Mathesi unserer Bauren muß dort ein jeder zurück bleiben, der keinen göttlichen Geist, oder keinen fremden Unterricht hat? Dis kann nicht ohne weitern Einfluß bleiben: überall fehlen wir, wenn wir nicht rechnen können. Was ihnen zwantzig sind, das ist uns tausend, und wir haben noch den Vortheil, daß die Multiplication dieser Zahl in unserer Sprache nicht ungewöhnlich ist: wir sagen, tausendmahltausend, ja wir zählen tausendmahltausende: Sie hingegen machen nicht zwantzigmahlzwantzig, sondern lassen die Haare ihres Hauptes gleich die Stelle vertreten. (MICHAELIS 1762: 45): Il y a bien des diférences qui échapent aux sourds: ils rémarqueront beaucoup moins celles des arbres & des plantes, qui ont quelque ressemblance, que celui, qui a une connoissance suffisante de la langue. (LINNÉ 1766: 28): MAMMALIA. PRIMATES. Homo. I. PRIMATES. […] I. HOMO. Nosce te ipsum. Sapiens. H[omo] diurnus; varians cultura, loco. Ferus. Tetrapus, mutus, hirsutus. Juvenis Ursinus lithuanus. 1661. Juvenis Lupinus hessensis. 1544. Juvenis Ovinus hibernius. Tulp. Obs. IV: 9. Juvenis Bovinus bambergensis. Camerar. Juvenis Hannoveranus. 1724. Pueri 2 Pyrenaici. 1719. Puella Transisalana. 1717. Puella Campanica. 1731. Johannes Leodicensis. Boerhaav. ([MAYET 1771] I-M-664: 7–8, [Fußnote c]): On nous assure aussi que les Ephroïtes ne pouvoient prononcer l’S. ni les Arabes le P.:
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) que les Hurons ne peuvent articuler les lettres labiales; que les sons, que forment les Samoyèdes, ressemblent au caquet des singes, ceux des Grœnlandois, à des cris de bêtes, et ceux des Hottentots, au gloussement des coqs d’inde. Il seroit à souhaiter que quelque Voyageur Philosophe et en même tems versé en Physiologie, nous découvrît les causes de toutes ces singularités. ([MAYET 1771] I-M-664: 15, [Fußnote]): On m’objectera peut être qu’on voit tous les jours des sourds de naissance donner des preuves de raisonnement. Mais nous savons par l’histoire du sourd de Chartres que ces apparences ne sont que spécieuses. Tout le monde connoît aussi l’histoire du fameux Chien de Corbie, qui entendoit la messe très-dévotement, et prenoit les attitudes convenables à l’Evangile et à l’élévation. Rien n’est plus commun que de voir des chiens guindés sur leurs pattes de derriere danser des menuets en *domino*. Enfin, on a vu un chien qui arrangeoit les lettres de l’alphabet, et qui en composoit des mots. De même qu’on étoit parvenu à lier dans l’imagination de ce chien la figure des lettres, aux sons qu’elles expriment, on parvient aussi à lier dans l’imagination des sourds de naissance tel signe avec tel objet et telle action; de plus, ces signes sont réciproques chez eux: encore ne peuvent-ils leur donner d’autre faculté que celle d’étendre l’association de différentes perceptions, et d’en établir un commerce entr’eux et nous. Sans le secours des signes, les sourds de naissance seroient toute leur vie plus *bêtes* que n’étoient l’enfant qu’on trouva en 1691. dans les forêts dela Lithuanie et la fille qu’on trouva en 1731. dans la forêt de Songi en champagne. ([MAYET 1771] I-M-664: 15–16, [Fußnote]): Si le raisonnement et la réflexion étoient indépendants du langage, pourquoi, cet enfant, et surtout cette fille, qu’on dit avoir eu une compagne, étoient-ils si bêtes, qu’après avoir ensuite acquis parmi nous la faculté de raisonner, ils n’ont pas même pu se rappeller les principales circonstances de leur vie passée? ([MAYET 1771] I-M-664: 34–35): Je m’étois proposé, pour cet effet, de décomposer, et d’analyser le vocabulaire du langage des *Galibis*, peuple de l’Amérique méridionale, encore à demi-sauvage, et qui n’a pas plus de
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300 mots. Mais aprés quelques essais, je me suis vu forcé de renoncer à mon projet. Il est vrai que les mots espagnols, *arquabousa* et *camisa*, et le mot flamand *Brandevin*, que je rencontrai d’abord, m’annoncerent la dépravation du langage primitif de ces Sauvages. Cependant, je m’attendois encore à retrouver du moins quelques restes d’onomatopée dans la plupart de leurs substantifs, et à pouvoir en reconnoître l’application dans quelques adjectifs. Mais après avoir essayé différens moyens d’approximation, je désesperai tout-à fait du succès de mes recherches. Je ne trouvai pas même d’analogie dans les noms des objets, qui ont le plus de rapports entr’eux, pas plus qu’on n’en trouve dans les différens langages des Colonies, même les plus voisines les unes des autres. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 14– 15, [Fußnote]): Die Möglichkeit Sprachen von sich selbst zu erfinden, wird wohl ferner niemand leugnen können, dem es aus denen Geschichten und Beschreibungen bekannt ist, wie oft Menschen in Wäldern und anderen wüsten Örtern gefunden sind, die unter sich ihre eigene Sprache gehabt, welche so sonderbar gewesen, daß kein anderer sie weder hat verstehen, noch nachahmen können. Es fällt mir hier ein Beyspiel bey, welches sich vor etwa 20 Jahren in Polen soll zugetragen haben. Es sollen nemlich in einem großen Walde 2 oder 3 Personen gefunden seyn, welche gantz rau und wild gewesen. Diese haben sogar einen Abscheu vor andren Leuten gehabt, und ihre Sprache gar nicht verstanden. Sie haben unter einander gantz wohl verstanden, in dem sie eine Sprache unter sich gehabt, die tief im Halse soll ausgesprochen gewesen seyn. ([SOAVE 1771] I-M-666: 4–5): Quod si quis etiam quaerat, quînam fieri possit, ut tenella adhuc aetate absque ullo subsidio destituti diu vivant, atque adolescant; eadem inquam ratione, qua vixit puer in Hassia inter lupos repertus anno 1344; alius item annorum 12.; eodem anno inventus in Weteravia; alius annorum 16. in Hibernia inter oves silvestres deprehensus circa dimidium seculi XVII; alius novennis inter ursos correptus in Lituano-Grodnenzsibus silvis anno 1662; alius prope Hameliam inventus hoc ipso saeculo; puella insuper in silva Cranenburgensi prope
352 Zwollam provinciae Ultrajectinae oppidum a rusticis capta anno 1717; aliique de quibus fusé disserit Henricus Conradus Koenig Schediasmate suo de Hominum inter feras educatorum statu naturali solitario; quibus addenda est puella etiam, quam omnes novunt non multis ab hinc (2.) annis prope Cabilonum fuisse inventam. (HERDER [1772] 1978a: 96–97): Je lebendiger nun eine Sprache ist, je weniger man daran gedacht hat, sie in Buchstaben zu fassen, je ursprünglicher sie zum vollen, unausgesonderten Laute der Natur hinaufsteigt, desto minder ist sie auch schreibbar, desto minder mit zwanzig Buchstaben schreibbar, ja, oft für Fremdlinge ganz unaussprechlich. Der Pater Rasles, der sich zehn Jahre unter den Abenakiern in Nordamerika aufgehalten, klagt hierüber so sehr, daß er mit aller Aufmerksamkeit doch oft nur die Hälfte des Worts wiederholet und sich lächerlich gemacht – wie weit lächerlicher, hätte er mit seinen französischen Buchstaben beziffert! Der Pater Chaumonot, der fünfzig Jahre unter den Huronen zugebracht und sich an eine Grammatik ihrer Sprache gewagt, klagt dem ohngeachtet über ihre Kehlbuchstaben und ihre unaussprechlichen Akzente. […] De la Condamine sagt von einer kleinen Nation am Amazonenfluß: “ein Teil von ihren Wörtern könnte nicht, auch nicht einmal sehr unvollständig geschrieben werden. Man müste wenigstens neun oder zehn Sylben dazu gebrauchen, wo sie in der Aussprache kaum drei auszusprechen scheinen”. (HERDER [1772] 1978a: 122): “Aber die wilden Menschenkinder unter den Bären, hatten die Sprache? Und waren sie nicht Menschen?” Allerdings, nur zuerst Menschen in einem widernatürlichen Zustande, Menschen in Verartung! Legt den Stein auf diese Pflanze, wird sie nicht krumm wachsen? Und ist sie nicht dem ungeachtet ihrer Natur nach nur aufschießende Pflanze, und hat sich diese geradschießende Kraft selbst da geäußert, da sie sich dem Steine krumm umschlang? Also zweitens selbst die Möglichkeit dieser Verartung zeigt menschliche Natur: Eben weil der Mensch keine so hinreißenden Instinkte hat als die Tiere, weil er zu so mancherlei und zu allem schwächer fähig, kurz, weil er Mensch ist, so konnte er verarten. Würde er wohl so
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken bärähnlich haben brummen und so bärähnlich haben kriechen lernen, wenn er nicht gelenksame Organe, wenn er nicht gelenksame Glieder gehabt hätte? (HERDER [1772] 1978a: 127): Der Mensch ist also ein horchendes, merkendes Geschöpf, zur Sprache natürlich gebildet, und selbst ein Blinder und Stummer, siehet man, müßte Sprache erfinden, wenn er nur nicht fühllos und taub ist. Setzet ihn gemächlich und behaglich auf eine einsame Insel, die Natur wird sich ihm durchs Ohr offenbaren, tausend Geschöpfe, die er nicht sehen kann, werden doch mit ihm zu sprechen scheinen; und bliebe auch ewig sein Mund und sein Auge verschlossen, seine Seele bleibt nicht ganz ohne Sprache. (HERDER [1772] 1978a: 185): Der kleine Lappländer mit seiner Sprache und mit seinem dünnen Bart, mit seinen Geschicklichkeiten und seinem Temperament sei ein so ursprünglich lappländisches Menschentier als sein Rentier, und der Neger mit seiner Haut, mit seiner Tintbläschenschwärze, mit seinen Lippen und Haar und Truthühnersprache und Dummheit und Faulheit sei ein natürlicher Bruder der Affen desselben Klimas. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, I, XIV, 171): […] I say, in the first place, that of all those savages which have been caught in different parts of Europe, not one had the use of speech, though they had all the organs of pronunciation such as we have them, and the understanding of a man, at least as much as was possible, when it is considered, that their minds were not cultivated by any kind of conversation or intercourse with their own species; nor had they come the length, according to my hypothesis, of forming ideas, or thinking at all. One of these was catched in the woods of Hanover as late as the reign of George I. and for any thing I know is yet alive; at least I am sure he was so some years ago. He was a man in mind as well as body, as I have been informed by a person who lived for a considerable time in the neighbourhood of a farmer’s house where he was kept, and had an opportunity of seeing him almost every day; not an idiot, as he has been represented by some who cannot make allowance for the difference that education makes upon mens minds; yet he was not only mute
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) when first caught, but he never learned to speak, though at the time the gentleman from whom I have my information saw him, he had been, above thirty years in England. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, I, XIV, 177–178): But what puts the matter out of all doubt in my apprehension, is the case of deaf persons among us. And their case deserves to be the more attentively considered, that they are precisely in the condition in which we suppose men to have been in the natural state. For, like them, they have the organs of pronunciation; and, like them too, they have inarticulate cries, by which they express their wants and desires. They have likewise, by constant intercourse with men who have the use of reason, and who converse with them in their way, acquired the habit of forming ideas; which we must also suppose the savage to have acquired, tho’ with infinitely more labour, before he could have a language to express them. They want therefore nothing in order to speak, but instruction or example, which the savages who invented the first languages likewise wanted. In this situation, do they invent a language when they come to perfect age, as it is supposed we all should do if we had not learnt one in our infancy? or do they ever come to speak during their whole lives? The fact most certainly is, that they never do; but continue to communicate their thoughts by looks and gestures, which we call signs, unless they be taught to articulate by an art lately invented. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, I, XIV, 180): These [sounds; C. N.] are very harsh, low, and guttural, at first, and more like croaking than a clear vocal sound; which I think will account for what Mons. la Condamine tells us of the strange method of speaking of a people he found upon the banks of the river Amazons; for the sound of their language was so low, and so much inward, more resembling muttering than speaking, that he imagined they spoke by drawing in their breath […]. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, I, XIV, 180–181): […] and a girl whom I myself saw in France, that had been catched wild in the woods of Champaigne, when she shewed me how the language of her country was spoken, made a low muttering sound in her throat, in
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which I could hardly distinguish any articulation. (DE L’ÉPÉE [1784] 1984: Avertissement de l’auteur, 9): L’intérêt que la Religion et l’humanité m’inspirent pour une classe vraiment malheureuse d’hommes semblables à nous, mais réduits en quelque sorte à la condition des bêtes, tant qu’on ne travaille point à les retirer des ténèbres épaisses dans lesquelles ils sont ensevelis, m’impose une obligation indispensable de venir à leur secours, autant qu’il m’est possible. (DE L’ÉPÉE [1784] 1984: 21): chapitre premier. Comment on doit s’y prendre pour commencer l’Instruction des Sourds et Muets. Dans quelque Langue que ce soit, ce n’est point la prononciation des mots qui fait entendre leur signification. En vain dans la nôtre nous eût-on répété cent et cent fois les noms de porte et de fenêtre, etc. etc. etc. nous n’y aurions attaché aucune idée, si on n’eut pas montré en même temps les objets qu’on vouloit désigner par ces noms. Le signe de la main ou des yeux a été le seul moyen par lequel nous avons appris à unir l’idée de ces objets avec les sons qui frappoient nos oreilles. Toutes les fois que ces mêmes sons se faisoient entendre, ces mêmes idées se présentoient à notre esprit, parce que nous nous souvenions des signes qu’on nous avoit faits en les prononçant. C’est une route précisément semblable qu’il s’agit de tenir avec les Sourds et Muets. On a commencé dès le premier jour de leur instruction à leur apprendre un Alphabet manuel, tel que celui dont les écoliers se servent dans les Colleges pour converser avec leurs compagnons d’une extrêmité de la classe à l’autre. Les Sourds et Muets ne confondent pas plus les différentes figures de chacune de ces lettres qui frappent fortement leurs yeux, que nous ne confondons les différens sons qui se font entendre à nos oreilles. (BEATTIE [1788] 1968: 45–46): By attending to those motions of the articulating organs, whereby the elementary sounds of language are formed, ingenious men have contrived the art of teaching the deaf to speak. In order to this, the pupils are first taught to utter vocal sound, and to know when they ut-
354 ter it: which, as an eminent professor of the art informed me, is one of the most difficult parts of the whole procedure. For, as the scholar never heard any sound, it must be long before he is made to know what his master means when he desires him to exert his voice; and still longer, before he can either do what is desired, or know when, or how, he does it. Internal feeling, and external touch, must therefore supply the want of hearing. The voice is accompagnied with certain perceptible tremors and tensions of the organs in the mouth and throat: and when the scholar has long been made to attend to these, he comes at last to perceive, by the tangible effects of vocal sound, when he utters it, and how. (BEATTIE [1788] 1968: 55): Travellers, indeed, inform us of certain words of monstrous length, that are current in savage nations; that, for example, in the dialect of the Esquimaux, wonnaweucktuckluit signifies much; and that, on the banks of the river Orellana in South America, the number three is denoted by a word of twenty letters, poetazzarorincouroac. But it is certain, that those travellers did not hear a sentence, a circumlocution, or a description, when they imagined they were hearing a single word? (SICARD [1800b] 1803: Discours préliminaire, ix–x): En effet, qu’est-ce qu’un SourdMuet de naissance, considéré en lui-même, et avant qu’une éducation quelconque ait commencé à le lier, par quelque rapport que ce soit, à la grande famille, à laquelle, par sa forme extérieure, il appartient? C’est un être parfaitement nul dans la société, un automate vivant, une statue, telle que la présente Charles Bonnet, et d’après lui, Condillac; une statue dont il faut ouvrir, l’un après l’autre, et diriger tous les sens, et suppléer à celui dont il est malheureusement privé. (SICARD [1800b] 1803: Discours préliminaire, xij–xiij): Le Sourd-Muet n’est donc jusque-là qu’une sorte de machine ambulante, dont l’organisation, quant aux effets, est inférieure à celle des animaux. Si on dit qu’il est un sauvage, on relève encore sa triste condition; car il ne l’est, ni sous le rapport moral qui existe, jusqu’à un certain point, chez le sauvage, ni sous le rapport de communication avec ses semblables, sous lequel il lui est bien
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken inférieur; car celui-ci entend les sons mal articulés de ceux qui l’entourent. Ces sons deviennent les signes du rappel d’autant d’idées qui se reproduisent, dans le besoin, et qui, entre lui et les autres sauvages, établissent un canal de communication de pensées réciproques. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 310): Nous avons, à la vérité, quelques exemples d’enfans et de jeunes gens des deux sexes qui ont été rencontrés dans des forêts, où ils paraissent avoir existé plus ou moins de tems seuls. Un savant naturaliste, dans un petit ouvrage qu’il a publié à l’occasion du dernier de ces enfans trouvés, en cite jusqu’à onze, sur lesquels il nous donne des renseignemens précieux.
III.
1. Manifestationen defizitären Spracherwerbs Die Beschreibung der verschiedenen Erscheinungsformen defizitären Spracherwerbs ist insbesondere in Verbindung mit Modellen der Sprachgenese zu betrachten. In unkritischer Übertragung der Kenntnisse zur Ontogenese des Individuums auf die Phylogenese der menschlichen Spezies geriet die Beschreibung des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) eines menschlichen Individuums zum Modell der Sprachentstehung überhaupt. So wurden die hier dargestellten Erscheinungsformen defizitären Spracherwerbs zur Erklärung des Sprachursprungs von einer Vielzahl von Autoren herangezogen, wie sich etwa anhand der Einsendungen auf die Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache (1771) nachweisen lässt (ĺ Ursprung). Für die hypothetische Rekonstruktion des Anbeginns menschlicher Sprache erschienen die Depravierten als glaubwürdiges Modell, wobei die verschiedenen Arten sprachlicher Defizienz zur Erklärung des Ursprungsproblems aus unterschiedlichen Perspektiven konsultiert wurden, indem nämlich auf Repräsentanten sozial, physisch oder kulturell defizitären Spracherwerbs rekurriert wurde. Während mit dem Bezug auf ‘wilde Kinder’ Formen sozial defizitären Spracherwerbs beschrieben wurden, dienten Taubstumme als Exponenten physisch defizitären Spracherwerbs und exotische Völker mit stark abweichenden Sprach-
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) bzw. Schriftsystemen (ĺ Schrift) als Repräsentanten eines kulturell defizitären Spracherwerbs. 1.1. ‘Wilde Kinder’ und sozial defizitärer Spracherwerb Auf besonderes Interesse stießen von den genannten Gruppen der Depravierten im 17. und 18. Jahrhundert die ‘wilden Kinder’. Sie dienten den Autoren, die die Entstehung der menschlichen Lautsprache zu rekonstruieren versuchten, als Beleg für die Abhängigkeit der Sprache von der Gesellschaft. Bedingt durch ihre Isolation von der menschlichen Zivilisation konnten ‘wilde Kinder’ keine Lautsprache erwerben und zeigten auch bei späteren Versuchen ihrer sozialen Integration zumeist schwerwiegende sprachliche Defizite und Verhaltensstörungen. Die Relevanz ‘wilder Kinder’ für die Konzeption des Menschen im 18. Jahrhundert dokumentiert etwa ihre Berücksichtigung in den taxonomischen Klassifizierungen eines LINNÉ im Systema naturae (1758; 1766). LINNÉs Anliegen besteht in der exhaustiven Beschreibung und Systematisierung aller Lebewesen, die als Teile einer Hierarchie der Organismen verstanden werden. Im Zuge dieser Klassifizierung im Systema naturae führt LINNÉ den erstmals als homo ferus bezeichneten ‘wilden Menschen’ ein, der für ihn eine Variante des homo sapiens darstellt. LINNÉ beschreibt den homo ferus als tetrapus, mutus, hirsutus – als vierfüßig, stumm und zottig, womit er ihn auf seine äußerlichen Erkennungsmerkmale reduziert und sich zugleich von mythologischen und fiktiven Darstellungen distanziert, die bis zu diesem Zeitpunkt das Bild des ‘wilden Menschen’ geprägt hatten. Im Anschluss an die Klassifizierung des homo ferus führt LINNÉ eine Reihe von Fällen ‘wilder Kinder’ an, die erstmals in Form einer Liste zusammengestellt werden. So nennt er den 1661 aufgefundenen Litauischen Bärenjungen, den Hessischen Wolfsjungen, den Irischen Schafsjungen, den TULPIUS in seinen Observationes medicae beschrieben hatte, den Kalbsjungen von Bamberg, den 1724 aufgefundenen Jungen aus Hannover, der auch unter dem Namen Peter von Hameln bekannt wurde, zwei pyrenäische Jungen, die Puella Transisalana bzw. das Mädchen von Kranenburg, die Puella Campanica, die auch
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als Marie-Angélique (Memmie) Le Blanc bekannt wurde sowie den von dem holländischen Arzt BOERHAAVE beschriebenen Lütticher Hans (Johannes Leodicensis). Das Spezifikum dieser Liste besteht in der Tatsache, dass hier nicht einzelne Arten, sondern individuelle Fälle genannt werden, die sich unter LINNÉs Zeitgenossen einer gewissen Bekanntheit erfreuten, aber von dem schwedischen Naturforscher erstmals in eine systematische Form gebracht wurden. Diese Beispiele ‘wilder Kinder’ werden nach dem Schema KIND / TIER / ORT / ZEITANGABE vorgestellt, wobei einzig der Lütticher Hans mit einem eigenen Namen versehen wird (Johannes Leodicensis). ‘Wilde Kinder’ werden von LINNÉ zugleich als eine Klasse und als einzelne Individuen aufgefasst, wobei die in der Liste aufgeführten Einzelfälle gleichzeitig die gesamte Spezies abdecken. Einige der von LINNÉ genannten Fälle sind von verschiedenen Autoren näher beschrieben worden. So widmet sich etwa der von LINNÉ selbst zitierte Amsterdamer Arzt TULPIUS der Beschreibung des Irischen Schafsjungen, dem er das 10. Kapitel des Vierten Buches seiner Observationes medicae (1672) widmet. TULPIUS bezeichnet den von LINNÉ später Juvenis Ovinus hibernius genannten Schafsjungen als Juvenis balans, als blökenden Jungen. Nach der Darstellung des TULPIUS soll dieser Junge im Alter von 16 Jahren von Irland nach Amsterdam gebracht worden sein, wo er öffentliches Aufsehen erregte und wo TULPIUS ihn persönlich kennengelernt haben will. Der ‘wilde Junge’ habe bis zu diesem Zeitpunkt, von seinen Eltern ausgesetzt, gleichsam die Natur und das Wesen der Schafe angenommen (induerat quasi naturam ovillam). Sein wild und roh anmutender Anblick ließ den Schafsjungen nach der Darstellung des TULPIUS eher als animalisches denn als menschliches Wesen erscheinen, da der holländische Arzt ihn als bar aller Menschennatur (exors omnis humanitatis) beschreibt. Wenn er auch sonst in gutem Gesundheitszustand und in bester Verfassung gewesen sei, so habe der Schafsjunge nicht über eine artikulierte Lautsprache verfügt (destitutus voce humanâ), sondern stattdessen wie die Schafe geblökt. Auch im Hinblick auf seine Ernährung habe er es den Schafen gleichgetan, da
356 er sich von Gras und Heu ernährt habe. Er habe in der Wildnis der Berge in unwirtlichen, unzugänglichen Gegenden gehaust. Auch nach seiner Ergreifung und Aufnahme in die menschliche Gesellschaft habe der Schafsjunge gezwungen werden müssen, unter Seinesgleichen zu verbleiben, obwohl er sich in menschlicher Umgebung zusehends wohl gefühlt und seine Wildheit immer weiter abgelegt habe. Die Sprachlosigkeit des Schafsjungen veranlasste TULPIUS zu einer genauen Untersuchung seiner Kehle und Zunge, die er als ungewöhnlich groß und breit beschreibt, was auch die Möglichkeit einer physischen Behinderung als weitere Ursache für die Stummheit dieses ‘wilden Kindes’ nahelegt. Mit seiner Beschreibung des juvenis balans zeigt TULPIUS ein ‘wildes Kind’, das durch seine Isolation von der menschlichen Gesellschaft keine Sprache erworben hatte und auch nach seiner Integration stumm blieb. Das Portrait, das TULPIUS von dem Irischen Schafsjungen entwirft, ähnelt der Darstellung des Litauischen Bärenjungen, die CONDILLAC unter Berufung auf CONNORs Evangelium medici (1697) liefert. Dieses Kind sei in den litauischen Wäldern an der Grenze zu Russland, wo es unter Bären gelebt habe, im Jahre 1694 aufgegriffen worden. Es habe keinerlei Zeichen des Verstandes erkennen lassen, habe sich auf Händen und Füßen fortbewegt und keine Sprache besessen, sondern Laute von sich gegeben, die keinerlei Ähnlichkeit zu menschlicher Sprache aufwiesen. Als man versuchte, ihm nach seiner Ergreifung das Sprechen beizubringen, habe es lange Zeit kein Wort von sich geben können und nur barbarisch klingende Laute ertönen lassen. Nachdem es endlich sprechen konnte, habe man es nach seinem Leben in der Wildnis befragt, aber es habe sich daran ebenso wenig erinnern können wie ein normal aufwachsender Mensch sich an seine frühe Kindheit zu erinnern vermag. Mit diesem Fallbeispiel des Litauischen Bärenjungen, der 1694 aufgefunden wurde, bezieht sich CONDILLAC in Anknüpfung an den Bericht CONNORs offenbar auf einen weiteren Fall dieser Art neben dem von LINNÉ als Juvenis Ursinus lithuanus bezeichneten 1661 aufgefundenen ‘wilden Kind’. Das Beispiel des Litauischen Bärenjungen dient CONDIL-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken LAC zum Beweis der konstitutiven Rolle der Sprache für das Denken, da das Wildkind in Ermangelung von Sprache nicht in der Lage gewesen sei, in seinem Gedächtnis Erinnerungen an die Vergangenheit zu speichern. Durch das Fehlen von Sprache zur Gliederung und Analyse geistiger Inhalte war ein strukturiertes Denken diesem ‘wilden Kind’ nicht möglich. Weil das Denken und der Gebrauch von Zeichen an sozialen Austausch gebunden sind, ist das von der Gesellschaft isolierte ‘wilde Kind’ auf eine rein animalische Existenz verwiesen, wie CONDILLAC mit dem Fallbeispiel dieses Litauischen Bärenjungen nachzuweisen versucht. Den Fall des Litauischen Bärenjungen, den CONNOR beschrieben hatte, referiert auch LA METTRIE in seinem Traité de l’âme (1751). Das ‘wilde Kind’ wird als abstoßend, verstandes- und sprachlos und als nicht-menschlich charakterisiert (sa voix et lui-même n’avoient rien d’humain, si ce n’est la figure extérieure du corps). Auf allen Vieren gehend, hatte es sich so sehr an das Leben unter Bären angepasst, dass es sie selbst nach seiner “Zähmung” zu vermissen schien. Die Tatsache, dass sich der Litauische Bärenjunge nach seiner Integration in die menschliche Gesellschaft und nach dem Erwerb der Lautsprache nicht mehr an sein Vorleben unter den Bären erinnern konnte, veranlasst LA METTRIE, ihn als verstandesloses Individuum zu beurteilen, das ein rein maschinenhaftes Dasein gefristet und ebenso wenig wie ein Tier, ein Neugeborenes, ein lethargischer Mensch oder ein Opfer eines Schlaganfalles seinen Verstand gebraucht habe (cet enfant vivoit machinalement, et ne pensoit pas plus qu’une bête, qu’un enfant nouveau né, qu’un homme qui dort, qui est en léthargie, ou en apoplexie). Neben dem 1694 gefundenen Litauischen Bärenjungen gehört die von LINNÉ als puella campanica bezeichnete zehnjährige fille de Songi zu den bekanntesten Fällen ‘wilder Kinder’, wie die Tatsache belegt, dass prominente Autoren wie LA CONDAMINE, BUFFON, LA METTRIE und MONBODDO ebenso wie die Autoren der Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung (1771) auf ihren Fall Bezug nehmen. So liefert etwa LA CONDAMINE in seiner Histoire d’une jeune fille sauvage, trouvée dans les Bois à l’âge de dix ans
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) (1755) einen ausführlichen Bericht über den Fall dieses 1731 in Songi (heute Sogny) in der Champagne aufgefundenen ‘wilden Kindes’. Auf dieses auch unter dem Namen Marie-Angélique (Memmie) Le Blanc bekannt gewordene ‘wilde Kind’ beziehen sich ebenfalls Autoren wie BUFFON, SOAVE, MONBODDO oder LA METTRIE. Charakteristisch für die Beschreibung dieses und anderer ‘wilder Kinder’ ist ihre Klassifizierung als tierähnliche, sprachlose und gesellschaftsscheue Geschöpfe. Dabei beeinflussen auch Gerüchte, Legendenbildung und die Vorliebe für Exotismen die Darstellung ‘wilder Kinder’, die manche Autoren wie etwa LA CONDAMINE oder MONBODDO gar persönlich kennengelernt haben wollen. Nach seiner Auffindung in dem kleinen Dorf Songi und darauf folgender Sozialisation soll das ‘wilde Kind’ Marie-Angélique Le Blanc später in einem Pariser Krankenhaus LA CONDAMINE aus seinem Leben in den Wäldern der Champagne berichtet haben. Auch Jahre nach ihrer Ergreifung soll sie eine kindlich anmutende, helle Stimme besessen haben. Ihr Wortschatz soll vor allem aus kurzen Wörtern bestanden haben, nach denen sie wie ein kleines Kind suchen musste (Le son de sa voix étoit aigu & perçant quoique petit, ses paroles brèves & embarrassées, telles que d’un enfant qui ne sçait pas encore les termes pour exprimer ce qu’il veut dire). Ebenso wie ihre Sprache wird auch ihre Gestik von LA CONDAMINE als infantil beschrieben, da sie im Wesentlichen von dem Streben nach Befriedigung affektiver Bedürfnisse geleitet schien (enfin ses gestes & façons d’agir familières & enfantines, montroient qu’elle ne distinguoit encore que ceux qui lui faisoient le plus de caresses). Der Fall der fille de Songi ist bemerkenswert, da sie im Gegensatz zu den meisten anderen ‘wilden Kindern’ im Laufe ihrer Integration in die Gesellschaft Sprache und ein normales Sozialverhalten erlernte. Nach LA CONDAMINEs Bericht handelte es sich bei diesem ‘wilden Kind’ offenbar um ein Eskimomädchen, das als Sklavin auf die Antillen gebracht und dann bei ihrer Verschiffung nach Europa (vermutlich nach Holland) gemeinsam mit einer Gefährtin geflohen war. Diese Tatsache erklärt wahrscheinlich auch, dass sie nach
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mehreren Jahren in der Wildnis im Gegensatz zu den meisten anderen ‘wilden Kindern’ Sprache erlernen konnte. In den Wäldern der Champagne soll nach der Darstellung der fille de Songi zwischen ihr und ihrer Gefährtin ein Streit entbrannt sein, bei dem sie diese verletzt habe. Die Gefährtin sei an ihren Verwundungen vermutlich gestorben. Wie stark dergleichen Berichte die “Legendenbildung” um die ‘wilden Kinder’ begünstigten, belegt die Tatsache, dass LA METTRIE in seinem Traité de l’âme von 1751 berichtet, dass das ‘wilde Kind’ aus Songi im Paris der damaligen Zeit vielfacher Gesprächsgegenstand gewesen sei und dass man sich erzählte, das Mädchen habe seine Gefährtin gar aufgefressen. Für die skandallüsterne Pariser Gesellschaft war das ‘wilde Kind’ ein unheimliches Wesen zwischen Mensch und Tier, das zusätzlich mit kannibalistischen Zügen versehen wurde. Da die aufgefundenen ‘wilden Kinder’ bedingt durch ihre soziale Isolation jedoch nicht über Sprache und zivilisierte Umgangsformen verfügten, wurden sie trotz ihrer menschlichen Gestalt eher mit den Tieren assoziiert. In diese Richtung geht z. B. auch die Einschätzung HERDERs. Das ‘wilde Kind’ ist für HERDER ein bärähnliches Wesen in Verartung, da es jenseits der menschlichen Gemeinschaft einzig nach dem Vorbild der Tiere lebt und somit die Vielfalt der Potenzen und die Mannigfaltigkeit des Würkungskreises, die dem Menschen anheimgegeben sind, nicht zu nutzen weiß. Charakteristisch für den Bezug auf ‘wilde Kinder’ ist auch die Tendenz, ihre Fälle summarisch abzuhandeln. So knüpft etwa SOAVE in seiner Preisbewerbungsschrift auf die Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung (1771) eng an die Klassifizierung LINNÉs an, wenn er zunächst eine Aufzählung der bisher bekannten Fälle ‘wilder Kinder’ liefert, bevor er sich näher der puella campanica zuwendet. So nennt er etwa den Hessischen Wolfsjungen, der 1344 aufgefunden wurde (puer in Hassia inter lupos repertus anno 1344). Das Jahr der Ergreifung dieses ‘wilden Kindes’ war von CAMERARIUS (1602) in 1544 geändert worden, was zu Verwirrung in späteren Listen mit Fällen ‘wilder Kinder’ führte. Auch LINNÉ datiert etwa den Fund des Hessi-
358 schen Wolfsjungen auf das Jahr 1544. SOAVE erwähnt den Fall eines weiteren ebenfalls im Jahr 1344 gefundenen zwölfjährigen Wolfsjungen, der in Wetterau (Weteravia) im Harz ergriffen wurde. Auch der von TULPIUS beschriebene Irische Schafsjunge, der um die Mitte des 17. Jahrhunderts gefunden wurde (alius annorum 16. in Hibernia inter oves silvestres deprehensus circa dimidium seculi XVII), findet sich in SOAVEs Liste. Ferner erwähnt er den Litauischen Bärenjungen, den LINNÉ als Juvenis Ursinus lithuanus bezeichnet hatte und datiert die Ergreifung dieses ‘wilden Kindes’ auf das Jahr 1662 (alius novennis inter ursos correptus in LituanoGrodnenzsibus silvis anno 1662). Auch der Wilde Peter von Hameln findet sich in seiner Auflistung als alius prope Hameliam inventus hoc ipso saeculo ebenso wie das ‘wilde Mädchen’ aus Kranenburg in der Nähe von Zwolle, das 1717 in Erscheinung trat (puella insuper in silva Cranenburgensi prope Zwollam provinciae Ultrajectinae oppidum a rusticis capta anno 1717) und schließlich die puella campanica, deren allgemeinen Bekanntheitsgrad SOAVE hervorhebt (addenda est puella etiam, quam omnes novunt non multis ab hinc (2.) annis prope Cabilonum fuisse inventam). Auf einige der bekanntesten Fälle ‘wilder Kinder’ bezieht sich auch BUFFON in seiner Histoire naturelle, générale et particulière (1749). Darin nennt er den Litauischen Bärenjungen, den jungen Mann, den man in den Wäldern von Hannover gefunden hatte, d. h. den Wilden Peter von Hameln, sowie die fille de Songi. Alle diese Fälle würden nach Meinung BUFFONs spektakuläre Gegenstände philosophischer Reflexion abgeben (Un sauvage absolument sauvage, tel que l’enfant élevé avec les ours, dont parle Conor, le jeune homme trouvé dans les forêts d’Hanower, ou la petite fille trouvée dans les bois en France, seroient un spectacle curieux pour un philosophe). Das ‘wilde Kind’ verkörpert nach BUFFONs Auffassung deshalb einen lohnenden Gegenstand philosophischer Beobachtung, weil es Einblicke in das Wesen des Naturmenschen ermöglicht, was wiederum eine genauere Abgrenzung der natürlichen von den zivilisatorischen Aspekten des Menschseins gewährleisten würde. Aller-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken dings betont BUFFON auch die Andersartigkeit und Exotik des ‘wilden Kindes’, da es ein seltsames Spektakel für den neugierigen, voyeuristischen Beobachter bieten würde. Die Annahme, dass ein ‘wildes Kind’ den Nachweis erbringen könne, dass der Mensch des Urzustandes tugendhafter gewesen sei als der Zivilisierte und dass die Lasterhaftigkeit erst in der Zivilisation entstanden sei, erinnert an die später von ROUSSEAU in seinem Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes (1755) vorgebrachte Zivilisationskritik und dessen Apologie des homme sauvage. Auch ROUSSEAU wendet sich den ‘wilden Kindern’ ebenso wie BUFFON in Form einer summarischen Abhandlung prominenter Fälle zu. In seinem Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes (1755) untersucht ROUSSEAU die Bedeutung des aufrechten Gangs und das Verhältnis zwischen den Armen des Menschen und den Vorderfüßen von Vierbeinern. In diesem Zusammenhang wirft er die Frage nach der Natürlichkeit der Bipedie auf und führt dagegen das Beispiel der kindlichen Lokomotion an, die durch das Krabbeln gekennzeichnet ist und erst durch elterliche Hilfe zum aufrechten Gang übergeht. Des Weiteren nennt ROUSSEAU exotische Völker wie z. B. die Hottentotten, die ihre Kinder vernachlässigten und sie lange Zeit auf allen Vieren gehen ließen, so dass der Erwerb des aufrechten Ganges eine besondere Schwierigkeit für diese Kinder darstelle. Dasselbe gelte für die Kinder der Kariben auf den Antillen. Als weitere Belege für die keineswegs unhinterfragbare Bipedie des Menschen zählt ROUSSEAU verschiedene ‘wilde Kinder’ auf, die sich allesamt auf allen Vieren fortbewegt hätten. So nennt er etwa den 1344 gefundenen Hessischen Wolfsjungen, der am Hofe des Königs HEINRICH vorgeführt wurde und das Leben unter Wölfen der menschlichen Zivilisation vorgezogen habe. Dieses ‘wilde Kind’ habe sich dermaßen an die Quadrupedie gewöhnt, dass man es mit Holzstücken beschweren musste, um es zu zwingen, auf zwei Beinen zu gehen. Auch der von CONDILLAC im Anschluss an CONNOR beschriebene Litauische Bärenjunge (l’enfant qu’on trouva en 1694, dans les forêts de Lithuanie
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) & qui vivoit parmi les ours) sei auf allen Vieren gekrochen, schwachsinnig, stumm und sprachlos gewesen. Auch dem kleinen ‘wilden Jungen’ aus Hannover (dem Wilden Peter von Hameln), den man am englischen Königshof vorgeführt habe, sei es schwer gefallen, aufrecht zu gehen. Ebenso hätten sich die beiden ‘wilden Jungen’, die man 1719 in den Pyrenäen aufgefunden habe, auf allen Vieren bewegt. Charakteristisch für ROUSSEAUs Argumentation ist neben der summarischen Abhandlung von Einzelfällen ‘wilder Kinder’ die Verbindung von Neugeborenen, exotischen Völkern und ‘wilden Kindern’, die alle im Hinblick auf ihre Lokomotion als Vierbeiner dargestellt werden. Mit der Quadrupedie wird einerseits eine gewisse Natürlichkeit assoziiert, wogegen der aufrechte Gang als Ergebnis eines (unnatürlichen) Lernprozesses beschrieben wird. Andererseits symbolisiert die Vierfüßigkeit zugleich die lokomotorische Primitivität der drei Gruppen der Neugeborenen, ‘wilden Kinder’ und exotischen Völker. In einer kulturkritischen, eurozentristischen Perspektive wird die Quadrupedie der Kinder der Hottentotten von ROUSSEAU als Resultat der schlechten Erziehung, die ihnen ihre Eltern angedeihen ließen, beschrieben. Bei den ‘wilden Kindern’ gehen nach Auffassung ROUSSEAUs Quadrupedie und geistige Rückständigkeit sowie Stummheit miteinander einher. Die Behandlung rekurrenter Fälle ‘wilder Kinder’ durch prominente Autoren des 18. Jahrhunderts zeigt einerseits den Einfluss der Klassifikation LINNÉs und belegt andererseits die Tatsache, dass mit den immer wiederkehrenden Fällen die Klasse der ‘wilden Kinder’ auch ausgeschöpft ist. Den Listen ‘wilder Kinder’ haftet eine gewisse Monotonie und Repetitivität an, da immer wieder dieselben Beispiele zum Beweis des defizitären Spracherwerbs und der gravierenden kognitiven Beeinträchtigungen dieser Zwischenwesen herangezogen werden. Die Diskussion um die ‘wilden Kinder’ und deren Sprachlosigkeit im 18. Jahrhundert ist insgesamt durch ein erkenntnistheoretisches Interesse gekennzeichnet, das sich etwa in ihrer Behandlung durch CONDILLAC im Essai sur l’origine des connoissances humaines widerspiegelt oder auch an den persönlichen
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Besuchen LA CONDAMINEs und MONBODDOs bei dem ‘wilden Mädchen’ aus der Champagne deutlich wird. Die Beschäftigung mit ‘wilden Kindern’ ist im 18. Jahrhundert geprägt von der Vorliebe für Kuriositäten und Exotismen, die sich ebenfalls in den Darstellungen der Gebräuche exotischer Völker niederschlägt. Auch in der Literatur sind ‘wilde Kinder’ ein interessanter Gegenstand z. B. als Modelle für Robinsonaden, aber sie geraten im Laufe des Jahrhunderts zusehends in den Fokus wissenschaftlicher Betrachtung, etwa in der Vergleichenden Anatomie und der Medizin. So verwirft z. B. der Göttinger Universitätsprofessor BLUMENBACH LINNÉs Klassifizierung des homo ferus als Variante der menschlichen Spezies. Für BLUMENBACH sind ‘wilde Kinder’ kein Beispiel des Naturmenschen, sondern deformierte, zurückgebliebene Individuen, die eigentlich LINNÉs Klasse des homo monstrosus zuzurechnen wären. In der dritten Auflage seines Werkes De generis humani varietate nativa (1795) kritisiert er LINNÉs Liste der ‘wilden Kinder’ und bezweifelt die Authentizität einiger Fälle, wie etwa den des Irischen Schafsjungen. Den höchsten Grad an Plausibilität billigt er den Fällen des Mädchens aus der Champagne, des Wilden Peter von Hameln und der beiden Jungen, die in den Pyrenäen gefunden wurden, zu. Während die ersten beiden Fälle durch die Augenzeugenberichte LA CONDAMINEs und MONBODDOs abgesichert scheinen, verlässt BLUMENBACH sich im Fall der Pyrenäenkinder auf den Bericht des Ingenieurs LEROY. In seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen der ‘wilden Kinder’ wirft BLUMENBACH die Frage nach der Authentizität und Glaubwürdigkeit der Quellen ebenso auf wie die Frage nach der richtigen Klassifizierung dieser Individuen, die sowohl als Inkarnation des Naturmenschen als auch als Anormale und Geisteskranke oder als Monster im Sinne von LINNÉs homo monstrosus aufgefasst werden konnten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erlangte das ‘wilde Kind’ besondere Aufmerksamkeit durch den Fall des Victor von Aveyron, der im Januar 1800 in den Wäldern von Lacaune im Département Aveyron aufgegriffen wurde. In Paris wird er dem Psychiater PINEL vorge-
360 führt, der ihn als Schwachsinnigen beschreibt, der im Wesentlichen mit Geisteskranken, wie sie in Irrenhäusern anzutreffen sind, vergleichbar sei. Das ‘wilde Kind’ Victor wird der Obhut des Arztes ITARD anvertraut, der sich um seine Erziehung kümmert. In seinem Mémoire sur les premiers développements de Victor de l’Aveyron charakterisiert ITARD Victor als ‘Tiermenschen’ (homme animal), dessen Sinne abgestumpft seien und der durch nichts zu beeindrucken sei. Victor ist nach ITARDs Einschätzung am untersten Ende der großen Kette der Lebewesen zu situieren. Für ITARD verkörpert Victor als tabula rasa die Inkarnation von CONDILLACs Statue, der dieser in seinem Traité des sensations allmählich alle verschiedenen Sinne verliehen hatte. Die Schulung der abgestumpften Sinne dieses ‘wilden Kindes’ gehörte für ITARD zu den zentralen Anliegen seines pädagogischen Vorgehens, da die Sinneswahrnehmung nach der Auffassung des Sensualismus die Grundlage sämtlicher Erkenntnisprozesse darstellte und der Reflexion vorausging. Victors extrem unruhigen Blick interpretierte ITARD im Sinne der Erkenntnistheorie CONDILLACs als einen Mangel an Aufmerksamkeit (attention). Ähnlich wie im Falle des von BOERHAAVE beschriebenen Lütticher Hans zeichnete sich allerdings auch Victor durch seinen besonders ausgeprägten Geruchssinn aus, der als Resultat seines Lebens in der Animalität aufgefasst wurde. Die Versuche, diesem ‘wilden Kind’ Sprache beizubringen, erwiesen sich jedoch als äußerst problematisch. Schon Autoren wie LA CONDAMINE oder MONBODDO hatten auf das Problem der Resozialisierung ‘wilder Kinder’ und insbesondere auf die Schwierigkeit des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) hingewiesen. Trotz aller Bemühungen ITARDs blieb Victor stumm und vermochte nur wenige unförmige Einzelsilben von sich zu geben. Zwar ließ sich Victor am Ende seiner Erziehung nicht mehr als “Tiermensch” klassifizieren, aber er blieb aufgrund seiner Stummheit von einem normalen gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und musste immer wieder vor einer Rückkehr in die Wildnis bewahrt werden. Das Interesse an sprachlosen ‘wilden Kindern’ war im 18. Jahrhundert sowohl durch
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken die philosophische Strömung des Sensualismus und der Idéologie als auch durch die Diskussion um die Existenz eingeborener Ideen, wie der Cartesianismus sie forderte, motiviert. Die allgemeine Aufmerksamkeit, die ‘wilde Kinder’ wie Mlle Le Blanc, Peter von Hameln oder Victor erregten, wäre allerdings kaum erklärbar, wenn es sich bei den genannten Fällen lediglich um Schwachsinnige gehandelt hätte, für die ein jahrelanges Überleben in der Wildnis wohl auch eine kaum zu meisternde Herausforderung dargestellt haben dürfte. Die Fälle ‘wilder Kinder’ zeigen zahlreiche individuelle Unterschiede etwa im Hinblick auf ihr Alter bei der Aussetzung, die Dauer ihrer Isolation, die Anwesenheit eines zweiten ‘wilden Kindes’ und die Art der Tiere der Umgebung, die zur Imitation zur Verfügung standen. Trotz derartiger individueller Verschiedenheiten lassen diese Fälle jedoch bemerkenswerte Konstanten erkennen wie den raschen und oftmals irreversiblen Verlust der Sprache, die Änderung der Lokomotion hin zur Quadrupedie sowie die Ausbildung einer starken Behaarung, die LINNÉ in der Klassifizierung des homo ferus als hirsutus zum Ausdruck bringt. Gegenstand der Diskussion war ferner die Frage, ob die Sprachlosigkeit des ‘wilden Kindes’ ein Resultat seiner sozialen Isolation sei oder auf körperliche Defizite wie etwa eine große und schwerfällige Zunge, die TULPIUS dem Irischen Schafsjungen attestiert, zurückzuführen sei. Aufgrund ihrer Stummheit blieben ‘wilde Kinder’ von der gesellschaftlichen Partizipation weitgehend ausgeschlossen. 1.2. Taubstumme und physisch defizitärer Spracherwerb Das Problem der sozialen Integration stellte sich auch bei einer anderen Gruppe sprachlich defizitärer Individuen, nämlich den Taubstummen. Bedingt durch ihre physische Beeinträchtigung waren sie von der Teilhabe an den verschiedenen Manifestationen gesellschaftlichen Lebens nahezu völlig ausgeschlossen. Die Benachteiligung Gehörloser reichte bis zur Aberkennung einer Vielzahl von Grundrechten, darunter das Recht auf Eheschließung, Zeugung und Erbschaft. Aufgrund der genannten rechtlichen Restriktionen entwickelte sich namentlich im Spanien
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) des 16. Jahrhunderts eine florierende Gehörlosenpädagogik. Dort versuchte man, einigen gehörlosen Kindern aus Adelsfamilien, in denen die geläufige Praxis des Inzests zur weiteren Vererbung und Ausbreitung der Taubstummheit geführt hatte, in mühsamem Privatunterricht Sprechen und Lesen beizubringen, um ihre Anerkennung vor dem Gesetz als juristische Personen zu erwirken. Berühmte Repräsentanten der spanischen Schule der Lautspracherziehung gehörloser Kinder waren PONCE DE LEÓN, RAMIREZ DE CARRIÓN sowie BONET. Obwohl BONET selber niemals gehörlose Kinder unterrichtet, aber den Unterricht von CARRIÓN besucht hatte und auch die Methode PONCE DE LEÓNs kannte, gab er sich in seiner 1620 veröffentlichten Reduction de las letras, y arte para enseñar a ablar los mudos als Erfinder des Gehörlosenunterrichtes aus. Für die Geschichte der Gehörlosenpädagogik ist von Bedeutung, dass PONCE DE LEÓN, CARRIÓN und BONET als eine Einheit zu sehen sind, da ihre Methode von einem identischen Grundschema ausgeht: Der Gehörlosenunterricht beginnt nach ihrer Konzeption mit der ĺ Schrift und geht dann über das Handalphabet zum Erlernen der Lautsprache über. Da der spanische Gehörlosenunterricht sich in der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Blütezeit des Landes entwickelte, waren die Unterrichtsbedingungen ideal. Mit dem Verlust der politischen Hegemonie Spaniens ging jedoch auch der Niedergang der Lautspracherziehung Taubstummer einher. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich in England, das die politische Vormachtstellung von Spanien übernommen hatte, ein wachsendes Interesse an der Erziehung Gehörloser. Einen entscheidenden Anstoß zur Weiterentwicklung der spanischen Lehrmethode lieferte BULWER mit seinem 1648 erschienenen Werk Philocophus, worin er seine Konzeption der ocular audition, des “Hörens mit dem Auge”, darlegte. BULWER war einer der ersten, der die Auffassung vertrat, dass die Sprache der Gesten der artikulierten Lautsprache überlegen sei (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Er wurde zu einem der prominentesten Vertreter des Gesturalismus im Gegensatz zum bis dahin vorherrschenden Oralismus in der Gehörlosenpädagogik. Aufgrund seiner
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Überzeugung von der Superiorität der Gestensprache gegenüber der artikulierten Lautsprache machte BULWER auch den Vorschlag, eine universelle Gestensprache für die ganze Menschheit zu entwickeln (ĺ Universalsprache). Weitere wichtige Impulse gingen in der Folgezeit von HOLDER und WALLIS aus, die als die ersten Gehörlosenlehrer in England galten und an die Lehrmethode der Spanier anknüpften. Eine ihrer wesentlichen Neuerungen bestand in der Einführung eines zweihändigen Handalphabetes durch HOLDER. Charakteristisch für HOLDERs Konzeption ist die Betonung des Auges als entscheidendem Organ für die Unterscheidung der Handzeichen des Fingeralphabetes. Das Auge muss Kompensationsleistungen erbringen, um die durch die Hörschädigung entstandenen Mängel auszugleichen und beim Lippenlesen die Laute des Lehrers zu erkennen und imitieren zu können. Im 17. und 18. Jahrhundert war auch die Methode des Schweizer Taubstummenlehrers AMMAN zu großer Bekanntheit gelangt. Lobende Äußerungen über sein Verfahren finden sich etwa bei LAMY, LA METTRIE, HOLDER oder BEATTIE. In seinen 1692 in Amsterdam veröffentlichten Werken Dissertatio de loquela und Surdus loquens beschäftigt sich AMMAN mit dem Problem der Taubstummheit sowie mit der Kunst des Sprechens und dem Ursprung der menschlichen ĺ Stimme. Bemerkenswert erscheint, dass AMMANs Methode des Taubstummenunterrichtes auf seiner Annahme basiert, die menschliche Stimme sei göttlicher Odem, weshalb man auch den Taubstummen die artikulierte Lautsprache beibringen müsse. Entscheidend für das Vorgehen AMMANs sind das Training des Imitationslernens und der haptischen Erlebnisfähigkeit des Schülers, der die Kehlkopfbewegungen seines Lehrers mit der Hand nachfühlen und imitieren soll und dessen eigener Kehlkopf von den Händen seines Lehrers ebenso geführt wird wie die Hand des Schülers, der das Schreiben lernen soll. Allerdings sind sich die Autoren, die AMMANs Taubstummenpädagogik beschreiben, der Tatsache bewusst, dass das Erlernen von artikulierter Lautsprache ohne ein direktes hörbares Modell auf besondere Schwierigkeiten stößt. Schon die Erlernung
362 einer Fremdsprache kann nach Auffassung LAMYs nur unter großen Mühen erfolgen, sobald der Lernende ein gewisses Alter erreicht hat. Da jedoch der menschliche ĺ Spracherwerb ganz wesentlich auf dem Hören artikulierter Lautsprache und ihrer Imitation beruhe, müssten Gehörlose umso stärker mit dem Verfahren der Imitation visueller und haptischer Eindrücke arbeiten. Nicht umsonst bezeichnet HERDER das Ohr als den mittleren Sinn und den Menschen als ein horchendes, merkendes Geschöpf. Da der Mensch zur Erfindung von Sprache nach HERDERs Auffassung zunächst auf die Geräusche und Laute der Natur lauschen muss und somit das innere Hören dem Imitieren und dem eigenen Gebrauch artikulierter Laute vorangeht, ist das Ohr der zentrale Sinn für die Entstehung von Sprache. HERDERs Konzeption von der entscheidenden Rolle des Gehörs für die Entstehung von Lautsprache beruht auf einer für das 18. Jahrhundert charakteristischen Übertragung der Erkenntnisse zur Ontognese, also den Beobachtungen des kindlichen Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) in der Individualgeschichte, auf die Ebene der Phylogenese, also die Stammesgeschichte der Spezies Mensch (ĺ Ursprung). Schon COMENIUS hatte darauf verwiesen, dass die Stummheit lediglich eine Konsequenz der Taubheit sei. Da der Taube von Natur aus keine artikulierten Laute hören und Bedeutungen mit ihnen verknüpfen könne (ĺ Bedeutung), bliebe er auch stumm. Einen Ausweg aus der Stummheit bietet neben der Erlernung der menschlichen Lautsprache mithilfe des Lippenlesens etwa nach der Methode AMMANs die Verwendung der Gebärdensprache. Ohne diese wäre der von Geburt an Taubstumme nach Auffasung MAYETs, eines Teilnehmers an der Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung (1771), dümmer als das ‘wilde Kind’ aus Songi (ĺ Ursprung). MAYET betont in seiner Abhandlung ([MAYET 1771] I-M-664) die zentrale Rolle der Sprache für das Denken (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Da nach MAYETs Auffassung die Sprache konstitutiv für das Denken ist, ist die Denkentwicklung Taubstummer durch ihre Hörschädigung nachhaltig beeinträchtigt. Weil zahlreiche Imitationsbewegungen der Taubstummen nach MAYETs Vorstellung auf
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken reiner Körperdeixis beruhen (wie etwa im Falle des Taubstummen von Chartres, den die Pariser Académie des Sciences im Jahre 1734 beschreibt), stellt die Gebärdensprache der Taubstummen für MAYET eine Kommunikationsform dar, die weit hinter der artikulierten Lautsprache gesunder Menschen einzuordnen ist (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Die Annahme, dass es sich bei den Taubstummen um geistig Zurückgebliebene handle, die mit Tieren gleichzusetzen seien, war im 18. Jahrhundert weit verbreitet. Gerade weil die Hörenden nicht mit den Taubstummen kommunizieren konnten und die Taubstummen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen wurden, blieben sie stumm und wurden wegen ihrer Sprachlosigkeit als dumm wahrgenommen. Diese Sichtweise der physischen Beeinträchtigung Gehörloser führte dazu, dass ihr Denken weitgehend unbeachtet blieb. Aufgrund der Wolffschen Identifizierung von Sprechen und Denken hat man gerade in Deutschland dem Taubstummen, solange er sich nur mithilfe einer Gebärdensprache ausdrückte, das eigentliche Denken abgesprochen. In Frankreich, das gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch die Gehörlosenpädagogik eines DE L’ÉPÉE oder eines SICARD einen großen Aufschwung des Gesturalismus zu verzeichnen hatte, hatte zunächst ROUSSEAU in seinem Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes (1755) mit der Behauptung, dass Gesten nur für die Darstellung konkreter und leicht begreifbarer Objekte geeignet seien, während die artikulierte Lautsprache Grundvoraussetzung abstrakten Denkens sei, der Vorstellung, dass Taubstumme geistig minderbemittelt seien, Vorschub geleistet. Auch ROUSSEAUs Konzeption des Stimmklangs (ĺ Stimme) und der Prosodie (ĺ Prosodie / Akzent) als Seele der Sprache und Ausdrucksmedium von Gefühl und Wahrhaftigkeit begünstigte die Vorstellung von der intellektuellen und sprachlichen Defizienz Gehörloser. Ein radikales Urteil zur Sprachfähigkeit Gehörloser fällt LA METTRIE, der die Auffassung vertritt, dass bei entsprechender Unterrichtung etwa in der Methode AMMANs ein Affe einen Taubstummen übertreffen würde (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zei-
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) chen)). Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts ist die Vorstellung, dass Taubstumme aufgrund ihres physisch defizitären Spracherwerbs und der daraus resultierenden vorgeblichen geistigen Zurückgebliebenheit den Tieren vergleichbar seien, geläufig. Dies kann etwa anhand einer Äußerung DE L’ÉPÉEs in seinem Lehrbuch zur Gehörlosenerziehung (La véritable manière d’instruire les sourds et muets) aus dem Jahre 1784 nachvollzogen werden. Im einleitenden Avertissement de l’auteur führt er religiös-humanistische Beweggründe für sein Anliegen an, die Taubstummen mithilfe seiner Methode aus einem unseligen Zustande, der dem der Animalität vergleichbar sei, befreien zu wollen (une classe vraiment malheureuse d’hommes semblables à nous, mais réduits en quelque sorte à la condition des bêtes). Gegen ROUSSEAUs Behauptung, dass abstraktes Denken nur auf der Grundlage artikulierter Lautsprache möglich sei, negiert DE L’ÉPÉE die Existenz einer naturgegebenen Verbindung zwischen Ideen und Lautsprache. Auch der Taubstummenlehrer SICARD gelangt in seinem Cours d’instruction d’un sourd-muet de naissance (1800) zu dem Schluss, dass der Taubstumme, der aufgrund seiner physischen Beeinträchtigung keinerlei gesellschaftliche Teilhabe genießen dürfe, ohne Unterweisung einem lebendigen Automaten vergleichbar sei (C’est un être parfaitement nul dans la société, un automate vivant) und ähnlich wie in der tabula-rasaKonstellation von BONNETs oder CONDILLACs Statue nur durch Erweckung seiner Sinne mithilfe pädagogischer Instruktion auf Integration hoffen dürfe. Bei diesem Verfahren sei es notwendig, dass die funktional unbeeinträchtigten Sinne Kompensationsleistungen für den fehlenden Hörsinn erbrächten. Ein Taubstummer ist nach Meinung SICARDs aufgrund seiner physischen Beeinträchtigung vor jeglicher pädagogischen Unterweisung mit einer wandelnden Maschine vergleichbar (Le Sourd-Muet n’est donc jusque-là qu’une sorte de machine ambulante), die in Bezug auf ihre Organisationsstruktur noch hinter den Tieren anzusiedeln ist. Selbst gegenüber den exotischen Völkern oder den Naturmenschen erscheine der Taubstumme als unterprivilegierte Kreatur. Während wilde Völker un-
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tereinander kommunizieren könnten, da sie mithilfe der artikulierten Lautsprache einen Kanal der Kommunikation zum wechselseitigen Gedankenaustausch (un canal de communication de pensées réciproques) herstellten, verbleibe ein Taubstummer ohne pädagogische Unterweisung in einem Zustand der Isolation. In seiner Beurteilung stellt SICARD den physisch defizitären Spracherwerb Taubstummer dem kulturell defizitären Spracherwerb exotischer Völker gegenüber, wobei letzterer als eine schwächere Ausprägungsform kognitiver und sprachlicher Defizienz erscheint. Gegen die Annahme eines defizitären Spracherwerbs der Taubstummen richtet sich DIDEROT mit seiner Lettre sur les sourds et muets (1751), in der er sich mit dem Verhältnis verschiedener semiotischer Systeme, ihrer Leistungsfähigkeit und dem Problem der Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) als Abbild der Reihenfolge unserer Gedanken befasst. Entgegen der geläufigen Unterstellung, dass Taubstumme geistig zurückgeblieben seien, konzipiert er seinen Brief an die Taubstummen geradezu als eine Apologie der kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten dieser Gruppe. Gerade die Untersuchung der Gebärdensprache Taubstummer soll für DIDEROT der Klärung der Frage dienen, ob es eine Reihenfolge der Gedanken unabhängig von der artikulierten Lautsprache gebe (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Diese Fragestellung zielt zugleich auf das Problem der (Laut-)Sprachabhängigkeit des Denkens ab. Die ĺ Linearität artikulierter Lautsprache wird von DIDEROT kritisch analysiert, indem er ihr etwa die Simultaneität der Malerei gegenüberstellt. Der Gebärdensprache Taubstummer schreibt DIDEROT eine größere Expressivität als der artikulierten Lautsprache zu und belehnt sie auch mit dem Attribut größerer Ursprünglichkeit, indem er sie wie CONDILLAC an den Anfang der Sprachgenese setzt (ĺ Ursprung). Auch wenn DIDEROTs Lettre sur les sourds et muets (1751) nicht primär als Verteidigungsschrift für die Taubstummen geschrieben wurde und er nicht das Ziel der Erforschung der Gebärdensprache als solcher verfolgt, sondern Abweichungen seiner Muttersprache von einer als ursprünglich angenommenen Ausdrucksform untersuchen möchte, zeugt
364 dieser Brief von DIDEROTs Interesse nicht nur für den genormten Menschen, sondern gerade für den pathologischen Einzelfall. Das Konzept des ‘physisch defizitären Spracherwerbs’ erscheint in DIDEROTs Lettre sur les sourds et muets in einen komplexen Zusammenhang ästhetischer und semiotischer Reflexionen integriert, die jedoch gerade die Fähigkeiten Taubstummer in den Vordergrund stellen und deren Defizite in den Hintergrund rücken lassen. 1.3. Exotische Völker und kulturell defizitärer Spracherwerb Der defizitäre Spracherwerb exotischer Völker wird im 17. und 18. Jahrhundert mit der kulturellen Rückständigkeit dieser Gruppe begründet und erscheint eingebettet in eurozentristische Vorstellungen von sprachlicher, intellektueller und kultureller Primitivität außereuropäischer Kulturkreise. Exotischen Völkern wird ein niedrigerer Entwicklungsstand und auch eine geringere Fähigkeit zur Darstellung von komplexen Ideen, Allgemeinbegriffen und Abstrakta zugestanden. Als charakteristisch ist in diesem Zusammenhang die gleichzeitige Abwertung der Sprachen ebenso wie der Gebräuche, Sitten und Lebensweisen dieser Völker zu betrachten. Vor dem Hintergrund einer undeutlich anmutenden Grenzziehung zwischen exotischen Völkern, ‘wilden Kindern’ und monströsen Wesen erfolgt eine negative Beurteilung sowohl unter Hinzuziehung sprachlicher als auch allgemeiner kultureller Kriterien. Wegen der vorgeblichen Primitivität dieser fremden Kulturen erscheinen ihre Sprachen als den europäischen unterlegen und werden nicht selten auf der Stufe animalischer Kommunikationsformen angesiedelt. So beschreibt etwa LAMY die Sprachen exotischer Völker, die er als barbares bezeichnet, als Ausdruck ihrer tierischen Natur. Exotische Völker dächten nur an Essen und Trinken und verfügten kaum über das notwendige Vokabular zur Darstellung der Nahrungsaufnahme. Im 18. Jahrhundert zählte LA CONDAMINEs Relation abrégée d’un voyage fait dans l’intérieur de l’Amérique méridionale (1745) zu den verbreitesten Reiseberichten über exotische Völker und wurde in der Folgezeit im-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken mer wieder als Quelle für die Demonstration der Primitivität südamerikanischer Sprachen und Gebräuche herangezogen. LA CONDAMINE beschreibt alle Idiome Südamerikas, die er kennenlernte, als sehr arm (Toutes les langues de l’Amérique Méridionale dont j’ai eu quelque notion, sont fort pauvres). Zwar spricht er einigen dieser Sprachen wie etwa der des alten Peru durchaus Energie und Eleganz zu (ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia), aber alle seien sie durch den Mangel an Abstrakta und Allgemeinbegriffen gekennzeichnet (mais toutes manquent de termes pour exprimer les idées abstraites & universelles). Als Beleg für diese Behauptung führt er die Begriffe temps (‘Zeit’), durée (‘Dauer’), espace (‘Raum’), être (‘Wesen’), substance (‘Substanz’), matiere (‘Materie’) und corps (‘Körper’) an. Nicht nur metaphysische Begriffe, sondern auch solche der Moral wie etwa vertu (‘Tugend’), justice (‘Gerechtigkeit’), liberté (‘Freiheit’), reconnoissance (‘Dankbarkeit’) oder ingratitude (‘Undankbarkeit’) seien diesen Völkern fremd. Die Armut der südamerikanischen Sprachen im Hinblick auf Abstrakta und Allgemeinbegriffe interpretiert LA CONDAMINE als Zeichen für den geringen geistigen Fortschritt der Völker Südamerikas. Sprachen werden in dieser Sichtweise als Spiegel des Denkens gesehen, das aus der europäischen Perspektive LA CONDAMINEs als rückständig erscheint. Charakteristisch für die Beschreibung des kulturell defizitären Spracherwerbs exotischer Völker ist auch LA CONDAMINEs Darstellung der Sprache der Yameos, die er als besonderes schwierig empfindet. Diese schwer zu artikulierende Sprache beruhe fast ausschließlich auf konsonantischer Grundlage und werde durch die Modifikation des eingeatmeten Atemstroms produziert. Damit unterscheidet sie sich wesensmäßig von den europäischen Sprachen, welche durch die Modifikation der ausgeatmeten Luft artikuliert werden. LA CONDAMINE nimmt hier eine phonetische Charakterisierung vor, die in der heutigen Terminologie als Unterschied zwischen ingressiven und egressiven Artikulationsweisen geläufig ist (ĺ Artikulation). Die Sprache der Yameos wird außerdem im Hinblick auf die Morphologie ihres Lexikons
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) von LA CONDAMINE als zu aufwändig beschrieben, da die meisten Wörter sich aus neun oder zehn Silben zusammensetzten. So bedeute etwa das Wort Poettarrarorincouroac die Zahl ‘drei’. Da die Yameos glücklicherweise aber nicht weiter als bis drei zählen könnten, erweise sich die fehlende Ökonomie der Morphologie ihrer Zahlwörter nicht als Hindernis für Ausländer. Auch die brasilianische Sprache sei durch dieselbe Armut an Zahlwörtern (la même disette) gekennzeichnet, da sie für Zahlen jenseits von ‘drei’ auf das Portugiesische zurückgreifen müsse. LA CONDAMINEs Darstellung der defizitär anmutenden Sprachen der Völker des Amazonas wurde auch in der Folgezeit von Autoren wie etwa HERDER, MONBODDO oder BEATTIE wieder aufgegriffen. So beruft sich etwa HERDER ausdrücklich auf LA CONDAMINEs Bericht über eine “kleine Nation am Amazonenfluß”, die eine Sprache spreche, deren Wörter so viele Silben enthielten, dass sie nicht geschrieben werden könnten (ĺ Schrift). Auch MONBODDO knüpft explizit an LA CONDAMINEs Beschreibung an, wenn er sich auf die ungewöhnliche Art der ĺ Artikulation eines Volkes am Amazonas bezieht, dessen Sprache der Franzose als tiefes, gutturales Murmeln charakterisiert habe (the sound of their language was so low, and so much inward, more resembling muttering than speaking). Auch BEATTIE greift LA CONDAMINEs Beschreibung auf, wenn er auf Reiseberichte verweist, die von der monströsen Länge einiger Wörter in exotischen Sprachen handelten (certain words of monstrous length, that are current in savage nations). Als Beispiele fehlender Ökonomie nennt er das Wort wonnaweucktuckluit, mit dem die Eskimos die Zahl ‘drei’ bezeichneten und stellt diesem das von LA CONDAMINE zitierte Wort poetazzarorincouroac der Wilden am Ufer des Orellana in Südamerika gegenüber. Allerdings zweifelt BEATTIE die Darstellung LA CONDAMINEs mit der Vermutung an, bei den Wörtern wonnaweucktuckluit und poetazzarorincouroac könne es sich auch um einen ganzen Satz oder eine Redewendung gehandelt haben, die die europäischen Reisenden nicht verstanden hätten. Gegenstand eurozentristischer Kritik ist auch die Sprache der südamerikanischen Galiben,
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welche MAYET in seiner Einsendung auf die Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung ([MAYET 1771] I-M-664) als arm und primitiv beschreibt. Die Galiben werden von MAYET als halbwildes südamerikanisches Volk charakterisiert (peuple de l’Amérique méridionale, encore à demi-sauvage), dessen Sprache aus nicht mehr als dreihundert Wörtern bestehe. Als Beleg für die Armut der Sprache der Galiben führt MAYET die Tatsache an, dass sie Lehnwörter wie das spanische arquabousa und camisa oder das flämische Brandevin benutzten. Er spricht in diesem Zusammenhang von la dépravation du langage primitif de ces Sauvages und charakterisiert damit explizit den kulturell defizitären Spracherwerb dieses exotischen Volkes. Als weiteres Kennzeichen des defizitären Charakters der Sprache der Galiben nennt MAYET den Mangel an Onomatopoetika und das Fehlen des Prinzips der ĺ Analogie, welche er als ein konstitutives Prinzip von Sprache überhaupt ansieht. Aufgrund dieser Defizite hält MAYET eine Analyse des Lexikons des Galibischen für unmöglich. Neben den südamerikanischen werden im 17. und 18. Jahrhundert auch die Sprachen der afrikanischen und asiatischen Völker als defizitär und als Widerspiegelung einer primitiven Kultur charakterisiert. Als Prototyp der Beschreibung kultureller Primitivität kann etwa die Darstellung der Einwohner der Insel Formosa gelten, die BUFFON in seiner Histoire naturelle, générale et particulière (1749) liefert. Er stellt diese Insulaner als außerordentlich faul dar (ces peuples sont fort fainéans) und behauptet zudem, es handele sich dabei um Menschen mit Schwänzen, womit er sie als Zwischenwesen zwischen Menschen und Tieren klassifiziert. Dieses Urteil findet sich in einem eigenen Kapitel der Histoire naturelle, générale et particulière, das BUFFON den verschiedenen Varianten der menschlichen Spezies widmet. In der Gegenwart wurde dieses von BUFFON als Variétés dans l’espèce humaine titulierte Kapitel gar als Geburtsurkunde der wissenschaftlichen Anthropologie klassifiziert (vgl. SCHMITT / CRÉMIÈRE in BUFFON ([1749] 2007–): III, 53). In diesem Text zieht BUFFON eine Vielzahl von Reiseberichten heran, die ihm zur Darstellung exotischer Völker dienen,
366 wobei er auch zahlreiche ästhetische Werturteile fällt, die stark eurozentristisch geprägt sind. Als prototypische Repräsentanten kultureller und sprachlicher Defizienz beschreibt BUFFON die Hottentotten in seinem Kapitel über die Vielfalt menschlicher Rassen und Völker. Unter Berufung auf die Berichte holländischer Seefahrer charakterisiert er sie als mittelgroße, magere, behende Rasse mit unförmigem Gesicht, die eine seltsame Sprache spreche, welche dem Glucksen eines Truthahns vergleichbar sei (leur langage est étrange, & [qu’]ils gloussent comme des coqs d’inde). Der Vergleich der als Inkarnation der Primitivität empfundenen Sprache der Hottentotten mit dem Glucksen eines Truthahns ist zu einem Topos der Sprachbetrachtung des 18. Jahrhunderts geworden. So findet sich die Zuschreibung einer animalisch anmutenden Sprache an die Hottentotten etwa auch in MAYETs Einsendung auf die Berliner Preisfrage, in der BUFFONs Naturgeschichte ausführlich gewürdigt wird (et ceux [les sons, C. N.] des Hottentots [ressemblent], au gloussement des coqs d’inde). Die Sprache der Hottentotten wird von MAYET als Inkarnation der Primitivität der Sprachen exotischer Völker beschrieben, wobei verschiedenen Kulturen charakteristische Artikulationsschwierigkeiten (ĺ Artikulation) zugeordnet werden: So seien die Ephroiten außerstande ein [s] zu sprechen, die Araber brächten kein [p] hervor und die Huronen keine Labiallaute, während die Laute der Samojeden dem Gekreische von Affen vergleichbar seien und die Vokalisierungen der Grönländer tierischem Geschrei ähnelten (les sons, que forment les Samoyèdes, ressemblent au caquet des singes, ceux des Grœnlandois, à des cris de bêtes). Ausgehend von der Unfähigkeit bestimmter Völker, einzelne Laute zu artikulieren, wird von MAYET gleichsam eine Skala des defizitären Spracherwerbs exotischer Völker aufgestellt, die als primitiv empfundenen Völkern wie Samojeden, Grönländern und Hottentotten kaum eine wirklich differenzierte Lautsprache, sondern eher tierische Kommunikationsformen zuweist (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Auch HERDER nimmt in seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache eine kritische
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Würdigung exotischer Sprachen vor, die er als unschreibbar und unaussprechlich charakterisiert (ĺ Schrift; ĺ Artikulation). In diesem Sinne kritisiert er die Sprachen der Abenakier und Huronen ebenso wie die der Lappländer und Neger, wobei er Letzteren eine “Truthühnersprache” zuordnet, die er als Widerspiegelung kognitiver und kultureller Defizite beschreibt (und der Neger mit seiner Haut, mit seiner Tintbläschenschwärze, mit seinen Lippen und Haar und Truthühnersprache und Dummheit und Faulheit sei ein natürlicher Bruder der Affen desselben Klimas). Bereits bei BOUGEANT findet sich die Zuschreibung einer “Truthahnsprache” an die Hottentotten. Jedoch verweist er darauf, dass dieser Eindruck auf die anders geartete Akzentgebung und Melodiegestaltung (ĺ Prosodie / Akzent) der Sprache der Hottentotten zurückgeführt werden könne (C’est ainsi que les Hottantots dans l’Afrique semblent glousser comme le Cocq d’Inde, quoique ce soit l’accent naturel de leur langue, & qu’il y a des peuples qui nous paroissent chanter en parlant). Allerdings nimmt BOUGEANT seine Beurteilung im Kontext eines Vergleiches zwischen der menschlichen Lautsprache und der “Sprache der Vögel” vor (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Ebenso wie es sich bei den Vögeln nicht um singende, sondern sprechende Geschöpfe handle, weil die “Prosodie” ihrer Lautkundgebungen für das menschliche Ohr fremd klinge, sei die Melodieführung der Sprache der Hottentotten für europäische Ohren befremdlich. Das Konzept eines ‘kulturell defizitären Spracherwerbs’ exotischer Völker tritt im 17. und 18. Jahrhundert in der Regel im Kontext eurozentristischer Bewertungen auf, die auf die Fremdartigkeit und Rückständigkeit anderer Kulturen abzielen, deren vorgebliche Primitivität sich in artikulatorischen Defiziten ebenso wie im Bereich der Lexik widerspiegelt. Hier wird die Armut bzw. die Absenz von Abstrakta, Zahlwörtern und Allgemeinbegriffen als Abbild einer kognitiven Beschränkung gesehen, die zusätzlich mit pejorativen moralischen Werturteilen verknüpft wird, indem etwa den exotischen Völkern Attribute wie Faulheit, Schmutzigkeit oder tierische Primitivität zugeschrieben werden.
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) 2. Zusammenfassung zum Konzept des ‘defizitären Spracherwerbs’ im 17. und 18. Jahrhundert Das Konzept des ‘defizitären Spracherwerbs’ vereint im Untersuchungszeitraum vor allem im 18. Jahrhundert die verschiedenen Ausprägungsformen des sozialen, physischen und kulturell defizitären Spracherwerbs. Diese Art der Betrachtung ist maßgeblich im Kontext der Hypothesenbildung zum Sprachursprung (ĺ Ursprung) zu verorten, die sich durch einen hypothetischen Empirismus auszeichnete, der den historisch uneinholbaren Zustand der Sprachentstehung mithilfe von Gedankenexperimenten bzw. Beobachtungen von Individualfällen zu rekonstruieren versuchte. Eine Auseinandersetzung mit sprachlich defizitären Individuen schien zudem Erfolg versprechend für die Beantwortung der Frage nach dem ĺ Wesen der Sprache und dem Wesen des Menschen, da gerade die Bestimmung der Charakteristika des Devianten eine exaktere Definition der Wesensmerkmale der menschlichen Spezies zu gewährleisten schien. Auch die Rolle und die verschiedenen Funktionen der Sprache glaubte man anhand von Beispielen sprachlich defizitärer Individuen besser definieren zu können: So erlaubte die Beschäftigung mit den ‘wilden Kindern’ Einblicke in die Rolle der Gesellschaft für den Prozess des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb), da ihre Isolation und Abgeschiedenheit von der Zivilisation Wildkinder als “Minusvariante” des zivilisierten Menschen und damit als dem Naturmenschen ROUSSEAUs vergleichbar erscheinen ließ. Ihr Beispiel konnte daher zur Erhärtung der Annahme einer gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache) dienen. Der physisch defizitäre Spracherwerb Taubstummer wurde im 17. und 18. Jahrhundert vielfach zum Anlass ihrer Herabwürdigung und Stigmatisierung als zurückgebliebene Außenseiter genommen, die auf einer Ebene mit Tieren, Geisteskranken oder ‘wilden Kindern’ verortet wurden. Im Gegensatz zu dieser weitverbreiteten Konzeption eines physisch defizitären Spracherwerbs Gehörloser versprach sich vor allem DIDEROT insbesondere von dieser Gruppe Aufschluss über die ĺ kognitive Funktion der Sprache, da die
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spezifischen Einschränkungen des Spracherwerbs Taubstummer Erkenntnisse über das Verhältnis zwischen Sprache und Denken, die Existenz sprachunabhängigen Denkens sowie die Reihenfolge unserer Gedanken und deren Abbildung in der Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) verhießen. Die Betrachtung des kulturell defizitären Spracherwerbs exotischer Völker gestattete eurozentristische Vergleiche mit als minderwertig eingestuften andersartigen Sprachen und Schriftsystemen (ĺ Schrift); auch der Vergleich zwischen Gebärden- und Lautsprache geriet in diesem Zusammenhang in den Fokus (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Das Konzept des ‘defizitären Spracherwerbs’ lieferte im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert ein wichtiges Argumentationsmuster, in dem zahlreiche weitere sprachtheoretische Konzepte der damaligen Zeit konvergierten. Es wurde namentlich getragen von der Vorstellung der Superiorität der europäischen Kultur und Zivilisation gegenüber fremden Völkern sowie von den teilweise voyeuristisch zusammengetragenen Legenden, Hypothesen und realen Erfahrungsberichten über ‘wilde Kinder’, die als Zwischenwesen zwischen dem Reiche der Tiere und der Sphäre des Menschen in der großen Kette der Lebewesen situiert wurden. Das Konzept des ‘defizitären Spracherwerbs’ steht daher auch im Fokus der aufklärerischen Diskussion um das Wesen des Menschen und seiner Sprache.
IV. Überlegungen zum ‘defizitären Spracherwerb’ lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen und treten in dieser Zeit im Zuge von Mythen und Legendenbildung in den Vordergrund. Erzählungen über Heldenfiguren, die nach ihrer Geburt ausgesetzt wurden und – von menschlicher Zivilisation isoliert – von Tieren aufgezogen wurden, sind Topoi antiker Überlieferung. So lässt sich das bekannteste Fallbeispiel ‘wilder Kinder’ bis zur Entstehungszeit der Stadt Rom zurückverfolgen, deren Gründerväter ROMULUS und REMUS der Sage nach von einer Wölfin gesäugt wurden. Aber auch SEMIRAMIS, die Gründerin Babylons, die nach der Legende von Vögeln großgezogen wurde, und die Geschichten des Ödipus oder des ausgesetzten Paris,
368 der von einer Bärin gesäugt worden sein soll, sind in diesem Kontext zu würdigen. Das von HERODOT berichtete Experiment des legendären ägyptischen Königs PSAMMETICHOS I., der zur Ermittlung der ĺ Ursprache des Menschengeschlechts zwei neugeborene Kinder einem Hirten anvertraute, der diese unter der Obhut von Ziegen aufwachsen ließ, ohne sie jedoch mit Sprache in Kontakt kommen zu lassen, gehört zu den frühen Mythen, die eine Konstellation des defizitären Spracherwerbs herstellen. Auf das PSAMMETICHOSExperiment wurde in der Folgezeit immer wieder zurückgegriffen. So ließen etwa im Laufe der Geschichte der Stauferkaiser FRIEDRICH II., der schottische König JAMES IV. oder der indische Kaiser AKBAR Isolationsexperimente im Stile des PSAMMETICHOS durchführen (ĺ Ursprache; ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Ebenso wie die später als wilde Kinder bezeichneten Kreaturen als Wesen zwischen Mensch und Tier begriffen wurden, treten auch bereits in der Antike zahlreiche Fabelwesen und exotische Völker auf, die zwischen diesen Ebenen vermitteln. Bei ihrer Beschreibung überschneiden sich Legendenbildung und das Bemühen um historische Darstellung. Zu diesen exotischen Völkern sind etwa die Satyrn zu zählen, die PAUSANIAS in seiner Beschreibung Griechenlands (Graeciae Descriptio) charakterisiert. Er zeichnet sie als rotmähnige, mit einem Schwanz versehene, lüsterne und stumme wilde Kreaturen, die von Matrosen auf einer Inselgruppe vorgefunden worden sein sollen, die daraufhin als Satyriden bezeichnet wurde. Auch PLINIUS beschreibt die Satyrn in seiner Naturgeschichte als eine bizarre Kreuzung aus Affen und Menschen. Er bezieht sich außerdem auf das weitgehend unbekannte wilde Volk der Choromanden, das über keine Sprache verfüge, sondern nur ein schreckliches Geschrei vernehmen ließe, am ganzen Körper behaart sei und grüne Augen und Zähne wie Hunde besitze (PLINIUS, Naturalis Historia VII, II, 24). Die Historienberichte antiker Autoritäten wie ARISTOTELES, PLINIUS oder HERODOT, die von monströs anmutenden Wesen wie Satyrn, Pygmäen, Zyklopen oder Troglodyten erzäh-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken len, liefern auch für die zukünftige Tradition immer wieder Ansatzpunkte für Diskussionen über das menschliche Wesen, seine Vernunft und Sprachfähigkeit sowie seine Beziehung zur Gesellschaft. Durch die Vermittlung der Kirchenväter, die die antiken Vorstellungen von mystischen Fabelwesen übernehmen, werden auch im Mittelalter ‘Waldmenschen’ und Dämonen, die als eigene Spezies und nicht als verwilderte Menschen verstanden werden, zum Gegenstand der Legendenbildung. Allerdings war im Mittelalter das Aussetzen von Geisteskranken in die Wälder jenseits der Städte, welche Zentren der Zivilisation darstellten, eine geläufige Praxis. Durch ihre Isolation verloren die Ausgesetzten neben ihrem Verstand auch ihren menschlichen Habitus und ihre Sprache. Der ‘wilde Mensch’ wird im Mittelalter als eine eigene Spezies aufgefasst, die als behaartes, sprachloses, unzivilisiertes, anormales Wesen die Wälder bevölkert, aber zugleich auch mit Attributen wie Fruchtbarkeit und Natürlichkeit versehen wird. In der Renaissance werden die Fabelwesen und ‘wilden Menschen’ der Antike ebenso wie die Teufel und monströsen Gestalten des Mittelalters wieder aufgegriffen. So möchte etwa KOLUMBUS im Jahre 1493 auf der Insel Cibao Menschen mit Schwänzen gesehen haben, bei denen es sich wahrscheinlich um Menschenaffen gehandelt haben dürfte, deren Status selbst im 18. Jahrhundert noch unklar war und das Problem der Abgrenzung zwischen Menschenhaftigkeit und Animalität aufwarf. Im 19. Jahrhundert wird das Thema des defizitären Spracherwerbs ‘wilder Kinder’ fortgesetzt. Zusehends gelangt dabei die Frage in den Fokus, ob ihre Schwachsinnigkeit und Sprachlosigkeit durch genetische Disposition bedingt gewesen seien oder ob Imbezillität und Stummheit als Resultat ihrer sozialen Isolation zu interpretieren seien. Im Zuge dieser Diskussion postuliert etwa der Tübinger Professor TAFEL, dass der homo ferus der Linnéschen Klassifizierung mit dem Urmenschen identisch sei. ‘Wilde Kinder’ seien nicht durch genetische Vererbung bedingt schwachsinnig, sondern als Ergebnis ihrer sozialen Isolation. Demgegenüber orientiert sich TYLOR in “Wild Men and Beast-Cildren” (1863) an der Kritik BLUMENBACHs, der sich
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) um eine Überprüfung der Wahrscheinlichkeit der bekannten Fälle ‘wilder Kinder’ bemüht hatte und sie keineswegs als Beispiel des Naturmenschen im Sinne von LINNÉs homo ferus klassifizieren wollte. In dem Bemühen, die niedrigste Schwelle des Menschseins zu erforschen, strebt TYLOR eine Orientierung an Fakten und an Wahrscheinlichkeiten der jeweiligen bekannten Fälle ‘wilder Kinder’ an. Im Zusammenhang mit den ‘wilden Kindern’ führt er die Begriffe der degradation und brutalization ein. Aufgrund fehlender Erziehung oder wegen ihrer Imbezillität seien diese Kinder einer “Verwilderung” zum Opfer gefallen. Die Annahme, bei ‘wilden Kindern’ handle es sich um tierische Wesen, sieht TYLOR als Folge ihres Lebens in der Wildnis an. Ob der Schwachsinn und die Sprachlosigkeit dieser Individuen auf ihre soziale Isolation oder auf ihre genetische Prädisposition zurückzuführen seien, hält er allerdings für eine nicht eindeutig lösbare Problemstellung. Ein Beispiel eines ‘wilden Kindes’, das TYLOR für seine Argumentation heranzieht, ist Kaspar Hauser, der 1828 in Nürnberg aufgegriffen wurde. Da Hausers Verwilderung jedoch als Folge seiner jahrelangen Gefangenschaft in einem Keller auftrat und nicht auf ein Leben unter Tieren im Wald zurückzuführen war, scheint der Vergleich seines Falles mit den durch LINNÉs Klassifizierung bekannten Fällen ‘wilder Kinder’ fragwürdig. Im Gegensatz etwa zu Victor von Aveyron, der neben Kaspar Hauser im 19. Jahrhundert das prominenteste ‘wilde Kind’ war, befand sich das Nürnberger Findelkind bei seiner Ergreifung im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und hebt sich damit von den Fällen, die durch LINNÉs Liste allgemeine Verbreitung erfahren hatten, deutlich ab. Auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts erscheinen wiederholt Auflistungen mit Fällen ‘wilder Kinder’. So zitiert etwa RAUBER das alte Modell LINNÉs, das er als glaubwürdige Quelle ansieht. Auch terminologisch greift er dessen Klassifizierung auf, indem er den homo sapiens ferus zum Gegenstand seiner Untersuchung erhebt. Im Zentrum der Diskussion des 19. Jahrhunderts über die ‘wilden Kinder’ stehen die Figuren Victor von Aveyron und Kaspar Hauser. Allerdings kommt TINLAND (1968: 133)
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zu dem Ergebnis, dass man in Frankreich nach dem Fall Victors zu keinen neuen Erkenntnissen über den ‘wilden Menschen’ mehr gelangt sei, da nach der Französischen Revolution Diskussionen über ‘wilde Kinder’ und den Urzustand der Menschheit außer Mode gekommen seien. Zusammenfassend lässt sich das 19. Jahrhundert als eine Zeit charakterisieren, in der das ‘wilde Kind’ als ein anormales, deviantes fremdes Wesen aufgefasst wurde, das eine pathologische Abweichung von der Norm sprachlicher Kommunikation und sozialen Verhaltens darstellte. ‘Wilde Kinder’ wurden als retardierte Individuen ohne Vernunft, Sprache und ohne Aussicht auf die im 18. Jahrhundert so gefeierte Perfektibilität eingestuft. Die Frage, ob ihr defizitärer Spracherwerb und ihre kognitive Zurückgebliebenheit angeboren oder auf soziale Isolation zurückzuführen seien, wurde allerdings nicht geklärt. Nach Jahren des Schweigens wurde das Interesse an ‘wilden Kindern’ im 20. Jahrhundert neu entfacht durch den Fund der Indischen Wolfsmädchen Amala und Kamala. In seiner Schrift “Feral man and extreme cases of isolation” erstellt ZINGG (1940) eine Liste der Fälle ‘wilder Kinder’, die sowohl von Tieren aufgezogene Individuen als auch Fälle extremer Isolation wie etwa Kaspar Hauser umfasst. ZINGG betont die entscheidende Rolle der Umweltreize für die Ausprägung menschlicher Fähigkeiten. Fälle der Verwilderung sieht er als Beleg für den maßgeblichen Einfluss der Gesellschaft auf die Entwicklung des Individuums. Das Verhalten ‘wilder Kinder’ beweist nach ZINGGs Auffassung, dass die genetisch angelegten Dispositionen des Menschen einer Aktualisierung durch Umweltreize bedürfen, um zur Entfaltung zu gelangen. Während ZINGG die mythischen und fiktionalen Anteile der Fallbeispiele ‘wilder Kinder’ reduziert, zweifelt DENNIS (1941) in “The Significance of Feral Man” deren Glaubwürdigkeit grundsätzlich an. Er lehnt es ab, Informationen über ‘wilde Kinder’ als Quellen für den Verlauf des kindlichen Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) überhaupt zu konsultieren.
370 Der 1970 bekannt gewordene Fall der kleinen Genie aus Los Angeles, die seit ihrer frühen Kindheit bis zum Alter von dreizehn Jahren von ihren Eltern in einem dunklen Keller ohne Kommunikation gefangengehalten wurde und bei ihrer Auffindung keine Sprache produzieren konnte, zählt zu den spektakulärsten, aber auch umstrittensten Fällen sozial defizitären Spracherwerbs, die in jüngerer Zeit bekannt wurden. Im Jahre 1971 wurde Genie zum Studienobjekt der Linguistin CURTISS, die sie als ‘wildes Kind’ klassifizierte. Durch diese Einordnung traten zugleich ethische Grenzen der Forschung zutage, da Genies Mutter dagegen einen Prozess anstrengte. Für Forschungen zum Spracherwerb und zum defizitären Spracherwerb wurde Genie jedoch als Glücksfall begriffen, da auf der Grundlage von CURTISS’ Studien die etwa von LENNEBERG und CHOMSKY postulierte Annahme der Existenz einer kritischen Phase des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) bei Kindern erhärtet werden konnte, nach deren Überschreitung ein Aufbau der zum Sprachverständnis erforderlichen Hirnstrukturen nicht mehr möglich sei. Eine Untersuchung von Genies Gehirn offenbarte, dass die linke Hemissphäre, die normalerweise für Sprachverarbeitung und Spracherwerb zuständig ist (vgl. KLANNDELIUS 2008: 73), stark unterentwickelt war, was die Stagnation von Genies Sprachfähigkeit auf niedrigem Niveau auch organisch erklärt. Im Gegensatz dazu war die rechte Hirnhälfte, die für das Herstellen logischer Zusammenhänge von fundamentaler Bedeutung ist, gut ausgebildet. Zwar konnte Genie nach ihrer sozialen Reintegration die Stufe der konkret-operationalen Intelligenz im Sinne PIAGETs erreichen und auch ihre visuellräumliche Perzeption gut entwickeln, aber im Bereich des Spracherwerbs zeigten sich signifikante Probleme in Syntax und Morphologie, da ihre Äußerungen weitgehend ungrammatisch blieben. Auch ihre kommunikativ-pragmatischen Fähigkeiten entwickelten sich kaum. Nicht nur das Postulat einer sensiblen Phase des kindlichen Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb), sondern auch die von CHOMSKY in seiner Konzeption einer generativen Grammatik vertretene, durchaus umstrittene Annahme der Existenz eines Sprachorgans (zur
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Kritik vgl. HAIDER 1991, SMITH CAIRNS 1991), das nur in einer bestimmten Phase der kindlichen Entwicklung heranreife und durch äußere Anregungen und Reize aktiviert und stimuliert werden müsse, gewann durch den Fall Genies an Plausibilität. Fälle von Verwilderung oder extremer Isolation konnten zudem zum Beleg der Bedeutung der Reziprozität im Prozess des Spracherwerbs herangezogen werden. Nach PIAGET ist der kindliche ĺ Spracherwerb als ein Prozess zu verstehen, bei dem das Kind eine Reihe von sprachlichen Verhaltensweisen und Gesten von der Mutter und seiner Umwelt übernimmt und erlernt. Die intellektuelle Verarbeitung der Erfahrung unserer Lebenswelt wird nach PIAGETs Verständnis kontinuierlich von der affektiven Verarbeitung unserer zwischenmenschlichen Beziehungen getragen. Für MALSON sind die sprachlichen und psychischen Defizite ‘wilder Kinder’ als Resultate ihres sozial defizitären Spracherwerbs zu verstehen, da ein Geisteskranker zu einem Überleben außerhalb der menschlichen Gesellschaft nicht in der Lage sein dürfte (MALSON / ITARD / MANNONI 1972: 65). Der sozial defizitäre Spracherwerb ‘wilder Kinder’ ist für gegenwärtige Forschungen zum ĺ Spracherwerb vor allem deshalb interessant, weil er die Annahme der Existenz einer sensiblen Phase, in der Sprache im Kindesalter mühelos erworben wird, unterstützt. Nach Verstreichen dieser Phase, die mit dem Einsetzen der Pubertät zu Ende geht, ist ein müheloser und vollständiger Erstspracherwerb kaum noch möglich. Anhand der Fallbeispiele ‘wilder Kinder’ zeigt sich, dass der Spracherwerb ohne sprachlichen Input starken Beeinträchtigungen unterworfen ist, da sich insbesondere syntaktische und morphologische Kompetenzen nach mangelhaftem Input in der Kindheit nicht mehr vollständig erwerben lassen. Dies legt die Annahme einer neurobiologischen Verankerung von Sprache, wie sie von LENNEBERG postuliert wurde, nahe, beweist aber nicht, dass Sprache im Sinne der Nativismushypothese CHOMSKYs angeboren ist. Während die Vorstellung, dass pathologische bzw. als pathologisch klassifizierte Fälle des Spracherwerbs Aufschluss über den normalen Spracherwerb und über den Prozess der
Defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell) Sprachgenese (ĺ Ursprung) überhaupt liefern könnten, für das Sprachdenken des 17. und 18. Jahrhunderts charakteristisch war, wird eine derartige Sichtweise heute kritisch beurteilt. Pathologische Formen der Sprachentwicklung können nicht als Indikatoren für einen normalen Prozess des Spracherwerbs gelten. So mahnen etwa STEVENS / KARMILOFF-SMITH (1997: 758) grundsätzlich zu großer Vorsicht im Umgang mit sprachentwicklungspathologischen Befunden, da z. B. ein sich atypisch entwickelndes Gehirn nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf eine gesunde Hirnstruktur zulasse. Die im 17. und 18. Jahrhundert verbreitete Vorstellung, dass der physisch defizitäre Spracherwerb Taubstummer sie in ihrem Denken beschränke und dass Gebärdensprachen weit hinter der Leistung der artikulierten Lautsprache zurückblieben, ist inzwischen der Einsicht in die mediale Differenz der Gebärdensprache gewichen. Allerdings wurde erst 1960 durch STOKOEs Studie zu Grammatik und Struktur der amerikanischen Gebärdensprache (Sign language structure: an outline of the visual communication systems of the American deaf) die Gebärdensprache als vollwertiges Sprachsystem erkannt. In Deutschland erfolgte ihre Anerkennung als vollwertige Sprache erst im Jahre 2002. Ebenso wie der Erwerb der Gebärdensprache durch Gehörlose zusehends nicht mehr als Ausdruck einer Defizienz, sondern einer Differenz im Prozess der Sprachaneignung verstanden wird, weicht das im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitete Konzept vom ‘kulturell defizitären Spracherwerb’ exotischer Völker in der Moderne dem Bemühen um einen wissenschaftlich fundierten, nicht wertenden Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) und einer ethnolinguistischen Orientierung, die z. B. Indianer- oder Eskimosprachen zu ihren wichtigen Forschungsanliegen zählt. Da die speziell im 18. Jahrhundert geläufige unkritische Übertragung der Erkenntnisse zur Ontogenese des Individuums auf die Phylogenese der Menschheit zur Erklärung des Sprachursprungs in der heutigen Gegenwart kein methodisch vertretbares Verfahren mehr darstellt und andere Erklärungsansätze an seine Stelle treten (ĺ Ursprung), erscheinen
371
Vorstellungen des defizitären Spracherwerbs, wie sie im 18. Jahrhundert durch die Parallelisierung von ‘wilden Kindern’, Taubstummen und exotischen Völkern entstanden, vor allem als historisch relevante Konzepte.
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dt. seine Gedancken (einander, andern) mittheilen, seine Gedanken ausdrücken, seine Gedanken durch Töne auszudrücken; engl. communicate its own Thoughts and Intentions; Communicate our Thoughts, communicating our notions, make known his ideas to the hearer; frz. se communiquer leurs pensées, communiquer ses sentimens et ses pensées, donner des signes de sa pensée, énoncer nos pensées, énonciation des pensées, exprimer les objets de leurs idées; span. comunicar los pensamientos, expresion de las ideas, comunicar á sus semejantes sus mas internos sentimientos.
II. (WILKINS [1641/1707] 1984: 1–2): Every rational Creature, being of an imperfect and dependent Happiness, is therefore naturally endowed with an Ability to communicate its own Thoughts and Intentions; that so by mutual Services, it
might the better promote it self in the Prosecution of its own Well-being. And because there is so vast a Difference betwixt a Spirit and a Body, therefore hath the Wisdom of Providence contrived a distinct Way and Means, whereby they are each of them enabled to Discourse, according to the Variety of their several Natures. The Angles or Spiritual Substances, Per insinuationem specierum, (as the Schoolmen speak.) by insinuating of the Species, or an unveiling of their own Natures in the Knowledge of such Particulars as they would discover to one another. And since they are of an Homogeneous and immaterial Essence, therefore do they hear, and know, and speak, not with several parts, but with their whole Substance. And tho’ the Apostle mentions the Tongue of Angels, yet that is only Per concessionem, & ex hypothesi.
376 But now, Men that have Organical Bodies cannot communicate their Thoughts so easie and immediate a way. And therefore have need of some Corporeal Instruments, both for the Receiving and Conveying of Knowledge. Unto both which Functions, Nature hath designed several Parts. Amongst the rest, the Ear is chiefly the Sense of Discipline or Learning, and the Tongue the Instrument of Teaching. (WILKINS [1641/1707] 1984: 2–3): Now, because Words are only for those that are present [b]oth in Time and Place; therefore to these there there hath been added the Invention of Letters and Writing, which are such a Representation of our Words (tho’ more permanent) as our Words are of our Thoughts. By these we may discourse with them that are remote from us, not only by the Distance of many Miles but also of many Ages. (COMENIUS [1648] 1978: 20): 25. Observandum autem, inter tria illa Usu & exercitatione comparanda, ordinem hunc esse naturalem, ut Ratio sit prima, Operatio media, Oratio postrema. Ratio enim tàm Orationi qvam Operationi necessariò prælucet: ergò utramqve præcedit. Ipsa verò sola esse potest: qvia Res contemplari, & de iis ratiocinari, intelligeréqve eas, tacitus etiam, & ad opera non progressurus, potest. Operatio verò, ut sine Oratione procedere potest, ita sine prævia Ratione non potest. Inter utramqve igitur stat in medio: cùm Oratio Rationem qvidem præreqvirat necessariò, Operationis verò species qvædam sit. (COMENIUS [1648] 1978: 21): 3. Nam, si RES defuerint, de qvibus loqvaris, qvid loqvéris? Si MENTES, (h. e. substantiæ rationales, intellectu præditæ, qvibus res enarres) cui narrabis? Si deniqve VERBA defuerint (qvibus pro vehiculis conceptuum tuorum ad mentem alterius utaris) qvomodo eosdem conceptus mentis Tuæ ad alterius mentem transmittes? Mentes enim nostræ Corporibus inclusæ, eôqve ab invicem ita seclusæ sunt, ut nonnisi externô aliqvô internutio communicare sua inter se possint: Hunc itaqve internuncium illis DEUS addidit, Lingvam. (WALTON [1657] 1777: 5): Est enim sermo quasi animae immortalis vehiculum, quod mentis arcana ex imo pectore pandit, et orationis suadela in aliorum mentes influit.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken (WALTON [1657] 1777: 9): […] est enim sermo animi nuncius, et loqui actio intellectualis, quae hoc modo fit. Conceptu in mente formato, quem verbis exprimendum ratio imperat, aër a pulmonibus sursum expressus, et per ȜȐȢȣȖȖĮ, siue asperam arteriam ad palatum delatus, a lingua labiis et dentibus ex rationis imperio sic flectitur et concinnatur, vt moderatione ea fiat vox articulata. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: Préface): […] parler n’est en general autre chose, que donner des signes de sa pensée. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 21): Parler (à mon avis) n’est autre chose que faire connoistre ce que l’on pense, à ce qui est capable de l’entendre. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 32–33): Vne des principales choses que ie trouve digne de consideration touchant ces signes, est qu’ils n’ont aucune conformité avec les pensées que l’on y joint par institution. En effet soit que nous exprimions nos pensées par des gestes, par des discours ou par des caracteres, qui sont les trois sortes de signes les plus ordinaires, par lesquels nous fassions connoistre nos pensées, nous voyons bien, si nous y faisons un peu de reflexion, qu’il n’y a rien de moins ressemblant à nos pensées que tout ce qui nous sert à les expliquer. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 35): […] la necessité de faire des signes pour communiquer ses pensées […]. (HOLDER 1669: 34): But the design of Speaking, being to Communicate our Thoughts, by ready, easie, and graceful Pronunciation, all kind of Letters have been searched out, that were serviceable for the purpose, as Commodious Elements of Speech, and such discriminations as were not so, whereof many may be sound, (all Articulations not suiting with all matter) they were left out and laid aside. (LAMY [1675] 1688: 1): Il n’y auroit point de societé entre les hommes, s’ils ne pouvoient se communiquer leurs pensées les uns aux autres, en marquant par des signes sensibles les idées qui sont presentes à leurs esprits, & les affections de leur volonté. (LAMY [1675] 1688: 5): Puisque les paroles sont des singes qui representent les choses qui se passent dans nôtre esprit, l’on peut dire qu’elles sont comme une peinture de nos pen-
Mitteilungsfunktion der Sprache sées, que la langue est le pinceau qui trace cette peinture, & que les mots sont les couleurs. Ainsi comme les Peintres ne couchent leurs couleurs qu’après qu’ils ont fait dans leur esprit l’image de ce qu’ils veulent representer sur la toile, il faut avant que de parler, former en nous-même une image reglée des choses que nous pensons, & que nous voulons peindre par nos paroles. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 9): When a man speaks to another, it is that he may be understood: and the end of speech is, that those sounds, as marks, may make known his ideas to the hearer. That then which words are the marks of are the ideas of the speaker […]. (LOCKE [1690] 1894: III, VI, 84–85): This is adjusted to the true end of speech, which is to be the easiest and shortest way of communicating our notions. For thus he that would discourse of things, as they agreed in the complex idea of extension and solidity, needed but use the word body to denote all such. He that to these would join others, signified by the words life, sense, and spontaneous motion, needed but use the word animal to signify all which partaked of those ideas, and he that had made a complex idea of a body, with life, sense, and motion, with the faculty of reasoning, and a certain shape joined to it, needed but use the short monosyllable man, to express all particulars that correspond to that complex idea. (LOCKE [1690] 1894: III, IX, 105): The chief end of language in communication being to be understood, words serve not well for that end, neither in civil nor philosophical discourse, when any word does not excite in the hearer the same idea which it stands for in the mind of the speaker. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 77): C’est donc une necessité que la faculté de parler marche presque d’un pas égal avec celle de penser, & que la sagesse se trouve toûjours accompagnée de l’éloquence comme d’une servante fidelle, ainsi qu’en parle saint Augustin. Et Ciceron dit en quelque endroit, que l’éloquence n’est autre chose qu’une sagesse diserte, eloquentia nihil est aliud quam copiose loquens sapientia. (LUZÁN [1729] 1991: 88–89): Al mismo tiempo que van saliendo a la luz los pensa-
377 mientos, van tomando cuerpo y color y vestido por medio de las palabras […]. Las palabras, pues, han de ser un perfecto retrato de las ideas que significan, y para este fin conviene que sean proprias y puras; esto es, que sean destinadas a significar enteramente aquellas ideas a las cuales se aplican, según el uso de la lengua en que se habla. (LUZÁN [1729] 1991: 103): El comunicar los pensamientos y hacer de ellos como una imagen con las palabras para exponerlos a la ajena vista, es el fin ordinario por el cual hablamos, […]. (LUZÁN [1737/1789] 1974: 76): Pues como el hablar sea explicar sus pensamientos o, por mejor decir, pintarlos con los colores de las palabras, el bien hablar será un pintarlos bien y representarlos al vivo. (FEIJOO [1742–1760] 1765: 328): Pensar, que yá la Lengua Castellana, ú otra alguna del mundo, tiene toda la extension posible, ò necesaria, solo cabe en quien ignora, que es immensa la amplitud de las idéas, para cuya expresion se requieren distintas voces. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 399–400): Das Wort Sprache hat zweyerley Bedeutung: Einmahl wird dadurch verstanden das Vermögen, welches der Mensch hat, seine Gedancken durch eine vernehmliche Stimme zu erkennen zu geben. Solch Vermögen ist ein Vorzug, dessen sich das vernünfftige Geschöpffe allein zu rühmen hat, und wird betrachtet, als innerlich, wie sie in dem Verstande empfangen, oder als äusserlich, wie sie durch den Mund verrichtet wird. Und in diesem letzten Verstande bedeutet es die vernehmliche Stimme selbst, durch welche ein Mensch dem andern seine Gedancken mittheilet. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, I, 7): D’abord tous deux se firent une habitude de connoître, à ces signes, les sentimens que l’autre éprouvoit dans le moment; ensuite ils s’en servirent pour se communiquer les sentimens qu’ils avoient éprouvés. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, IX, 118– 119): [P]our comprendre comment les hommes convinrent entr’eux du sens des premiers mots qu’ils voulurent mettre en usage, il suffit d’observer qu’ils les prononçoient dans des circonstances où chacun étoit obligé de
378 les rapporter aux mêmes perceptions. Par-là ils en fixoient la signification avec plus d’exactitude, selon que les circonstances, en se répétant plus souvent, accoutumoient davantage l’esprit à lier les mêmes idées avec les mêmes signes. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, IX, 124): Il me semble même qu’aujourd’hui ce seroit encore la manière la plus naturelle de se servir de ce langage. Le verbe venant après son régime, le nom qui le régissoit, c’est-à-dire le nominatif, ne pouvoit être placé entre deux; car il en auroit obscurci le rapport. Il ne pouvoit pas non plus commencer la phrase, parce que son rapport avec son régime eut été moins sensible. Sa place étoit donc après le verbe. Par-là, les mots se construisoient dans le même ordre dans lequel ils se régissoient; unique moyen d’en faciliter l’intelligence. (GOTTSCHED [1748] 1762: 14): Denn die Sprache ist das Mittel, wodurch man seine Gedanken, und zwar in der Absicht ausdrücket, daß sie von andern verstanden werden sollen. (GOTTSCHED [1748] 1762: 151): Die Wörter einer jeden Sprache sind die Zeichen der Gedanken; und vertreten daher im Sprechen und im Schreiben ihre Stelle. So vielerley Gedanken wir also haben können, so vielerley Wörter muss auch jede Sprache haben; damit man durch sie, alles was man denket, ausdrücken und zu verstehen geben könne. Sollte es an einer Gattung derselben fehlen: so würde die Sprache nicht zugänglich seyn, im täglichen Umgange, andern Menschen, seine Meynung hinreichend zu erklären, geschweige dann Wissenschaften vorzutragen. (MAUPERTIUS [1748] 1974: 261–262): A peine sommes-nous nés, que nous entendons répéter une infinité de mots qui expriment plutôt les préjugés de ceux qui nous environnent, que les premieres idées qui naissent dans notre esprit: nous retenons ces mots, nous leur attachons des idées confuses; & voilà bientôt notre provision faite pour tout le reste de notre vie, sans que le plus souvent nous nous soyons avisés d’approfondir la vraie valeur de ces mots, ni la sureté des connoissances qu’ils peuvent nous procurer, ou nous faire croire que nous possédons. (Encyclopédie, Artikel Caractère, D’ALEMBERT, 1751: II, 645): A peine les hommes
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken furent-ils en société, qu’ils sentirent le besoin qu’ils avoient d’inventer une langue pour se communiquer leurs pensées. Cette langue ne consista sans doute d’abord qu’à désigner par certains sons & par certains signes les êtres sensibles & palpables qu’ils pouvoient se montrer, & par conséquent elle étoit encore fort imparfaite: mais les hommes ne furent pas long-tems sans s’appercevoir que non-seulement il leur étoit nécessaire de représenter, pour ainsi dire, ces êtres à l’oreille par des sons, mais de les représenter aussi en quelque maniere aux yeux, en convenant de certaines marques qui les désignassent. Par là le commerce de la société devoit s’étendre, puisqu’il devenoit également facile de désigner ces êtres présens ou absens, & que la communication des idées étoit rendue également possible entre les hommes absens, & entre les hommes présens. Il y a bien de l’apparence que les figures même de ces êtres, tracées grossierement sur quelques corps, furent les premiers caracteres par lesquels on les désigna, & la premiere espece d’écriture, qui a du naître à-peu-près dans le même tems que les langues. (Encyclopédie, Artikel Caractère, D’ALEMBERT, 1751: II, 645): Les hommes qui avoient la facilité de se parler en désignant les êtres palpables par des sons, pouvoient suppléer par d’autres signes, comme par des gestes, à ce qui pouvoit manquer d’ailleurs à cette langue; c’est ainsi qu’un muet fait entendre sa pensée en montrant les objets dont il parle, & suppléant par des gestes aux choses qu’il ne peut montrer: mais une telle conversation devenoit impossible entre des hommes éloignés, & qui ne pouvoient se voir. Les hommes comprirent donc bientôt qu’il falloit nécessairement 1°. inventer des sons pour désigner, soit les êtres non-palpables, soit les termes abstraits & généraux, soit les notions intellectuelles, soit enfin les termes qui servent à lier des idées; & ces sons furent inventés peu à peu: 2°. trouver la maniere de peindre ces sons une fois inventés; & c’est à quoi les hommes purent parvenir, en convenant de certaines marques arbitraires pour désigner ces sons. Peu à peu on s’apperçut que dans la multitude infinie en apparence des sons que forme la voix, il y en a un certain nombre de simples auxquels tous les autres peuvent se
Mitteilungsfunktion der Sprache réduire, & dont ils ne sont que des combinaisons. On chercha donc à représenter ces sons simples par des caracteres, & les sons combinés par la combinaison des caracteres, & l’on forma l’alphabet. (HARRIS [1751/1786] 1993: 15): ‘Tis a phrase often applied to a man, when speaking, that he speaks his MIND; as much as to say, that his Speech or Discourse is a publishing of some Energie or Motion of his Soul. So it indeed is in every one that speaks, excepting alone the Dissembler or Hypocrite; and he too, as far as possible, affects the appearance. (Encyclopédie, Artikel Construction, DU MARSAIS, 1754: IV, 73–74): L’homme est un être vivant, capable de sentir, de penser, de connoître, d’imaginer, de juger, de vouloir, de se ressouvenir, &c. Les actes particuliers de ces facultés se font en nous d’une maniere qui ne nous est pas plus connue que la cause du mouvement du coeur, ou de celui des piés & des mains. Nous savons par sentiment intérieur, que chaque acte particulier de la faculté de penser, ou chaque pensée singuliere est excitée en nous en un instant, sans division, & par une simple affection intérieure de nousmêmes. C’est une vérité dont nous pouvons aisément nous convaincre par notre propre expérience. & sur-tout en nous rappellant ce qui se passoit en nous dans les premieres années de notre enfance: avant que nous eussions fait une assez grande provision de mots pour énoncer nos pensées, les mots nous manquoient, & nous ne laissions pas de penser, de sentir, d’imaginer, de concevoir, & de juger. C’est ainsi que nous voulons par un acte simple de notre volonté, acte dont notre sens interne est affecté aussi promptement que nos yeux le sont par les différentes impressions singulieres de la lumiere. Ainsi je crois que si après la création l’homme fût demeuré seul dans le monde, il ne se seroit jamais avisé d’observer dans sa pensée un sujet, un attribut, un substantif, un adjectif, une conjonction, un adverbe, une particule négative, &c. C’est ainsi que souvent nous ne faisons connoître nos sentimens intérieurs que par des gestes, des mines, des regards, des soupirs, des larmes, & par tous les autres signes, qui sont le langage des passions plûtôt que celui de l’intelligence. La pensée, tant qu’elle n’est que dans notre esprit, sans aucun égard à l’énon-
379 ciation, n’a besoin ni de bouche, ni de langue, ni du son des syllabes; elle n’est ni hébraïque, ni greque, ni latine, ni barbare, elle n’est qu’à nous: intùs, in domicilio cogitationis, nec hoebrea, nec groeca, nec latina, nec barbara… sine oris & linguoe organis, sine strepitu syllabarum. S. August. confes. l. XI. c. iij. Mais dès qu’il s’agit de faire connoître aux autres les affections ou pensées singulieres, & pour ainsi dire, individuelles de l’intelligence, nous ne pouvons produire cet effet qu’en faisant en détail des impressions, ou sur l’organe de l’ouïe par des sons dont les autres hommes connoissent comme nous la destination, ou sur l’organe de la vûe, en exposant à leurs yeux par l’écriture, les signes convenus de ces mêmes sons; or pour exciter ces impressions, nous sommes contraints de donner à notre pensée de l’étendue, pour ainsi dire, & des parties, afin de la faire passer dans l’esprit des autres, où elle ne peut s’introduire que par leurs sens. Ces parties que nous donnons ainsi à notre pensée par la nécessité de l’élocution, deviennent ensuite l’original des signes dont nous nous servons dans l’usage de la parole; ainsi nous divisons, nous analysons, comme par instinct, notre pensée; nous en rassemblons toutes les parties selon l’ordre de leurs rapports; nous lions ces parties à des signes, ce sont les mots dont nous nous servons ensuite pour en affecter les sens de ceux à qui nous voulons communiquer notre pensée: ainsi les mots sont en même tems, & l’instrument & le signe de la division de la pensée. C’est de-là que vient la différence des langues & celle des idiotismes; parce que les hommes ne se servent pas des mêmes signes partout, & que le même fond de pensée peut être analysé & exprimé en plus d’une maniere. (Encyclopédie, Artikel Grammaire, BEAUZÉE, 1757: VII, 841): En effet, de quelques termes qu’il plaise aux différens peuples de la terre de faire usage, de quelque maniere qu’ils s’avisent de les modifier, quelque disposition qu’ils leur donnent: ils auront toûjours à rendre des perceptions, des jugemens, des raisonnemens; il leur faudra des mots pour exprimer les objets de leurs idées, leurs modifications, leurs corrélations; ils auront à rendre sensibles
380 les différens points de vûe sous lesquels ils auront envisagé toutes ces choses […]. (PRIESTLEY 1762: 55–56): As the sole use of speech is mutual information, men would never have occasion to name any object but to affirm something concerning it: their first efforts in speech therefore would be to form a proposition. (LOMONOSOV 1764: 1): […] die Sprache, vermittelst welcher der Mensch seine Gedancken andern mitzutheilen fähig ist […]. (DE BROSSES 1765: I, 3–4): Son usage consiste à rendre par la voix ce que l’ame a reçu par les sens; à représenter de nouveau au-dehors ce qui est au-dedans, & qui y étoit déjà venu du dehors. L’objet extérieur et physique; l’impression que son image porte & laisse dans le cerveau; l’expression de cette image par un son vocal qui s’y rapporte réellement ou conventionnellement; la peinture de ce même son fixé par des caracteres qui lui donnent de la permanence, qui montrent tout à la fois l’objet, l’idée, & l’expression vocale de l’idée, dans le tems même où tout cela est absent: […]. (DE BROSSES 1765: I, 30–31): […] Nul doute que les premiers noms ne fussent convenables à la nature des choses qu’ils expriment: en juger autrement ce seroit croire les hommes insensés: car ce seroit dire que leur but en parlant n’étoit pas de faire entendre. (Encyclopédie, Artikel Langage, JAUCOURT, 1765: IX, 242): Dès que l’homme se sentit entraîné par goût, par besoin & par plaisir à l’union de ses semblables, il lui étoit nécessaire de développer son ame à un autre, & lui en communiquer les situations. Après avoir essayé plusieurs sortes d’expressions, il s’en tint à la plus naturelle, la plus utile & la plus étendue, celle de l’organe de la voix. Il étoit aisé d’en faire usage en toute occasion, à chaque instant, & sans autre peine que celle de se donner des mouvemens de respiration, si doux à l’existence. A juger des choses par leur nature, dit M. Warburthon, on n’hésiteroit pas d’adopter l’opinion de Diodore de Sicile, & autres anciens philosophes, qui pensoient que les premiers hommes ont vécu pendant un tems dans les bois & les cavernes à la maniere des bêtes, n’articulant comme elles que des sons confus
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken & indéterminés, jusqu’à ce que s’étant reunis pour leurs besoins réciproques, ils soient arrivés par degrés & à la longue, à former des sons plus distincts & plus variés par le moyen de signes ou de marques arbitraires, dont ils convinrent, afin que celui qui parloit pût exprimer les idées qu’il desiroit communiquer aux autres. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 251): Le premier langage de l’homme, le langage le plus universel, le plus energique, & le seul dont il eut besoin avant qu’il fallût persuader des hommes assembles, est le cri de la nature. Comme ce cri n’étoit arraché que par une sorte d’instinct dans les occasions pressantes, pour implorer du secours dans les grands dangers ou du soulagement dans les maux violens, il n’étoit pas d’un grand usage dans le cours ordinaire de la vie où regnent des sentimens plus modéres. Quand les idées des hommes commencerent à s’étendre & à se multiplier, & qu’il s’établit entre eux une communication plus etroite, ils chercherent des signes plus nombreux & un langage plus étendu: ils multiplierent les inflexions de la voix, & y joignirent les gestes, qui, par leur nature, sort plus expressifs, & dont le sens depend moins d’une détermination antérieure. Ils exprimoient donc les objets visibles & mobiles par des gestes; & ceux qui frappent l’ouie par des sons imitatifs: mais comme le geste n’indique guere que les objets présens ou faciles à décrire, & les actions visibles; qu’il n’est pas d’un usage universel, puisque l’obscurité ou l’interposition d’un corps le rendent inutile, & qu’il exige l’attention plutot qu’il ne l’excite; on s’avisa enfin de lui substituer les articulations de la voix, qui, sans avoir le même rapport avec certaines idées, sont plus propres à les représenter toutes, comme signes institués; substitution qui ne peut se faire que d’un commun consentement, & d’une maniere assez difficile à pratiquer pour des hommes dont les organes grossiers n’avoient encore aucun exercice, & plus difficile encore à concevoir en elle-même, puisque cet accord unanime dut être motivé, & que la parole paroît avoir été fort nécessaire pour établir l’usage de la parole. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 252): Une langue est, sans contredit, la totalité des usages propres à une nation
Mitteilungsfunktion der Sprache pour exprimer les pensées par la voix; & cette expression est le véhicule de la communication des pensées. Ainsi toute langue suppose une société préexistente, qui, comme société, aura eu besoin de cette communication, & qui, par des actes déja réitérés, aura fondé les usages qui constituent le corps de sa langue. D’autre part une société formée par les moyens humains que nous pouvons connoìtre, présuppose un moyen de communication pour fixer d’abord les devoirs respectifs des associés, & ensuite pour les mettre en état de les exiger les uns des autres. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 253): La parole nous est donnée pour exprimer les sentimens intérieurs de notre ame, & les idées que nous avons des objets extérieurs; en sorte que chacune des langues que l’homme parle, fournit des expressions au langage du coeur & à celui de l’esprit. Le langage des animaux paroit n’avoir pour objet que les sensations interieures, & c’est pour cela qu’il est invariable comme leur maniere de sentir, si même l’invariabilité de leur langage n’en est la preuve. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 256–257): Toutes les langues ont un même but, qui est l’énonciation des pensées. Pour y parvenir, toutes employent le même instrument, qui est la voix: c’est comme l’esprit & le corps du langage; or il en est, jusqu’à un certain point, des langues ainsi considérées, comme des hommes qui les parlent. Toutes les ames humaines, si l’on en croit l’école cartésienne, sont absolument de même espece, de même nature; elles ont les mêmes facultés au même degré, le germe des mêmes talens, du même esprit, du même génie, & elles n’ont entr’elles que des différences numériques & individuelles: les différences qu’on y apperçoit dans la suite tiennent à des causes extérieures; à l’organisation intime des corps qu’elles animent; aux divers tempéramens que les conjonctures y établissent; aux occasions plus ou moins fréquentes, plus ou moins favorables, pour exciter en elles des idées, pour les rapprocher, les combiner, les développer; aux préjugés plus ou moins heureux, qu’elles reçoivent par l’éducation, les moeurs, la religion, le gouvernement politique, les liaisons domestiques, civiles & nationales, &c.
381 (Encyclopédie, Artikel Orthographe, BEAUZÉE, 1765: XI, 668): Une langue est la totalité des usages propres à une nation pour exprimer les pensées par la voix. C’est la notion la plus précise & la plus vraie que l’on puisse donner des langues, parce que l’usage seul en est le législateur naturel, nécessaire & exclusif. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 20): Der Zweck der Sprache ist, daß man sich durch Schalle die Gedanken einander [sic] mittheile, damit man einen vernünftigen Umgang mit einander haben könne. (BEAUZÉE 1767: II, III, Introduction, 1–2): L’OBJET du langage est l’énonciation de la pensée. Or, en quelque langue que ce puisse être, les mots ne peuvent exciter dans l’esprit aucun sens parfait, s’ils ne sont assortis d’une manière qui rende sensibles leurs rapports mutuels, qui sont l’image des relations qui se trouvent entre les idées mêmes que les mots expriment. Car, quoique la pensée soit indivisible, la Logique vient à bout de l’analyser en quelque sorte, en considérant séparément les idées différentes qui en sont comme la matière, & les relations qui les unissent dans l’esprit. Toute relation suppose un premier terme, puis un second; & telle idée qui est le second terme d’un rapport, est en même temps le premier terme d’un autre rapport. C’est cette analyse de la pensée, qui est le prototype naturel & immédiat de la représentation sensible que doit produire la parole dans toutes les langues; & la parole ne peut avoir nulle part cet heureux effet, qu’autant que, par les formes accidentelles & par l’assortissement des mots, elle peint fidélement la succession analytique & les relations des idées élémentaires d’une même pensée. (BEAUZÉE 1767: II, III, I, 5): Je l’ai déjà dit ailleurs: nous parlons pour transmettre aux autres hommes nos connoissances, qui ne sont rien autre chose que la perception des êtres sous leurs attributs. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-680: 19): Ich habe auch gesagt, Adams sein Weib sey ihm zur Sprache behülflich gewesen. Wäre er allein geblieben, so wäre niemahls in der Welt eine Sprache gewesen. Nun hatte er aber jemanden um sich, mit dem er sich mehr konte zu thun machen, als mit den Thieren.
382 Sie musten sich beyde doch ihre Gedancken zu verstehen geben, denn ihre Seelen dachten mehr gegeneinander, als gegen die Thiere. Dieses ging nicht immer mit dem undeutlichen thierischen Tone an. Sie hatten Bedürfniße zu besorgen, weil sie eine Gesellschaft für sich ausmachten, die die Thiere nicht hatten. (TIEDEMANN [1772] 1985: 11): Daher muß hier die engere, und auch im Leben gewöhnlichere Bedeutung angenommen werden, nach welcher das Wort Sprache eine Art seine Gedanken durch Töne auszudrücken, anzeigt, die in irgend einem Theile des Erdbodens entweder gebräuchlich gewesen ist, oder es auch noch jetzt ist. (TIEDEMANN [1772] 1985: 12–13): Von einem, der viele Töne, sie mögen articulirt seyn oder nicht, ausspricht, ohne etwas dabey zu denken, sagt man, daß er plappert, nicht aber, redet. Von diesen Tönen können Kinder, die noch keine Sprache verstehen, oft ganze Reihen, mit ziemlicher Abwechslung der Aussprache, hervorbringen, dies nennet man nicht reden, wenn es nicht mißbrauchsweise geschieht. Ein Schall also, mit dem eine gewisse Vorstellung in der Seele verknüpft ist, ist ein wesentlicher und nothwendiger Theil einer Sprache. (TIEDEMANN [1772] 1985: 13): […] daß es auch zu einer Sprache erfordert werde, daß man sich der Töne bediene, um andern seine Gedanken bekannt zu machen, und daß andere Menschen ähnliche Vorstellungen mit denselben Tönen verbinden. (TIEDEMANN [1772] 1985: 14): Die Sprache ist ein Innbegriff, eine Sammlung von Tönen, durch deren Verbindung und Folge auf einander man sich seine Gedanken einander mittheilt. (ADELUNG [1774–1786/1793–1801] 1990: IV, Artikel Die Sprache, 226): Das Vermögen zu sprechen. (a) Im weitesten Verstande, das Vermögen, den innern Zustand seines Geistes durch Töne auszudrucken, und in dieser Bedeutung haben auch die Thiere eine Sprache. Die Thiersprache. […] (b) Im engern und gewöhnlichern Verstande ist die Sprache das Vermögen, seine Gedanken durch Worte, d. i. articulierte (eigentlich nachgeahmte Töne) auszudrucken, das Ver-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken mögen Worte als Zeichen der Gedanken zu gebrauchen. (ADELUNG [1774–1786/1793–1801] 1990: IV, Artikel Die Sprache, 227): In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, der ganze Inbegriff von Wörtern und Redensarten, vermittelst deren die Glieder eines Volkes einander ihre Gedanken mittheilen, die von einer gewissen mit einander verbundenen Menge Menschen angenommene Weise, seine Gedanken durch Wörter und Redensarten von sich geben. (ROUSSEAU [1781] 1968: 27): Sitot qu’un homme fut reconnu par un autre pour un Être sentant pensant et semblable à luï, le desir ou le besoin de lui communiquer ses sentimens et ses pensées lui en fit chercher les moyens. Ces moyens ne peuvent se tirer que des sens, les seuls instrumens par lesquels un homme puisse agir sur un autre. Voila donc l’institution des signes sensibles pour exprimer la pensée. (GARCÉS 1791: I, III): […] hallarlo heis sin duda en la comun uniforme constitución del corazon humano, el qual como no pueda estar sin que anhele y vaya siempre tras aquel honesto, útil, real ó aparente que es el alma de sus deseos, y necesario término de sus movimientos y acciones, y adonde no puede él llegar de ordinario, segun es de limitado y corto sin agena ayuda, procura él por todas las vias mostrar á los que ayudarle pueden su intencion, y moverlos al recíproco y familiar comercio, y trato, de donde depende el alivio de sus penas, ó el aumento de la felicidad, todo con la esperanza de participar uno en las ocasiones del mismo bien, y alivio que á los otros procura, que es el mas íntimo y suave vínculo de la humana sociedad. ([EICHHORN] 1792: 89): Das kommt daher, daß Sprachen nichts anders als Bilder eines einzigen Originals sind. Dies Original heißt ‘Denken’. Je ähnlicher sie in diesem Originale sind, desto ähnlicher müssen sie unter einander seyn. (JOVELLANOS [1795] 1963: 104): 1.a la de comunicar á sus semejantes sus mas internos sentimientos; 2.a la de percibir los mas íntimos pensamientos de sus semejantes; de entrambas ha resultado la perfeccion de la razon humana, la cual no puede extender sus ideas,
Mitteilungsfunktion der Sprache ni compararlas ni perfeccionarlas, sino por medio de la palabra ó el discurso […]. (JENISCH 1796: 1–2): Sie ist die natürlichste Handhabe des Geistes, durch welche er theils die äusserlichen Gegenstände in sich selbst überträgt, und seine Empfindungen oder Vorstellungen davon entwickelt und bildet; theils sie, so entwickelt und gebildet, in die Seele anderer vernünftigen Wesen hinüberflösst. Sie ist die Dollmetscherinn der Vernunft, deren Urtheile und Schlussreihen sie, wenn ich mich so ausdrücken darf, aus der intellectuellen Rede des Gedankens in die allgemein-verständliche Zeichenrede der Worte übersetzt. Sie ist endlich der Kanal der Leidenschaft, deren rohen Ausbrüchen sie ihren Ursprung verdankt, und die eben durch sie ihre flammenden Gefühle unaufhaltbar ausströmt. (JENISCH 1796: 3): Sprache, als das Mittheilungs-Organ unsrer Begriffe und Empfindungen, erreicht ihre Bestimmung alsdann, wenn sie Begriff und Empfindung dem jedesmaligen Bedüfnisse des Geistes gemäss, darstellt. (DEBRUN 1801: 65): 61. L’institution des mots comme signes de nos pensées, sert: i.° A nous les entre-communiquer. Chacun de nous a les organes propres, soit à produire la sensation dans laquelle le mot consiste, soit à la recevoir; et il en résulte que si, ayant une idée, je produis le mot qui y correspond, je produis la même idée dans celui qui m’écoute. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 7): La nature nous impose donc la loi de nous créer un moyen, quel qu’il soit, à 1’aide duquel nous puissions reporter en quelque sorte sous les yeux des autres, nos idées, nos pensées, et nos affections. (BERNHARDI [1805] 1990: 4–5): Das Erste in dieser Ansicht ist die Darlegung des Bedürfnisses der Sprache überhaupt, welches sich einzig und allein aus der Vernunft, welche sich in Individuen gespalten hat, darthun lassen kann. Da aber hier von Vernunft in Individuen sich äußernd die Rede ist, und von Darstellung dieser Vernunft; so kommen die verschiedenen Mittel der Darstellung überhaupt, die Erwägung der Zeichen und ihre Vergleichung untereinander in Betrachtung. Dann muß der articulirte Ton als dasjenige Darstellungsmaterial, welches den Zweck der
383 Vernunft einzig erfüllt, bewiesen werden und zugleich die demselben innewohnende Willkühr und Nothwendigkeit, und zwar nur Anfangs für den engen Kreis von zwei Individuen. (BERNHARDI [1805] 1990: 18): Es scheint demnach schon nach dieser blos historischen Aufzählung, daß der articulirte Ton als Abdruck und Darstellung der Vernunft dienen solle, weil er allein dem Menschen, dem vernünftigen eigen ist. (BELLO [1847] 1995: 7–8): No debemos, pues, trasladar ligeramente las afecciones de las ideas a los accidentes de las palabras. Se ha errado no poco en filosofía suponiendo a la lengua un trasunto fiel del pensamiento; y esta misma exagerada suposición ha extraviado a la gramática en dirección contraria: unos argüían de la copia al original; otros del original a la copia. En el lenguaje lo convencional y arbitrario abraza mucho más de lo que comúnmente se piensa. Es imposible que las creencias, los caprichos de la imaginación, y mil asociaciones casuales, no produjesen una grandísima discrepancia en los medios de que se valen las lenguas para manifestar lo que pasa en el alma; discrepancia que va siendo mayor y mayor a medida que se apartan de su común origen. (BELLO [1847] 1995: 15): Siendo la lengua el medio de que se valen los hombres para comunicarse unos a otros cuanto saben, piensan y sienten […].
III. Die Annahme einer Mitteilungsfunktion
der Sprache stellt im 17. und 18. Jahrhundert eine Konstante dar, die mit wenig Variation in sprachtheoretischen und grammatischen Arbeiten erscheint. Der Begriff der Mitteilungsfunktion wird vor allem im Zusammenhang mit dem Zeichenbegriff verwendet (ĺ Zeichen und Idee). Auf die Art der Sprachbetrachtung hatte die obligatorische Annahme einer Mitteilungsfunktion jedoch keinen Einfluss, das heißt, dass Wörter und grammatische Erscheinungen nach ihrem Erscheinungsbild im Sprachsystem beschrieben wurden. Das Kommunizieren von Ideen wurde als grundlegende Eigenschaft des Menschen angesehen, die sich aus seinem Wesen ergibt und zugleich das Überleben der Menschheit
384 sichert. Durch die Mitteilung von Gedanken und Gefühlen kann elementaren Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprochen werden, insofern durch sie helfende Interaktion erreicht werden kann. Auch für das Leben in der Gesellschaft wurde das Mitteilen von Gedanken als wichtige Voraussetzung angesehen (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Jedes vernunftbegabte Wesen, das sein Glücksbedürfnis unbefriedigt sieht und in dessen Befriedigung von anderen abhängig ist, verfügt notwendig über die Fähigkeit zur Mitteilung. Die Mitteilungsfunktion der Sprache kann daher auch als eine anthropologische Konstante angesehen werden. Eine grundlegende Schwierigkeit wurde in der körperlichen Natur des Menschen gesehen: Während sich rein geistige Wesen ohne materielle Mittel verständigen könnten, seien die Menschen dabei auf materielle Träger angewiesen. Wörter (Zeichen) wurden als Hilfsmittel angesehen, welche die nicht unmittelbar übertragbaren Gedanken repräsentieren und dadurch der Kommunikation zugänglich machen (ĺ Zeichen und Idee). Eine ähnliche Beziehung des Repräsentierens wurde auch zwischen dem Schriftbild (ĺ Schrift) und der Lautung gesehen. Während die Verwendung der Lautsprache die Präsenz des Kommunikationspartners notwendig macht, kann man mit schriftlichen Zeichen auch über räumliche und zeitliche Abstände hinweg kommunizieren. Vom rationalistischen Standpunkt ausgehend galten sprachliche Zeichen jedoch als dem menschlichen Denken nachgeordnet. Erst muss der Gedanke fertig ausgeformt sein, was im Denken und ohne Zutun der Sprache erfolgt, bevor er materielle Gestalt in Form sprachlicher Zeichen annehmen und damit kommuniziert werden kann. Beim Sprechen wird also unseren Gedanken eine materielle Gestalt verliehen, die geeignet ist, die geistigen Inhalte zu transportieren. Die Zeichen, die von ihrer Substanz her nichts mit den mitgeteilten Ideen gemeinsam haben, können aus Gesten, aus Lauten oder aus Schriftzeichen bestehen (ĺ Zeichen und Idee). Als einfachster und kürzester Weg der Mitteilung der Gedanken wird die Verwendung laut-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken sprachlicher Mittel angesehen (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen). Die Verwendung von Dingen als Zeichen ihrer selbst oder anderer Begriffe würde erfordern, diese Dinge stets mit sich zu tragen. Doch auch die Verwendung von Zeichen, die auf natürliche Weise mit dem bezeichneten Begriff verbunden sind (ĺ Natürlichkeit), würde nicht zur Effizienz der Kommunikation beitragen, insofern diese Zeichen nicht losgelöst von bestimmten Situationen verwendet werden könnten. Demgegenüber können sprachliche Zeichen komplexe Ideen bezeichnen und diese auch einfach und schnell mitteilen. So bezeichnet das einfache und kurze englische Wort man ‘Mensch’ nicht nur die mit dem Wort Körper bezeichneten Eigenschaften ‘Ausdehnung’ und ‘Festigkeit’, sondern auch weitere spezifische, wie ‘Leben’, ‘Sinneswahrnehmungen’, ‘spontane Bewegung’ (LOCKE). All diese Ideen werden mit dem sprachlichen Zeichen transportiert, ohne dass ihre Aufzählung notwendig wäre (ĺ Zeichen und Idee). Um der Mitteilung unserer Gedanken gerecht zu werden, müssen die Zeichen wohlgeformt sein und ein vollkommenes Bild von den bezeichneten Ideen abgeben (ĺ Zeichen und Idee). Dabei bedienen sich einige Autoren auch Metaphern aus der Malerei: beim Sprechen zeichnen wir unsere Gedanken mit den Farben der Wörter, gutes Sprechen wird infolgedessen mit lebhafter Malerei gleichgesetzt (vgl. LUZÁN, DE BROSSES). Für das Gelingen der Kommunikation ist es jedoch auch notwendig, dass das Gesagte verstanden wird. Gerade für das Verstehen wurden aber sprachliche Zeichen nicht als verlässliche Grundlage angesehen, da nicht immer feststeht, dass der Rezipient mit den verwendeten Zeichen die gleichen Ideen verbindet wie der Produzent der Äußerungen (ĺ Zeichen und Idee). Die sich aus dieser Tatsache ergebende Sprachkritik ist grundsätzlicher Art und nicht an einen bewussten ĺ Missbrauch gebunden. Als negative Beeinflussung des Denkens durch die Sprache (ĺ kognitive Funktion der Sprache) wurde sie vor allem in sensualistischen Sprachtheorien behandelt. Dieses potentiell das Missverstehen Fördernde an der Sprache wird auch durch ihren Ent-
Mitteilungsfunktion der Sprache stehungsprozess nahe gelegt (ĺ Ursprung). Zunächst wurden die Zeichen verwendet, um die Gefühle eines Menschen in einer bestimmten Situation zu bezeichnen, erst danach wurden sie für die Mitteilung dieser Empfindungen an andere eingesetzt, ohne dabei ihre Bindung an die ursprüngliche Funktion zu verlieren und in der neuen, kommunikativen Funktion sofort ihren Zweck zu erfüllen. Das Verbinden gleicher Ideen mit den Zeichen wurde über ihre Verwendung in Situationen beschrieben, in denen die Menschen nicht umhin kamen, die gleichen Wahrnehmungen zu haben, wodurch sich die ĺ Bedeutung der Wörter zunehmend in Übereinstimmung befand und sich die Menschen daran gewöhnten, die gleichen Wörter für die gleichen Ideen zu verwenden (CONDILLAC) (ĺ Zeichen und Idee). Auch die Anordnung der Wörter folgte anfangs den kommunikativen Bedürfnissen, die nicht immer mit der in Grammatiken festgelegten Wortfolge übereinstimmten (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Die kommunikative Wichtung einzelner Satzteile wurde als letztlich ausschlaggebend für ihre Anordnung im Satz dargestellt (CONDILLAC). Im Unterschied dazu wurde von rationalistischen Positionen ausgehend gerade die Notwendigkeit der Einhaltung der festgelegten Wortfolge für eine perfekte Kommunikation der Gedanken betont (BEAUZÉE). In der Entwicklung der Sprachen für den Zweck der Mitteilung ihrer Gedanken hatten die Menschen zwei Abstraktionsaufgaben zu lösen (ĺ Ursprung). Zunächst mussten sie Zeichen für die Begriffe schaffen, die nicht mit Sinneswahrnehmungen zu erfassen sind, also allgemeinen und abstrakten Charakter tragen. Hierzu werden auch die Wörter gerechnet, die zur Verbindung der Ideen dienen (ĺ Zeichen und Idee). Schließlich mussten sie Zeichen finden, die zur schriftlichen Fixierung der Lautzeichen geeignet sind, wofür sich die Kombination einzelner Entsprechungen der Laute, d. h. das Alphabet, als sinnvollste Form darstellte (ĺ Laut vs. Buchstabe, ĺ Schrift). Doch auch für die Weiterentwicklung einer Sprache wurde ihre Mitteilungsfunktion als wesentlicher Faktor gesehen (ĺ Sprachveränderung). Da eine Sprache Mittel zum Ausdruck aller Gedanken haben muss, ist sie ge-
385 zwungen, ständig neue Wörter aufzunehmen, die dann in der Verwendung überprüft werden (ĺ Wortbildung, ĺ Neologismen). Die Tatsache, dass wir einen Großteil unseres Wissens der sprachlichen Vermittlung verdanken, wurde auch als Anlass für ein kritisches Hinterfragen genommen. Vielfach würden über in der Sprache fixierte Bedeutungen (ĺ Bedeutung) Vorurteile festgelegt (MAUPERTUIS), die sich dann auch negativ in Erkenntnisprozessen äußerten (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die Möglichkeit, über Sprache falsche Inhalte zu vermitteln oder bewusst irrezuführen (ĺ Missbrauch) stand im Spannungsverhältnis zur vergesellschaftenden Funktion der Sprache, die es erlaubt, individuelle Erkenntnisse für andere verfügbar zu machen. Schließlich wurde die kommunikative Funktion der Sprache auch als unerlässlich für das Festlegen der Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft gekennzeichnet und in dieser Eigenschaft als positiv bewertet (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Auf diese Weise ermögliche es die Sprache, dass man einen vernünftigen Umgang mit einander haben könne (SÜSSMILCH). Auch den Lauten der Tiere wurde eine kommunikative Funktion zugewiesen, diese sei jedoch auf deren situationsbezogene Gefühle beschränkt. Erst arbiträre Zeichen erlauben es, über an Situationen Gebundenes und von diesen Abhängiges hinaus Inhalte zu vermitteln (ĺ Arbitrarität). Die Kommunikationsformen der Tiere unterliegen deshalb auch keinem Wandel, da sie von jedem Individuum spontan beherrscht und immer wieder durch äußere Auslöser veranlasst werden (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Die Mitteilung unserer Gedanken wurde als allen Sprachen gemeinsames Ziel gesehen (vgl. BEAUZÉE im Enzyklopädieartikel Langue). Für die rationalistische Sprachbetrachtung leitete sich daraus eine identische Natur aller Sprachen ab. Die beobachtbaren Unterschiede zwischen den Sprachen wurden auf äußere Ursachen zurückgeführt (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Wurde die Mitteilungsfunktion der Sprache als deren universelle Funktion aufgefasst, so wurde sie gleichzeitig als konstitutiv für Sprache überhaupt beschrieben. Die Verwendung
386 von Lauten ohne Mitteilungszweck wurde nicht als Sprache betrachtet, zur Sprache gehörten vielmehr auch die mitzuteilenden Inhalte, die Vorstellungen der Seele (TIEDEMANN). Das intentionale Moment der Mitteilung wird somit zu einem Kriterium für das Vorliegen von Sprache (ĺ Wesen der Sprache). Doch mit der gleichen Absolutheit, mit der das Vorhandensein einer kommunikativen Intention als Voraussetzung dafür betrachtet wurde, lautliche Gebilde als Sprache zu betrachten, wurde mit dem Zusammenleben der Menschen und dem daraus erwachsenden Bedürfnis nach Kommunikation die Entstehung einer Sprache als zwingend angenommen (ĺ Ursprung). Sobald die Menschen sich gegenseitig etwas zu sagen hatten, erfanden sie sich Mittel der Kommunikation, die nur in sinnlich wahrnehmbaren Zeichen bestehen könnten (ROUSSEAU). Die Möglichkeit der Kommunikation von Ideen mittels Sprache wurde als Voraussetzung auch für die ĺ kognitive Funktion der Sprache betrachtet. Die einmal benannten Ideen könnten durch diese Belegung mit sinnlichen Zeichen leichter im Gedächtnis bleiben und dann von Generation zu Generation übermittelt werden. Schließlich würden die Wörter die Gegenstände des Denkens repräsentieren und sie dadurch verfügbar werden lassen.
IV. Die kommunikative Funktion der Sprache bleibt auch nach dem 18. Jahrhundert ein häufig konstatierter Topos, der sich jedoch zunächst kaum auf sprachwissenschaftliche Fragestellungen oder die Forschungspraxis auswirkte. Die immer wieder und obligatorisch erfolgende Erwähnung der kommunikativen Funktion der Sprache mündete nicht unmittelbar in die Gründung einer entsprechenden linguistischen Disziplin. Zur Hinwendung zur Kommunikation im Rahmen einer eigenständigen Disziplin kam es verstärkt in den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zunächst unter der Bezeichnung Kommunikationsforschung, die später durch Kommunikationswissenschaft ersetzt wurde. In der Kommunikationswissenschaft stehen über die menschliche Sprache hinaus auch weitere Kommunikationsformen und -mittel im Blickpunkt. Seit Ende der Achtziger Jahre
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken werden kommunikationsbezogene Probleme auch im Rahmen der Medienwissenschaft behandelt. Innerhalb der Linguistik erfolgte eine Ausdifferenzierung in Text- und Gesprächslinguistik. Während die Textlinguistik vorwiegend schriftliche Texte behandelt, wendet sich die Gesprächslinguistik mündlichen Kommunikationsformen zu. In seiner universalpragmatischen Kommunikationstheorie unterscheidet HABERMAS zwei Formen umgangssprachlicher Kommunikation: das kommunikative Handeln (Interaktion) und den Diskurs. Beim kommunikativen Handeln sind sprachliche Äußerungen und extraverbale Formen wie Handlungen und Gesten als konstitutive Momente stets miteinander verknüpft. Äußerungen aller Klassen werden jeweils nach intersubjektiv geltenden Regeln gebildet. Der semantische Gehalt der Äußerungen ist situationsunabhängig und für alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft grundsätzlich identisch. Im Diskurs hingegen sind nur sprachliche Äußerungen zugelassen.
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Kognitive Funktion der Sprache I. Lat. nomina esse velut instrumentum
rerum & notam: instrumentum autem cuiuslibet artis; Oratio, quae eosdem tanquam rationem ministra ac instrumentum aliis manifestat; dt. erweckte, unterstützte und stärkte die Sprache den Verstand; Daß wir also unsern Verstand gebrauchen können, dieses haben wir der Sprache zu danken; Die abstrakten und ganz allgemeinen Begriffe lassen sich nicht ohne Worte in ihrer völligen Allgemeinheit denken; Die Sprache ist das Mittel zum Gebrauch der Vernunft zu gelangen, ohne Sprache oder andere gleichgültige Zeichen ist keine Vernunft; engl. to use these sounds as signs of internal conceptions, and to make them stand as marks for the ideas within his own mind; Words are used for recording our thoughts; languages interpose themselves so much between our understandings, and the truth which it would contemplate and apprehend, words cast a mist before our eyes, and impose upon our understandings; franz. La parole et l’écriture sont les instruments de l’esprit; analyse de nos idées par le moyen de leurs signes représentatifs; L’art de penser seroit parfait, si l’art des signes étoit porté à sa perfection; Les idées se lient avec les signes, et ce n’est que par ce moyen qu’elles se lient entr’elles; les Hommes ont eu besoin de la parole pour apprendre à penser; les progrès de la raison sont toujours attachés à ceux du langage; l’esprit humain ne se formant que par le langage. Die kognitive Funktion der Sprache wird im 17. und 18. Jahrhundert nicht mit einer Nominalgruppe benannt, die auf eine abgeschlossene Begriffsbildung hindeuten würde. Dennoch treten Hinweise auf sie zahlreich und in unterschiedlichen prädikativen Formulierungen auf. Häufig ist die Metapher von der Spra-
che als Instrument des Denkens, wobei durchaus auch eine negative Verwendung dieses Instruments im Blickfeld steht. Die Feststellung, dass der Mensch seine Fähigkeiten der Sprache verdankt, war im 18. Jahrhundert zum Topos geworden und wurde mit unterschiedlicher Tiefe reflektiert.
II. (GUICHARD 1610: II): Et par ainsi, si nous voulons rechercher à bon esceint la vraye antiquité, nous trouverons que les langues sont estimees à bon droit tenir le premier lieu en icelle: d’autant qu’il à bon droit tenir le premier lieu en icelle: d’autant qu’il a esté necessaire d’entendre les langues premierement, que les choses signifiees par icelles, telles que sont toutes les sciences composees & enseignees par regles & preceptes donnes de pere en fils à la posterité. (WALTON [1657] 1777: 5): Duo sunt actionum humanarum principia, quibus a reliquis animantibus homo potissimum discriminatur: Ratio, quae mentis conceptus format; et Oratio, quae eosdem tanquam rationem ministra ac instrumentum aliis manifestat […]. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 18–19): Par exemple, je ne dois pas legerement croire qu’un Perroquet ait aucune pensée quand il prononce quelques mots: car outre que ie remarque qu’apres luy avoir repeté une prodigieuse quantité de fois les mémes Paroles dans un certain ordre, il ne rend iamais que les mesmes mots & dans la mesme suite; il me semble que ne faisant point ces redites à propos, il imite moins les hommes, que les échos qui ne répondent iamais que ce qu’on leur a dit; & s’il y a quelque difference entre les Perroquets & les échos, c’est que les rochers en repoussant l’air sans rien changer aux impressions qu’il a receuës, rendent les mémes voix
388 qui les ont frappez, au lieu que les Perroquets forment une autre voix semblable à celle qui leur a frappé l’oreille, & que souvent ils repetent les Paroles qu’on ne leur redit plus. (ANONYM 1683: 43–44): Mà stravagante mi par quel pensiero, imperoche de parole non essendo altro che suoni, non possono altro da se stessi, che ferir l’orecchie, e riempir la fantasia dell’immagine di tali suoni, questa à la prima natura delle parole, il resto nasce dall’istituzione humana, e dipende dal loro arbitrio. Se dunque quei suoni destano nella nostra mente varii concerti intorno alle cose, bisogna prima esserne auisato, cioè a dire, che bisogna hauer nell’anima sua l’idee delle cose accennate da i nomi. (CHARPENTIER 1683a: 86–87): […] le raisonnement ne peut pas agir dans toute son estenduë, sans une excellente disposition de la parole qui est l’organe prochain de l’entendement […]. (CHARPENTIER 1683a: 89): […] tant il est naturel de mesurer le genie des peuples par les qualitez du langage dont ils se servent. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XIV, 197): Il est naturel que les hommes toujours pressés par des besoins, et agités par quelque passion, ne parlent pas des choses sans faire connoître l’intérêt qu’ils y prennent. Il faut qu’ils attachent insensiblement aux mots des idées accessoires qui marquent la manière dont ils sont affectés, et les jugemens qu’ils portent. (GIRARD 1747: 5): La PENSÉE nait de l’union des idées. Les IDÉES sont les simples images des choses: mais étant intérieures et spirituelles, il a fallu, pour les faire paroitre au dehors, leur donner des corps: ce qu’on a exécuté par l’établissement des mots; auxquels on les a unies, pour qu’elles en soient l’ame & fassent effet sur l’esprit partout où ceuxci le font sur les sens extérieurs. L’essence du Mot consiste à être une voix prononcée propre à faire naitre une idée dans l’esprit; & cette propriété est ce qu’on nomme valeur; sans laquelle il ne seroit qu’un son matériel machinalement prononcé. (MAUPERTIUS [1748] 1974: 268): Ce que nous appellons nos sciences dépend si intimement des manieres dont on s’est servi pour désigner les perceptions, qu’il me semble que les questions & les propositions seroient toutes dif-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken férentes si l’on avoit établi d’autres expressions des premieres perceptions. (MAUPERTIUS [1748] 1974: 269): Après avoir composé, comme nous avons dit, les expressions de différentes parties, nous avons méconnu notre ouvrage: nous avons pris chacune des parties des expressions pour des choses; nous avons combiné les choses entre elles, pour y découvrir des rapports de convenance ou d’opposition, & de-là est né ce que nous appelions nos sciences. (HARRIS [1751/1786] 1993: 15): Now the POWERS OF THE SOUL (over and above the mere nutritive) may be included all of them in those of PERCEPTION, and those of VOLITION. (ROUSSEAU 1755: 31): QU’ON songe de combien d’idées nous sommes redevables à l’usage de la parole; combien la grammaire exerce, & facilite les opérations de l’esprit […]. (MICHAELIS 1760: 18): Es ist noch eine andere Quelle des vielen richtigen, so in der Etymologie liegt, vorhanden. Manche Dinge haben jetzt so mannigfaltige Veränderungen untergangen, daß es schwer wird, ihr Wesen, und ihre Unterscheidungs-Zeichen ausfindig zu machen: und selbst der Umstand, daß sie von Jugend auf vor Augen sehen, macht uns dieselben allzugewohnt, und hindert uns, die Merckmahle daran wir sie erkennen, von den Sachen selbst zu abstrahiren. Wenn hingegen das Volck seine Sprache schon vorhin hatte, ehe diese Dinge entstanden waren, und der Entstehung zusahe, so war es gewiß im Stande, ihnen den geschicktesten Nahmen zu geben. (MICHAELIS 1760: 26): Ein Reichthum an einheimischen Worten, der kein Werck der Natur, der Kunst, oder Sittenlehre, kurtz nichts was der Gelehrte und Ungelehrte gedencken soll, ohne einen eigenen Nahmen läßt, bringet den Wissenschaften eines Volcks großen Vortheil. (MICHAELIS 1762: 120): Mais je suppose que ces deux règles ne sufisent point au Naturaliste, pour se garantir de toute erreur possible; comment fera le Métaphysicien & comment feront les autres savans? Inventeront-ils aussi des langues barbares, dont les mots n’ayent aucune liaison entre eux? Quel tourment pour
Kognitive Funktion der Sprache la memoire? Quelle ruine totale pour les sciences? On ne pourra qu’en apprendre une tout au plus, & celle-là on ne l’apprendra pas bien […]. (PRIESTLEY 1762: 293): Secondly, The study of different languages hath a most happy influence upon the human mind, in freeing it from many prejudices and errors, which arise from verbal associations and analogies. We see that persons who have no knowledge of more than one language are perpetually confounding the ideas of words with the ideas of things; which the comparison of languages, and frequent rendering from one into another, helps to make us distinguish. (LAMBERT 1764: II, 11): Jede Sprache beut uns eine gewisse Anzahl Wörter an, mit deren mannichfaltigen Verbindung wir uns lebenslang beschäfftigen, theils um unsere Gedanken auszudrücken, theils um durch neue Verbindungen oder Combinationen der Wörter neue Wahrheiten zu suchen. Diese ziemlich bestimmte Anzahl der Wörter einer Sprache setzet unserer Erkenntniß, in Absicht auf ihre Ausdehnung, gewissermäßen Schranken, und giebt derselben eine ihr eigene Form oder Gestalt, welche allerdings in die Wahrheit selbst einen Einfluß hat, und in allwege die Untersuchung eines Weltweisen verdienet. (LOMONOSOV 1764: 5–6): Bey jedem Schalle den wir hören, stellen wir uns so gleich Bilder von belebten und leblosen Sachen mit dem ihnen eigenen Klange vor, und daher nennen wir diese Veränderungen der Stimme eine Bildung des Lauts. Denn manche menschliche Stimme gleichet dem Geläute der Klocken, eine andere dem Knarren der Räder, manche hat eine Aehnlichkeit mit dem Brummen, Brüllen oder Murmeln der Thiere, eine andere komt der pfeifenden Stimme einer Nachtigall sehr nahe, und noch eine andere klinget wie etwa ein, oder anderes musicalisches Instrument. (DE BROSSES 1765: I, 22): La parole et l’écriture sont les instruments de l’esprit; souvent l’ouvrier guide l’instrument; souvent aussi l’instrument guide l’ouvrier, qui auroit opéré d’une toute autre maniere, s’il eût en main un tel outil au lieu d’un tel autre. (DE BROSSES 1765: I, 28): […] il arrive que l’esprit intellectuel, dans la suite des sons
389 qu’il lui fait rendre, est souvent guidé ou entraîné par les propriétés de l’instrument, comme l’instrument l’est lui-même, par les propriétés des objets sensibles. Ainsi l’examen de la suite & de la génération des sons doit souvent conduire à reconnoître quelle a été la suite & la génération des pensées, & faire découvrir la marche de l’esprit humain dans son opération; car on sçait assez que la raison se laisse guider par l’imagination par les organes & et par les sens. […] L’esprit humain tire de l’instrument vocal des consonances & des dissonances; car on peut appeller consonances les mots pris dans leur sens vrai, physique, propre & primordial: & dissonances, les mots pris dans un sens détourné, relatif, figuré, abstrait, moral & métaphysique […]. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-667: 3): Ein Kind denckt also, wenn es redet, wie die Erfahrung lehret. Da dieses bey allen Kindern so hergehet, und zwar, ohne besondere Anstalten eines Führers: so ist es ein Gesetz der Natur, daß die Sprache nicht anders stat findet, als nur da, wo Vernunft ist. Ich werde also, wenn ich den Weg der Natur zur Sprache aufsuche, von der Vernunft den Anfang machen müßen. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-667: 14): Der Satz, wo keine Vernunft, da ist auch keine Sprache, (§ 6) läßet sich auch umkehren; Wo Vernunft ist, da ist auch eine Art von Sprache. Die Erfahrung hat es gelehret an Kindern und Waldmenschen, welche von dem an, da die Vernunft sich merklicher zeigt, auch anfangen zu reden. (TETENS 1772: 40): Auf diese Art erweckte, unterstützte und stärkte die Sprache den Verstand, zur Vermehrung und Aufklärung der Begriffe; und der gestärkte Verstand erweiterte und verfeinerte die Sprache. Beyde wachsen mit einander, wie die Seele mit dem Körper. Dahero bey allen Nationen die Sprache und die unter ihnen verbreitetete [sic] Kenntnisse, in gleichem Grade entweder mangelhaft oder vollkommen sind. (TIEDEMANN [1772] 1985: 28): Der erste Nebenvortheil, der aus der Sprache entspringet ist der, daß wir unsere Gedanken besser behalten können. Denn dadurch, daß wir genöthiget werden die Worte unserem Gedächtnisse einzuprägen, und sie oft zu gebrauchen,
390 werden wir auch zugleich gezwungen die den Worten anklebenden Begriffe zu behalten. Wie unzählig viele Begriffe und Kenntnisse, würden nicht mit ihren ersten Erfindern wieder verloschen seyn, wenn man sie nicht durch die Sprache unter den Menschen gang und gäbe gemacht hätte, und eben dadurch ihrer Auslöschung zuvorgekommen wäre! (TIEDEMANN [1772] 1985: 31): Der andere Neben-Vortheil, der aus der Sprache entspringet, ist der, daß wir durch sie in den Stand gesetzet werden unsere Gedanken zu vervielfältigen. Denn dadurch, daß wir die Gedanken unserer Vorgänger, und unsere eigenen behalten, werden wir geschickt gemacht durch die Zusammensetzung und Verbindung neue Gedanken hervorzubringen. Dieser Vortheil ist es, dem wir den Wachsthum unserer Kenntnisse und Wissenschaften zu danken haben […]. (TIEDEMANN [1772] 1985: 33–34): Der letzte wichtige Vortheil, den uns die Sprache verschaft, besteht darin, daß wir durch sie unsere Gedanken allgemein machen können. Man weiß, von welcher Wichtigkeit allgemeine Begriffe und Sätze, so wol in der Theorie, als in der Ausübung sind. Sie geben uns in der Kürze Vorschriften, die wir auf alle Fälle anwenden können, da wir sonst bey jedem vorkommenden Falle von neuem erst die Regel suchen müsten. Sie befördern unsere Einsicht in die Beschaffenheit der Dinge, indem sie sie abkürzen. (TIEDEMANN [1772] 1985: 35): Es bleibt also dabey, daß die Menschen ohne Sprache keine allgemeine Begriffe würden gebildet haben, und folglich auch keine allgemeine Sätze, weil diese aus allgemeinen Begriffen bestehen. (CONDILLAC [1775b] 1947–1951: Cours d’histoire, II, 90). […] nous pensons dans notre langue et d’apres notre langue […]. C’est aux méthodes que notre esprit doit ses progres en tous genres: notre langue influe donc sur notre façon de penser, et elle lui donne de la clarté et de la précision, à proportion qu’elle en a davantage elle-même. (MEINER 1781: VIII): Denn weil die Sprache eine sinnliche Abbildung unserer Gedanken ist, so kann man ja aus der zunehmenden Vervollkommnung der Sprache immer auf die vorausgegangene Vervollkommnung der Den-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken kungsart eines Volkes sicher zurücke schließen. (MEINER 1781: XXXVII): Alle Nationen fanden durch das innere Gefühl, daß, wenn sie denken, sie in ihren Gedanken allezeit etwas unselbständigeres mit etwas selbständigern entweder verbinden oder von ihm trennen, und, weil diese Verbindung oder Trennung beyder Dinge ein Satz genennet wird, sie also allezeit im Satze denken […]. (JENISCH 1796: 9–11): Denn nur alsdann erst ist der Mensch fähig, abstracte Begriffe und Worte zu bilden, wenn sich sein Geist zu einer ruhigen und, was noch mehr sagen will speculativen Betrachtung der Gegenstände, und zur feinern Entwickelung seiner Gefühle gewöhnt hat; wenn er den Gegenstand seines Denkens gleichsam mehr selbst bestimmt, als von demselben bestimmt wird; wenn er im Stande ist ihn von allem dem, was das Interesse des unmittelbaren Bedürfnisses für ihn hat, abzusondern, und sich über den ersten, rohesten Eindruck der Sinne, über den ersten Moment der aufwallenden Leidenschaft, zu erheben, und gleichsam der Zuschauer seiner eigenen Handlungen, ich will sagen, der innern Kraftäusserungen seines Geistes, zu werden. Ehe der Mensch z. B. die Wörter Begriff, Gegenstand, Gefühl, Leidenschaft, Empfänglichkeit, Tugend – bildet, und die ihnen unterliegenden Ideen ans der rohen Masse der sinnlichen Eindrücke heraushebt, muss er sich vorher gewöhnt haben, in dem sinnlichen Gegenstande mehr, als diesen allein, nämlich, sein eigenes geistiges Selbst und die, auf den Gegenstand hingerichteten, Kraftäusserungen dieses geistigen Selbst, zu beobachten […] Denn eben durch die geistigen Anschauungen und Reflexionsbegriffe wird eine Sprache – zur Behandlung und Darstellung der feinsten und erhabensten Gegenstände des menschlichen Denkens fähig. Nur durch diese kann der Geist sich zu Betrachtungen über Werth und Wesen der Tugend, über allgemeines Wohl und Menschenglück, über die wundervolle Organisation unseres vernünftigen Selbst, über Vorsehung, Unsterblichkeit u. s. w. erheben, und die kunstvollesten, und mit Recht bewundertesten aller seiner Kraftäusserungen entwickeln […].
Kognitive Funktion der Sprache (DEBRUN 1801: 65–66): 2.° A étendre considérablement l’empire que nous avons sur nos idées: quand, par abstraction, je considère un mode de certain objet, plus le mode est abstrait, et plus l’attention a de peine à le fixer: si donc, je voulais unir immédiatement deux perceptions abstraites, je ne parviendrais que difficilement à leur donner, simultanément, la quantité d’attention, nécessaire, pour opérer leur liaison; et quand je voudrais employer l’une à me rappeler l’autre, mes efforts seraient vains, parce que toutes deux sont également fugitives. Mais si j’attache à chacune d’elles une sensation concrète (débarrassée d’abstractions), la puissance que j’ai de retenir celle-ci présente à la pensée autant de temps qu’il me plaira, me donne sur celle-là une puissance absolue. En général, les idées sont trop subtiles pour qu’on puisse les analyser et les classer à loisir: mais la puissance que nous n’avons pas immédiatement sur les idées, nous l’avons sur les mots qui sont de pures sensations, et nous l’acquérons sur les idées mêmes par la liaison qui existe entre le mot et l’idée. (LANCELIN 1801–1802: I, XVII): Vérité fondamentale. Le plus puissant levier de l’esprit humain, et le plus sûr moyen de remonter aux premiers élémens de la raison et de la vérité, résident dans l’exacte analyse de nos idées par le moyen de leurs signes représentatifs; c’est surtout de leur étroite liaison avec elles, de leur simplicité, de leur détermination rigoureuse, en un mot, de l’art avec lequel on sait les choisir et les employer, que dépendent, 1° la formation régulière, l’accroissement et le perfectionnement des sciences; 2° la destruction de la plupart des erreurs et des préjugés; 3° les progrès et le maximum de l’intelligence humaine. (LANCELIN 1801–1802: I, XXXIV–XXXVI): 1° L’art de penser seroit parfait (autant du moins que le comportent la nature de l’esprit humain et celle de nos sensations), si l’art des signes étoit porté à sa perfection; ce que je prouve en faisant voir que l’artifice de la formation et de l’analyse exacte des idées, suit pas à pas celui de la composition et de l’analyse rigoureuse de leurs signes représentatifs. 2° Dans toutes les sciences où la vérité est reçue sans contestation, cet avantage est dû en partie à la qualité des idées mesurables dont
391 on s’occupe, mais sur-tout à l’art des signes, dont l’analyse bien faite conduit toujours sûrement à celle des idées préalablement bien liées avec eux. 3° Dans celles qui fournissent un éternel aliment aux disputes, le partage des opinions est une nécessaire, 1° de la qualité des idées immesurables ou irréductibles à des élémens uniformes; 2° de la formation inexacte des idées complexes ne refermant pour la plupart que des élémens indéterminés; 3° de l’inexactitude correspondante des signes dont la mauvaise construction et le mauvais emploi expriment mal des notions analysées. 4° Il n’y a que deux moyens pour raisonner juste, c’est de se créer à soi même une langue analytique, ou de vérifier, reconstruire et perfectionner celle que nos pères nous ont transmise. 5° C’est là l’unique moyen de corriger les signes mal faits, et de rendre toutes les sciences susceptibles de démonstration. 6° L’art de penser, de raisonner se trouvent, en dernière analyse, réduits à savoir écrire ou parler, en un mot, analyser avec précision une langue exacte ou bien faiteAnm [Anmerkung]: C’est bien à cela que tient le dernier perfectionnement des méthodes, mais il ne faut pas oublier qu’elles ne peuvent que seconder, et non pas donner le génie, qui ne peut se convertir en art. Nota. Par langue bien faite j’entends une langue basée sur de bonnes observations, des idées justes et des faits exacts. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 245– 247): Nous ne devons plus nous borner à examiner notre faculté de penser, isolée et abstraite des autres circonstances de notre existence, il faut considérer notre individu tout entier et dans son ensemble. Deux phénomènes principaux s’y font remarquer; l’un est cette capacité, ce pouvoir que nous avons de recevoir des impressions, d’avoir des perceptions, en un mot, d’éprouver des modifications dont nous avons la conscience: c’est ce que nous appelons la faculté de penser ou de sentir, en prenant ce mot dans le sens le plus étendu. L’autre est cette capacité ou ce pouvoir que nous avons de remuer et de déplacer les différentes parties de notre corps, et d’exécuter une infinité de mouvemens tant
392 internes qu’externes, le tout en vertu de forces existantes au-dedans de nous, et sans y être contraints par l’action immédiate d’aucun corps étranger à nous: c’est ce que nous appelons la faculté de nous mouvoir. ces deux phénomènes sont également le résultat de notre organisation: nous pouvons bien les diviser par la pensée pour examiner séparément et successivement les effets de l’un et de l’autre, mais dans la réalité ils sont inséparables, le premier au moins ne peut exister sans le second: car, quoiqu’il soit vrai qu’il s’opère beaucoup de mouvemens en nous sans que nous en ayons la conscience, sans qu’ils nous causent la moindre perception, il est certain que nous ne pouvons concevoir aucune perception produite en nous, même la plus purement intellectuelle, sans un mouvement quelconque opéré dans quelqu’un de nos organes. Ainsi, à prendre les choses telles qu’elles sont, nous ne devons regarder l’action de penser ou sentir que comme un effet particulier de l’action de nous mouvoir, et la faculté de penser que comme une dépendance de la faculté de nous mouvoir. Celle-ci mérite donc bien de fixer notre attention. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: II, 24): Nous avons dit avec vérité, que c’était sentir des rapports, mais cela demande quelques explications et quelques développemens; et il faut avant tout, éclaircir et complèter absolument l’histoire de cette faculté de juger: car c’est à elle sur-tout, que se rapporte l’artifice du discours; et c’est à manifester ses résultats qu’il est principalement, sinon uniquement destiné. (BERNHARDI [1805] 1990: 117): […] daß wir in diesem und dem syntaktischen Theile, die Sprache nur als ein durch die Imagination unter dem leitenden Verstande zwar producirtes, aber schon völlig in den Verstand übergetretenes Ganze betrachten, welches als Innbegriff von Zeichen im dem Gedächtnisse verwahrt wird. (BERNHARDI [1805] 1990: 118): […] die Sprache nicht mehr als Verstand, sondern wirklich als Vernunft selbst betrachten. Hilfe des Denkens (SANCTIUS 1587: 5b): Scio Aristoteleos aliter sentire: sed nemo diffitebitur nomina esse velut instrumentum rerum & notam: instrumen-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken tum autem cuiuslibet artis illi arti accommodatur, ut ad alia omnia ineptum esse videatur. Sic terebro terebramus; & ferra scindimus lignum: At lapides cuneis discindimus; & cunei gravissimis malleis adiguntur. (COMENIUS [1648] 1978: 22): Sermonem venire à Cogitatione, Cogitationem à Rebus. Cogitatio enim est imago Rerum menti observantium, Sermo autem rursùs cogitationum, qvas mens secum volvit, imago. (COMENIUS [1648] 1978: 22): Patet tria illa respectum ad invicem servare perpetuum. Res enim qvia intelligi volunt, ad Mentem tendunt. Intellectus autem Rerum qvia propagari gaudet, Verba qværit, qvibus se involvat, & ad Mentem alterius transplantet. Atq; tùm, si Res uti sunt ita intelliguntur; & sicuti intelliguntur ita enunciantur, harmonia prodit vera, Rerum cum Mente, & Mentis cum Ore. (LAMY [1675/1701] 1998: 161): Les objets qui ont entre eux quelque rapport et quelque liaison ont leurs idées en quelque manière liées les unes avec les autres. En voyant un soldat, on se souvient facilement de la guerre. En voyant un homme, on se souvient de ceux dans le visage desquels on a remarqué les mêmes traits. Ainsi l’idée d’une chose peut être excitée par le nom de toutes les autres choses avec lesquelles elle a quelque liaison. (LOCKE [1690] 1894: III, I, 3): To use these Sounds as Signs of Ideas. Besides articulate sounds, therefore, it was further necessary that he should be able to use these sounds as signs of internal conceptions; and to make them stand as marks for the ideas within his own mind, whereby they might be made known to others, and the thoughts of men’s minds be conveyed from one to another. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 9): The use, then, of words, is to be sensible marks of ideas; and the ideas they stand for are their proper and immediate signification. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 9): Words, in their immediate Signification, are the sensible Signs of his Ideas who uses them. The use men have of these marks being either to record their own thoughts, for the assistance of their own memory or, as it were, to bring out their ideas, and lay them before the view of others: words, in their primary or immediate signification, stand for nothing but the ideas
Kognitive Funktion der Sprache in the mind of him that uses them, how imperfectly soever or carelessly those ideas are collected from the things which they are supposed to represent. (LOCKE [1690] 1894: III, VII, 98–99): To think well, it is not enough that a man has ideas clear and distinct in his thoughts, nor that he observes the agreement or disagreement of some of them; but he must think in train, and observe the dependence of his thoughts and reasonings upon one another. And to express well such methodical and rational thoughts, he must have words to show what connexion, restriction, distinction, opposition, emphasis etc., he gives to each respective part of his discourse. (LOCKE [1690] 1894: III, IX, 104): Words are used for recording and communicating our Thoughts. (MICHAELIS 1760: 32): Man könnte die Wünsche vor die Brauchbarkeit der Sprache noch weiter treiben. Hätten gantze Classen von Kräutern, monandria, diandria, u. s. f. ihre deutschen Nahmen, so würde die systematische Botanik erleichtert, und wenn die recht gäng und gebe würden; so könnte mancher gantz ungelehrte im Spiel, und bey Müßiggang auf dem Felde, etwas von der systematischen Botanik lernen. Eben ein solches Glück wünsche ich jedem einzelnen Theil, daraus die Pflantze zusammengesetzt ist. Bey den Morgenländern ist es ein Vorzug der Sprache, daß gleichsam noch jüngferliche, und das geschwängerte Kraut, (herba virgo & maritata) jedes seinen besondern Nahmen hat […]. (MICHAELIS 1762: 45): Une abondance de mots propres à désigner tous les ouvrages de la Nature & de l’Art, & tout ce qui appartient aux mœurs, en un mot tout ce qui peut entrer dans l’esprit du savant & du peuple, & j’entens que ces mots ne soient point empruntés d’une langue étrangère: une telle abondance ne peut manquer d’être d’une grande utilité pour l’avancement des sciences. (MICHAELIS 1762: 56): J’aurois encore bien d’autres souhaits à faire, s’il ne s’agissoit que de souhaiter. Je voudrois, par exemple, qu’il y eût des noms Allemands pour des classes entières, comme pour Monandria, Diandria &c. Ces noms, une fois en vogue, faciliteroient beaucoup les systêmes de Botanique, & les
393 mettroient à la portée des gens les moins lettrés: l’on en prendroit l’idée dans ses jeux & dans ses promenades. Je voudrois encore qu’il y eût des termes pour chaque partie dont les végétaux sont composés. Les Orientaux ont un mot à part pour exprimer l’herbe vierge, & un autre pour l’herbe fécondée, ce qui assurément fait l’éloge de leur langue. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 351): Au contraire, que, profitant de la commodité du signe un, pour réfléchir sur l’idée un, et étant venu à l’imaginer ajoutée à elle-même, je m’avise d’appeler deux cette nouvelle idée, ce second signe fixe dans mon esprit le résultat de l’opération que j’ai faite, il me rend présente et sensible l’idée d’un plus un; bientôt il fait naître celle de deux plus un, je l’appelle trois; continuant de même, je conçois trois plus un, je l’appelle quatre; quatre plus un, je l’appelle cinq; cinq plus un, je l’appelle six; six plus un, je l’appelle sept; sept plus un, je l’appelle huit, et ainsi de suite; et tout cela pour avoir eu le signe un et m’en être servi à créer le signe deux. Konstitutiv für die höheren Denkprozesse (CHARPENTIER 1683a: 104–105): Comme il n’y a donc pas moyen de parvenir à la connoissance des choses, qu’aprés en avoir appris les noms, parce que le nom porte avec soy la premiere notion de la chose dont il est le nom; il est clair que celuy qui a imposé les premiers noms, est celuy qui a donné à l’Homme les premieres notions de toutes choses; on peut dire qu’il luy a communiqué les principes de tous les Arts & de toutes les Sciences; on peut dire qu’il l’a mis en possession de sa Raison. (CONDILLAC [1746] 1961: Introduction, XIII): Les idées se lient avec les signes, et ce n’est que par ce moyen, comme je le prouverai, qu’elles se lient entr’elles. Ainsi, après avoir dit un mot sur les matériaux de nos connoissances, sur la distinction de l’ame et du corps, et sur les sensations; j’ai été obligé, pour développer mon principe, non-seulement de suivre les opérations de l’ame dans tous leurs progrès, mais encore de rechercher comment nous avons contracté l’habitude des signes de toute espèce, et quel est l’usage que nous en devons faire.
394 (LA METTRIE 1748: 31–32): LES Mots, les Langues, les Loix, les Sciences, les Beaux Arts sont venus; & par eux enfin le Diamant brut de notre esprit a été poli. On a dressé un Homme, comme un Animal; on est devenu Auteur, comme Porte-faix. Un Géomètre a appris à faire les Démonstrations & les Calculs les plus dificiles, comme un Singe à ôter, ou mettre son petit chapeau, & à monter sur son chien docile. Tout s’est fait par des Signes; chaque espèce a compris ce qu’elle a pu comprendre: & c’est de cette manière que les Hommes ont acquis la connoissance symbolique, ainsi nommée encore par nos Philosophes d’Allemagne. (LA METTRIE 1748: 34–35): Mais comme telle est la construction de ce viscère, que dès qu’une fois les yeux bien formés pour l’Optique, ont reçu la peinture des objets, le cerveau ne peut pas ne pas voir leurs images & leurs différences: de même lorsque les Signes de ces différences ont été marqués, ou gravés dans le cerveau, l’Ame en a nécessairement examiné les raports; examen qui lui étoit impossible, sans la découverte des Signes, ou l’invention des Langues. Dans ces tems, où l’Univers étoit presque müet, l’Ame étoit à l’égard de tous les objets, comme un Homme, qui, sans avoir aucune idée des proportions, regarderoit un tableau, ou une pièce de Sculpture; il n’y pourroit rien distinguer: ou comme un petit Enfant, (car alors l’Ame étoit dans son Enfance) qui tenant dans sa main un certain nombre de petits brins de paille, ou de bois, les voit en général d’une vüe vague & superficielle, sans pouvoir les compter, ni les distinguer. (LA METTRIE 1748: 36–37): TOUT ce savoir dont le vent enfle le Balon du cerveau de nos Pédants orgueilleux, n’est donc qu’un vaste amas de Mots & de Figures, qui forment dans la tête toutes les traces, par lesquelles nous distinguons & nous nous rappellons les objets. Toutes nos idées se réveillent, comme un Jardinier qui connoît les Plantes, se souvient de toutes leurs phrases, à leur aspect. Ces Mots & ces Figures qui sont désignées par eux, sont tellement liées ensemble dans le cerveau, qu’il est assez rare qu’on imagine une chose, sans le nom, ou le Signe qui lui est attaché. (LA METTRIE [1751] 1774: 169): Notre cerveau est originairement une masse informe,
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken sans nulle idée; il a seulement la faculté d’en avoir, il les obtient de l’éducation, avec la puissance de les lier, & de les combiner ensemble. Cette éducation consiste dans un pur mécanisme, dans l’action de la parole de l’un, sur l’ouïe de l’autre, qui rend les mêmes sons & apprend les idées arbitraires qu’on a attachées à ces sons: ou pour ne pas quitter nos sourds, dans l’impression de l’air & des sons qu’on leur fait rendre à eux-mêmes machinalement, comme je l’ai dit, sur leur propre nerfs accoustiques, qui est une des cordes, si l’on me permet de m’exprimer ainsi, à la faveur desquelles les sons & les idées vont se graver dans la substance médullaire du cerveau, & jettent ainsi les premieres semences de l’esprit & de la raison. (Encyclopédie, Artikel Déclinaison, DU MARSAIS, 1754: IV, 694): Mais dès que nous voulons faire passer notre pensée dans l’esprit des autres, nous ne pouvons produire en eux cet effet que par l’entremise de leurs sens. Les signes naturels qui affectent les sens, tels sont le rire, les soupirs, les larmes, les cris, les regards, certains mouvemens de la tête, des piés & des mains, &c. ces signes, dis-je, répondent jusqu’à un certain point à la simplicité de la pensée; mais ils ne la détaillent pas assez, & ne peuvent suffire à tout. Nous trouvons des moyens plus féconds dans l’usage des mots; c’est alors que notre pensée prend une nouvelle forme, & devient pour ainsi dire un corps divisible. En effet, pour faire passer notre pensée dans l’esprit des autres par leurs sens, qui en sont le seul chemin, nous sommes obligés de l’analyser, de la diviser en différentes parties, & d’adapter des mots particuliers à chacune de ces parties, afin qu’ils en soient les signes. Ces mots rapprochés forment d’abord divers ensembles, par les rapports que l’esprit a mis entre les mots dont ces ensembles sont composés: delà les simples énonciations qui ne marquent que des sens partiels: delà les propositions, les périodes, enfin le discours. (ROUSSEAU 1755: 34): […] si les Hommes ont eu besoin de la parole pour apprendre à penser, ils ont eu bien plus besoin encore de savoir penser pour trouver l’art de la parole […]. (ROUSSEAU 1755: 38): D’AILLEURS, les idées générales ne peuvent s’introduire dans l’Esprit
Kognitive Funktion der Sprache qu’à l’aide des mots, & l’entendement ne les saisit que par des propositions. (ROUSSEAU 1755: 39–40): Il faut donc énoncer des propositions, il faut donc parler pour avoir des idées générales; car sitôt que l’imagination s’arrête, l’esprit ne marche plus qu’à l’aide du discours. Si donc les premiers Inventeurs n’ont pu donner des noms qu’aux idées qu’ils avoient déja, il s’ensuit que les premiers substantifs n’ont pu jamais être que des noms propres. (MICHAELIS 1760: 39–40): Ich habe bereits oben ein Beyspiel von den Aethiopiern angeführt, die kein besonderes Wort für Person und Natur hatten, und sich deswegen in die Lehre von einer Person und zwey Naturen Christi nicht finden konnten. (MICHAELIS 1762: 79): Nous avons vu plus haut l’exemple des Ethiopiens, qui n’ayant qu’un mot pour personne & pour nature, ne pouvoient comprendre la doctrine des deux natures de Christ réunies dans une seule personne. (SÜSSMILCH [1766] 1998 Vorrede, 5a): Mein erster Satz ist: die Sprache ist das Mittel zum Gebrauch der Vernunft zu gelangen, ohne Sprache oder andere gleichgültige Zeichen ist keine Vernunft. (SÜSSMILCH [1766] 1998: Vorrede, 5a): Wer also Werke des Verstandes will hervor bringen, der muß sich im Gebrauch der Sprache befinden. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 10): Wann der Mensch sich erst im Gebrauch der Vernunft befindet, so kann er hernach so viele Sprachen machen als er will. Allein dieses findet ohne den Gebrauch der Sprache nicht statt. Kann er nicht sprechen, so kan er auch nicht vernünftig denken, nicht erfinden und keine Sprache machen, in welcher Kunst und Ordnung befindlich ist. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 16): Auch die Sprachen der uncultivirtesten Völker haben ihre Regeln der Vollkommenheit und Ordnung. Und also folget nothwendig, daß ihre Erfindung und Bildung ein Werk der Vernunft und einer klugen Wahl seyn müsse. Hat nun aber die Vernunft nothwendig Anteil haben, und alles nach Gründen und Regeln bestimmen sollen, so haben sich die ersten Erfinder nothwendig im vollkommenen Gebrauch der Ver-
395 nunft bereits müssen befunden haben, sie haben müssen reflectiren, abstrahiren und rationiren können. Dieses aber kann der Mensch nicht ohne den Gebrauch der Zeichen, der Sprache und der Schrift, folglich hat auch der Mensch nichts zur Bildung des künstlichsten Meisterstücks des menschlichen Verstandes beytragen können; oder man müßte es für möglich halten, und auch die Möglichkeit gründlich darthun, daß ein kindischer Verstand das vollkommenste, ordentlichste und künstlichste Gebäude aufführen könnte, welches wohl kein Mensch zugeben wird […]. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 20): Es ist noch ein andrer Zweck [der Sprache], der als der erste anzusehen ist, nemlich daß der Mensch selbst durch die Schalle als sinnliche und unentbehrliche Zeichen hat müssen zum Gebrauch der Vernunft gebracht werden. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 33–34): Die Sprache ist das Mittel zum Gebrauch der Vernunft zu gelangen, oder, ohne Sprache kan der Gebrauch der Vernunft nicht statt haben, man kan ohne selbige nicht zu abgesonderten und allgemeinen Begriffen und zu deren fertigen Gebrauch gelangen, man kan folglich auch nicht Schlüsse in Verbindung setzen und rationiren, also auch nicht andere Dinge verrichten, die schlechterdings von dem Gebrauch der Vernunft abhängen. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 52): Ich hoffe, man werde nun zugestehen, daß der Mensch ohne den Gebrauch der Sprache oder anderer gleichgültiger Zeichen nur einen sehr geringen Grad des Verstandes haben könne und daß er zur Verbindung der Vernunftschlüsse, zur Einsicht in den Zusammenhang mehrerer und abstracter Wahrheiten, zu Beweisen, folglich auch zur Erfindung anderer Wahrheiten und zu werken einer klugen Wahl gar nicht geschickt sey. Denken hätte man ohne Sprache wohl gekont, aber nicht vernünftig denken. Wir würden bey den ersten Anfangsgründen des Denkens, nemlich bey den sinlichen Vorstellungen und Einbildungen seyn stehn geblieben. Würden fast in einer ewigen Kindheit verblieben seyn, wenn wir auch Männer an Jahren gewesen wären. Ja ich trage kein Bedenken, aus vorstehenden Gründen zu behaupten, daß der Mensch von einem Thiere in Ansehung des Denkens wenig würde unterschieden werden seyn. Vielleicht wür-
396 de er das witzigste Thier gewesen seyn, wenn man annehmen kann, daß das uns angebohrne Wesen der Vernunft an und für sich grösser sey als in allen andern Thieren. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 67–68): Der Mensch ist dem Vermögen nach ein verständig Wesen zu nennen. Ohne Zeichen und Sprache aber kan der völlige Gebrauch der Vernunft nicht erfolgen. Es können dem sprachlosen Menschen blos die niedern Würkungen der Seele beygeleget werden, er kan sich sinnliche Vorstellungen machen, er hat einen niedern Grad des Gedächtnisses, eine Einbildungskraft. Es wird ihm auch nicht abgesprochen, daß er nicht einen klaren und allgemeinen Begrif von einem Menschen, Baume und andern sinnlichen Dingen haben und auch in so weit die Uebereinstimmung zweyer und mehrerer Begriffe erkennen und wissen solte, daß z. E. ein Baum nicht ein Mensch oder ein Mensch nicht ein vierfüßiges Thier. So viel als ein Thier denken kan, so viel würde es auch der Mensch haben thun können, und vielleicht wäre er das verständigste Thier gewesen, wenn er nemlich das Wort Verstand in diesem eingeschränkten Sinn nimmt. Es wird aber vermöge des vorhergehenden Beweises gänzlich geleugnet, daß der Mensch ohne Sprache in der Deutlichkeit der Begriffe weit kommen, daß er die Theile einer ganzen Erscheinung absondern und an selbige denken können, ohne an die andere damit verbundene zugleich mit zu denken, die vielleicht einen grössern Eindruck in die Sinne machen, und daß er also blos die ähnlichen Theile der indiuiduorum, specierum und generum sich vorstellen könne: daß er daher nicht notiones specierum, generum, classium & generum summorum machen, folglich nicht ratiociniren, meditiren, inventiren können, als wozu schlechterdings Vernunft, Ueberlegung und Klugheit gehöret. ([MAYET 1771] I-M-664: 13): L’imagination active, ce pouvoir que nous avons de nous representer les choses sensibles en leur absence, de saisir les objets naturels sous toutes leurs faces, sous tous leur rapports, de composer de leurs parties diverses des tableaux arbitraires et quelquefois bisarres, qui, n’ayant, dans leur totalité, aucun modèle dans la nature, offrent tout l’agrément de l’invention et toute la surprise de la nouveauté; ce pouvoir, dis-je, naît
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken de la faculté d’examiner, de comparer, de combiner; ou, d’entrer dans l’examen, dans la comparaison, dans la combinaison qu’ont fait les autres, des objets tracés dans notre cerveau. Et avant d’en venir là, il a fallu que nous apprissions les noms de tous ces objets et de leurs différentes modifications. Sans ces dénominations, nous n’aurions pas été les maîtres de faire ce que nous aurions voulu de notre imagination. Nous n’aurions jamais eu de véritable mémoire: les images se seroient tracées dans notre cerveau sans aucun discernement réfléchi: elle n’auroit jamais pu tenir régistre de tout ce qu’elle reçoit d’objets et de modifications d’objets: quelque énergie qu’on suppose à son organe physique, jamais elle ne seroit parvenue à separer, en quelque façon, les qualités et modifications des objets, des objets mêmes; encore moins à se replier sur ces différentes perceptions. ([MAYET 1771] I-M-664: 14): Mais sans les signes d’institution, sans le langage, la mémoire et le jugement de ces petits prodiges auroient-ils pu acquérir cette étendue et cette solidité que Mr. de la Littre a remarqué en eux; ces facultés, sur-tout le jugement, auroient-elles, même, jamais eu lieu? ([MAYET 1771] I-M-664: 16–17): Il seroit sans doute à désirer qu’un homme aussi habile que Mr. Bonnet, à développer les principes qu’il se fait, ou qu’il adopte, daignât adopter ceux-ci, et qu’il entreprît de nous donner un nouvel Essai analytique des facultés de l’ame, qui eût pour objet leur développement par le moyen du langage. Personne ne réussiroit mieux que lui à nous demontrer que le raisonnement n’est qu’un assemblage ou enchainement de noms par ce mot est, exprimé ou sous-entendu; qu’une pensée quelconque n’est qu’un assemblage de dénominations, sans les quelles nous ne serions jamais parvenus à distinguer et à fixer dans notre imagination les différentes perceptions occasionnées par les objets et leurs modifications; et qu’enfin, ce que le Géometre exécute sur les nombres, le logicien le fait sur les mots. ([MAYET 1771] I-M-664: 19): Cette erreur, que l’invention du langage a pu être le fruit d’une convention réfléchie, paroît avoir été généralement adoptée. Pour en dissiper l’illusion, il falloit faire encore un pas de plus que Locke dans la recherche de l’origine de nos
Kognitive Funktion der Sprache connoissances: il falloit démontrer que l’usage des signes articulés a dû nécessairement précéder le développement de la pensée. La gloire de projetter cette entreprise étoit réservée à Mr. l’Abbé de Condillac. Quoiqu’en entreprenant cette tâche, il n’ait pu s’empêcher d’être séduit par l’amas de ses conoissances acquises; quoiqu’il ait précipité le développement des opérations de notre entendement, dont il recherchoit l’origine, on doit cependant convenir qu’il avoit entrevu le véritable moyen de l’expliquer clairement: Son hypothèse sur l’invention du langage en est une preuve convaincante. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 24): […] l’expérience nous apprend que les progrès de la raison sont toujours attachés à ceux du langage. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-685: 4–5): Tout embarras, toute difficulté auroient disparu aux yeux pénétrans de cet homme Surprenant, S’il ne se les étoit laissé offusquer par une inversion dans la quelle sont tombés tous les philosophes, en attribuant aux idées l’invention du langage, tandis que c’est indisputablement le langage qui est l’auteur des idées proprement dites, de celles qui pour être communiquées ont besoin dela parole. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-685: 6): […] ceux à qui, faute de réfléchir, il est difficile de supposer l’homme sans idées, nous disent S’ils conçoivent dequelle espèce peuvent être des idées qui ne tiennent à aucune sorte d’expression? La question n’est pas ridicule. Nous avons tous en nous mêmes la preuve que tout cequi dans notre Esprit va au delà du Sentiment et de la perception, y est consigné sous les dénominations propres à la langue dans laquelle nous avons été elevés, ou à d’autres langues que nous avons apprises, et dans les quelles se traduisent les idées que nous avons recueillis dans notre propre langue. (HERDER [1772] 1978a: 102–103): Durch das Wiederkommen ähnlicher Umstände (§ 3) gewöhnen sie sich, mit den Schällen der Empfindungen und den verschiednen Zeichen des Körpers Gedanken zu verbinden. Schon bekommt ihr Gedächtnis Übung. Schon können sie über ihre Einbildung walten, und schon sind sie so weit, das mit Reflexion zu tun, was sie vorher bloß durch Instinkt taten.
397 (HERDER [1772] 1978a: 119): So wie wir mit wenigen Abstraktionskräften nur wenige Abstraktion ohne sinnliche Zeichen denken können, so können andre Wesen mehr darohne denken; wenigstens folgt daraus noch gar nicht, daß an sich selbst keine Abstraktion ohne sinnliches Zeichen möglich sei. Ich habe erwiesen, daß der Gebrauch der Vernunft nicht etwa bloß füglich, sondern daß nicht der mindeste Gebrauch der Vernunft, nicht die einfachste deutliche Anerkennung, nicht das simpelste Urteil einer menschlichen Besonnenheit ohne Merkmal möglich sei; denn der Unterschied von zween läßt sich nur immer durch ein drittes erkennen. Ebendies dritte, dies Merkmal, wird mithin inneres Merkwort, also folgt die Sprache aus dem ersten Actus der Vernunft ganz natürlich. (HERDER [1772] 1978a: 120): Wenn keine Vernunft dem Menschen ohne Sprache möglich war, wohl, so ist die Erfindung dieser dem Menschen so natürlich, so alt, so ursprünglich, so charakteristisch als der Gebrauch jener. (HERDER [1772] 1978a: 120): Ohne Sprache hat der Mensch keine Vernunft und ohne Vernunft keine Sprache. Ohne Sprache und Vernunft ist er keines göttlichen Unterrichts fähig, und ohne göttlichen Unterricht hat er doch keine Vernunft und Sprache. Wo kommen wir da je hin? Wie kann der Mensch durch göttlichen Unterricht Sprache lernen, wenn er keine Vernunft hat? Und er hat ja nicht den mindesten Gebrauch der Vernunft ohne Sprache. (HERDER [1772] 1978a: 161): Wenn es nun bewiesen ist, daß nicht die mindeste Handlung seines Verstandes ohne Merkwort geschehen konnte, so war auch das erste Moment der Besinnung Moment zu innerer Entstehung der Sprache. (HERDER [1772] 1978a: 165): Konnte nun der erste Zustand der Besinnung des Menschen nicht ohne Wort der Seele würklich werden, so werden alle Zustände der Besonnenheit in ihm sprachmäßig, seine Kette von Gedanken wird eine Kette von Worten. (TETENS 1772: 3–4): Man darf nicht viele, und eigentliche gar keine vernünftige Ueberlegung voraussetzen, wo die Sprache noch fehlet. Die Sprache muß so alt seyn, als der
398 Gebrauch der Vernunft. Kan wohl auch nur der erste Schritt in dem Uebergang von dem blos thierischen zum vernünftigen Zustande, als möglich gedacht werden, ohne daß eine Sprache entweder schon vorhero erfunden sey, oder doch zugleich mit erfunden werde? Dahero führet die Frage über die Selbsterfindung einer Sprache, noch auf eine andere Untersuchung, nämlich auf diese: Kan der Mensch, seinen natürlichen ihm angebornen Fähigkeiten allein überlassen, ohne Instruction, und ohne eine Sprache zu besitzen, von selbst einen Anfang in der Entwicklung seiner höhern Erkenntniskräfte, machen? Kan er von diesem Anfang weiter gehen, und nun auch eine Sprache erfinden? Oder kan er auf eine Sprache kommen ohne Vernunft, und alsdann durch jene auch diese anbauen? Oder kan er beydes zugleich, Sprache und Vernunft in Verbindung mit einander, sich verschaffen? (TIEDEMANN [1772] 1985: 32): Der dritte Vortheil, der aus der Sprache uns zufliest, ist der, das wir durch sie unsere Gedanken zu verbinden und in eine ordentliche Folge zu setzen geschickt gemacht werden. Daß der Mensch ohne Sprache einzelne sinnliche Vorstellungen haben, daß er sich auch eine Art von Gemählde in seiner Einbildungskraft entwerfen kann, welches gewisse Sätze in sich fast, das läst sich begreifen, aber daß er sollte ganze Reihen von Schlüssen, von zusammenhängenden Wahrheiten sich denken können, das ist unbegreiflich. (TIEDEMANN [1772] 1985: 33): Daß wir also unsern Verstand gebrauchen können, daß wir unsere Vernunft mit erhabenen Wahrheiten unterhalten, unsern Witz mit angenehmen Dingen vergnügen können, dieses haben wir der Sprache zu danken. (TIEDEMANN [1772] 1985: 165): Die abstrakten und ganz allgemeinen Begriffe lassen sich nicht ohne Worte in ihrer völligen Allgemeinheit denken […]. (ROUSSEAU [1781] 1968: Prononciation, 217): L’analyse de la pensée se fait par la parole […]. (RIVAROL [1784] 1998: 43–44): Des philosophes ont demandé si la pensée peut exister sans la parole ou sans quelque autre signe. Non sans doute. L’homme, étant une machine
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken très harmonieuse, n’a pu être jeté dans le monde sans s’y établir une foule de rapports. La seule présence des objets lui a donné des sensations, qui sont nos idées les plus simples, et qui ont bientôt amené les raisonnements. Il a d’abord senti le plaisir et la douleur, et il les a nommés; ensuite il a connu et nommé l’erreur et la vérité. Or, sensation et raisonnement, voilà de quoi tout l’homme se compose: l’enfant doit sentir avant de parler, mais il faut qu’il parle avant de penser. […] si l’homme n’eût pas créé des signes, ses idées simples et fugitives, germant et mourant tour à tour, n’auraient pas laissé plus de traces dans son cerveau que les flots d’un ruisseau qui passe n’en laissent dans ses yeux. Mais l’idée simple a d’abord nécessité le signe, et bientôt le signe a fécondé l’idée; chaque mot a fixé la sienne, et telle est leur association que, si la parole est une pensée qui se manifeste, il faut que la pensée soit une parole intérieure et cachée. (HERVÁS Y PANDURO 1800: II, 282–283): Nuestro pensar es pediseqüo del hablar: no solemos tener ideas, sino de las palabras que sabemos; por lo que quien habla bien una lengua abundantísima de palabras, tiene mas ideas que el que habla una lengua escasa de aquellas. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 24): […] las naciones no han inventado el artificio particular de sus respectivos idiomas, mas lo han recibido y conservado. Todos los hombres al empezar á hablar una lengua, empiezan á dar á sus ideas el órden que á las palabras de ellas se da segun su propio artificio gramatical. (DEBRUN 1801: 66): 4.° A former des idées complexes: les idées ne tiennent l’une à l’autre, et ne forment un tout, que par leur union à des mots. Si je voulais, par exemple, me faire une idée du nombre cent, en répétant un, un, un, un, etc., je ne pourrais jamais m’assurer d’avoir fait telle collection d’unités, plutôt que telle autre: mais, au moyen des mots, un me rappelle deux, deux me rappelle trois, et ainsi de suite, selon l’ordre que je leur ai donné dans ma mémoire, jusqu’au mot cent, qui caractérise la collection. (LANCELIN 1801–1802: I, 159): Nécessité des signes, pour la formation des idées abstraites,
Kognitive Funktion der Sprache complexes, et généralement pour toutes les notions dues aux opérations de l’esprit. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, IV–V): Par une suite nécessaire de ce premier principe, on parvint à se convaincre, et à reconnoitre pour second principe, que l’esprit humain ne se formant que par le langage, ne se développant et ne s’exerçant que par-là, ne pouvant par aucun autre moyen se manifester, ni donner, ou même avoir aucune prise sensible et réelle sur luimême, se traduisant en un mot tout entier dans les langues, et se refusant à tout autre interprète, il seroit évidemment et toujours impossible d’atteindre le but de la saine et vraie philosophie, tant que l’on ne s’astreindroit pas à n’étudier la raison que dans les procédés des langues. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: I, 65): […] la pensée en même tems d’une manière distincte, et qu’elles ne s’y confondent pas; car, si elles se confondaient ensemble, elles ne feraient plus à elles deux qu’une seule idée complexe, comme celles que nous venons de voir, qui, réunies, ne forment qu’un sujet, ou un attribut. Il n’y aurait donc qu’un terme dans la pensée; il ne pourrait pas y avoir sensation de rapport. (THUROT 1830–1833: I, 175): Il faudra avouer que l’homme tout entier, c’est-à-dire la raison, le génie, qui élèvent au-dessus de tout ce qui a vie et mouvement sur ce globe, consistent uniquement dans l’art des signes. (THUROT 1837: Avertissement, XXI): Selon Aristote et son interprète, il n’y a rien dans notre intelligence qui n’ait passé par nos sens. C’est une doctrine qui a rencontré beaucoup d’adversaires: dans ces derniers temps, on a forgé, pour la décrier, le nom de sensualisme; mais elle est reproduite d’âge en âge, toutes les fois que l’esprit humain s’est remplacé sur la voie des saines études, des recherches utiles et des progrès efficaces. Behinderung für Denken (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 76): Nous avons déjà dit que la nécessité que nous avons d’user de signes extérieurs pour nous faire entendre, fait que nous attachons tellement nos idées aux mots, que souvent nous considérons plus les mots que les choses. Or, c’est une des causes les plus ordinaires de la confusion de nos pensées et de nos discours.
399 Car il faut remarquer que, quoique les hommes aient souvent de différentes idées des mêmes choses, ils se servent néanmoins des mêmes mots pour les exprimer, comme l’idée qu’un philosophe païen a de la vertu, n’est pas la même que celle qu’en a un théologien, et néanmoins chacun exprime son idée par le même mot de vertu. De plus, les mêmes hommes en différents âges ont considéré les mêmes choses en des manières très-différentes, et néanmoins ils ont toujours rassemblé toutes ces idées sous un même nom: ce qui fait que prononçant ce mot, ou l’entendant prononcer, on se brouille facilement, le prenant tantôt selon une idée, tantôt selon l’autre. (LOCKE [1690] 1894: III, IX, 118–119): But when, having passed over the original and composition of our ideas, I began to examine the extent and certainty of our knowledge, I found it had so near a connexion with words, that, unless their force and manner of signification were first well observed, there could be very little said clearly and pertinently concerning knowledge: which being conversant about truth, had constantly to do with propositions. And though it terminated in things, yet it was for the most part so much by the intervention of words, that they seemed scarce separable from our general knowledge. At least they interpose themselves so much between our understandings, and the truth which it would contemplate and apprehend, that, like the medium through which visible objects pass, the obscurity and disorder do not seldom cast a mist before our eyes, and impose upon our understandings. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 543–544): En examinant les discours que la sensation de la faim ou de la soif faisait tenir en différentes circonstances, on eut souvent occasion de s’apercevoir que les mêmes expressions s’employaient pour rendre des vues de l’esprit qui n’étaient pas les mêmes; et l’on inventa les signes vous, lui, moi, le, et une infinité d’autres qui particularisent. L’état de l’âme, dans un instant indivisible, fut représenté par une foule de termes que la précision du langage exigea, et qui distribuèrent une impression totale en parties; et parce que ces termes se prononçaient successivement et ne s’entendaient qu’à mesure
400 qu’ils se prononçaient, on fut porté à croire que les affections de l’âme qu’ils représentaient, avaient la même succession. Mais il n’en est rien. Autre chose est l’état de notre âme; autre chose, le compte que nous en rendons, soit à nous-même, soit aux autres; autre chose, la sensation totale et instantanée de cet état; autre chose, l’attention successive et détaillée que nous sommes forcés d’y donner pour l’analyser, la manifester, et nous faire entendre. Notre âme est un tableau mouvant, d’après lequel nous peignons sans cesse: nous employons bien du temps à le rendre avec fidélité: mais il existe en entier, et tout à la fois: l’esprit ne va pas à pas comptés comme l’expression. Le pinceau n’exécute qu’à la longue ce que l’œil du peintre embrasse tout d’un coup. La formation des langues exigeait la décomposition; mais voir un objet, le juger beau, éprouver une sensation agréable, désirer la possession, c’est l’état de l’âme dans un même instant, et ce que le grec et le latin rendent par un seul mot. Ce mot prononcé, tout est dit, tout est entendu. Ah, monsieur! combien notre entendement est modifié par les signes; et que la diction la plus vive est encore une froide copie de ce qui s’y passe! (Encyclopédie, Artikel Idée, JAUCOURT, 1757: VIII, 493–494): Cet exemple même nous indique un obstacle à nous procurer des idées distinctes, c’est l’imperfection & l’abus des mots comme signes représentatifs, mais signes arbitraires de nos idées. Voyez Mots, Syntaxe. Il n’est que trop fréquent, & l’expérience nous montre tous les jours que l’on est dans l’habitude d’employer des mots sans y joindre d’idées précises, ou même aucune idée, de les employer tantôt dans un sens, tantôt dans un autre, ou de les lier à d’autres, qui en rendent la signification indéterminée, & de supposer toujours comme on le fait, que les mots excitent chez les autres les mêmes idées que nous y avons attachées. Comment se faire des idées distinctes avec des signes aussi équivoques? Le meilleur conseil que l’on puisse donner contre cet abus, c’est qu’après s’être appliqué à n’avoir que des idées bien nettes & bien terminées, nous n’employons jamais, ou du moins le plus rarement qu’il nous sera possible, de mots qui ne nous donnent du moins une idée claire, que nous tâchions de fixer la signification de ces mots, qu’en cela
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken nous suivions autant qu’on le pourra, l’usage commun, & qu’enfin nous évitions de prendre le même mot en deux sens différens. Si cette regle générale dictée par le bon sens, étoit suivie & observée dans tous ses détails avec quelque soin, les mots bien loin d’être un obstacle, deviendroient un aide, un secours infini à la techerche de la vérité, par le moyen des idées distinctes, dont ils doivent être les signes. C’est à l’article des définitions & à tant d’autres, sur la partie philosophique de la Grammaire que nous renvoyons.
III.
1. Ausprägungen der Annahme einer kognitiven Funktion der Sprache Die Annahme einer kognitiven Funktion der Sprache lässt sich bereits in Gestalt der Erkenntnis finden, dass die Sprache für die Weitergabe des Wissens von Generation zu Generation unerlässlich und somit eine Voraussetzung des typischen kognitiven Verhaltens des Menschen ist. Insofern ist die kognitive Funktion der Sprache eng mit der kommunikativen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) verbunden. Das Ausgehen von der kommunikativen Funktion der Sprache konnte zugleich die Annahme ihrer kognitiven Funktion stützen: zur Mitteilung unserer Gedanken sei es notwendig, ihnen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, außerdem könne das Belegen der Ideen mit Zeichen auch zu deren Behalten beitragen (ĺ Zeichen und Idee). Schließlich können wir auch in historischer Perspektive über die Sprache die Gedanken unserer Vorgänger behalten und sie mit unseren Gedanken in Zusammenhang bringen. Die Sprache ist notwendig für das Verbinden von Ideen, die als solche als geistige Einheiten betrachtet werden und mit materiellen Zeichen belegt werden, durch die sie für das Denken zur Verfügung stehen (ĺ Zeichen und Idee). Wörter sind als materielle Zeichen geeignet, Ideen in unserem Geist wachzurufen. Aufgrund ihrer natürlichen Lautqualität und arbiträr zugeordneter Bedeutungen (ĺ Arbitrarität; ĺ Bedeutung) sind sprachliche Zeichen stets in der Lage, Gedanken hervorzurufen.
Kognitive Funktion der Sprache Von streng rationalistischem Standpunkt wurde eine Trennung des Denkens und der Sprache angenommen und damit eine kognitive Funktion der Sprache negiert. Das heißt, dass das Denken vor seiner der Kommunikation dienenden Belegung mit Zeichen bereits ausgeformt sein muss und in seinen Grundzügen als angeboren angenommen wird (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Andererseits können Automaten oder Papageien durchaus Sprache produzieren, sie sind jedoch nicht in der Lage zu denken. Bereits im 17. Jahrhundert findet sich die Metapher von der Sprache als Instrument des Denkens, das sich im Gebrauch jedoch auch gegen die menschliche Erkenntnis richten kann, die durch sie auf Abwege gebracht werden kann. Genauso wie das Werkzeug Sprache nützlich wirken kann, ist es aufgrund seiner Eigenschaften auch geeignet, ungünstige Wirkungen hervorzubringen. Die Annahme einer kognitiven Funktion findet sich vor allem in drei Ausprägungen: (1) Sprache ist eine Hilfe für das Denken, das jedoch auch ohne sie zustande kommt, (2) sprachliche Zeichen sind konstitutiv für die höheren Denkprozesse des Menschen, (3) Sprache ist unter bestimmten Bedingungen eine Behinderung für das Denken. Als Hilfsmittel des Denkens erscheinen sinnliche Zeichen für Ideen (z. B. LOCKE; ĺ Zeichen und Idee). Wörter sind nicht nur für die Kommunikation unserer Ideen nötig (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache), sondern auch für deren Aufbewahrung, als Merkzeichen. In ihrer ersten und unmittelbaren ĺ Bedeutung stehen Wörter sogar nur für die Ideen des einzelnen Individuums. Auch für die Entwicklung der Wissenschaften wurde das Vorhandensein differenzierender Bezeichnungen für die Begriffe als große Hilfe angesehen (z. B. MICHAELIS). Der förderliche Einfluss von Zeichen auf das Denken wurde häufig am Beispiel der Algebra erläutert: nur auf der Grundlage der nach dem Prinzip der ĺ Analogie funktionierenden Zahlen sei der Mensch in der Lage, zu rechnen und größere Quantitäten überhaupt zu erfassen. Rhetorische Bekundungen, dass der Mensch alles der Verwendung von Zeichen verdankt, gab es bereits im 17. Jahrhundert (CHARPEN-
401 TIER) und sie finden sich auch im 18. Jahrhundert fortgesetzt. Ohne Zeichen sei dem Menschen nur oberflächliches Denken möglich, der Mensch könne nicht analysieren und vergleichen. Ohne Sprache sei unser Denken eine ungeformte Masse (LA METTRIE). Insbesondere durch CONDILLAC wurde jedoch die konstitutive Rolle der Zeichen für die höheren Denkprozesse zu einer wichtigen Position, die bald zu einem Topos der Sprachtheorien werden sollte. Auch für HERDER steht fest, dass wir für Abstraktion innere Merkwörter brauchen. Sobald der Geist keine sinnliche Stütze mehr hat, bleibt er stehen, deshalb braucht man die Sprache, um weiter zu kommen (ROUSSEAU). Dabei trat auch die Wechselbeziehung zwischen Sprache und Denken entsprechend CONDILLACs Annahme, dass sich Sprache und Erkenntnis unter gegenseitigem Einfluss und in Interaktion mit den Bedürfnissen höherentwickeln, in den Mittelpunkt. Besonderes Gewicht kommt der Zuschreibung der Verallgemeinerungs- und Abstraktionsfähigkeit an die Sprache zu. Ohne sprachliche Zeichen wären keine Verallgemeinerungen möglich, da man alle einzelnen Gegenstände und Begriffe, die man verallgemeinern möchte, ständig aufzählen müsste. Dem Zeichen wird dabei aufgrund seiner Repräsentanzfunktion die Fähigkeit zugeschrieben, allgemeine Eigenschaften zu benennen und vom Besonderen abzulösen. Ähnlich erklärte man auch die Abstraktion, bei der unter Loslösung von der Substanz gewonnene Eigenschaften benannt und auf diese Weise für weitere Denkprozesse verfügbar werden. Auch das Denken als ein Prozess des Verbindens oder Trennens von Gedanken ist nicht ohne Sätze vorstellbar (vgl. MEINER). Mit CONDILLAC war schließlich der Topos von der Analyse unseres Denkens mit Hilfe der es repräsentierenden Zeichen üblich geworden, der sich in verschiedenen Variationen bei den Ideologen findet (vgl. DEBRUN, LANCELIN). Das (wissenschaftliche) Denken wäre perfekt, wenn das entsprechende Zeichensystem vorher der Perfektion zugeführt würde. Die konstitutive Rolle der Sprache für das Denken wurde auch als Argument gegen die menschliche Sprachentstehung verwendet
402 (ĺ Ursprung). Bei der Erklärung des Sprachursprungs stand man vor dem Problem, dass Sprache eigentlich nur von Menschen mit hochentwickeltem Denken entwickelt werden könne, ein solches Denken aber seinerseits ohne Sprache unmöglich sei. Auch ROUSSEAU hatte dieses Dilemma nicht lösen können, SÜSSMILCH hatte sich der konstitutiven Rolle der Sprache in seiner Argumentation für den göttlichen Sprachursprung bedient. Der Zirkel in der Argumentation zur Fähigkeit des Menschen, Sprache auf der Grundlage kognitiver Fähigkeiten, für die keine Sprache zur Verfügung stand, zu erfinden, wurde auch in der Berliner Sprachursprungsfrage für 1771 diskutiert. Dabei findet sich auch CONDILLACs Lösung, der von einer anfänglichen Mischung gebärdensprachlicher und lautsprachlicher Mittel ausgeht und auf dieser Basis eine Lösung des Problems bewirkt, wieder (ĺ Ursprache). Für die Verbreitung der Annahme einer konstitutiven Rolle des Denkens und ihre Umwandlung in ein Topos der Sprachdiskussion spricht auch ihre Erwähnung bei RIVAROL und THIÉBAULT. Auch die behindernde Rolle der Sprache für das Denken wurde bereits im 17. Jahrhundert diskutiert. Oft begnüge man sich zum Nachteil für die menschliche Erkenntnis mit Wörtern anstelle von Sachen, die Wörter schöben sich zwischen den Menschen und die reale Welt und beeinflussten damit seine Erkenntnismöglichkeiten negativ. Ausgehend von sensualistischen Positionen wurde im 18. Jahrhundert festgestellt, dass sprachliche Zeichen der Vielfalt unserer Gefühle nicht gerecht würden. Dem Einfluss der Sprache auf das Denken konnte unterschiedliche Intensitätsgrade zugeschrieben werden: ein enger Zusammenhang zwischen Sprache und Denken, Parallelität, miteinander verknüpfte Entwicklung, gegenseitiger Einfluss, Notwendigkeit der Sprache für Wissenschaften und Abhängigkeit des Denkens von konkreten Sprachen. 2. Diskussionen zur kognitiven Funktion der Sprache im 17. Jahrhundert Das Interesse für das Problem der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess reicht bis weit in die Antike zurück und führte zu einem der ersten Berührungspunkte philosophischer und
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken sprachwissenschaftlicher Überlegungen. Schon PLATON hatte die Frage nach der Richtigkeit der Namen auch unter dem Gesichtspunkt gestellt, dass der Name ein Werkzeug der Unterweisung und der Analyse der Wirklichkeit ist. Da die Namensgebung als konkrete Form der menschlichen Tätigkeit auf Arbeitsteilung beruht, muss es nach PLATONs Auffassung Menschen geben, die den Dingen ihre Namen geben, genauso wie es Weber und Tischler gibt. Nur ein Kenner der untersuchten Objekte ist jedoch der Aufgabe gewachsen, als Gesetzgeber sprachliche Zeichen festzulegen (ĺ Zeichen und Idee). Die Arbeit des Gesetzgebers gehört der Gesellschaft und wird von ihr kontrolliert. Damit hatte PLATON die Frage nach der Beziehung von Sprache und Denken bereits in einen gesellschaftlichen Zusammenhang gestellt, der im 18. Jahrhundert weiter entwickelt wurde. Auch von Grammatiken gingen schon früh einzelne Anregungen für die Problemstellung der kognitiven Funktion der Sprache aus. Zum Beispiel sieht der römische Grammatiker VARRO eine deutliche Beziehung zwischen den sprachlichen Ausdrucksformen und dem ihnen zugrunde liegenden Denken. Eine Sprache bezeichne nur das, was unter den gegebenen Lebensumständen von praktischem Interesse ist, während natürliche Gegebenheiten unbezeichnet bleiben, wenn kein Interesse an ihnen besteht. So habe die lateinische Sprache die Unterscheidung columbus und columba erst dann aufgenommen, als das Halten von Tauben zu einer nützlichen Gewohnheit geworden war. Vorher habe man sowohl männliche als auch weibliche Tauben columba genannt. Sogar für die Verwendung sprachlicher Besonderheiten und daraus abgeleiteter spezifischer Denk- und Verhaltensweisen zur Begründung und rhetorischen Rechtfertigung der Überlegenheit oder Rückständigkeit einzelner Völker lassen sich sehr frühe Beispiele belegen. So erklärt sich nach CICERO das Fehlen einer griechischen Entsprechung für das lateinische Wort ineptus daraus, dass bei den Griechen die damit bezeichnete Eigenschaft so weit verbreitet sei, dass man ihr überhaupt keine Beachtung schenke und sie daher auch nicht bezeichnen müsse. Anregungen zur Stellung des Problems der Abhängigkeit des Denkens von der Sprache
Kognitive Funktion der Sprache gaben die Nominalisten des Mittelalters und der Humanismus. Bei einem so bedeutenden Vertreter des Humanismus wie CUSANUS wird die Frage nach der gegenseitigen Beziehung zwischen der Sprache als Organon der wissenschaftlich gedachten Begriffe und den gebräuchlichen Vorstellungen, die in der Sprache des einfachen Volkes gefunden werden, bereits ausdrücklich gestellt. Nicht zuletzt wurde die Beschäftigung mit den Besonderheiten einzelner Sprachen und ihren Beziehungen zur Erkenntnisentwicklung verschiedener Völker durch Entdeckungsreisen angeregt. So verwies LERY 1578 erstmalig auf das Fehlen von Zahlwörtern bei brasilianischen Eingeborenen und wies auf dadurch entstehende Verständigungsschwierigkeiten und kognitive Einschränkungen hin. 2.1. Sprache und Erkenntnis in der augustinisch-rationalistischen Tradition Die Einbeziehung der Sprache in die philosophischen Systeme solcher Denker wie DESCARTES, ARNAULD, MALEBRANCHE und SPINOZA beruht vor allem auf der Annahme einer Analogie der Beziehung von Sprache und Denken zum Verhältnis von Körper und Geist. In ihren Grundzügen bereits bei AUGUSTINUS entwickelt, wurde die Lehre vom unkörperlichen, reinen Denken, das jedoch für den Menschen nach der Erbsünde nicht mehr verfügbar sei und durch ein von Zeichen unterstütztes Denken ersetzt werde, auch zur Grundlage der rationalistischen Sprachtheorien. Schon nach AUGUSTINUS ist das reine Denken von der materiellen Gestalt der Sprachen unabhängig. Das Gedächtnis beinhalte Begriffe und Vorstellungen von deren Beziehungen, die nicht über die Sinne in das menschliche Bewusstsein gelangt sein können. Begriffe sind weder als Farben noch als Töne, Geruchs- oder Geschmacksempfindungen wahrnehmbar. Daraus ergibt sich, dass die Idee als Begriff ihrem Wesen nach nichts von der widergespiegelten Sache hat. Das vom sprachlichen Zeichen Bezeichnete ist demnach ein rein geistiger Gegenstand, der auch mit dem Wort als körperlichem Gegenstand nur eine Repräsentationsbeziehung eingehen kann. Sprache ist für AUGUSTINUS das notwendige Gewand des Denkens, wenn dieses sich in die körperliche Welt herablässt, d. h. wenn es mitgeteilt werden soll. Während Wörter eine un-
403 terschiedliche, arbiträre Lautgestalt haben (ĺ Arbitrarität), sind die Begriffe weder griechisch noch lateinisch, sondern universell und von sinnlichen Gegebenheiten unabhängig. Nur ein solches reines Denken hat nach AUGUSTINUS Anspruch auf Wahrheit, es ist unmittelbare Erkenntnis, die zwischen unkörperlichen Wesen ohne Zeichen weitergegeben würde (ĺ Zeichen und Idee). Die Notwendigkeit der Sprache ergibt sich für AUGUSTINUS und die an ihn anknüpfenden rationalistischen Philosophen des 17. Jahrhunderts erst durch das Problem der Kommunikation zwischen den Menschen, in der eine Weitergabe reiner Begriffe unmöglich ist (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Die unumgänglich gewordenen sprachlichen Zeichen genügen jedoch dem Denken nur in sehr unvollkommener Weise, denn intuitive Konzeptionen überfluten das Denken, während die Sprache eher verlangsamt und ablenkt (ĺ Zeichen und Idee). Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen unkörperlichem Denken und körperlichem Kommunikationsmittel ergaben sich Ansatzpunkte, auch von rationalistischen Positionen ausgehend Überlegungen zum Einfluss der Sprache auf das Denken vorzunehmen. Die Gedanken DESCARTES’ zur Problematik des Verhältnisses von Sprache und Denken gehen im Grundsätzlichen von seinem Dualismus von Körper und Geist aus und sind auf eine Begründung der Sprachunabhängigkeit des Denkens gerichtet. Schon die Tatsache, dass Tiere mit hoch entwickelten Sprechwerkzeugen zwar in der Lage sind, menschliche Lautsprache nachzuahmen, aber niemals menschliches Denkvermögen erreichen können, verweist nach DESCARTES auf die besondere Stellung des Menschen und die Unabhängigkeit seines Denkens von materiellen Erscheinungen wie der Sprache. Wie später noch ausdrücklicher bei CORDEMOY wird hier die Verbindung zwischen Zeichen und Gedanken als eine Art Modell der Beziehung von Körper und Geist angenommen (ĺ Zeichen und Idee). In diesem von CORDEMOY angenommenen Zustand einer Identität von Seele und Körper wäre die Sprache als Kommunikationsmittel überhaupt entbehrlich, denn Gedanken wären auch in rein geistiger Form kommunizierbar. Einen Beweis für die
404 Sprachunabhängigkeit des Denkens sieht CORDEMOY auch darin, dass wir uns oft nicht erinnern können, in welcher Sprache wir einen bestimmten Gedanken formuliert hörten. Wenn nach DESCARTES das reine Denken zwar sprachfrei ist, so hat die Notwendigkeit der Kommunikation mittels Sprache jedoch dazu geführt, dass die Menschen sich daran gewöhnt haben, auch in ihrem Denken Zeichen zu benutzen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Aus der Annahme, dass die Unvollkommenheit der Wörter mit ihren verschwommenen Bedeutungen (ĺ Bedeutung) das Denken behindert, ergeben sich bereits deutliche Ansatzpunkte für eine rationalistische Sprachkritik. Die Untersuchung der drei Ebenen des sprachfreien Denkens, des in der Kommunikation mitgeteilten Denkens und des schließlich aus Gewohnheit sprachgebundenen Denkens findet sich auch in der Grammatik (1660) und der Logik (1662) von Port-Royal wieder. ARNAULD, der philosophisch bestimmende Autor beider Werke, knüpft an die augustinischcartesianische Position an und sieht das einzige Mittel der Erkenntnis der Wahrheit darin, den Gedanken mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Wörter sind arbiträr (ĺ Arbitrarität), was bedeutet, dass es lächerlich wäre, so natürliche und einleuchtende Erscheinungen wie die Gedanken als abhängig von den nur nach der Phantasie und Laune festgelegten Wörtern anzunehmen. In der Grammaire drückt sich diese Position in der Unterordnung der Sprache unter das Denken aus. Der Sprache wird eine nachvollziehende, sekundäre Rolle zugeschrieben. Wiederholt wird erklärt, dass die Sprache nur als Mittel erfunden wurde, die bereits vorher geformten Gedanken mitzuteilen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). In der Logique wird ähnlich wie bei DESCARTES und CORDEMOY die Verschiedenheit der Sprachen in der Argumentation gegen eine Beeinflussung der Sprache durch das Denken verwendet: Da die verschiedenen Nationen den Dingen unterschiedliche Namen gegeben haben, und sogar den klarsten und einfachsten, wie den Gegenständen der Geometrie, so hätten sie nicht die gleichen Gedanken über die gleichen Tatbestände, wäre das Denken nur eine Zusam-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken mensetzung von Zeichen mittels des Wortes ist (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Die Autoren der Logique äußern sich hier polemisch zu einer Hypothese, die HOBBES in seinen Erwiderungen auf DESCARTES’ Philosophische Meditationen formuliert hatte. In Auseinandersetzung mit DESCARTES’ Unterscheidung von sinnesbedingten und sinnesunabhängigen Denkformen stellt HOBBES dort die Hypothese einer tragenden Rolle der Sprache für das Denken als erwägenswert dar. Der Annahme einer körperlichen Natur des Denkens, die HOBBES in seinem Text extreme Schlussfolgerung aus der Abhängigkeit des Denkens von den Sprachzeichen vorbrachte (ĺ Zeichen und Idee), hatte schon DESCARTES entgegengehalten, dass das menschliche Denken mit dem Bedeuteten operieren würde, nicht mit den Wörtern selbst, die durch ĺ Konvention festgelegt würden und daher einzelsprachlich verschieden sein könnten, ohne die Universalität des Denkens aller Menschen in Frage zu stellen (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Dieses sprachfreie Denken muss sich jedoch auch nach ARNAULD der Zeichen bedienen, sobald es anderen mitgeteilt werden soll (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Während sprachliche Zeichen zunächst nur für die Kommunikation verwendet werden, führe Gewohnheit schließlich so weit, dass wir uns die Ideen nicht mehr losgelöst von den Wörtern vorstellen können und schließlich Gefahr laufen, nur noch in Wörtern zu denken (ĺ Zeichen und Idee). Viele philosophische Studien zielten geradezu darauf ab, den Menschen daran zu gewöhnen, sich mit Wörtern zufrieden zu geben und ihm die Vorstellung zu vermitteln, er wisse über alles Bescheid, während er in Wirklichkeit nur arbiträre Zeichen kennt (ĺ Arbitrarität). Die von ARNAULD und NICOLE dargestellte Wirkung der Zeichen im Denkprozess, die sich aus der Unmöglichkeit sprachfreien Denkens infolge der Erbsünde ergibt, war bereits von PASCAL angedeutet worden. Über DESCARTES und PASCAL hinausgehend wurden von den Sprachtheoretikern von Port Royal jedoch bereits Gedanken zu konkreten Formen des Zusammenhangs von Sprache und Denken vorgelegt. Die sich bei ihnen bereits andeutende Feststellung, dass es nicht vom Wil-
Kognitive Funktion der Sprache len des Menschen, sondern von seiner Natur abhängt, wenn er in seinem Erkenntnisprozess Sprache verwendet oder nicht, wurde bei MALEBRANCHE und SPINOZA schließlich ausdrücklich formuliert. Während bereits die Logik von Port-Royal auf den erkenntnisfördernden Einfluss der Sprache hinwies, indem sie erklärte, dass von einem Wort gebildete Ableitungen uns durch ihre Form zu neuen Gedanken hinführen, wendet sich SPINOZA grundsätzlicher gegen eine Überbetonung der hemmenden Wirkung der Sprache im Erkenntnisprozess. Wenn die Verbindung der Gedanken mit Zeichen eine Folge der Erbsünde und damit eine Strafe sein soll, so sei es noch viel verwerflicher, die Notwendigkeit des Gebrauchs der Zeichen zu vergessen (ĺ Zeichen und Idee). Alles durch Sprache überlieferte, auch die Bibeltexte, ist nach SPINOZAs Auffassung unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen, inwieweit allgemeingültige Konzeptionen oder entsprechend der Sprache der Zeit und des Volkes geprägte Begriffe ausgedrückt werden. SPINOZAs Anliegen ist ein von sprachlichen Vorbildern freier und kritischer Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch). Die Verwechslung von Wörtern, Ideen und Sachen wird von ihm als gefährliche Quelle von Irrtümern und Vorurteilen beschrieben. Bei ARNAULD, DESCARTES und SPINOZA sowie bei anderen rationalistischen Denkern des 17. Jahrhunderts waren damit bereits Ansätze gegeben, den Einfluß der Sprache auf den Erkenntnisprozess als Problemstellung zu erkennen und zu erörtern. In Verbindung mit der Anerkennung eines sprachfreien, reinen und in seinen Grundzügen eingeborenen Denkens war jedoch erkenntnistheoretisches Interesse an der Sprache eine zweitrangige Erscheinung, der nur im Rahmen rationalistischer Sprachkritik größere Bedeutung zukam. 2.2. LEIBNIZ zur kognitiven Funktion der Sprache LEIBNIZ versteht den Zusammenhang von Sprache und Denken im okkasionalistischen Sinne. Seine Lehre von der prästabilierten Harmonie, auf deren Grundlage er auch das Verhältnis zwischen Sprache und Wirklichkeit erklärt, lässt ihn die nominalistische Annahme verwerfen, dass die sprachlichen Zeichen die einfachen Ideen völlig willkürlich zusammenfassen (ĺ Zeichen und Idee). So-
405 gar den sprachlichen Zeichen selbst billigt LEIBNIZ, ausgehend vom Prinzip des zureichenden Grundes und der prästabilierten Harmonie, Motiviertheit zu. Zwar werde die Gestalt der Wörter nicht durch eine natürliche Notwendigkeit bestimmt, ihre Bedeutungen werden jedoch auch nicht vom Zufall festgelegt (ĺ Arbitrarität; ĺ Natürlichkeit). Den Gedanken der historischen Motiviertheit der Wortbedeutungen versucht LEIBNIZ durch das etymologische Zurückführen solcher Wörter wie Geist und Engel auf sinnlich wahrnehmbare Erscheinungen zu untermauern (ĺ Bedeutung, ĺ Etymologie). Die Annahme einer grundsätzlichen Harmonie zwischen Erkenntnis und Wirklichkeit bestimmt auch LEIBNIZ’ erkenntnisoptimistische Haltung in der Frage der Sprachkritik und des Sprachmissbrauchs. LEIBNIZ unterstützt durchaus die Meinung, dass die Sprache unter bestimmten Voraussetzungen zum Hemmnis für richtiges Denken werden kann. Neben solchen in der Natur der Sprache (ĺ Wesen der Sprache) selbst begründeten Unvollkommenheiten, wie der Unschärfe der Bedeutungen und der Polysemie der Wörter, führe der bewusste ĺ Missbrauch der Sprache, den sich vor allem falsche philosophische Systeme nutzbar machen, das Denken auf Irrwege. Während im bürgerlichen ĺ Gebrauch der Sprache (usage civil) Unzulänglichkeiten unvermeidbar sind, könne sich der philosophische Gebrauch (usage philosophique) davon befreien. Obwohl LEIBNIZ in Gestalt der characteristica universalis ein für den philosophischen Gebrauch besonders leistungsfähiges Zeichensystem, in dem Irrtümer wie Fehler in einer Rechnung gleich sichtbar werden, fordert, gesteht er jedoch auch den natürlichen Sprachen Erkenntniswert zu (ĺ natürliche Sprache). Wenn LEIBNIZ in der Auseinandersetzung mit LOCKE von den Wörtern als einem Medium spricht, durch das die Strahlen der sichtbaren Gegenstände hindurchgingen und das oft Nebel vor unseren Augen ausbreite, so ist das sicher nicht in dem Sinne zu verstehen, dass sich die Sprache tatsächlich als Hindernis zwischen Erkenntnis und Wirklichkeit stelle. Bevor man solche Wirkungen den Wörtern zuschreibt, solle man nach Fehlern im Denkprozess selbst suchen. Denn obwohl LEIBNIZ dem
406 Wahrheitsgehalt der intuitiven Erkenntnis vollkommen vertraut, kennzeichnet er bereits in den Meditationes (1684) die symbolische Erkenntnisform als die für den Menschen vorherrschende. Gerade die Unfähigkeit, alles auf dem Weg intuitiver Erkenntnis zu erfassen, erklärt auch die Notwendigkeit von Zeichen für die Klarheit und Schärfe des Denkens. Die Hilfe der Zeichen für die unvollkommenen Erkenntnisfähigkeiten beruhe darauf, dass sie Ideen oder Dinge ersetzen können und in dieser Stellvertreterrolle Denkprozesse wesentlich erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (ĺ Zeichen und Idee). Sprache und Denken stehen daher für LEIBNIZ in einem engen, ursächlichen Zusammenhang. Aus dem Entwicklungsstand der Sprache lassen sich Rückschlüsse auf die Denkweise des sie sprechenden Volkes ziehen (ĺ Universalität und Verschiedenheit; ĺ besonderer Charakter einer Sprache). 2.3. Nominalismus und kognitive Funktion der Sprache. Der englische Empirismus des 17. Jahrhunderts Mit Francis BACON deutete sich auch bereits ein sprachtheoretischer Aspekt der Funktion des Nominalismus als eines Hauptelements der englischen Empiristen an. BACON führte den Kampf gegen die Scholastik auch mit Ansätzen einer erkenntnistheoretisch fundierten Sprachauffassung. Obwohl sprachphilosophische Probleme nicht im Zentrum von BACONs Aufmerksamkeit standen, gab er mit seiner auf Beobachtung, Sektion und Exklusion beruhenden Erkenntnislehre und nicht zuletzt mit seinen knappen Bemerkungen zum Wesen und zur Funktion der Sprache (ĺ Wesen der Sprache) im Novum Organon (1620) und De dignitate et augmentis scientiarum (1623) wichtige Anregungen für spätere sprachtheoretische Arbeiten. BACON sieht in der menschlichen Lautsprache in erster Linie ein Verständigungsmittel (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Als solches steht sie neben einer Reihe anderer für die Verständigung geeigneter Mittel, die ebenfalls eine genügend große Zahl von sinnlich wahrnehmbaren Unterscheidungen zulassen, um die Vielfältigkeit begrifflicher Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Lautsprache und Denken bilden bei BACON nicht primär und naturnot-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken wendig eine Einheit. Vielmehr sei der Mensch bereits mit hohen Fähigkeiten geschaffen worden und bedürfe nicht erst der Sprache, um diese zu entwickeln. Bei der Darlegung seiner Erkenntnistheorie im Novum Organon hat die Sprache keine grundsätzliche Bedeutung. Es geht BACON vor allem um die ĺ Klarheit der Begriffe, ohne die auch die Sprache keine Klarheit erlangen kann. Wenn die Begriffe undeutlich sind, kann das auf ihnen Errichtete, die Wörter, keine Festigkeit haben. Dennoch sieht BACON in der Sprache nicht nur das Sekundäre, das auf den Erkenntnisprozess auf der Basis der Induktion ohne Einfluss bliebe. Die Sprache widerspiegelt nicht nur eine bestimmte Ordnung des Verstandes, sondern die Menschen bedienen sich ihrer zugleich als Instrument. Die Überzeugung der Menschen, mittels der Sprache den Verstand zu beherrschen, erweise sich oft als Irrtum, denn die Sprache kehre mitunter ihre Kraft gegen den Verstand und führe dazu, dass die Wissenschaften sophistisch und fruchtlos werden. Diese Irreführung des menschlichen Denkens durch die Sprache behandelt BACON ausführlich im Zusammenhang mit den idola fori, jenen Trugbildern, die in der Kommunikation der Menschen untereinander entstehen und durch fiktive oder unklare Wortbedeutungen ermöglicht werden (ĺ Bedeutung). Die Kritik am falschen Gebrauch der Sprache (ĺ Missbrauch) verbindet BACON mit dem Hinweis, dass das Volk, die Menge, nicht in der Lage sei, mit den Wörtern richtige Inhalte zu verbinden und dadurch der Irreführung durch die Sprache besonders ausgesetzt werde. Dagegen muss der durch Beobachtung geschulte Philosoph dieser Gefahr entgehen und mit exakten Begriffen und deren Zeichen arbeiten. Das erfordere grundsätzliche Skepsis gegenüber den Wörtern und Kampf gegen den gewohnheitsmäßigen Glauben an die Richtigkeit ihrer üblichen Bedeutungen (ĺ Bedeutung). Im Zusammenhang damit forderte BACON bereits eine philosophische ĺ Universalsprache. Auch HOBBES geht wie BACON von der Möglichkeit des Entstehens von Gedanken im Kopf des Menschen ohne sinnliche Zeichen aus (ĺ Zeichen und Idee), womit er zumindest den konstitutiven Einfluss der Sprache auf die Denkprozesse zunächst ausschließt. Das
Kognitive Funktion der Sprache menschliche Gedächtnis ist jedoch nach HOBBES’ Meinung so beschaffen, dass alle einmal gefundenen Erkenntnisse verloren gingen, würden sie nicht durch marks fixiert. Diese “Merkzeichen” haben die Funktion sinnlicher Erinnerungshilfen und sind als solche nicht an die Existenz einer Gesellschaft gebunden. Wenn nur ein einziger Mensch auf der Welt wäre, würden sie vielmehr auch ihm zur Unterstützung seines Denkens dienen. Die zweite Funktion der sprachlichen Zeichen, nämlich als signs im Sinne von “Anzeichen” zur Mitteilung von Gedanken zu dienen, ordnet HOBBES der kognitiven Funktion unter. In der Auseinandersetzung mit DESCARTES ging HOBBES sogar so weit, als möglich anzuerkennen, dass sich das Denken überhaupt erst mit Hilfe der Sprache vollzieht und damit einen körperlichen Vorgang auf der Ebene der Imagination darstellt. Merkzeichen stehen nach HOBBES’ Auffassung nicht für Gegenstände der Wirklichkeit, sondern für Vorstellungen des Sprechers. Ein name ist insofern arbiträr, als er in keiner natürlich motivierten Beziehung zur bezeichneten Sache steht (ĺ Arbitrarität). Die Auffassung vom arbiträren Zeichencharakter liegt auch HOBBES’ Stellungnahme zum Problem der Sprachverschiedenheit zugrunde. Wenn ein organischer Zusammenhang zwischen dem Charakter eines Lautkomplexes und dem Charakter des bezeichneten Gegenstandes bestehen würde, so könnte es keine verschiedenen Sprachen geben, da sich die Eigenschaften der Gegenstände im Bewusstsein der einzelnen Völker in gleicher Weise widerspiegeln. Im Gegensatz zu LOCKE und sensualistischen Sprachtheoretikern des 18. Jahrhunderts schreibt HOBBES dem arbiträren Zeichencharakter unter der Voraussetzung der Gleichheit der grundsätzlichen Erkenntnisfähigkeiten aller Völker noch Beweischarakter gegen die These zu, dass Unterschiede zwischen den Sprachen mit Unterschieden im Denken verbunden sind (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Das Fehlen bestimmter sprachlicher Mittel in einzelnen Sprachen betrachtet HOBBES nicht als Hindernis für die Eignung der betreffenden Völker für die Wissenschaften. So sei das Fehlen der Kopula est kein Grund zu der Annahme, dass die Spre-
407 cher einer solchen Sprache keine entsprechenden Sätze denken können. Mit unmittelbaren erkenntnistheoretischen Bezügen kommt der Sprache auch in HOBBES’ Gesellschaftstheorie eine wichtige Rolle zu (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Mit Hilfe der Sprache kann man belehren, Befehle erteilen und verstehen. Die Sprache sei somit konstitutiv für eine Gesellschaft von Menschen, die ohne sie im ewigen Krieg gegeneinander leben würden. Im Rahmen der Gesellschaftstheorie HOBBES’ erlangt auch die Tatsache, dass die Menschen mit den Wörtern nicht bloß die Dinge, sondern auch deren Bewertungen ausdrücken, neuen Stellenwert. Die Abhängigkeit der Bezeichnungen für die Staatsformen vom Standpunkt des Sprechers, von seiner spezifischen Erkenntnis über die Gesellschaft, wird von HOBBES in sehr konzentrierter Form zum Ausdruck gebracht: Die Menschen pflegen nämlich mit den Wörtern nicht nur die Sache selbst, sondern auch gleichzeitig die eigenen Neigungen, zum Beispiel Liebe, Hass, Zorn usw. auszudrücken; daher kommt es, dass was von dem einen Demokratie vom anderen Anarchie, was von den einen Aristokratie von den anderen Oligarchie genannt wird; und von dem der eine als einem König spricht, den bezeichnet der andere als Tyrann. Auf diese Weise werden durch diese Wörter nicht verschiedene Staatsformen, sondern verschiedene Meinungen der Bürger über den Herrschenden ausgedrückt. Beim Zusammenhalten der Menschen, die nach HOBBES’ Auffassung von Natur aus böse und aggressiv sind, spielt die Sprache gerade durch die Vielfalt ihrer Ausdrucksmöglichkeiten eine bewusstseinsbildende Rolle. Diese gesellschaftskonstituierende Funktion (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache) beschränkt sich jedoch auf Belehrung und Überzeugung durch die Sprache als Kommunikationsmittel und geht nicht bis zur Annahme eines unmittelbaren Einflusses sprachlicher Mittel auf den Erkenntnisprozess (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Besondere Aktualität erhielt die Problematik der Sprachrelativität des Denkens im Rahmen der sensualistischen Erkenntnistheorie LOCKEs. Bereits im ersten bekannten Entwurf seines Essay concerning Human Understand-
408 ing (1671) spricht LOCKE von einem Zusammenhang der Sprache mit dem besonderen Charakter des Volkes und gibt der Sprachkritik breiten Raum. Später widmete er – unter anderem angeregt durch Werke französischer Autoren – den sprachlichen Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) das dritte Buch der endgültigen Fassung des Essay (1690). Das sprachliche Zeichen repräsentiert für LOCKE nicht unmittelbar die Erkenntnisgegenstände, sondern nur die Begriffe, die sich der Erkennende subjektiv bildet (ĺ Zeichen und Idee). Oft verwendet er gerade die Tatsache der Verschiedenheit der Sprachen und die daraus gefolgerten Unterschiede in der “Welterfassung” durch verschiedene Völker als Argument gegen die rationalistische Annahme eingeborener Ideen (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Grundlegend für die Bewertung der Sprachverschiedenheit und ihres Verhältnisses zum Denken ist bei LOCKE der nominalistische Ansatz (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Mit der Negierung der eingeborenen Ideen geht auch die Verbindung von Rationalem und Realem verloren, die Wörter sind nicht mehr Zeichen der Sache, sondern der Idee. Das führt dazu, dass die Namen komplexen Ideen gegeben werden, für deren Zusammensetzung es keine natürliche Begründung gibt. Verschiedene Völker bilden je nach ihren Bedingungen komplexe Ideen, die dann bezeichnet werden. Sowohl Ideenbildung als auch Bezeichnung sind willkürlich, das heißt nicht natürlich, sondern durch voluntary imposition festgelegt. Solche willkürlichen Zusammenfassungen von Ideen wären unmöglich, wenn die Gattungsbegriffe wirklich eingeboren und das Werk der Natur wären (ĺ Zeichen und Idee, ĺ Arbitrarität, ĺ Natürlichkeit, ĺ Bedeutung). Die Auffassung vom arbiträren Charakter des sprachlichen Zeichens führt im Rahmen der sensualistischen Sprachtheorie LOCKEs dazu, dass die Sprache nicht mehr als System zum Ausdruck der universellen Ratio verstanden wird, sondern als Ausdruck des in den speziellen historischen und sozialen Bedingungen der Sprachgemeinschaft organisierten Denkens (ĺ Arbitrarität; ĺ Universalität und Verschiedenheit). Der Gedanke einer Sprachrelativität des Denkens wird somit dem rationalis-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken tischen Inneismus entgegengestellt (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Die Umgebung, die Sitten und Gewohnheiten sind nach LOCKE maßgebend für die begriffliche Einteilung der Welt, für die Bildung komplexer Ideen und deren Bezeichnung. Den Zusammenhang, der sich auf dieser Grundlage zwischen den Wörtern einer Sprache und der Begriffswelt ihrer Sprecher herausbildet, verdeutlicht er am Beispiel der Unterscheidung von Eis und Wasser in verschiedenen Sprachen. So würde das Vorhandensein der unterschiedlichen Bezeichnungen ice und water jedem Engländer nahe legen, auch zwischen zwei verschiedenen Dingen zu unterscheiden. Jemand, der in Jamaika aufgewachsen sei und daher weder die Erscheinung Eis noch den Namen dafür kenne, würde dagegen nicht zögern, Eis und Wasser als ein und dieselbe Sache anzusehen und sie mit demselben Wort zu benennen (ĺ Besonderer Charakter einer Sprache). Obwohl LOCKE von den Unterschieden zwischen den Sprachen auf Verschiedenheiten im Denken der einzelnen Sprachgemeinschaften schließt, sind bei ihm wenig Belege für die Annahme eines determinierenden Einflusses der Sprache auf das Denken oder ausdrückliche Formulierungen der These von der Sprachrelativität des Denkens zu finden. Das erklärt sich unter anderem daraus, dass LOCKE neben den Sinnesempfindungen, die durch die Sprache verarbeitet und gestaltet werden können, in der Reflexion eine zweite, durch Sprache nicht beeinflussbare Erkenntnisquelle anerkennt. Der Lockesche Dualismus von Sensation und Reflexion schränkt damit die Rolle der Sprache und ihres formenden Einflusses auf das Denken von vornherein ein. Allerdings stellten sich die Wörter so sehr zwischen unsere Erkenntnis und die Wahrheit, die diese erfassen soll, dass sie, vergleichbar mit einem Medium, durch das die Bilder sichtbarer Objekte gebrochen werden, Nebel vor unseren Augen ausbreiten und unser Denken irreleiten. Wir haben bereits gesehen, dass diese skeptische Einteilung zur Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess die Kritik LEIBNIZ’ herausforderte. Durch LOCKEs Dualismus von Sensation und Reflexion zwar noch auf den Einzelfall einer negativen Beeinflussung des
Kognitive Funktion der Sprache Denkens durch die Sprache eingeschränkt, verweist diese Feststellung einer Sprachabhängigkeit des Denkens jedoch bereits auf eine grundsätzliche Kluft zwischen Wörtern und Sachen und stellt den Erkenntniswert der Sprache in Frage. Diese bei LOCKE nur ansatzweise vorhandene Tendenz wurde durch die einzelnen Richtungen des Sensualismus bald in verschiedenem Sinne weiterentwickelt. Eine subjektiv-idealistische Lösung der Widersprüche, die durch LOCKEs philosophische Inkonsequenzen auch eine vollständige Erklärung der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess verhindert hatten, legte BERKELEY vor. Wie später CONDILLAC, jedoch mit völlig entgegen gesetzten Schlussfolgerungen, empfindet es bereits BERKELEY als Mangel in LOCKEs Essay, dass der Sprache nicht durchgängig und systematisch Aufmerksamkeit gewidmet wird. LOCKE habe der Sprache zu sehr vertraut und verkannt, dass sie das größte Hindernis auf dem Wege zur Erkenntnis sei. Sein grundsätzlicher Fehler habe darin bestanden, anzunehmen, dass jedes Wort eine Idee bezeichnet und jeder allgemeine Name einer abstrakten Idee entspricht (ĺ Zeichen und Idee). Die folgenschwerste Auswirkung des Einflusses der Sprache im Erkenntnisprozess sieht BERKELEY gerade darin, dass sprachliche Zeichen den Anschein erwecken, es gäbe abstrakte Ideen. Kein anderes falsches Prinzip sei verbreiteter und verhängnisvoller für das menschliche Denken als jene Annahme abstrakter Ideen, zu deren gefährlichsten die Materie gehöre. Die Wörter bezeichnen nach BERKELEYs Auffassung nichts anderes als eine Vielzahl von einzelnen Ideen, die den Empfindungen des Subjekts entsprechen, und erwecken nur den Anschein, es handle sich um Abstraktion. Jede dieser Ideen oder Wahrnehmungen betrachtet BERKELEY dabei als Zeichen (ĺ Zeichen und Idee). Sprachen, die dem Menschen zur Kommunikation dienen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache), sind damit Zeichen von Zeichen und können beim Suggerieren von Ideen, der einzigen Erkenntnisfunktion, die BERKELEY den Zeichen zugesteht, universeller und handhabbarer sein als die Ideen selbst. Insofern wird die Sprache als Mittel der Weitergabe von Wissen positiv bewertet. Sprache kann jedoch nicht mehr als suggerie-
409 ren und Gelegenheit geben, sich mit den eigenen Gedanken zu beschäftigen. Mehrfach bittet BERKELEY seine Leser deshalb, die Wörter so weit wie möglich beiseite zu legen und die reinen Begriffe selbst zu betrachten. Sprache könne durchaus anregen und das Bewusstsein aktivieren, wirkliche Erkenntnis ist jedoch nach BERKELEY nur dem tätigen Bewusstsein selbst möglich. Oft werde darauf verzichtet, beim Hören von Wörtern Vorstellungen von konkreten Objekten (ideas) ins Spiel zu bringen. So sei es gekommen, dass die meisten Wissensgebiete durch den ĺ Missbrauch der Wörter und allgemeine Redeweisen, durch die sie weitergegeben werden, seltsam verwirrt und verdunkelt sind, so dass man sich fast fragen muss, ob die Sprache mehr zur Behinderung oder zum Fortschritt der Wissenschaften beigetragen hat. Wie weit der täuschende Einfluss der Sprache gehen kann, zeigt BERKELEY an einem sehr anschaulichen Beispiel. Selbst wer von der Richtigkeit des kopernikanischen Weltbildes überzeugt sei, müsse davon sprechen, dass die Sonne aufgeht, untergeht oder sich dem Scheitelpunkt nähert. Zwar nehme man stillschweigend eine Korrektur an diesem Sprachgebrauch vor (ĺ Gebrauch), das sei jedoch nur möglich, weil in diesem Fall das Auseinanderklaffen von Sprache und Vorstellung besonders sinnfällig sei (ĺ Zeichen und Idee). In anderen Fällen sei dem sprachlich verursachten Irrtum Tür und Tor geöffnet. Einen wichtigen Grund für die hemmende und irreführende Wirkung der Sprache im Erkenntnisprozess sieht BERKELEY neben dem Vortäuschen von Abstraktionen auch darin, dass sich die Sprache an den Begriffen und Vorurteilen der Menge orientiert. Sprache ist den herkömmlichen Meinungen angepasst, die nicht immer die wahrsten sind. Daher ist es sogar in den strengsten philosophischen Überlegungen unmöglich, die Neigung und den Genius der von uns gesprochenen Sprache (the bent and genious of the tongue we speak) wesentlich zu verändern (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Auch deshalb sieht er das einzige Mittel, zur wirklichen Wahrheit vorzudringen, in der Entäußerung von der Sprache. Eine ähnliche skeptische Haltung zur Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess bezieht
410 später HUME, wenn er allein den Wörtern die Schuld an lang andauernden Streitigkeiten zuschreibt. Im Unterschied zu BERKELEY lehnt HUME aber die Symbolhaftigkeit der Erscheinungen ab und beschränkt die menschlichen Erkenntnisfähigkeiten auf Wahrnehmungen und Vorstellungen, die ohne den Einfluss der Sprache entstehen. 3. Die kognitive Funktion der Sprache in Sprachtheorien des 18. Jahrhunderts Die sensualistische Erkenntnistheorie LOCKEs und die zunehmende Betonung des besonderen Charakters der Sprachen in den Grammatiktheorie des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (ĺ Grammatik) hatten die Aufmerksamkeit erneut auf den Zusammenhang von Sprache und Denken gelenkt (ĺ besonderer Charakter einer Sprache), waren jedoch beide in ihren Antworten auf die Frage nach dem Einfluss der Sprache auf das Denken inkonsequent geblieben. Das Festhalten am Dualismus von Sensation und Reflexion als zweier selbständiger Erkenntnisquellen bewirkte, dass der Sprache nicht jene wichtige Rolle im Erkenntnisprozess zugewiesen wurde, die Ansätze zur sensualistischen Sprachkritik und Betrachtungen einiger Philosophen und Grammatiker zum Zusammenhang von Sprach- und Denkbesonderheiten ermöglichen konnten. 3.1. Die Annahme einer konstitutiven Rolle der Sprache für die höheren Denkprozesse bei CONDILLAC Gerade gegen die Vernachlässigung der grundsätzlichen Bedeutung der Sprache für alle Teile seines Werkes, die sich LOCKE trotz besseren Wissens zuschulden kommen ließ, richtet sich CONDILLACs Vorwurf an seinen englischen Lehrmeister. Bereits in seinem ersten Werk, dem Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746), legte CONDILLAC eine zusammenhängende sensualistische Theorie für die Entstehung von Denkvorgängen dar, die es ermöglichte, auf die Annahme einer außerhalb menschlicher Erfahrung gegebenen Reflexion zu verzichten. Für CONDILLAC ist die Reflexion nicht mehr eine selbständige Erkenntnisquelle, sondern weiterentwickelte und umgewandelte Sinnesempfindung. Das Prinzip, das es ermöglicht, alle Erkenntnis von den sensations herzuleiten, ist die Gedanken-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken verknüpfung (liaison des idees). Die liaison des ideés ist zunächst bei der Verknüpfung der einzelnen Wahrnehmung mit ihren Begleitumständen gegeben, ist aber später auch in der Verbindung Zeichen – Idee sowie in der Verbindung der Ideen untereinander, die ihrerseits über die Verknüpfung der Zeichen verläuft, wirksam (ĺ Zeichen und Idee). Während sich bei LOCKE die Funktionen der Sprache noch auf die Mitteilung von Gedanken (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) und auf sekundäre Hilfeleistungen für das Gedächtnis beschränken, wobei er den Einfluss der Sprache hauptsächlich in der Irreführung des Denkens sieht, weist CONDILLAC den Zeichen die bestimmende Rolle beim Übergang von der sinnlichen Erkenntnis zum abstrakten Denken zu. Nicht unbedeutend dürfte dabei der Einfluss WOLFFs gewesen sein, den CONDILLAC in seinem Essai mehrfach erwähnt. WOLFF hatte vorgeschlagen, die Sprache mit den Leibnizschen Erkenntnisstufen in Beziehung zu setzen und war dabei zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die Sprache der Stufe der figürlichen Erkenntnis entspricht, möglicherweise diese Stufe sogar erst begründet. In seiner von CONDILLAC mehrfach zitierten Psychologia rationalis hatte WOLFF die Vermutung geäußert, dass jemand, der keine Sprache besitzt, wohl auch keinen Verstand haben könne. WOLFF ging jedoch über derartige Vermutungen und gelegentliche Andeutungen nicht hinaus. Auch MANDEVILLE, dessen Sixth Dialogue between Horatio und Cleomenes gewisse Ähnlichkeiten mit CONDILLACs Sprachursprungstheorie aufweist (ĺ Ursprung), setzte vorhandene Ansätze zu einer historischen und sozialen Betrachtungsweise noch nicht in eine psychogenetische Erklärung der Entwicklung von Sprache und Denken um. Ebenso lieferte WARBURTONs Essay über die ägyptischen Hieroglyphen (ĺ Schrift) CONDILLAC zwar eine Reihe von Bezugspunkten für die Erklärung der Entstehung der Lautsprache aus der Gebärdensprache (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache), enthielt aber keine geschlossene theoretische Verarbeitung des Problems des Verhältnisses von Sprache und Denken. Die konstitutive Rolle der Sprache für die höheren Denkprozesse festzustellen, blieb CONDILLAC vorbehalten, wozu ihm gerade die bei
Kognitive Funktion der Sprache LOCKE gegebenen sensualistischen Ansätze verhalfen. Ein Aspekt der schöpferischen Weiterentwicklung der sensualistischen Sprachtheorie durch CONDILLAC ist die psychogenetische Betrachtung der Entwicklung der Sprache in ihrer wechselseitigen Beziehung zum Denken. Nachdem CONDILLAC zunächst die göttliche Sprachgebung – ob aus Vorsicht oder wirklicher Überzeugung – anerkannt hat, geht er in seinem Essai sur l’origine des connoissances humaines von der Annahme zweier nach der Sintflut ausgesetzter Kinder aus. Anhand ihrer geistigen und sprachlichen Entwicklung verfolgt CONDILLAC die Entstehung der menschlichen Sprache (ĺ Ursprung). Ursprünglich verfügten die Menschen über eine aus Schreien und Gebärden bestehende Sprache (langage d’action), die zunächst für ihre primitiven Bedürfnisse genügte (ĺ Ursprung, ĺ Ursprache, ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Bereits im langage d’action war ein erster Schritt vom Instinktiven zum Bewussten gegeben. Die Zeichen der Gebärdensprache waren entsprechend dem Bau des menschlichen Körpers von der Natur vorgegeben, sie waren in ihren Grundzügen eingeboren. Gerade im Zusammenhang mit der Ablehnung der eingeborenen Ideen gewinnt die Annahme eines eingeborenen Kommunikationsmittels besondere Bedeutung (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Die Frage nach der Herkunft der ersten geistigen Operationen, die über reine Wahrnehmungsprozesse hinausgingen, sich aber noch nicht auf bewusste Zeichenverwendung stützen konnten, wurde von CONDILLAC durch den Verweis auf die Gebärdensprache und ihre Rolle im Erkenntnisprozess beantwortet. Mit der weiteren Entwicklung der Kommunikationsbedürfnisse entstanden die signes d’institution der Lautsprache, arbiträre Zeichen, die sich vorerst mit der Gebärdensprache vermischten (ĺ Arbitrarität, ĺ Konvention, ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Die Lautsprache erlangte erst allmählich in einem Prozess der ständigen Wechselwirkung mit dem Denken allgemeine Geltung. Sie behielt zunächst noch Merkmale des langage d’action bei, was sich besonders in der Wortstellung, der Flexion und der Prosodie äußerte
411 (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion; ĺ Prosodie / Akzent). Nach CONDILLACs historischer und psychologischer Erklärung der Sprachentstehung (ĺ Ursprung) stellen die arbiträren Zeichen eine neue Qualität des Zeichencharakters dar, obwohl sie nicht geschaffen wurden, sondern sich in einem langen Prozess aus der ursprünglichen Verwendung natürlicher Zeichen entwickelten (ĺ Arbitrarität, ĺ Natürlichkeit). Mit den arbiträren Zeichen ist dem Menschen ein Mittel gegeben, das ihn frei über seine Imagination verfügen lässt und das bewusste Wiederwachrufen der Sinneseindrücke abwesender Gegenstände ermöglicht. Darin bestehen gerade jene Voraussetzungen für die höheren Denkoperationen des Unterscheidens, Verallgemeinerns, Vergleichens, Urteilens und Schließens, durch deren psychogenetische Erklärung CONDILLAC die Kluft zwischen Erfahrung und Verstand überwinden konnte. Um diese reflexiven Denkoperationen geht es CONDILLAC, wenn er die Frage nach dem Einfluss der Sprache auf das Denken aufwirft. Unter Sprache versteht er dabei eine Anzahl von Zeichen, mit denen bestimmte Ideen verbunden sind und über deren Gebrauch entsprechend bestimmten Regeln eine Übereinkunft getroffen wurde (ĺ Wesen der Sprache; ĺ Zeichen und Idee). Mit der Bestimmung der Funktion der Sprache, als méthode analytique zu wirken, schafft CONDILLAC neue Möglichkeiten für die Beantwortung der Frage nach dem Einfluss der Sprache auf das Denken. Entsprechend der unterschiedlichen Akzentuierung sprachtheoretischer Probleme in den einzelnen Werken CONDILLACs, äußert sich der Gedanke der méthode analytique mit mehr oder weniger Deutlichkeit immer wieder. Die Auffassung der Sprache als méthode analytique bildet auch den Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung des bereits bei LOCKE sehr ausführlich enthaltenen Gedankens der Sprachkritik. Auf die Gefahren unkritischer Verwendung der Sprache verweist CONDILLAC im Anschluss an seine Feststellungen zur Abhängigkeit der Operationen des Geistes vom ĺ Gebrauch der Zeichen: Wenn unser Geist seine Ideen nur durch Zeichen fixiert, so laufen unsere Gedanken und Schlussfolgerungen Gefahr, sich oft nur um Worte zu
412 drehen, was uns in zahlreiche Irrtümer führen muss. In Auseinandersetzung mit dem Sprachgebrauch der Philosophen erklärt CONDILLAC, es genüge, sich eines Wortes mit unscharfer ĺ Bedeutung zu bedienen, um ein neues philosophisches System zu errichten. CONDILLAC sieht in den Fehlern, die sich aus dem Wesen und zusätzlich aus der falschen Verwendung der Sprache ergeben (ĺ Wesen der Sprache, ĺ Missbrauch), eine Ursache für die Ungenauigkeit unseres Denkens. Als Mittel gegen die Irreführung des Denkens durch die Sprache nennt CONDILLAC zunächst im Anschluss an LOCKE die genaue Bestimmung der einzelnen idées simples, die mit einem Wort verbunden sind. Indem er jedoch im zweiten Teil seines Essai eine Methode vorschlägt, wie wahre Erkenntnisse gewonnen und gelehrt werden sollen, geht er in seinem Vertrauen in die Möglichkeiten des Menschen, trotz der Unzulänglichkeiten der Sprache richtig zu denken, weit über LOCKE hinaus. CONDILLAC appelliert an die Verantwortung der Gesellschaft für die Sprache und ihre richtige Verwendung und überführt Kritik an der Sprache zum Teil in Kritik an der Gesellschaft, insbesondere an den Herrschenden und den Philosophen, die durch ihren bewusst oder unbewusst falschen Sprachgebrauch den Weg zu richtigen Erkenntnissen verstellen (ĺ Missbrauch). Bereits die Darstellung der Entwicklung der Lautsprache aus der Gebärdensprache (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) verdeutlicht, dass CONDILLAC den arbiträren Zeichen eine qualitativ höhere Rolle im Erkenntnisprozess beimisst (ĺ Arbitrarität, ĺ Natürlichkeit). Die signes d’institution der Lautsprache sind nicht natürlich vorgegeben oder eingeboren. Ihre Verwendung ist nicht mehr spontane Reaktion auf Sinneswahrnehmungen, sondern Sprachtätigkeit auf einer bestimmten Stufe der miteinander verflochtenen Entwicklung von Sprache und Denken. Mit der Bestimmung als “nicht natürlich” ist CONDILLACs Auffassung vom arbiträren Zeichencharakter jedoch nur von einer Seite her erfasst. Die Notwendigkeit, genau zu unterscheiden, was an den Zeichen der Lautsprache willkürlich ist, betont CONDILLAC selbst: Für jedes Volk sei es ganz natürlich, seine Ideen entspre-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken chend dem ihm eigentümlichen Charakter miteinander zu kombinieren und mit einem bestimmten Bestand von Grundideen, je nach der Art, wie das betreffende Volk von den Dingen angesprochen wird, verschiedene Nebenideen zu verwenden. Die Kennzeichnung der Zeichen als nicht natürlich ist demnach zumindest durch den Hinweis auf ihren konventionellen Charakter zu ergänzen, denn die Zeichen der Lautsprache entstanden in einem langen Prozess der Wechselwirkung mit dem Denken und dessen Besonderheiten (ĺ Natürlichkeit, ĺ Konvention). Dabei entstanden Regeln für Kombinationen von Ideen und für deren Belegen mit Zeichen (ĺ Zeichen und Idee), die für den Sprecher die Gestalt einer Übereinkunft haben müssen. Gerade diese Kombinationen nun, die ein langer Sprachgebrauch normalisiert hat (ĺ Gebrauch), sind ganz eigentlich das, was den besonderen Charakter einer Sprache ausmacht (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Die Konzeption des Arbiträren (ĺ Arbitrarität) wird bei CONDILLAC auch im subjektiven Sinne wirksam, nämlich wenn zur Weiterentwicklung des Denkens eine Änderung der ĺ Konvention notwendig wird. CONDILLAC gesteht dem Menschen trotz aller Verbindlichkeit der sprachlichen Zeichen durchaus zu, dass man die Sprache exakt machen müsse, indem man sie ohne Respekt vor dem Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) verbessert. Erfolgten jedoch solche Veränderungen nur nach Laune und Willkür, würden die Zeichen der Sprache schließlich unverständlich. Voraussetzung für die Funktion der Sprache als Kommunikationsmittel (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) ist die Berücksichtigung der durch ihren besonderen Charakter vorgegebenen inneren Zusammenhänge und Regelmäßigkeiten (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Die funktionelle Bestimmung der sprachlichen Zeichen als historisch motiviert eröffnet die Möglichkeit, dass bestimmte relativ selbständige und isolierbare sprachliche Kategorien in einem bestimmten Zustand der Sprache als vorgegeben angenommen und in ihrer Rückwirkung auf das Denken betrachtet werden können. Bemerkenswert ist dabei, dass CONDILLAC die Auswirkung einzelner sprachlicher Spezi-
Kognitive Funktion der Sprache fika auf das Denken für verschiedene Ebenen der Sprache untersucht. Sein Interesse gilt nicht wie das LOCKEs oder wenig später MAUPERTUIS’ ausschließlich dem Wortschatz, er beschränkt sich auch nicht auf abstrakte Überlegungen zum Bau einer hypothetischen Sprache, sondern untersucht lexikalische, morphologische und syntaktische Besonderheiten natürlicher Sprachen und ihren Einfluss auf das Denken (ĺ natürliche Sprache). Zwar befasste sich CONDILLAC nicht mit dem Vergleich und der Verallgemeinerung von sprachlichen Einzeltatsachen, hob sich jedoch von vergleichbaren Autoren seiner Zeit durch eine komplexere und detaillierte Sprachauffassung ab, die es ihm erlaubte, den Einfluss der Sprache auf das Denken nicht nur als globales Phänomen zu konstatieren, sondern bis zu Schlussfolgerungen über die Wirkung einzelner sprachlicher Kategorien und Teilsysteme der Sprache vorzudringen. Obwohl im Essai sur l’origine des connoissances humaines an vielen Stellen der Gedanke der Rückwirkung der Sprache auf das Denken bewusst im Vordergrund steht, wird dieser Vorgang bereits dort nicht isoliert gesehen, sondern in den wechselseitigen Zusammenhang von Sprache und Denken eingeordnet. Im Anschluss an LOCKE nennt CONDILLAC das Beispiel jener Indianer, die nur Wörter für die Zahlen bis 20 hatten und sich daher die Zahl 1000 nicht vorstellen können. CONDILLAC fügt hinzu, dass sie sich sogar von weniger großen Zahlen keine Vorstellung machen könnten. Wer die Methode, die es erlaubt, aus kleineren Zahleneinheiten immer größere aufzubauen, nicht besitzt, könne auch in seinem Denken nicht über die kleinen Zahlen hinaus. Das Vorhandensein der Methode, mit anderen Worten der notwendigen sprachlichen Zeichen, ist also die Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Denkens. Bei ihrem Fehlen wird der menschlichen Erkenntnis eine sprachlich bedingte Grenze gesetzt. Ebenfalls bereits im Essai betont CONDILLAC die Bedeutung des Wortschatzes für die Begriffsbildung im Denken der Sprecher. Es gebe keine Vorschrift dafür, welche Ideen unter einem gemeinsamen Namen zusammengefasst werden, deshalb finde man zwischen verschiedenen Sprachen, ja oft sogar zwischen den Sprechern einer Sprache, keine
413 Übereinstimmung in der Bildung komplexer Begriffe. Da der Umfang der Begriffe von der Erfahrungswelt der Sprecher abhängt, sorgt das Anwachsen der wissenschaftlichen Erkenntnis für die Erweiterung des Begriffsumfangs. Diese wichtige Erkenntnis dehnt CONDILLAC auch auf die Nebenideen, die idées accessoires, aus. Welche Nebenideen sich mit einer bestimmten Sache verbinden wird dadurch bestimmt, welche Einstellung die Sprecher der jeweiligen Sprache ursprünglich zu dieser Sache hatten. So verbindet sich im Lateinischen mit den Bezeichnungen aus dem Bereich der Landwirtschaft die Idee des Ehrenvollen und der Achtung, weil die Römer ursprünglich alle Ackerbau betrieben. Im Französischen drücken diese Bezeichnungen von vornherein Geringschätzung aus, weil die Franken nur vor dem Kriegshandwerk Achtung gehabt hätten (ĺ Bedeutung). Die durch die Sprache fixierte und schließlich bedingte begriffliche Verarbeitung der Umwelt durch die Sprecher ist, wie CONDILLAC bereits im Essai deutlich werden lässt, ursprünglich durch die Auseinandersetzung mit der Außenwelt und dabei gewonnene Erfahrungen und emotionale Einstellungen begründet. Sobald eine Kategorie sprachlich fixiert ist, wirkt sie jedoch über die Sprache auf den weiteren Erkenntnisprozess und auf das Verhalten der Menschen zurück, ohne dass dabei im Einzelfall außersprachliche Momente mitwirken müssen. Beim Vergleich der französischen und der lateinischen Sprache bemerkt CONDILLAC vor allem die grundsätzlichen Unterschiede im Flexionssystem (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), die ihrerseits zu syntaktischen Folgen führen (ĺ Syntax). Nachdem er mehrfach die Nachteile bedauert hat, die sich für das Französische aus den schwerfälligen Konjugationen und der häufigen Wiederholung von Artikeln (ĺ Artikel) besonders in der Poesie ergeben, wird aber auch ein Vorteil der französischen Sprache herausgestellt: Die Konjugationen lassen Bedeutungen unterscheiden, die im Lateinischen nicht auseinander gehalten werden. So gibt es drei Formen des Präteritums, je fis, j’ai fait, j’eus fait, während die Lateiner nur eine einzige haben: feci. Die Auslassung des Artikels ändert mitunter
414 die Bedeutung eines Satzes: je suis père und je suis le père haben zwei verschiedene Bedeutungen, die im Lateinischen nicht auseinander gehalten werden (sum pater). Unterscheidungen, die durch sprachliche Mittel getroffen werden, wie zum Beispiel die Differenzierung von drei Zeiten der Vergangenheit, haben ihre Entsprechung im Denken, sie zwingen dazu, das sprachlich Unterschiedene auch im Denken zu unterscheiden. Die zeitweilige Herauslösung dieser sprachlich bewirkten Bedeutungsdifferenzierung (ĺ Bedeutung) aus dem wechselseitigen Zusammenhang von Sprache und Denken ist kein Widerspruch dazu, dass CONDILLAC für ein früheres Stadium der Herausbildung des Flexionssystems sowohl das Denken als auch die Sprache als Ergebnis bestimmter außersprachlicher Bedürfnisse und Notwendigkeiten betrachtet. Auch die festgelegte Wortfolge des Französischen (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) habe kognitive Auswirkungen gehabt, indem sie das Denken daran gewöhnte und die Abfolge von Subjekt, ĺ Verb mit Adverb und obliquem Kasus fälschlicherweise als natürlich auffassen ließ (ĺ Natürlichkeit). Im Gegensatz zur rationalistischen Auffassung vom ordre naturel nahm CONDILLAC an, dass die Wortstellung der Lautsprache ursprünglich die Reihenfolge der vorher gebrauchten Gesten beibehielt (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Die Menschen, die in diesem Stadium zu den objets sensibles das unmittelbarste Verhältnis hatten, bezeichneten zuerst die Objekte der Handlung, während sie die Handlung selbst und ihr Subjekt erst später mit Lautzeichen belegten und auch dann hinter das Objekt stellten. Doch der Einfluss, den CONDILLAC der Sprache auf die menschlichen Denkprozesse zugesteht, stellt sich nicht als ein Determinismus dar. Die Sprache befindet sich nach seiner Auffassung in einer ständigen Wechselwirkung mit dem Denken und den Bedürfnissen der Menschen. Die Hypothese über das Ineinandergreifen von Lebensbedürfnissen, gesellschaftlicher Kommunikation und wechselseitiger Entwicklung von Sprache und Denken wurde von CONDILLAC in seiner Grammaire präzisiert und zu einer Art Modell verdichtet. Das Modell besoins – con-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken naissances – langues bildet trotz aller didaktischen Vereinfachung und Schematisierung einen konzentrierten Ausdruck der Auffassung CONDILLACs vom wechselseitigen Zusammenhang von Sprache und Denken. CONDILLAC nimmt darin eine Formung des Denkens durch den spezifischen Charakter und Bau der Muttersprache des Sprechers bis zu einem gewissen Grade an. Formulierungen wie “wir denken in unserer Sprache und gemäß unserer Sprache” oder “den Methoden verdankt unser Geist seine Fortschritte auf allen Gebieten: unsere Sprache beeinflusst daher unsere Denkweise und sie gibt dieser in dem Maße Klarheit und Präzision, wie sie selbst darüber verfügt” finden sich nicht zufällig mehr oder weniger abgewandelt an den verschiedensten Stellen des Condillacschen Werkes. Die Sprache ist für ihn jedoch nicht das Primäre, sie verleiht zwar dem Denken bestimmte Formen, schiebt sich aber nicht als unüberwindliche Schranke zwischen Denken und Wirklichkeit. Sprachen sind korrigierbar, sobald es der von den Bedürfnissen angeregte Erkenntnisprozess erfordert. Für das Erkennen dieser Bedürfnisse und für die richtige Verwendung der Sprache im Interesse des Denkens und der Wissenschaft trägt nach CONDILLACs Auffassung die Gesellschaft volle Verantwortung. Mehrfach richtet CONDILLAC die Aufforderung an die Herrschenden, sich für eine sinnvolle Verwendung der Sprache einzusetzen, um die menschliche Erkenntnis zu fördern (ĺ Gebrauch). Wenn die Erkenntnisentwicklung gehemmt wird, so ist daran nicht die Sprache schuld, die ihrem Wesen nach fähig ist, sich an neue Bedürfnisse anzupassen, sondern die Regierungen, die das Fortschreiten der Vernunft aufhalten. Die aufklärerische Forderung, sich der eigenen Vernunft zu bedienen und dabei scheinbare Schwierigkeiten, die sich aus der Sprache ergeben, zu überwinden, richtet CONDILLAC auch an die Philosophen. Ein grundsätzlicher Fehler der Metaphysik sei es, um Worte statt um Dinge zu streiten. Dem übermäßigen Drang der Philosophen, ihre Lehren zu Systemen auszubauen und die Rolle der Sprache beim starren Beibehalten dieser Systeme kritisierte CONDILLAC in seinem Traite des systèmes. Der sprachkritische Gedanke erhält im
Kognitive Funktion der Sprache Rahmen seiner Sprachtheorie durch die Annahme der Möglichkeit einer bewussten Einwirkung auf die Sprache und ihrer Anpassung an die Erfordernisse des Denkens eine erkenntnisoptimistische Ergänzung. CONDILLAC wendet sich ausdrücklich gegen die ausschließlich negative Einschätzung des Einflusses der Sprache auf das Denken. Die Sprachen sind zwar unvollkommene Methoden und führen deshalb das Denken manchmal auf Irrwege. Aber gerade weil sie Methoden sind, müssen sie uns in anderen Fällen zu richtigen Ergebnissen führen. Je größer die Bewusstheit der Menschen in der Verwendung der Sprache wird (ĺ Gebrauch), umso besser sind sie in der Lage, sich von den negativen Einflüssen der Sprache auf das Denken zu befreien, die Sprache selbst zu korrigieren und sie als Methode zu verbessern. Nach CONDILLACs Auffassung kommt den Sprachen als analytischen Methoden, die ständig weiterentwickelt werden, Erkenntniswert zu. Solange man keine vollkommene Methode vor sich hat, genüge das alleinige Studium der Sprache jedoch nicht, um zu richtigen Erkenntnissen zu kommen, und man könne von den Sprachen nicht erwarten, dass sie Fehler ausgleichen, die im Denken ihrer Sprecher selbst bestehen. Bei der Erklärung, wie der Erkenntnisprozess durch die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Außenwelt, nicht primär durch die Struktur der Sprache angeregt wird, kommt CONDILLAC zu gesellschaftspolitisch weitreichenden Schlussfolgerungen. Als förderlich für den Fortschritt des menschlichen Wissens wird von ihm die Arbeitsteilung erkannt. Jede Berufsgruppe beobachte die Dinge und Erscheinungen ihrer unmittelbaren Tätigkeit und komme so zu Erkenntnissen, die sie dem gesellschaftlichen Erfahrungsschatz beisteuere. Die Summe der Erkenntnisse aller Menschen einer Gesellschaft entspreche etwa der Gesamtheit der gesellschaftlichen Bedürfnisse. Indem jede Berufsgruppe zur Gesamtheit des Wissens beitrage, bereichere sie gleichzeitig die Sprache durch diejenigen Wörter, die am geeignetsten sind, die neuen Kenntnisse mitzuteilen, und trage dazu bei, die Sprache den Erfordernissen der Erkenntnisgewinnung anzupassen. Mit dieser Berufsgruppenhypothese deutet CONDILLAC ein
415 sprachpraktisches Projekt an, das in der organisatorischen Arbeit der Herausgeber der Enzyklopädie später berücksichtigt wurde. Die Anerkennung der Sprache als Produkt der historischen Erfahrung der Sprachgemeinschaft trug zur Demokratisierung der Sprachauffassung bei, die später insbesondere von ROUSSEAU und MICHAELIS vertieft wurde. Mit seiner Auffassung des Zusammenhangs von Sprache und Denken näherte sich CONDILLAC dem Gedanken einer wissenschaftlichen Erkenntnis, die sich von den Unzulänglichkeiten der Sprache befreit und korrigierend auf die Sprache zurückwirkt. 3.2. Zur Thematisierung der Frage nach dem Einfluss der Sprache auf das Denken in der Preisfrage der Preußischen Akademie für das Jahr 1759 Vom ehemaligen Präsidenten der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften MAUPERTUIS, der bereits 1748 eine weitgehende einzelsprachliche Geformtheit des Denkens behauptet hatte, waren wichtige Anstöße für die Fortführung der Sprachdiskussion in Deutschland gegeben worden. Von ihm ging auch die Anregung dafür aus, in der für 1759 ausgeschriebenen Preisfrage der Akademie den Zusammenhang der Sprache mit den Meinungen des Volkes zur Diskussion zu stellen. Bereits durch den Text der Preisaufgabe, der sowohl die Untersuchung des Einflusses der Meinungen des Volkes auf die Sprache als auch die Bestimmung des Einflusses der Sprache auf die Meinungen des Volkes und die Suche nach Mitteln gegen dessen negative Auswirkungen forderte, war eine Grundposition vorgezeichnet, die von der sensualistischen Annahme einer Wechselseitigkeit des Zusammenhangs von Sprache und Denken ausging. Obwohl bereits daran ablesbar ist, dass diese aus der französischen Sprachdiskussion übernommene Position als bewiesen galt und akzeptiert werden konnte, machten sie sich die einzelnen Bewerber keinesfalls in der gleichen Tiefe und Gründlichkeit zu eigen. Den Preis erhielt schließlich die Beantwortung der Frage von dem Einfluß der Meinungen in die Sprache und der Sprache in die Meinungen von MICHAELIS, der sich als gründlicher Philologe und Kenner der bisheri-
416 gen Sprachdiskussion der Aufklärung erwies, auf die er seinerseits maßgeblich zurückwirkte. Grundlage für MICHAELIS’ Herangehen an die Fragestellung ist eine am ĺ Gebrauch orientierte, demokratische Sprachauffassung. Davon ausgehend sieht er auch die Beziehung zwischen Einzelsprache und Erkenntnisstand unter neuen Gesichtspunkten und misst der Rückwirkung der Angehörigen aller Schichten auf ihre Muttersprache noch größere Bedeutung bei als CONDILLAC und DIDEROT. Jede einzelne Sprache betrachtet MICHAELIS als eine Sammlung der Weisheit und des Genies gantzer Völcker (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Damit erweitert MICHAELIS die bereits von den französischen Aufklärern gestellte Forderung, entsprechend den spezifischen Erkenntnismöglichkeiten zur Verbesserung der Sprache beizutragen, indem er sie über die Berufsgruppenhypothese hinaus auf jeden auch noch so “ungelehrten” Sprecher anwendet. Allerdings wird nicht jeder gleich eine wirkliche ĺ Sprachveränderung bewirken können, denn die “oberste Gewalt” in der Sprache ist das Volk selbst, das eine Neuerung annehmen oder ablehnen kann. Den rückwirkenden Einfluss der Sprache auf die Meinungen des Volkes sieht MICHAELIS sowohl als positive als auch als negative Erscheinung. Vorteilhaft ist dieser Einfluss der Sprache, wenn ein ĺ Reichtum an Wörtern vorhanden ist, der so weit gehen muß, daß alles und jedes, was der Mensch denken kann, sein eigenes deutliches, einheimisches Wort hat. So mache sich in der Botanik das Fehlen überregionaler deutscher Pflanzenbezeichnungen störend bemerkbar, da man sich mit den lateinischen Termini nicht mit dem einfachen Landmann verständigen und daher auch nicht von ihm lernen könne. Besonders deutlich werde die Notwendigkeit ausreichender sprachlicher Zeichen für das Denken in der Mathematik. So ist es auch für MICHAELIS, wie vor und nach ihm für viele andere Vertreter der These von der Sprachrelativität des Denkens, unvorstellbar, dass man bei Völkern, deren Sprache und Denken noch keine Bezeichnungen für größere Zählen entwickelt haben, Menschen zu Mathematikern heranbilden könnte.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Jedoch nicht nur Armut in der Sprache kann zu schädlichen Auswirkungen für Denken und Meinungen führen, sondern auch unproportionierter Überfluss und Homonymie verwechselbarer, bedeutungsverwandter Wörter (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen, ĺ Reichtum). Auch das Fehlen von neutralen Bezeichnungen für bestimmte Begriffe kann sich ungünstig auswirken, insofern negativ oder positiv wertende Bezeichnungen Vorurteile festlegen. So gebe es im Deutschen kein wertungsfreies Wort für das französische le luxe, mit dem eine in der Aufklärung vieldiskutierte Erscheinung bezeichnet wurde, und Wörter wie Ueppigkeit oder Ueberfluß legten bereis abwertende Urteile fest. In Etymologien können nach MICHAELIS’ Auffassung sowohl Wahrheiten als auch Irrtümer verewigt werden und die Meinung der Sprecher bestimmen. So komme von der ĺ Etymologie der Krankheitsbezeichnung Krebs die abergläubige Auffassung, dass diese Krankheit von der Berührung toter und verfaulter Krebse komme. Obwohl MICHAELIS den nachteiligen Einflüssen der Sprache auf die Meinungen des Volkes breiten Raum gibt, möchte er sie nicht überschätzt wissen. Falsche sprachliche Bilder und Etymologien (ĺ Etymologie), Armut oder unnötiger Überfluss (ĺ Reichtum) in der Sprache bilden sich immer gemeinsam mit einem fehlerhaften Denken heraus, können aber unter Umständen in der Sprache länger und nachhaltiger wirken. Nach MICHAELIS sind Fehler weniger durch die Sprache verursacht als in ihr konserviert. MICHAELIS wendet sich damit bereits gegen die Ersetzung einer verantwortungsbewussten Haltung zum gesamten Erkenntnisprozess und seinen Ergebnissen durch den Verweis auf eine sprachliche Determiniertheit des Denkens. Seine Auffassung von den historischen und sozialen Bedingungen, die in der Sprache und über sie auch für den Erkenntnisprozess wirksam werden, ist an der französischen Aufklärung orientiert, im einzelnen jedoch noch differenzierter und stärker auf konkrete sprachliche Mittel bezogen. So versucht er insbesondere, die Auswirkungen der inneren Motiviertheit der Wörter und ihrer Etymologien (ĺ Etymologie) für das Denken und
Kognitive Funktion der Sprache Verhalten der Sprecher an Beispielen zu belegen. Auch die Maßnahmen, die MICHAELIS zur Vermeidung der in der Sprache liegenden Irrtümer vorschlägt, lehnen sich weitgehend an bereits in der französischen Sprachdiskussion geäußerte Gedanken an. MICHAELIS empfiehlt, nicht blind den Etymologien (ĺ Etymologie) und Redewendungen zu glauben, für die Verbreitung der Wissenschaften zu sorgen und sie deshalb in der Muttersprache abzuhandeln und das Recht eines jeden Sprechers auf schöpferischen Umgang mit der Sprache entsprechend ihrem Genie durchzusetzen (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). 3.3. Symbolische Erkenntnis bei LAMBERT Eine Seite der von MICHAELIS behandelten Preisfrage griff der Mathematiker und Philosoph LAMBERT 1764 nochmals in einer Arbeit auf, der er den Titel Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein gab. Doch nicht nur die Fragestellung, ob die Sprache, in die der Mensch die Wahrheit einkleidet, durch Mißverstand, Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit sie unkenntlicher und zweifelhafter mache, oder andere Hindernisse in den Weg lege weist große Ähnlichkeit mit MICHAELIS auf. LAMBERT stimmt in wichtigen Positionen mit dem Preisträger überein, der in Deutschland bei vielen Aufklärern ein Nachdenken über den Einfluss der Sprache auf die Denkprozesse ausgelöst hatte. Ein so bedeutender Denker wie HAMANN hatte sich zur Thematik der Preisfrage selbst geäußert, in LESSINGs Literaturbriefen erschien eine ausführliche Besprechung von MICHAELIS’ Schrift und direkte Bezüge zu ihr finden sich sogar noch 1796 in einer Philosophisch-kritischen Vergleichung und Würdigung von vierzehn älteren und neueren Sprachen Europens von JENISCH. Wie MICHAELIS sieht LAMBERT die Sprache als eine Democratie, zu der jeder beitragen kann und wo alles, gleichsam wie durch die Mehrheit der Stimmen, angenommen oder verworfen wird. Sprachliche Zeichen werden von Ungelehrten entworfen, sie gehen der wissenschaftlichen Erkenntnis voraus, die
417 sich dann jedoch ihrer bedienen muss. Zu Schwierigkeiten kann es dabei kommen, wenn ein Begriff nach wissenschaftlichen Erkenntnissen anders gefasst werden muss, als ihn das Volk vorher auffasste. In Übereinstimmung mit MICHAELIS sieht LAMBERT negative Einflüsse der Sprache auf das Denken vor allem in der Konservierung falscher, durch den Erkenntnisfortschritt überholter Bedeutungen (ĺ Bedeutung). Einen Ausweg daraus erkennt er in der konsequenten Anwendung der analytischen Methode, die er wie CONDILLAC auffasst. Gerade das Verhältnis der Zeichen zur menschlichen Erkenntnis erklärt LAMBERT zum Hauptgegenstand der von ihm als Semiotik bezeichneten Wissenschaft. Zeichen sind nach LAMBERTs Meinung für jede Art von Erkenntnistätigkeit unumgänglich, da unser Denken nur mit sinnlichen, materialisierten Abbildern operieren könne. Als derartige Zeichen eignen sich Bewegungen des Leibes, Figuren oder Zeichen oder artikulierte Töne, und erst im Verlaufe einer längeren Entwicklung stelle sich heraus, dass sich die letzteren durch Vorzüge auszeichnen (ĺ Zeichen und Idee, ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen), ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Obwohl LAMBERT seinen semiotischen Überlegungen einen sehr weiten Zeichenbegriff zugrunde legt, führt er alle Arten von Zeichen auf die menschliche Lautsprache zurück. Zwar könne jede Wirkung als Zeichen ihrer Ursache gelten, ein Teil könne Zeichen des Ganzen oder eines andern Teils sein und schließlich gebe es noch eine Reihe spezieller, für einen stimmten Verwendungsbereich vereinbarter Zeichensysteme. Die Lautsprache liege jedoch allen diesen Zeichen zugrunde, insofern sie immer das allgemeine Magazin unserer ganzen Erkenntnis bleibt und andere Zeichensysteme nur nach ihrem Muster wirken können. Bei offensichtlich willkürlichen Zeichen (ĺ Arbitrarität), wie dem Läuten von Glocken und bei den Winkzeichen, ergibt sich diese Abhängigkeit schon daraus, dass sie nur durch eine lautsprachliche Vereinbarung (ĺ Konvention) ĺ Bedeutung erhalten. Jedoch auch scheinbar so natürliche Zusammenhänge, wie der zwischen Ursache und Wirkung führen nicht naturnotwendig zu einer Zeichenrelation (ĺ Natürlichkeit). Eine
418 Wirkung als Zeichen ihrer Ursache anzunehmen setzt einen konkreten Erkenntnisvorgang voraus, der sich letztlich auf lautsprachlicher Grundlage vollzog und dessen Ergebnis falsch sein kann. Menschliche Erkenntnis ist demnach nicht nur notwendig symbolische Erkenntnis, sondern lautsprachlich gebunden. Die Annahme einer symbolischen Erkenntnis geht bei LAMBERT zwar von der Funktion der Zeichen als Stellvertreter für die Empfindungen aus, bleibt jedoch nicht bei der Anerkennung ihres Wirkens als Merkzeichen stehen. Für solche geistige Operationen wie das Verallgemeinern und Abstrahieren sind sprachliche Zeichen konstitutiv. Ausgehend von dieser Bestimmung der Erkenntnisfunktion der Sprache schreibt LAMBERT den Zeichen einen großen Einfluss auf Ablauf und Ergebnisse unseres Denkens zu. Wörter konservieren nicht nur die Resultate des bisherigen Denkens, sondern sie bestimmen Umfang und Gestalt der Erkenntnismöglichkeiten der Sprecher einer bestimmten Sprache. Die Stellungnahme LAMBERTs zur Problematik des Sprachmissbrauchs (ĺ Missbrauch) und seiner Auswirkungen für die Erkenntnistätigkeit ist deutlich durch die Maßstäbe sensualistischer Sprachkritik geprägt. Das Verblassen oder Fehlen unmittelbarer Sinnesempfindungen beim Denken ermögliche es, daß wir in der That nichts als Wörter denken. LAMBERT erkennt in solchem leerem Wortkram eine Gefahr, die er in seinem Neuen Organon, mit dem er bewusst auf BACON Bezug nimmt, bekämpfen möchte. Die Neuordnung der Wissenschaften soll, ausgehend von den Sinnesempfindungen und deren Verarbeitung, auch die Grundlage für eine wissenschaftliche Sprache schaffen. Da die ständige Verwechslung von Begriffen und Wörtern unvermeidlich sei, sieht LAMBERT das Ideal einer Sprache in dem Zustand, wo die Theorie der Sache und die Theorie der Zeichen ohne Gefahr miteinander verwechselt werden können. LAMBERT nimmt damit CONDILLACs Gedanken von der Wissenschaft als einer wohlgeformten Sprache vorweg und stellt ganz im Sinne der Aufklärung die Forderung nach ständiger Verbesserung der Sprache und ihrer Anpassung an die Erfordernisse des Erkenntnisprozesses.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken 3.4. Die kognitive Funktion der Sprache in der Berliner Sprachursprungsdiskussion In seiner Preisschrift empfiehlt MICHAELIS der Akademie, einmal die Frage zu stellen, wie eine Sprache zuerst unter Menschen, die vorhin keine Sprache gehabt haben, entstehen, und nach und nach zu der jetzigen Vollkommenheit und Ausarbeitung gelangen würde (ĺ Sprachveränderung, ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Ausschlaggebend dafür, dass die Sprachursprungsproblematik für 1771 schließlich als Preisfrage gestellt wurde (ĺ Ursprung), war auch SÜSSMILCHs Versuch eines Beweises, daß die erste Sprache ihren Ursprung nicht vom Menschen, sondern allein vom Schöpfer erhalten habe. Die These vom untrennbaren Zusammenhang von Sprache und Denken wird von SÜSSMILCH zum zentralen Argument gegen die Möglichkeit der Sprachhervorbringung durch den Menschen entwickelt. Sprache ist nach SÜSSMILCH notwendige Voraussetzung für die Tätigkeit des Verstandes. Die Sprache selbst sei jedoch ein so kompliziertes und vollkommenes Produkt, dass ihre Erfinder unbedingt bereits über Verstand verfügt haben müssen, was jedoch wiederum ohne Sprache unmöglich sei. Als Ausweg aus diesem Dilemma sieht SÜSSMILCH nur die Anerkennung der Sprachgebung durch Gott. Im Gegensatz zu anderen Verfechtern der göttlichen Sprachursprungsthese verwendet SÜSSMILCH keine biblischen, sondern ausschließlich philosophische, zum großen Teil aus seiner Auffassung vom Zusammenhang von Sprache und Denken hergeleitete Argumente. Mit der Preisfrage für das Jahr 1771 erreichte die Sprachursprungsdiskussion ihren vorläufig abschließenden Höhepunkt (ĺ Ursprung). Bereits der französische Ankündigungstitel der Preisfrage lenkt die Aufmerksamkeit auf die Beziehungen zwischen Sprache und menschlicher Natur. Es sollte festgestellt werden, ob die Menschen, ihren natürlichen Fähigkeiten überlassen, hätten Sprache erfinden können und mit welchen Mitteln sie zu einer solchen Erfindung gekommen wären. Die Akademie wollte keine Unterminierung des Dogmas in Auseinandersetzung mit SÜSSMILCH, sondern vielmehr eine ernsthafte wissenschaftliche Untersuchung zur anthropologischen Basis der Sprache.
Kognitive Funktion der Sprache Als HERDER 1771 schließlich als Preisträger aus 31 Einsendungen ausgewählt wurde, ist bemerkenswert, dass fast alle Einsendungen, die vom Preisrichter mit lobenden Worten bedacht wurden, Momente der psychologischen Sprachbetrachtung und des Verhältnisses von Sprache und Denken betonten. Eine Reihe von Einsendungen, nicht zuletzt die preisgekrönte Schrift HERDERs selbst, verdeutlichen, dass die Frage nach dem ĺ Ursprung der Sprache immer zugleich eine Frage nach ihrem Wesen (ĺ Wesen der Sprache) und ihrem Verhältnis zum Denken ist. SOAVE, dessen Abhandlung nach HERDER das erste accessit erhielt, stellt die aufmerksame Beachtung des Einflusses der Sprache auf die menschliche Erkenntnis ausdrücklich in den Vordergrund seiner Arbeit. In HERDERs Denken hatte die Problematik der kognitiven Funktion der Sprache bereits vor seiner berühmt gewordenen Abhandlung über den ĺ Ursprung der Sprache einen wichtigen Platz eingenommen. Begeistert von MICHAELIS’ Preisschrift hatte er die folgenden Fragen zur näheren Überlegung vorgelegt: “Wiefern hat auch die natürliche Denkungsart der Deutschen einen Einfluss in ihre Sprache und die Sprache auf ihre Literatur, von ihren Elementen, ihrer Aussprache und Silbenmaß an? Wie viel kann aus der Beschaffenheit ihrer Umstände und Sprachwerkzeuge erklärt werden? Wiefern kann ihr Reichtum und ihre Armut nach den Zeugnissen der Geschichte von ihrer Denk- und Lebensart entsprossen sein, wiefern die Etymologie ihrer Wörter aus den Gesichtspunkten bestimmt werden, die ihnen mit andern Nationen gemein oder eigen gewesen? Wiefern halten auch die Sprachregeln mit den Gesetzen ihrer Denkart eine Parallele, und wie können die Idiotismen aus ihr erklärt werden? Welche Revolutionen hat die deutsche Sprache in ihrem Wesentlichen erfahren müssen, und wie weit ist sie jetzt für den Dichter, den Prosaisten und den Weltweisen?” HERDER greift damit eine Fülle von Problemen auf, die in der bisherigen Diskussion um die Beziehungen des besonderen Charakters einer Sprache zur spezifischen Denkweise der Sprachgemeinschaft erörtert worden waren (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Insbesondere an CONDILLAC lehnt er sich an,
419 wenn er von der Sprache als dem Werkzeug der Wissenschaften spricht und einen entsprechenden Entwicklungsstand der Sprache zur Voraussetzung für große Leistungen in Künsten und Wissenschaften erklärt. In der Tradition der sensualistischen Sprachtheorien der französischen Aufklärung und der Erziehungstheorie LOCKEs stehen auch HERDERs Bemerkungen zu den Funktionen der Sprache bei der Erziehung des heranwachsenden Kindes zum Denken. In seinem Reisejournal (1769) entwirft er ein umfangreiches Programm sprachlicher Bildung und Erziehung durch Sprache, wobei er das Prinzip, dass Erfahrung stets vor fachsprachlicher Unterweisung kommen soll, in den Mittelpunkt stellt. Sprache habe die Eigenschaft, an abstrakte Schattenbilder wie an existierende Realitäten zu gewöhnen und Vorurteile einzuprägen. Dem könne man nur begegnen, wenn Wörter zusammen mit den Begriffen und unter Berücksichtigung der Umwelt und Bedürfnisse des Kindes angeeignet werden. Auch in seiner Abhandlung über den ĺ Ursprung der Sprache kommt HERDER nochmals auf die Rolle der Sprache bei der Erziehung des Individuums zurück. Es liege in der Natur des Menschen, dass das Kind schwach und hilfsbedürftig sei, damit es lange genug an seine Eltern gebunden ist, um Sprache zu erlernen. Mit der Sprache teilen ihm diese ihre ganze Denkart mit. Sprache wird somit zum Mittel der Sozialisierung und Weitergabe von Erfahrungen. Besondere Bedeutung misst HERDER in diesem Zusammenhang der Muttersprache bei. Ähnlich wie CONDILLAC in seiner Rede vor der Akademie setzt sich HERDER für den Vorrang der Muttersprache im Bildungsprogramm ein, da mit ihr die weitere geistige Entwicklung bestimmt wird. Der Gebrauch der Muttersprache muss nach HERDERs Auffassung jedoch bewusst an der Erfahrung orientiert werden, da wir durch sie sonst zwar klug im Sprechen, aber schläfrig im Denken werden. Schließlich versucht HERDER zu zeigen, wie Denkart und Muttersprache zusammengewachsen sind. Über diese Feststellung einer Verschmelzung von Sprache und Denkart hinaus geht HERDER bis zu Behauptungen über die Auswirkungen des Vorhandenseins oder Fehlens einzelner sprachlicher Mittel auf das
420 Denken und Verhalten der Sprecher. Weil die russische Sprache kein Wort für ‘Bürger’ habe, habe der Russe keinen Begriff davon, was es heißt, Mitbürger zu haben, und zeige daher auch kein Bestreben, sich unter ihnen hervorzutun. Das Beispiel zeigt, dass es HERDER nicht um empirische Exaktheit seiner Aussagen über einzelne Sprachen, sondern um das Belegen seiner Thesen durch anschauliche, aber oft nicht überprüfte Zeugnisse ging. Wenn HERDER seine Abhandlung mit dem scheinbar widerspruchsvollen Satz Schon als Thier, hat der Mensch Sprache beginnt, so ist das keinesfalls im Sinne einer Zurückführung der Sprache auf unartikulierte Schreie zu verstehen (ĺ Ursprung). In Auseinandersetzung mit CONDILLAC und ROUSSEAU lehnt er diese Art der Erklärung des Sprachursprungs eindeutig ab. HERDER geht es vielmehr darum, den Menschen von Anfang an als sprachliches Wesen zu kennzeichnen und damit der Theorie vom göttlichen Sprachursprung eine entschiedene Absage zu erteilen. Der von der Natur im Bereich des Instinkts und der Kunstfertigkeit stiefmütterlich behandelte Mensch habe eine vielfältigere Lebensweise als die Tiere, die ihm die Sprache als Lebensbedingung notwendig werden ließe. Die Eigenschaft des Menschen, die ihn aus dem Tierreich hervorhebt und ihm auch die Sprache ermöglicht, ist für HERDER die Besonnenheit. Jene Besonnenheit ist mehr als eine bloße Anlage, etwa im Sinne der réflexion en puissance ROUSSEAUs. Die Besonnenheit ist zwar noch nicht mit der voll ausgebildeten Reflexion gleichzusetzen, ermöglicht jedoch sowohl Sprache als auch Reflexion, indem sie den Strom der Empfindungen anhält und in Merkmale zergliedert. Damit bewirkt sie hier einen ähnlichen Vorgang, wie ihn CONDILLAC seiner attention zugeschrieben hat. Die Absonderung von Merkmalen, die HERDER gleichzeitig als Merkworte auffasst, ist der Weg, auf dem die Besonnenheit Sprache schafft. Die Besonnenheit ist somit der genetische Grund sowohl der Reflexion als auch der Sprache. Nach ihrer Herausbildung wirkt jedoch auch die Sprache fördernd auf sie zurück. Sprache ist sowohl das Produkt als auch das Organ der Besonnenheit. Gegen die Herdersche Preisschrift, insbesondere die Annahme menschlicher Spracherfin-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken dung, richtet HAMANN bereits 1772 zwei Rezensionen, in denen er den göttlichen Sprachursprung mit der These von der Notwendigkeit des apriorischen Vorhandenseins von Sprache für jegliche Besonnenheit und Reflexion verteidigt (ĺ Ursprung). Während HERDER den Ansatzpunkt für die Entstehung der Sprache in der Natur des Menschen sucht, sieht HAMANN den Menschen als Geschöpf Gottes und nach dessen Ebenbild als ein vernunftund sprachbegabtes Wesen von Anbeginn an. Dass der Gegensatz HAMANNs und HERDERs als Sprachtheoretiker keinesfalls so groß war, wie aus der harten Reaktion HAMANNs abgelesen werden könnte, zeigen gerade die Stellungnahmen beider zum Verhältnis von Sprache und Denken. Die hohe Bewertung der Sprache, ihre Auffassung als Organon, in dessen Rahmen sich die menschliche Erkenntnis bewegt, brachte sie beide gleichermaßen in Gegensatz zu KANT, der der Sprache keine erkenntnistheoretische Bedeutung beimisst. Beide befassen sich auch mit der Sprachkritik, wobei insbesondere HAMANN gelegentlich den Einfluss der Sprache auf das Denken als das eigentlich nicht Sein-Sollende verwirft und kritisiert. Das wirklich Trennende zwischen den beiden Denkern lag vielmehr darin, dass HERDER die Sprache als Bestandteil des menschlichen Wesens begriff, während HAMANN in ihr ein Ergebnis der Herunterlassung Gottes sah. Die Problematik der kognitiven Funktion der Sprache hatte HERDER in seiner Preisschrift nur behandelt, insofern sie für die Sprachursprungsdiskussion von Bedeutung war. (ĺ Ursprung) Er verweist zwar auf die Wichtigkeit der Frage, wie weit kann man ohne, was muß man mit der Sprache denken, versagt sich aber selbst die Antwort hierauf. Für die Behandlung der Sprachursprungsproblematik ist es in der Bestimmung des Verhältnisses von Sprache und Denken nach HERDERs Auffassung bereits ausreichend, die Sprache als den würklichen Unterscheidungscharakter unserer Gattung von außen zu bemerken, wie es die Vernunft von innen ist. Auch die “Volksgeist”-Problematik, die in der Interpretation der Herderschen Preisschrift oft übermäßig betont wurde, spielt hier kaum unter dem Aspekt des Einflusses der Einzel-
Kognitive Funktion der Sprache sprache auf das Denken eine Rolle. Mit der Feststellung eines engen Zusammenhangs zwischen dem Temperament und der Sprache der verschiedenen Völker (ĺ besonderer Charakter einer Sprache), der Erklärung des Synonymbestandes aus den Bezeichnungsbedürfnissen (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen) und der Begründung der Sprachverschiedenheit mit Faktoren wie Klima, Luft, Wasser, Nahrung (ĺ Universalität und Verschiedenheit) greift HERDER Gedanken aus der Sprachdiskussion der Aufklärung auf. Schließlich verwendet HERDER in seiner Abhandlung Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele (1774) ähnlich wie vor ihm CONDILLAC die Sprache als Argument gegen die eingeborenen Ideen. Die Sprache sei der Stab der Aufweckung, durch den die inneren Sinne erst tätig werden und durch den es schließlich erst möglich werde, vom Empfinden zum Erkennen zu gelangen. Vernunft ist daher kein eingewachsenes, ewiges, von allem unabhängiges, untrügliches Orakel, sondern sie entwickelte sich, sowohl bezogen auf die Menschheit in ihrer Geschichte als auch auf das Einzelwesen, erst allmählich und in ständiger Wechselwirkung mit der Sprache. Diesmal hatte HERDER keine Chance, mit seiner ebenfalls als Einsendung an die Akademie abgefassten Schrift einen Preis zu erhalten. Die thesenhaften Bemerkungen SULZERs zu der von ihm konzipierten Frage verdeutlichen vielmehr, dass es auf die Darstellung der Beziehungen zwischen zwei voneinander getrennten Seelenkräften, dem Empfinden und dem Erkennen, ankommen sollte. Obwohl HERDER in seiner Antwort nicht bis zur Wiederholung der Konzeption der sensation transformée CONDILLACs ging, stellte er der dualistischen Voraussetzung der Preisfrage eine sensualistische Auffassung gegenüber, die vor allem mit sprachtheoretischen Argumenten operierte. 4. Die kognitive Funktion der Sprache in der semiotischen Wissenschaftstheorie der Ideologen Als DESTUTT DE TRACY die Bezeichnung idéologie für die nach der Französischen Revolution entstandene Gruppe von Gelehrten vorschlug, war er sich bewusst etwas bereits Existierendes neu zu benennen, weshalb auch
421 BACON, LOCKE oder CONDILLAC zunächst ohne Weiteres als idéologistes bezeichnet werden konnten. Die Ideologen waren aus dem Kreis hervorgegangen, der sich seit 1771 im Salon der Madame HELVÉTIUS versammelt hatte und in dem unmittelbare Verbindung zu Aufklärern wie CONDILLAC, D’ALEMBERT, TURGOT und CONDORCET bestand. Zum Teil bereits wie etwa VOLNEY in den politischen Auseinanderzungen vor der Revolution auf der Seite des Tiers Etat engagiert, erwiesen sich die Ideologen nach der Desillusionierung über die Möglichkeiten der konstitutionellen Monarchie als gemäßigte Republikaner. Das Bemühen um die Fortsetzung des erkenntnistheoretischen und sprachtheoretischen Erbes der Aufklärung setzt verstärkt zu einer Zeit ein, in der sie ihren Einfluss auf die unmittelbare Gestaltung gesellschaftspolitischer Prozesse weitgehend verloren hatten. Nach dem 9. Thermidor sahen die Ideologen die Möglichkeit gekommen, über das Bildungswesen auf die Erziehung des citoyen und damit die Gestaltung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Die meisten Ideologen nahmen öffentliche Ämter ein, so unter anderem CABANIS, DAUNOU, LAKANAL, der damals noch im Umkreis der Ideologen stehende MAINE DE BIRAN, später auch DEGÉRANDO. An der Erarbeitung der Verfassung des Jahres III waren Ideologen maßgeblich beteiligt. Ein von DAUNOU ausgearbeitetes Dekret forderte die Einrichtung von Zentralschulen in allen Departements, deren Aufgabe in der Erziehung des Denkens und darauf aufbauendem verantwortungsbewusstem Handeln einschließlich der Vorbereitung auf konkrete Berufe bestehen sollte. Die Rolle der Sprachen wurde dabei instrumental und propädeutisch gesehen. Sie betreffen noch nicht die wegen ihrer Nützlichkeit vorrangigen Sachstudien, sondern die études de mots, denen jedoch eine Reihe wichtiger Aufgaben zugewiesen wird, insbesondere die Entwicklung des Gedächtnisses, die Entwicklung des Urteilsvermögens und das Verstehen der Bedeutungen der Wörter (ĺ Bedeutung). Im Mittelpunkt stand dabei neben der Mathematik die Analyse der Ideen mit Hilfe sprachlicher Zeichen (ĺ Zeichen und Idee). Diese sprachliche Steuerung des Erkennens ver-
422 sprach sowohl Gleichheit der Bildungschancen als auch Anwendbarkeit in den verschiedenen Wissenschaften, da schließlich jede von ihnen mit Zeichen operiert. Das für die Ideologen charakteristische Anliegen, Bildungsund Wissenschaftsinstitutionen zu schaffen, die eine optimale Verwirklichung des Wegs der Menschheit in die Perfektion garantieren, konnte sich der These von der Vervollkommnung des Denkens durch perfekte Zeichensysteme bedienen. Schon CONDILLAC hatte festgestellt, dass selbst nicht unbedingt geniale Menschen zumindest in der Lage seien, eine Sprache zu erlernen, die dann ihrerseits entsprechend ihrer inneren ĺ Analogie zu richtigen Schlüssen führen könne. In ihrer Auffassung von einer zentralen Stellung der Analyse mittels sprachlicher Zeichen in allen Erkenntnisprozessen setzten die Ideologen die Lehre CONDILLACs fort. Das Verhältnis von Sprache und Denken ist für die Ideologen wie für CONDILLAC durch Wechselseitigkeit gekennzeichnet. Wenn das einzige Mittel der Wahrheitsfindung nach CONDILLAC im analytischen Denken besteht, so ist dieses seinerseits auf Zeichen angewiesen. Vom Grad der Vollkommenheit der Sprachen hängt somit die Entwicklung des Denkvermögens ab (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Entsprechend dem sensualistischen, genetischen und semiotischen Wissenschaftsprogramm der Ideologen stellte sich die Geschichte des Menschengeschlechts als die seiner Selbstkonstruktion über immer bessere Zeichensysteme hin zu seiner Vervollkommnung dar. Doch selbst in der grundsätzlichen Bestimmung der Erkenntnisfunktion der Sprache kam es bei den einzelnen Ideologen zu Modifikationen, die zum Teil aus einer veränderten, vor allem durch die Beobachtung positiver Fakten orientierenden Wissenschaftsauffassung zu erklären sind. Als Faktor der Differenzierung wirkte außerdem die pädagogische Zielstellung der Ideologen, die zum Streben nach einer homogenisierten Summe der Aufklärungsphilosophie, aber auch zu selbst auferlegter pragmatischer Beschränkung unter Verzicht auf theoretische Kohärenz führte. Schließlich sind auch bewusste Veränderungen philosophischer Positionen unter den entstandenen nachrevolutionären Bedin-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken gungen in Frankreich ein möglicher Differenzierungsfaktor. Schon gegen den Sprachbegriff des Ideologen GARAT, der in den Jahren 1795 bis 1797 an der Ecole Normale Vorlesungen zur Analyse der Erkenntnisprozesse (analyse de l’entendement) gehalten hatte, waren aus dem Zuhörerkreis Einwände erhoben worden. Insbesondere der zum Zentrum der französischen Illuminaten gehörende SAINT-MARTIN brachte Argumente vor, die zwar auch aufklärerischem Denken folgten, dabei allerdings Überlegungen ROUSSEAUs aufgriffen, die in der Summenbildung durch die Ideologen eher ausgegrenzt wurden. Mit seinen Vorlesungen wollte GARAT auf der Basis der analytischen Methode CONDILLACs in das Studium der Wissenschaften einführen. Er bediente sich dabei eines zugespitzten Vergleichs des Denkens mit dem Rechnen und verwies darauf, dass beide gleichermaßen von Zeichen abhingen und durch die Vervollkommnung der Zeichensysteme verbessert werden könnten (ĺ Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Zeichen (signe) sei deshalb eine angemessenere Bezeichnung als parole oder langue, weil alle Sprachen nur zur Repräsentation unserer Ideen dienten (ĺ Zeichen und Idee). Gegen diese instrumentalistische Reduzierung der Sprache auf den Zeichenaspekt richtet sich die Kritik SAINT-MARTINs, der seinem Gegner eine vereinfachende, die institutionelle Setzung verabsolutierende Verwendung des Zeichenbegriffs vorwirft (ĺ Konvention). Dass unsere Sprachen der Ausdruck unserer Gedanken und Urteile sind, erklärt SAINT-MARTIN zur Ursache ihrer Verschiedenheit, die im Gegensatz zur Einförmigkeit der Kommunikationsformen der einzelnen nicht mit Denkvermögen ausgestatteten Tierarten steht (ĺ Universalität und Verschiedenheit). SAINT-MARTIN sieht dabei die Verschiedenheit der Sprachen keinesfalls nur als kommunikativen Reflex unterschiedlicher Denkinhalte, sondern er nimmt für Sprache und Denken eine gemeinsame Entfaltung aus einem Keim heraus an. Die Auffassung der Sprache als Poesis im Gefolge mystischen Denkens steht hier im deutlichen Gegensatz zur instrumentellen und analytischen Sprachauffassung der Ideologen.
Kognitive Funktion der Sprache Die deutlich werdenden gegensätzlichen Tendenzen in der Bewertung der Rolle der Zeichen für die Erkenntnisprozesse lassen sich als Semiotisierung und Entsemiotisierung der Wissenschaftstheorie kennzeichnen. Ausgangspunkt einer Semiotisierung der Ideologie als Metawissenschaft ist die konstitutive Rolle, die bereits CONDILLAC den sprachlichen Zeichen bei der Erklärung der höheren Denkprozesse eingeräumt hatte. Zugleich betonten gerade in diesem Punkt viele Ideologen ihre Meinungsverschiedenheit gegenüber CONDILLAC, den sie keinesfalls als chef de secte verstanden wissen wollten. Eine der dabei auffallenden Richtungen ist die vor allem von CABANIS (1802) vorgenommene Zuspitzung der sensualistischen Thesen unter physiologischem Gesichtspunkt. Ohne Zeichen gäbe es nach CABANIS kein Denken und möglicherweise sogar keine voneinander unterschiedenen Sinneswahrnehmungen. Über die Nervenbahnen würden die ungeordneten und voneinander isolierten Sinneswahrnehmungen zum Gehirn geleitet, wo sie in einem dem Verdauungsprozess vergleichbaren Vorgang verarbeitet würden. Zwar ging CABANIS von der Einheit des Menschen aus und betrachtete Physiologie, Erkenntnistheorie und Moral als drei Seiten ein und derselben Wissenschaft, seine Aussagen über wirkliche Zusammenhänge der Sprache mit anderen Erscheinungsformen des menschlichen Lebens blieben aber spekulativ. Dabei bedient er sich gerade dort des Sprachdeterminismus als Erklärung, wo eine Bezugnahme auf historische und soziale Faktoren der Ausprägung des besonderen Charakters einzelner Völker möglicherweise nicht angebracht erschien, und leitet Denk- und Verhaltensweisen, intellektuelle und politische Entwicklungsmöglichkeiten der Völker aus globalen Eigenschaften der von ihnen gesprochenen Sprachen ab (ĺ besonderer Charakter einer Sprache, ĺ Universalität und Verschiedenheit). Im Zuge der von einigen Ideologen vorgenommenen Semiotisierung der Wissenschaftstheorie kam es zu einer Veränderung der Blickrichtung im Vergleich zur sensualistischen Sprachtheorie CONDILLACs. War dieser davon ausgegangen, dass sich alle menschlichen Fähigkeiten aus den Sinneswahrnehmungen mit Hilfe der sprachlichen Zeichen entwickeln, so
423 gibt es nach DESTUTT DE TRACY nur die Fähigkeit des Wahrnehmens, die verschiedene Inhalte haben kann: die Sinneswahrnehmungen selbst (sensations), die Erinnerung an sie (mémoire), die Beziehungen zwischen ihnen (jugement) und die menschliche Willenskraft (volonté). Die erkenntnistheoretische Problematik der Rolle der Zeichen bei der Umwandlung von Sinneswahrnehmungen wird somit bei DESTUTT DE TRACY in die semantische Fragestellung nach der Natur der durch sprachliche Zeichen bezeichneten Inhalte überführt. In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts hatten sich außerdem einige praktische Anstöße ergeben, zeichentheoretische Fragen neu zu durchdenken. Die Wissenschaftssprache der Chemie war ein wichtiger Grund dafür, dass die Beschreibung des Einflusses der Zeichen auf die Ideenbildung in der Preisaufgabe des Institut National 1797 ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Fortschritt der Wissenschaften thematisiert wurde. Zu verarbeiten waren auch Vorschläge zu einer Universalschrift (ĺ Universalsprache) und die Ergebnisse des Taubstummenunterrichts (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell), aus denen die Ideologen vor allem die Frage nach der Natur der für den Erkenntnisprozess notwendigen Zeichen ableiteten, womit sie die in der Aufklärung diskutierte Problematik der Kompensation nicht vorhandener Wahrnehmungsbereiche auf ihre Weise semiotisierten. Als außerdem der Ideologe LAROMIGUIERE 1798 CONDILLACs unvollendetes Werk über die Sprache des Rechnens veröffentlichte, gab vor allem die Bestimmung der Wissenschaft als einer wohlgeformten Sprache (langue bien faite) Anlass für ausdrückliche Stellungnahmen der Ideologen. Der These CONDILLACs, dass man mit der Verbesserung der Sprachen beginnen müsse, um die Wissenschaften zu vervollkommnen, begegneten einige Ideologen mit Argumenten, die eine Entsemiotisierung der Wissenschaftsauffassung zum Ausdruck bringen. So hatte PRÉVOST betont, dass die Beobachtung kaum von der Sprache abhinge und es schließlich für eine Wissenschaft nicht genüge, eine Nomenklatur aufzubauen. DESTUTT DE TRACY, der im ersten Band der Elements d’idéologie wie CONDILLAC die Sprache der Alge-
424 bra mit ihrer vollkommenen ĺ Analogie als Beispiel für eine Wissenschaftssprache behandelt hatte, fügte 1805 eine längere Anmerkung hinzu, mit der er offensichtlich der kritischen Diskussion unter den Ideologen Rechnung trug. Die Sprache bestimmt nicht die Erkenntnismöglichkeiten der Sprecher, nicht die Wörter rühren zu den Dingen, sondern nur im Zusammenhang mit der Entwicklung wissenschaftsimmanenter Erkenntnismittel kann die Sprache vervollkommnet werden und somit Erkenntnisprozesse positiv beeinflussen. Am Beispiel der oft erwähnten Zahlen stellt schließlich DEGÉRANDO in seiner Preisschrift fest, dass unterentwickelte Zeichen keine Behinderung des Denkens darstellen, sondern vielmehr Ausdruck des fehlenden Bedürfnisses sind, den damit bezeichneten Erkenntnisbereichen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Tendenz zur Aufwertung einer inneren, von der physischen Organisation des Körpers und den Sinneswahrnehmungen weitgehend freien Aktivität des Menschen wird noch konsequenter von MAINE DE BIRAN fortgesetzt, der einem ‘inneren Zeichen’ (signe intérieur), das er als nicht näher bestimmte Erscheinungsform der Willenskraft deutet, die Fähigkeit zuspricht, Sinneswahrnehmungen zu Ideen zu verarbeiten (ĺ Zeichen und Idee). Damit kehrt er zwar von der semiotischen Betrachtungsweise der Ideologen zur erkenntnistheoretischen Fragestellung CONDILLACs zurück, deutet jedoch die sensualistische Sprachtheorie in ihrem zentralen Punkt um.
IV. Die kognitive Funktion war aus dem 18. Jahrhundert vor allem in Gestalt der Interaktionstheorie von Sprache und Denken und der insbesondere durch CONDILLAC formulierten konstitutiven Funktion der Sprache überliefert worden. Um die Jahrhundertwende trat mit der verstärkten Rezeption KANTs eine Neuorientierung im sprachtheoretischen Denken ein, die sich auch auf die Bestimmung der kognitiven Funktion der Sprache auswirkte. Die Herausforderung KANTs auf sprachtheoretischem Gebiet konnte auf drei verschiedenen Wegen angenommen werden. Einer davon bestand in dem Versuch, die allgemeine ĺ Grammatik auf der Grundlage der transzendentalen Logik KANTs umzugestalten (z. B. REINHOLD, BERNHARDI). Angesichts
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken der zunehmenden empirischen Sprachvergleiche hatte jedoch eine a priori vorgehende allgemeine Grammatik wenig Erfolgsaussichten (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Der zweite, von HUMBOLDT gewählte Weg führte nicht zu einer instrumentellen, sondern zur schöpferisch-energetischen Auffassung der Sprache und ihrer Rolle für das Denken als transzendentales Element. Der dritte, von HERDER vorgezeichnete und auch einigen Ideologen nahe liegende Weg beruht darauf, dass neben dem Arbiträren in der Sprache (ĺ Arbitrarität) etwas angenommen wird, das auf der physischen Konstitution des Menschen beruht und von daher eine Vermittlung zwischen Sprache und Wirklichkeit herstellt. Der gegen CONDILLAC erhobene Vorwurf, seine Erklärung der höheren Denkprozesse als auf der Basis arbiträrer Zeichen (ĺ Arbitrarität) umgewandelte Sinnesempfindungen leiste dem Materialismus Vorschub, wurde häufig mit einer Distanzierung von dieser konsequenten Form des Sensualismus beantwortet. CONDILLAC habe sämtliche Funktionen der Seele auf rein mechanische Weise auf die ihnen zugrunde liegenden Empfindungen zurückgeführt und so die Persönlichkeit des Menschen verneint. In diesem Zusammenhang entstand die retrospektive, zunächst pejorativ konnotierte Bezeichnung sensualisme. Die kognitive Funktion der Sprache wurde auch in HUMBOLDTs Lehre von der sprachlichen Weltansicht wichtig, die von zahlreichen modernen Vertretern des sprachlichen Relativismus aufgegriffen wurde (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Im 20. Jahrhundert wurde der kognitiven Funktion der Sprache im Rahmen psychologischer und psycholinguistischer Theorien verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. PIAGET, BRUNER und WYGOTSKI haben sich ausführlich mit den Problemen der kognitiven Entwicklung beschäftigt. Wie PIAGET, BRUNER und WYGOTSKI einhellig feststellen, verändert sich die kognitive Entwicklung, sobald der Sprachlernprozess beginnt (ĺ Spracherwerb). Dabei hielten sie an der Auffassung fest, dass die Entwicklung dieses hochkomplizierten Systems von Symbolen überhaupt erst jene komplexen logischen Denkprozesse ermöglicht, die allein vom Menschen geleistet werden können. Durch Experimente wur-
Kognitive Funktion der Sprache de die Tatsache deutlich, dass noch lange, nachdem sich ein Kind die für soziale Kommunikation erforderlichen Fertigkeiten angeeignet hat, die Weise, wie diese sprachlichen Fertigkeiten andere Aspekte des kognitiven Lebens modifizieren und kontrollieren, wesentlichen Änderungen unterworfen ist. Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass die kognitive Entwicklung von der Ausbildung eines internen Speicher- und Informationsverarbeitungssystems abhängt, mit dem die Wirklichkeit dargestellt werden kann. Dieses System muss dabei nicht mit der menschlichen Lautsprache identifiziert werden (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Dadurch, dass Kinder sich ein Symbolsystem aneignen, das die Welt repräsentiert, können sie Voraussagen treffen, extrapolieren, Hypothesen über neuartige Ergebnisse aufstellen usw. Um über unmittelbare Sinneseindrücke und Erfahrungen hinausgehen zu können, ist eine mentale Repräsentation der Welt erforderlich. Diese kann verbal, visuell, mathematisch oder musikalisch sein. Als Schlüssel zur kognitiven Entwicklung wird jedoch nach wie vor die Sprache angesehen. Dabei wird häufig auch die kommunikative Funktion der Sprache einbezogen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Über die Sprache kommunizieren andere mit uns, teilen sie uns ihre Auffassung der Welt mit. Neben dieser das gesellschaftliche Wissen vermittelnden Funktion wird jedoch auch die Tatsache als von größter Bedeutung angesehen, dass wir mit zunehmendem Alter lernen, die Sprache dazu zu gebrauchen, eine Vermittlung zwischen den Ereignissen in unserer Welt herzustellen. V. AARSLEFF, Hans (1977): “Guillaume de Humboldt et la pensée linguistique des idéologues”. La grammaire générale des modistes aux idéologues. Prés. A. JOLY / J. STÉFANINI. Lille: Presses Universitaires de Lille, 217– 241. í AUROUX, Sylvain / WIEGAND, Herbert Ernst / UNGEHEUER, Gerold (2006): Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft = Handbooks of linguistics and communication science. Mitbegr. von Gerold UNGEHEUER. Hrsg. Herbert Ernst WIEGAND. Bd. 18: History of the language sciences : an international handbook on the evolution of the study of language from the beginnings to
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Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache I. Lat. Homines societatis vinculum, Lin-
guam; dt. Gedancken, welche sie vermittelst die Geselligkeit täglich excoliren müßen, einander zu communiciren; engl. language, the great instrument and common tie of society; frz. la parole étant le premier & le plus necessaire des liens de cette societé; le vray lien de cette societé, c’est la communication des pensées; plus de communication, plus de societé; le langage est le lieu nécessaire & fondamental de la société.
II. (SANCTIUS [1587] 1986: 10a): Creavit Deus hominem rationis participem, cui, quia sociabilem esse voluit, magno pro munere dedit sermonem. (DURET [1613] 1972: 18): […] l’vne animee de viue voix, procedãt de l’estomac par la langue en mots articulés & disctincts; & l’autre, assauoir l’escriture, qui fait l’office de la parole, comme muette, & taisible, separee à part hors de nous, dont la main en est l’instru-
ment: toutes deux seruants d’exprimer les interieurs conceptions de nostre ame, d’ou depӁd le nœud & lieu principal de la societé humaine qui ne sçauroit cõseruer sans vne police bien ordonnee, ne la police s’establir sinon par le moyen de la raison, laquelle nonobstant que dame & maistresse de toutes choses, sans le benefice de la parole qui la iette de puissance en action, ne pourroit sortir ses effects, ains demeureroit comme inutilment enscuelie à part soy dans l’estomac des personnes. Mais encores l’vne & l’autre que seroyent elles sans le secours de l’escriture, leur commune coadiutrice, qui ne se peut restreindre d’aucunes bornes qu’elle ne s’entende par tout, peu de choses certes, selon qu’on peut voir és sauuages des Indes Occidentales, si barbares, inciuils, bestiaux, estans priués de son vsage. (COMENIUS [1648] 1978: 21–22): 6. Tertiò: Sermonem inter plures esse. Sibi enim ipsi
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache aliqvis, qvum suos intra semet conceptus immediatè videat, cur loqvatur? prorsus ut epistolam ad seipsum scribere, & sibi ipsi qvod qvis videt ostendere, nemo opus habet; ita nec loqvi sibi ipsi. Hinc est, quòd si aliqvem secum ipso loqventem videamus, aut insanire eum, aut esse animô perturbatô, colligimus. Sed & tùm pluralitas! Delirans enim somniat se alicui colloqvi: turbatus autem verè intra se divisus est, Ratione Affectum alloqvente, aut contrà: ut Psalmo XLII.6.7. (COMENIUS [1648] 1978: 22): 7. Quartò: Sermonem esse vitae humanae prorsus necessarium. Qvippe DEUS in Mundo non Hominem, sed Homines, esse voluit: eôque societatis addidit vinculum, Lingvam. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 31–32): […] i’ay dit seulement que parler estoit donner des signes de sa pensée: mais puis que le peu de reflexion que i’ay faite sur ces signes m’a déja découvert une verité si importante, & que d’ailleurs ie voy que ces mesmes signes sont le seul moyen d’entretenir entre les hommes la societé qui est le plus grand de tous leurs biens en ce monde […]. (LOCKE [1690] 1894: III, I, 3): God, having designed man for a sociable creature, made him not only with an inclination, and under a necessity to have fellowship with those of his own kind, but furnished him also with language, which was to be the great instrument and common tie of society. (LOCKE [1690] 1894: III, II, 8): Words are sensible Signs, necessary for Communication of Ideas. Man, though he have great variety of thoughts, and such from which others as well as himself might receive profit and delight; yet they are all within his own breast, invisible and hidden from others, nor can of themselves be made to appear. The comfort and advantage of society not being to be had without communication of thoughts, it was necessary that man should find out some external sensible signs, whereof those invisible ideas, which his thoughts are made up of, might be made known to others. For this purpose nothing was so fit, either for plenty or quickness, as those articulate sounds, which with so much ease and variety he found himself able to make. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 29–30): NOUS n’avons pas besoin nous autres Chré-
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tiens de grandes recherches pour trouver l’origine de toutes les langues; assurez que nous sommes que Dieu avoit créé l’homme avec toutes les perfections qui appartiennent à sa nature; nous ne devons pas douter que l’homme n’eust reçû de Dieu le don de la parole, & la parole même au moment de sa création: car si nous ne pouvons pas douter qu’il ne fust créé pour la societé, la parole étant le premier & le plus necessaire des liens de cette societé, il devoit avoir la faculté de parler dés le moment qu’il fût formé. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 33–34): Comme l’homme est un estre composé d’esprit & de corps, il doit aussi avoir le pouvoir de donner un corps à toutes ses pensées; & qu’ainsi la faculté de la parole est un des appanages de sa nature; qu’enfin étant né pour la societé, il doit toûjours estre en état de lier cette societé. Or le vray lien de cette societé, c’est la communication des pensées. C’est ce qui fait qu’un homme a tant de peine à garder le secret, & à vivre dans la solitude; que Ciceron dit quelque part dans ses Offices, que quand un homme seroit abondamment pourvû de tout ce qui est necessaire à la vie, il ne se contenteroit pas de la contemplation, il chercheroit avec qui parler. Socium sui studii quarens, tum docere, tum discere vellet; tum audire, tum dicere. Il est si vray, que la nature ne sert de rien sans la parole pour former la societé, qu’il n’y a rien qui divise plus les hommes que la diversité des langues, comme le dit saint Augustin dans les livres de la Cité de Dieu. Si deux hommes qui ne s’entr’entendent point parler se rencontrent (dit ce Pere) & qu’ils soient obligez de demeurer ensemble; deux animaux, même d’espece différente, s’associeront plûtost que ces deux voyageurs, quelque ressemblance de nature qu’il y ait entr’eux; & un homme aimera mieux estre avec son chien, qu’avec un étranger dont il n’entendra point la langue. En effet, c’est la diversité des langues qui rend les hommes barbares les uns aux autres, & incapables de s’entr’assister. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 56–57): Ce ne fut donc que pour punir leur orgueil & leur revolte contre Dieu que Dieu les rendit barbares les uns aux autres, en confondant leur langage; c’est-à-dire, en multipliant leurs langues, ensorte qu’ils ne s’entr’entendissent plus les uns les autres.
428 Il ne faut pourtant pas croire que chaque homme parlât une langue particuliere. On fixe le nombre de ces langues ordinairement à soixante-douze, à peu prés selon le nombre des familles principales, qui composoient alors tout le genre humain: de sorte que chaque famille commença alors d’avoir sa langue particuliere; mais à l’égard de ce nombre chacun peut suivre ses conjectures. Ce fut cette diversité de langage qui empêcha ces hommes de continuer leur superbe dessein, & les obligea de se separer les uns des autres, & de s’en aller chacun de son costé habiter de differens païs: ainsi se peupla la terre. Ce fut donc à la Tour de Babel que les hommes devinrent barbares; c’est-à-dire, comme inconnus & étrangers les uns aux autres, & incapables de se secourir mutuellement faute de s’entendre, comme le marque l’Apostre par ces termes. (BOUGEANT 1739: 68–69): Reprenons l’exemple d’un peuple muet, & supposons que déja privés de la parole, la nature leur a même refusé tout moyen de se faire entendre les uns aux autres: quel usage pourroient-ils faire de leur connoissance & leur esprit? Il est évident que ne pouvant ni entendre, ni être entendus, ils ne pourroient ni donner aucun secours à la societé, ni en recevoir. Loin de s’entraider, ils seroient nécessairement dans une opposition continuelle. La défiance seroit générale. Les injures, la haine & la vengeance romproient tous les principes d’union, & bien-tôt changés en Bêtes feroces, on les verroit ne songer qu’à se détruire. En un mot plus de communication, plus de societé. (BOUGEANT 1739: 73–74): Rappellez vous, Mad.… ce qui est dit de la Tour de Babel. Le moyen que Dieu employa pour faire échoüer ce projet insensé, moyen sûr & infaillible, fut la confusion des langues. Les Ouvriers ayans tout à coup oublié la langue commune qu’ils parloient auparavant, & ne pouvant plus s’entendre les uns les autres, ne pûrent plus agir de concert, & furent obligés d’abandonner leur entreprise. C’est ce qui arrivera à toute societé qui ne s’entendra pas. Mettez ensemble trente personnes qui parleront chacune une langue différent, & vous verrez bientôt naître parmi elle, le desordre & la confusion. (BOUGEANT 1739: 83): En un mot la nécessité d’un langage entre un mari & une femme
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken pour vivre en menage est la même que pour une societé. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, 1–3): Adam et Ève ne durent pas à l’expérience l’exercice des opérations de leur ame; et, en sortant des mains de Dieu, ils furent, par un secours extraordinaire, en état de réfléchir et de se communiquer leurs pensées. Mais je suppose que quelque temps après le déluge, deux enfans de l’un et de l’autre sexe ayent été égarés dans des déserts, avant qu’ils connussent l’usage d’aucun signe. J’y suis autorisé par le fait que j’ai rapporté. Qui sçait même s’il n’y a pas quelque peuple qui ne doive son origine qu’à un pareil événement? Qu’on me permette d’en faire la supposition; la question est de sçavoir comment cette nation naissante s’est fait une langue. (LA METTRIE 1748: 30–31): […] si on exerçoit parfaitement cet Animal, qu’on ne vînt enfin à bout de lui apprendre à prononcer, & par conséquent, à savoir une langue. Alors ce ne seroit plus ni un Homme Sauvage, ni un Homme manqué: ce seroit un Homme parfait, un petit Homme de Ville, avec autant d’étoffe ou de muscles que nous mêmes, pour penser & profiter de son éducation. DES Animaux, à l’Homme, la transition n’est pas violente; les vrais Philosophes en conviendront. Qu’étoit l’Homme, avant l’invention des Mots & la connoissance des Langues? Un Animal de son espèce, qui avec beaucoup moins d’instinct naturel, que les autres, dont alors il ne se croioit pas Roi, n’étoit distingué du Singe & des autres Animaux, que comme le Singe l’est lui-même; je veux dire par une physionomie qui annonçoit plus de discernement. Réduit à la seule connoissance intuitive des Leibnitiens, il ne voioit que des Figures & des couleurs, sans pouvoir rien distinguer entr’elles; vieux, comme jeune, Enfant à tout âge, il bégaioit ses sensations & ses besoins, comme un chien affamé, ou ennuié du repos, demande à manger, ou à se promener. (ROUSSEAU 1755: 31–33): QU’IL me soit permis de considérer un instant les embarras de l’origine des langues. Je pourrois me contenter de citer ou de répéter ici les recherches que Mr. l’Abbé de Condillac a faites sur cette matière, qui toutes confirment pleinement mon sentiment, & qui, peut-être, m’en ont donné la première idée. Mais la manière dont ce
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache Philosophe résout les difficultés qu’il se fait à lui-même sur l’origine des signes institués, montrant qu’il a supposé ce que je mets en question, savoir une sorte de société déja établie entre les inventeurs du langage, je crois en renvoyant à ses réflexions devoir y joindre les miennes pour exposer les mêmes difficultés dans le jour qui convient à mon sujet. La première qui se présente est d’imaginer comment elles purent devenir nécessaires; car les Hommes n’ayant nulle correspondance entre eux, ni aucun besoin d’en avoir, on ne conçoit ni la nécessité de cette invention, ni sa possibilité, si elle ne fut pas indispensable. Je dirois bien, comme beaucoup d’autres, que les Langues sont nées dans le commerce domestique des Peres, des Meres, & des Enfans: mais outre que cela ne résoudroit point les objections, ce seroit commettre la faute de ceux qui raisonnant sur l’Etat de Nature, y transportent les idées prises dans la Société, voient toujours la famille rassemblée dans une même habitation, & ses membres gardant entre eux une union aussi intime & aussi permanente que parmi nous, où tant d’intérêts communs les réunissent; au lieu que dans cet état primitif, n’ayant ni Maison, ni Cabanes, ni propriété d’aucune espèce, chacun se logeoit au hazard, & souvent pour une seule nuit; les mâles, & les femelles s’unissoient fortuitement selon la rencontre, l’occasion, & le désir, sans que la parole fût un interprête fort nécessaire des choses qu’ils avoient à se dire: Ils se quittoient avec la même facilité; La Mere allaitoit d’abord ses Enfans pour son propre besoin; puis l’habitude les lui ayant rendus chers, elle les nourrissoit ensuite pour le leur; sitôt qu’ils avoient la force de chercher leur pâture, ils ne tardoient pas à quitter la Mere elle-même; Et comme il n’y avoit presque point d’autre moyen de se retrouver que de ne pas se perdre de vûe, ils en étoient bientôt au point de ne pas même se reconnoître les uns les autres. (ROUSSEAU 1755: 34–35): Franchissons pour un moment l’espace immense qui dut se trouver entre le pur état de Nature & le besoin des Langues; & cherchons, en les supposant nécessaires, comment elles purent commencer à s’établir. Nouvelle difficulté pire encore que la précédente; car si les Hommes ont eu besoin de la parole pour apprendre à penser, ils
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ont eu bien plus besoin encore de savoir penser pour trouver l’art de la parole; & quand on comprendroit comment les sons de la voix ont été pris pour les interprètes conventionnels de nos idées, il resteroit toûjours à sçavoir quels ont pû être les interprétes mêmes de cette convention pour les idées qui n’ayant point un objet sensible, ne pouvoient s’indiquer ni par le geste, ni par la voix, de sorte qu’à peine put-on former des conjectures supportables sur la naissance de cet Art de communiquer ses pensées, & d’établir un commerce entre les Esprits: Art sublime qui est déja si loin de son Origine […]. (ROUSSEAU 1755: 35–37): LE premier langage de l’homme, le langage le plus universel, le plus énergique, & le seul dont il eut besoin, avant qu’il fallût persuader des hommes assemblés, est le cri de la nature. Comme ce cri n’étoit arraché que par une sorte d’instinct dans les occasions pressantes, pour implorer du secours dans les grands dangers, ou du soulagement dans les maux violens, il n’étoit pas d’un grand usage dans le cours ordinaire de la vie, où regnent des sentimens plus modérés. Quand les idées des hommes commencérent à s’étendre & à se multiplier, & qu’il s’établit entre eux une communication plus étroite, ils cherchérent des signes plus nombreux & un langage plus étendu: Ils multipliérent les inflexions de la voix, & y joignirent les gestes, qui, par leur nature, sont plus expressifs, & dont le sens depend moins d’une détermination antérieure. Ils exprimoient donc les objets visibles & mobiles par des gestes, & ceux qui frappent l’ouye, par des sons imitatifs: mais comme le geste n’indique guères que les objets présens, ou faciles à décrire, & les actions visibles; qu’il n’est pas d’un usage universel, puisque l’obscurité, ou l’interposition d’un corps le rendent inutile, & qu’il exige l’attention plutôt qu’il ne l’excite, on s’avisa enfin de lui substituer les articulations de la voix, qui, sans avoir le même rapport avec certaines idées, sont plus propres à les représenter toutes, comme signes institués; substitution qui ne put se faire que d’un commun consentement, & d’une manière assez difficile à pratiquer pour des hommes dont les organes grossiers n’avoient encore aucun exercice, & plus difficile encore à concevoir en elle-même, puisque cet accord unanime dut être
430 motivé, & que la parole paroît avoir été fort nécessaire, pour établir l’usage de la parole. (ROUSSEAU 1755: 70): Quant à moi, effrayé des difficultés qui se multiplient, et convaincu de l’impossibilité presque démontrée que les langues aient pu naître et s’établir par des moyens purement humains, je laisse à qui voudra l’entreprendre la discussion de ce difficile problème, lequel a été le plus nécessaire, de la société déjà liée, à l’institution des langues, ou des langues déjà inventées, à l’établissement de la société. (ROUSSEAU 1755: 75–76): […] et l’on peut conjecturer encore comment diverses causes particulières purent étendre le langage, et en accélerer le progrès en le rendant plus nécessaire. De grandes inondations ou des tremblements de terre environnèrent d’eaux ou de précipices des cantons habités; des révolutions du globe détachèrent et coupèrent en îles des portions du continent. On conçoit qu’entre des hommes ainsi rapprochés et forcés de vivre ensemble, il dut se former un idiome commun plutôt qu’entre ceux qui erraient librement dans les forêts de la terre ferme. (PRIESTLEY [1762] 1971: 10–11): THE kind author of nature hath given to every animal that is capable of any kind of society, a power of communicating his sensations and apprehensions, at least, to every other animal he is connected with: and this power is more or less extensive in proportion as the animal is fitted for a more perfect or imperfect state of society. An animal that hath little connection with, or dependance upon any others, either of his own or a different species, as he hath little to communicate, hath a power of communication proportionably small: but when the connections of any animal are more numerous, and the dispositions and actions of others are of more consequence to him, it is requisite that, for his own advantage, he be furnished with a greater power of affecting them, by communicating his own ideas, apprehensions, and inclinations to them. (LOMONOSOV 1764: 2): Auf ebendergleichen Weise würden wir Menschen, wo nicht ein jedes Glied unserer Gesellschaft seine Empfindungen und Begriffe andern zu erklären im Stande wäre, im gemeinen Wesen, nicht nur keine gemeinschafftliche und übereinstimmende Handlungen, die durch Vereinigung
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken vieler und verschiedener Gedancken entstehen müßen, verrichten können, sondern wir selbst würden vielleicht armseeliger und elender daran seyn, als die wilden Thiere, die in Wäldern und Wüsten herumirren. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 252): Mais suivons le simple raisonnement. Une langue est, sans contredit, la totalité des usages propres à une nation pour exprimer les pensées par la voix; & cette expression est le véhicule de la communication des pensées. Ainsi toute langue suppose une société préexistente, qui, comme société, aura eu besoin de cette communication, & qui, par des actes déja réitérés, aura fondé les usages qui constituent le corps de sa langue. D’autre part une société formée par les moyens humains que nous pouvons connoître, présuppose un moyen de communication pour fixer d’abord les devoirs respectifs des associés, & ensuite pour les mettre en état de les exiger les uns des autres. Que suit-il de-là? que si l’on s’obstine à vouloir fonder la premiere langue & la premiere société par des voies humaines, il faut admettre l’éternité du monde & des générations humaines, & renoncer par conséquent à une premiere société & à une premiere langue proprement dites: sentiment absurde en soi, puisqu’il implique contradiction, & démenti d’ailleurs par la droite raison, & par la foule accablante des temoignages de toute espece qui certifient la nouveauté du monde: Nulla igitur in principio facta est ejusmodi congregatio, nec unquam fuisse homines in terrâ qui propter infantiam non loquerentur, intelliget, cui ratio non deest. Lactance. De vero cultu. cap. x. C’est que si les hommes commencent par exister sans parler, jamais ils ne parleront. Quand on sait quelques langues, on pourroit aisément en inventer une autre: mais si l’on n’en sait aucune, on n’en saura jamais, à moins qu’on n’entende parler quelqu’un. L’organe de la parole est un instrument qui demeure oisif & inutile, s’il n’est mis en jeu par les impressions de l’ouie; personne n’ignore que c’est la surdité originelle qui tient dans l’inaction la bouche des muets de naissance; & l’on sait par plus d’une expérience bien constatée, que des hommes élevés par accident loin du commerce de leurs semblables & dans le silence des forêts, n’y avoient appris à prononcer
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache aucun son articulé, qu’ils imitoient seulement les cris naturels des animaux avec lesquels ils s’étoient trouvés en liaison, & que transplantés dans notre société, ils avoient eu bien de la peine à imiter le langage qu’ils entendoient, & ne l’avoient jamais fait que très-imparfaitement. Voyez les notes sur le discours de M. J. J. Rousseau sur l’origine & les fondemens de l’inégalité parmi les hommes. Herodote raconte qu’un roi d’Egypte fit élever deux enfans ensemble, mais dans le silence; qu’une chevre fut leur nourrice; qu’au bout de deux ans ils tendirent la main à celui qui étoit chargé de cette éducation expérimentale, & lui dirent beccos, & que le roi ayant su que bek en langue phrygienne signifie pain, il en conclut que le langage phrygien étoit naturel, & que les Phrygiens étoient les plus anciens peuples du monde, lib. II. cap. ij. Les Egyptiens ne renoncerent pas à leurs prétentions d’ancienneté, malgré cette décision de leur prince, & ils firent bien: il est évident que ces enfans parloient comme la chevre leur nourrice, que les Grecs nomment ȕȒțț par onomatopée ou imitation du cri de cet animal, & ce cri ne ressemble que par hasard au bek, (pain) des Phrygiens. Si la conséquence que le roi d’Egypte tira de cette observation, en étoit mal déduite, elle étoit encore vicieuse par la supposition d’un principe erronné qui consistoit à croire qu’il y eût une langue naturelle à l’homme. C’est la pensée de ceux qui effrayés des difficultés du systême que l’on vient d’examiner sur l’origine des langues, ont cru ne devoir pas prononcer que la premiere vînt miraculeusement de l’inspiration de Dieu même. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE 1765: XVII, 517): […] le langage est le lien nécessaire & fondamental de la société, qui n’auroit, sans ce moyen admirable de communication, aucune consistance durable, ni aucun avantage réel. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 120): Nachdem er [Rousseau] andere Schwierigkeiten erwehnet, so beschliesset er seine Gedanken also: “Was mich betrift, so haben mich die überhäuften Schwierigkeiten so sehr abgeschreckt und ich bin von der fast erwiesenen Unmöglichkeit, daß die Sprachen jemahls durch blos menschliche Kräfte solten haben entstehen können, so sehr überzeuget, daß ich einem jeden, der
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es versuchen will, die Auflösung dieser schweren Aufgabe überlasse; ob eine bereits gestiftete Gesellschaft nothwendiger zu der Einführung der Sprache oder die Erfindung der Sprache nothwendiger zu der Stiftung der Gesellschaft erfordert werde.” (RADONVILLIERS 1768: 17–22): Une certaine rougeur dans les yeux & sur le visage, signifie la colère, parce que l’ame ainsi agitée communique nécesairement cette couleur au corps qui dépend d’elle; mais le mot IRA signifie la colère, parceque ceux qui ont parlé latin les premiers, ont sont convenus entr’eux. Ce son IRA, par lui-même, n’a pas un rapport plus marqué à un homme en colère qu’à un homme tranquille. Les sons même imitatifs, qui paraissennt avoir une liaison plus naturelle avec les objets, n’on pu leur être appliqués qu’en vertu d’un accord arbitraire. Sans cet accord, la plupart eussent été équivoques, parceque le même son imite différens objets, & que le même objet considéré sous plusieurs aspects, peut être imité par sons différens. De ce principe suivent plusieurs consequences à l’avantage de la langue naturelle: 1. Elle est la plus véridique, & celle à laquelle nous avons le plus de confiance. 2. Elle est la plus pathétique, ou pour mieux dire, la seule pathétique. La langue naturelle est plus répandue que toutes les autres. Je viens à l’étendue de la Langue naturelle. Ne soyons pas surpris qu’elle soit commune à tous les hommes; elle est le lien de leur société. Car tout homme est en sociéte avec les autres hommes, Un même principe, une même nature, une même fin & des inclinations sociales, le prouvent assez. ([MAYET 1771] I-M-664: 9–10): Le celèbre citoyen de Genève, qui a tant dépensé de génie et d’éloquence pour nous prouver que l’état de societé n’étoit point naturel à l’homme, auroit, ce me semble, mieux réussi à nous convaincre que cet état est une suite presque nécessaire des dispositions que la nature a mises en nous. […] c’est une contradiction, dans les termes, de dire: l’état de societé entre les hommes est un état contre nature; et cependant les hommes sont réunis en sociétés.
432 (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 9): Or afin que l’un parle et que l’autre écoute, il faut qu’ils ayent un intéret reciproque pour le faire, quelque peu considérable qu’il soit, et tout intéret réciproque suppose une société. On parle & on écoute souvent par amusement, et par complaisance; mais l’amusement & la complaisance même sont une espèce d’interet. Un homme cherche la conversation pour ne pas être à charge à lui-même dans la solitude, il a donc un interet qui consiste à éviter l’ennui et la réflexion (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-680: 16– 17): Nun komt es darauf an, ob ich meinem Versprechen, das ich dieser Abhandlung an die Stirne geschrieben, ein Genüge thun werde, oder nicht. Würde wohl aus dem undeutlichen Laute dieses meines Einsiedlers auf der Insel mit der Zeit eine förmliche Sprache werden? nimmermehr. Wenn er keiner Menschen könte habhaft werden, würde seine Stimme auf immer was thierisches, das mit keiner Sprache gar nicht zu vergleichen, an sich haben. Man bedencke doch, wo solte er wohl eine deutliche Sprache herkriegen? die Möglichkeit eine Sprache zu reden, wohnt ihm wohl bey, aber nicht die Sprache selbsten. Die Seele macht sich ordentlicher Weise keine andere Begriffe, als die welche sie durch die Sinne erlangt. Selbsten die abgezogenen denckt sie sich unter sinnlichen Bildern. Wenn allso dieser Insulaner keinen Menschen um sich hätte, so würde seine Seele nur allein von den unverständlichen Tönen der Thiere angefüllet seyn, die sein Gehör erschütterten. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 2): Ein Mensch, der von seiner Geburt an außer aller Gemeinschaft mit Menschen gelebt, wird seine Tage keine Sprache bilden können. Ob er schon Kräfte dazu hat, so weiß er doch nicht, daß er die habe. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 3): Das Mittel, wodurch die Menschen, welche noch keine Sprache haben, auf dero Erfindung kommen sollen, ist demnach die Socialité oder Umgang mit Andern ihrer gleichen. Durch dieses Mittel werden die Kräften der Seele excolirt, und je mehr diese cultivirt werden, desto leichter wird sich auch Gelegenheit finden laßen, Sprachen zu erfinden.
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 3–4): Wir wollen uns also ein kleine Gesellschaft der Menschen vorstellen, welche von gar keiner Sprache wißen, aber mit eben denjenigen Kräften der Seele, wie wir versehen sind. Sie mag nun aus 4 oder 6 oder auch nur 2 Personen bestehen: (nur wollte ich gerne, daß unter diesen so wohl Weibs- als Mans-bilder sich befänden). Diese gesellen sich zusammen, weil sie zur Geselligkeit von der Natur geneiget sind, und weil sie merken, daß sie von einem Geschlechte sind. Sie spielen mit einander, und suchen ins gemein sich alles dasjenige zu Nutzen zu machen, was die Natur an die Hand giebt. Hiedurch bekommen sie immer neue Gelegenheiten, etwas neues zu entdecken, welches zu ihrer Bequemlichkeit gehöret. Indeßen gerathen sie in Affecten, welche sie durch verschiedene Töne zu erkennen geben. Sie weinen, sie lachen, sie murren, sie singen; und endlich versuchen sie die Tönen der Thieren und anderer Dingen ihren Laut nach zu ahmen. Sie mögen denn auch wohl mercken können, daß sie eine vocem articulatam haben; Allein sie werden doch von sicht selbst nicht so leicht auf diesen Versuch kommen, wo sie nicht von einem innerlichen Trieb gleichsam gedrungen wären, die Gedancken, welche sie vermittelst die Geselligkeit täglich excoliren müßen, einander zu communiciren. Auf solche Art wird der Grund einer Sprache geleget. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 9): Sie werden (ich meine Sprachlose beysammen wohnende Menschen) von gesellschaftlichen geschwätzigen Trieben und von Affecten gleichsam aus ihrem Schlafe gebracht. Sie wollen, sie müßen ihre Gedancken einander an die Hand geben; und dieser Trieb, diese große Begierde, sonderlich aber die heftigen Affecten, als Liebe, Furcht, Zorn würden Töne hervorbringen, die von ihrem ersten Gebrauch die Bedeutungen beybehielten. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 16): Die Menschen sind von der Natur zur Geselligkeit gebohren. Durch die Geselligkeit und den Umgang mit Andern Ihres gleichen, lernen sie sich, (wie ich oben schon erinnert,) reflexions zu machen, zu gedencken, und vernünftig zu werden. So bald ich mir also eine Gesellschaft der Menschen vorstelle, so muß ich zugleich gedencken, daß sie mit einander
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache umgehen, und daß sie dann gleichsam von einander angereitzet werden ihre Vernunft zu excoliren und immer mehr polirt zu werden. (HERDER [1772] 1978a: 92): Das war gleichsam der letzte mütterliche Druck der bildenden Hand der Natur, daß sie allen das Gesetz auf die Welt mitgab: “Empfinde nicht für dich allein, sondern dein Gefühl töne!” (HERDER [1772] 1978a: 101): Kein Bedacht, keine Überlegung, das bloße Naturgesetz lag zum Grunde: Ton der Empfindung soll das sympathetische Geschöpf in denselben Ton versetzen! (HERDER [1772] 1978a: 179–180): Rousseau, der hier wie gewöhnlich nach seiner Art aufruft: “Was hatte denn die Mutter ihrem Kinde viel zu sagen? Hatte das Kind nicht seiner Mutter mehr zu sagen? Woher lernte denn dies schon Sprache, sie seine Mutter zu lehren?”, macht aber auch hier, wie nach seiner Art gewöhnlich, ein panisches Feldgeschrei. Allerdings hatte die Mutter mehr das Kind zu lehren als das Kind die Mutter – weil jene es mehr lehren konnte und der mütterliche Instinkt, Liebe und Mitleiden, den Rousseau aus Barmherzigkeit den Tieren zugibt und aus Großmut seinem Geschlecht versagt, sie zu diesem Unterricht, wie der Überfluß der Milch zum Säugen, zwang. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, II, I, 196–197): […] But with all this labour we have only made of man a rational animal; it remains still to make him a speaking animal. For this purpose I hold society to be absolutely necessary: for though a solitary savage might in process of time acquire the habit of forming ideas, it is impossible to suppose, that he would invent a method of communicating them, for which he had no occasion. Our subject, therefore, further leads us to inquire into the origin of society; which appears to Mons. Rousseau to have so necessary a connection with language, that he proposes it as a question to be resolved by the learned, Which was most necessary, language for the institution of society, or society for the invention of language? This question I hope I shall be able to solve, by shewing, that society must have been first in the order of things; and that, though it was impossible that language could have been invented without society, yet society, and even civil society, may
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have subsisted, perhaps for ages, before language was invented. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, II, IX, 279–280): I will now try to solve Mons. Rousseau’s great difficulty with respect to the invention of language. He is convinced that society is absolutely necessary for this invention; but he seems to think that language was as necessary for the constitution of society. Now I will endeavour to shew, both from theory and fact, that animals may associate together, form a community, and carry on in concert one common business, without the use of speech. For this purpose nothing else is necessary than that there should be among such animals some method of communication. If therefore there be other methods of communication, besides that of articulate sounds, there is nothing to hinder a society to be constituted without the use of speech. Now that there are other methods of communication, is a fact that cannot be doubted: for there are inarticulate cries, by which we see the brutes communicate to one another their sentiments and passions; there are imitative cries; and, lastly, there is the expression of looks; that is, the action of the face, and the gestures of the body. In one or other, or all of these ways, it is evident that animals may understand one another so far at least as to act in concert, and carry on some common business, which, according to Aristotle, is the definition of a political animal. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, II, IX, 289–290): […] And, first, there are the Ouran Outangs, who, […], are proved to be of our species by marks of humanity that I think are incontestable; and they have one property more of the species than the quadruped savages above mentioned, which have been found in different parts of Europe, that they walk erect. They live in society, build huts, joined in companies attack elephants, and no doubt carry on other joint undertakings for their sustenance and preservation; but have not yet attained the use of speech. But should any one, after all that is said, still doubt of the humanity of the Ouran Outangs, what can be said to the example of dumb persons among us, whom no body will deny to be capable of living together in society, and
434 carrying on jointly any sort of business; since we see both men and women with that defect, not only capable of acting in concert with others, but of governing and directing. And thus I hope I have removed Mons. Rousseau’s chief difficulty concerning the invention of language, by shewing that society, and even the political life, which he judges rightly to be necessary for the invention of language, may exist without language. (CONDORCET [1794] 1822: 20): Telle fut l’origine des premières institutions politiques. La formation d’une langue a dû précéder ces institutions. (CONDORCET [1794] 1822: 52): Cependant ces progrès, quelque lents, quelque foibles qu’ils soient, auroient été impossibles, si ces mêmes hommes n’avoient connu, l’art de l’écriture, seul moyen d’assurer les traditions, de les fixer, de communiquer et de transmettre les connoissances, dès qu’elles commencent à se multiplier. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 11): Los hombres pues en la situacion y circunstancias en que actualmente se halla el género humano, se pueden distinguir en naciones por medio de sus costumbres, y de la gran diversidad de accidentes en su figura corporal: mas siempre se han podido, se pueden y podrán distinguir en naciones con mayor claridad y exactitud por medio de las lenguas diversas que hablan. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 72): He expuesto los medios con que se pueden conocer el número, y respectiva afinidad ó diversidad de las naciones, y entre ellos, para lograr con exâctitud este conocimiento, he preferido el de las lenguas, las quales claramente nos declaran y manifiestan el carácter y descendencia propia de cada nacion, indicándonos la respectiva familia de que proviene, y la sucesiva genealogía de ella desde el momento en que sucedió la confusion de lenguages en Babel hasta el tiempo presente. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 12): II est impossible à l’homme, (on l’a déjà vu, n°. 4,) de vivre sans les services si nombreux et si fréquemment renouvelés qu’il reçoit de la société; comme il lui est impossible de provoquer ces services, d’indiquer assez parfaitement le besoin qu’il en a, en un mot de vivre en so-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken ciété, sans le secours en quelque sorte préliminaire d’une langue.
III.
1. Zum Konzept der ‘gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache’ und seiner Vernetzung mit verwandten Konzepten Überlegungen von Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts zeigen ein deutliches Bewusstsein für die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache. Dies zeigt sich einerseits an der diesbezüglich orientierten Interpretation der Bibel (FRAIN DU TREMBLAY, BEAUZÉE) und andererseits an der kritischen Auseinandersetzung etwa mit ROUSSEAUs Behauptungen über den Zusammenhang zwischen Sprache und Gesellschaft (HERDER, MAYET, SÜSSMILCH, BEAUZÉE). Allerdings tritt das Konzept der ‘gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache’ nicht unter spezifischen Bezeichnungen auf, sondern lässt sich aufgrund der Komplexität der mit ihm verbundenen Argumentationen allenfalls auf Paraphrasen oder sentenzartige Verkürzungen reduzieren, wie sie unter Teil I. aufgelistet sind. Die Behandlung des Konzeptes ‘gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache’ wird dabei in einen weiten argumentativen Zusammenhang integriert, der erkennen lässt, warum das Konzept nicht auf konkrete Bezeichnungen reduziert werden kann. Da die Funktionen der Sprache, so auch die gesellschaftskonstituierende Funktion, eng mit dem ĺ Wesen der Sprache zusammenhängen, lässt sich hier eine Vielzahl an Bezügen herstellen. Die Vorstellung von der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache beruht auf der Grundannahme, dass ohne ein Kommunikationsmittel, das allen gemeinsam ist, Bildung und Überleben einer Gemeinschaft nicht möglich sind (vgl. DURET, FRAIN DU TREMBLAY, COMENIUS, BOUGEANT, LOCKE, LOMONOSOV, THIÉBAULT). Unter den verschiedenen denkbaren semiotischen Systemen, die Kommunikation gewährleisten, erscheint die artikulierte Lautsprache als das effektivste, ökonomischste und geeignetste zur Übermittlung von ĺ Bedeutung. Zwar wird (insbesondere von DIDEROT oder CONDILLAC) die Effizienz der Gestensprache immer wieder dem System der artikulierten Laut-
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache sprache gegenübergestellt (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache), nicht zuletzt, um Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken (ĺ kognitive Funktion der Sprache) bzw. über die Reihenfolge unserer Gedanken und ihre Manifestation in der Wortstellung zu erhalten (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion), aber die Effizienz der artikulierten Lautsprache bleibt im Wesentlichen unangefochten (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Das Konzept der ‘gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache’ steht in direktem Zusammenhang zum Konzept der ĺ Konvention, da Sprache notwendig für das Funktionieren der Gesellschaft ist und es andererseits gesellschaftliche Vereinbarungen über Sprache geben muss, damit sie funktionieren kann (ĺ Normierung). Im Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Existenz von Konventionen für das Funktionieren der Sprache stellt sich jedoch die Frage nach der Anteriorität zwischen Sprache und Gesellschaft im Prozess der Sprachgenese (ĺ Ursprung). Da Sprache von ihrem Wesen (ĺ Wesen der Sprache) her konventionell ist und somit auf gesellschaftlicher Übereinkunft beruht, unterliegt sie aber auch der ĺ Sprachveränderung, was wiederum die Notwendigkeit ihrer Normierung nach sich zieht. Ein Grundcharakteristikum neben der Konventionalität der Sprache ist zudem ihre ĺ Arbitrarität, da der Zusammenhang zwischen dem Bezeichneten und dem Bezeichnenden in der Regel nicht natürlich ist (ĺ Natürlichkeit), sondern durch Konvention festgelegt werden muss. Dennoch wird die Sprache in der sprachtheoretischen Diskussion des 17. und 18. Jahrhunderts immer wieder mit dem Attribut der Natürlichkeit belehnt. Dabei wird jedoch nicht auf den Gegensatz zu künstlichen Sprachen (ĺ Universalsprache), sondern auf die Vorstellung einer natürlichen, nicht durch Konvention motivierbaren Einheit zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendem rekurriert. Konzeptionen der Natürlichkeit stehen außerdem im Zeichen der Unterscheidung zwischen Göttlichkeit bzw. Natürlichkeit der Sprache oder der Sprachfähigkeit, wenn die Alternativen eines göttlichen oder eines menschlichen Ursprungs der Sprache diskutiert werden.
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Durch die Eigenschaften der ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention kann Sprache überhaupt nur als Vehikel von Kommunikation dienen, da sie ohne Übereinkünfte zur ĺ Bedeutung nur aus einer Vielzahl von Individualsprachen und Idiolekten bestehen würde (vgl. ROUSSEAU 1755). Im Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Existenz von Konventionen für das Funktionieren der Sprache stellt sich jedoch die Frage nach der Anteriorität zwischen Sprache und Gesellschaft im Prozess der Sprachgenese (ĺ Ursprung). Im Rahmen von Kosmogonien und Kulturentstehungslehren, die sich den Ursprüngen von Sprache und Gesellschaft widmen, ergibt sich z. T. das Problem einer zirkulären Argumentation, da die Sprache für die Entstehung der Gesellschaft ebenso notwendig erscheint wie die Gesellschaft für die Entstehung von Sprache. Insbesondere in ROUSSEAUs Discours de l’inégalité (1755) wird dieses Problem erörtert, ohne jedoch einer Lösung zugeführt werden zu können. ROUSSEAUs Discours ist für die Autoren des 18. Jahrhunderts ein wichtiger Referenztext für die Diskussion der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache. Im Rahmen der Diskussion um den ĺ Ursprung der Sprache wird die gesellschaftskonstituierende Funktion auch im Zusammenhang mit der Frage nach der ĺ Ursprache thematisiert. Ausgangspunkt ist die biblische Vorstellung von einer allen Menschen gemeinsamen präbabylonischen Ursprache, die die kommunikative Grundlage für den Turmbau von Babel bildete. Mit der göttlichen Strafe der babylonischen ĺ Sprachverwirrung wird die gesellschaftskonstituierende Funktion der Einheit stiftenden Ursprache aufgehoben. Während die sprachliche Einheit als Basis der gemeinschaftlichen Arbeit am Turmbau aufgefasst wurde, erscheint die aus der confusio linguarum resultierende Diversität der Einzelsprachen (ĺ Universalität und Verschiedenheit) über Jahrhunderte eher als Fluch denn als Segen. Der Fluch von Babel schränkt die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache aufgrund der kommunikativen Schwierigkeiten ein, die eine Vielzahl von Idiomen und neugebildeten Völkern mit sich bringt. Die postbabylonische Vielzahl der Völker und Sprachen führt zur nationalis-
436 tisch geprägten ĺ Apologie der Einzelsprachen und befördert so die Fragmentierung in einzelne Völker und Kulturen, in denen jeweils die Sprache ihre gesellschaftskonstituierende Funktion wahrnimmt, deren ideologische Grenzen aber zu unüberbrückbaren Differenzen nicht nur sprachlicher Natur führen. Die babylonische Sprachverwirrung wird in diesem Sinne als eine Reduktion der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache verstanden (FRAIN DU TREMBLAY). Die Konzepte ĺ Ursprung der Sprache, ĺ Ursprache und ĺ Sprachverwirrung werden somit in einem argumentativen Zusammenhang mit der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache verbunden. Die Auseinandersetzung mit dem Konzept des ‘Ursprungs der Sprache’ (ĺ Ursprung) impliziert die Thematisierung der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache, die Fortdauer und Funktionieren der Gesellschaft ermöglicht. Mit ihrer Fähigkeit, Gesellschaft zu konstituieren, nimmt die Sprache eine Schlüsselfunktion für den Zivilisationsprozess ein, da sie Historizität schafft und insbesondere durch den Verschriftungsprozess die Konservierung von Traditionen und Grundlagen weiterer zivilisatorischer Entwicklungen gewährleistet. Dem Medium der ĺ Schrift kommt daher für die Konstituierung und Perpetuierung gesellschaftlicher Systeme eine entscheidende Rolle zu (vgl. DURET, SÜSSMILCH, TIEDEMANN, PRIESTLEY). Im unmittelbaren Zusammenhang zum Konzept der ‘gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache’ steht auch ihre kognitive Funktion (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Bevor Sprache gesellschaftsbildend wirken kann, dient sie als Mittel der Speicherung und Ordnung von Gedanken, die erst mit Hilfe sprachlicher Strukturierung und Transformation zu Zeichen in die Form sprachlicher Mitteilungen gebracht werden (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) (vgl. LOCKE, CONDILLAC, ROUSSEAU). Die kognitive Funktion der Sprache wird daher in der Regel als die der gesellschaftskonstituierenden logisch und zeitlich vorangehende Funktion behandelt, da sie die kognitive Grundlage kommunikativer Akte darstellt. Die Rolle der Sprache für mentale Konzeptualisierungsprozesse ist Grundvoraussetzung der Realisierung
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken kommunikativer Funktionen. Gesellschaft bildet sich erst auf der Grundlage der öffentlich geäußerten individuellen Akte mentaler Repräsentation des vergesellschafteten Individuums. Die kognitive (ĺ kognitive Funktion der Sprache) ebenso wie die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache sind die entscheidenden Faktoren des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb), da die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft zunächst Zeichen erwerben müssen, um am gesellschaftlichen Austausch teilhaben zu können. Zugleich bedarf es aber einer sie umgebenden Gemeinschaft, die auf den Prozess des Spracherwerbs unterstützend einwirkt und die Aktualisierung der Sprachfähigkeit befördert. Das Ausbleiben eines gesellschaftlichen Umfeldes verursacht die Entstehung spezifischer Formen sozial defizitären Spracherwerbs, wie er etwa bei ‘wilden Kindern’ in Erscheinung tritt, deren Fälle im 18. Jahrhundert ein geläufiger Gegenstand der Gelehrtendiskussionen waren (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell); vgl. ROUSSEAU, CONDILLAC, DE BROSSES, LA CONDAMINE, LINNÉ, BUFFON, WOLFF, HERDER, MONBODDO). Diese Beispiele sozial defizitären Spracherwerbs dienten ebenso wie das immer wieder angeführte PSAMMETICHOS-Experiment (DE BROSSES, BEAUZÉE, BORRICHIUS) zum Beleg der These, dass ein normaler ĺ Spracherwerb nur innerhalb einer Gesellschaft vonstattengehen könne. Fälle des sozial defizitären Spracherwerbs dienten damit zum Nachweis der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache. Zur Untermauerung der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache bezog man sich ebenfalls auf den physisch defizitären Spracherwerb der Taubstummen, die bedingt durch ihre Behinderung ein Leben in Isolation von der Gesellschaft führen mussten und erst mit der Entwicklung der Gehörlosenpädagogik in Frankreich durch DE L’ÉPÉE und SICARD gegen Ende des 18. Jahrhunderts (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) bessere Möglichkeiten der kognitiven und sozialen Entfaltung erhielten. Das Konzept der ‘gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache’ wird auch im Zusammenhang mit dem als rückständig emp-
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache fundenen Spracherwerb exotischer Völker betrachtet (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Aus einer eurozentristischen Perspektive werden exotische Völker wie die Hottentotten, Indios oder Eskimos als unzivilisierte, kognitiv und sprachlich zurückgebliebene Völker beschrieben, deren vorgeblich primitive Sprachen ihre retrograden gesellschaftlichen Strukturen widerspiegeln (LA CONDAMINE, BUFFON, MICHAELIS, SÜSSMILCH, HERDER, DE BROSSES, PRIESTLEY, BEATTIE). Die Korrelation zwischen “primitiver” Sprache, “primitivem” Denken und “primitiver” Gesellschaftsform dient zur Untermauerung der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache, die im Falle eines höheren sprachlichen Entwicklungsstadiums auch eine zivilisiertere Gesellschaft hervorbringt. Eine Korrelation zwischen der Fähigkeit zur Kommunikation und dem Zustand der Gesellschaft wird ebenfalls hergestellt, wenn die menschliche Lautsprache mit tierischen Kommunikationsformen verglichen wird (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Der instinktiven Beschränktheit tierischer Kommunikationsformen wird die Entwicklungsfähigkeit und Komplexität der menschlichen Lautsprache gegenübergestellt, welche ihrerseits eine höhere Komplexität der Gesellschaftsstruktur ermöglicht als dies bei sozial lebenden Tieren der Fall ist (HERDER, LA METTRIE, PRIESTLEY). Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache wird im Kontext zoosemiotischer Systeme sowie bei sozial, physisch und kulturell depravierten Individuen betrachtet, wobei spezifische Einschränkungen jeweils zu einer eingeschränkten oder kaum existenten Form der Kommunikation führen, der nur eine relativ niedrig anzusiedelnde Form gesellschaftlichen Umgangs entspricht, für deren Beurteilung eurozentristische Vorurteile allerdings eine maßgebliche Rolle spielen können. Neben Formen des defizitären Spracherwerbs (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) wirkt sich auch der Sprachmissbrauch (ĺ Missbrauch) einschränkend auf die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache aus, da er ebenso wie die ĺ Sprachverwirrung zu einer Fragmentierung und Spaltung der Gesellschaft unter dem Deck-
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mantel legitimer politischer Einzelinteressen führt, die aber nur den Partikularismus oligarchischer Cliquen widerspiegeln (ROUSSEAU, HELVÉTIUS). Insgesamt ist zu konstatieren, dass die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache im Umkreis von ontologischen Überlegungen zum ĺ Wesen der Sprache, ihrer Zeichenhaftigkeit, ihrer kognitiven Funktion (ĺ kognitive Funktion der Sprache), ihres Ursprungs (ĺ Ursprung) sowie ihrer im Hinblick auf einen defizitären Spracherwerb (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) unterschiedlich ausgeprägten Einschränkungen betrachtet wird. 2. Das Konzept der ‘gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache’ in sprachtheoretischen Auffassungen des 17. Jahrhunderts Das Konzept der ‘gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache’ wird im 17. Jahrhundert vielfach im Kontext der biblischen Erzählungen der Genesis von der Erschaffung der Welt, der Völkertafel und dem Turmbau zu Babel (ĺ Sprachverwirrung) betrachtet. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts vertritt SANCTIUS in der Minerva (1587) die geläufige Vorstellung, dass Gott dem Menschen als große Aufgabe (magno pro munere) die Sprache gegeben habe, damit er durch ihre Fortentwicklung die menschliche Gesellschaft begründe. Gott habe den Menschen als gesellschaftliches Wesen erschaffen und deswegen habe er ihm die Sprache verliehen (ĺ Ursprung). Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache wird auch von COMENIUS im Kontext des Schöpfungsmythos gesehen. Da Gott den Menschen nicht als ein einzelnes Geschöpf geschaffen habe, sondern von Beginn an eine Vielzahl von Menschen kreieren wollte, habe er zugleich die Sprache als einendes Band dieser Gesellschaft hinzu gegeben (societatis addidit vinculum, Linguam). Die konstitutive Rolle der Sprache für die Gesellschaft wird von COMENIUS außerdem begründet mit der Auffassung, dass das Monologisieren nur der Auswuchs eines krankhaften und geistig verwirrten Gemütes sei. Der Monolog stellt für ihn die unnatürliche Kommunikationsform Geisteskranker dar, welcher er den dialogischen Charakter
438 menschlicher Kommunikation als Norm gegenüberstellt. Die Unnatürlichkeit des Monologes erklärt COMENIUS mit der Tatsache, dass für eine einzelne Person das Begriffsverständnis als innerer Prozess stattfindet (ĺ kognitive Funktion der Sprache) und es nicht notwendig sei für ein isoliertes Individuum, sich mit Hilfe artikulierter Lautsprache das selbst vorgestellte Konzept klarzumachen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Den engen Zusammenhang zwischen kognitiver (ĺ kognitive Funktion der Sprache) und kommunikativer Funktion der Sprache erkennt auch CORDEMOY, der Sprachlaute als Zeichen der Gedanken auffasst, aber als entscheidenden Aspekt die Fähigkeit der artikulierten Lautsprache ansieht, mit Hilfe ihrer Mitteilungsfunktion (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) die menschliche Gesellschaft am Leben zu erhalten. Da CORDEMOY die Gesellschaft als das höchste Gut des Menschen erachtet, ist für ihn die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache noch bedeutsamer als die kognitive Funktion, obwohl dem Akt der mentalen Repräsentation von Begriffen gegenüber dem Mitteilungsakt logische und zeitliche Priorität zukommt. Die Doppelfunktion menschlicher Sprache im Hinblick auf Kognition und Kommunikation ist auch DURET bewusst: Mit Sprache werden die inneren Vorstellungen unserer Seele zum Ausdruck gebracht, von denen der Zusammenhalt unserer Gesellschaft abhängt. Sprache dient als Bindeglied und Knoten (nœud) der Gesellschaft. Sie ist ein kognitives und kommunikatives Ordnungsprinzip, das zunächst unsere inneren Vorstellungen und dann unsere Mitteilungsakte strukturiert. Ohne die strukturierende Potenz der Sprache blieben die Gedanken im Inneren des Menschen begraben. DURET beschreibt den Magen (l’estomac) im übertragenen Sinne als das Zentrum artikulierter Lautsprache. Mit diesem metaphorischen Verständnis möchte er die Lebendigkeit der gesprochenen Sprache (vive voix) betonen, der er die stumme und schweigsame, aber gleichwohl effiziente ĺ Schrift gegenüberstellt. Dabei zeigt DURET eine besondere Wertschätzung für die Schrift, ohne die das Denken und die Gesellschaft verloren wären, wie er anhand kulturell depravierter exotischer Völker zu beweisen ver-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken sucht (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Der Grund der vorgeblichen Kulturlosigkeit dieser Völker besteht für DURET im Fehlen von Schrift, die er als Ausweis der Zivilisation begreift. Die Notwendigkeit eines Ineinandergreifens von kognitiver (ĺ kognitive Funktion der Sprache) und kommunikativer Funktion (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) der Sprache für eine funktionierende und dauerhafte Gesellschaft erkennt auch LOCKE. Das Grundproblem sieht LOCKE in der Unsichtbarkeit unserer Gedanken, die im Inneren des Menschen eingeschlossen sind und vor der Umgebung gleichsam versteckt werden (Man, though he have great variety of thoughts, and such from which others as well as himself might receive profit and delight; yet they are all within his own breast, invisible and hidden from others, nor can of themselves be made to appear). Um in den Genuss der Bequemlichkeit und der Vorteile der Gesellschaft gelangen zu können, sei es für den Menschen unabdingbar gewesen, äußerliche Zeichen zu erfinden, die die inneren Gedanken sichtbar machen. Zu diesem Zwecke sei die artikulierte Lautsprache erfunden worden (ĺ Ursprung), die sich durch ihren ĺ Reichtum (plenty), ihre Geschwindigkeit (quickness), ihre Leichtigkeit (ease) und ihre Vielfalt (variety) auszeichne. Wichtig für LOCKEs Überlegungen zur gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache ist seine Auffassung, dass der Mensch nach Gottes Plan ein soziales Wesen sei, welches nicht nur eine Neigung zur Gesellschaft verspüre, sondern notwendigerweise in Gemeinschaft leben müsse. Als Beweis für die notwendige Gesellschaftlichkeit des Menschen sieht LOCKE die Sprache an, die er als großes Werkzeug und einendes Band der Gesellschaft (the great instrument and common tie of society) bezeichnet. 3. Das Konzept der ‘gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache’ in sprachtheoretischen Auffassungen des 18. Jahrhunderts Die Vorstellung von der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache ist auch für sprachtheoretische Reflexionen des 18. Jahrhunderts konstitutiv. Zu Anfang des Jahrhunderts spielt sie eine wesentliche Rolle in
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache FRAIN DU TREMBLAYs Konzeption des Ursprungs der Sprache (ĺ Ursprung). FRAIN DU TREMBLAY vertritt die Idee eines göttlichen Sprachursprungs (nous ne devons pas douter que l’homme n’eust reçû de Dieu le don de la parole, & la parole même au moment de sa création) und postuliert, dass Gott den Menschen als eine vollkommene Kreatur geschaffen habe. Daher habe er ihm auch von Anbeginn nicht nur die Sprachfähigkeit, sondern zugleich die Sprache selbst verliehen. Für FRAIN DU TREMBLAY ist es eine unbestreitbare Tatsache, dass Gott den Menschen als ein Gesellschaftswesen kreiert hat, da er ihm die Sprache als erstes und zugleich notwendiges Band menschlicher Gesellschaft verliehen habe. Da der Mensch ein soziales Geschöpf sei, müsse er von Anfang an über die Sprache verfügt haben. Im Geiste des cartesischen Dualismus betrachtet FRAIN DU TREMBLAY den Menschen als eine Einheit aus Körper und Geist, die in der Lage ist, ihre Gedanken zu materialisieren (donner un corps à toutes ses pensées). Die Sprachfähigkeit ist ein natürliches Attribut der dispositionellen Grundausstattung des Menschen, der, als Gesellschaftswesen geboren, zugleich über die Fähigkeit verfügen muss, diese Gesellschaft auf Dauer zusammenzuhalten. Die Dauerhaftigkeit einer Gesellschaft kann jedoch nur über die Kommunikation unserer Gedanken gewährleistet werden. Als Beweis für die Soziabilität des Menschen wird seine Unfähigkeit, Geheimnisse für sich zu behalten, ebenso angeführt wie sein Unbehagen an der Einsamkeit. Einen Angriff auf die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache stellt nach FRAIN DU TREMBLAY die durch die ĺ Sprachverwirrung hervorgerufene Vielfalt der Sprachen dar (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Die einheitliche ĺ Ursprache, die das größte Gemeinschaftsunternehmen der Menschheit zu Beginn ihrer Geschichte, nämlich den Turmbau zu Babel, überhaupt nur ermöglicht hat, wird in eine Vielzahl von Einzelsprachen gespalten, was im Grunde der integrierenden, gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache zuwiderläuft. Sprache, die ursprünglich als einendes Band der Gesellschaft diente, wird durch die postbabylonische Vielfalt der Einzelsprachen zu einem Hindernis für
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den gesellschaftlichen Verkehr. Das Geschenk der einheitlichen, allen verständlichen Ursprache wird nach FRAIN DU TREMBLAYs Darstellung durch Babel ebenso annulliert wie die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache relativiert wird. Die Sprachverschiedenheit als Ergebnis von Babel bedeutet zugleich die Spaltung der Gemeinschaft von Babel, die FRAIN DU TREMBLAY im Sinne der Genesis als gerechte Strafe interpretiert (Ce ne fut donc que pour punir leur orgueil & leur revolte contre Dieu que Dieu les rendit barbares les uns aux autres, en confondant leur langage). Der Turmbau von Babel markiert nach seiner Auffassung zugleich den Beginn der menschlichen Barbarei, da die Sprachenvielfalt einen Prozess der gegenseitigen Entfremdung verursacht habe und aufgrund der Vielfalt der Sprachen die Möglichkeit wechselseitiger Unterstützung vereitelt worden sei. Die Auffassung von der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache findet sich ebenfalls in BEAUZÉEs Encyclopédie-Artikel Langue. Ebenso wie FRAIN DU TREMBLAY vertritt auch BEAUZÉE die Ansicht vom göttlichen ĺ Ursprung der Sprache. BEAUZÉE definiert eine Sprache als die Gesamtheit ihrer Verwendungsweisen (ĺ Gebrauch) innerhalb einer Nation, die der Übermittlung der Gedanken durch die ĺ Stimme dienen (Une langue est, sans contredit, la totalité des usages propres à une nation pour exprimer les pensées par la voix; & cette expression est le véhicule de la communication des pensées). Der Sprachausdruck dient als Medium der Kommunikation der Gedanken (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Bei seinem Versuch, den Ursprung der Sprache zu erklären, stößt BEAUZÉE auf das Problem der Anteriorität von Sprache und Gesellschaft. Damit eine Sprache existieren kann, muss es eine Gesellschaft geben, die Prozesse der Konventionalisierung und Zeichenbildung in Gang setzt (ĺ Konvention; ĺ Arbitrarität). Ihrerseits benötigt die Gesellschaft aber die Sprache, um sich überhaupt konstituieren zu können. Aufgrund der Unlösbarkeit der Anterioritätsrelation zwischen Sprache und Gesellschaft nimmt BEAUZÉE an, dass die ĺ Ursprache ebenso wie die erste Gesellschaft nicht mit menschlichen Mitteln,
440 sondern nur durch Gott habe entstehen können. In seiner Theorie vom Ursprung der Sprache spielt somit die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache und das problematische Anterioritätsverhältnis zwischen Sprache und Gesellschaft eine entscheidende Rolle, um einen göttlichen Sprachursprung zu postulieren. Eine zunächst sprachlose Urgesellschaft, die allmählich eine Sprache erfindet, ist für BEAUZÉE nicht denkbar, da ein Grund für die Erfindung der Ursprache nicht gegeben wäre, wenn die Menschen zunächst ohne Sprache hätten überleben können. Grundvoraussetzung für die Entstehung der artikulierten Lautsprache ist für BEAUZÉE das Zuhören. Eine Motivation zur Verwendung der Artikulationsorgane ist erst gegeben, wenn Zuhörer vorhanden sind, die eine Mitteilung empfangen möchten. Als Beweis für die Schlüsselfunktion des Ohrs beim ĺ Spracherwerb führt er das Beispiel der Taubstummen an, deren Taubheit er als Grund ihrer Stummheit identifiziert (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Einen weiteren Beleg für die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache stellt der Bezug auf die ‘wilden Kinder’ dar, die aufgrund ihrer Isolation von der Gesellschaft bei ihrer Reintegration in dieselbe nicht oder nur rudimentär in der Lage waren, Sprache zu erlernen (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Im Zusammenhang mit dem Beispiel der ‘wilden Kinder’ zieht BEAUZÉE auch das von HERODOT überlieferte PSAMMETICHOS-Experiment heran, bei dem der ägyptische König PSAMMETICHOS I. feststellen wollte, welches die ĺ Ursprache der Menschheit sei. Zu diesem Isolationsexperiment ließ er zwei neugeborene Kinder einem Hirten anvertrauen, der diese unter der Obhut von Ziegen aufwachsen ließ, ohne sie jedoch mit Sprache in Kontakt kommen zu lassen. Da das erste Wort, das die Kinder in Gegenwart des Hirten von sich gaben, bek hieß, was im Phrygischen “Brot” bedeutet, nahm PSAMMETICHOS an, das Phrygische sei die Ursprache gewesen. BEAUZÉE lehnt die Annahme der Existenz einer natürlichen Ursprache des Menschengeschlechtes ab (ĺ Natürlichkeit), da die Sprache nach seiner Auffassung durch göttliche
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken Inspiration entstand und kein Menschenwerk war. Neben der Göttlichkeit des Sprachursprungs spricht aber auch die Vielfalt der Einzelsprachen (ĺ Universalität und Verschiedenheit) sowie die Existenz kultureller Verschiedenheiten wie Klima, Regierungsform, Religion und Brauchtum gegen die universalistische Annahme einer allen gemeinsamen Natursprache. Als weiteres Argument gegen eine allen Menschen von Beginn an gegebene Natursprache (ĺ natürliche Sprache) zieht BEAUZÉE das Beispiel der von Geburt an Taubstummen heran (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)), die automatisch diese Sprache sprechen müssten, wenn es eine solche Natursprache gäbe. Nach BEAUZÉEs Auffassung existiert eine wechselseitige Angewiesenheit zwischen Sprache und Gesellschaft. Im Prozess der Sprachgenese kann nur durch göttliche Intervention eine ursprüngliche Form der ĺ Konvention eingerichtet werden, die die weitere Entwicklung von Sprache und Gesellschaft ermöglicht. Die Notwendigkeit der Sprache für die Gesellschaft weist BEAUZÉE anhand von Beispielen depravierter Individuen wie Taubstummen und ‘wilden Kindern’ nach (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Mit einem hypothetischen Experiment begründet BOUGEANT die Inexistenz einer sprachlosen Gesellschaft. Er nimmt ein taubstummes Volk als gegeben an, welches nach seiner Auffassung in einem beständigen Kriegszustand leben müsse, da man sich seine Gedanken untereinander nicht mitteilen könne. Da BOUGEANT die Möglichkeit einer Gestensprache nicht in Betracht zieht (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) und keinerlei Alternativen zur artikulierten Lautsprache gelten lässt, sieht er auch keinerlei Kommunikationsmöglichkeit für dieses Volk und nimmt an, dass gegenseitiges Misstrauen rasch zu seiner Zerstörung führen würde. Zur Begründung seines Gedankenexperiments erfolgt eine Berufung auf die Geschichte vom Turmbau zu Babel. Durch die ĺ Sprachverwirrung sei ein gemeinsames Arbeiten oder Handeln nicht mehr möglich gewesen und man habe das Projekt aufgeben müssen. Analog dazu verhalte es sich mit Gesellschaften, die keine Sprache bzw. keine gemeinsame Spra-
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache che sprechen. Sie können nicht funktionieren und werden bald durch Unordnung bzw. Sprachverwirrung zerstört. Im Unterschied zu BOUGEANT oder BEAUZÉE nimmt LA METTRIE an, dass der Mensch zwar von Natur aus ein Gesellschaftswesen sei, aber aufgrund seiner mangelhaften Ausstattung im Bereich des Instinktes zu Beginn seiner Ontogenese im Vergleich zum Tier unterprivilegiert sei. Der Mensch lebt ebenso wie das Tier in Gesellschaft, wobei sich die kommunikativen Fähigkeiten proportional zum Zustand der menschlichen bzw. tierischen Gesellschaft verhalten. Auch primitive Formen der Kommunikation im Tierreich (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)) dienen der Aufrechterhaltung des Sozialverbandes. Zu Beginn der Sprachgenese (ĺ Ursprung) habe der Mensch seine elementaren Empfindungen und Bedürfnisse wie ein Tier zum Ausdruck gebracht. Erst die wachsende Komplexität der Beziehungen setzt nach LA METTRIEs Auffassung die Perfektionierung von Sprache und Gesellschaft in Gang. Die Vorstellung, dass die gesellschaftskonstituierende Funktion von Kommunikationssystemen bei allen im Sozialverband existierenden Lebewesen anzutreffen sei, findet sich auch in der Sprach- und Gesellschaftskonzeption PRIESTLEYs. Ebenso wie LA METTRIE geht PRIESTLEY in seiner Argumentation von der sensualistischen Prämisse aus, dass alle sozial organisierten Lebewesen ein Bedürfnis verspürten, ihre Empfindungen zu kommunizieren. Die Fähigkeit der Kommunikation von Sinneseindrücken und Empfindungen verhalte sich proportional zum Grad der gesellschaftlichen Organisation, in die das Lebewesen eingebunden sei. Ein Tier, das nur in geringem Maße von anderen Tieren seiner Spezies abhängig sei und in einem vergleichsweise losen Verband existiere, besitze ein relativ geringes Bedürfnis nach intrabzw. interspezifischer Kommunikation. Mit wachsender Komplexität der Gesellschaftsstruktur werde jedoch eine flexiblere und vielseitigere Form von Kommunikation notwendig. Die artikulierte Lautsprache entspricht nach PRIESTLEYs Auffassung den hohen Bedürfnissen einer zivilisierten Gesellschaft, die sich von den instinktiven Automatismen tierischer Kommunikationsformen
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durch die Komplexität ihrer Organisationsstruktur unterscheidet. Die Unterscheidung zwischen den instinktiven, automatisch ablaufenden artspezifischen Kommunikationsformen der Tiere einerseits und den – alle Sphären der Realität und Fiktion umfassenden – Beschreibungsmöglichkeiten der artikulierten Lautsprache des Menschen andererseits findet sich auch bei HERDER (1772) (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Hier äußert sie sich in seiner Konzeption der Besonnenheit, welche den Menschen im Gegensatz zum Tier in die Lage versetzt, sich bewusst und gezielt auf einzelne Dinge der Außenwelt zu konzentrieren und bestimmte Bewusstseinsinhalte von anderen zu isolieren. Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache wird in CONDILLACs Vision vom ĺ Ursprung der Sprache der kognitiven Funktion (ĺ kognitive Funktion der Sprache) nachgeordnet. CONDILLAC führt ein Gedankenexperiment mit zwei Kindern beiderlei Geschlechtes an, die nach der Sintflut isoliert in einer Wüste aufwachsen und ausgehend von einer natürlichen Aktionssprache (langage d’action) allmählich zur Erfindung arbiträrer Zeichen gelangen (ĺ Arbitrarität). In CONDILLACs Hypothese vom Sprachursprung wird jedoch das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Sprache nicht weiter problematisiert, da das hypothetische Urpaar als gegeben vorausgesetzt wird und die Umstände dieses Zusammenschlusses nicht thematisiert werden. Die Tatsache, dass CONDILLAC das Verhältnis zwischen Sprache und Gesellschaft zu Beginn der Sprachgenese nicht problematisiert, provoziert die Kritik ROUSSEAUs im Discours de l’inégalité (1755). Für ROUSSEAU, der hinsichtlich der kognitiven Funktion der Sprache explizite Anleihen bei CONDILLAC macht, steht diese kognitive Funktion nicht im Vordergrund seiner Überlegungen, sondern das Verhältnis zwischen Sprache und Gesellschaft, wobei er die Notwendigkeit der artikulierten Lautsprache für die Gesellschaft der Urmenschen hinterfragt. Im Discours de l’inégalité bemüht sich ROUSSEAU um eine Lösung des Problems der Anteriorität zwischen Sprache und Gesellschaft. In seiner Vision des Naturzustandes nimmt er einen selbstgenügsamen vagabun-
442 dierenden Naturmenschen (homme sauvage) an, der in einem solipsistischen Zustand Sprache nicht braucht und ausschließlich triebhafte, unpersönliche Beziehungen zu seinen Artgenossen unterhält. Für die Befriedigung der nur auf Selbsterhaltung und Geschlechtstrieb ausgerichteten Primärbedürfnisse von ROUSSEAUs Naturmenschen ist Sprache nicht notwendig. Im Gegensatz zu BEAUZÉE, BOUGEANT, FRAIN DU TREMBLAY oder den Teilnehmern an der Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache (1771) nimmt ROUSSEAU einen sprachlosen gesellschaftlichen Urzustand an, den er von einem als dekadent und korrupt beschriebenen Zustand der Zivilisation abgrenzt. Da er den Übergang vom sprachlosen Naturzustand zum sprachverwendenden zivilisierten Zustand jedoch nicht motivieren kann, bleibt die Anteriorität von Sprache und Gesellschaft für ihn ein unlösbares Dilemma. Kernpunkt seiner Argumentation ist die Notwendigkeit einer ĺ Konvention für den ĺ Gebrauch der Sprache, die das Funktionieren von Sprache in der Gesellschaft gewährleistet. Zur Etablierung von Konventionen ist jedoch Sprache erforderlich. Zudem stellt sich das schon von PLATON im Kratylos aufgeworfene Problem eines sprachlichen Gesetzgebers, der gleichsam die ‘Urkonventionen’ der Sprache festlegt. Ohne das Problem der Konvention gelöst zu haben, nimmt ROUSSEAU, an CONDILLAC anknüpfend, die Existenz einer natürlichen Aktionssprache an, die sich erst langsam zu einer institutionalisierten Lautsprache entwickelt habe (ĺ Ursprung). Um den Übergang von der sprachlosen Urgesellschaft zur sprechenden Zivilisation erklären zu können, greift ROUSSEAU schließlich auf äußerliche klimatische Veränderungen oder auch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben und Vulkanausbrüche zurück, die eine komplexere Form der Gemeinschaft fordern als dies bei der Beschränkung auf die reine Befriedigung von Primärbedürfnissen der Fall ist. Im zweiten Teil des Discours de l’inégalité nimmt ROUSSEAU mit seiner Darstellung der Einführung des Eigentums die Verwendung der Sprache einfach als gegeben an. Der ĺ Missbrauch der Sprache wird für ihn das entscheidende Mittel für die Etablierung einer
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken oligarchischen Herrschaftsform, die ungleiche Macht- und Eigentumsverhältnisse durch euphemistischen Sprachgebrauch verschleiert und legitimiert. Freilich negiert ROUSSEAU im zweiten Teil des Discours de l’inégalité die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache keineswegs. Allerdings ermöglicht die Sprache für ihn nur die Existenz einer korrupten Zivilisation, deren Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) immer zugleich ein Missbrauch ist. Gegen ROUSSEAUs Negation der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache im ersten Teil des Discours de l’inégalité wenden sich Teilnehmer der Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache (1771), die den Menschen per se als ein soziales Wesen und als ein Sprachgeschöpf darstellen. So wendet sich etwa MAYET (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-664) gegen ROUSSEAUs Behauptung, dass der vergesellschaftete Zustand widernatürlich sei, da ROUSSEAU genau diesen Zustand im zweiten Teil seines Discours de l’inégalité als gegeben voraussetze. Zudem seien die natürlichen Fähigkeiten des Menschen ein Ausweis seiner Bestimmung zur Soziabilität. In einem anderen Manuskript (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665) wird die Kommunikation zwischen Sender und Hörer als reziprokes Ereignis dargestellt, von dem beide profitieren. Kommunikation dient der Vermeidung von Einsamkeit und Langeweile; sie verschafft zudem Amüsement und dient in jedem Fall der Befriedigung von Interessen der Gesprächspartner. Jede Art gegenseitigen Interesses setzt allerdings eine Gesellschaft voraus, in der diese Interessen verwirklicht werden können. Aufgrund ihrer gesellschaftskonstituierenden Funktion vermag Sprache den Austausch von Interessen und damit den Fortbestand der Gesellschaft zu gewährleisten. In einem Gedankenexperiment wird im Manuskript I-M-680 (Preisfrage 1771) ein Einsiedler auf einer Insel angenommen, der bedingt durch seine Isolation nur tierhafte Laute von sich geben, aber keine artikulierte Lautsprache entwickeln würde. Außerhalb der Gesellschaft verkümmerten die sprachlichen Fähigkeiten des Menschen. Zwar verfüge er von Natur aus über die Sprachfähigkeit, aber diese virtuelle Potenz könne nur in Gesellschaft
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache aktualisiert werden. Ein isolierter Mensch sei dagegen einem wilden Tier oder einem ‘wilden Kind’ (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) vergleichbar. Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache wird anhand von hypothetischen Isolationsexperimenten auch im Manuskript I-M-686 (Preisfrage 1771) ex negativo beschrieben. Auch hier werden Gesellschaft und Sprache als nicht voneinander trennbar dargestellt. Es wird zu Beginn der Sprachgenese eine Gesellschaft von 2–6 Personen beiderlei Geschlechts angenommen, die ihre wechselseitigen Empfindungen (Affecten) mit Hilfe von Lauten, die durch Imitation und Onomatopoiesis entstehen, zum Ausdruck bringen. Sprache wird auch von HERDER in seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772) als Medium der Kommunikation von Empfindungen aufgefasst. Durch das “Tönen der Empfindung” werden andere Menschen, die mit dem Sprecher in einer als natürlich gegebenen Relation der Sympathie und Harmonie angenommen werden, dazu veranlasst, ihren eigenen Gefühlen ebenfalls durch Töne Ausdruck zu verleihen. Die Konstituierung der Gemeinschaft wird für HERDER möglich durch die wechselseitige Aufeinanderbezogenheit im Zuhören. Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache realisiert sich zudem in der Überlieferung von Wissen und Sprache durch den elterlichen Erziehungsauftrag, der von Generation zu Generation weitergegeben wird und durch die gezielte Unterstützung des Spracherwerbs die Weitervermittlung und Weiterentwicklung der Sprache ermöglicht (ĺ Spracherwerb, ĺ Sprachveränderung). Entgegen der Vorstellung ROUSSEAUs, dass die Hauptlast der Spracherfindung auf dem bedürftigen Kind ruhe, nimmt HERDER an, dass vor allem die Mutter das Kind Sprache lehre und von natürlichem Instinkt und Mitleid geleitet werde (ĺ Ursprung). Gegen die im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitete Annahme einer gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache wendet sich MONBODDO (1773–1792), der in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich Kritik an der Sprach- und Gesellschaftstheorie ROUSSEAUs aus dem Discours de l’inégalité (1755) übt. Der geläufigen Vorstellung, dass der
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Mensch ein vernunftbegabtes Lebewesen (animal rationale) sei, schließt MONBODDO sich zwar an, da er selbst ‘wilden Kindern’ grundlegende Fähigkeiten der Ideenbildung zuspricht (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Problematisch erscheint ihm jedoch, den Menschen von Natur aus in einem hypothetischen Urzustand auch zu einem sprechenden Lebewesen, zum homo loquens oder zum speaking animal, zu machen, da dazu von Beginn an eine menschliche Gesellschaft existieren müsse. Zwar verfüge der Mensch des Urzustandes durchaus über Fähigkeiten der Ideenbildung, aber in Abwesenheit von Gesellschaft bestehe für ihn keine Möglichkeit, Sprache kommunikativ zu nutzen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Dem von ROUSSEAU aufgeworfenen Problem der Anteriorität von Sprache und Gesellschaft begegnet MONBODDO mit der Behauptung, dass bereits vor der Erfindung der Sprache eine sogar zivilisierte Gesellschaft existiert habe (ĺ Ursprung). Im Gegensatz zu ROUSSEAU spricht MONBODDO der Sprache keine gesellschaftskonstituierende Funktion zu, da er die Existenz einer funktionierenden sprachlosen Gesellschaft für möglich hält. Für die anthropologische Klassifizierung des Urmenschen beruft sich MONBODDO auf die aristotelische Definition des Menschen als Gesellschaftswesen (zoon politikon). Als Kriterium gesellschaftlichen Lebens benennt er das gemeinsame Zusammenleben und die gemeinschaftliche Ausführung von Tätigkeiten. Für die Herausbildung solcher Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens sei die Sprache jedoch nicht notwendig gewesen, wie MONBODDO anhand von Formen tierischen Zusammenlebens nachzuweisen versucht. Auch in Abwesenheit artikulierter Lautsprache verfügen die Tiere seiner Ansicht nach über ein effizientes Kommunikationssystem (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)), das die Aufrechterhaltung einer Gesellschaft gewährleistet. Als Möglichkeiten tierischer Verständigung dienen z. B. unartikulierte Schreie (inarticulate cries), die den Ausdruck von Gefühlen ermöglichen, ebenso wie imitatorische Lautbekundungen (imitative cries) oder Gesten, bei denen insbesondere das Mienenspiel Aufmerksamkeit verdiene (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Zoosemiotische
444 Systeme gewährleisten nach MONBODDOs Auffassung den Zusammenhalt des tierischen Sozialverbandes, da sie ein effizientes gemeinsames Handeln und die Bewältigung gemeinsamer Aufgaben implizieren und Tiere somit der aristotelischen Definition eines sozialen Lebewesens ebenso gerecht zu werden vermögen wie der Mensch. MONBODDO gesteht selbst dem Orang-Utan als aufrecht gehendem, sozial lebenden Wesen einen höheren Grad der Menschlichkeit (humanity) zu als isoliert lebenden, auf allen Vieren laufenden ‘wilden Kindern’, die überall in den Wäldern Europas gefunden wurden (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Gegen die gesellschaftskonstituierende Funktion der Lautsprache führt MONBODDO außerdem das Beispiel der Gebärdensprache der Gehörlosen an (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache), die auch in Abwesenheit einer artikulierten Lautsprache sozial leben, gemeinsam handeln und selbst leitende Funktionen wahrzunehmen vermögen. Durch die Verweise auf sozial lebende Tiere und die Effizienz der Taubstummenkommunikation glaubt MONBODDO, ROUSSEAUs Problem der Anteriorität von Sprache und Gesellschaft gelöst zu haben. MONBODDOs Negierung einer gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache ist jedoch vor allem als Auswuchs seiner Polemik gegen ROUSSEAUs Gesellschaftstheorie zu sehen und bildet im Rahmen neuzeitlicher Auffassungen von der Rolle der Sprache für die Bildung und Aufrechterhaltung von Gesellschaft einen Sonderfall. In der Regel wird Sprache in der Gelehrtendiskussion des 17. und 18. Jahrhunderts als Grundvoraussetzung für die Etablierung einer dauerhaften, funktionierenden Gesellschaft begriffen. So spielt sie etwa auch eine wesentliche Rolle in CONDORCETs Auffassung von Entstehung und Entwicklung des Fortschritts. Jede politische Institution beruhe auf Sprache, welche zuerst habe entwickelt werden müssen. Das entscheidende Medium für die Gewährleistung des menschlichen Fortschritts und die Perfektionierung der Gesellschaft ist für CONDORCET die ĺ Schrift. Er erachtet die Schrift als das einzige Mittel, welches den Fortbestand von Traditionen, ihre Fixierung sowie die Verbreitung und Über-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken lieferung von Erkenntnissen gewährleisten kann. Schrift wird mit ihrer Fähigkeit, Traditionen zu erhalten, zur Garantin der Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit gesellschaftlicher Strukturen. Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache lässt sich auch anhand der durch die Diversität der Einzelsprachen unterscheidbaren verschiedenen Nationen nachweisen. Als eindeutiges Distinktionskriterium für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation sieht HERVÁS Y PANDURO die Sprache des jeweiligen Volkes an. Sie ist für ihn ein noch klareres Kriterium als Charakteristika des äußerlichen Erscheinungsbildes. Damit erfüllt die Sprache eine wesentliche Rolle für die Konstituierung bestimmter Teile der Gesellschaft, die sich entsprechend ihrer Sprache zu unterschiedlichen Nationen zusammenschließen. Die durch die babylonische ĺ Sprachverwirrung erfolgte Diversifizierung der ĺ Ursprache lässt eine Vielfalt von Einzelsprachen entstehen. Nach Meinung von HERVÁS kann man die Genealogie von Einzelsprachen und Nationen bis zur Sprachverwirrung anhand der Sprachverwandtschaft rekonstruieren. Durch die Entstehung der postbabylonischen Einzelsprachen ist die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache für die Bildung der Nation ein wesentlicher Faktor. Die Konzeption von der Notwendigkeit der Sprache für die Gesellschaft lässt sich auch in der Sprachauffassung THIÉBAULTS nachweisen. Für THIÉBAULT ist der Mensch auf die Dienste der Gesellschaft angewiesen. Das Zusammenleben kann jedoch nur durch eine zu Beginn des gesellschaftlichen Zusammenschlusses institutionalisierte Sprache erfolgen. Konzeptionen von der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache im 18. Jahrhundert stehen in einer Vielzahl argumentativer Zusammenhänge. Sie sind z. B. eingebettet in Theorien vom ĺ Ursprung der Sprache. Falls ein göttlicher Sprachursprung angenommen wird (FRAIN DU TREMBLAY, BEAUZÉE, SÜSSMILCH), wird die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache oftmals im Kontext der ĺ Sprachverwirrung betrachtet, wobei Babel bis zu einem gewissen Grad als Einschränkung dieser gesellschaftskonstituierenden Funktion aufgefasst wird, da die Entstehung der Vielfalt der Sprachen und Völker
Gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache um den Preis des Verlustes der einheitlichen, einenden ĺ Ursprache erfolgt sei. Theorien, die einen natürlichen ĺ Ursprung der Sprache postulieren, stehen vor der Schwierigkeit, ĺ Konvention als ein wesentliches Charakteristikum der Sprache erklären zu müssen (ĺ Natürlichkeit, ĺ Wesen der Sprache). Vor allem die Problematik der zeitlichen Priorität von Sprache und Gesellschaft erweist sich dabei im Falle ROUSSEAUs als unlösbares Problem. Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache wird auch vielfach ex negativo durch Fälle defizitären Spracherwerbs beschrieben. So dienen etwa die Beispiele der Taubstummen, der ‘wilden Kinder’ oder auch der exotischen Völker zum Beleg der These, dass die relative oder vollständige Isolierung von artikulierter Lautsprache zum Ausschluss von der Gesellschaft bzw. zur Unfähigkeit zur sozialen Kontaktaufnahme führe (BEAUZÉE, BOUGEANT, CONDILLAC, ROUSSEAU, BUFFON, LOMONOSOV; ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Einen Sonderfall für den Beleg der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache stellen Kommunikationsformen der Tiere dar (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Sie zeigen, dass selbst sozial organisierte Tiere bestimmte Vokalisationen oder artspezifische Signalsysteme verwenden, um ihren Sozialverband aufrechtzuerhalten. Tierische Kommunikationssysteme werden etwa von LA METTRIE oder von PRIESTLEY als Indikatoren für die gesellschaftskonstituierende Funktion der artikulierten Lautsprache des Menschen gesehen. Dabei verhält sich der Grad der Ausbildung des Kommunikationssystems proportional zur Komplexität des Gesellschaftssystems. Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache wird im 18. Jahrhundert etwa von ROUSSEAU oder HELVÉTIUS aber auch im Kontext des Sprachmissbrauchs betrachtet (ĺ Missbrauch). Ebenso wie Sprache den gesellschaftlichen Zusammenhalt im positiven Sinne befördern kann, vermag sie, Partikularinteressen von Despoten und oligarchischen Cliquen zum Erfolg zu verhelfen und der Etablierung eines sozialen Gefälles zu dienen.
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IV. Die ‘gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache’ ist seit der Antike ein geläufiges Konzept sprachtheoretischer Reflexion. Schon in PLATONs Kratylos wird das Verhältnis zwischen Sprache und Gesellschaft insbesondere im Kontext sprachlicher ĺ Konvention thematisiert. Die Frage nach der Angemessenheit der Wörter wird anhand des Gegensatzes zwischen ĺ Natürlichkeit einerseits und ĺ Arbitrarität und Konvention andererseits diskutiert. Das Problem eines sprachlichen Gesetzgebers wird dabei ebenso aufgeworfen wie die Frage nach der Motiviertheit der Zeichen und der Etymologien (ĺ Etymologie). Dabei wird über die Rolle der Gesellschaft für die Etablierung von sprachlichen Zeichen und die Herstellung von Konvention gestritten. PLATON verweist auch auf die selektive Wirkung von Sprache, wenn sie etwa als Distinktionskriterium der Sprachkundigen gegenüber den Barbaren beschrieben wird, die als der Sprache nicht oder nur ansatzweise kundig dargestellt werden. Für die Diskussion des Verhältnisses zwischen Sprache und Gesellschaft, das reich an historischen, soziologischen, soziolinguistischen, anthropologischen, philosophischen und kulturwissenschaftlichen Implikationen ist, lässt sich Kontinuität von der Antike bis zur Gegenwart beanspruchen. Während es im Mittelalter vor allem die Bibelexegese und im Universitätswesen die Pflege der aristotelischen Disputationskultur ist, die die Sprache einerseits zu einem Medium der Teilhabe am göttlichen Heilsplan und andererseits zu einem Mittel akademischer Machtausübung und Distinktion einzelner Gruppierungen werden lässt, steht die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache in der Renaissance vor allem im Zentrum des Kampfes der Volkssprachen gegen die Vormachtstellung des Lateins (ĺ Apologie). Die Beherrschung des Lateinischen, das z. T. noch im 18. Jahrhundert als geläufige Gelehrtensprache verwendet wurde, erlaubte den Zugang zu akademischem Wissen nur einer speziellen Elite. In der Renaissance entstehen zusehends wissenschaftliche Traktate in der Volkssprache (z. B. chirurgische Abhandlungen von PARÉ, Beiträge zur Mathematik von FORCADEL, die Bibel-Übersetzung von LEFÈVRE D’ÉTAPLES),
446 die die Selektionsfunktion der lateinischen Gelehrtensprache allmählich untergraben. Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache spiegelt sich auch in der Anpassung der rhetorischen und konversationstheoretischen Schriften der Renaissance an eine auf Distinktion und Dissimulation orientierte Form der sprachlichen Selbstdarstellung des Individuums wider. Dabei erweist sich die stark von sprachlichen Ritualen und Gemeinplätzen geprägte höfische Gesellschaft als ein wichtiger Ort der elitären Realisierung der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache. Die für die höfisch geprägte Anstandsliteratur der Renaissance charakteristische Rhetorisierung der Konversation, die sich etwa in CASTIGLIONEs Il Cortegiano (1528), in DELLA CASAs Galateo (1558 postum) oder in GUAZZOs La civile conversazione (1574) vollzieht, lässt die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache ebenso erkennen wie die strategischen Hinweise für die Sprachverwendung im politischen Kontext in MACHIAVELLIs Il Principe (1513) oder in der gleichfalls auf Dissimulation orientierten Alltagssprache, für die später GRACIÁN im Oraculo manual y arte de prudencia (1647) Ratschläge erteilen wird. Im 17. Jahrhundert kulminiert die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache durch die große Bedeutung der sprachlichen Kodifizierung höfischaristokratischen Zusammenlebens. Die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache ist in der Renaissance aber auch im Kontext der Logosmystik eines PARACELSUS oder der kabbalistisch geprägten Signaturenlehre zu begreifen. Einzig vermittelt durch die Sprache, die den Schlüssel zu den im Wort Gottes verschlüsselten Wahrheiten enthält, werde die menschliche Teilhabe am göttlichen Heilsplan ermöglicht. Diese Vorstellung kulminierte im 17. Jahrhundert in der Pansophie-Lehre des COMENIUS, für den auch das Projekt einer ĺ Universalsprache ein zentrales Anliegen war, da es die Wiederherstellung der paradiesischen Einheit der Menschheit, ihre Vereinigung mit Gott und einen erleichterten gesellschaftlichen Austausch in allen praktischen, pädagogischen und politischen Dingen ermöglichen sollte. Gerade im angelsächsischen Raum stieß im 17. Jahrhundert die Konzeption einer ‘Uni-
I. Ontologie, Zeichen, Sprache und Denken versalsprache’ mit dem Ziel der, von BACON geforderten, Beseitigung der Unzulänglichkeiten natürlicher Verkehrssprachen auf besonderes Interesse. Die Vorstellung von der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache führte zur Utopie einer, allen Menschen gemeinsamen Universalsprache, der die Überwindung konfessioneller und weltlicher Konflikte ebenso zugetraut wurde wie die Herstellung größerer sozialer Gerechtigkeit. Damit wird die Sprache zu einem substantiellen Instrument gesellschaftlicher Transformationen. Mit der gesellschaftskonstituierenden Funktion der Sprache befasst sich im 20. Jahrhundert eine schier unüberschaubare Fülle von Disziplinen. Angefangen vom Strukturalismus SAUSSUREs und seiner Auffassung der Sprache als fait social über die ordinary language philosophy eines WITTGENSTEIN, für den die Sprache sich in der Performanz, in ihrem jeweiligen konversationellen ĺ Gebrauch vollzieht, zur anthropologischen Linguistik von SAPIR und WHORF, die die Zusammenhänge zwischen Sprache und Denken anhand von Untersuchungen an Hopi-Indianersprachen aufklären wollen, bis hin zu den Arbeiten der Soziolinguistik, Kommunikationslinguistik oder der Sprechakttheorie, nimmt eine Vielzahl geisteswissenschaftlicher Disziplinen die gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache gleichsam als unhintergehbare Prämisse ihrer Forschungen an.
V. AARSLEFF, Hans (1974): “The Tradition
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II. URSPRUNG, ENTSTEHUNG, ENTWICKLUNG Ursprung I. Lat. Institutio linguae; dt. Ursprung der Sprache, Entstehung der Sprache, Anfang einer Sprache, Spracherfindung, Erfindung der Sprache, menschliche Erfindung der Sprache, Sprache finden; Ursprünglichste der Sprache; Sprache des Ursprungs, höherer Ursprung, göttlicher Ursprung der Sprache, Göttlichkeit der Sprache, anerschaffene Sprache, göttliche Sprache, Menschen-Ursprung der Sprache, Menschlichkeit des Ursprungs der Sprache, Genesis der Sprache, Fortbildung einer Sprache; engl. invention of speech, invention of the art of speech, beginning of languages; frz. origine des langues, naïssance des langues, origine des mots, origine des noms, naissance, formation & perfection des langues; origine de l’usage de la parole, invention des langages, faculté de la parole, naissance, progrès & perfection des langues, progrès des langues, formation des langues; ital. origine delle lingue e delle lettere, le origini delle lingue, selvatica e primitiva origine; span. origen, progresos, pulimiento de las lenguas. II. (COMENIUS [1648] 1978: 18–19): 12. Nec aliter fieri debuit, qvàm ut Creaturarum dominio destinata Creatura, instrueretur & MENTE, ad sagaciter omnia speculandum; & LINGUA, ad omnia animi placita, deqve Rebus decreta, aliis communicandum; & deniqve MANU, aliisqve organicis membris, ad ipsa qvoqve decreta reipsâ exseqvendum. 13. Ita id esse factum, Hominémqve mox à creatione tribus illis adhibitum, sacra testatur historia. Producto enim ea fini Homine, ut Creaturis dominaretur (Genes. 1.28.) adducta Illi fuisse refert cuncta terræ Animalia, ut illa, primùm, VIDERET, (Genes. 2.19.) mox Nominibus suis APPELLARET (ibid.) tandemqve in Paradiso positus OPERARETUR, & custodiret illum (ibid. v. 15.) Ecce tria illa! Videre, Appellare, Operari! (COMENIUS [1648] 1978: 20): 23. Verè igitur Oculi nostri (Corporis & Animi) DEI sunt plasma; sed Contemplatio ipsa, opus no-
strum. Lingva nostra DEI machinamentum; sermo ipse, sic vel sic formatus, facinus nostrum. Manus nostræ, DEI fabrica; Opera manuum, laus nostra. (COMENIUS [1648] 1978: 36): 25. Observandum verò est, qvemadmodum Homines ex una stirpe prognati, & per diversa Mundi secula & climata disjecti, non ita moribus, colore, figuráqve & lineamentis, à se invicem abierunt, qvin certos characteres unius Sanguinis, communisque naturæ, retinuerint: ita Lingvas omnes ab una illa prisca Patriarcharum lingva venientes, non sic à se, & illa communi matrice abiisse, qvin cognationis vestigia qvædam referant omnes. […] Jam autem omnes istæ cardinales Europeæ manifestò radices suas ad Hebræam referunt: qvod nos forsan aliqvando (si volet DEUS) Lexicô qvinq; istarum harmonicô palàm faciemus. Ut paradoxon hoc tutò defendi posse confidam: Omnes Lingvas esse Lingvam unam, sed confusam. Aut (qvemadmodum nonnemo doctus Vir loqvi amat) omnes nos hactenùs Hebraicè loqvi, sed confusè. (BOUHOURS 1671: 109): Les langues ont leur naissance, leur progrés, leur perfection, & mesme leur decadence, comme les empires. (LAMY [1675] 1688: 3): [Cela] nous donne sujet d’admirer la sagesse de Dieu qui ayant donné l’usage de la parole aux hommes, pour exprimer leur differentes pensées, a voulu que la fecondité de la parole répondist à celle de leur esprit. (LAMY [1675] 1688: 58–59): […] aprés que les élemens eurent pris leur place dans l’Univers, & que les eaux se furent écoulées dans la mer; comme la terre qui étoit encore humide fut échauffée par la chaleur du Soleil, elle devint feconde, & produisit les hommes & les autres animaux. Que ces hommes qui étoient dispersez de côté & d’autre, apprirent par experience, qu’il leur étoit avantageux de vivre ensemble pour se défendre les uns les autres contre les bêtes: Que d’abord ils s’étoient servis de paroles confuses & grossieres, lesquel-
452 les ils polirent ensuite, & établirent des termes necessaires pour s’expliquer sur toutes les matieres qui se presentoient. Et qu’enfin comme les hommes n’étoient pas nez dans un seul coin de la terre; & que par consequent il s’étoit fait plusieurs sociétez differentes, dont chacune avoit formé son langage, de là il étoit arrivé que toutes les Nations ne parloient pas une même langue. (LOCKE [1690] 1894: III, I, 3): God, having designed man for a sociable creature, made him not only with an inclination, and under a necessity to have fellowship with those of his own kind, but furnished him also with language, which was to be the great instrument and common tie of society. Man, therefore, had by nature his organs so fashioned, as to be fit to frame articulate sounds, which we call words. But this was not enough to produce language […]. (LOCKE [1690] 1894: III, V, 53): I confess that, in the beginning of languages, it was necessary to have the idea before one gave it the name: and so it is still, where, making a new complex idea, one also, by giving it a new name, makes a new word. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 21–23): Chapitre III. Les Philosophes ont recherché l’origine des langues; mais la plûpart n’ont pas mieux réüssi dans cette recherche, que dans celle qu’ils ont faite de l’origine des hommes. Ce qu’en ont dit Epicure, Lucrece, Diodore de Sicile, Vitruve, & quelques autres ne peut estre regardé que comme une rêverie toute pure, & l’on ne sçauroit assez s’étonner, qu’il y ait aujourd’huy des personnes d’esprit, qui trouvent de la probabilité dans leur sentiment. Mais il est si ordinaire, que l’on approuve des pensées que l’on n’a jamais examinées. Voicy ce qu’on [sic] imaginé ces Philosophes. Ils ont crû que les hommes, soit qu’ils fussent les ouvrages du hazard, ou de quelque cause intelligente, d’abord ne parloient point; mais que se sentant avoir besoin les uns des autres, & voulant se communiquer leurs pensées & leurs volontez pour se faire donner les secours qu’ils desiroient; ils se servirent premierement de quelques gestes des mains, de la teste, des yeux, &c. comme de signes pour se faire entendre; & qu’enfin ayant senti de la facilité à mouvoir la langue en tout sens, ils
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung jugerent plus à propos de se servir de ces sons pour s’exprimer; & se composerent ainsi une langue dans la suite des temps. […] Mais il ne faut pas longtemps mediter sur cette pensée, pour estre persuadé que l’on n’en peut gueres avoir de moins solide, & qu’il auroit été impossible que les hommes fussent jamais parvenus à se faire une langue par cette voye: Car l’on ne sçauroit nous expliquer comment des hommes qui ne sçavent point encore parler, pourroient jamais convenir entr’eux des mots pour parler. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 23–24): Ceux qui sçavent une langue pourroient même en inventer une autre toute entiere par le moyen de celle qu’ils sçavent. Mais des hommes qui ne parleroient point encore, ne pourroient en aucune maniere déterminer les sons dont ils voudroient se servir pour parler. La parole est la voye par laquelle les hommes conviennent de tout; ils ne sçauroient donc convenir de la parole même sans la parole. Si l’on ne sçauroit faire de lunettes sans voir, l’on ne sçauroit non plus faire de langue sans parler. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 29–30): Chapitre IV. Nous n’avons pas besoin nous autres Chrétiens de grandes recherches pour trouver l’origine de toutes les langues; assurez que nous sommes que Dieu avoit créé l’homme avec toutes les perfections qui appartiennent à sa nature; nous ne devons pas douter que l’homme n’eust reçû de Dieu le don de la parole, & la parole même au moment de sa création: car si nous ne pouvons pas douter qu’il ne fust créé pour la societé, la parole étant le premier & le plus necessaire des liens de cette societé, il devoit avoir la faculté de parler dés le moment qu’il fût formé. (VICO [1744] 1953: 532–533): [431] Perché da questi princìpi: di concepir i primi uomini della gentilità l’idee delle cose per caratteri fantastici di sostanze animate, e, mutoli, di spiegarsi con atti o corpi ch’avessero naturali rapporti all’idee […], e sì spiegarsi con lingua che naturalmente significasse, che Platone e Giamblico dicevano essersi una volta parlata nel mondo […]: da questi pincìpi, diciamo, tutti i filosofi e tutti i filologici dovevan incominciar a trattare dell’origini delle lingue e delle lettere. Delle quali due cose, per natura, com’abbiam detto, congionte, han
Ursprung trattato divisamente, onde loro è riuscita tanto difficile la ricerca dell’origini delle lettere, ch’involgeva egual difficultà quanto quella delle lingue, delle quali essi o nulla o assai poco han curato. (VICO [1744] 1953: 533): [432] Sul cominciarne adunque il ragionamento, poniamo per primo principio quella filologica degnità: che gli egizi narravano, per tutta la scorsa del loro mondo innanzi, essersi parlate tre lingue, corrispondenti nel numero e nell’ordine alle tre età scorse pur innanzi nel loro mondo: degli dèi, degli eroi e degli uomini; e dicevano la prima lingua essere stata geroglifica o sia sagra ovvero divina; la seconda, simbolica o per segni o sia per imprese eroiche; la terza pistolare per comunicare i lontani tra loro i presenti bisogni della lor vita. (VICO [1744] 1953: 535–536): [434] Con queste cose tutte facciano il cumolo queste ultime tre incontrastate verità: la prima, che, dimostrato le prime nazioni gentili tutte essere state mutole ne’ loro incominciamenti, dovettero spiegarsi per atti o corpi che avessero naturali rapporti alle loro idee; la seconda, che con segni dovettero assicurarsi de’ confini de’ loro poderi ed avere perpetue testimonianze de’ lor diritti; la terza, che tutte si sono truovate usare monete. Tutte queste verità ne daranno qui le origini delle lingue e delle lettere e, quivi dentro, quelle de’ geroglifici, delle leggi, de’ nomi, dell’imprese gentilizie, delle medaglie, delle monete e della lingua e scrittura con la quale parlò e scrisse il primo diritto natural delle genti. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, II, 19–21): Or chacun peut éprouver par lui-même qu’il est naturel à la voix de varier ses inflexions, à proportion que les gestes le sont davantage. Plusieurs autres raisons confirment ma conjecture. Premièrement, quand les hommes commencèrent à articuler des sons, la rudesse des organes ne leur permit pas de le faire par des inflexions aussi foibles que les nôtres. En second lieu, nous pouvons remarquer que les inflexions sont si nécessaires, que nous avons quelque peine à comprendre ce qu’on nous lit sur un même ton. Si c’est assez pour nous que la voix se varie légèrement; c’est que notre esprit est fort exercé par le grand nombre d’idées que nous avons acquises, et par l’habitude où nous sommes de les lier à
453 des sons. Voilà ce qui manquoit aux hommes qui eurent les premiers l’usage de la parole. Leur esprit étoit dans toute sa grossiéreté; les notions aujourd’hui les plus communes étoient nouvelles pour eux. Ils ne pouvoient donc s’entendre qu’autant qu’ils conduisoient leurs voix par des dégrés fort distincts. Nousmêmes nous éprouvons que, moins une langue, dans laquelle on nous parle, nous est familière, plus on est obligé d’appuyer sur chaque syllabe, et de les distinguer d’une manière sensible. En troisième lieu, dans l’origine des langues, les hommes trouvant trop d’obstacles à imaginer de nouveaux mots, n’eurent pendant long-temps, pour exprimer les sentimens de l’ame, que les signes naturels ausquels ils donnèrent le caractère des signes d’institution. Or les cris naturels introduisent nécessairement l’usage des inflexions violentes; puisque différens sentimens ont pour signe le même son, varié sur différens tons. ah, par exemple, selon la manière dont il est prononcé, exprime l’admiration, la douleur, le plaisir, la tristesse, la joie, la crainte, le dégoût et presque tous les sentimens de l’ame. (MAUPERTUIS [1748] 1974: 259–260): I. Les signes par lesquels les hommes ont désigné leurs premieres idées ont tant d’influence sur toutes nos connoissances, que je crois que des recherches sur l’origine des Langues; & sur la maniere dont elles se sont formées, méritent autant d’attention, & peuvent être aussi utiles dans l’étude de la Philosophie que d’autres méthodes qui bâtissent souvent des systêmes sur des mots dont on n’a jamais approfondi le sens. (MAUPERTUIS [1748] 1974: 263–264): Puisque les Langues sont sorties de cette premiere simplicité, & qu’il n’y a peut-être plus au Monde de peuple assez sauvage pour nous instruire dans la recherche d’une vérité pure que chaque génération a obscurcie, & que d’un autre côté les premiers momens de mon existence ne sauroient me servir dans cette recherche; que j’ai perdu totalement le souvenir de mes premieres idées, de l’étonnement que me causa la vue des objets lorsque j’ouvris les yeux pour la premiere fois, & des premiers jugemens que je portai dans cet âge, où mon ame plus vuide d’idées m’auroit été plus facile à connoître qu’elle ne l’est aujourd’hui […] puisque, dis-je, je suis privé de ces mo-
454 yens de m’instruire, & que je suis obligé de recevoir une infinité d’expressions établies, ou du moins de m’en servir, tâchons d’en connoître le sens, la force & l’étendue: remontons à l’origine des Langues, & voyons par quels degrés elles se sont formées. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 547): Car il faut distinguer dans toutes les langues trois états par lesquels elles ont passé successivement au sortir de celui où elles n’étaient qu’un mélange confus de cris et de gestes, mélange qu’on pourroit appeler du nom de langage animal. Ces trois états sont l’état de naissance, celui de formation, et l’état de perfection. La langue naissante était un composé de mots et de gestes où les adjectifs, sans genre ni cas, et les verbes, sans conjugaisons ni régimes, conservaient partout la même terminaison. Dans la langue formée, il y avait des mots, des cas, des genres, des conjugaisons, des régimes, en un mot les signes oratoires nécessaires pour tout exprimer, mais il n’y avait que cela. Dans la langue perfectionnée, on a voulu de plus de l’harmonie, parce qu’on a cru qu’il ne serait pas inutile de flatter l’oreille en parlant à l’esprit. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 556): Si vous me demandez en quel temps l’hiéroglyphe syllabique s’est introduit dans le langage, si c’est une propriété du langage naissant, ou du langage formé, ou du langage perfectionné, je vous répondrai que les hommes, en instituant les premiers éléments de leur langue, ne suivirent, selon toute apparence, que le plus ou le moins de facilité qu’ils rencontrèrent dans la conformation des organes de la parole, pour prononcer certaines syllabes plutôt que d’autres; sans consulter le rapport que les éléments de leurs mots pouvaient avoir ou par leur quantité, ou par leurs sons, avec les qualités physiques des êtres qu’ils devaient désigner. Le son de la voyelle A se prononçant avec beaucoup de facilité, fut le premier employé, et on le modifia en mille manières différentes avant que de recourir à un autre son. La langue hébraïque vient à l’appui de cette conjecture. La plupart de ses mots ne sont que des modifications de la voyelle A […]. (PLUCHE 1751: 18): Il n’y a ni pays ni siècle où l’on n’ait remarqué qu’on voit tomber de tems en tems, des termes d’usage & des façons
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung de parler qui avoient cours; qu’on en mèt d’autres en leur place dont le sort devient ensuite le même; que de termes surannés semblent quelquefois reprendre vigueur pour rentrer de nouveau dans le néant, qu’enfin la condition des langues est d’éprouver de fréquentes révolutions. C’est un flux et un reflux continuel, mais ans uniformité & sans régle. (ROUSSEAU 1755: 31–33): Qu’il me soit permis de considérer un instant les embarras de l’origine des Langues. Je pourrais me contenter de citer ou de répéter ici les recherches que M. l’abbé de Condillac a faites sur cette matière, qui toutes confirment pleinement mon sentiment, & qui, peut-être, m’en ont donné la première idée. Mais la manière dont ce Philosophe résout les difficultés qu’il se fait à lui-même sur l’origine des signes institués, montrant qu’il a supposé ce que je mets en question, savoir une sorte de société déjà établie entre les inventeurs du langage, je crois en renvoyant à ses réflexions devoir y joindre les miennes pour exposer les mêmes difficultés dans le jour qui convient à mon sujet. La première qui se présente est d’imaginer comment elles purent devenir nécessaires; car les Hommes n’ayant nulle correspondance entre eux, ni aucun besoin d’en avoir, on ne conçoit ni la nécessité de cette invention, ni sa possibilité, si elle ne fût pas indispensable. Je dirois bien, comme beaucoup d’autres, que les Langues sont nées dans le commerce domestique des Peres, des Meres, & des Enfants: mais outre que cela ne résoudroit point les objections, ce seroit commettre la faute de ceux qui raisonnant sur l’Etat de Nature, y transportent les idées prises dans la Société, voyent toujours la famille rassemblée dans une même habitation, & ses membres gardant entre eux une union aussi intime & aussi permanente que parmi nous, où tant d’intérêts communs les réunissent; au lieu que dans cet état primitif, n’ayant ni Maison, ni Cabanes, ni propriété d’aucune espèce, chacun se logeait au hazard, & souvent pour une seule nuit; les mâles, & les femelles s’unissoient fortuitement selon la rencontre, l’occasion, & le désir, sans que la parole fût un interprète fort nécessaire des choses qu’ils avaient à se dire: ils se quittoient avec la même facilité. (ROUSSEAU 1755: 37): […] la parole paroît avoir été fort nécessaire, pour établir l’usage de la parole.
Ursprung (ROUSSEAU 1755: 42): Quant à moi, effrayé des difficultés qui se multiplient, & convaincu de l’impossibilité presque démontrée que les langues aient pû naître et s’établir par des moyens purement humains, je laisse à qui voudra l’entreprendre la discussion de ce difficile Problême, lequel a été le plus nécessaire, de la Société déjà liée, à l’institution des langues, ou des langues déjà inventées, à l’établissement de la Société. (ROUSSEAU 1755: 75–76): […] & l’on peut conjecturer encore comment diverses causes particulières purent étendre le langage, & en accélérer le progrès en le rendant plus nécessaire. De grandes inondations ou des tremblements de terre environnérent d’eaux ou de précipices des cantons habités; des révolutions du globe détachérent et coupérent en Iles des portions du continent. On conçoit qu’entre les hommes ainsi rapprochés, & forcés de vivre ensemble, il dut se former un Idiome commun plutôt qu’entre ceux qui erroient librement dans les forêts de la terre ferme. (MICHAELIS 1760: 78): Ueberhaupt verdienen die Sprachen einen besondern Theil der Philosophie, zu dem man erst das einzelne entdecken muß, ehe man an ein System gedencken darf. Es scheint, die Academie lege den Grund dazu, und werde die Ehre und das Verdienst haben, die Gelehrsamkeit damit zu bereichern. Möchte doch die Frage dereinst Ihrer Aufmercksamkeit und Ermunterungen würdig scheinen: wie eine Sprache zuerst unter Menschen, die vorhin keine Sprache gehabt haben, entstehen, und nach und nach zu der jetzigen Vollkommenheit und Ausarbeitung gelangen würde? Diese Frage würde einen großen Einfluß in die dismahlige Aufgabe haben, ich habe aber das mit Bedacht überschlagen, was aus ihr geborget werden müßte, weil es mich zu weit führen würde. (PRIESTLEY [1762] 1971: 25–26): It must likewise be considered that the pronunciation of those rude ages, being used chiefly to express very strong apprehensions, must have been peculiarly loud, and distinct: besides, like children when they first learn a language, or men who are not perfectly masters of a new one, they would be obliged to speak very slow, both to favour the slowness of their own inventions, and recollections, and also to
455 make themselves understood by others who were not more perfect in the use of language than themselves. These circumstances would afford them a much fairer opportunity of observing the different position of the organs, and distinguishing the several articulations of speech than the present method of pronunciation affords us. (PRIESTLEY [1762] 1971: 29): To these let me add another observation, which is, that the imperfection of all alphabets, the Hebrew by no means excepted, seems to argue them not to have been the product of divine skill, but the result of such a concurrence of accident and gradual improvement as all human arts, and what we call inventions, owe their birth to. (PRIESTLEY [1762] 1971: 237–238): THE first attempts towards speech must have been automatic sounds, excited by particular circumstances, and little more than inarticulate expressions of fear, grief, joy, surprize, &c. consequently men would at first speak very loud and strong. (BERGIER 1764: 16–17): § 5. Les dictions radicales sont les mêmes dans toutes les langues. Lorsque j’ai dit qu’on peut étudier les élémens primitifs dans les différens dialectes des langues de l’Orient, je n’ai pas prétendu qu’il fut absolument nécessaire de les déterrer si loin. Les premiers hommes ont porté vraisemblablement partout le premier jargon qu’ils avoient formé pour leur usage, & qu’ils ont appris à leurs enfans. Ce langage aussi ancien que le monde, ces termes originaux doivent donc se retrouver chez tous les peuples, & les racines de la langue Hébraïque doivent être aussi les racines de toutes les langues de l’Univers. (DE BROSSES 1765: I, 3): Le but principal de ce Traité est d’examiner le matériel de la parole, ce grand appanage de l’humanité, qui contribue à éléver l´homme au-dessus des autres animaux, au même dégré qu’il a plû au Créateur, de douer l’espece humaine par-dessus toute autre de cette importante faculté naturelle. (DE BROSSES 1765: I, 13–14): Je dis donc que s’il y a certaines expressions qui se développent reguliérement les premieres, dès que la faculté de parler commence à se mettre
456 en exercice; que si ces expressions se retrouvent essentiellement les mêmes chez les peuples des quatres angles de la terre, il en faudra conclure qu’elles sont natives au genre humain; nécessairement résultantes de la structure physique de l’organe vocal, & du produit de son plus simple exercice. (DE BROSSES 1765: II, 5–6): Nous avons cydevant reconnu qu’il y a certains premiers principes méchaniques & nécessaires de la formation du langage, conformes à la construction organiques de l’instrument vocal, tel qu’il a été donné à l’homme par la nature. Tout naîtra sans doute de ce premier état des choses. Mais jusques-là le langage est encore bien foible, & ne contient que très-peu d’expressions. Attachons-nous à présent à examiner son développement & ses progrès, depuis cette enfance primitive, qu’on peut appeller le vagissement de la nature, jusqu’à son enfance un peu plus raisonnée, jusqu’à son adolescence, sa maturité & sa dissolution. Ici la simple méchanique des organes ne suffit plus pour nous guider. Il faut recourir à l’observation des faits & des procédés connus, dans lesquels nous sçavons qu’il entre beaucoup de petits élémens arbitraires. (DE BROSSES 1765: II, 31): Dans la formation des langues […] les mots n’étant pas faits que pour l’oreille, devoient s’adresser directement & plus sensiblement à l’organe, & y réveiller l’image physique de la chose qu’ils désignoient. Mais lorsque l’écriture a fixé les signes, le matériel des sons étoit déja altéré, & l’analogie précieuse du mot avec l’objet s’étoit détruite à proportion que les langues s’étoient éloignées de leur origine. (Encyclopédie, Artikel Langage, JAUCOURT, 1765: IX, 242): Dès que l’homme se sentit entraîné par goût, par besoin & par plaisir à l’union de ses semblables, il lui étoit nécessaire de développer son ame à un autre, & lui en communiquer les situations. Après avoir essayé plusieurs sortes d’expressions, il s’en tint à la plus naturelle, la plus utile & la plus étendue, celle de l’organe de la voix. Il étoit aisé d’en faire usage en toute occasion, à chaque instant, & sans autre peine que celle de se donner des mouvemens de respiration, si doux à l’existence. A juger des choses par leur nature, dit M. Warburthon, on n’hésiteroit pas d’adopter l’o-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung pinion de Diodore de Sicile, & autres anciens philosophes, qui pensoient que les premiers hommes ont vécu pendant un tems dans les bois & les cavernes à la maniere des bêtes, n’articulant comme elles que des sons confus & indéterminés, jusqu’à ce que s’étant reunis pour leurs besoins réciproques, il soient arrivés par degrés & à la longue, à former des sons plus distincts & plus variés par le moyen de signes ou de marques arbitraires, dont ils convinrent, afin que celui qui parloit pût exprimer les idées qu’il desiroit communiquer aux autres. (Encyclopédie, Artikel Langage, JAUCOURT, 1765: IX, 242): Cette origine du langage est si naturelle, qu’un pere de l’Eglise, Grégoire de Nicée, & Richard Simon, prêtre de l’Oratoire, ont travaillé tous les deux à la confirmer; mais la révélation devoit les instruire que Dieu lui-même enseigna le langage aux hommes, & ce n’est qu’en qualité de philosophe que l’auteur des Connoissances humaines a ingénieusement exposé comment le langage a pu se former par des moyens naturels. D’ailleurs, quoique Dieu ait enseigné le langage, il ne seroit pas raisonnable de supposer que ce langage se soit étendu au-delà des nécessités actuelles de l’homme, & que cet homme n’ait pas eu par lui-même la capacité de l’étendre, de l’enrichir, & de le perfectionner. L’expérience journaliere nous apprend le contraire. Ainsi le premier langage des peuples, comme le prouvent les monumens de l’antiquité, étoit nécessairement fort stérile & fort borné: en sorte que les hommes se trouvoient perpétuellement dans l’embarras, à chaque nouvelle idée & à chaque cas un peu extraordinaire, de se faire entendre les uns aux autres. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 251): Le premier langage de l’homme, le langage le plus universel, le plus énergique, & le seul dont il eut besoin avant qu’il fallût persuader des hommes assemblés, est le cri de la nature. Comme ce cri n’étoit arraché que par une sorte d’instinct dans les occasions pressantes, pour implorer du secours dans les grands dangers ou du soulagement dans les maux violens, il n’étoit pas d’un grand usage dans le cours ordinaire de la vie où regnent des sentimens plus modérés. Quand les idées des hommes commencerent à s’étendre & à
Ursprung se multiplier, & qu’il s’établit entre eux une communication plus étroite, ils chercherent des signes plus nombreux & un langage plus étendu: ils multiplierent les inflexions de la voix, & y joignirent les gestes, qui, par leur nature, sont plus expressifs, & dont le sens dépend moins d’une détermination antérieure. Ils exprimoient donc les objets visibles & mobiles par des gestes; & ceux qui frappent l’ouie par des sons imitatifs: mais comme le geste n’indique guere que les objets présens ou faciles à décrire, & les actions visibles; qu’il n’est pas d’un usage universel, puisque l’obscurité ou l’interposition d’un corps le rendent inutile, & qu’il exige l’attention plutôt qu’il ne l’excite; on s’avisa enfin de lui substituer les articulations de la voix, qui, sans avoir le même rapport avec certaines idées, sont plus propres à les représenter toutes, comme signes institués; substitution qui ne peut se faire que d’un commun consentement, & d’une maniere assez difficile à pratiquer pour des hommes dont les organes grossiers n’avoient encore aucun exercice, & plus difficile encore à concevoir en elle-même, puisque cet accord unanime dut être motivé, & que la parole paroît avoir été fort nécessaire pour établir l’usage de la parole. (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: III, II, De la Signification des mots, 283): Sans parler d’une infinité d’autres semblables appellations qui prouvent qu’il y a quelque chose de naturel dans l’origine des mots qui marque un rapport entre les choses et les sons et mouvemens des organes de la voix […]. (SÜSSMILCH [1766] 1998: Vorrede, 5a): Die Sprache, oder der Gebrauch der lautbaren Zeichen ist ein Werk des Verstandes und zwar eines sehr grossen und vollkommenen Verstandes, der alle Zwecke übersehen und der das ganze Sprachgebäude nach selbigen einrichten können, welches aus der Vollkommenheit und Ordnung der Sprache unleugbar erhellet. Folglich hat derjenige, welcher die Sprache gebildet hat, sich schon im Gebrauch der Vernunft befinden müssen. Könnte der Mensch für den Erfinder angenommen werden, so müsste er sich schon vor der Erfindung der Sprache in dem Gebrauch einer Sprache befunden haben, der Mensch müsste ohne Sprache klug und vernünftig gewesen seyn, welches doch als unmöglich erwiesen
457 ist. Daher bleibt uns nichts als der göttliche Verstand übrig. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 7–8): Die Griechen und Römer glaubten mit den Egyptiern, daß die Menschen aus dem Leim der Erde, so wie die Mäuse aus dem Schlamm des Nilus, von selbst hervorgewachsen, und daß die Sprache, dieses grosse Meisterstück des Verstandes, von den ersten wilden Menschen nach und nach durch einen ohngefähren Zufall entstanden. Ihre Meinung, so wie wir sie beym Diodor von Sicilien, bey dem Vitruvius, Lucretius, Horatius und andern finden, bestehet kürzlich darinn, 1) daß die Menschen anfänglich ein wüstes, unordentliches und blos thierisches Leben geführet und sich mit wohlschmeckenden Kräutern, wie die Thiere, ernähret. Daß sie 2) in solchem zustand stumm und ohne Sprache gewesen. Horatius nennet sie daher mutum et turpe pecus, ein stummes und verächtliches Vieh. Nachdem sie sich aber 3) aus Unsicherheit vor andern Thieren zusammen begeben und angefangen sich durch Zeichen und Geberden ihre Noth zu erkennen zu geben, so wären sie endlich auf die Töne und Laute gekommen. […] Wenn es möglich, eine Zeit anzunehmen, da die ersten Menschen keine Sprache gehabt, so haben sie Recht und es ist sodann unmöglich, sich vom Menschen einen andern begriff, als von einem Thiere, zu machen. Aber es ist sodann auch unmöglich zu begreiffen, wie das menschliche Thier eine so ordentliche und künstliche Sprache von selbst, ohne allen verstand, blos von Ohngefehr, habe können hervorbringen. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 16): Auch die Sprachen der uncultivirtesten Völker haben ihre Regeln der Vollkommenheit und Ordnung. Und also folget nothwendig, daß ihre Erfindung und Bildung ein Werk der Vernunft und einer klugen Wahl seyn müsse. Hat nun aber die Vernunft nothwendig Anteil haben, und alles nach Gründen und Regeln bestimmen sollen, so haben sich die ersten Erfinder nothwendig im vollkommenen Gebrauch der Vernunft bereits müssen befunden haben, sie haben müssen reflectiren, abstrahiren und rationiren können. Dieses aber kann der Mensch nicht ohne den Gebrauch der Zeichen, der Sprache und der Schrift, folglich hat auch der Mensch nichts zur Bildung des künstlichsten Meisterstücks des menschlichen
458 Verstandes beytragen können; oder man müßte es für möglich halten, und auch die Möglichkeit gründlich darthun, daß ein kindischer Verstand das vollkommenste, ordentlichste und künstlichste Gebäude aufführen könnte, welches wohl kein Mensch zugeben wird. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 17): Ist es also unmöglich, daß weder der Zufall noch der Mensch selbst der Urheber und Schöpfer der Sprache hat seyn können, so werden wir gezwungen, den ersten Ursprung derselben, ausser dem Menschen und in einem höhern und verständigern Wesen zu suchen. Es bleibt keine Ausflucht möglich und wir müssen zum Preise Gottes bekennen, daß unser Schöpfer auch der Lehrmeister der Sprache gewesen und daß er uns derselben Gebrauch und Fertigkeit gleich im Anfang durch ein Wunderwerk mitgetheilt habe. (BECCARIA [1770–1809] 1984: 188): XVI. Del principio generale per lo studio dello stile. Chiunque non ignora che la materia prima, per così dire, della quale le lingue sono tessute, per quanto or lontane ci sembrino da questa selvaggia e primitiva origine, sono li diversi gridi naturali espressi dalle impressioni de’ differenti oggetti, e le più facili imitazioni, sia col gesto, sia col suono articolato, delle qualità di uesti oggetti medesimi, conoscerà ancora ad evidenza che l’idea qualunque di un oggetto ha dovuto precedere l’uso del segno, sia naturale, sia artificiale, che lo esprime. (BECCARIA [1770–1809] 1984: 188–189: Fra le nazioni abbandonate alla naturale loro perfettibilità ed al lento sviluppamento delle loro facoltà, non accelerato da straordinarie circostanze, non si è tostamente posto il segno ad un oggetto, avuta che si ebbe l’idea di quello, ma ad una quantità di oggetti, benché diversi moltissimo tra di loro. […] Di più dovette certamente passar gran tempo, e grandi rivolgimenti di bisogni e di vicissitudini fisiche e morali, avanti che questi diversi segni si connettessero tra di loro, cosicché l’uno richiamasse l’altro […]. (BECCARIA [1770–1809] 1984: 193–194): Ecco dunque le tre epoche principali del rapporto che hanno avuto le idee degli uomini con ciascuna lingua che essi parlano o hanno
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung parlato: più idee che parole, e queste poco connesse tra di loro; secondo, egual numero di idee ed egual numero di parole immediatamente richiamanti le idee, e proporzionatamente connesse tra di loro; terzo, numero di parole maggior del numero delle idee richiamate da quelle, e queste parole più connesse tra di loro, di quello che lo siano le idee tra di loro. […] Il primo stato è lo stato selvaggio e primitivo delle nazioni: essendovi più idee che segni rappresentatori, e questi difficilmente richiamandosi tra di loro, l’imaginazione ha sempre di bisogno della presenza dell’oggetto, ossia della sensazione reale, per essere fortemente commossa: […] quindi le belle arti e tutta la poesia e la pittura di queste nazioni non possono consistere che in una sorte di danza imitativa, ossia in un ballo pantomimico, nel quale si sforzano di eseguir realmente e per trattenimento ciocché per bisogno, per necessità e per passione sogliono fare di più forte e di più interessante. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 8): Je vais fixer *a priori* quelques principes généraux que j’expliquerai successivement, et par lesquels je rendrai raison de l’origine des langues: je répondrai ensuite aux objections qui ont été faites à ceux qui ont hazardé leurs idées sur cette matière. 1. Tout langage suppose une société. 2. La première société a été celle de l’homme et de la femme. 3. Le besoin a fait naitre les langages. 4. Le premier langage a été imitatif. 5. Tous les hommes n’ont pas eu dans les commencements le même langage. 6. La société civile est née du langage. 7. Il s’est fait dans les langues un double changement, celui des sons & celui des idées. 8. L’Imagination a changé les idées attachées aux sons. 9. La disposition des organes a changé les sons attachés aux idées. 10. Le hazard & l’étude ont eu part à l’un & à l’autre de ces changements. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-668: 5): Puisque rien dans l’Ecriture Sainte ne peut faire soupçonner article de foi l’origine de l’usage de la parole; il est donc permis à la Metaphisique de le rechercher et de le desi-
Ursprung gner. S’il est en Son pouvoir d’en donner des preuves Sensibles. La premiere consequence qu’on peut tirer d’apres toutes les Réligions existantes, est que Dieu aïant créé l’homme, lui aïant donné le pouvoir et même la necessité de Se communiquer avec Son Semblable, l’aïant doüé de la faculté dela parole et de celles qu’il lui faut pour en faire usage, lui aïant en même tems laissé la liberté et le choix de la manière, il peut, et il doit inventer. mais puisqu’il m’est permis apresent de mettre mon sujet dans son vrai jour passons à des preuves plus developées. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-672: 27– 28): Woher entsteht aber nun dieser durch alle bisher gemachten Versuche bestätigte Mangel der Sprachfähigkeit? Liegt die Ursache davon in einem uns unbekanten Fehler der innern Organisation, oder in einer unüberwindlichen Schwäche desjenigen Wesens, was man Seele nennt. Hier giebt die Erfahrung keine allgemeine Entscheidung. Bey denjenigen Thieren, welche die Kinder zu der Zeit, wo sie zuerst articulirte Töne hören laßen, in allen Stüken sowohl an erworbenen Fähigkeiten als an sinnlichen Reflexionen und Schlüßen übertreffen, scheint das erste statt zu finden. Ihre Organen sind nicht biegsam genug, um eine der menschlichen ähnliche articulirte Sprache hervorzubringen. Bey Papageyen und andern geflügelten Geschöpfen fällt dieses Hinderniß weg, und doch sind sie niemahls im Stande, die uns so leicht scheinende Verknüpfung zwischen Begriff und Wort zu machen. Ich weis nicht, ob diese Schwierigkeit nicht vielleicht daher kommt, daß man sie gemeiniglich complexe sittliche Wörter aussprechen lehrt, und im Gegentheil nicht solche Ausdrüke wählt, die blos sinnliche aus Sensationen zurükgebliebene Bilder anzeigen. Am wahrscheinlichsten ist es, daß sie durch eine ursprüngliche Schwäche ihrer Seele gehindert werden, die scheinbaren Vortheile ihrer Organisation zu nutzen. Aus allen diesen Erfahrungen folgt, daß das unvollkommenste Kind von dem listigsten Thiere wesentlich unterschieden sey, nicht durch das, was es ist, sondern durch das, was es ohne übernatürliche Mittel werden kann.
459 Ohne diese Sprachfähigkeit müste man manchen erwachsenen und unerwachsenen Menschen unter die Klaße der Affen, und nach erfolgter Ausbildung über sie setzen. ([SOAVE 1771] I-M-666: 3): Id ergo primo certissimum, Hominem unicum, ac solitarium nullam plane linguam instituere posse. ([SOAVE 1771] I-M-666: 64): Ex venatica igitur ad pastoralem vitam transibunt. Pastores porro diutius simul vivere, ac consuescere possunt. Eorum praeterea munus plenum illis, perfectumque otium sinit. Qua igitur potissimum re tempus fallant? Colludendo simul, ac colloquendo. Ex hac perpetua exercitatione nemo non videt quantum jam incrementi eorum lingua capere possit. At etiam canere incipient; otium enim, atque tranquillitas nemo ignorat quam facilé ad cantum invitent. Principio aves canendo imitari aggredientur; tum ipsi liberius vocem inflectere; musica deinde saltatio quoque, ac chorea accedet; postremo non voces dumtaxat indistincté modulari, sed verba etiam aliqua canendo proferre assuescent. Sic cum musica, choreaque poesis etiam originem habebit. (HERDER [1772] 1978a: 103–104): Condillac, weiß man, gab durch seine hohle Erklärung von Entstehung der Sprache Gelegenheit, daß Rousseau in unserm Jahrhundert die Frage nach seiner Art in Schwung brachte, d. i. bezweifelte. Gegen Condillacs Erklärung Zweifel zu finden, war eben kein Rousseau nötig; nur aber deswegen sogleich alle menschliche Möglichkeit der Spracherfindung zu leugnen – dazu gehörte freilich etwas Rousseauscher Schwung oder Sprung, wie man’s nennen will. Weil Condillac die Sache schlecht erklärt hatte – ob sie also auch gar nicht erklärt werden könne? Weil aus Schällen der Empfindung nimmermehr eine menschliche Sprache wird, folgt daraus, daß sie nirgend anderswoher hat werden können? Daß es nur würklich dieser verdeckte Trugschluß sei, der Rousseau verführet, zeigt offenbar sein eigner Plan: “Wie, wenn doch allenfalls Sprache hätte menschlich entstehen sollen, wie sie hätte entstehen müssen?” Er fängt wie sein Vorgänger mit dem Geschrei der Natur an, aus dem die menschliche Sprache werde. Ich sehe nie, wie sie daraus geworden wäre, und wundre mich, daß der
460 Scharfsinn eines Rousseau sie einen Augenblick daraus habe können werden lassen. (HERDER [1772] 1978a: 115): Der Mensch, in den Zustand von Besonnenheit gesetzt, der ihm eigen ist, und diese Besonnenheit (Reflexion) zum erstenmal frei würkend, hat Sprache erfunden. Denn was ist Reflexion? Was ist Sprache? Diese Besonnenheit ist ihm charakteristisch eigen und seiner Gattung wesentlich, so auch Sprache und eigne Erfindung der Sprache. (HERDER [1772] 1978a: 118–119): Der gründlichste, der ausführlichste Verteidiger des göttlichen Ursprunges der Sprache wird eben, weil er durch die Oberfläche drang, die nur die andern berühren, fast ein Verteidiger des wahren menschlichen Ursprunges. Er ist unmittelbar am Rande des Beweises stehengeblieben, und sein Haupteinwurf, bloß etwas richtiger erkläret, wird Einwurf gegen ihn selbst und Beweis von seinem Gegenteile, der Menschenmöglichkeit der Sprache. Er will bewiesen haben, daß der Gebrauch der Sprache zum Gebrauch der Vernunft notwendig sei. Hätte er das, so wüßte ich nicht, was anders damit bewiesen wäre, als das, da der Gebrauch der Vernunft dem Menschen natürlich sei, der Gebrauch der Sprache es ebenso sein müßte. Zum Unglück aber hat er seinen Satz nicht bewiesen. Er hat bloß mit vieler Mühe dargetan, daß so viel feine, verflochtne Handlungen, als Aufmerksamkeit, Reflexion, Abstraktion usw., nicht füglich ohne Zeichen geschehen können, auf die sich die Seele stütze. (HERDER [1772] 1978a: 123): Die ganze Rousseausche Hypothese von Ungleichheit der Menschen ist bekannterweise auf solche Fälle der Abartung gebauet, und seine Zweifel gegen die Menschlichkeit der Sprache betreffen entweder falsche Ursprungsarten oder die beregte Schwürigkeit, daß schon Vernunft zur Spracherfindung gehört hätte. Im ersten Fall haben sie recht, im zweiten sind sie widerlegt und lassen sich ja aus Rousseaus Munde selbst widerlegen. Sein Phantom, der Naturmensch, dieses entartete Geschöpf, das er auf der einen Seite mit der Vernunftfähigkeit abspeiset, wird auf der andern mit der Perfektibilität, und zwar mit ihr als Charaktereigenschaft, und zwar mit ihr in so hohem Grade, belehnet, daß er dadurch von allen Tiergattungen lernen könne. Und was hat nun
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Rousseau ihm nicht zugestanden! Mehr als wir wollen und brauchen! (HERDER [1772] 1978a: 144–145): […] Empfindungen eines rohen Menschen. Man sieht sein Bedürfnis, sich auszudrücken, so deutlich, man sieht’s in immer größerm Maß, je weiter die Idee vom Gefühl und Ton in der Empfindung weg lag, daß man nicht mehr an der Menschlichkeit des Ursprungs der Sprache zweifeln darf. Denn wie wollen die Verfechter einer andern Entstehung diese Durchwebung der Ideen in den Wurzeln der Wörter erklären? War Gott so ideen- und wortarm, daß er zu dergleichen verwirrendem Wortgebrauch seine Zuflucht nehmen mußte? Oder war er so sehr Liebhaber von Hyperbolen, ungereimten Metaphern, daß er diesen Geist bis in die Grundwurzeln seiner Sprache prägte? (HERDER [1772] 1978a: 162): […] so ist die Genesis der Sprache ein so inneres Dringnis wie der Drang des Embryons zur Geburt bei dem Moment seiner Reife. Die ganze Natur stürmt auf den Menschen, um seine Sinne zu entwicklen, bis er Mensch sei. Und wie von diesem Zustande die Sprache anfängt, so ist die ganze Kette von Zuständen in der menschlichen Seele von der Art, daß jeder die Sprache fortbildet. (HERDER [1772] 1978a: 199): Ein höherer Ursprung hat nichts für sich, selbst nicht das Zeugnis der morgenländischen Schrift, auf die er sich beruft; denn diese gibt offenbar der Sprache einen menschlichen Anfang durch Namennennung der Tiere. Die menschliche Erfindung hat alles für und durchaus nichts gegen sich: Wesen der menschlichen Seele und Element der Sprache, Analogie des menschlichen Geschlechts und Analogie der Fortgänge der Sprache – das große Beispiel aller Völker, Zeiten und Teile der Welt! (TETENS 1772: 24–25): Wenn die Menschen in eine Gesellschaft vereiniget waren, die unter sich zusammenhält, das Geschlecht fortpflanzet, und ihre Kinder aufziehet, so war auch der Gebrauch der Stimme, seine Empfindungen und sein Verlangen andern anzuzeigen, ganz natürlich. Fähigkeit und Anlage in dem Körper war vorhanden. Schreyen, Winseln und andere Töne, sind mechanische Ausdrücke des Schmerzens, der Begierden und der Thätigkeiten. Bedürfnisse und Anlässe, seines Gleichen durch Töne zu
Ursprung sich zu rufen, finden sich in Menge bey dem Menschen, wie bey einer jeden andern Thierart. Dazu sind unsere eigene mechanische natürliche Töne denen ähnlich, die andere Thiere von sich geben. Wenn man also diese letztere nachmachte, so könnte der Gebrauch unserer eigenen dadurch befördert werden. Auf diese Art könnte ein Anfang einer Sprache entstehen, nämlich ein Gebrauch der Stimme, um Empfindungen und Begierden durch natürliche Töne zu erkennen zu geben. Dies ist noch ein bloße Thier-Sprache, und ihre Wörter, wenn man anders diese Töne so nennen will, waren unarticulirt, nur Anzeigen der Empfindungen und Begierden, nur blos natürliche Töne. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, I, XIV, 171–172): We are now to descend from those high speculations concerning ideas which constitute the form of language, to sounds, which are the matter of it. And though I may have failed in my endeavours to convince the reader, that the operation of abstracting the perceptions of sense, and forming of them generals and universals, (for as to ideas of reflection I think there can be no doubt), is not performed by any natural instinct, but has arisen, like the arts that are founded upon it, from experience and observation, and by use has been formed into habit; I cannot doubt but that I shall convince every one who will think it worth his while to read what follows, that articulation is altogether the work of art, at least of a habit acquired by custom and exercise, and that we are truly by nature the mutum pecus that Horace makes us to be. This I think I am able to prove, both from theory and facts. (ROUSSEAU [1781] 1968: 35–37): Ceci me fait penser que si nous n’avions jamais eu que des besoins physiques, nous aurions fort bien pû ne parler jamais et nous entendre parfaitement par la seule langue du geste. Nous aurions pû établir des sociétés peu différentes de ce qu’elles sont aujourd’hui, ou qui même auroient marché mieux à leur but: nous aurions pu institüer des loix, choisir des chefs, inventer des arts, établir le commerce, et faire en un mot presque autant de choses que nous en faisons par le secours de la parole. (ROUSSEAU [1781] 1968: 43): De cela seul il suit avec evidence que l’origine des langues
461 n’est point düe aux prémiers besoins des hommes; il seroit absurde que de la cause qui les écarte vint le moyen qui les unit. D’où peut donc venir cette origine? Des besoins moraux, des passions. Toutes les passions rapprochent les hommes que la necessité de chercher à vivre force à se fuir. Ce n’est ni la faim ni la soif, mais l’amour la haine la pitié la colére qui leur ont arraché les prémiéres voix. (BEATTIE [1788] 1968: 96): If, then, there ever was a time, when all mankind were, as the Epicureans supposed, mutum et turpe pecus, a dumb and brutal race of animals, all mankind must, in the ordinary course of things, have continued dumb to this day. – For, first, to such animals speech could not be necessary; as they are supposed to have existed for ages without it: and it is not to be imagined, that dumb and beastly savages would ever think of contriving unnecessary arts, whereof they had no example in the world around them. (BEATTIE [1788] 1968: 100–101): Other absurdities in this account of the origin of society I may possibly touch upon hereafter. At present I would only observe, that speech could not have been invented in the way here described. For to animals in this state of brutality I have already remarked, that language could not be needful: and it is hardly to be supposed, that dumb and beastly creatures would apply themselves to the cultivation of unnecessary arts, which they had never felt any inconvenience from the want of, and which had never been attempted by other animals. To which I may add, what is clear from some of the preceding observations, that Speech, if invented at all, must have been invented, either by children, who were incapable of invention; or by men, who were incapable of speech. And therefore reason, as well as history, intimates, that mankind in all ages must have been speaking animals; the young having constantly acquired this art by imitating those who were elder. And we may warrantably suppose, that our first parents must have received it by immediate inspiration. (BEATTIE [1788] 1968: 315–316): It has been said, that interjections are the remains of those barbarous cries, by which (according to the Epicurean system) the first men expressed their feelings, before the invention of the art of speech. But I deny, that Speech is an art, in
462 this sense of the word. I cannot conceive, how a set of mute, savage, and beastly creatures should on a sudden commence philosophers, and form themselves into an academy, or meet together in a large cave, in order to contrive a system of words, which, without being able to speak themselves, they afterwards taught their dumb and barbarous brethren to articulate. Orpheus, performing at a publick concert, for the entertainment of lions, tygers, and other wild beasts of quality; or Amphion making the stones and trees dance of the sound of his harp, till, after many awkward bounces and caperings, they at last took their seats, in the form of towns and castles, are in my judgment as reasonable suppositions. It admits of proof, from the nature of the thing, as well as from history, that men in all ages must have been speaking animals; that the young learned the art by imitating their elders; and that our first parents must have spoken by immediate inspiration. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 12–13): Les autres langages par signes, sont en général des moyens de communication trop imparfaits et trop incomplets, pour satisfaire à tous ces besoins; vérité sensible et frappante, qui nous autorise à douter que J. J. Rousseau ait été de bonne-foi, ou se soit entendu lui-même, lorsqu’il a dit que c’étoient nos passions et non pas nos besoins, qui nous avoient rendu les langues nécessaires; en effet, à quelle passion pourroit arriver celui qui n’auroit aucun besoin? ou quelle passion est plus active, plus impérieuse, et plus puissante que les vrais besoins, lorsqu’ils sont fréquents et absolus, ou extrêmes? Rousseau a donc été plus paradoxal que philosophe, lors-qu’il a traité de l’origine des langues, et des moyens de les former. Eh, la nature ne nous a-t-elle pas pourvus de tous les organes nécessaires à l’acte de la parole? Et nos besoins ne provoquent-ils pas 1’emploi et le développement de ces organes? Et à quel propos irions-nous chercher ailleurs les véritables causes des langues! l’homme parlera indubitablement dès qu’il aura un compagnon: l’homme seul est déjà forcé de parler; la vivacité et la force des impressions qu’il reçoit, des besoins qu’il éprouve, et des passions qui l’agitent en conséquence, lui en font une loi irrésistible! l’enfant pleure et ébauche des sons, avant de sa-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung voir si d’autres personnes entourent son berceau, ou s’il peut en être entendu! le Sauvage ému, irrité, blessé, ou effrayé, crie dans les déserts! Eh comment ne produirions-nous pas la parole au dehors? Nous l’avons au-dedans de nous, dès que nous entendons! car il y a entre la langue et 1’oreille, une correspondance naturelle, une influence certaine, quoique peu observée ou inconnue, qui nécessite l’action de l’une en conséquence de l’action de l’autre. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 16–17): En réunissant toutes les observations qui précedent, on voit donc que c’est la nature plus que l’art, qui doit nous guider dans la formation des langues: on voit que c’est dans l’action même des organes de la voix devenus plus sensiblement mobiles, qu’elle nous fait chercher les mots dont nous avons besoin; que c’est à la suite de ces premières dispositions, et en s’y conformant autant qu’il en est besoin, que 1°. puisant la désignation des choses dans les choses elles-mêmes, la nature nous fait prendre dans chacun de ces organes, les expressions propres à peindre les idées dont ils sont eux-mêmes les objets: 2°. que c’est également elle qui nous fournit les mots destinés à nous retracer des êtres bruyants, en nous portant à imiter le bruit particulier à ces mêmes êtres; et 3°. que c’est elle encore qui, par une autre sorte d’imitation moins sensible, mais cependant très-réelle, nous porte à faire prendre aux organes de la voix, autant que celà est praticable, la figure des choses que 1’on veut désigner; ce qui nous donne des sons creux pour les objets creux, des sons rudes pour les objets qui ont une rudesse remarquable, des sons doux pour ceux dont la douceur nous flatte, des sons lents et lourds, ou coulants et légers, pour ceux où nous découvrons ces dernières qualités, etc. (DENINA 1804: V-VI): D’un autre côté la connoissance approfondie des mêmes langues, l’analyse, l’étymologie des mots, sert infiniment à débrouiller le cahos de l’antiquité et l’histoire des nations, et nous donne souvent des notions distinctes, justes, et précises de leurs moeurs, de leurs usages, de la forme particulière, et même de l’esprit de leur gouvernement. La langue grecque, la latine et l’ancienne teutonique ou gothique, dont nous avons parlé dans le précédent volume, nous
Ursprung en offrent un grand nombre; et les modernes, dont nous allons parler, n’en fourniront pas moins. La françoise particulièrement nous prouvera qu’une foule de termes sont venus de la chasse, de la vie agricole, de la guerre et de l’esprit de galanterie dominant dans les tems qu’on nomme moyen age. Un coup d’oeil que nous jetterons sur les titres des dignités et des charges généralement d’usage dans nos langues modernes, en nous indiquant la valeur propre du mot radical nous fera connoître ou nous rappellera leur institution, leur destination primitive. (CALLEJA 1818: 2): Esta es la historia en compendio de todas las lenguas, su origen ha nacido de la necesidad, sus progresos son debidos á la multiplicacion de estas mismas necesidades, y su pulimiento y cultura á la ilustración que los hombres han adquirido.
III.
1. Zur besonderen Spezifik des Begriffs ‘Ursprung der Sprache’ Der Begriff ‘Ursprung der Sprache’ wird in den Traktaten des 17. und 18. Jahrhunderts oft im Kontext weitreichender anthropologischer und erkenntnistheoretischer Überlegungen zum Wesen des Menschen, zur Relation zwischen Sprache und Denken sowie zur Relation zwischen Sprache und Gesellschaft verwendet. Die Diskussion des Sprachursprungs erhält insbesondere im 18. Jahrhundert Impulse aus einer Vielzahl verschiedener Disziplinen, welche die Problematik unter jeweils unterschiedlicher Akzentuierung behandeln. Sprachtheoretische und philosophische Einlassungen stehen neben anthropologischen, gesellschaftstheoretischen, politischen, biologischen, medizinischen, philologischen, ästhetischen und poetologischen Auseinandersetzungen mit dem Thema (ĺ kognitive Funktion der Sprache, ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Die Komplexität dieser Argumentationsebenen bringt es jedoch mit sich, dass der Ursprung der Sprache nicht definitorisch bestimmt, sondern in einem weit gefassten philosophischen Argumentationsrahmen verankert wird. Ferner treten zahlreiche Überlegungen zum ‘Ursprung der Sprache’ auf, bei denen die Bezeichnung Ursprung überhaupt nicht fällt.
463 Wenngleich der Ursprung der Sprache in der Regel thematisch und nicht begrifflich beschrieben wird, so ist er doch ein konstitutiver Bestandteil sprachtheoretischer und sprachphilosophischer Reflexionen der Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts. Im Zuge der Thematisierung des Ursprungs der Sprache werden auch oftmals Überlegungen zu ihrer weiteren Entwicklung (ĺ Sprachveränderung), zur Entwicklung der ĺ Ursprache oder konkreter Einzelsprachen bis zu deren Perfektionierung und schließlich zu ihrer ĺ Korruption angeschlossen. Bei der Betrachtung des Ursprungs wird der Blick zugleich auf die Weiterentwicklung, die Vervollkommnung und den Niedergang der Sprache bzw. der Sprachen gerichtet. Dieses Bestreben entspricht dem Bedürfnis, aus dem ahistorischen Zustand des Ursprungs in die Geschichtlichkeit, in die historische Dimension der Einzelsprachen vorzudringen. Konstitutiv für die Betrachtung des Begriffes ‘Ursprung der Sprache’ ist zudem die Unterscheidung zwischen dem Ursprung der Sprache und dem Ursprung der Sprachfähigkeit. Je nachdem, ob die Möglichkeit eines menschlichen oder eines göttlichen Sprachursprungs angenommen wird, wird dem Menschen, nicht zuletzt unter dem Einfluss des Genesisberichts von der Benennung der Tiere (nominatio rerum) durch Adam, entweder die Sprache als ein vollständiges Ganzes von Anbeginn an zugesprochen oder man geht von der Annahme aus, dass der Mensch zu diesem Zeitpunkt nur über die grundsätzliche Fähigkeit verfügt habe, mittels seiner psychischen und geistigen Grunddispositionen Sprache zu erfinden. Ein insbesondere von CONDILLAC verwandter Ansatz, den Ursprung der Sprache zu erklären, beruht auf einer genetischen Sprachursprungskonzeption, nach der Sprache und Denken im Verlaufe der Menschheitsgeschichte gemeinsam entstanden sind und sich in einem Prozess gegenseitiger Wechselwirkung weiterentwickelt haben. Reflexionen des 17. und 18. Jahrhunderts über den Sprachursprung nehmen also entweder einen göttlichen Ursprung an, sehen Sprache als eine Schöpfung des mit voller Denkfähigkeit ausgestatteten Menschen oder betonen die Wechselseitigkeit der Entstehung von Sprache und Denken. Bereits im 17. Jahrhun-
464 dert war etwa für den Begründer der historischen Bibelkritik, SIMON, oder für den Naturrechtslehrer PUFENDORF der biblische Genesisbericht nicht mit EPIKURs Erklärung des Sprachursprungs als Produkt elementarer menschlicher Bedürfnisse in Einklang zu bringen. Zugleich wirft die durch DESCARTES’ Discours de la méthode angeregte Diskussion um die Natur des Menschen im Gegensatz zum Tier und seine Stellung im Reiche des Lebendigen die Frage nach dem Sprachursprung auf (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Im 18. Jahrhundert erreichte die Frage nach dem Ursprung der Sprache dann ihren Höhepunkt als eine der Kernfragen der philosophisch-anthropologischen Diskussionen der Zeit. Neben dem Bedürfnis, den Ursprung der Sprache im Zuge einer säkularisierten Konzeption des Menschen als eine menschliche Erfindung aufzufassen, wie dies etwa in der Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache (1771) gefordert wurde, trat ein Bemühen um eine “Resakralisierung” dieser Frage in Erscheinung, das sich z. B. in der Sprachauffassung BEAUZÉEs artikulierte. 2. Göttlicher vs. Menschlicher Ursprung der Sprache 2.1. Göttlicher Sprachursprung Im 17. Jahrhundert, aber teilweise auch noch im 18. Jahrhundert wird von einigen Autoren wie etwa COMENIUS, FRAIN DU TREMBLAY, BEAUZÉE, FORMEY oder SÜSSMILCH in Übereinstimmung mit dem biblischen Schöpfungsmythos ein göttlicher Ursprung der Sprache vertreten. So sieht COMENIUS die menschliche Sprache als Gotteswerk an (DEI machinamentum). Gott habe die Menschen mit Geist, Zunge und Hand (Mens, Lingua, Manus) versehen, in der Absicht, dass sie diese göttlichen Geschenke zur Ausbildung und Perfektionierung von Sprache nutzen sollten. Als Zeugin dieses Aktes könne auch die Erfindung der ĺ Schrift herangezogen werden. COMENIUS’ Auffassung vom Ursprung der Sprache ist allerdings im Zusammenhang seiner pädagogischen und didaktischen Bemühungen zu sehen. Im Einklang mit seinen pädagogischen Intentionen beschreibt COMENIUS die biblische Erzählung von der Benennung der Dinge durch Adam
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung (nominatio rerum) als eine Herausforderung an den menschlichen Geist, eine Nomenklatur zu ersinnen, mit deren Hilfe er sich seine Umgebung erschließen könne. Gott habe Adam von Beginn an keineswegs eine perfekte Sprache verliehen (ipsa etiam prima Hominis in paradiso Lingva non prorsùs, & ex toto, DEI opus fuit), sondern Adam und dessen Nachkommen mit der weiteren Verfeinerung und Entwicklung der Sprache beauftragt. Alle Sprachen der Welt gingen jedoch auf diesen einen Ursprung zurück. Für COMENIUS ist die adamitische Ursprache die ĺ Ursprache der Menschheit, von der alle anderen Sprachen abstammen (ita Lingvas omnes ab una illa prisca Patriarcharum lingva venientes). Alle europäischen Sprachen ließen sich in ihren Wurzelwörtern auf die hebräische Sprache zurückführen und alle Sprachen seien nichts als durch die babylonische ĺ Sprachverwirrung entstandene Abarten der hebräischen Ursprache (Omnes Lingvas esse Lingvam unam, sed confusam). COMENIUS vertritt somit einen explizit monogenetischen Ursprung der Sprache. Sprache ist für ihn ein göttliches Geschenk, das zugleich den Auftrag an den Menschen mit einschließt, dieses Geschenk zu perfektionieren. Gegen die schon in der Frühaufklärung manifeste Tendenz einer säkularisierten Interpretation des Sprachursprungs wendet sich auch FRAIN DU TREMBLAY in seinem Traité des langues. Die Sprache ist für FRAIN DU TREMBLAY ein göttliches Geschenk, da der Mensch ein Sprachgeschöpf sei, das zu Beginn der Menschheitsgeschichte nur von Gott die Sprache erhalten haben konnte, weil der Mensch von sich aus als noch sprachloses Wesen keinerlei ĺ Konvention zur Institutionalisierung der artikulierten Lautsprache hätte vereinbaren können. Es sei ebenso unmöglich für sprachlose Menschen, Sprache zu erfinden, wie Brillen herzustellen, ohne sehen zu können. Dieses Problem der Konventionalisierung der Sprache veranlasst ROUSSEAU in seinem Discours de l’inégalité (1755), vor der Sprachursprungsfrage zu kapitulieren, um sie anderen zu überlassen. ROUSSEAUs selbst eingestandene Unfähigkeit, das Problem der Anteriorität von Sprache und Gesellschaft zu lösen, veranlasst in der Folge BEAUZÉE, ROUSSEAU als einen Verfechter des göttli-
Ursprung chen Sprachursprungs zu vereinnahmen. BEAUZÉE sieht in seinem Encyclopédie-Artikel Langue die göttliche Schöpfung der Sprache als einzige Lösung der Ursprungsfrage an und steht damit in unmittelbarem Gegensatz zu JAUCOURT, der im Artikel Langage in Anknüpfung an CONDILLAC einen menschlichen Sprachursprung postuliert. Zwar nimmt BEAUZÉE an, dass die ersten Menschen die sehr unvollkommene und raue ĺ Ursprache der Menschheit perfektioniert hätten, aber die Erfindung der Sprache könne nur ein Werk Gottes gewesen sein. Eine übernatürliche Eingebung der Sprache an die ersten Menschen vertritt auch SÜSSMILCH, dessen Argumentation sich im Wesentlichen darauf gründet, dass die Sprache ein zu vollkommenes Kunstwerk sei, als dass sie von Menschen hätte erfunden werden können (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Für SÜSSMILCH kann das Problem der Anteriorität von Sprache und Denken nur gelöst werden, wenn man Gott mit seinem “großen und vollkommenen Verstand” zum Urheber der menschlichen Sprache erklärt. Der erste Mensch hingegen habe nicht über die erforderliche Verstandeskraft verfügt, um ein so kompliziertes und vollkommenes Gebilde wie die Sprache zu erschaffen. Aus diesem Grunde verwirft SÜSSMILCH auch die epikureischen Erklärungsversuche zum Sprachursprung, die von SIMON und in dessen Gefolge von weiteren Vertretern eines menschlichen Sprachursprungs angeführt wurden. Die epikureische Ursprungstheorie kann für SÜSSMILCH nicht aufrechterhalten werden. Nach Auffassung von EPIKUR, LUKREZ und HORAZ habe der Urmensch ein tierähnliches Dasein gefristet (mutum et turpe pecus), wobei ihn seine Not zur Erfindung einer Lautsprache gezwungen hätte. Nach SÜSSMILCHs Meinung könne man einem solchen tierhaften Geschöpf jedoch die Erfindung der Sprache nicht zusprechen, da diese seine intellektuellen Fähigkeiten weit übersteige. Typisch für SÜSSMILCHs Argumentation ist sein positives Bild von der Sprache. Ein erkenntnistheoretischer Skeptizismus wie ihn etwa LOCKE gegenüber der imperfection of words demonstriert, ist ihm fremd. Vielmehr will SÜSSMILCH sogar in den Sprachen unkultivierter Völker Zeugnisse der Vollkommen-
465 heit und Regelhaftigkeit erkennen, obwohl gerade die Sprachen exotischer Völker in den sprachtheoretischen Reflexionen des 18. Jahrhunderts als Topos angeführt werden, wenn es um die Unvollkommenheit von Sprache und kulturell bedingte rückständige Formen des Spracherwerbs geht (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel; ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). SÜSSMILCHs Kritik an der epikureischen Konzeption des Ursprungs der Sprache beruht im Wesentlichen darauf, dass es für die nach dieser Auffassung als tierähnliche Geschöpfe gezeichneten Urmenschen keine Motivation gibt, plötzlich mit einer artikulierten Lautsprache zu kommunizieren, die ihre intellektuellen Fähigkeiten weit übersteigen dürfte. Mit diesem Argument weist z. B. auch BEATTIE die epikureische Sprachursprungskonzeption zurück. BEATTIE beruft sich zusätzlich auf den Prozess des menschlichen Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb), den er als einen Prozess der Imitation von Sprachmodellen der Elterngeneration durch die Kinder begreift. Die ersten Menschen, denen ein elterliches Modell fehlte, könnten die Sprache nur durch unmittelbare Inspiration (immediate inspiration) erhalten haben. Die ĺ Ursprache der Menschheit war nach Auffassung BEATTIEs im Gegensatz zur Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung der Einzelsprachen nicht das Produkt menschlicher Erfindungsgabe und Imitation, sondern konnte nur durch eine göttliche Eingebung entstanden sein. Einen göttlichen Ursprung vertrat auch der Sekretär der Berliner Akademie der Wissenschaften, FORMEY. Er entwickelte seine Position maßgeblich aus der Ablehnung sensualistischer Sprachursprungstheorien, wie sie etwa von CONDILLAC, MAUPERTUIS und ROUSSEAU vorgebracht worden waren. FORMEYs Schrift Réunion des principaux moyens pour découvrir l’origine du langage, des idées et des connaissances de l’homme (1759) ist im Kontext der schon zu diesem Zeitpunkt an der Berliner Akademie diskutierten Frage nach dem Sprachursprung zu sehen. Einen wichtigen Anstoß hatte die Diskussion durch MAUPERTUIS’ Réflexions philosophiques sur l’origine des langues et la signification des mots (1748) erhalten. Im Jahre 1759 hatte der Gewinner der Berliner Preis-
466 frage nach dem wechselseitigen Einfluss der Meinungen und der Sprache eines Volkes, MICHAELIS, die Behandlung des Sprachursprungs im Rahmen einer Preisfrage den Berliner Juroren selbst empfohlen. Für 1771 stellte die Berliner Akademie dann auch die Preisfrage, ob Menschen, ihren natürlichen Fähigkeiten überlassen, imstande wären, eine Sprache zu erfinden. Gegen diese säkularisierte Sicht des Menschen wendet sich FORMEY, der die Möglichkeit eines menschlichen Sprachursprungs verneint. Zwar schlägt FORMEY ein Gedankenexperiment im Stile des ägyptischen Königs PSAMMETICHOS vor, bei dem Kinder von allen sprachlichen Einflüssen isoliert aufwachsen sollten, aber er verwirft ein derartiges Experiment zugleich wieder aufgrund seiner Überzeugung, dass diese Geschöpfe für immer in einem tierhaften Zustand (animalité) verbleiben würden. Die Durchführung solcher hypothetischen Experimente im Stile des PSAMMETICHOS ist typisch für Theorien des 18. Jahrhunderts, die Modelle der Sprachgenese vorführen. Grundlegend ist dabei die Annahme, dass der historisch uneinholbare Zustand der Sprachentstehung am besten durch den Rekurs auf depravierte Individuen simuliert werden kann, die entweder aus sozialen, physischen oder kulturellen Gründen nicht oder nur in sehr rudimentärer Form über Sprache verfügen (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). 2.2. Menschlicher Sprachursprung: Psychogenetische Erklärungsmodelle des Sprachursprungs Sowohl durch den Rationalismus eines DESCARTES, der den Menschen als privilegiertes Wesen betrachtete, welches durch seine intellektuellen Potenzen zum Herren über die Tiere bestimmt sei (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)), als auch durch den Sensualismus CONDILLACs ergaben sich Möglichkeiten, die Sprache als Menschenwerk zu interpretieren. CONDILLACs Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746) ist mit seiner psychogenetischen Erklärung des Sprachursprungs und seinem Entwurf eines geschichtlichen Menschenbildes ein wichtiger Referenztext für Theorien, die einen menschlichen Ursprung vertreten. Die Besonderheit von CONDILLACs Auffassung des Ursprungs der
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Sprache besteht darin, dass er den Zeichen eine zentrale Rolle für den Übergang von der sinnlichen Erkenntnis zum abstrakten Denken zuweist (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Während LOCKE die Bedeutung des Ursprungs der Sprache für die Entstehung des Denkens noch nicht erkannt und den Menschen als ein gesellschaftliches Geschöpf gesehen hatte, dem Gott eine Sprache verliehen habe, stand für CONDILLAC die Entwicklung von Zeichen durch den Menschen als die Möglichkeit des Eintritts in eine historische Entwicklungsdimension im Mittelpunkt seiner Überlegungen zum Ursprung des Menschen, seiner Kultur und seiner Sprache. CONDILLACs Erklärung des Ursprungs der Sprache beruht auf einem Gedankenexperiment mit einem Kinderpaar von Kindern beiderlei Geschlechts, die er nach der Sintflut von aller Zivilisation abgeschieden in einer Wüste aufwachsen lässt (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). In CONDILLACs Rekonstruktionsversuch ist Sprache das alleinige Werk des Menschen, der aufgrund seiner Fähigkeit, Sinnesempfindungen durch Zeichen zu analysieren und diese Zeichen miteinander zu kombinieren, in der Lage ist, Sprache zu entwickeln. Die Entstehung und Weiterentwicklung der Sprache (ĺ Sprachveränderung) verdankt sich in CONDILLACs Ansatz einem langen Prozess der Wechselwirkung zwischen Sinnesempfindungen und Zeichen. Grundlage der artikulierten Lautsprache ist für CONDILLAC zu Beginn der Menschheitsgeschichte eine Aktionssprache (langage d’action), die aus Gesten und rudimentären Lauten bestand (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) und eine elementare Form der Fixierung von Denkinhalten gestattete (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die allmählich einsetzende intentionale Verwendung von Gesten ermöglichte eine Überwindung rein instinktiver Handlungsformen. Aufgrund der wachsenden Komplexität der Bedürfnisse der Urmenschen wurde die Aktionssprache von der artikulierten Lautsprache und ihren arbiträren Zeichen abgelöst (ĺ Arbitrarität), ohne jedoch ganz verloren zu gehen. Als Relikt blieb diese Gestensprache in der menschlichen Kommunikation fortbestehen und eröffnete die Grundlage für die Ent-
Ursprung stehung darstellerischer, musikalischer und tänzerischer Ausdrucksformen. In den Anfängen orientierte sich die artikulierte Lautsprache noch stark an der Aktionssprache, was insbesondere an Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion), ĺ Prosodie und Flexion deutlich war. Erst die Weiterentwicklung kommunikativer und kognitiver Fähigkeiten, die aufgrund der komplexer werdenden Zeichen vonstattengehen konnte, ermöglichte den Eintritt des Menschen in seine Geschichtlichkeit. Erst durch die bewusste Verwendung immer komplexerer Zeichen konnte ein Lernprozess in Gang gesetzt werden, der die Akkumulation von Wissen und die Übergabe dieses Wissens an die folgenden Generationen ermöglichte. Sprache, Denken und Gesellschaft sind nach Auffassung CONDILLACs das Werk des Menschen, der sich in einem kontinuierlichen Prozess geschichtlicher Weiterentwicklung befindet. Der Sprachursprung ist für CONDILLACs genetischen Erklärungsansatz entscheidend, da er die Grundvoraussetzung für die Geschichtlichkeit des Menschen und die Entfaltung seines Menschseins darstellt. Die sensualistische Sprachursprungshypothese CONDILLACs erfuhr eine sozialkritische Radikalisierung in ROUSSEAUs Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes (1755). ROUSSEAU übernimmt von CONDILLAC dessen Hypothesen zur Rolle der Sprache für die Denkentwicklung und für die Entstehung menschlicher Zivilisation (ĺ kognitive Funktion der Sprache, ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). Im Gegensatz zu CONDILLAC, der den Übergang der Menschheit vom Naturzustand zum Kulturzustand als eine harmonische kontinuierliche Entwicklung auf der Grundlage der wachsenden Komplexität der Zeichen beschreibt, betont ROUSSEAU gerade diskontinuierliche und problematische Elemente der Entwicklung der Zivilisation. Der Geschichtsverlauf ist für ROUSSEAU durch soziale Ungerechtigkeiten gekennzeichnet, welche die Deformation der Sprache und der Gesellschaft hervorrufen. Mit der Entstehung des Eigentums und weiterer Begriffe der Moral und der Macht wird für ROUSSEAU der Boden für die gesellschaftliche Ungleichheit bereitet. In der Entstehung der Sprache ist somit zugleich die
467 Möglichkeit ihres Missbrauchs angelegt (ĺ Missbrauch). Die sprachliche und historische Relativität der Begriffe von Moral und Macht veranlasst ROUSSEAU, sich gegen ihre naturrechtliche Legitimierung zu positionieren. ROUSSEAU stellt in seinem Discours vor allem eine Hypothese zur Weiterentwicklung der Sprache auf (ĺ Sprachveränderung), nachdem er seine Unfähigkeit eingestanden hat, eine Erklärung des Sprachursprungs zu liefern. Im Einklang mit der epikureischen Ursprungstheorie sieht auch ROUSSEAU den Menschen im Naturzustand als tierähnliches, vagabundierendes Geschöpf, das auf seine Primärbedürfnisse reduziert erscheint und eigentlich keine Veranlassung hätte, Sprache zu erfinden. ROUSSEAU ist paradoxerweise darum bemüht, Hindernisse aufzutürmen, die den Ursprung der Sprache vereiteln. Eine entscheidende Schwierigkeit sieht ROUSSEAU ebenso wie vorher schon FRAIN DU TREMBLAY in der Etablierung einer ĺ Konvention ohne die Existenz einer Sprache, die doch notwendig zur Begründung sprachlicher Konventionen wäre. Da ROUSSEAU keine Möglichkeit findet, den Ursprung der Sprache im Naturzustand zu motivieren, verlagert er ihn in eine geschichtliche Zeit. Sprache ist für ihn ebenso wie die soziale Ungleichheit das Ergebnis kollektiver Grenzerfahrungen mit Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Erdbeben, die einen Zusammenschluss der zuvor solitär lebenden Individuen erzwingen. Der ĺ Missbrauch der Sprache im Zuge der Institutionalisierung des Eigentums ist für ROUSSEAU das Mittel der Zementierung sozialer Ungleichheit schlechthin. Vor diesem Hintergrund sieht er den Ursprung der Sprache als kritisches Phänomen, das die Zerstörung des im Gegensatz zur Zivilisation unkorrupten Naturzustandes begründet habe. ROUSSEAUs kritische Vision der Entstehung von Sprache und Gesellschaft im Discours hat ihn zur Zielscheibe zahlreicher Autoren werden lassen, darunter HERDER, SOAVE oder BEAUZÉE. ROUSSEAUs Konzept des ‘Ursprungs der Sprache’ lässt sich jedoch nicht auf seine kritische Position im Discours reduzieren. So bewegt sich seine Einschätzung zwischen der im Discours vorgetragenen gesellschaftskriti-
468 schen Konzeption einerseits und der in seinem postum erschienenen Essai sur l’origine des langues (1781) dargelegten affektiven Herangehensweise, die auf einer Analogie zwischen Sprechen und Gesang beruht, andererseits. Im Essai ist die ĺ Ursprache für ROUSSEAU nicht nur die Sprache sozialer Auseinandersetzungen und Divergenzen, sondern sie wird zugleich in einer explizit affektiven Herangehensweise als Gesang beschrieben. Der Ursprung der Sprache liegt nach dieser Darstellung in einem Goldenen Zeitalter, da die Gesanglichkeit der Sprache Ausdruck einer reinen Expressivität ist, die noch frei ist von den rationalistischen Ansprüchen der Zivilisation. Die Ursprache der Menschheit als Gesang entzieht sich für ROUSSEAU dem Diktat der ratio, welches durch den Verschriftungsprozess (ĺ Schrift) im weiteren Verlauf der Geschichte die affektiven Charakteristika der Sprache in den Hintergrund drängt. Die Konzeption des ‘Ursprungs der Sprache’ in ROUSSEAUs Essai ist wesentlich komplexer als im Discours, da im Essai ein polygenetischer Ursprung der Sprache vertreten wird, der im Einklang mit der Klimatheorie zwischen einem Sprachursprung bei den Völkern des Südens und bei den Völkern des Nordens unterscheidet. Während die harten Winter die Völker des Nordens veranlassten, sich zusammenzutun und einander zu helfen, hätte die Wassersuche im Süden die Völker zusammengeführt. An den Brunnen des Südens hätten sich die ersten Leidenschaften in der Sprache ihren Weg gebahnt. ROUSSEAU stellt den Gegensatz zwischen Völkern des Nordens und des Südens dichotomisch mit Hilfe eines Wortspiels dar. So sei das erste Wort der Völker des Nordens Aidez-moi (‘Helft mir!’) gewesen, und das erste Wort der Völker des Südens habe Aimez-moi! (‘Liebt mich!’) geheißen. ROUSSEAUs Überlegungen zum Ursprung der Sprache sind jedoch zu komplex, um sie einfach auf derartige Dichotomien zu reduzieren. Im Gegensatz zur Monogenese der Sprache, die ROUSSEAU im Discours vertritt, wird im Essai ein polygenetischer Sprachursprung angenommen, der seine Existenz unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen und damit auch divergierenden Primärbedürfnissen verdankt. Durch die größere Komplexität des
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Sprachursprungs im Essai wird der Sprache aber auch eine größere Vielfalt an Funktionen zugesprochen: Sprache kann zwar weiterhin als Instrument der Unterdrückung und zur Manifestation bestehender Macht- und Konkurrenzverhältnisse verwendet werden, aber sie kann ebenso der Herstellung affektiver Bindungen und der ästhetischen Erbauung dienen. In Theorien über den Ursprung der Sprache, die von einem menschlichen Ursprung ausgehen, wird die Sprachgenese nicht als ein punktuelles Ereignis, sondern als ein langsamer Prozess dargestellt, der in Phasen der Weiterentwicklung (ĺ Sprachveränderung), Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) und eventuell der ĺ Korruption der Sprache übergeht. Bei ROUSSEAU wird die Entstehung der Sprache auf drei historisch aufeinanderfolgende Epochen verteilt, nämlich auf die Epochen der Jagd, der Weidewirtschaft und der Bodenbearbeitung. In diesen Epochen entwickelte sich die menschliche Gesellschaft vom anfänglichen Nomadendasein zur Sesshaftigkeit hin, wodurch eine stärkere Verwendung der Artikulationsorgane erforderlich wurde (ĺ Artikulation). Das Hirtenleben begünstigte die Entstehung von Leidenschaften (passions), die Auslöser für die ersten Lautäußerungen waren. Der sprachkritisch orientierten Konzeption des Sprachursprungs im Discours stellt ROUSSEAU im Essai eine wesentlich optimistischere Auffassung der Sprachgenese gegenüber, die dem Sprachursprung im Zusammenhang mit Leidenschaften und Affektivität auch ein stark gesellschaftskonstituierendes Moment verleiht (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache). 3. Die Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache Eine besondere Aktualität erreichten die Diskussionen um den Sprachursprung in der Berliner Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache, die die Akademie der Wissenschaften für 1771 aufgegeben hatte. Die Frage, ob Menschen, ihren natürlichen Fähigkeiten überlassen, imstande wären, Sprache zu erfinden und mit welchen Mitteln diese Erfindung hätte vonstattengehen können, zeigt, dass die Akademie eine Überwindung des göttlichen
Ursprung Sprachursprungs und einen genauen Einblick in die Fähigkeiten des Menschen wünschte. Der göttliche Ursprung der Sprache, den die Akademiemitglieder SÜSSMILCH und FORMEY vertreten hatten, sollte negiert werden, wobei zur Begründung die Fähigkeiten des Menschen beleuchtet werden sollten. Im Vorfeld der Preisfrage, die für das Jahr 1771 aufgegeben worden war, hatte der Präsident der Berliner Akademie, MAUPERTUIS, mit einer an CONDILLAC gemahnenden sensualistischen Erklärung des Sprachursprungs, in der den Perzeptionen und den ihnen zugewiesenen Zeichen eine Schlüsselrolle zugesprochen wurde, die Fragestellung mit seinen Réflexions philosophiques sur l’origine des langues et la signification des mots (1748) angestoßen. Weitere Impulse bekam die Fragestellung durch die Aufforderung des MICHAELIS in seiner Preisschrift von 1759, die Frage nach dem Ursprung der Sprache zu behandeln. Die Beiträge SÜSSMILCHs und FORMEYs zu dieser Problematik, die einen göttlichen Ursprung als einzig mögliche Lösung ansahen, gaben weitere Anstöße zur Ausschreibung der Preisfrage und zum Wettstreit in der Gelehrtenrepublik. Auf die Preisfrage gingen insgesamt 31 Schriften, darunter 11 in deutscher, 10 in französischer und 3 in lateinischer Sprache ein. Der Preis wurde HERDER zugesprochen, der sich in seiner Schrift polemisch mit den Beiträgen SÜSSMILCHs, CONDILLACs und ROUSSEAUs zur Sprachursprungsfrage auseinandergesetzt hatte. Insbesondere die für sensualistische Positionen charakteristische Annahme, die Sprache habe sich aus tierähnlichen, instinktiven Lauten entwickelt, provozierte HERDERs Widerspruch. Für HERDER ist der Mensch ein Sprachwesen von Beginn an, das nicht im Sinne der epikureischen und sensualistischen Ursprungstheorie zunächst ein tierhaftes Dasein fristet, bevor Grenzsituationen wie Naturkatastrophen oder Bedrohungen durch natürliche Feinde einen Zusammenschluss mit anderen Individuen erzwingen. Gegen SÜSSMILCH erhebt HERDER den Vorwurf, er habe Gott zu einem Sprachlehrmeister herabgewürdigt und zugleich verkannt, dass die Sprache das Produkt einer historischen Entwicklung sei, die durch Prozesse der ĺ Sprachveränderung und des Sprach-
469 wandels gekennzeichnet sei. Sprache sei also nicht eine von Gott vollendete, in sich ruhende perfekte Konstruktion, sondern ein Produkt der Historie. Den Sprachursprung führt HERDER auf eine genuin menschliche Grundfähigkeit, nämlich auf die sogenannte Besonnenheit zurück. Diese Fähigkeit, die zeitlich der Reflexion vorangeht, impliziert die spezifisch menschliche Disposition, aus dem Strom der simultan einströmenden Sinneseindrücke individuelle Merkmale herauszufiltern und zu zergliedern. Es handelt sich also um eine Form der inneren Wachsamkeit, der Aufmerksamkeit, die einen strukturierenden Zugriff auf die Welt ermöglicht. Die Besonnenheit ist in HERDERs anthropologischer Konzeption Grundlage von Sprache und Denken und leistet damit einen fundamentalen Beitrag zur Menschwerdung des Individuums. Im Einklang mit sensualistischen Sprachtheorien hebt HERDER die Bedeutung des Gehörs als des mittleren aller Sinne für die Wahrnehmung der Welt besonders hervor, da Sprache in seinem otozentristischen Weltbild durch ein inneres Hören auf die Umwelt im Prozess der besonnenen Aneignung von Höreindrücken entsteht. Konkret benennt er das Beispiel des Schafes, dessen herausstechendes Merkmal nicht seine weiße sanfte Wolle, sondern sein unverkennbares Blöken sei. Das Blöken des Schafes wird gleichsam zum Urmerkmal, das vom Gehör unter verschiedenen Umweltreizen und Geräuschen abgesondert wird. HERDERs Beitrag zur Sprachursprungsfrage stößt bei seinem Lehrer HAMANN auf erbitterten Widerstand. Für HAMANN ist die menschliche Sprache ein Abbild göttlicher Sprache und kann daher nicht vom Menschen gemacht, sondern einzig von Gott erschaffen worden sein. Zwar habe sich Gott in einem gnädigen Akt der Kondeszendenz zum Menschen herabbegeben, aber diese göttliche Herablassung ermögliche dem Menschen keineswegs gottgleiche Einsichten. Neben HERDERs siegreicher Preisschrift wurde auch eine Reihe weiterer Einsendungen von den Berliner Juroren positiv bewertet. So erhielt etwa die lateinische Einsendung von SOAVE ([SOAVE 1771] (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-666)) das Accessit. SOAVE steht in seiner komplexen Argumentation sensualistischen Sprachursprungstheorien nahe. Er
470 beruft sich auf LOCKE und CONDILLAC, deren empiristisch-sensualistische Konzeption des Erkenntnisprozesses er übernimmt, ebenso wie auf DE BROSSES, dessen Konzeption der ĺ Ursprache für ihn wegweisend ist. Analog zu DE BROSSES spielt für SOAVE auch die Imitation bei der Erfindung der ersten Wörter eine wichtige Rolle. Besondere Originalität gewinnt SOAVEs Argumentation durch das konsequente Durchhalten eines hypothetischen Empirismus: Ebenso wie CONDILLAC lässt er ein von aller Zivilisation isoliertes Kinderpaar Sprache entwickeln. In seiner Argumentation stützt er sich dabei auf die im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Berichte über ‘wilde Kinder’, die in den verschiedenen Wäldern Europas gefunden wurden und selbst in den taxonomischen Systemen eines LINNÉ ihren Platz gefunden haben (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). SOAVE bemüht sich in seiner Argumentation zudem, ROUSSEAUs gesellschaftskritisches Menschenbild zu relativieren, indem er die ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion der Sprache als eines ihrer herausragenden Merkmale hervorhebt und die Notwendigkeit des Zusammenschlusses der Menschen im Naturzustand zur Bewältigung von Krisen und Überwindung von Bedrohungen anhand einer Vielzahl hypothetischer Fallbeispiele darstellt. Bei SOAVE ist ebenso wie bei HERDER ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Historizität der Sprache erkennbar, das seinen Ausdruck in dem Bemühen findet, nicht nur den Ursprung der Sprache, sondern auch ihre weitere Entwicklung und Vervollkommnung zu beleuchten, wobei durchaus auch Beispiele aus Einzelsprachen wie dem Französischen oder dem Lateinischen herangezogen werden. Auch andere Einsendungen zur Berliner Preisfrage, die nicht konkreten Autoren zuzuordnen sind, zeugen von einem fundierten Wissen um die erkenntnistheoretischen und anthropologischen Implikationen des Sprachursprungs. Eine Vielzahl der Preisbewerbungsschriften konzentriert sich in ihren Erklärungen des Sprachursprungs insbesondere auf eine Zurückweisung von ROUSSEAUs gesellschaftskritischer Vision des Menschen, die als falscher Ausgangspunkt für eine überzeugende Theorie zum Ursprung der Sprache verworfen wird. Dabei sind es weniger ROUS-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung SEAUs
sprachtheoretische Implikationen, die in den Fokus der Kritik geraten, sondern sein pessimistisches Menschenbild. Sprachtheoretische Implikationen ROUSSEAUs eignen sich ohnehin weniger zur Kritik, da er sich im Discours darauf beschränkt, die Schwierigkeit des Ursprungsproblems zu illustrieren und im zweiten Teil dieses Werks plötzlich einen Sprachursprung annimmt, ohne ihn plausibel zu erklären. ROUSSEAUs Discours war den deutschen Teilnehmern an der Ursprungsfrage nicht zuletzt durch die 1756 erschienene Übersetzung von MENDELSSOHN bekannt, der seinerseits für einen menschlichen Sprachursprung plädierte, sich aber ROUSSEAUs radikaler gesellschaftstheoretischer Orientierung nicht anschloss. In einer Vielzahl von Einsendungen auf die Berliner Preisfrage finden sich Anknüpfungspunkte an die Grundprämissen von CONDILLACs Sensualismus. So argumentiert etwa auch TETENS, der seine Ursprungsschrift im Jahre 1772 unabhängig vom Berliner Preiswettbewerb publizierte, dass am Beginn der Sprachentwicklung eine Gestensprache aus Gesten und unartikulierten tierhaften Schreien gestanden habe, die zusehends bewusst als Mittel der Kommunikation eingesetzt worden sei (ĺ Ursprache; ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen); ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Kennzeichnend für den Argumentationsverlauf der meisten Einsendungen auf die Berliner Preisfrage ist neben dem Bestreben, die Grundfähigkeiten des Menschen aufzuzeigen, ohne dabei auf die cartesische Konzeption der eingeborenen Ideen eingehen zu müssen, das Bemühen, Sprache als historisches Produkt zu beschreiben, welches durch den “Generationenvertrag” zwischen Eltern und Kindern weitergegeben werde und beständigen Veränderungen unterworfen sei (ĺ Sprachveränderung). Oftmals wird diese historisierende Vision der Sprache von einer teleologischen Orientierung auf die Perfektibilität des Menschen geleitet. So sehen z. B. CONDILLAC und HERDER die Sprache als Ergebnis eines Prozesses kontinuierlicher Weiterentwicklung an. Dass Sprache sich keineswegs immer in Richtung eines Fortschritts und einer wachsenden Form von Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) hin
Ursprung entwickeln muss, zeigt etwa die Sprachkonzeption von DE BROSSES, in der mit dem Ursprung der Sprache zugleich auch ihre ĺ Korruption angelegt ist. 4. Ursprung versus Entwicklung versus Geschichte Der Sprachursprung ist ein beliebter Gegenstand der philosophischen Spekulation vor allem des 18. Jahrhunderts, nicht zuletzt, weil es sich dabei um einen vor-historischen Zustand handelt, der Gelegenheit zu phantasievollen Naturzustandsvisionen bietet. Um jedoch nicht rein spekulativ argumentieren zu müssen, versuchen viele Autoren im 18. Jahrhundert eine Art hypothetischen Empirismus anzuwenden, der es ihnen ermöglicht, aufgrund von Gedankenexperimenten, deren Versuchsaufbau in Analogie zu (vermeintlich) empirisch verifizierbaren Phänomenen wie etwa dem Auftreten ‘wilder Kinder’ konzipiert wird, ihren Hypothesen zum Sprachursprung einen größeren Grad an Wissenschaftlichkeit zu verleihen. Verlässliche Modelle, die als Topoi für Argumentationen zum Sprachursprung konsultiert werden, sind insbesondere artikulationsbegabte Tiere wie etwa Papageien (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)), ‘wilde Kinder’, Taubstumme (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache), von denen man sich Aufschluss über die Reihenfolge unserer Gedanken und über die geeignetste Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) verspricht und exotische Völker, deren Sprachen als Inkarnation sprachlicher und kognitiver Primitivität angesehen werden (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Während diese “Probandengruppen” Hypothesen zum Sprachursprung eine gewisse Plausibilität verleihen sollen, um ihnen nicht den Anschein der reinen Fiktion oder des philosophischen Romans zu verleihen, werden andererseits auch Betrachtungen zu konkreten Einzelsprachen (wie etwa dem Chinesischen) angestellt, die aufgrund der vorgeblichen Primitivität z. B. ihrer Flexion als dem Ursprung nahe eingestuft werden. Dagegen werden im Zuge apologetischer Sprachbeschreibungen Sprachen wie das heilige Hebräisch oder die Gelehrtensprachen Griechisch und Lateinisch bevorzugt als Muster von Sprachen angeführt, die dem Ideal der Vollkommenheit ent-
471 sprechen (ĺ Apologie, ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Zwischen diesen beiden Polen des hypothetischen Empirismus und der Beschreibung konkreter Einzelsprachen findet sich im Rahmen der Behandlung des Sprachursprungs die Tendenz, quasi universelle Entwicklungsstadien für alle Sprachen zu postulieren. So entwirft etwa CONDILLAC bei seiner psychogenetischen Erklärung des Sprachursprungs zugleich ein historisches Menschenbild, das seine Geschichtlichkeit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) verdankt, die als konstitutiv für den Denkprozess angesehen werden (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Sie ermöglichen nicht nur die Erschaffung der Sprache als Kommunikationsmittel (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache), sondern zugleich die Entstehung der Künste (Gesang, Tanz, Pantomime) als erste Manifestationen der Kultur. CONDILLACs Entwurf dient ROUSSEAU als Vorlage für eine historisierende Vision des Sprachursprungs, der in Analogie zur Entstehung der Ungleichheit den Keim der ĺ Korruption in sich trägt. Die Geschichte der Entstehung und Entwicklung der Sprache ist zugleich die Geschichte ihres Missbrauchs und Niedergangs (ĺ Missbrauch). Das Konzept des ‘Sprachursprungs’ und der ‘Sprachentwicklung’ wird im Geiste des Sensualismus auch von DE BROSSES im Traité de la formation méchanique des langues et des principes physiques de l’étymologie thematisiert. Für DE BROSSES verkörpert der kindliche ĺ Spracherwerb eine feste Bezugsgröße zur Identifikation von Teilsegmenten der verloren gegangenen ĺ Ursprache. Wie schon CONDILLAC und ROUSSEAU überträgt DE BROSSES Erkenntnisse zur Ontogenese des Spracherwerbs auf die Phylogenese. Bedingt durch die A-Historizität des Sprachursprungs schlägt DE BROSSES eine allgemeine und metaphysische Methode für eine historische Rekonstruktion von Sprachursprung und Ursprache vor, die einerseits auf der Untersuchung des kindlichen Spracherwerbs und andererseits auf der Untersuchung der inneren Empfindungen (sensations intérieures) basiert. Als Ausdruck der inneren Empfindungen kommt vor allem der ĺ Interjektion Bedeutung zu. Interjektionen bezeugen das syn-
472 ergetische Verhältnis zwischen ĺ Stimme und Seele und sind daher als älteste Wörter der Ursprache klassifizierbar. Bedingt durch die anatomische Konfiguration der Sprechorgane kann der Mensch die Ebene der tierhaften Interjektionen und Urschreie jedoch zur Produktion artikulierter Lautsprache verlassen, wobei Vokale (ĺ Vokal) und Labiallaute von DE BROSSES als sprachliche Universalien beschrieben werden (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen), ĺ Vokal). Der Sprachursprung wird von DE BROSSES als primitive Kindheit der Sprache (enfance primitive), als Winseln der Natur (vagissement de la nature) in unvollkommenen Lauten charakterisiert. Diesem primitiven Sprachursprung, der durch die Konfiguration der Sprechorgane bestimmt wird, steht die Weiterentwicklung in Form der Jugend (adolescence) und Reife (maturité) der Sprache bis hin zu ihrer Zerstörung (corruption) (ĺ Korruption) gegenüber. Zu Beginn ihrer Genese wird die Sprache durch natürliche Prozesse spontaner Lautproduktion hervorgebracht, die durch Imitation und Onomatopoiesis zustande kommen. Die unterschiedlichen anatomischen Gegebenheiten bei verschiedenen Völkern, die durch Klima, Luft und die jeweilige geographische Lage determiniert werden, führen nach DE BROSSES zu einer Zunahme der arbiträren Elemente der Sprache (ĺ Arbitrarität) und damit zur Entstehung der Diversität der Einzelsprachen (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Während für den Sprachursprung die ĺ Natürlichkeit ein konstitutives Merkmal der Sprache darstellt, nimmt in der adolescence der Sprache ihre Arbitrarität deutlich zu. Die wachsende Konventionalisierung der Sprache (ĺ Konvention) und die damit einhergehende Abnahme der ursprünglichen Natürlichkeit sind nach DE BROSSES verantwortlich für den Niedergang und den Zerfall der Sprache. Die sensualistischen Sprachtheorien von CONDILLAC, ROUSSEAU und DE BROSSES sehen das Konzept des ‘Sprachursprungs’ in unmittelbarem Zusammenhang zur ĺ Sprachveränderung, wobei ROUSSEAU und DE BROSSES den Ursprung der Sprache zugleich als ein Gütekriterium für die Echtheit und Expressivität der Sprache bewerten. Der Ursprung der Sprache wird stets im Kontext ihrer histori-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung schen Entwicklung untersucht. Insbesondere BROSSES bemüht sich dabei – gestützt auf die ĺ Etymologie – um die Auffindung sprachlicher Universalien, die die Grundlage der ĺ Ursprache gebildet haben könnten. In engem argumentativen Zusammenhang mit Hypothesen zum Ursprung werden Hypothesen zur Ursprache entwickelt, die auf der empirischen Realität der Einzelsprachen basieren, welche wiederum anhand ihrer Etymologien untersucht werden. Das Konzept des ‘Sprachursprungs’ wird damit im Kontext der Historizität der Einzelsprachen betrachtet. Ebenso wie für CONDILLAC, ROUSSEAU und DE BROSSES stellt die ĺ Sprachveränderung auch für HERDER einen eindeutigen Beleg für die Prozesshaftigkeit der Sprache dar. Die historische Wandelbarkeit führt HERDER u. a. gegen das starre Sprachursprungskonzept SÜSSMILCHs an. HERDER legt in seiner Erklärung von Ursprung und Weiterentwicklung der Sprache großen Wert auf die pädagogische Sendung der Elterngeneration, die allein durch ihr Vorbild dem Kind zur Aktualisierung seiner sprachlichen Potenzen zu verhelfen weiß. Aus diesem Grunde weist er auch der Muttersprache eine entscheidende Rolle für die menschliche Erkenntnis zu (ĺ Spracherwerb). Von besonderem Interesse ist auch das Konzept des ‘Sprachursprungs’, das VICO in seiner Scienza nuova entwickelt, wenngleich die Ausstrahlungskraft dieses Werkes außerhalb Italiens im 18. Jahrhundert eher gering war. VICO, der die Sprachentstehung zwischen Mythenbildung und Konventionalisierung (ĺ Konvention) verortet, entwirft sein Konzept des ‘Sprachursprungs’ im Rahmen eines primär der juristischen Hermeneutik zugewandten Traktates, das dem Anliegen dient, die Naturrechtslehren von GROTIUS, PUFENDORF und HOBBES zurückzuweisen. Die Beschreibung der Sprachgenese ist bei VICO vor allem eine Geschichte der Entstehung der poetischen Sprache. Dabei beschreibt VICO aber nicht den Moment der Umwandlung des stummen, tierhaften Urmenschen in ein zeichensetzendes Wesen, sondern der Ursprung der Sprache wird gleich im Zusammenhang mit ihrer Weiterentwicklung vor dem Hintergrund der Entstehung der Institutionen des Menschen betrachtet. DE
Ursprung VICO unterscheidet drei Phasen der Sprachentstehung und Sprachentwicklung. Die erste Phase wird beherrscht von einer Armut (inopia) an sprachlicher Ausdruckskraft. Das noch fehlende Abstraktionsvermögen veranlasst die ersten Menschen, sich auf ihre Erfindungsgabe (ingenium) zu stützen, relevante Merkmale der Dinge herauszugreifen und den Dingen eine sehr konkrete und sinnliche Definition zu verleihen. Die rohen Urmenschen verlegen sich auf die Benennung der Elemente eines Objektes, die ihnen am auffälligsten erscheinen. Diese Charakterisierung der ersten Phase der Sprachentstehung bei VICO zeigt Parallelen zu französischen sensualistischen Ursprungstheorien und zu HERDER, der den Blöklaut als das charakteristischste Merkmal des Schafes zum Merkwort für das Schaf werden lässt. Schon bevor der Mensch die artikulierte Lautsprache entwickelt, ist in der zunächst verwandten Gestensprache dieses Herausgreifen der wichtigsten sinnlich wahrnehmbaren Merkmale eines Objektes feststellbar (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Diese erste Phase der Sprachentstehung ist für VICO das Zeitalter der Götter (età degli dei), in dem Mythos und Logos noch undifferenziert ineinander übergehen. Im Sinne eines animistischen Weltbildes werden z. B. Naturereignisse wie der Donner als Sprache Gottes aufgefasst. In dieser animistischen Phase vermischen sich Realität und Fiktion miteinander. In dem sich anschließenden heroischen Zeitalter (età degli eroi) werden natürliche Substanzen nicht mehr als Gottheiten identifiziert, aber das Prinzip der phantastischen Abstraktion, die nur bestimmte Hauptmerkmale der Dinge herausfiltert, bleibt immer noch das dominante Prinzip der Erkenntnis. Im anschließenden Zeitalter der Menschen (età degli uomini) werden Sprachen zwar durch ĺ Konvention gebildet, aber die Faszination des Mythos, die für die Sprachen der noch rohen und ungebildeten Nationen charakteristisch war, bleibt auch in dieser letzten Phase bestehen. Auch für die konventionalisierte Sprache stellt die ĺ Metapher ein wesentliches Element dar. Den konstant metaphorischen Charakter der Sprache begründet VICO im Geiste des Sensualismus mit dem zeitlichen Primat des Fühlens vor dem Einsetzen
473 des Denkprozesses. Der affektive Zugang zur Welt ist für VICO der Reflexion und Analyse zeitlich vorgeordnet. Auch den Prozess der Sprachentstehung und Sprachentwicklung beschreibt VICO mit einer Metapher. So muss die Sprache des Ursprungs nach seiner Auffassung einen langen historischen Zeitraum durchlaufen, ebenso wie die großen Flüsse, die sich am Ende mit aller Gewalt, die sie in ihrem Verlaufe angesammelt haben, ins Meer ergießen. Der Sprachursprung und die Sprachentwicklung sind für VICO Ereignisse, die vor allem durch Prozesshaftigkeit gekennzeichnet sind, wobei der Logos in allen Phasen seiner Entwicklung dem Mythos verpflichtet bleibt. Für VICOs Geschichtsbild und sein Konzept des ‘Sprachursprungs’ ist der direkte Übergang vom Mythos zum Logos konstitutiv. Während VICOs Zugang zum Sprachursprung vor allem im Kontext seiner mythischen Sprachkonzeption zu verstehen ist, wird der Sprachursprung von BECCARIA aus pragmatischen Gründen thematisiert: Erkenntnisse über den Ursprung der Sprache ermöglichen eine bessere Kenntnis ihrer Mechanismen und Funktionen. Diese pragmatische Motivation, sich des Konzepts ‘Sprachursprung’ zu bedienen, kann für die damalige Zeit als ziemlich singulär eingeschätzt werden, da Bemühungen, den Sprachursprung zu charakterisieren, in der Regel der Manifestierung eines bestimmten – entweder anthropozentrisch oder theozentrisch ausgerichteten – Weltbildes verpflichtet waren. Analog zu ROUSSEAU, der von dem düsteren Schweigen der Zeiten spricht (la nuit silencieuse des temps), betont auch BECCARIA die Schwierigkeit, den in der vorgeschichtlichen Zeit anzusiedelnden Zeitpunkt des Ursprungs zu beschreiben (la oscura ed inviluppata storia delle lingue, che nella notte silenziosa de’ tempi si nasconde). Dennoch stellt BECCARIA eine Hypothese zum Sprachursprung und zur weiteren Sprachentwicklung auf, wobei er drei verschiedene Stadien unterscheidet. Für BECCARIA ist der Mechanismus des sprachlichen Ausdrucks vollkommen abhängig von der Beziehung zwischen Zeichen und Ideen (ĺ Zeichen und Idee). Entsprechend der unterschiedlichen Relationen zwischen Zeichen und Ideen lassen sich verschiedene Stadien
474 des Sprachursprungs und der Sprachentwicklung nachzeichnen. Grundmaterial des Sprachursprungs sind für BECCARIA Onomatopoiesis und Interjektionen (ĺ Interjektion). Das Verhältnis zwischen sprachlichen Zeichen, Ideen und Gegenständen ist zu Beginn der Sprachgenese unausgewogen: Einer relativ großen Menge an Ideen steht ein nur sehr geringer Zeichenvorrat gegenüber. Der Zeichengebrauch erfolgt in dieser ersten Phase in einer sehr undifferenzierten Weise, da ein und dasselbe Zeichen die verschiedensten Dinge repräsentiert, die sich z. T. auch rein zufällig ähnlich sind (ĺ Bedeutung). Zudem findet in dieser Phase der Sprachgenese eine syntaktische Verknüpfung von Zeichen nicht statt (ĺ Syntax). Den Beginn der Sprachentstehung versucht BECCARIA in Analogie zum kindlichen ĺ Spracherwerb darzustellen. So beschreibt er die Phase der rohen Kindheit (robusta fanciullezza) der Sprache anhand der im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Parallelisierung von Onto- und Phylogenese. Ebenso wie die Sprache der Kindheit des Menschen durch wenige Stammellaute gekennzeichnet sei, die von einer Vielzahl an Gesten begleitet würden, hätten auch die Urmenschen nur über eine geringe Anzahl an Zeichen verfügt, um ihre Ideen auszudrücken. Dieses Missverhältnis zwischen Ideen und Zeichen sieht er zudem als charakteristisch für exotische Völker an (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Die allmähliche Herausbildung einer Gesellschaft und die Zunahme an Kontakten zwischen ihren Mitgliedern sind nach BECCARIA für den beständigen Zuwachs des Zeicheninventars verantwortlich. Den Sprachursprung konzipiert BECCARIA im Geiste der platonischen Natürlichkeitshypothese (ĺ Natürlichkeit), da die Wörter zu diesem Zeitpunkt ein genaues Abbild der Objekte gewesen seien (le parole corrispondevano fedelmente agli oggetti che le avevano prodotte). Dieser erste Zustand der Sprachentstehung ist für BECCARIA durch Wildheit und Primitivität der Völker gekennzeichnet (stato selvaggio e primitivo delle nazioni). In der zweiten Phase der Sprachentwicklung, die BECCARIA als poetischen Zustand (stato poetico) bezeichnet, besteht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ideen und Zeichen (ĺ Zeichen und Idee). Durch den Zuwachs an Zeichen erweckt nun jedes Wort sowohl
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung beim Sprecher als auch beim Hörer bestimmte Ideen. Zudem lassen sich Zeichen und Ideen spontan ohne lange Reflexion miteinander assoziieren. Bedingt durch die Zunahme der Zeichen und ihre wachsende Präzision und Vervollkommnung wird es nunmehr auch möglich, abstrakte Entitäten zu bezeichnen, ohne auf die reale Repräsentation der Objekte zurückgreifen zu müssen. Die problemlose Verknüpfung von Zeichen und Ideen in der zweiten Phase gestattet den Sprechern, ihre Phantasie (imaginazione) voll zu entfalten. BECCARIA beschreibt die problemlose Verbindung zwischen Zeichen und Ideen zudem als eine Quelle der Lust (una sorgente più feconda e più variata di piaceri). Diese Verbindung von Ideen und Zeichen sei auch verantwortlich für die Entstehung der Schönen Künste. Eine ausgereifte Sprache ebenso wie die Künste entstehen nach BECCARIAs Meinung durch die Verwendung von Zeichen losgelöst von der konkreten Referenz und der reinen Imitation der Natur. Das dritte Stadium der Sprachentwicklung ist demgegenüber durch ein Missverhältnis zwischen Ideen und Wörtern gekennzeichnet. Die Vervielfältigung der Wörter und die Gewöhnung an den Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) führen dazu, dass die Wörter sich immer mehr von den Ideen lösen und verselbständigen. Während der Zeichengebrauch immer selbstverständlicher vonstattengeht, wird die Relation zwischen Ideen und Wörtern immer unexakter (ĺ Zeichen und Idee). Die Aufmerksamkeit der Zeichenbenutzer liegt nun primär bei der grammatischen und syntaktischen Verknüpfung der Wörter und nicht mehr bei der Relation zwischen Wort und Idee (ĺ Grammatik, ĺ Syntax). So führt die große Menge der Zeichen schließlich zur Entstehung verworrener Wahrnehmungen. Die Kehrseite des Reichtums (ĺ Reichtum) der Sprache ist damit ihre mangelnde semantische Präzision (ĺ Bedeutung). Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass in europäischen Sprachtheorien des 18. Jahrhunderts das Konzept des ‘Ursprungs’ im Kontext der Entwicklung und Geschichte der Sprache und der Einzelsprachen betrachtet wird. Deutlich wird dabei das spekulative Moment der hypothetischen Rekonstruktion der Sprachgenese von Reflexionen über Ein-
Ursprung zelsprachen und deren Etymologien (ĺ Etymologie) unterschieden, wobei die Etymologien teilweise auch als Mittel der Rekonstruktion von Elementen einer potentiellen ĺ Ursprache verwendet werden. 5. Ursprung der Sprache vs. Ursprung der Sprachfähigkeit Ein zentraler Begriff, der im Kontext des Sprachursprungs oftmals genannt wird, ist die ‘Sprachfähigkeit’. Bereits im Mittelalter hatte es eine Vielfalt von Theorien zum Sprachursprung gegeben, wobei insbesondere in Theorien, die den göttlichen Sprachursprung voraussetzten, die Frage gestellt wurde, ob Gott dem Menschen die Sprache als Ganzes oder nur die Sprachfähigkeit als die menschliche Disposition zur Erschaffung einer Sprache verliehen habe. Dabei stand die Interpretation der nominatio rerum, der Benennung der Dinge durch Adam, im Vordergrund des Interesses. Gefragt wurde, ob Gott Adam bereits eine fertige Sprache verliehen hätte oder ob Gott sehen wollte, wie Adam, ausgehend von der ihm verliehenen Sprachfähigkeit, die Dinge benennen würde. Man diskutierte darüber, ob die Sprache Adams und die Sprache Gottes identisch gewesen seien, ob Gott eine Art Grammatiklehrer gewesen sei, ob er Adam die Sprache anerschaffen, eingegeben, eingehaucht oder geschenkt habe. Im 17. Jahrhundert verneinte LEIBNIZ die Möglichkeit einer Rekonstruktion der Sprache Adams, ohne deswegen allerdings auf Hypothesen zur ĺ Ursprache zu verzichten, die anhand von Etymologien (ĺ Etymologie) rekonstruiert werden sollte. Auch unter dem Einfluss von DESCARTES’ Automatentheorie wurde im 17. Jahrhundert der Begriff der ‘Sprachfähigkeit’ im Zuge des Vergleiches der Fähigkeiten von Mensch und Tier thematisiert (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Für DESCARTES war die artikulierte Lautsprache die körperliche Manifestation der Existenz des Denkens und damit der menschlichen Seele, der er die seelenlosen Automatismen der Tiere gegenüberstellte. DESCARTES’ Position provozierte später den Widerspruch CONDILLACs, der den Tieren geistige Fähigkeiten bis zur Ebene der memoria zusprach.
475 Im gesamten 18. Jahrhundert standen Reflexionen über die kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten des Menschen im Zentrum anthropologischer Betrachtungen. Dies zeigt etwa die Berliner Preisfrage nach dem Sprachursprung, die das Konzept des ‘Ursprungs der Sprache’ eng mit dem Konzept der menschlichen Fähigkeiten verknüpft, welche als Grundlage des Sprachursprungs zu betrachten sind. Zuvor wurde die Sprachfähigkeit etwa von DE BROSSES als eine wichtige natürliche Fähigkeit (cette importante faculté naturelle) beschrieben. Die entscheidende Rolle schrieb er in diesem Zusammenhang der anatomischen Konfiguration der Sprechorgane zu, die den Gebrauch des Stimmapparates bestimmt habe (ĺ Artikulation). Die Existenz gewisser sprachlicher Universalien (Urwörter, Interjektionen, Onomatopoetika) belegt für DE BROSSES die Annahme, dass die Sprachfähigkeit eine natürliche Fähigkeit des Menschen sei, die notwendigerweise aus seiner physischen Organisation resultiere. Während DE BROSSES die physische Notwendigkeit der Aktualisierung der Sprachfähigkeit postuliert, betonen andere Autoren wie etwa ROUSSEAU oder DENINA die Kontingenz der Sprachentstehung. Für ROUSSEAU ist die Sprachfähigkeit eine virtuelle Potenz, die nicht zwangsweise aktualisiert werden muss, sondern nur zum Vorschein kommt, wenn entsprechende Rahmenbedingungen wie z. B. die Existenz einer Gesellschaft diese Aktualisierung befördern. Der Mensch wäre für ROUSSEAU auch als sprachloses Geschöpf des Naturzustandes denkbar. Die Kontingenz des Sprachursprungs und des Auftretens der Sprachfähigkeit betont auch DENINA, der unter dem Eindruck der epikureischen Sprachursprungstheorie den Zufall, die organische Disposition und die natürliche oder zufällige Fähigkeit, bestimmte Wörter leichter als andere zu artikulieren (ĺ Artikulation), als konstitutive Elemente der Sprachentstehung charakterisiert. Gegen jede Form von Kontingenz wehrt sich BEAUZÉE in seinem Encyclopédie-Artikel Langue, in dem er Gott als die Instanz beschreibt, die die “wertvolle Sprachfähigkeit” (la précieuse faculté de parler) beim Menschen in Gang setzt. Dasselbe Bemühen um Resakralisierung des Sprachursprungs finden
476 wir bei SÜSSMILCH, der Gott als Urheber der Sprache charakterisiert, die er dem Menschen als perfekte Struktur verliehen habe. Gegen SÜSSMILCH und ROUSSEAU wendet sich HERDER, der das Konzept der ‘Sprachfähigkeit’ als “Unsinn” bezeichnet. Zur Begründung verweist er auf das Problem der Anteriorität von Sprache und Denken. Aufgrund der Sprachabhängigkeit des Denkens könne ein noch vernunftloser Mensch nicht über Sprachfähigkeit verfügen. Vielmehr sei der Mensch ein Sprachwesen, das vermittels der Gabe der Besonnenheit Sprache entwickle. Zudem erscheine ROUSSEAUs Konzeption einer Sprachfähigkeit als virtuelle Potenz, die nur unter bestimmten Umständen aktualisiert werde, wenig überzeugend, da eine Eigenschaft entweder real oder nicht vorhanden sei. In einer konkurrierenden Einsendung auf die Berliner Preisfrage (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-672) wird die Sprachfähigkeit unter dem Eindruck des cartesischen Dualismus als eine genuin menschliche Disposition dargestellt, die den Menschen über das Tier erhebt (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Während bestimmte Primaten aufgrund ihrer physischen Organisation nicht in der Lage seien, artikulierte Lautsprache zu produzieren, verfügten andere Tiere, denen diese Möglichkeit rein physisch gegeben wäre, wie etwa die Papageien, nicht über die Fähigkeit, mit Lauten Konzepte zu verbinden (ĺ Zeichen und Idee). In diesem Manuskript wird somit klar zwischen einer phonetischen und einer semantischen Ebene der Sprachfähigkeit differenziert. In einem anderen Manuskript (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-668), das auf die Berliner Preisfrage eingesandt wurde, wird zwischen der ‘Sprachfähigkeit’ (faculté de parler) und dem langage unterschieden. Die ‘Sprachfähigkeit’ wird als das Verfügen über die Grundelemente der Sprache (parole) definiert und somit der Sprachverwendung als eine angeborene Disposition zeitlich vorgeordnet. Im Vergleich zu den anderen Sinnen des Menschen könne die Sprachfähigkeit in besonders hohem Maße perfektioniert werden. Die Möglichkeit, Sprachelemente bis zur Unendlichkeit miteinander kombinieren zu können, sei die Besonderheit, welche die Sprachfähigkeit über die Sinne des Menschen erhe-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung be. Als Ausweis der unbegrenzten Kombinationsmöglichkeit der Elemente der Sprache wird auf die Vielfalt der Einzelsprachen verwiesen. Als natürliche Fähigkeit und nicht als virtuelle Potenz konzipiert auch THIÉBAULT die Sprachfähigkeit. Im Gegensatz zu ROUSSEAU postuliert er jedoch die Existenz der Sprachfähigkeit des Menschen unabhängig von der Existenz einer Gesellschaft. So verfüge selbst ein isoliertes Individuum über die Fähigkeit, Laute zu artikulieren, da die Macht der inneren Empfindungen und der eigenen Bedürfnisse es zur Entäußerung von Lauten zwinge. Im Unterschied etwa zur Konzeption LAMYs, der den Gebrauch der Sprache als einen bewusst vonstattengehenden Willensakt beschrieben hatte, ist die Aktualisierung der Sprachfähigkeit für THIÉBAULT ein quasi instinktiv auftretendes Resultat der physischen Organisation des Menschen, das keiner vorangehenden Reflexion bedarf. Die Diskussion um die Existenz einer Sprachfähigkeit und deren Kontrastierung mit der Sprache ist wesentlich für Sprachreflexionen des 17. und 18. Jahrhunderts. Während wichtige Impulse zu dieser Diskussion im 17. Jahrhundert vor allem von DESCARTES ausgingen, zeigt sich im 18. Jahrhundert das Bemühen, das Konzept der ‘Sprachfähigkeit’ in das breiter angelegte Konzept der ‘menschlichen Fähigkeiten’ allgemein zu integrieren. Versuche einer Resakralisierung des Sprachursprungs, die von der Annahme ausgehen, dass Gott dem Menschen Sprache in toto verliehen habe, werden im Zuge des immer einflussreicher werdenden Fähigkeitskonzeptes des 18. Jahrhunderts zurückgewiesen.
IV.
1. Reflexionen zum Ursprung der Sprache von den Anfängen bis zur Renaissance Der Ursprung der Sprache ist eines der ältesten Probleme der Menschheitsgeschichte, das als philosophisch-anthropologisches Grundproblem auf eine ungebrochene Kontinuität von Anbeginn der Menschheit bis zum heutigen Tag zurückblicken kann. Hypothesen über den Ursprung der Sprache und der Zivilisation gehören seit jeher zum Grundbestand
Ursprung der Legenden und Mythen der Völker der Welt. Für die meisten Kulturen stellt sich die Frage nach dem Ursprung der Sprache jedoch nicht, da sie aufgrund ihres theozentrischen Weltbildes die Spracherfindung einem Gott oder einem gottähnlichen Wesen zuschreiben. In zahlreichen Legenden, Kosmogonien und Kulturentstehungslehren kommunizieren übernatürliche Wesen, Totems, Götter, Halbgötter oder Tiere wie selbstverständlich miteinander. Mythen über die Sprachentstehung sind nicht so häufig, wie man annehmen könnte. Sie gewinnen dann an Bedeutung, wenn sie sich mit philosophischen und sprachtheoretischen Diskussionen verbinden. Obwohl man in der Hochkultur des alten Ägypten eigentlich der Gottheit Thoth die Erfindung der Sprache zuschrieb, berichtet der griechische Geschichtsschreiber HERODOT über den ägyptischen König PSAMMETICHOS, der herausfinden wollte, welche Sprache die älteste sei und zu diesem Zweck ein Isolationsexperiment mit zwei Kindern durchführen ließ, die von aller sprachlichen Kommunikation ausgeschlossen wurden und nur in der Gesellschaft von Ziegen aufwuchsen. Als sie das Alter erreichten, in dem Babys normalerweise die ersten Lautäußerungen von sich geben, sollen sie das Wort bekos gesagt haben, was im Phrygischen ‘Brot’ bedeutet. PSAMMETICHOS folgerte daraus, dass die älteste Sprache der Menschheit das Phrygische gewesen sei (ĺ Ursprache). Derartige PSAMMETICHOS-Experimente erfreuten sich auch im weiteren Verlauf der Geschichte großer Beliebtheit, wie die Wiederholung des Experiments durch den Stauferkaiser FRIEDRICH II., den schottischen König JAMES IV. und den indischen Großmogul AKBAR DEN GROSSEN belegt. Auch in der klassischen Antike gehört das Problem des Sprachursprungs zu den beliebtesten Gegenständen der Sprachreflexion. Einerseits ist es in der griechisch-römischen Mythologie ein weitverbreitetes Phänomen, dass Götter und Heroen untereinander kommunizieren; andererseits wird das Problem der Sprachgenese auch zum Objekt theoretischer Reflexion erhoben wie z. B. in PLATONs Kratylos, dem ältesten Dokument des abendländischen Sprachdenkens. In diesem Dialog werden ĺ Natürlichkeit und ĺ Konvention
477 als zwei gegensätzliche Pole einander gegenübergestellt, wobei Kratylos für den natürlichen Ursprung der Wörter plädiert, während Hermogenes Konvention und ĺ Arbitrarität als konstitutive Merkmale der Sprache ansieht. Thema des Kratylos ist jedoch nicht der Sprachursprung im engeren Sinne, sondern die Richtigkeit der Benennungen und die ĺ Etymologie. Wichtig für die weitere Entwicklung der Diskussion zum Sprachursprung war vor allem der Beitrag der Epikureer. EPIKUR ist zwar als Begründer der epikureischen Orientierung in der Sprachursprungsfrage anzusehen, aber sein Einfluss ist nur indirekt in Form eines von DIOGENES LAERTIOS zitierten Briefes EPIKURs an HERODOT nachvollziehbar. In diesem Brief knüpft EPIKUR an die Natürlichkeitstheorie (ĺ Natürlichkeit) aus dem Kratylos an und betont die physiologische Eigenart der Lautproduktion, die letztlich für die Vielfalt der Einzelsprachen (ĺ Universalität und Verschiedenheit) verantwortlich sei. Verbreitung erfuhren die Lehren EPIKURs zum Ursprung der Menschheit und der Sprache insbesondere durch LUKREZ, der in seinem Weltepos De rerum natura den Urmenschen als vagabundierendes, tierähnliches Wesen zeigt, das als solitäres Geschöpf weder Recht noch Gesetz kennt und rein instinktive und triebhafte Beziehungen zu seinen Artgenossen unterhält. LUKREZ’ Vision des Sprachursprungs und der Urgeschichte der Menschheit übte in der Folgezeit namentlich auf ROUSSEAU großen Einfluss aus. Der Sprachursprung wird von LUKREZ als natürlicher Tatbestand beschrieben, der sich aus der physischen Grundausstattung des Menschen ergibt. Aufgabe der Sprechorgane sei naturgemäß die ĺ Artikulation von Lauten. Die Notwendigkeit, Sprachlaute zur Äußerung von Emotionen zu verwenden, begründet LUKREZ mit der natürlichen Disposition der Tiere, die ihrerseits Befindlichkeiten durch Laute kundtäten (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Diese Parallelisierung zwischen Mensch und Tier ließ die epikureische Ursprungstheorie in der Folgezeit zum Gegenstand teils massiver Kritik werden, wie sich etwa anhand der Ursprungstheorien von FRAIN DU TREMBLAY, BEAUZÉE oder SÜSSMILCH nachvollziehen lässt. Ähnli-
478 che Postulate zum Ursprung der Sprache wie EPIKUR und LUKREZ stellten auch VITRUV und HORAZ auf. Insbesondere HORAZ’ Charakterisierung des Urmenschen als mutum et turpe pecus erwies sich als Konzept von besonderer Prägnanz und wurde etwa von HERDER, SÜSSMILCH und BEATTIE wieder aufgegriffen und kritisiert. Bis zum 5. Jahrhundert entwickelten sich unter frühchristlichen Gelehrten Diskussionen um den Sprachursprung, der vor dem Hintergrund des Genesis-Berichtes interpretiert wurde. Gegenstand der Diskussionen war z. B. die Frage, ob die Sprache Adam von Gott als Ganzes verliehen worden sei oder ob Adam die Sprache mithilfe des ihm von Gott verliehenen Verstandes erfunden habe. Zudem wurde im Zusammenhang der Frage nach dem Ursprung der Sprache die Frage nach der ĺ Ursprache diskutiert, wobei entweder das Hebräische zur Ursprache erklärt wurde oder eine der neuen Sprachen, die als Ergebnis der babylonischen ĺ Sprachverwirrung entstanden waren. Die Kirchenväter ORIGINES und EUNOMIUS vertraten die These, dass Sprache direkt von Gott gegeben worden sei, was GREGOR VON NYSSA bestritt, der für einen menschlichen Ursprung der Sprache eintrat. GREGOR wies die Vision eines göttlichen Grammatikunterrichtes mit der Begründung zurück, dass Gott dem Menschen die Denkfähigkeit, nicht jedoch die Sprache verliehen habe. Die Verschiedenheit der Einzelsprachen begründet er mit der unterschiedlichen Denkweise verschiedener Nationen (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Im Hinblick auf den Entwicklungsstand moderner Theorien zum Sprachursprung erweist sich GREGOR VON NYSSA als ein nahezu evolutionistisch orientierter Denker, da er explizit die Bedeutung des aufrechten Gangs und das damit verbundene Freiwerden der Hände als wichtige Momente des Sprachursprungs hervorhebt. Diese Elemente sind für moderne Theorien des 20. und 21. Jahrhunderts zur Sprachgenese zu wichtigen Eckpfeilern ihrer Argumentation geworden. Unter den Kirchenvätern verdient noch der Beitrag des AUGUSTINUS Erwähnung, der zwar keine neue glottogonische Theorie entwirft, aber den Sprachursprung in den Confessiones in engem Zusammenhang mit dem
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung kindlichen ĺ Spracherwerb betrachtet, den er als Prozess der Umweltaneignung anhand der Imitation elterlicher Modelle von Gesten, Gebärden und Lauten begreift (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Im Mittelalter wurde das PSAMMETICHOS-Experiment vom Stauferkaiser FRIEDRICH II. wieder aufgegriffen. Entsprechend der Darstellung des Chronisten SALIMBENE DA PARMA soll das Isolationsexperiment für die beiden Kinder tödlich ausgegangen sein, da sie liebende Gesten elterlicher Zuneigung hätten entbehren müssen. Überlegungen zum Sprachursprung finden wir auch in DANTEs De vulgari eloquentia, einem Schlüsseltext der italienischen Questione della lingua (ĺ Korruption). Nach Auffassung DANTEs bestand Adams Sprache nicht nur aus hebräischen Wörtern, sondern folgte auch den Regeln der hebräischen Grammatik. Nach der babylonischen ĺ Sprachverwirrung hätten sich die verschiedenen Einzelsprachen durch ĺ Konvention entwickelt. Um 1493 führte der schottische König JAMES IV. ein PSAMMETICHOS-Experiment durch. Angeblich hätten die beiden Kinder am Ende des Experimentes Hebräisch gesprochen. Das von Kaiser AKBAR durchgeführte Isolationsexperiment mit 20 bis 30 Kindern soll dagegen die völlige Stummheit der Probanden zum Ergebnis gehabt haben. Im 16. Jahrhundert lässt sich in Europa eine ständig wachsende Begeisterung für den Ursprung der Sprache konstatieren, da mit den Aktivitäten von Reisenden, Seefahrern und Missionaren das Interesse am Ursprung von Völkern, Bräuchen und Sitten zunimmt und eine Vorliebe für Exotismen entsteht (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Um eine Versöhnung zwischen den im Kratylos aufgeworfenen antagonistischen Positionen des Konventionalismus und des Naturalismus (ĺ Natürlichkeit) bemüht sich SANCTIUS in seiner Minerva (1587). Er sieht die ĺ Ursprache als gottgegeben an, stellt dieser jedoch eine spätere Entwicklung der Sprache durch ĺ Konvention gegenüber.
Ursprung 2.Reflexionen zum Ursprung der Sprache von der Renaissance bis zur Moderne Nachdem der Sprachursprung im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert ausführlich diskutiert und mit der Berliner Preisfrage ein Kulminationspunkt in dieser Problematik erreicht worden war, wandten sich auch zahlreiche Gelehrte im 19. Jahrhundert diesem Thema zu, wenngleich die Akzentuierungen bedingt durch den Einfluss von DARWINs Evolutionstheorie nun anders ausfielen. Um 1800 hatten die französischen Ideologen um DEGÉRANDO, CABANIS, SICARD und ITARD an die Tradition CONDILLACs angeknüpft und in ihren Forschungsprogrammen eingehende Untersuchungen der Gestensprache, der Sprachen exotischer Völker und der Taubstummen gefordert (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Ihre Leistung bestand jedoch vor allem in ihren Beiträgen zur Gehörlosenpädagogik und der damit einhergehenden Verbesserung der Situation der Taubstummen. Als Gegenbewegung zum Sensualismus konstituierte sich in Frankreich eine reaktionäre Tendenz um BONALD und DE MAISTRE, die den natürlichen Sprachursprung im Sinne CONDILLACs zurückwies. Da das 19. Jahrhundert durch einen Paradigmenwechsel weg vom spekulativen Empirismus des 18. Jahrhunderts und hin zur vergleichenden Philologie gekennzeichnet war, wurde das Konzept des ‘Sprachursprungs’ von vielen vergleichenden Sprachwissenschaftlern als unwissenschaftliches Problemfeld zurückgewiesen. Im Jahre 1866 verbannte die Pariser Société de Linguistique Générale das Thema des Sprachursprungs in Artikel II. ihrer Statuten ganz aus ihren Mauern, um den nicht nachlassenden Spekulationen Einhalt zu gebieten. Viele vergleichende Sprachwissenschaftler sahen von der Behandlung des Sprachursprungs ab, wie z. B. August und Wilhelm SCHLEGEL, die das Sanskrit für eine so vollkommene Sprache hielten, dass es nicht von Menschen hätte erfunden worden sein können. Auch SCHELLING erachtete die Sprache als göttliches Geschenk. Jacob GRIMM widersprach der Theorie des göttlichen Sprachursprungs und plädierte für
479 eine Spracherfindung durch die Menschen, wobei er eine ĺ Ursprache analog zum Chinesischen postulierte, da die Flexion des Chinesischen und auch seine Morphologie im Vergleich zu den flektierenden Sprachen weit weniger komplex seien (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Im Gegenzug zu diesen spekulativen Tendenzen leisteten die sich im 19. Jahrhundert etablierenden Disziplinen der Neurologie und Phrenologie Beiträge zum Ursprungsproblem, die auf soliden empirischen Arbeiten beruhten. GALL, der Begründer der Phrenologie, lokalisierte die menschliche Denkfähigkeit und Sprachzentren im Kortex. Mit seinen Untersuchungen beeinflusste er trotz seiner ideologisch orientierten Herangehensweise die weiteren Forschungen der Neurologie zur Sprachentstehung entscheidend. Einen Höhepunkt neurologischer Forschungen zum Ursprung der Sprache markierten die Arbeiten der Hirnforscher BROCA und WERNICKE, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Hauptzentren des Sprachvermögens in der linken Hirnhälfte lokalisierten. Neben dem Bemühen, den Ursprung der Sprache wissenschaftlich fundiert zu untersuchen, gab es jedoch auch im 19. Jahrhundert das Bestreben, ihn mystisch zu verklären, wie etwa bei RENAN. Die Entdeckung eines Neandertaler-Skeletts im Jahre 1856 und DARWINs Origin of Species (1859) provozierten eine öffentlich ausgetragene Diskussion um den Ursprung des Menschen und seiner Sprache. DARWIN selbst äußerte sich nur fragmentarisch zum Ursprung der Sprache. In seinem Werk The expression of the emotions in man and animals (1872) beschränkt er sich im Hinblick auf den Sprachursprung auf die Aussage, dass Sprache als Ergebnis eines natürlichen Selektionsprozesses entstanden sei, um die Anziehung von Sexualpartnern zu befördern. Die materialistischen Implikationen von DARWINs Abstammungslehre wurden von Max MÜLLER zurückgewiesen, der für den transzendentalen Status der Sprache plädierte. MÜLLER wandte sich gegen jede Art von Aktionssprache und gestische Sprachursprünge im Sinne CONDILLACs und nahm eine natürliche Harmonie zwischen Wort und Ding an. Die Annahme eines auf Gesten und Gebärden beruhenden Sprach-
480 ursprungs war dennoch im 19. Jahrhundert weitverbreitet, etwa in den Ursprungshypothesen von GEIGER, JÄGER und TYLOR (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). STEINTHAL betonte in seiner Hypothese zum Sprachursprung die Rolle der Onomatopoetika und der Imitation, nahm jedoch an, dass die Sprachfähigkeit auf eingeborenen geistigen Faktoren beruhte. WHITNEYs Zugang zum Sprachursprung war vergleichsweise moderner, da er Sprache als kulturelle Institution ansah und nicht als Resultat transzendentaler Vorgänge. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts war in der Anthropologie die Auffassung dominant geworden, dass kulturelle Institutionen sich als Ergebnis des Umgangs mit Alltagsproblemen entwickelt hätten wie z. B. der Herstellung von Werkzeugen oder der Herausbildung von Sippenhierarchien und Gesetzesprinzipien. Das 20. Jahrhundert war in seinen Anfängen durch die Ablehnung des Sprachursprungs als wissenschaftliches Konzept und Problem gekennzeichnet. Insbesondere das Bestreben der Junggrammatiker, Sprache als Ergebnis unwiderruflicher Lautgesetze aufzufassen und SAUSSUREs Postulat, ausschließlich sprachimmanente Faktoren zu untersuchen und alle extralinguistischen Gegenstände aus dem Zuständigkeitsbereich der Sprachwissenschaft auszuklammern, beförderten die Verpönung des Sprachursprungs als wissenschaftliches Problem. Mit Beginn der Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde das Thema zunehmend zum Gegenstand anthropologischer und biologischer Untersuchungen erhoben, wobei vor allem Experimente mit Menschenaffen (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)) wichtige Beiträge zur Erklärung der Sprachentstehung jenseits von reduktionistischen behavioristischen Theorien lieferten (vgl. die Experimente von KELLOGG / KELLOGG [1933] (1967), GARDNER / GARDNER (1969), PREMACK (1976), SAVAGE-RUMBAUGH (1986) (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Im Zentrum des Erkenntnisinteresses dieser Experimente standen jedoch nicht Sprachursprung und Sprachentwicklung, sondern die Frage, ob Menschenaffen über die Fähigkeit, Symbole zu
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung erkennen und zu behalten, verfügen, was auf die Existenz einer rudimentären Form von Sprachfähigkeit schließen ließe. Ihre Relevanz erhalten derartige Untersuchungen durch die enge stammesgeschichtliche Verwandtschaft zwischen Menschenaffen und frühen Hominiden, die wahrscheinlich auch über eine rudimentäre Form visueller Kommunikation verfügten (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Zu klären war folglich die Frage, wie aus der nonverbalen Zoosemiose nichtmenschlicher Primaten, die als Vorfahren des Menschen anzusehen sind, eine Form der lautlichen Kommunikation entstehen konnte. Für eine Diskontinuität der Entwicklung plädieren CHOMSKY (1965, 1980) und LENNEBERG (1967), wobei CHOMSKY die Einzigartigkeit des Mechanismus des menschlichen Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) als Begründung anführt und LENNEBERG die Existenz primitiver “vormenschlicher” Merkmale bei Tieren zurückweist. Die Vertreter der Evolutionstheorie DARWINs wenden gegen diese Theorie ein, dass sie die kognitiven Voraussetzungen der Sprache nur unzureichend ins Blickfeld rückt und präsymbolische Prozesse nicht in Erwägung zieht (vgl. DONALD 1991). Im Rahmen der Kontinuitätsthese wurde auch die Annahme eines gestischen Ursprungs der Sprache vorgetragen (HEWES 1973) (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Diese Annahme wird durch die Tatsache gestützt, dass auch nichtmenschliche Primaten vor allem nonverbal kommunizieren. Ein zusehends komplexer werdendes ökologisches Umfeld habe zur Optimierung der Überlebenschancen als Anpassungsleistung dann den Übergang von der visuellen zur auditiven Kommunikation erforderlich gemacht, die nunmehr auch ohne Sichtkontakt und auch bei Nacht erfolgen konnte (vgl. VALSINER & ALLIK 1982). Gegen den gestischen Ursprung der Sprache wird jedoch etwa von BATESON (1968) eingewandt, dass die Lautsprache als Nachfahrin der gestischen Kommunikation diese hätte ablösen und somit den Verfall der Gestik nach sich ziehen müssen. Die demgegenüber erwiesene Weiterentwicklung der Gestensprache trotz der Entstehung der artikulierten Lautsprache lässt eher auf eine parallele Entwicklung beider Kommunikationsformen
Ursprung schließen. Anatomische und phonetische Indizien veranlassten LENNEBERG (1967) und LIEBERMAN (1972, 1984) zu der Annahme, dass alle Hominiden, die vor dem homo sapiens sapiens auftraten, nicht über eine differenzierte Lautsprache verfügt hätten. Demgegenüber setzen manche Vertreter der Evolutionstheorie die Entstehung der Sprache bereits bei Homo habilis und Homo erectus an (WIND 1990, KOCH 1990, DEACON 1997). Sie begründen ihre Theorie mit der notwendigerweise parallelen Entwicklung von Sprache einerseits und menschlicher Kultur im Allgemeinen andererseits. So hätten Formen der Arbeitsteilung, Jagd, Bau von Wohnstätten, Feuergebrauch und Migrationsbewegungen eine funktionierende Form der mentalen Repräsentation der Welt vorausgesetzt (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Ein weiteres Indiz ist die bei Homo habilis und Homo erectus dominante Rechtshändigkeit, die auf den Eintritt der zerebralen Lateralisierung bereits in diesem Stadium der Menschheitsentwicklung schließen lässt, da sowohl Rechtshändigkeit als auch Sprachgebrauch bis heute überwiegend von der linken Hirnhälfte gesteuert werden (vgl. DEACON 1997). Einigkeit herrscht unter den Vertretern der verschiedenen Ansätze nur dahingehend, dass die Sprache zu Beginn nicht überwiegend lautsprachlich gewesen sein kann. Der Zeitpunkt der Entstehung der artikulierten Lautsprache wird sehr unterschiedlich datiert und schwankt zwischen 50.000 und 300.000 Jahren (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Das wachsende Interesse am Sprachursprung zeigt die Vielzahl der Disziplinen, die sich Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit dem Problem beschäftigt haben und dabei z. T. auch Formen interdisziplinärer Kooperation verwandten. Beiträge zum Sprachursprung leisteten so verschiedene Disziplinen wie Psychologie, Primatologie, Paläontologie, Anthropologie, Neurologie, Anatomie, Historiographie der Linguistik, Philosophie und Künstliche Intelligenzforschung. Vor dem Hintergrund der modernen Forschungen erweisen sich die alten Konzepte vom ‘Ursprung der Sprache’ oft als zu vereinfachend, wobei sie allerdings wichtige Grundlagen für den philosophischen Diskurs legten, der auch
481 heute zu diesem Problem geführt wird. So hat sich etwa die Hypothese eines gestischen Ursprungs der Sprache, wie er von den Epikureern und später von den Sensualisten vertreten wurde, als produktive Annahme auch späterer Forschungsbemühungen erwiesen. Auch die Konzeption der Historizität von Sprache und ihrer Verwandtschaft zu anderen Manifestationen der Kultur wie z. B. der Künste hat sich als sinnvoll erwiesen. Gleiches gilt für die schon von GREGOR VON NYSSA postulierte Bedeutung des aufrechten Gangs und des Freiwerdens der Hände für den Werkzeuggebrauch. Selbst antike Kulturentstehungslehren erweisen sich als wesentlich, da sie im Gebrauch des Feuers eine Initialzündung für die Entstehung von Sprache und Zivilisation erkannten. Erst die Entstehung moderner Forschungsmethoden und die stetig fortschreitende Verfeinerung neurologischer und paläontologischer Forschungsmethoden ermöglichten es jedoch, die über Jahrhunderte vorgetragenen Spekulationen und Hypothesen anhand von empirischen, datengestützten Verfahren zu verifizieren und so den hypothetischen Empirismus der Aufklärung zugunsten eines genuin wissenschaftlichen Empirismus zu überwinden.
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Ursprache
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Ursprache I. Lat. prima lingua, lingua primaeva, lingua adamica, lingua humana; dt. Ursprache, Ursprach, Ursprachen, Sprache Adams; göttliche erste Sprache, erste Sprache; erste Menschensprache, Muttersprache; engl. primitive language; frz. première langue, langue primitive, langage primitif, langue primitive et parfaite; langue radicale et primitive, langue Originaire & Matrice; ital. lingua primitiva; span. lengua primitiva, lengua matriz. Das Konzept der ‘Ursprache’ wird mit Hilfe verschiedener Bezeichnungen thematisiert, die unterschiedliche Akzentuierungen setzen. So betont der lateinische Ausdruck prima lingua die Tatsache, dass die Ursprache in der Chronologie der Sprachen der Erde den Anfang markiert, da sie als “erste Sprache” definiert wird. Die Bezeichnung lingua primaeva ordnet der Ursprache das Attribut der Jugendlichkeit zu und beschreibt sie damit – trotz ihres hohen Alters – als eine junge, unverbrauchte Sprache, die noch keine Veränderung (ĺ Sprachveränderung) erlebt hat. Typisch für das Sprachdenken des Mittelalters, der Renaissance und teilweise auch noch des 18. Jahrhunderts ist die Vorstellung, dass die Ursprache trotz ihres hohen Alters “jugendlich” sei, da sie einen Zustand sprachlicher Vollkommenheit repräsentiere, der erst durch den Sündenfall des Menschen und die daraufhin folgende ĺ Sprachverwirrung zerstört werde. Die Vorstellung von den verschiedenen Altern, d. h. Stadien einer Sprache tritt insbesondere auch in den genealogischen Konzeptionen des 18. Jahrhunderts auf, welche die Sprachentwicklung in die Stadien Ursprung, Weiterentwicklung, Vollkommenheit und Korruption einteilen (ĺ Ursprung, ĺ Korruption). In diesen genealogischen Konzeptionen wird jedoch die Ursprache nicht als Zustand der Perfektion, sondern als ein primitives Anfangsstadium der Sprachentwicklung begriffen. Bezeichnungen wie langue primitive, lingua primitiva oder lengua primitiva betonen die Ursprünglichkeit der ersten Sprache als deren grundlegende Eigenschaft. Spezifischer ist demgegenüber der Ausdruck lingua adamica,
setzt er doch die Ursprache mit der Sprache Adams gleich, die dieser dem Genesis-Bericht zufolge von Gott empfangen und sogleich zur Benennung der Dinge (nominatio rerum) benutzt habe. Der Ausdruck lingua humana zielt auf den allumfassenden Charakter der Ursprache, d. h. ihre Allgemeinverständlichkeit ab, da sie als Sprache der gesamten Menschheit fungiert habe. Erst durch die ĺ Sprachverwirrung im Gefolge des Turmbaus zu Babel sei diese lingua humana zunichte gemacht worden, die die eine Sprache des gesamten Menschengeschlechts in die Vielfalt der Einzelsprachen zerfallen ließ. Hinsichtlich der Bezeichnungspraxis ist auch auf den fundamentalen Unterschied hinzuweisen, der durch die singularische Verwendung der Bezeichnung Ursprache im Gegensatz zum Pluralwort Ursprachen entsteht, da im ersten Fall von einem monogenetischen Sprachursprung (ĺ Ursprung) ausgegangen wird, während die Verwendung der Bezeichnung Ursprachen erkennen lässt, dass eine Polygenese der Sprachen, die zeitgleich und unabhängig voneinander entstehen können, angenommen wird. Die Konzeption eines monogenetischen Sprachursprungs wird oftmals mit der Vorstellung von der Existenz einer perfekten, vollkommenen Ursprache verbunden, was z. B. an dem Ausdruck langue primitive et parfaite deutlich wird. Das Attribut der Ursprünglichkeit wird hier mit dem der Vollkommenheit verknüpft. Die Vorstellung, dass in einer einheitlichen Ursprache zu Beginn der Menschheitsgeschichte gleichzeitig der Gipfel ihrer Entwicklung liegt, ist prägend für das Sprachdenken der Renaissance, welches das Unitätskonzept mit der Idee der Perfektion verbindet. Erst allmählich wird im Laufe des 18. Jahrhunderts durch Aufklärung, Säkularisierung und Betonung der Perfektibilität des Menschen Sprache zusehends als Produkt einer kontinuierlichen, graduellen, historischen Entwicklung begriffen. Durch diese historisierende Sichtweise gerät die Gleichsetzung von Ursprünglichkeit und Vollkommenheit von Sprache oder Sprachen allmählich ins Abseits. Als Synonym zur Bezeichnung Ursprache werden auch Ausdrücke wie Muttersprache bzw. lingua matrix oder len-
486 gua matriz benutzt, die der Vorstellung verpflichtet sind, dass es eine gemeinsame Ursprache gegeben habe, von der sich dann in den folgenden Sprachgenerationen weitere ‘Tochtersprachen’ abgezweigt hätten. Diese Vorstellung von der Filiation der Sprachen wird im Grunde sogar noch im 19. Jahrhundert von SCHLEICHER in seinem, an DARWINs Evolutionslehre orientierten Modell, das die Sprachen der Welt in einem Stammbaum anordnet, übernommen.
II. (DU BARTAS [1584] 1940: 133, Zeilen 401–412): Claire perle, ô matrice, et reine des langages, Qui, pure, as jà franchi l’abisme de tant d’ages; Qui n’as mot qui ne pese, et dont les elemens Sont pleins de sens cachez, les poincts de Sacrements. Sainct dialecte, en toy les propres noms des hommes, Des pays, et citez sont autant d’epitomes De leurs gestes fameux, et ceux-là des oiseaux, Des hostes de la terre, et des bourgeois des eaux, Sont des livres ouverts, où chacun eust peu lire Leur naturelle histoire, avant que par son ire Le Pere roule-ciel d’un flambant coutelas. Eust coupé le chemin de l’Eden de ça-bas. (DURET [1613] 1972: 40): Adam imposa les vrais et propres noms à toutes les choses de cest univers, composant un chascun de ces noms par les lettres qui denotoyent les influences des astres destinez pour le ministère et service de la chose qu’ils représentent. (CRINESIUS 1629: 7): 25. Nostri etiam seculi omnes propemodum docti, primas Hebraeae deferunt, excepto unico Goropio Becano, qui Belgicam suam principem antiquitate asserere (sed frustra & admodum languidè) allaborat. 26. Sed ne nudis tantummodò autoritatibus inhaerere videamur, placet sententiam nostram, originis primas deferentem Linguae Eberinae, demonstratione stabilire isthac: Ad quamcunque linguam Etymologia nominum & personis & rebus à patriarchis, imò etiam ab ipso protoplasta nostro […] proximius convenit, ea meritò omnium prima erit statuenda. Sed hoc fit in sola nostra Hebraea omnium optumè. Ergò Lingua illa Hebraeorum omnium erit prima.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung (CRINESIUS 1629: 10–11): 37. […] Goropius Becanus, nostro seculo, ingenioso quidem commento, praetulit Hebraicae, Graecae & Latinae Cimbricam linguam, hoc est, antiquam Germanicam, quae in inferiore Germania & Belgio usitata est: quam nihil ab Hebraica, sed potius hanc ab illa adminicula sumpsisse multis argumentis conatur demonstrare. Imò, quod plus est, sibi & aliis persuadere nituntur, Adamum Germanicè in paradiso locutum, sicque hanc, ut longè antiquiorem, ita praestantiorem, & ab ea, tanquam ex fonte, omnes alias linguas in universo orbe fluxisse, quod acuti ingenii exercitium jucundum potius lectu, quam vera esse, quae arguit, à plerisque existimatur. Hactenus Waserus. (MERSENNE [1636] 1975: II, 11–12): Or si nous ne supposions la verité de la foy, qui nous apprend que le premier homme a esté creé droit, iuste & sçauant, nous croirions auec les Philosophes Payens, que les premiers hommes ont inuenté la premiere langue, qui peut estre appellée langue Originaire & Matrice, d’où les autres ont esté tirées: ou du moins il nous seroit tres-difficile, & peut estre impossible d’expliquer le progrez des langues depuis l’eternelle duree qu’ils disent s’estre écoulee iusques à present, car plusieurs d’entr’eux tiennent que le monde est eternel, & que les hommes ont toujours esté. (SYLVESTER [1641/1880] 1969: 142, Zeile 422–432): Mother and Mistresse of all Tongues the Prime: Which (pure) hast past such vast deep gulfs of Time: Which hast no word but weighs, whose Elements Flow with hid sense, thy points with Sacraments. O sacred Dialect! in thee the names Of Men, Towns, Countries register their fames In brief abridgements: and the names of Birds, Of Water-guests, and Forrest-haunting Heards, Are open Books where every man might read Their natures story; till th’ Heav’n-shaker dread, In his just wrath, the flaming sword had set, The passage into Paradise to let. (BOCHART [1646] 1674: 57): […] Linguam Hebraeam omnium esse antiquissimam docent Etymologiae nominum quotquot extant
Ursprache in historiâ Mosis, à mundi creatione usque ad dispersionem gentium. (LEIGH 1650: To the Reader): Latine is a common tongue, Greek a copious tongue, but Hebrew the most ancient and holy tongue; for Antiquity it is the tongue of Adam; for sanctity the tongue of God. In this tongue God spake to the Prophets and Patriarchs, in this tongue the Angels spake to men, in this tongue the Prophets wrote the Old Testament; this tongue, as is thought, shall the Saints speak in Heaven. (WALTON [1657] 1777: 7–8): […] 3. Nec minus certum est, nullam linguam homini naturalem esse, sed ex instituto diuino vel humano […] tum primam in Creatione, tum reliquas in linguarum diuisione post Diluuium ortas fuisse. […] cum tamen contrarium liquido constet: ad linguam enim Hebraeam […] non maiorem procliuitatem sentimus, quam ad quamuis aliam. Porro si ex natura lingua aliqua homini inesset, omnes hac per totum terrarum orbem vterentur, omnes eam intelligerent, nec posset quis per desuetudinem eius obliuisci: nam quod a natura est, vbique, apud omnes, et semper, idem est. […] 4. Nulla itaque lingua homini naturalis est; sed vel ab instituto pendet, vel imitatione addiscitur. (GALE 1672: 51): That al Languages and Letters were derived originally from the Hebrew, or Jewish Tongue, is an Assertion generally owned, and maintained by the most learned Philologists of this Age […]. (LAMY [1675] 1688: 60): Ainsi ce n’est point le hazard qui a fait naître l’usage de la parole, c’est Dieu qui l’a enseigné, & l’on pourroit dire que c’est de la premiere langue qu’il donna à Adam, que toutes les langues sont venuës comme nous venons de le dire, celle-là ayant été pour ainsi dire divisée & multipliée. (KIRCHER 1679: 146b-147b): Ille enim testatur Adamum primum hominum omnibus animalibus vera & propria nomina imposuisse, eamque facultatem à DEO accepisse. Verba ejus cito ex Genes. cap. II. vers. 19. Et formavit Dominus DEUS ex terra omne animal agri, & omne volatile coeli, & adduxit ea ad Adam, ut videret, quid vocaret ea, & omne quod vocavit Adam animae viventis, ipsum est nomen ejus, appellavitque Adam nominibus suis om-
487 nia animantia, & volatilia coeli; & omnem bestiam agri. […] sic enim intelligo illa verba: Et quodcunque nomen indidit illi Adam, illi, inquam, animae viventi, fuit nomen ejus, id est, fuerunt illis vera, & germana nomina, & rerum naturis propriè accommodata, non secundum extrinsecam denominationem, sed essentialem quandam rationem, ita ut proprietates singulorum animalium singulis nominibus perfectè responderent, atque adeò ex ipsis nominibus solis in intrinsecam cujusque rei naturam facilè pervenire quispiam posset, quibus consentit R. Abram Balmis his verbis […] Est autem differentia magna inter linguam sanctam, & alias linguas, cùm enim DEUS benedictus sit auctor linguae sanctae, necessariò nominum impositio debet ipsis rerum naturis respondere, quia secundum eorum naturas conveniebat eas appellare. (KIRCHER 1679: 147b): […] sic enim non Adamus, sed DEUS ipse imposuisse eis nomina diceretur, sed Adamum accepisse linguam à DEO, quantum ad alia omnia perfectam, praeter eam partem, quae animalium nomina continet […]. (KIRCHER 1679: 148a-149b): Linguam Hebraeam ipsi orbi condito coaevam, à DEO Optimo Maximo institutam primoque traditam parenti, nemo est, cui non satis compertum sit. Verùm cùm non desint, qui id impugnare audeant, nostram hanc sententiam variis rationibus stabiliendam duxi. Harum prima desumitur ab antiquitate & sanctitate, siquidem eam unà cum natura universi auctor indidit, nec ab impietate ortum cum aliis habuit communem; hac enim Adam omnium creaturarum naturas expressit, & omnibus eis nomina vocavit; in hac DEUS ipse saepius per se, vel per interlocutorem cum suis amicis colloquium instituit. […] Altera ratio ad rei hujus veritatem comprobandam, est ipsa simplicitas linguae, siquidem omnes vocum hujus linguae radices triliterae sunt, quod in nulla alia lingua accidit. Quemadmodum igitur composita & mixta posteriora sunt, communi philosophorum consensu, ipsis ex quibus sunt, & constant, videlicet simplicibus elementis, ita cùm caeterae omnium linguarum voces sint compositae, solius autem linguae Hebraeae voces sint
488 simplices, ut paulò post videbimus, certum est, primam omnium aliarum linguarum ipsam esse Hebraeam. […] Tertia ratio sumitur ab arcana, & plena innumeris mysteriis institutione hujus linguae, in qua quot literae & apices, tot mysteria, quot syllabae & voces, tot sacramenta esse etiam ipsi SS. PP. testantur, ut non sine causa Hebraei dicant: In lege, Hebraeo videlicet sermone conscripta, non esse vel unam literam, ex qua non magni montes dependeant. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 403): Es sey nun, daß dem ersten Menschen die Sprache anerschaffen, oder daß selbige allmählich von ihm erfunden worden; indem er nach Veranlassung seiner Empfindungen und Gedancken allerley Töne von sich gegeben, und selbige als Zeichen gewisser Dinge beständig damit verknüpfft hat: So ist es doch gewiß, daß das erste Sprechen nicht so gleich eine wohlgesetzte Rede gewesen seyn kan. Die älteste Sprache muß in den ersten Jahren der Welt eine sehr unvollkommene Sprache gewesen seyn. Die Anzahl der Dinge, deren man dazumahl nöthig hatte, war sehr geringe; der Umgang unter so wenigen Menschen und bey so wenigen Begriffen war sehr seltsam; und ihre Unterredungen mußten also nothwendig sehr mager bleiben: Folglich waren auch ihre Worte nicht viel, folglich dachten sie mehr als sie sprachen; wofern das noch dencken heißt, wenn man ein bloß anschauendes und kein symbolisches Erkänntniß von Dingen hat. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 404–405): Gottscheds Redek. p. 50 u. f. Was die Frage anbelanget: Welches die älteste unter allen Sprachen sey? So kan man nichts gewisses entscheiden. Einige sind auf die Gedancken gerathen, als ob die erste Sprache der Welt bey dem Thurm-Bau zu Babel gäntzlich verlohren worden sey, und als ob nur einige Reste davon in andern Sprachen übrig geblieben wären. Andre haben der Aethiopischen, andre der Griechischen, andre der Syrisch-Chaldäischen, die meisten der Hebräischen dieses Recht der Erstgeburt unter den Sprachen, wenn wir so sagen dürffen, zu behaupten gesucht. Niemand aber ist wohl hier auf eine seltsamere Meynung gefallen, als der im 16. Jahrhundert bekannt gewesene Medicus zu Leyden, Johann Goropius, mit dem
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Zunahmen Becanus. Wie er die Welt zu bereden gesucht, daß das Paradies in Holland gewesen sey, so hat er auch die Niederländische Sprache vor die älteste ausgegeben. Diejenigen, welche die Hebräische Sprache für die älteste halten, haben folgende Ursachen: 1. Weil eben allein aus derselben alle Nahmen der Oerter und Menschen vor der Sündfluth und Sprachenvermischung können erkläret werden. Z. E. Adam I B. Mos. II, 7. Eva. III, 20. Cain, IV, 1, Seth, IV, 25. Noah, V, 26. Peleg, X, 25. Eden, II, 10. Nod, IV, 16. 2. Weil die Benennung einer Ehefrauen [sic] von dem Manne, als Männin, sonst in keiner Sprache zu finden ist, I B. Mos. II, 23. 3. Weil denen Thieren in dieser Sprache zuerst ihre Nahmen, und zwar solche, wie deren Natur eigentlich erfordert, sind gegeben worden; I B. Mos. II, 19.20. 4. Weil derer ältesten Völcker und Nationen Rahmen daraus genommen sind; I B. Mos. X, 2.29. 5. weil sie noch jetzo die Mutter aller andern Sprachen ist, als welche, so leicht zu keiner andern können gebracht, noch in eine andere resolviret werden, als eben die Hebräische Sprache. Allein es ist nicht zu begreiffen, wie in so viel tausend Jahren und bey so unendlich vielen Veränderungen der menschlichen Begebenheiten eine Sprache in ihrer ersten Reinigkeit haben bleiben können. Da alles der Veränderung unterworfen ist, warum sollten die Sprachen davon ausgenommen seyn? Will man einwenden, weil die Schrifft in der Hebräischen Sprache aufgezeichnet ist; so hätte Gott auch dieselbige vor andern erhalten: so gewinnet man wenig damit. Wenn die Juden Mexicanisch geredet hätten; so hätte die Schrifft auch darinnen abgefaßt werden müssen, weil sich GOtt derjenigen Sprache bedienen mußte, die die Leute verstunden. Sollte ihr aber deswegen wohl eine besondere Heiligkeit zukommen? GOtt redet in allen und jeden Sprachen, daher auch wegen der angegebenen Heiligkeit desfalls eine so viel Vorzugs als die andere verdienet, und es ist gewiß kein kleiner von den hochmüthigen Juden uns aufgebundener Aberglaube, daß wir uns eine sonderbare Heiligkeit ihre Sprache und daher, rührenden Vorzug weiß machen lassen. Es ist fast lächerlich, wie die Freunde von dieser Sprache und ihrem Alterthume schwatzen, saß sie ihre Stammwörter zur Erklärung der Stammwörter andrer
Ursprache Sprachen machen möchten. Allein so lange ihre Erklärungen allzugezwungen bleiben, so lange keine tüchtigen Gründe vorhanden sind, aus welchen sie es beweisen können: So lange wird auch ihre Mühe vergebens seyn. Pufendorf. von den Zust. des H. R. R. Deutscher Nation. p. 87. (GOTTSCHED [1748] 1762: 193): Die vernünftigsten Gründe geben es nämlich, daß alle europäischen Sprachen von der alten keltischen, und scythischen ihren Ursprung genommen haben. Von dieser alten gemeinschaftlichen Mutter und Großmutter nun, haben die griechische, lateinische, deutsche und slavonische Sprache, als die vier europäischen Hauptsprachen, eine große Anzahl Stammwörter, so unverfälscht beybehalten, daß sie einander darinnen noch gewissermaßen ähnlich sind. (ROUSSEAU 1755: 35–36): LE premier langage de l’homme, le langage le plus universel, le plus énergique, & le seul dont il eut besoin, avant qu’il fallût persuader des hommes assemblés, est le cri de la nature. Comme ce cri n’étoit arraché que par une sorte d’instinct dans les occasions pressantes, pour implorer du secours dans les grands dangers, ou du soulagement dans les maux violens, il n’étoit pas d’un grand usage dans le cours ordinaire de la vie, où regnent des sentimens plus modérés. (Encyclopédie, Artikel Formation, BEAUZÉE, 1757: VII, 173): Il en est de même & dans toute autre langue, de tout mot radical, qui par ses diverses inflexions, ou par son union à d’autres radicaux, sert à exprimer les diverses combinaisons de l’idée fondamentale dont il est le signe, avec les différentes idées accessoires qui peuvent la modifier ou lui être associées. Il y a dans ce procédé commun à toutes les langues un art singulier, qui est peut-être la preuve la plus complette qu’elles descendent toutes d’une même langue, qui est la souche originelle: cette souche a produit des premieres branches, d’où d’autres sont sorties & se sont étendues ensuite par de nombreuses ramifications. Ce qu’il y a de différent d’une langue à l’autre, vient de leur division même, de leur distinction, de leur diversité: mais ce qu’on trouve de commun dans leurs procédés généraux, prouve l’unité de leur premiere origine. J’en dis autant des racines, soit génératrices soit élémentaires, que l’on retrouve les
489 mêmes dans quantité de langues, qui semblent d’ailleurs avoir entre elles peu d’analogie. Tout le monde sait à cet égard ce que les langues greque, latine, teutone, & celtique, ont fourni aux langues modernes de l’Europe, & ce que celles-ci ont mutuellement emprunté les unes des autres; & il est constant que l’on trouve dans la langue des Tartares, dans celle des Perses & des Turcs, & dans l’allemand moderne, plusieurs radicaux communs. (PRIESTLEY [1762] 1971: 287–288): THE race of mankind having, according to the Old Testament history, had one origin, must have spoken one language, and this would continue to be spoken without much variation while their numbers would permit them to reside near together. (PRIESTLEY [1762] 1971: 288): First, The primitive language, or that which was spoken by the first family of the human race, must have been very scanty, and insufficient for the purposes of their descendants, in their growing acquaintance with the world. (BERGIER [1764] 1837: 3–4): La question n’est pas de savoir où l’on doit puiser les premiers élémens des langues. Tous conviennent que l’hébreu étant la plus ancienne et celle qui porte le plus de caractères de langue primitive, c’est à elle qu’il faut s’attacher. Mais l’hébreu fournit à peine trois cents monosyllabes, ce petit nombre suffira-t-il pour en composer près de deux mille mots principaux, indiqués ordinairement par les grammairiens, et les autres dictions dont ils n’ont pas encore montré la source? (BERGIER [1764] 1837: 4): Soutiendra-t-on que la langue hébraïque n’est autre chose qu’une combinaison variée de deux cents monosyllabes? J’ose le soutenir, et je crois être en état de le prouver. Cette pauvreté, excessive, si l’on veut, est une marque évidente de l’antiquité de cette langue. (BERGIER [1764] 1837: 12): Les premiers hommes ont porté vraisemblablement partout le premier jargon qu’ils avoient formé pour leur usage, et qu’ils ont appris à leurs enfans. Ce langage aussi ancien que le monde, ces termes originaux doivent donc se retrouver chez tous les peuples, et les racines de la langue hébraïque doivent être aussi les racines de toutes les langues de l’univers.
490 (BERGIER [1764] 1837: 13–14): Que l’on ne soit donc pas surpris, si je prétends retrouver les racines hébraïques, non-seulement dans les autres langues orientales, mais dans le grec, dans le latin, dans le françois, et même dans les divers jargons ou patois des provinces. (DE BROSSES 1765: I, xv-xvj): […] Que les choses étant ainsi, il existe une langue primitive, organique, physique & nécessaire, commune à tout le genre humain, qu’aucun peuple au monde ne connoît ni ne pratique dans sa premiere simplicité; que tous les hommes parlent néanmoins, & qui fait le premier fond du langage de tous les pays: fond que l’appareil immense des accessoires dont il n’est chargé laisse à peine appercevoir. Que ces accessoires sortis les uns des autres de branches en branches, d’ordre en sous-ordres, sont tous eux-mêmes sortis des premiers germes organiques & radicaux, comme de leur tronc; qu’ils ne sont qu’une ample extension de la premiere fabrique du langage primitif tout composé de racines: extension établie par un systême de dérivation suivi pas à pas, d’analogies en analogies, par une infinité de routes directes, obliques, transversales; dont la quantité innombrable, les variétés prodigieuses & les étranges divergences constituent la grande diversité apparente qu’on trouve entre tous les langages: Que néanmoins toutes les routes, malgré la diversité de leur tendance apparente, ramenent toujours enfin, en revenant sur ses pas, au point commun dont elles se sont si fort écartées. (DE BROSSES 1765: I, xviij-xix): […] Que le langage humain & la forme des noms imposés aux choses n’est donc pas, autant qu’on se le figure, l’opération de la volonté arbitraire de l’homme: que dans la premiere fabrique du langage humain & des noms radicaux, cette forme est l’effet nécessaire des sensations venues des objets extérieurs, sans que la volonté y ait eu presque aucune part: qu’elle en a même eu beaucoup moins qu’on ne l’imagine aux dérivations, toujours tirées des premiers noms radicaux & imitatifs des objets réels, même lorsque la dérivation vient à s’exercer, non sur des objets physiquement existans dans la nature, mais sur des idées, sur des objets intellectuels qui n’ont d’existence que dans l’esprit humain; en un mot, sur des êtres abstraits qui n’appartiennent
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung qu’à l’entendement ou aux autres sens intérieurs. (DE BROSSES 1765: I, xlviij-xlix): On en viendra un jour à comparer toutes les langues les unes aux autres, à mesure qu’elles seront bien connues; à les disposer toutes ensemble, & à la fois, sous les yeux dans une forme parallele. Si jamais on exécute l’archéologue universel, ou tableau de nomenclature générale, par racines organiques, pour les langues qui nous sont connues, […] ce sera un magazin tout préparé pour y joindre celles dont on acquerra la connoissance; & il est plus que probable que tous les mots de chacune viendront facilement d’eux-mêmes se ranger chacun sous leur racine organique, dans leur case propre & préparée, jusqu’à ce qu’enfin on soit parvenu au complet sur cette matiere. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 258–59): L’ordre analytique étant le prototype invariable des deux especes générales de langues, & le fondement unique de leur communicabilité respective, il paroît assez naturel que la premiere langue s’y soit attachée scrupuleusement, & qu’elle y ait assujetti la succession des mots, plûtôt que d’avoir imaginé des désinences relatives à cet ordre, afin de l’abandonner ensuite sans conséquence: il est évident qu’il y a moins d’art dans le langage analogue que dans le transpositif. (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: VI, III, 281): Or toutes ces langues de la Scythie ont beaucoup de racines communes entre elles et avec les nostres, et il se trouve que même l’Arabique […] en a d’un si grand nombre et d’une convenance si manifeste avec les nostres, qu’on ne le sauroit attribuer au seul hazard, ny même au seul commerce, mais plustost aux migrations des peuples. De sorte qu’il n’y a rien en cela, qui combatte et qui ne favorise plustost le sentiment de l’origine commune de toutes les Nations, et d’une langue radicale et primitive. Si l’Hébraique ou l’Arabesque y approche le plus, elle doit estre au moins bien alterée, et il semble que le Teuton a plus gardé du naturel, et (pour parler le langage de Jaques Böhm) de l’Adamique: car si nous avions la langue primitive dans sa pureté, ou asséz conservée pour estre reconnoissable, il faudroit qu’il y parussent les raisons des connexions soit physiques, soit d’une
Ursprache institution arbitraire, sage et digne du premier auteur. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 32): On pourroit donc partager les sons du premier langage en imitatifs, rélatifs, et figuratifs. Par imitatifs j’entens ceux qui n’expriment exactement que la chose sonore, comme seroit le *hurlement du loup*, pour nominer *le loup*. Par rélatifs j’entens ceux qui sont plus appliqués & pris de quelque rapport, comme la pomme ou tel autre fruit qui auroit reçu son nom du croassement d’un corbeau qui se seroit trouvé par hazard aux environs. Par figuratifs j’entens ceux qui imitent les actions de l’homme, comme dormir, manger, boire, souffler, bailler, pleurer, rire, cracher &c: (HERDER [1772] 1978a: 97–98): Nehmet die sogenannte göttliche erste Sprache, die hebräische, von der der größte Teil der Welt die Buchstaben geerbet: Daß sie in ihrem Anfange so lebendig-tönend, so unschreibbar gewesen, daß sie nur sehr unvollkommen geschrieben werden konnte, dies zeigt offenbar der ganze Bau ihrer Grammatik. (HERDER [1772] 1978a: 132–133): Denn was war diese erste Sprache als eine Sammlung von Elementen der Poesie? Nachahmung der tönenden, handelnden, sich regenden Natur, aus den Interjektionen aller Wesen genommen und von Interjektionen menschlicher Empfindung belebet; die Natursprache aller Geschöpfe, vom Verstande in Laute gedichtet, in Bilder von Handlung, Leidenschaft und lebender Einwürkung; ein Wörterbuch der Seele, was zugleich Mythologie und eine wunderbare Epopöe von den Handlungen und Reden aller Wesen ist! Also eine beständige Fabeldichtung Leidenschaft und Interesse! (HERDER [1772] 1978a: 133): Ferner. Die Tradition des Altertums sagt, die erste Sprache des menschlichen Geschlechts sei Gesang gewesen, und viele gute musikalische Leute haben geglaubt, die Menschen könnten diesen Gesang wohl den Vögeln abgelernt haben. Das ist freilich viel geglaubt! Eine große, wichtige Uhr mit allen ihren scharfen Rädern und neugespannten Federn und Zentnergewichten kann wohl ein Glockenspiel von Tönen machen, aber den neugeschaffnen Menschen mit seinen würksamen Triebfedern, mit seinen Bedürfnissen, mit seinen starken Empfindungen, mit seiner fast blind
491 beschäftigten Aufmerksamkeit und endlich mit seiner rohen Kehle dahinsetzen, um die Nachtigall nachzuäffen und sich von ihr eine Sprache zu ersingen, ist, in wie vielen Geschichten der Musik und Poesie es auch stehe, für mich unbegreiflich. (HERDER [1772] 1978a: 134): War also die erste Menschensprache Gesang, so war’s Gesang, der ihm so natürlich, seinen Organen und Naturtrieben so angemessen war als der Nachtigallen Gesang ihr selbst, die gleichsam eine schwebende Lunge ist, und das war eben unsre tönende Sprache. Condillac, Rousseau und andre sind hier halb auf den Weg gekommen, indem sie die Prosodie! und den Gesang der ältesten Sprachen vom Geschrei der Empfindung herleiten; und ohne Zweifel belebte Empfindung freilich die ersten Töne und erhob sie. So wie aber aus den bloßen Tönen der Empfindung nie menschliche Sprache entstehen konnte, die dieser Gesang doch war, so fehlt noch etwas, ihn hervorzubringen, und das war eben die Namennennung eines jeden Geschöpfs nach seiner Sprache. Da sang und tönte also die ganze Natur vor, und der Gesang des Menschen war ein Konzert aller dieser Stimmen, sofern sie sein Verstand brauchte, seine Empfindung faßte, seine Organe sie ausdrücken konnten. (HERDER [1772] 1978a: 143): Je älter und ursprünglicher die Sprachen sind, desto mehr wird diese Analogie der Sinne in ihren Wurzeln merklich. Wenn wir in späten Sprachen den Zorn schon als Phänomenen des Gesichts oder als Abstraktum in den Wurzeln charakterisieren, z. E. durch das Funkeln der Augen, das Glühen der Wange usw., und ihn also nur sehen oder denken, so höret ihn der Morgenländer, höret ihn schnauben, höret ihn brennenden Rauch und stürmende Funken sprühen. Das ward Namen des Worts: die Nase Sitz des Zorns, das ganze Geschlecht der Zornwörter und Zornmetaphern schnauben ihren Ursprung. (ROUSSEAU [1781] 1968: 43): […] mais pour émouvoir un jeune cœur, pour repousser un aggresseur injuste la nature dicte des accens, des cris, des plaintes: voila les plus anciens mots inventés, et voila pourquoi les prémiéres langues furent chantantes et passionnées avant d’être simples et méthodiques.
492 (ROUSSEAU [1781] 1968: 51): Je ne doute point qu’independament du vocabulaire et de la sintaxe, la prémiére langue si elle existoit encore n’eut gardé des caractéres originaux qui la distingueroient de toutes les autres. Non seulement tous les tours de cette langue devroient être en images, en sentimens, en figures; mais dans sa partie mécanique elle devroit répondre à son prémier objet, et présenter au sens ainsi qu’à l’entendement les impressions presque inévitables de la passion qui cherche à se communiquer. (ROUSSEAU [1781] 1968: 53): Cette langue auroit beaucoup de synonimes pour exprimer le même être par ses différens raports; elle auroit peu d’adverbes et de mots abstraits pour exprimer ces mêmes rapports. Elle auroit beaucoup d’augmentatifs, de diminutifs, de mots composés, de particules expletives pour donner de la cadence aux périodes et de la rondeur aux phrases; elle auroit beaucoup d’irrégularités et d’anomalies – elle négligeroit l’analogie grammaticale pour s’attacher à l’euphonie, au nombre, à l’harmonie, et à la beauté des sons; au lieu d’argumens elle auroit des sentences, elle persuaderoit sans convaincre et peindroit sans raisoner; elle ressembleroit à la langue chinoise à certains égards, à la grecque à d’autres, à l’arabe à d’autres. (RIVAROL [1784] 1998: 102–105): On trouve les mêmes articulations radicales, etc. – Ce sont ces racines des mots que les étymologistes cherchent obstinément par un travail ingénieux et vain. Les uns veulent tout ramener à une langue primitive et parfaite; les autres déduisent toutes les langues des mêmes radicaux. Il les regardent comme une monnaie que chaque peuple a chargée de son empreinte. En effet, s’il existait une monnaie dont tous les peuples se fussent toujours servis, et qu’elle fût indestructible, c’est elle qu’il faudrait consulter pour la fixation des temps où elle fut frappée. Et, si cette monnaie était telle que, sans trop de confusion, on eût pu lui donner des marques certaines qui désignassent les empires où elle aurait passé, l’époque de leur politesse ou de leur barbarie, de leur force ou de leur faiblesse, c’est elle encore qui fournirait les plus sûrs matériaux de l’histoire. Enfin, si cette monnaie s’altérait de certaines manières, entre les mains de certains
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung particuliers, que leurs affections lui donnassent de telles couleurs et de telles formes qu’on distinguât les pièces qui ont servi à soulager l’humanité ou à l’opprimer, à l’encouragement des arts ou à la corruption de la justice, etc. , une telle monnaie dévoilerait incontestablement le génie, le goût et les mœurs de chaque peuple. Or les racines des mots sont cette monnaie primitive, antiques médailles répandues chez tous les peuples. Les langues plus ou moins perfectionnées ne sont autre chose que cette monnaie ayant déjà eu cours, et les livres sont les dépôts qui constatent ses différentes altérations. (BEATTIE [1788] 1968: 101): As the first language, whatever it was, must therefore have been perfect; and liable to no depravation from a mixture of foreign idioms; and held in reverence by those who spoke it, that is, by all mankind, on account of its divine original; we may believe, that it would continue unaltered for many ages. Accordingly Scripture informs us, that when the building of Babel was begun, about eighteen hundred years after he fall, the whole earth was of one speech. And, had no miraculous interpositon taken place, it is probable, that some trace of it would have remained in every language of this day. (CAMPOS 1791: 21): Y si el lenguage es fruto de las necesidades, el primero que tuvimos debió ser proporcionado á las pocas que entónces habla, y por tanto muy limitado. Poquísimas voces é acaso sonidos inarticulados, mezclados con algunos gestos y movimientos del cuerpo, compusieron sin duda el lenguage de los primeros hombres. ([EICHHORN] 1792: 2–3): Sind es ohnehin diejenigen, die auf ein höheres Alter, als andere Anspruch nehmen? So häufig man sonst auch dieses als den häufigsten Vorzug angesehen hat, so fehlt doch so viel davon, daß diese Bestimmung eher zur Einsicht in die oben angeführten Fragen beytragen könnte, daß wir vielmehr dadurch in unserer ganzen Untersuchung sehr bald ermüden würden. Die Geschichte, die nothwendig unsere Führerinn seyn muß, wenn wir das Alter einer Sprache untersuchen wollen läßt uns am Ende in größerer Ungewißheit zurück, als worinn wir beym Anfang unserer Untersuchung waren. Und ob es gleich aus mehr als einer
Ursprache Ursach mehr als wahrscheinlich ist, daß die ältesten Sprachen da gesucht werden müssen, wo der Geschichte zu Folge die ältesten Völker zum Vorschein gekommen sind, nemlich im Morgenlande, so ist bisher doch noch nicht ausgemacht worden, welche von den verschwundenen morgenländischen Sprachen älter als die andere ist. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 47–48): La semejanza pues casual de casi todas las lenguas en el sonido de poquísimas palabras, aunque de significaciones diversas, es el único fundamento ó prueba de la opinion de los que se figuráron provenir todas las lenguas de una primitiva, que segun muchos autores era la hebrea. En las lenguas de las naciones poco lejanas entre sí, ó que se tratan, necesariamente deben hallarse algunas palabras comunes; y en los idiomas de todas las naciones debe haber algunas, que consten de las mismas letras, porque siendo muy limitado el número de estas, es necesaria la casualidad de hallarse en todos ellos algunas palabras principalmente monosílabas y disílabas, con el mismo número y órden de letras. Esta superficial, inevitable, ó casual semejanza de los idiomas en algunas palabras, que comunmente son de cosas poco usuales ó necesarias, ha dado motivo á la falsa idea que muchísimos autores han formado de la afinidad de lenguas totalmente diversas. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 35): Por poca atencion que los literatos hubieran puesto en observar la diversidad substancial, y siempre constante en las palabras, artificio gramatical y pronunciacion entre las lenguas matrices y sus respectivos dialectos, como tambien la afinidad y constante semejanza de los dialectos de cada lengua matriz, hubieran conocido evidentemente, y establecido por dogma filosófico, ser imposible que todos los idiomas del mundo sean dialectos de una misma lengua matriz, como debian serlo en caso de provenir todos ellos de la lengua hebrea. (DENINA 1804: XXIV): Les mots primitifs étoient sans doute des monosyllabes, et ordinairement des onomatopées plus ou moins expressives, les unes sortant de l’organe pour marquer un son, les autres pour indiquer un temps, ou une distance de lieu; variables ce-
493 pendant de plusieurs manières, par la transposition de l’élément radical, ou par quelque diversité d’articulation ou d’accent, et pouvoient prendre en même temps différentes significations. (THUROT 1830–1833: I, 250–251): Sur environ cent cinquante mots de cette espèce, pris dans une de nos langues les plus cultivées de l’Europe, il est probable qu’on pourrait parvenir à prouver, par des étymologies presque certaines, que la lus grande partie ne sont que des noms ou des verbes, et qu’on n’en trouverait guère qu’une douzaine trop altérés, peutêtre, pour qu’il fût possible de remonter à leur origine. La doctrine que nous adoptons ici paraît donc fondée sur les faits, aussi bien que sur la nature du langage. La comparaison, sous ce rapport, de plusieurs langues, dont les systèmes diffèrent entièrement de celui de nos idiomes d’Europe, pourrait confirmer encore cette doctrine, et prouver le point principal que nous nous sommes proposé d’établir ici. C’est que la forme invariable de tous ces mots a été le résultat nécessaire de leur manière de signifier, née elle-même des besoins de l’énonciation.
III.
1. Zur Ausgangslage Im 17. und auch im 18. Jahrhundert ist das Konzept einer ‘Ursprache’ unter den europäischen Gelehrten weit verbreitet. Dabei sind Konzeptionen der ‘Ursprache’ stets im Kontext von Reflexionen über den ĺ Ursprung der Sprache zu würdigen. Die Sprachbetrachtung des 17. Jahrhunderts ist oftmals noch dem biblischen Schöpfungsmythos verpflichtet und nimmt einen göttlichen Sprachursprung und damit auch die Göttlichkeit der Ursprache an, welche konkret mit dem Hebräischen identifiziert wird. Im 17. und 18. Jahrhundert sind insbesondere Referenztexte von Autoren wie DURET, KIRCHER, COMENIUS, BERGIER, SÜSSMILCH oder BEATTIE von Bedeutung, die an den biblischen Schöpfungsbericht anknüpfen und die Göttlichkeit der Ursprache postulieren. Demgegenüber erreicht im 18. Jahrhundert die Reflexion über den Sprachursprung einen Kulminationspunkt, wobei eine säkularisierte Auffassung von der Sprachentstehung die bis
494 dahin gängige Konzeption eines göttlichen Sprachursprungs immer mehr in den Hintergrund drängt, ohne sie jedoch ganz zum Verschwinden zu bringen, wie etwa die Sprachursprungskonzeptionen von Autoren wie SÜSSMILCH, FORMEY oder SAINT-MARTIN bezeugen (ĺ Ursprung). Im Verlauf des 18. Jahrhunderts manifestiert sich eine säkularisierte Sichtweise der Sprachentstehung (ĺ Ursprung), die den Menschen zum Schöpfer seiner Sprache werden lässt. Sprache kristallisiert sich nach dieser Auffassung erst langsam als Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses heraus (ĺ Sprachveränderung), erreicht das Stadium der Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), um daraufhin nach Erreichen eines jeweils einzelsprachlich verschiedenen Goldenen Zeitalters zum Opfer der ĺ Korruption zu werden. Für diese säkularisierte Konzeption der Sprache, die zudem in ein historisches Menschenbild integriert ist, stehen die Ursprungs- und Ursprachskonzeptionen von Autoren wie CONDILLAC, ROUSSEAU, HERDER, VICO, BECCARIA oder CAMPOS. Grundsätzlich lassen sich bei den Versuchen, die Ursprache zu definieren, sechs verschiedene Richtungen unterscheiden: Besonders geläufig ist die Identifizierung der Ursprache mit dem Hebräischen als der heiligen Sprache des Alten Testamentes, wobei z. T. zwischen der Sprache Adams und der Sprache Gottes differenziert wird. Neben der Gleichsetzung der Ursprache mit dem Hebräischen floriert besonders in der Renaissance eine Vielfalt von Ursprachskonzeptionen. Getragen von dem Bewusstsein um die Bedeutung der eigenen Nationalsprache rufen ihre jeweiligen Apologeten sie im Kampf gegen die lateinische Gelehrtensprache zur Ursprache aus. Am bekanntesten ist hier das Beispiel des Niederländers GOROPIUS BECANUS (Jan VAN GORP), der in seinen Origines Antwerpianae das Flämische zur Ursprache erklärt. Eine Parodie dieser Auffassung findet sich bei LEIBNIZ, der in seinen Nouveaux essais sur l’entendement humain die Etymologien des GOROPIUS BECANUS der Lächerlichkeit preisgibt (LEIBNIZ [1765] 1990: VI, III, 285). Allerdings waren die Ansätze, verschiedene Nationalsprachen zur Ursprache zu erklären, durchaus ernst gemeint
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung und wurden teilweise mit kuriosen Etymologien (ĺ Etymologie) begründet, die ein scheinbar verlässliches philologisches Instrumentarium bereitstellten, um sprachliche Hegemonialansprüche vertreten zu können, da das Alter der Sprache zugleich als ein Indiz für die Würde und Weisheit des Volkes angesehen wurde, das sie sprach. Im Zuge der wachsenden Säkularisierungstendenzen des 18. Jahrhunderts verlor die These von der hebräischen Ursprache zusehends an Bedeutung. Mit dem Versuch, den ĺ Ursprung der Sprache als Menschenwerk zu betrachten, wurde die Bibelgeschichte der Genesis zugunsten eines Konzeptes verworfen, das die sprachlichen, kognitiven und sozialen Dispositionen des Urmenschen in den Vordergrund stellte und anhand von Gedankenexperimenten versuchte, den Urmenschen in einem hypothetischen Naturzustand als Spracherfinder zu konzipieren. Dergleichen Versuche einer hypothetischen Rekonstruktion mündeten in Vorstellungen von universellen, natürlichen Bestandteilen von Sprache (ĺ Natürlichkeit), die etwa von DE BROSSES mit Interjektionen (ĺ Interjektion), Onomatopoetika und sonstigen Lauten, die aus imitatorischen Prozessen resultieren, identifiziert wurden. Während DE BROSSES von der Möglichkeit einer Rekonstruktion von Elementen der Ursprache ausging und dies mit der anatomischen Konfiguration der Sprechorgane als universeller physiologischer Basis der Sprachproduktion begründete, hielten andere Autoren wie z. B. HERVÁS Y PANDURO die Ursprache für nicht mehr rekonstruierbar. Zwar wird die Existenz einer Ursprache nicht negiert, aber ihre Rekonstruktion wird verworfen. Von diesem Geiste getragen sind auch Versuche der Entwicklung perfekter Sprachen, die insbesondere in den Universalsprachenprojekten des 17. Jahrhunderts insbesondere bei LODWICK, DALGARNO und WILKINS ihre reifste Ausprägung finden (ĺ Universalsprache). Da die Ursprache als eine vollkommene Sprache betrachtet wurde, in der Wort und Ding zueinander in einer harmonischen Entsprechung stehen, versuchte man, den Verlust der als verloren erachteten Ursprache mit Hilfe der Konstruktion einer Sprache zu kompensieren, in der diese ursprüngliche Einheit andeutungsweise zurückgewonnen
Ursprache werden konnte. Zu diesem Zwecke bemühte man sich im Geiste BACONs um die Erfindung eines real character, um Symbolsprachen, Hieroglyphen, Zeichenschriften im Sinne der musikalischen Notation, algebraische und geometrische Zeichen, die alle dem Ziele dienten, den Unvollkommenheiten der Sprache durch größere Exaktheit und eine scheinbar eindeutige Relation zwischen Wort und Ding entgegenzuwirken. Universalsprachen sind also keineswegs nur motiviert von dem im 17. Jahrhundert zusehends größer werdenden Bedürfnis nach einer gut handhabbaren lingua franca für die stetig wachsenden europäischen Handelsbeziehungen. Sie sind zugleich der Versuch einer Antwort auf die Suche nach der Ursprache, der man anhand von scheinbar exakteren Determinationen der Relation zwischen Begriff und Signifikant näherzukommen versucht. Die Erfindung einer Universalsprache lässt sich daher auch als konstruktive Reaktion auf die Unmöglichkeit der Rekonstruktion der Ursprache ansehen. Zusammenfassend lassen sich also folgende sechs Ansätze bei der Bestimmung des Konzepts der ‘Ursprache’ unterscheiden: 1. Identifizierung der Ursprache mit dem Hebräischen als der göttlichen oder adamitischen, jedoch stets heiligen Sprache des Alten Testamentes 2. Kritik an der Identifizierung der Ursprache mit dem Hebräischen und Desakralisierung 3. Identifizierung der Ursprache mit einer konkreten Volkssprache, wobei der Nachweis des hohen Alters einer Volkssprache ihrer Nobilitierung dient und ein höchst wirksames Argument in apologetischen Diskussionen darstellt (ĺ Apologie). 4. Bestimmung der Ursprache oder ihrer einzelnen Elemente anhand von anatomischen und physischen Grunddispositionen des Menschen, die ihn zum Sprechen befähigen und die Imitation von Gegenständen der Umwelt ermöglichen, woraus Postulate von sprachlichen Universalien abgeleitet werden (ĺ Universalität und Verschiedenheit). 5. Gänzliches Verwerfen des Konzepts einer rekonstruierbaren Ursprache, da es als ahistorisch und für die philologische Arbeit als nicht produktiv eingestuft wird.
495 6. Produktiver Umgang mit dem Konzept der Ursprache durch Aufstellung eines komplementären Konzepts: der ĺ Universalsprache. Eine vorgeblich universelle Sprache teilt mit der Ursprache die natürlich motivierte, nicht den Grenzen der ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention unterworfene Relation zwischen Wort und Ding. 2. Verschiedene Konzepte der Ursprache 2.1. Identifizierung der Ursprache mit dem Hebräischen Ausgangsbasis für das Konzept einer göttlichen oder adamitischen Ursprache ist der biblische Schöpfungsbericht. Als zentrale Stationen für die Betrachtung der Ursprache werden daraus die Benennung der Tiere durch Adam (nominatio rerum), die Verbreitung von Noahs Nachkommen über die Erde als Folge der Sintflut, die in der sogenannten Völkertafel mit ihren 72 Stämmen dokumentiert ist, sowie der Turmbau zu Babel herangezogen (ĺ Ursprung; ĺ Sprachverwirrung). In diesem Sinne nimmt etwa DURET Adam als Nomotheta, als ersten Namensgeber an, der allen Dingen des Universums die wahren und richtigen Namen beigelegt habe. Konstitutiv für diese Konzeption der Ursprache ist die Vorstellung, dass Adam als erster Namensgeber den Kriterien der Wahrheit und Adäquatheit von Sprache nachkommt. Im Gegensatz zu künftigen Sprachbenutzern nach Babel habe Adam noch über die genaue Kenntnis des Zusammenhangs zwischen Wort und Welt verfügt. Im Sinne einer allgemeinen Harmonie des Kosmos, in der Adam mit der Welt im Einklang steht, vermag er auch über den Wahrheitswert von Wörtern zu urteilen. Die Wörter im Paradies waren nach der Auffassung DURETs und all der Autoren, die am biblischen Schöpfungsbericht festhielten (wie z. B. KIRCHER, COMENIUS, SÜSSMILCH, SYLVESTER) eine Natursprache, die als direktes Abbild der Dinge fungierte (ĺ Natürlichkeit). Anfang des 17. Jahrhundert spricht DURET Adam die Fähigkeit zu, als vollkommene Kreatur über eine Sprache zu verfügen, die ein natürliches Abbild der Dinge darstellt und dem Kriterium der Wahrheit und Adäquatheit entspricht (ĺ Natürlichkeit). Heiligkeit und Reinheit sind Attribute, mit denen auch SYL-
496 VESTER in seiner Übertragung des Gedichtes “Babylone” aus DU BARTAS’ La Seconde Sepmaine / ou Enfance du Monde die Ursprache versieht. Für SYLVESTER und DU BARTAS ist die Ursprache mit der heiligen Sprache Hebräisch gleichzusetzen, die schon Adam benutzt habe und die trotz der ĺ Sprachverwirrung vom Stamme Heber bewahrt worden sei. Die Heiligkeit der Sprache ermöglicht es, die Heiligkeit der Dinge, die sie bezeichnet, für immer zu verewigen. Die Heiligkeit, Reinheit und Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) der Ursprache sind Eigenschaften, welche insbesondere die sprachmystischen und kabbalistischen Versuche der Rekonstruktion der Ursprache bestimmt haben, wie sie etwa bei BÖHME oder religiösen Sekten wie den Rosenkreuzern auftraten. Diese sprachmystischen Auffassungen sind geprägt von einer Konzeption der Welt als großem Buch der Natur, in dem man mithilfe der Sprache blättern kann, wobei die Kenntnis der Sprache uns Kenntnis über das Wesen der Dinge verleiht. Von der Rekonstruktion der Ursprache versprechen sich Sprachmystiker auch die Evokation einer paradiesischen Endzeit, in der der Mensch in einen Zustand der Schuldlosigkeit und damit der absoluten Erkenntnis gelangt. Somit erlangt die Frage nach der Ursprache auch eine heilsgeschichtliche Dimension, die etwa in der Sprachauffassung BÖHMEs deutlich wird und später im 18. Jahrhundert in der Kondeszendenz-Theorie HAMANNs ihren Niederschlag findet. Die gängige Identifizierung der Ursprache mit dem Hebräischen tritt auch bei LEIGH in Erscheinung, der den Primat des Hebräischen im Rahmen eines Sprachvergleichs (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) hervorhebt. So sei das Lateinische eine allgemein geläufige Sprache, das Griechische eine sehr reiche Sprache (ĺ Reichtum), aber das Hebräische sei die älteste und zugleich die heilige Sprache (the most ancient and holy tongue). Dabei nimmt er in Bezug auf das Alter des Hebräischen und auf seine Heiligkeit zwei Attributionen vor: Hinsichtlich des Alters sei das Hebräische die Sprache Adams, in Bezug auf seine Heiligkeit jedoch sei es die Sprache Gottes. Damit wird die historische Dimension, die erst
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung durch das In-die-Welt-Eintreten Adams beginnen kann, von der mit dem Attribut der Heiligkeit versehenen ewigen Präsenz Gottes unterschieden. In dieser heiligen Ursprache habe Gott zu Propheten und Patriarchen gesprochen, in dieser Sprache hätten Engel mit Menschen kommuniziert und in dieser Sprache hätten die Propheten das Alte Testament abgefasst. Die Identifizierung der Ursprache mit dem Hebräischen findet sich auch in der Sprachauffassung von GALE, der die hebräische Sprache nicht zuletzt unter Berufung auf die gebildetesten Philologen seiner Zeit (the most learned Philologists of this Age) zur Ursprache erklärt. Die Reinheit und Unversehrtheit des Hebräischen als Ursprache postuliert auch der Orientalist CRINESIUS in seinem Werk Bábel sive discursus de confusione linguarum (1629). So sei das heilige, bis heute noch nicht einmal in der Aussprache korrumpierte Hebräische (ĺ Korruption) die Muttersprache aller semitischen Idiome, die als degenerierte Tochtersprachen (degeneres filii) des Hebräischen aufzufassen seien. Das Hebräische selbst bliebe demgegenüber von aller ĺ Korruption unberührt. Erst lange nach der babylonischen ĺ Sprachverwirrung habe sich das Lateinische als eine der “degenerierten Tochtersprachen” aus dem Hebräischen entwickelt. Die romanischen Tochtersprachen des Lateins seien jedoch schlecht und unzweckmäßig konstruiert, wie sich anhand der schwierigen Aussprache des Französischen belegen lasse (ĺ Artikulation). Im Vergleich zu den romanischen Sprachen erteilt CRINESIUS dem Deutschen den Vorzug, wobei zum Ursprung dieser Sprache allerdings nichts gesagt wird, außer dass die These des GOROPIUS von der deutschen Paradiessprache lächerlich sei. Eine Identifikation der Ursprache mit dem Hebräischen findet sich zwar in der Sprachkonzeption des kalvinistischen Gelehrten BOCHART, die dieser in seiner Geographia Sacra (1646) darlegt, aber zugleich entzieht er die Ursprache jeglicher menschlicher Verfügung, indem er sie als ein Gottesgeschenk charakterisiert. Außerdem wehrt sich BOCHART gegen die geläufige Interpretation der Völkertafel, die die Nachkommen Noahs zu Ahnherren der Völker der Erde werden lässt, mit der Be-
Ursprache gründung, dass die darin enthaltenen Namen nicht bis zur Gegenwart fortgelebt hätten. Auch die Erwähnung von 72 Stämmen als Nachkommen Noahs in der Völkertafel lässt BOCHART nicht als Begründung für die Existenz von 72 Sprachen gelten, da in der Bibel selbst kaum mehr als zwanzig Sprachen namentlich erwähnt seien. Die Konzeption einer natürlichen Ursprache (ĺ Natürlichkeit), die als perfekte Abbildung der Dinge funktioniert habe, vertritt der bekannte Gelehrte KIRCHER, dessen Werk in ganz Europa im 17. Jahrhundert weite Verbreitung erfuhr. In seinem Turris Babel (1679) wendet sich KIRCHER gegen die epikureische Sprachursprungstheorie (ĺ Ursprung), nach der die Menschen erst ganz allmählich Sprache erlernt hätten, nachdem sie ihr Leben in der Isolation zugunsten der Gründung einer Gesellschaft aufgegeben hätten. Für KIRCHER ist die Ursprache ein göttliches Geschenk, das Gott Adam im Garten Eden verliehen habe. Die Wörter der Ursprache hätten der Natur der Dinge in vollkommener Weise entsprochen. Vor dem Sündenfall sei Adam eine vollkommene Kreatur gewesen und sein Verstand sei noch nicht den Verfehlungen und Unvollkommenheiten unterworfen gewesen, die seine Sünden nach sich gezogen hätten. Adam hätte eine vollkommene lingua humana gesprochen. Diese lingua humana identifiziert KIRCHER wie eine Vielzahl von Kommentatoren im 17. Jahrhundert mit dem ursprünglichen, primitiven Hebräischen. Die Gleichsetzung der Ursprache mit dem Hebräischen ist sehr geläufig (vgl. BUXTORF DER ÄLTERE, DURET, BOCHART, CRINESIUS, KIRCHER, BORRICHIUS, SYLVESTER, LEIGH, GALE, BEATTIE, BERGIER), obwohl in der Bibel selbst an keiner einzigen Stelle das Hebräische zur Ursprache erklärt wird. KIRCHER schließt sich der im 17. Jahrhundert verbreiteten Meinung an, nach der Gott die Menschen zwar mit der babylonischen Sprachverwirrung für ihre Hoffart bestraft habe, aber er nimmt an, dass das primitive Hebräisch als wahre lingua humana von der Sprachverwirrung ausgenommen gewesen (ĺ Sprachverwirrung) und unter einigen Nachfahren Noahs auch nach Babel weitergesprochen worden sei. Diese Auffassung begründet KIRCHER mit einer etymologischen Argumentati-
497 on (ĺ Etymologie), indem er eine etymologische Verbindung zwischen dem Namen des Stammes Heber und der hebräischen Sprache etabliert. Ausgehend von der Annahme, dass der Stamm Heber sich nicht am babylonischen Turmbau beteiligt habe, nimmt KIRCHER an, dass dieser heilige Stamm weiterhin das primitive Hebräisch gesprochen habe, welches er mit der Ursprache gleichsetzt. Auch DURET war von der Annahme ausgegangen, dass der Stamm Heber so wie alle Einwohner Kanaans, die westlich von Schinar lebten, vom Fluch der babylonischen Sprachverwirrung verschont geblieben sei, da nur die östlich von Schinar lebenden Stämme sich am Turmbau beteiligt hätten. Gegen KIRCHERs und DURETs Argumentation zur Herkunft der Ursprache wendet WALTON ein, dass ebenso gut wie der Stamm Heber jeder andere Stamm der Noachiden von der Sprachverwirrung hätte ausgenommen werden können. WALTON nimmt an, dass die Ursprache sogar noch immer irgendwo in der Welt gesprochen werde. Im 17. Jahrhundert herrscht somit Uneinigkeit darüber, welcher von Noahs Nachfahren von der babylonischen Sprachverwirrung verschont geblieben sein könnte. Die Auffassung, dass die Sprachverwirrung nicht alle Sprachen erfasst habe, ist jedoch gängig und stimuliert die Suche nach der präsumtiven Ursprache, da sie den Boden für die Identifizierung einer konkreten Einzelsprache mit der Ursprache bereitet. Einigkeit herrscht unter den Vertretern der alttestamentarischen Schöpfungserzählung darüber, dass die Ursprache an Abraham weitergegeben, später von Isaak und Jakob verwendet und schließlich von allen Hebräern gesprochen worden sei. Ebenso wie für KIRCHER stellt auch für den Kopenhagener Chemieprofessor BORRICHIUS das Hebräische die Ursprache dar, die dem Menschen von Gott eingeflößt worden sei. In seinen Exercitationes philologico-philosophicae … de ortu et progressu literarum (1691), versieht BORRICHIUS das Hebräische mit dem Attribut der Reinheit, die ihm aufgrund seines göttlichen Ursprungs zugesprochen werden könne (ĺ Ursprung). Zur Begründung des Hebräischen als Ursprache verweist BORRICHIUS darauf, dass das Griechische vom Hebräischen abstamme und dass in der Umge-
498 bung Babels lauter semitische Dialekte gesprochen worden seien. BORRICHIUS trifft keine Festlegung darüber, wie die ĺ Sprachverwirrung erfolgt sei. Er deutet sie allerdings als eine physiologische Veränderung im Menschen und nicht als ein Wunder. Mit dem Fluch von Babel begründet BORRICHIUS die Diversifizierung der Einzelsprachen, da nach Babel wahrscheinlich nur artikulatorische und syntaktische Fragmente erhalten geblieben seien, die in der postbabylonischen Ära dann zur Entstehung der Sprachenvielfalt und insbesondere zur Ausdifferenzierung der semitischen Sprachen geführt hätten. Auch im 18. Jahrhundert ist die Konzeption einer hebräischen Ursprache trotz der immer einflussreicher werdenden Säkularisierungstendenzen immer noch aufzufinden. Als Grundthese durchzieht sie etwa BERGIERs Élémens primitifs des langues (1764). In diesem Werk verwirft BERGIER alle Bemühungen, nach Grundelementen einer Ursprache außerhalb des Hebräischen zu suchen. Für BERGIER stellt sich die Frage nicht, in welchen Sprachen man nach Urelementen der Ursprache suchen müsse, da das Hebräische unzweifelhaft die älteste Sprache der Menschheit sei. Schließlich weise das Hebräische bestimmte Charakteristika auf, die eine Klassifizierung dieser Sprache als Ursprache als notwendig erscheinen ließen. Zu diesen Charakteristika gehört nach BERGIER etwa die Tatsache, dass sich diese Sprache auf weniger als dreihundert Monosyllaba reduzieren ließe. Das Hebräische bestehe im Wesentlichen aus verschiedenen Kombinationen dieser ca. dreihundert Monosyllaba. Gerade diese morphologische Armut wird von BERGIER als Beweis für das hohe Alter des Hebräischen angeführt. Auch die Grammatiker hätten im Verlauf ihrer etymologischen Recherchen (ĺ Etymologie) ihre Wurzelwörter den verschiedenen Dialekten des Hebräischen, wie etwa dem Chaldäischen, Syrischen und Arabischen entnommen. Im Anschluss an die Sintflut habe sich die Ursprache Hebräisch über den gesamten Globus verteilt, so dass bis zum heutigen Zeitpunkt in allen Sprachen des Erdballs hebräische Wurzelwörter enthalten seien. Die hebräischen Wurzeln seien allerdings nicht nur in den orientalischen Sprachen auffindbar, sondern ebenso im Griechischen, Latei-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung nischen, Französischen und selbst in den verschiedensten Dialekten der französischen Provinzen. Die hebräische Ursprache ist nach Auffassung BERGIERs unveränderlich und hat sich als Grundlage der verschiedensten Sprachen Europas etabliert. Aller Prozesse des Sprachwandels und der ĺ Sprachveränderung zum Trotz seien die hebräischen Urelemente aller Sprachen immer noch nachweisbar. Neben seinem fragwürdigen etymologischen Kriterium verweist BERGIER dann auch auf die religiöse Motivation, die das Hebräische zur würdigsten aller Sprachen (la plus respectable des langues) mache, da die Bibel schließlich das wertvollste Buch des gesamten Universums sei. 2.2. Kritik an der Identifizierung der Ursprache mit dem Hebräischen und Desakralisierung Bei der Bestimmung der Ursprache besteht unter den Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts, die einen göttlichen ĺ Ursprung der Sprache vertreten, jedoch nicht immer Einigkeit darüber, ob die Sprache von Gott oder von Adam im Zuge der nominatio rerum erfunden wurde. Ebenso wenig ist klar, ob eine göttliche Ursprache mit dem Hebräischen gleichzusetzen sei oder ob die Sprache Gottes sich vielleicht dem beschreibenden Zugriff, den die diversen Einzelsprachen der Welt ermöglichen, nicht per se entziehe. Es kann daher durchaus die Göttlichkeit der Ursprache postuliert werden, ohne dass eine Identifizierung mit dem Hebräischen erfolgt. So behauptet etwa LAMY, dass der ĺ Ursprung der Sprache keineswegs ein Zufallsprodukt gewesen sei, sondern dass Gott die Ursprache gelehrt und diese erste Sprache Adam geschenkt habe. Alle folgenden Einzelsprachen gingen auf diese göttliche Sprache zurück. Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts lässt sich die Tendenz zu einer Desakralisierung konstatieren, in deren Zuge das Konzept einer hebräischen Ursprache verworfen wird. Gegen die Identifizierung des Hebräischen mit der Ursprache polemisiert etwa CAPPEL in seinem Arcanum punctationis revelatum (1624), das im Wesentlichen eine kritische Replik auf BUXTORF DEN ÄLTEREN darstellt, der der Zeichensetzung im Bibeltext göttlichen Charakter zuschrieb. Im Zeichen der Desakralisierung steht auch der Tractatus de
Ursprache punctorum vocalium (1648), der eine Replik von BUXTORF DEM JÜNGEREN auf die Konzeption seines Vaters von einer göttlichen hebräischen Ursprache darstellt. Die Konzeption einer hebräischen Ursprache wird mit Nachdruck auch von dem niederländischen Gelehrten SCHULTENS bekämpft. In seinen Origines hebraeae (1724–1738) charakterisiert SCHULTENS das Hebräische als eine unvollkommene, arme, holprige, ungebildete Sprache voller Herbheiten. Um dem Konzept einer hebräischen Ursprache Einhalt zu gebieten, fordert SCHULTENS einen Vergleich des Hebräischen mit den anderen semitischen Sprachen, an dessen Ende das Hebräische als eine unter mehreren Sprachen hervorgehen werde. Die Desakralisierung der hebräischen Ursprache schreitet auch im 18. Jahrhundert weiter fort. So finden sich Zweifel an der Möglichkeit, das Hebräische mit der Ursprache gleichzusetzen, etwa auch im Artikel Sprache in Zedlers Universallexicon. Darin wird das Konzept der ‘Ursprache’ zunächst unter Rekurs auf gängige Elemente der Diskussion aufgegriffen. Der Turmbau von Babel wird als Schlüsselmoment für die Diversifizierung der Einzelsprachen angeführt (ĺ Sprachverwirrung). Allerdings bestehe Unklarheit darüber, ob die Ursprache im Ergebnis des babylonischen Turmbaus gänzlich verloren gegangen sei oder ob Rudimente der Ursprache in anderen Sprachen fortbestünden. In Zedlers Universallexicon wird darauf verwiesen, dass die Mehrzahl der Kommentatoren dem Hebräischen das Recht der Erstgeburt unter den Sprachen zugesprochen habe. Dieser These wird zumindest eine höhere Wahrscheinlichkeit zugebilligt als den als bizarr eingestuften Bemühungen des GOROPIUS BECANUS, die niederländische Sprache als Ursprache anzunehmen. In Zedlers Universallexicon werden dann alle Argumente nochmals zusammengefasst, die die Vertreter einer hebräischen Ursprache anzuführen pflegen. Dabei spielen etymologische Kriterien (ĺ Etymologie) ebenso eine Rolle wie der Rekurs auf Bibelepisoden wie die Sintflut, den Turmbau zu Babel und die nominatio rerum. Gegen die grundsätzliche Möglichkeit einer Gleichsetzung der Ursprache mit dem Hebräischen wird in Zedlers Universallexicon das Phänomen der
499 ĺ Sprachveränderung geltend gemacht. Da ein wesentliches Merkmal aller menschlicher Begebenheiten in der Veränderung bestehe, erscheine es unbillig, die Sprachen davon auszunehmen. Auch die religiös geprägte Argumentation, nach der das Hebräische die Ursprache sein müsse, weil die Bibel in dieser Sprache abgefasst worden sei, wird in Zedlers Universallexicon verworfen, mit dem Hinweis, dass, wenn die Juden Mexikanisch gesprochen hätten, die Bibel ebenso gut in Mexikanisch hätte redigiert werden können. Der Anspruch eines hebräischen Primats als alte, ehrwürdige Ursprache wird außerdem mit dem Argument zurückgewiesen, dass Gott alle Sprachen verstehe und in allen Sprachen spreche. Dem Hebräischen den Vorzug vor anderen Sprachen zu erteilen, ist nach der Darstellung in Zedlers Universallexicon lediglich ein Akt jüdischer Arroganz. Dieses Urteil richtet sich offenbar gegen panhebräische Etymologisierungsbestrebungen (ĺ Etymologie), wie sie in der Folgezeit exemplarisch bei BERGIER in Erscheinung treten. Das Argument der ĺ Sprachveränderung als Beweis gegen die These von der hebräischen Ursprache wurde auch bereits von MERSENNE angeführt, der den Sprachwandel gegen die Vision einer vollkommenen Ursprache setzt. Ließe sich der Ursprache tatsächlich das Attribut der Vollkommenheit zuschreiben (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), so wäre es nicht möglich, Prozesse des Sprachwandels zu erklären. Wäre der erste Mensch allwissend gewesen und hätte er eine vollkommene Sprache besessen, so bestünde keinerlei Notwendigkeit sprachlicher Veränderungen. Ende des 18. Jahrhunderts negiert selbst ein Jesuit wie HERVÁS Y PANDURO die Möglichkeit einer Identifizierung der Ursprache mit dem Hebräischen. HERVÁS Y PANDURO erscheint es unmöglich, dass alle Sprachen Tochtersprachen einer gemeinsamen hebräischen Muttersprache sein sollten. Als Beleg führt er substantielle Unterschiede der verschiedenen Muttersprachen und ihrer Dialekte (ĺ Dialekt) in Grammatik und Aussprache an. Diese Unterschiede werden von HERVÁS Y PANDURO als so gravierend eingeschätzt, dass die Philosophen gar die Unmöglichkeit einer gemeinsamen hebräischen Ursprache
500 aller Sprachen und Dialekte der Welt als Dogma hätten postulieren müssen. Am Ende des 18. Jahrhunderts lässt sich zunehmend das Bedürfnis konstatieren, von dem Konzept einer gemeinsamen Ursprache aller Sprachen der Welt zugunsten der Betrachtung einzelner Sprachfamilien abzurücken, die ihre Vollendung im Paradigma der indo-europäischen Sprachfamilien findet. Mit der Entstehung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft werden rein religiös oder mystisch geprägte Argumentationen zur Ursprache zugunsten einer Verwissenschaftlichung des Zugangs zur Genealogie und Entwicklung von Sprachen in den Hintergrund gedrängt. 2.3. Identifizierung der Ursprache mit verschiedenen Volkssprachen Die Identifizierung der Ursprache mit verschiedenen Volkssprachen beginnt sich insbesondere in der Renaissance im Rahmen der Diskussionen um den Status der Volkssprachen im Gegensatz zum Latein der Gelehrten zu manifestieren (ĺ Apologie). Im Zusammenhang mit dem Kampf um das Prestige der aufblühenden Nationalsprachen wird für die verschiedensten Sprachen das höchste Alter postuliert, da die Identifizierung einer konkreten Einzelsprache als Ursprache ihr einen natürlichen Primat gegenüber allen anderen Sprachen zusichert. Das Bedürfnis, die Ursprache im Zuge apologetischer Bemühungen mit einer konkreten Volkssprache gleichzusetzen, kulminiert in den fragwürdigen Etymologien (ĺ Etymologie) des Antwerpener Arztes GOROPIUS BECANUS, die in der Folgezeit namentlich von LEIBNIZ, aber exemplarisch auch in Zedlers Universallexicon kritisiert wurden. In den Nouveaux Essais (1765, postum erschienen) prägt LEIBNIZ gar das Wort goropiser – goropisieren zum Ausdruck der Verwendung fragwürdiger und lächerlicher Etymologien (les Etymologies etranges et souvent ridicules de Goropius Becanus). Nicht zuletzt dem Beitrag des BECANUS dürfte es zuzuschreiben sein, dass Spekulationen um die Ursprache und ihre Identifizierung mit dem Hebräischen oder anderen Volkssprachen in der Folgezeit zusehends in Misskredit gerieten. Die Auffassung vom Niederländischen als Ursprache begründet BECANUS mit der The-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung se, dass die Niederländer am Turmbau zu Babel nicht beteiligt gewesen seien und ihre Sprache somit vom babylonischen Fluch verschont geblieben sei (ĺ Sprachverwirrung). Diese Behauptung lässt sich als Pervertierung der geläufigen Argumentation (vgl. z. B. DURET, KIRCHER, BOCHART) zugunsten der Identität des Hebräischen mit der Ursprache auffassen. Die Identität des Hebräischen mit der Ursprache wurde damit begründet, dass sich der Stamm Heber nicht am verhängnisvollen Turmbau zu Babel beteiligt habe und seine Sprache daher auch nicht verwirrt worden sei. Auf den Stamm Heber gehe schließlich auch die Etymologie von Hebräisch zurück. Diese Argumentation, die den Primat des Hebräischen nicht zuletzt etymologisch absichern sollte, adaptiert GOROPIUS BECANUS für seine apologetischen Bedürfnisse, indem er an die Stelle des Hebräischen das Niederländische setzt. Zur Untermauerung dieser These verweist BECANUS auf das Experiment des PSAMMETICHOS, der zwei Kinder beiderlei Geschlechts isoliert von der Gesellschaft aufwachsen ließ, um herauszufinden, welches die Ursprache sei (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Da die Kinder der Legende nach das Wort bek hervorgebracht hätten und dieses Wort im niederländischen Wort Becker erhalten geblieben sei, sah sich BECANUS in seiner Auffassung bestätigt, dass das Niederländische die Ursprache der Menschheit gewesen sei. Die ĺ Apologie des Niederländischen wird von BECANUS zum Angriff gegen die Vormachtstellung des Hebräischen als Ursprache verwendet. So versieht er das Niederländische mit den Attributen der Einsilbigkeit, Einfachheit, Genauigkeit und stellt demgegenüber die hebräische Sprache als dunkel und zu komplex dar. Die Einfachheit der Struktur des Niederländischen wird von BECANUS als Begründung für das hohe Alter dieser Sprache herangezogen. Für seine Argumentation vollzieht BECANUS eine Umkehr der Methode des Orientalisten REUCHLIN, der im Deutschen Spuren der hebräischen Ursprache nachzuweisen versucht hatte. BECANUS betrachtet dagegen das Niederländische als Muttersprache, aus der das Hebräische viele Wörter entlehnt habe. Das Niederländische nahm BECANUS auch von Prozessen der
Ursprache ĺ Sprachveränderung gänzlich aus, während er den Sprachwandel für alle anderen Sprachen als konstitutiv ansah. Obwohl BECANUS’ Theorien über die Ursprache und seine fragwürdige etymologische Methode (ĺ Etymologie) in der Folgezeit vielfach verspottet wurden, ist sein Beitrag für die Entwicklung des modernen Nationalismus im Sprachdenken richtungsweisend. Indem er die mittelalterliche Doktrin von der hebräischen Ursprache verwarf und so dem Gedanken von der Individualität der Nationalsprache Ausdruck verlieh und damit auch einem Konzept wie dem génie de la langue (ĺ besonderer Charakter einer Sprache) den Weg ebnete, leistete BECANUS trotz der Fragwürdigkeit seiner Etymologien einen fundamentalen Beitrag für die Emanzipation des modernen Sprachdenkens. Die Gleichsetzung des Schwedischen mit der Ursprache lässt sich bei STIERNHIELM nachweisen, der über die Renaissance-Dichtung zur ĺ Apologie seiner Muttersprache kam. Zwar bezweifelt STIERNHIELM nicht, dass die Ursprache dem Urvater des Menschengeschlechtes von Gott eingegeben worden sei, aber er widerspricht der These von einer unveränderlichen, unkorrumpierbaren hebräischen Ursprache (ĺ Sprachveränderung; ĺ Korruption) mit dem Hinweis, dass das menschliche Geschick permanenten Veränderungen unterworfen sei. STIERNHIELM nimmt bereits für die Zeit vor der ĺ Sprachverwirrung eine Entwicklung der Ursprache an, deren Dignität er auf diese Weise relativiert. In seiner Argumentation wird auch das Hebräische lediglich zu einem Dialekt der devianten Ursprache, was die Gleichstellung des Schwedischen mit dem Hebräischen ermöglicht. Zwar führt STIERNHIELM im Sinne der Historizität der Einzelsprachen den Prozess der Sprachveränderung als Beleg für die Existenz von Mutter- und Tochtersprachen an, aber die Erklärung, dass das Schwedische die Ursprache sei, zeugt von einem ausgeprägten Patriotismus, der den Blick für ernsthafte Filiationen und etymologische Forschungen verstellt. Im Geiste der Argumentation des BECANUS nimmt STIERNHIELM an, dass Noah und Japhet nicht am Turmbau von Babel beteiligt gewesen seien, um damit das hohe Alter der auf diese beiden zurückgehenden Sprachfamilien, näm-
501 lich der aramäischen und der japhetisch-skythischen Sprache nachzuweisen. Während die aramäische Sprachfamilie die semitischen Sprachen und darunter vor allem das Hebräische umfasst, zählt er zur japhetisch-skythischen Sprachfamilie die europäischen Sprachen und das Persische. Das Skythische wird von STIERNHIELM als europäische Stammsprache und japhetische Grundsprache gesehen, die von der Sprachverwirrung verschont wurde. Da er das Skythische mit dem Schwedischen identifiziert, glaubt er auf diese Weise den Nachweis des hohen Alters seiner Muttersprache angetreten zu haben. Ähnlich wie BECANUS für das Flämische bemüht sich STIERNHIELM um die Aufwertung der schwedischen Nationalsprache durch den Rekurs auf ihr vorgeblich hohes Alter und ihre Ausrufung zur Ursprache (ĺ Apologie). BECANUS’ Art der Argumentation findet nicht nur bei STIERNHIELM, sondern auch im Sprachdenken anderer Gelehrter des 17. Jahrhunderts ihren Niederschlag. Namentlich der Alchimist KEMPE macht sich 1683 ein analoges Argumentationsmuster zu eigen, wenn er behauptet, das Schwedische sei die Ursprache gewesen. Nach KEMPEs Auffassung soll Gott im Paradies Schwedisch gesprochen, Adam ihm auf Dänisch geantwortet, und die Schlange mit Eva auf Französisch kommuniziert haben. Eine Schlüsselstellung der keltisch-skythischen Sprache als Muttersprache der europäischen Sprachen nehmen auch GOTTSCHED und LEIBNIZ an. Für LEIBNIZ stellen die skythischen Sprachen ernsthafte Anwärter auf die Ursprache dar. Sie wiesen gemeinsame Wurzeln mit vielen europäischen Idiomen, ja selbst mit dem Arabischen, auf. Diese gemeinsamen Wurzelwörter seien das Resultat von Migrationsbewegungen der verschiedenen Völker. Letztendlich könnten diese Wurzelwörter allerdings auf einen gemeinsamen ĺ Ursprung und damit auch auf eine gemeinsame Ursprache zurückgeführt werden. Sollte das Hebräische diese Ursprache sein, so müsste es zumindest intensive Prozesse der ĺ Sprachveränderung durchlaufen haben. Im Vergleich zum Hebräischen versieht LEIBNIZ jedoch das Teutonische, das er mit dem Keltisch-Skythischen gleichsetzt, mit dem Attribut der ĺ Natürlichkeit. Es
502 käme der verloren gegangenen Sprache Adams (lingua adamica), die durch die klare Erkenntnis der Wort-Ding-Relation gekennzeichnet sei, am nächsten. Trotz der Mutmaßungen zugunsten des Skythischen ist für LEIBNIZ die Ursprache nicht mehr rekonstruierbar (Lingua adamica nobis certe ignota est). Anstelle der hypothetischen Rekonstruktion der verloren gegangenen Ursprache verfolgt LEIBNIZ das Projekt einer ĺ Universalsprache. 2.4. Bestimmung der Ursprache oder ihrer einzelnen Elemente anhand von Universalien resultierend aus der anatomischphysiologischen Grunddisposition des Menschen Im Gegensatz zur Übernahme der scholastischen Doktrin von der hebräischen Ursprache und zur Konzeption einer konkreten Volkssprache als Ursprache stehen Ansätze, die Elemente der als verloren geltenden Ursprache anhand der anatomisch-physiologischen Grunddisposition des Menschen zu rekonstruieren versuchen. In diesem Sinne postuliert DE BROSSES in seinem Traité de la formation méchanique des langues et des principes physiques de l’étymologie (1765) die Existenz einer ursprünglichen, organischen, physischen und notwendigen Sprache, die dem gesamten Menschengeschlecht gemeinsam sei (une langue primitive, organique, physique & nécessaire, commune à tout le genre humain). Diese Sprache werde zwar von niemandem in ihrer ursprünglichen Primitivität gesprochen, aber sie sei die Wurzel aller Einzelsprachen. Grundlage dieser universellen Ursprache seien gewisse organische Wurzelwörter (racines organiques), die letztendlich aus unserer Wahrnehmung der Dinge der Außenwelt resultieren. Für DE BROSSES ist der ĺ Ursprung der Sprache mit Hilfe der Übertragung von Kenntnissen über die Ontogenese auf die Phylogenese zumindest teilweise rekonstruierbar. So verwendet DE BROSSES den kindlichen ĺ Spracherwerb als feste Bezugsgröße zur Identifikation von Teilsegmenten der verloren gegangenen Ursprache. Nach seiner Meinung erlaubt die Beobachtung des kindlichen Spracherwerbs Rückschlüsse auf die Entstehung der Sprache der gesamten menschlichen Spezies.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Zwar sei die Ursprache der Menschheit unwiederbringlich verloren gegangen, aber in Ermangelung der Möglichkeit, die Ursprache historisch rekonstruieren zu können, schlägt DE BROSSES die Anwendung einer allgemeinen und metaphysischen Methode vor. Diese Methode beruht auf den Prinzipien der Natur, da die ĺ Natürlichkeit der Ursprache für DE BROSSES ihr Grundcharakteristikum darstellt. Zu Beginn sei die Sprache weder durch die Eigenschaften der ĺ Arbitrarität noch der ĺ Konvention gekennzeichnet, da diese nur als Ergebnis einer intentionalen Setzung im gesellschaftlichen Rahmen auftreten könnten (ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion). DE BROSSES orientiert sich bei seinem Versuch der Rekonstruktion der Ursprache jedoch nicht an gesellschaftlichen Prozessen. Vielmehr gründet er seine Konzeption der Ursprache auf die natürlichen Fähigkeiten des Menschen, die er als anthropologische Konstanten von universeller Gültigkeit beschreibt. So beruht die allgemeine und metaphysische Methode der Rekonstruktion der Ursprache einerseits auf der Untersuchung des kindlichen Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) und andererseits auf der Untersuchung der inneren Empfindungen (sensations intérieures) des Menschen. Die hypothetische Rekonstruktion der Ursprache wird somit in einen sensualistischen Kontext eingebettet, der für DE BROSSES’ Sprachauffassung konstitutiv ist. Die Betrachtung der inneren Empfindungen ist erforderlich, da diese nach DE BROSSES’ Vorstellung die Emission von Lauten durch das Stimmorgan stimulieren. Die inneren Empfindungen stimulieren die ĺ Artikulation von Interjektionen (ĺ Interjektion), die als Prototyp des Urwortes erscheinen, da sie als Urschrei (cri de la nature) den innerlichen Gefühlen auf unmittelbare Weise Ausdruck verleihen. Interjektionen als Schmerzensschreie und Hilferufe sind zwar sowohl dem Tier als auch dem Menschen gemeinsam, aber selbst in einem fortgeschrittenen Stadium der Sprachentwicklung kommt ihnen als Mediatoren innerer Gefühle Bedeutung zu. Bezeichnenderweise werden ja Elemente der Aktionssprache bzw. des langage d’action, wie CONDILLAC die lautlich-gestischen Rudimente der Sprachgenese (ĺ Ursprung) ge-
Ursprache nannt hat, auch im weiteren Verlauf der Sprachentwicklung nicht durch die artikulierte Lautsprache verdrängt. Vielmehr werden sie in unterstützender Funktion als paraverbale Elemente eingesetzt und z. T. sogar zur rhetorischen Formung und emphatischen Ausdrucksweise verwendet (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Ebenso wie für CONDILLAC sind auch für DE BROSSES Interjektionen Urelemente und Wurzeln der Ursprache, die als sprachliche Universalien angesehen werden können. Die Interjektionen bezeugen zudem die innere Verbundenheit von ĺ Stimme und Seele. Als Beleg für den besonderen Status der Interjektionen als universelle Wurzeln der Ursprache führt DE BROSSES in Parallelisierung der Phänomene der Onto- und Phylogenese den kindlichen ĺ Spracherwerb an. Die Kindersprache sei in ihrem Anfangsstadium eine reine Ansammlung von Interjektionen, denen ein instinktiver, tierhafter Charakter zugeschrieben werden könne. (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Im Zuge der weiteren Sprachentwicklung werden diese tierhaften Urelemente der Sprache jedoch aufgrund der zu feinen Nuancen prädestinierten anatomischen Konfiguration des menschlichen Stimmapparates überwunden. Zur hypothetischen Rekonstruktion der Ursprache zieht DE BROSSES insbesondere die Produktion von Labiallauten im Verlaufe des kindlichen Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) heran, da diese aufgrund ihrer leichten artikulatorischen Realisierbarkeit (ĺ Artikulation) als sprachliche Universalien angenommen werden können. Als Beleg für diese Auffassung stellt er einen Sprachvergleich zwischen den Urwörtern papa und maman in verschiedenen, teils exotischen Sprachen der Welt an (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Mit diesem Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) zeigt er, dass zu Beginn des Spracherwerbs universelle Tendenzen der Vokalisation auftreten. Charakteristisch für DE BROSSES’ Ansatz ist somit die sensualistische Grundorientierung, die der Sinneswahrnehmung eine Schlüsselrolle für die Aneignung der Welt zuerkennt, als deren sprachliches Resultat zunächst affektive Reaktionen auftreten, die sich in Form
503 von Interjektionen entäußern (ĺ Interjektion). Die Parallelisierung von Onto- und Phylogenese erlaubt DE BROSSES Erscheinungsformen des kindlichen Spracherwerbs auf die Entwicklung der gesamten menschlichen Spezies zu übertragen und auf diese Weise Hypothesen über den historisch nicht mehr rekonstruierbaren Punkt der Sprachgenese aufzustellen (ĺ Spracherwerb). Auch in der Sprachursprungstheorie, die ROUSSEAU im Essai sur l’origine des langues (1781 postum) aufstellt (ĺ Ursprung), wird den Sinneswahrnehmungen und Affekten eine konstitutive Rolle zugesprochen. So definiert ROUSSEAU die Sprachen des Anfangs als gesanglich und leidenschaftlich (chantantes et passionnées), wobei als Schlüsselmomente für die Entstehung der ersten intentional gebrauchten Sprachlaute affektiv geprägte Momente der Rührung und der Selbstverteidigung genannt werden. Die Ursprache ist für ROUSSEAU eine emotionale, metaphorische, phantasievolle Sprache in Bildern und Gleichnissen (ĺ Metapher), die getragen wird von dem Bedürfnis nach Entäußerung innerer Leidenschaften. Analog zu DE BROSSES sieht auch ROUSSEAU den Urschrei (cri de la nature) als Universalie an, der in Notsituationen der Bedrohung oder des Schmerzes instinktiv als Hilferuf eingesetzt wird. Allerdings sei dieses universelle Element der Ursprache im alltäglichen Sprachgebrauch der Zivilisation selten (ĺ Gebrauch), da diese durch die Zügelung der Affekte gekennzeichnet sei. Charakteristisch für die Ursprache sei ihre Expressivität, die durch Synonymenreichtum (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen), zahlreiche Anomalien und Unregelmäßigkeiten sowie Streben nach ĺ Wohlklang hervortrete. So würden grammatische Grundprinzipien (ĺ Grammatik) wie die ĺ Analogie ästhetischen Prämissen im Zeichen von Euphonie, Harmonie und Schönheit der Laute untergeordnet. Im Gegensatz zu den Sprachen der Zivilisation, die durch die Entstehung der ĺ Schrift einem Prozess fortschreitender Versachlichung unterworfen worden seien, sei die Ursprache mit ihrem Metaphernreichtum (ĺ Metapher) und ihrer Expressivität vor allem sprachästhetischen Aspekten verpflichtet. Sie male die Dinge, anstatt zu räsonieren (Elle peindroit sans raisoner).
504 Expressivität ist auch für HERDER eine charakteristische Eigenschaft der Ursprache, der zunächst die göttlichen morgenländischen Sprachen entsprechend der mittelalterlichen Tradition als lebhaft tönende Zeugnisse des Ursprungs (ĺ Ursprung) der Sprache anführt. Jedoch setzt HERDER die Ursprache keineswegs mit dem Hebräischen gleich. Da er in seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache nachweisen möchte, dass Menschen ihren natürlichen Fähigkeiten überlassen Sprache erfinden können, verwirft er die Hypothese einer göttlichen hebräischen Sprache, wie sie etwa von SÜSSMILCH aufgestellt wurde. Zugleich wendet HERDER sich aber auch gegen die sensualistischen Ansätze von CONDILLAC und ROUSSEAU, die eine Aktionssprache als Rudiment der Ursprache beschreiben. Zwar ist die Ursprache auch für HERDER durch ihre besondere Expressivität, durch Interjektionen (ĺ Interjektion) oder später Metaphern (ĺ Metapher) gekennzeichnet, aber tierisch instinktive Lautbekundungen allein markieren für HERDER nicht den Beginn der Sprache. Sprache kann auch in ihrem Anfang nur durch Besonnenheit, durch bewusstes Filtern von Sinneseindrücken, die dann kognitiv verarbeitet werden, zustande kommen. Eine nicht-intentionale Aktionssprache als Ursprache lehnt HERDER jedoch ab. Im Gegensatz zum Tier fasst HERDER den Menschen nicht als ein blind imitierendes Wesen auf, wie dies etwa auf die Nachtigall zuträfe, sondern der Mensch ist vermöge der Besonnenheit in der Lage, aus dem Strom der Sinnesempfindungen, die die Objekte der Außenwelt bei ihm erzeugen, zu selektieren und Relevantes von Irrelevantem zu unterscheiden. Zwar spielt die Imitation auch für HERDERs Konzeption einer Ursprache eine wichtige Rolle, aber diese Nachahmung erfolgt nach seiner Auffassung bewusst und nicht triebhaft wie beim Tier (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Für HERDER ist die Fähigkeit der Besonnenheit eine anthropologische Konstante, die dem Menschen die Erfindung von Sprache ermöglicht. Eine besondere Expressivität spricht aber auch HERDER ebenso wie ROUSSEAU und DE BROSSES der Ursprache zu, da sie eine größere Unmittelbarkeit und Authentizität des Gefühlsausdrucks gewährleiste. Aus diesem
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Grunde bevorzugt HERDER auch orientalische Sprachen mit ihrem Metaphernreichtum. Während HERDER und der ROUSSEAU des Essai sur l’origine des langues die Leidenschaften als zentrales Movens der Sprachentstehung benennen, betont CAMPOS entsprechend der epikureischen Sprachursprungstheorie und in Anlehnung an CONDILLAC die Rolle der Elementarbedürfnisse (el lenguage es fruto de las necesidades; ĺ Ursprung). Da die Ursprache vornehmlich der Artikulation von Primärbedürfnissen gedient habe, sei sie sehr einfach und beschränkt gewesen. Sie habe nur aus wenigen unartikulierten Lauten bestanden, die um einige Gesten und Körperbewegungen ergänzt worden seien (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Die Idee der Einfachheit und Primitivität einer Ursprache, die nur auf wenigen Lauten und einigen Gesten beruht, ist in Theorien, die versuchen, die Ursprache hypothetisch zu rekonstruieren, sehr geläufig und findet sich etwa bei CONDILLAC, DE BROSSES, ROUSSEAU, HERDER, PRIESTLEY, ZEDLER und CAMPOS. Dies betrifft sowohl Ansätze, die nach universellen Urelementen einer Natursprache der Sprachgenese suchen (ĺ Ursprung; ĺ Natürlichkeit) als auch solche, die das Hebräische oder auch das Chinesische aufgrund seines monosyllabischen Charakters als Ursprache beschreiben (vgl. WEBB 1669). 2.5. Verwerfen des Konzepts der ‘Ursprache’ Die Diskussionen um die Ursprache erreichen im 17. und 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Während eine Vielzahl von Autoren entweder für eine hebräische Ursprache plädiert oder eine Volkssprache unter apologetischer Zielsetzung in den Rang der Ursprache erhebt (ĺ Apologie), lässt sich zugleich eine gewisse Skepsis gegenüber dem Konzept der ‘Ursprache’ und eine zunehmende Distanzierung beobachten, die nicht zuletzt auf den ahistorischen Charakter des Konzepts und seine durch goropisierende Etymologien (ĺ Etymologie) in Misskredit geratene inhaltliche Füllung zurückzuführen ist. Dem Konzept der ‘Ursprache’ steht das Konzept der ĺ Sprachveränderung gegenüber, das eine Suche nach der Ursprache ad absurdum zu führen scheint. In der Tat wird die Sprachveränderung von
Ursprache all den Autoren angeführt, die sich gegen apologetische Tendenzen gleich welcher Provenienz zur Wehr setzen und damit letztendlich den Weg für eine – auf soliderer Basis beruhende – Form der Etymologien und des Sprachvergleichs ebnen, wie ihn die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts in der Folgezeit anstreben wird. Im Grunde stellt etwa LEIBNIZ’ Aussage “Lingua adamica nobis certa ignota est” eine Kapitulation vor dem Konzept der ‘Ursprache’ dar. Bei verschiedenen Autoren des 18. Jahrhunderts ist eine gewisse Unzufriedenheit gegenüber diesem Konzept unverkennbar. Es besteht nicht einmal Einigkeit darüber, ob die Ursprache besonders vollkommen oder sehr unvollkommen gewesen sei (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Zuweisungen des Ursprachenkonzepts an konkrete Einzelsprachen erscheinen im weiteren Verlaufe des 18. Jahrhunderts zusehends als verpönt. So betont etwa Zedlers Universallexicon die Unmöglichkeit einer genauen Bestimmung der Ursprache und beurteilt die bisherigen Versuche, die Ursprache zu definieren, als unzureichend. Auch bei BEATTIE wird gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein Unbehagen am Konzept der ‘Ursprache’ deutlich, die er für nicht bestimmbar hält (the first language, whatever it was). Ebenso beklagt EICHHORN die Fruchtlosigkeit der Jahrhunderte schwelenden Diskussionen über die Ursprache. Für ihn muss es sich dabei zwar um eine morgenländische Sprache gehandelt haben, aber welche Sprache konkret es gewesen sein soll, bleibt dunkel. Bezeichnenderweise fordert auch THUROT in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts einen Sprachvergleich auf der Grundlage philologisch exakter Etymologien. Mit dem empirischen Sprachvergleich im Rahmen des indoeuropäischen Paradigmas werden philosophische Spekulationen zum ĺ Ursprung der Sprache und zur Ursprache zwar nicht beendet, aber teilweise eingedämmt. 2.6. Die Universalsprache als Gegenentwurf zur Ursprache Da für Autoren wie etwa LEIBNIZ die adamitische Ursprache unwiederbringlich verloren ist, wird als Gegenentwurf die Erfindung einer ĺ Universalsprache angestrebt, die dazu dienen soll, den Fluch von Babel zu annullie-
505 ren und eine präbabylonische Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) wiederherzustellen (vgl. WEBSTER 1654, WILKINS 1668 und COMENIUS 1668). Eine Universalsprache soll damit die ĺ Korruption der Ursprache beseitigen. Allerdings ist die theologische Motivation der Annullierung des Fluches von Babel (ĺ Sprachverwirrung), die etwa von COMENIUS, WEBSTER oder WILKINS angeführt wird, nicht der einzige Grund für die Entstehung von Universalsprachenprojekten. Eine vielleicht größere Rolle spielte dabei insbesondere im angelsächsischen Sprachraum das Misstrauen gegenüber der lateinischen Gelehrtensprache, die im Zeitalter BACONs als ein überkommenes Relikt aristotelisch-scholastischer Gelehrsamkeit beurteilt wurde, das durch empirisch nachvollziehbare naturwissenschaftliche Methoden überwunden werden müsse. Die praktische Frontstellung gegen das Lateinische ist ebenso ein starkes Movens für die Erfindung von Universalsprachen wie WILKINS’ Einwand, dass eine Universalsprache den Zeitaufwand des Fremdsprachenlernens zugunsten von rascherer Wissensaneignung erspart. Die Motivationen für die Entstehung von Universalsprachenprojekten sind also sehr vielfältig, wenn auch das Bemühen um eine befriedigende Lösung der Ursprachenfrage einen nicht unwesentlichen Grund für das Aufblühen dieser Bestrebungen im 17. Jahrhundert darstellt.
IV.
1. Das Konzept der ‘Ursprache’ von der Patristik bis zur Renaissance Das Konzept der ‘Ursprache’ kann auf eine lange historische Kontinuität zurückblicken, die bis zum Zeitalter der Renaissance und z. T. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts durch das Festhalten an der Auffassung von der hebräischen Ursprache geprägt ist, die als Sprache Gottes oder zumindest als Sprache Adams mit der Eigenschaft der natürlichen Zuordnung zwischen Wort und Ding belehnt wird und durch die Absenz typisch menschlicher Charakteristika wie ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention gekennzeichnet ist. Schon lateinische Kirchenväter wie HIPPOLYTUS, HIERONYMUS und AUGUSTINUS betonen die hebräische Identität der Ursprache, die von Gott gegeben
506 wurde, dann aber durch Sündenfall, Sintflut und den Fluch von Babel verloren ging. Uneinigkeit herrscht darüber, ob bestimmte Stämme wie z. B. der Stamm Heber, von dem in einer etymologischen Argumentation (ĺ Etymologie) das Hebräische abgeleitet wird, vom Turmbau ausgenommen und daher vom Fluch der babylonischen ĺ Sprachverwirrung verschont geblieben seien. Konstitutiv für den weiteren Verlauf der Diskussion um das Konzept einer hebräischen Ursprache ist der Beitrag des HIPPOLYTUS, der in seiner Geographia sacra antikes Gedankengut mit jüdisch-christlichen Überlegungen verschmilzt. Für HIPPOLYTUS untersteht die Welt einer natürlichen göttlichen Ordnung. Daraus resultiert eine enge Verbindung zwischen Bibelexegese und Geschichtsschreibung, die geprägt ist von der Vorstellung von 72 Sprachen und Völkern in Anlehnung an die alttestamentarische Völkertafel. 72 Stämme hätten sich nach dem babylonischen Turmbau über die gesamte Erde verteilt, so dass aus der ursprünglichen einen Ursprache eine Vielzahl von Tochtersprachen resultierte. Neben diesem zahlenmystischen und symbolischen Aspekt einer Bibelexegese und Weltgeschichte vereinenden Interpretation der Diversität der Einzelsprachen und ihres Verhältnisses zur hebräischen Ursprache steht, ausgehend von dem Origines-Übersetzer HILARIUS VON POITIERS, die Konzeption von der Existenz dreier gelehrter Fachsprachen, nämlich des Hebräischen, Griechischen und des Lateinischen im Zentrum der Diskussion um die Ursprache und ihre Tochtersprachen. So verweist HILARIUS VON POITIERS im Prolog seines Psalmenkommentars (ca. 365 n. Chr.) darauf, dass die Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein nach der Überlieferung des Johannes (Joh. 19,20) an Christi Kreuz zu lesen gestanden hätten, weil vor allem in diesen drei Sprachen das Geheimnis des göttlichen Willens und die Erwartung des Himmelreiches gepredigt werde. Im weiteren Verlauf der Diskussion um die Ursprache werden diese drei linguae principales dann allerdings von ISIDOR VON SEVILLA erstmalig in den Rang von heiligen Sprachen (linguae sacrae) erhoben, da die Inschrift am Kreuze Christi in eben diesen drei Sprachen abgefasst war. Für ISIDOR vertraten diese drei Idiome zudem in
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung einem stark vereinfachenden Sinne drei grundsätzliche Möglichkeiten der Aussprache: das Hebräische stand für die gutturale, das Griechische für die palatale und das Lateinische für die dentale Art der ĺ Artikulation. Schon vor der Patristik war allerdings die Identifizierung des Hebräischen mit der Ursprache ein in der Regel nicht hinterfragbares Faktum. So übernimmt etwa der Kirchenvater HIERONYMUS die uralte jüdische Meinung vom Hebräischen als Muttersprache aller Sprachen (omnium linguarum matrix). Differenzierter fällt demgegenüber das Urteil des AUGUSTINUS aus, dessen Sprachlehre sich teilweise noch im Spätmittelalter in einzelnen Elementen der Sprachauffassung DANTEs widerspiegelt (ĺ Natürlichkeit). Für AUGUSTINUS gibt es in der Sprache Adams ein harmonisches Abbildverhältnis zwischen Wort und Ding. Dieses Abbildverhältnis wird jedoch durch den Turmbau zu Babel aufgehoben, in dessen Gefolge ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention zu Kennzeichen menschlicher Sprache werden (non natura, sed placito et consensione). Für das weitere Verständnis des Konzeptes von der hebräischen Ursprache ist AUGUSTINUS’ Auffassung des Turmbaus von Babel als Strafe für den Hochmut (superbia) Nimrods und seiner Gefährten konstitutiv. Im augustinischen Sinne wird die Diversität der Einzelsprachen fortan als Fluch und nicht als Segen interpretiert, wobei die Sprachenvielfalt Ausdruck von Zwietracht und Zwistigkeiten ist, die mit dem Turmbau Einzug in das Leben der Menschen gehalten hätten (ĺ Sprachverwirrung). Als Fluch begreift auch ISIDOR VON SEVILLA die ĺ Sprachverwirrung, der den Anführer des babylonischen Turmbaus, Nimrod, gar mit dem Teufel gleichsetzt. Zugleich betont er jedoch, dass der Stamm Heber von diesem Akt menschlichen Hochmuts ausgeschlossen gewesen sei und sich das Hebräische daher als reine Ursprache erhalten habe. Den Status der Ursprache billigt auch JOHANN VON SALISBURY dem Hebräischen zu. Allerdings lehnt er es ab, das Hebräische zugleich als Natursprache aufzufassen (ĺ Natürlichkeit), da selbst die Gelehrten es keineswegs automatisch sprächen. Zweifel an der Gleichsetzung zwischen dem Hebräischen und der Ursprache treten erstmals bei HILDE-
Ursprache BINGEN auf, die das Teutonische für die beste aller Sprachen und für die Sprache hält, in der Adam und Eva miteinander kommuniziert hätten (Adam et Eva Teutonica lingua loquebantur, que in diversa non dividitur ut Romana). Noch lange bevor im Zuge apologetischer Tendenzen in der Renaissance verschiedene Nationalsprachen in den Rang der Ursprache erhoben werden (ĺ Apologie), legt sich HILDEGARD somit auf das Deutsche als Ursprache fest. In der Blütezeit der Scholastik im 13. Jahrhundert gewinnen dann Auffassungen wie diejenige von INNOCENZ III. die Oberhand, der die babylonische ĺ Sprachverwirrung im scholastischen Bestreben um die Aufstellung von Ordnungsprinzipien und Hierarchien nicht mehr als eine Verwirrung der Sprachen, sondern als eine Neufügung und Neuanordnung versteht. Nach dieser Auffassung hätte es bereits vor Babel verschiedene Sprachen gegeben. Babel wird lediglich als Strafe für den Hochmut der Menschen begriffen (superbia …turrem evertit et linguam confundit). In der Interpretation des ROBERT VON AUXERRE waren demgegenüber die Turmbauer von Babel nur unschuldige Mitläufer Nimrods, so dass die Teilung der Völker in 72 Stämme und die damit einhergehende Aufhebung der monogenetischen hebräischen Ursprache nicht mehr als Makel erschienen. Im 13. Jahrhundert treten zusehends Zweifel auf, ob die Ursprache mit dem Hebräischen gleichzusetzen sei. Um die Identität der Ursprache zu ermitteln, ließ etwa Kaiser FRIEDRICH II. der Staufer ein PSAMMETICHOS-Experiment durchführen (ĺ Ursprung; ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell); ĺ gesellschaftskonstituierende Funktion). Unter der Regentschaft FRIEDRICHs II. wird der Primat der alten Sprachen jedoch im Zuge der Entstehung der sizilianischen Dichterschule gebrochen. Zudem wird auch das Bewusstsein für weitere Sprachen wie etwa das Arabische geschärft, das von den Mohammedanern seit dem 10. Jahrhundert als Ursprache angesehen wurde. Für den deutschen Dominikaner ALBERTUS MAGNUS, der die Heilsgeschichte zugunsten des Aristotelismus verdrängt, ist das Hebräische zwar die Sprache, die dem Lobpreis Gottes dient, aber nicht mehr die Ursprache. GARD VON
507 Sein Schüler THOMAS VON AQUIN vertritt zwar die Auffassung, dass Adam Hebräisch gesprochen habe, aber entgegen der bis zu diesem Zeitpunkt dominanten Konzeption von der Heiligkeit des Hebräischen sieht AQUIN die Ursprache nicht als heilig, sondern lediglich als natürlich an (ĺ Natürlichkeit). Adam habe von seinem göttlichen Lehrer die Sprache empfangen und die Dinge entsprechend ihrer Natur benannt (nomina rerum debent esse consona eorum proprietatibus). Dem Menschen ist die Sprachfähigkeit von Natur gegeben, aber durch seinen Sündenfall wird die ĺ Arbitrarität zum Merkmal der Sprache schlechthin. Die Fähigkeit der Ursprache Adams, den Dingen ihrer Natur gemäße Namen zu verleihen, tritt auch in der mystischen Sprachauffassung MEISTER ECKEHARTs in Erscheinung. Die adamitische Ursprache habe den Dingen die ihnen von Natur zukommenden Namen (naturali quadam vi et ratione) beigelegt. Im Zusammenhang seiner mystischen Sprachauffassung behauptet MEISTER ECKEHART allerdings, dass keine Sprache, nicht einmal die Hebräische, das Wesen Gottes auszudrücken vermöge. Das göttliche verbum entzieht sich damit der Möglichkeit des menschlichen Erfassens. Diese These wurde im 17. Jahrhundert ebenfalls von dem Sprachmystiker WEBSTER vertreten, der aus diesem Grunde dafür plädierte, dem Studium der Sprachen an den Schulen und Universitäten weniger Raum zuzugestehen (WEBSTER 1654). Eine natürliche Sprachauffassung vergleichbar mit der des THOMAS VON AQUIN wird ebenfalls von DANTE im De vulgari eloquentia vertreten. In diesem Traktat begreift auch DANTE die Wörter als eine Konsequenz der Dinge (consequentia rerum) (ĺ natürliche Sprache). Für DANTE ist die Ursprache das Hebräische, das heilige Idiom (sacratum ydioma). So habe Adam die Sprachform des Hebräischen (forma locutionis) von Gott erhalten. Das Urwort der Menschheit sei El, das hebräische Wort für Gott, gewesen und die Israeliten seien von der babylonischen ĺ Sprachverwirrung verschont geblieben. Aufgrund des Verlustes der ursprünglich in der adamitischen Sprache enthaltenen ĺ Natürlichkeit hätten die postbabylonischen Sprachen das Wesen der Dinge jedoch nicht mehr genau
508 wiedergegeben, so dass neue, aber unvollkommene arbiträre Sprachen, zu denen DANTE etwa das Griechische und Lateinische zählt, entstanden seien (ĺ Arbitrarität). DANTE vollzieht somit eine Trennung zwischen der göttlichen hebräischen Ursprache und den nach Babel entstandenen unvollkommenen, arbiträren menschlichen Sprachen. Im Gegensatz zur Konzeption des HIPPOLYTUS, die bis in die Hochscholastik verbreitet war, verwirft DANTE die Vision von den 72 Einzelsprachen und setzt dieser Vorstellung als erster Erfinder einer europäischen Dialektologie 14 Hauptsprachen und über 1000 lokale Varietäten entgegen (ĺ Dialekt). In der bei DANTE deutlich zutage tretenden Konzeption von der Natürlichkeit der adamitischen Ursprache kündigt sich bereits das in der Renaissance dominante Sprachbewusstsein an, das sich von der historischen Betrachtungsweise und den Chronologien der Völkertafel zugunsten einer Auffassung abwendet, die Konstanten wie die Natürlichkeit der Ursprache ins Zentrum der Betrachtungsweise rückt. Von der Patristik bis hin zu DANTEs Hochscholastik war das Konzept einer hebräischen Ursprache kaum oder höchstens im Hinblick auf Marginalien kritisiert worden. Von AUGUSTINUS bis DANTE wurde die Auffassung von einer adamitischen Paradiessprache, die zumeist als hebräische Ursprache begriffen wurde und sich erst durch den Fluch von Babel in 72 oder 70 Einzelsprachen aufgespalten habe, nicht hinterfragt. Mit dem Ende der Hochscholastik (Ende des 14. Jahrhunderts) wird jedoch die mittelalterliche Konzeption der Geschichte als Heilsgeschichte mit der Bibel als autoritärem Buch von universeller, zeitloser Gültigkeit angegriffen. Sprache wird nicht länger als Akkumulation von Erfahrungen der Heilsgeschichte verstanden, die durch Etymologien (ĺ Etymologie) rekonstruiert werden müssen, welche im Sinne des mittelalterlichen Symboldenkens das Wesen der Sache wiedergeben. Sprache wird mit Beginn der Renaissance zum Ausdruck des Nationalbewusstseins der verschiedenen Völker, die gegen das Ideal der Vielsprachigkeit die ĺ Apologie der jeweiligen Volkssprache setzen. Die Suche nach Muttersprachen der eigenen Volkssprache und das Bemühen um die Rekonstruktion der eigenen Nationalspra-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung che als Muttersprache nehmen im Wettstreit der Nationen teilweise groteske Züge an, wie die Etymologien des GOROPIUS BECANUS oder im 17. Jahrhundert beispielsweise KEMPEs Theorie von der schwedischen Ursprache belegen. 2. Das Konzept der ‘Ursprache’ vom 19. Jahrhundert bis zur Moderne Im 19. Jahrhundert betont auch die Romantik die Individualität der Einzelsprachen. So begreift etwa August Wilhelm SCHLEGEL die Ursprache als formal nicht festgelegte reine Poesie. Im Zeichen des aufblühenden Paradigmas der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft wurde die heilige Ursprache von SCHLEGEL und NOVALIS mit dem von JONES 1786 entdeckten Sanskrit identifiziert. So hält SCHLEGEL das Sanskrit für die älteste bekannte Sprache, ohne ihr jedoch den Status einer Ursprache zuzuschreiben. Rekonstruktionsversuche der Ursprache im 19. Jahrhundert, die nach JONES’ Entdeckung des Sanskrit und der indo-europäischen Sprachfamilie populär wurden, stützten sich u. a. maßgeblich auf GRIMMs Gesetz der Lautverschiebung. Neben dem Bemühen, die indo-europäische Sprachfamilie und damit eine potentielle Protosprache der Menschheit anhand von Sprachvergleichen (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) zu rekonstruieren, existieren aber auch idealistische Ansätze insbesondere in der Frühromantik. Eine Versöhnung mit dem babylonischen Fluch scheint den Frühromantikern durch die Realisierung von Kunst als Ausdruck innerer Religiosität möglich (vgl. TIECK, WACKENRODER). Mit ihrer Privilegierung des Idealismus und Individualismus weisen sie den Weg zu FICHTEs Auffassung von der Ursprache als einer imitatorischen, rohen Sprache, die sich im Verlaufe der Jahrhunderte zu einer vollkommenen Sprache entwickelt habe, in der nicht der Mensch selbst, sondern die menschliche Natur spricht. Die ĺ Natürlichkeit als ein wesentliches Merkmal der Sprache erlaubt die Bewahrung von Elementen der Ursprache trotz aller Prozesse der ĺ Sprachveränderung. Als eine zeitlose, natürliche Sprache konzipiert FICHTE das Deutsche im Sinne einer idealistischen ĺ Apologie seiner Muttersprache.
Ursprache Gegen die über Jahrhunderte dominante Konzeption einer monogenetischen hebräischen Ursprache wendet sich HUMBOLDT im Gefolge der Lehren GOETHEs und SCHLEGELs. Konstitutiv für HUMBOLDTs Ansicht zur Ursprache ist seine Überzeugung, dass wir aufgrund der historischen Distanz keine Aussagen über die Ursprache treffen können (Wir [sind] von den Ursprachen und Urstämmen durch Klüfte getrennt […], über die keine Überlieferung mehr hinüberhilft). HUMBOLDT vertritt eine streng polygenetische Sprachauffassung, die die Diversität der Einzelsprachen als segensreiche Mannigfaltigkeit und nicht als babylonischen Fluch begreift. Im Gegensatz zur bisherigen Geschichte des Konzepts der ‘Ursprache’ steht bei HUMBOLDT nicht die babylonische ĺ Sprachverwirrung, sondern das Pfingstwunder im Vordergrund der Sprachbetrachtung, die in seiner These vom Weltbild der Sprache kulminiert. Bezeichnend für den Umgang mit dem Konzept der ‘Ursprache’ ist aber auch die in Frankreich verbreitete Auffassung einer säkularisierten Heilsgeschichte, die die Entwicklung von der Ursprache zu den verschiedenen Nationalsprachen als eine Geschichte des Fortschritts weg von den Passionen hin zur Abstraktion interpretiert. Repräsentativ für diese Auffassung sind etwa die Ursprachskonzeptionen von COMTE oder MICHELET. Im Sinne eines unerschütterlichen Fortschrittsglaubens nahm auch DARWIN eine von der Sprachgenese ausgehende Entwicklung der Sprache zur Vollkommenheit an (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). DARWIN schloss sich der sensualistischen Auffassung von der Primitivität und Rohheit der Ursprache an. Durch die Diversifizierung der Einzelsprachen seien immer komplexere und vollständigere Sprachgebilde entstanden (ĺ Ursprung). Für DARWIN war die Sprache jedoch nicht das Resultat des menschlichen Instinkts, sondern eine Kunst, die man erlernen musste (DARWIN 1871). Im Gegensatz zu DARWIN hielt NIETZSCHE die Sprache jedoch für das Ergebnis des Instinkts. Die Ursprache identifiziert NIETZSCHE ebenso wie Richard WAGNER mit der Musik, mit der Urmelodie. In der Ursprache als Urmelodie manifestieren sich alle Lust- und Unlustbekundigungen des menschlichen Willens. Ausgangspunkt für
509 die Entstehung einer Vielzahl von Sprachen ist für NIETZSCHE die Gebärdensprache, die durch ihre Unwillkürlichkeit der Urmelodie nahe steht und universell verständlich ist (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Eine unmittelbare Übertragung von methodologischen Erkenntnissen DARWINs stellt SCHLEICHERs Werk Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft (1863) dar, in dem der Autor einen Stammbaum der indogermanischen Sprachen entwirft. Die Ursprache (Protosprache) der Menschheit versucht er, anhand der Analyse von Prozessen der Lautverschiebung zu ermitteln. Mit diesem Vorgehen inspirierte SCHLEICHER auch die Weiterentwicklung der vergleichenden Methode auf der Grundlage des Lautwandels im 20. Jahrhundert. Trotz der Versuche der Pariser Société de linguistique générale im Jahre 1866, Spekulationen über den ĺ Ursprung der Sprache und die Ursprache aus ihren Mauern zu verbannen und für unwissenschaftlich zu erklären und trotz SAUSSUREs Vorbehalten gegenüber externer Sprachbetrachtung, wurde die Suche nach der Ursprache auch im 20. Jahrhundert fortgesetzt und zum Gegenstand komplexer interdisziplinärer Forschungen erhoben. Diese Forschungen gründeten sich jedoch auf eine solidere empirische Basis und ließen die mythisch-mystischen Aspekte der Ursprachenfrage, die noch bis ins 19. Jahrhundert neben den Ansätzen der historisch-vergleichenden Sprachforschung verbreitet waren, hinter sich. An der Rekonstruktion der Ursprache und des Ursprungs (ĺ Ursprung) der Sprache beteiligen sich heute so verschiedene Disziplinen wie Sprachwissenschaft, Paläontologie, Paläoanthropologie, Anthropologie, Neurologie und Genetik. Aufgrund der rasch fortschreitenden Entwicklung dieser Disziplinen kann inzwischen die Evolution der Hominiden in ihren wichtigsten Etappen nachgezeichnet werden. Die Ergebnisse der Populationsgenetik ermöglichen es zudem, den Prozess der geographischen Ausbreitung der verschiedenen Völker über die Erde im Wesentlichen nachzuzeichnen. Insbesondere den Arbeiten von CAVALLI-SFORZA und LANGANEY verdanken wir die Kenntnis der Zusammenhänge zwischen genetischer und sprachlicher Verwandtschaft großer Sprachgruppierungen.
510 Die Idee eines monogenetischen Sprachursprungs und die Konzeption einer gemeinsamen Ursprache finden zudem Verstärkung durch Untersuchungen, die WILSON, STONEKING und CANN von der Universität Berkeley durchgeführt haben. Die Untersuchungen, die an der Erbsubstanz zahlreicher lebender Probanden vorgenommen wurden, lassen den Rückschluss zu, dass die gesamte Menschheit von einer einzigen Frau abstammt, die vor ca. 150 000 Jahren in Afrika gelebt habe (Out-ofAfrica-Hypothese; Eva-Hypothese). Schon Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hatten die sowjetischen Linguisten ILLITSCH-SWITYTSCH und DOLGOPOLSKY den Versuch unternommen, die menschliche Sprache bis in die Jungsteinzeit zurückzuverfolgen. Als Resultat ihrer Forschungen führten sie sechs Sprachen auf eine gemeinsame Ursprache zurück, die sie Nostratisch nannten. In den USA erhielten Forschungen zu einer hypothetischen Ursprache oder Protosprache Ende der achtziger Jahre wichtige Impulse von den Sprachwissenschaftlern GREENBERG und RUHLEN, die beide für einen monogenetischen Sprachursprung und die Existenz einer Ursprache plädierten, auf die sich in letzter Instanz alle Sprachen der Welt zurückführen ließen. GREENBERGs Methode, die er in Language in the Americas (1987) anwendet, ist durchaus als eigenwillig einzustufen, da er entgegen der bis zu diesem Zeitpunkt dominanten Tradition auf die Rekonstruktion von Wurzeln verzichtet und stattdessen einen multilateralen Prozess anwendet, bei dem er eine bestimmte Anzahl von Sprachen des modernen Europa im Hinblick auf die Laute vergleicht, die sie zur Bezeichnung einer gewissen Anzahl elementarer Begriffe (Zahlen, Körperteile) benutzen. Anhand dieses Systems identifizierte GREENBERG zunächst Eskimo-Aleutisch und Na-Dené (im Nordwesten Nordamerikas). Auf Widerstand stieß allerdings sein Postulat einer Ursprache namens Amerind, die von Mittelamerika bis Feuerland reiche. Zwar herrscht in der Sprachwissenschaft ein gewisser Konsens vor über die grundsätzliche Möglichkeit der Rekonstruktion einzelner Sprachfamilien mit Hilfe der vergleichenden Methode, die Gesetzmäßigkeiten des Lautwandels zu erklären vermag, aber die Möglichkeit
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung der Rekonstruktion einer Ursprache (Protosprache), auf die alle Sprachen der Erde zurückführbar seien, gilt in weiten Kreisen als fragwürdig. Für die Rekonstruktion einer Protosprache wird aber neben typologischen Untersuchungen von Lautveränderungen auch die Berücksichtigung des Bedeutungswandels (ĺ Bedeutung) angemahnt, die gerade für sehr frühe Sprachstadien problematisch erscheint. Versuche der monogenetischen Rückführung aller Sprachen auf eine Ursprache sind jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass einzelne Laute dieser Ursprache zu Beginn kleinste bedeutungstragende Einheiten (Phememe) waren (zur ‘Phememhypothese’ vgl. LECRON FOSTER 1996). Ihren Bedeutungsgehalt erhielten diese lautlichen Minimaleinheiten aufgrund der jeweiligen Form, die die Sprechorgane bei ihrer ĺ Artikulation annahmen. Die Phememhypothese beruht also auf der Annahme einer natürlichen Motiviertheit der Urlaute der Ursprache (ĺ Natürlichkeit) und verweist die Eigenschaft der ĺ Arbitrarität auf spätere Stadien der Sprachentwicklung. Diese Hypothese zeigt auffällige Parallelen zu DE BROSSES’ Konzeption von Elementen der Ursprache, die er auf die anatomisch-physiologische Konfiguration der Sprechorgane zurückführte, deren erste einzelne Laute er auch als bedeutungstragend klassifizierte. Nach der Phememhypothese hätten erst im Laufe des Neolithikums syllabische Verbindungen morphophonematischer Elemente zur Entstehung von Phonemen, d. h. von kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten auf der Lautebene geführt. Die Zahl der Sprachen der Welt beläuft sich heute nach Einschätzung von RUHLEN 1987 auf ca. 5000 Sprachen. Am besten untersucht ist dabei die Verwandtschaft zwischen den indo-europäischen Sprachen. Auch die semitischen Sprachen sind gut erforscht, wobei dem Hebräischen nach Jahrhunderten der ĺ Apologie inzwischen sein Platz innerhalb der semitischen Gruppe zugewiesen wurde, was bereits SCHULTENS im 17. Jahrhundert im Zuge einer Desakralisierung des Hebräischen gefordert hatte.
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Sprachverwirrung I. Lat. confusio linguarum, linguarum Confusionem, linguarum divisio, [cladem Babylonicam], clades Babylonica, haec vnius linguae in plures diuisio, permixtio idiomatum; dt. Sprach-Verwirrung, Sprachverwirrung, SprachVerwirrung bey dem Thurmbau zu Babel, Taumel der Verwirrung und der Vielheit der Sprachen, Thurmbau zu Babel; engl. confounding the language of the builders of Babel; the Confusion of Languages, Curse of the Confusion of Tongues, Confusion of Tongues, the confusion of languages, the first Confusion, the Confusion at Babel, the diversity of Tongues, the Confusion of Languages at Babel, the very great diversities of human speech; frz. la confusion des langues, la Tour de Babel, la confusion de Babel; la premiere division des langues, la diuision des langues, la diuision Babylonique, la multiplication des langues, la division de la langue commune, cette confusion du langage primitif; ital. confusione delle lingue.
Zu Bezeichnungen des Konzepts ‘Sprachverwirrung’ Im Zusammenhang mit dem Konzept ‘Sprachverwirrung’ erweist sich die Bezeichnungspraxis als besonders erhellend für die Interpretation des Phänomens. Der geläufigste Terminus ist der der confusio linguarum, welcher etwa in den Bezeichnungen Confusion of Language, Confusion of Tongues, the Confusion at Babel, the first Confusion, la confusion de Babel oder la confusione delle lingue aufgegriffen wird. Mit dem lateinischen Etymon confusio ist die ‘Verwirrung der Sprachen’ gemeint, wobei es neben ‘Verwirrung’ auch soviel wie ‘Unordnung’ bedeutet. Die Vorstellung von Chaos und Unordnung vermittelt beispielsweise auch die Bezeichnung des Konzepts als Taumel der Verwirrung und der Vielheit der Sprachen in Zedlers Universallexicon. Als Objekt
514 der Verwirrung wird etwa von BEAUZÉE im Encyclopédie-Artikel Langue die ĺ Ursprache der Menschheit genannt (cette confusion du langage primitif), die als Folge der göttlichen Strafe für den Turmbau zu Babel in eine Vielzahl von Einzelsprachen zerfällt und damit in ihrer Integrität verloren geht. Neben diesen pejorativ konnotierten Bezeichnungen, die das Konzept in den Kontext von Unübersichtlichkeit und Chaos rücken, bedeutet das Etymon confusio aber auch soviel wie ‘Vermischung’, also eine Vermischung der Idiome, was eine neutralere Deutung erlaubt. Die pejorative Vorstellung der confusio als Verwirrung, Unordnung und Chaos bleibt jedoch die dominante in der langen Geschichte dieses Konzepts. Die neutralere Vorstellung der ‘Sprachvermischung’ oder der ‘Durchmischung’ der Sprachen, wie sie etwa in der Bezeichnung permixtio idiomatum zum Tragen kommt, tritt wesentlich seltener in Erscheinung, da die babylonische Sprachverwirrung in der Regel als Fluch und nicht als Segen interpretiert wurde, was z. B. auch an WILKINS’ Bezeichnung Curse of the Confusion of Tongues deutlich wird, die das Ereignis der Sprachverwirrung als Fluch beschreibt. Dem Vokabular des Krieges ist die Bezeichnung clades Babylonica, also ‘babylonische Niederlage’ entnommen, die das Ereignis des Turmbaus als Krieg der aufsässigen Menschen gegen Gott begreift. Mit der Vorstellung von der Sprachverwirrung verbinden sich im Laufe der Jahrhunderte vor allem pejorative Konzepte, da der Turmbau zu Babel als ein Symbol menschlicher Hoffart, Maßlosigkeit und Eitelkeit interpretiert wird, das die negative Konsequenz der Zerstörung, Unvollkommenheit und Schadhaftigkeit impliziert. Die Idee, dass durch den Turmbau zu Babel und die darauffolgende Sprachverwirrung die ursprüngliche Einheit der Menschheit und ihre einheitliche ĺ Ursprache zerstört werden, prägt beispielsweise das Denken der Scholastik, die – getragen von ihrem theozentrischen Weltbild – die Einheit als oberstes Prinzip ihrer Taxonomien und hierarchischen Klassifikationsschemata begreift und auch einen monogenetischen Sprachursprung (ĺ Ursprung) sowie die Existenz einer von Gott gegebenen Ursprache
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung der Menschheit vertritt. Diese Sichtweise prägt auch noch Konzepte der ‘Sprachverwirrung’ im 17. und 18. Jahrhundert. Allerdings bildet sich parallel zur Wahrnehmung der Sprachverwirrung als Symbol von Fluch und Niedergang auch eine Sichtweise heraus, die die Verschiedenheit der Einzelsprachen, welche im Ergebnis von Babel entstehen, eher neutral oder tendenziell sogar positiv begreift. Diese Beurteilung spiegelt sich auch in der Bezeichnungspraxis wider, in der neben der Bezeichnung confusio auch die der divisio, also der ‘Teilung oder Unterteilung der (Einzel-)sprachen’ auftritt. In dem Maße, in dem die Diversität der Einzelsprachen nicht als ein schadhaftes Faktum begriffen wird, tendieren die Autoren eher zur Verwendung der Bezeichnung divisio linguarum bzw. von Bezeichnungen wie haec vnius linguae in plures diuisio, division des langues, la diuision des langues, la diuision Babylonique, la division de la langue commune. Auch wenn Mathieu PARIS (um 1250) seinem Leser die Wahl zwischen confusio oder divisio lässt, sind beide Bezeichnungen dennoch wesensmäßig voneinander zu unterscheiden. So bedeutet im Latein der Scholastik divisio weniger ‘Teilung’, sondern eher soviel wie ‘Unterscheidung’ oder ‘rationale Klassifizierung’. Damit tritt der Konnotationsbereich der divisio jedoch in einen deutlichen Gegensatz zur confusio, die ja soviel wie ‘Unordnung’ und ‘Chaos’ bedeutet. Mit der Verwendung der Bezeichnung divisio wird gleichsam versucht, das Ereignis von Babel zu verwissenschaftlichen und anstelle der mit diesem Mythos verbundenen negativen Konnotationen und gravierenden moralischen Implikationen eher den Blick auf einen Vergleich der Einzelsprachen zu lenken (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Die Bezeichnung divisio scheint zudem auch den Tatbestand widerzuspiegeln, dass der confusio linguarum eine divisio populorum gegenübersteht, da ja die Sprachverwirrung nach dem biblischen Bericht des Jahwisten die Entstehung der Vielfalt der Völker nach sich zieht und die Noachiden sich über die Erde verteilen, wie ihnen schon vor dem Turmbau zu Babel von Gott aufgetragen worden war. Die Auffassung der Sprachverwirrung als divisio linguarum gestattet nicht
Sprachverwirrung zuletzt im Rahmen der Bibelexegese die Versöhnung der Episode des Turmbaus und ihres Gottes der Strafe mit der des neutestamentarischen Pfingstwunders. Durch das Pfingstwunder wird der Fluch von Babel gleichsam aufgehoben, da die aus der Diversität der Einzelsprachen resultierenden Verständnisschwierigkeiten eliminiert werden und die Gesamtheit der Völker und Nationen in den Genuss eines Heilsversprechens kommt.
II. (DANTE 1303–1305: I, VI, Abschnitte 4– 7): […] dicimus certam formam locutionis a Deo cum anima prima concreatam fuisse. Dico autem “formam” et quantum ad rerum vocabula et quantum ad vocabulorum constructionem et quantum ad constructionis prolationem; qua quidem forma omnis lingua loquentium uteretur, nisi culpa presumptionis humane dissipata fuisset, ut inferius ostendetur. Hac forma locutionis locutus est Adam; hac forma locutionis locuti sunt omnes posteri eius usque ad edificationem turris Babel, que “turris confusionis” interpretatur; hanc formam locutionis hereditati sunt filii Heber, qui ab eo dicti sunt Hebrei. Hiis solis post confusionem remansit, ut Redemptor noster, qui ex illis oriturus erat secundum humanitatem, non lingua confusionis, sed gratie frueretur. Fuit ergo hebraicum ydioma illud quod primi loquentis labia fabricarunt. (DANTE 1303–1305: I, VII, Abschnitte 4–8): Presumpsit ergo in corde suo incurabilis homo, sub persuasione gigantis Nembroth, arte sua non solum superare naturam, sed etiam ipsum naturantem, qui Deus est; et cepit edificare turrim in Sennaar, que postea dicta est Babel, hoc est “confusio” per quam celum sperabat ascendere, intendens inscius non equare, sed suum superare Factorem. O sine mensura clementia celestis imperii! Quis patrum tot sustineret insultus a filio? Sed exurgens non hostili scutica, sed paterna et alias verberibus assueta, rebellantem filium pia correctione nec non memorabili castigavit. Siquidem pene totum humanum genus ad opus iniquitatis coierat: pars imperabant, pars architectabantur, pars muros moliebantur […] partesque diverse diversis aliis operibus indulgebant, cum celitus tanta confusione percussi sunt ut, qui omnes una eademque loquela deserviebant ad opus, ab opere multis diversificati loquelis desinerent et nunquam ad
515 idem commertium convenirent. Solis etenim in uno convenientibus actu eadem loquela remansit: puta cunctis architectoribus una, cunctis saxa volventibus una, cunctis ea parantibus una; et sic de singulis operantibus accidit. Quot quot autem exercitii varietates tendebant ad opus, tot tot ydiomatibus tunc genus humanum disiungitur; et quanto excellentius exercebant, tanto rudius nunc barbariusque locuntur. Quibus autem sacratum ydioma remansit, nec aderant, nec exercitium commendabant; sed graviter detestantes stoliditatem operantium deridebant. Sed hec minima pars, quantum ad numerum, fuit de semine Sem, sicut conicio, qui fuit tertius filius Noe; de qua quidam ortus est populus Israel, qui antiquissima locutione sunt usi usque ad suam dispersionem. (BIBLIANDER 1548: 36): Unicum autem initio fuisse in toto genere hominum sermonem communem, sicut unica est ratio, congruit societati arctissimae et mutuae opi. (DU BELLAY [1549] 2001: 73–74): Si la Nature (dont quelque personnaige de grand’ renommée non sans rayson a douté, si on la devoit appeler Mere, ou Maratre) eust donné aux Hommes un commun vouloir, et consentement, outre les innumerables commoditez, qui en fussent procedées, l’Inconstance humaine, n’eust eu besoing de se forger tant de manieres de parler. Laquéle diversité, et confusion, se peut à bon droict appeler la Tour de Babel. Donques les Langues ne sont nées d’elles mesmes en façon d’Herbes, Racines, et Arbres: les unes infirmes et debiles en leurs espéces; les autres saines, et robustes, et plus aptes à porter le faiz des conceptions humaines: mais toute leur vertu est née au monde du vouloir, et arbitre des mortelz. (PÉRION 1554: 9): Conclusum est enim a te, primum sermonem non fuisse eum qui Hebraicus nominetur, Ex quo etiam illud vis effici, coeteras linguas ex ea ortas non esse. (LUTHER 1556: 166): Sic Gallus odit et contemnit Germanos, Itali oderunt et contemnunt prae se omnes nationes. Apparet igitur ex ista linguarum divisione dissociatos animos, et mutatos mores, mutata ingenia, et studia, ut vere eam appellare possis seminarium omnium malorum. Nam et Politiae et Oeconomiae turbationem excitavit. Haec et si gravissima
516 incommoda sunt, nihil tamen ad hoc sunt, quod etiam Ecclesias turbavit haec linguarum divisio, et occasionem dedit in infinitum patentis idolatriae et superstitionis. (LUTHER 1556: 169): Utitur enim Deus non arietibus, quibus muros concutiat, non aliis machinis bellicis, tantum confundit labia. Haec profecto mirabilis ratio expugnandarum urbium, et demoliendorum murorum est. Sed est omnium artissima et facillima. Sicut Christus in Evangelio quoque testatur: omne regnum in se divisum desolabitur. Si enim linguae non essent confusae, etiam animorum consociatio mansisset. Nunc ruit Babylon, ruit Ninive, ruit Hierosolyma, ruit Roma. In summa, regna omnia ruunt ex confusione linguarum quae parit animorum dissociationem. (PEREYRA 1593–1594: I, 512): Hoc enim die linguarum omnium diversitas repente divino munere illis tributa est; ita ut unus quilibet sanctorum discipulorum, alios omnes cujuscumque gentis et linguae essent loquentes intelligeret, et alii omnes, quamvis diversissimis uterentur linguis quemlibet illorum discipulorum Domini quasi sua lingua loquentem planissime intelligerent. (DURET [1613] 1972: 6–7): Le grand & admirable Prophete Hebrieu Moyse chap. II. de son histoire du Genese, & Iosephe historien Hebrieux liur. I., chap. 4. des antiquitez iudaiques ont demonstré apertement que la confusion des langues, outre la langue Hebraique la premiere & plus antique de cest vniuers a esté premierement introduite lors de la construction & edification de la tour de Babel, quoy que semble en vouloir dire autrement Philon Iuif en son traicté de la confusion des langues, interpretant allegoriquement à sa mode accoustumee les propos dudit Moyse ci dessus alleguez: Alexandre Polyhistor. & Abydenus autheurs fort anciens, & la Sybille en ont autant dit que Moyse & Iosephe cy dessus alleguez, au raport d’Eusebe de Cesariense autheur Grec liur. 9 chap. 4. de sa preparation Euangelique. Cela presupposé nous apprendrons que selon la supputation vraye & asseuree des Hebrieux, ceste confusion des langues, outre l’Hebraique aduint apres de le deluge vniuersel trois cens quarante ans, comme il est deduit dans le liure de Hebrieu intitulé Seder Olam composé par Rabbi Abraham fils de Dauid, quoy que Berose liur. 4.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung des temps escriue que ce fut cent trente & vn an apres ledit deluge. Aben Ezra autheur Hebrieu & quelques autres Rabbins Hebrieux & les communs chronologistes d’entr’eux tiennent que ce fut cent & vn an apres ledit deluge, les autres disent que ce fut 150 ans apres le dit deluge. G. Genebrard liur. I. de la Chronolog. fait preuue que ce fut 340 ans apres, citant l’opinion du Seder Olam, & des Hebrieux comme i’ay premis ci dessus. (DURET [1613] 1972: 7): A ce que dessus est deduit de la diuision des langues aduenue lors de l’edification de la tour de Babel, ainsi que la rapporte Moyse au chap. 11. du Genese cy deuant allegué, il semble que le chap. 10. du mesme Genese contrarie du tout auec repugnance, tenant que les enfants de Iaphet diuiserent les Isles des nations chascun selon la langue & famille. Ce que remarquant Philaster en son catalogue des heretiques chap. 106. a osé asseurer que mesme deuant la construction de la tour de Babel il y auoit plusieurs varietez & diuersitez de langues entre les premiers hommes du monde. Et ne fait rien au contraire (dit-il) que Moyse au chap. 2. du mesme Genese aye escrit que la terre n’auoit qu’vne langue, veu que cela se doit interpreter par excellence, comme on dit, pour vne langue entendue par tous les hommes de la terre vniuerselle, encor que parlants autres langues: mais ceste opinion de Philaster a esté du tout reiettee par les docteurs de l’Eglise, notamment par Sainct Augustin liur. de mirabil. scriptur. chap. 9. Euchere Euesque de Lyon liu. 2. chap. 7. sur le Genese, & Alphonse de Castro liu. 9. contre les heresies pour beaucoup de raisons fondees sur l’Escriture saincte. Tous les Rabbins & docteurs Hebrieux, & Theologiens Grecs & Latins tiennent pour chose tres-asseuree qu’au temps de la diuision Babylonique & des langues, la seule & vnique langue Hebraique demeura en la maison d’Heber pour estre comme hereditaire à ceux que seroyent de ceste famille, ce que confirment Iosephe liure I. chap. 9. des antiquitez Iudaiques, & Sainct Chrysostome en son Homelie 30. sur le Genese, & pour soudre le doubte ci dessus de Philaster, que deuant l’edification de la tour de Babel les enfants de Noé diuiserent les isles des nations chascun selon la langue & famille, nous apprendrons que cela se doit entendre par anti-
Sprachverwirrung cipacion, & ainsi que premierement la chose fut descrite comme elle se deuoit puis apres passer, ce qu’a fort bien deduit Ticonius en l’intelligence des passages de l’Escriture saincte, laquelle porte plusieurs clauses par anticipation, lesquelles puis apres sont digerees par ordre & suite. Ce que Sainct Augustin louë fort au liure de la doctrine chrestienne, & au liure 16. chapitre 34. de sa Cité de Dieu, Lyranus en ses Commentaires sur le chap. 10. du Genese ci dessus allegué, l’autheur de la glose ordinaire sur cest endroit, & Felician Capito en ses explications catholiques partie 1. explication 7. auec lesquelles faut voir ce qu’escrit de ces diuisions de la terre selon les peuples & nations. B. Pererius en ses Commentaires sur le 15. liure du Genese, & de la refutation de ceste opinion de Philaster liure 16. dispute 9. (DURET [1613] 1972: 7–8): Donc par le present discours nous apprendrons que la langue Hebraique estoit au commencement du monde la premiere & seule entre les hommes viuants auparauant l’edification [de] la tour de Babel, laquelle langue est celle mesme que les Iuifs anciens & modernes, & nous apres eux, tenons estre contenue dans le vieil & ancien Testament escrit en langage Hebrieu, & qui s’est conseruee en la famille d’Heber fils de Phaleg sans aucune corruption ni alteration, duquel Heber, sortit le patriarche Abraham, & les Hebrieux, parce qu’icelui Heber & tous ceux de sa famille ne se trouuerent à l’edification de ceste dite tour Babel: au moyen dequoy luy & les siens n’ayans voulu aucunement consentir à tel peché, ne se sentirent aussi en aucune façon atteints de la peine des autres: parquoi il est à coniecturer qu’en Heber seul, & en sa famille l’ancienne & premiere langue des hommes, assauoir l’Hebraique demeura saine & entiere, sans aucune alteration ni corruption, & qu’elle fust seulemӁt en vsage en cestedite famille, laquelle occupoit la terre qui estoit depuis Messa iusques à vne montagne oriӁtale nõmee Sephar en Iudee, comme le confirme Saincte Hierosme sur le Genese, estant icelle langue du tout perdue pour le regard des autres hommes qui conspirerent contre Dieu lors de l’edification de ladite tour de Babel. (CRINESIUS 1629: 3): […] Quare omnes homines, viventes temporibus ante & in ipsa
517 confusione, non solum conveniebant in unitate verborum, sed etiam in unitate labii, hoc est, modo proferendi. (CRINESIUS 1629: 5): […] 20. Praeterea, indidem etiam argumentatur Augustinus, quod in solo Heber, & familia ejusdem recta veri DEI fides, religio & pietas remanserit. Siquidem confusio linguarum, poena fuit impietatis illorum hominum. Quibus igitur illa poena non contigit, eos par est credere, impietatis illorum hominum non fuisse participes. (WILKINS [1641/1707] 1984: 55–56): Against the other [curse inflicted on mankind, i. e. the confusion of languages, C. N.], the best Help that we can yet boast of, is the Latin Tongue, and the other learned Languages, which by Reason of their Generality, do somewhat restore us from the first Confusion. But now if there were such an Universal Character to express Things and Notions, as might be legible to all People and Countries, so that Men of several Nations might with the same ease both write and read it, this Invention would be a far greater Advantage in this Particular, and mightily conduce to the spreading and promoting of all Arts and Sciences: Because that great part of our Time which is now required to the Learning of Words, might then be employed in the Study of Things. Nay, the Confusion at Babel might this way have been remedied, if every one could have expressed his own meaning by the same kind of Character. But then perhaps the Art of Letters was not invented. That such a manner of Writing is already used in some Parts of the World, the Kingdoms of the high Levant, may evidently appear from divers credible Relations. Trigaultius affirms, that though those of China and Japan, do as much differ in their Language as the Hebrew and the Dutch; yet either of them can, by this Help of a common Character, as well understand the Books and Letters of the others, as if they were only there own. (BULWER [1644/1648] 2003: Chirologia, 7): […] This naturall Language of the Hand, as it had the happinesse to escape the curse at the confusion of Babel: so it hath since been sanctified and made a holy language by the expressions of our Saviours Hands; whose gestures have given a sacred allowance to the naturall significations of ours. And God
518 speakes to us by the signes of his Hand (as Bernard observes) when he works wonders, which are the proper signes of his Hand. Hic est Digitus Dei, say the astonished Magi, when they acknowledged the expression of a Divine Hand. (BOCHART [1646] 1674: 59–60): Confusionem linguarum invexit solus Deus. Neque enim ad Angelos dirigitur hîc sermo, descendamus & confundamus, &c. Sed est oratio Patris ad Filium & Spiritum sanctum. Quippe si Deus Angelis diceret descendamus, sic loqueretur ac si esset unus ex illis, aut eôdem modô descenderet, nempe mutando locum vero & reali motu. Praeterea linguam unicam uno momento vertere in multas, & inductâ priore alias statim in animum infundere, res est quae longe superat Angelicam potestatem, nec ab alio proficisci potest quam ab eô cui velle & facere idem sunt. […] Haec eadem Dei virtus etiam aliâs emicuit. In creatione putâ, cum Adamo & Evae inspiravit Hebraeae linguae cognitionem primo momento quô conditi sunt; ut & Dei se compellantis sermones intelligere, atque ipsi inter se possent mutuo alloquio frui. Similiter in Ecclesiae nascentis instauratione, quae altera creatio fuit, idem indultum Apostolis atque aliis è sanctorum choro ut non unâ atque alterâ, sed pluribus linguis efferent […]. Denique in vitâ futurâ haud dubiè beatis est proprius aliquis sermo, fortè Angelicus ille de quo Apostolus I. Cor. 13, I. qui eorum animis statim post gloriam infunditur, ut communibus votis in Dei laudes prorumpant. Sed his planè secus evenit, nempe ut pro communi linguâ quâ loquebantur omnes, Deus illorum singulis proprium idioma inspiraverit, ne alii alios intelligerent, ut opus incoeptum abrumperetur. Linguas tamen tot fuisse non puto quot homines. Sic enim periisset omnis hominum societas, nec pater potuisset filium aut vir uxorem convenire, nec ulla coaluisset civitas, imo nec domus. Quod in certissimam humani generis perniciem cessisset. Itaque verisimile est singulas familias linguam habuisse peculiarem: aut iis familiis communem fuisse dialectum quas in sequuturâ dispersione Deus voluit in unam coloniam coalescere. De caetero linguarum numerus quae ex illa confusione natae sunt, haudquamquam potest definiri. Hebraeorum haec sententia est sep-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung tuaginta esse gentes, & septuaginta linguas, & Angelos totidem gentibus singulis praefectos. […] Graeci patres septuaginta duos & totidem linguas numerant propter Elisam & Kainanem in Graeca versione additos…. (BOCHART [1646] 1674: 63): 2. Dein Phalegi majores Arphaxad, Sale & Heber, quos utpote pios viros verisimile non est conspirasse cum reliquis in extructione turris Babel. Heber saltem qui linguam illam antiquissimam, Hebraeam à se dictam, transmisit ad posteros, constat à poena fuisse immunem. (BOCHART [1646] 1674: 70): Moenium & turris Babylonicae conditores quo usque opus promoverint non satis scimus. Hoc solum constat illos confusis linguis statim ab opere destitisse. Quod vel scriptura tacente facile erat conjicere. Nam unionis inter illos vinculum erat communis sermo. Quo ablato, non dubium quin linguarum confusio plurimas pepererit contentiones, cum poscenti lateres unus aquam alius bitumen porrigeret & sic alter ab altero putaret se derideri. Ex jurgiis natum est odium atque aversatio mutua; ex qua factum ut initae societati non inviti renuntiaverint. Inde secuta dispersio in omnes terras. (COMENIUS [1648] 1978: 30): 6. Ad Turrim itaq; Babel Lingvarum origo. At qvomodo? Putant vulgò DEUM miraculosè Linguam divisisse, & pro una multas sic efformasse, ut eôdem momento qvisq; aliam perfectè loqueretur, secumq; ad locum dispersionis suæ asportaret. Eam nempe qvam posteritati suæ reliqvit, & qvæ adhuc per Gentes exstant: licet interea plures qvædam accesserint. At nos nihil aliud ad turrim Babel accidisse existimamus, qvàm Lingvæ confusionem, idqve per qvendam divinitùs immissum mentis stuporem: qvô percussos homines, in sermonis (forsan & rerum, & sui) oblivionem prolabi, ad omnia inhabiles reddi, tædiôq; sui ad solitudines festinare, necesse fuit. Reconcinnatio verò Sermonis ad leges aliqvas, processu demum temporis, in ipsa jam dispersione, facta videtur: cùm homines per qvietem ad se reversi, rerum & negotiorum interventu Verba recolligerent, eaqve jungendi modos invenirent, alius sic, alius aliter. (COMENIUS [1648] 1978: 30): 7. Hæc sententia si nova videtur, irrationalis tamen videri
Sprachverwirrung non poterit illi, qvi seqventia expenderit. Primò, qvod longè diversa, adeoq; contraria sint, Confundi, seu Disturbari, & Refundi seu Reconcinnari: nihilqve aliud tùm accidisse testari Scripturam, qvàm qvod ibi confusum sit labium universæ terræ (v. 9.) Alteriús actûs, reconcinnationis, nulla ibi mentio. (COMENIUS [1648] 1978: 30–31): 9. Tertiò, expressè DEUS: Confundamus Lingvam eorum, ut non AVDIAT unusqvisqve VOCEM proximi sui (v. 7.) id est, ut obmutescant, loqvi neqveant. Audire enim, & Loqvi, correlata sunt: cessante unô, cessat & alterum. Ubi non est qui loquatur, non erit qui audiat: & ubi non est AUDIRE VOCEM, certè ibi neminem loqvi apparet. (COMENIUS [1648] 1978: 36–37): 26. Si dubium id forsan videatur alicui, fides facienda est: qvandoqvidem huic etiam fundamento (de Lingvarum cognatione) partem consilii nostri posteà superstruere animus est. Nititur aurem assertio nostra, primò authoritate Divinâ, qvæ primam illam & unam antiqvi Mundi Lingvam, per CONFUSIONEM esse factam multifariam, docet (Gen. XI.). Qvod namqve confunditur, seu permiscetur, id non tollitur qvantùm ad substantiam: sed partibus tantum suis veriè trajicitur, ut novam nancisci videatur, eámq; externam dumtaxat, & accidentalem, formam. (HOBBES [1651] 1988: 12–13): The first author of Speech was God himself, that instructed Adam how to name such creatures as he presented to his sight. […] For I do not find any thing in the Scripture, out of which, directly or by consequence can be gathered, that Adam was taught the names of all Figures, Numbers, Measures, Colours, Sounds, Fancies, Relations […]. But all this language gotten, and augmented by Adam and his posterity, was again lost at the tower of Babel, when by the hand of God, every man was stricken for his rebellion, with an oblivion of his former language. And being hereby forced to disperse themselves into severall parts of the world, it must needs be, that the diversity of Tongues that now is, proceeded by degrees from them, in such manner, as need (the mother of all inventions) taught them; and in tract of time grew every where more copious.
519 (BLOUNT [1656] 1969: To his Honored Friend Mr. T. B. upon his Glossographia): Had Babel, th’old World’s Rendezvous (first mean’t To center Mankinde in one joynt consent To undue Homage) by that Politick type Setled her Universal Soveraignty, The World in one vast Fam’ly had combin’d, Nor labor’d thus to know each other’s mind. Language and Laws had firmly held together, That Court an Tow’r had been the Mint for either: But, when Dissension bred a Separation And each fixt Colony became a Nation, Chance and Design in time more licenc’t grew, And Dialects the Original ensue; Which by degrees degenerate from their Mother, Till they disown their birth, and seem another […]. (WALTON [1657] 1777: 10–11): […] 6. Linguam omnibus vnicam fuisse ante cladem Babylonicam, docet Historia sacra, Gen. 11.2. Erat tota terra labii vnius, et verborum eorundem, et v. 6. Dixit Dominus, En populus vnus, et labium vnum est omnibus illis. Quae verba quidem de Noachi posteris post Diluvium dicta sunt; toto tamen tempore antediluuiano vnicam inter Adami posteros linguam viguisse, facile probatur. Cum enim ab vna communi stirpe totum genus humanum ortum sit, primique parentes linguam vnicam a Deo infusam habuerint, hanc vnicam liberos et posteros suos edocuisse, negari non potest: cum liberi nonnisi a maioribus linguae vsum primum acceperint. Cumque genus humanum tanquam vna fuerit familia, mutuo conuictu, societate, et commercio gaudens; quis dubitabit, quin vnam eandemque linguam, tanquam commune societatis vinculum coluerint omnes: vnde Maim. More Neuochim. P. 3. c. 50 scribit, Labium vnum omnibus illis fuisse: sic enim decebat, cum omnes essent filii viri vnius. […] Ante Diluuium, vt nullam legimus ex diuina punitione diuisionem; sic nec causam vllam fingere possumus, cur noua lingua formetur: nec vllum eius vestigium apparet, sed contrarium potius. (WALTON [1657] 1777: 12–13): […] 7. Confusio Linguarum quo auctore, et quomodo facta sit, proximo loco inquirendum. Ab ipsis
520 hominibus fuisse nemo facile crediderit. Nam (vt arguit Thes. Ambros. de causis mutationis linguarum) nulla reddi potest causa sufficiens, cur vellent homines sermonem per tot secula vsitatum, et ad vitae ac negotiorum communionem necessarium mutare, et sese tanto beneficio priuare […] Solus Creator, qui vnitatem linguae primus dedit, eam mutare et tollere potest; vt Luther. in Genes. 11. Cognitio vero linguarum, quam mali Spiritus quibusdam etiam rudibus suggerunt, non est habitualis et permanens, sed actualis suggestio, ita vt non ipsi obsessi, sed spiritus per eos, Deo permittente, loquatur: vnde ad sanam mentem redeuntes, in pristinam ruditatem redeunt; vt scribit, Corn. a Lap. in Gen. 11. Verba vero illa, Venite, descendamus, et confundamus linguam eorum, hoc tantum significant, Deum non temere, sed maturo consilio, sapienter et iuste, vt omnia iudicia sua, sic hoc de linguarum confusione inflixisse. (WALTON [1657] 1777: 13–14): […] Restat itaque Confusionem a solo Deo inductam fuisse: sic enim diserte docet Textus, Gen. 11.9. Dominus confudit labia eorum. Cumque subito et quasi momento facta sit haec vnius linguae in plures diuisio, et varietas tanta in animis hominum introducta sit, proficisci aliunde non poterat (vt optime obseruat doctiss. Bochart. Geogr. Sac. parte prima 1.1. c. 15.) quam ab eo cui velle et facere idem est: quique donum linguarum (miraculorum omnium fere maximum) hominibus etiam indoctis immediate contulit, hanc mutationem Babylonicam virtute plane diuina effecit. De modo vero, quo varietatem induxit, multi multa curiose quaerunt. Rabbini hic multa fingunt, quorum opiniones diligentissime collegit D. Buxtorf. dicta dissertatione. Mihi maxime probantur, quae ex Mercero adfert; Non esse quod subtilius et curiosius quaeramus, quomodo facta sit haec Linguarum confusio: repente id factum arcana ratione putarim et nobis ignota, sicut et pleraque alia in superioribus narrata: quae facta quidem scimus, sed quo tandem modo ignoramus. Fide opus est. 8. Quodnam vero erat peccatum, quod Deum impulit, vt hanc poenam infligeret? Hic varii varia commenti sunt. […] Absurdum vero est vel cogitare, Deum Opt. Max. aliquid in hoc opere admirando sine causa magna mutare voluisse; hominibus linguam, quam a mundo
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung condito ipsis conseruauerat, subito mutando, vt alius alium non intelligeret: nam poenam peccati alicuius fuisse, ex eo constat, quod linguae vnitas magnum erat Dei beneficium, scil. societatis mutuae vinculum: vnde eius immutatio, quae ad societatis humanae dissipationem tendebat, necessario erat ingens hominum poena. (WALTON [1657] 1777: 20): 3. Probabile est Phalegi majores, Arphaxad, Sale, et Heber, non conspirasse cum reliquis in turris exstructione (maxime Heber, in cuius familia plerique linguam primam cum vera religione manisse credunt:) vnde nec poenae de linguae mutatione obnoxii erant. (DALGARNO [1661] 1968: “Lectori Philosopho”): Judicio tuo (Lector Philosophe) Inventa haec mea de Confusionis Linguarum remedio (quantum scil. malum hoc Arte reparabile est) visum est prius subjicere, qam inertis Vulgi manibus terantur. Lege, perlege & relege. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 78–79): Le meilleur moyen pour éviter la confusion des mots qui se rencontrent dans les langues ordinaires, est de faire une nouvelle langue et de nouveaux mots, qui ne soient attachés qu’aux idées que nous voulons qu’ils représentent; mais, pour cela, il n’est pas nécessaire de faire de nouveaux sons, parce qu’on peut se servir de ceux qui sont déjà en usage, en les regardant comme s’ils n’avaient aucune signification, pour leur donner celle que nous voulons qu’ils aient, en désignant par d’autres mots simples, et qui ne soient point équivoques, l’idée à laquelle nous voulons les appliquer: comme si je veux prouver que notre âme est immortelle, le mot d’âme étant équivoque, comme nous l’avons montré, fera naître aisément de la confusion dans ce que j’aurai à dire: de sorte que pour l’éviter, je regarderai le mot d’âme comme si c’était un son qui n’eût point encore de sens, et je l’appliquerai uniquement à ce qui est en nous le principe de la pensée, en disant: J’appelle âme ce qui est en nous le principe de la pensée. (BUXTORF DER JÜNGERE 1662: 73): Confusionem etenim linguarum quod attinet, illam tunc temporis Poenam divinam fuisse, generi humano inflictam, vix dubitari potest. Ut enim eximiae Dei gratiae, & maxima felicitatis humanae pars fuit, universum genus humanum,
Sprachverwirrung ad sacrum societatis vinculum conservandum, unam & communem inter se linguam habere: pariter horrendae Dei irae, & insignis poenae ac infelicitatis humanae testimonium erat prodigiosa ista hominibus immissa linguarum varietas. Ut linguae unitas naturae fuit beneficium & societatis vinculum: sic linguarum diversitas naturae extitit vitium, & societatis humanae dissipatio. (COMENIUS 1668: 59–60): 8. Habuimus item Lingvas varias, confusionum nostrarum continuandarum, & semper in magis augendarum, medium aptissimum. Hâc enim inflictâ Humanæ insolentiæ pænâ, verè Babylon facti fuimus omnes: plus inter nos invicem qvàm mutæ, bestiæ divisi. Illæ enim qvantum opus est nutibus se intelligunt: Homo cum ignotæ lingvæ homine qvid occipiat, prorsus nescit. Hinc Augustinus, Nemo nostrum est (inqvit) qvi non cum cane suo, qvàm cum homine ignotæ lingvæ, conversari malit. Cùm ergò tot per Orbem diversæ sint Lingvæ qvot Gentes (qvarum numerum ignoramus) eôqve ad plerasqve mundi gentes aditus nullus, obice hoc non remoto, pateat: etiam atqve etiam de constituenda aliqva una, omnibus communi, cogitandum erit. Qvæ si reperiri, usuqve introduci poterit (sicut & priora illa) habebitur qvod qværitur, ad omnes omnia necessaria docendum Via patentissima. (WILKINS [1668] 1968: I, I, III, 13): […] It cannot be denied, but that the variety of Letters is an appendix to the Curse of Babel, namely, the multitude and variety of Languages. And therefore, for any man to go about to add to their number, will be but like the inventing of a Disease, for which he can expect but little thanks from the world. But this Consideration ought to be no discouragement: For supposing such a thing as is here proposed, could be well established, it would be the surest remedy that could be against the Curse of the Confusion, by rendring all other Languages and Characters useless. (GRIMMELSHAUSEN [1669] 1967: 429): Als er auch sahe / daß ich mich über ihn und alle die so mit ihm waren / verwunderte / daß sie als Peruaner / Brasilianer / Mexicaner und Insulaner de los latronos auffgezogen und dannoch so gut teutsch redeten / da sagte er / daß sie nicht mehr als eine Sprach könten / die aber alle Völcker auff dem gantzen Umbkreiß
521 der Erden in ihrer Sprache verstünden / und sie hingegen dieselbe hinwiderumb: welches daher komme / dieweil ihr Geschlecht mit der Thorheit so bey dem babylonischen Thurn vorgangen / nichts zu schaffen hätte. (GALE 1672: 59): […] Thus Hebrew continued, even after the Confusion of Languages at Babel, in its most native puritie and simplicitie, untill the Babylonian Captivity. (BORRICHIUS [1675] 1704: 6–7): IV. Duravit autem illa apud posteros incolumis, quicquid etiam senserit Philastrius, per secula prima, […] donec plerique novo superbiae genere tumidi Gen. XI. infaustas exstruendae turri Babel manus admoverent, ubi nimia inclarescendi ambitio, quae Daemonas olim caelo dejecerat in Barathrum, lingvam Babelitarum e turri praecipitavit in chaos. Quae enim ante fuerat lingua sancta, pura, exquisita, confundente DEO (utrum hic narcosin memoriae offuderit, qualem in ebriis quandoque spectare licet, an auditum turbaverit, an ideas rerum miscuerit, an alio denique modo architectis vertiginem induxerit, nemo facile definiet) in plures subito abiit sive lingvas, sive dialectos, convulsis varie litteris, & vocibus subinde aliis aliarum loco substitutis. Schotanus ita […]: DEUS, inquit, simplicem Ebraeorum lingvam mutavit in illas a matre degeneres, ejectione vocalium, trajectione & adjectione consonantium. Ad summam; non patitur lex illa confusionis, ut, quae gesta ibi sunt confuse, nisi confuse a posteris cognoscantur. Id suspicari forsan non ineptum, infelices illos fabros, cum se mutuo non intelligerant, in subita rerum consternatione, turbasse per imprudentiam ministeria, aliis pro bitumine aquam, pro lateribus bitumen afferentibus aliis, eoque cum inclamando nil proficerent, opus reliquisse imperfectum, desinentibus, si conjecturae locus, in voce SAC proximis ante confusionem clamoribus. (BORRICHIUS [1675] 1704: 8): V. Sed viderint illi, qui totas tum linguas natas contendunt, alii LXXII. alii plures, nonnulli pauciores, quibus id rationibus queat commode sustineri. Nobis confusio illa peperisse videtur plurima quidem fragmenta, nullam fortassis linguam alienam integram; invexisse videtur celeres dispersionis occasiones, quas secutae demum sint variis de causis plenae, absolutaeque lingvarum varietates.
522 (LAMY [1675] 1688: 59–60): Nous apprenons de ce Livre divin, de l’autorité duquel personne ne peut douter, que Dieu forma Adam le premier de tous les hommes, & qu’il lui donna un langage qui fut le seul dont ses enfans se servirent jusqu’au temps qu’ils voulurent élever la tour de Babel, quelques années après le déluge. Leur dessein en bâtissant cette tour étoit de se défendre contre Dieu même, s’il vouloit encore punir le monde par un déluge; qu’ils esperoient ne leur pouvoir plus nuire lorsqu’ils auroient achevé cet ouvrage. Ils parurent si opiniâtres dans leur entreprise, que Dieu voyant qu’ils ne cesseroient point d’y travailler, mit une telle confusion dans leurs langues, & dans leurs paroles, qu’ils leur étoit impossible de comprendre ce qu’ils s’entredisoient les uns aux autres. Ils furent donc ainsi forcez de laisser imparfait cet ouvrage de leur vanité, & de se séparer en divers pais. L’opinion la plus commune touchant cette confusion, est que Dieu ne confondit pas tellement le langage de ces hommes, qu’il fist autant de differentes langues qu’ils étoient d’hommes. L’on croit seulement qu’aprés cette confusion, chaque famille se servit d’une langue particuliere: ce qui fit que les familles s’étant séparées, les hommes furent distinguez aussi bien par la difference de leur langage que par celle des lieux où ils se retirerent. Cette confusion ne consitoit pas seulement en de nouveaux mots; mais aussi dans le changement ou transposition, dans l’addition ou retranchement de quelques lettres de celles qui composoient les termes qui étoient en usage avant cette confusion. C’est pourquoi l’on tire facilement de la langue Hebraïque, que l’on pretend avec raison avoir été celle d’Adam, & qui s’est toûjours conservée, l’origine des anciens noms des villes, des provinces, & des peuples qui les ont premierement habitées; comme plusieurs sçavans hommes l’ont tres-bien prouvé; mais particulierement Samuel Bochard dans sa Geographie. (KIRCHER 1679: 107a-107b): […] Et primùm quàm justa fuit haec poena architectis istis inflicta, & quàm consentanea divinae bonitati ac sapientiae. Quae enim à parente poena suavior exspectari possit in liberos minus dictis audientes, quam sine caedibus, sine muti-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung latione & plagis, sine iracunda dissipatione laboriosi operis, atque ideò sine objurgatione & querela adigere ad obtemperandum, novasque colonias deducendas, quae coloniae essent, si volentes abibant; aut varia exilia ac deportationes, si inviti. Quod si haec eorum culpa vanitas fuit, non enim satis probabilia narrant, qui hanc substructionis insaniam à culpa purgare moliuntur, ut videre est apud Tostatum. Sciebant enim jam pridem sibi à communi parente Noë divinitùs impetratum, ut in destinatas sibi provincias proficiscerentur. Itaque in mora erant, & in culpa, quae ex diuturna ista civitatis & turris DEO non grata molitione crescebat. Si ergo haec culpa vanitas fuit, nonne sapienter opus vanitatis & inops solidae gloriae, praeter DEI voluntatem susceptum, infirmitate sua, DEO non sustentante contabescit. Si superbae mentis elatio? nonne confusione expianda fuit, ne superbè unquam gloriosi isti jactare possent opus, quod imperfectum irrisi, confusique reliquissent. Quoniam dominatio imperantis in lingua est, inquit Augustinus, ibi damnata est superbia, ut non intelligeretur jubens homini, qui noluit intelligere, ut obediret DEO jubenti. Si odium DEI hanc arcem erigebat adversus DEUM, nonne exarmandi erant inimici, nonne ex ipsa arce exigendi, & impia conjuratio animorum, justa linguarum dissensione castigando? Unde Claudius Marius Victor: Ut quod peccarunt concordis crimine mentis Confusae damnet melior discordia linguae. Vide Prosper. Aquit. De Vocat. gentium. Sed age, quae fuit ista linguarum confusio? quomodo facta? quàm multiplex? Nam Philo in libro de confusione linguarum, dum historiam suo more in tropologiam conatur vertere, negat confusionem ullam contigisse linguarum, sed divisionem. Nam Hebraea, quae jam erat, in sua puritate & integritate perstitit, aliae quae tum primum natae sunt, confusae non fuerunt, antequam essent. An in linguis confusio non fuit, sed in hominibus propter repentinam exorientium linguarum varietatem, ut Pererio placet? An confusio linguarum sive permixtio idiomatum fuit, dum in eodem opere diversarum familiarum homines versarentur, & mutatis repentè linguis, unus sermo vel dialogus efficeretur, in quo Hebraea, Graeca, Latina, Germanica, Polonica vocabula mixta, confusaque reperirentur,
Sprachverwirrung quorum nonnulla singuli intelligerent, nemo universa? Sicque fieret, ut nemo intelligeret vocem proximi sui, id est, alter alterum intelligere non posset, ut Lyrano quoque videtur. An non etiam divisio linguarum rectè dicitur, quandoquidem pro ratione diversarum linguarum à se invicem divisi sunt homines, qui lingua utebantur? Quomodo facta sit, explicat Tostatus cap. II. Genes. ex quo Pererius. Dico breviter inductam primùm divinitus in omnibus familiis oblivionem nativae linguae, id est, Hebraicae, praeterquam in Heber & Phaleg, in quibus illa inviolata permansit, tum insertam infusamque novam linguam omnibus familiis, prout olim infusa fuerat Adamo, & uxori ejus, adeò ut illam non minus haberent in promptu, quàm si eam cum nutricis lacte didicissent. (KIRCHER 1679: 116b-117b): […] Tertium est, Scripturam Sacram cum de nullius alio regno ante meminerit, quodammodo insinuare ipsum Nembrod fuisse primum qui regnare coeperit. […] Tametsi post diluvium credibile sit, singulos illos Principes, qui fuerunt veluti capita variarum nationum & linguarum, regnasse in urbibus à se conditis eodem tempore, quo regnabat in terra Sennaar ipse Nembrod. Verùm si loquamur de Rege, non quasi de naturali Principe, sed ut etiam communiter accipitur, pro Tyranno, qui per vim occupando alienas urbes, nil aliud curat, nisi per fas nefasque suum augere imperium, procul dubio dicere possumus Nembrod primum fuisse Regem tyrannum, qui sic regnaverit in hoc mundo, saltem post diluvium. […] Oportet itaque ipsum Nembrod non solum fuisse robustum viribus, sed etiam ingenio audacem, ac dominandi cupidissimum, & consequenter, ut esse solent hujusmodi homines, virum crudelissimum, sanguinarium, impium atque rapacem […]. Hinc est quod postea ipsius imitatores, qui omnia divina humanaque jura pervertere ac violare non verentur, regnandi gratia, ex illius nomine, tyranni, non Reges nuncupari coeperunt. Quod insuper Nembrod fuerit idololatra & gentes sibi subditas ad idololatriam, ne à se deficerent, adegerit, affirmat Hugo de S. Victore in suis annotationibus in Genes. ubi ait. Nembrod mole corporis & viribus alios superans, dominium coepit exercere per violentiam, & induxit homines ad idololatriam, ut ignem ac Solem,
523 qui igneus est, quasi Deum colerent, quem errorem postea Persae & Chaldaei secuti sunt. Itaque DEO & homini injuriam fecit. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 56–57): JUSQU’à la Tour de Babel les hommes parloient tous une même langue, comme le marque l’Ecriture, & cette langue étoit la premiere. Nous ne pouvons même douter que si l’homme n’avoit point peché, tout le genre humain n’auroit parlé que cette seule langue, parce que les hommes alors étant tous parfaitement & unis à Dieu & unis entr’eux, n’auroient composé en effet qu’une seule famille. Ce ne fut donc que pour punir leur orgueil & leur revolte contre Dieu que Dieu les rendit barbares les uns aux autres, en confondant leur langage; c’est-à-dire, en multipliant leurs langues, ensorte qu’ils ne s’entr’entendissent plus les uns les autres. Il ne faut pourtant pas croire que chaque homme parlât une langue particuliere. On fixe le nombre de ces langues ordinairement à soixante-douze, à peu prés selon le nombre des familles principales, qui composoient alors tout le genre humain: de sorte que chaque famille commença alors d’avoir sa langue particuliere […]. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 59): […] Les langues qui se formerent à la confusion de Babel viennent donc de Dieu comme la premiere, puisque c’est Dieu luy-même qui en a formé tous les termes par une direction speciale des organes de la voix de ces hommes. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 60–61): […] Mais cette confusion des langues ayant été la punition de ceux qui se trouverent coupables de l’insolente entreprise de la Tour de Babel; si tous ne le furent pas, aussi le langage de tous ne fut pas confondu. Et beaucoup de Peres & d’Interpretes croyent que l’ancienne langue se conserva dans la famille d’Heber, qui n’avoit pas conspiré comme les autres à ce dessein temeraire; de sorte que la premiere langue qui jusques là n’avoit point eu de nom, commença d’en avoir un pour la distinguer des autres, & il y a apparence qu’elle le prist d’Heber, dans la famille duquel elle se conserva: car encore que cette étymologie soit contestée, les meilleurs critiques la trouvent pourtant la plus vraysemblable.
524 Les langues ayant été ainsi une fois multipliées par un miracle, elles n’en sont pas demeurées à cette premiere multiplication; elles se sont multipliées depuis comme naturellement, & dans un si grand nombre d’autres, que l’on ne sçauroit ni les compter ni les connoître. La premiere division des langues causa la premiere division du genre humain; & cette division du genre humain a été à son tour la cause de la division de ces langues, parce que les hommes se divisant de plus en plus, ils ont divisé de plus en plus leur langage. S’il n’y eût d’abord que soixante-douze familles qui firent soixante-douze peuples, combien les peuples se sont-ils multipliéz depuis ce temps-là par de nouvelles divisions & subdivisions; & combien de peuples divisez se sont-ils unis & divisez encore après s’estre unis? (WILKINS [1708] 1984: 174–175): […] That the first Language was concreted with our First Parents. The Rise of the Confusion of Languages is well enough known, but what number of Languages sprung up at that Confusion, is not certain; the most receiv’d Conjecture is, that they were 70, or 72, tho’ there be strong Probabilities to prove that there were not so many, and that the first Dispersion did not divide Mankind into so many Colonies. But the Languages now us’d in the World, do far exceed this Number. Pliny and Strabo make mention of 300 Nations of different Languages, from whence People resorted to Dioscuria a great Mart-Town in Colchos; which considering the narrow compass of Traffic, before the Invention of the Magnetic Needle, must needs be but a small proportion, in comparison to the reft of the World. Some American Histories say, That in every 80 Miles of that Country, the Inhabitants speak a different Language. Joseph Scaliger reckons Eleven Mother Tongues in Europe, which have no dependence on one another; but they are so well known, that we need not insist upon them. Besides this difference of Languages in their first Derivation, every particular Tongue has its several Dialects in one and the same Nation. The Hebrew is by many Learned Men suppos’d to be the first Mother Tongue of chose now known in the World. When the Jews were Captives at Babylon, their Language was mix’d with the Caldean
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung and after the Captivity, the Pure Hebrew ceas’d to be Vulgar, and remain’d only amongst Learned Men; as we find by Nehemiah, 8. 7, 8. And the Pure Hebrew now in being is only that of the Old Testament; which tho’ sufficient to express what is there intended, is not so for Conversation, and therefore is guess’d not to be the same which was concreted with our First Parents, and spoken in Paradise. (WILKINS [1708] 1984: 178): […] Second, he treats of the Natural Ground and Principle of the several Ways of Communication among Men; where he tells us, That as they generally agree in the same Principle of Reason, they likewise agree in the same Internal Notion or Apprehension of Things; and those Internal Notions they communicate to the Ear by Sounds, and particularly by Words, and to the Eye they communicate them by Motion and Figure, etc. and more particularly by Writing: So that if Men should generally agree upon the same way of Expression as they agree in the same Notion, we should then be free from that Curse of the Confusion of Tongues, and all the unhappy Consequences of it. This is only to be done by some one Language and Character to be universally practised and enjoined by Authority, which cannot be expected without an Universal Monarchy; and perhaps not then: Or else by some Method which (without such Authority) might engage Men to learn it, because of its Facility and Usefulness, which was the Design of this Essay. . (WILKINS [1708] 1984: 178): In the Second [the second section of the Fifth Chapter of the Essay towards a Real Character; C. N.], he treats of the Natural Ground and […] the Natural Ground and Principle of the several Ways of Communication among Men; where he tells us, That as they generally agree in the same Principle of Reason, they likewise agree in the same Internal Notion or Apprehension of Things; and those Internal Notions they communicate to the Ear by Sounds, and particularly by Words, and to the Eye they communicate them by Motion and Figure, etc. and more particularly by Writing: So that if Men should generally agree upon the same way of Expression as they agree in the same Notion, we should then be free from that Curse of the Confusion of Tongues, and all the unhappy Consequences of it. This is only
Sprachverwirrung to be done by some one Language and Character to be universally practised and enjoined by Authority, which cannot be expected without an Universal Monarchy; and perhaps not then: Or else by some Method which (without such Authority) might engage Men to learn it, because of its Facility and Usefulness, which was the Design of this Essay. (LAFITAU 1724: I, 42–43): La confusion des Langues ne fut pas la premiere cause de la separation des hommes. Ce fut la multitude de ces hommes même, comme l’Ecriture nous le fait connoître. La diversité que Dieu introduisit dans leur langage, ne servit qu’à les regler pour s’unir avec ceux qui pouvoient les entendre, & de qui ils pouvoient être entendus. (LAFITAU 1724: I, 458–460): DE LA LANGUE. Il ne me reste plus qu’à parler de la Langue pour finir cet Ouvrage, le doigt de Dieu ne s’y fait pas moins sentir que dans les autres merveilles, qui sont les effets de sa sagesse & de sa puissance; car le langage étant nécessaire à l’homme pour former les liens de la societé, il doit paroître admirable que dans cette multitude de Langues répanduës dans le Monde, il regne dans celles même des Peuples les plus grossiers un ordre & une oeconomie qu’ils n’ont jamais été en état d’introduire d’eux-mêmes par art & par principes […]. Les hommes n’ont eu qu’un même langage jusqu’à cette entreprise insensée de leur vanité que Dieu se plut à confondre, en mettant un tel désordre dans leurs pensées, qu’ils ne faisoient que se troubler dans leur ouvrage par ce dérangement subit & inopiné, qui ayant broüillé toutes les especes, & la signification des mots, les mit dans l’impossibilité de pouvoir s’entendre. Rien n’est mieux marqué dans la sainte Ecriture que ce prodigieux évenement. Mais je crois que c’est se donner une peine inutile que de vouloir deviner en combien de Langues Meres se fit cette célebre division. […] Je ne vois pas non plus qu’on doive se fatiguer beaucoup à soûtenir, que la Langue Hébraïque soit celle que parloient les hommes jusqu’au temps de la Tour de Babel, où elle eut le privilege d’être conservée dans la famille d’Heber; & qu’elle fut transmise par Abraham au peuple Juif qui en est descendu.
525 Ceux, qui dans cette opinion tâchent de rapporter toutes les autres Langues à des racines hébraïques qu’ils croyent appercevoir, se donnent des peines inutiles pour des conjectures purement imaginaires. La Langue Hébraïque est respectable à la verité pour avoir été la Langue du Peuple de Dieu, & la premiere dans laquelle les Livres saints ont été écrits; quoique ce ne soit pas le son de la parole, ou la figure des caracteres, mais les verités qu’ils contiennent, qui leur attirent ce respect. Mais cette Langue en ellemême n’a pas de plus grandes beautés que les autres, & n’a rien en soi, qui puisse faire dire qu’elle ait pû mériter un privilege, tel qu’on le suppose, pour être conservée au temps de la confusion. (BOUGEANT 1739: 72–73): N’est-il pas évident qu’une entreprise si bien suivie & si bien exécutée, suppose nécessairement que ces animaux se parlent, & ont entr’eux un langage par lequel ils se communiquent leurs pensées? Rappellez vous, Mad. … ce qui est dit de la Tour de Babel. Le moyen que Dieu employa pour faire échoüer ce projet insensé, moyen sûr & infaillible, fut la confusion des langues. Les Ouvriers ayans tout à coup oublié la langue commune qu’ils parloient auparavant, & ne pouvant plus s’entendre les uns les autres, ne pûrent plus agir de concert, & furent obligés d’abandonner leur entreprise. (Zedlers Universallexicon, Artikel SprachVerwirrung, 1744: XXXIX, 465–466): Sprach-Verwirrung bey dem Thurmbau zu Babel wird uns in dem I Buch Mose XI Cap. erzehlet. Ein gewisser Engelländer erkläret dieselbe in seiner Heil. Historie, welche unter folgenden Titel herausgekommen ist: A Chronological Essay on the Sacred History from the Creation of the Wozld toh the Birth of Christ, &c. folgendermassen. Die Sprache ist dem Menschen nicht so eigen, als die Vernunfft, welche ihm wesentlich ist. Unter dem lebendigen Odem, den Gott dem Menschen einbließ, ist die Sache der Sprache mit begriffen. Sonst hätte Adam nicht so gleich reden können, als er nur erst erschaffen war. Taub gebohrne reden, auch wenn sie zu dem Gebrauche ihrer Vernunfft gekommen sind, noch nicht, ob sie gleich alle zum Reden nö-
526 thige Gliedmassen haben. Adams Sprache lernten von ihm seine Kinder, und leicht es ist, zu schon erfundnen Sprachen neue Worte hinzu zu thun, so wenig wahrscheinlich ist es, daß man eine Fähigkeit besitzet, eine Sprache, die man hören würde, zu reden. Aus andern Sprachen kan wohl eine neue nach und nach gebildet werden; aber wo noch nicht viel Sprachen da sind, da entsteht natürlicher Weise keine neue. Als Adams Nachkommen sich mehreten, so mag wohl hie und da ein neues Wort ersonnen worden seyn, zumahl vor Sachen, die man nur in den neuen Gegenden antraf, wohin sich die Menschen bey ihrem Anwachs ausbreiten mußten. Allein diese neuen Töne machten so wenig eine neue Sprache aus, und veränderten die alte so wenig, als es die Kunst-Wörter bey uns thun. Z. E. man nennet eine Pflantze in zwey Ländern, wo einerley Sprache geredet wird, mit verschiedenen Nahmen. Aus dem Handel, den Völcker von verschiedener Sprache mit einander treiben, aus den Eroberungen der Länder von fremden Nationen aus Krieg, aus Reisen können nun leicht merckliche Veränderungen in eine Sprache kommen. Unter Adams Nachkommen aber war anfänglich keine Sprache, die sie mit derjenigen hätten vermischen können, welche sie ihr Stamm Vater gelehret hatte. Und was vor ein unnützer und beschwerlicher Eigensinn wäre es nicht gewesen, wenn sich einige der erlernten Sprache hätten begeben, und sich selbst eine neue schmieden wollen? Nicht einmahl nach der Zeitrechnung der 70 Dollmetscher könnte füglich vor der Sündfluth eine gantz neue Sprache irgendwo entstanden seyn; und nach der Hebräischen Zeit-Rechnung noch weniger; denn nach dieser lebte Adam mit Methusalah fast 300, und dieser wiederum mit Noah 500 Jahre zugleich, da sie denn einerley Sprache reden mußten. Bis an den Thurmbau war auch nur noch die erste Sprache vorhanden. I B. Mos. XI, I. (PRIESTLEY [1762] 1971: 288): The present diversity of languages is generally believed to have taken its rise from the building of Babel, and to have been brought about by the interposition of the divine being: But it is no impiety to suppose, that this (agreeable to most other operations of the deity) might have been brought about by natural means.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung (BERGIER [1764] 1837: 17): Si le commerce et les besoins mutuels n’avoient sans cesse rapproché les familles qui habitoient le même continent, bientôt la variété augmentée par degrés les auroit mises dans le cas de ne plus s’entendre. C’est ce qui ne manquoit pas d’arriver à celles qui passoient les mers, pour aller peupler de nouvelles contrées: après quelques générations, leur langage n’étoit presque plus entendu dans le pays d’où elles étoient parties. Quoique le fonds en fût toujours le même, la prononciation altérée le rendoit méconnoissable. La confusion des langues devoit donc nécessairement arriver parmi les hommes déjà multipliés et obligés de se séparer; mais Dieu fit par miracle, dans un même moment et au même lieu, ce qui ne seroit arrivé que par la succession des temps et la distance des climats. (Dictionnaire philosophique, Artikel Babel, VOLTAIRE, [1764] 1878: XVII, I, 510): BABEL. Section première. Babel signifiait, chez les Orientaux, Dieu le père, la puissance de Dieu, la porte de Dieu, selon que l’on prononçait ce nom. C’est de là que Babylone fut la ville de Dieu, la ville sainte. Chaque capitale d’un État était la ville de Dieu, la ville sacrée. Les Grecs les appelèrent toutes Hierapolis, et il y en eut plus de trente de ce nom. La tour de Babel signifiait donc la tour du père Dieu. Josèphe, à la vérité, dit que Babel signifiait confusion. Calmet dit, après d’autres, que Bilba, en chaldéen, signifie confondue; mais tous les Orientaux ont été d’un sentiment contraire. Le mot de confusion serait une étrange origine de la capitale d’un vaste empire. J’aime autant Rabelais, qui prétend que Paris fut autrefois appelé Lutèce, à cause des blanches cuisses des dames. Quoi qu’il en soit, les commentateurs se sont fort tourmentés pour savoir jusqu’à quelle hauteur les hommes avaient élevé cette fameuse tour de Babel. Saint Jérôme lui donne vingt mille pieds. L’ancien livre juif intitulé Jacult lui en donnait quatre-vingt-un mille. Paul Lucas en a vu les restes, et c’est bien voir à lui. Mais ces dimensions ne sont pas la seule difficulté qui ait exercé les doctes. On a voulu savoir comment les enfants de Noé, “ayant partagé entre eux les îles des na-
Sprachverwirrung tions, s’établissant en divers pays, dont chacun eut sa langue, ses familles, et son peuple particulier”, tous les hommes se trouvèrent ensuite “dans la plaine de Sennaar pour y bâtir une tour, en disant: Rendons notre nom célèbre avant que nous ne soyons dispersés dans toute la terre”. La Genèse parle des États que les fils de Noé fondèrent. On a recherché comment les peuples de l’Europe, de l’Afrique, de l’Asie, vinrent tous à Sennaar, n’ayant tous qu’un même langage et une même volonté. (Dictionnaire philosophique, Artikel Babel, VOLTAIRE, [1764] 1878: XVII, I, 511–512): La Vulgate met le déluge en l’année du monde 1656, et on place la construction de la tour de Babel en 1771; c’est-à-dire cent quinze ans après la destruction du genre humain, et pendant la vie même de Noé. Les hommes purent donc multiplier avec une prodigieuse célérité; tous les arts renaquirent en bien peu de temps. Si on réfléchit au grand nombre de métiers différents qu’il faut employer pour élever une tour si haute, on est effrayé d’un si prodigieux ouvrage. Il y a bien plus: Abraham était né, selon la Bible, environ quatre cents ans après le déluge; et déjà on voyait une suite de rois puissants en Égypte et en Asie. Bochart et les autres doctes ont beau charger leurs gros livres de systèmes et de mots phéniciens et chaldéens qu’ils n’entendent point; ils ont beau prendre la Thrace pour la Cappadoce, la Grèce pour la Crète, et l’île de Chypre pour Tyr; ils n’en nagent pas moins dans une mer d’ignorance qui n’a ni fond ni rive. Il eût été plus court d’avouer que Dieu nous a donné, après plusieurs siècles, les livres sacrés pour nous rendre plus gens de bien, et non pour faire de nous des géographes, et des chronologistes, et des étymologistes. Babel est Babylone; elle fut fondée, selon les historiens persans, par un prince nommé Tâmurath. La seule connaissance qu’on ait de ses antiquités consiste dans les observations astronomiques de dix-neuf cent trois années, envoyées par Callisthène, par ordre d’Alexandre, à son précepteur Aristote. A cette certitude se joint une probabilité extrême qui lui est presque égale: c’est qu’une nation qui avait une suite d’observations célestes depuis près
527 de deux mille ans était rassemblée en corps de peuple, et formait une puissance considérable plusieurs siècles avant la première observation. Il est triste qu’aucun des calculs des anciens auteurs profanes ne s’accorde avec nos auteurs sacrés, et que même aucun nom des princes qui régnèrent après les différentes époques assignées au déluge n’ait été connu ni des Égyptiens, ni des Syriens, ni des Babyloniens, ni des Grecs. Il n’est pas moins triste qu’il ne soit resté sur la terre, chez les auteurs profanes, aucun vestige de la tour de Babel: rien de cette histoire de la confusion des langues ne se trouve dans aucun livre: cette aventure si mémorable fut aussi inconnue de l’univers entier que les noms de Noé, de Mathusalem, de Caïn, d’Abel, d’Adam, et d’Ève. Cet embarras afflige notre curiosité. Hérodote, qui avait tant voyagé, ne parle ni de Noé, ni de Sem, ni de Réhu, ni de Salé, ni de Nembrod. Le nom de Nembrod est inconnu à toute l’antiquité profane: il n’y a que quelques Arabes et quelques Persans modernes qui aient fait mention de Nembrod, en falsifiant les livres des Juifs. Il ne nous reste, pour nous conduire dans ces ruines anciennes, que la foi à la Bible, ignorée de toutes les nations de l’univers pendant tant de siècles; mais heureusement c’est un guide infaillible. (Dictionnaire philosophique, Artikel Babel, VOLTAIRE, [1764] 1878: XVII, I, 512–513): Hérodote, qui a mêlé trop de fables avec quelques vérités, prétend que de son temps, qui était celui de la plus grande puissance des Perses, souverains de Babylone, toutes les citoyennes de cette ville immense étaient obligées d’aller une fois dans leur vie au temple de Mylitta, déesse qu’il croit la même qu’Aphrodite ou Vénus, pour se prostituer aux étrangers; et que la loi leur ordonnait de recevoir de l’argent, comme un tribut sacré qu’on payait à la déesse. […] Ces contes d’Hérodote, ainsi que tous les autres contes dans ce goût, sont aujourd’hui si décriés par tous les honnêtes gens, la raison a fait de si grands progrès, que les vieilles et les enfants mêmes ne croient plus ces sottises: “Non est vetula quae credat; nec pueri credunt, nisi qui nondum aere lavantur”.
528 (Dictionnaire philosophique, Artikel Babel, VOLTAIRE, [1764] 1878: XVII, I, 514–515): Nous ne dirons rien ici de la confusion des langues arrivée tout d’un coup pendant la construction de la tour de Babel. C’est un miracle rapporté dans la sainte Écriture. Nous n’expliquons, nous n’examinons même aucun miracle: nous les croyons d’une foi vive et sincère, comme tous les auteurs du grand ouvrage de l’Encyclopédie les ont crus. Nous dirons seulement que la chute de l’empire romain a produit plus de confusion et plus de langues nouvelles que la chute de la tour de Babel. Depuis le règne d’Auguste jusque vers le temps des Attila, des Clodivic, des Gondebaud, pendant six siècles, terra erat unius labii, la terre connue de nous était d’une seule langue. On parlait latin de l’Euphrate au mont Atlas. Les lois sous lesquelles vivaient cent nations étaient écrites en latin, et le grec servait d’amusement; le jargon barbare de chaque province n’était que pour la populace. On plaidait en latin dans les tribunaux de l’Afrique comme à Rome. Un habitant de Cornouailles partait pour l’Asie-Mineure, sûr d’être entendu partout sur la route. C’était du moins un bien que la rapacité des Romains avait fait aux hommes. On se trouvait citoyen de toutes les villes, sur le Danube comme sur le Guadalquivir. Aujourd’hui un Bergamasque qui voyage dans les petits cantons suisses, dont il n’est séparé que par une montagne, a besoin d’interprète comme s il était à la Chine. C’est un des plus grands fléaux de la vie. (Dictionnaire philosophique, Artikel Babel, VOLTAIRE, [1764] 1878: XVII, I, 515–516): Section II. La vanité a toujours élevé les grands monuments. Ce fut par vanité que les hommes bâtirent la belle tour de Babel: “Allons, élevons une tour dont le sommet touche au ciel, et rendons notre nom célèbre avant que nous soyons dispersés dans toute la terre”. L’entreprise fut faite du temps d’un nommé Phaleg, qui comptait le bonhomme Noé pour son cinquième aïeul. L’architecture et tous les arts qui l’accompagnent avaient fait, comme on voit, de grands progrès en cinq générations. Saint Jérôme, le même qui a vu des faunes et des satyres, n’avait pas vu plus que moi la tour de Babel; mais il assure qu’elle avait vingt mille pieds de hauteur. C’est bien
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung peu de chose. L’ancien livre Jacult, écrit par un des plus doctes Juifs, démontre que sa hauteur était de quatre-vingt et un mille pieds juifs; et il n’y a personne qui ne sache que le pied juif était à peu près de la longueur du pied grec. Cette dimension est plus vraisemblable que celle de Jérôme. Cette tour subsiste encore: mais elle n’est plus tout à fait si haute. Plusieurs voyageurs très-véridiques l’ont vue; moi, qui ne l’ai point vue, je n’en parlerai pas plus que d’Adam mon grand-père, avec qui je n’ai point eu l’honneur de converser. Mais consultez le révérend P. dom Calmet: c’est un homme d’un esprit fin et d’une profonde philosophie; il vous expliquera la chose. Je ne sais pas pourquoi il est dit dans la Genèse que Babel signifie confusion, car Ba signifie père dans les langues orientales, et Bel signifie Dieu; Babel signifie la ville de Dieu, la ville sainte. Les anciens donnaient ce nom à toutes leurs capitales. Mais il est incontestable que Babel veut dire confusion, soit parce que les architectes furent confondus après avoir élevé leur ouvrage jusqu’à quatre-vingt et un mille pieds juifs, soit parce que les langues se confondirent; et c’est évidemment depuis ce temps-là que les Allemands n’entendent plus les Chinois; car il est clair, selon le savant Bochart, que le chinois est originairement la même langue que le haut-allemand. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 253–254): “[…] Les enfans de Noé multiliés & mal-à-l’aise dans les rochers de la Gordyenne où l’arche s’étoit arrêtée, passerent le Tigre, & choisirent les fertiles campagnes de Sinhar ou Sennahar, dans la basse Mésopotamie, vers le confluent du Tigre & de l’Euphrate, pour y établir leur séjour comme dans le pays le plus uni & le plus gras qu’ils connussent. La nécessité de pourvoir aux besoins d’une énorme multitude d’habitans & de troupeaux, les obligeant à s’étendre, & n’ayant point d’objet dans cette plaine immense qui pût être apperçu de loin. Bâtissons, dirent-ils, une ville & une tour qui s’éleve dans le ciel. Faisons-nous une marque reconnoissable, pour ne nous pas désunir en nous dispersant de côté & d’autre. Manquant de pierres ils cuisirent des briques; & l’asphalte ou le bitume que le pays leur fournissoit en abondance, leur tint lieu de ciment.
Sprachverwirrung Dieu jugea à-propos d’arrêter l’entreprise en diversifiant leur langage. La confusion se mit parmi eux, & ce lieu en prit le nom de Babel, qui signifie confusion. Y a-t-il eu une ville du nom de Babel, une tour connue qui ait accompagné cette ville, une plaine de Sinhar en Mésopotamie, un fleuve Euphrate, des campagnes infiniment fertiles, & parfaitement unies, de façon à rendre la précaution d’une trèshaute tour, intelligible & raisonnable? Enfin l’asphalte est-il une production naturelle de ce pays? Toute l’antiquité profane a connu dès les premiers tems où l’on a commencé à écrire, & l’Euphrate, & l’égalité de la plaine. Ptolomée, dans ses cartes d’Asie, termine la plaine de Mésopotamie aux monts Sinhar, du côté du Tigre. Tous les Historiens nous parlent de la parfaite égalité des terres, du côté de Babylone, jusques-là qu’on y élevoit les beaux jardins sur quelques masses de bâtimens en brique, pour les détacher de la plaine, & varier les aspects auparavant trop uniformes. Ammien Marcellin qui a suivi l’empereur Julien dans cette contrée, Pline & tous les géographes tant anciens que modernes, attestent pareillement l’étendue & l’égalité des plaines de la Mésopotamie, où la vûe se perd sans aucun objet qui la fixe. Ils nous font remarquer l’abondance du bitume qui y coule naturellement, & la fertilité incroyable de l’ancienne Babylonie. Tout concourt donc à nous faire reconnoître les restes du pays d’Eden, & l’exactitude de toutes les circonstances où Moïse s’engage. Toute la littérature profane rend hommage à l’Ecriture, au lieu que les histoires chinoises & égyptiennes sont comme si elles étoient tombées de la lune. Le crime que Moïse attribue aux enfans de Noé, n’est pas, comme les LXX l’ont traduit, de se vouloir faire un nom avant la dispersion; mais comme porte littéralement le texte original, c’étoit de se construire une habitation qui pût contenir un peuple nombreux, & d’y joindre une tour qui étant vûe de loin, devînt un signe de ralliement, pour prévenir les égaremens & la séparation. C’est ce qu’ils expriment fort simplement en ces termes: Faisons-nous une marque pour ne nous point désunir, en nous avançant en différentes contrées. Hébr. pen. ne forte. […]” (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 255): Il seroit peut-être satisfaisant
529 pour notre curiosité de pouvoir déterminer en quoi consisterent les changemens introduits à Babel dans le langage primitif, & de quelle maniere ils y furent opérés. Il est certain qu’on ne peut établir là-dessus rien de solide, parce que cette grande révolution dans le langage ne pouvant être regardée que comme un miracle auquel les hommes étoient fort éloignés de s’attendre, il n’y avoit aucun observateur qui eût les yeux ouverts sur ce phénomene, & que peut-être même ayant été subit, il n’auroit laissé aucune prise aux observations quand on s’en seroit avisé: or rien n’instruit bien sur la nature & les progrès des faits, que les mémoires formés dans le tems d’après les observations. Cependant quelques écrivains ont donné là-dessus leurs pensées avec autant d’assurance que s’ils avoient parlé d’après le fait même, ou qu’ils eussent assisté au conseil du Très-haut. Les uns disent que la multiplication des langues ne s’est point faite subitement, mais qu’elle s’est opérée insensiblement, selon les principes constans de la mutabilité naturelle du langage; qu’elle commença à devenir sensible pendant la construction de la ville & de la tour de Babel, qui au rapport d’Eusebe in Chron. dura quarante ans; que les progrès de cette permutation se trouverent alors si considérables, qu’il n’y eut plus moyen de conserver l’intelligence nécessaire à la consommation d’une entreprise qui alloit directement contre la volonté de Dieu, & que les hommes furent obligés de se séparer. Voyez l’introd. à l’hist. des Juifs de Prideaux, par Samuel Shucford, liv. II. Mais c’est contredire trop formellement le texte de l’Ecriture, & supposer d’ailleurs comme naturelle une chose démentie par les effets naturels ordinaires. Le chapitre xj. de la Genèse commence par observer que par toute la terre on ne parloit qu’une langue, & qu’on la parloit de la même maniere: Erat autem terra labii unicus & sermonum eorumdem, v. 1; ce qui semble marquer la même prononciation, labii unicus, & la même syntaxe, la même analogie, les mêmes tours, sermonum eorumdem. Après cette remarque fondamentale & envisagée comme telle par l’historien sacré, il raconte l’arrivée des descendans de Noé dans la plaine de Sennahar, le projet qu’ils firent d’y construire une ville & une tour pour leur servir de signal,
530 les matériaux qu’ils employerent à cette construction; il insinue même que l’ouvrage fut poussé jusqu’à un certain point; puis après avoir remarqué que le Seigneur descendit pour visiter l’ouvrage, il ajoûte, v. 67, & dixit (Dominus): Ecce unus est populus & UNUM LABIUM omnibus: cœperuntque hoc facere, nec desistent à cogitationibus suis, donec eas opere compleant. Venite igitur, descendamus, & CONFUNDAMUS IBI LINGUAM eorum, ut non audiat unusquisque vocem proximi sui. N’est-il pas bien clair qu’il n’y avoit qu’une langue jusqu’au moment où Dieu voulut faire échouer l’entreprise des hommes, unum labium omnibus; que dès qu’il l’eut résolu, sa volonté toute puissante eut son effet, atque ita divisit eos Dominus, v. 8; que le moyen qu’il employa pour cela fut la division de la langue commune, confundamus … linguam eorum, & que cette confusion fut subite, confundamus ibi? Si cette confusion du langage primitif n’eût pas été subite, comment auroit-elle frappé les hommes au point de la constater par un monument durable, comme le nom qui fut donné à cette ville même, Babel (confusion)? Et idcirco vocatum est nomen ejus Babel, quia ibi confusum est labium universæ terræ, v. 9. Comment après avoir travaillé pendant plusieurs années en bonne intelligence, malgré les changemens insensibles qui s’introduisoient dans le langage, les hommes furent-ils tout-à-coup obligés de se séparer faute de s’entendre? Si les progrès de la division étoient encore insensibles la veille, ils dûrent l’être également le lendemain; ou s’il y eût le lendemain une révolution extraordinaire qui ne tînt plus à la progression des altérations précédentes, cette progression doit être comptée pour rien dans les causes de la révolution; on doit la regarder comme subite & comme miraculeuse dans sa cause autant que dans son effet. Mais il faut bien s’y resoudre, puisqu’il est certain que la progression naturelle des changemens qui arrivent aux langues n’opere & ne peut jamais opérer la confusion entre les hommes qui parlent originairement la même. (HERDER [1772] 1978a: 189): Nicht allmählich verwandelten sich die Sprachen, wie sie der Philosoph durch Wanderungen vervielfältigt; “die Völker vereinigten sich”, sagt das
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Poem, “zu einem großen Werke; da floß über sie der Taumel der Verwirrung und der Vielheit der Sprachen, daß sie abließen und sich trennten”. Was war dies als eine schnelle Verbitterung und Zwietracht, zu der eben ein solches großes Werk den reichsten Anlaß gab! Da wachte der vielleicht bei einer kleinen Gelegenheit beleidigte Familiengeist auf, Bund und Absicht zerschlug sich, der Funke der Uneinigkeit schoß in Flammen, sie flogen auseinander und taten das jetzt um so heftiger, dem sie durch ihr Werk hatten zuvorkommen wollen, sie verwirrten das eine ihres Ursprungs, ihre Sprache. So wurden verschiedne Völker, und da, sagt der spätere Bericht, heißt noch die Trümmer: Verwirrung der Völker! (BEATTIE [1788] 1968: 101–102): For, though, in so long a time, many words must have been changed, many introduced, and many forgotten, in every country, yet men being all of the same family, and all deriving their speech from the only one primitive tongue, it may be presumed, that some of the original words would still have been in use throughout the whole earth: even as in all the modern languages of Europe some Greek, and some Hebrew, and a great deal of Latin, is still discernible. But Providence thought fit to prevent this; and, by confounding the language of the builders of Babel, to establish in the world a variety of primitive tongues. (BEATTIE [1788] 1968: 103–104): If it were not for what is recorded of Babel, the very great diversities of human speech would be a marvellous phenomenon. Languages are either Primitive, or Derived. That those which are formed out of the same parent tongue should all resemble it and one another, and yet should all be different, is not more wonderful, than that children and their parents should be marked with a general family likeness, and each distinguished by peculiar features. […] But, if we could compare two original or primitive tongues together, the Hebrew, for instance, with the Gothick or with the Celtick, or the language of China with that of the Hurons in North America, we should not discern, perhaps, the least similitude: which, considering that all mankind are of the same family, could not be fully accounted for, with-
Sprachverwirrung out supposing, that some preternatural event, like that of the confusion at Babel, had some time or other taken place. But this history solves all difficulties. And we have no more reason to be surprised, that different nations, though related in blood, should speak languages totally unlike, than that cousins of the twentieth remove, living in different climates, some in houses and some in caves, some naked and others clothed, some burning in the torrid zone, and others freezing in the polar circle, should differ in their features and complexion.
III.
1. Das Konzept der ‘Sprachverwirrung’ und verwandte Konzepte Die ‘Sprachverwirrung’ gehört zu den wichtigsten Konzepten der Sprachdiskussion des 17. und 18. Jahrhunderts und kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Aus einer Vielzahl von Gründen spielt die Sprachverwirrung in den Diskussionen der Gelehrten über Sprache, ihren ĺ Ursprung und ihre Entwicklung sowie die Vielfalt der Einzelsprachen eine wesentliche Rolle. Bereits seit der Renaissance ist eine mythische Konzeption des Wortes, insbesondere in Form eines göttlichen Wortes, welches den Dingen der Welt entspricht und z. B. durch kabbalistische Permutationsverfahren oder bestimmte okkulte Riten ins Bewusstsein überführt werden kann, gegenwärtig. Von den Anfängen der Menschheitsgeschichte und der Sprachgenese geht ein magischer Reiz aus, der etwa in den Vorstellungen der Kabbala, eines PARACELSUS oder eines BÖHME zu dem Wunsch führt, die Welt der Anfänge hypothetisch zu rekonstruieren, um in einer vollkommenen Sprache eine vollkommene Erkenntnis der Relation zwischen Wort und Welt zu erlangen. Diese Bestrebungen stützen sich auf die Auffassung, dass der biblische Schöpfungsakt ein verbaler Akt war, bei dem vermittelst innerlicher Korrespondenzen bestimmte Wörter den Dingen von Adam als Signaturen zugeordnet wurden. Um die Grundeinheit zwischen Wort und Welt bzw. zwischen Gott und Mensch wiederherstellen zu können, bedarf es einer Entschlüsselung der Relation zwischen Wort und Ding. Die Benennung der Tiere durch Adam (nominatio rerum) im Schöpfungsbericht
531 zeigt, dass dieser Akt zugleich als ein Akt der Machtausübung gewertet werden kann (vgl. BACON 1605, DURET 1613). Weltaneignung und absolute Erkenntnis können daher nur erfolgen, wenn die Dinge mit richtigen Bezeichnungen belegt werden. Durch die Sprachverwirrung ist jedoch die Kenntnis der inneren Zusammenhänge zwischen Wort und Welt verloren gegangen. Die perfekte Sprache Adams (ĺ Ursprache) ist durch eine Vielfalt verschiedener Einzelsprachen abgelöst worden, welche durch Eigenschaften wie ĺ Arbitrarität, Konventionalität (ĺ Konvention) und Unvollkommenheit, die letztendlich in der ĺ Korruption der Sprache zum Ausdruck kommt, gekennzeichnet sind. Schwierigkeiten entstehen ferner durch Unschärfen des Sprachsystems, wobei einerseits an unexakte Bedeutungsrelationen wie Synonymie (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen), Antonymie und Polysemie und andererseits an intentionalen ĺ Missbrauch von Sprache zu denken wäre. An den Anfang ihrer Überlegungen zu ĺ Ursprung und Entwicklung der Sprache setzen viele Gelehrte die Babel-Episode, da sie nicht zuletzt einen Hintergrund bildet, der als Ausgangsbasis für Interpretation und Hypothesenbildung von einer Vielzahl anderer Gelehrter anerkannt wird. Sie bietet den Vorzug eines Erklärungsmodells, welches über Jahrhunderte kaum hinterfragt und topisch an den Anfang von Überlegungen zu Sprachursprung und Sprachverschiedenheit gesetzt wurde (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wird das Konzept der ‘Sprachverwirrung’ verwendet, um den Verlust der adamitischen ĺ Ursprache oder das Phänomen der Verschiedenheit der Einzelsprachen (ĺ Universalität und Verschiedenheit) zu erklären. In einer Vielzahl von Mythen und Theogonien unterschiedlicher Völker werden Erklärungsmodelle für die Diversität der Einzelsprachen angeführt. Im westlichen Abendland basieren diese Erklärungsversuche zumeist auf einer Interpretation des biblischen Berichts über den Turmbau zu Babel (Genesis 11). Diese Erzählung ist eine zentrale Begebenheit im Buch Genesis, welche den Menschen im Spannungsfeld zwischen göttlicher Lenkung und eigener
532 Schuld zeigt. Als Schlüsselpassagen für die Entwicklung des Menschen und seiner Sprache gehen dem babylonischen Turmbau zunächst die Schöpfungserzählung mit der Benennung der Tiere durch Adam und die Darstellung der Sintflut voraus. Der babylonische Turmbau erscheint als Höhepunkt der Darstellung menschlichen Machtstrebens und seines Abfalls von Gott. Mit diesem hybriden Großprojekt schicken die Menschen sich an, Gott gleichzukommen. Für ihren prometheischen Akt werden sie jedoch von Gott wegen ihrer Hoffart mit der Verwirrung ihrer ursprünglich einen Sprache und mit ihrer Spaltung in eine Vielzahl von 70 Stämmen (nach jüdischer) bzw. 72 Stämmen (nach christlicher) Tradition bestraft. Gerade die Existenz einer gemeinsamen Sprache hatte ein solches Unterfangen wie den Turmbau rein organisatorisch jedoch erst ermöglicht, denn die gemeinsame Sprache war zugleich das Band, das die Vielzahl der Teilnehmer am Turmbau zusammenzuhalten vermochte (vgl. DANTE, BOCHART, BOUGEANT). So wird die babylonische Sprachverwirrung über Jahrhunderte als Fluch und nicht als Segen interpretiert (vgl. DANTE 1303–1305, BIBLIANDER 1548, BOCHART 1646, COMENIUS 1648, BUXTORF DER JÜNGERE 1662, WILKINS 1668, LAMY 1675, FRAIN DU TREMBLAY 1703). Sie bedeutet den Verlust der ursprünglichen Einheit und Vollkommenheit der Sprache (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Mit dem Verlust der Einheit der Sprache geht zugleich der Verlust der Einheit des Volkes einher. Das Wort Babel lässt sich etymologisch auf das hebräische Verb bâlal zurückführen, was so viel wie ‘verwirren’ bedeutet. Es wird in der Bibelexegese über Jahrhunderte zu einem Symbol der Zwietracht, der Uneinigkeit und der Verachtung für fremde Völker. Die Vorstellung, dass die Sprachverwirrung nicht nur zur Entstehung verschiedener Sprachen, sondern auch zur Teilung des Babelvolkes in eine Vielzahl verschiedener, sich teils feindlich gesonnener Völker geführt habe, findet sich etwa in BLOUNTs Glossographia (1656). Als Ergebnis des Babel-Fluches sei Zwietracht (dissension) entstanden, die die Abspaltung der Völker (Separation) weiter befördert und schließlich die Herausbildung verschiedener Nationen, Sprachen und Dia-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung lekte (ĺ Dialekt) zur Folge gehabt habe. Die weitere Entwicklung von Sprachen und Dialekten wird als ein Prozess der ĺ Korruption beschrieben, der aus der hebräischen Muttersprache eine Vielzahl degenerierter Tochtersprachen und Dialekte entstehen lässt, die sich im Zuge ihres Niedergangs soweit von ihrer Muttersprache entfernen, dass diese am Ende nicht einmal mehr rudimentär erkennbar scheint. Die Konzeption der Einheit, in die sich auch die vorgebliche Existenz einer universellen perfekten adamitischen ĺ Ursprache einfügt, ist konstitutiv für das abendländische Denken, welches im monotheistischen Glauben an den einen Gott mit Hilfe der Rekonstruktion der einen Ursprache aller Völker die eine absolute Wahrheit, die die Wörter als Signaturen der Dinge verbergen, wieder auffinden möchte. Nach dieser für das Sprachdenken der Renaissance besonders charakteristischen Orientierung am Unitätskonzept wird der ĺ Ursprung der Sprache mit der Ebene der Perfektion gleichgesetzt, so dass die Vorstellung der Sprachentwicklung noch nicht mit dem Gedanken eines erkenntnistheoretischen und gesellschaftlichen Fortschritts verbunden wird, wie etwa im 18. Jahrhundert in den Sprachauffassungen CONDILLACs oder CONDORCETs. In der Einheit der adamitischen Ursprache äußern sich die Einheit des Denkens und die letzten Wahrheiten, die für alle Völker identisch sind. Dieser mystische Einheitsgedanke ist nicht zuletzt tief in der hebräischen Kultur selbst verwurzelt, deren Grundlagen der Monotheismus, die Monogenese der Sprache sowie die Auserwählung des einen eigenen Volkes bilden. In diesem Sinne wird das Konzept einer einheitlichen adamitischen ĺ Ursprache etwa in Zedlers Universallexicon im Artikel Sprach-Verwirrung vertreten. In Übereinstimmung mit den Ausführungen in WALTONs Biblia sacra polyglotta wird auch in Zedlers Universallexicon die göttliche Provenienz der Sprache, die Adam geschenkt und von diesem an seine Nachkommen weitergegeben worden sei, postuliert. Dabei habe sich die Sprache der Nachkommen nur durch einige lexikalische Innovationen (ĺ Neologismen) von derjenigen Adams unterschieden. Zu Lebzeiten von Adams Nach-
Sprachverwirrung kommen hätten sich keine eigenen Idiome herausgebildet, weil Prozesse der ĺ Sprachveränderung, die durch Phänomene wie Handel, Eroberungszüge, Kriege und Reiseaktivitäten befördert würden, zu dieser Zeit noch nicht stattgefunden hätten. Da Adams Nachkommen im präbabylonischen Zustand noch nicht über die Erde verstreut gewesen wären, hätten sie die Ursprache ihres Vaters gesprochen. Zudem hätte sich eine Vielzahl von Sprachen in diesem frühen Stadium der Menschheitsgeschichte als höchst unökonomisch erwiesen. Ein polygenetischer Sprachursprung vor der Sintflut oder vor der BabelEpisode wird daher in Zedlers Universallexicon zurückgewiesen. Erst mit dem Turmbau sei die ursprünglich einheitliche Ursprache göttlicher Provenienz in eine Vielzahl von Einzelsprachen gespalten worden. Während die ursprüngliche Einheit der Sprache also mit ihrer Vollkommenheit assoziiert und damit der Sphäre der Göttlichkeit zugewiesen wird, verbindet sich der Gedanke der Vielfalt gerade mit den Konzepten der Unvollkommenheit und des Verfluchten, außerhalb der göttlichen Sphäre Existenten (vgl. DANTE 1303–1305, BIBLIANDER 1548, WILKINS 1641, WILKINS 1668, COMENIUS 1648; ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Die Stigmatisierung sprachlicher Vielfalt ist einer der Beweggründe für die Bemühungen um eine hypothetische Rekonstruktion der ĺ Ursprache, sei sie nun die adamitische Ursprache oder diejenige Gottes selbst. Gegen diese negative Bewertung der Diversität der Einzelsprachen wird erst zögerlich das Pfingstwunder (Neues Testament: Apostelgeschichte 2, 1–11) angeführt. Zugunsten der Verschiedenheit der Sprachen wird auch nur zögerlich die Chance heraufbeschworen, die eine derartige Vielfalt von Sprachen für den Bereich der menschlichen Erkenntnis eröffnet. In diesem Zusammenhang ist paradigmatisch an LEIBNIZ zu denken, der die “wunderbare Vielfalt” der Einzelsprachen als Medium verschiedener Arten von Weltaneignung preist. Dominant ist jedoch die Interpretation der Sprachverwirrung als Fluch und göttliche Strafe, die mit dem Verlust der Vollkommenheit der Sprache einhergeht und so eine Art Nostalgie nach einer perfekten Sprache entstehen lässt, welche entweder zur Entste-
533 hung von Hypothesen über die verlorene ĺ Ursprache, die anhand von Etymologien (ĺ Etymologie) rekonstruiert werden soll, oder zu Bemühungen um eine ĺ Universalsprache führt (vgl. DALGARNO 1661, WILKINS 1641, WILKINS 1668, COMENIUS 1668). Charakteristisch für derartige Versuche zur Wiederherstellung der verlorenen Ursprache ist z. B. die pansophische Konzeption des COMENIUS. Nach seiner Vorstellung kann eine Universalsprache die ursprüngliche präbabylonische Harmonie des Paradieses wiederherstellen, da sie durch ihre Zentrierung auf die Dinge der Welt das göttliche Wesen der Schöpfung widerspiegelt. Zentrales Moment des babylonischen Turmbaus ist nicht nur die daraus resultierende Entstehung der Vielfalt der Einzelsprachen, sondern auch die Trennung und Aufspaltung in 70 oder 72 verschiedene Völker. Als Resultat von Babel entstehen verschiedene Einzelsprachen, die die ursprünglich eine Sprache verdrängen, aber zugleich werden auch die Noachiden, also die Nachkommen Noahs, getrennt und verteilen sich über den gesamten Globus. ‘Sprachverwirrung’ bedeutet zugleich Spaltung und Aufteilung des einen Volkes, das den babylonischen Turm errichten wollte, in verschiedene separate Völker. Diese Völker werden allerdings in der Bibel bereits in der dem Turmbau vorangehenden Darstellung der Völkertafel in Genesis 10 genannt. Verschiedenheit der Sprachen und Verschiedenheit der Völker sind damit zwei untrennbar miteinander verbundene Erscheinungen. In diesem Sinne werden dann auch Verfahren wie der Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) bzw. die Berufung auf die ĺ Etymologie von in der Völkertafel genannten Stammesnamen für die Zuordnung von Sprachen und Völkern herangezogen. Die Tatsache, dass bereits in Genesis 10 in der Völkertafel eine Vielzahl von Völkern genannt wurde, führt im Verlauf der Diskussion über die Sprachverwirrung teilweise dazu, dass die Verschiedenheit der Einzelsprachen als eine präbabylonische Erscheinung interpretiert wird. Jedoch wird dem Mythos von Babel bedingt durch die größere Eindringlichkeit und Plastizität der Turmbau-Erzählung im Vergleich zum enumerativen Charakter der
534 Völkertafel seine Erklärungskraft kaum entzogen. Die durch den Turmbau von Babel hervorgerufene Sprachverwirrung lässt sich auch als das entscheidende Stadium der Sprachentwicklung betrachten: Ausgehend von einer ursprünglichen Reinheit und Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) der ĺ Ursprache über deren Zerstörung durch die Strafe von Babel eröffnet die Vielfalt der dann entstehenden Einzelsprachen die Möglichkeit einer hypothetischen Wiederherstellung der Ursprache. Bemühungen um die Rekonstruktion der Ursprache finden z. B. in kabbalistischen Permutations- und Kombinationsverfahren, im Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) oder in der Berufung auf die ĺ Etymologie verschiedener Wörter ihren Ausdruck. In diesem Zusammenhang können auch die seit GESSNERs MITHRIDATES (1555) erschienenen Sprachensammlungen gesehen werden. MITHRIDATES, König von Pontos, soll 22 Sprachen fließend gesprochen haben und wurde durch seine Polyglottie zum Vorbild sprachvergleichender Arbeiten wie etwa der Sprachensammlungen von PALLAS, HERVÁS Y PANDURO bzw. SEVERIN und VATER. Im Geiste einer mithridatischen Eroberung der verschiedenen Sprachen erscheint die Überwindung der Sprachverwirrung möglich, der ja die Spaltung der Völker und damit die Entstehung der Nationen und des Nationalhasses (vgl. HERDER 1772) zugeschrieben wurde. Eine Schlüsselrolle bei der Überwindung der babylonischen Sprachverwirrung kommt auch der ĺ Übersetzung zu, die insbesondere im Zuge protestantischer und kalvinistischer Bestrebungen der Renaissance als das Mittel propagiert wurde, welches die Übermittlung des Evangeliums an die verschiedenen Völker und die daraus resultierende Einheit im Glauben überhaupt erst ermögliche und auf diese Weise die durch die Sprachverwirrung bewirkte Spaltung eindämmen könne (vgl. CALVIN 1564). Sprachwissenschaftlich orientierte Betätigungen wie Übersetzungen, etymologische Forschungen (ĺ Etymologie) und Sprachvergleiche (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) sind daher insbesondere seit dem 16. Jahrhundert, in dem die ĺ Apologie der Nationalsprachen ein konstitutives Mo-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung ment europäischen Sprachdenkens und Wirkens darstellt, zugleich in einem theologischen Kontext zu würdigen, in dem die Beschäftigung mit der Sprache ebenso den Umgang mit der biblischen Tradition bedeutet. Dieser Hintergrund der Sprachreflexion ist selbst noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegenwärtig, wie etwa an SÜSSMILCHs Versuch, die Göttlichkeit des Sprachursprungs nachzuweisen, deutlich wird (ĺ Ursprung). Auch ein Phänomen wie die ĺ Sprachveränderung wurde vor dem Hintergrund der Sprachverwirrung und der daraus resultierenden Verschiedenheit der Sprachen untersucht, zumal die verschiedenen Einzelsprachen ja die empirisch feststellbare Realität darstellten. Allerdings erscheint die Annahme eines monogenetischen Sprachursprungs und die Existenz einer ĺ Ursprache mit der empirischen Realität der Diversität der Einzelsprachen nicht vereinbar. Die Existenz einer einzigen Sprache göttlicher oder adamitischer Prägung, die ja per se mit dem Attribut der Vollkommenheit versehen ist (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), würde der Tatsache, dass es verschiedene Sprachen gibt, die sich noch verändern, diametral entgegenstehen. Man bemüht sich daher in den Diskussionen über Sprachursprung (ĺ Ursprung) und Ursprache, die Auffassung von der göttlichen oder auch der adamitischen Ursprache, die durch die Episode der nominatio rerum (Genesis 2, 19–20) als belegt angesehen wird, mit der Realität der Verschiedenheit der Einzelsprachen in Einklang zu bringen. Dabei dient die Geschichte vom Turmbau zu Babel als Erklärungsmodell für den Verlust der einstmaligen Vollkommenheit der Sprache. In diesem Sinne geht etwa HOBBES von der Existenz einer Ursprache aus, die Gott zunächst Adam verliehen, aber den Menschen als Strafe für ihre Auflehnung beim Turmbau wieder entrissen habe. HOBBES interpretiert die Babel-Episode als göttliche Strafe gegen die Auflehnung (rebellion) des Menschen, der seine ursprüngliche Sprache vergisst (oblivion of his former language). Die mangelnde Fähigkeit, mit Sprechern anderer Idiome zu kommunizieren, sieht HOBBES als Grund für die im Anschluss an Babel erfolgte Zerstreuung der Noachiden über den Globus. Durch diese Aufspaltung der Völker sei es not-
Sprachverwirrung wendigerweise zu einer graduellen ĺ Sprachveränderung gekommen. An die epikureische Tradition anknüpfend, erachtet HOBBES die Not als Schöpferin aller menschlichen Erfindungen und damit auch als Begründerin der vom Menschen schrittweise weiterentwickelten Sprache. Damit nimmt HOBBES eigentlich zwei Ursprünge der Sprache, nämlich einen göttlich-adamitischen und einen menschlichen an (ĺ Ursprung). Zunächst geht er von einem göttlichen Sprachursprung aus, der durch die adamitische nominatio rerum dokumentiert wird, wobei er allerdings bezweifelt, dass Adam zu diesem Zeitpunkt bereits über eine voll entwickelte Sprache verfügt habe, mit der er alle Farben und Formen hätte benennen können. Die Turmbau-Erzählung markiert jedoch für HOBBES den entscheidenden Einschnitt zwischen der adamitischen Ursprache, die zumindest teilweise durch Gott inspiriert wurde und den durch menschliche Bedürfnisse entwickelten verschiedenen Einzelsprachen. Um die Historizität der Einzelsprachen und die Sprachveränderung zu erklären, ist es für HOBBES erforderlich, sie der Sphäre des Schöpfungsmythos zu entziehen und in die Verantwortung des Menschen zu überführen. Die Konzeption einer göttlichen Ursprache steht dennoch selbst bei HOBBES noch am Anfang seiner Reflexionen zur Sprachentstehung. Zur ĺ Ursprache der Menschheit wurde, an die uralte jüdische Meinung anknüpfend, in den Traktaten der Patristik das Hebräische erklärt, welches auch nach der babylonischen Verwirrung vom auserwählten Volk Israel bewahrt worden sei. Zum Beleg der Behauptung, dass das Hebräische von der Sprachverwirrung verschont geblieben sei, wird im Verlauf der Diskussion über die Sprachverwirrung oftmals ein etymologisches Argument angeführt (DANTE, DURET, LUTHER, KIRCHER, FRAIN DU TREMBLAY). So sei der Stamm “Heber”, von dem die Bezeichnung Hebräisch abgeleitet wird, nicht am Turmbau beteiligt gewesen. Die Gleichsetzung des Hebräischen mit der Ursprache wird im Zuge der Diskussion nicht zuletzt vor dem Hintergrund der ĺ Apologie verschiedener Nationalsprachen in Frage gestellt. Einen fragwürdigen Höhepunkt erreichen diese Diskussionen in der Konzeption des GOROPIUS BECANUS, der das Flämische zur Ursprache erklärt.
535 Im Gegensatz dazu stehen Argumentationen, die auf der Exegese der Bibel beruhen, wie etwa die des ISIDOR VON SEVILLA, der Anfang des 7. Jahrhunderts in seinen Etymologien (IX, 1) gleich drei heilige Sprachen angeführt hatte, nämlich das Hebräische, das Griechische und das Lateinische. Er versah diese drei Sprachen mit dem Attribut der Heiligkeit, da genau in ihnen die Inschrift über dem Kreuz Christi geschrieben war. Als Resultat der Sprachverwirrung geht jedenfalls die ĺ Ursprache, sei sie nun identisch mit dem Hebräischen oder nicht, verloren. Zudem wird die Babel-Episode auch von Verfechtern der ĺ Arbitrarität der Sprache angeführt, da dieser Mythos als Beleg für den nicht-natürlichen Charakter der Sprachen herangezogen werden kann (DU BELLAY). Die durch den Fluch von Babel entstandene Vielfalt der Einzelsprachen ist mit der Vorstellung von der ĺ Natürlichkeit der Sprache unvereinbar, da sie Sprachen ihrem Wesen nach (ĺ Wesen der Sprache) als arbiträre (ĺ Arbitrarität) und konventionelle Phänomene (ĺ Konvention) erscheinen lässt. Als Korrelat zur Geschichte des Turmbaus von Babel wird schließlich das neutestamentarische Pfingstwunder angeführt, welches durch die Erscheinung des heiligen Geistes die Apostel zu Erleuchteten werden lässt, die in verschiedenen Sprachen (Zungen) reden und diese auch verstehen (PEREYRA 1593– 1594, BOCHART 1646, BOSSUET 1681). 2. Die Sprachverwirrung und ihre Beurteilung im 17. und 18. Jahrhundert 2.1. Babylonische Sprachverwirrung, Völkertafel und hebräische Ursprache In der Sprachdiskussion des 17. Jahrhunderts wird die Sprachverwirrung oftmals als eine Erscheinung betrachtet, die entsprechend der Darstellung in Genesis 11 als reale historische Grundlage der Verschiedenheit der Sprachen herangezogen werden kann. Allerdings wird jedoch teilweise das Postulat, dass die babylonische confusio linguarum als Ursache für die Diversität der Einzelsprachen anzusehen sei, unter Bezug auf die Völkertafel in Genesis 10 relativiert bzw. verworfen. So bezieht sich etwa DURET zunächst auf die Sprachverwirrung nach dem Turmbau zu Babel, die die bis dahin einzig existierende ĺ Ursprache,
536 das Hebräische zerstört habe, wie bei MOSES nachzulesen sei. Dagegen führt DURET allerdings PHILASTER an, der schon behauptet hätte, dass bereits vor Babel verschiedene Sprachen (plusieurs varietez & diuersitez) von den Urmenschen gesprochen worden seien. Diese Auffassung PHILASTERs steht jedoch für DURET nicht im Widerspruch zur Darstellung in Genesis, Kap. 2, nach der vor Babel nur eine einzige Sprache bestanden habe, die von allen Menschen des Erdballs verstanden worden sei. Für DURET ist PHILASTERs Vorstellung nachvollziehbar, dass es sich bei dieser hebräischen Ursprache um eine ĺ Universalsprache gehandelt habe, neben der die ersten Menschen jedoch noch weitere Sprachen gesprochen hätten. DURET verweist allerdings darauf, dass etwa AUGUSTINUS diese Vorstellung nicht mit der sonst dominanten Vision des babylonischen Fluchs als Grund für die Verschiedenheit der Sprachen vereinbaren wollte. Wesentlich für die Konzeption der ‘Sprachverwirrung’ ist auch die von DURET zitierte Vorstellung der Rabbiner, nach der der Stamm Heber von der Sprachverwirrung ausgenommen gewesen sei, da er sich nicht am babylonischen Turmbau beteiligt habe. Diese Ausnahmestellung habe den Bestand der heiligen Sprache Hebräisch gesichert. Für DURET kann die Identität des Hebräischen mit der göttlichen ĺ Ursprache somit nicht einmal durch das Ereignis von Babel in Frage gestellt werden. Die Sprache des Stammes Heber sei weder Opfer von ĺ Korruption noch von ĺ Sprachveränderung gewesen und sei daher eine “gesunde und intakte Sprache” (l’Hebraique demeura saine & entiere) geblieben. Das Hebräische ist nach Auffassung DURETs die Sprache, die Gott Adam lehrte und die die Natur der Dinge selbst darzustellen vermag (ĺ Natürlichkeit). DURETs Ideal besteht in der Restituierung der präbabylonischen göttlichen Einheit, die durch die Zusammenfassung aller Einzelsprachen zu einer idealen vollkommenen Sprache zu erreichen sei (ĺ Universalsprache). Auch für KIRCHER war die ĺ Ursprache der Menschheit mit dem Hebräischen identisch. Nach seiner Auffassung befand Adam sich vor dem Sündenfall im Besitz einer vollkommenen Form des Denkens und damit auch einer vollkommenen lingua humana, die das
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Wort-Ding-Verhältnis exakt abgebildet habe. Diese von Gott geschenkte Natursprache war das primitive Hebräisch, welches selbst den Turmbau von Babel unbeschädigt überstanden habe (ĺ Natürlichkeit). In dieser Urform des Hebräischen seien auch die Bücher geschrieben worden, die vor der Sintflut verfasst worden waren. Von Adam über Noah bis zur babylonischen Sprachverwirrung sei das Hebräische auf der ganzen Welt gesprochen worden. Mit der Vorstellung von der Existenz einer einzigen Ursprache knüpft KIRCHER an den Beginn der Babel-Episode an, in der ein monogenetischer Sprachursprung verkündet wird (Genesis 11: 1) (ĺ Ursprung). Allerdings wird im GenesisText die gemeinsame Ursprache der Menschheit mit keiner konkreten Einzelsprache, auch nicht der hebräischen, identifiziert. Hauptursache für den Verlust der Einheit von Volk und Sprache als Konsequenz des Turmbaus zu Babel ist nach KIRCHER der als bösartig gezeichnete Jäger und tyrannische Herrscher Nimrod, der die von Noah abstammenden Stämme in das Land von Schinar geführt hatte. Nimrods Eitelkeit und Ruhmsucht seien für den babylonischen Turmbau verantwortlich gewesen. Für eine Vielzahl von Gelehrten des 17. Jahrhunderts ist die babylonische Verwirrung zwar ein Fluch Gottes, aber das Hebräische ist als einzige Sprache von diesem Fluch ausgenommen. Der Ausnahmestatus des Hebräischen wird u. a. auch von KIRCHER etymologisch begründet unter Verweis auf die Ähnlichkeit zwischen den Bezeichnungen Heber und Hebräisch. Gegen die Annahme einer Sonderstellung des Hebräischen wendet sich WALTON, der nicht nur den Stamm Heber von der Sprachverwirrung ausgenommen sehen möchte, sondern auch anderen Abkommen Noahs wie Sem, Arphaxad und Phaleg das gleiche Recht zuspricht, von der confusio linguarum verschont worden zu sein. Diese Prämisse veranlasst WALTON allerdings zu der Annahme, dass über den gesamten Globus verteilt immer noch Nachfahren Noahs existieren könnten, die das primitive Hebräisch sprächen. Derartige Hypothesen müssen vor dem Hintergrund der im 17. Jahrhundert stark zunehmenden Reise- und Missionarsaktivitäten gesehen werden, die das Interesse an
Sprachverwirrung fremden und exotischen Sprachen beförderten und damit auch die Suche nach dem präbabylonischen Hebräisch stimulierten. Bei der Suche nach der verloren gegangenen primitiven hebräischen ĺ Ursprache ließen sich die Gelehrten im Wesentlichen von der biblischen Tradition leiten, nach der die Ursprache an Abraham weitergegeben worden sei. Von Abraham sei sie auf Isaak und Jakob übergegangen und schließlich an alle Hebräer weitergeleitet worden, die von Abraham abstammten. Ein wesentliches Element der Konzeption der ‘Sprachverwirrung’ besteht somit in der Fragestellung, ob sie als ein Phänomen zu betrachten ist, das die gesamte Menschheit betroffen habe oder ob es einzelne auserwählte Stämme in der Nachfolge Noahs gegeben habe, die von dieser Verwirrung verschont geblieben seien. Zur Begründung derartiger Theorien werden mit Hilfe von Etymologien (ĺ Etymologie) Filiationen zwischen der verlorenen Sprache Adams und den postbabylonischen Sprachen hergestellt. Grundlage dieser Hypothesen ist eine monogenetische Konzeption des Sprachursprungs (ĺ Ursprung) und das Interesse an genealogischen Darstellungen im Allgemeinen. Zur Begründung der gängigen Auffassung (vgl. DANTE, LUTHER, DURET, GALE, KIRCHER, FRAIN DU TREMBLAY), dass der Stamm Heber nicht am Turmbau beteiligt gewesen sei, wird die etymologische Verwandtschaft zwischen Heber und Hebräisch postuliert. Die hypothetische Rekonstruktion der Genealogie der Sprachen und Völker wird teils systematisch mit etymologischen Argumentationen legitimiert. So habe etwa der auserwählte Heber seinen Sohn Phaleg genannt, was so viel wie ‘Spaltung’, oder ‘Teilung’ heißt, und damit die später eintretende Sprachverwirrung, der sie entgehen sollten, vorausgeahnt (vgl. LUTHER 1556: 166, DURET 1613: 43). Das am Beispiel Hebers und Phalegs angewandte etymologische Argument dient dem Zweck, die These von der Universalität und Vollkommenheit des Hebräischen zu unterstützen (ĺ Universalität und Verschiedenheit; ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), da eine Relation der ĺ Natürlichkeit zwischen der Bezeichnung und ihrem Referenten geschaffen wird, die den a posteriori durch menschliche ĺ Kon-
537 vention und ĺ Arbitrarität geschaffenen Bezeichnungsverfahren aufgrund der (vermeintlichen) Einheit von Wort und Denotat überlegen zu sein scheint. 2.2. Diversität der Einzelsprachen vs. göttliche Ursprache im 17. Jahrhundert Während in der Renaissance die Konzeption der babylonischen Sprachverwirrung in der Regel als eine nicht hintergehbare Grundlage der Sprachentwicklung begriffen wird und der Gedanke der Unität sich auch im Bereich der Sprachtheorie in Form einer über weite Strecken nicht hinterfragten Monogenese der Sprache ausdrückt, zeigt sich im 17. Jahrhundert im Gefolge von Rationalismus, Absolutismus und zunehmender Souveränität der Nationalstaaten eine stärkere Bereitschaft, die Eigenständigkeit der Einzelsprachen zu akzeptieren. Daher finden sich neben der traditionellen Beurteilung Babels als Fluch (vgl. DANTE 1303–1305, BIBLIANDER 1548, BOCHART 1646, COMENIUS 1648, HOBBES 1651, BUXTORF DER JÜNGERE 1662, WILKINS 1668, FRAIN DU TREMBLAY 1703) zunehmend Tendenzen, die Sprachverwirrung als Segen zu begreifen. So interpretiert etwa der Jesuit ABRAM Babel als Grundlage aller Gelehrsamkeit, die gerade durch die Sprachenvielfalt befördert werde. Die Verschiedenheit der Sprachen begreift auch LA MOTHE LE VAYER DER ÄLTERE im Sinne des Pfingstwunders als eine göttliche Gabe, die dem Polyglotten zum Ruhme gereicht. Entgegen den nationalistischen apologetischen Tendenzen der Renaissance (ĺ Apologie) plädiert er für den Erwerb mehrerer Fremdsprachen, da die Diversität der Einzelsprachen nur durch das Sprachenstudium zu überwinden sei. Damit erteilt er auch allen Rekonstruktionsversuchen einer vorgeblichen ĺ Ursprache eine Absage, da ein besonders hohes Alter einer Sprache keineswegs ihre Vollkommenheit impliziere und ihre Eignung zur Darstellung von Konzepten der alltäglichen Lebenswelt sogar ausschließe (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Eine nur eingeschränkte Bedeutung gesteht der Kalvinist LA PEYRÈRE der babylonischen Sprachverwirrung zu. Er entwickelt seine Präadamitenlehre anhand seiner Interpretation von Römer 5, 12–14. Durch Adams Fall kamen Sünde und Tod in die Welt und trafen auch die Menschen, die nicht gesündigt hat-
538 ten. Diese Passage im Römerbrief deutet LA PEYRÈRE dahingehend, dass bereits vor Adam Menschen existiert hätten, die von der Sprachverwirrung jedoch nicht betroffen gewesen seien. Für LA PEYRÈRE steht daher fest, dass Adam nur der Ahnherr der Juden gewesen sei. Die Kulturen der Chinesen, Ägypter und Chaldäer seien jedoch älter als die jüdische gewesen. Da weder China noch Australien, Amerika oder Grönland in der Bibel genannt werden, seien sie sowohl von der Sintflut als auch von der Sprachverwirrung verschont geblieben. Mit dieser Auffassung von der Sprachverwirrung und der Entstehung der Sprachverschiedenheit wendet sich LA PEYRÈRE gegen die Konzeption eines monogenetischen Sprachursprungs (ĺ Ursprung), die das Hebräische als ĺ Ursprache aller Sprachen ansieht. Er verwirft das Unitätsprinzip, welches insbesondere im 16. Jahrhundert noch den typischen Reflexionshorizont des Sprachdenkens der Zeit repräsentierte. Das polygenetische Fundament der Präadamitenlehre war jedoch auch im 17. Jahrhundert mit der noch immer stark vertretenen monogenetischen Sprachauffassung nicht vereinbar. So wurde LA PEYRÈRE von der Inquisition zur Widerrufung seiner Lehre gezwungen. Gegen eine historisierende Interpretation der Sprachverwirrung und der Verteilung von Sprachen und Völkern wendet sich auch der Kalvinist CAPPEL. Ihm kommt das Verdienst zu, die moderne Bibelkritik begründet und für die Analyse des Hebräischen solide philologische Grundlagen gelegt zu haben. Mit seinem philologischen Skeptizismus gegenüber der etwa von BUXTORF DEM ÄLTEREN vertretenen Auffassung von der allen Sprachen vorangehenden Muttersprache Hebräisch bereitet CAPPEL einer Desakralisierung des Hebräischen den Boden, die im 17. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung gewinnt. CAPPEL wendet sich gegen die gängige Interpretation von Sprachverwirrung und Völkertafel. So verbietet nach seiner Auffassung die Chronologie der Bibel, Noah und die Sprachverwirrung überhaupt miteinander in Zusammenhang zu bringen. Ebenso verwirft er den Ansatz, die Völkertafel erst nach der Sprachverwirrung einzuordnen. Seine These stützt er auf die Behauptung, dass Noah bei der Auf-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung teilung der Erde unter seine Nachkommen unmöglich alle 70 oder 72 Sprachen hätte gesprochen haben können. Nach CAPPELs Verständnis handelt es sich bei den Juden keineswegs um das auserwählte Volk, da das Hebräische nicht zuerst von den Juden, sondern von den in Babel verfluchten hamitischen Kanaanäern gesprochen wurde, wie CAPPEL unter Berufung auf Jesaja 19,18 argumentiert. Das semitische Gottesvolk habe daher die hebräische Sprache erst nach der Sprachverwirrung gesprochen. Entgegen der üblichen Auffassung der Genesis-Darstellung vom Privileg des auserwählten israelitischen Volkes postuliert CAPPEL zudem die Abstammung der Griechen, Römer und Trojaner von dem Noachiden Japhet, wodurch die göttliche Verheißung vom jüdischen auf den europäischen Kulturkreis übergeht. Für CAPPEL ist eine direkte und lineare Ableitung der Diversität der Einzelsprachen im Anschluss an Babel nicht legitim. Er behauptet demgegenüber die Rechte der Einzelsprachen, denen er eine eigene Entwicklung und Dynamik zuspricht. Gegen die Statik einer monogenetischen Sprachkonzeption, die das Hebräische als Ursprung aller Idiome ansieht, postuliert CAPPEL die Eigengesetzlichkeit der ĺ Sprachveränderung und des Sprachwandels in den verschiedenen Sprachen. Ebenso wie sein Lehrer CAPPEL wendet sich auch BOCHART gegen die Interpretation der Völkertafel als Sprachenatlas, da sich die Zahl der etwa 20 in der Bibel genannten Sprachen nicht mit der Hypothese von 70 oder 72 Sprachen, wie die Völkertafel sie nahelegt, in Einklang bringen lasse. Allerdings bewahrt BOCHART die Konzeption einer hebräischen ĺ Ursprache, die dem Menschen als Ganzes von Gott eingegeben worden sei. Zur Begründung dieses Ansatzes beruft er sich auf das Wortspiel Mann-Männin (Genesis 2, 23) bei der nominatio rerum durch Adam. Diese Analogiebildung Adams fasst er als Zeichen dafür auf, dass Adam Hebräisch gesprochen habe. Gegen den rabbinisch-monogenetischen Erklärungsansatz negiert BOCHART indes, dass die in der Völkertafel genannten Namen bis in die Gegenwart fortgelebt hätten. In den Sprachen der Gegenwart lassen sich nach seiner Auffassung allerdings überall hebräische Wurzeln nachweisen, so dass
Sprachverwirrung zwischen den Sprachen der Gegenwart und der heiligen Sprache Hebräisch eine Kontinuität besteht. In diesem Sinne postuliert er beispielsweise eine etymologische Verwandtschaft (ĺ Etymologie) zwischen dem hamitischen Nimrod, also dem Anführer der Turmbauer von Babel, der der Sohn der Kusch (Bar-Chus) gewesen sei und dem römischen Weingott Bacchus. Selbst in den Namen der antiken Mythologie versucht BOCHART somit, hebräische Wurzeln zu finden. Auf die Autorität BOCHARTs beruft sich auch der Oratorianer LAMY in seiner Interpretation der Sprachverwirrung, die einige individuelle Nuancierungen bei der Deutung der Turmbau-Episode und ihrer Relevanz für die weitere Entwicklung der Sprachen erkennen lässt. So stellt etwa für LAMY die Bibel durchaus eine unhintergehbare Autorität dar. Entsprechend der Darstellung der Genesis begreift er die Sprache als ein göttliches Geschenk an Adam. Auch die Sprachverwirrung wird als eine gerechte Bestrafung der Eitelkeit (vanité) der Menschen bewertet. Allerdings nennt LAMY neben dem prometheischen Streben und der Eitelkeit der Menschen auch ein Motiv für den Turmbau, dem nicht der Makel der Sündhaftigkeit angelastet werden kann. LAMY begreift nämlich den BabelTurm als ein Mittel der Selbstverteidigung der Menschen. So hätten sie den Turm aus Furcht vor einer weiteren Sintflut errichtet, der sie durch dieses Monumentalbauwerk zu entgehen hofften. Im Hinblick auf die Ausmaße der Sprachverwirrung schließt sich LAMY der von ihm als weit verbreitet charakterisierten Auffassung an, dass Gott nicht ebenso viele Idiolekte wie Menschen geschaffen, sondern bei der Sprachverwirrung jeder Familie eine andere Sprache eingeflößt habe. Durch die Aufspaltung der Völker über die Erde im Gefolge der Sprachverwirrung hätten sich die Völker dann auch durch die jeweils eigene Volkssprache voneinander unterschieden. Außerdem habe die Sprachverwirrung nicht nur in der Entstehung von ĺ Neologismen, sondern vielmehr in der Vertauschung und Umstellung (transposition) verschiedener Buchstaben von Wörtern, die vor Babel in Gebrauch gewesen seien, bestanden. Da LAMY ein Verfechter der hebräischen ĺ Ursprache ist, erkennt er in einer Vielzahl topo-
539 nomastischer Bezeichnungen Relikte dieser hebräischen Ursprache an und beruft sich zum Beleg auf BOCHARTs Geographia sacra, in der ebenfalls anhand etymologischer Bemühungen die Identität des Hebräischen mit der Ursprache begründet wird (ĺ Etymologie). Die Tendenz, die Folgen von Babel etymologisch zu erklären und insbesondere die Auswüchse dieser Etymologien (ĺ Etymologie) haben derartige Versuche zur Zielscheibe der zeitgenössischen Kritik werden lassen. Symptomatisch für diese Kritik ist beispielsweise die Satire MOLIÈREs, der den Etymologen MÉNAGE in der Figur des Vadius in den Femmes savantes als aufgeblasenen Pseudo-Gelehrten karikiert. Im Tartuffe I, I bezieht MOLIÈRE sich direkt auf den Turm von Babel, wenn er Geltungsdrang und Heuchelei als Gründe für babylonisches Durcheinander und Zwietracht darstellt. Eine satirische Bezugnahme auf Babel findet sich auch in RACINEs Komödie Les plaideurs (1668) (III, 3), in der die Redseligkeit der Advokaten, die ihre Argumentationen unnötig in die Länge ziehen, persifliert wird. 2.3. Sprachverwirrung und Universalsprache im 17. Jahrhundert Das Konzept der ‘Sprachverwirrung’ wird auch im Spannungsfeld von Universalität und Relativität (ĺ Universalität und Verschiedenheit) der Einzelsprachen betrachtet, da die Sprachverwirrung als Demarkationslinie zwischen der einen Ursprache vor dem Turmbau zu Babel und der Vielfalt der nach dem Turmbau entstandenen Sprachen fungiert. Die Auseinandersetzung mit der Sprachverwirrung erfolgt daher zwischen den Polen des Universalismus, der allen Sprachen gemeinsame Elemente ermitteln will und des Relativismus, der die individuellen Besonderheiten und Charakteristika der jeweiligen Einzelsprache in den Vordergrund stellt (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Universalistisch orientierte Ansätze, die allgemeine Denk- und Sprachprinzipien aufdecken wollen und paradigmatisch von den Grammatikern von Port-Royal vertreten werden, zielen auf die Beseitigung der durch die Sprachverwirrung verursachten Inkongruenzen zwischen Bezeichnendem und Bezeich-
540 netem ab. Fehlende Exaktheit der Sprache sowie unklare Zuordnungen zwischen Konzept und Lautbild werden verurteilt und als Hindernis von Kommunikations- und Denkprozessen aufgefasst. Aus diesem Grunde schlagen die Autoren der Logique de PortRoyal, ARNAULD und NICOLE, zur Bekämpfung der ‘Verwirrung der Wörter’ (la confusion des mots) die Erfindung einer neuen Sprache und neuer Wörter vor. Bei der Konzeption dieser Sprache solle besonders auf die Eindeutigkeit der Zuordnung zwischen Wort und Vorstellung geachtet werden, die als ein Desiderat natürlicher Sprachen bewertet wird (ĺ natürliche Sprache). Zur Herstellung einer 1:1-Relation zwischen Wort und Idee empfehlen die Autoren der Logique de Port-Royal die Bewahrung der bekannten Lautgestalt der bisher verwandten Wörter, welche jedoch mit einem neuen semantischen Gehalt aufzufüllen seien, der jede Form von Doppeldeutigkeit (équivoque) vermeidet. Gerade die Doppeldeutigkeit wird für die Entstehung der ‘Verwirrung der Wörter’ (la confusion des mots) verantwortlich gemacht. ARNAULD und NICOLE möchten der aktuell existierenden Sprachverwirrung somit anhand einer Vereindeutigung von Bedeutungen (ĺ Bedeutung) begegnen. Aufgrund der Universalität menschlichen Denkens streben Grammatiker und Logiker von Port-Royal nach einer Universalgrammatik, die die universellen Prinzipien des Denkens mit Hilfe universeller grammatischer Strukturen abbilden soll (ĺ Grammatik). Im Zeichen des Universalismus stehen auch die im 17. Jahrhundert besonders in England florierenden Projekte einer ĺ Universalsprache, die nach der Ansicht WILKINS’, DALGARNOs oder COMENIUS’ den Fluch von Babel beheben und als Heilmittel (remedium) dienen könnte. Seit BACONs Geißelung der idola fori bestand eines der Hauptanliegen der Anhänger von Universalsprachenprojekten in der Überwindung der Sprachverwirrung durch eine Sprache, die Konzepte eindeutig repräsentierte und damit jeder Form von Missverständnissen und Missbräuchen intentionaler wie nicht-intentionaler Art zuvorkäme (ĺ Missbrauch). Besonders im 17. Jahrhundert werden Universalsprachenprojekte als Gegenmittel zur babylonischen Sprach-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung verwirrung aufgefasst. Vor dem Hintergrund der im 17. Jahrhundert stetig wachsenden Entwicklung von Handelsbeziehungen, missionarischen Aktivitäten, Reisen in Kolonialgebiete sowie der sich mit hoher Geschwindigkeit entwickelnden Naturwissenschaften, für die die klassische Gelehrtensprache Latein zusehends unzureichend erscheint, wächst das Bedürfnis nach einer Kommunikationsform, die nicht mit den Mängeln natürlicher Sprachen behaftet ist (ĺ Natürlichkeit). Die babylonische Sprachverwirrung wird dabei zum allgegenwärtigen Sinnbild einer durch die Unzulänglichkeiten natürlicher Sprachen erschwerten und uneindeutigen Kommunikation, die als bis in die Gegenwart fortdauernde Auswirkung des göttlichen Fluches von Babel interpretiert wird. Die Sprachverschiedenheit wird als eine unwillkommene Folge der Sprachverwirrung betrachtet. Sie wird sogar als pathologische Erscheinung eingestuft, die eines Heilmittels bedarf. In diesem Sinne empfiehlt DALGARNO dem geneigten philosophischen Leser (Lectori Philosopho) seine Ars signorum als ‘Heilmittel gegen die Sprachverwirrung’ (Confusionis Linguarum remedio). Die Konzeption der ĺ Universalsprache als ‘Gegengift’ und ‘Heilmittel’ gegen die als krankhaft beschriebenen Folgen der Sprachverwirrung wird auch von WILKINS vertreten, der im Mercury die babylonische Sprachverwirrung als Fluch beschreibt, der über die Menschheit verhängt worden sei (the curse inflicted on mankind, i. e. the confusion of languages). Der Menschheit könne indes Heilung von diesem Fluch durch eine Universalschrift (Universal Character) zuteil werden (The Confusion at Babel might this way have been remedied). Auch in seinem Hauptwerk zur Universalsprache An Essay towards a Real character and a Philosophical Language (1668) klassifiziert WILKINS die Sprachverwirrung als einen Fluch (that Curse of the Confusion of Tongues), der nur durch eine ĺ Universalsprache und eine Universalschrift beseitigt werden könne. Als eine unmittelbare Konsequenz der Sprachverwirrung beurteilt WILKINS die Verschiedenheit der Buchstaben (It cannot be denied, but that the variety of letters, is an appendix to the Curse of Babel).
Sprachverwirrung Seiner Meinung nach müsse die Hinzufügung noch weiterer Buchstaben zu der ohnehin schon unübersichtlichen Menge von Lettern der verschiedenen Sprachen die Krankheit (Disease) der Diversität, die durch Babel entstanden sei, eigentlich noch verschlimmern. Dennoch sieht er darin keinen Hinderungsgrund für die Erfindung einer neuen ĺ Schrift, die dem Wesen der Dinge eher entspräche (Real character). Eine sinnvoll konzipierte Universalsprache und Universalschrift erachtet er als zuverlässigstes Heilmittel gegen den Fluch von Babel (it would be the surest remedy that could be against the Curse of the Confusion, by rendring all other Languages and caracters useless). Die Eignung einer Universalsprache als Gegenmittel zu Babel begründet WILKINS mit der Einheit des Denkens. Da die Denkfähigkeit ein universelles Prinzip sei und die Wahrnehmung der Welt und deren Konzeptualisierung bei allen Menschen ähnlich verlaufe, erscheint WILKINS ein Verzicht auf die Diversität der Einzelsprachen legitim. Da WILKINS allen philologischen und pseudo-philologischen Versuchen der etymologisch basierten hypothetischen Rekonstruktion der ĺ Ursprache eine Absage erteilt (ĺ Etymologie) und die unwiederbringlich verlorene Ursprache ihm auch nicht mit den auf der Basis von ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention beruhenden institutionalisierten Sprachen rekonstruierbar erscheint, erachtet er einzig eine ĺ Universalsprache als mögliche Lösung aller Kommunikationsprobleme. Als Hindernis für Kommunikation und gesellschaftliche Beziehungen betrachtet COMENIUS die Sprachverwirrung in seiner Via Lucis (1668). Die gegenwärtig existierende Verschiedenheit der Sprachen beschreibt COMENIUS als Fortsetzung des Fluches von Babel. Er verstärkt diese Behauptung zusätzlich, indem er den Menschen selbst als ein Babel charakterisiert. In jedem einzelnen Menschen, in jedem Idiolekt äußerten sich Relikte von Babel. Die sprachliche Verschiedenheit sieht COMENIUS als ein Zeichen der Spaltung und Trennung der Völker. Die Auswirkung der Sprachverwirrung beschreibt er als gravierend: Selbst stumme Tiere vermögen leichter miteinander zu kommunizieren als der Mensch, für den eine fremde Sprache ein
541 unüberwindliches Kommunikationshindernis darstellt. COMENIUS lässt sich in seinen Überlegungen von seinem pansophistischen Bestreben leiten, bestehende Differenzen zwischen Angehörigen verschiedener Glaubensgemeinschaften durch die Einführung einer Universalsprache aufzuheben, die durch die Eindeutigkeit der Wort-Ding-Zuordnung jeden Menschen an der göttlichen Allweisheit (Pansophia) teilhaben lässt (ĺ Universalsprache). Eine interessante Alternative zu einer ĺ Universalsprache, die nicht erst aufwändig erfunden werden müsste, führt BULWER in seiner Chirologia von 1644 an. Dabei knüpft er an das geläufige Argumentationsmuster, das bestimmte Stämme wie z. B. die Hebers oder Phalegs von der Sprachverwirrung ausnimmt, an. Nach BULWER genießt nämlich auch die Gebärdensprache, die er als natürliche Sprache der Hand beschreibt (This naturall Language of the Hand) das Privileg, dem Fluch der babylonischen Sprachverwirrung entkommen zu sein (it had the happinesse to escape the curse at the confusion of Babel). Da die Gebärdensprache im Gegensatz zur artikulierten Lautsprache (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) im Zuge der Babel-Episode nicht verwirrt worden sei, handele es sich um eine heilige Sprache. Die Heiligkeit gestischer Kommunikation begründet BULWER darüber hinaus mit der Funktion des göttlichen Zeigefingers (Digitus Dei) beim Wirken von Wundern. Mit der Vorstellung, dass die Gebärdensprache Taubstummer der babylonischen Sprachverwirrung entgangen sei und außerdem an die Methoden göttlicher Kommunikation anknüpfe, verleiht BULWER ihr einen Sonderstatus. Im Vergleich zur artikulierten Lautsprache beschreibt er sie als exponiertes Kommunikationsmedium einer auserwählten Gruppe und befreit damit die Gehörlosen zugleich vom Makel der sozialen Deprivation, der ihnen traditionell anhaftete (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). 2.4. Das Konzept der ‘Sprachverwirrung’ im 18. Jahrhundert Die Konzeption einer einheitlichen hebräischen ĺ Ursprache stützte sich maßgeblich auf die Interpretation des Genesis-Textes, der mit den Worten beginnt: “Erat autem terra la-
542 bii unicus & sermonum eorumdem”. Da der Genesis-Text von einer Vielzahl von Gelehrten teilweise noch bis ins 18. Jahrhundert als eine nicht hinterfragbare Autorität interpretiert wurde, bestand kein Zweifel an der Existenz einer hebräischen Ursprache. Ein Versuch der Vermittlung zwischen der durch die Sprachverwirrung verloren gegangenen einen ĺ Ursprache und der Diversität der Einzelsprachen findet sich Anfang des 18. Jahrhunderts bei FRAIN DU TREMBLAY. Auch nach seiner Auffassung stellt die Sprachverwirrung eine gerechte Strafe für menschlichen Hochmut (orgueil) dar. Er geht allerdings davon aus, dass die gemeinsame Ursprache der Menschheit niemals verloren gegangen wäre, wenn diese nicht gesündigt hätte. Ebenso wie für LAMY besteht die Sprachverwirrung für FRAIN DU TREMBLAY auch nicht in der Entstehung einer unüberschaubaren Vielzahl von Idiomen, sondern analog zur gängigen Interpretation der Völkertafel nimmt er die Existenz von 72 Sprachen an. FRAIN DU TREMBLAYs Interpretation der Sprachverwirrung fällt auch ähnlich wie bei LAMY moderat aus, da er die nach Babel entstandenen Sprachen im Gegensatz etwa zur Auffassung von HOBBES nicht als ein Werk des Menschen sieht, sondern allen Einzelsprachen göttliche Herkunft zuspricht. So sieht er sämtliche postbabylonischen Sprachen ebenso wie die Ursprache als ein Produkt göttlichen Wirkens an, da Gott bei der Sprachverwirrung alle Wörter durch eine ganz spezifische Lenkung der menschlichen Sprechorgane geschaffen habe. Ganz eng dem Babel-Mythos verpflichtet erklärt auch der Autor des Encyclopédie-Artikels Langue, BEAUZÉE, die Entstehung der Sprachenvielfalt. Zur Untermauerung seiner monogenetischen Sprachauffassung beruft sich BEAUZÉE auf das Zeugnis der Geschichtsschreiber, in deren Darstellungen die Ebene von Schinar, wo der Turmbau stattfand, analog zur Bibel beschrieben wird. BEAUZÉE sieht die Autorität der Bibel durch die Darstellungen der Geschichtsschreiber bestätigt und benutzt diese Unterstützung zur Untermauerung seiner monogenetischen Konzeption des Ursprungs der Sprache (ĺ Ursprung). BEAUZÉE fasst den Mythos von Babel somit als historische Realität auf. Die
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Sprachverwirrung lässt aus der Ursprache die Diversität der Einzelsprachen werden. Diese Transformation der präbabylonischen Einheit in die einzelsprachliche Vielfalt interpretiert BEAUZÉE im Sinne der Bibel als ein Wunder, wobei er auf der Abruptheit der Sprachverwirrung insistiert, die im Kontrast zur ursprünglich projektierten Dauerhaftigkeit des Babel-Turms gesehen wird. Wenn BEAUZÉE die Spontaneität der Sprachverwirrung betont, so steht er damit im Gegensatz zu der von Gelehrten wie PRIDEAUX vertretenen Hypothese, die Babel nur als den Endpunkt einer langsam erfolgten ĺ Sprachveränderung betrachten, um die Entstehung der Einzelsprachen im Rahmen einer säkularisierten Weltsicht erklären zu können. Diese desakralisierende Interpretation der Babel-Erzählung wird von BEAUZÉE jedoch zurückgewiesen, da ein langsamer Sprachwandel von einer präsumtiven Ursprache hin zur Diversität der Einzelsprachen mit seiner Auffassung von Babel als einem plötzlich eintretenden göttlichen Wunder unvereinbar wäre und eine Desakralisierung ihm unzulässig erscheint. Im Einklang mit der Darstellung im Buch Genesis betrachtet noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch BEATTIE die Sprachverwirrung als Ursache der Diversität der Einzelsprachen. BEATTIE geht ebenfalls von der Annahme aus, dass eine allen Völkern gemeinsame ĺ Ursprache existiert habe, deren Etymologien noch in den Sprachen seiner Gegenwart rekonstruierbar seien. Die Vielzahl der Sprachen an sich bewertet BEATTIE als durchaus erfreuliche Erscheinung (a marvellous phenomenon). Aufgrund der Erzählung von Babel sieht er sich jedoch gezwungen, diese positive Bewertung einzuschränken. Sprachliche Verschiedenheit bleibt trotz aller Faszination und Exotik fremder Sprachen auch für BEATTIE noch mit dem Fluch von Babel verbunden. Die Babel-Erzählung als übernatürliches Ereignis vermag, alle Schwierigkeiten, die sich für die Erklärung der Vielfalt der Idiome ergeben, leicht zu beseitigen. Babel ist nach BEATTIEs Auffassung dafür verantwortlich, dass verschiedene Völker trotz Blutsverwandtschaft einander nicht mehr verstehen können. Innerhalb des 18. Jahrhunderts können die Konzeptionen BEAUZÉEs oder BEATTIEs, die
Sprachverwirrung die Sprachverwirrung als historisch belegbares Ereignis betrachten, vor dem Hintergrund einer stetig fortschreitenden Aufklärung und Säkularisierung jedoch nicht mehr als repräsentativ für die Sprachreflexion der Zeit eingestuft werden. Ein weiterer Grund für die zusehends dominante Ablehnung der Begründung der Sprachenvielfalt mit dem Rekurs auf Babel lag in den wachsenden Bemühungen um einen stärker empirisch fundierten und weniger auf subjektiven Bewertungen basierenden Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), der im Zuge der immer stärker in den Fokus geratenden Aktivitäten der Missionare und Weltreisenden ermöglicht wurde und in den Bestrebungen der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert seine reifste Ausprägung fand. Im Zusammenhang der Versuche der Sprachbeschreibung und des Sprachvergleichs sind u. a. die Arbeiten des Jesuiten LAFITAU zu würdigen, der zwar noch von der Existenz einer allen Menschen gemeinsamen Ursprache bis zur Sprachverwirrung ausgeht, aber die auf fragwürdigen Etymologien beruhende Annahme (ĺ Etymologie), dass in allen Sprachen noch Residuen der hebräischen ĺ Ursprache bestünden, unter Verweis auf seine eigenen Studien an amerikanischen Dialekten verwirft. Stärker als die sich allmählich entwickelnde Hinwendung zu einer mehr empirisch orientierten Sprachreflexion war im 18. Jahrhundert unter den Philosophen insbesondere das Bedürfnis nach einer hypothetischen Form der Empirie, die sprachliche Entwicklungen vor allem im Rahmen von Gedankenexperimenten zu beschreiben versucht, ausgeprägt. Diese Art der Spekulation, die im 18. Jahrhundert etwa für CONDILLACs, MAUPERTUIS’ oder ROUSSEAUs Überlegungen zum Sprachursprung charakteristisch ist (ĺ Ursprung), artikuliert sich z. B. im Rahmen des PSAMMETICHOS-Experiments, welches u. a. von DE BROSSES, MONTESQUIEU, CONDILLAC oder ROUSSEAU beschrieben und z. B. auch von DIDEROT im Zusammenhang seiner Gedankenexperimente mit Taubstummen in der Lettre sur les sourds et muets (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) aufgegriffen wird. Gerade im Rahmen der Versuche CONDILLACs oder ROUSSEAUs, den
543 Ursprung der Sprache zu rekonstruieren, tritt ein genetisches Erklärungsmodell an die Stelle des biblischen Mythos, welches die Entstehung der Sprache zugleich im Kontext ihrer weiteren Entwicklung betrachtet und den Menschen aufgrund seines sinnlichen Wahrnehmungsvermögens zum Urheber einer langsam fortschreitenden Sprachentwicklung werden lässt. Zentrales Movens für die Entstehung der Sprache ist einerseits das menschliche Wahrnehmungsvermögen und andererseits der von der epikureischen Tradition hervorgehobene Zwang des Menschen, in bestimmten elementaren Situationen Lautzeichen von sich zu geben, um die Befriedigung seiner Primärbedürfnisse gewährleisten zu können. Die mythische Sprachentstehungserklärung der Bibel und deren Begründung der Vielfalt der Einzelsprachen wird von einem historischen Denken abgelöst, das die Sprache als in einen Entwicklungsprozess eingebunden konzipiert. Ursprung und Vielfalt der Sprachen werden von CONDILLAC oder ROUSSEAU als natürliche, historische Erscheinungen betrachtet, wobei das religiöse Erklärungsmodell einer rationalen, hypothetischen Empirie weicht. Eine radikale Ablösung von der Konzeption der Genesis-Episoden als historischer Wahrheit findet sich im Sprachdenken LA METTRIEs, der den Menschen als Maschine begreift, die sich einzig durch die Sprache vom Tier unterscheidet (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Die Sprache hat der Mensch nach LA METTRIEs Auffassung analog zum epikureischen Denken durch das natürliche Verlangen, seine Bedürfnisse zu artikulieren, erworben. Allen theozentrisch orientierten Weltbildern erteilt LA METTRIE (1748) in einer prä-darwinistischen Auffassung, die die Unterschiede zwischen Mensch und Tier bis zur Unkenntlichkeit nivelliert, eine eindeutige Absage. Gegen die Interpretation der babylonischen Sprachverwirrung als Urheberin der Unterschiede zwischen Sprachen und Völkern wendet sich auch der Naturalist BUFFON, der im Gegensatz zu LA METTRIE in der Sprachfähigkeit und Sprache einen wesentlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier anerkennt. Die Tatsache, dass sowohl kultivierte als auch exotische Völker auf dem ganzen Globus über Sprache
544 verfügen, ist für BUFFON ein Beweis, dass die gesamte Menschheit genealogisch betrachtet von einer einzigen Art abstammt. BUFFON betont in seiner Histoire naturelle générale et particulière (1749) die evolutive Komponente der Menschheitsgeschichte. Unterschiede zwischen den Menschen sieht er als vergänglich und wandelbar an. Angesichts dieses evolutiven Denkens kann der babylonischen Sprachverwirrung keinerlei Bedeutung mehr für die Diversifizierung von Sprachen und Völkern zugewiesen werden. Gegen eine Begründung der Sprach- und Völkervielfalt mit der babylonischen Sprachverwirrung wendet sich auch VOLTAIRE im Artikel Babel seines Dictionnaire philosophique (1764) mit ironischem Unterton. In diesem Text nimmt er Anstoß an der Chronologie der Bibel, die in Genesis 10 zunächst die Völkertafel und erst in Genesis 11 den Turmbau zu Babel darstellt. Für VOLTAIRE ist logisch nicht nachvollziehbar, dass nach der Teilung des Menschengeschlechtes in verschiedene Völker der gemeinsame Akt des Turmbaus erfolgt. Zudem kritisiert er, dass nicht einmal eine Autorität wie HERODOT vom Turmbau und der Sprachverwirrung berichtet habe. Gegen den Babel-Mythos beruft sich VOLTAIRE auf den durch den Zerfall des römischen Reiches entstandenen Niedergang der lateinischen Sprache als Weltsprache. Diesen Prozess charakterisiert er im Vergleich zur Babel-Erzählung als wirkliche, historisch belegte Form der Sprachverwirrung (Nous dirons seulement que la chute de l’empire romain a produit plus de confusion et plus de langues nouvelles que la chute de la tour de Babel). Zwischen den Polen der Übernahme der biblischen Darstellung der Sprachverwirrung und ihrer Ablehnung finden sich im 18. Jahrhundert auch Ansätze, die eine religiös basierte Interpretation der Diversität der Einzelsprachen mit aufklärerischem Gedankengut zu verbinden versuchen. In diesem Kontext wäre z. B. die Konzeption des Rechtshistorikers GOGUET zu nennen, der die biblische Geschichte als eine Kulturgeschichte der Zivilisation der Menschheit begreift. In GOGUETs Darstellung erscheint der monumentale Babelturm als das erste Meisterwerk der Architektur und als bedeutende zivilisatori-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung sche Errungenschaft. Der in Genesis 11 vorgebrachte Wunsch der Menschen, den Turm zu errichten, um nicht zerstreut und über weite Entfernungen aufgeteilt zu werden, wird von GOGUET als unvereinbar mit dem göttlichen Plan einer Besiedelung des gesamten Globus gesehen. Die Sprachverwirrung und die daraus resultierende Verteilung der Völker über die Erde werden als Notwendigkeit für den wachsenden Fortschritt des Menschengeschlechts interpretiert. Damit wird die Sprachverwirrung zu einer segensreichen Episode, die im Zeichen der Perfektibilität des Menschen steht. Gegen die Auffassung der Babel-Episode als Strafe Gottes wendet sich auch BOULANGER, der ähnlich wie zuvor schon LAMY den Turm von Babel als Schutzwall der Menschen gegen Naturkatastrophen wie die Sintflut ansieht. Der Turmbau wird hier nicht als prometheischer Akt einer hybriden Menschennatur, sondern als Monument zum Ausdruck der Humanität und Nächstenliebe der gemeinschaftlich daran arbeitenden Menschen begriffen. Versuche der Vermittlung zwischen der religiös basierten Konzeption der Sprachenvielfalt und einem aufklärerischen Geschichtsdenken, das die Entwicklung von Prozessen einerseits und das Bewusstsein der menschlichen Fähigkeit zur Perfektibilität andererseits betont, stehen jedoch im weiteren Verlauf des Jahrhunderts zunehmend im Schatten der Ablehnung der biblischen Erzählung von der Sprachverwirrung. Bedingt durch das sich immer stärker manifestierende genealogische Geschichtsdenken und prä-evolutionistische Gedankengut wird die babylonische Sprachverwirrung Ende des 18. Jahrhunderts kaum mehr als Erklärung sprachlicher Vielfalt akzeptiert. Die Desakralisierung erreicht in den Sprachauffassungen von LA METTRIE, BUFFON, VOLTAIRE und HELVÉTIUS ihren Höhepunkt und bereitet zugleich einer faktenbasierten Interpretation der Sprachenvielfalt ideologisch den Boden.
IV. Das Konzept der ‘Sprachverwirrung’
weist im abendländischen Sprachdenken eine Kontinuität auf, die von der Patristik bis hin zu vereinzelten Auffassungen Ende des 18. Jahrhunderts reicht, die noch die Göttlichkeit der Sprache und eine analog zum biblischen
Sprachverwirrung Mythos verlaufende Menschheitsgeschichte postulieren (BEAUZÉE, SÜSSMILCH, BEATTIE). Gemeinsamkeit dieser Konzeptionen ist die Berufung auf eine hebräische ĺ Ursprache der Menschheit, die durch die Sprachverwirrung in eine Vielzahl von Einzelsprachen aufgeteilt wird. Diese Ursprache, die entweder mit der Sprache Gottes oder derjenigen Adams gleichgesetzt wird, zeichnet sich durch eine natürliche, auf dem Wesen der Dinge selbst basierende Zuordnung zwischen Wort und Ding aus (ĺ Natürlichkeit). Sie unterliegt damit nicht ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention. Schon die Patristik geht von der Existenz einer hebräischen Ursprache aus, die aber durch den Sündenfall des Menschen, der im Turmbau zu Babel gipfelt, verloren geht. Kirchenväter wie HIPPOLYTUS und HIERONYMUS vertreten die alte jüdische Auffassung, nach der das Hebräische die Mutter aller Sprachen (omnium linguarum matrix) sei. Differenzierter fällt das Urteil des AUGUSTINUS aus, der zwar von der Existenz einer Ursprache ausgeht, aber nicht behauptet, dass diese im Hebräischen fortlebe. Für AUGUSTINUS ist die Sprachverwirrung und die Diversität der Einzelsprachen eine Strafe für den Hochmut (superbia) der Turmbauer. Babel ist für ihn ein Symbol von Krieg und Zwietracht und dafür verantwortlich, dass die in der Ursprache vorhandene natürliche Einheit zwischen Wort und Ding verloren gegangen ist und die postbabylonischen Sprachen sich durch ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention kennzeichnen lassen (non natura, sed placito et consensione). Dieser arbiträre Charakter der Sprache führt zu einer fehlenden Eindeutigkeit der Beziehungen zwischen Wort und Welt. Einen wesentlichen Beitrag zur Diskussion der Sprachverwirrung leistet ISIDOR VON SEVILLA in seinen Quaestiones in Genesim (VIII, 6ff.). ISIDOR setzt den Anführer des babylonischen Turmbaus Nimrod mit dem Teufel gleich, betont aber zugleich, dass der Stamm Heber vom babylonischen Turmbau ausgeschlossen gewesen sei und sich das Hebräische daher als reine ĺ Ursprache erhalten habe. Die Idee, dass der Stamm Heber von der Sprachverwirrung verschont geblieben sei, erweist sich in der weiteren Entwicklung des Konzeptes insbesondere für die An-
545 sätze als konstitutiv, die anhand von etymologischen Argumenten dem Hebräischen den Status der Ursprache zuschreiben wollen (ĺ Etymologie). In der Blütezeit der Scholastik im 13. Jahrhundert wird ein Wandel in der Interpretation der Sprachverwirrung erkennbar. Im Geiste der Scholastik vertritt etwa INNOZENZ III. die Auffassung, dass Babel weniger eine Verwirrung der Sprachen, sondern vielmehr eine Neuaufstellung von Ordnungsprinzipien und Hierarchien zur Folge gehabt hätte. Babel wird lediglich als Strafe für die superbia der Menschen begriffen (superbia … turrem evertit et linguam confundit). In der Interpretation des ROBERT VON AUXERRE waren demgegenüber die Turmbauer von Babel nur unschuldige Mitläufer Nimrods und die Teilung der Völker in 72 Stämme und die damit einhergehende Aufhebung der monogenetischen hebräischen Ursprache erschienen nicht mehr als Makel. Die Babel-Episode nimmt einen wesentlichen Raum in DANTEs Überlegungen zur Sprache im De vulgari eloquentia (1303–1305) ein, die zugleich als die ersten vergleichenden dialektologischen Betrachtungen des Abendlandes gelten können. Wörter sind für DANTE eine Konsequenz der Dinge (consequentia rerum) (ĺ natürliche Sprache). Für DANTE ist die Ursprache mit dem Hebräischen identisch, das er als das heilige Idiom (sacratum ydioma) bezeichnet. Wie keine andere Sprache sei das Hebräische dazu prädestiniert, das Wesen der Dinge selbst auszudrücken. So sei das Urwort des Menschengeschlechtes El, das hebräische Wort für Gott, gewesen und das auserwählte Volk von der babylonischen Sprachverwirrung verschont geblieben. Durch den Verlust der in der Sprache Adams enthaltenen ĺ Natürlichkeit im Gefolge der Sprachverwirrung seien die postbabylonischen Sprachen jedoch außerstande gewesen, das Wesen der Dinge adäquat zu repräsentieren. Auf diese Weise seien neue, aber unvollkommene arbiträre Sprachen, zu denen DANTE etwa das Griechische und Lateinische zählt, entstanden (ĺ Arbitrarität). DANTE vollzieht somit eine Trennung zwischen der göttlichen hebräischen Ursprache und den postbabylonischen unvollkommenen, arbiträren menschlichen Sprachen. Gegen die bis in die Hoch-
546 scholastik verbreitete Konzeption des HIPPOLYTUS verwirft DANTE die Vision von den 72 Einzelsprachen und setzt dieser als erster Erfinder einer europäischen Dialektologie 14 Hauptsprachen und über 1000 lokale Varietäten entgegen (ĺ Dialekt). In DANTEs Konzeption von der Natürlichkeit der adamitischen Ursprache kündigt sich bereits das in der Renaissance dominante Sprachbewusstsein an. Dieses ist durch eine Abwendung von der historischen Betrachtungsweise und den Chronologien der Völkertafel zugunsten einer Auffassung, die Konstanten wie die Natürlichkeit der ĺ Ursprache ins Zentrum der Betrachtung rückt, gekennzeichnet. Von der Patristik bis hin zu DANTEs Hochscholastik erschien das Konzept einer hebräischen Ursprache unhintergehbar und wurde allenfalls im Hinblick auf Marginalien kritisiert. Von AUGUSTINUS bis DANTE wurde die Auffassung von einer adamitischen Paradiessprache, die zumeist als hebräische Ursprache begriffen wurde und sich erst durch den Fluch von Babel in 72 oder 70 Einzelsprachen aufspaltete, als unhintergehbar angesehen. Das Ende der Hochscholastik bedeutet jedoch die Infragestellung der mittelalterlichen Konzeption der Geschichte als Heilsgeschichte mit der Bibel als autoritärem Buch von universeller, zeitloser Gültigkeit. Sprache wird nicht länger als Akkumulation von Erfahrungen der Heilsgeschichte verstanden, die durch Etymologien (ĺ Etymologie) rekonstruiert werden müssen, welche im Sinne des mittelalterlichen Symboldenkens das Wesen der Sache wiedergeben. Mit dem Beginn der Renaissance wird Sprache zum Ausdruck des Nationalbewusstseins der verschiedenen Völker, die gegen das Ideal der Vielsprachigkeit die ĺ Apologie der jeweiligen Volkssprache setzen. Die Suche nach Muttersprachen der eigenen Volkssprache und das Bemühen um die Rekonstruktion der eigenen Nationalsprache als Muttersprache nehmen im Wettstreit der Nationen teilweise groteske Züge an, wie etwa die Etymologien eines GOROPIUS BECANUS belegen. Zugleich ist das Sprachdenken der Renaissance neben den nationalsprachlichen apologetischen Tendenzen (ĺ Apologie) durch eine mythische Konzeption des göttlichen Wortes gekennzeichnet. Dieses göttliche Wort gilt als
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung im Wesen der Dinge verborgen und kann z. B. anhand von kabbalistischen oder lullistischen Permutationsverfahren oder okkulten Riten erschlossen werden und auf diese Weise das göttliche Wesen der Dinge enthüllen. So ist die Entschlüsselung der Einheit zwischen Wort und Welt eines der Hauptanliegen der Sprachmystiker der Renaissance (z. B. PARACELSUS, BÖHME), für die die Sprachverwirrung Ausdruck der Entzweiung von Wort und Welt sowie Gott und Mensch ist. In der Renaissance stoßen somit das Unitätskonzept der Sprachmystiker, die auf eine Revision von Babel durch die Rekonstruktion der Ursprache drängen und die apologetischen Bestrebungen zur Verteidigung der eigenen Volkssprache im Vergleich zu anderen Volkssprachen (DU BELLAY, ESTIENNE) aufeinander. Einen Wendepunkt in der Beurteilung der Sprachverwirrung als Begründung für die Diversität der Einzelsprachen markiert die Entstehung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Durch die Entwicklung der historisch-vergleichenden Methode und die Abneigung gegen alle spekulativen Ansätze zur hypothetischen Rekonstruktion von Sprachursprung (ĺ Ursprung) und ĺ Ursprache (vgl. Statuten der Pariser Société de linguistique générale, 1866) steht die Faszination der Sprachenvielfalt im Vordergrund, die keineswegs als Resultat einer göttlichen Strafe, sondern als segensreiche Mannigfaltigkeit begriffen wird. In diesem Sinne ist exemplarisch HUMBOLDTs streng polygenetische Sprachauffassung zu würdigen. Für HUMBOLDT ist die Diversität der Einzelsprachen Segen und nicht Fluch. So steht bei HUMBOLDT nicht die babylonische Sprachverwirrung, sondern das Pfingstwunder im Vordergrund der Sprachbetrachtung, die in seiner These vom Weltbild der Sprache kulminiert. Im Zuge der beständig fortschreitenden Säkularisierung, der Entstehung der historisch-vergleichenden Methode der Sprachwissenschaft und der Entwicklung der Darwinschen Evolutionstheorie erweist sich das Interesse am Konzept der ‘Sprachverwirrung’ vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart als vorwiegend theologisches oder historiographisches. Als wissenschaftliches Erklärungsmodell für die
Sprachverwirrung Sprachenvielfalt kann die babylonische Sprachverwirrung schon seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr gelten.
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Sprachveränderung I. Lat. linguae humanae volubilitas, mutatio vocabulorum, inclinatio linguarum; dt. Veränderung, Abänderung; engl. regular growth, improvement & declension; general revolutions, progress from simplicity to refinement; frz. changemens insensibles; de grandes altérations; de grandes permutations; changement des langues, changements & révolutions de la langue. II. (HORAZ: Ars poetica, 60–63):
Ut sylvae pronos mutantur in annos; Prima cadunt: ita verborum vetus interit aetas, Et juvenum ritu florent modo nata, vigentque. Debemur morti nos nostraque. (COMENIUS [1648] 1978: 32): 14. Altera multiplicitatis Lingvarum causa, est ipsa volubilissima Lingvæ humanæ volubilitas: qvâ ipsô etiam temporis processu sensim sine sensu Voces pronuntiandi, formandi, sic vel sic usurpandi, ratio mutatur: ut vel eôdem locô ipsa secum habitans Gens qvæq; paulatim labium mutet. De Lingva certè Græca sui ævi asserit Plato, tantam fuisse vocabulorum factam mutationem, ut si Lingva tùm usitata cum antiqva Græca conferretur, antiqva visa fuisset prorsùs barbara (Plato in Cratylo.) Qvæ tamen tùm temporis adeò culta, denuò in barbariem rediit: ut si revivisceret Plato, Græcos hujus ævi non intelligeret. De Latina Polybius, ait: Si qvis præsentem Lingvam cum antiqva comparet, tanta apparebit diversitas, ut
vix qvædam, summâ etiam diligentiâ adhibitâ, Viri maximâ intelligentiâ præditi, possint discernere (Polyb. Lib. 3.) Qvæ tamen ipsa qvoqve degeneravit, & ex se Italicam, tantô ab illa Romana discrepantem, progenuit. Tentent verò Hispani, Galli; Germani, alii, scripta ante annos quingentos, (ne dicam mille) Lingvæ suæ fragmenta recognoscere, & qvantum mutati sint videbunt. Cujus rei exemplum domi seipsos habent Bohemi & Poloni: qvi Anno Christi 644. duce Czecho & Lecho Croatiâ egressi, ejusdem utiqve cùm gentis tùm lingvæ fuerunt, utpote fratres germani. Intra verò mille istos annos dialectô sic ab invicem dissonant, ut se ægrè intelligant: qvemadmodum & Germanorum gentes paulò dissitius ab invicem habitantes, Helvetii, Pomerani, Belgæ. Idem de aliis Lingvis judicium esto, mutari eas in dies, secundúmque partes & particellas oriri & interire. (COMENIUS [1648] 1978: 32–33): 15. Tertia mutandarum Lingvarum causa, sunt Gentium migrationes & mixturæ, Lingvarum qvoq; mixturam, eôqve novas Lingvas, inducentes. Evidentissima habemus in ipsa Europa nostra exempla; in moderna Italica, ex infusione Vandalorum & Gothorum in Italiam, lingvæ utriusqve mixturâ facta: & in Anglica, ex Saxonica, & veteri Britannica, rursumq; Gallica […] consarcinata. (COMENIUS [1648] 1978: 37): Simile qvid igitur Lingvis accidit, qvod post commissum
550 ingens prælium variè lacerato, variéqve reparato, accidere solet Exercitui: ut nimirum multis Militum amissis, multis per acceptas cicatrices fædatis, multis sub alia signa delatis, multis alium habitum nactis, multis etiam recèns adscriptis, vix agnoscatur idem esse Exercitus: præsertim si per iteratas clades, temporisqve tractus longiores, aliæ atq; aliæ insuper factæ sint mutationes. (LAMY [1675] 1688: 60–61): Mais cette confusion que Dieu mit dans les paroles de ceux qui vouloient élever la tour de Babel n’est pas la seule cause de cette grande diversité & multiplicité des langues. Celles qui sont en usage aujourd’hui par toute la terre, sont en bien plus grand nombre que n’étoient les familles des enfans de Noé lorsqu’elles se separerent & bien differentes de leur langage. Il se fait dans les langues, aussi bien que dans toutes les autres choses, des changemens insensibles, qui font qu’aprés quelque temps elles paroissent tout autres qu’elles n’étoient dans leur commencement. Nous ne doutons pas que le François que nous parlons maintenant ne vienne de celui qui étoit en usage il y a cinq cens ans; cependant à peine pouvons-nous entendre le François qui se parloit il y a deux cens ans. Il ne faut pas s’imaginer que ces changemens n’arrivent que dans nôtre langue. Quintilien dit que la langue Romaine de son temps, étoit si differente de celle des premiers Romains, que les Prêtres n’entendoient presque plus les Hymnes que les premiers Prêtres de Rome avoient composez pour être chantez devant leurs Idoles. L’inconstance des hommes est une des principales causes de ce changement; l’amour qu’ils ont pour la nouveauté leur fait établir de nouveaux mots en la place de ceux qu’ils rebutent, & introduire des manieres nouvelles de prononcer qui changent entierement le langage, & qui en font un nouveau dans la suite des années. (LAMY [1675] 1688: 65): Lorsque les Italiens, les Espagnols, les François commencerent à se relever, & qu’ils furent maîtres chezeux, ils travaillerent à dégrossir ce jargon qui s’étoit introduit aprés la decadence de l’Empire & de la Latinité: chacun commença à se faire des regles, & à s’y assujettir. Ce qui a fait les trois langues Italiennes, Espagnoles, & Françoises.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Les Colonies ont fort multiplié les langues. On voit que les Tyriens qui trafiquoient autrefois par toute la terre avoient porté leur langage de tous côtez. On parloit à Carthage, colonie des Tyriens, la langue Phenicienne qui est un dialecte de l’Hebreu, comme on le peut démontrer par plusieurs argumens; mais particulierement par les Vers écrits en langage Punique ou Carthaginois qui se lisent dans Plaute. Or ces colonies multiplient une langue comme nous venons de le dire, & d’une elles en font plusieurs. Car outre que ceux qui vont en ces colonies ne sçavent pas assez exactement la langue de leur païs, pour la conserver sans la corrompre: cette langue recevant dans deux differens païs où on la parle des changemens differens, elle se divise, & se multiplie necessairement. (KIRCHER 1679: 130a-131a): De inclinatione, corruptione, & interitu linguarum. Caput I. De occasionibus, & multiplici causarum serie, quâ linguae variorum regnorum florentes, tandem omnimodae corruptionis, oblivionisque damnum passae sunt. Ea est rerum humanarum inconstans fortunae rota, ut nihil sub sole stabile, nihil solidum, & firmum permittat, quin versatilis, cui innititur, sphaerae lubricitate, jam ex alto in imum, modò ex imo in summum, paulò post ex dextro in sinistrum, & ex sinistro in dextrum, susque deque verset omnia, ut proinde aptè huic instabilitati rerum quadrare videatur illud Poëtae: Omnia sunt hominum tenui pendentia filo, Et subito casu, quae valuere, ruunt. Quod & in linguarum varietate, & interitu, maximè ex ingenti seculorum vicissitudine completum, ut olim factum cum admiratione legimus, & praesenti tempore, adhuc fieri spectamus: cujus rei causas demonstrare aggredior; quorum Prima est, diversarum gentium, populorumque commixtio; unde una gens ab altera, haec etiam ab illa, dum mutuos loquendi modos sibi communicant, ex duabus mediam quandam linguam resultare necesse est; haec verò cum aliis nationum confiniis commercia exercens, in alias, & alias cum tempore linguas degenerat. Altera causa mutationis linguarum est, imperiorum, monarchiarumque mutatio; quâ fac-
Sprachveränderung tum est, ut quilibet monarcha desideret suam vernaculam linguam ubique vigere ex omnibus in unam reductam, ne varietate linguarum quam sibi quaelibet natio peculiarem habebat, sub occultis idiomatum machinis in rebelliones motae, magnum monarchico statui damnum, unitatis vinculo destructo, inferrent. Tertia causa est, calamitates publicae regnorum, quibus saepè bello, peste, fame integrae nationes ita destruuntur, ut non nisi paucae mortalium reliquiae superesse comperiantur; atque hisce conjunctae aliae confines nationes, linguas novas reciprocâ loquendi varietate fundent. Quarta est, varia in differentia regna, coloniarum introductio, quo fit, ut nativa lingua differentibus populis communicata, adeò ingentem mutationem acquirat, ut pristinae linguae dialectum vix agnoscas: talis est Boëmorum lingua, quae unà cum colonia ex Illyrico traducta, ex commistione linguae Germanicae, & Polonicae eam mutationem passa fuit, ut nec Dalmata, nec Polonus eam prorsùs intelligat; talis est lingua Graeca, quae in nonnullis Calabriae oppidis hodiè adhuc in usu est, se ita transformata, ut Graecam dialectum non nisi ex paucis verbis intelligas; talis est quorundam in Andaluzia & Melitensi insula, lingua Arabica, quarum illa Latinis, Arabicisque, haec Italicis, Arabicisque commixta vocabulis, non exiguam corruptionem passa est. Quinta causa est, coeli solique incertis nationibus constitutio, quae ex organorum alteratione, uti diversam linguae alicujus pronunciationem sortiuntur, ita quoque ex differenti pronunciatione novam linguam condere videntur; cujusmodi in sequentibus varia exempla producemus. Atque hae sunt causae universales, quibus hucusque primaevae linguae, corruptionis damnum passae sunt. (LEIBNIZ [1697] 1908: 333): 22. Es würde auch die unvermeidliche Verwirrung bei solchem Ubergang zu einer neuen Sprache hundert und mehr Jahr über dauren, biss alles auffgerührte sich wieder gesetzet und wie ein Geträncke so gegohren, endlich auffgeklähret. Da inzwischen von der Ungewissheit im Reden und Schreiben nothwendig auch die Teutschen Gemüther nicht wenig Verdunckelung empfinden müssen. Weilen die meisten doch die Krafft der fremden Worte eine lange Zeit über nicht recht fassen, also elend schrei-
551 ben, und übel dencken würden. Wie dann die Sprachen nicht anders als bey einer einfallenden Barbarey oder Unordnung, oder fremder Gewalt sich merklich verändern. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 61–63): Mais non seulement elles [les langues, C. N.] se sont divisées, elles se sont même changées en de nouvelles langues, & les anciennes se sont perdus. Plusieurs causes ont produit ces changemens: La premiere, est le changement de climat; car la temperature de l’air influant dans le temperament des hommes, & par consequent ne pouvant pas manquer de causer du changement dans les organes de la voix & de l’oüie, en a aussi necessairement causé dans la prononciation des lettres & des mots, & même dans leur terminaison; & ces changemens dans la prononciation & dans la terminaison ont enfin produit celuy de la langue entiere. Ainsi les premieres peuplades s’étant divisées en d’autres qui s’avancerent dans des païs plus eloignez & d’un climat different, leurs langues se changerent peu à peu en de nouvelles; car le changement des lettres les unes dans les autres cause enfin celuy des langues. Une seconde cause du changement des langues, ce sont les mélanges qui se sont faits des peuples qui s’étoient divisez, soit par les conquêtes qu’ils ont faites les uns sur les autres, soit par les transmigrations, soit par le commerce: ainsi des anciennes langues de ces peuples mêlez & confondus, il s’en est formé de nouvelles. Et cela arrivera toûjours ainsi par les inclinations que les hommes ont à s’imiter les uns les autres, afin de s’unir, ils prendront toûjours insensiblement des langues les uns des autres sans même y faire de reflexion. Une troisiéme cause de ce changement, c’est l’inconstance des hommes. On croiroit que la langue devroit être toûjours la même dans un état qui se conserve depuis long-temps sans aucun mélange des autres nations: cependant nous voyons par experience que les mots & les expressions y vieillissent; que d’autres y prennent insensiblement leur place, & que la tyrannie de la mode s’exerce dans le langage comme sur les habits & sur les meubles. Insensiblement par la complaisance des hommes les uns pour les autres, & par l’amour de la nouveauté, l’ancienne langue se change, &
552 il en naist une toute differente, quoy que souvent on l’appelle du nom de l’ancienne. Nous parlons aujourd’huy une langue toute autre que celle que l’on parloit il y a cinq ou six cens ans, & cependant nous l’appellons du même nom de langue Françoise. (FRAIN DU TREMBLAY [1703] 1972: 64–65): […] Ces changemens sont des suites si necessaires de l’inconstance & des hommes & des choses du monde, des peuples & des empires, que rien ne les sçauroit empêcher. Quelques efforts que fassent les Sçavans & les prudens du siecle, ils n’arrêteront point la mutabilité des choses qui doivent passer. Les Dictionaires mêmes ne remedieront point à ce mal: ils pourront bien conserver à la posterité une bonne partie de la connoissance du langage d’aujourd’huy; mais ils ne l’empêcheront pas de se sentir de l’impression des temps de vieillir, & de laisser enfin la place à quelqu’autre langage. Les remarques que l’on a faites depuis quarante ans pour en montrer le bel usage, se sentent déja en quelque chose de cette fatalité; & on ne parle déja plus tout-à-fait selon cet usage. Enfin, n’est-ce pas assez que les langues vivantes dépendent de l’usage, pour être assuré que rien ne les sçauroit garentir du changement, puisqu’il est certain que l’usage n’est qu’un perpetuel changement? Quand on est venu à ce point de perfection, que l’on a acquis le simple & le naturel, on s’en lasse comme des modes: on avoit cherché dans les perruques le commode & le naturel; on n’y fut pas plûtost arrivé que l’on y chercha le luxe & la vanité qui nous éloigna du commode & du naturel; c’est ce que l’homme fait en tout, & ce qui arrivera toûjours dans les langues. (MURATORI 1706: 634): Vero è, che noi abbiam tratte e dobbiam trarre le regole della Lingua da i primi, che scrissero in Lingua Italiana. Ma cosí ancora fecero i Latini, senza che ciò togliesse la maggior gloria al Secolo di Giulio Cesare. Vero è, che dal 1620 in circa fino al 1680 il Gusto Marinesco, fra gli altri danni da esso recato all’Italia, ebbe ancor per compagno il poco studio della Lingua; ma ciò non fu generalmente, né da per tutto; perché né pure allora mancarono valentissimi, e leggiadrissimi Scrittori; e a’ nostri tempi s’è
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung ravvivato piú che mai col buon Gusto della Poesia ancor quello della nostra Lingua. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, IX, 133– 134): Les grammairiens changèrent ensuite ces divisions, ou en imaginèrent de nouvelles; parce qu’il leur parut plus commode de distinguer les verbes par le régime, que par le sens. les adjectifs s’étant changés en verbes, la construction des langues fut quelque peu altérée. La place de ces nouveaux verbes varia comme celle des noms d’où ils dérivoient: ainsi ils furent mis tantôt avant, tantôt après le substantif dont ils étoient le régime. Cet usage s’étendit ensuite aux autres verbes. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, X, 148–149): Les pronoms furent les derniers mots qu’on imagina, parce qu’ils furent les derniers dont on sentit la nécessité: il est même vraisemblable qu’on fut longtemps avant de s’y accoutumer. Les esprits, dans l’habitude de réveiller à chaque fois une même idée par un même mot, avoient de la peine à se faire à un nom qui tenoit lieu d’un autre, et quelquefois d’une phrase entière. (ROUSSEAU 1755: 37): ON doit juger que les premiers mots, dont les hommes firent usage, eurent dans leur Esprit une signification beaucoup plus étendue que n’ont ceux qu’on emploie dans les Langues déja formées, & qu’ignorant la Division du Discours en ses parties constitutives, ils donnérent d’abord à chaque mot le sens d’une proposition entière. Quand ils commencérent à distinguer le sujet d’avec l’attribut, & le verbe d’avec le nom, ce qui ne fut pas un médiocre effort de génie, les substantifs ne furent d’abord qu’autant de noms propres, l’infinitif fut le seul tems des verbes, & à l’égard des adjectifs la notion ne s’en dut développer que fort difficilement, parce que tout adjectif est un mot abstrait, & que les abstractions sont des Opérations pénibles, & peu naturelles. (MICHAELIS 1760: 6): Doch jeder unter ihnen trägt nur ein weniges dazu bey; seine neuen Ausdrücke sind den Blüten gleich, unter denen die meisten abfallen. (PRIESTLEY [1762] 1971: 168–169): LANGUAGES, like all other arts which owe their cultivation, if not their invention, to men, which subsist by their use of them, and are
Sprachveränderung daily subject to human caprice, cannot be expected to continue long in the same state: whether ancient, or modern; whether simple, or complex in their structure, they have a kind of regular growth, improvement, and declension; and are moreover liable to many intermediate fluctuations. No internal constitution can preserve them either from the general revolutions, or the particular accidents. The regular growth of languages proceeds from the necessity of giving names to new objects, new ideas, and new combinations of ideas; combinations existing, either in nature, or formed in the imagination. Hence the language of those nations hath ever grown copious whose situation and occasions were such as brought them acquainted with various scenes of nature, or obliged them to have recourse to the improvements of art. (PRIESTLEY [1762] 1971: 173–174): Our very dress is at first plain and aukward, than easy and elegant, and lastly downright fantastical. Stages of a similar nature may be observed in the progress of all human arts; and language, being liable to the same influences, hath undergone the same changes. Whenever a language hath emerged from its first rough state of nature, and hath acquired a sufficient copia of significant and harmonious terms, arbitrary and whimsical ideas of excellence have been superadded to those which were natural and becoming, till at length the latter have been intirely sacrificed to the former. (DE BROSSES 1765: II, 5–6): Nous avons cydevant reconnu qu’il y a certains premiers principes méchaniques & nécessaires de la formation du langage, conformes à la construction organiques de l’instrument vocal, tel qu’il a été donné à l’homme par la nature. Tout naîtra sans doute de ce premier état des choses. Mais jusques-là le langage est encore bien foible, & ne contient que très-peu d’expressions. Attachons-nous à présent à examiner son dévelopement & ses progrès, depuis cette enfance primitive, qu’on peut appeller le vagissement de la nature, jusqu’à son enfance un peu plus raisonnée, jusqu’à son adolescence, sa maturité & sa dissolution. Ici la simple méchanique des organes ne suffit plus pour nous guider. Il faut recourir à l’observation des faits & des procédés connus, dans les-
553 quels nous sçavons qu’il entre beaucoup de petits élémens arbitraires. (Encyclopédie, Artikel Tudesque, JAUCOURT, 1765: XVI, 736): TUDESQUE LANGUE, (Hist. des langues mod.) langue que l’on parloit à la cour après l’établissement des Francs dans les Gaules. Elle se nommoit aussi Franctheuch, Théotiste, Théotique ou Thivil. Mais quoiqu’elle fût en regne sous les deux premieres races, elle prenoit de jour en jour quelque chose du latin & du roman, en leur communiquant aussi de son côté quelques tours ou expressions. Ces changemens même firent sentir aux Francs la rudesse & la disette de leur langue; leurs rois entreprirent de la polir, ils l’enrichirent de termes nouveaux; ils s’apperçurent aussi qu’ils manquoient de caracteres pour écrire leur langue naturelle, & pour rendre les sons nouveaux qui s’y introduisoient. Grégoire de Tours & Aimoin parlent de plusieurs ordonnances de Chilperic, touchant la langue. Ce prince fit ajouter à l’alphabet les quatre lettres greques ȅ. Ȍ. ǽ. ȃ. c’est ainsi qu’on les trouve dans Grégoire de Tours. Aimoin dit que c’étoient ȡ, ĭ, ȋ, ȍ. & Fauchet prétend sur la foi de Pithou, & sur celle d’un manuscrit qui avoit alors plus de cinq cens ans, que les caracteres qui furent ajoutés à l’alphabet, étoient l’ȍ des Grecs, le ʤ, le ʨ, & le ʣ des Hébreux; c’est ce qui pourroit faire penser que ces caracteres furent introduits dans le Franctheuch pour des sons qui lui étoient particuliers, & non pas pour le latin à qui ses caracteres suffisoient. Il ne seroit pas étonnant que Chilpéric eût emprunté des caracteres hébreux, si l’on fait attention qu’il y avoit beaucoup de Juifs à sa cour, & entre autres un nommé Prisc qui jouissoit de la plus grande faveur auprès de ce prince. En effet, il étoit nécessaire que les Francs en enrichissant leur langue de termes & de sons nouveaux, empruntassent aussi les caracteres qui en étoient les signes, ou qui manquoient à leur langue propre, dans quelque alphabet qu’ils se trouvassent. Il seroit à desirer, aujourd’hui que notre langue est étudiée par tous les étrangers qui recherchent nos livres, que nous eussions enrichi notre alphabet des caracteres qui nous manquent, sur-tout lorsque nous en conservons de superflus, ce qui fait que notre alphabet peche à la fois par les deux contraires, la disette & la surabondance;
554 ce seroit peut-être l’unique moyen de remédier aux défauts & aux bisarreries de notre ortographe, si chaque son avoit son caractere propre & particulier, & qu’il ne fût jamais possible de l’employer pour exprimer un autre son que celui auquel il auroit été destiné. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 39): Le langage renferme deux choses, l’idée et l’expression: or l’étymologie nous montre que l’un et l’autre de ces deux objets a souffert de grandes alterations, non seulement en passant dans d’autres langues, mais que dans la même langue les mots ne signifient plus au bout de cinquante ans ce qu’ils ont signifié, & ne se prononcent plus comme ils se prononçoient. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 52– 53): Enfin les hazards & l’étude ont encore changé considérablement les langues. J’entens ici par le hazard des causes étrangères, comme le grand nombre de voyageurs, le voisinage d’un autre peuple, les guerres, les migrations & le commerce: toutes ces causes réunies ou séparées introduisent encore tous les jours de nouveaux mots, & de nouveaux tours de Phrase dans les langues vivantes. L’étude a changé le langage en deux manières, premièrement par l’aprentissage des langues mortes et étrangères. un homme qui a plusieurs langues dans sa tête a bien de la peine a ne pas laisser échapper quelque mot ou quelque tour de phrase barbare dans celle qu’il écrit: Quelquefois même il est tenté d’attacher à un terme commun à deux langues le sens qu’une autre nation y attache. En second lieu les gens de lettre ont toujours eu soin de donner un nouveau degré de perfection à leur langue, de fixer des analogies dont la simplicité & la facilité fasse honneur à l’inventeur & à la nation, a enrichir la langue par de nouvelles compositions de mots, à trouver des expressions énergiques qui étonnent par la grandeur de la pensée, & par le peu de mots qui l’enveloppent. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-680: 13– 14): Wenn das neue was altes wird, so ist man auf Veränderung bedacht. Und wo soll man immer was neues herkriegen? man komt wieder zurück aufs alte, man macht einige Abänderung damit, man läst es sehen und es gefält. Man hatte dieses mit der Sprache schon mehrmahls, und mit gutem Beyfall ver-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung sucht. Na jetzo mußten die guten Consonanten wieder herhalten. Der eine Theil der Römischen Welt war des weichen Tones überdrüßig. Und weil neue Völcker in denselben hereindrangen, deren Sprache ihren kriegerischen und siegenden Muth verrieth, so beliebte diese neue Mundart. Man redete durch Consonanten, und sprach sie stoltz aus. Und dabey ist man noch bißhero geblieben, denn diese Sprechart schickt schickt sich ungemein für ein männliches Gemüth, und ist dahero mit Recht beliebt. (HERDER [1772] 1978a: 179): Wieviel Ordnung und Ausbildung bekommt die Sprache also schon eben damit, daß sie väterliche Lehre wird! Wer lernt nicht, indem er lehret? Wer versichert sich nicht seiner Ideen, wer mustert nicht seine Worte, indem er sie andern mitteilt und sie so oft von den Lippen des Unmündigen stammlen höret? Hier gewinnt also schon die Sprache eine Form der Kunst, der Methode; hier würde die erste Grammatik, die ein Abdruck der menschlichen Seele und ihrer natürlichen Logik war, schon durch eine scharf prüfende Zensur berichtigt. (HERDER [1772] 1978a: 180): Und ist denn eine zum Teil gebildete, sich weiter fortbildende Sprache ein Widerspruch? Wenn ist die französische, durch Akademien und Autoren und Wörterbücher so gebildete Sprache denn so zu Ende gebildet, daß sie sich nicht mit jedem neuen originalen Autor, ja mit jedem Kopfe, der neuen Ton in die Gesellschaft bringt, neu bilden oder mißbilden müßte? (HERDER [1772] 1978a: 185): Wenigstens, fährt eine weniger behauptende Meinung fort, wäre die Sprache eine natürliche Produktion des menschlichen Geistes, die sich nur allmählich mit dem Menschengeschlecht nach fremden Klimaten hingezogen hätte, so müßte sie sich auch nur allmählich verändert haben. Man müßte die Abänderung, den Fortgang und die Verwandtschaft der Völker im Verhältnisse fortgehen sehen und sich überall nach kleinen Nuancen von Denk- und Mundund Lebensart genaue Rechenschaft geben können. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, III, XI, 400–401): As language is among the first arts invented by men, so it is among the last that
Sprachveränderung are lost. It cannot be totally and at once lost, except by the total destruction of the nation, either by some natural calamity, like that of the Atlantic island sinking, as it is said, into the sea, or by the extirpation of war. In this last way the Celtic language was lost in England, when it was conquered by the Saxons, and preserved only in the mountains of Wales, which were not conquered by them. But in the case of most other conquests, the language of a country has not been totally lost, but mixed with that of the conquerors; and out of that mixture a corrupt language produced. This was the case of the conquest of the several provinces of the Roman empire by the northern nations. In Italy, for example, the language that took place after it was subdued by the Lombards, was a mixture of Latin and the language of that people, which is the present Italian. In France, after the conquest of the Franks, the language was mixed of Latin, of Tudesque, or Teutonic, which was the language of the Franks, and of what still remained of the antient language of the country, viz. the Celtic; and of those three languages the modern French is composed, but principally of Latin. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, III, XIII, 478–479): Although language be of a nature so durable, that I doubt whether there be an example of a language of art being totally lost; yet it is extremely mutable as to its form and fashion; as mutable, I believe, as any thing belonging to man. Words, says Horace, are as liable to change and decay as the leaves of trees: Ut sylvae pronos mutantur in annos; Prima cadunt: ita verborum vetus interit aetas, Et juvenum ritu florent modo nata, vigentque. Debemur morti nos nostraque. HOR. Ars Poët. Thus the languages spoken in the several nations of Europe only three hundred years ago, are so different from the present, that if we can understand them all, it is only by the help of learned critics who have composed glossaries and dictionaries of them. Nor is there any way of fixing and giving a standard to a langage, otherwise than by written record, that is, by books, one or more, which are allowed to be perfect in their style and composition.
555 (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, III, XIII, 480–481): […] But if a language is thus liable to change while it is in the mouths of the same people, how much more altered must it be when it is derived to different tribes and nations, living perhaps in parts very remote from the mother-country of the language, under the influence of different climates, customs, and manners, and mixing with other nations speaking different languages? In such a case, to distinguish the mother from the child, or even to perceive any connection betwixt the two, is a matter of great learning and nice discernment. It is in this that the art of that part of grammar we call etymology consists. (ROUSSEAU [1781] 1968: 197): Les langues se forment naturellement sur les besoins des hommes; elles changent et s’altérent selon les changemens de ces mêmes besoins. (RIVAROL [1784] 1998: 53–55): S’il est vrai qu’il n’y eut jamais ni langage ni peuple sans mélange, il n’est pas moins évident qu’après une conquête il faut du temps pour consolider le nouvel État et pour bien fondre ensemble les idiomes et les familles des vainqueurs et des vaincus. Mais on est étonné quand on voit qu’il a fallu plus de mille ans à la langue française pour arriver à sa maturité; on ne l’est pas moins quand on songe à la prodigieuse quantité d’écrivains qui ont fourmillé dans cette langue depuis le Ve siècle jusqu’à la fin du XVIe, sans compter ceux qui écrivaient en latin. Quelques monuments qui s’élèvent encore dans cette mer d’oubli nous offrent autant de français différents. Les changements et les révolutions de la langue étaient si brusques que le siècle où on vivait dispensait toujours de lire les ouvrages du siècle précédent. Les auteurs se traduisaient mutuellement de demi-siècle en demi-siècle, de patois en patois, de vers en prose; et, dans cette longue galerie d’écrivains, il ne s’en trouve pas un qui n’ait cru fermement que la langue était arrivée pour lui à sa dernière perfection. Pasquier affirmait de son temps qu’il ne s’y connais-sait pas, ou que Ronsard avait fixé la langue française. A travers ces variations, on voit cependant combien le caractère de la nation influait sur elle: la construction de la phrase fut toujours directe et claire. La langue française n’eut donc que deux sortes de bar-
556 baries à combattre: celle des mots et celle du mauvais goût de chaque siècle. Les conquérants français, en adoptant les expressions celtes et latines, les avaient marquées chacune à son coin: on eut une langue pauvre et décousue, où tout fut arbitraire, et le désordre régna dans la disette. Mais, quand la monarchie acquit plus de force et d’unité, il fallut refondre ces monnaies éparses et les réunir sous une empreinte générale, conforme d’un côté à leur origine et de l’autre au génie même de la nation, ce qui leur donna une physionomie double: on se fit une langue écrite et une langue parlée, et ce divorce de l’orthographe et de la prononciation dure encore. Enfin le bon goût ne se développa tout entier que dans la perfection même de la société; la maturité du langage et celle de la nation arrivèrent ensemble. (BEATTIE [1788] 1968: 41–42): Not is there any thing wonderful in this. There are not in Great Britain two provinces, which do not differ in some particulars of pronunciation; and in most countries the modes of speech, especially while literature is in its infancy, are vague and changeable. (BEATTIE [1788] 1968: 205–206): But it was the misfortune of the modern languages (if it can be called a misfortune) that their form was in some measure fixed, before it became so complete as it might have been; that, without passing through the intermediate stages of childhood and youth, they rose at once (if I may so speak) from infancy to premature manhood: and in regard to the Classick tongues it was a lucky circumstance, that their growth advanced more gradually, and that their form was not established by writing, till after it had been variously rounded and moulded by the casual pronunciation of successive ages. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 21–22): Mille causes semblent avoir dû se réunir pour qu’il n’y eût qu’une seule langue parmi les hommes; et mille autres causes plus puissantes encore, ont continuellement jeté dans nos langues, des variations si nombreuses et si diverses, et en dernier résultat des différences si essentielles, qu’il a naturellement été impossible que tous les peuples se fissent une même langue, ou qu’ils pussent conserver celle qui leur auroit été commune à l’époque de leur origine.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 22): D’autres écrivains, plus séveres ou plus exacts logiciens, nous disent en général, qu’une langue ne doit être réputée nouvelle, que quand ceux qui la parlent, n’entendent plus la langue nationale sous son ancienne forme. Une langue reste la même, (disoit en 1757, M. de Grandval, académicien d’Arras,) tant que malgré ses autres variations, on peut toujours suivre ses traces, et trouver dans son origine, outre une grande partie de ses mots actuels, les principaux points de sa Grammaire. Que je lise, ajoutoit-il, les loix des douze tables, ou Ennius, ou Cicéron, n’estce pas toujours du latin que je lis? Souvent ce ne sont plus les mêmes mots; mais ce sont en général les mêmes formes, le même génie, les mêmes analogies, en un mot, le même caractère individuel. (BERNHARDI [1805] 1990: 45): Aus der Familie wird ein Stamm, der Ansichten, Bedürfnisse, Gegenstände, Veranlassungen werden mehrere, die Sprache selbst bildet sich aus, erhält durch den Gebrauch einen festern, allgemeinen Charakter. Diese Sprachen einzelner Stämme verschwinden späterhin in der Volkssprache und erhalten sich nur als Gegensatz derselben, in manchen Formen und Wendungen, sie erhalten den Namen der Dialekte.
III. Das Konzept der ‘Sprachveränderung’
gehört zu den zentralen Gegenständen der Sprachreflexion des 17. und 18. Jahrhunderts, bei der ein Bewusstsein für die Veränderlichkeit von Sprachen deutlich hervortritt. Die Sprachveränderung wird von verschiedenen Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts entweder anhand einer eher verallgemeinernden Betrachtungsweise, die für alle Sprachen relevant sein soll, thematisiert oder es werden verschiedene Entwicklungsstadien konkreter Einzelsprachen beschrieben. Die universalistisch orientierte Betrachtungsweise geht von der Möglichkeit der Einteilung der Sprachen in verschiedene Stadien aus, die eine jede Sprache durchlaufen müsse: Angefangen vom Sprachursprung, der Kindheit der Sprachen, über das Stadium ihrer Fortbildung (formation) bis hin zu ihrem Verfall (Korruption). Die Theorien zum Sprachursprung werden näher im Artikel ĺ Ursprung betrachtet, die des Sprachverfalls unter ĺ Korruption.
Sprachveränderung Die Betrachtung des Konzepts der ‘Sprachveränderung’ ist im 17. und 18. Jahrhundert von dem Bedürfnis nach der Erforschung von Gründen des Sprachwandels geprägt. Typisch für das Sprachdenken dieser Zeit ist z. B. die Annahme, dass die Sprachveränderung aus der Wechselhaftigkeit und Flatterhaftigkeit des Menschen erklärt werden kann, die als anthropologische Konstanten angesehen werden. Die Sprachveränderung widerspiegelt nach dieser Auffassung, die z. B. von Autoren wie COMENIUS, KIRCHER, LAMY oder MONBODDO vertreten wird, einen charakteristischen Wesenszug des Menschen. So sieht z. B. COMENIUS die Wechselhaftigkeit und Flatterhaftigkeit der Sprache (volubilissima Lingvæ humanæ volubilitas) als Hauptgrund für die Entstehung der Verschiedenheit der Einzelsprachen an (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Allein mit dem Vergehen der Zeit wandelten sich Aussprache (ĺ Artikulation) und ĺ Wortbildung unmerklich, wobei sich durchaus auch Formen eines falschen Sprachgebrauchs (ĺ Gebrauch) durchsetzen könnten. COMENIUS beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf Aussagen PLATONs im Kratylos, die die Veränderlichkeit der Sprachen belegen. So folgt er PLATONs Ansicht, dass manche Wörter, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der Sprachbetrachtung als kultiviert angesehen wurden, später durchaus als barbarisch verurteilt werden könnten. Im Hinblick auf die lateinische Sprache zitiert COMENIUS als Autorität POLYBIUS, der zwischen dem Latein seiner Zeit und dem seiner Vorfahren so große Unterschiede entdeckt haben wollte, dass einzig Menschen mit höchsten intellektuellen Fähigkeiten imstande wären, das alte Latein zu verstehen. Die lateinische Sprache erlebte nach der Auffassung des COMENIUS dann einen weiteren Niedergang und brachte schließlich die romanischen Sprachen hervor. Für COMENIUS ist somit die Geschichte der lateinischen Sprache die Geschichte ihres Verfalls (ĺ Korruption). Weitere Gründe für die Sprachveränderung sieht er in der Völkerwanderung und der Durchmischung verschiedener Volksstämme als Ergebnis kriegerischer Auseinandersetzungen. Diese These belegt er am Beispiel Italiens, dessen Sprache sich nach dem Einfall der Vandalen und der
557 Goten zu einem Gemisch aus diesen beiden Idiomen und der lateinischen Muttersprache entwickelt habe. Als Fazit seiner Ausführungen wählt COMENIUS den Weg der metaphorischen Darstellung, um das Phänomen der Sprachveränderung zu erklären: Er vergleicht nämlich die Sprache mit einem Kriegsheer: Ebenso wie in einem Heer eine Vielzahl von Soldaten im Kriege zerfleischt oder manchmal nur mühsam wieder einsatzfähig würde und ebenso wie die Soldaten Narben davontrügen oder für ein anderes Heer Kriegsdienst leisteten, sei auch die Sprache nach immer wiederkehrenden Niederlagen und langen Zeitabständen Veränderungen unterworfen. Die Konzeption der ‘Sprachveränderung’ als Entwicklung, die im Wesentlichen zur ĺ Korruption der Sprache führt, ist auch konstitutiv für das Sprachdenken KIRCHERs in seinem Werk Turris Babel (1679). Auch KIRCHER sieht die menschliche Inkonstanz als eine anthropologische Konstante an, die er für die Veränderungen der Sprache verantwortlich macht. Als weitere Gründe der Sprachveränderung nennt er die Durchmischung verschiedener Völker etwa im Rahmen von Handelsbeziehungen, die Änderung von Herrschaftsformen und die damit einhergehenden Eroberungszüge, die Zerstörung von Nationen durch schicksalhafte Entwicklungen wie Pestepidemien, Kriege und Hungersnöte, die Bildung von Kolonien und daraus resultierende Wechselwirkungen zwischen den Sprachen der Eroberer und der Eroberten sowie die unterschiedliche Konfiguration der Sprechorgane bei einzelnen Individuen und Völkern. Eine kausalistische Erklärung der Sprachveränderung versucht auch LAMY zu liefern: Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die babylonische ĺ Sprachverwirrung, die jedoch keineswegs die einzige Ursache der Verschiedenheit und Vielfalt der Sprachen (ĺ Universalität und Verschiedenheit) darstelle. Schließlich gebe es heute auf der Erde weitaus mehr Einzelsprachen, als sie die 72 Stämme, die von Noah abstammten, gesprochen haben könnten. Zur Erklärung der Vielzahl der Sprachen, die seit Babel entstanden seien, zieht LAMY das Phänomen der Sprachveränderung heran. Prozesse der Sprachveränderung beschreibt LAMY als unbewusste,
558 nicht wahrnehmbare Entwicklungen. Wie alle anderen Dinge auch, unterläge die Sprache nicht wahrnehmbaren Veränderungen (des changemens insensibles). Diese Veränderungen könnten so weit gehen, dass das Ausgangsstadium der jeweiligen Sprachen ab einem bestimmten Zeitpunkt kaum mehr erkennbar sei. Zweifelsohne stamme das Französische, das man zu LAMYs Zeiten spräche, von dem Französischen ab, welches vor 500 Jahren gebraucht wurde, aber dennoch könne man jenes Altfranzösisch kaum verstehen. Zu vergleichbaren Ergebnissen sei QUINTILIAN gekommen, der schreibt, das Latein seiner Zeit unterscheide sich so sehr von dem der Frühzeit, dass die Priester kaum mehr die alten Hymnen verstünden, die die ersten römischen Priester erfunden hätten. Die Gründe für die Sprachveränderung sieht LAMY in der Wankelmütigkeit (inconstance) der menschlichen Spezies. Somit wird in dieser Argumentation eine anthropologische Konstante als eine Hauptursache des Sprachwandels angeführt. Die Liebe zu neuen Wortschöpfungen (ĺ Neologismen) und neuartigen Redewendungen sei für die ständige Veränderung der Sprachen verantwortlich zu machen, in deren Gefolge im Laufe der Jahre eine völlig neue Sprache entstehen könne. Eroberungen und Kolonialisierungen führten zu einem Verfall (corruption) der Sprache, die im Anschluss von den schädlichen Einflüssen der Sprache der Eroberer befreit werden müsse (ĺ Korruption). Als Ergebnis dieses Prozesses seien etwa die romanischen Sprachen entstanden, deren Sprecher nach ihrer Unabhängigkeit von der römischen Herrschaft zusehends ihre eigenen Sprachen von diesem heruntergekommenen Latein der Spätzeit (ce jargon qui s’étoit introduit aprés la decadence de l’Empire & de la Latinité) zu befreien vermocht hätten. Zentral für LAMYs Argumentation ist die Auffassung, dass der Prozess der Kolonialisierung zur Herausbildung einer Vielfalt von Sprachen geführt habe, da viele Eroberer die eigene Sprache nur unzureichend beherrschten, was schließlich den Verfall der Sprache (ĺ Korruption) verursacht habe. Da die Sprache der Eroberer sowohl im eigenen Land als auch in der jeweiligen Kolonie der Sprachveränderung unterworfen sei, müsse sie sich
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung notwendigerweise in mehrere Einzelsprachen aufspalten. Die Bedeutung von Fremdeinflüssen auf die Sprache eines Landes durch Barbareninvasionen wird in einem gänzlich anderen Zusammenhang in LEIBNIZ’ Unvorgreiffliche[n] Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache von 1697 thematisiert. In seinem Vorschlag zur Verbesserung der deutschen Sprache bemerkt LEIBNIZ, dass die Durchsetzung einer weit reichenden Sprachreform, die zu viele Lehnwörter zulasse, eine so starke Verwirrung stiften könne, dass es Hunderte von Jahren dauern würde bis die Sprachgemeinschaft die Reformvorschläge sanktioniert habe. Da eine Vielzahl von Personen Fremdwörter nicht richtig verstehe und noch weniger zu schreiben vermöge, würde sich die Sprache selbst bei dieser Form einer friedlichen Assimilation fremden Wortgutes ebenso verändern wie bei den Invasionen fremder Völker. Barbareninvasionen führen auch nach LEIBNIZ’ Auffassung zu einem Verfall (Unordnung) der Sprache (ĺ Korruption). Auf verschiedene Epochen einer Sprache, konkret der italienischen, bezieht sich MURATORI zu Anfang des 18. Jahrhunderts, um das Problem der Sprachveränderung zu exemplifizieren. Seine Bemerkungen zur Sprachveränderung sind in Überlegungen zur Erstellung eines Regelwerks der italienischen Sprache eingebettet und müssen im Zusammenhang der Questione della Lingua, der Jahrhunderte überdauernden Diskussion um eine allgemein verbindliche italienische Nationalsprache, gewürdigt werden. MURATORI hält die ersten Autoren, die in italienischer Sprache schrieben, für vorbildlich, so wie auch für die Römer die ersten Autoren in lateinischer Sprache als Exempla galten, ohne dass dies dem ruhmreichen Jahrhundert CÄSARs Abbruch getan hätte. Als überaus schädlichen Einfluss auf das Italienische prangert MURATORI den Marinismus des 17. Jahrhunderts an, der durch seine Künstelei von der eigentlichen Beschäftigung mit der Sprache abgelenkt habe. Allerdings habe es im 17. Jahrhundert in Italien auch an vorbildlichen Autoren gefehlt, wohingegen im 18. Jahrhundert durch die Blütezeit der Poesie auch eine neue
Sprachveränderung Goldene Ära der italienischen Sprache eingeläutet worden sei. Ebenso wie MURATORI, der seine Überlegungen zur Sprachveränderung im Zusammenhang mit der Normierungsdiskussion zum Italienischen äußert (ĺ Normierung), nimmt JAUCOURT in der Encyclopédie im Artikel Tudesque Bezug auf eine konkrete Einzelsprache, nämlich das Altdeutsche. So habe sich das Altdeutsche mit dem Lateinischen und den romanischen Sprachen vermischt und seinerseits Lehnwörter an diese Sprachen übergeben. Dieser Einfluss des Altdeutschen habe den Franken die Rauheit (la rudesse) und die Armut (la disette) ihrer eigenen Sprache vor Augen geführt, was schließlich die Einführung einiger neuer Buchstaben verursacht habe. Zur Sprachbereicherung sei es notwendig gewesen, auch die Buchstaben neu ins Alphabet einzufügen, die den neu eingeführten Lauten entsprachen. Allerdings habe sich eine beachtliche Schwierigkeit durch die inkonsequente Zuordnung von Lauten und Buchstaben (ĺ Laut vs. Buchstabe) in der französischen Sprache ergeben. Im Zuge der Bemühungen um eine Bereicherung des Französischen (illustration), die u. a. im Gefolge von DU BELLAYs Deffense et illustration de la langue françoyse aufgetreten waren, fanden zahlreiche Buchwörter und latinisierte Schreibungen Eingang in das Französische. Da eine Vielzahl der lateinischen Grapheme des Französischen jedoch (bis auf den heutigen Tag) keine Entsprechungen in der gesprochenen Sprache aufweist, beklagt JAUCOURT in seinem Encyclopédie-Artikel zu Recht die Sonderbarkeiten der französischen ĺ Orthographie (les bisarreries de l’orthographe). Im Gegensatz zu den einzelsprachlich orientierten Überlegungen MURATORIs oder JAUCOURTs im Artikel Tudesque sind CONDILLACs Reflexionen zur Sprachveränderung in seine Konzeption des Sprachursprungs (ĺ Ursprung) eingebettet. Zu Beginn der Sprachgenese hätten die ersten Menschen als Verbformen ausschließlich Infinitivformen verwandt, wie sie sich überhaupt zunächst auf das Verb sentir (‘fühlen’) beschränkt hätten, da die Sinnestätigkeit Ausgangspunkt ihres gesamten Handelns gewesen sei. Erst ganz allmählich hätten sie im Zuge der Herausbildung der
559 verschiedenen Verben schließlich die Konjugation erfunden. Es sei ihnen leichter erschienen, die Verben nach der Konjugationsform als nach dem Satzsinn zu unterscheiden. Im Gegensatz zu den Verben (ĺ Verb) seien die ĺ Pronomen jedoch erst sehr spät erfunden worden, da man zu Beginn der Sprachentstehung daran gewohnt gewesen sei, eine Person oder einen Gegenstand stets gleich zu benennen. CONDILLACs Überlegungen zur Sprachveränderung im Essai sur l’origine des connoissances humaines sind somit insbesondere im allgemeineren Kontext der Entstehung der Sprache überhaupt zu würdigen. Im Zusammenhang von Überlegungen zum ĺ Ursprung der Sprache stellt auch ROUSSEAU seine Betrachtungen zur Sprachveränderung im Essai sur l’origine des langues an. Nach ROUSSEAUs Auffassung beruht die Sprachveränderung einzig auf den Bedürfnissen (les besoins) des Menschen. Die Sprachen veränderten sich entsprechend dem Wandel der Bedürfnisstruktur der jeweiligen Gesellschaft. Wie ROUSSEAU in seinen Ausführungen zum Sprachursprung, die in den Discours de l’inégalité eingebettet sind, darlegt, war die Extension der Wörter, die die Menschen zu Beginn der Sprachentstehung benutzten, wesentlich größer als in der Folgezeit. Schließlich habe zu Beginn der Sprachgenese ein einziges Wort für den Inhalt einer ganzen Aussage stehen können, da man die verschiedenen Redeteile (parties du discours) noch nicht gekannt habe. Im Verlaufe der Sprachentwicklung wären die Substantive (ĺ Nomen) zunächst reine Eigennamen gewesen, als Verbform (ĺ Verb) hätte man nur den Infinitiv gebraucht und vor dem Gebrauch der Adjektive hätte man sich gescheut, da diese eine nicht unbeträchtliche Abstraktionsleistung erfordert hätten, die die Menschen am Anfang der Sprachentstehung kaum zu vollbringen vermocht hätten. Die Erklärung des Ursprungs (ĺ Ursprung) und der weiteren Entwicklung der Sprachen ist das Hauptanliegen von DE BROSSES im Traité de la formation méchanique des langues von 1765, in dem der Autor eine Art universelles Modell der Entwicklungsstadien der Sprache entwirft. Dabei unterscheidet DE BROSSES vier Stufen. Zunächst wäre da die einfache Kindheit (enfance primitive) der
560 Sprache zu nennen, die er auch als Wehklagen der Natur (le vagissement de la nature) bezeichnet. Darauf folge das Jugendalter der Sprache (son adolescence), an das sich ihre Reifezeit (maturité) und schließlich ihre Auflösung (dissolution) anschließe. Grundsätzlich muss DE BROSSES’ Konzeption der Entwicklung der Sprache im Kontext seiner mechanistisch-physiologischen Sprachauffassung gewürdigt werden, weil er die Keimzellen der Sprache, jene Wurzelwörter, aus denen sich sämtliche Sprachen der Welt entwickelt hätten, als notwendiges Resultat der anatomischen Konfiguration der Sprechorgane und ihrer natürlichen Mechanismen ansieht. Da DE BROSSES’ Sprachkonzeption primär auf der ĺ Natürlichkeit der Sprache beruht, fügt sich seine anthropomorphe Vision von Ursprung und Entwicklung der Sprache gut in seine Gesamtvorstellung vom ĺ Wesen der Sprache ein. Während die Übergänge von der “Kindheit” der Sprache zu ihrem “Jugendalter” und ihrer “Reifezeit” für DE BROSSES nicht eindeutig auszumachen sind, lässt sich der Verfall der Sprache (ĺ Korruption) deutlicher rekonstruieren. Interessanterweise zieht DE BROSSES zur Charakterisierung des Jugendalters der Sprache die Sprachen exotischer Völker (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) heran. So sei allen exotischen Völkern ein identischer Ausgangspunkt gemeinsam: die rein natürliche und notwendige Ausbildung von Urlauten und Urwörtern. Ebenso wie DE BROSSES verbindet auch HERDER seine Ausführungen über den ĺ Ursprung der Sprache und deren Fortentwicklung mit Gedanken zur Sprachveränderung. Die von HERDER vertretene Position zum Sprachwandel ist im Kontext seiner anthropologischen Konzeption zu würdigen: Für HERDER ist der Mensch, dieses mit Besonnenheit begabte Geschöpf, zwar hinsichtlich seiner Primärinstinkte weit hinter den Tieren anzusiedeln, da er während der ersten Lebensjahre auf elterliche Fürsorge angewiesen ist, aber er vermag zu lernen und auf diese Weise kulturelle Fortschritte zu erzielen. Allein durch den didaktischen Akt des Lehrens der Sprache seitens der Eltern verändere sich die Sprache bereits, weil der Lehrende seine Arti-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung kulationsbewegungen (ĺ Artikulation) und Laute immer wieder selber überprüfe. Wie der gesamte Mensch, so ist auch die Sprache nach der Auffassung HERDERs permanenter Entwicklung unterworfen. Dies mag einer von mehreren Gründen sein, warum HERDER die Normierungsbestrebungen der Académie Française, die ihm allzu sehr als Apologie des Klassizismus erscheinen, kritisiert (ĺ Normierung). In Anspielung auf die vorgebliche sprachliche Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) und ĺ Klarheit der französischen Sprache, die die Wörterbücher des klassischen französischen Jahrhunderts festhielten, fragt HERDER ironisch, ob die französische Sprache denn schon so fertig ausgebildet sei, dass kein neuer Autor und keine neue gesellschaftliche Mode sie mehr bereichern könnten. Dem Konservatismus sprachpflegender Institutionen wie der französischen Akademie hält HERDER somit seinen Entwicklungsgedanken entgegen, der die Weiterentwicklung der Sprache als Chance für den Fortschritt begreift. HERDER ist sich auch der Bedeutung der wechselnden Moden und Bräuche für die Entwicklung der Sprache bewusst. Um die Sprachveränderung, die sich in ihrer Gesamtheit nur langsam vollzöge, beschreiben zu können, müsse man Verwandtschaftsverhältnisse der Völker untereinander ebenso berücksichtigen, wie die “kleinen Nuancen von Denk- und Mund- und Lebensart”. Dieses Postulat HERDERs mag man auch im Kontext der von der Berliner Akademie für das Jahr 1759 aufgegebenen Preisfrage nach dem wechselseitigen Einfluss der Meinungen des Volkes auf die Sprache, die von MICHAELIS siegreich beantwortet wurde, betrachten. Jedoch war die Auffassung von einer Korrelation zwischen dem besonderen Charakter einer Sprache und dem Nationalcharakter eines Volkes speziell im 18. Jahrhundert sehr geläufig (ĺ besonderer Charakter einer Sprache) und beispielsweise von CONDILLAC ausführlich im Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746) dargelegt worden. MICHAELIS, auf den HERDER in seiner Abhandlung von 1772 Bezug nimmt, verweist in seiner Preisschrift allerdings darauf, dass der Einzelne nur in geringem Maße zur Sprachveränderung beitragen könne. Sprachliche
Sprachveränderung Neuschöpfungen vergleicht er mit den Blüten eines Baumes, von denen die meisten abfallen, wobei er sich bei diesem Vergleich direkt an ein Bild aus der Ars poetica des HORAZ anlehnt (HORAZ: Ars poetica, 60–63). Auch HERDERs Konkurrenten in der Sprachursprungsfrage der Berliner Akademie beschränkten sich in ihren Darstellungen keineswegs auf den ĺ Ursprung der Sprache, sondern gingen auch näher auf die Weiterentwicklung der Sprachen und die Gründe der Sprachveränderung ein. Insbesondere im Manuskript 665 (Preisfrage 1771, Manuskript IM-665) finden sich einige wichtige Hinweise auf den Sprachwandel, die im Zusammenhang einer Zeichentheorie präsentiert werden: Die Sprache setze sich aus zwei Dingen, der Vorstellung (idée) und dem Ausdruck (expression), zusammen. Anhand der ĺ Etymologie könne man beweisen, dass sowohl die Vorstellung als auch der Ausdruck starke Veränderungen erlitten hätten, was keineswegs nur auf den Kontakt zu anderen Sprachen zurückzuführen, sondern ebenso mit sprachimmanenten Gründen zu motivieren sei (ĺ Zeichen und Idee). Eine Einzelsprache für sich allein genommen ist nach dieser Auffassung nicht unbedingt auf exogene Faktoren, wie etwa Barbareninvasionen, angewiesen, um sich zu verändern. Neben intrinsischen Faktoren, die zur Sprachveränderung führen können, werden im Manuskript 665 (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665) aber auch extrinsische Faktoren wie Fremdeinflüsse (causes étrangères), die große Anzahl der Reisenden (le grand nombre de voyageurs), die Nachbarschaft zu einem anderen Volk (le voisinage d’un autre peuple), Kriege (les guerres), Migrationen (les migrations) und der Handel (le commerce) genannt. All diese Einflüsse zusammen genommen oder auch jeder einzelne für sich reichten aus, um täglich neue Wörter und Redewendungen in die Sprache einzuführen. Ein weiterer Grund für die Sprachveränderung wird in der Erlernung toter und moderner Fremdsprachen gesehen, wobei sich auch hier wechselseitige Einflüsse zwischen alten und modernen Sprachen oder auch zwischen verschiedenen modernen Sprachen untereinander auf die Sprachentwicklung auswirken. Zu guter Letzt wird die Vorreiterrolle der Gelehrtenrepublik genannt:
561 Die gens de lettre hätten von jeher um eine Vervollkommnung der Sprache gerungen und sich um kraftvolle Redewendungen und neue Wortschöpfungen (ĺ Neologismen) bemüht. Die Vorbildfunktion großer Schriftsteller ist auch für RIVAROL ein wichtiges Element für eine ersprießliche Weiterentwicklung der Sprache. Da jedoch die sprachlichen Veränderungen und Revolutionen (les changements et les révolutions de la langue) abrupt erfolgt seien, sei es unnötig gewesen, die Werke des jeweils vorangegangenen Jahrhunderts zu lesen. In dieser langen Ahnengalerie von Schriftstellern habe ein jeder geglaubt, selbst die sprachliche Vollkommenheit erreicht zu haben (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Trotz der großen Vielzahl an Varianten und Variationen sei jedoch der Einfluss der Nation auf ihre Sprache immer deutlich zutage getreten (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Die französische Satzkonstruktion habe sich immer durch ihre Direktheit und ĺ Klarheit (clarté) ausgezeichnet, schreibt RIVAROL in Anspielung auf die Subjekt-Prädikat-Objekt-Wortstellung des Französischen (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Nach RIVAROLs Meinung musste die französische Sprache nur zwei Formen schädlicher Einflüsse (deux sortes de barbaries) bekämpfen: die unkritische Übernahme von Lehngut und den schlechten Geschmack des jeweiligen Jahrhunderts, das die Übernahme solcher Fremdwörter zugelassen hatte. In diesem Zusammenhang empört sich RIVAROL – ähnlich wie schon JAUCOURT im Encyclopédie-Artikel Tudesque – über die inkonsequente latinisierte Schreibung französischer Laute, spricht er doch von einer Trennung von ĺ Orthographie und Aussprache (ĺ Artikulation) (ce divorce de l’orthographe et de la prononciation). Wie deutlich sich die Sprachveränderung gerade in der Aussprache manifestiert (ĺ Artikulation), zeigt auch BEATTIE, der auf die großen regionalen Differenzen bei der Aussprache des gleichen Wortes in verschiedenen britischen Provinzen verweist. Eine noch größere Variation hinsichtlich der Aussprache ließe sich jedoch am Anfangsstadium der Entwicklung einer Volkssprache feststellen, wenn die Literatur noch an ihrem Beginn stehe (while literature is in its infancy). Ähnlich
562 wie DE BROSSES unterteilt auch BEATTIE in einer anthropomorphen Konzeption die Sprachentwicklung in folgende Stadien: frühe Kindheit (infancy), Kindheit (childhood), frühes Jugendalter (premature manhood) und Jugend (youth). BEATTIE beklagt, dass die modernen Fremdsprachen sich im Vergleich zu den alten Sprachen Griechisch und Latein viel zu schnell entwickelt hätten und man sie in einem noch unvollständigen Stadium bereits fixiert habe. Die modernen Fremdsprachen seien im Vergleich zu den klassischen Sprachen, denen eine viel längere Entwicklungszeit beschieden gewesen sei, frühreif (premature) gewesen, da sie sich zu schnell entwickelt hätten. Demgegenüber beschreibt BEATTIE die klassischen Sprachen als privilegiert, da man sie erst schriftlich fixiert habe, als ihre Gestalt bereits abgerundet und wohlgeformt war. Dass die Sprachen einer beständigen Veränderung und Fortentwicklung unterworfen seien, ist auch ein zentrales Argument der sprachtheoretischen Reflexion PRIESTLEYs. Sprachen verdanken nach seiner Auffassung zumindest ihre Fortentwicklung, wenn nicht gar ihren ĺ Ursprung der menschlichen Erfindungsgabe. Da sie nur durch den ĺ Gebrauch (use) fortzubestehen vermögen und die tägliche Launenhaftigkeit (caprice) der Menschen sie zum Opfer immer neuer Veränderungen werden lasse, könnten Sprachen nicht lange in demselben Zustand verharren. PRIESTLEY führt hier eine anthropologisch motivierte Begründung an, die an die Konzeptionen etwa von COMENIUS, KIRCHER, LAMY, FRAIN DU TREMBLAY oder MONBODDO erinnert, für die ja auch die menschliche Flatterhaftigkeit (volubilitas) den Hauptgrund der Sprachveränderung darstellt. In PRIESTLEYs Argumentation werden allerdings zwei scheinbar konfligierende Elemente der Sprachentwicklung miteinander verwoben: Einerseits nimmt er ähnlich wie DE BROSSES oder BEATTIE verschiedene Stadien der Sprachentwicklung an. Für PRIESTLEY lässt sich bei allen Sprachen, ob alt oder modern, ein regelmäßiges Wachstum (regular growth), eine sich daran anschließende Verbesserung (improvement) und zuletzt ein Niedergang (declension) konstatieren. Diese Konzeption des Sprachwandels legt eine kontinuierliche Ent-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung wicklung dar, die der Sprache selbst inhärent zu sein scheint. Demgegenüber postuliert PRIESTLEY aber andererseits die Existenz zahlreicher Fluktuationsbewegungen, die inmitten dieser scheinbar statisch gegebenen Entwicklungsphasen auftreten. Damit stellt PRIESTLEY der scheinbar von Natur aus gegebenen relativen Langsamkeit der Sprachentwicklung eine dynamische Sprachkonzeption entgegen: Selbst die gesündeste innere Verfassung könne die Sprache nicht vor Revolutionen und gelegentlichen Übergriffen schützen. Die Sprachveränderung offenbart sich PRIESTLEY somit in einer Dualität von Statik und Dynamik, von Generellem und Akzidentellem. Das regelmäßige Wachstum der Sprache sei das Ergebnis der täglich neu auftretenden Notwendigkeit, Dinge mit Namen zu belegen, wobei insbesondere Nationen, die mit unterschiedlichsten Naturschauspielen konfrontiert wurden, zu einer Verbesserung ihres Handwerks und ihrer Künste und damit auch ihrer Sprache gezwungen worden seien. In einem deutlichen Gegensatz zu den hier vorgeführten Konzeptionen von Sprachveränderung steht die Auffassung THIÉBAULTs. Zunächst konzediert THIÉBAULT, dass im Laufe der Geschichte eine Vielzahl von Gründen die Existenz einer der gesamten Menschheit gemeinsamen ĺ Ursprache verhindert habe, da die verschiedenen Einzelsprachen immer wieder zahlreichen Veränderungen zum Opfer gefallen seien. Was jedoch die Sprachveränderung beträfe, so sei sie eine akzidentelle Erscheinung, da die Sprachen selbst über Jahrhunderte dieselben geblieben seien. So sei es gleich, ob man die Zwölftafelgesetze, ENNIUS oder CICERO lese, man lese im Grunde immer Latein. Auch wenn sich im Bereich des Wortschatzes oftmals Veränderungen ergäben, so blieben doch im Allgemeinen die Formen, die Analogiebildungen (ĺ Analogie) und der individuelle Charakter der Sprache, das génie d’une langue (ĺ besonderer Charakter einer Sprache), erhalten. THIÉBAULT plädiert somit für eine statische Auffassung der Sprachveränderung, die diese auf den Bereich der Lexik beschränkt. Reflexionen des 17. und 18. Jahrhunderts zur Sprachveränderung zeigen eine Reihe gemeinsamer Argumentationen, die den Wandel der Sprache erklären sollen. Geläufig erscheint
Sprachveränderung die allgemeine Begründung der Sprachveränderung mit der Wankelmütigkeit des Menschen, die als eine anthropologische Konstante beurteilt und auch auf das Wesen der menschlichen Sprache bezogen wird (ĺ Wesen der Sprache). Tendenziell wird die Sprachveränderung als ein eher negatives Phänomen beurteilt, das etwa in den Konzeptionen von KIRCHER, FRAIN DU TREMBLAY oder DE BROSSES in die ĺ Korruption der Sprache mündet. Diese kritische Sicht des Sprachwandels beruht auf der Vorstellung von der Existenz eines Sprachzustandes der Vollkommenheit, der jedoch durch die Vorliebe des Menschen für wechselhafte Moden, Luxus und Überfluss zerstört wird. Bereits im 17. und 18. Jahrhundert wird zwischen internen und externen Gründen des Sprachwandels unterschieden, ohne freilich den Abstraktionsgrad einer Sprachwandeltheorie zu erreichen, wie sie in der Zeit der Professionalisierung der Sprachwissenschaft ab dem 19. Jahrhundert möglich wurde. Als sprachinhärente Gründe für das Phänomen der Sprachveränderung werden etwa von FRAIN DU TREMBLAY, RIVAROL oder MONBODDO Veränderungen der Aussprache genannt. Für den lexikalisch-semantischen Bereich führen etwa LEIBNIZ, JAUCOURT oder RIVAROL Erscheinungen wie Lehnwörter und ĺ Neologismen an, die durch Prozesse der Assimilation oder aber auch durch Barbareninvasionen in das Wortgut einer Sprache eindringen. Als externe Gründe für die Sprachveränderung werden Völkerwanderungen, Migrationen, Eroberungszüge und Prozesse der Kolonialisierung genannt. Diesbezügliche Überlegungen etwa bei LAMY lassen bereits VON WARTBURGs Substrat-Theorie erahnen. Auch FRAIN DU TREMBLAYs Gleichsetzung der Sprachveränderung mit dem Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch), der als eine fortwährende Veränderung (perpetuel changement) definiert wird, scheint mit COSERIUs Vorstellung vom Sprachwandel als eines dynamischen Prozesses des Werdens, der von den Faktoren der Norm und des Gebrauchs beeinflusst wird, durchaus vereinbar. Das Verhältnis von Sprachveränderung, Sprachgebrauch und Norm wird auch im 17. und 18. Jahrhundert bereits problematisiert, wie z. B. an den Überlegungen MURATORIs, JAUCOURTs oder
563 RIVAROLs deutlich wird, die die Rolle vorbildlicher Schriftsteller für die Etablierung einer Norm und ihren Einfluss auf die Sprachentwicklung hervorheben. Obwohl gerade im 18. Jahrhundert die Sprachveränderung etwa von DE BROSSES, MONBODDO oder BEATTIE in eine Konzeption der Sprachentwicklung eingebettet ist, die von der Existenz verschiedener aufeinanderfolgender Stadien vom ĺ Ursprung bis zur ĺ Korruption ausgeht, finden sich ebenfalls bereits Ansätze wie bei THIÉBAULT, die dieser dynamischen Vorstellung eine Auffassung der Sprachveränderung entgegenstellen, die vor allem die Systematizität der Sprache hervorhebt und Sprachveränderungen eher als ein relativ statisches Phänomen begreift.
IV. Das Bewusstsein für die Veränderlich-
keit von Sprachen lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. Schon HORAZ vergleicht in seiner Ars poetica die Sprache mit einem Baum, auf dem im Wechsel neue Blüten prangen und wieder hinabfallen (Ut foliae pronos mutantur in annos, prima cadunt …). Sprache ist für ihn ein dynamisches Phänomen, das durch seine Veränderlichkeit gekennzeichnet ist. Schon HORAZ macht die Neuerungssucht der Menschen für die Entstehung von ĺ Neologismen verantwortlich. Zu allen Zeiten scheinen sich eher statische oder eher dynamische Modelle der Sprachveränderung gegenüber zu stehen. Je nachdem, ob sich die Argumentation eher auf lexikalische Innovationen oder auf die relative Kontinuität des sprachlichen Formenbestandes stützt, wird der Sprachveränderung eine unterschiedliche Bedeutung zugemessen. Allerdings scheint dem Problem der Sprachveränderung eine grundlegende Aporie innezuwohnen (vgl. COSERIU 1974). Denn bereits die Frage, warum Sprachen sich ändern, scheint ihre natürliche Statizität auszuschließen. COSERIU spricht in Bezug auf diese Problemstellung vom “Paradoxon der Sprache” (COSERIU 1974: 7). Das Kardinalproblem der Betrachtung der Sprachveränderung besteht für COSERIU darin, ob man im Humboldtschen Sinne Sprache als ein sich entwickelndes Phänomen betrachtet, das als energeia begriffen wird oder als ein fertiges Gebilde, als ein Werk (ergon), das durch Statizität gekennzeichnet ist.
564 Im 19. Jahrhundert liefert HUMBOLDT zwar noch keine Theorie des Sprachwandels, aber er gibt dazu mit seinem Postulat einer historisch-philosophischen Untersuchung der Sprache, die er einerseits als ein historisches Phänomen und andererseits als eine allgemeine Erscheinung begreift, wichtige Impulse. Sprache sieht HUMBOLDT als einen immerwährenden Prozess der Zeichenkonstituierung an, wobei er sowohl Dynamik als auch Systemhaftigkeit als Wesenszüge der Sprache beschreibt. Neben HUMBOLDT leistet vor allem WHITNEY einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Sprachwandeltheorien, etwa in seinem Werk Language and the Study of Language (1867). WHITNEY begreift sich als Repräsentanten einer allgemeinen Sprachwissenschaft, die Gesetzesmäßigkeiten und Prinzipien der Sprache erforschen will. Im Gegensatz zur Organismuskonzeption der Sprache, wie sie etwa von SCHLEICHER vertreten wurde, sieht WHITNEY Sprache als eine soziale Institution, die in den Zuständigkeitsbereich der Geistesund nicht der Naturwissenschaften fällt. Da der Zweck der Sprache in ihrer Mitteilungsfunktion bestehe (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache), ist sie nach WHITNEY einem beständigen Wandel unterworfen, der sich allerdings nur langsam und unbewusst vollziehe. Sprachveränderungen, die sich auf den Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) auswirken, dürfen nach seiner Auffassung nicht allzu stark von der geltenden Norm abweichen. Ebenso wie WHITNEY sieht auch PAUL Sprache als Gegenstand der historischen Forschung an. PAULs Principien der Sprachgeschichte (1880) markieren den Höhepunkt von Überlegungen zum Sprachwandel im 19. Jahrhundert. Die Sprachentwicklung versteht er als eine Gesamtheit unendlich vieler individualpsychologischer Bewegungen, neben denen der Sprachgebrauch in Erscheinung tritt, den PAUL nicht als Abstraktion, sondern als real wirksames Phänomen betrachtet. Während Erklärungen des Sprachwandels im 17. und 18. Jahrhundert noch ganz im Zeichen spekulativer und genetischer Überlegungen standen, wird das Phänomen der Sprachveränderung im 19. Jahrhundert nicht zuletzt durch die Arbeiten der Junggrammatiker einem Prozess der Rationalisierung unterzogen,
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung indem mit dem junggrammatischen Postulat von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze im Gegensatz zu als mysteriös empfundenen externen Faktoren ein allgemeingültiger Grundverlauf von Prozessen der Sprachveränderung gefordert wird. Im 20. Jahrhundert erhält die Diskussion um Statik oder Dynamik der Sprache einen entscheidenden Impuls durch die Postulate des Strukturalismus und insbesondere die Sprachkonzeption SAUSSUREs. Durch seine Unterscheidung von Sprache (langue) und Rede (parole) und die Beschränkung der Sprache auf eine rein synchrone Perspektive, auf einen Ist-Zustand, der alle geschichtliche Entwicklung ausklammert, wird die Sprachveränderung als solche, wenn nicht negiert, so doch zumindest für irrelevant erklärt. Mit der Erklärung, dass der Gegenstand der Linguistik einzig die Betrachtung eines synchronen Sprachzustandes sei, fällt nach der Saussureschen Auffassung die Betrachtung der Sprachveränderung aus dem Forschungsbereich der Linguistik heraus. Wenngleich SAUSSUREs Ansatz deutlich in der wissenschaftlichen Tradition eines VON DER GABELENTZ, eines MARTY oder eines PAUL verwurzelt ist, der Usuelles von Okkasionellem trennt, verschließt die Beschränkung auf die Betrachtung des Sprachsystems SAUSSUREs Blick gegenüber der Realisation von Sprache, der Performanz, der parole. SAUSSUREs Trennung von Sprachzustand und Sprachentwicklung provozierte auch die Kritik JAKOBSONs und der Prager Schule, die den Saussureschen Systembegriff als unvereinbar mit dem Phänomen des Sprachwandels ansahen, der nach SAUSSURE allenfalls als Störung des systematischen Gleichgewichtes beurteilt werden könnte. Dem setzen die Vertreter des Prager Funktionalismus ihre Auffassung von der Sprache als offenes, dynamisches System aus verschiedenen Subsystemen, denen unterschiedliche Funktionen zugeschrieben werden können, entgegen. Die Tendenz, Sprachveränderung als Resultat externer Faktoren zu betrachten und von der konkreten Realisierung der Sprache in der parole zu abstrahieren, hat als Antwort auf SAUSSUREs Postulate zu einer gewissen Ratlosigkeit angesichts des Phänomens der Sprachveränderung geführt. Versuche einer
Sprachveränderung Problemlösung finden sich etwa in COSERIU 1974, CHERUBIM 1975, LASS 1980, POSNER 1980, DAUSES 1990 oder KELLER [1990] 1994. Im Rahmen einer Sprachwandeltheorie, der die Begriffe ‘Synchronie’, ‘Norm’ und ‘Usus’ zugrunde liegen, beschreibt COSERIU Sprachveränderung als einen Prozess ständiger Systematisierung, der kontinuierlichen Veränderungen ausgesetzt ist, die auf die Optimierung des Sprachsystems zielen und durch die Kreativität des Sprachgebrauchs gelenkt werden. Im Sinne HUMBOLDTs begreift COSERIU Sprachwandel als einen Prozess des Werdens, der durch die Sprechtätigkeit aktualisiert wird und als kontinuierlicher Verlauf zu beschreiben ist. Gegen die Saussuresche Trennung von Synchronie und Diachronie fordert COSERIU eine Form der Sprachbeschreibung, die Geschichtlichkeit und Systemhaftigkeit miteinander vereinbart, da die Sprachgeschichte sowohl die Entwicklung der Sprache als auch ihre Funktionalität mit einschließe. DAUSES, der sich um eine Systematisierung von Sprachwandeltheorien bemüht, wendet sich gegen das Postulat der Junggrammatiker vom blinden Lautgesetz, das er als Fiktion kritisiert (DAUSES 1990: 12). Gegen die rein systemimmanente Betrachtung der Sprache betont DAUSES, dass die Sprache ein fait social sei, nicht nach einem vorhersehbaren Programm ablaufe und nicht in vorhersehbarer Weise reagiere. Exemplarisch wendet er sich gegen die Vorstellung von der Homophonie als Störfall des Sprachsystems. Homophonie beeinträchtige das Funktionieren der Sprache nicht, da Homophone mit Hilfe des Kontextes problemlos disambiguiert werden könnten. Zudem kritisiert er die namentlich in der Romanistik verbreitete Tendenz, Lautentwicklungen und Lexeme weitgehend kontextfrei zu untersuchen, da diese Form der Betrachtung zwangsläufig Sprachwandel als “Zickzackkurs” ansehen müsse, bei dem die Sprache auf Kollisionen und Bezeichnungslücken reagieren müsse. Dagegen plädiert DAUSES für ein probabilistisches Modell, das z. B. davon ausgeht, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein intervokalischer Plosiv irgendwann lenisiert wird, ohne jedoch die Zwangsläufigkeit einer derartigen Entwicklung zu postulieren. Gegen eine rein
565 sprachimmanente Betrachtung der Sprachveränderung, die vor allem Wandel im Bereich der Laute und einzelner Lexeme untersucht, fordert DAUSES, den Sprachwandel primär als ein gesellschaftliches Phänomen zu betrachten. KELLER ([1990] 1994) beschreibt den Sprachwandel als ein invisible-hand-Phänomen. Für KELLER ist die Sprache weder ein Naturphänomen, das von Gott geschaffen wurde, wie es z. T. manche Theorien selbst im 18. Jahrhundert suggerieren (ĺ Ursprung), noch handelt es sich dabei um ein Artefakt, sondern vielmehr um eine kollektive nicht-intendierte Konsequenz intentionalen individuellen Handelns. KELLER möchte Sprachwandel weder kausal durch die Ermittlung von Gründen der Sprachveränderung noch final durch die Bezugnahme auf Funktion und Zweck der Sprache erklären, sondern als einen Prozess, der nicht zwangsläufig und nicht notwendigerweise abläuft. Moderne Theorien zum Konzept der ‘Sprachveränderung’ zeichnen sich durch eine Vielfalt von Ansätzen aus, die entweder sprachimmanente oder exogene Faktoren privilegieren, bald den dynamischen, bald den eher statisch-systematischen Charakter der Sprache in den Vordergrund stellen, bald Analogien oder Anomalien den Primat zuerkennen. Eine wichtige Rolle spielt bei diesen Untersuchungen auch die Position, die der Sprachveränderung im Verhältnis zum Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) und zur Norm (ĺ Normierung) zugeschrieben wird (vgl. COSERIU). Im Ansatz wurden diese Problemstellungen bereits im 17. und 18. Jahrhundert diskutiert, wenngleich der Reflexionshorizont vor der Institutionalisierung der Sprachwissenschaft als akademischer Disziplin einen vergleichsweise geringeren Grad der Abstraktion erreichte.
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Korruption I. Lat. corruptio, lingua corrupta, barbarica
loquela, sermo barbarus, adulterinam hanc barbarica mixtam loquelam, mutatio; dt. Verfall, barbarisches Gemisch, Mischmasch, verderbender Geschmak; engl. alteration, mixed and adulterated language, corrupted taste, a corrupt language, corrupt and extinct languages; frz. altération, corruption des langues, corruption de la langue, contagion des provinces, vne langue corrõpue; ital. corruzione, declino; dialetti corotti, rozzi, e difettosi; span. corrupción de la lengua, decadencia, pérdida, lenguas infectas y incorregibles, voces barbaras y espurias.
II. (BIONDO [1435] 1984: 213): […] quam-
quam omnibus ubique apud Italos corruptissima etiam vulgaritate loquentibus idiomatis natura insitum videmus, ut nemo tam rusticus, nemo tam rudis tamque ingenio hebes sit, qui modo loqui possit, quin aliqua ex parte tempora casus modosque et numeros noverit dicendo variare, prout narrandae rei tempus ratioque videbuntur postulare. (BIONDO [1435] 1984: 214–125): (109) Temporibus vides quae Ciceronis aetatem praecesserant illos qui aut extra Romam vixerant, aut Romae domesticam habuerant aliquam barbariem, a nitore locutionis romanae aliqualiter recessisse, ut barbarie illa infuscatos fuisse: (110) postea vero quam urbs a Gothis et Vandalis capta inhabitarique coepta est, non unus iam aut duo infuscati, sed omnes sermone barbaro inquinati ac penitus sordida-
ti fuerunt; sensimque factum est, ut pro romana latinitate adulterinam hanc barbarica mixtam loquelam habeamus. (ALDRETE [1606] 1970: 151): […] la mudança de nueuos imperios lo causa tambien en la lengua, que mientras se conseruò el Romano, perseuerò ella, i acabado se estragò, i mudò, haziendose de sus ceniças, i ruinas otra; porque los vencedores pretendieron conseruarla, i acomodarse aella, i no lo pudieron conseguir, sino que la destruieron. Con la venida delos Godos, i otras barbaras naciones a Italia, i alas prouincias del Imperio, los vencidos se vuieron de acomodar ala lengua delos vencedores, los quales desearon, i procuraron aprender la Latina, que se les dio mui mal, i la corrompieron, i unos, i otros cada uno por diuerso camino, vinieron a dar principio ala lengua Italiana, i Castellana. (ALDRETE [1606] 1970: 176): Entre las cosas de consideracion, que ai en las lenguas, es mui notable la mudança, que reciben con el tiempo; lo qual, por lo que toca ami intento, conuiene que nolo passe en silencio. Deue se pues aduertir, que la lengua vulgar naturalmeñte con el tiempo se enuejeçe, i muda, i en ciento o docientos años se trueca de manera, que muchas palabras della no se entienden, como si fueran vocablos de lengua peregrina, o estrangera. (DURET [1613] 1972: 698): Tous [les Grecs contemporains, C. N.] indifferӁment parlent vne langue corrõpue de l’antique, toutesfois
568 leurs paroles approchent plus du bon Grec, que les parolles des Italiens n’approchӁt du Latin. (VAUGELAS [1647] 1934: Rem. II, 7): Ce n’est donc pas une acquisition si aisée à faire que celle de la pureté du langage, puis qu’on n’y sçauroit paruenir que par les trois moyens que i’ay marquez, & qu’il y en a deux qui demandent plusieurs années pour produire leur effet; Car il ne faut pas s’imaginer que de faire de temps en temps quelque voyage à la Cour, & quelque connoissance auec ceux qui sont consommez dans la langue, puisse suffire à ce dessein. Il faut estre assidu dans la Cour & dans la frequentation de ces sortes de personnes pour se preualoir de l’un & de l’autre, & il ne faut pas insensiblement se laisser corrompre par la contagion des Provinces en y faisant un trop long sejour. (COMENIUS [1648] 1978: 43–44): 21. Omnis item Lingua & Analogiam habet suam, & Anomaliam. Analogiam, secundùm qvam similia sub similes revocat leges; Anomalias, secundùm qvas à regulis suis ipsamet recedit, magis vel minus. Adeò id commune est lingvis, ut ne Hebraica qvidem, qvalem in libris habemus, ab Anomaliis immunis sit. Qvod suspicari facit, nec illam purè esse primævam illam, in Paradiso natam; qvam fuisse maximè concinnam, primi hominis, nondum corrupti, ingenium maximè tum analogum, credere nos jubet. Cùm ergò lingvæ cuivis, non qvâ integra, sed qvâ corrupta, anomaliæ accidant; colligimus Hebræam, qvâ Moses & Prophetæ scripserunt, tametsi primævæ illius primogenita habeatur, nihilominus tamen aliqvid progressu temporis passam. (LANCELOT 1664: III): La pureté Latine qui s’alteroit ainsi dans Rome de jour en jour, ressentit encore un plus grand affoiblissement dans le quatrième siecle, par le changement du siege de l’Empire à Constantinople. Mais elle receut enfin son dernier coup par les courses & les invasions des Gots & des autres peuples du Septentrion, & sur tout des Lombards, qui s’estant rendus maistres d’une grande partie de l’Italie, contribuerent plus que les autres à corrompre le langage. (LEIBNIZ [1697] 1908: 333): 20. Anitzo scheinet es, dass bei uns übel ärger worden, und hat der Mischmasch abscheulich überhand genommen, also dass der Prediger auff der Cantzel, der Sachwalter auff der Cantzley, der
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Bürgersmann im schreiben und Reden, mit erbärmlichen Frantzösischen sein Teutsches verderbet; Mithin es fast das Ansehen gewinnen will, wann man so fortfähret und nichts dargegen thut, es werde Teutsch in Teutschland selbst nicht weniger verlohren gehen, als das Engelsächsische in Engelland. (LEIBNIZ [1697] 1908: 333): 21. Gleichwohl wäre es ewig Schade und Schande, wenn unsere Haupt- und Helden-Sprache dergestalt durch unsere Fahrlässigkeit zu Grunde gehen solte, so fast nichts Gutes schwanen machen dörffte, weil die Annehmung einer fremden Sprache gemeiniglich den Verlust der Freyheit und ein fremdes Joch mit sich geführet. (LEIBNIZ [1697] 1908: 334): 25. Allein wie der dreyssigjährige Krieg eingerissen und überhand genommen, da ist Teutschland von fremden und einheimischen Völckern wie mit einer Wasserfluth überschwemmet worden, und nicht weniger unsere Sprache als unser Gut in die Rappuse gangen; und siehet man wie die Reichs-Acta solcher Zeit mit Worten angefüllet seyn, deren sich freylich unsere Vorfahren geschämet haben würden. (RÉGNIER-DESMARAIS [1705/1706] 1973: 137–138): Et comme par la domination des Romains, la Langue Latine s’y est encore beaucoup plus estenduë que la Grecque, de là vient que non seulement toutes les Langues de l’Europe ont emprunté beaucoup de mots de la Langue Latine; mais que de plus tout le fonds de trois des principales Langues qu’on y parle, qui sont l’Italienne, la Françoise, & l’Espagnole, est entierement tiré de la Latine, alterée en differents temps par les Italiens, les François, & les Espagnols, suivant le different genie de chaque Peuple. (MURATORI 1706: 619): Che se tanta necessità di studiar la Lingua hanno i Fiorentini, e Toscani stessi, cotanto privilegiati dalla Natura: quanto piú ne avranno coloro, che nascono in Città, o Provincie d’Italia, ove son corrotti, rozzi, e difettosi i dialetti della Lingua, e dalle balie questi soli s’insegnano? (MURATORI 1706: 634): L’unica ragion dunque, per cui argomentano alcuni, che dopo il 1400 cominciasse a declinar l’Italica Favella, e a perdere la sua perfezione, consiste in dire: che in vece de’ vecchi buoni vocaboli, e modi leggiadri di dire se ne sono dappoi introdotti
Korruption de’ nuovi, e tanti in numero, che il favellare, e lo scrivere ancor de’ piú lodati Autori è divenuto men significante, men breve, men chiaro, men bello, men vago, men dolce, e men puro, che quel non era, che si parlava, e si scriveva nel tempo del Boccaccio. Cosí scrive il Cav. Salviati nel 3 libr. cap. 3 de gli Avvertim. della Lingua. (MURATORI 1706: 635): Ristringesi adunque tutta la ragione del Cav. Salviati al dire, che per essersi introdotte da gli Scrittori, e dal popolo tante parole, tanti modi barbari, e pedanteschi, s’è a poco a poco imbrattato, e intorbidato il nostro Idioma, siccome per la medesima cagione cominciò a corrompersi, e a declinare quel de’ Romani. (LUZÁN [1729] 1991: 98–99): […] los españoles que han viajado a otros países, por la común manía de hacer más aprecio de las cosas forasteras que de las domésticas, van corrompiendo poco a poco la pureza del lenguaje español con introducir nuevos términos de otras naciones […]. (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, IV): Elle pourra se corrompre; que dis-je? elle se corrompt déjà sensiblement. Répandue en tant de lieux, passant par tant de canaux différens, il est à craindre même que ses altérations ne soyent très rapides. (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, Avant-Propos, 5): Ne trouva-t-on pas, ou ne crut-on pas trouver, vingt ou trente Fautes de langage dans les trois premieres pages seulement du Dictionnaire de l’Académie, lorsqu’il parut au bout de cinquante ans qu’on l’attendoit? (PRIESTLEY [1762] 1971: 175–176): In this state it continued till the dissolution of the commonwealth; after which time when little use was made of the Rostrum, and judicial proceedings took a form which left little to the pleader: when, in short, the practice of oratory did not bring along with it those honours and advantages that had formerly attended it; in those circumstances, persons addicted to letters having no occasion for the ancient manly and free eloquence, fell, through an affectation of novelty, into a number trifling and puerile refinements in style: analogies, instead of being fetched from nature, were borrowed from language itself, and verbal conceits and turns were admired for true
569 wit and just sentiment. Afterwards, upon the irruption of the northern barbarians, the language itself became mixed and adulterated as well as the taste of the writers corrupted: universal confusion was introduced, and the old Roman tongue intirely lost. (PRIESTLEY [1762] 1971: 176–177): Trees, in the most proper soil and climate, grow but to a certain height; and when arrived to their full size, all the redundant juices serve only to nourish various excrescences, as fungusses, mosses, &c. which deform and waste them. In like manner, all the pains that we bestow upon a language, when it is sufficiently perfect for all the uses of it, serve only to disfigure it, to lessen its real value, and incumber it with useless rules and refinements, which embarrass the speaker or writer, and are no advantage to the hearer or reader. (PRIESTLEY [1762] 1971: 219–221): LANGUAGES would never be lost, were the People that speak them suffered to continue perfectly unmixed with other nations: but they are liable to become corrupt and extinct by the influence of other languages, in various ways and degrees. A language may be wholly lost in a very short time, if the people that speak it be subdued and carried captive by a nation that speaks a different language, and especially if the captives be intermixed with the conquerors. Thus the Jews are said to have lost their language at the time of the Babylonish captivity: for after that time pure Hebrew remained only in the sacred books, and the modern Jews, who have no liberal education, speak no other language than that of the country they are born in. A people having a dependance upon, and intercourse with, another people, more considerable than themselves, are in danger of exchanging their language, in time, for that of their powerful and more learned neighbours. Thus the English seems to gain ground upon the Welch, and it may be supposed the French upon the Britannoise. Neighbouring independent nations, speaking different languages, but having an intercourse with one another, cannot avoid borrowing words from one another: and the language of
570 the contiguous boundaries must be a mixture of both. One nation making an irruption into the country of another, and remaining with the inhabitants will, in some degree, introduce their language with themselves. (DE BROSSES 1765: II, 31): Dans la formation des langues […] les mots n’étant pas faits que pour l’oreille, devoient s’adresser directement & plus sensiblement à l’organe, & y réveiller l’image physique de la chose qu’ils désignoient. Mais lorsque l’écriture a fixé les signes, le matériel des sons étoit déja altéré, & l’analogie précieuse du mot avec l’objet s’étoit détruite à proportion que les langues s’étoient éloignées de leur origine. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 59): La corruption des langues ayant souvent trop abrégé les terminaisons; de façon que plusieurs d’entr’elles se ressembloient, on a été obligé de mettre un nouveau pronom à la tète du verbe, comme font les françois, les Allemands & autres peuples: les Italiens dont les terminaisons se ressemblent moins ont la liberté de mettre ou d’omettre le pronom devant le verbe. Il en est de même des terminaisons des substantifs abstraits & des adjectifs. On peut encore découvrir l’origine de plusieurs terminaisons des adjectifs de la langue allemande. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-674: 3): Aliter longe comparatum esse videmus in exemplis, etiam ubi non spontanea degeneratio, sed violentae perturbationes, per linguas alienas obtrusas factae, linguas mutarunt; veluti in gallica per immixtam latinam, in italica per barbaras linguas cum latina confusas, mutatio quae sane causa mutandi linguas longe efficacior est. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-674: 6): Post hoc autem variis generis humani revolutionibus et fatis, diluviis, inundationibus repentinis, sorte et casibus aliis fortuitis […] liberorum perditionibus, hominibus patria profugis, aliis innumernis factum esse probabile est, ut greges hominum orti sint, passim super tellurem dispersi, ase in vicem longe separati, quorum alii linguam primaevam propagaverint forte ad posteros suos […] Caeterum, quando gentes ex gregibus ortae, inter se contigerunt, alias […] linguas ab aliis completas,
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung perfectas, mutatas, vel corruptas esse, alias liberas immutatas mansisse, alias denique commixtas novis linguarum generibus originem dedisse. (SULZER [1771–1774/1792–1806] 1994: 402a): In der Geschichte des Geschmaks älterer und neuerer Zeiten findet man, dass ein Ueberfluß der Beywörter allemal die erste Anzeige des sich verderbenden Geschmaks gewesen ist. In Griechenland, in Rom und in Frankreich, hat sich dieser Ueberfluß gezeiget, so bald die goldnen Zeiten der Dichtkunst und Beredsamkeit anfiengen, einer verdorbenen Periode Platz zu machen. (MONBODDO [1773–1792] 1967, I, I, III, XI: 400–401): As language is among the first arts invented by men, so it is among the last that are lost. It cannot be totally and at once lost, except by the total destruction of the nation, either by some natural calamity, like that of the Atlantic island sinking, as it is said, into the sea, or by the extirpation of war. In this last way the Celtic language was lost in England, when it was conquered by the Saxons, and preserved only in the mountains of Wales, which were not conquered by them. But in the case of most other conquests, the language of a country has not been totally lost, but mixed with that of the conquerors; and out of that mixture a corrupt language produced. This was the case of the conquest of the several provinces of the Roman empire by the northern nations. In Italy, for example, the language that took place after it was subdued by the Lombards, was a mixture of Latin and the language of that people, which is the present Italian. In France, after the conquest of the Franks, the language was mixed of Latin, of Tudesque, or Teutonic, which was the language of the Franks, and of what still remained of the antient language of the country, viz. the Celtic; and of those three languages the modern French is composed, but principally of Latin. (CAPMANY 1776: 60): Esta, digamosla, fascinacion ha cundido con tanto poder que ha logrado resfriar el amor á nuestra propia lengua, cuya pureza y hermosura hemos manchado con voces barbaras y espurias, hasta desfigurar las formas de su construccion con locuciones exôticas, obscuras é insignificati-
Korruption vas, disonantes y opuestas á la índole del castellano castizo. (CAMPOS 1791: 35): El tiempo altera las opiniones y caracteres: estos hacen variar el sentido de las palabras: y no pudiendo percibir nosotros estas variaciones que se hacen por grados insensibles, continuamos afirmando de las palabras aquellas relaciones con que nos connaturalizó la costumbre, y pensamos y discurrimos tranquilamente en estas lenguas infectas, ya de todo punto incorregibles. (GARCÉS 1791: II, IX-X): […] quando la incauta y malograda juventud, que debria heredar y conservar el tesoro de las ciencias da lugar en sus pechos á la desidia, no llevando ya otra mira en sus estudios que procurarse en vil ócio aquel útil de interes, ó de honor que va vinculado á los empleos que pretenden y logran baxo la proteccion de inconsiderados Mecénas, poco curándose de seguir el exemplo y constante aplicacion de los Doctos […]. Otra causa ó principio de decadencia suele ser la comunicacion con los extangeros, de lo que tenemos un claro exemplo en el daño que desto les vino á las Lenguas Griega y Latina […]. (CADALSO 1793: XXXVI): Prescindiendo de la corrupción de la lengua, consiguiente a la de las costumbres, el vicio de estilo más universal en nuestros días es el frecuente uso de una especie de antítesis, como el del equívoco lo fue en el siglo pasado. Entonces un orador no se detenía en decir un desatino de cualquiera clase que fuese, por no desperdiciar un equivoquillo pueril y ridículo; ahora se expone a lo mismo por aprovechar una contraposición, falsa muchas veces. […] en 1770, un gacetista que escribiese una expedición hecha por los españoles en América no se detendría un minuto en decir: ‘Estos españoles hicieron en estas conquistas las mismas hazañas que los soldados de Cortés, sin cometer las crueldades que aquéllos ejecutaron’. (CADALSO 1793: LXXVII): Los trámites del nacimiento, aumento, decadencia, pérdida y resurrección del buen gusto en la transmigración de las ciencias y artes dejan tal serie de efectos, que se ven en cada período de éstos los influjos del anterior. Pero cuando se hacen más notables es cuando, después de la era del mal gusto, al tocar ya en la del
571 bueno, se conocen los efectos del antecedente; y si esto se advierte con lástima en las ciencias positivas y artes serias, se echa de ver con risa en las facultades de puro adorno, como elocuencia y poesía. Ambas decayeron a la mitad del siglo pasado en España, como todo lo restante de la monarquía. Ambas han vuelto a levantarse en el actual; pero no obstante el fomento dado a las ciencias, a pesar de la resurrección de los autores buenos españoles del siglo XVI, sin embargo de la traducción de los extranjeros modernos, aun después del establecimiento de las Academias, y en medio de la mofa con que algunos españoles han ridiculizado la hinchazón y todos los vicios del mal lenguaje, se ven de cuando en cuando algunos efectos de la falsa retórica y poesía de la última mitad del siglo pasado. Algunos ingenios mueron todavía, digámoslo así, de la misma peste de que pocos escaparon entonces. Varios oradores y poetas de estos días parecen no ser sino sombra o almas de los que murieron cien años ha, […]. (DENINA 1804: III, 4): Les barbares qui ont envahi les provinces de l’empire romain, ont certainement contribué à la corruption de la langue qu’on y parloit, mais cette invasion ayant eu lieu tant en Italie que dans les Gaules et l’Espagne, l’effet qu’elle produisit à l’égard des langues généralement encore dominantes, fut le même. Et cette quatrième cause de la corruption de la langue ancienne et de la naissance de modernes, est aussi commune à toutes également. Nous aurons même assés lieu de remarquer qu’il s’est introduit plus de mots Gothiques et Teutoniques dans l’Italien, que dans le François, dans l’Espagnol, et le Portugais. Ce qu’elles ont de commun et qui les sépare également de la latine, c’est l’introduction, et l’usage des articles pour les noms et des auxiliaires dans les verbes. (DENINA 1804: V, 90): On a souvent dit et souvent répeté que les langues modernes sont nées de la corruption de la langue latine. Cela est aussi vrai que l’est l’axiome général que la corruption d’une chose est la génération d’une autre. Mais en parlant de langues et particulièrement des filles de la latine, il faut remarquer que ce qu’on appelle corruption d’une langue et barbarisme étoit dans son origine un effet des efforts qu’on faisoit pour la perfectionner ou l’enrichir.
572 (DENINA 1804: V, 96): C’est donc à tort qu’on regarde comme barbares les mots qu’on créa dans les tems postérieurs au fameux siècle d’Auguste; comme il n’est pas juste non plus d’appeller corruption ce qui n’est qu’altération, et quelquefois même perfection ou du moins reparation. On pouroit même dire que c’est le comble de la corruption qui acheva de polir nos langues modernes sorties de la latine, surtout la françoise. Car un mot est plus corrompu à mesure qu’il perd ou qu’il change les élémens qui le composoient dans l’idiome d’où il est sorti. (BERNHARDI [1805] 1990: 5): Allein die historische Ansicht geht über den Punkt der Bildung hinaus und verfolgt auch die Sprache annoch in ihrem Verfall, welcher durch das Verschmelzen zweier Sprachen entsteht. (BERNHARDI [1805] 1990: 49): […] daß es eine große Anstrengung erfordert, die Sprache als Poesie oder Prose (das heißt wissenschaftlich) zu charakterisiren. Daher entsteht in der Poesie Schwulst, in der Wissenschaft barbarische Bezeichnungen und in den Gattungen, welche an die Poesie gränzen, Rhetorik statt der Darstellung. (CALLEJA: 1818: 3): Con la decadencia de este imperio y la venida de los Godos se fué adulterando, porque estos queriendo acomodarse á la lengua de los vencidos, y los vencidos á la de los vencedores, contribuyeron entre unos y otros á estragar la lengua latina. Adulterada que cué, este tercer lenguage que resultó de la romana y la gotica se empezó á llamar Romance, por ser derivada de la romana, y por distinguirla de la gotica. Con la irrupcion de los Arabes padeció tambien alteracion el romance […]. (HOURWITZ ca. 1801–1810: VI): Ayant ensuite descendu plusieurs générations, je me suis informé de la cause de la pluralité des langues, ainsi que de celle de leurs insuffisances, de leurs irrégularités, de leur conformités et de leurs différences, enfin, de la cause de l’extinction de plusieurs et de l’altération de toutes les autres.
III. Das Konzept der ‘Korruption’ der Sprache wird in den Diskussionen der Sprachgelehrten im 17. und 18. Jahrhundert besonders dann zum Gegenstand erhoben, wenn es um
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung die ĺ Apologie einer Volkssprache im Vergleich zum Lateinischen oder gegenüber einer anderen Volkssprache geht. Im Zuge der sich im 16. Jahrhundert in den verschiedenen europäischen Ländern stark manifestierenden Suche nach einer nationalen und sprachlichen Einheit, die als identitätsstiftendes Prinzip besondere Wirkungskraft entfaltet, entstehen ausgeprägte Tendenzen zur Proklamierung einzelner Volkssprachen als vollkommene oder überlegene Sprachen im Vergleich zu anderen Sprachen (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), die als unvollkommen, rau, wenig klangschön oder zu arm im Wortschatz verurteilt werden (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). In der Renaissance wird im Zuge des zunächst in Italien und dann auch in anderen europäischen Ländern einsetzenden Humanismus den lateinischen Werken der großen klassischen Autoren eine Vormachtstellung als Ideale der Dichtkunst, Rhetorik und Prosa zugesprochen. Daher entstehen vor allem in diesem Zeitraum z. T. heftige Diskussionen über die Rolle der Volkssprache gegenüber dem mit dem Attribut der Superiorität versehenen Latein. Da der Schriftverkehr in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in vielen europäischen Ländern immer noch in Latein geführt wird und das Medium der gesprochenen Volkssprache erst im Verlaufe des 16. Jahrhunderts als eine Sprache anerkannt wird, in der auch Verwaltungsakte, juristische Beschlüsse etc. abgefasst werden können, manifestiert sich in der Renaissance ein heftiges Ringen um eine führende Rolle der Volkssprachen gegenüber dem Latein der Gelehrten und administrativen Organe (ĺ Apologie). Ein besonderes Gepräge erhält diese Sprachdiskussion in Italien, in der sie auch als Questione della lingua, als die ‘Sprachenfrage’ bekannt ist. Wie bedeutsam die Frage nach einer geeigneten italienischen Volkssprache für das italienische Volk war, lässt sich etwa daran erkennen, dass diese Diskussion bis zur nationalen Einigung im Jahre 1861 immer wieder mit unterschiedlichen Nuancierungen geführt wurde. Dabei stand der ĺ Apologie des literarischen Florentinischen als der Sprache der drei bedeutendsten Dichter DANTE, PETRARCA und BOCCACCIO z. B. die Apolo-
Korruption gie des gesprochenen Florentisch verschiedenster Epochen gegenüber. Neben Versuchen, die Literatursprache der drei italienischen Dichterfürsten zu kodifizieren, standen Bemühungen um die Etablierung der Sprachen verschiedener Höfe, z. B. Mantua und Urbino, die als eine vorbildliche lingua cortigiana gelten sollten. Im Verlaufe der Sprachdiskussion wurden die verschiedensten italienischen Dialekte (ĺ Dialekt) mit dem Attribut der Vollkommenheit (ĺ Vorzüge Vollkommenheit / Mängel) und besonderen Eignung als gesamtitalienische Volkssprache versehen. Ihren Ausgangspunkt nimmt die Diskussion um eine geeignete italienische Volkssprache von DANTEs Traktat De vulgari eloquentia (1303–1305). DANTE sucht in diesem Traktat nach einer ‘erlauchten Volkssprache’, einem volgare illustre, von hohem ĺ Stil, das geeignet wäre, das durch den Partikularismus zahlreicher Fürstenhöfe stark zerklüftete Gebilde italienischer Einzelstaaten in einer ästhetisch ansprechenden Form sprachlich zu repräsentieren. DANTE hatte in seinen dialektologischen Ausführungen im De vulgari eloquentia die sprachliche Einheit Italiens entdeckt und suchte nun nach einer überregionalen italienischen Volksprache, die als ĺ natürliche Sprache neben der von ihm als grammatica konzipierten lateinischen Sprache Bestand haben könnte. DANTEs Überlegungen zur sprachlichen Einheit Italiens und seine Suche nach einer geeigneten Volkssprache, die dem Lateinischen an Schönheit und Würde nicht nachstehen sollte, haben den gesamten weiteren Verlauf der Sprachdiskussion entscheidend beeinflusst. Im Cinquecento kulminiert der Konflikt zwischen dem Humanismus, der eine Wiederbelebung der Antike und eine Orientierung an antiken Vorbildern und Quellen einforderte, und dem Vulgärhumanismus, der sich für die Rechte einer noch zu kodifizierenden Volkssprache einsetzte. Vor diesem Hintergrund ist auch das Konzept einer ‘Korruption’ der Sprache zu sehen. Einen wesentlichen Anstoß für die Diskussion um die Rolle einer italienischen Volkssprache lieferte eine Auseinandersetzung der Gelehrten BRUNI und BIONDO aus dem Jahre 1435. Nach der Ansicht BIONDOs sei die italienische Volkssprache im Zu-
573 ge der germanischen Barbareninvasionen während der Völkerwanderung entstanden. Insbesondere die Langobarden seien für die Korruption des Lateins verantwortlich gewesen und hätten die Entstehung einer Mischsprache (loquela mixta) befördert. Diese Theorie, die von der modernen Sprachwissenschaft als Korruptionsthese oder Barbarenthese bezeichnet worden ist, hat die gesamte europäische Reflexion zu Fragen der ĺ Apologie, der ĺ Sprachveränderung und des Sprachkontakts beeinflusst. Nach BIONDOs Auffassung lässt sich die Entstehung der romanischen Sprachen somit auf die Auswirkungen von Sprachkontakten während der Zeit der Völkerwanderung zurückführen. BIONDO wählt für die Beschreibung des Verfalls des Lateins aufgrund des Eindringens gotischer, vandalischer und langobardischer Elemente, eine drastische Sprache. So sei das Latein auf die Stufe einer bastardischen Sprache herab gesunken, nachdem es mit barbarischen Ausdrücken beschmutzt und besudelt worden sei. Gegen BIONDOs Korruptionsthese wendet sich BRUNI, der gegen BIONDOs ethnisches Erklärungsprinzip ein soziales Erklärungsprinzip anführt. So habe nach BRUNI bereits im alten Rom eine Volkssprache (ein volgare) neben dem klassischen Latein bestanden. Die Sprache des Volkes sei zwar nicht das klassische Latein gewesen, aber auch keine zurückgebliebene, barbarische Sprache. Die Sprachenfrage in Italien beinhaltet also als wesentliches Element die Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz einer Situation der Diglossie im antiken Rom, also eines Nebeneinanders zweier verschiedener Sprachen in einem Gebiet, die in jeweils verschiedenen Sphären der Kommunikation gebraucht werden und bei denen sich eine prestigeträchtige high-Variante von einer eher informellen low-Variante unterscheiden lässt. Die von BIONDO und BRUNI entfachte Diskussion um die Sprache der Römer und den Ursprung der Volkssprache involvierte im 15. Jahrhundert fast alle humanistischen Gelehrten Italiens und setzte sich weiterhin fort. Einen weiteren Höhepunkt erreichte sie in Italien im Settecento, also im 18. Jahrhundert, in der Auseinandersetzung zwischen MAFFEI und MURATORI. Während MAFFEI BRUNIs Theorie einer Koexistenz von klassischem
574 Latein und einer römischen Volkssprache vertrat, übernahm MURATORI z. T. BIONDOs Korruptionsthese. MURATORI beklagt den Niedergang der florentinischen und toskanischen Hochsprache, verweist allerdings darauf, dass jene, die in Städten und Provinzen geboren würden, in denen korrupte, raue und fehlerhafte Dialekte gesprochen würden, in noch viel höherem Maße Opfer des Sprachverfalls wären. MURATORI zitiert auch den damals bekannten Renaissance-Gelehrten SALVIATI. SALVIATI, der ein Begründer der florentinischen Sprachakademie, der Accademia della Crusca, war, erklärt den Niedergang des Italienischen, das mit der toskanischen Hochsprache des Dichtergestirns DANTE, PETRARCA, BOCCACCIO gleichgesetzt wird, mit der Einführung einer zu großen Menge an ĺ Neologismen. Nach 1400 seien zu viele dieser Neuschöpfungen in die italienische Sprache eingedrungen und die Werke des ehemals maßgeblichen Dichtergestirns hätten an Bedeutung verloren. Damit habe die Sprache ihre Vollkommenheit eingebüßt (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). MURATORI führt SALVIATI als einen Fortsetzer der Barbarenthese BIONDOs an. So habe SALVIATI sowohl Schriftsteller als auch das Volk verantwortlich gemacht für die Übernahme zahlreicher barbarischer und pedantischer Wörter und Wendungen (tante parole, tanti modi barbari, e pedanteschi), die allmählich das Italienische in gleicher Weise beschmutzt hätten wie die Barbaren das Latein. BIONDOs Auffassung von der Sprachkorruption gehörte aber nicht nur in Italien zu den gängigen Argumenten in der Sprachdiskussion, sondern wurde in zahlreichen anderen europäischen Ländern übernommen wie z. B. in Frankreich von Autoren wie DE BOVELLES, der ebenfalls den Germanen der Völkerwanderungszeit die Korruption des Lateins anlastete. Allerdings sind die Philologen der französischen Renaissance immer wieder bemüht, die Herkunft der französischen Volkssprache aus einer anderen Sprache als dem Lateinischen zu suchen, da dem Französischen eine Vormachtstellung zugesprochen werden soll, die traditionell über ein hohes Alter dieser Sprache legitimiert wird (vgl. dazu ĺ Ursprache), und weil man dem Französischen
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung gerne noch ältere Ursprünge als dem Lateinischen zusprechen möchte (vgl. ĺ Ursprung). Auch in Spanien war BIONDOs Korruptionstheorie bekannt und beeinflusste etwa die Sprachreflexion so wichtiger Sprachgelehrter wie NEBRIJA oder ALDRETE. ALDRETE, der als bedeutungsvollster Sprachhistoriker des Siglo de Oro, des Goldenen Zeitalters der spanischen Literatur anzusehen ist, bemühte sich darum, BIONDOs Korruptionsthese auf die Herausbildung der sprachlichen Verhältnisse der iberischen Halbinsel zu übertragen und durch sprachhistorische Reflexionen zu belegen. Wie zuvor schon NEBRIJA vertrat ALDRETE die Ansicht, dass der Ursprung des Kastilischen ein korrumpiertes Latein (latin corrompido) gewesen sei, das sich durch die Invasion der germanischen Stämme in den römischen Provinzen entwickelt habe. Mit der Ankunft der Goten und anderer Barbarennationen in Italien und in den Provinzen des römischen Imperiums hätten die Eroberten die Sprache ihrer Eroberer übernommen. Die gotischen Eroberer jedoch hätten das Latein in nur sehr unzureichender Weise erlernt und auf unterschiedliche Weise “verdorben” (i corrompieron [la lengua Latina]). Aus dem verderbten Latein der germanischen Eroberer sei nunmehr eine eigenständige Sprache entstanden, deren Individualität trotz ihrer lateinischen Elemente beachtlich gewesen sei. Für ALDRETE ist im Gegensatz zur gewaltsam erfolgten Korruption der Sprache die ĺ Sprachveränderung ein natürlicher Vorgang, dem alle Sprachen unterworfen sind und in dessen Folge eine Volkssprache sich über die Jahrhunderte so sehr verändert, dass viele ihrer Wörter nur 100 oder 200 Jahre später bereits als Fremdwörter empfunden werden können. Eine ernsthafte Gefahr für die spanische Sprache sind Fremdwörter, Entlehnungen und ĺ Neologismen auch nach der Auffassung von LUZÁN, der insbesondere die Reiseaktivitäten der Spanier und die damit einhergehende Vorliebe für Dinge und Wörter aus fremden Ländern für die Korruption der einstmals reinen spanischen Sprache (la pureza del lenguaje español) verantwortlich macht. Die Schönheit und Reinheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) des Spanischen sieht auch CAPMANY bedroht durch die Vor-
Korruption liebe für “fremdartige und unreine Ausdrücke” (voces barbaras y espurias), die die Sprache mit exotischen, dunklen und bedeutungslosen Redewendungen beschwerten. Bezeichnenderweise werden hier Ausdrücke einer fremden Sprache mit Bedeutungslosigkeit gleichgesetzt (ĺ Bedeutung), da der Prozess der Übernahme dieser Wendungen offenbar nicht mit dem notwendigen kritischen Sprachbewusstsein erfolgt. Durch die unkritische Übernahme von Fremdwörtern und Entlehnungen läuft die eigene Sprache Gefahr, an Präzision zu verlieren und die Relationen zwischen Wort und Ding nicht mehr eindeutig darstellen zu können (ĺ Missbrauch). Nicht nur die Invasionen der Barbaren oder die unkritische Übernahme von Fremdwörtern und Entlehnungen können die eigene Muttersprache gefährden. So ist es für CAMPOS nur eine Frage der Zeit, dass die ĺ Bedeutung eines Wortes Veränderungen unterliegt. Ebenso wie die Zeit Veränderungen in unseren Meinungen und in unserem Wesen herbeiführe, ziehe sie auch die Veränderung von Bedeutung nach sich, ohne dass man diese Veränderung im Einzelnen wahrnähme. Ohne es zu bemerken, bedienen sich die Menschen nach Meinung von CAMPOS kontaminierter und infizierter Sprachen (lenguas infectas). ĺ Sprachveränderung wird somit nicht als erstrebenswertes Phänomen, sondern als eine Krankheit angesehen. Sprachveränderung ist somit zugleich Verfall, ist Korruption. Als ein Ergebnis des allgemeinen Sittenverfalls erachtet CADALSO die Korruption der Sprache. Die Sprachentwicklung wird damit in einen moralischen Kontext gesetzt, indem der Verfall der Sprache als ein Abbild der Degeneration der sie sprechenden Gesellschaft bewertet wird. Ausdruck des sprachlichen Niedergangs sei der allzu häufige Gebrauch von Stilmitteln wie insbesondere der Antithese, die als geläufigstes stilistisches Laster (el vicio de estilo más universal) angeführt wird. Stilistische Unzulänglichkeiten einer überladenen Poesie und hohlen Rhetorik des 17. Jahrhunderts verurteilt CADALSO als eine Pest für die spanische Sprache (ĺ Stil). In Spanien lässt sich insgesamt ein deutlicher Einfluss von BIONDOs Barbarenthese nach-
575 weisen, wobei neben den externen Rahmenbedingungen aber auch sprachimmanente Phänomene wie die ganz alltägliche ĺ Sprachveränderung oder auch Formen des unreflektierten Missbrauchs (ĺ Missbrauch) von Sprache für den Niedergang einer Sprache verantwortlich gemacht werden. Die Gefahr einer Bedrohung der Reinheit der Sprache durch “infektiöse Barbarismen” ist auch ein bevorzugter Gegenstand der französischen Sprachdiskussion, als deren prominentester Vertreter im 17. Jahrhundert VAUGELAS genannt werden muss. In seinen normstiftenden Remarques sur la langue française (ĺ Normierung) erteilt VAUGELAS Ratschläge, wie man ein möglichst reines und kultiviertes Französisch sprechen könne (ĺ Klarheit). Das Ideal der Reinheit der Sprache sei nur schwierig zu erlangen. Keineswegs genüge es dazu, regelmäßige Reisen an den Hof zu unternehmen oder Bekanntschaften mit einigen, in der höfischen Sprache gut bewanderten Personen zu pflegen. Vielmehr gewährleiste nur ein dauerhafter Verbleib bei Hofe sowie ein regelmäßiger Austausch mit Vertretern des Hofes das Erreichen eines kultivierten Französisch. Vor allem aber müsse man sich vor der Kontaminierung der Sprache durch die Dialekte (ĺ Dialekt) der Provinzen hüten (la contagion des provinces). Eindringlich warnt VAUGELAS seinen Leser vor dem Umgang mit regionalen und dialektalen Ausprägungsformen des Französischen, wobei er insbesondere das Gaskognische als Inkarnation schlechten Sprachgebrauchs verurteilt (ĺ Gebrauch). Seinen Vorstellungen eines gewählten Französisch halten einzig die Sprache des Hofes und auch hier nur die eines bestimmtes Teiles, nämlich la plus saine partie de la cour sowie die klassischen Autoren stand. Quellen der Korruption der Sprache sind für VAUGELAS insbesondere Regionalismen und Dialektalismen. Ein direktes Wiederaufgreifen der Barbarenthese BIONDOs in Frankreich finden wir bei LANCELOT, der unmittelbar an BIONDO anknüpft, wenn er den Niedergang der einstmals reinen lateinischen Sprache mit den Invasionen der Goten und anderer nordischer Völker, insbesondere jedoch der Langobarden, begründet. Durch ihre beträchtlichen Eroberungen hätten die Langobarden mehr als alle an-
576 deren Barbaren zum Niedergang des Lateins beigetragen. Bevor die Barbaren jedoch mit ihrem gewaltsamen Eindringen den Sprachverfall befördert hätten, habe bereits der Wechsel des Regierungssitzes von Rom nach Konstantinopel die Korruption der Sprache eingeleitet, also eine politische Entscheidung, die zu einer Aufspaltung der ehemals zentralen Machtstruktur geführt habe. Unabhängig von BIONDOs Barbarenthese konzipiert DE BROSSES die Korruption der Sprache als eine natürliche Etappe im Prozess der Sprachentwicklung, die er als eine Aufeinanderfolge verschiedener Stadien begreift. So folgt dem Sprachursprung (ĺ Ursprung) die Ausbildung der Sprachen (formation des langues), an die sich ein Stadium der Vollkommenheit (perfection; ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel; ĺ Sprachentwicklung) anschließt, das am Ende in eine Phase des Verfalls (corruption des langues) übergeht. Eine Schlüsselrolle für die Einleitung des Niedergangs der Sprachen kommt nach DE BROSSES’ Auffassung der ĺ Schrift zu, da sie im Gegensatz zur Lautsprache nicht in der Lage ist, durch lautsymbolische Phänomene wie Onomatopoiesis und Imitation das materielle Bild des vom Laut imitatorisch treffend nachgezeichneten Objektes darzustellen. Da für DE BROSSES Sprache primär ein Akt verbaler Entäußerung ist, der sich notwendigerweise aus der anatomischen Konfiguration unserer Sprechorgane ergibt, kann die Fixierung der spontanen, natürlichen Laute (ĺ Natürlichkeit) durch die Schrift ihm nur als Prozess der Alterierung (altération) und unerwünschten ĺ Sprachveränderung erscheinen. Einen fortschreitenden Prozess der Korruption des Französischen beklagt PRÉMONTVAL, der Befürchtungen, die französische Sprache könne einem Niedergang zum Opfer fallen, mit der Behauptung, dass dieser Niedergang bereits deutlich spürbar sei, erwidert. Verantwortlich für den Verfall sei die Universalität des Französischen (ĺ universelle Geltung), das an so vielen Orten gesprochen und über so viele Kanäle verbreitet würde, dass sein Niedergang aller Voraussicht nach rasch voranschreiten würde. Selbst im für die französische Sprache maßgeblichen Akademiewörterbuch hätten sich bedingt durch die rasche ĺ Sprachveränderung im Verlaufe seiner 50
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Jahre andauernden Redaktion allein auf den ersten drei Seiten 20–30 Fehler eingeschlichen. Ähnlich wie bei DE BROSSES findet sich die Idee einer schon von Natur aus in der Sprache angelegten Korruption bei COMENIUS. Für COMENIUS ist jede Sprache durch zwei Grundprinzipien gekennzeichnet: ĺ Analogie und Anomalie. Die sprachliche Anomalie trete sogar so häufig auf, dass nicht einmal das Hebräische, wie wir es in den heiligen Büchern finden, davon frei sei. Da nicht einmal das Hebräische der Anomalien entbehre, dürfe man mit Recht annehmen, dass sogar die im Garten Eden gesprochene adamitische ĺ Ursprache Anomalien enthalten habe. Auch in England ist die Konzeption der ĺ Sprachveränderung als Korruption der Sprache ein gängiges Argumentationsmuster der Sprachdiskussion im 17. und 18. Jahrhundert. So übernimmt beispielsweise PRIESTLEY BIONDOs Barbarenthese, indem er das Eindringen nordischer Barbaren (the irruption of the northern barbarians) für die Sprachmischung und Bastardisierung des Lateins (the language itself became mixed and adulterated) verantwortlich macht. Die Korruption der lateinischen Sprache sieht PRIESTLEY aber auch in engem Zusammenhang mit dem Niedergang der einstmals in Rom so vortrefflichen Redekunst. Mit der Veränderung der Gerichtspraxis und der damit einhergehenden Abkürzung der Plädoyers sei eine affektierte Vorliebe für ĺ Neologismen entstanden. Man habe sich in puerilen stilistischen Verfeinerungen ergangen (trifling and puerile refinements in style; ĺ Stil) und unpassende Formen der ĺ Analogie gewählt. Mit einem Anklang an HORAZ, der den Sprachwandel (ĺ Sprachveränderung) mit dem Wandel der Belaubung von Bäumen verglichen hatte, die im Herbst zunächst ihre Blätter verlieren, um im Frühjahr wieder in voller Blüte zu prangen, erklärt PRIESTLEY die Korruption der Sprache mit einem Baumgleichnis. Selbst bei günstigen klimatischen Verhältnissen wachsen Bäume nur bis zu einer bestimmten Größe. Wenn sie ihre volle Höhe erreicht haben, dienen all ihre überflüssigen Säfte lediglich dazu, die verschiedensten Auswüchse wie Moose und Farne zu ernähren, die am Ende die Verformung und
Korruption Zerstörung der Bäume nach sich ziehen. In der gleichen Weise trügen all die Mühen, die wir aufwenden, um einer Sprache Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) zu verleihen, nur dazu bei, sie zu verformen (disfigure), ihren wahren Wert zu senken (to lessen its real value) und sie mit sinnlosen Regeln und Schnörkeln zu versehen, die den Sprecher oder Schreiber belasten und auch dem Hörer oder Leser keinerlei Vorteile verschaffen. In seiner Kernthese zur ĺ Sprachveränderung und Korruption behauptet PRIESTLEY, dass Sprachen niemals verloren gingen, wenn die Völker, die sie sprächen, nicht Opfer des Sprachkontakts würden. Durch den Einfluss anderer Sprachen werden Sprachen ohne weiteres korrumpiert und schließlich ausgemerzt (they are liable to become corrupt and extinct by the influence of other languages). So könne eine Sprache sogar innerhalb einer sehr kurzen Zeit verloren gehen, wenn das Volk, das sie spricht, von einer anderen Nation unterworfen und gefangengehalten werde. Als Beleg für diese Behauptung führt PRIESTLEY den Fall des Hebräischen an. So hätten die Juden ihre Sprache während der babylonischen Gefangenschaft verloren, da nach dieser Zeit das reine Hebräisch nur in den heiligen Büchern erhalten geblieben wäre und die modernen Juden, die keine freie Erziehung genossen hätten, keine andere Sprache als die ihres Geburtslandes sprächen. Jedes Volk, das entweder in einer Abhängigkeit von einem anderen Volke lebt oder einen regen Austausch mit einem anderen Volk pflegt, das mächtiger als es selbst ist, begebe sich in die Gefahr, im Laufe der Zeit die eigene Sprache gegen die seiner mächtigeren und gelehrteren Nachbarn auszutauschen. In dieser Weise hätte etwa das Englische das Walisische überlagert oder das Französische das Britische. Aber auch voneinander unabhängige, benachbarte Nationen könnten sich den Auswirkungen des Sprachkontaktes nicht entziehen. So seien in dieser Situation Phänomene wie die Entlehnung an der Tagesordnung, so dass sich im Laufe der Zeit ein Sprachengemisch zwischen beiden Sprachen (a mixture of both) ergebe.
577 Das Phänomen der Korruption der Sprache wird auch von dem schottischen Gelehrten MONBODDO beschrieben. Für ihn stellt die Sprache eine menschliche Erfindung dar (ĺ Ursprung), welche schwerlich auf einmal zerstört werden oder verloren gehen könne. Ein Sprachtod sei nur denkbar, wenn ein ganzes Volk von Katastrophen wie etwa dem Untergang der Insel Atlantis heimgesucht oder wenn es infolge eines Krieges ausgerottet werde. So sei etwa das Keltische in England durch die Eroberungen der Sachsen vernichtet worden und lediglich in den Bergen von Wales erhalten geblieben. Allerdings sieht MONBODDO den Sprachtod eher als eine Ausnahme an, der er den Regelfall der Sprachmischung der Sprache der Eroberten mit der der Eroberer gegenüberstellt. Die Korruption der Sprache beschreibt er als Resultat des Sprachkontaktes zwischen den Sprachen der Eroberer und der Eroberten. So klassifiziert er etwa das Italienische als ein Gemisch aus der Sprache der langobardischen Eroberer und dem Lateinischen. Die Konzeption der ĺ Sprachveränderung als Korruption der Sprache und die Sorge um einen schädlichen Einfluss von Fremdwörtern, Entlehnungen und ĺ Neologismen durch Sprachkontakte ist auch in Deutschland ein geläufiges Thema der Sprachdiskussion. So wehrt sich etwa LEIBNIZ gegen die Einflüsse der Modesprache Französisch auf das Deutsch seiner Landsleute. Durch den intensiven Kontakt mit dem Französischen vor allem in den Kreisen der Gelehrten, der Administration und der Kirchen, sei ein Mischmasch aus Deutsch und Französisch entstanden, der den Verfall des Deutschen nach sich ziehen könne. LEIBNIZ fürchtet gar einen Schwund des Deutschen zugunsten des Französischen. Um dem entgegenzuwirken, charakterisiert er das Deutsche als eine Haupt- und Helden-Sprache und fordert dazu auf, sich gegen den wachsenden Einfluss der französischen Sprache zu wehren, da die Übernahme einer fremden Sprache zugleich auch den Verlust der eigenen Freiheit bedeute. LEIBNIZ appelliert somit an den Nationalstolz seiner Landsleute, der als Bollwerk gegen die Mode der französischen Sprache dienen soll. Als einen Hauptgrund für den fortschreitenden Verfall des Deutschen führt LEIBNIZ den Dreißigjährigen
578 Krieg an, in dessen Folge eine Vielzahl fremder Völker Deutschland “wie mit einer Wasserfluth überschwemmet” und mit beschämendem Wortgut überzogen habe. Die Korruption der Sprache wird auch von einigen Teilnehmern an der Berliner Preisfrage nach dem ĺ Ursprung der Sprache (1771) thematisiert. In einer Einsendung auf die Preisfrage (Preisfrage 1771, Manuskript I-M665) wird als ein Kennzeichen der corruption des langues die zunehmende Verkürzung der Verbalendungen aufgeführt. Die immer stärker zunehmenden Ähnlichkeiten der Verbalflexion hätten die Entstehung von ĺ Pronomen befördert, wie dies etwa für die Fälle des Französischen und Deutschen zuträfe. Demgegenüber verfügten die Italiener bedingt durch die größeren Unterschiede der Verbalflexion über größere Freiheiten im Gebrauch der Pronomina. In diesem Manuskript wird somit der Wandel einiger europäischer Sprachen von einer eher synthetischen Grundform zu einer in stärkerem Maße analytischen Form aufgezeigt (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). In einer anderen Einsendung auf die Berliner Preisfrage (Preisfrage 1771, Manuskript I-M674) werden als Gründe für die ĺ Sprachveränderung gewaltsame Umwälzungen (violentae perturbationes) genannt. Zu diesen heftigen Umwälzungen werden Phänomene gezählt wie etwa unabsehbare Wendungen im menschlichen Geschick, Revolutionen des Menschengeschlechtes, wiederholt auftretende Überschwemmungen, durch Zufall verloren gegangene Kinder, Flüchtlingswellen oder Ereignisse aller Art, die dazu führten, dass Menschen ihr Heimatland verließen und sich in Horden über die Erde verstreuten, von denen einige die ĺ Ursprache, die lingua primaeva, an ihre Nachkommen weitergegeben hätten. Später hätten sich aus diesen Horden Völker gebildet, die sich untereinander vermischt hätten, wodurch einige der verschiedenen Sprachen vervollständigt, vervollkommnet, verändert oder auch verderbt worden wären (linguas ab aliis completas, perfectas, mutatas, vel corruptas esse), andere hingegen unverändert geblieben wären und weitere sich schließlich mit neu entstandenen Sprachen vermischt hätten. Diese Einsendung auf die Berliner Preisfrage zeugt von einem
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung ausgeprägten Bewusstsein für verschiedene Prozesse des Sprachwandels, wobei eine Vielfalt von Hypothesen aufgeführt wird, die die Entstehung der verschiedenen Sprachen und die Phänomene der Sprachveränderung und des Sprachkontakts zu erklären versucht. Wie etwa bei DE BROSSES wird auch hier das Problem des Ursprungs der Sprache (ĺ Ursprung) im Zusammenhang mit der weiteren Sprachentwicklung betrachtet, als deren weitere Stadien zuerst die Vervollkommnung, die etwa DE BROSSES’ formation des langues entspricht, die Vollkommenheit (entspricht DE BROSSES’ perfection; ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), die dann einsetzende, sich immer stärker manifestierende ĺ Sprachveränderung und schließlich die Korruption der Sprache genannt werden. Sprachwandel ist nach dieser Darstellung ein Prozess, der sich in bestimmten, notwendigerweise auftretenden Etappen vollzieht. Die These, dass mit Notwendigkeit auf eine Blütezeit der Sprache ihre Korruption folgt, wird auch von SULZER vertreten, der die Ursachen für den Niedergang vor allem an einem “Ueberfluß der Beywörter” zu erkennen glaubt. So hätte eine zu große Anzahl ornamentaler Adjektive den Niedergang der Rhetorik in Griechenland, Rom und Frankreich eingeleitet. Daran habe sich eine verdorbene Periode angeschlossen. Auch für BERNHARDI folgt nach der Ausbildung und Fortentwicklung der Sprache eine Phase sprachlichen Verfalls. Der Verfall der Sprache entsteht nach BERNHARDI per definitionem “durch das Verschmelzen zweier Sprachen”. Von allen hier aufgeführten Positionen zur Korruption der Sprache hebt sich die Position, die DENINA vertritt, jedoch deutlich ab: Im Einklang mit BIONDOs Barbarenthese sieht auch DENINA die Barbaren, die in die römischen Provinzen eindrangen, als Motoren der Korruption der Sprache an. Gerade im Italienischen sei der Einfluss der Sprachen der Goten und Teutonen nachweisbar. Sprachliche Spuren der germanischen Barbareninvasion fänden sich etwa auch in der Einführung der ĺ Artikel und der Hilfsverben, die dem Lateinischen fremd gewesen waren. DENINA stimmt BIONDOs Korruptionsthese bis zu einem gewissen Grade zu: In der Tat seien die
Korruption modernen Sprachen aus der Korruption des Lateins entstanden. Im Gegensatz zu BIONDO und seinen Nachfolgern zeigt sich bei DENINA jedoch eine positive Interpretation sprachlicher Korruption, denn für DENINA bedeutet die Korruption einer Sache axiomatisch zugleich die Entstehung einer neuen (la corruption d’une chose est la génération d’une autre). Dieses Axiom wendet er auch auf die Sprache an und kommt zu dem überraschenden Urteil, dass die Korruption einer Sprache bzw. alles, was als Barbarismus gekennzeichnet wird, ursprünglich nur Versuche zur Vervollkommnung und Sprachbereicherung waren (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel; ĺ Reichtum). Anstatt von der ‘Korruption’ einer Sprache, müsse man nach Meinung DENINAS eher von ĺ Sprachveränderung (altération), wenn nicht gar manchmal von ‘Vervollkommnung’ (perfection) oder zumindest von réparation, von ‘Wiederherstellung’ oder ‘Reparatur’ einer Sprache sprechen. Mit seiner Beurteilung von Prozessen der Sprachveränderung, die nicht als Verfall gesehen werden können und mit seiner positiven Einschätzung des Sprachkontakts, der nicht als Übel und Ursache einer unerwünschten Korruption einer Sprache, sondern als Weg der Vervollkommnung und Sprachbereicherung aufgefasst wird, weist DENINA den Weg zur Sprachbetrachtung des 19. Jahrhunderts, die sich intensiv den Problemen der ĺ Sprachveränderung und des Sprachkontakts widmen wird.
IV. Im Zuge der Entstehung der Sprachwis-
senschaft und der Romanistik als wissenschaftliche Disziplinen wandte man sich im 19. Jahrhundert intensiv den Fragestellungen nach der Herausbildung der romanischen Sprachräume, der Entstehung der romanischen Sprachen aus dem Vulgärlatein und den Auswirkungen von Phänomenen des Sprachkontakts zu. Von entscheidender Bedeutung für die weitere Diskussion dieses Problemfeldes waren ASCOLIs Lettere Glottologiche (1881– 1882), in denen dieser die sogenannte Substrattheorie entwickelte. ASCOLI knüpft an BIONDOs Korruptionstheorie an, indem er die Idee einer zentralen Bedeutung der Goteneinfälle in der Völkerwanderungszeit als Movens für die Herausbildung des Italienischen ansieht. Allerdings kommt ASCOLI das
579 Verdienst zu, die These BIONDOs, welche dieser in sehr emotionaler und subjektiver Form vorgetragen hatte, verwissenschaftlicht zu haben. Für ASCOLI stellen die Völkerwanderung und die Barbareninvasion einen wichtigen ethnologischen Grund der ĺ Sprachveränderung dar. Nach der Substrattheorie ASCOLIs spricht man von einer Substratwirkung, wenn eine in einem Land vorhandene Sprache auf eine Sprache einwirkt, die sie überlagert. Auf diese Weise kann das Substrat, die “darunter liegende” Sprache eines besiegten Volkes, die Sprache der Eroberer mehr oder weniger stark umformen und verändern. So führte etwa im Falle des Lateinischen die Errichtung des Imperium Romanum zur Ausdifferenzierung und Veränderung des Lateinischen durch den Einfluss der verschiedenen Substratsprachen der Länder der Eroberten. Ergänzend zum Begriff des ‘Substrats’ hat der Romanist VON WARTBURG 1950 in seinem Standardwerk Die Ausgliederung der romanischen Sprachräume den Begriff ‘Superstrat’ eingeführt. Die Entstehung des Superstrats erklärt VON WARTBURG im Zusammenhang mit ASCOLIs Substrat-Konzept. Wird ein Volk von einem anderssprachigen Volk besetzt, so wird das besetzte Land für mehrere Generationen zweisprachig. Es entsteht das, was die moderne Sprachwissenschaft als Diglossie bezeichnet, ein Nebeneinander von zwei verschiedenen Sprachen, die sozial unterschiedlich markiert sind, als prestigeträchtige bzw. als informelle Variante. Im Laufe der Zeit wird diese Diglossie-Situation in der Regel aufgelöst, indem die Sprache der Eroberer die der Eroberten verdrängt. Siegt die Sprache der Eroberer, so wird die Sprache der Eroberten im Verhältnis zu ihr eine Substratsprache. Setzt sich jedoch die Sprache der Eroberten durch, so wird die Sprache der Neuangekommenen im Verhältnis zur siegreichen Sprache zum Superstrat. Allerdings geht keine der unterliegenden Sprachen unter, ohne dass einige ihrer Elemente mit der Sprache der Eroberer verschmelzen. Die Überlegungen ASCOLIs und VON WARTBURGs entstanden nicht losgelöst von der Sprachreflexion der vorangehenden Jahrhunderte. So lässt sich BIONDOs Korruptionsthese als Erklärungsmuster für die Entstehung
580 der romanischen Sprachen ebenso als ein potentieller Vorläufer von ASCOLIs ethnologischem Prinzip ausmachen wie Reflexionen des 17. und 18. Jahrhunderts zum Verhältnis zwischen der Sprache der Eroberer und der Sprache der Eroberten. Schon ALDRETE, MONBODDO oder PRIESTLEY hatten eine überzeugende Beschreibung von Phänomenen der ĺ Sprachveränderung und des Sprachkontakts geliefert, ohne natürlich die erst in späteren Jahrhunderten entstandene Terminologie gebrauchen zu können. Vielmehr ist für die vorwissenschaftliche Zeit der Sprachbetrachtung eine eher subjektiv-emotional getönte Beurteilung charakteristisch, die den Sprachkontakt eher als eine Bedrohung denn als Chance erachtet, sieht man einmal von DENINAs positiver Einschätzung der Sprachveränderung ab. Mit der Verwissenschaftlichung der Sprachbetrachtung im 19. Jahrhundert verschwindet zugleich der wertende Charakter der Sprachbetrachtung, um einer positivistischen Form der Sprachbeschreibung zu weichen, die insbesondere über den Sprachvergleich anhand des Formen- und Lautinventars der indogermanischen Sprachen Prozesse der Sprachveränderung untersucht (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Im 20. Jahrhundert hat man anhand verschiedener Ansätze versucht, die Ausgliederung der romanischen Sprachräume zu erklären, wobei neben VON WARTBURGs Superstrathypothese die Raumlinguistik (linguistica spaziale) eines BARTOLI oder die These von ALONSO, dass eine unterschiedliche Intensität der Romanisierung unterschiedliche romanische Sprachen ergibt, ebenso zu nennen wäre wie COSERIUs These, dass ein einheitliches Vulgärlatein als Vorstufe der romanischen Sprachen gar nicht existiert habe (vgl. COSERIU [1954] 1978). Vielmehr handle es sich beim Vulgärlatein nach COSERIUs Auffassung lediglich um eine Abstraktion von unterschiedlichen Charakteristika der verschiedensten Merkmale des gesprochenen Lateins verschiedener Epochen und Gegenden. In jüngerer Zeit war insbesondere auch der Ansatz von H. LÜDTKE von Bedeutung für die Diskussion über die Ursprünge der romanischen Sprachen (vgl. LÜDTKE [1964] 1978, 2005). H. LÜDTKE bemüht sich im Wesentlichen darum, nachzuweisen, wie die romani-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung schen Sprachen in einer von der lateinischen Sprache dominierten Welt überhaupt Schriftsprachen werden konnten. Er erklärt dies mit der Auflösung der Diglossie-Situation zwischen dem gelehrten Latein und der jeweiligen romanischen Volkssprache. Diese Auflösung sei notwendig geworden durch die karolingische Reform, als deren Ergebnis das Latein der damaligen Zeit gereinigt worden und wieder klassischer geworden sei. Dadurch sei eine unüberbrückbare Kluft zwischen dem Latein der Predigten und der Volkssprache entstanden, die nur durch die Übertragung der lateinischen Predigten in die romanischen Volkssprachen oder ins Deutsche aufgelöst werden konnte. Einen Meilenstein in dieser Entwicklung markieren die sogenannten Straßburger Eide (les serments de Strasbourg) von 842. Ihren wirklichen Aufstieg zur Schriftsprache nahmen die Volkssprachen jedoch erst viel später, z. B. im Jahre 1539, als in Frankreich durch die Erlasse von Villers-Cotterêts beschlossen wurde, sämtliche juristischen Dokumente in der Volkssprache abzufassen. Die Konzeption der ‘Korruption der Sprache’ hat sich für die gesamte Entwicklung der europäischen Sprachdiskussion als ein brauchbares Konzept erwiesen, das im 19. Jahrhundert schließlich als Grundlage für die ethnologische Erklärung der Romanisierung dienen konnte. Zwar musste die subjektiv-emotional getönte Beschreibungsart der vorherigen Jahrhunderte der verwissenschaftlichten Betrachtungsweise von Romanistik und Sprachwissenschaft weichen, aber die mit dem Konzept ‘Korruption der Sprache’ beschriebenen Phänomene bleiben bis heute unter Anwendung einer wissenschaftlichen Terminologie ein wesentlicher Gegenstand historiographischer Untersuchungen.
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Gebärdensprache vs. Lautsprache I. Lat. gestus, motus, habitus corporis, vul-
tus, gesticulatio, eloquentia corporis vs. lingua, lingua articulata, sermo, sermo vocalis, loquela, oratio; dt. Gebärde, Gebährde, Geberde, Gebehrde, Geberdensprache, Sprache der Gebärden, Geste, Mimik, Chironomie, Pantomime, sichtbare Winke, Handlungen mit den Gliedmassen, verschiedene Bewegungen der Augen, des Gesichts, der Hände und anderer Gliedmaßen, Bewegungen der Gliedmaßen seines Leibes, Mienen und Winke, vs. Sprache, Sprach, Lautsprache, articulirte Lautsprache, Rede; engl. gesture, expression of looks, action of the face, gestures of the body, Gestures, and the expression of the countenance; action and gesticulation, naturall Language of the Hand, a Parabolical Way of speaking by Gestures vs. language, [significative] actions, rude manner of Speaking by Action, Transitorie Hierogliphickes vs. language, speech, discourse, articulate sounds; frz. geste, air, gestuelle, gesticulation, gestes de doigts, mines & guignemͅts des yeux, langage d’action, danse des gestes, les mouvements et les gestes, pantomimes, l’art des pantomimes, langage par gestes, vs. langue, langage, langage naturel, parole, discours; ital. gesto, spiegarsi per atti o corpi che avessero naturali rapporti alle loro idee, danza imitativa, ballo pantomimico vs. lingua; span. gesto, gesticulación vs. lengua, lenguaje.
II. (PLATON: Kratylos, 422d): Wenn wir weder Stimme noch Zunge hätten und doch ein-
ander die Gegenstände kundmachen wollten, würden wir nicht, wie auch jetzt die Stummen tun, versuchen, sie vermittels der Hände, des Kopfes und der übrigen Teile des Leibes anzudeuten? (CICERO: De oratore III, 216): Omnis enim motus animi suum quendam a natura habet vultum et sonum et gestum; corpusque totum hominis et eius omnis vultus omnesque voces, ut nervi in fidibus, ita sonant, ut a motu animi quoque sunt pulsae. Nam voces ut chordae sunt intentae, quae ad quemque tactum respondeant, acuta gravis, cita tarda, magna parva. (CICERO: De oratore III, 220): Omnis autem hos motus subsequi debet gestus, non hic verba exprimens scaenicus, sed universam rem et sententiam non demonstratione, sed significatione declarans, laterum inflexione hac forti ac virili, non ab scaena et histrionibus, sed ab armis aut etiam a palaestra; manus autem minus arguta, digitis subsequens verba, non exprimens; bracchium procerius proiectum quasi quoddam telum orationis; supplosio pedis in contentionibus aut incipiendis aut finiendis. (CICERO: De oratore III, 221): Sed in ore sunt omnia, in eo autem ipso dominatus est omnis oculorum. […] animi est enim omnis actio et imago animi vultus, indices oculi: nam haec est una pars corporis, quae, quot animi motus sunt, tot significationes et commutationes possit efficere.
Gebärdensprache vs. Lautsprache (CICERO: De oratore III, 223): qua re in hac nostra actione secundum vocem vultus valet; is autem oculis gubernatur. Atque in eis omnibus, quae sunt actionis, inest quaedam vis a natura data; qua re etiam hac imperiti, hac vulgus, hac denique barbari maxime commoventur: verba enim neminem movent nisi eum, qui eiusdem linguae societate coniunctus est, sententiaeque saepe acutae non acutorum hominum sensus praetervolant: actio, quae prae se motum animi fert, omnis movet; isdem enim omnium animi motibus concitantur et eos isdem notis et in aliis agnoscunt et in se ipsi indicant. (QUINTILIAN: Institutio oratoria, XI, 3, 1–2): Pronuntiatio a plerisque actio dicitur, sed prius nomen a voce, sequens a gestu videtur accipere. Namque actionem Cicero alias “quasi sermonem”, alias “eloquentiam quandam corporis” dicit. Idem tamen duas eius partis facit, quae sunt eaedem pronuntiationis, vocem atque motum: quapropter utraque appellatione indifferenter uti licet. Habet autem res ipsa miram quandam in orationibus vim ac potestatem: neque enim tam refert qualia sint quae intra nosmet ipsos composuimus quam quo modo efferantur: nam ita quisque ut audit movetur. Quare neque probatio ulla, quae modo venit ab oratore, tam firma est ut non perdat vires suas nisi adiuvatur adseveratione dicentis, et adfectus omnes languescant necesse est, nisi voce, vultu, totius prope habitu corporis inardescunt. (QUINTILIAN: Institutio oratoria, XI, 3, 65– 67): […] Quid autem quisque in dicendo postulet locus paulum differam, ut de gestu prius dicam, qui et ipse voci consentit et animo cum ea simul paret. Is quantum habeat in oratore momenti satis vel ex eo patet, quod pleraque etiam citra verba significat. Quippe non manus solum sed nutus etiam declarant nostram voluntatem, et in mutis pro sermone sunt, et saltatio frequenter sine voce intellegitur atque adficit, et ex vultu ingressuque perspicitur habitus animorum, et animalium quoque sermone carentium ira laetitia adulatio et oculis et quibusdam aliis corporis signis deprenditur. Nec mirum si ista, quae tamen in aliquo posita sunt motu, tantum in animis valent, cum pictura, tacens opus et habitus semper eiusdem, sic in intimos penetret adfectus ut ipsam vim dicendi nonnumquam superare
583 videatur. Contra si gestus ac vultus ab oratione dissentiat, tristia dicamus hilares, adfirmemus aliqua renuentes, non auctoritas modo verbis sed etiam fides desit. (QUINTILIAN: Institutio oratoria, XI, 3, 85– 87): Manus vero, sine quibus trunca esset actio ac debilis, vix dici potest quot motus habeant, cum paene ipsam verborum copiam persequantur. Nam ceterae partes loquentem adiuvant, hae, prope est ut dicam, ipsae locuntur. An non his poscimus pollicemur, vocamus dimittimus, minamur supplicamus, abominamur timemus, interrogamus negamus, gaudium tristitiam dubitationem confessionem paenitentiam modum copiam numerum tempus ostendimus? non eaedem concitant inhibent [supplicant] probant admirantur verecundantur? non in demonstrandis locis atque personis adverbiorum atque pronominum optinent vicem? – ut in tanta per omnis gentes nationesque linguae diversitate hic mihi omnium hominum communis sermo videatur. (QUINTILIAN: Institutio oratoria, XI, 3, 96): Est et ille verecundae orationi aptissimus, quo, quattuor primis leviter in summum coeuntibus digitis, non procul ab ore aut pectore fertur ad nos manus et deinde prona ac paulum prolata laxatur. (BACON 1970 [1605]: 59–60): For the ORGANE OF TRADITION, it is either SPEECH OR WRITING: for Aristotle sayth well: Wordes are the Images of Cogitations, and Letters are the Images of Wordes: But yet is not of necessitie, that Cogitations bee expressed by the Medium of Wordes. For whatsoeuer is capable of sufficient differences, and those perceptible by the sense; is in Nature competent to expreße Cogitations: And therefore we see in the Commerce of barbarous People, that vnderstand not one anothers language, & in the practise of diuers that are dumb & deafe, that mens minds are expressed in gestures, though not exactly, yet to serue the turne. And we vnderstand further, that it is the vse of Chyna, and the Kingdomes of the High Leuant, to write in Characters reall, which expresse neither Letters, nor words in große, but Things or Notions; in so much as Countreys and Prouinces, which vnderstand not one anothers language, can neuerthelesse read one anothers Writings, because the Characters are accepted more generally, than the
584 Languages doe extend; and and [sic] therefore they haue a vast multitude of Characters; as many, I suppose, as Radicall words. These Notes of Cogitations are of twoo sortes; The one when the Note hath some Similitude, or Congruitie with the Notion; The other Ad Placitum, hauing force onely by Contract or Acceptation. Of the former sort are Hierogliphickes, and Gestures. For as to Hierogliphickes, (things of Ancient vse, and embraced chiefely by the Aegyptians, one of the most ancient Nations) they are but as continued Impreases and Emblemes. And as for Gestures, they are as Transitorie Hierogliphickes, and are to Hierogliphickes, as Words spoken are to Wordes written, in that they abide not; but they haue euermore as well, as the other an affinitie with the thinges signified. (DURET [1613] 1972: 23): Il y a outre plus de chiffres qui sont comme moyens entre la parole & l’escriture, d’autant, qu’ils sont muets cõme elle: & quãt & quant [sic] ni plus ni moins que la parole; attachez & ioincts auec la personne; qui s’en exprime par gestes de doigts, mines & guignemӁts des yeux, des leures, & tellement qu’ils sont presque d’infinies sortes; aguisees de notes & abbreuiations de Ciceron. Car chacun s’en forge à sa fantasie, tout ainsi que des alphabets, auec ses cointelligents, qui d’vne façon, qui d’vne autre, plus ou moins, artificielles & ingenieuses, selon la dexterité de leur esprit, ou qu’ils arriue en estre instruits par les autres. (BONET 1620: II, 117–118): La mudez en el hombre procede de una de dos causas, y pueden assi mismo estar ambas en un sugeto. La primera y mas general, que experimentamos en los mudos, es la sordez, que impedido aquel sentido con tan grande extremo, y siendo el hablar lo mismo que imitar aquello que ha oydo, se sigue que no podrà hablar el que oyr no pudiere, no obstante que el instrumento de la lengua estè abil, suelto, y libre, para exibir el mouimiento que vsa en la pronunciacion de las palabras, como alargar la lengua medidamente, recogerla, baxarla, subirla al paladar, torcerla, herir cõ ella en los dientes, encorbarla, yotras acciones de que sirue para la pronunciaciõ. La segunda causa es, que de la propia manera que pudo acudir humor que impidio el oydo, pudo acudir humor que impidiesse el mouimiento de la len-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung gua, o la naturaleza auer sido defectuosa en aquella parte, como lo fue en el oydo, o en los neruios instrumentales de la lengua: de manera puede tambien oyendo vna persona ser muda por el defecto de la lengua, y otros pueden serlo por ambas causas: A los que lo fueren por la de no oyr (que esto es lo general) puede con este Arte enseñarseles a hablar, mas aquellos que por el impedimento de la lengua son mudos, de manera que aunque oyerã lo fueran, no serà possible enseñarles, y assi a solos los que proceden de la falta del oydo podrè servirles nuestra enseñanza. (WILKINS [1641/1707] 1984: 4): There is yet another way of Discoursing, by Signs and Gestures, and though it be not to common in Practice as either of the other, yet in Nature perhaps it is before them both, since Infants are able this way to express themselves, before they have the Benefit of Speech. (WILKINS [1641/1707] 1984: 58–59): The third Way of Discoursing was by Signs and Gestures, which (as they are serviceable to this Purpose) may be distinguished into such as are significant, either 1. Ex congruo. 2. Or ex placito. 1. Ex congruo, when there is some natural Resemblance and Affininty betwixt the Action done, and the thing to be exprest [sic]. Of which kind are all those outward Gestures, whereby not only dumb Creatures, but Men also do express their inward Passions, whether of Joy, Anger, Fear, &c. […] Of this Kind [ex congruo, C. N.] likewise are many religious Actions, and Circumstances of Divine Worship, not only amongst the Ancient Heathen, but some that were particularly enjoyned [sic] the Priests and Levites of the old Law; and some too that are now in Use in these Times of the Gospel. For by such bodily Gestures and Signs, we may speak unto God as unto Men. To this Kind also are reducible those Actions of Form, that are required as necessary Circumstances in many civil Affairs and publick Solenities, which are usually such, as in themselves are apt to signifie the thing for which they are meant. But now sometimes the intended Meaning of these Gestures is concealed under a secret Similitude.
Gebärdensprache vs. Lautsprache […] This [use of gestures ex congruo, C. N.] I may call a Parabolical Way of speaking by Gestures. (WILKINS [1641/1707] 1984: 59–60): 2. Ex placito, when these Signs have Signification from Use and Mutual Compact; which Kind of Speaking, as it refers to lascivious Intimations, is largely handled by Ovid, de Arte amandi. Verba superciliis sine voce loquentia dicam. Verba leges digitis, &c. By the Help of this it is common for Men of several Nations, who understand not one another’s Languages, to entertain a mutual Commerce and Traffick. And ‘tis a strange thing to behold, what Dialogues of Gestures there will pass betwixt such as are borne Deaf and Dumb; who are able by this means alone, to answer and reply unto one another as directly as if they had the Benefit of Speech. ‘Tis a great part of the State and Majesty belonging to the Turkish Emperor, that he is attended by Mutes, with whom he may discourse concerning any private Business, which he would not have others to understand. It were a miserable thing for a Rational Soul to be imprisoned in such a Body as had no Way at all to express its Cogitations; which would be so in all that are born Deaf, if that which Nature denied them, were not in this Respect supplied by a second Nature, Custom and Use. (WILKINS [1641/1707] 1984: 60–61): The particular Ways of Discoursing by Gestures, are not to be numbred [sic], as being almost of infinite Variety, according as the several Fancies of Men shall impose Significations upon all such Signs or Actions as are capable of sufficient Difference. (WILKINS [1641/1707] 1984: 61): Hence it is easie to conceive, how the Letters as well as the Numbers, may be thus applied to the several Parts of the Hand, so that a Man might with divers Touches, make up any Sense that he hath occasion to discover unto a Confederate. This may be performed, either as the Numbers are set down in the authors bevor-cited; or else by any other Way of Compact that may be agreed upon.
585 (WILKINS [1641/1707] 1984: 61–62): But because such various Gesticulations as are required to this, will not be without Suspicion, therefore it were a better Way [of using gestures for secret communication, C. N.], to impose Significations upon such Actions as are of more common unsuspected Use; as scratching of the Head, rubbing the several Parts of the Face, winking of the Eyes, twisting of the Beard, &c. Any of which, or all of them together, may be as well contrived to serve for this Purpose, and which much more Secresy. (BULWER [1644/1648] 2003: Chirologia, 1): In all the declarative conceits of Gesture, whereby the Body, instructed by Nature, can emphatically vent, and communicate a thought, and in the propriety of its utterance expresse the silent agitations of the minde; the Hand, that busie instrument, is most talkative, whose language is as easily perceived and understood, as if Man had another mouth or fountaine of discourse in his Hand. So proper and apt to make signes, and work great matters is the Hand of Man. (BULWER [1644/1648] 2003: Chirologia, 2): […] For, the Hand being the Substitute and Vicegerent of the Tongue, in a full, and majestique way of expression, presents the signifying faculties of the soule, and the inward discourse of Reason: and as another Tongue, which we may justly call the Spokesman of the Body, it speakes for all the members thereof, denoting their Suffrages, and including their Votes. (BULWER [1644/1648] 2003: Chirologia, 3– 4): […] Nor doth the Hand in one speech or kinde of language serve to intimate and expresse our mind: It speakes all languages, and as an universall character of Reason, is generally understood and knowne by all Nations, among the formall differences of their Tongue. And being the onely speech that is naturall to Man, it may well be called the Tongue and generall language of Humane Nature, which, without teaching, men in all regions of the habitable world doe at the first sight most easily understand. This is evident by that trade and commerce with those salvage Nations who have long injoy’d the late discovered principalities of the West, with whom (although their Language be strange and unknowne) our Merchants barter and exchange
586 their Wares, driving a rich and silent Trade, by signes, whereby many a dumb bargaine without the crafty Brocage of the Tongue, is advantageously made. (BULWER [1644/1648] 2003: Chirologia, 4– 5): […] For, the gesture of the Hand many times gives a hint of our intention, and speakes out a good part of our meaning, before our words, which accompany or follow it, can put themselves into a vocall posture to be understood. And as in the report of a Piece, the eye being the nimbler sense, discernes the discharge before any intelligence by conduct of the vocall Wave arrive at the eare; […] so although Speech and Gesture are conceived together in the minde, yet the Hand first appearing in the delivery, anticipates the Tongue, in so much as many times the Tongue perceiving her self forestall’d, spares it selfe a labour; to prevent a needlesse Tautologie: And if words ensue upon the gesture, their addition serves but as a Comment for the fuller explication of the manuall Text of utterance; and implyes nothing over and above but a generall devoyre of the minde to be perfectly understood. (BULWER [1644/1648] 2003: Chirologia, 7): […] This naturall Language of the Hand, as it had the happinesse to escape the curse at the confusion of Babel: so it hath since been sanctified and made a holy language by the expressions of our Saviours Hands; whose gestures have given a sacred allowance to the naturall significations of ours. And God speakes to us by the signes of his Hand (as Bernard observes) when he works wonders, which are the proper signes of his Hand. Hic est Digitus Dei, say the astonished Magi, when they acknowledged the expression of a Divine Hand. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: Préface, [IV]): […] le meilleur moyen qu’on ait de faire entendre ce qu’elle [l’âme] souffre, est de ne pas contraindre le visage, les yeux ny la voix; je remarque aussi que cette façon de s’expliquer est la premiere des langues, & la plus universelle, puisqu’il n’y a point de nation qui ne l’entende […]. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 37–38): […] si un homme a bien observé ses yeux, son visage, & tout l’exterieur de son Corps pendant qu’il a eu certaines passions, il a pû, voyant
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung les mémes mouvemens dans un autre homme, juger que cét homme sentoit les mesmes passions: veritablement si quelquefois il a sceu se contraindre en des états semblables, il peut avoir appris à se deffier de ces signes; mais enfin il est évident qu’ils sont naturellement propres à expliquer les passions, & que le meilleur moyen de faire entendre ce que l’Ame souffre, est de ne pas contraindre son visage, ses yeux ou sa voix; c’est la maniere d’exprimer ses pensées la plus naïve, c’est aussi la premiere de toutes les langues, & la plus universelle qui soit dans le Monde, puis qu’il n’y a point de Nation qui ne l’entende. (WARBURTON 1738–1742: II, I, IV, IV, 81– 83): […] I. LANGUAGE, as appears both from the Records of Antiquity, and the Nature of the Thing, was at first extremely rude, narrow, and equivocal; so that Men would be perpetually at a loss, on any new Conception, or uncommon Adventure, to explain themselves intelligibly to one another: This would naturally set them upon supplying the Deficiencies of Speech by apt and significant Signs. Accordingly, in the first Ages of the World, mutual Converse was upheld by a mixed Discourse of Words and ACTIONS; and Use and Custom, as in most other Circumstances of Life improving what arose out of Necessity, into Ornament, this Practice subsisted long after the Necessity had ceased; especially amongst the Eastern People, whose natural Temperature inclined them to a Mode of Conversation which so well exercised their Vivacity, by Motion; and so much gratified it, by a perpetual Representation of material Images: Of this we have innumerable Instances in Holy Scripture. […] By these Actions, the Prophets instructed the People in the Will of God, and conversed with them in Signs: But where God teaches the Prophet, and, in Compliance to the Custom of that Time, condescends to the same Mode of Instruction, then the significative Action is generally changed into a Vision, either natural or extraordinary. (WARBURTON 1738–1742: II, I, IV, IV, 87): […] Now this Method of expressing the Thoughts by ACTIONS perfectly coincided with that of recording them by PICTURE. […] II. As Speech became more cultivated, this
Gebärdensprache vs. Lautsprache rude manner of Speaking by Action was smoothed and polished into an APOLOGUE or Fable. (VICO [1744] 1953: 532–533): [431] Perché da questi princìpi: di concepir i primi uomini della gentilità l’idee delle cose per caratteri fantastici di sostanze animate, e, mutoli, di spiegarsi con atti o corpi ch’avessero naturali rapporti all’idee […], e sì spiegarsi con lingua che naturalmente significasse, che Platone e Giamblico dicevano essersi una volta parlata nel mondo […]: da questi pincìpi, diciamo, tutti i filosofi e tutti i filologici dovevan incominciar a trattare dell’origini delle lingue e delle lettere. Delle quali due cose, per natura, com’abbiam detto, congionte, han trattato divisamente, onde loro è riuscita tanto difficile la ricerca dell’origini delle lettere, ch’involgeva egual difficultà quanto quella delle lingue, delle quali essi o nulla o assai poco han curato. (VICO [1744] 1953: 533): [432] Sul cominciarne adunque il ragionamento, poniamo per primo principio quella filologica degnità: che gli egizi narravano, per tutta la scorsa del loro mondo innanzi, essersi parlate tre lingue, corrispondenti nel numero e nell’ordine alle tre età scorse pur innanzi nel loro mondo: degli dèi, degli eroi e degli uomini; e dicevano la prima lingua essere stata geroglifica o sia sagra ovvero divina; la seconda, simbolica o per segni o sia per imprese eroiche; la terza pistolare per comunicare i lontani tra loro i presenti bisogni della lor vita. (VICO [1744] 1953: 535–536): [434] Con queste cose tutte facciano il cumolo queste ultime tre incontrastate verità: la prima, che, dimostrato le prime nazioni gentili tutte essere state mutole ne’loro incominciamenti, dovettero spiegarsi per atti o corpi che avessero naturali rapporti alle loro idee; la seconda, che con segni dovettero assicurarsi de’ confini de’ loro poderi ed avere perpetue testimonianze de’lor diritti; la terza, che tutte si sono truovate usare monete. Tutte queste verità ne daranno qui le origini delle lingue e delle lettere e, quivi dentro, quelle de’ geroglifici, delle leggi, de’ nomi, dell’imprese gentilizie, delle medaglie, delle monete e della lingua e scrittura con la quale parlò e scrisse il primo diritto natural delle genti. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprachkunst (allgemeine), 1744: XXXIX, 457): Die
587 Handlungen mit den Gliedmassen betreffen größtentheils die Eloquentiam corporis, wie sie Cicero nennet. Man kan gleichsam aus dem Gesichte des andern lesen, was er dencket. Cic. De Orat. L. III. spricht: Jede Handlung und das Gesichte ist ein Bild der Seele, die Augen sind Anzeiger des Gemüthes. Quintil. XI. 3. schreibt: Das Gesichte dienet offt an statt aller Worte. Von der Bewegung der Hände sagt er eben daselbst: daß sie gleichsam die gemeine Sprache aller Menschen wäre. Dergeleichen Arten, die Gedancken zu offenbaren, darf man insonderheit den Engeln nicht zu eignen. Nazianzenus sagt daher recht, daß die Engel keine menschlichen Worte gebrauchten. Die Gattung Begriffe mitzutheilen, so in den Handlungen des menschlichen Mundes bestehet, eröffnet den Weg zu einer allgemeinen Sprachkunst. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, I, 13): […] quelques personnes, pour n’avoir pas sçu que le langage d’action étoit chez les juifs une manière commune et familière de converser, ont osé traiter d’absurdes et de fanatiques ces actions des prophètes. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, I, 15–16): Les anciens appeloient ce langage du nom de danse: voilà pourquoi il est dit que David dansoit devant l’arche. Les hommes, en perfectionnant leur goût, donnèrent à cette danse plus de variété, plus de grace et plus d’expression. Non seulement on assujettit à des règles les mouvemens des bras, et les attitudes du corps, mais encore on traça les pas que les pieds devoient former. Par-là, la danse se divisa naturellement en deux arts qui lui furent subordonnés; l’un, qu’on me permette une expression conforme au langage de l’antiquité, fut la danse des gestes; il fut conservé pour concourir à communiquer les pensées des hommes; l’autre fut principalement la danse des pas; on s’en servit pour exprimer certaines situations de l’ame, et particulièrement la joie: on l’employa dans les occasions de réjouissance, et son principal objet fut le plaisir. La danse des pas provient donc de celle des gestes: aussi en conserve-t-elle encore le caractère. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, II, 19–21): Or chacun peut éprouver par lui-même qu’il est naturel à la voix de varier ses inflexions, à
588 proportion que les gestes le sont davantage. Plusieurs autres raisons confirment ma conjecture. Premièrement, quand les hommes commencèrent à articuler des sons, la rudesse des organes ne leur permit pas de le faire par des inflexions aussi foibles que les nôtres. En second lieu, nous pouvons remarquer que les inflexions sont si nécessaires, que nous avons quelque peine à comprendre ce qu’on nous lit sur un même ton. Si c’est assez pour nous que la voix se varie légèrement; c’est que notre esprit est fort exercé par le grand nombre d’idées que nous avons acquises, et par l’habitude où nous sommes de les lier à des sons. Voilà ce qui manquoit aux hommes qui eurent les premiers l’usage de la parole. Leur esprit étoit dans toute sa grossiéreté; les notions aujourd’hui les plus communes étoient nouvelles pour eux. Ils ne pouvoient donc s’entendre qu’autant qu’ils conduisoient leurs voix par des dégrés fort distincts. Nousmêmes nous éprouvons que, moins une langue, dans laquelle on nous parle, nous est familière, plus on est obligé d’appuyer sur chaque syllabe, et de les distinguer d’une manière sensible. En troisième lieu, dans l’origine des langues, les hommes trouvant trop d’obstacles à imaginer de nouveaux mots, n’eurent pendant long-temps, pour exprimer les sentimens de l’ame, que les signes naturels ausquels ils donnèrent le caractère des signes d’institution. Or les cris naturels introduisent nécessairement l’usage des inflexions violentes; puisque différens sentimens ont pour signe le même son, varié sur différens tons. ah, par exemple, selon la manière dont il est prononcé, exprime l’admiration, la douleur, le plaisir, la tristesse, la joie, la crainte, le dégoût et presque tous les sentimens de l’ame. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, IV, 56–57): […] l’usage de partager la déclamation conduisoit naturellement à découvrir l’art des pantomimes: il ne restoit qu’un pas à faire, il suffisoit que l’acteur qui s’étoit chargé des gestes parvînt à y mettre tant d’expression, que le rôle de celui qui chantoit, parut inutile. C’est ce qui arriva. Les plus anciens écrivains qui ont parlé des pantomimes, nous apprennent que les premiers qui parurent, s’essayoient sur les monologues, qui étoient, com-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung me je viens de le dire, les scènes où la déclamation étoit partagée. (PLATS 1749: 191–192): Langue, Zunge, Sprach. f. languette, Zünglein. f. langage, Sprach-Art. f. languiste, Sprach-Verständiger. m. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 524): Mais il n’est peut-être pas nécessaire de remonter à la naissance du monde, et à l’origine du langage, pour expliquer comment les inversions se sont introduites et conservées dans les langues. Il suffirait, je crois, de se transporter en idée chez un peuple étranger dont on ignorerait la langue; ou, ce qui revient presque au même, on pourrait employer un homme qui, s’interdisant l’usage des sons articulés, tâcherait de s’exprimer par gestes. Cet homme, n’ayant aucune difficulté sur les questions qu’on lui proposerait, n’en serait que plus propre aux expériences; et l’on n’en inférerait que plus sûrement de la succession de ses gestes, quel est l’ordre d’idées qui aurait paru le meilleur aux premiers hommes pour se communiquer leurs pensées par gestes, et quel est celui dans lequel ils auraient pu inventer les signes oratoires. Au reste, j’observerais de donner à mon muet de convention tout le temps de composer sa réponse; et quant aux questions, je ne manquerais pas d’y insérer les idées dont je serais le plus curieux de connaître l’expression par geste et le sort dans une pareille langue. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 525): Il ne faut pas que vous confondiez l’exercice que je vous propose ici avec la pantomime ordinaire. Rendre une action, ou rendre un discours par des gestes, ce sont deux versions fort différentes. Je ne doute guère qu’il n’y eût des inversions dans celles de nos muets, que chacun d’eux n’eût son style, et que les inversions n’y missent des différences aussi marquées que celles qu’on rencontre dans les anciens auteurs grecs et latins. Mais comme le style qu’on a est toujours celui qu’on juge le meilleur, la conversation qui suivrait les expériences ne pourrait qu’être très philosophique et très vive; car tous nos muets de convention seraient obligés, quand on leur restituerait l’usage de la parole,
Gebärdensprache vs. Lautsprache de justifier non seulement leur expression, mais encore la préférence qu’ils auraient donnée dans l’ordre de leurs gestes, à telle ou telle idée. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 526): Mais je reviens à nos muets de convention, et aux questions dont on leur demanderait la réponse. Si ces questions étaient de nature à en permettre plus d’une, il arriverait presque nécessairement qu’un des muets en ferait une, un autre muet une autre; et que la comparaison de leurs discours serait, sinon impossible, du moins difficile. Cet inconvénient m’a fait imaginer qu’au lieu de proposer une question, peut-être vaudrait-il mieux proposer un discours à traduire du français en gestes. Il ne faudrait pas manquer d’interdire l’ellipse aux traducteurs. La langue des gestes n’est déjà pas trop claire, sans augmenter encore son laconisme par l’usage de cette figure. On conçoit aux efforts que font les sourds et muets de naissance pour se rendre intelligibles, qu’ils expriment tout ce qu’ils peuvent exprimer. Je recommanderais donc à nos muets de convention de les imiter, et de ne former, autant qu’ils le pourraient, aucune phrase où le sujet et l’attribut avec toutes leurs dépendances ne fussent énoncés. En un mot, ils ne seraient libres que sur l’ordre qu’ils jugeraient à propos de donner aux idées, ou plutôt aux gestes qu’ils emploieraient pour les représenter. Mais il me vient un scrupule. C’est que, les pensées s’offrant à notre esprit, je ne sais par quel mécanisme, à peu près sous la forme qu’elles auront dans le discours, et, pour ainsi dire, tout habillées, il y aurait à craindre que ce phénomène particulier ne gênât le geste de nos muets de convention; qu’ils ne succombassent à une tentation qui entraîne presque tous ceux qui écrivent dans une autre langue que la leur, la tentation de modeler l’arrangement de leurs signes sur l’arrangement des signes de la langue qui leur est habituelle, et que, de même que nos meilleurs latinistes modernes, sans nous en excepter ni l’un ni l’autre, tombent dans des tours français, la construction de nos muets ne fût pas la vraie construction d’un homme qui n’aurait jamais eu aucune notion de langue. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 527): […] Il vous paraîtra singulier,
589 sans doute, qu’on vous renvoie à celui que la nature a privé de la faculté d’entendre et de parler, pour en obtenir les véritables notions de la formation du langage. Mais considérez, je vous prie, que l’ignorance est moins éloignée de la vérité que le préjugé; et qu’un sourd et muet de naissance est sans préjugé sur la manière de communiquer la pensée; que les inversions n’ont point passé d’une autre langue dans la sienne; que s’il en emploie, c’est la nature seule qui les lui suggère, et qu’il est une image très approchée de ces hommes fictifs, qui, n’ayant aucun signe d’institution, peu de perceptions, presque point de mémoire, pourraient passer aisément pour des animaux à deux pieds ou à quatre. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 527–528): Il faut avouer cependant que l’une de ces choses faciliterait beaucoup les autres, et que la question étant donnée avec une exposition précise des gestes qui composeraient la réponse, on parviendrait à substituer aux gestes à peu près leur équivalent en mots; je dis à peu près, parce qu’il y a des gestes sublimes que toute l’éloquence oratoire ne rendra jamais. Tel est celui de Macbeth dans la tragédie de Shakespeare. La somnambule Macbeth s’avance en silence et les yeux fermés sur la scène, imitant l’action d’une personne qui se lave les mains, comme si les siennes eussent encore été teintes du sang de son roi qu’elle avait égorgé il y avait plus de vingt ans. Je ne sais rien de si pathétique en discours que le silence et le mouvement des mains de cette femme. Quelle image du remords! (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 532–533): Le terme de jeu qui est propre au théâtre, et que je viens d’employer ici, parce qu’il rend bien mon idée, me rappelle une expérience que j’ai faite quelquefois, et dont j’ai tiré plus de lumières sur les mouvements et les gestes que de toutes les lectures du monde. Je fréquentais jadis beaucoup les spectacles, et je savais par cœur la plupart de nos bonnes pièces. Les jours que je me proposais un examen des mouvements et du geste, j’allais aux troisièmes loges; car plus j’étais éloigné des acteurs, mieux j’étais placé. Aussitôt que la toile était levée, et le moment venu où tous les autres spectateurs se disposaient à écouter, moi, je mettais mes
590 doigts dans mes oreilles, non sans quelque étonnement de la part de ceux qui m’environnaient, et qui, ne me comprenant pas, me regardaient presque comme un insensé qui ne venait à la comédie que pour ne la pas entendre. Je m’embarrassais fort peu des jugements, et je me tenais opiniâtrement les oreilles bouchées, tant que l’action et le jeu de l’acteur me paraissaient d’accord avec le discours que je me rappelais. Je n’écoutais que quand j’étais dérouté par les gestes, ou que je croyais l’être. Ah! monsieur, qu’il y a peu de comédiens en état de soutenir une pareille épreuve; et que les détails dans lesquels je pourrais entrer seraient humiliants pour la plupart d’entre eux! Mais j’aime mieux vous parler de la nouvelle surprise où l’on ne manquait pas de tomber autour de moi, lorsqu’on me voyait répandre des larmes dans les endroits pathétiques, et toujours les oreilles bouchées. Alors on n’y tenait plus; et les moins curieux hasardaient des questions, auxquelles je répondais froidement, “que chacun avait sa façon d’écouter, et que la mienne était de me boucher les oreilles pour mieux entendre”, riant en moi-même des propos que ma bizarrerie apparente ou réelle occasionnait, et bien plus encore de la simplicité de quelques jeunes gens qui se mettaient aussi les doigts dans les oreilles pour entendre à ma façon, et qui étaient tout étonnés que cela ne leur réussît pas. Quoi que vous pensiez de mon expédient, je vous prie de considérer que si, pour juger sainement de l’intonation, il faut écouter le discours sans voir l’acteur, il est tout naturel de croire que pour juger sainement du geste et des mouvements, il faut considérer l’acteur sans entendre le discours. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 533–534): Sur quelque étude du langage par gestes, il m’a donc paru que la bonne construction exigeait qu’on présentât d’abord l’idée principale, parce que cette idée manifestée répandait du jour sur les autres, en indiquant à quoi les gestes devaient être rapportés. Quand le sujet d’une proposition oratoire ou gesticulée n’est pas annoncé, l’application des autres signes reste suspendue. C’est ce qui arrive à tout moment dans les phrases grecques et latines, et jamais dans les
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung phrases gesticulées, lorsqu’elles sont bien construites. Je suis à table avec un sourd et muet de naissance. Il veut commander à son laquais de me verser à boire. Il avertit d’abord son laquais. Il me regarde ensuite. Puis il imite du bras et de la main droite les mouvements d’un homme qui verse à boire. Il est presque indifférent dans cette phrase lequel des deux derniers signes suive ou précède l’autre. Le muet peut, après avoir averti le laquais, ou placer le signe qui désigne la chose ordonnée, ou celui qui dénote la personne à qui le message s’adresse; mais le lieu du premier geste est fixé. Il n’y a qu’un muet sans logique qui puisse le déplacer. Cette transposition serait presque aussi ridicule que l’inadvertance d’un homme qui parlerait sans qu’on sût bien à qui son discours s’adresse. Quant à l’arrangement des deux autres gestes, c’est peut-être moins une affaire de justesse que de goût, de fantaisie, de convenance, d’harmonie, d’agrément et de style. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 535–536): On éprouve, en s’entretenant avec un sourd et un muet de naissance, une difficulté presque insurmontable à lui désigner les parties indéterminées de la quantité, soit en nombre, soit en étendue, soit en durée, et à lui transmettre toute abstraction en général. On n’est jamais sûr de lui avoir fait entendre la différence des temps je fis, j’ai fait, je faisais, j’aurais fait. Il en est de même des propositions conditionnelles. Donc si j’avais raison de dire qu’à l’origine du langage les hommes ont commencé par donner des noms aux principaux objets des sens, aux fruits, à l’eau, aux arbres, aux animaux, aux serpents, etc.; aux passions, aux lieux, aux personnes, etc.; aux qualités, aux quantités, aux temps, etc.; je peux encore ajouter que les signes des temps ou des portions de la durée ont été les derniers inventés. J’ai pensé que, pendant des siècles entiers, les hommes n’ont eu d’autres temps que le présent de l’indicatif ou de l’infinitif, que les circonstances déterminaient à être tantôt un futur, tantôt un parfait. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 547): Mais une des choses qui nuisent le plus dans notre langue et dans les langues anciennes à l’ordre naturel des idées,
Gebärdensprache vs. Lautsprache c’est cette harmonie du style à laquelle nous sommes devenus si sensibles, que nous lui sacrifions souvent tout le reste. Car il faut distinguer dans toutes les langues trois états par lesquels elles ont passé successivement au sortir de celui où elles n’étaient qu’un mélange confus de cris et de gestes, mélange qu’on pourrait appeler du nom de langage animal. Ces trois états sont l’état de naissance, celui de formation, et l’état de perfection. La langue naissante était un composé de mots et de gestes où les adjectifs, sans genre ni cas, et les verbes, sans conjugaisons ni régimes, conservaient partout la même terminaison. Dans la langue formée, il y avait des mots, des cas, des genres, des conjugaisons, des régimes; en un mot, les signes oratoires nécessaires pour tout exprimer, mais il n’y avait que cela. Dans la langue perfectionnée, on a voulu de plus de l’harmonie, parce qu’on a cru qu’il ne serait pas inutile de flatter l’oreille en parlant à l’esprit. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 565–566): J’ai inféré de cet examen: 1° que notre langue était pleine d’inversions, si on la comparait avec le langage animal, ou avec le premier état du langage oratoire, l’état où ce langage était sans cas, sans régime, sans déclinaisons, sans conjugaisons, en un mot, sans syntaxe; 2° que si nous n’avions dans notre langue presque rien de ce que nous appelons inversion dans les langues anciennes, nous en étions peut-être redevables au péripatéticisme moderne, qui, réalisant les êtres abstraits, leur avait assigné dans le discours la place d’honneur. En appuyant sur ces premières vérités, j’ai pensé que, sans remonter à l’origine du langage oratoire, on pourrait s’en assurer par l’étude seule de la langue des gestes. J’ai proposé deux moyens de connaître la langue des gestes, les expériences sur un muet de convention, et la conversation assidue avec un sourd et muet de naissance. L’idée du muet de convention, ou celle d’ôter la parole à un homme pour s’éclairer sur la formation du langage, cette idée, dis-je, un peu généralisée, m’a conduit à considérer l’homme distribué en autant d’êtres distincts et séparés qu’il a de sens; et j’ai conçu que, si pour bien juger de l’intonation d’un acteur, il
591 fallait l’écouter sans le voir, il était naturel de le regarder sans l’entendre, pour bien juger de son geste. A l’occasion de l’énergie du geste, j’en ai rapporté quelques exemples frappants qui m’ont engagé dans la considération d’une sorte de sublime, que j’appelle sublime de situation. L’ordre qui doit régner entre les gestes d’un sourd et muet de naissance, dont la conversation familière m’a paru préférable aux expériences sur un muet de convention, et la difficulté qu’on a de transmettre certaines idées à ce sourd et muet m’ont fait distinguer, entre les signes oratoires, les premiers et les derniers institués. J’ai vu que les signes qui marquaient dans le discours les parties indéterminées de la quantité, et surtout celles du temps, avaient été du nombre des derniers institués; et j’ai compris pourquoi quelques langues manquaient de plusieurs temps, et pourquoi d’autres langues faisaient un double emploi du même temps. (Encyclopédie, Artikel Caractere, D’ALEMBERT, 1751: II, 645): Les hommes qui avoient la facilité de se parler en désignant les êtres palpables par des sons, pouvoient suppléer par d’autres signes, comme par des gestes, à ce qui pouvoit manquer d’ailleurs à cette langue; c’est ainsi qu’un muet fait entendre sa pensée en montrant les objets dont il parle, & suppléant par des gestes aux choses qu’il ne peut montrer: mais une telle conversation devenoit impossible entre des hommes éloignés, & qui ne pouvoient se voir. Les hommes comprirent donc bientôt qu’il falloit nécessairement 1°. inventer des sons pour désigner, soit les êtres non-palpables, soit les termes abstraits & généraux, soit les notions intellectuelles, soit enfin les termes qui servent à lier des idées; & ces sons furent inventés peu-à-peu: 2°. trouver la maniere de peindre ces sons une fois inventés; & c’est à quoi les hommes purent parvenir, en convenant de certaines marques arbitraires pour désigner ces sons. Peuà-peu on s’apperçut que dans la multitude infinie en apparence des sons que forme la voix, il y en a un certain nombre de simples auxquels tous les autres peuvent se réduire, & dont ils ne sont que des combinaisons. On chercha donc à représenter ces sons simples par des caracteres, & les sons combinés par
592 la combinaison des caracteres, & l’on forma l’alphabet. (ROUSSEAU 1755: 35–37): LE premier langage de l’homme, le langage le plus universel, le plus énergique, & le seul dont il eut besoin, avant qu’il fallût persuader des hommes assemblés, est le cri de la nature. Comme ce cri n’étoit arraché que par une sorte d’instinct dans les occasions pressantes, pour implorer du secours dans les grands dangers, ou du soulagement dans les maux violens, il n’étoit pas d’un grand usage dans le cours ordinaire de la vie, où regnent des sentimens plus modérés. Quand les idées des hommes commencérent à s’étendre & à se multiplier, & qu’il s’établit entre eux une communication plus étroite, ils cherchérent des signes plus nombreux & un langage plus étendu: Ils multipliérent les inflexions de la voix, & y joignirent les gestes, qui, par leur nature, sont plus expressifs, & dont le sens depend moins d’une détermination antérieure. Ils exprimoient donc les objets visibles & mobiles par des gestes, & ceux qui frappent l’ouye, par des sons imitatifs: mais comme le geste n’indique guères que les objets présens, ou faciles à décrire, & les actions visibles; qu’il n’est pas d’un usage universel, puisque l’obscurité, ou l’interposition d’un corps le rendent inutile, & qu’il exige l’attention plutôt qu’il ne l’excite, on s’avisa enfin de lui substituer les articulations de la voix, qui, sans avoir le même rapport avec certaines idées, sont plus propres à les représenter toutes, comme signes institués; substitution qui ne put se faire que d’un commun consentement, & d’une manière assez difficile à pratiquer pour des hommes dont les organes grossiers n’avoient encore aucun exercice, & plus difficile encore à concevoir en elle-même, puisque cet accord unanime dut être motivé, & que la parole paroît avoir été fort nécessaire, pour établir l’usage de la parole. (LOMONOSOV 1764: 2–3): Es ist zwar an dem, daß wir beym Mangel der Sprache, unsere Gedancken auch durch verschiedene Bewegungen der Augen, des Gesichts, der Hände und anderer Gliedmaßen auszudrücken vermögend wären, so wie die Pantomimen auf der Schaubühne ihre Sachen vorstellen; allein auf diese Weise würde uns bey unsern Unterredungen das Licht unentbehrlich seyn, ja selbst viele menschliche Verrichtungen,
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung besonders aber unsere Hand-Arbeiten, würden in unsern Gesprächen sehr viel Hinderniß verursachen; anderer Unanständigkeiten zu geschweigen. (BECCARIA [1770–1809] 1984: 188): Chiunque non ignora che la materia prima, per così dire, della quale le lingue sono tessute, per quanto or lontane ci sembrino da questa selvaggia e primitiva origine, sono li diversi gridi naturali espressi dalle impressioni de’ differenti oggetti, e le più facili imitazioni, sia col gesto, sia col suono articolato, delle qualità di questi oggetti medesimi, conoscerà ancora ad evidenza che l’idea qualunque di un oggetto ha dovuto precedere l’uso del segno, sia naturale, sia artificiale, che lo esprime. (BECCARIA [1770–1809] 1984: 193–194): Ecco dunque le tre epoche principali del rapporto che hanno avuto le idee degli uomini con ciascuna lingua che essi parlano o hanno parlato: più idee che parole, e queste poco connesse tra di loro; secondo, egual numero di idee ed egual numero di parole immediatamente richiamanti le idee, e proporzionatamente connesse tra di loro; terzo, numero di parole maggior del numero delle idee richiamate da quelle, e queste parole più connesse tra di loro, di quello che lo siano le idee tra di loro. […] Il primo stato è lo stato selvaggio e primitivo delle nazioni: essendovi più idee che segni rappresentatori, e questi difficilmente richiamandosi tra di loro, l’imaginazione ha sempre di bisogno della presenza dell’oggetto, ossia della sensazione reale, per essere fortemente commossa: […] quindi le belle arti e tutta la poesia e la pittura di queste nazioni non possono consistere che in una sorte di danza imitativa, ossia in un ballo pantomimico, nel quale si sforzano di eseguir realmente e per trattenimento ciocché per bisogno, per necessità e per passione sogliono fare di più forte e di più interessante. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-663: 2–3): Ein jeder Mensch hat Leidenschaften, welche die Triebfedern von allen unsern Handlungen sind, und es ist demselben natürlich, daß er solche, entweder durch gewiße Bewegungen der Gliedmaßen seines Leibes, oder durch gewiße Töne, zu erkennen giebt: Im ersten Fall
Gebärdensprache vs. Lautsprache spielt er eine Pantomime, im andern spricht er. Was einem jeden Menschen natürlich ist, das ist ihm auch verständlich; folglich wird Titius den Sempronium, ohne den Unterricht eines dritten, im Umgang schon verstehen lernen, wie dieser, seine Leidenschaften, durch gewiße Töne, ausdrückt, und von selbst darauf verfallen, was dieser oder jener Ton, bedeute. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 25– 26): Il est vraisemblable que la femme ne quittoit guères celui qui l’avoit choisie pour sa compagne aussi long-tems qu’elle étoit en état de le suivre: fragile et foible un instinct naturel lui fesoit craindre qu’étant seule quelque bète féroce ne vint la déchirer, ou qu’elle ne souffrit quelque besoin auquel elle ne put suffire. Elle erre avec lui dans les bois, elle voit venir de loin un loup vorace, ou quelque autre bête non moins funeste: le danger presse, elle veut en avertir son compagnon. Le geste est le premier & le plus naturel moyen qu’elle met en oeuvre pour faire connoitre sa pensée: elle montre l’endroit d’où vient le danger, et fait des signes pour indiquer la fuite; mais le loup a disparu pour un moment; l’homme ne voit pas la grandeur du péril: les gestes d’ailleurs sont souvent insuffisants ou ambigus: la femme a les passions et l’imagination vives: elle se souvient du hurlement du loup, et s’en sert pour marquer à l’homme ce qu’il s’agit d’éviter. (TETENS 1772: 37–38): Ein Volk, welches in sandigten Wüsten, oder zwischen nackten Felsen am Ufer des Meeres wohnte, wo es keine andern Thiere um sich habe, als stumme Fische, konnte, wenigstens ist dies nicht schlechthin unmöglich, eben sowohl sprachlos bleiben, als die Kinder, mit denen jener Mogul seinen Versuch anstellen lassen. Und wenn es einmal an die Bezeichnung durch Mienen und Winke gewohnt war, so empfand es den Mangel der Rede viel zu wenig, als daß ihr natürlicher Witz stark genug gereitzet wurde, um auf den wörtlichen Ausdruck zu verfallen. Wenn indessen diese Ichthyophagen des Diodors sich doch der sichtbaren Winke bedienet haben, einander etwas anzuzeigen, so war doch auch dieses eine Anzeige von einigen Ideen einzelner Gegenstände; und also zugleich ein Beweis, daß sie, ohne hörbare Zeichen, das ist, ohne Sprache, zu
593 Gedanken gelanget waren. Ohne Sprache also kan diejenige Fähigkeit des Mensch wenigstens aufkeimen, und seine Entwickelung anfangen, welche bey ihrem weitern Aufblühen sich als Verstand und Vernunft beweiset, und alsdenn von uns auch also genennet wird. (TIEDEMANN [1772] 1985: 186–187): Man verfiel wahrscheinlicher Weise zuerst auf die Sprache der Gebärden. Man zeigte sich die Gegenstände, die man wünschte und verabscheuete, man wies, was man damit wollte gemacht haben. Dies ist noch jetzt die Sprache derer, die sich sonst nicht verstehen können. Wenn Reisende in fremde Länder kommen, deren Sprachen ihnen unbekannt sind: so reden sie durch Zeichen. Auch stumme Leute bedienen sich dieses Mittels andern ihre Gedanken zu offenbahren. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, II, IX, 279–280): I will now try to solve Mons. Rousseau’s great difficulty with respect to the invention of language. He is convinced that society is absolutely necessary for this invention; but he seems to think that language was as necessary for the constitution of society. Now I will endeavour to shew, both from theory and fact, that animals may associate together, form a community, and carry on in concert one common business, without the use of speech. For this purpose nothing else is necessary than that there should be among such animals some method of communication. If therefore there be other methods of communication, besides that of articulate sounds, there is nothing to hinder a society to be constituted without the use of speech. Now that there are other methods of communication, is a fact that cannot be doubted: for there are inarticulate cries, by which we see the brutes communicate to one another their sentiments and passions; there are imitative cries; and, lastly, there is the expression of looks; that is, the action of the face, and the gestures of the body. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, III, II, 305): The only ways that I can think of by which men could communicate together, before the invention of speech, are four: first, Inarticulate cries, expressive of sentiments and passions; 2dly, Gestures, and the expression of the countenance; 3dly, Imitative sounds, by which audible things may be ex-
594 pressed; and, lastly, Painting, by which visible objects may be represented. The two first are common to us with the brutes; the two last are peculiar to man; and all the four may be said to be natural signs of what they express. (MONBODDO [1773–1792] 1967: I, I, III, II, 307–308): […] The next kind of expression I mentioned was that of looks and gestures, which is also very strong, and various among the brutes, and it is a language which they perfectly well understand. The only use they make of it is to express their passions and feelings; but we know certainly, from the example of dumb persons among us, that it may be used to express ideas; and we learn from history, that they may be expressed in this language with the utmost accuracy and precision; for in Rome there was an art of this kind formed, called the pantomime art, which was brought to the utmost perfection about the time of Augustus Caesar. An artist of this kind could express by signs, not only every sentiment and passion of the human mind, but every idea, with as great accuracy. […] There can be no doubt but that, before the invention of language, this kind of expression, as well as the other by inarticulate cries, would be much used. That savage nation which Diodorus Siculus […] calls the Insensibles, conversed in no other way; and the savages in North America do at this day supply the defects of their language by a great deal of action and gesticulation. But it is impossible to suppose, that this art of speaking to the eyes could be brought to such perfection among savages as it was by Roscius at Rome, or by the pantomimes in after times, who danced whole theatrical pieces, accordings to the expression in antient language; that is, represented them by gestures and movements performed to music, without one word being uttered. (ROUSSEAU [1781] 1968: 29): Les moyens généraux par lesquels nous pouvons agir sur les sens d’autrui se bornent à deux, savoir, le mouvement et la voix. L’action du mouvement est immédiate par le toucher ou médiate par le geste: la premiére ayant pour terme la longueur du bras, ne peut se transmettre à distance, mais l’autre atteint aussi loin que le rayon visuel. Ainsi restent seulement la vue et l’ouïe pour organes passifs du langage entre des hommes dispersés. Quoique la langue du
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung geste et celle de la voix soient également naturelles, toutefois la prémiére est plus facile et dépend moins des conventions: car plus d’objets frapent nos yeux que nos oreilles et les figures ont plus de varieté que les sons; elles sont aussi plus expressives et disent plus en moins de tems. (ROUSSEAU [1781] 1968: 29): Nos gestes ne signifient rien que nôtre inquiétude naturelle; ce n’est pas de ceux-là que je veux parler. Il n’y a que les Européens qui gesticulent en parlant: On diroit que toute la force de leur langue est dans leurs bras; ils y ajoutent encore celle des poûmons et tout cela ne leur sert de guéres. (ROUSSEAU [1781] 1968: 31): Depuis que nous avons appris à gesticuler nous avons oublié l’art des pantomimes, par la même raison qu’avec beaucoup de belles grammaires nous n’entendons plus les simboles des Egiptiens. Ce que les anciens disoient le plus vivement, ils ne l’exprimoient pas par des mots mais par des signes; ils ne le disoient pas, ils le montroient. (ROUSSEAU [1781] 1968: 31–33): J’ai remarqué que les Italiens et les Provençaux, chez qui pour l’ordinaire le geste précéde le discours, trouvent ainsi le moyen de se faire mieux écouter et même avec plus de plaisir. Mais le langage le plus énergique est celui où le Signe a tout dit avant qu’on parle. Tarquin, Trasibule abatant les têtes des pavots, Alexandre appliquant son cachet sur la bouche de son favori, Diogéne se promenant devant Zenon ne parloient-ils pas mieux qu’avec des mots? Quel circuit de paroles eut aussi bien exprimé les mêmes idées? Darius engagé dans la Scithie avec son armée reçoit de la part du Roi des Scithes une grenouille, un oiseau, une souris et cinq fléches: le Héraut remet son présent en silence et part. Cette terrible harangue fut entendüe, et Darius n’eut plus grande hâte que de regagner son pays comme il pût. Substituez une lettre à ces signes, plus elle sera menaçante moins elle effrayera; ce ne sera plus qu’une gasconade dont Darius n’auroit fait que rire. (BEATTIE [1788] 1968: 11): Yet, where language has been little improved, as among savages, and is of course defective in clearness and energy, it is for the most part enforced by looks, gestures, and voices, naturally signifi-
Gebärdensprache vs. Lautsprache cant: and even some polite nations, the French for example, from an inborn vivacity, or acquired restlesness, accompany their speech with innumerable gestures, in order to make it the more emphatical; while people of a graver turn, like the English an Spaniards, and who have words for all their ideas, trust to language for a full declaration of their mind, and seldom have discourse to gesture, unless when violence of passion throws them off their guard. (JENISCH 1796: 10–11): […] da der Denkund Empfindungskreis des Naturmenschen, immer nur Gegenstände von der höchsten Individualität, und nie Allgemeinheiten, betrifft; da er jeden derselben gleichsam mit Fingern zeigen, mit Geberden, andeuten kann: so bedarf es bei ihm keiner Abstractionen. (DEBRUN 1801: 64): C’est-à-dire, que la voix, l’écriture et le geste deviennent les trois moyens que nous employons pour la communication des pensées, et un systême quelconque de ces moyens, est ce ce qu’on nomme une langue, du principal organe que nous employons à cette communication. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 12–13): Les autres langages par signes, sont en général des moyens de communication trop imparfaits et trop incomplets, pour satisfaire à tous ces besoins; vérité sensible et frappante, qui nous autorise à douter que J. J. Rousseau ait été de bonne-foi, ou se soit entendu lui-même, lorsqu’il a dit que c’étoient nos passions et non pas nos besoins, qui nous avoient rendu les langues nécessaires; en effet, à quelle passion pourroit arriver celui qui n’auroit aucun besoin? ou quelle passion est plus active, plus impérieuse, et plus puissante que les vrais besoins, lorsqu’ils sont fréquents et absolus, ou extrêmes? Rousseau a donc été plus paradoxal que philosophe, lors-qu’il a traité de l’origine des langues, et des moyens de les former. Eh, la nature ne nous a-t-elle pas pourvus de tous les organes nécessaires à l’acte de la parole? Et nos besoins ne provoquent-ils pas 1’emploi et le développement de ces organes? Et à quel propos irions-nous chercher ailleurs les véritables causes des langues! l’homme parlera indubitablement dès qu’il aura un compagnon: l’homme seul est déjà forcé de parler; la vivacité et la force des impressions qu’il reçoit, des besoins qu’il
595 éprouve, et des passions qui l’agitent en conséquence, lui en font une loi irrésistible! l’enfant pleure et ébauche des sons, avant de savoir si d’autres personnes entourent son berceau, ou s’il peut en être entendu! la Sauvage ému, irrité, blessé, ou effrayé, crie dans les déserts! Eh comment ne produirions-nous pas la parole au dehors? Nous l’avons au-dedans de nous, dès que nous entendons! car il y a entre la langue et 1’oreille, une correspondance naturelle, une influence certaine, quoique peu observée ou inconnue, qui nécessite l’action de l’une en conséquence de l’action de l’autre. (BERNHARDI [1805] 1990: 42): Die Nachahmung aber wird supplirt dadurch, daß in dieser Periode die Wörter einer Sprache nur äußere Anschauungen bezeichnen, welche durch ein Zeigen, oder durch eine Gebehrde dem einzelnen Worte hinzugefügt, verständlich gemacht werden und zwar wird das Zeigen vorzüglich auf räumliche Gegenstände und die Gebehrde auf Empfindungen und alle Anschauungen des Innern angewandt.
III.
1. Bezug zu verwandten Konzepten Bei der Gegenüberstellung von Gebärden- und Lautsprache werden im Grunde zwei Konzepte thematisiert, die allerdings so häufig im gleichen argumentativen Zusammenhang gebraucht werden, dass sie kaum voneinander zu trennen sind. Die Behandlung dieser aufeinander bezogenen Konzepte impliziert oftmals einen Vergleich der Leistungsfähigkeit beider Kommunikationssysteme. Im Rahmen dieses Vergleiches steht das Konzept des ‘Wesens des Sprache’ (ĺ Wesen des Sprache) auf dem Prüfstand, da die Frage nach der Identität zwischen Sprache und artikulierter Lautsprache aufgeworfen wird. Wird die Gebärdensprache als alternatives Kommunikationssystem zur Lautsprache zugelassen, so wird auch sie im Hinblick auf die der artikulierten Lautsprache zugesprochenen Eigenschaften der ĺ Natürlichkeit, ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention untersucht. In ihrer Eigenschaft als Kommunikationsmedium wird die Gebärdensprache nicht nur mit der Lautsprache, sondern ebenfalls mit der ĺ Schrift verglichen (vgl. BACON, DURET,
596 DEBRUN; ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Im Vergleich zur artikulierten Lautsprache wird die Gestensprache zudem oftmals auch als vermeintliche ĺ Universalsprache begriffen, wenn Gebärden als natürliche Kommunikationssignale von internationaler Verständlichkeit interpretiert werden (vgl. BULWER, CORDEMOY; ĺ Natürlichkeit). Allerdings können Gebärdensprachen auch bewusst zur Verschleierung von Mitteilungen eingesetzt und als Geheimsprachen verwendet werden (vgl. WILKINS). Besonders intensiv werden die einander entgegengesetzten Konzepte der Gebärden- und Lautsprache allerdings im Zusammenhang mit der Taubstummenproblematik diskutiert (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterschied zwischen Gebärden- und Lautsprache in der Geschichte der Gehörlosenpädagogik zur Herausbildung der beiden gegensätzlichen Parteien des Oralismus und des Gesturalismus geführt hat. Selbst unter den Gehörlosenpädagogen wurde die Frage nach der Orientierung an der artikulierten Lautsprache oder an einer eigenen Gebärdensprache für Gehörlose keineswegs immer zugunsten der Gebärdensprache beantwortet. Apologeten der Gebärdensprache (BULWER) sehen in ihr gar die von der babylonischen ĺ Sprachverwirrung verschont gebliebene, verloren gegangene heilige ĺ Ursprache der Menschheit. Das Verhältnis von Laut- und Gebärdensprache wird topisch im Rahmen von Konzeptionen vom ĺ Ursprung der Sprache thematisiert, da eine Vielzahl von Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts den Ursprung der Sprache in Gesten sieht (vgl. CONDILLAC, ROUSSEAU, DIDEROT, VICO, BECCARIA, TIEDEMANN, TETENS, WARBURTON, MONBODDO, BEATTIE) und sich damit den Anhängern eines göttlichen Sprachursprungs (BEAUZÉE, FRAIN DU TREMBLAY, SÜSSMILCH) entgegenstellt. Die spezifischen Eigenschaften von Lautund Gebärdensprache werden vor allem im Zusammenhang von Reflexionen zum ĺ Wesen der Sprache, ihrem ĺ Ursprung, ihrer kommunikativen Leistungsfähigkeit (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache), ihrer Rolle für physisch depravierte Individuen (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kultu-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung rell)), aber auch im Kontext des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) diskutiert. In den meisten Fällen werden dabei Gebärden- und Lautsprache in einen Gegensatz zueinander gestellt, wobei die jeweiligen Autoren entweder als Verfechter der Laut- oder der Gebärdensprache auftreten. Das Verhältnis von Gebärden- und Lautsprache wird aber nicht nur im Rahmen von Betrachtungen zum Spracherwerb in Onto- und Phylogenese behandelt, sondern ebenfalls im Zusammenhang mit der rhetorischen Tradition, die sich auch im 17. und 18. Jahrhundert noch maßgeblich an den antiken Vorbildern CICERO, QUINTILIAN sowie der Rhetorica ad Herennium orientiert. In der Rhetorik wird der Zusammenhang von Gebärden- und Lautsprache traditionell im Rahmen der Behandlung der actio untersucht, wobei die Kodifizierung von Gesten eine wesentliche Rolle spielt (QUINTILIAN). Die Relation zwischen Gebärden- und Lautsprache wird ferner thematisiert bei der Beschreibung ästhetischer Normen in Schauspiel, Ballett und Oper (LESSING, ENGEL, NOVERRE), wobei insbesondere Kategorien wie Imitation und Synästhesie wesentlich erscheinen. Bei der Behandlung des Konzepts ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob sie als zwei konkurrierende, rivalisierende Möglichkeiten der Kommunikation behandelt werden, wie dies insbesondere bei der Diskussion um die Taubstummen und die bestmögliche Gehörlosenpädagogik der Fall ist (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell). Alternativ ist zu überprüfen, ob sie als einander ergänzende, aufeinander verwiesene Elemente der Kommunikation betrachtet werden, die untrennbar miteinander verbunden sind. Außerdem muss verifiziert werden, ob sie im Rahmen der Behandlung ästhetischer Artefakte thematisiert werden, wobei sowohl Gebärden- als auch Lautsprache unterschiedlich ausgeprägten Dimensionen der Stilisierung unterliegen. Bei der Betrachtung der Gebärdensprache ist zudem zu berücksichtigen, dass sie einerseits aus der mimischen Komponente mit ihrer Verschiedenheit der Gesichtsausdrücke besteht und andererseits aus der gestischen Komponente, welche die Bewegungen des gesamten
Gebärdensprache vs. Lautsprache Körpers, im Besonderen aber die der Hände, impliziert. Terminologisch gesehen ist die Unterscheidung zwischen den Begriffen ‘Gebärde’ und ‘Geste’ zu beachten. Zwar werden beide heute zumeist synonym gebraucht, aber in der Theaterwissenschaft wurde traditionell zwischen ‘Gesten’ als eher konventionellen und stereotypen Formen des nonverbalen Ausdrucks einerseits und ‘Gebärden’ als stärker individuell und persönlichkeitsgebundenen Ausdrucksformen andererseits unterschieden (vgl. FLACHSKAMPF 1938: 206–207). Gelegentlich wird auch der Begriff der ‘Geste’ nur auf den Bereich der Hand- und Körperbewegungen beschränkt, während das Konzept der ‘Gebärde’ auch den mimischen Ausdruck mit einschließt. Gegenwärtig wird im Deutschen für ‘Geste’ und ‘Gebärde’ synonym der Ausdruck Geste benutzt, was wahrscheinlich auch auf das Fehlen einer derartigen Differenzierung im Englischen und Französischen zurückzuführen ist, die beide den Terminus von jeher als gesture bzw. geste abgedeckt haben und auch in der heutigen Gegenwart noch so abdecken. Im Deutschen konkurrierten im 17. und 18. Jahrhundert die Begriffe ‘Geste’ und ‘Gebärde’ miteinander, während sich in der Gegenwart tendenziell der Begriff ‘Geste’ durchgesetzt hat. Der Begriff ‘Gebärde’ wird heute allerdings immer im Kontext von Gebärdensprachen Gehörloser verwendet (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ wird im 17. und 18. Jahrhundert gemeinsam mit folgenden Konzepten und in folgenden argumentativen Zusammenhängen behandelt: 1. Wesen der Sprache (Arbitrarität vs. Natürlichkeit; Linearität) 2. Gebärdensprache und tierische nonverbale Kommunikationsformen (MONBODDO) 3. Leistungsfähigkeit verschiedener kommunikativer Systeme 4. Universalsprachen 5. Geheimsprachen 6. Schrift 7. Spracherwerb 8. physisch defizitärer Spracherwerb und unterschiedliche Orientierungen der Gehörlosenpädagogik
597 9. kulturell defizitärer Spracherwerb (exotische Völker) 10. Sprachursprung 11. Ursprache und Sprachverwirrung 12. Grundlagen der Rhetorik 13. ästhetische Funktionen im Rahmen von theatralischen Darstellungen (Schauspiel, Ballett, Oper) 2. Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ im 17. und 18. Jahrhundert 2.1. Das Konzept im Kontext von Schrift und Universalsprache Am Anfang der Diskussion um das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ stehen im 17. Jahrhundert Überlegungen BACONs zum Vergleich verschiedener Kommunikationssysteme, wobei er als Medien der Tradition (organe of tradition) grundsätzlich Lautsprache (speech) und ĺ Schrift (writing) einander gegenüberstellt. Unter Berufung auf ARISTOTELES vertritt BACON die Auffassung, dass Wörter Abbilder unserer Gedanken seien und Buchstaben die Bilder der Wörter. Die Mitteilung von Gedanken sei aber nicht nur auf die Lautsprache angewiesen, da sowohl exotische, von BACON als barbarisch klassifizierte Völker, wie auch die Taubstummen bewiesen, dass man seine Gedanken ebenso durch Gesten darstellen könne (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Die Gestensprache ist nach Meinung BACONs jedoch eine nicht so exakte Ausdrucksform wie die Lautsprache, aber sie erscheint hinreichend zur Übermittlung wichtiger Gedanken. BACON stellt im Rahmen seiner Überlegungen zum Verhältnis zwischen Lautsprache und ĺ Schrift auch eine Analogie zwischen Gebärdensprache und chinesischen Schriftzeichen her. Ausgangspunkt ist die irrige Annahme, bei den chinesischen Schriftzeichen handle es sich um eine reine Begriffsschrift, die keine Wörter, sondern Begriffe bzw. die Dinge selbst darstelle. Chinesische Schriftzeichen sind nach Auffassung BACONs Zeichen von Gedanken, wobei er zwei Arten von Zeichen unterscheidet (ĺ Zeichen und Idee). Die eine Art der Zeichen weist eine gewisse Ähnlichkeit oder Kongruenz mit dem Begriff auf, den sie repräsentieren. Demgegenüber handelt es sich bei der anderen Zeichenart um arbiträre Zeichen (ĺ Arbitrarität), die nur ad
598 placitum etwas bezeichnen und durch ĺ Konvention etwas bedeuten. In die Klasse der natürlichen Zeichen (ĺ Natürlichkeit), die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Denotat erkennen lassen, ordnet BACON einerseits die Hieroglyphen, andererseits die Gesten ein. Während es sich bei den ägyptischen Hieroglyphen um Embleme handle, die die Zeiten überdauern konnten, erachtet BACON Gesten als vorübergehende, flüchtige Hieroglyphen (Transitorie Hierogliphickes). Gesten verhielten sich im Verhältnis zu Hieroglyphen wie gesprochene zu geschriebenen Worten, da Gesten durch Punktualität, Hieroglyphen und das geschriebene Wort dagegen durch Dauerhaftigkeit gekennzeichnet seien. Die wesentliche Gemeinsamkeit zwischen Gesten und Hieroglyphen besteht für BACON darin, dass sie angeblich beide eine deutlich erkennbare Affinität zu den Dingen aufwiesen, die sie repräsentierten. Mit dieser Einschätzung ordnet BACON sowohl die Gebärden als auch die Hieroglyphen als Kommunikationsformen ein, die einen hohen Grad an Natürlichkeit für sich beanspruchen können. Im Vergleich zur Gebärdensprache bewertet BACON die Lautsprache als konventioneller, ebenso wie er Alphabetschriften im Unterschied zu den vermeintlich rein ideographischen Hieroglyphen für stärker der ĺ Konvention verpflichtet hält. Allerdings unterliegt BACON sowohl im Hinblick auf seine Einschätzung der chinesischen Schriftzeichen als auch der ägyptischen Hieroglyphen einem Fehlurteil, da beide Schriftsysteme neben ideographischen Komponenten auch phonetische Komponenten beinhalten und keineswegs reine Begriffsschriften darstellen. Die Beurteilung der Gebärdensprache im Vergleich zur Lautsprache fällt bei BACON insgesamt positiv aus, da er die Gebärdensprache als Medium der direkten Repräsentation von Begriffen und Dingen auffasst. Gerade diese Fähigkeit, die Begriffe oder Dinge selbst abzubilden, spricht Bacon der artikulierten Lautsprache jedoch ab. Wörter sind für BACON zu ungenau, um die Wirklichkeit selbst darzustellen, denn sie sind Trugbilder des Geistes. So könne der unreflektierte Gebrauch der Wörter leicht zu Missverständnissen führen. Zudem prädestinierten ungenaue WortDing-Relationen die Sprache zu einem Instru-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung ment der Täuschung und des Missbrauchs (ĺ Missbrauch). Im Gegensatz zur artikulierten Lautsprache kommt die Gebärdensprache BACONs Ideal einer exakten Repräsentation der Welt näher. Er nennt sie im gleichen Zusammenhang wie chinesische Zeichen und ägyptische Hieroglyphen, die er als Modelle einer aller Welt verständlichen ĺ Universalsprache anführt. Eine Einordnung der Gebärdensprache im Kontext verschiedener Kommunikationssysteme nimmt ebenfalls DURET vor. Auch für ihn nehmen die Gebärden als Zeichensystem eine Zwischenstellung zwischen der Lautsprache und der ĺ Schrift ein. Sie sind ein Medium zwischen Wort und Schrift (moyens entre la parole & l’escriture). Gebärden seien ebenso stumm wie die Schrift. Andererseits seien sie ebenso wie die Lautsprache unmittelbar mit der sie verwendenden Person verbunden. DURET nennt extraverbale Komponenten der Lautsprache wie Fingerbewegungen, Mienenspiel und Augenbewegungen, die in ganz individueller Weise die Rede begleiten und von jedem Einzelnen frei nach seiner Phantasie eingesetzt werden. Allerdings zieht DURET auch die Kodifizierung extraverbaler und paraverbaler Elemente durch die rhetorische Tradition in Betracht, da er sich auf CICEROs actio-Lehre beruft, in der sich genaue Hinweise zur Verwendung bestimmter Gesten finden. DURET bezieht sich bei seinem Vergleich zwischen Gebärden- und Lautsprache jedoch ausschließlich auf die Verwendung von Gebärden als sprachbegleitende Gesten der Lautsprache. Für die Gebärdensprachen Gehörloser ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese analog zu einzelnen Lautsprachen über eine genaue syntaktische Struktur (ĺ Syntax) verfügen und keineswegs als Idiolekte in Erscheinung treten. Sie sind in hohem Maße konventionalisiert (ĺ Konvention). Zudem lassen sich auch bei sprachbegleitenden Gesten nicht-depravierter Individuen universalistische Tendenzen nachweisen (vgl. EKMAN & FRIESEN 1969, EKMAN 1988). Einen Bezug zwischen artikulierter Lautsprache, Gebärdensprache und ĺ Schrift stellt Anfang des 19. Jahrhunderts auch DEBRUN her, wenn er ĺ Stimme, Schrift und Gestik als die drei Mittel der Mitteilung unserer Ge-
Gebärdensprache vs. Lautsprache danken schlechthin klassifiziert. Allen drei Systemen spricht er den Status einer Sprache (langue) zu, wobei er die Stimme als das Medium der lautsprachlichen Kommunikation anführt, die Schrift im Sinne von ‘Schriftsprache’ auffasst und als drittes das visuelle Verständigungsmittel der Gestik benennt. Allerdings privilegiert DEBRUN die artikulierte Lautsprache gegenüber der Gestensprache. Die besondere Stellung der Lautsprache untermauert er durch eine etymologische Begründung (ĺ Etymologie), denn im Französischen ist (wie übrigens auch im Lateinischen, Italienischen oder Spanischen) das Wort für Sprache zugleich die Bezeichnung der Zunge (vgl. lat. lingua, frz. langue, ital. lingua, span. lengua). In diesem Sinne ist auch der Wörterbucheintrag von PLATS (1749) zu verstehen, in dem als Bedeutungen von frz. langue die Ausdrücke Zunge und Sprach genannt werden. Der Sprach-Verständige ist nach PLATS der languiste, woraus ersichtlich wird, dass allein schon aus etymologischen Gründen eine Gleichsetzung von Sprache und artikulierter Lautsprache erfolgt. Die Gestensprache steht dagegen zunächst nicht im Fokus der Interessen des Sprachforschers. 2.2. Das Konzept im Kontext von Naturund Universalsprachen 2.2.1. John BULWER Die Behandlung des Konzepts ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ wird im 17. Jahrhundert stark von den weitverbreiteten Vorstellungen von der Existenz einer Natursprache (ĺ Natürlichkeit) beeinflusst, die entweder mit der Sprache Gottes oder der Sprache Adams identisch ist. Diese natürliche ĺ Ursprache sei entweder durch die babylonische ĺ Sprachverwirrung verloren gegangen oder im Zweifelsfall mit Hilfe mystischer Verfahren der Buchstabenpermutation heiliger Schriften im Stile der Kabbala oder des Lullismus wieder auffindbar. Als Alternative zur logosmystischen Interpretation heiliger Schriften, die der Rekonstruktion der ĺ Ursprache dient, wird von BULWER die Gebärdensprache selbst als eine Kommunikationsform genannt, die im Gegensatz zur artikulierten Lautsprache von der babylonischen Sprachverwirrung verschont geblieben und eine heilige Sprache sei. Nicht das Griechische, Lateinische oder Hebräische stellt für BULWER
599 die heilige Sprache dar, sondern die Gebärdensprache, da sie der Fluch von Babel nicht getroffen habe (as it had the happinesse to escape the curse at the confusion of Babel). Als Begründung für die Heiligkeit der Gebärdensprache beruft sich BULWER auf biblische Berichte, bei denen die Hand Gottes oder sein Zeigefinger (digitus dei) insbesondere beim Wirken von Wundern in Erscheinung treten. Diese anthropomorphisierende Gottesvorstellung eines mit Extremitäten versehenen Gottes stellt für BULWER die Begründung der Heiligkeit der Gestensprache dar. Den Primat der Gestensprache gegenüber der Lautsprache begründet der englische Arzt aber auch mit seiner holistischen Konzeption der menschlichen Sinne. So nimmt er die Existenz geheimer Korrespondenzen zwischen den fünf Sinnen an. Aufgrund seiner Auffassung von der Austauschbarkeit der Sinne hält BULWER die artikulierte Lautsprache nicht in besonderem Maße für die Vermittlung von ĺ Bedeutung prädestiniert, sondern beurteilt vielmehr die Gestensprache als das beste Kommunikationsmedium (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). So sei die Hand das gesprächigste Organ des Menschen, gleichsam ein zweiter Mund, der als Sprecher des Körpers fungiere (the Spokesman of the Body) und das jeweilige Votum der verschiedenen Körperorgane repräsentiere. Die Gestensprache erweist sich für BULWER als eine ĺ Universalsprache, die als universall character of Reason weltweit, ja selbst den wilden Völkern, verständlich ist (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Den Primat der Gestensprache vor der artikulierten Lautsprache begründet BULWER mit der Behauptung, dass der Sehsinn schneller als das Gehör reagieren und Sinneseindrücke unterscheiden könne, bevor die Schallwellen das Ohr erreichten. Mit der höheren Reaktionsfähigkeit des Sehsinns begründet BULWER die Annahme, dass die Hand mit ihrer Gestik mündlichen Äußerungen zuvorkäme und verbale Aussagen extraverbal antizipiere (the Hand anticipates the Tongue). Die artikulierte Lautsprache beschreibt BULWER als eine Art zusätzlichen Kommentar zur extraverbalen Äußerungsebene. Für BULWER stellt die Gebärdensprache eine natürliche Sprache (ĺ Natürlichkeit) dar, de-
600 ren Vorzüge er in seinem Werk Chirologia ausführlich beschreibt. Die natürliche Gebärdensprache wird einerseits von Taubstummen (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)), andererseits aber auch von Mimen, Gauklern, Schauspielern und Händlern verwendet. Anliegen BULWERs ist daher die Beschreibung der verschiedenen natürlichen “Dialekte” der Hand, die wiederum auf einige universelle Grundgesten zurückgeführt werden, welche er als “muskuläre Etymologien” (muscular etymologies) bezeichnet. Neben der natürlichen Gebärdensprache widmet BULWER sich aber auch der Kodifizierung von Gesten durch die rhetorische Tradition, an die er mit seiner gleichfalls 1644 entstandenen Chironomia, einer Rhetorik der actio, anknüpft. Darin unterscheidet er zwischen Gesten, die mit den Händen und solchen, die mit dem Kopf ausgeführt werden. Eine weitere Unterscheidung besteht in der Abgrenzung von künstlichen und natürlichen Gebärden. In der Chironomia behandelt BULWER die künstlichen Gebärden, die in der antiken Rhetorik insbesondere von QUINTILIAN in seiner Institutio Oratoria (XI, 3, §§ 68–184) ausführlich beschrieben wurden, wobei vor allem den Bewegungen der Finger Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Allerdings war sich BULWER offenbar der Tatsache bewusst, dass im Rahmen der rhetorischen Tradition die Behandlung der actio etwa im Vergleich zur elocutio, die sich der Ausgestaltung des Redeschmucks zuwandte und zur inventio mit ihren Sammlungen von loci communes, in den Hintergrund getreten war. Dieser Vernachlässigung versuchte er mit seinem Entwurf von Chirogrammen zu begegnen. Mit diesen graphischen Darstellungen von Handbewegungen, die zusätzlich in eine Korrelation mit den Buchstaben des Alphabets gebracht wurden und auch als Handalphabet benutzt werden konnten, versuchte BULWER ein Grundinventar rhetorischer Handbewegungen zu liefern. Hauptanliegen BULWERs sind jedoch nicht die künstlichen, kodifizierten Handbewegungen der Rhetorik, sondern eine natürliche Gebärdensprache (ĺ Natürlichkeit), die er als ĺ Universalsprache und verloren gegangene ĺ Ursprache der Menschheit beschreibt. Nach BULWERs Auffassung sei die natürliche Gebärdensprache verloren gegangen und
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung durch die künstlichen Zeichen der konventionalisierten artikulierten Lautsprache (ĺ Konvention) verdrängt worden (BULWER, Philocophus or the Deaf and Dumb Man’s friend, 1648). Die Lautsprache sei jedoch im Wesentlichen degeneriert und konfus (ĺ Korruption), da sie als Ergebnis des Fluchs von Babel (ĺ Sprachverwirrung) menschliche Unvollkommenheit und Sünde widerspiegele. Demgegenüber erscheint die Gebärdensprache als unbelastet, frei und natürlich und sollte nach dem Dafürhalten BULWERs den Platz der Lautsprache einnehmen. 2.2.2. Géraud DE CORDEMOY Die Gebärdensprache ist auch nach dem Verständnis CORDEMOYs im Vergleich zur Lautsprache die natürliche Sprache (ĺ Natürlichkeit), die von Beginn an von der Menschheit als erstes benutzt wurde (ĺ Ursprung). In ihrer Eigenschaft als natürliche ĺ Ursprache ist sie zugleich eine allgemeinverständliche ĺ Universalsprache, die in besonderer Weise dazu geeignet ist, Emotionen und Seelenzustände darzustellen. Die Repräsentation von Leidenschaften gelingt nach Auffassung CORDEMOYs durch Gesten auf die direkteste, einfachste und natürlichste Weise. Gesten ermöglichen einen eindeutigen Austausch emotionaler Befindlichkeiten verschiedener Individuen. Als Sprache der Leidenschaften steht die als zwanghaft empfundene Lautsprache den Gebärden nach Meinung CORDEMOYs deutlich nach. 2.3. Geheimsprachen Die Möglichkeit, Zeichen- und Gebärdensprachen zur Mitteilung geheimer Botschaften zu verwenden, steht im Mittelpunkt des Interesses von WILKINS’ Mercury or the swift Messenger (1641). Zwar räumt WILKINS ein, dass sowohl die Verwendung von Zeichen- als auch von Gebärdensprachen im Vergleich zur Lautsprache in der Praxis selten auftrete, aber er versieht Zeichen- wie Gebärdensprachen mit dem Attribut größerer ĺ Natürlichkeit, da Kleinkinder im Prozess des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) derartige Kommunikationsmittel noch vor dem Erwerb der artikulierten Lautsprache verwendeten. Bei Zeichen- und Gestensprachen nimmt WILKINS eine Unterscheidung in Zeichen, die ex congruo sowie solche, die ex placito bedeu-
Gebärdensprache vs. Lautsprache ten, vor. Mit dieser Unterteilung in natürliche (ĺ Natürlichkeit) und arbiträre Zeichen (ĺ Arbitrarität) knüpft WILKINS an die Zeichenauffassung BACONs unmittelbar an. Bei den natürlichen Zeichen, zu denen er die Gesten rechnet, besteht nach seiner Meinung eine Relation der Ähnlichkeit und eine Affinität zwischen der dargestellten Handlung und dem Ding, das repräsentiert werden soll. Zu den natürlichen Gebärden rechnet WILKINS nicht nur die Zeichen der Taubstummen (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)), sondern auch die Gesten physisch nicht depravierter Individuen, die mit Hilfe der gestischen Darstellung innere Leidenschaften entäußern. Dem Bereich der natürlich bedeutsamen Gesten schreibt WILKINS auch rituelle Handlungen und Praktiken der Gottesverehrung zu, welche von Alters her bei Priestern und Leviten anzutreffen gewesen seien. Da sich diese natürlich bedeutsamen Gesten auch häufig in biblischen Geschichten und Gleichnissen finden, charakterisiert WILKINS die Verwendung von Gebärden auch als parabolische Ausdrucksweise (a Parabolical Way of speaking by Gestures). Im Gegensatz zu den parabolischen Gesten, die als natürlich (ĺ Natürlichkeit) und spontan verständlich klassifiziert werden, stehen die konventionellen, arbiträren (ĺ Arbitrarität) Zeichen und Gesten, die ihre ĺ Bedeutung dem ĺ Gebrauch und der gesellschaftlichen ĺ Konvention verdanken. Als Prototyp dieser Art konventionalisierter Gesten nennt WILKINS die von OVID in der Ars amatoria beschriebenen anzüglichen Gesten und gestischen Andeutungen. Verwendung finden konventionalisierte Gesten einerseits in internationalen Handelsbeziehungen, wenn die Geschäftspartner die Sprache des anderen nicht beherrschen und andererseits als Zeichensystem Gehörloser. WILKINS zeigt Bewunderung für die Gebärdensprachen der Taubstummen, die sich auch hervorragend zur Übermittlung geheimer Inhalte eigneten, wie das Beispiel der türkischen Sultane belege, die an ihren Höfen bevorzugt stumme Sklaven halten, mit denen sie ihre persönlichen Angelegenheiten behandeln. Die besondere Leistung der Gebärdensprache besteht für WILKINS darin, dass sie Gehörlosen die Möglichkeit bietet, ihre Gedanken zu entäußern, welche sonst in
601 ihrem Körper begraben blieben (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Die Gestensprache bildet jedoch für WILKINS eine Alternative, eine zweite Natur, die ebenfalls den Regeln der Konventionalisierung unterliegt. Somit bewertet WILKINS die artikulierte Lautsprache als primäres Kommunikationssystem, dem in der Gebärdensprache jedoch ein natürliches Äquivalent gegenübersteht, für dessen Verwendung ähnliche Grundprinzipien gelten wie für die Lautsprache. Ebenso wie die Lautsprache eine unendliche Vielfalt von Kombinationsmöglichkeiten anbietet, ist auch die Vielfalt der möglichen Gesten nach Meinung von WILKINS schier unendlich. Als einen effizienten Weg gestischer Kommunikation nennt er die Verwendung von Handalphabeten, bei denen bestimmte Handbewegungen bestimmten Buchstaben entsprechen. Da diese Art der Gestensprache jedoch leicht den Argwohn ihrer unkundiger Beobachter erwecken kann, sieht WILKINS die Handalphabete der Gehörlosen für kryptologische Zwecke als ungeeignet an. Im Gegensatz zu den zu auffälligen Fingeralphabeten rät WILKINS für die Übermittlung geheimer Botschaften zur Verwendung von scheinbar nicht-intentionalen Gesten wie Kratzen am Kopf, Reiben verschiedener Gesichtspartien, Augenblinzeln oder Bartwickeln. Da es sich bei diesen Gesten um eigentlich nichtsprachliche, symptomatische Verhaltensweisen handelt, vermutet der Beobachter keine geheime Botschaft hinter ihnen. Zur Übermittlung geheimer Nachrichten sind somit diese nicht-intentionalen Verhaltensweisen nach WILKINS’ Auffassung besser geeignet als Formen der Gebärdensprache Taubstummer. 2.4. Sprachursprungstheorien Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ wird von Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts wie etwa VICO, WARBURTON, CONDILLAC, DIDEROT, ROUSSEAU oder BECCARIA im Zusammenhang ihrer Vorstellungen vom ĺ Ursprung der Sprache behandelt. Für die Konzeptionen der Sprachentstehung nimmt das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ bei den genannten Autoren eine Schlüsselstellung ein.
602 2.4.1. VICO So nimmt etwa VICO in seiner Scienza nuova die Existenz von drei Weltaltern an, denen drei verschiedene Phasen der Sprachentstehung und Sprachentwicklung entsprechen. In der ersten Phase, die VICO als Zeitalter der Götter (età degli dei) bezeichnet, gehen Mythos und Logos noch undifferenziert ineinander über. Das erste Zeitalter ist geprägt von einem animistischen Weltbild, in dem Naturereignisse als Sprache Gottes interpretiert werden. Dieses Zeitalter wird zunächst beherrscht von Kommunikationsversuchen der Urmenschen, die auf einer Form von Körpersprache beruht hätten. Die Gesten dieser Urmenschen hätten in natürlicher Verbindung zu den Dingen selbst gestanden. Kennzeichen der ĺ Ursprache ist somit ihre ĺ Natürlichkeit und das sie begründende Prinzip der Imitation. Erst allmählich seien Ansätze der Lautsprache entstanden. Diese sei jedoch von einer Armut (inopia) an sprachlicher Ausdruckskraft geprägt gewesen. Das noch fehlende Abstraktionsvermögen habe die ersten Menschen dazu veranlasst, sich auf ihre Erfindungsgabe (ingenium) zu stützen, relevante Merkmale der Dinge herauszugreifen und ihnen eine sehr konkrete und sinnliche Definition zuzuordnen. Die rohen Urmenschen hätten sich auf die Benennung der Elemente eines Dinges verlegt, die am auffälligsten erschienen. Konstitutiv für die langsam entstehende Lautsprache war somit ebenso wie für die ihr vorausgehenden Gesten die Relation der Natürlichkeit zwischen Begriff und Bezeichnung. VICO betrachtet es als gesichert, dass die ersten Völker in der Menschheitsgeschichte alle stumm gewesen seien und ihre Gedanken mit Hilfe von Handlungen oder Bewegungen ausgedrückt hätten, die in einem Verhältnis der Natürlichkeit zu ihren Vorstellungen gestanden hätten. In dem sich anschließenden heroischen Zeitalter (età degli eroi) werden natürliche Substanzen nicht mehr als Gottheiten identifiziert, aber das Prinzip der phantastischen Abstraktion, das nur bestimmte Hauptmerkmale der Dinge herausfiltert, bleibt immer noch der dominante Weg der Erkenntnis. Im anschließenden Zeitalter der Menschen (età degli uomini) werden Sprachen zwar durch ĺ Konvention gebildet, aber die Faszination
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung des Mythos, die für die Sprachen der noch rohen und ungebildeten Nationen charakteristisch war, bleibt auch in dieser letzten Phase bestehen. 2.4.2. WARBURTON Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ spielt eine wichtige Rolle für WARBURTONs Überlegungen zum Sprachursprung (ĺ Ursprung), die sich auf epikureische Konzeptionen von DIODORUS SICULUS und VITRUV stützen. So zitiert WARBURTON deren Beschreibungen des Urmenschen als tierhaftes Wesen, welches einzig zur Äußerung wirrer, undeutlicher Laute befähigt gewesen sei. Erst allmählich hätten sich die undeutlichen, spontan hervorgebrachten Vokalisierungen zu intentionalen, arbiträren Zeichen entwickelt. Aufgrund der ĺ Arbitrarität der Lautsprache sei es zur Entstehung einer Vielzahl von Sprachen gekommen, da Sprache dem Menschen nicht angeboren sei. Weil die Anfänge sprachlicher Verständigung durch Grobheit, mangelnde Differenzierung und fehlende Eindeutigkeit der ursprünglichen Vokalisationen gekennzeichnet gewesen seien, hätten die Urmenschen zur Vereindeutigung ihrer kommunikativen Absichten eine bedeutungstragende Zeichensprache erfunden, die auf Aktionen beruhte. So stellt sich für WARBURTON die ĺ Ursprache der Menschheit als ein Gemisch aus Worten und Handlungen (a mixed Discourse of Words and Actions) dar. Durch den regelmäßigen Gebrauch und die Entstehung von Konventionalisierungen (ĺ Konvention) dieser gestischen Handlungen sei aus der ursprünglich notwendigen gestischen Kommunikation ein schmückendes Beiwerk der Rede (ornament) geworden, das auch noch beibehalten wurde, als die artikulierte Lautsprache so weit entwickelt war, dass sie der Gestik nicht mehr bedurft hätte. Relikte dieser Aktionssprache fänden sich immer noch bei den lebhaft gestikulierenden Völkern des Morgenlandes, wie sich anhand zahlreicher Bibelpassagen belegen lasse. In diesen Passagen treten die Propheten als Verkünder des göttlichen Willens auf und kommunizieren mit dem Volk mit Hilfe von Gebärden und Aktionen, nicht jedoch mit Lautsprache. Will Gott selbst dem Propheten seine Absichten mitteilen, so tritt an die Stelle
Gebärdensprache vs. Lautsprache der bedeutungstragenden Handlung eine Vision. Der Mitteilung von Gedanken durch Handlungen entspricht nach WARBURTON ihre Fixierung durch bildhafte Darstellungen. Aus der Aktionssprache der Anfänge habe sich im Zuge der Perfektionierung der Lautsprache die Gattung der Fabeln entwickelt, die durch ihre Metaphorizität ebenso gekennzeichnet sei wie die gleichnishafte Gestensprache der Propheten in der Bibel (ĺ Metapher). WARBURTONs Auffassung des Konzepts ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ diente als unmittelbares Modell für CONDILLACs Vision einer Aktionssprache als Grundlage des Ursprungs (ĺ Ursprung) der Sprache. 2.4.3. CONDILLAC Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ ist fundamental für CONDILLACs Verständnis des Ursprungs (ĺ Ursprung) der Sprache. Inspiriert von WARBURTONs Konzeption nimmt CONDILLAC zu Beginn der Sprachentstehung die Existenz einer Aktionssprache (langage d’action) an, die aus Gesten und unartikulierten Lauten bestand. Die Befähigung des Urmenschen zur Verwendung von Gebärden und ersten rudimentären Lauten als Gebärden der ĺ Stimme sieht CONDILLAC als grundlegend für die Genese der Sprache an. Nach seiner Auffassung zählt die Verwendung von Gebärden und unartikulierten Lauten als vokale Gesten bzw. Gebärden der Stimme und Emotionsträger mit zu den natürlichen Fähigkeiten des Menschen, die die Sprache erst ermöglichen. Grundlage dieser primitiven Form von Kommunikation ist das Prinzip der Imitation. Erst im Laufe der Sprachentwicklung treten zu diesen natürlichen Zeichen auch arbiträre, institutionalisierte Zeichen hinzu, die die Gestensprache zu einem rein sprachbegleitenden Element werden lassen (ĺ Natürlichkeit; ĺ Arbitrarität). Aber auch die Verwendung der Gesten unterlag nach CONDILLACs Vorstellung einem Prozess der Konventionalisierung (ĺ Konvention) und Stilisierung, da die Gesten im Laufe ihrer Entwicklung nicht mehr nur als Kommunikationsform, sondern auch als Kunstform dienten. Die tänzerischen Gesten der Frühzeit wurden immer stärker konventionali-
603 siert und stilisiert, wobei genaue Regeln für Armbewegungen und Körperhaltungen festgelegt wurden. Ursprünglich ein gestisches Kommunikationsmittel, entstand der Tanz als Kunstform. CONDILLAC unterscheidet zwei Formen des Tanzes, nämlich den Tanz der Gesten (la danse des gestes) und den Tanz der Schritte (la danse des pas). Der Tanz der Gesten sei weiterhin parallel zur artikulierten Lautsprache beibehalten worden, um die Gedanken der Menschen auszudrücken. Daneben habe sich als Kunstform der Tanz der Schritte entwickelt, welcher zu festlichen Anlässen und Lustbarkeiten zum Ausdruck der allgemeinen Freude verwandt worden sei. Der Tanz der Schritte habe sich aus dem, ursprünglich kommunikativen Zwecken dienenden, Gestentanz entwickelt und Spuren dieser Abkunft bewahrt. CONDILLACs Behandlung des Konzeptes ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ ist zentraler Bestandteil seiner Hypothese vom ĺ Ursprung der Sprache. Durch die Unterscheidung der beiden Tanzformen der danse des gestes und der danse des pas wird erkennbar, dass die Gestensprache als ursprüngliches Mittel der Verständigung zu einem Mittel des künstlerischen Ausdrucks wird. Ihre Bedeutung als Kommunikationsmedium zum Ausdruck von Ideen nimmt nach CONDILLACs Auffassung mit der wachsenden Komplexität der artikulierten Lautsprache ab. 2.4.4. ROUSSEAU ROUSSEAU behandelt das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ sowohl in seinem Discours de l’inégalité (1755) als auch im postum erschienenen Essai sur l’origine des langues (1781). In beiden Texten ist ROUSSEAUs Auffassung des Konzepts ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ stark von CONDILLACs Überlegungen zur Rolle der Gestensprache für den Sprachursprung (ĺ Ursprung) beeinflusst. Im Discours de l’inégalité nimmt ROUSSEAU an, dass am Beginn der Sprachentstehung der allen Menschen gemeinsame instinktiv hervorgebrachte Urschrei gestanden habe, welcher allerdings nur in Extrem- und Gefahrensituationen Anwendung fand. Um der wachsenden Anzahl der Ideen der Urmenschen gerecht zu werden, war die Erfindung einer komplexeren Sprache mit einer Vielzahl von Zeichen erforder-
604 lich. Es entstand eine Kommunikationsform, bei der Stimmlaute und Gesten miteinander verbunden wurden. Mit dieser Vorstellung knüpft ROUSSEAU unmittelbar an CONDILLACs Aktionssprache an. ROUSSEAU schreibt den Gesten im Vergleich zur artikulierten Lautsprache ebenso wie CONDILLAC größere Expressivität zu. Die Aktionssprache wird von ROUSSEAU in Gebärdensprache und Rudimente der Lautsprache differenziert, wobei die Zuständigkeitsbereiche beider Kommunikationsformen eindeutig voneinander abgegrenzt werden: Während Gebärden zur Darstellung lebender und beweglicher Objekte verwendet werden, die ins Auge springen, dient die auf der Grundlage von Imitation beruhende rudimentäre Lautsprache dem Ausdruck von Dingen, die das Ohr ansprechen. Die Gebärdensprache als Teilelement der Aktionssprache wurde jedoch im Laufe der Sprachentwicklung von der Lautsprache verdrängt. Für die Zurückdrängung der Gebärdensprache zugunsten der Lautsprache nennt ROUSSEAU eine Reihe von Gründen: Die Gebärdensprache sei nur zum Ausdruck konkreter Objekte geeignet gewesen, die während des Kommunikationsvorgangs präsent waren oder zum Ausdruck von Objekten, die ohne Mühe beschrieben werden konnten. Ferner habe man sie verwendet, um sichtbare Handlungen zu beschreiben. Allerdings handelt es sich nach Meinung ROUSSEAUs bei der Gebärdensprache keineswegs um eine ĺ Universalsprache, da sie sowohl bei Dunkelheit als auch bei Behinderungen des Blickfeldes der Kommunikationspartner durch Objekte, die nicht Gegenstand der Kommunikation sind, unbrauchbar sei. Zudem verlange die Gebärdensprache eine besondere Aufmerksamkeit und könne nicht so schnell das Interesse von Kommunikationspartnern erregen wie die Lautsprache. Aus diesen Gründen habe die Lautsprache im Laufe der Zeit die Gebärdensprache des Sprachursprungs (ĺ Ursprung) verdrängt. Zwar beruhe die artikulierte Lautsprache im Gegensatz zur Gebärdensprache nicht auf einem natürlichen Zusammenhang mit den Ideen, die sie darstelle (ĺ Natürlichkeit), aber dafür sei sie mit Hilfe institutionalisierter, konventionalisierter Zeichen (ĺ Kon-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung vention) in der Lage, alle Ideen auszudrücken (ĺ Zeichen und Idee). ROUSSEAU behandelt das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ auch im Essai sur l’origine des langues im Zusammenhang seiner Überlegungen zur Sprachgenese, die abermals eng an CONDILLACs Vorstellungen vom Sprachursprung aus der Aktionssprache anknüpfen (ĺ Ursprung). Im Rahmen einer sensualistischen Argumentation stellt ROUSSEAU an den Beginn seiner Überlegungen zum Sprachursprung den Gegensatz von Bewegung (mouvement) und Stimme (voix). Bewegung und ĺ Stimme sind seiner Meinung nach die beiden Mittel, mit denen wir die Sinne eines Kommunikationspartners unmittelbar beeindrucken können. Bei der Ausführung der Bewegung unterscheidet ROUSSEAU zwischen den unmittelbaren Bewegungen des Tastsinns und den mittelbaren Gesten, die mit Hilfe des Sehsinns auch aus der Distanz heraus wahrgenommen werden können. Somit bleiben als Organe der Sprachwahrnehmung zwischen weit verstreuten Menschen zu Beginn der Sprachentstehung nur der Sehsinn und das Gehör übrig. Die Gebärden- und die Lautsprache erachtet ROUSSEAU als gleichermaßen natürlich (ĺ Natürlichkeit), beurteilt jedoch die Gebärdensprache als vergleichsweise einfacher und weniger konventionalisiert (ĺ Konvention). Diese Bewertung begründet er mit der Behauptung, dass eine größere Anzahl von Objekten unser Auge stimuliere als unser Ohr. Zudem schreibt er Figuren eine größere Vielfalt als Lauten und Tönen zu. Ein weiterer Vorteil der Figuren besteht nach ROUSSEAUs Auffassung in ihrer größeren Expressivität und ihrer größeren Ökonomie im Vergleich zu den Lauten. ROUSSEAU geht ausführlich auf sprachbegleitende Gesten ein, die er als Zeichen der natürlichen Unruhe des Menschen (nôtre inquiétude naturelle) ansieht. Die sprachbegleitende Verwendung von Gesten betrachtet er als ein Spezifikum der Europäer, wobei er deren Art der Gestensprache als forciert, aufwändig und überflüssig kritisiert. Als paraverbales Medium hätten Gesten die echte Kunst der Pantomime verdrängt, bei der wenige, ökonomisch eingesetzte deiktische Gesten für eine eindeu-
Gebärdensprache vs. Lautsprache tige Mitteilungsabsicht (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) hinreichend gewesen seien. Eine Zwischenform der Kombination von Gesten- und Lautsprache verwendeten Italiener und Provenzalen, bei denen normalerweise die Gesten der Lautsprache vorausgingen, was ihnen größere Aufmerksamkeit bei ihren Erzählungen einbrächte. Mit dem Attribut der Expressivität versieht ROUSSEAU jedoch insbesondere die Gesten antiker Herrscher wie z. B. die von TARQUINIUS, DARIUS oder ALEXANDER DEM GROSSEN, die allein mit Hilfe kraftvoller, gleichnishafter Gesten schon alles ausgedrückt hätten, bevor auch nur ein Wort gesprochen worden sei. Bemerkenswert an ROUSSEAUs Auffassung des Konzepts ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ ist seine positive Beurteilung der Gebärdensprache zu Beginn der Sprachgenese als natürliches Kommunikationsmedium (ĺ Ursprung; ĺ Natürlichkeit). Im Sinne seines Natürlichkeitsideals beschreibt er die Gestensprache damit als ein besonders authentisches, ursprüngliches Kommunikationsmedium. Allerdings beurteilt ROUSSEAU die Parallelität von Gebärdensprache und Lautsprache durch den Einsatz der Gestensprache als sprachbegleitendes Kommunikationsmedium kritisch. Nur die ökonomische Verwendung von Gesten, die die Lautsprache antizipieren und im Stil von Gleichnissen und körperlichen Metaphern (ĺ Metapher) operieren, erscheint ROUSSEAU legitim. 2.4.5. MONBODDO Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ thematisiert MONBODDO im Kontext seiner Überlegungen zum ĺ Ursprung der Sprache, die vor allem auch eine Widerlegung von ROUSSEAUs Position im Discours de l’inégalité zum Problem der Etablierung einer ĺ Konvention der Sprache ohne den ĺ Gebrauch der Sprache selbst darstellen. Gegen ROUSSEAUs ungelösten Problemkreis der Anteriorität von Sprache und Gesellschaft führt MONBODDO die Möglichkeit der Kommunikation mit Gebärden im Naturzustand an. So hält MONBODDO im Gegensatz zu ROUSSEAU die Begründung einer Urgesellschaft auch ohne den Gebrauch der artikulierten Lautsprache für möglich. Um seine These zu untermauern, beruft sich MONBODDO auf die Existenz anderer, nicht-lautsprachlicher
605 Zeichensysteme, zu denen er unartikulierte Schreie, also Gebärden der ĺ Stimme, zählt, welche selbst Tiere zur Mitteilung von Emotionen verwendeten (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Als weitere Zeichen nennt er imitatorische Schreie, die Geräusche der Umgebung nachahmen. Schließlich führt er die Kommunikation durch Blicke, Mimik sowie Gesten und Posen des gesamten Körpers an. Neben der lautsprachlichen Kommunikation erwähnt er auch die Malerei als piktographische Vorform von ĺ Schrift, die zur Repräsentation sichtbarer Objekte geeignet sei. Unartikulierte Schreie und Gesten seien Mensch und Tier gemeinsam; die bewusste Verwendung imitatorischer Schreie und die Malerei dagegen seien ein Spezifikum des Menschen. Bei allen vier Zeichenarten handle es sich jedoch um natürliche Zeichen (ĺ Natürlichkeit) im Gegensatz zu den arbiträren Zeichen der artikulierten Lautsprache (ĺ Arbitrarität). Das Charakteristikum von MONBODDOs Argumentation besteht im Verweis auf tierische Kommunikationsformen, die den Tieren zur Aufrechterhaltung ihrer gesellschaftlichen Struktur dienen und aus diesem Grund einem in der Kette der Lebendigen weit höher stehenden Wesen wie dem Menschen erst recht zugeschrieben werden müssten. Im Unterschied zu den instinktiven Vokalisierungen der Tiere vermag der Mensch jedoch, alle möglichen tönenden Objekte seiner Umwelt kreativ durch Onomatopoiesis zu imitieren. Mit den imitatorischen Schreien verfügt er ebenso wie mit der Piktographie als Frühstadium von ĺ Schrift über artspezifische Kommunikationsmittel, die für das Tier nicht zugänglich sind. Mit dem Tier teilt er jedoch unartikulierte Urschreie und die Verwendung von Gebärden, welche beide als natürliche Zeichen (ĺ Natürlichkeit) für den Urmenschen sofort verfügbar gewesen seien und mit CONDILLACs langage d’action vergleichbar erscheinen. MONBODDOs Behandlung des Konzepts ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ im Zusammenhang seiner Hypothesen zum ĺ Ursprung der Sprache ist wesentlich durch eine evolutionistische Vorstellung geprägt, die menschliche Sprache als Weiterentwicklung
606 tierischer Kommunikationsformen, aber zugleich als bedeutend höher stehendes Mitteilungssystem beschreibt. Für die Herausbildung einer Gesellschaft im Urzustand erachtet er jedoch eine Kombination aus unartikulierten Schreien und Gesten als kommunikative Urform für ausreichend. Dass Gesellschaftsbildung nicht auf die Verwendung der artikulierten Lautsprache angewiesen ist, belegt MONBODDO mit dem Verweis auf sozial lebende Tiere wie z. B. Biber. 2.4.6. BECCARIA Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ ist auch Gegenstand der Überlegungen BECCARIAs im Kontext von Sprachursprung (ĺ Ursprung) und Sprachentwicklung. Ebenso wie VICO nimmt BECCARIA drei Stadien der Sprachentwicklung an, die er mit jeweils verschiedenen Relationen zwischen Ideen und Zeichen begründet (ĺ Zeichen und Idee). BECCARIAs Konzeption vom Beginn der Sprachgenese ist ähnlich wie CONDILLACs Hypothese durch die Annahme eines wilden, primitiven Sprachursprungs charakterisiert, der sich durch Urschreie und imitatorische Laute sowie imitatorische Gebärden auszeichnet. Für BECCARIAs Konzeption des Sprachursprungs spielen rudimentäre, onomatopoetische Laute und imitatorische Gebärden eine wesentliche Rolle. Das erste Stadium der Sprachentstehung beschreibt er als wilden, primitiven Urzustand, in dem es ein Missverhältnis zwischen Ideen und Zeichen gegeben hätte, da man noch nicht über einen hinreichenden Zeichenvorrat verfügt habe. Aus diesem Grunde sei die Phantasie der ersten Menschen bei der Sprachentwicklung zunächst auf die Anwesenheit der Objekte, die Gegenstand der Kommunikation waren, angewiesen gewesen. So hätten auch die Kunstformen und die Dichtungen der Frühzeit in einer Art imitatorischen Tanzes bestanden, den BECCARIA auch als pantomimischen Tanz definiert (un ballo pantomimico). Diese Vorstellung tänzerischer Kommunikationsformen steht in engem Zusammenhang zu CONDILLACs Konzeption tänzerischer Ausdrucksformen der Urzeit der Menschheitsgeschichte. BECCARIAs Überlegungen zum Verhältnis von Laut- und Gebärdensprache zum Zeitpunkt der Sprachgenese (ĺ Ursprung) sind zudem
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung gekennzeichnet durch eine Analogie zum kindlichen ĺ Spracherwerb. So beschreibt er die Phase der rohen Kindheit (robusta fanciullezza) der Sprache anhand der im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Parallelisierung von Onto- und Phylogenese. Ebenso wie die Sprache der Kindheit des Menschen durch wenige Stammellaute gekennzeichnet sei, die von einer Vielzahl an Gesten begleitet würden, hätten auch die Urmenschen nur über eine geringe Anzahl an Zeichen verfügt, um ihre Ideen auszudrücken (ĺ Zeichen und Idee). Dieses Missverhältnis zwischen Ideen und Zeichen sieht BECCARIA zudem als charakteristisch für exotische Völker an (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell). Die allmähliche Herausbildung einer Gesellschaft und die Zunahme an Kontakten zwischen den Mitgliedern dieser Gesellschaft sind nach BECCARIA verantwortlich für den beständigen Zuwachs des Zeicheninventars. Den Sprachursprung konzipiert BECCARIA im Geiste der platonischen Natürlichkeitshypothese (ĺ Natürlichkeit), da die Wörter zu diesem Zeitpunkt ein genaues Abbild der Objekte gewesen seien (le parole corrispondevano fedelmente agli oggetti che le avevano prodotte). Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ steht bei BECCARIA in engem Zusammenhang mit dem Konzept des ‘Ursprungs der Sprache’, wobei die Argumentationsweise deutliche Parallelen zu den Vorstellungen VICOs und CONDILLACs von der Relation zwischen Gebärden- und Lautsprache zum Zeitpunkt der Sprachgenese erkennen lässt. 2.4.7. D’ALEMBERT (Encyclopédie, Artikel Caractere) Das Verhältnis zwischen Gebärden- und Lautsprache wird auch von D’ALEMBERT in seinem Encyclopédie-Artikel Caractere thematisiert. In diesem Artikel vertritt er die Grundannahme, dass es zu Beginn der Sprachentstehung (ĺ Ursprung) eine Koexistenz zwischen Laut- und Gestensprache gegeben habe. Beide Kommunikationsformen seien jedoch an Grenzen gestoßen. Zwar hätten die Urmenschen entdeckt, dass man Konkreta mit Lauten bezeichnen könne und man außerdem im Stile der Taubstummen (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) durch die Anwendung von Gebärden
Gebärdensprache vs. Lautsprache Dinge bezeichnen könne, für deren Repräsentation die rudimentäre Lautsprache des Ursprungs noch nicht hinreichend gewesen sei, aber D’ALEMBERT verweist ebenso wie ROUSSEAU im Discours de l’inégalité darauf, dass die Gebärdensprache auf natürliche Hindernisse wie weite Entfernungen und Dunkelheit gestoßen sei. Aufgrund dieser physischen Grenzen der Gebärdensprache sei ein weiterer Ausbau der artikulierten Lautsprache notwendig geworden. Man habe erkannt, dass man mit Hilfe der Lautsprache Abstrakta, Allgemeinbegriffe und Bezeichnungen zur Kombination von Begriffen darstellen könne. Nach der Erfindung eines gewissen Inventars an arbiträren Zeichen (ĺ Arbitrarität) sei man dazu übergegangen, nach einer Möglichkeit der Notation dieser Lautzeichen zu suchen. Diese Bemühungen seien mit der Erfindung der Alphabetschrift abgeschlossen worden (ĺ Schrift). Im Encyclopédie-Artikel Caractere verknüpft D’ALEMBERT das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ mit thematisch verwandten Konzepten wie ‘Ursprung der Sprache’, ‘physisch defizitärem Spracherwerb’ und ‘Schrift’. Dabei werden vor allem physische Komponenten wie Dunkelheit und große Entfernungen als Hindernisse der Gebärdensprache genannt, welche eine Weiterentwicklung der artikulierten Lautsprache erforderlich gemacht hätten. 2.5. Kulturell defizitärer Spracherwerb exotischer Völker Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ gehört zu den bevorzugten Konzepten, die im Kontext von Hypothesen über den ĺ Ursprung der Sprache angeführt werden. Für derartige Hypothesen werden oftmals exotische Völker als hypothetische Probandengruppen herangezogen, da sie nach einer im 18. Jahrhundert weitverbreiteten Auffassung auf phylogenetischer Ebene die Erfahrungen des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) der Ontogenese widerspiegeln. Wilde Völker werden aus einer eurozentristischen Perspektive als Repräsentanten eines primitiven, rückständigen Sprachstadiums begriffen, das nicht zuletzt durch die Ikonizität einer nicht komplexen Gebärdensprache geprägt ist (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). So beschreibt z. B. MONBODDO die Gebärdensprache als eine zunächst primitive
607 Kommunikationsform, die selbst Tiere verwendeten, welche aber zu höchster Perfektion getrieben werden könne. Als Beispiele nennt er sowohl die Kommunikation der Taubstummen (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) als auch die Virtuosität der tänzerischen Pantomimen wie etwa des ROSCIUS im alten Rom. Zu Beginn der Sprachgenese (ĺ Ursprung) sei die Kommunikation mit unartikulierten Schreien und Gesten allerdings durch große Einfachheit gekennzeichnet gewesen. Dieselbe Primitivität gestischer Kommunikation schreibt MONBODDO auch wilden Völkern in Nordamerika zu, die aufgrund der Unvollkommenheit ihrer artikulierten Lautsprache einen bedeutenden Anteil ihrer Verständigung mit Hilfe der Gestensprache abwickeln müssten. Eine ähnliche Auffassung vertritt BEATTIE, der die Gebärdensprache wilder Völker ebenfalls für ein notwendiges Subsidiärsystem ihrer unzureichenden Lautsprache hält (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). So unterstütze die Gebärdensprache die Lautsprache wilder Völker, der es an ĺ Klarheit und Energie mangle. Eine expressive Gestensprache sei für exotische Völker besonders notwendig aufgrund der Defizite ihrer Lautsprache, die der Verstärkung durch ausdrucksstarke Gebärden und Blickbewegungen bedürfe. Gebärden- wie Lautsprache exotischer Völker sind nach BEATTIEs Meinung durch das Merkmal der ĺ Natürlichkeit geprägt. Eine expressive Gestensprache ist auch nach Auffassung JENISCHs das Charakteristikum exotischer Völker. Deren Denkweise erachtet er als ausschließlich der Sphäre des Konkreten verhaftet. Da ihnen Abstraktionen und Allgemeinbegriffe unbekannt seien, beurteilt JENISCH die Verwendung einer Gebärdensprache und dabei insbesondere deiktische Gesten als hinreichend für ihre Kommunikation. Die Annahme eines hypothetischen exotischen Volkes, das isoliert in der Wüste oder am Meer gelebt und als einzige Tiere stumme Fische um sich gehabt habe, bildet die Grundlage von TETENS’ Gedankenexperiment zum ĺ Ursprung der Sprache, in welches auch das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ integriert ist. In Analogie zu den Fällen sprachloser ‘wilder Kinder’ (ĺ defizi-
608 tärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) habe für dieses in Isolation lebende Volk keine Notwendigkeit zur Erfindung einer Sprache bestanden. Allerdings räumt TETENS die Möglichkeit der Erfindung gestischer Kommunikationsformen (sichtbare Winke) ein, welche er als Beweis für die Denkfähigkeit dieses exotischen Volkes (ĺ kognitive Funktion der Sprache) und zugleich als Beweis für die Möglichkeit einer erfolgreichen Kommunikation ohne artikulierte Lautsprache beurteilt. Die Gebärdensprache liefert für TETENS den Nachweis, dass das Denken nicht notwendigerweise (laut-)sprachabhängig sein muss. So könne eine Gebärdensprache durchaus den Grundstein für die weitere Entwicklung der Vernunft und des Denkens legen, wenngleich TETENS sie hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit der artikulierten Lautsprache nachordnet. Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ wird in Zusammenhang mit dem kulturell defizitären Spracherwerb (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) thematisiert, um eine Analogie zwischen der vorgeblichen Primitivität des Denkens exotischer Völker und ihren Kommunikationsformen herzustellen, die als rückständig und der Sphäre des Konkreten und Alltäglichen verhaftet beschrieben werden. Die Gebärdensprache wird in dieser Argumentation als Ausdruck eines retrograden, nicht zur Generierung von Allgemeinbegriffen und Abstrakta befähigten Denkens dargestellt, das die artikulierte Lautsprache entweder als nicht notwendig oder höchstens als rudimentär und primitiv ausgeprägt erscheinen lässt. 2.6. Physisch defizitärer Spracherwerb Gehörloser Das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ ist unmittelbar Gegenstand von DIDEROTs Lettre sur les sourds et muets (1751), in der DIDEROT sich u. a. des Problems der Wortstellung, insbesondere der Inversion, annimmt (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). DIDEROT geht davon aus, dass die Wortstellung ein Abbild der Reihenfolge der Gedanken ist, welche keineswegs von Natur aus als ordre direct in der Subjekt-PrädikatObjekt-Stellung (S-P-O-Stellung) auftreten müssen, sondern ebenfalls durch Inversion versprachlicht werden können. Die Taubstum-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung men sollen in einem hypothetischen Experiment zur Klärung der Frage dienen, in welcher Reihenfolge unsere Gedanken in der Regel auftreten, wie sie durch ein Kommunikationssystem wie das der Gebärdensprache gegliedert werden und ob die Gebärdensprache vielleicht sogar geeigneter sei, die Abfolge unserer Gedanken widerzuspiegeln. Anhand der Untersuchung der Gebärdensprache Taubstummer möchte DIDEROT ermitteln, ob es eine Reihenfolge der Gedanken unabhängig von der artikulierten Lautsprache gibt (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Damit wird zugleich das Problem der (Laut-)Sprachabhängigkeit des Denkens ins Zentrum des Interesses gerückt (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die Lettre sur les sourds et muets liefert zudem Einblicke in die Spezifik unterschiedlicher Kommunikationssysteme und Kunstformen, wobei der ĺ Linearität der artikulierten Lautsprache z. B. die Simultaneität der Malerei gegenübergestellt wird. Gegenstand der Lettre sur les sourds et muets ist das komplexe Verhältnis zwischen Ausdrucksmitteln der verschiedenen Künste wie Musik, Malerei, Skulptur und deren Bezug zu Sprachursprung (ĺ Ursprung), Gebärdensprache und artikulierter Lautsprache. Innerhalb dieses Problemkreises stehen die Simultaneität der Ideen und ihre lineare Repräsentation durch die Lautsprache im Vordergrund. Aus der vergleichenden Betrachtung von Gebärden- und Lautsprache wird ersichtlich, dass DIDEROT der Gebärdensprache eine größere Expressivität als der Lautsprache zuschreibt. So erscheinen ihm manche Gebärden des Theaters viel geeigneter als die Lautsprache, um Pathos und Erhabenheit einer Szene darzustellen. Diese Behauptung untermauert DIDEROT mit dem Bezug auf SHAKESPEAREs Lady Macbeth, die sich sinnbildlich die Hände in Unschuld wäscht, nachdem sie ihren Gatten ermordet hat. Als Beleg für die größere Ausdruckskraft der Gebärdensprache im Vergleich zur Lautsprache führt DIDEROT auch Experimente an, die er im Theater durchgeführt haben will. So habe er sich während der Theateraufführungen die Ohren zugehalten und nur das Spiel der Akteure verfolgt, wobei er ebenso ergriffen reagiert habe wie der Rest des zuhörenden Publikums.
Gebärdensprache vs. Lautsprache Bei seinen Untersuchungen der natürlichen Wortfolge geht DIDEROT zum Sprachursprung (ĺ Ursprung) zurück, wobei er CONDILLACs Annahme eines gestischen Ursprungs in Form der Aktionssprache als Vorstufe der Lautsprache übernimmt. So geht DIDEROT davon aus, dass die Urmenschen zu Beginn der Sprachentstehung eine Art tierischer Sprache (langage animal) verwandt hätten, die aus Gesten und unartikulierten Schreien zusammengesetzt gewesen sei. Die Analyse der Gebärdensprache ist für DIDEROT notwendig, um die ursprüngliche Reihenfolge menschlicher Gedanken ermitteln zu können. In seinem hypothetischen Experiment zur Analyse der Gebärdensprache entscheidet er sich zunächst für den Einsatz von Personen, die sich stumm stellen sollen (muets de convention), da diese später genau erklären könnten, warum sie welche Reihenfolge der Ideenrepräsentation durch Gebärden gewählt hätten. Die Verwendung der muets de convention wird von DIDEROT jedoch wieder verworfen, da die Reihenfolge der Gesten durch ihre Gewohnheiten im Umgang mit der Lautsprache beeinflusst und verfälscht werden könnte. Aus diesem Grunde zieht DIDEROT es in seinem Gedankenexperiment vor, auf einen von Geburt an Taubstummen (un sourd et muet de naissance) zurückzugreifen, der nicht den Vorurteilen erliegt, denen sich ein muet de convention durch seine muttersprachlichen Gewohnheiten und Vorurteile ausgesetzt sähe. Von einer von Geburt an taubstummen Versuchsperson verspricht sich DIDEROT genaue Einblicke in die Repräsentation von Ideen durch eine entsprechende Reihenfolge von Gebärden. Sollten in der Gebärdensprache dieses Taubstummen Inversionen (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) auftreten, so würden sie sich von Natur aus ergeben (ĺ Natürlichkeit) und wären nicht das Produkt von ĺ Konvention. Die Gedankenfolge des von Geburt an Taubstummen repräsentiert nach DIDEROTs Auffassung die Gedankenfolge der Urmenschen zu Beginn der Sprachgenese, noch vor Erfindung der artikulierten Lautsprache. Nach DIDEROTs Empfinden müsse im Regelfall bei der Gebärdensprache zunächst die Hauptidee zum Ausdruck gebracht werden, damit deutlich werde, worauf sich die folgenden Gesten bezögen. Wird das Thema einer Sequenz von Gesten
609 jedoch nicht an den Anfang gestellt, so entsteht eine gewisse Spannung, die aus Gründen des Stils (ĺ Stil), des Geschmacks, der Phantasie, der Konvention oder der Harmonie aufgebaut wird. Auch Grenzen der Gebärdensprache im Vergleich zur Lautsprache zieht DIDEROT in Betracht. So hält er es für problematisch, mit Taubstummen über abstrakte Konzepte wie unbestimmte Mengen oder Zeitstufen zu kommunizieren. Aufgrund der Schwierigkeiten, die die Kommunikation über Abstrakta mit sich bringt, sieht DIDEROT sich bestätigt, wenn er im Einklang mit CONDILLAC annimmt, dass zu Beginn der Sprachentstehung (ĺ Ursprung) die Urmenschen zunächst über Konkreta und speziell über Substantive verfügt hätten. Dagegen seien Zeichen für die Differenzierung verschiedener Tempora erst am Ende der Sprachentwicklung entstanden. Über Jahrhunderte habe man sich mit den Präsensformen des Indikativs oder dem Infinitiv selbst begnügt. Abschließend kommt DIDEROT in seiner Lettre sur les sourds et muets zu dem Ergebnis, dass die französische Sprache seiner Gegenwart im Verhältnis zur tierhaften Aktionssprache des Sprachursprungs (ĺ Ursprung) voller Inversionen sei (ĺ Wortstellung /ordo naturalis / Inversion). Die Anfänge der Lautsprache seien durch die Absenz einer syntaktischen Struktur (ĺ Syntax) gekennzeichnet gewesen. Um Spekulationen über den Sprachursprung zu vermeiden, entschließt sich DIDEROT, die Gestensprache der Taubstummen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Die Schwierigkeiten, die sich bei der Kommunikation mit Taubstummen für die Vermittlung von Abstrakta wie unbestimmte Mengenangaben oder Zeitverhältnisse ergeben, veranlassen DIDEROT, für die Reihenfolge der Entstehung der Sprachzeichen zwischen solchen, die zuerst und solchen, die zuletzt erfunden wurden, zu unterscheiden. Im Endergebnis schlussfolgert DIDEROT, dass das Denken und die Sprache sich vom Beginn der Menschheit bis zu seiner Zeit so fundamental weiterentwickelt hätten, dass eine genaue Bestimmung der natürlichen Reihenfolge unserer Gedanken nicht mehr möglich sei. Zudem bedinge die unterschiedliche Wahrnehmungsfähigkeit der Menschen die Unmöglichkeit, Normen
610 für die Generierung komplexer Gedankenverbindungen in den verschiedenen Einzelsprachen aufzustellen. Außerdem führten Faktoren wie unterschiedliche Standpunkte der Redner und daraus resultierende unterschiedliche kommunikative Gewichtungen zu individuell verschiedenen Anordnungen der Gedanken. Die Entfernung von der ursprünglichen, auf der Sinneswahrnehmung beruhenden natürlichen Wortstellung entsteht durch das im Zuge der Entwicklung von Sprache und Denken stetig fortschreitende Niveau der Abstraktion. 2.7. Die rhetorische Tradition Außer im Zusammenhang der Problemkreise Sprachursprung (ĺ Ursprung), ĺ Spracherwerb oder defizitärer Spracherwerb (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) wird das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ auch im Kontext rhetorischer Traktate, die sich der Kodifizierung der actio des Redners verschreiben, thematisiert. Obwohl die actio-Lehre etwa im Vergleich zur elocutio in den meisten Texten der rhetorischen Tradition eher knapp ausfällt, kann sie sich doch mit QUINTILIAN auf einen prominenten Vordenker berufen, der der Gestik im Allgemeinen und der der Finger im Besonderen außerordentliche Beachtung geschenkt hat. So beruft sich etwa der Artikel Sprache in Zedlers Universallexicon, der sich nicht nur der Laut-, sondern ebenfalls der Gebärdensprache zuwendet, auf CICERO und QUINTILIAN. Die Gebärdensprache wird in Anlehnung an CICERO als eloquentia corporis, als Beredsamkeit des Leibes, bezeichnet. Mimik und Gestik verraten Gefühlsregungen. Sie sind nach CICERO der Spiegel der Seele. Zedlers Universallexicon zitiert auch QUINTILIAN, für den Mimik und Gestik ausdrucksstärker sein können als viele Worte. Die Gestik der Hände beschreibt QUINTILIAN als eine ĺ Universalsprache der Menschheit. Aufgrund ihrer Deutlichkeit und allgemeinen Verständlichkeit darf diese Sprache nach der Darstellung in Zedlers Universallexicon insbesondere nicht von den Engeln verwendet werden. Die Vorstellung, dass gerade durch die Gebärdensprache Informationen moralisch zweifelhafter Art vermittelt werden könnten, findet sich übrigens auch bei LOMONOSOV wieder. Für die Verbindung zwischen der Expressivi-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung tät der Gebärdensprache und ihrer vorgeblichen moralischen Anfechtbarkeit ist sicherlich die Tatsache verantwortlich, dass die Gebärdensprache gerade in der theatralischen Praxis eine herausragende Rolle spielt, der Beruf des Schauspielers, Sängers und Komödianten jedoch jahrhundertelang sozialer Ächtung unterworfen war. Die Auseinandersetzung mit dem Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ findet sich in einer Vielzahl rhetorischer Traktate des 17. und 18. Jahrhunderts. Allerdings privilegiert die rhetorische Lehre und Praxis eindeutig die Lautsprache im Vergleich zur Gebärdensprache. Die Gebärden treten meist als ein extraverbales Element zusätzlich zur Rede hinzu, der sie durch ihre Expressivität Nachdruck verleihen sollen. Die Gestensprache ist in der Rhetorik ein subsidiäres System, dem bald mehr, bald weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zum Bereich der eloquentia corporis werden traditionell die ĺ Stimme und die Gebärden des Redners gerechnet. Diskutiert wird allerdings, ob der Stimmführung oder der Gestik der Vorrang einzuräumen sei. Gegenstand der actio-Lehre sind also paraverbale und extraverbale Erscheinungen, die aber ebenso wie die artikulierte Lautsprache als kodifizierbar beurteilt werden. Als Basis für die Kodifizierung der actio gelten traditionell CICEROs De oratore und QUINTILIANs Institutio oratoria. Rhetoriktraktate des 17. und 18. Jahrhunderts erörtern sowohl die Frage, ob innerhalb der actio, also der Ausführung der Rede, der ĺ Stimme oder der Gestik der Primat zukommen solle als auch teilweise die Frage, ob die Gebärdensprache der artikulierten Lautsprache überlegen sei. Diesem Problem wendet sich etwa ALTHUSIUS in seinen Civilis conversationis libri duo (1601) zu, einem Werk der Anstandsliteratur, das sich eingehend rhetorischen Fragestellungen und in diesem Rahmen vorrangig der actio widmet. Im Gegensatz zu dem in der rein rhetorischen Lehre zu konstatierenden Rückgang des Interesses an der actio, gewinnt dieser Bereich der Rhetorik für die Anstandsliteratur des 17. Jahrhunderts zusehends an Bedeutung. ALTHUSIUS, der sich bei seinen Ausführungen zur Gestik vor allem auf die Bibel stützt, ist sich der Problematik der Gesten im Vergleich zur
Gebärdensprache vs. Lautsprache Lautsprache durchaus bewusst. So schreibt er den Gesten etwa eine noch größere Flüchtigkeit als der artikulierten Lautsprache zu. Allerdings stellt er die ĺ Natürlichkeit der Gesten in den Vordergrund seiner Argumentation. Während Lautsprache anfällig für Verstellung und Betrug sei (ĺ Missbrauch), seien Gesten unkorrumpierbar und dazu prädestiniert, in der Konversation die Führungsrolle zu übernehmen. Die Vorstellung von der Unkorrumpierbarkeit der Gestensprache prägt auch BONIFACIOs L’arte dei cenni (1616), in der der Gestensprache zudem der Charakter einer ĺ Universalsprache zugeschrieben wird, die von der babylonischen ĺ Sprachverwirrung verschont geblieben sei. Die Bedeutung der Gebärdensprache als expressive Ergänzung der Lautsprache für Rhetorik und Konversation hebt auch DE CRESSOLLES in seinen Vacationes autumnales sive de perfecta oratoris actione et pronunciatione libri III (1620) hervor. Im zweiten Buch behandelt DE CRESSOLLES eingehend Mimik und Gestik, wobei er den Bewegungen der Hände besondere Aufmerksamkeit schenkt. DE CRESSOLLES’ Überlegungen zu den Fingerbewegungen orientieren sich am Vorbild QUINTILIANs. Allerdings sollen Mimik und Gestik nicht allein die Kommunikation gestalten, sondern den Vortrag des Redners unterstützen. Unverkennbar ist jedoch DE CRESSOLLES’ Vorliebe für extraverbale Mittel. Gerade Gestik und Mimik kämen beim Vortrag wie in der Konversation besondere Bedeutung zu, da sie die Sinne des Empfängers unmittelbar ansprechen. Die Bedeutung, die DE CRESSOLLES den Gebärden zumisst, zeigt sich auch darin, dass er die traditionelle Reihenfolge der Rhetoriklehrbücher umkehrt, indem er zunächst im zweiten Buch seiner Vacationes autumnales Hinweise für die Gebärden des Redners und erst danach im sich anschließenden dritten Buch Hinweise für die ĺ Stimme erteilt. Überlegungen zum Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ finden sich auch in den Werken des Rhetoriklehrers WEISE, der eine Reihe protestantischer Schulkomödien verfasste, die er als das geeignetste Mittel zur Einübung der Rhetorik ansah. Mit seiner Wertschätzung der actio steht WEISEs Ansatz
611 im Zeichen eines barocken Zeitalters, dessen absolutistische Orientierung ganz auf Repräsentation und Darstellungskunst ausgerichtet ist. Allerdings erkennt WEISE in der Kodifizierung der Gebärden durch die actio-Lehre der Rhetorik auch Gefahren, auf die er in seiner Ethik, den Ausführlichen Fragen über die Tugend-Lehre (1696) eingeht. So behandelt WEISE eingehend die Möglichkeit der Fehlinterpretation von Gebärden, die rein naturalistisch aufgefasst werden können, weil der Rezipient sie nicht innerhalb der Schemata rhetorischer Kodifizierung begreift. WEISE hält in seiner Rhetorik-Konzeption noch eng am Konzept der Rhetorik als einer erlernbaren und perfektionierbaren ars fest. Mit dem Natürlichkeitsdenken der Aufklärung, wie es etwa von ROUSSEAU vertreten wird, wird die Idee einer Kodifizierung von ĺ Stimme und Gestik innerhalb der elocutio corporis jedoch obsolet. 2.8. Theatralische Darstellungsformen und ihre Theoretisierung Die Auseinandersetzung mit dem Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ führt im Kontext von Reflexionen zum ĺ Ursprung der Sprache zum Postulat eines gestischen Sprachursprungs. Die im Zuge der Sprachentwicklung fortschreitende Perfektionierung von Gesten- und Lautsprache hat nach Auffassung von WARBURTON, CONDILLAC, ROUSSEAU, MONBODDO oder auch BECCARIA Gesten zunächst zu einem Ornament der Lautsprache werden lassen und parallel dazu zur Emanzipation der Gesten zu einem eigenen künstlerischen Ausdruckssystem geführt, das sich etwa in Form der Pantomime oder des Tanzes zu Gattungen der darstellenden Kunst weiterentwickelte. So erscheint das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ im 18. Jahrhundert nicht nur verstärkt in Traktaten zur Sprachgenese (ĺ Ursprung) und Sprachentwicklung bzw. in rhetorischen Traktaten, sondern auch in Reflexionen zu Theorie und Praxis des Theaters, die zu diesem Zeitpunkt im Zeichen des Aufstiegs des bürgerlichen Trauerspiels stehen, wie es z. B. in Deutschland von LESSING und in Frankreich als drame bourgeois von DIDEROT erschaffen wurde. Im 4. Stück seiner Hamburgischen Dramaturgie (1767–1769) behandelt LESSING die Gestik ausführlich und
612 verweist auf die besondere Bedeutung der Händesprache für den künstlerischen Ausdruck und die Wahrhaftigkeit der Darstellung. Allerdings setzt er etwa dem stilisierten Gestenkodex der französischen Tragödie die Forderung nach einem individualisierenden Gestus entgegen. Das stumme Spiel nimmt auch in LESSINGs Bühnenwerken eine zentrale Position ein, wie etwa an seiner Komposition der Hauptfigur Emilia Galotti nachzuvollziehen ist, die nur wenig Text zu sprechen, aber eine Vielfalt gestischer Nuancierungen darzubieten hat. LESSINGs Auffassung von der Bedeutsamkeit der Gebärdensprache für den Schauspieler bildet die Grundlage von ENGELs Ideen zu einer Mimik (1785/1786). Auch ENGEL fordert die Natürlichkeit der Gestensprache des Schauspielers, der mit Hilfe der Gestik innere Seelenzustände entäußern soll. Er geht von der Existenz transkultureller, für alle Menschen gleichermaßen verständlicher Gebärden aus, die eine eindeutige Kommunikation gewährleisten, die die Erschließung des Seelenzustands und der Gefühle eines Schauspielers durch den Rezipienten in natürlicher Weise ermöglichen. ENGELs Konzeption von der Existenz transkultureller Zeichen knüpft eng an aristotelische und pseudo-aristotelische Unterscheidungen an. In diesem Sinne konzipiert er z. B. Langsamkeit als Zeichen der Besonnenheit, Schnelligkeit der Gesten als Zeichen von Freude. Dominant an ENGELs Auffassung der Gebärdensprache im Vergleich zur Lautsprache ist die Vorstellung, dass sie in besonderer Weise geeignet sei, ursprüngliche Gefühle und Seelenzustände nach außen zu transportieren. ENGEL entwirft eine Phänomenologie der Gesten als Ausdruck bestimmter Affekte und Seelenzustände. Für ihn ist die Gebärdensprache ein Mittel der Anthropologie, da sie seiner Meinung nach Kenntnisse vom Wesen des Menschen ermöglicht. Einer ähnlichen Orientierung wie ENGEL folgt NOVERRE in seinen Lettres sur la danse, et sur les ballets (1760). NOVERREs Ausführungen zur Gestik in seinen Briefen über Tanzkunst und Ballet sind weniger von psychologisierenden Interpretationen durchzogen als dies bei ENGEL der Fall ist. Für NOVERRE sind die Gebärden des Tänzers der unmittelbare Spiegel seiner Gefühlswelt; er schreibt
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung den Gebärden, die er mit Blitzen vergleicht, im Gegensatz zur artikulierten Lautsprache die Fähigkeit der direkten authentischen Widerspiegelung menschlicher Leidenschaften zu.
IV.
1. Die rhetorische Tradition in der Antike Die Behandlung des Konzeptes ‘Gebärdensprache vs. Lautsprache’ beginnt bereits in der Antike. So betrachtet etwa PLATON im Kratylos die Gebärdensprache als natürliche Kommunikationsform (ĺ Natürlichkeit), die im Falle physisch defizitären Spracherwerbs (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) auch in Absenz der Lautsprache ein geeignetes Medium zur Mitteilung unserer Gedanken darstellt. In der Antike wird die Gebärdensprache allerdings vor allem im Umfeld der Rhetorik behandelt. Sie dient als eloquentia corporis der Untermauerung der Worte des Redners und wird bei der Behandlung der rhetorices partes traditionell im Rahmen der actio-Lehre zusammen mit dem stimmlichen Vortrag thematisiert (ĺ Stimme). Die Gebärden werden in der rhetorischen Tradition z. T. als natürlicher, unwillkürlicher Ausdruck menschlicher Seelenzustände verstanden (ĺ Natürlichkeit), aber sie erscheinen auch als ein mit Hilfe von Konventionen (ĺ Konvention) kodifizierbares Ausdrucksmittel. Die Konventionalisierung der Gebärdensprache spielt indes nicht nur in der Rhetorik, sondern auch in der Konversationskunst und in der Schauspieltheorie eine wesentliche Rolle. Im allgemeineren Sinne wird unter dem Oberbegriff ‘Gestik’ die Bewegung des gesamten Körpers verstanden, während die Mimik sich auf die Regungen des Gesichts und die Chironomie auf die Bewegungen der Hände beziehen. Bis hin zu CICERO wird die Gebärdensprache des Redners in der Antike kaum thematisiert. ARISTOTELES begnügt sich mit dem Hinweis, man müsse die Gebärden von Schauspielern erlernen; allerdings entziehen sie sich nach seiner Auffassung der theoretischen Kodifizierung durch den Dichter. Für CICERO nimmt die Gebärdensprache des Redners eine ganz wesentliche Funktion für die Unterstützung seiner Worte wahr. Hinsichtlich der gestischen
Gebärdensprache vs. Lautsprache Darstellung verlangt CICERO vom Redner ähnliche Fähigkeiten wie vom Schauspieler, wobei der Redner als moralisch höher stehend eingestuft wird, weil er sich im Gegensatz zum Schauspieler nicht mit der Imitation der Wahrheit zufrieden geben darf, sondern sich auf die Darstellung der Wahrheit selbst verlegen muss. Für CICERO ist die Gebärdensprache im Gegensatz zur Lautsprache eine natürliche, allen verständliche ĺ Universalsprache. Nach seiner Auffassung entsprechen jeder Gemütsregung ein bestimmter Gesichtsausdruck, ein bestimmter Tonfall und eine charakteristische Körperbewegung. Trotz ihrer ĺ Natürlichkeit können Gebärden kodifiziert und gezielt zur Untermauerung der Worte des Redners eingesetzt werden. CICERO legt allerdings Wert darauf, dass der Redner seine Worte nicht wie ein Schauspieler pantomimisch darstellen, sondern Gesten nur sparsam und andeutend im Sinne des aptum verwenden soll. Allerdings soll der Redner seine Extremitäten gezielt einsetzen wie beim Ringkampf, wenn er, um seiner Aussage größeren Nachdruck zu verleihen, den Arm immer weiter ausstreckt oder am Ende der Rede mit dem Fuß aufstampft. Die wichtigste Funktion bei der Verwendung von Gebärden nimmt nach CICERO das Gesicht wahr, das er als Abbild der Seele beschreibt. Ausdrücklich warnt CICERO den Redner vor Grimassen, weil sie der natürlichen direkten Widerspiegelung der Affekte durch das Mienenspiel im Wege stehen. Die Besonderheit des Mienenspiels ist seine Natürlichkeit, die es allen Zuschauern verständlich erscheinen lässt. Dagegen enthalten die Worte des Redners nach CICERO oft geistreiche Pointen, die für ungebildete Zuhörer im Gegensatz zur natürlichen Universalsprache der Gesten unverständlich sind. Neben CICERO verkörpert QUINTILIAN für die Rhetorik bis in die Neuzeit hinein die entscheidende Instanz. Auch QUINTILIAN hebt die Bedeutung der eloquentia corporis, die er im 3. Kapitel des 11. Buches seiner Institutio oratoria behandelt, hervor. Um die gewünschte Wirkung beim Publikum zu erzielen, bedürfen die Worte des Redners der Unterstützung durch Körperhaltung, Mienen- und Gebärdenspiel, welche als unmittelbare Übermittler der Affekte des Redners fungieren und ihrerseits den Zuhörer zu bewegen (movere) vermögen. Die Besonderheit der Gebär-
613 den besteht für QUINTILIAN aber nicht nur in ihrer Funktion als effizientes Subsidiärsystem zur Unterstützung der Rede, sondern in der Möglichkeit, Gebärden als autonomes, bedeutungsübermittelndes Kommunikationssystem einzusetzen. So könnten Gebärden auch ohne Hilfe von Wörtern Bedeutungen (ĺ Bedeutung) vermitteln, wie dies etwa bei den Taubstummen der Fall sei. Selbst Tänze könnten Bedeutungen übermitteln und an bestimmten Körperhaltungen ließe sich die emotionale Befindlichkeit eines Individuums ablesen. Sogar die Tiere verfügten über eine expressive Körpersprache (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). QUINTILIAN schreibt den Gebärden eine zentrale Rolle als Informationsträger zu. Wenn selbst stumme Bilder Affekte hervorrufen können, so vermögen es nach QUINTILIANs Auffassung die Bewegungen der Gebärdensprache umso mehr. Allerdings warnt er vor fehlender Korrespondenz zwischen Worten und Gebärden, da falsche Gebärden die Glaubwürdigkeit mündlicher Aussagen in Frage stellten. Vom Redner verlangt QUINTILIAN die genaue Kontrolle seiner Gebärden, die er in einem Katalog minutiös klassifiziert. So beschreibt er im Einzelnen Gestikulationen mit Armen, Händen und Fingern. QUINTILIAN hebt die Expressivität der Hände hervor, deren gestische Vielfalt nahezu unendlich scheint und bei einer Vielzahl von Aktionen wie etwa Bitten, Versprechen, Drohen, Ablehnen etc. eingesetzt werden kann. 2. Die historischen Entwicklungen bis zum 21. Jahrhundert QUINTILIAN und CICERO werden bis in die Neuzeit hin als Autoritäten zitiert. Allerdings wird das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ im Rahmen der rhetorischen Tradition bis ins 17. Jahrhundert kaum thematisiert, da man noch bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts hauptsächlich an der rhetorischen Praxis, nicht aber an der Vermittlung ihrer Theorie interessiert war und die Behandlung der Gebärdensprache im Rahmen der actio zumeist nur spärlich ausfiel oder ganz weggelassen wurde. Im Laufe des 16. Jahrhunderts finden sich in der aufblühenden Konversationsliteratur eines CASTIGLIONE (Il libro del Cortegiano, 1528), DELLA CASA (Galateo, 1558 postum) oder GUAZZO (La civil conver-
614 satione, 1574) Hinweise auf die Verwendung von Gebärden, die allerdings auch im Zeichen einer allgegenwärtigen Verstellungskunst stehen können (vgl. dazu auch GRACIÁNs Oráculo manual y arte de prudencia, 1647). Die psychologische Erforschung der Gebärdensprache setzt erst im 17. Jahrhundert ein und findet einen ihrer wichtigsten Exponenten in BULWER. Im 17. Jahrhundert gelangt das Konzept ‘Gebärdensprache versus Lautsprache’ zusehends im Kontext der Taubstummenproblematik in den Fokus, die z. B. von BULWER, HOLDER, WALLIS und AMMAN thematisiert und im 18. Jahrhundert durch DIDEROT, DE L’ÉPEE und SICARD weitergeführt wird (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Im 19. Jahrhundert lässt sich die Emanzipation der Gestik von einem reinen Subsidiärsystem der artikulierten Lautsprache hin zu einer autonomen Kunstform, die sich in den darstellenden Künsten wie Schauspiel und Tanz manifestiert, konstatieren. So lehrt etwa August Wilhelm SCHLEGEL in seiner Vorlesung (1801/1802), dass der Tanz genau zwischen den simultanen Künsten (Plastik, Malerei) und den sukzessiven Künsten (Musik, Dichtung) einzuordnen sei und dass er außerdem die ursprünglichste aller Kunstformen darstelle. Mitte des 19. Jahrhunderts wird ENGELs Konzept einer Ausdruckspsychologie wieder aufgegriffen, wie z. B. durch DARWIN in The Expression of the Emotions in Man and Animals (1872). Bei DARWINs Überlegungen zur Mimik steht die Frage im Blickpunkt, ob menschliches nonverbales Verhalten angeboren oder erworben sei. Das Problem ist inzwischen im Sinne einer paritätischen Verteilung zwischen angeborener und erworbener Komponente gelöst worden (vgl. EIBL-EIBESFELDT 1984). Im 20. Jahrhundert betont WITTGENSTEIN die Wichtigkeit der Gebärdensprache in seinen Philosophischen Untersuchungen (1953) im Kontext seiner Gebrauchstheorie der Sprache. So klassifiziert er Gebärden als wesentlich für das Verständnis von Sprachspielen, deren Regeln den Gesprächspartnern zunächst noch unbekannt sind.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung 3. Interdisziplinärität des Konzepts im 20. und 21. Jahrhundert 3.1. Überblick über die jeweiligen Forschungsdisziplinen Im 20. und 21. Jahrhundert hat sich eine große Vielzahl von Disziplinen des Verhältnisses zwischen Gebärdensprache und Lautsprache angenommen. Nonverbale Kommunikation im Vergleich zur verbalen Kommunikation ist zu einem beliebten Forschungsgebiet unterschiedlichster Fachrichtungen geworden, wie z. B. Psychologie, Linguistik, Anthropologie, Ethologie, Neurologie, Soziologie, Rhetorik, Kulturgeschichte, Theaterwissenschaften und Literaturwissenschaften. Dabei umfasst die Beschäftigung mit den nonverbalen Aspekten menschlicher Kommunikation die Teilgebiete Gestik, Kinesik, also das Bewegungsverhalten (vgl. BIRDWHISTELL 1952), Mimik, Blickverhalten, taktile Kommunikation sowie Proxemik als Teilwissenschaft von der nonverbalen Kommunikation im Raum und Chronemik als Teilbereich, der sich dem Verhältnis von nonverbaler Kommunikation und Zeit zuwendet (vgl. NÖTH 2000: 293–322). Die Behandlung nonverbalen Verhaltens impliziert aber auch Aspekte wie individuelle Formen des Körperausdrucks oder der Kleidung (vgl. ARGYLE 1978, KEY 1980). Die Interdisziplinarität von Forschungen zum Verhältnis zwischen Gebärdensprache und Lautsprache resultiert nicht zuletzt aus der Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten nonverbaler Kommunikation. Sie kann als Subsidiärsystem der Unterstützung der Lautsprache dienen; sie kann als autonomes System an die Stelle der Lautsprache treten wie etwa im Fall der Kommunikation zwischen Gehörlosen; sie kann dem Ausdruck von Emotionen und interpersonalen Einstellungen dienen. Ebenso vermag sie es, Informationen über die Person zu vermitteln. Nicht zuletzt findet sie Anwendung im Bereich der Religion und des Kultus, in Werbung oder Politik sowie in den verschiedenen darstellenden Künsten (vgl. ARGYLE 1989: 58). Die Abgrenzung der Untersuchung nonverbalen Verhaltens von anderen verwandten Forschungsgebieten kann nicht immer eindeutig vollzogen werden. So gibt es z. B. enge Be-
Gebärdensprache vs. Lautsprache rührungspunkte mit der Zoosemiotik (vgl. SEBEOK 1968, HINDE 1972), der Theorie der Gebärdensprachen und Sprachsubstituten wie z. B. Trommel- und Pfeifsprachen oder Geheimsprachen. Die Interdisziplinarität des Forschungsgegenstandes ist durch die Geschichte der verschiedenen Beiträge zur Gestik bereits belegt worden (z. B. BULWER, WILKINS, CONDILLAC, DIDEROT, ENGEL, MONBODDO, DARWIN). Gegenwärtig interessiert sich vor allem die Sozialpsychologie für das Verhältnis zwischen nonverbaler und verbaler Interaktion. Zu ihren Forschungsgegenständen gehören Gesten, Kopfbewegungen, Körperbewegungen, Körperhaltung, Gesichtsausdruck, Blickrichtung, Verhalten im Raum, Orientierung, Prosodie, Intonation, Kleidung und Schmuck. Sie befasst sich dabei mit der Encodierung und Decodierung nonverbaler Mitteilungen, der Abgrenzung von körperlichen Symptomen und symbolischer Interaktion, der Spezifik der nonverbalen im Unterschied zur verbalen Kommunikation, den Ursprüngen nonverbaler Interaktion im Zuge der Evolution des Menschen sowie kulturspezifischen Gebärden und Universalien im Bereich der Gestensprache. Wichtige Anregungen bezieht die Sozialpsychologie dabei auch von verwandten Disziplinen wie der Linguistik (vgl. z. B. PIKEs Unified Theory of Human Behaviour, 1967) sowie der Ethologie (vgl. die Arbeiten von LORENZ 1978, EIBL-EIBESFELDT 1970 & VON FRISCH 1965). Für die Erforschung nonverbalen Verhaltens im Vergleich zum verbalen Verhalten spielen insbesondere Analogien zwischen dem nonverbalen Verhalten von Menschen und Affen eine wesentliche Rolle (ĺ Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Diese Analogien betreffen z. B. Gesichtsausdruck, Körperhaltung, Tonfall, Blickrichtung und Veränderung der Gesichtsfarbe. 3.2. Nonverbale Kommunikation und Zoosemiose Gestikulationen und Signalsysteme haben sich im Laufe der Hominisation herausgebildet, um das Überleben der Arten zu gewährleisten. Menschen wie Affen verwenden gestische Signale, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Strukturmerkmale tierischer
615 Kommunikation von der nonverbalen Kommunikation des Menschen unterscheiden (vgl. SEBEOK 1968, HINDE 1972, SEBEOK & UMIKER-SEBEOK 1980, VALSINER / ALLIK 1982, SAVAGE-RUMBAUGH 1986, PREUSCHOFT 1990, AITCHISON 1996). Während viele tierische Signale nur im Rahmen von Reiz-Reaktions-Automatismen ablaufen, steht hinter menschlicher nonverbaler Kommunikation die Absicht, bedeutungstragende Signale an den Empfänger zu übermitteln. Verschiedenste Formen nonverbaler Signale bei Tieren dienen, wie schon MONBODDO in seinen Ausführungen zum Wesen der Gestik im Kontext seiner Sprachursprungshypothese (ĺ Ursprung) gezeigt hat, der Mitteilung von Emotionen und Einstellungen zum Empfänger dieser nonverbalen Signale. Dazu gehört z. B. das affiliative Verhalten zwischen Geschwistern und Freunden etwa in Form der sozialen Fellpflege (grooming). Ein wesentliches Element der Mimik nicht-menschlicher Primaten ist auch das Spielgesicht, mit dem Artgenossen zu gemeinsamen Spielen aufgefordert werden, welche aus langen imitatorisch strukturierten Interaktionssequenzen bestehen. Auch Gesten der Unterwerfung, Beschwichtigung und Bedrohung ebenso wie Signale zu Angriff und Flucht stellen wesentliche Elemente tierischer nonverbaler Kommunikation dar (ĺ Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Während die hohe Position ihres Larynx Affen die Erzeugung lautsprachlicher Zeichen nicht gestattet, bildet die Abwärtswanderung des Kehlkopfes im Zuge der Hominisation beim Menschen die Grundvoraussetzung für die Produktion artikulierter Laute (vgl. LENNEBERG 1967, LIEBERMAN 1972, AITCHISON 1996). Zwar können Primaten wie Schimpansen und Gorillas einen passiven Wortschatz von 60–100 Wörtern erwerben, aber die Fähigkeit zur eigenen lexikalischen Produktion reicht über ein Vokabular von vier Wörtern nicht hinaus (KELLOG & KELLOGG [1933] 1967). Die offenkundige Beschränkung der Fähigkeit zur ĺ Artikulation im Zusammenhang mit einer deutlich erkennbaren nonverbalen Intelligenz führte zu einer Reihe von Versuchen mit Menschenaffen ( vgl. KELLOGG & KELLOGG [1933] 1967, GARDNER & GARDNER 1969, PREMACK 1976, SAVAGERUMBAUGH 1986), die den Nachweis einer
616 beachtlichen symbolischen Kompetenz von Menschenaffen erbrachte. So erlernte etwa das Schimpansen-Weibchen Washoe im Experiment von GARDNER und GARDNER (1969) ca. 90 Zeichen der amerikanischen Taubstummensprache. In diesem Experiment wurde nachgewiesen, dass Schimpansen in gewissem Maße auch kreative Generalisierungen und Abstraktionen im Rahmen eines Wortschatzes von ca. 1000 Lexemen hervorzubringen vermögen. Die Fähigkeit, grammatikalische von nicht-grammatikalischen Sätzen zu unterscheiden, entwickelte sich allerdings nicht (ĺ Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Im Gesamtergebnis haben die Experimente mit Menschenaffen gezeigt, dass erhebliche Unterschiede zwischen der Fähigkeit der symbolischen Kommunikation bei nichtmenschlichen Primaten und Menschen bestehen. Systeme tierischer nonverbaler Kommunikation verfügen nach Auffassung von HOCKETT nicht über wesentliche Strukturmerkmale menschlicher Sprache, zu denen er etwa die ĺ Arbitrarität sprachlicher Zeichen, die Fähigkeit der Bezugnahme auf zeitlich oder räumlich Entferntes sowie das Vermögen, metasprachliche Reflexionen anzustellen, zählt (vgl. HOCKETT 1977). Im Gegensatz zu HOCKETT hält CHOMSKY (1968) Sprachlichkeit nicht für ein graduelles Phänomen, sondern postuliert, dass menschliche Lautsprache aufgrund ihrer komplexen grammatischen Struktur von jeder tierischen nonverbalen Kommunikationsform von Grund auf verschieden sein müsse. Untersuchungen zur Tanzsprache der Bienen (VON FRISCH 1965) und die Versuchsreihen zu Menschenaffen haben jedoch gezeigt, dass im Rahmen tierischer nonverbaler Kommunikation durchaus willkürliche Zeichen verwendet, Bezüge zu zeitlich und räumlich abwesenden Gegenständen hergestellt und Signale miteinander kombiniert werden (ĺ Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). 3.3. Universalien und Relativität nonverbaler Kommunikation Die Perfektionierung und Verfeinerung nonverbaler Kommunikation im Laufe der Hominisation hat zur Entstehung von Formen der Mimik und Gestik beim Menschen geführt, welche eng mit gewissen nonverbalen Ver-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung haltensweisen von Primaten (wie z. B. bestimmten Formen der Ritualisierung) verwandt sind (ĺ Menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Im nonverbalen Verhalten des Menschen lassen sich bei vielen Aspekten Ähnlichkeiten in allen Kulturen feststellen, so dass z. B. im Bereich des Gefühlsausdrucks trotz der kulturspezifisch unterschiedlichen Ausprägungen gestischen Verhaltens (EFRON 1941, BIRDWHISTELL 1970, LA BARRE 1972) von gemeinsamen anthropologischen Grundlagen auszugehen ist, die als gestische Universalien klassifizierbar sind (vgl. GOFFMAN 1963, EKMAN / FRIESEN / ELLSWORTH 1972 und EKMAN 1988, EIBL-EIBESFELDT 1970, MELBIN 1972, MORRIS et al. 1979, ARGYLE 1989). So nehmen EKMAN & FRIESEN (1969) an, dass zwar eine gewisse Varianz konventioneller Gesten (ĺ Konvention) bei verschiedenen Kulturen festzustellen sei, aber andererseits gäbe es wahrscheinlich kulturell universale Zeichen für körperliche Funktionen wie Gehen, Schlafen, Essen etc. (vgl. auch EKMAN 1988) (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Als wichtiges Klassifizierungsschema für Gesten hat sich vor allem die Einteilung von EKMAN und FRIESEN 1969 bewährt. Diese unterscheiden Embleme, die eine direkte lexikalische Bedeutung haben, von Illustratoren, welche als sprachbegleitende Gesten zur Hervorhebung der Rede dienen. Daneben gibt es redebegleitende Gesten, die als Regulatoren klassifiziert werden, weil sie die verbale Interaktion zwischen den Gesprächspartnern lenken. Schließlich werden Affektäußerungen zumeist mimischer Art, die der Kommunikation von Emotionen dienen, angeführt. Außerdem wird die Gruppe der Körpermanipulatoren genannt. Hierbei handelt es sich um autokommunikative Handlungen, die unbewusst ablaufen und oft die Nervosität des Sprechers zum Ausdruck bringen (z. B. Kauen am Bleistift). Im Gegensatz zu den Universalien menschlicher nonverbaler Kommunikation stehen teilweise beträchtliche Divergenzen innerhalb verschiedener Kulturen, die z. B. bei symbolischen Gesten auftreten (EIBL-EIBESFELDT 1967 & 1970, COLLETT 1972, HINDE 1972; ĺ Universalität und Verschiedenheit). Allerdings stehen Untersuchungen zu emblemati-
Gebärdensprache vs. Lautsprache schen Gesten (EKMAN & FRIESEN 1969: 63), die eine direkte lexikalische Bedeutung tragen, noch am Anfang. Verfügbar sind z. T. ältere Studien über die Gestik in Italien (KENDON 1995), Spanien (FLACHSKAMPF 1938) oder Frankreich (BRAULT 1962). Neuere Studien von MCNEILL (2005) zeigen, dass verschiedene Sprachen unterschiedliche Verteilungen von Bedeutungsinhalten (ĺ Bedeutung) auf Sprache und Gesten vornehmen. Dies lasse sich bei der Bildung von Weg-Informationseinheiten aus Sprache und Gestik feststellen. So verbände sich in romanischen Sprachen ein Gestenschlag, der den Weg anzeigt, eher mit der Handlung selbst. In germanischen Sprachen setze die Gestik der Hände dagegen ein, wenn der Ort der Handlung beschrieben werde. Während ethologische Untersuchungen vor allem an der Universalität und ĺ Natürlichkeit von Gesten interessiert sind, orientieren sich kulturanthropologische Studien bevorzugt an der ĺ Arbitrarität der Gesten, ihrer Kulturabhängigkeit und relativen Verschiedenheit (vgl. ARGYLE 1969 & 1989). 3.4. Spracherwerb und neurophysiologische Forschungsergebnisse Die Verwendung von Gesten kann als ein wichtiges Stadium in der Evolution des Menschen angesehen werden. Dies betrifft nicht nur die phylogenetische Entwicklung der gesamten Spezies Mensch, sondern auch die ontogenetische Entwicklung des Individuums, da es Ansatzpunkte für die Annahme gibt, dass der kindliche ĺ Spracherwerb mit der Verwendung von Gestik in engem Zusammenhang steht. So geht etwa MCNEILL (MCNEILL 2005) davon aus, dass es für den Prozess der Lautsprach- und Gestenproduktion eine gemeinsame geistige Ausgangsbasis gibt. Diese Ausgangsbasis setze sich aus vorsprachlichen Symbolen und Bildvorstellungen zusammen. Die Existenz eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Produktion von Lautsprache und Gestik belegen auch neurologische Befunde, die eine Korrelation zwischen Lautsprache und Gestik anhand von Untersuchungen an Aphasikern nachweisen (KELLY / KRAVITZ / HOPKINS (2004)). So führen Hirnschädigungen bei Aphasikern nicht nur zu Beeinträchtigungen des Sprachvermögens, sondern ebenfalls zu
617 Beeinträchtigungen der sprachbegleitenden Gestik. Die sprachbegleitende (koverbale) Gestik wird von den gleichen Hirnarealen gesteuert wie die Lautsprache. Dies zeigt sich im Kommunikationsvorgang an der Tatsache, dass auch der Empfänger die Körpersprache des Senders gleich mit interpretiert (KELLY / KRAVITZ / HOPKINS (2004)). Den Zusammenhang zwischen Lateralität und der Koordination von Lautsprache und koverbaler Gestik haben MCNEILL und PEDELTY (1995) untersucht. Sie fassen Gestik als einen Teil der Sprache auf, ohne sie mit Sprache an sich gleichzusetzen. Sprachbegleitende Gestik verfügt nur über eine schwach ausgeprägte ĺ Syntax und über keine Standards von Wohlgeformtheit, die nach CHOMSKY zu den entscheidenden Kriterien der Lautsprache gehört. Sprachbegleitende Gesten sind für MCNEILL und PEDELTY eine Form des Symbolismus, der synchron zur Lautsprache abläuft. Ihrer Meinung nach lässt sich Lautsprache, wenn sie von Gesten begleitet wird, nicht mehr als rein lineare Aneinanderreihung von Segmenten beschreiben (ĺ Linearität), sondern auch als ein bildhaftes, spontanes, nicht-lineares und holistisches Phänomen. Vielmehr sei von der Koexistenz einer linearsegmentalen linguistischen Komponente mit einer bildhaften, holistischen, räumlichen Komponente beim synchronen Auftreten von Lautsprache und Gestik im Kommunikationsakt auszugehen. Lautsprache als ein an der Zeitebene orientiertes Phänomen koinzidiert mit der Gestensprache, die als primär räumlich orientierte Kommunikationsebene beschrieben werden kann. Interessante Aufschlüsse über das Ineinandergreifen von Lautsprache und Gestensprache liefern für MCNEILL und PEDELTY Studien, die an Patienten mit einseitiger – entweder links- oder rechtsseitiger – Hirnschädigung vorgenommen wurden. So untersuchten MCNEILL und PEDELTY die Fähigkeit von einseitig Hirngeschädigten, Geschichten zu erzählen, da narrative Diskurse aufgrund der gerade bei diesen Texten vorliegenden Notwendigkeit der Kooperation beider Hirnhälften besondere Aufschlüsse über das Verhältnis zwischen Lautsprache und Gestik versprechen. Während traditionell die linke Hemisphäre als dominante Hälfte der Sprache und als
618 rational-analytische Hirnhälfte beschrieben wurde, gilt die rechte Hemisphäre als die Domäne des holistischen, emotionalen und bildhaften Denkens. Nach Meinung von MCNEILL und PEDELTY spielt insbesondere die rechte Hirnhälfte, die für die Sprachproduktion weniger dominant ist, eine wichtige Rolle beim Erzählen. Diese Rolle wird verstärkt, wenn man das gestische Element berücksichtigt. Gerade der Erzählvorgang liefert wichtige Einblicke in das Zusammenspiel von Lautsprache und Gestik, weil er die Verbindung einer Geschichte als linearer Sequenz von Ereignissen mit ikonischen und referentiellen Gesten des Sprechers, die auf die Geschichte selbst verweisen, darstellt. Gesten sind gerade für den narrativen Diskurs unverzichtbar, weil sie kontinuierlich zur Herstellung räumlicher Differenzierungen und Relationen beitragen, die strukturierend auf die Rede wirken. In ihrer Fähigkeit, räumliche Strukturen zu generieren, ähneln Gesten den Gebärdensprachen Gehörloser (vgl. KLIMA & BELLUGI 1979). Hirnverletzungen führen zur Entstehung von Aphasien, die nach MCNEILL und PEDELTY dramatische Folgen sowohl für Sprache als auch Gestik nach sich ziehen. Patienten, deren rechte Hirnhälfte geschädigt ist, weisen große Probleme in der Gestaltung von Erzählungen ebenso wie beim Verstehen von Witzen oder Metaphern (ĺ Metapher) auf. Gleichzeitig weisen sie Defizite im Bereich der visuell-spatialen Kognition auf wie z. B. die Unfähigkeit, komplexe räumliche Konfigurationen zu erkennen und sich räumlich zu orientieren. Ebenso wie es ihnen nicht möglich ist, Geschichten lautsprachlich kohärent darzustellen, versagen sie bei dem Bemühen, eine kohärente Kette von Gesten herzustellen. Die Erkenntnisse der neurologischen Forschung legen nahe, dass Lautsprache und Gestensprache zwei Systeme sind, die bereits zu Beginn des Spracherwerbs (ĺ Spracherwerb) in der Ontogenese miteinander kooperieren und eng miteinander verzahnt sind. 3.5. Aktuelle Ansätze zur Begründung eines gestischen Sprachursprungs Auch für die phylogenetische Entwicklung der menschlichen Spezies ist die Verwendung von Gestik als Kommunikationsmittel von
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung großer Bedeutung. Für die Evolution des Menschen waren vor allem Gesten der Hände wichtig (vgl. LEROI-GOURHAN 1964/1965), die mit der Entwicklung zum homo erectus möglich wurden, jenem Vorfahren des homo sapiens, der vor ca. 1,5 Millionen Jahren lebte und durch den aufrechten Gang und den Gebrauch von Werkzeugen gekennzeichnet ist. Den Primat der Gestensprache bei der Entstehung menschlicher Sprache (ĺ Ursprung) begründet auch MARSHACK (1976) mit der Erfindung von Werkzeugen, welche zudem die Entstehung des abstrakten Graphismus der Höhlenmalereien des oberen Paläolithikums ermöglicht habe, der den Beginn darstellerischer Symbolik markiert (vgl. dazu auch ANATI 1988). Der Graphismus als äußere Symbolisierungsleistung entspringt den neurophysiologischen Rahmenbedingungen der Lateralisierung. Ausgangsbasis ist ein beidhändiges Hantieren, das vom Hand-Auge-System gesteuert wird. Bei der Entstehung des parietalen Graphismus der Höhlenmalerei fließen die Progression von Lateralität, Feinmotorik und innerer Symbolisierungsfähigkeit miteinander ein und manifestieren sich als Handwerk. MARSHACK stellt eine Analogie zwischen der Konstruktion von Vorformen der ĺ Schrift, die im parietalen Graphismus der Höhlenmalerei auftreten und der Konstruktion der gesprochenen Sprache her, die als linkshemisphärisch gesteuert gilt. Die Kommunikation scheint zu Beginn der Menschheitsgeschichte jedoch nicht wie heute linkshemisphärisch, sondern rechtshemisphärisch gesteuert gewesen zu sein, da sie im Kontext räumlicher, mit Hilfe der Hände erfolgter Orientierung entstand. Die Räumlichkeit erster symbolischer Sprachansätze des parietalen Graphismus dient MARSHACK zum Beleg einer dominant rechtshemisphärisch und ikonisch geprägten Kommunikationsform, die die Ursprünge menschlicher Sprache in der Gestensprache lokalisiert. Nach Auffassung von MARSHACK und HEWES hat der frühe gestische Symbolismus erst die Grundlage für die Entstehung spezifischer Lautsprachen geschaffen. Ähnlich wie CONDILLAC nehmen sie an, dass sich die Gestensprache der Hände allmählich verfeinert und der vokalen ĺ Artikulation als Modell gedient habe. Laute hätten zuerst als
Gebärdensprache vs. Lautsprache Gebärden der ĺ Stimme, als vokale Gesten (vgl. auch MEAD 1934), fungiert, die analog zu den Lauten der Primaten nur der Übermittlung von Emotionen gedient hätten (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Laute hätten sich zum System der Gebärden hinzugesellt und äußerungsbegleitend z. B. im Sinne von Affirmation und Negation gewirkt. Aus dieser kommentierenden Funktion seien sie langsam in die Rolle nicht-ikonischer Sprachsymbole übergewechselt. Die Ersetzung der Gebärdensprache durch die Lautsprache hat nach MARSHACK zunächst den lexikalischen Bereich betroffen, wohingegen die syntaktische Struktur (ĺ Syntax) noch durch die Sequenz der Gebärden symbolisiert wurde. Erst in einem dritten Stadium habe die Lautsprache dann auch die syntaktische Strukturierung übernommen. Das von CONDILLAC, ROUSSEAU oder DIDEROT vertretene Postulat eines gestischen Ursprungs (ĺ Ursprung) der Sprache ist selbst in der aktuellen Forschung noch gegenwärtig. So vertritt etwa HEWES (1978, 1992, 1996) die Ansicht, dass die Sprache der Urmenschen eine Gebärdensprache gewesen sei. Als Begründung seiner Theorie beruft sich HEWES darauf, dass auch Menschenaffen als direkte Vorfahren von homo sapiens nonverbal kommunizieren (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Die gestische Kommunikation sei im Laufe der Sprachentwicklung in Vokalisierungen übertragen worden, aber die Gebärdensprache sei als nonverbales Relikt und sprachbegleitendes Phänomen weiter beibehalten worden. Der Übergang von der Gestensprache des Ursprungs zu Vokalisierungen lasse sich mit der Entstehung des Werkzeuggebrauchs und der Imitation von Handbewegungen beim Werkzeuggebrauch durch bestimmte Mundbewegungen erklären. Die Annahme eines gestischen Sprachursprungs (ĺ Ursprung) vertreten z. B. auch VALSINER & ALLIK (1982). Sie befürworten ebenfalls die evolutionistisch orientierte Theorie, dass die Hominiden durch den Übergang von visueller zu auditiver Kommunikation bessere Überlebenschancen gehabt hätten, weil sie mit der artikulierten Lautsprache auch ohne Sichtkontakt bei Nacht kommunizieren konnten. Damit wird ein Argument wiederaufgegriffen, das schon ROUSSEAU als Be-
619 gründung für den Übergang von der Gestik zur Lautsprache angeführt hatte. Gegen HEWES’ Theorie eines gestischen Ursprungs der Sprache (ĺ Ursprung) wendet sich BATESON (1968: 614). BATESON vertritt die Ansicht, dass die Lautsprache, wenn sie evolutionsgeschichtlich die Nachfolgerin der Gestensprache gewesen wäre, diese hätte verdrängen müssen. Es hätte dann zu einem Verfall der Gestensprache kommen müssen. Da sich die nonverbale Kommunikation stattdessen weiter perfektioniert habe, sei von einer parallelen Entwicklung von Laut- und Gestensprache auszugehen. Die Parallelität der Entwicklung von Gesten- und Lautsprache nimmt auch DEACON (1997) an. Anstelle eines Übergangs von der Gestensprache zur Lautsprache habe es eine parallele Entwicklung beider Kommunikationsformen gegeben, die in einem komplexen Verhältnis der Interrelation gestanden hätten. Die Annahme einer Parallelität der Entwicklung von Gesten- und Lautsprache wird auch durch Korrelationen zwischen verbaler Kompetenz und der Frequenz des Gebrauchs sprachbegleitender Gesten belegt. So seien Gesten eher als subsidiäres, die artikulierte Lautsprache unterstützendes System zu beurteilen, da größere verbale Fähigkeiten auch mit einer größeren Frequenz des Gestengebrauchs einhergingen (vgl. BAXTER, WINTER und HAMMER 1968). Für die Behandlung des Konzepts ‘Gebärdensprache vs. Lautsprache’ sind ideologische Orientierungen, die bald die Bevorzugung der Gebärden-, bald der Lautsprache nach sich zogen, im Verlaufe der Geschichte immer wieder prägend gewesen. Besonders deutlich lassen sie sich anhand der Entwicklung der Gehörlosenpädagogik mit ihrer Opposition zwischen Oralisten und Gesturalisten (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)) nachzeichnen. Befürworter der Gestensprache konnten sich auf CONDILLAC, ROUSSEAU und DIDEROT berufen, welche die Gebärdensprache mit dem Attribut größerer Ursprünglichkeit im Vergleich zur Lautsprache belehnt und ihr sogar eine Schlüsselrolle für die Entstehung darstellerischer Kunstformen zugeschrieben hatten. Aufgrund ihrer Expressivität habe die Gestensprache die Mög-
620 lichkeiten der artikulierten Lautsprache in der darstellenden Kunst übertroffen. Die schon bei CONDILLAC, ROUSSEAU und DIDEROT hervorgehobene vorgebliche größere Ursprünglichkeit nonverbaler Kommunikation im Vergleich zur Lautsprache wird auch in der modernen Forschungsliteratur herausgestellt (ARGYLE 1989, LIST & LIST 1990). CONDILLAC, DIDEROT und ROUSSEAU behandeln in ihren Sprachursprungshypothesen (ĺ Ursprung) allesamt den Zusammenhang zwischen gestischen Darstellungsformen und der Entstehung der Künste. Dieser Auffassung schließt sich auch LANGER (1942) an, die ebenfalls die nonverbale Kommunikation aufgrund ihrer größeren Ursprünglichkeit zum Ausdruck des Unaussprechlichen und Numinosen für besonders geeignet hält. LANGER geht davon aus, dass die Gebärdensprache im Vergleich zur Lautsprache den Schlüssel zum Verständnis von Musik, Mythen und Riten liefert. Allerdings ist für diese stilisierte und ritualisierte Form des Gestengebrauchs zu berücksichtigen, dass sie sich von den Gesten der Alltagskommunikation unterscheidet. Der Unterschied besteht vor allem in der phatischen Funktion dieser rituellen und konventionalisierten Gesten, die vor allem der Herstellung sozialer Beziehungen, der Kontaktaufnahme und Aufrechterhaltung des Kontaktes dienen. Wachsende Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfährt die nonverbale Kommunikation im Verhältnis zur verbalen nicht zuletzt in der Medientheorie (vgl. MCLUHAN 2001), die die Bedeutung nonverbalen Verhaltens in Film und Fernsehen hervorhebt. 3.6. Zum Verhältnis von Laut- und Gebärdensprache in der linguistischen Forschung Die Notwendigkeit einer intensiven Beschäftigung mit der Relation zwischen Gebärdensprache und Lautsprache in der aktuellen Gegenwart zeigt nicht zuletzt das wachsende Interesse des linguistischen Wissenschaftsdiskurses an der Konversationsanalyse, die sich in den letzten Jahren zusehends dem als problematisch empfundenen Aspekt der nonverbalen Kommunikation zugewandt hat (vgl. SCHÖNHERR 1997, SAGER 2001, KÜHN 2002, BRINKER / SAGER 2006). Innerhalb der Lin-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung guistik hat die Beschäftigung mit nonverbalem Verhalten allerdings noch nicht die ihr gebührende Anerkennung gefunden. Dies hängt sicherlich auch mit der von SAUSSURE apologetisch vertretenen Auffassung von der Identität der Sprache mit gesprochener, artikulierter Lautsprache, ihrer Bevorzugung innerhalb der semiotischen Systeme und der damit einhergehenden Unterprivilegierung anderer Zeichensysteme zusammen. Innerhalb seines Projekts einer Semiologie, zu deren Zuständigkeitsbereich SAUSSURE ausdrücklich auch die Gebärdensprache zählt, weist er der artikulierten Lautsprache eine Modellfunktion im Verhältnis zu den anderen semiotischen Systemen zu. Damit hat er einer Sprachwissenschaft, in der die nonverbale Kommunikation als Forschungsgegenstand um ihre Dignität ringen muss, den Boden bereitet.
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Etymologie I. Lat. etimologia, derivatio; dt. Etymologie, Derivation; engl. etymology, derivation; frz. étymologie; span. etimologia, ital. etimologia, russ. ɗɬɢɦɨɥɨɝiɹ. Unter Etymologie (griech. ȑIJȣȝȠȢ ‘wahr’; ȜȩȖȠȢ ‘Wort’) versteht man die Herkunft eines Wortes oder die Wissenschaftsdisziplin, die sich mit der Erforschung dieses Gegenstands und seiner Regeln befasst. Etymologie wurde betrieben, um Wörter auf frühere Sprachformen zurückzuführen oder auch um ĺ Analogie in einer Sprache festzustellen. Mitunter ging es auch bereits um die Verwandtschaft mit Wörtern gleichen Ursprungs in anderen Sprachen. Der Erkenntniswert von Etymologien wurde zunächst sehr hoch be-
wertet, insofern man die Rückführung auf die Ursprünge als Finden des wahren Wortes oder der richtigen ĺ Bedeutung deutete. Nach Zweifeln an der Realisierbarkeit dieses Unterfangens treten schließlich andere Funktionen der Etymologie in den Vordergrund. Sie wird zu einem Hilfsmittel für die Erforschung der Geschichte der Völker und wird auch im Sprachvergleich benutzt. Etymologen spürten die Hintergründe der Beziehungen und die inhaltlichen Zusammenhänge lautlich verwandter Wörter auf. Sie bedienten sich dabei der Analyse der Endungen, Stammbildemittel, Suffixe und Wurzeln und trugen damit auch zum Verständnis von Wortbildungsprozessen bei (ĺ Wortbildung). Auf-
626 grund fehlender Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten der Lautentwicklung blieben ihre Überlegungen zum lautlichen Bereich oft spekulativ. Zum Handwerkszeug des Etymologen gehörte jedoch bereits der Vergleich verschiedener Sprachen.
II. (SANCTIUS 1587: 6–6b): Sed ut hoc in caeteris idiomatis asseverare non possum, ita mihi facile persuaserim in omni idiomate cuiuslibet nomenclaturae reddi posse rationem. Quae sin in multis est obscura non tamen propterae non investiganda. Multa latuerunt Philosophos, quae Plato eruit in lucem: multa post enim invenit Aristoteles: multa ignoravit ille, quae nunc sunt passim obvia. Latet enim veritas: sed nihil pretiosius veritate. Sed dices, quî potest fieri, ut vera sit nominis etymologia, si una eademque; res variis nominib. per orbem terrarum appellatur? dico eiusdem rei diversas esse causas, quarum illi hanc, nos aliam contemplamur. (GUICHARD 1610: [Titel]): L’Harmonie étymologique des langues. En laquelle par plusieurs Antiquitez & Etymologies de toute sorte, se demonstre euidemment que toutes les langues sont descendues de l’Hebraïque. (GUICHARD 1610: IV): Si bien que nous tenons, quelque langage qui ait esté depuis formé de l’un de ceux cy, ou de plusieurs ensemble, que de icelui la seule langue Hebraique en doit estre estimee l’origine. Et que si tant de langues ont esté fait [sic!]de telle sorte qu’il ne soit resté en elles quel que vestige de ceste corruption, par le moyen duquel on peust retourner iusques à la première origine d’icelles: Où toute la difficulté gist à pouuoir reconnoistre tels vestiges, & les certaines marques de cette corruption. (MINSHEU 1617: [Untertitel]): With their agreement and consent one with another, as also their etymologies, that is, the reasons and Derivations of all or the most part of words, in these eleuen Languages. (CLAVIER 1618: 3): Qu’est-ce que l’Etymologie? C’est la vraie, & originelle Signification des mots, comme Homo vient de Humus qui signifie terre, parce que l’homme est de terre. (MÉNAGE 1650: III): AV changé en O. Lat. cauda, coda, cautes, cotes.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung (MÉNAGE 1650: XIII): Osté deuant une voyelle. Ital. magister, maestro. Esp. magis, mas. Franç. Magister, maistre. magis, mais. flagellum, fleau. (MÉNAGE 1650: 70): AVEC. Ce mot n’a aucune conformité auec tous ceux dont les autres langues se servent pour dire la mesme chose, & l’étymologie en est fort difficile. On disoit anciennement au pour auec, & les Gascons disent encore apresent ab. Ab lou iou, auec le jour, dab iou, auec moi. M. Guyet estime que ce mot au a esté fait du latin ab qui se trouue dans Plaute à peu près en cette signification, & croit que de au on a fait ensuite aue & puis auec pour euiter la rencontre des voyelles. (LABBÉ 1661: 1): Les ETYMOLOGIES des mots françois, Contre l’abus des Hellenistes de ce temps: Qui tirent & font venir de Grece les mots que nos ancestres ont pris du Latin, de l’Alemand, & autres langues voisines qu’ils ont formez & inuentez sur la conuenance du son & autres circonstances. (Dictionnaire de l’Académie française: Artikel Etymologie, 1694): ETYMOLOGIE. s. f. Origine d’un mot, La maniere dont un mot a esté formé, soit d’un seul ou de plusieurs autres. Veritable, fausse etymologie. (LEIBNIZ [1697] 1908: 339): 41. Was auch ein wohl ausgearbeitetes Glossarium Etymologicum oder Sprach-Quell vor schöne Dinge in sich halten würde, wo nicht zum menschlichen Gebrauch, doch zur Zierde und Ruhm unserer Nation und Erklärung des Alterthums und der Historien, ist nicht zusagen; Wenn nemlich Leute wie Schottel, Prasch oder Morhoff bey uns, oder wie Menage bey den Frantzosen, und eben dieser mit dem Ferrari bey den Welschen, Spelmann in England, Worm oder Verhel bei den Nordländern sich darüber machten. (LEIBNIZ [1697] 1908: 340): 47. Welches umb so viel mehr erinnern müssen, damit desto deutlicher erscheine, wie ein grosses an einem Teutschen Glossario Ethymologico gelegen; immassen mir bewust und aus Briefen an mich selbst kund worden, dass hochgelehrte Leute anderer Nationen sehr darnach wündschen und wohl erkennen, was ihnen selbst zu Erleuchtung ihrer Alterthümer daran gelegen; und dass nicht wohl andere als der Teutschen Sprache im Grund Erfahrne, also
Etymologie weder Engländer noch Frantzosen, wie gelehrt sie auch seyn, damit zurechte kommen mögen. – (341): 49. Zum Exempel, wenn man fraget, was Welt im Teutschen sagen wolle, so muss man betrachten, dass die Vorfahren gesaget Werelt, wie sichs noch in alten Büchern und Liedern findet, daraus erscheinet, dass es nichts anders sey als Umkreiss der Erden oder Orbis terrarum. Denn Wirren, Werre, (Wire bey den Engländern, Gyrus bey den Griechen,) bedeutet was in die Runde herum sich ziehet. Und scheinet die Wurtzel stecke im teutschen Buchstaben W, der eine Bewegung mit sich bringet, so ab- und zugehet, auch wohl umgehet, als bey wehen, Wind, Waage, Wogen, Wellen, Wheel, oder Rad. Daher auch nicht nur Wirbel, Gewerrel, oder Querl auch wohl Quern, (so im alt Teutsch eine Mühle bedeutet, wie an Quernhameln abzunehmen), sondern auch bewegen, winden, wenden, das Frantzösische vis (als: vis sans fin) auch Welle, Waltze, das Lateinische volvo und verto, vortex, ja der Name der Walen, Wallonen oder Herumwallenden (das ist der Gallier oder Frembden), Wild (das ist frembd, davon wildfrembd, Wildfangs-Recht etc.), von diesem aber Wald und anderes mehr entstanden. Doch will man mit denen nicht streiten, die das Wort Wereld, von währen oder dauren herführen, und darunter seculum (vor alters: ew) verstehen. Weil diese Dinge ohne gnugsame Untersuchung, zu keiner völligen Gewissheit zu bringen, und die alten Teutschen Bücher den Ausschlag geben müssen. (LEIBNIZ [1698] 1884–1885: 27): Il n’y a rien de si ridicule que de vouloir expliquer par des compositions de nos mots les noms propres des lieux et des personnes des anciennes Hébreux, Grecs, Latins et autres peuples. Je ne me fie presque aux Etymologies regulierement que lors qu’elles vont de langue en langue suivant le voisinage de la situation, et non per saltum. (LEIBNIZ [1765] 1930ff.: III, II, § 1, 285) Et les langues en general estant les plus anciens monumens des peuples, avant l’ecriture et les arts, en marquent le mieux l’origine […]. C’est pourquoy les Etymologies bien entendues seroient curieuses et de consequence, mais il faut joindre des langues de plusieurs peuples, et ne point faire trop de sauts d’une
627 nation à une autre fort eloignée, sans en avoir des bonnes verifications, où il sert sur tout d’avoir les peuples entre deux pour garans. Et en general l’on ne doit donner quelque creance aux etymologies que lors qu’il y a quantité d’indices concourans: autrement c’est Goropiser. (VICO [1744] 1992: Idea dell’opera, 17): Giace la tavola molto dapresso all’aratro e lontana assai dal timone, per significare l’origine delle lingue natie, le quali si formarono prima ciascuna nelle propie lor terre, ove finalmente si ritruovarono a sorte, fermati dal loro divagamento ferino, gli autori delle nazioni, che si erano, come sopra si è detto, sparsi e dispersi per la gran selva della terra; con le quali lingue natie, lunga età dopo, si mescolarono le lingue orientali o egiziache o greche, con la trasmigrazione de’ popoli fatta nelle marine del Mediterraneo e dell’Oceano che si è sopra accennata. E qui si danno altri princìpi d’etimologia (e se ne fanno spessissimi saggi per tutta l’opera), per gli quali si distinguono l’origini delle voci natie da quelle che sono d’origini indubitate straniere, con tal importante diversità: che l’etimologie delle lingue natie sieno istorie di cose significate da esse voci su quest’ordine naturale d’idee, che prima furono le selve, poi i campi colti e i tuguri, appresso le picciole case e le ville, […]. (VICO [1744] 1992: Sezione seconda: Degli elementi, LXIII, 100): La mente umana è inchinata naturalmente co’ sensi a vedersi fuori nel corpo, e con molta difficultà per mezzo della riflessione ad intendere se medesima. Questa degnità ne dà l’universal principio d’etimologia in tutte le lingue, nelle qual’i vocaboli sono trasportati da’ corpi e dalle propietà de’ corpi a significare le cose della mente e dell’animo. (VICO [1744] 1992: Sezione seconda: Degli elementi, LXV, 100–101): L’ordine delle cose umane procedette: che prima furono le selve, dopo i tuguri, quindi i villaggi, appresso le città, finalmente l’accademie. Questa degnità è un gran principio d’etimologia: che secondo questa serie di cose umane si debbano narrare le storie delle voci delle lingue natie, come osserviamo nella lingua latina quasi tutto il corpo delle sue voci aver origini selvagge e contadinesche. Come, per cagion d’esemplo, “lex”, che dapprima do-
628 vett’essere “raccolta di ghiande”, da cui crediamo detta “ilex”, quasi “illex”, l’elce (come certamente “aquilex” è ‘l raccoglitore dell’acque), perché l’elce produce la ghianda, alla quale s’uniscono i porci. Dappoi “lex” fu “raccolta di legumi”, dalla quale questi furon detti “legumina”. Appresso, nel tempo che le lettere volgari non si eran ancor truovate con le quali fussero scritte le leggi, per necessità di natura civile “lex” dovett’essere “raccolta di cittadini”, o sia il pubblico parlamento; onde la presenza del popolo era la legge che solennizzava i testamenti che si facevano “calatis comitiis”. Finalmente il raccoglier lettere e farne com’un fascio in ciascuna parola fu detto “legere”. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprachkunst (allgemeine), 1744: XXXIX, 458–459): Die Sorge, Worte an Sachen zu binden, ist bey den Europäern eher als Worte zu schreiben; denn die Schrifft ist ein Zeichen eines Zeichens oder eines Wortes, und also der Natur nach später als das Wort: Daher muß man eher von der Etymologie als Orthographie handeln. […] Die Etymologie der allgemeinen Sprachkunst ist entweder die vernufftmäßige oder die gebräuchliche. Die gebräuchliche ist, worinnen alle Sprachen, die uns bekannt sind, übereinkommen. Die vernunfftmäßige ist, welche unterschiednen Sachen, Affectionen, Veränderungen unterschiedene Worte und nicht einerley Dingen verschiedene Nahmen beylegt. Warum wird in allen Sprachen das Genus Dingen, als Sonne, Mond, die keine Geschlechte haben, beygeleget? Präpositionen und Adverbia deuten Umstände an, und sollten nicht als unterschiedene Theile der Rede betrachtet werden. Was wollen die Verba anomala in allen Sprachen? (GOTTSCHED [1748] 1762: 23): Diesen Unterschied und diese Verwandtschaft der Wörter, erkläret die Etymologie, oder die Lehre von der Wortforschung, als der zweyte Theil der Sprachkunst. (GOTTSCHED [1748] 1762: 175) Die Untersuchung dieser Etymologien, oder Abstammungen ist von großem Nutzen. Sie dienet nämlich 1) die wahre ursprüngliche Bedeutung der Wörter zu erklären, und, die Abweichungen der Neuern, von dem Sinne derselben, desto besser zu vermeiden. So kömmt z. B. das Wort Beichte von dem alten Worte jehen,
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung sagen, davon wir noch das zusammengesetzte bejahen übrig haben. Davon kam denn begiht; oder nach einer härteren Aussprache des h wie ch, begicht, er bekennet, oder bejahet, was er getan hat: und davon entstund die Beichte, oder das Bekenntnis. 2) Dienet es zur Verbesserung der Rechtschreibung. Denn wenn ich z. B. weis, daß Knebelbart von Knaben kömmt, denen der Bart zuerst auf der Oberlippe wächst; daß Ernte von Ähren; daß Armbrust, von Arm und Rüstung stammet, u. d. gl.: so sehe ich, daß ich von rechtswegen Knäbelbart, Ährnte und Armrust schreiben sollte. (Encyclopédie, Artikel Etymologie, TURGOT, 1756: VI, 98–107): ETYMOLOGIE, s. f. (Lit.) c’est l’origine d’un mot. Le mot dont vient un autre mot s’appelle primitif, & celui qui vient du primitif s’appelle dérivé. On donne quelquefois au primitif même le nom d’étymologie; ainsi l’on dit que pater est l’étymologie de pere. Les mots n’ont point avec ce qu’ils expriment un rapport nécessaire; ce n’est pas même en vertu d’une convention formelle & fixée invariablement entre les hommes, que certains sons réveillent dans notre esprit certaines idées. Cette liaison est l’effet d’une habitude formée dans l’enfance à force d’entendre répéter les mêmes sons dans des circonstances à-peu-près semblables: elle s’établit dans l’esprit des peuples; sans qu’ils y pensent; elle peut s’effacer par l’effet d’une autre habitude qui se formera aussi sourdement & par les mêmes moyens. Les circonstances dont la répétition a determiné dans l’esprit de chaque individu le sens d’un mot, ne sont jamais exactement les mêmes pour deux hommes; elles sont encore plus différentes pour deux générations. Ainsi à considérer une langue indépendamment de ses rapports avec les autres langues, elle a dans elle-même un principe de variation. La prononciation s’altere en passant des peres aux enfans: les acceptions des termes se multiplient, se remplacent les unes les autres; de nouvelles idées viennent accroître les richesses de l’esprit humain; il faut détourner la signification primitive des mots par des métaphores; la fixer à certains points de vûe particuliers, par des inflexions grammaticales; réunir plusieurs mots anciens, pour exprimer les nouvelles combinaisons d’idées.
Etymologie Ces sortes de mots n’entrent pas toûjours dans l’usage ordinaire: pour les comprendre, il est nécessaire de les analyser, de remonter des composés ou dérivés aux mots simples ou radicaux, & des acceptions métaphoriques au sens primitif. Les Grecs qui ne connoissoient guere que leur langue, & dont la langue, par l’abondance de ses inflexions grammaticales, & par sa facilité à composer des mots, se prêtoit à tous les besoins de leur génie, se livrerent de bonne heure à ce genre de recherches, & lui donnerent le nom d’étymologie, c’est-àdire, connoissance du vrai sens des mots […]. Lorsque les Latins étudierent leur langue, à l’exemple des Grecs, ils s’apperçurent bientôt qu’ils la devoient presque toute entiere à ceux-ci. Le travail ne se borna plus à analyser les mots d’une seule langue, à remonter du dérivé à sa racine; on apprit à chercher les origines de sa langue dans des langues plus anciennes, à décomposer non plus les mots, mais les langues: on les vit se succéder & se mêler, comme les peuples qui les parlent. Les recherches s’étendirent dans un champ immense; mais quoiqu’elles devinssent souvent indifférentes pour la connoissance du vrai sens des mots, on garda l’ancien nom d’étymologie. Aujourd’hui les Savans donnent ce nom à toutes les recherches sur l’origine des mots; & c’est dans ce sens que nous l’employerons dans cet article. L’Histoire nous a transmis quelques étymologies, comme celles des noms des villes ou des lieux auxquels les fondateurs ou les navigateurs ont donné, soit leur propre nom, soit quelque autre relatif aux circonstances de la fondation ou de la découverte. A la reserve du petit nombre d’étymologies de ce genre, qu’on peut regarder comme certaines, & dont la certitude purement testimoniale ne dépend pas des regles de l’art étymologique, l’origine d’un mot est en général un fait à deviner, un fait ignoré, auquel on ne peut arriver que par des conjectures, en partant de quelques faits connus. Le mot est donné; il faut chercher dans l’immense variété des langues, les différens mots dont il peut tirer son origine. La ressemblance du son, l’analogie du sens, l’histoire des peuples qui ont successivement occupé la même contrée, ou qui y ont entretenu un grand commerce, sont les premieres lueurs qu’on suit: on trouve enfin un mot assez sem-
629 blable à celui dont on cherche l’étymologie. Ce n’est encore qu’une supposition qui peut être vraie ou fausse: pour s’assûrer de la vérité, on examine plus attentivement cette ressemblance; on suit les altérations graduelles qui ont conduit successivement du primitif au dérivé; on pese le plus ou le moins de facilité du changement de certaines lettres en d’autres; on discute les rapports entre les concepts de l’esprit & les analogies délicates qui ont pû guider les hommes dans l’application d’un même son à des idées très-différentes; on compare le mot à toutes les circonstances de l’énigme: souvent il ne soûtient pas cette épreuve, & on en cherche un autre; quelquefois (& c’est la pierre de touche des étymologies, comme de toutes les vérités de fait) toutes les circonstances s’accordent parfaitement avec la supposition qu’on a faite; l’accord de chacune en particulier forme une probabilité; cette probabilité augmente dans une progression rapide, à mesure qu’il s’y joint de nouvelles vraissemblances; & bien-tôt, par l’appui mutuel que celles-ci se prêtent, la supposition n’en est plus une, & acquiert la certitude d’un fait. La force de chaque vraissemblance en particulier, & leur réunion, sont donc l’unique principe de la certitude des étymologies, comme de tout autre fait, & le fondement de la distinction entre les étymologies possibles, probables, & certaines. Il suit de-là que l’art étymologique est, comme tout art conjectural, composé de deux parties, l’art de former les conjectures ou les suppositions, & l’art de les vérifier; ou en d’autres termes l’invention & la critique: les sources de la premiere, les regles de la seconde, sont la division naturelle de cet article; car nous n’y comprendrons point les recherches qu’on peut faire sur les causes primitives de l’institution des mots, sur l’origine & les progrès du langage, sur les rapports des mots avec l’organe qui les prononce, & les idées qu’ils expriment. La connoissance philosophique des langues est une science très-vaste, une mine riche de vérités nouvelles & intéressantes. Les étymologies ne sont que des faits particuliers sur lesquels elle appuie quelquefois des principes généraux; ceux-ci, à la vérité, rendent à leur tour la recherche des étymologies plus facile & plus sûre; mais si cet article devoit renfermer tout ce qui peut fournir aux étymologistes des conjectures ou des moyens de
630 les vérifier, il faudroit qu’il traitât de toutes les Sciences. […] La recherche des étymologies a, comme toutes les autres, ses regles de critique particulieres, relatives à l’objet dont elle s’occupe, & fondées sur sa nature. Plus on étudie chaque matiere, plus on voit que certaines classes d’effets se prêtent plus ou moins à certaines classes de causes; il s’établit des observations générales, d’après lesquelles on exclut tout-d’un coup certaines suppositions, & l’on donne plus ou moins de valeur à certaines probabilités. Ces observations & ces regles peuvent sans doute se multiplier à l’infini; il y en auroit même de particulieres à chaque langue & à chaque ordre de mots; il seroit impossible de les renfermer toutes dans cet article, & nous nous contenterons de quelques principes d’une application générale, qui pourront mettre sur la voie: le bon sens, la connoissance de l’histoire & des langues, indiqueront assez les différentes regles relatives à chaque langue en particulier. 1. Il faut rejetter toute étymologie, qu’on ne rend vraissemblable qu’à force de suppositions multipliées. Toute supposition enferme un degré d’incertitude, un risque quelconque; & la multiplicité de ces risques détruit toute assûrance raisonnable. Si donc on propose une étymologie dans laquelle le primitif soit tellement éloigné du dérivé, soit pour le sens, soit pour le son, qu’il faille supposer entre l’un & l’autre plusieurs changemens intermédiaires, la vérification la plus sûre qu’on en puisse faire sera l’examen de chacun de ces changemens. L’étymologie est bonne, si la chaîne de ces altérations est une suite de faits connus directement, ou prouvés par des inductions vraissemblables; elle est mauvaise, si l’intervalle n’est rempli que par un tissu de suppositions gratuites. Ainsi quoique jour soit aussi éloigné de dies dans la prononciation, qu’alfana l’est d’equus; l’une de ces étymologies est ridicule, & l’autre est certaine. Quelle en est la différence? Il n’y a entre jour & dies que l’italien giorno qui se prononce dgiorno, & le latin diurnus, tous mots connus & usités; au lieu que fanacus, anacus, aquus pour dire cheval, n’ont jamais existé que dans l’imagination de Menage. Cet auteur est un exemple frappant des absurdités, dans lesquelles on tombe en adoptant sans choix ce que suggere la malheureuse facilité de suppo-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung ser tout ce qui est possible: car il est très-vrai qu’il ne fait aucune supposition dont la possibilité ne soit justifiée par des exemples. Mais nous avons prouvé qu’en multipliant à volonté les altérations intermédiaires, soit dans le son, soit dans la signification, il est aisé de dériver un mot quelconque de tout autre mot donné: c’est le moyen d’expliquer tout, & dès-lors de ne rien expliquer; c’est le moyen aussi de justifier tous les mépris de l’ignorance. 2. Il y a des suppositions qu’il faut rejetter, parce qu’elles n’expliquent rien; il y en a d’autres qu’on doit rejetter, parce qu’elles expliquent trop. Une étymologie tirée d’une langue étrangere n’est pas admissible, si elle rend raison d’une terminaison propre à la langue du mot qu’on veut éclaircir, toutes les vraissemblances dont on voudroit l’appuyer, ne prouveroient rien, parce qu’elles prouveroient trop: ainsi avant de chercher l’origine d’un mot dans une langue étrangere, il faut l’avoir décomposé, l’avoir dépouillé de toutes ses inflexions grammaticales, & réduit à ses élémens les plus simples. Rien n’est plus ingénieux que la conjecture de Bochart sur le nom d’insula Britannica, qu’il dérive de l’hébreu Baratanac, pays de l’étain, & qu’il suppose avoir été donné à cette île par les marchands phéniciens ou carthaginois, qui alloient y chercher ce métal. Notre regle détruit cette étymologie: Britannicus est un adjectif dérivé, où la Grammaire latine ne connoît de radical que le mot britan. Il en est de même de la terminaison celtique magum, que Bochart fait encore venir de l’hébreu mohun, sans considérer que la terminaison um ou us (car magus est aussi commun que magum) est évidemment une addition faite par les Latins, pour décliner la racine celtique mag. La plûpart des étymologistes hébraïsans ont été plus sujets que les autres à cette faute; & il faut avoüer qu’elle est souvent difficile à éviter, sur-tout lorsqu’il s’agit de ces langues dont l’analogie est fort compliquée & riche en inflexions grammaticales. Tel est le grec, où les augmens & les terminaisons déguisent quelquefois entierement la racine. […] 3. Une étymologie probable exclut celles qui ne sont que possibles. Par cette raison, c’est une regle de critique presque sans exception, que toute étymologie étrangere doit être écartée, lorsque la décomposition du mot dans sa
Etymologie propre langue répond exactement à l’idée qu’il exprime: ainsi celui qui guidé par l’analogie de parabole, paralogisme, &c. chercheroit dans la préposition greque ʌĮȡȐ l’origine de parasol & parapluie, se rendroit ridicule. 4. Cette étymologie devroit être encore rebutée par une autre regle presque toûjours sûre, quoiqu’elle ne soit pas entierement générale: c’est qu’un mot n’est jamais composé de deux langues différentes, à moins que le mot étranger ne soit naturalisé par un long usage avant la composition; ensorte que ce mot n’ait besoin que d’être prononcé pour être entendu: ceux même qui composent arbitrairement des mots scientifiques, s’assujettissent à cette regle, guidés par la seule analogie, si ce n’est lorsqu’ils joignent à beaucoup de pédanterie beaucoup d’ignorance; ce qui arrive quelquefois: c’est pour cela que notre regle a quelques exceptions. 5. Ce sera une très-bonne loi à s’imposer, si l’on veut s’épargner bien des conjectures frivoles, de ne s’arrêter qu’à des suppositions appuyées sur un certain nombre d’inductions, qui leur donnent déjà un commencement de probabilité, & les tirent de la classe trop étendue des simples possibles: ainsi quoiqu’il soit vrai en général que tous les peuples & toutes les langues se sont mêlés en mille manieres, & dans des tems inconnus, on ne doit pas se préter volontiers à faire venir de l’hébreu ou de l’arabe le nom d’un village des environs de Paris. La distance des tems & des lieux est toûjours une raison de douter; & il est sage de ne franchir cet intervalle, qu’en s’aidant de quelques connoissances positives & historiques des anciennes migrations des peuples, de leurs conquêtes, du commerce qu’ils ont entretenu les uns chez les autres; & au défaut de ces connoissances, il faut au moins s’appuyer sur des étymologies déjà connues, assez certaines, & en assez grand nombre pour établir un mélange des deux langues. D’après ces principes, il n’y a aucune difficulté à remonter du françois au latin, du tudesque au celtique, du latin au grec. J’admettrai plus aisément une étymologie orientale d’un mot espagnol, que d’un mot françois; parce que je sais que les Phéniciens & sur-tout les Carthaginois, ont eu beaucoup d’établissemens en Espagne; qu’après la prise de Jérusalem sous Vespasien, un grand nombre de Juifs furent
631 transportés en Lusitanie, & que depuis toute cette contrée a été possédée par les Arabes. 6. On puisera dans cette connoissance détaillée des migrations des peuples, d’excellentes regles de critique, pour juger des étymologies tirées de leurs langues, & apprécier leur vraissemblance: les unes seront fondées sur le local des établissemens du peuple ancien; par exemple, les étymologies phéniciennes des noms de lieu seront plus recevables, s’il s’agit d’une côte ou d’une ville maritime, que si cette ville étoit située dans l’intérieur des terres: une étymologie arabe conviendra dans les plaines & dans les parties méridionales de l’Espagne; on préférera pour des lieux voisins des Pyrenées, des étymologies latines ou basques. 7. La date du mêlange des deux peuples, & du tems où les langues anciennes ont été remplacées par de nouvelles, ne sera pas moins utile; on ne tirera point d’une racine celtique le nom d’une ville bâtie, ou d’un art inventé sous les rois francs. 8. On pourra encore comparer cette date à la quantité d’altération que le primitif aura dû souffrir pour produire le dérivé; car les mots, toutes choses d’ailleurs égales, ont reçu d’autant plus d’altération qu’ils ont été transmis par un plus grand nombre de générations, & sur-tout que les langues ont essuyé plus de révolutions dans cet intervalle. Un mot oriental qui aura passé dans l’espagnol par l’arabe, sera bien moins éloigné de sa racine que celui qui sera venu des anciens Carthaginois. 9. La nature de la migration, la forme, la proportion, & la durée du mêlange qui en a résulté, peuvent aussi rendre probables ou improbables plusieurs conjectures; une conquête aura apporté bien plus de mots dans un pays, lorsqu’elle aura été accompagnée de transplantation d’habitans; une possession durable, plus qu’une conquête passagere; plus lorsque le conquérant a donné ses lois aux vaincus, que lorsqu’il les a laissés vivre selon leurs usages: une conquête en général, plus qu’un simple commerce. C’est en partie à ces causes combinées avec les révolutions postérieures, qu’il faut attribuer les différentes proportions dans le mêlange du latin avec les langues qu’on parle dans les différentes contrées soûmises autrefois aux Romains; proportions d’après lesquelles les étymologies tirées de
632 cette langue auront, tout le reste égal, plus ou moins de probabilité; dans le mêlange, certaines classes d’objets garderont les noms que leur donnent le conquérant; d’autres, celui de la langue des vaincus; & tout cela dépendra de la forme du gouvernement, de la distribution, de l’autorité & de la dépendance entre les deux peuples; des idées qui doivent être plus ou moins familieres aux uns ou aux autres, suivant leur état, & les mœurs que leur donne cet état. 10. Lorsqu’il n’y a eu entre deux peuples qu’une simple liaison sans qu’ils se soient mêlangés, les mots qui passent d’une langue dans l’autre sont le plus ordinairement relatifs à l’objet de cette liaison. La religion chrétienne a étendu la connoissance du latin dans toutes les parties de l’Europe, où les armes des Romains n’avoient pû pénétrer. Un peuple adopte plus volontiers un mot nouveau avec une idée nouvelle, qu’il n’abandonne les noms des objets anciens, auxquels il est accoûtumé. Une étymologie latine d’un mot polonois ou irlandois, recevra donc un nouveau degré de probabilité, si ce mot est relatif au culte, aux mysteres, & aux autres objets de la religion. Par la même raison, s’il y a quelques mots auxquels on doive se permettre d’assigner une origine phénicienne ou hébraïque, ce sont les noms de certains objets relatifs aux premiers arts & au commerce; il n’est pas étonnant que ces peuples, qui les premiers ont commercé sur toutes les côtes de la Méditerranée, & qui ont fondé un grand nombre de colonies dans toutes les îles de la Grece, y ayent porté les noms des choses ignorées des peuples sauvages chez lesquels ils trafiquoient, & sur-tout les termes de commerce. Il y aura même quelques-uns de ces mots que le commerce aura fait passer des Grecs à tous les Européens, & de ceux ci à toutes les autres nations. Tel est le mot de sac, qui signifie proprement en hébreu une étoffe grossiere, propre à emballer les marchandises. De tous les mots qui ne dérivent pas immédiatement de la nature, c’est peut-être le plus universellement répandu dans toutes les langues. Notre mot d’arrhes, arrhabon, est encore purement hébreu, & nous est venu par la même voie. Les termes de Commerce parmi nous sont portugais [sic], hollandois, anglois, &c. suivant la
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung date de chaque branche de commerce, & le lieu de son origine. 11. On peut en généralisant cette derniere observation, établir un nouveau moyen d’estimer la vraissemblance des suppositions étymologiques, fondée sur le mélange des nations & de leurs langages; c’est d’examiner quelle étoit au tems du mélange la proportion des idées des deux peuples; les objets qui leur étoient familiers, leur maniere de vivre, leurs arts, & le degré de connoissance auquel ils étoient parvenus. Dans les progrès généraux de l’esprit humain, toutes les nations partent du même point, marchent au même but, suivent à-peu-près la même route, mais d’un pas trèsinégal. Nous prouverons à l’article LANGUES, que les langues dans tous les tems sont à-peu-près la mesure des idées actuelles du peuple qui les parle; & sans entrer dans un grand détail, il est aisé de sentir qu’on n’invente des noms qu’à mesure qu’on a des idées à exprimer. Lorsque des peuples inégalement avancés dans leurs progrès se mêlent, cette inégalité influe à plusieurs titres sur la langue nouvelle qui se forme du mêlange. La langue du peuple policé plus riche, fournit au mélange dans une plus grande proportion, & le teint, pour ainsi dire, plus fortement de sa couleur: elle peut seule donner les noms de toutes les idées qui manquoient au peuple sauvage. Enfin l’avantage que les lumieres de l’esprit donnent au peuple policé, le dédain qu’elles lui inspirent pour tout ce qu’il pourroit emprunter des barbares, le goût de l’imitation que l’admiration fait naître dans ceuxci, changent encore la proportion du mêlange en faveur de la langue policée, & contrebalancent souvent toutes les autres circonstances favorables à la langue barbare, celle même de la disproportion du nombre entre les anciens & les nouveaux habitans. S’il n’y a qu’un des deux peuples qui sache écrire, cela seul donne à sa langue le plus prodigieux avantage; parce que rien ne fixe plus les impressions dans la mémoire, que l’écriture. Pour appliquer cette considération générale, il faut la détailler; il faut comparer les nations aux nations sous les différens points de vûe que nous offre leur histoire, apprécier les nuances de la politesse & de la barbarie. La barbarie des Gaulois n’étoit pas la même que celle des Germains, & celle-ci n’étoit pas la
Etymologie barbarie des Sauvages d’Amérique; la politesse des anciens Tyriens, des Grecs, des Européens modernes, forment une gradation aussi sensible; les Mexicains barbares, en comparaison des Espagnols (je ne parle que par rapport aux lumieres de l’esprit), étoient policés par rapport aux Caraibes. Or l’inégalité d’influence des deux peuples dans le mélange des langues, n’est pas toûjours relative à l’inégalité réelle des progrès, au nombre des pas de l’esprit humain, & à la durée des siecles interposés entre un progrès & un autre progrès; parce que l’utilité des découvertes, & sur-tout leur effet imprévû sur les mœurs, les idées, la maniere de vivre, la constitution des nations & la balance de leurs forces, n’est en rien proportionnée à la difficulté de ces découvertes, à la profondeur qu’il faut percer pour arriver à la mine & au tems nécessaire pour y parvenir: qu’on en juge par la poudre & l’imprimerie. Il faut donc suivre la comparaison des nations dans un détail plus grand encore, y faire entrer la connoissance de leurs arts respectifs, des progrès de leur éloquence, de leur philosophie, &c. voir quelle sorte d’idées elles ont pû se préter les unes aux autres, diriger & apprécier ses conjectures d’après toutes ces connoissances, & en former autant de regles de critique particulieres. 12. On veut quelquefois donner à un mot d’une langue moderne, comme le françois, une origine tirée d’une langue ancienne, comme le latin, qui, pendant que la nouvelle se formoit, étoit parlée & écrite dans le même pays en qualité de langue savante. Or il faut bien prendre garde de prendre pour des mots latins, les mots nouveaux, auxquels on ajoûtoit des terminaisons de cette langue; soit qu’il n’y eût véritablement aucun mot latin correspondant, soit plûtôt que ce mot fût ignoré des écrivains du tems. Faute d’avoir fait cette legere attention, Ménage a dérivé marcassin de marcassinus, & il a perpétuellement assigné pour origine à des mots françois de prétendus mots latins, inconnus lorsque la langue latine étoit vivante, & qui ne sont que ces mêmes mots françois latinisés par des ignorans: ce qui est en fait d’étymologie, un cercle vicieux. 13. Comme l’examen attentif de la chose dont on veut expliquer le nom, de ses qualités, soit absolues, soit relatives, est une des
633 plus riches sources de l’invention; il est aussi un des moyens les plus sûrs pour juger certaines étymologies: comment fera-t-on venir le nom d’une ville, d’un mot qui signifie pont, s’il n’y a point de riviere? M. Freret a employé ce moyen avec le plus grand succès dans sa dissertation sur l’étymologie de la terminaison celtique dunum, où il réfute l’opinion commune qui fait venir cette terminaison d’un prétendu mot celtique & tudesque, qu’on veut qui signifie montagne. Il produit une longue énumération des lieux, dont le nom ancien se terminoit ainsi: Tours s’appelloit autrefois Cæsarodunum; Leyde, Lugdunum Batavorum; Tours & Leyde sont situés dans des plaines. Plusieurs lieux se sont appellés Uxellodunum, & uxel signifioit aussi montagne; ce seroit un pléonasme. Le mot de Noviodunum, aussi très-commun, se trouve donné à des lieux situés dans des vallées; ce seroit une contradiction. 14. C’est cet examen attentif de la chose qui peut seul éclairer sur les rapports & les analogies que les hommes ont dû saisir entre les différentes idées, sur la justesse des métaphores & des tropes, par lesquels on a fait servir les noms anciens à désigner des objets nouveaux. Il faut l’avoüer, c’est peut-être par cet endroit que l’art étymologique est le plus susceptible d’incertitude. Très-souvent le défaut de justesse & d’analogie ne donne pas droit de rejetter les étymologies fondées sur des métaphores; je crois l’avoir dit plus haut, en traitant de l’invention: il y en a sur-tout deux raisons; l’une est le versement d’un mot, si j’ose ainsi parler, d’une idée principale sur l’accessoire; la nouvelle extension de ce mot à d’autres idées, uniquement fondée sur le sens accessoire sans égard au primitif, comme quand on dit un cheval ferré d’argent; & les nouvelles métaphores entées sur ce nouveau sens, puis les unes sur les autres, au point de présenter un sens entierement contradictoire avec le sens propre. L’autre raison qui a introduit dans les langues des métaphores peu justes, est l’embarras où les hommes se sont trouvés pour nommer certains objets qui ne frappoient en rien le sens de l’oüie, & qui n avoient avec les autres objets de la nature, que des rapports très-éloignés. La nécessité est leur excuse. Quant à la premiere de ces deux especes de métaphores si éloignées du
634 sens primitif, j’ai déjà donné la seule regle de critique sur laquelle on puisse compter; c’est de ne les admettre que dans le seul cas où tous les changemens intermédiaires sont connus; elle resserre nos jugemens dans des limites bien étroites, mais il faut bien les resserrer dans les limites de la certitude. Pour ce qui regarde les métaphores produites par la nécessité, cette nécessité même nous procurera un secours pour les vérifier: en effet, plus elle a été réelle & pressante, plus elle s’est fait sentir à tous les hommes, plus elle a marqué toutes les langues de la même empreinte. Le rapprochement des tours semblables dans plusieurs langues très-différentes, devient alors une preuve que cette façon détournée d’envisager l’objet, étoit aussi nécessaire pour pouvoir lui donner un nom, qu’elle semble bisarre [sic] au premier coup d’oeil. […] 15. L’altération supposée dans les sons, forme seule une grande partie de l’art étymologique, & mérite aussi quelques considérations particulieres. Nous avons déjà dit (8.) que l’altération du dérivé augmentoit à mesure que le tems l’éloignoit du primitif, & nous avons ajoûté, toutes choses d’ailleurs égales, parce que la quantité de cette altération dépend aussi du cours que ce mot a dans le public. Il s’use, pour ainsi dire, en passant dans un plus grand nombre de bouches, sur-tout dans la bouche du peuple, & la rapidité de cette circulation équivaut à une plus longue durée; les noms des saints & les noms de baptême les plus communs en sont un exemple; les mots qui reviennent le plus souvent dans les langues, tels que les verbes être, faire, vouloir, aller, & tous ceux qui servent à lier les autres mots dans le discours, sont sujets à de plus grandes altérations; ce sont ceux qui ont le plus besoin d’être fixés par la langue écrite. Le mot inclinaison dans notre langue, & le mot inclination, viennent tous deux du latin inclinatio. Mais le premier qui a gardé le sens physique est plus ancien dans la langue; il a passé par la bouche des Arpenteurs, des Marins, &c. Le mot inclination nous est venu par les philosophes scholastiques, & a souffert moins d’altérations. On doit donc se préter plus ou moins à l’altération supposée d’un mot, suivant qu’il est plus ancien dans la langue, que la langue étoit plus ou moins formée, étoit sur-tout ou n’étoit pas fixée par l’é-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung criture lorsqu’il y a été introduit; enfin suivant qu’il exprime des idées d’un usage plus ou moins familier, plus ou moins populaire. 16. C’est par le même principe que le tems & la frequence de l’usage d’un mot se compensent mutuellement pour l’altérer dans le même degré. C’est principalement la pente générale que tous les mots ont à s’adoucir ou à s’abreger qui les altere. Et la cause de cette pente est la commodité de l’organe qui les prononce. Cette cause agit sur tous les hommes: elle agit d’une maniere insensible, & d’autant plus que le mot est plus répeté. Son action continue, & la marche des altérations qu’elle a produites, a dù être & a été observée. Une fois connue, elle devient une pierre de touche sûre pour juger d’une foule de conjectures étymologiques; les mots adoucis ou abregés par l’euphonie ne retournent pas plus à leur premiere prononciation que les eaux ne remontent vers leur source. Au lieu d’obtinere, l’euphonie a fait prononcer optinere; mais jamais à la prononciation du mot optare, on ne substituera celle d’obtare. Ainsi dans notre langue, ce qui se prononçoit comme exploits, tend de jour en jour a se prononcer comme succès, mais une étymologie où son feroit passer un mot de cette derniere prononciation à la premiere ne seroit pas recevable. 17. Si de ce point de vûe général on veut descendre dans les détails, & considérer les différentes suites d’altérations dans tous les langages que l’euphonie produisoit en même tems, & en quelque sorte parallelement les unes aux autres dans toutes les contrées de la terre; si l’on veut fixer aussi les yeux sur les différentes époques de ces changemens, on sera surpris de leur irrégularité apparente. On verra que chaque langue & dans chaque langue chaque dialecte, chaque peuple, chaque siecle, changent constamment certaines lettres en d’autres lettres, & se refusent à d’autres changemens aussi constamment usités chez leurs voisins. On conclura qu’il n’y a à cet égard aucune regle générale. Plusieurs savans, & ceux en particulier qui ont fait leur étude des langues orientales, ont, il est vrai, posé pour principe que les lettres distinguées dans la grammaire hébraïque & rangées par classes sous le titre de lettres des mêmes organes, se changent réciproquement entre elles, & peuvent se substituer indifféremment les unes
Etymologie aux autres dans la même classe; ils ont affirmé la même chose des voyelles, & en ont disposé arbitrairement, sans-doute parce que le changement des voyelles est plus fréquent dans toutes les langues que celui des consonnes, mais peut-être aussi parce qu’en hébreu les voyelles ne sont point écrites. Toutes ces observations ne sont qu’un système, une conclusion générale de quelques faits particuliers démentie par d’autres faits en plus grand nombre. Quelque variable que soit le son des voyelles, leurs changemens sont aussi constans dans le même tems & dans le même lieu que ceux des consonnes; les Grecs ont changé le son ancien de l’hêta & de l’upsilon en i; les Anglois donnent, suivant des regles constantes, à notre a l’ancien son de l’hêta des Grecs: les voyelles font comme les consonnes partie de la prononciation dans toutes les langues, & dans aucune langue la prononciation n’est arbitraire parce qu’en tous lieux on parle pour être entendu. Les Italiens sans égard aux divisions de l’alphabet hébreu qui met l’iod au rang des lettres du palais, & l’l au rang des lettres de la langue, changent l’l précédé d’une consonne en ï tréma ou mouillé foible qui se prononce comme l’ïod des Hébreux: platea, piazza, blanc, bianco. Les Portugais dans les mêmes circonstances changent constamment cet l en r, branco. Les François ont changé ce mouillé foible ou i en consonne des Latins, en notre j consonne, & les Espagnols en une aspiration gutturale. Ne cherchons donc point à ramener à une loi fixe des variations multipliées à l’infini dont les causes nous échappent: étudions-en seulement la succession comme on étudie les faits historiques. Leur variété connue, fixée à certaines langues, ramenée à certaines dates, suivant l’ordre des lieux & des tems, deviendra une suite de piéges tendus à des suppositions trop vagues, & fondées sur la simple possibilité d’un changement quelconque. On comparera ces suppositions au lieu & au tems, & l’on n’écoutera point celui qui pour justifier dans une étymologie Italienne un changement de l’l latin précédé d’une consonne en r allégueroit l’exemple des Portugais & l’affinité de ces deux sons. La multitude des regles de critique qu’on peut former sur ce plan, & d’après les détails que fournira l’étude des grammaires, des dialectes & des révolutions de chaque langue, est le plus sûr moyen pour
635 donner à l’art étymologique toute la solidité dont il est susceptible; parce qu’en général la meilleure méthode pour assûrer les résultats de tout art conjectural, c’est d’éprouver toutes ses suppositions en les rapprochant sans cesse d’un ordre certain de faits très-nombreux & très-variés. 18. Tous les changemens que souffre la prononciation ne viennent pas de l’euphonie. Lorsqu’un mot, pour être transmis de génération en génération, passe d’un homme à l’autre, il faut qu’il soit entendu avant d’être répeté; & s’il est mal-entendu, il sera mal répeté: voilà deux organes & deux sources d’altération. Je ne voudrois pas décider que la différence entre ces deux sortes d’altérations puisse être facilement apperçue. Cela dépend de savoir à quel point la sensibilité de notre oreille est aidée par l’habitude où nous sommes de former certains sons, & de nous fixer à ceux que la disposition de nos organes rend plus faciles (voyez OREILLE): quoi qu’il en soit, j’insérerai ici une réflexion qui, dans le cas où cette différence pourroit être apperçue, serviroit à distinguer un mot venu d’une langue ancienne ou étrangere d’avec un mot qui n’auroit subi que ces changemens insensibles que souffre une langue d’une génération à l’autre, & par le seul progrès des tems. Dans ce dernier cas c’est l’euphonie seule qui cause toutes les altérations. Un enfant naît au milieu de sa famille & de gens qui savent leur langue. Il est forcé de s’étudier à parler comme eux. S’il entend, s’il répete mal, il ne sera point compris, ou bien on lui fera connoître son erreur, & à la longue il se corrigera. C’est au contraire l’erreur de l’oreille qui domine & qui altere le plus la prononciation, lorsqu’une nation adopte un mot qui lui est étranger, & lorsque deux peuples diffêrens confondent leurs langages en se mêlant. Celui qui ayant entendu un mot étranger le répete mal, ne trouve point dans ceux qui l’écoutent de contradicteur légitime, & il n’a aucune raison pour se corriger. 19. Il résulte de tout ce que nous avons dit dans le cours de cet article, qu’une étymologie est une supposition; qu’elle ne reçoit un caractere de vérité & de certitude que de sa comparaison avec les faits connus; du nombre des circonstances de ces faits qu’elle explique; des probabilités qui en naissent, &
636 que la critique apprécie. Toute circonstance expliquée, tout rapport entre le dérivé & le primitif supposé produit une probabilité, aucun n’est exclus; la probabilité augmente avec le nombre des rapports, & parvient rapidement à la certitude. Le sens, le son, les consonnes, les voyelles, la quantité, se prêtent une force réciproque, Tous les rapports ne donnent pas une égale probabilité. Une étymologie qui donneroit d’un mot une définition exacte, l’emporteroit sur celle qui n’auroit avec lui qu’un rapport métaphorique. Des rapports supposés d’après des exemples, cedent à des rapports fondés sur des faits connus, les exemples indéterminés aux exemples pris des mêmes langues & des mêmes siecles. Plus on remonte de degrés dans la filiation des étymologies, plus le primitif est loin du dérivé; plus toutes les ressemblances s’alterent, plus les rapports deviennent vagues & se réduisent à de simples possibilités; plus les suppositions sont multipliées, chacune est une source d’incertitude; il faut donc se faire une loi de ne s’en permettre qu’une à la fois, & par conséquent de ne remonter de chaque mot qu’à son étymologie immédiate; ou bien il faut qu’une suite de faits incontestables remplisse l’intervalle entre l’un & l’autre, & dispense de toute supposition. Il est bon en général de ne se permettre que des suppositions déjà rendues vraissemblables par quelques inductions. On doit vérifier par l’histoire des conquêtes & des migrations des peuples, du commerce, des arts, de l’esprit humain en général, & du progrès de chaque nation en particulier, les étymologies qu’on établit sur les mêlanges des peuple. & des langues; par des exemples connus, celles qu’on tire des changemens du sens, au moyen des métaphores; par la connoissance historique & grammaticale de la prononciation de chaque langue & de ses révolutions, celles qu’on fonde sur les altérations de la prononciation: comparer toutes les étymologies supposées, soit avec la chose nommée, sa nature, ses rapports & son analogie avec les différens êtres, soit avec la chronologie des altérations successives, & l’ordre invariable des progrès de l’euphonie. Rejetter enfin toute étymologie contredite par un seul fait, & n’admettre comme certaines que celles qui seront appuyées sur un très-grand nombre de probabilités réunies.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung 20. Je finis ce tableau raccourci de tout l’art étymologique par la plus générale des regles, qui les renferme toutes; celle de douter beaucoup. On n’a point à craindre que ce doute produise une incertitude universelle; il y a, même dans le genre étymologique, des choses évidentes à leur maniere; des dérivations si naturelles, qui portent un air de vérité si frappant, que peu de gens s’y refusent. A l’égard de celles qui n’ont pas ces caracteres, ne vaut-il pas beaucoup mieux s’arrêter en-deçà des bornes de la certitude, que d’aller au-delà? Le grand objet de l’art étymologique n’est pas de rendre raison de l’origine de tous les mots sans exception, & j’ose dire que ce seroit un but assez frivole. Cet art est principalement recommandable en ce qu’il fournit à la Philosophie des matériaux & des observations pour élever le grand édifice de la théorie générale des langues; or pour cela il importe bien plus d’employer des observations certaines, que d’en accumuler un grand nombre. J’ajoûte qu’il seroit aussi impossible qu’inutile de connoître l’étymologie de tous les mots: nous avons vû combien l’incertitude augmente dès qu’on est parvenu à la troisieme ou quatrieme étymologie, combien on est obligé d’entasser de suppositions, combien les possibilités deviennent vagues; que seroit-ce si l’on vouloit remonter au-delà? & combien cependant ne serions-nous pas loin encore de la premiere imposition des noms? Qu’on refléchisse à la multitude de hasards qui ont souvent présidé à cette imposition; combien de noms tirés de circonstances étrangeres à la chose, qui n’ont duré qu’un instant, & dont il n’a resté aucun vestige. En voici un exemple: un prince s’étonnoit en traversant les salles du palais, de la quantité de marchands qu’il voyoit. Ce qu’il y a de plus singulier, lui dit quelqu’un de sa suite, c’est qu’on ne peut rien demander à ces gens-là, qu’ils ne vous le fournissent sur le champ, la chose n’eût-elle jamais existé. Le prince rit; on le pria d’en faire l’essai: il s’approcha d’une boutique, & dit: Madame, vendez-vous des… des falbalas? La marchande, sans demander l’explication d’un mot qu’elle entendoit pour la premiere fois, lui dit: oui, Monseigneur, & lui montrant des prétintailles & des garnitures de robes de femmé; voilà ce que vous demandez; c’est cela même qu’on appelle des falbalas. Ce mot fut répeté, & fit fortune. Combien de mots doivent leur origine à des circonstan-
Etymologie ces aussi legeres, & aussi propres à mettre en défaut toute la sagacité des étymologistes? Concluons de tout ce que nous avons dit, qu’il y a des étymologies certaines, qu’il y en a de probables, & qu’on peut toûjours éviter l’erreur, pourvû qu’on se résolve à beaucoup ignorer. (DENDO Y ÁVILA 1757: 15): Esto se conforma bien con el origen de las voces que examinamos: La Memoria viene del verbo memini, que significa acordarse, ò tener presente el objeto de que se tiene memoria: Y la Reminiscencia del verbo reminiscor, que significa acordarse de nuevo, ò bolverse à acordar […]. (Encyclopédie, Artikel Grammaire, BEAUZÉE, 1757: VII, 844): 3. L’Etymologie des mots est la source d’où ils sont tirés. L’étude de l’étymologie peut avoir deux fins différentes. La premiere est de suivre l’analogie d’une langue, pour se mettre en état d’y introduire des mots nouveaux, selon l’occurrence des besoins: c’est ce qu’on appelle la formation; & elle se fait ou par dérivation ou par composition. De-là les mots primitifs & les dérives, les mots simples & les composés. Voyez FORMATION. Le second objet de l’étude de l’étymologie, est de remonter effectivement à la source d’un mot, pour en fixer le véritable sens par la connoissance de ses racines génératrices ou élémentaires, naturelles ou étrangeres: c’est l’art étymologique, qui suppose des moyens d’invention, & des regles de critique pour en faire usage. Voyez ETYMOLOGIE & ART ETYMOLOGIQUE (MICHAELIS 1760: 13): Die Abstammung der Wörter enthält bisweilen eine so glückliche Sachbeschreibung und Auswickelung der Idee, die man gemeiniglich nur verworren vorstellet, daß dadurch manche Irrthümer und Wortstreitigkeiten vermieden werden. Sie entdecket wol einem jeden, der die glückliche Sprache mit der Muttermilch eingesogen hat, was unter andern Völkern der Philosophe mit Mühe erfinden muß. (MICHAELIS 1760: 15): Es ist unglaublich, wie viel gutes von dieser Art in der Etymologie lieget, was für ein Schatz von gesunder Vernunft, ja von Sätzen, die oft der tausends-
637 te Philosophe nicht weiß, und durch die dereinst ein Philosophe groß werden wird, wenn er sie erfindet, ohne zu wissen, daß sie in jedermanns Munde gewesen sind. (MICHAELIS 1760: 16–17): Die Grammatici bewundern oft die Vortrefflichkeit der Etymologie: und sie haben Recht dazu. Die Etymologie ist zwar kein Beweis von der Richtigkeit des Satzes, auf den sie sich gründet: sie ist aber gleichsam die Bibliothek von unzähligen Entdeckungen, und enthält so viel wahre Philosophie, als irgend ein System thun mag. Allein eben dieser Schatz wird eine reiche Quelle von Irrthümern, so bald der Grammaticus oder Philosophe die Etymologie zum Beweise eines gewissen Gedanckens oder einer Real-Definition macht: denn der Bach fließt nicht klar, er hat Wahrheiten und Irrthümer unter einander, denen Sammlungen von Gedancken nicht unähnlich, die man ohne sich um den Beweis zu bekümmern, unter dem Titel Pensées herausgiebt. Das sehe ich aus jeder Etymologie, daß einmahl jemand in dem Volcke so und so gedacht haben müsse: ob aber sein Gedanke richtig sey, das braucht eine von der Etymologie unabhängige Untersuchung. Die Etymologie ist auch wircklich darin der Bibliothek gleich, daß sie viel gutes unter vielem falschen hat: kein Vernünftiger glaubt einen philosophischen Satz darum, weil er in einem Winckel einer Bibliothek auf dem Papier gefunden wird: allein er verwirft den Gebrauch der Bibliotheken nicht, weil sie viel falsches enthalten, oder eine wahre Entdeckung ohne den Verweiß in einem alten Buche verwahren. Dis letzte ist manchem desto angenehmer, weil ihm die Erfindung des Beweises zu dem ehemahls entdeckten Satz bleibet. (MICHAELIS 1760: 21): Unsere deutsche Sprache ist, ich weiß nicht ob aus gleicher Ursache, in ihrer Benennung der Ehe eben so glücklich. Denn Ee oder Ehe heißt im alten Deutschen, Gesetz. Auch die Engländer, die sonst die Ehe ordentlich Marriage nennen, haben doch noch einen andern vom Gesetz hergenommenen Nahmen derselben in dem Ausdruck übrig, Son in Law, Schwiegersohn, eigentlich, Sohn im Gesetz, oder, Sohn in der Ehe. Doch eben dis Exempel leitet mich zu einer unangenehmen Anmerkung. Der große Schatz von unerkannten Wahrheiten, welcher
638 in der Etymologie lieget, wird größesten Theils unbrauchbar, weil die erste Bedeutung des Wortes entweder gantz vergessen, oder doch die zweyte so ungewöhnlich geworden ist, daß man bey derselben an die Abstammung gar nicht gedenckt, und das Wort blos wie ein willkührliches algebraisches Zeichen gebraucht. (MICHAELIS 1760: 22): In unsern lebenden Sprachen sind uns viele Wörter so geläufig, daß wir an ihre Abstammung nicht gedencken; dis fällt bey den todten Sprachen weg. Wir gebrauchen nicht leicht ihre Wörter so häufig, daß uns die Wahrheiten, die in ihrer Etymologie stecken, verlohren gehen. Ueber das wissen wir von der Etymologie der todten Sprachen mehr, weil wir sie als einen Theil der Gelehrsamkeit lernen. Man ist daher geneigt, ihnen in Absicht auf die richtige Benennung der Dinge, und die Schätze der Etymologie, einen Vorzug vor unsern lebenden Sprachen, zuzueignen, der ihnen vielleicht nicht so schlechterdings gebühret. Die partheyische Liebe der Sprachgelehrten für das, was ihnen Fleiß und Zeit gekostet hat, diese vom Gelehrten kaum gantz zu trennende Schwachheit, übertreibt das Lob der todten Sprachen noch mehr, und macht es eben dadurch verdächtig. Ich habe geglaubt, es sey meine Schuldigkeit, diese Ungerechtigkeit gegen unsere Muttersprachen anzuzeigen. (MICHAELIS 1760: 54): Da diejenigen die neue Ausdrücke erfinden eben so wenig Untrüglichkeit haben, als das Volck, das sie von ihnen annimmt, so kann in der Abstammung einzelner Wörter und Zusammensetzung gantzer Redensarten eben so wohl ein Irrthum als eine Wahrheit verewigt werden, der desto ansteckender ist, weil er einen jeden von Jugend an einnimmt. (MICHAELIS 1760: 59–61): Die Etymologie der Wörter und Redensarten wird nicht blos alsdenn eine Ursache von Irrthümern, wenn sie selbst einem Irrthum entstanden ist, sondern auch, wenn man den figürlichen Ausdruck vor eine Sachbeschreibung hält, oder das Wort so sehr verändert wird, daß es dem Gehör eine unrichtige Abstammung darstellet. Dis letzte geschiehet fast blos in ausländischen Wörtern, und so selten, daß ich nicht mehr als ein einziges Beyspiel davon anbringen will. Der mons pileatus in der Schweitz
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung hat seinen Nahmen von der Gestalt, unter welcher er sich dem Auge sehr häufig zeiget, wenn sich oben auf seiner Spitze bey sonst heiterer Luft eine Wolcke erhebet, und immer weiter ausbreitet. Er scheint alsdenn mit einem Huthe bedeckt zu seyn. Man hat seinen Nahmen in, Pilatus-Berg, zusammengezogen, und zur Erklärung des Nahmens endlich die Fabel gedichtet, Pilatus habe sich in die auf der Spitze des Berges befindliche See gestürtzet. Das andere geschiehet viel häufiger. Es ist unglaublich, was für einen Trieb mancher empfindet, alle Sätze für untrüglich anzusehen, die er in der Etymologie entdecket zu haben meint, nicht anders als wäre das Volck untrüglich, das die Sprachen macht. Man darf gewiß den Grammaticum nicht allein beschuldigen, andere sind eben so verliebt in die Entdeckungen, die ihnen die Etymologie darzubiethen scheint, uns eben so geneigt, etwas ohne Beweiß auf Glauben des unbekannten Erfinders des Wortes anzunehmen, oder den Beweiß dazu anzuwerben. Der Krystall giebt mir ein unleugbares Beyspiel. Nichts siehet einander ähnlicher als Eis und Krystall, sonderlich wenn beides inwendig einen Riß hat. Mehrere Völcker haben ihn daher Eis genannt, nahmentlich die Griechen, deren țȡȪıIJĮȜȜȠȢ zuerst Eis bedeutet. Dis haben andere zur Erkenntniß-Quelle von dem Ursprung des Krystalls gemacht, und die Alten glaubten häufig, er sey verewigtes Eis, das durch seine lange Dauer und Zusammenhang der Theile endlich die Flüßigkeit gantz verlohren habe. Ich glaube nicht, daß das Auge an diesem Irrthum Schuld sey, sonst würde man von andern durchsichtigen Naturalien, von Quartz, von durchsichtigem Spaat, von Seleniten, eben so geurtheilt finden: sondern ich habe die Misdeutung der Etymologie in Verdacht; und in der That trifft man auch den Irrthum häufig bey den Alten an, in deren Denckungs-Art eine Griechische Etymologie wircken konnte, und selten bey den Neuern. Selbst unter diesen habe ich ihn am ersten bey den Liebhabern und Kennern der Griechischen Sprache angetroffen. Um dieser Willen, und nicht in Absicht auf die Naturkündiger, will ich nur kurtz sagen, warum ich es für einen Irrthum halte. 1) Krystall ist offenbahr eine Gattung des Quartzes, und man hat keinen
Etymologie Grund den Krystall zu verewigten Eis zu machen, wenn man nicht ein gleiches von allem Quartz behaupten will. So weit wird aber wol schwerlich jemand gehen; und der Quartz findet sich häufig an solchen Orten, wo niemand verewigtes Eis erwarten kann, z. E. in den temperirten Gängen der Bergwercke, die noch mehr eine ewige Mäßigung der Wärme und Kälte gehabt haben müssen, ehe die Luft zu ihnen Zugang gewonnen hat. 2) Die bestimmte Figur eines Obelisken-förmigen SechsEcks, die den Krystall unterscheidet, ist eben so zuwider. Nie bildet sich eine Eiszacke so, sondern sie ist ohne Ecken und Spitze ründlich, und hat dabey eine unordentliche Figur, an der man die Hand des Zufalls, und der bald so bald anders zu fließenden WasserTropfen, deutlich wahrnimmt. Unsere deutsche Sprache setzet die Liebhaber der Natur bey dem Rogenstein (Oolitho) in eine gleiche Gefahr verführt zu werden. Der erste, der diesen Nahmen gab, hatte schwerlich den Irrthum, welche der Natur der Versteinerungen eben so sehr widerspricht, als der chemischen Auflösung dieses Steins, daß es wircklich versteinerter Fisch-Rogen sey, sondern er nannte ihn so wegen seiner äußern Aehnlichkeit, wie wir wohl von allerley Wercken der Kunst und der Mode, den Muscheln Nahmen gegeben haben. Allein der von Jugend auf gehörte und unrecht verstandene Nahme bewog andre, die von Versteinerungen gehört hatten, diesen mit groben Sande vermischten Kalckstein für wahren FischRogen zu erklären. Damit ich nicht Irrthümer anzuklagen scheine, die niemand hat, so will ich einen Irrenden nennen, der mehr seiner Vorgänger nahmhaft macht: es ist Carl Heinrich Rappolt, in einer 1733 zu Königsberg herausgegebenen Schrift, quæstio naturalis Prussica de Oolitho Regiomontano. So irret der Gelehrte, und eben so der Pöbel. Die Etymologie ist die Verführerin. Die gemeine Sage des letzten, daß die Kranckheit, der Krebs, von der Berührung todter und verfaulter Krebse entstehen könnte, hat vermuthlich eben die Quelle. (MICHAELIS 1760: 79): Die irrende Etymologie braucht keiner Ausrottung, weil man überhaupt sich abgewöhnen soll, von der Etymologie auf die Wahrheit der Sache zu schließen.
639 (DE BROSSES 1765: I, 31–32): N’est-il donc pas plus juste d’admettre l’étymologie comme un art certain, […]. Cependant mille gens vont jusqu’à croire que cette science n’a presque rien de réel même à l’égard des mots. […] Il y a encore aujourd’hui des personnes qui par ignorance ou faute d’y avoir réfléchi, se figurent que les étymologies sont chimériques ou purement arbitraires. Elles croient sans doute que les noms ont été imposés aux objets sans raison suffissante, & par hasard. C’est, à proprement parler, dire qu’il se produit des effets sans cause; ce qui est contre les premieres notions du sens commun. (DE BROSSES 1765: I, 36): L’étymologie sert à faire connoître les variétés de conformation anatomique dans l’organe vocal selon les différens climats. Elle indique le caractère d’ame des peuples. (DE BROSSES 1765: I, 37): Non seulement la science étymologique n’est pas inutile dans cette partie de la philosophie, où elle nous montre les rapports des noms aux choses, & nous développe le fil des idées humaines; mais elle est d’un si grand usage dans presque toutes les parties de la littérature, sur-tout pour ce qui regarde l’histoire ancienne, […]. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 43): Il arrive souvent & il arrivoit surtout au commencement du langage que s’il n’y avoit point de nom pour désigner une chose où si on l’ignoroit, on lui en donnoit un qui étoit pris de ce qui y avoit le rapport le plus prochain. Voilà ce que les étymologistes cherchent à débrouiller. Mais comme cela est souvent rélatif à des usages anciens, et aux circonstances d’alors, on a beaucoup de peine à y parvenir: il n’y a qu’une grande imagination qui puisse s’adonner à cette étude; & supposer des cas qui peut-être n’ont jamais existé. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 62– 63): *Penser* en latin *pensare* signifie proprement *peser*: on pèse pour juger de la valeur d’une chose, & on pense pour juger de la valeur des idées, de la préfence [gemeint ist préférence, wobei es zu einer Interferenz mit présence kommt] qu’on doit donner à l’une sur l’autre. *Ame* en latin *anima* signifie le souffle, la respiration: le souffle est la marque de la vie, c’est une chose subtile & invi-
640 sible; l’ame de même. Il n’y a que le tems qui, pour ainsi dire, distille les idées grossières & matérielles pour en tirer une quintessence spirituelle. *Vir* chez les latins signifioit un homme; *virtus*, la qualité d’homme; or le caractère de l’homme préférablement à la femme doit être le courage; de la virtus a pris le sens de *valeur ou courage*: le courage étoit chez les Romains la plus noble de toutes les qualités, on a donc pris dans la suite *virtus* pour *vertu*. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-667: 16): Viele Wörter machte man aus einer Reihe von Gedancken, wie die Sprache schon reicher war, und man zog die Haupttöne der Reihe in eins. z. E. Pater, (pabula terens.) Mater, (magna terens,) Privignus, (primo viro genitus,) noverca, (novo viro cara.) &c. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 10– 11): Ich will nur ein eintziges Exempel anführen, so ich bey jenem Berühmten, Schriftsteller gesehen, um zu zeigen, wie die Wörter natürlicher Weise aus einander in einer Sprache entstehen können. Hebräer und Araber nannten von der Flüßigkeit die Myrrhemorr: (Denn, wie ich schon erinnert, das *Fließen* heißt noch im Arabischen marmara oder marrara.) Davon machte man denn ein neues verbum, marar *bitter seyn*, gleichsam den Myrrhen Geschmack haben, und hievon bekam endlich bey den Morgenländern ein *Fluch* (den sie sich als bittere Worte vorstellen) *die Galle*, *der Zorn*, verschiedene Arten von Gewächsen ihre Benennung. Es ist fast unmöglich, alle diejenigen Gelegenheiten und Zufällen hier an zu führen, welche zur Erfindung der Wörter Anlaß geben können; sonderlich wenn der Anfang einer Sprache schon einigermaßen gemacht ist. Ich will nicht vorgeben, daß alle Wörter in einer ersterfundenen Sprache sollen natürliche seyn, oder den natürlichen Schall der Dinge ausdrücken: Ich glaube vielmehr, daß, wenn ein sprachloses Volck, welches seine Sprache erst bilden muß, mit natürlichen Wörtern erst angefangen; es nachher immer willkührliche machen könne, so wie die Umstände sich verhalten. (HERDER [1772] 1978a: 188): So umgekehrt die Etymologie dieser Worte scheine, so beweiset doch die Geschichte aller kleinen Völker und Sprachen, über die die Frage gilt,
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung völlig ihre Wahrheit; die Absätze der Etymologie sind auch nur Abstraktionen, nicht Trennungen in der Geschichte. (HERDER [1772] 1978a: 194–195) Viele haben sich mit den Stammlisten dieser Sprachengeschlechter versucht; ich versuche es nicht, denn wie viele, viele Nebenursachen konnten in dieser Abstammung und in der Kenntlichkeit dieser Abstammung Veränderungen machen, auf die der etymologisierende Philosoph nicht rechnen kann und die seinen Stammbaum trügen! Zudem sind unter den Reisebeschreibern und selbst Missionarien so wenig wahre Sprachphilosophen gewesen, die uns von dem Genius und dem charakteristischen Grunde ihrer Völkersprachen hätten Nachricht geben können oder wollen, daß man im allgemeinen hier noch in der Irre gehet. Sie geben Verzeichnisse von Wörtern, und aus dem Schellenkrame soll man schließen! (COURT DE GÉBELIN 1776: 7): Livre Premier. De l’étymologie. Chapitre Premier. Tout mot a sa raison. Nous l’avons dit, l’étymologie nous enseigne la raison de chaque mot; elle nous apprend pourquoi tel son réveille en nous telle idée; elle nous montre les rapports nécessaires qui se trouvent entr’eux; elle elles suit dans cette multitude de variétés qu’ils ont éprouvé & qu’ils éprouvent dans toutes les Langues, & elle donne la raison même de ces variétés qui semblent être seul effet du hazard & de l’inconstance. (COURT DE GÉBELIN 1776: 24–27): Chapitre VII. De l’Art Etymologique: Mais qu’est-ce que cet Art Etymologique qui conduit à la source de la Parole, qui rend raison de chaque mot, qui montre les rapports des Langues? Son nom qui nous vient du Grec, ne s’est point formé par hazard ou arbitrairement: c’est un mot qui peint avec exactitude l’objet qu’il désigne; mais il faut pour cet effet connoître la valeur des éléments dont il est formé. ETYMOLOGIE est composé des mots grecs Logos, parole, & étymos, vrai […]. Etymologie signifie donc Parole vraie, mot juste & exact, elle consiste dans la connoissance parfaite de la valeur des mots, de leurs rapports avec leurs objets, de leur origine, de leurs révolutions. Connoître un mot, c’est en effet con-
Etymologie noître les causes qui lui firent assigner le sens dont il est revêtu, la Langue dont il est originaire, la famille à laquelle il tient, les altérations qu’il a éprouvées. L’Art Etymologique consiste dans les principes & les régles au moyen desquelles on découvre toutes ces choses. On voit par-là, que nous prenons ce mot dans un sens beaucoup plus étendu que tous ceux qui ont fait des recherches sur les étymologies. Jusqu’ici, en s’occupant de l’étymologie d’un mot, on cherchoit uniquement à connoitre de quelle Langue il avoit été emprunté & à quelles Langues il étoit commun. Mais c’étoit un champ beaucoup trop resserré, & par-là même plus dangereux qu’utile. En ne comparant que quelques Langues, on n’a que des rapports incomplets; on ne peut apercevoir ni les mots primitifs, ni ceux qui appartiennent à une même famille; & lorsqu’on a découvert l’origine d’un mot dans une autre Langue, il reste toujours à demander, mais d’où vient cette Langue? Mais quelle fut la premiere cause des mots? Tels sont cependant les avantages de l’art Etymologique. 1. L’Etymologie donne à chaque mot une énergie étonnante, puisqu’il devient par elle une vive peinture de la chose qu’il désigne. Ce n’est que l’ignorance où nous sommes de l’origine d’un mot, qui fait que nous n’appercevons nul rapport entre lui & son objet; qu’il nous paroît par conséquence froid, indifférent; tel qu’il pourrait disparoître sans que nous y perdissions rien; qu’il n’exerce que notre mémoire. L’Etymologie nous ramenant au contraire à l’origine des mots, nous remettant dans l’état primitif, dans l’état où se trouvaient leurs Inventeurs, elle devient une description vive & exacte des choses désignées par ces mots; on voit qu’ils furent fait pour elles, qu’on pouvoit mieux choisir: notre esprit saisit ces rapports, notre raison les approuve, & on retient sans peine ces mots qui étoient un poids accablant lorsqu’on s’en occupoit machinalement. 2. Ce ne sont pas seulement des mots qu’on apprend par-là; mais en même tems des choses: un Recueil d’Etymologies seroit déjà un abrégé de toutes les Sciences, & une grande avance pour en commencer l’étude: il offri-
641 roit toutes les définitions que les Savans mettent à la tête de leurs Ouvrages; on y verroit de plus les raisons qui firent choisir les mots pour exprimer les idées qu’ils présentent. 3. L’Etymologie fournit une facilité singulière pour apprendre les Langues, en ce qu’elle réduit les mots au plus petit nombre possible, en les classant par familles & les rapportant au mot principal dont ils sortent. (Grammatica Latina 1782: 2): §. 5. Intelligendi porro et loquendi facultas nemini contingere potest, nisi qui singularum partium orationis naturam et vocabulorum singulorum originem et notiones tenet. Haec Grammaticae pars ea docet, quae Etymologia nominatur. Hac parte quoque opus habet is, qui recte, seu orthographice scribere vult. §. 5. ɇɚɤɨɧɟɰɴ ɧɟɥɶɡɹ ɞɨɫɬɢɝɧɭɬɶ ɫɩɨɫɨɛɧɨɫɬɢ ɪɚɡɭɦɽɬɶ ɢ ɝɨɜɨɪɢɬɶ, ɩɪɟɠɞɟ ɧɟɠɟɥɢ ɭɡɧɚɟɲɶ ɫɜɨɣɫɬɜɨ ɜɫɽɯɴ ɱɚɫɬɟɣ ɪɽɱɢ, ɬɚɤɨɠɴ ɩɪɨɢɫɯɨɠɞɟɧiɟ ɢ ɡɧɚɦɟɧɨɜɚɧiɟ ɤɚɠɞɚɝɨ ɫɥɨɜɚ. ɑɟɦɭ ɭɱɢɬɶ ɬɚ ɱɚɫɬɶ Ƚɪɚɦɦɚɬɢɤɢ, ɤɨɬɨɪɚɹ ɧɚɡɵɜɚɟɬɫɹ ɗɬɢɦɨɥɨɝiɟɸ. ȼɴɫɟɣ ɱɚɫɬɢ ɢɦɽɟɬ ɬɚɤɠɟ ɧɭɠɞɭ ɬɨɬɴ, ɤɬɨ ɯɨɱɟɬɴ ɩɢɫɚɬɶ ɩɪɚɜɢɥɶɧɨ ɢɥɢ ɨɪșɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤɢ. (Grammatica Latina 1782: 9): §. 25. De Etymologia in vniversvm: Etymologia est pars Grammaticae, quae originem et notiones vocabulorum eorumque naturam tradit. Etymologiae vocabulum origine Graecum est. Compositum est ex duobus vocabulis, ȑIJȣȝȠȢ, verus, et ȜȩȖȠȢ, oratio. Etymologiam Cicero appellat Notationem, Quintilianus Originationem. §. 25. Ɉɛɴ ɗɬɢɦɨɥɨɝiɢ ɜɨɨɛɳɟ ɗɬɢɦɨɥɨɝiɹ ɟɫɬɶ ɱɚɫɬɶ Ƚɪɚɦɦɚɬɢɤɢ, ɩɨɤɚɡɵɜɚɸɳɚɹ, ɤɚɤɴ ɧɚɯɨɞɢɲɶ ɧɚɱɚɥɨ, ɡɧɚɱɟɧiɟ ɢ ɫɜɨɣɫɬɜɨ ɤɚɠɞɨɣ ɪɽɱɢ. ɉɪɨɢɫɯɨɞɢɬɶ ɨɬɴ ɞɜɭɯɴ ɝɪɟɱɟɫɤɢɯɴ ɫɥɨɜɴ, ȑIJȣȝȠȢ, ɢɫɬɢɧɧɵɣ, ɢ ȜȩȖȠȢ, ɪɽɱɶ, ɩɨɱɟɦɭ, ɜɴ ɪɚɡɫɭɠɞɟɧiɢ ɧɚɱɚɥɚ ɫɜɨɟɝɨ, ɟɫɬɶ ɫɥɨɜɨ Ƚɪɟɱɟɫɤɨɟ, ɤɨɬɨɪɨɟ ɐɢɰɟɪɨɧɨɦɴ ɧɚɡɵɜɚɟɬɫɹ Notatio (ɩɪɢɦɽɱɚɧiɟ), ɚ Ʉɜɢɧɬɢɥiɚɧɨɦɴ Originatio (ɧɚɱɢɧɚɧiɟ). (BEATTIE 1788: 44): Besides, reformations of this kind, supposed practicable, would obliterate etymology, and, with that, the remembrance of many old customs and sentiments, would take away from the significancy of many important words, and involve in confusion both our grammar and our policy.
642 (BEATTIE 1788: 185): It may be necessary to remark, that a sentence comprehending a thing, a quality, and an affirmation, is in Logick called a proposition; of which, the thing spoken of is the subject; the quality, affirmed, or denied, to belong ot the subject, is the predicate; and the word, or words, containing the affirmation or negation, are the copula. (Débats 1800–1801: I, 332): Si vous voulez vous conformer absolument à l’étymologie, d’abord vous tombez dans un invénient, qui est que vous serez obligés de rétablir des lettres que l’usage aurait abolies; ensuite des lettres qui n’auront pas de sons, rien n’en avertira l’élève. Voulant conserver l’étymologie, vous ne pouvez avoir l’équivoque des caractères; il vaudrait mieux se désabuser de cet attachement à l’étymologie: je ne crois pas qu’il soit très utile de s’y attacher, puisqu’elle est inutile pour les savants, et fatigant pour ceux qui ne sauraient pas les langues étrangères; ils trouveront des caractères qui peuvent être rendus de plusieurs manières: j’en conclus, qu’on ne devrait pas s’attacher à l’étymologie. (BUTET 1801a: XXI-XXII): Or, un système de Lexicologie quelconque, ne peut s’établir que sur la détermination des prépositions et des désinences, puisque les radicaux sont autant des signes isolés d’idées distinctes, qui ne peuvent s’ordonner que par l’identité des formes ou des modifications dont ils sont susceptibles. Les travaux de tous les Etymologistes deviennent donc inutiles pour des recherches de ce genre; il faut s’y livrer avec la patience de l’homme qui rassembla les matériaux du premier Dictionnaire. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 158): L’étymologie fixe notre attention et porte nos recherches sur l’origine, la transmigration, et la filiation ou dérivation des mots simples ou composés, et nationaux ou étrangers. Cette partie, quoique savante et curieuse, a le malheur de ne nous offrir souvent que des conjectures hazardées et peu satisfaisantes. Cependant elle repose sur des principes philosophiques qu’on ne peut trop approfondir; et souvent elle nous conduit à des résultats généraux qui sont de la plus haute importance, d’autant plus que les recherches qui lui sont propres, se trouvent presque toujours être le
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung seul moyen qui nous reste, pour remonter à la connoissance de 1’histoire ancienne ou primitive des langues, des sciences, des opinions, des mœurs, de l’industrie, et de la police des peuples. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 164–165): Dans les langues dérivées sur-tout, qui en général n’ont point de racines à elles, et qui de plus, en ont empruntées ou reçues de toutes les langues anciennes auxquelles elles ont succédé; il est rare que ces racines étrangères qui n’ont aucune analogie entr’elles, conservent leur valeur primitive; et dès-lors leur réunion dans un même mot, n’offre plus de sens frappant: voilà pourquoi les nouvelles compositions de ce genre qu’on oserort hazarder aujourd’hui dans nos langues vivantes, paroitroient bizarres, et ne nous présenteroient aucun sens: elles ne seroient point admises; et c’est pour toutes ces raisons, que nous n’avons encore à présent, d’autres termes techniques, que ceux qui nous sont venus des langues anciennes et savantes; et que si de nouvelles connoissances nous portent à en rechercher de nouveaux, c’est encore dans ces langues savantes, à la première source de nos sciences, que nous allons prendre ces mots nouveaux dont nous avons besoin, et dont les racines si peu connues parmi nous, sont au moins consonantes et expressives aux yeux des hommes instruits. (DENINA 1804: I-II): Mais c’est surtout avec l’histoire, et la géographie que la science étymologique est liée par un double rapport; car elles s’entr’aident mutuellement et servent l’une à l’autre d’introduction. L’étymologiste ne marchera jamais d’un pas bien sûr dans ses recherches sans le secours de l’histoire; et l’historien ne jettera quelque jour sur les siècles obscurs qu’avec cette profonde connoissance des langues qui constitue la science étymologique. Aussi le savant Mr. Pinkerton dans sa docte dissertation sur les Scythes et les Goths paroissant d’abord contraire au gout dominant pour les étymologies, finit par convenir que le langage est le guide le plus sûr dans les recherches sur les origines des nations. (DENINA 1804: XIII-XV): Du reste, au lieu que les étymologistes latins tiroient tout de la langue dans laquelle ils écrivoient, supposant toujours préexistans dans leur idiome les
Etymologie mots, dont ils se servoient pour en expliquer un autre, Becanus fait venir tous les noms, même les Grecs et les Latins, de la langue Belgique, qu’il prétend ou suppose antérieure à toutes les autres. Matthias Martinius mit beaucoup plus de bon sens et de saine critique dans son Lexicon philologicum, dont bien d’autres écrivains de cette classe ont sû profiter, excepté Samuel Bochard qui ne fut pas moins visionaire que Becanus en voulant tout trouver dans le Phénicien, auquel il rapporte l’origine de toutes les langues européennes. Jean Gérard Vossius et François Junius, l’un dans son Etymologicum linguae latinae, l’autre dans le Glossarium Gothicum, (car je regarde la langue gothique comme ancienne, puisqu’elle existoit certainement dans le beau siècle de la langue latine) ont assez bien montré l’origine de ces deux langues. Mais croyant trouver tous les mots latins dans le grec et l’hébreu, ils ont absolument négligé d’en chercher dans les idiomes du Nord. Cela est d’autant plus étonnant que Vossius dans un ouvrage précédent sur les défauts de la langue latine, avoit souvent opposé des mots germaniques à des racines prétendues grecques. Junius a bien aperçu dans le grec la racine des mots gothiques, sans observer que ces mots grecs avoient été tirés du scythique. D’ailleurs tant lui que Vossius et Boxhornius, ont totalement négligé ou ignoré les langues esclavonnes, c’est-à-dire la bohémienne, la polonoise et le russe, lesquelles, quoique au premier coup d’oeil extrêmement différentes de la grecque, de la latine et de la germanique, ne laissent pas que d’avoir avec ces dernières un grand rapport. (DENINA 1804: X-XI): Il suffira de rappeler en peu de mots que la science étymologique ne date pas moins que du siècle de Platon et d’Aristote, pour ne pas dire de Moïse. Ces illustres philosophes ne comptoient certainement pas de s’occuper d’une vaine étude en cherchant, comme ils ont fait, l’origine, la raison, le sens des noms. Une autre classe des philosophes grecs non moins renommée que celle dont Platon et Aristote ont été les fondateurs, a mis encore plus d’importance à l’étude des mots; car les Stoïciens cherchoient à trouver dans le matériel du nom, l’esprit de la chose. Malheureusement aucun des anciens étymologistes latins n’a pris la bonne voie
643 pour atteindre le but qu’ils avoient en vue. Non seulement ils ne s’avisèrent point de chercher l’origine des noms dans le langage illyrique ou dans le germanique, dont probablement ils n’eurent aucune connoissance, ni dans le celtique, dont ils avoient pourtant quelque idée; mais à peine firent-ils attention au rapport des mots latins avec les grecs, qu’ils connoissoient sûrement. Ils semblent avoir supposé, comme l’ont fait ensuite les théologiens scholastiques, que c’étoit la sagesse même, humaine ou divine, qui avoit imposé les noms à tous les êtres visibles et sensibles; tandis que c’est l’ignorance sauvage qui en fit le premier fond. (BERNHARDI [1805] 1990: 2–3): Faßt man das Gesagte zusammen, so hat man einzelne oder verknüpfte articulirte Töne, welche man formell oder materiell ansehen kann. A. Formell kommen in Betrachtung: a) ihre Elemente oder die Buchstaben. b) Zusammensetzung derselben zu einer möglichen Einheit, oder die Sylben. c) Befassen dieser Sylben unter einen Accent, oder Wörter. d) Verwendung der so entstehenden Einheit für Musik. B. Materiel [sic!] kommen in Betrachtung die Wörter so fern sie auf Vorstellungen bezogen werden, und zwar a) erstlich in so fern sie auf einzelne Vorstellungen bezogen werden, also als einzelne Redetheile. Diesen Theil der Sprachlehre hat man Etymologie genannt. Dann b) Wörter als auf Reihen von Vorstellungen bezogen, dieser Theil der Sprachlehre heißt Syntaxis. c) Endlich wird sich finden, daß zwischen diesen beiden Theilen gewisse Uebergangsformeln liegen, denen man bis jetzt keinen allgemeinen Namen gegeben, als: Derivation, Composition, Inhärenz und Dependenz, die wir dann als solche erläutern müssen. (BERNHARDI [1805] 1990: 7–8): Zweitens kann sich die Sprachwissenschaft nicht mit den individuellen Zeichen der Sprache selbst einlassen. Denn obgleich eine große Consequenz unter ihnen als einem Ganzen ist, obgleich ihre Construktion durch eine etymologisirende Anordnung sehr verständlich gemacht werden kann, so gehört dies doch alles zu den bedingten Formen, deren Möglichkeit allein in der Sprachwissenschaft bewiesen wird und deren einem System ähnliche Be-
644 fassung sie der einzelnen Grammatik oder dem Lexikon überläßt. (BERNHARDI [1805] 1990: 115–118): Wir treten jetzt in den Etymologischen Theil, und was ist es da, was als gebildet, als schon vorhanden voraus gesetzt wird? Doch wohl nichts anders als das Wort. Das Wort als Wort, war daher der Zweck aller vorhergehenden Untersuchungen. Daß aber das Wort für uns als Stammwort nur war, daß dieses das Elementarische ist, ist wohl für sich klar. Ferner, womit hat es denn der Etymologische Theil zu thun? doch wohl mit den Wörtern als Redetheilen, mit der Möglichkeit gegenseitig als Wörter in einander zu verschmelzen und sich unterzuordnen. Ist dieses in der Elementarreihe nicht das Derivatum? und wozu wird die Möglichkeit der Inhärenz und Dependenz in der Etymologie so weitläuftig auseinandergesetzt? doch wohl nur darum, damit sie einmahl zu Stande kommen? welches durch die Syntax geschieht. In der Elementarreihe geschieht dies nur durch das als Compositum angesehene Derivatum. A. Etymologischer Theil. Erstes Capitel. Von dem Zwecke und der Methode in der Etymologie. §. 31. Erläuterung des grammatischen Punktes von welchem hier ausgegangen wird. 1) Wir waren in dem vorigen Theile so weit gekommen, daß wir den Begriff eines Wortes faßten, dem wir aber kein anderes Correlat geben konnten, als das eines Bezeichnenden überhaupt, einer Bedeutung. 2) Ohne diese Bedeutung war das Wort nichts als ein Schall, ein Unbestimmtes, mit derselben ward es erst bestimmt und fest. 3) Hier soll näher in die Sache eingegangen werden, es sollen uns die Wörter in Arten zerspringen, diese vielleicht in Unterarten, und beide sich durcheinander zu neuen Formen und neuen Darstellungen verknüpfen. 4) Wie aber kann und wird dies möglich seyn? Ganz gewiß unmöglich, ohne ein höheres, spaltendes Princip, ohne objectiven Eintheilungsgrund, den wir also aufsuchen müssen. 5) In dem Worte als solchem kann er nicht liegen, denn dieses haben wir im vorigen Theile schon nach allen Richtungen durch-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung drungen, wohl aber in der, im Vorübergehen betrachteten Bedeutung. 6) Diese Bedeutung war eine mit dem Worte verbundene Vorstellung, ein Begriff. Im ganzen vorigen Theil war die Sprache uns nichts als Darstellung an sich, ohne Hinsicht auf ein Dargestelltes, jetzt tritt sie als Correlat einer Vorstellung auf. 7) Dasjenige demnach, worauf künftig immer muß hingeschaut werden, aus welchem alles hervorgeht, das feste und bleibende, ist die Vorstellung, dem Verstande innwohnend. 8) Es wird genug seyn, ein für allemahl zu erinnern, daß wir in diesem und dem syntaktischen Theile, die Sprache nur als ein durch die Imagination unter dem leitenden Verstande zwar producirtes, aber schon völlig in den Verstand übergetretenes Ganze betrachten, welches als Innbegriff von Zeichen im dem Gedächtnisse verwahrt wird. 9) Eben so klar ist es: daß wir in diesem und dem folgenden Theile nur auf die Form überhaupt sehen können und werden, welche die Sprache hat. Wir werden nehmlich die Begriffe selbst sich theilen lassen, und aus dieser Theilung die Wortarten und ihre nähern Bestimmungen ableiten, dann diese nach einem andern Princip verknüpfen, aber keinesweges darauf sehen, was denn der Inhalt dieser Darstellung sei, was eigentlich dargestellt werde. 10) Erst weiterhin werden wir die Sprache, welche wir bis jetzt immer nur als Organ betrachtet haben, auch mit Materialien für dieses versehen, die Sprache nicht mehr als Verstand, sondern wirklich als Vernunft selbst betrachten und zeigen: daß die Untersuchungen hier und im folgenden Buche die Möglichkeit, die spätern die Wirklichkeit und Kunst in der Sprache betreffen. 11) Der Begriff ist daher als Correlat des Wortes überhaupt dasjenige was die spätern Untersuchungen leiten kann, und wir theilen daher denselben im folgenden historisch ein. (Grammatika latinskaja 1807: 6): § 9. ɗɬɢɦɨɥɨɝiɹ ɟɫɬɶ ɱɚɫɬɶ Ƚɪɚɦɦɚɬɢɤɢ, ɩɨɤɚɡɵɜɚɸɳɚɹ ɫɜɨɣɫɬɜɚ ɫɥɨɜɴ, ɩɪɨɢɡɜɟɞɟɧiɟ ɢɯɴ ɢ ɩɟɪɟɦɽɧɵ. (THUROT 1830–1833: I, 250–251): Sur environ cent cinquante mots de cette espèce, pris
Etymologie dans une de nos langues les plus cultivées de l’Europe, il est probable qu’on pourrait parvenir à prouver, par des étymologies presque certaines, que la plus grande partie ne sont que des noms ou des verbes, et qu’on n’en trouverait guère qu’une douzaine trop altérés, peut-être, pour qu’il fût possible de remonter à leur origine. La doctrine que nous adoptons ici paraît donc fondée sur les faits, aussi bien que sur la nature du langage. La comparaison, sous ce rapport, de plusieurs langues, dont les systèmes diffèrent entièrement de celui de nos idiomes d’Europe, pourrait confirmer encore cette doctrine, et prouver le point principal que nous nous sommes proposé d’établir ici. C’est que la forme invariable de tous ces mots a été le résultat nécessaire de leur manière de signifier, née elle-même des besoins de l’énonciation.
III. Es gibt Themenbereiche im Umfeld der
Sprache, deren Behandlung zeitlose Gültigkeit zu haben scheint und bei denen es nahe liegt, ein ständiges Akkumulieren von Wissen anzunehmen. Ein solcher Bereich scheint für den heutigen Betrachter auch die Etymologie zu sein. Frühere Feststellungen zu Etymologien können durch neue Erkenntnisse korrigiert, ergänzt oder bestätigt werden. Eine nur auf diesen Aspekt des Gegenstands bezogene Betrachtungsweise wird jedoch der Komplexität etymologischer Forschung und ihrem Anteil an der Selbstreflexion von Kulturen nicht gerecht. Gerade in der frühen Neuzeit kam es zu einem grundlegenden Wandel im Verständnis des Erkenntniswerts der Etymologie. Der damit verbundene Bruch war weit tiefer greifend als es Veränderungen in den angewandten Methoden der etymologischen Forschung nahe legen würden.
1. Etymologie bis zum 16. Jahrhundert In den ersten bekannten etymologischen Überlegungen ging es vor allem um die Frage, inwieweit einer bestimmten Bezeichnung Wahrheitswert zukommt. Wenn nach der ijȪıİȚAuffassung von PLATONs Kratylos den Wortformen die Fähigkeit zugestanden wird, etwas über die Wortinhalte oder sogar die bezeichneten Dinge auszusagen, so liegt eine assoziative Deutung als “Entzerrung” der Bestandteile der Wörter nahe, die sich nach Kratylos (414c) aus einem Verständnis der
645 Etymologie als Erklärung eines Wortes durch ein anderes oder mehrere andere ergeben konnte. So kann schon im Kratylos selbst, gr. ĮȡİIJȒ ‘Tugend’ als ȡȑȠȞ ‘immer Fließendes’ gedeutet werden, und später konnte VARRO den Namen der Rebe (vitis) aus dem der Kraft (vis) ableiten oder cura ‘Sorge’ von cor urere ‘das Herz brennen’ herleiten. Bei den Römern wurde Etymologie unter der fremden Bezeichnung quam Graeci İIJȣȝȠȜȠȖȓĮȞ vocant, später auch als etymologia gebräuchlich. Es wurde ein Verfahren entwickelt, das die Form der (Anfangs-)Buchstaben zum Ausgangspunkt der Deutung macht: vallum ‘Verschanzung’, weil Palisaden an der Spitze ein V bilden; crux ‘Kreuz’ stimmt in der Härte des Klangs überein mit der Härte des Schmerzes, den das Kreuz bewirkt. Auf der Ebene solcher bis in die Gegenwart amüsanter und deshalb mitunter auch einem breiteren Publikum Respekt für etymologische Forschungen abnötigender Geschichten liegt es auch, wenn CICERO den Namen der Göttin Venus damit erklärt, dass sie allen Dingen zukomme (ad res omnes veniat) oder QUINTILIAN vulpes ‘Fuchs’ als volipes ‘Fliegefuß’ deutet. Die Kirchenväter AMBROSIUS, HIERONYMUS und AUGUSTINUS betrieben Etymologie als Mittel, um mit ihrem spekulativ-theologischen Denken zu tiefer Sinnerschließung der Wörter zu gelangen. Als paradigmasetzendes Werk mittelalterlichen etymologischen Denkens können die Etymologiae des ISIDOR VON SEVILLA betrachtet werden. ISIDOR formuliert eine Reihe von Grundsätzen seiner etymologischen Betrachtungen, die später immer wieder zum Bezugspunkt wurden: 1. etymologiae ex causa datae (rex a recte agendo), 2. ex origine (homo, quia sit ex humo), 3. ex contrariis (a lavando lutum), 4. ex nominum derivatione (a prudentia prudens), 5. ex vocibus (a garrulitate garrulus), 6. ex Graeca etymologia (ut silva, domus), 7. ex nominibus locorum, urbium, fluminum, 8. ex diversarum gentium sermone (pleraque barbara nomina). Die Etymologie nimmt im Mittelalter eine charakteristische Wendung ins Theologische, insofern gestützt auf die Heilige Schrift versucht wurde, den in jedem Wort verschlossenen sensus spiritualis zu enthüllen. War die Worterklärung der Antike noch von Ideenas-
646 soziationen auf Grund von Klang und ĺ Bedeutung ausgegangen, so versuchte man nun, in der Antike heidnisch erklärte Wörter christlich zu interpretieren. So wurde mors ‘Tod’ in der Antike noch von amarus ‘bitter’ hergeleitet oder mit dem Kriegsgott Mars als dem Bringer des Todes in Verbindung gebracht. Als weitere Möglichkeit folgt jetzt in christlicher Zeit eine Herleitung vom Apfelbiss (morsus ‘Biss’), dem biblischen Sündenfall. Hatte schon ISIDOR auch nichtklassischen Sprachen etymologischen Erkenntniswert zugestanden und findet sich sogar in PLATONs Kratylos (410a und 409e) selbst der Hinweis auf das indoeuropäische Phrygische, so gilt schließlich für DANTE als Beweis für den Zusammenhang der Sprache der Italiener, Spanier und Franzosen, dass sie vieles durch dasselbe Wort bezeichnen (DANTE, De vulgari eloquentia, I VIII 6). Innerhalb der auf diese Weise abgegrenzten Sprachenfamilie werden die einzelnen Angehörigen durch ihre Bejahungspartikel (si, oïl, oc) bezeichnet. Damit war eine Methode vorgezeichnet, die bis in das 16. und 17. Jahrhundert ihre Gültigkeit behielt. Auch Joseph Justus SCALIGER hält es für möglich, jeder ‘Muttersprache’ ein Wort zu entnehmen und es in den Abkömmlingen dieser Sprache aufzusuchen. Die vier großen linguae matrices gliedert er nach den Bezeichnungen für ‘Gott’ (lat. deus, griech. șİȩȢ, germ. godt, slav. boge), dann werden zum Beispiel die den lingue godt entsprechenden germanischen Sprachen in Teutonismus, Saxonismus und Danismus gegliedert, worauf sich eine Gliederung des Teutonischen in eine lingua Water (Niederdeutsch) und eine lingua Wasser (Hochdeutsch) anschließt. Obwohl SCALIGERs Übersicht über die Europaeorum linguae eine empirisch nüchterne Bestandsaufnahme darstellt und die bei anderen Autoren noch bis ins 18. Jahrhundert wirkende Lehre von den linguae sacrae überwindet, weist sie gerade im etymologischen Bereich eine bemerkenswerte Schwäche auf: zwischen den linguae matrices nimmt SCALIGER nämlich keine Beziehungen an. Solche Beziehungen wären durchaus vordergründig gewesen, wenn als Ausgangspunkt der Klassifikation nicht Bezeichnungen
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung für ‘Gott’, sondern etwa Verwandtschaftsbezeichnungen verwendet worden wären. Die Etymologie als Grundlage genealogischer Klassifizierungen zu verwenden entsprach jedoch nicht dem primären Anliegen mittelalterlicher etymologischer Betrachtungen. Die Funktionen des Etymologisierens im Mittelalter bestehen vielmehr in einer Unterstützung des Denkens. Dabei wird vorausgesetzt, dass eine von Natur aus gegebene Beziehung zwischen Worthülle, ĺ Bedeutung und bezeichnetem Sachverhalt besteht. Etymologien konnten zu exegetischen und moralisierenden Zwecken verwendet werden, aber auch über eine Semantisierung von Eigennamen Handlungen und Eigenschaften von Personen vorwegnehmen und begründen helfen. Dieses in der Hagiographie häufige Verfahren verwendet zum Beispiel BOCKING in seiner Darstellung des Lebens von RICHARD DE WYCH, Bischof von Chichester: ‘Ricardus’ igitur etymologice potest dici quasi ‘ridens’, ‘carus’ et ‘dulcis’. Entscheidend war in diesem Zusammenhang die Grundüberzeugung, dass das Hebräische als lingua Adamica die erste und älteste Sprache ist, von der alle anderen ausgegangen sind (ĺ Ursprache). Je weiter sich Sprachen vom Hebräischen entfernen, umso weniger deutlich ist ihre Verwandtschaft und umso größer die Sprachmischung. Aus dem Bestreben, auch das Griechische, Lateinische und moderne Volkssprachen vom Hebräischen abzuleiten, d. h. Wortgleichungen zwischen allen betrachteten Sprachen aufzustellen, entwickelt sich die Methode der Sprachenharmonie. Auch diese Methode entstand in Weiterführung der universalen Bemühungen der Scholastik um Rechtfertigung der Glaubenswahrheiten. Eine methodische Konsolidierung der vergleichenden Sprachwissenschaft tritt mit GESNERs Mithridates ein. Er liefert eine Zusammenstellung von Sprachproben von Äthiopisch bis Rotwelsch und vertritt die Meinung, dass bis auf das Hebräische alle Sprachen vermischt und verderbt seien (ĺ Korruption). Erstmals wird hier die Zusammengehörigkeit der romanischen und germanischen Sprachen erkannt. In ihrer Verwendung zu exegetischen, apologetischen (ĺ Apologie) oder künstlerisch-
Etymologie narrativen Zwecken setzt die Etymologie kein Nachdenken über die Entstehung der Beziehung zwischen dem Wortkörper und dem Bezeichneten voraus. Gerade diese Beziehung wird als ursprünglich und selbstverständlich vorausgesetzt und als Instrument, nicht als Objekt von Erklärungen benutzt. Eine Beziehung der Etymologien zur Frage nach dem ĺ Ursprung der Sprache liegt jedoch auf der Hand. Für die Behandlung dieser Frage gab es in der frühen Neuzeit sowohl philosophische Anlässe als auch ein breites philologisches Interesse, das mit der Aufwertung der einzelnen Volkssprachen entstanden war. 2. Der Ursprung der Wörter als philosophisches und philologisches Thema Ausgangspunkt für Exegese und Spekulationen waren zunächst die spärlichen und vielfältig interpretierbaren Aussagen des Alten und des Neuen Testaments zur Sprachentstehung gewesen (Genesis 1,3: Gott setzt durch die Sprache das Licht in die Welt; 2,19: Adam benennt die Tiere, die Gott ihm zuführt; Genesis 11,1–9: Der Turmbau zu Babel (ĺ Sprachverwirrung), im Neuen Testament Actus Apostolorum 2,1–15: Das Pfingstwunder). Der Schwerpunkt hatte dabei zunächst auf dem Nachweis des Ursprachecharakters des Hebräischen gelegen (ĺ Ursprache). Auf dieser Basis wird eine etymologische Harmonie der Sprachen angenommen, die ihren Zusammenhang untereinander und mit dem Hebräischen als Ausgangssprache nachweisen lässt (vgl. GUICHARD 1610, MINSHEU 1617). Bereits im 16. Jahrhundert hatte sich allerdings die Situation insofern ändert, als sich nun auch Legitimationsstrategien für die Nationalsprachen des Ursprungsthemas bedienten und Etymologien nutzten (ĺ Ursprung). Ein Beispiel dafür ist der von LEIBNIZ verspottete GOROPIUS BECANUS, der die Geschichte des Turmbaus von Babel wörtlich nimmt und ihre Erzählstrategie aktualisiert (ĺ Sprachverwirrung, ĺ Ursprache). Die geläufige Beweisführung für die Würde des Hebräischen wird von GOROPIUS einfach umgekehrt und zu einer legitimatorischen Erzählung über die Sprachen verarbeitet: Nur diejenigen, die am Turmbau beteiligt gewesen seien, hätten auch die Ursprache verlieren können. Da aber den Germanen schon vorher
647 durch Noah ihr europäisches Erbteil zugewiesen worden war, hatten sie schließlich keinen Grund, sich an diesem häretischen Unternehmen zu beteiligen. Da das Niederländische einfacher, einsilbiger und präziser sei als das Hebräische, kommt er schließlich zu dem Schluss, dass es auch der sogenannten Ursprache näher sei, oder sogar die lingua Adamica darstelle, von der alle anderen Sprachen abgeleitet seien. GOROPIUS’ Thesen stehen für den Durchbruch des modernen Nationalismus im Sprachdenken, sie haben letztlich eine politische und weniger eine sprachphilosophische oder theologische Intention. Das spekulative Etymologisieren, das GOROPIUS zur Begründung seiner Thesen genutzt hatte, veranlasste LEIBNIZ zu bissiger Kritik, die er allerdings bereits als den geläufigen Diskussionsstand seiner Zeit darstellte. Goropisieren oder becanisieren verwendet LEIBNIZ – nach eigener Aussage dem geläufigen Sprachgebrauch entsprechend – als Synonym für fehlgeleitete Etymologien, obwohl ihr Grundanliegen, der Nachweis des ursprünglichen Charakters des Deutschen, durchaus für legitim erklärt wird. Eine Reihe anderer Etymologieversuche waren maßvoller und wurden von LEIBNIZ durchaus geschätzt, so die für den Stand etymologischer Forschungen der Zeit repräsentativen Werke von CLAUBERG (Ars etymologica Teutonum e philosophiae fontibus derivata, 1663), SCALIGER (Diatriba de Europaeorum linguis, 1610 [abgefasst 1599]), CRUCIGER, (Harmonia linguarum quatuor cardinalium Hebraicae, 1616) und HELMONTIUS (Alphabeti vere rationalis hebraici delineatio, 1657). Während legitimatorische Deutungen sprachtheoretischer Probleme in Europa um sich griffen, erscheinen vergleichbare Diskussionen in Deutschland stärker religiös gefärbt. Der Mystiker BÖHME knüpft an die Idee einer ĺ Ursprache an, die er Natur-Sprache nennt. Für SCHOTTELIUS ist das Hebräische die Ursprache, das Deutsche allerdings die zweitälteste aller Sprachen. COMENIUS gelingt der Übergang von der Vorstellung einer klassischen lingua universalis (ĺ Universalsprache) zur Aufwertung der Volkssprachen, indem er die jeweiligen Aufgabenbereiche der Sprachverwendung voneinander scheidet. Neben der Sprachdidaktik, d. h. der Vermitt-
648 lung der derzeit gültigen Verkehrssprache, propagiert er die Rekonstruktion und Entwicklung eines vollständigen Sprachsystems. Auch er bezieht sich auf Genesis 2,19 jedoch mit der Einschränkung, dass zwar Adam die Benennungen eingeführt habe (ĺ Ursprung), zugleich aber diese Sprache nicht perfekt gewesen sei. Adam habe die Dinge nach seiner Willkür benannt (ĺ Arbitrarität), woraus die unvollkommene Natur dieser Sprache abgeleitet wird (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). COMENIUS begreift die Sprache als ein lebendiges System, in dem eine simple Nomenklaturauffassung keinen Platz findet. Für LEIBNIZ wird ein Nachdenken über Etymologie im Zusammenhang mit einem Argumentationsmuster relevant, das in der Vielfalt der Sprachen nach der ĺ Sprachverwirrung von Babel eine Strafe sah. Dieses Erklärungsmuster war mit der empirischen Kenntnisnahme der Sprachenvielfalt und der Aufwertung von Volkssprachen in der frühen Neuzeit in Konflikt geraten. Zu LEIBNIZ’ Verständnis von Sprache und Sprachen gehört deren historische Entwicklung als soziokulturelle Realität. LEIBNIZ hält zwar fest, dass es einen ĺ Ursprung geben muss und vertritt in diesem Zusammenhang die monogenetische Auffassung. Die Sprachen haben sich jedoch entsprechend ihrem Wesen verändert, die ĺ Ursprache verbleibt bei LEIBNIZ lediglich in dem Status der hypothetischen Notwendigkeit (ĺ Sprachveränderung). Wollte man der Ursprache an die Gegenwart heranreichende Realität zuschreiben, so müsste in der Gestalt der Wörter entweder etwas von physischen Zwängen der menschlichen Sprachproduktion oder eine Spur der bewussten und der Weisheit Gottes würdigen Sprachsetzung zu sehen sein (Nouveaux Essais III.2.1: A VI, VI, 281, Z. 22– 24). Es ist also der empirische Zustand der historisch gegebenen Sprachen selbst, der LEIBNIZ daran zweifeln lässt, aus ihnen Beziehungen zu einer Ursprache ableiten zu können. Die heutigen Sprachen sind teilweise aus dem Ursprung, teilweise aus dem ĺ Gebrauch der Sprache selbst entstanden und tragen in sich die Ergebnisse der Kulturgeschichte.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung LEIBNIZ geht davon aus, dass es eine hypothetische Basis gemeinsamer Wurzelwörter gibt, deren Analyse eine Grundlage für den Vergleich der Sprachen untereinander bietet, wenn auch in den verschiedenen Sprachen unterschiedliche Derivate dieser Wurzelwörter entstanden sind. Eine Sammlung der Wurzeln würde auch Aufschluss über den Ursprung der Völker erbringen. Das bedingungslose Spekulieren über den Zusammenhang von Wörtern verschiedener Sprachen, das sich zu seiner Zeit als Etymologie darstellt, kann LEIBNIZ jedoch nicht akzeptieren. Etymologische Reflexionen lässt er nur zu, wenn sie zwischen benachbarten Sprachen angestellt werden und nicht auf gedanklichen Sprüngen beruhen. Das Prinzip des non-persaltum bezieht LEIBNIZ ebenso wie auf die Betrachtung von Etymologien auch auf die Betrachtung der Migrationen von Stämmen und Völkern. Für die Suche nach frühen, den Sprachen gemeinsamen Zuständen nimmt er an, dass gleich- oder ähnlich lautende Wörter, wie z. B. Khan, König, king, können, aus diesen abgeleitet wurden. LEIBNIZ erkennt jedoch daneben auch bereits, dass es etymologisch verwandte Wörter gibt, die dennoch in keinem einem einzigen Laut übereinstimmen, wie z. B. frz. cou, dt. Hals. Das Studium der Etymologien erfordert somit eine Methodologie, die neben lautlichen und semantischen Ähnlichkeiten Sprachkontakte und soziokulturelle Bedingungen zu berücksichtigen hat. In den Nouveaux Essais verbindet er eine Aussage zur Nützlichkeit der Etymologien mit der Formulierung des methodologischen Prinzips, sie nur bei einer hinreichend abgesicherten Vergleichsgrundlage zu akzeptieren. Die onomatopoetische Wortbildung, die an den historisch überlieferten Sprachen beobachtet werden kann, liefert nach LEIBNIZ ein gutes Beispiel für die Gesetzmäßigkeit, mit der sprachliche Wurzeln fortgesetzt bzw. neue Wurzeln geschaffen werden. In diesem Sinne lässt sich Ursprüngliches auch an den derzeitigen Sprachen erkennen (Nouveaux Essais III.2.1: A VI, VI, 281, Z. 12–28). Bei ausreichend abgesicherten Grundlagen hält es LEIBNIZ durchaus für möglich, aus den ge-
Etymologie meinsamen ‘Wurzeln’ der Sprachen auf deren gemeinsamen ĺ Ursprung zu schließen. Die Etymologien der Wörter können auch als Werkzeug dafür dienen, zu einer Klärung der Frage nach dem Zusammenhang der Wörter mit den von ihnen bezeichneten Dingen beizutragen. Nicht die formale Bezeichnung durch Abstraktion macht sprachliche Bezeichnung möglich, sondern die besondere Auswahl der Bezeichnungsqualität. Zwischen den Res und den Verba besteht also eine notwendige Verbindung. Da entsprechend den Grundannahmen Leibnizschen Philosophierens die Dinge nicht willkürlich existieren, muss man Gründe annehmen, warum bestimmte Wörter bestimmten Sachen zugeordnet werden. Die natürliche Komponente des Zeichencharakters besteht für LEIBNIZ in der Analogie zwischen den psychologischen Gegebenheiten und dem phonisch-akustischen Segment, das sie bezeichnet. Es geht also um die raisons physiques, die das Funktionieren der Zeichen begründen (ĺ Natürlichkeit; ĺ Analogie). Die Beispiele, die LEIBNIZ dafür in den Nouveaux Essais und in der Epistolica Dissertatio anführt, erinnern dabei durchaus an die von PLATO im Kratylos SOKRATES unterstellten. So soll der Laut R eine heftige Bewegung bezeichnen, K ein plötzliches Anhalten, ein Hindernis. Der Sprache wird somit eine onomatopoetische Grundlage zugeschrieben, die auch der Situation des Ursprungs entspricht: Arm an consilium und reich an impetus konnten die Erfinder der Sprache nur die Erscheinungen der Natur lautlich nachahmen (ĺ Ursprung). Eine solche ikonische Qualität gesteht LEIBNIZ sowohl einzelnen Lauten als auch ganzen Wörtern zu. Ein Beispiel dafür ist das deutsche ‘Quaken’, das er in den Nouveaux Essais als erstes einer langen Reihe von Detailüberlegungen anführt. LEIBNIZ ist jedoch bei der Formulierung der onomatopoetischen Theorie sehr vorsichtig. In den Nouveaux Essais sagt er zum Beispiel, dass der Laut L eine sanfte Bewegung nahelege, dass aber diese Analogie in Tierbezeichnungen wie Luchs, Löwe und lupo nicht zutreffe, die alles andere als sanfte Tiere benennen. Dies könne sich so erklären, dass – wer diese Tierbezeichnungen festgelegt habe – ein anderes, zufälliges Ereignis im Sinn hatte. Möglicherweise habe
649 sich aber auch die Aussprache so verändert, dass vom ursprünglichen Wurzelwort nichts mehr erkennbar sei (Nouveaux Essais, VI, VI, 283, Z. 21–26). Die grundlegende Idee besteht also darin, dass die Wurzelwörter ursprünglich eine Begründung in Erkenntnisprozessen fanden, diese waren jedoch nicht rationaler, sondern gerade affektiver Art. Eine Rekonstruktion ist deshalb auch mit rationalen Mitteln nicht möglich und führt schon gar nicht zu einer Sprache, die als perfekte Sprache verwendbar wäre. Bemerkenswert ist schließlich die Tatsache, dass LEIBNIZ, im Unterschied zu seinen Zeitgenossen, den allgemeinsprachlichen ĺ Gebrauch nicht verdammte. Er unterschied deutlich zwischen dem alltäglichen und dem formellen, kontrollierten Gebrauch der Sprache und führte als eine Art Vermittlung den Begriff der significatio ein, die als eine rein sprachliche Kategorie bestimmt ist (ĺ Bedeutung). Erst wenn der Gebrauch von Wörtern nicht eindeutig ist, ist es nach LEIBNIZ zulässig, den ĺ Ursprung der Wörter zu bemühen. Zunächst wird jedoch eine formale significatio vorgezogen, die sämtliche Gebrauchsweisen umfassen soll. Ist diese nicht auffindbar, lässt sich auf den usus originarius als ein Konstrukt verweisen, das die logisch aus ihm ableitbaren Bedeutungen erklärt. Die tatsächliche Sprachentwicklung sei dagegen durch eine Übertragung und bildliche Verwendung per canales Troporum, gekennzeichnet (A VI, II, 410, Z. 24–411, Z. 1). LEIBNIZ übernimmt hier ein Metaphernkonzept aus der rhetorischen Tradition und überträgt es in einen Kontext, der die linguae receptae betrifft (ĺ Metapher). Ein ähnlicher Transfer rhetorischer Konzepte auf die semantischen Verhältnisse in den gegebenen Sprachen findet auch bei VICO im zweiten Kapitel des Buchs Logica poetica der Scienza nuova statt. VICOs Anliegen unterscheidet sich durch die pragmatische und rechtshistorische Ausrichtung vom Vorgehen LEIBNIZ’, trifft sich mit diesem jedoch in der Vereinbarung des historisch-institutionellen Charakters der sprachlichen Zeichen mit ihrer metaphorischen Bedeutsamkeit (ĺ Metapher).
650 Den Etymologien kommt nach VICO unterschiedlicher Wahrheitswert für Rückschlüsse auf die Geschichte zu, sofern es sich um einheimische Wörter handelt, sind sie Geschichten von Dingen, die von diesen Wörtern nach einer natürlichen Ordnung der Ideen bezeichnet werden. Diese natürliche Ordnung spiegelt eine Entwicklung von der Natur über die Zivilisation bis hin zu Akademien und Philosophen wieder. Sofern die Etymologien jedoch aus fremden Sprachen kommen, sind sie bloße Geschichten von Wörtern und damit für einen unmittelbaren Aufschluss über historische Vorgänge unbrauchbar. Den von VICO angenommenen drei Zeitaltern entsprechen auch drei verschiedene Arten von Sprachen. Zunächst äußerten sich die Menschen über eine stumme Körpersprache (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache), danach folgten heroische bildhafte Vergleiche und schließlich kam man bei den menschlichen Lautsprachen mit ihren durch ĺ Konvention festgelegten Wörtern an. Diese drei Zeitalter mit ihren zugehörigen Sprachen entsprechen auch jeweils spezifischen Formen der Jurisprudenz. Die Verwendung epistolärer Kommunikationsformen wird dabei erst notwendig, wenn die Gesetze von der Ausübung durch eine Art Priester auf das Volk übergehen und somit eine konventionelle Festlegung erfordern. Die ersten Sprachen waren notwendigerweise poetisch und bildeten ausgehend von Gattungen und Einzelwesen phantastische Gattungsbegriffe (generi fantastici). Es handelt sich um Bilder, auf die alle Individuen einer Gattung zurückgeführt werden, schließlich um Fabeln und Allegorien, nicht analoge und philosophische, sondern einsilbige und historische Ausdrucksformen. Diese natürlichen Ausdrucksformen (ĺ Natürlichkeit) haben zwar in den heutigen Sprachen Spuren hinterlassen, sie sind jedoch nicht ohne weiteres aus diesen ablesbar. PLATON habe im Kratylos vergebliche Mühe aufgewandt, um die ursprüngliche natürliche Rede zu finden, denn diese erste Sprache die der theologischen Dichter – war nicht eine Sprache nach der Natur der Dinge, wie es die von Adam erfundene heilige Sprache gewesen sein muss. Es handelte sich vielmehr um eine phantastische Kommunikationsform, die sich beseelter, als göttlich vorgestellter Substanzen bediente
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung (ĺ Ursprache). Da die theologischen Dichter dieser frühen Epoche vom Verstand keinen Gebrauch machen konnten, verliehen sie den Körpern (Himmel, Erde, Meer) durch einen erhabenen Akt Sinn und Leidenschaften und erhoben sie zugleich zu Zeichen und zu Gottheiten. Diese wurden später, als die Phantasie verarmte und die Abstraktionen die Oberhand gewannen (impicciolendosi così vaste fantasie e invigorendo l’astrazioni), als kleine Zeichen ihrer selbst genommen. Metonymie führte schließlich dazu, dass die Unwissenheit, die diesen bis heute verborgenen Ursprüngen zugrunde liegt, als Lehrsystem erschien: Jupiter wurde so klein und leicht, dass er von einem Adler im Flug getragen wird, Neptun fährt auf einer zierlichen Kutsche und Kybele sitzt auf einem Löwen. Etymologien widerspiegeln nach VICO die Entwicklung der natürlichen Ordnung des menschlichen Lebens. Deshalb gibt es im Lateinischen so viele Metaphern, die auf das Wald- und Landleben zurückgehen (ĺ Metapher). Von seinem Anbeginn her stellt sich für VICO das Recht in den Formen der Sprache verkörpert dar, denn mit den ersten Verwendungsweisen der Sprache, d. h. dem Versprechen, der Zeugnisablegung, dem gegebenen Wort und dem Glauben, der ihm entgegengebracht wird, entsteht überhaupt erst das gesellschaftliche Leben. In unlösbarem Zusammenhang mit dem Recht entsteht die Sprache als Ausdruck des Willens in Zusammenhang mit der Ethik der Familie, die sich im positiven Recht vollendet. Die Formen der Sprache begleiten dabei die Formen des Rechts und verändern sich mit ihnen. Infolge ihrer Unfähigkeit zu abstrahieren bleiben die Völker zunächst innerhalb begrenzter Formen der Sprache, in der alle Beziehungen auf Macht und auf symbolischen körperhaften Prozeduren beruhen. Erst auf einer höheren Stufe erlangen sie die Fähigkeit der Abstraktion und können sich mit deren Hilfe von der wörtlichen Interpretation der Sprache befreien. In seiner zweiten Scienza Nuova schränkt VICO die These von einer in den alten Sprachen und Mythen verborgenen Weisheit deutlich ein, insofern er die meisten beobachtbaren Sprachen für weit von den Ursprüngen entfernt und durch unterschiedlichste metaphorische Vorgänge verändert erklärt (ĺ Ur-
Etymologie sprung, ĺ Metapher). Wenn die Geschichte aller Völker nach einem in ihr verborgenen Plan einer ewigen idealen Geschichte abläuft, so können zwar die Mythen als Geschichte der Heroen und ihrer heroischen Sitten gedeutet werden. Die an menschlichen Institutionen, wie der Sprache und der Geschichte, orientierte Philologie ist jedoch aufgrund ihrer unzulänglichen Basis korrekturbedürftig. Die neue, kritische Kunst soll gerade dazu beitragen, dass mit Hilfe der Philosophie die Philologie überprüft werden kann. Es sei ein Fehler der Philologen gewesen, anzunehmen, die ĺ Schrift habe sich nach den Sprachen entwickelt. In Wirklichkeit sei diese Entwicklung immer Hand in Hand gegangen. Ein Durchdenken der Sprache und der Schrift könne durchaus zu Erkenntnissen über die Geschichte der Völker führen. So habe man aus der lateinischen Sprache sehr viele Entdeckungen bezüglich der alten römischen Geschichte, Regierungsform und Rechtsordnung gemacht. Dieser Prozess sei durchaus wiederholbar und analog auf andere Sprachen anwendbar. Gegenüber den verschiedenen Ausprägungen in den einzelnen Sprachen sei für die menschliche Sprachfähigkeit ein mentales Wörterbuch anzunehmen, das sich in allen drei Zeitaltern und in den verschiedenen Sprachen der epistolären Kommunikationsform wiederfindet. Die Bezeichnungen dieses mentalen Wörterbuchs rühren von der Ewigkeit her und geben allen verschiedenen artikulierten Sprachen die Bedeutungen (ĺ Bedeutung). In der Zeit, in der die Familien, die ersten heroischen Städte und auch die Sprachen entstanden, wurden der Bezeichnungsgebung jeweils unterschiedliche Merkmale zugrunde gelegt, so dass sich die Sprachen der einzelnen Völker zwar unterscheiden, hinter ihnen aber eine Sprache steht, in der die ewige ideale Geschichte spricht. Die Annahme eines solchen mentalen Wörterbuchs lässt sich in Analogie zur Vorstellung von einer idealen Geschichte sehen, auf die sich die Nationalgeschichten beziehen lassen. 3. Etymologie als Ausdruck des gelehrten und mondänen Sprachdenkens Doch auch fernab von den philosophischen Bezügen eines LEIBNIZ oder VICO war Ety-
651 mologisieren in gelehrten und in mondänen Kreisen im 17. Jahrhundert sehr in Mode gekommen. Man widmete sich insbesondere Etymologien ausgehend vom Lateinischen und vom Griechischen und verwarf meist ohne weitere Begründung die letztlich aus der ĺ Apologie der Nationalsprachen heraus entstandenen Versuche eines GOROPIUS BECANUS für das Flämische, eines PONTANUS für das Keltische, eines COVARRUBIAS für das Kastilische, eines MONOSINI für das Italienische. COVARRUBIAS hatte in seinem Tesoro de la Lengua Castellana o Española (1611) etymologische Überlegungen dargestellt, er hatte dabei Hebräisch als ĺ Ursprache betrachtet und spanische Wörter auf diese zurückgeführt. Obwohl dabei viele Fehler vorkamen, die auf die zahlreichen Arabismen zurückgingen, war COVARRUBIAS die parallele Herkunft aus dem Lateinischen bewusst. Neben GUICHARD, der den Nachweis einer Abstammung aller Sprachen vom Hebräischen führen wollte und sich dafür gewisser nicht methodisch begründeter Ähnlichkeiten, der etymologischen Harmonie, bediente, hatte es in Frankreich eine Schule gegeben, die die Ursprünge des Französischen im Griechischen suchte (BUDÉ, PÉRION, TRIPPAULT). Henri ESTIENNE gehörte ihr nicht mehr ganz an, da er Ursprünge des Französischen auch im gesprochenen Latein sah. PICARD (Priscia Celtopaedia 1556) vertrat den keltischen Ursprung der französischen Sprache. Die phantasievollen Etymologien des 16. Jahrhunderts, insbesondere die etymologischen Spiele bei RABELAIS, hatten noch ihre Nachwirkung und man betrachtete Etymologien als einen Zeitvertreib für Gebildete. Der herausragende Vertreter der Etymologie im 17. Jahrhundert MÉNAGE grenzt sich in seinen Les origines de la langue françoise (1650) zunächst von allen Vorläufern ab und beansprucht dem Stil der Zeit gemäß Originalität. In seiner Abhandlung zu dieser Thematik hatte MÉNAGE keine strenge Methode; es lässt sich auch höchstens von einigen etymologischen Prinzipien seines Arbeitens sprechen. Mit dem Hinzufügen und dem Wegfall einer Silbe, der Metathese und der ĺ Analogie bedient er sich allgemeiner Prinzipien, die ihm in vielen Fällen zutreffende Schlüsse erlaubten. Eingangs formuliert er Regelmäßig-
652 keiten bei der Veränderung von Lauten, die auf Beobachtung beruhen, in einigen Fällen den im 19. Jahrhundert von DIEZ formulierten Lautgesetzen nahe kommen und ihn in 70 % der Fälle zu richtigen etymologischen Feststellungen führten. Bei der Beschreibung der Etymologie einzelner Wörter führt er auch Vergleiche mit anderen Sprachen an. In seinem Dictionnaire Étymologique ou origines de la langue françoise (1694) erweitert er die Einträge zu den einzelnen Wörtern und nimmt auch Zitate aus Texten auf. MÉNAGE beweist Textkenntnis und die Kenntnis von Sprachen, die für die Etymologie nützlich sind. Dennoch bleiben seine Etymologien häufig spekulativ und zufällig. Zum Beispiel hatte er keine klaren Begriffe von Entlehnung und Erbwort und kam deshalb zu einigen Fehlurteilen. Nachdem das Etymologisieren unter den Verdacht der Beliebigkeit geraten war, erlebten Etymologieversuche jedoch im Zusammenhang mit der Diskussion um die ĺ Natürlichkeit sprachlicher Zeichen einen neuen Aufschwung. Wenn die Elemente der ersten Sprache natürlich und notwendig waren, dann müssen sie von daher in jeder Sprache wieder findbar sein. DE BROSSES verfolgte mit seinen Überlegungen zur Etymologie im Traité de la formation méchanique des langues (1765) dieses Ziel. Um auf Etymologien zu kommen, suchte DE BROSSES nicht nach dem Muster vieler Versuche zur Harmonie des langues nach gemeinsamen Wurzelwörtern in verschiedenen Sprachen, sondern bemühte sich, in die Bedeutungsstruktur der einzelnen Wörter der Sprache einzudringen (ĺ Bedeutung). Sein Ausgangspunkt ist der Zusammenhang von Sprache und Erkenntnisprozess, von der Etymologie erwartete er sich daher Aufschlüsse über die Geschichte der Völker und ihres Denkens. Die ständige Bezugnahme auf das Klima erlaubte es ihm, auch solche sprachlichen Erscheinungen für sein System befriedigend zu erklären, für die es zu seiner Zeit noch keinen wissenschaftlichen Zugang geben konnte. DE BROSSES unterscheidet zwischen natürlich Motiviertem und historisch Festgelegtem, im genetischen Sinne Arbiträrem in der Sprache (ĺ Natürlichkeit, ĺ Arbitrarität), wobei der Einfluss des Klimas in beidem zu erkennen
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung sei. Natürlich motiviert sind nach seiner Auffassung die racines, die ursprünglichen Wurzelwörter, die als Interjektionen und Onomatopoetika dem Ausdruck von Emotionen und Wahrnehmungen dienen. Welcher Art diese racines waren, hinge von der Beschaffenheit und Bewegungsfreiheit der Artikulationsorgane ab (ĺ Artikulation). Da das Klima, die Luftverhältnisse, die Art der Ernährung und viele andere damit zusammenhängende Faktoren zu Variationen in der Beschaffenheit der Sprechorgane führen, ergaben sich nach seiner Auffassung erste Unterschiede im Charakter der Sprachen bereits aus ihrer unterschiedlichen physiologischen Grundlage. Jedes Volk hat seine eigene méchanique, einen Mechanismus, nach dem es seine ersten Sprachzeichen bilden konnte. Von ähnlichen Annahmen wie DE BROSSES ausgehend und durch diesen beeinflusst, kam auch COURT DE GÉBELIN in seiner Histoire naturelle de la parole ou Précis de l’origine du langage & de la grammaire universelle (1776) zu Überlegungen zur Etymologie, die auf der Annahme einer Natürlichkeit der ursprünglichen Wörter beruhten. Die Aufgabe aller Sprachen sei es, die von der Natur vorgegebenen unveränderlichen Regeln, die den gemeinsamen Hintergrund bilden, auszudrücken. In welchen verschiedenen Formen die einzelnen Sprachen jedoch die für alle verbindlichen Grundlagen verarbeiten, sei mit der Vielfalt der Schulen in der Malerei vergleichbar, die ähnlich wie die Sprachen ein und dieselbe Realität zum Gegenstand haben. Die Etymologie vermittelt nach COURT DE GÉBELIN den Grund dafür, weshalb eine bestimmte Idee mit einer bestimmten Lautform bezeichnet worden sei. Ursprünglich seien diese Gründe für alle Menschen gleich und von Gott gegeben gewesen, mit der Zeit haben sich jedoch unterschiedliche lautliche Veränderungen und metaphorische Entwicklungen ergeben. Die Aufgabe der Art Etymologique sei es, diese Veränderungen in Regeln zu fassen und damit Möglichkeiten zu erschließen, jedes Wort auf seine Ursprünge zurückzuführen. In Abgrenzung zu einer Etymologieauffassung, nach der es in erster Linie um das Aufdecken der Herkunftssprache eines Wortes ging, weist COURT DE GÉBELIN der Etymologie eine auch für das menschli-
Etymologie che Denken gewichtige Aufgabe zu: durch das Erforschen des Ursprungs der Wörter führe sie zu den richtigen Bedeutungen zurück (ĺ Ursprung, ĺ Bedeutung), indem sie die Gründe für die Benennung aufzeige und somit die Beziehungen zwischen den bezeichneten Sachen und ihren Bezeichnungen beschreibe. Auf diese Weise komme ihr auch propädeutische Funktion für die Beschäftigung mit allen Wissenschaften zu. Da sie auch die Beziehungen zwischen den Wörtern in unterschiedlichen Sprachen betrachte, könne die Etymologie auch zu einer Hilfe beim Lernen von Fremdsprachen werden (ĺ Spracherwerb). Dominant ist in dieser Auffassung jedoch die hohe Wertschätzung des Ursprünglichen (ĺ Ursprung), mit der er die Etymologie als das richtige und exakte Wort (Parole vraie, mot juste & exact) vom aktuellen Sprachgebrauch absetzt (ĺ Gebrauch). Auch der radikale englische Politiker HORNE TOOKE entwickelte Regeln der Zurückführung von Wörtern auf ihre Ursprünge. In seiner ǼȆǼǹ ȆȉǼȇȅǼȃȉǹ, or the Diversions of Purley (1. Teil 1786, 2. Teil 1825) entwickelte er eine Mechanik mit materialistischer Tendenz. Alle Abstraktion und Verallgemeinerung betreffe nicht das Denken, sondern nur die Sprache. HORNE TOOKE negiert die Existenz der Allgemeinbegriffe, indem er das gewöhnlich unter ihnen Verstandene als sprachliche Allgemeinnamen charakterisiert, die funktionell eine Gruppe gleicher oder ähnlicher Sinnesvorstellungen vertreten. In seiner Etymologie führt diese sprachtheoretische Position zum Dominieren des Gedankens der Kürzungen. Im Verlauf der Sprachentwicklung seien viele Wörter gekürzt und zum Teil zu Wortbildungs- und Flexionsmorphemen geworden (ĺ Wortbildung). Die ursprünglichen Bedeutungen (ĺ Bedeutung) blieben jedoch unveränderlich und behielten auch in späteren Sprachzuständen ihre Gültigkeit. 4. Vertrauen oder Misstrauen gegenüber der Etymologie: MICHAELIS Wenn in einer frühen Phase der Sprachentwicklung festgelegte Bezeichnungen prägenden Einfluss auf das weitere Denken der Sprachträger ausüben, liegt es nahe, die Ety-
653 mologien auf ihre Zweckmäßigkeit für Kommunikations- und Erkenntnisprozesse zu überprüfen. Diese Überlegungen bestimmen einen Teil der Antwort, die MICHAELIS auf die für 1759 gestellte Preisfrage der Berliner Akademie nach dem wechselseitige Einfluss der Meinungen des Volkes auf die Sprache und der Sprache auf die Meinungen gab. Jede einzelne Sprache betrachtet MICHAELIS als eine Sammlung der Weisheit und des Genies gantzer Völcker, zu dem ein jeder das seinige gegeben hat: nicht blos der Gelehrte, der oft ein kleines Genie hat, und noch öfter durch Vorurtheile abgehalten wird etwas neues zu entdecken, und am Ende doch nur den hundertsten Theil der Menschen ausmacht, sondern auch der witzige, und der Natur gleichsam näher wohnende Ungelehrte (MICHAELIS 1760: 15). Der rückwirkende Einfluss der Sprache auf die Meinungen des Volkes kann nach MICHAELIS’ Auffassung sowohl positiv als auch negativ zu werten sein. Vorteilhaft sei er dann, wenn der ĺ Reichtum an Wörtern genügend differenzierte Benennungen erlaubt. Jedoch nicht nur Armut in der Sprache kann zu schädlichen Auswirkungen für Denken und Meinungen führen, sondern auch unproportionierter Überfluss. Auch das Fehlen von neutralen Bezeichnungen für bestimmte Begriffe kann sich ungünstig auswirken, insofern negativ oder positiv wertende Bezeichnungen Vorurteile festlegen. So gebe es im Deutschen kein wertungsfreies Wort für das französische le luxe, mit dem eine in der Aufklärung vieldiskutierte Erscheinung bezeichnet wurde, und Wörter wie Ueppigkeit, Ueberfluß legten bereits abwertende Urteile fest. In Etymologien können nach MICHAELIS’ Auffassung sowohl Wahrheiten als auch Irrtümer verewigt werden und die Meinung der Sprecher bestimmen. So komme von der Etymologie der Krankheitsbezeichnung Krebs der Aberglaube, dass diese Krankheit von der Berührung toter und verfaulter Krebse komme. Falsche sprachliche Bilder und Etymologien, Armut oder unnötiger Überfluss in der Sprache bildeten sich immer gemeinsam mit einem fehlerhaften Denken heraus, könnten aber unter Umständen in der Sprache und über Sprache länger und nachhaltiger wirken.
654 MICHAELIS’ Auffassung von den historischen und sozialen Bedingungen, die in der Sprache und über sie auch für den Erkenntnisprozess wirksam werden, ist an der französischen Aufklärung orientiert, im einzelnen jedoch noch differenzierter und stärker auf einzelne sprachliche Mittel bezogen. Er bleibt auch bei der Behandlung der sprachtheoretischen Fragestellung der Akademie Philologe und argumentiert mit philologischen Betrachtungen. So versucht er insbesondere, die Auswirkungen der inneren Motiviertheit der Wörter und ihrer Etymologien für das Denken und Verhalten der Sprecher an Beispielen zu belegen. Die Relativität von Sprache als Erkenntnismittel stellt sich für MICHAELIS vorrangig als historisch-philologisch erklärbar dar. Folgerichtig ist der negative Einfluss der Sprache auf die Meinungen auch in erster Linie durch Verbesserung der Sprache zu bekämpfen. Dass man falsche Etymologien beseitigen könne, wird von MICHAELIS jedoch grundlegend bezweifelt. Vielmehr solle man sich ohnehin abgewöhnen, von der Etymologie auf die Wahrheit der Sache zu schließen und damit kritischen Abstand von den sprachlichen Bedeutungen halten (ĺ Bedeutung). 5. TURGOTs Enzyclopädie-Artikel Etymologie – eine Brücke zur Moderne Bereits vor der Preisschrift MICHAELIS’ war ein Text entstanden, der für das etymologische Denken des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts zu einem wichtigen Referenztext werden sollte: der im 6. Band der französischen Enzyklopädie (1756) abgedruckte unsignierte Artikel Etymologie von TURGOT. Ausgangspunkt TURGOTs ist die explizite Negation eines natürlichen Zusammenhangs zwischen Wortkörper und ĺ Bedeutung. Die Herstellung einer Beziehung zwischen Lautformen und Bedeutungen wird vielmehr durch einen unbewussten, von Gewohnheiten abhängigen und durch diese veränderbaren Prozess zurückgeführt. Etymologische Forschung wird dabei den probabilistischen Wissenschaften zugerechnet. Die Wahrscheinlichkeit, die sich aus dem Zusammentreffen mehrerer Bedingungen für den Ablauf eines Prozesses erhöht, wird zum einzigen Wahrheitskriterium der Etymologie erklärt.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Mit der Beurteilung der Etymologien nach Wahrscheinlichkeitsgraden verbindet sich eine neue, an der Komplexität der empirischen Gegebenheiten orientierte Auffassung, die zugleich einen wissenschaftstheoretischen Anspruch repräsentiert. Etymologische Forschungen sollen von daher in zwei Stufen durchgeführt werden: nach einer Hypothesenbildung soll sich eine Überprüfung anschließen. Für beides werden Prinzipien aufgestellt, die jedoch ausdrücklich nicht in den Rang absolut gültiger Regeln erhoben werden. Als hilfreich wird zum Beispiel eine globale Kenntnis der Geschichte der Völker dargestellt, die zunächst Hinweise auf die Sprachen geben kann, aus denen möglicherweise Wörter übernommen wurden. Innovativ ist vor allem der Hinweis, dass man für eine Bestimmung der Herkunft der Wörter nicht nur die Standardsprache, sondern auch les tours les plus corrompus dans le langage du plus bas peuple des provinces untersuchen sollte. Die Sprache der Gebildeten sei gerade durch die bewusste Vermeidung von Vermischungen geprägt, dagegen trage das einfache Volk zu sprachlichen Neuerungen bei. Auf diese Weise bildeten sich zwischen Völkern im Kontakt Mischsprachen heraus, weil man sich nicht der Mühe des Erlernens einer Fremdsprache unterziehen wolle, dafür jedoch etwas von der jeweils anderen Sprache annehme und etwas von der eigenen aufgebe. Neben der Betrachtung der Wörter selbst kann der Etymologe jedoch auch aus den bezeichneten Sachen und den durch die Wörter vermittelten Konzepten Rückschlüsse auf die Wortentwicklung ziehen. So wird bei Ortsnamen möglicherweise die Lage auf einem Hügel oder im Tal zu entsprechend motivier-ten Erstbezeichnungen geführt haben. Im Fall einer Eigenschaft oder eines abstrakten Begriffs sollte man die Wege nachvollziehen, auf denen sich die Menschen eine Idee von diesem Begriff gebildet haben können. Dabei können vor allem die sinnlich wahrnehmbaren Objekte hilfreich sein, die über Vergleiche zur Vermittlung dieser Idee an andere genutzt werden konnten. Bei der empirischen Anlage des Artikels etwas überraschend, verweist TURGOT auf den Erkenntniswert der Sprachursprungstheorien für die etymologische Forschung. Diese können jedoch nur all-
Etymologie gemeine Anhaltspunkte liefern und auf Prozesse der Bedeutungsübertragung und auf Analogien verweisen (ĺ Bedeutung, ĺ Analogie), die dann am Einzelfall überprüft werden müssen. (ĺ Ursprung) Für die kritische Überprüfung der Etymologien gibt TURGOT eine Reihe von Hinweisen, die sich als allgemeine wissenschaftstheoretische Prinzipien lesen lassen. So müsse man Etymologien verwerfen, die durch nichts anderes als eine Kette von Annahmen gestützt würden. Anhand dieser empirischen Nachweisbarkeit der Zwischenstücke in Beweisketten bestätigt bzw. verwirft TURGOT Zusammenhänge zwischen lautlich wie semantisch gleichermaßen weit entfernten Wörtern: Zweifellos habe die Geschichte Spuren in der Sprache hinterlassen, TURGOT warnt jedoch davor, diese direkt auf die gegebenen sprachlichen Formen zu beziehen, und fordert eine Berücksichtigung der Geschichte der Wörter selbst. Wenn man von den gegenwärtigen Vorstellungen von der Materie und ihren drei Dimensionen ausgehe, wenn man vergesse, dass die matière, materia entsprechenden Wörter ursprünglich ‘Holz’ bezeichneten, wird man die Prozesse nicht verstehen können, in deren Ergebnis diese Wörter metaphorisch auf philosophische Sachverhalte übertragen wurden (ĺ Metapher). Die Etymologie wird schließlich von TURGOT von einer Quelle der unmittelbaren Einsicht in das ursprüngliche Wesen der Dinge zu einem Instrument gewendet, das in historischen Texten formulierte Aussagen auf dem Hintergrund der Relativität ihrer Sprache kritisch hinterfragen lässt. So hätten Theologen und alle Gelehrten, die sich auf die Texte der Offenbarung und andere textuelle Zeugnisse verlassen müssen, ständig die “Fackel der Etymologie” als Erkenntnisquelle zu nutzen, um nicht in Irrtum zu verfallen. 6. Für und Wider die Etymologie Im Ergebnis der Diskussion um Sprache, Erkenntnis und Geschichte hatte die Etymologie in der frühen Neuzeit ihre Rolle als Wahrheitsinstanz verloren. In dem Maße, wie sich ein Verständnis der Wortbedeutungen als historisch und einzelsprachlich bestimmt durchsetzte (ĺ Bedeutung), waren jedoch gerade etymologische Zusammenhänge zu einem In-
655 strument der Erkenntniskritik geworden, das Spuren der Geschichte verdeutlichen konnte. Als Fazit der Diskussion wurde Etymologien durchaus Nützlichkeit zugestanden, was auch Anlass war, sie in größere Wörterbücher aufzunehmen. Zunehmend wurde jedoch nach dem Anliegen der Sprachbetrachtung entschieden, ob man sich mit Etymologien beschäftigen sollte. Der als Lexikologe profilierte Ideologe BUTET schließt spekulative Etymologien zugunsten der Betrachtung der ĺ Wortbildung aus. Das lexikologische Anliegen der französischen Ideologen ist strikt synchron orientiert. Etymologischen Aussagen über die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes wurde in diesem Zusammenhang jeglicher Erkenntniswert für das Funktionieren dieses Wortes abgesprochen.
IV. Die Geschichte der Etymologie ist be-
reits Gegenstand mehrerer, im Einzelnen unterschiedlich perspektivierter Forschungen gewesen. Philosophische und erkenntniskritische Aspekte des etymologischen Denkens sind vor allem für die Antike und das Mittelalter betrachtet worden (AMSLER 1989, BLOCH 1983, BURIDANT 1998, KLINCK 1970). Vorherrschend in den Arbeiten zur Neuzeit ist eine Betrachtungsweise, nach der wissenschaftliches Etymologisieren erst mit dem 19. Jahrhundert angesetzt wird und die Zeit davor als die dunklen Jahre der Etymologie erscheint (SCHMITT 1977: 41, PETERSEN in RASK 1992: 13, vgl. auch bereits SCHMIDT [1927] 1967: 5). Ein differenzierteres Bild geben historiographische Detailstudien zu einzelnen Autoren, z. B. BOLOGNA 1995, LLITERAS 1996. Zu Recht stellt MALKIEL (1993: IX und 1) fest, dass Etymologie zu betreiben für unterschiedliche Generationen nicht dasselbe bedeutete. Als Charakteristikum des etymologischen Denkens der Moderne betrachtet er die mit der Durchsetzung des historischen Erkenntnisinteresses vertiefte zeitliche Dimension, aber auch das verbreiterte Bewusstsein einer Migration von Wörtern. Der vorangegangenen Epoche zwischen 1500 und 1800 wird in der Geschichte des etymologischen Denkens vor allem die Funktion zugewiesen, die sprachlich-empirische Basis über die griechisch-lateinische Welt hinaus erweitert zu haben (MALKIEL 1993: 6).
656 Um über einzelne ungefähre Anklänge und zufällige Ähnlichkeiten der Wörter hinaus in der etymologischen Forschung zu verlässlichen Ergebnissen zu gelangen, benötigte man Vorstellungen von der Lautentwicklung, die als solche tatsächlich ein Produkt der Moderne sind. Zum Beispiel lag zwar ein Zusammenhang zwischen griechisch ijȪȜȜĮ und lateinisch folia schon früh auf der Hand, solange jedoch der Hintergrund der indoeuropäischen vergleichenden Sprachwissenschaft fehlte, war eine angemessene Erklärung nicht möglich. Das Schreiben einzelner “Wortbiographien”, wie es vorbildlich im lateinischen etymologischen Wörterbuch von ERNOUT / MEILLET (1932) vorgeführt wurde, ist zweifellos erst auf dem Hintergrund der seit dem 19. Jahrhundert zu verzeichnenden Entwicklung der Sprachgeschichtsforschung vorstellbar. Vereinzelt nehmen die Protagonisten der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft durchaus auf frühere Etymologieversuche Bezug. So bezieht sich RASK in seiner 1818 erschienenen Undersögelse om der gamle Nordiske eller Islandske Sprogs auf TURGOTs Enzyklopädie-Artikel, allerdings war ihm offensichtlich nur sein Abdruck in der Encyclopédie Méthodique bekannt: Das Beste, was in jüngerer Zeit zu dieser Materie geschrieben wurde, ist vielleicht der Artikel Étymologie in der französischen Encyclopédie Méthodique (Grammaire et Littérature), der ziemlich ausführlich handelt (1) von den Quellen zur Auffindung der Wortursprünge, (2) von den Grundsätzen bei der Beurteilung des gefundenen, sowie (3) vom Nutzen der Etymologie. Hier wird auch deren Einfluß in der Philosophie und anderen Wissenschaften, sowie schließlich in Mythologie und Geschichte gezeigt; doch über deren nächstgelegene und eigentliche Bedeutung und ihren Wert für das gründliche Studium der Sprache wird dort nur wenig oder gar nichts gesagt. (RASK 1992: 43) RASK meint mit dem Lob für TURGOT freilich mehr die Stringenz seiner Etymologielehre als deren wissenschaftstheoretische und philosophische Bezüge, die er – ganz entsprechend seiner Zeit – als eher überflüssig empfindet. RASK stellte als erster die Regelmäßigkeiten von Buchstabenentsprechungen zwischen den
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung alten und den germanischen Sprachen fest; die germanische Lautverschiebung wurde von ihm in Umrissen erkannt. Von ihm aufgestellte griechisch-lateinisch-nordische Wortgleichungen sind zum Beispiel: ʌ> f: ʌĮIJȒȡ-faðir Ȗ> k: ȖȣȞȒ-kona k> h: cornu-horn ș>d: șȪȡȘ-dyr Mit BOPP fand schließlich die Grundlegung der vergleichenden Sprachwissenschaft statt. Er führte erstmalig im großen Stil Sprachvergleich durch und beschrieb einen nach systematischen Regeln auftretenden Vokalwechsel, der zuvor rätselhaft war. Durch Jacob GRIMM, der als eigentlicher Schöpfer der historisch-vergleichenden Grammatik und Begründer der Germanistik in ihrem ganzen Umfang gilt, wurde die Etymologie zur umfassenden Wortgeschichte. Seitdem gilt die Etymologie als Grundlage der gesamten lautgeschichtlichen Sprachwissenschaft. Erst die etymologischen Wortgleichungen innerhalb des Indogermanischen ermöglichen die Erkenntnis über Verwandtschaft und gesetzmäßiger Sprachentwicklung. Mit der “junggrammatischen Schule” verstärkte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Überbetonung des Formelements und das rigorose Eintreten für Lautgesetze. Am Ende der junggrammatischen Periode befinden sich Sprachvergleich und Sprachgeschichte auf ihrem Höhepunkt. Die indogermanischen Einzelsprachen gelten als weitgehend erforscht, in den meisten Sprachzweigen existieren bereits etymologische Wörterbücher. Es wird versucht, den Wortschatz nicht mehr belegter Sprachstufen zu rekonstruieren; Etymologie, vor allem die formale Rekonstruktion feiert Triumphe. Eine erneute Wende in der etymologischen Forschung sieht schließlich KAINZ Ende der Sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts: Allerdings ist das nicht die Etymologie, wie sie in der Ära des linguistischen Positivismus betrieben wurde. Damals standen die Sprachformen im Vordergrund sowie die lautgesetzlichen Wandlungen, welche die Phonemgestalt eines Bedeutungsträgers im Verlauf der sprachlichen Entwicklung durchgemacht hatte. Heute hat die ‘inhaltsbezogene Sprachwissenschaft’ (Weisgerber, Gipper) erkannt, daß
Etymologie es vordringlicher ist, die Aufmerksamkeit den durch die Sprache repräsentierten und symbolisierten geistigen Gehalten zuzuwenden. (KAINZ 1969: 5). Die ‘philosophische Etymologie’ im Sinne KAINZ’ blieb zwar als solche von kurzer Dauer, trug aber gerade zu einer vollständigeren historischen Betrachtung dieser Wissenschaftsdisziplin bei. Eine Reihe von großen etymologischen Wörterbüchern setzt die Tradition der historischvergleichenden Sprachwissenschaft auf erneuerter Grundlage fort. Hierzu gehören unter anderem die von BALDINGER herausgegebenen Wörterbücher (Dictionnaire étymologique de l’ancien français, Dictionnaire onomasiologique de l’ancien gascon, Dictionnaire onomasiologique de l’ancien occitan). Im Sprachbewusstsein der Sprecher können Etymologien jederzeit aktiviert werden und erhalten – insbesondere bei erheblichen Abweichungen von der jetzigen Bedeutung – durchaus Unterhaltungswert. Ein Beweis dafür, dass etymologisches Bewusstsein der Sprecher auch sprachkreativ wirksam sein kann, sind Volksetymologien. Volksetymologie ist abgekürzte, weil sprungweis vorgehende Wortgeschichte (TRIER). Sie ist geleitet von dem Bedürfnis, die Zusammenhänge der Wörter zu erklären und geht dabei zuweilen den unwissenschaftlichen Weg, fremde Wörter dem Volksmund aussprachegerecht zu servieren. Beispiel: arcuballista ‘Bogenschleuder’ wurde im Altfranzösischen zu arbaleste, aus dem das Deutsche die Armbrust entlehnte, wobei der Bestandteil Brust von mhd. berost ‘Aufrüstung’ herrührt. Es handelt sich also tatsachengemäß um eine Armwaffe. Auch inhaltliche Umdeutungen sind möglich. Intakt bedeutet eigentlich ‘unberührt’ (lat. puella intacta). Heutzutage gilt jedoch auch eine Maschine, die einwandfrei funktioniert als intakt im Sinne von ‘im richtigen Takt arbeitend’. Ein weiteres markantes Beispiel für Volksetymologie ist das Wort Hängematte, das keineswegs von hängender Matte abgeleitet ist, sondern von dem Indianerwort hamaka (vgl. daher engl. hammock). Da sich Analogieschlüsse aufgrund lautlicher Ähnlichkeiten und Bedeutungsassoziationen vor der Feststellung entsprechender lautlicher
657 Gesetzmäßigkeiten mit volksetymologischen Deutungen mischten, ist eine klare Abgrenzung der “wissenschaftlichen Etymologie” für das 17. und 18. Jahrhundert noch nicht möglich. Dennoch gehörte die Etymologie zu den beliebtesten Beschäftigungen mit Sprache, die über das Sprachbewusstsein auch auf die Entwicklung der Sprachen selbst Einfluss nahm.
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Analogie I. Lat. analogia; dt. Analogie; engl. Analogy; frz. analogie; span. analogia; ital. Analogia; port. analogia; finn. analoginen; russ. ɚɧɚɥɨɝɢɹ. Der Begriff der Analogie wird in allen europäischen Sprachen mit etymologisch verwandten Termini bezeichnet, die auf die aristotelische Logik zurückgehen. Ursprünglich wird er in der griechischen Mathematik als eine proportionale Verknüpfung von Zahlen definiert. Im Griechischen bedeutet analogia ‘Ähnlichkeit, Entsprechung’, woraus sich auch die Bezeichnung von logischen Schlüs-
sen aufgrund ähnlicher Eigenschaften ableitete. Die Analogie – eigentlich: das richtige Verhältnis, Proportionalität, Entsprechung, häufig auch Ähnlichkeit, Übereinstimmung, Gleichwertigkeit – bezeichnet die Übereinstimmung zweier oder mehrerer Objekte hinsichtlich bestimmter Merkmale, Eigenschaften, Strukturen, Funktionen, die als Analogien verschiedenen Grades im Grenzfall in Identität übergehen können. Die Analogie des Seins (lat. analogia entis) gilt als eines der wichtigsten Prinzipien der katholischen Scholastik und bezeichnet die Möglichkeit, das
Analogie Wesen Gottes aus dem Wesen der von ihm erschaffenen Welt zu erkennen. Der Schluss auf der Grundlage von Ähnlichkeit mit anderen Erkenntnisobjekten erlaubt jedoch keinen definitiven Beweis. Das Auffinden von Analogien war und ist eine erste Stufe zur Erkenntnis von Gesetzen in Natur und Gesellschaft. Die Übertragung des Analogiebegriffs in die ĺ Grammatik erfolgte zunächst durch die Stoiker, die jedoch nicht im eigentlichen grammatischen, sondern im sprachphilosophischen Sinne unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses des Wortes zur bezeichneten Sache das Wesen der Dinge zu ergründen versuchten. Die Verbreitung des Terminus in den Grammatiken europäischer Sprachen im 17. und 18. Jahrhundert deutet auf seine Etabliertheit sowie auf die große Akzeptanz des Begriffes hin. Neben der Regelhaftigkeit grammatischer Formen und Wortbildungsmuster (ĺ Wortbildung) werden auch Prinzipien der Übertragung bei der Entstehung von Metaphern mit Analogie bezeichnet (ĺ Metapher). Die Analogie wurde überwiegend als positiver, im Ausbau anzustrebender Zustand einer Sprache gedeutet.
II. (SANCTIUS 1587: 234b): 3. Adde quòd negligentem & deminutum iudicaremus Aristotelem, si nullam analogiae regulam tradidisset, quae ita erat ad syllogismos necessaria, quàm quae maximè. Sed nullam aliam nobis, praeter hanc, praescripsit; necesse est igitur illam sic interpretemur: Analogia dicuntur, &c. 4. Postremo me movet doctissimorum testimonia. Cicero enim libr. ultimo, Epist. 17. docet verborum domicilium in re una esse proprium, migrationes in alienum multas. (Vocabolario degli accademici della Crusca 1612: Introduzione): E serva ciò per avvertimento, che tali derivativi posson formarsi, ma non gia tutti, secondo una medesima analogia. E in questi, per li non pratichi dell’ uso, il non s’arrischiar, senza esemplo di buona scrittura, è forse il migliore. CUFFIA […] Diciamo, scuffiare, che, secondo l’analogia, dovrebbe significare, tor via la cuffia, ma significa mangiar con prestezza, e assai: modo basso. Lat. ligurire, devorare. – DILEGIA-
659 TO. da DI, e LEGGE, senza legge, fuor de’ termini delle leggi, scorretto, sfrenato, scostumato. Lat. ex lex, effraenus, impudens. [Con doppia g. secondo l’analogia, parrebbe, che stesse meglio, ma fa equivoco]. – ESSERE. Verbo, che non segue alcuna coniugazione, ed è anomalo, ed irregolato più d’alcun’ altro di questa lingua, e costruiscesi variamente, con varj casi, sì come per gli esempli, e vale avere essenzia. Lat. esse. […] Petr. Son. 134. S’io fossi stato fermo alla spelunca, ec. perciocchè, secondo la sua analogía, dovrebbe, sì come, ESSENTE, essere ESSUTO, come tal volta si ritruova nelle più antiche scritture: ma allora poco in uso, e oggi niente. – GIUDAISMO. Legge, e rito giudaico. Per analogía, lo possiam dire in latino Iudaismus, ritus iudaicus. gr. ϡȠȣįĮȚıȝȠ~Ȣ– STENDARE. Secondo l’analogia, levar le tende. Qui lo stesso, che ‘l suo primitivo attendare. Lat. castra, ponere. (LAMY [1675] 1688: 75): […] on y apperçoit une certaine uniformité qui regne dans toutes ses expressions, & des regles constantes qui y sont observées. Les hommes suivent ordinairement les coûtumes qu’ils ont une fois embrassées; c’est pourquoi bien que la parole dépende presque entierement du caprice des hommes, on remarque, comme il a été dit, une certaine uniformité dans son usage. Si on sçait donc que les noms qui ont un tel son, sont de tel Genre; quand on doutera du Genre de quelqu’autre nom, il faudra le comparer avec ceux qui se terminent de la même maniere, & dont le Genre est connu. Lorsque je veux être assuré, si la troisiéme personne du parfait simple d’un verbe qui est proposé, se doit terminer en a, je considere son infinitif. S’il est en er, je n’ay plus de difficulté, sçachant que dans nôtre langue tous les verbes qui ont un semblable infinitif, terminent en a la troisiéme personne de ce temps. Nous voyons que les noms en al ont au pluriel aux, comme cheval, chevaux, animal, animaux. Cette maniere de connoître l’usage d’une langue par la comparaison de plusieurs de ses expressions, & par le rapport que l’on suppose qu’elles ont entr’elles, s’appelle Analogie, qui est un mot Grec, qui signifie proportion. C’est par le moien de l’Analogie que les langues ont été fixées. C’est par elle que les Grammairiens aiant connu les regles, & le bon
660 usage du langage, ont composé des Grammaires qui sont tres-utiles, lorsqu’elles sont bien faites, puisque l’on y trouve ces regles que l’on serait obligé de chercher par le travail ennuieux de l’Analogie. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Analogie, 1694): ANALOGIE. s. f. Terme dogmatique, Rapport, ressemblance, conformité, proportion d’une chose à une autre. La partie basse de la montagne s’appelle pied par analogie au pied de l’homme. analogie geometrique. analogie grammaticale. Le mot ambitionner est formé par analogie d’ambition, comme passionné est formé de passion. regles d’analogie. par raison d’analogie. (FONSECA 1710: 8): Alem disto a errada analogia de dizer puerta e portero, fuerte e fortaleza, fuerça e forçoso, muerte e mortaja, duele e dolor; cuento e contar, suelto e soltar, duerme e dormia, puede e podia, muerde e mordia, quiere e queria, tiene e tenia, viene e venia, tiembla e temblava, suena e sonava, hazer e satisfazer, dicho e maldito, e mil outras cousas, como estas, he vicio entre os Castelhanos frequentissimo, e entre nòs rarisissimo. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Analogie, 1718): ANALOGIE. s. f. Terme de Mathematique. Rapport, proportion. Il y a mesme Analogie de deux à trois, que de six à neuf. Analogie Geometrique. suivant cette Analogie, vous trouverez que. regles d’Analogie. Analogie, Se dit aussi en terme de Grammaire, Du rapport que les divers sens d’un mesme mot ont les uns avec les autres, ou De celuy que divers mots ont ensemble pour leur formation. La partie basse d’une montagne s’appelle le pied de la montagne, par analogie au pied de l’homme. le mot passionné est formé de passion, par la mesme analogie, qu’affectionné d’affection. (Diccionario de la Real Academia Española, Artikel Analogia, 1726–1739): ANALOGIA, s. f., Relación, proporción, o conveniéncia de algunas cosas entre sí: como quando una cosa que es incierta se refiera a otra semejante, para probar lo incierto con lo cierto. Lat. Analogia. M. Agred. tom. I. num. 249. Por la correspondéncia y analogía que entre sí tienen estas ciudades. Retrat. Fal. 236. Los que eligieron por armas alguna figúra que tuviese
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung semejanza, ò analogía con su apellido, ò estádo. (DU MARSAIS 1730: 51–52): Chaque préposition a sa première signification; elle a sa destination principale, son premier sens propre; & ensuite par extension, par imitation, par abus, en un mot par catachrèse, on la fait servir à marquer d’autres rapports qui ont quelque analogie avec la destination principale de la préposition, & qui sont sufisamment indiqués par le sens du mot qui est lié à cette préposition. (CONDILLAC [1746] 1961: I, IV, I, 175–176): C’est que, les premiers signes étant donnés, nous avons des règles pour en inventer d’autres. Ceux qui ignoreroient cette méthode, au point d’être obligés d’attacher chaque collection à des signes qui n’auroient point d’analogie entre eux, n’auroient aucun secours pour se guider dans l’invention des signes. Ils n’auroient donc pas la même facilité que nous, pour se faire de nouvelles idées. Tel étoit, vraisemblablement, le cas de ces américains. – (II, I, XV, 203): […] si l’on se rappelle que l’exercice de l’imagination et de la mémoire dépend entièrement de la liaison des idées, et que celle-ci est formée par le rapport et l’analogie des signes; on reconnoîtra que moins une langue a de tours analogues, moins elle prête de secours à la mémoire et à l’imagination. Elle est donc peu propre à développer les talens. Il en est des langues comme des chiffres des géométres: elles donnent de nouvelles vûes, et étendent l’esprit à proportion qu’elles sont plus parfaites. (GIRARD 1747: 23–24): Les Langues de la premiere classe suivent ordinairement, dans leur construction, l’ordre naturel & la gradation des idées: le sujet agissant y marche le premier, ensuite l’action accompagnée des ses modifications, après cela ce qui en fait l’objet & le terme. Par cette raison je les nomme ANALOGUES, ainsi que le génie qui les caractérise. Elles ont un article, qu’elles joignent aux dénominations qui ne sont pas individuelles, & n’admettent point de cas: telles sont la Françoise, l’Italienne, & l’Espagnole. (GOTTSCHED [1748] 1762: 5–6): Durch die Analogie versteht man in den Sprachlehren die Aehnlichkeit in den Ableitungen und Verwandelungen der Wörter; imgleichen in der
Analogie Verkürzung, Verlängerung und Zusammensetzung, sowohl der Wörter als der Redensarten. Da es nun in allen Sprachen eine solche Aehnlichkeit, oder Analogie giebt: so machet allemal die größte Anzahl übereinstimmender Exempel eine Regel aus; die davon abweichenden Redensarten aber, geben die Ausnahmen an die Hand. Denn noch bei keinem Volke hat man eine vollkommene Analogie im Reden beobachtet: ja vielleicht würde selbst eine ganz neuerdachte philosophische Sprache, nicht ohne alle Ausnahmen seyn können. […] - (735): Analogia, die Ähnlichkeit in den Sprachen. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 517): Perché in fine né i principi del pensare, né gli studi sono tra le varie nazioni di Europa così differenti, né sono così diseguali gl’imperi, che tra esse non vi abbia molta proporzione ed analogia. (Encyclopédie, Artikel Analogie, DU MARSAIS / YVON, 1751: I, 399–400): Analogie signifie donc la relation, le rapport ou la proportion que plusieurs choses ont les unes avec les autres, quoique d’ailleurs différentes par des qualités qui leur sont propres. Ainsi le pié d’une montagne a quelque chose d’analogue avec celui d’un animal, quoique ce soient deux choses très-différentes. […] En matiere de langage, nous disons que les mots nouveaux sont formés par analogie, c’est-à-dire, que des noms nouveaux sont donnés à des choses nouvelles, conformément aux noms déjà établis d’autres choses, qui sont de même nature & de même espece. Les obscurités qui se trouvent dans le langage, doivent surtout être éclaircies par le secours de l’analogie. […] En Grammaire l’analogie est un rapport de ressemblance ou d’approximation qu’il y a entre une lettre & une autre lettre, ou bien entre un mot & un autre mot, ou enfin entre une expression, un tour, une phrase, & un autre pareil. Par exemple, il y a de l’analogie entre le B & le P. Leur différence ne vient que de ce que les levres sont moins serrées l’une contre l’autre dans la prononciation du B; & qu’on les serre davantage lorsqu’on veut prononcer P. Il y a aussi de l’analogie entre le B & le V. Il n’y a point d’analogie entre notre on dit & le dicitur des Latins, ou si dice des Italiens: ce sont-là des façons de parler pro-
661 pres & particulieres à chacune de ces langues. Mais il y a de l’analogie entre notre on dit & le man sagt des Allemands: car notre on vient de homo, & man sagt signifie l’homme dit; man kan, l’homme peut. L’analogie est d’un grand usage en Grammaire pour tirer des inductions touchant la déclinaison, le genre & les autres accidens des mots. (Encyclopédie, Artikel Analogue, DU MARSAIS, 1751: I, 400): ANALOGUE, adj. (Gram.) qui a de l’analogie: par exemple, les étrangers se servent souvent d’expressions, de tours ou phrases dont tous les mots à la vérité sont des mots François, mais l’ensemble ou construction de ces mots n’est point analogue au tour, à la maniere de parler de ceux qui savent la langue. Dans la plûpart des auteurs modernes qui ont écrit en grec ou en latin, on trouve des phrases qui sont analogues au tour de leur langue naturelle, mais qui ne sont pas conformes au tour propre à la langue originale qu’ils ont voulu imiter. Voyez ce que dit Quintilien de l’analogie, au chap. vj. liv. I. de ses Instit. (Encyclopédie, Artikel Construction, DU MARSAIS, 1754: IV, 76) II. De la construction figurée. L’ordre successif des rapports des mots n’est pas toûjours exactement suivi dans l’exécution de la parole: la vivacité de l’imagination, l’empressement à faire connoître ce qu’on pense, le concours des idées accessoires, l’harmonie, le nombre, le rythme, &c. font souvent que l’on supprime des mots, dont on se contente d’énoncer les correlatifs. On interrompt l’ordre de l’analyse; on donne aux mots une place ou une forme, qui au premier aspect ne paroit pas être celle qu’on auroit dû leur donner. Cependant celui qui lit ou qui écoute, ne laisse pas d’entendre le sens de ce qu’on lui dit, parce que l’esprit rectifie l’irrégularité de l’énonciation, & place dans l’ordre de l’analyse les divers sens particuliers, & même le sens des mots qui ne sont pas exprimés. C’est en ces occasions que l’analogie est d’un grand usage: ce n’est alors que par analogie, par imitation, & en allant du connu à l’inconnu, que nous pouvons concevoir ce qu’on nous dit. Si cette analogie nous manquoit, que pourrions-nous comprendre dans ce que nous entendrions dire? ce seroit pour nous un langage inconnu & inintelligible. La connoissan-
662 ce & la pratique de cette analogie ne s’acquiert que par imitation, & par un long usage commencé dès les premieres années de notre vie. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Analogie, 1762): ANALOGIE, en Philosophie, se dit du rapport que diverses choses, divers sens d’un même mot ont ensemble. Le fer & l’aimant ont de l’analogie entr’eux. La partie basse d’une montagne s’appelle le pied de la montagne, par analogie au pied de l’homme. Il se dit aussi en termes de Grammaire, pour marquer le rapport que divers mots d’une langue ont ensemble pour leur formation. Le mot passionné est formé de passion, par la même analogie qu’affectionné d’affection. (PRIESTLEY 1762: 182): For when, by the judicious disposition of every thing belonging to a language, all its analogies are seen at one view, it will presently appear what is redundant, desicient, or ambiguous, in the words or construction of it. – (185): The chief thing to be attended to in the improvement of a language is the analogy of it. The more consistent are its principles, the more it is of a piece with itself, the more commodious it will be for use: and it cannot be looked upon as any great or alarming innovation, merely to disuse some constructions that clash with others, and to confine ones self to one sense of any single word or phrase. (LAMBERT 1764: II, 624): Der Schwung, den eine Sprache hierin nimmt, macht einen Teil ihrer Art oder ihres Genius aus, und äußert sich in allgemeinern Ähnlichkeiten, nach denen man sich in Ableitung und Zusammensetzung neuer Wörter richtet. Was dieser Ähnlichkeit zu einer gewissen Zeit zuwider ist, oder was selbst noch kein Beispiel vor sich hat, das sieht man als dem genio der Sprache zuwider an. (DE BROSSES 1765: I, Discours Préliminaire, xvj-xvji): Que ces accessoires sortis les uns des autres de branches en branches, d’ordre en sous-ordres, sont tous eux-mêmes sortis des premiers germes organiques & radicaux, comme de leur tronc; qu’ils ne sont qu’une ample extension de la premiere fabrique du langage primitif tout composé de racines: extension établie par un systême de dérivation suivi pas à pas, d’analogies en analogies, par
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung une infinité de routes directes, obliques, transversales; dont la quantité innombrable, les variétés prodigieuses & les étranges divergences constituent la grande diversité apparente qu’on trouve entre tous les langages: Que néanmoins toutes les routes, malgré la diversité de leur tendance apparente, ramenent toujours enfin, en revenant sur ses pas, au point commun dont elles se sont si fort écartées. – (xxxiij): On traite ensuite des noms imposés aux choses qui n’ont pas une existence réelle & physique dans la nature, telles que sont les êtres intellectuels, abstraits, moraux; les relations, les qualités générales, &c. On prouve que ces noms n’ont pas d’autre origine ni d’autre principe de formation que les noms des objets extérieurs & physiques, (matiere très curieuse.). (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 263) Nous avons vu plusieurs ordres de mots amenés nécessairement dans tous les idiomes par des causes naturelles, dont l’influence est antérieure & supérieure à nos raisonnemens, à nos conventions, à nos caprices; nous avons remarqué qu’il peut y avoir dans toutes les langues, ou du-moins dans plusieurs une certaine quantité de mots analogues ou semblables, que des causes communes quoiqu’accidentelles y auroient établis depuis la naissance de ces idiomes différens: donc l’analogie des mots ne peut pas être une preuve suffisante de la filiation des langues, à moins qu’on ne veuille dire que toutes les langues modernes de l’Europe sont respectivement filles & meres les unes des autres, puisqu’elles sont continuellement occupées à grossir leurs vocabulaires par des échanges sans fin, que la communication des idées ou des vûes nouvelles rend indispensables. L’analogie des mots entre deux langues ne prouve que cette communication, quand ils ne sont pas de la classe des mots naturels. (RADONVILLIERS 1768: XV-XVI): Il est vrai qu’on ignorera leur dénomination grammaticale; comme qu’importe qu’on ignore que PATRUM est au génitif pluriel, pourvu qu’on sache qu’il signifie des pères? Il est vrai encore qu’on n’apprendra pas sur un seul verbe la signification de tous les temps semblables, mais la nature conduit au même but par un chemin moins raboteux & plus court. Elle enseigne à juger des choses semblables, par a-
Analogie nalogie: vous m’avez dit qu’AMABAM signifie j’aimois, je n’ai pas besoins que vous me disiez que CANTABAM signifie je chantois; l’analogie seule me le fait deviner. (MAYANS 1768: 6): En el 1. trato de los Rudimentos de la Gramatica; en los quales en quanto à lo substancial no habrà novedad alguna, pues son conformes à la doctrina de todos, bien que algo mas extendidos, quanto lo pida la Analogia, que es la que principalmente debe atenderse, quando se aprende una Lengua; porque si no fuera por ella, para cada palabra habria de haver una regla, ò por mejor decir habria ninguna, faltando la Conformidad; y deberian ser tantos sus preceptos singulares, quantas son las palabras. Porque la Analogia es solamente la que hace que el Lenguaje se reduzga a la Conformidad: de manera que sabiendo los Niños declinar un Nombre, saben declinar otros semejantes y lo mismo digo de la Conjugacion. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 60): haft du verbe haben (avoir) ex. herzhaft, qui a du coeur, courageux; dauerhaft, qui a de la durée, durable. Cette terminaison françoise able vient de habilir, & habilir de habere (avoir): l’Analogie est donc ici la même qu’en Allemand. (CHANGEUX 1773: 7): L’analogie est l’instrument de toutes les connaissances: aussi la Grammaire générale & la Grammaire particuliere sont-elles également fondées sur l’analogie. Avant de s’occuper des rapports généraux sur lesquels sont fondés tous les idiômes & toutes les Langues, il convient d’établir la théorie des Grammaires particulieres. Les regles de l’analogie ont conduit les hommes dans l’invention des Langues: ces mêmes regles les ont aussi guidés lorsqu’ils ont donné à leurs Langues la perfection dont elles étoient susceptibles. Jules César & Varron appellent analogies ce que l’on appelle communément Grammaire, & avec raison. En effet les Grammaires propres de chaque Langue sont toutes formées sur les analogies des mots qui la composent. Les regles générales de la Grammaire ne sont que le résultat des observations particulieres sur ce que les mots ont de commun, ou, ce qui est la même chose, sur les rapports ou les analogies des mots. (ADELUNG [1774–1786] 1811: I, 266, Artikel Die Analogie): Die Analogie, (viersylbig,)
663 plur. die -n, (fünfsylbig,) aus dem Griech. und Lat. Analogia, die Ähnlichkeit. Analogia fidei, in der Theologie, die Glaubensähnlichkeit, freylich dunkel genug. Besonders in der Sprachlehre, das übereinstimmige Verfahren in ähnlichen Fällen, die Sprachähnlichkeit. Ein Wort hat keine Analogie, wenn kein anderes ähnliches auf ähnliche Art gebildet ist. Daher analogisch, ähnlich, übereinstimmig. (CONDILLAC [1775a] 1947–1951: I, 431): Mais ici la nature nous laisse presque tout à faire. Cependant elle nous guide encore. C’est d’après son impulsion que nous choisissons les premiers sons articulés, et c’est d’après l’analogie que nous en inventons d’autres, à mesure que nous en avons besoin. On se trompe donc, lorsqu’on pense que dans l’origine des langues, les hommes ont pu choisir indifféremment et arbitrairement tel ou tel mot pou être le signe d’une idée. (Encyclopédie méthodique: Grammaire et littérature, Artikel Analogie, BEAUZÉE, 1782: I, 177): On peut donc dire, dans un sens trèsexact et très-véritable, que l’Analogie, descendue exprès du ciel, est venue dès l’instant de la création des hommes, déterminer la forme du langage. (Enciclopedia metódica, Artikel Analogía, 1788: 341–344): ANALOGIA, s. f. (Gram.) Esta palabra es griega en su origen: es compuesta de la particula inter (entre) y de ratio (relacion); y todo junto significa relacion entre. […] Es la luz de las lenguas de Analogía: porque reduciendo á principios generales todos los casos semejantes, hace desaparecer todas las excepciones ridiculas, que fatigan la memoria, sin comunicar luz al entendimiento; detienen á cada instante los passos llanos y sencillos de la razon, y difunden por todas partes las molestas extravagancias de la inconseqüencia, las penosas perplexidades de la duda, las incertidumbres odiosas del equívoco, y los terribles phantasmas de las dificultades acumuladas sin ningun fundamento á la entrada de las lenguas, como para estorvar el llegar á ellas con facilidad. Si la Analogía dexa de subsistir algunas excepciones aparentes, no creemos por esto que se quebrante la ley general; antes bien creemos que no conocemos los motivos que hay para ello, las causas, las relaciones, y los grados de subordinacion á otras leyes mas generales ó mas esen-
664 ciales; y que lo que parece excepcion de un principio, no es sino conseqüencia necesaria de otro de cuyo influxo no hacemos caso ó tenemos olvidado. La Analogia es tambien la salvaguardia de las lenguas: ya para fixar el genio, y modo que estas tienen de proceder y girar; ya para extender y perpetuar su uso; y ya finalmente para conservar las obras mas principales, que en ellas hay escritas, y comunicarles por este medio el gusto, y assegurarles la inmortalidad. El corto numero de principios, la sencillez, y la generalidad de los que admite la Analogía para las lenguas, facilita la inteligencia y allana su estudio. […] No concluyamos, pues, sin habernos explicado, que la Analogía no debe su existencia sino al uso. Ya llevo dicho y probado, que el que esta se halle en el lenguage se debe á aquel, que inspiró á los hombres la primera lengua; porque, sin el alma de la Analogía, el lenguage seria impracticable, é impossible en las lenguas todo systema. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Analogie, 1798): ANALOGIE. s. f. Rapport, ressemblance, proportion. Il s’emploie un peu diversement en Mathématiques et en Philosophie. Dans les premières, il signifie, Rapport exact et rigoureux. Il y a la même analogie de deux à trois, que de six à neuf. La solution de ce problème dépend de l’analogie, de plusieurs analogies. En philosophie, il se dit Des rapports plus ou moins éloignés, même de similitude. L’analogie du fer avec l’aimant. La partie basse d’une montagne s’appelle le pied de la montagne, par analogie avec le pied de l’homme. Raisonner par analogie. Foible analogie. Analogie frappante. Il ne faut pas toujours conclure par analogie. Il se dit en parlant d’Histoire. Il y a entre ces deux récits des analogies de temps et de circonstances, qui font croire que c’est le même fait diversement raconté. Il se dit en Morale. Ces deux hommes se sont liés par l’analogie de leur caractère et de leurs goûts. Il se dit aussi en termes de Grammaire, pour marquer Le rapport que divers mots d’une Langue ont ensemble pour leur formation. Le mot passionné est formé de passion, par la même analogie qu’affectionné l’est d’affection. (PEREIRA [zwischen 1798 und 1800]: 25–26): Porque seria mas constante, mas regular y mas perceptible la analogia que conviene ha-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung ya entre las diversas familias de palabras y las diferentes naciones de cada una; y en eso el enfoque principalmente consiste la energia, precision, y claridad de un idioma, En que asi como las significaciones de los derivados de una palabra se diferencian entre si, y de la de esta segun las diversas formas que de ellas los distinguen asi tambien segun la que otros derivados distinguen de sus primitivos se diferencian entre si, y de los de estos sus significados. Los de ilustrante por exemplo: ilustrador, ilustracion, ilustrado, y ilustre, se han entre si, y con relacion al de ilustrar como uno con otros, y con el de celebrar, los de celebrante, celebrador, celebracion, celebrado, y célebre; y habria entre ambas familias de palabras perfecta analogia, si á la manera que para denotar la qualidad que hace celebre una cosa decimos celebridad, para denotar la que la hace ilustre dijesemos ilustridad, y no ilustreza, como decimos, ó como á lo menos en lo antiguo se decia. – (45–46:) Es decir que en todo hubo de seguirse la analogia; sin la qual ni la memoria pudiera retenerlos en gran unmero; ni otra cosa resultaria que una escasa coleccion de voces, sin verdadera grammatica, aproposito unicamente de designar unos pocos objetos materiales, y que no sirviendo ni para su comparacion ni para su distribucion en géneros y especies, poco ó ningun auxilio al entendimiento prestaria. (PRÉVOST 1800: 32): C’est donc en variant les terminaisons, qu’on réussira sur-tout à introduire plus de précision dans la langue, et à rendre tous ses mots plus significatifs. Lorsque cet expédient sera impraticable ou inutile, il paroît qu’on sera forcé de recourir à quelqu’emprunt. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 18): […] l’analogie, qui sans établir de ressemblances entre les objets, y supplée par les ressemblances qu’elle place autour d’eux, soit dans leurs causes ou dans leur origine, soit dans leur destination ou leurs effets, soit enfin dans leur manière d’être, ou leurs moyens d’agir; et qui enchaîne ainsi ces objets entr’eux, en les attachant à des principes communs; l’analogie en un mot, qui nous offre tant de dénominations faciles à créer ou à comprendre, pour tous les objets que nous ne pouvons atteindre autrement, tels que sur-tout ceux qui
Analogie ne faisant d’impression que sur les yeux, ne donnent directement aucune prise à la voix. – (I, 146–147): L’analogie, en général, a parmi les hommes, une très-grande autorité: car elle est fondée sur ce que nous voyons l’Univers gouverné par des loix uniformes, générales, et constantes: cependant, ce principe d’analogie, infiniment étendu dans son application, devient quelquefois si subtil; il est sujet à tant de variations ou d’exceptions même imprévues, qu’il peut facilement nous exposer à l’erreur, à moins que nous ne nous tenions en garde contre le danger d’outrepasser la ligne qui sépare les analogies sensibles, légitimes, et bien connues, d’avec celles qui sont trop fines ou trop peu certaines. L’analogie n’est pas à la rigueur la même chose que la comparaison: mais comme l’esprit procède à-peuprès de la même manière dans toutes les deux, on peut dire que toutes les deux ont les mêmes risques en ce qu’elles ne portent souvent que sur de simples apparences. On peut donc appliquer à l’une, le proverbe établi concernant l’autre; et dire que les analogies boitent comme les comparaisons; c’est-à-dire, qu’elles ne sont souvent justes qu’à demi: “Omnis comparatio claudicat”. Si en général, les unes et les autres sont propres à amuser l’esprit, il est trop vrai que souvent elles instruisent peu; d’où nous concluerons que si on ne doit pas se les interdire, on ne doit au moins leur donner une véritable confiance qu’avec circonspection et réserve. (Diccionario de la lengua castellana, Artikel Analogía, 1803): ANALOGIA, s. f., La relación, y proporción, o conveniencia que tienen unas cosas con otras. Analogía. ANALOGÍA. Gram. La segunda parte de la gramática, que trata de las partes de la oración separadas, y de sus propiedades y accidentes. (BUTET 1808: 7): Pour déterminer d’une manière plus probable si le sens primitif du mot attention, est celui d’action de tendre vers ou celui d’action de tenir à, analysons ces deux significations: la plus naturelle devra paroître préférable. L’attention considérée comme action de tendre vers, est une conception métaphysique qui représente un phénomène interne, un acte pur de l’intelligence, auquel on ne peut imposer un nom qu’à l’aide de la métaphore: l’attention considérée comme action de tenir à, est un trope ordinaire de grammai-
665 re, une simple métonymie suivant laquelle le nom de l’action ou de l’état des organes est donné à l’opération de l’esprit. Ainsi, dans le premier cas, le mot attention tire son origine du signe de la manière métaphysique d’agir des organes; et figure pour figure, il me paroît plus conforme à l’analogie du langage de regarder l’attention comme une action de tenir à que comme une action de tendre vers. (CALLEJA 1818: 4): La analogia es el examen de la relacion, proporcion ó conveniencia que tienen unas palabras con otras, ó el conocimiento de las palabras, que son partes de la oracion con todos sus accidentes y propiedades. (THUROT 1837: 14): L’analogie, qui est quelquefois utile dans les raisonnements qui ont pour objet la recherche de la vérité, est d’un usage presque universel dans l’étude des langues. Ce mot lui-même signifie comparaison ou proportion, comme le remarque Cicéron. C’est l’analogie, qui sert à décider les cas douteux de la syntaxe et de l’orthographe; elle préside aux conjugaisons figurées, aux déclinaisons des noms dans les langues transpositives; c’est elle qui sert à diminuer d’une manière sensible le nombre infini des signes qu’on serait obligé d’imaginer et de retenir, pour représenter l’immense variété des êtres et des idées qui sont l’objet de nos sensations et de notre intelligence; enfin c’est l’analogie qui frappe d’une empreinte caractéristique une foule de mots destinés à exprimer des idées dont les nuances varient à l’infini, quoiqu’ils soient matériellement à peu près les mêmes, et qui nous fait saisir, dans ces idées, le lieu commun qui les unit.
III.
1. Zur Geschichte des Analogiebegriffs vor dem 17. Jahrhundert Die Analogie als Ähnlichkeit, Übereinstimmung in den Verhältnissen wurde bereits in der Antike in Gegensatz zur Anomalie, d. h. zur Regellosigkeit gesetzt. Im Altertum wurde, seitdem die grammatische Wissenschaft (ĺ Grammatik) entstanden war, heftig darüber gestritten, ob Analogie in den Sprachbildungen zu finden sei, oder ob dieselben nur Unregelmäßigkeiten zeigen. Für die Analogie trat namentlich ARISTARCH VON SAMOTHRA-
666 KE, für die Anomalie die ganze Schar der Stoiker und vor allem KRATES VON MALLOS ein. Ausführlich wird dieser Streit von VARRO, in seinem De lingua latina libri XXV diskutiert, der den Begriff der ‘Analogie’ zusammen mit seinem Gegenstück, der ‘Anomalie’, tradierte. In den Büchern VIII-XIII des 47– 45 v. Chr. geschriebenen Werkes De lingua latina behandelte er ausführlich die ĺ Wortbildung, die Konjugation und Deklination. Er ging dabei zunächst auf den Konflikt zwischen der aus dem alltäglichen ĺ Gebrauch (consuetudo) herrührenden Irregularität und der Analogie ein. Nach der Darstellung der Argumente für Anomalie und Analogie gibt er seine Lösung im Sinne letzterer und stellt sie anhand der Derivation und des Ausdrucks von Zeitverhältnissen durch Verben dar (ĺ Verb). Die Analogie wird von VARRO als das Verfolgen des Prinzips der Ähnlichkeit definiert, die Anomalie dagegen komme der Unähnlichkeit gleich (In verborum declinationibus disciplina loquendi dissimilitudinem an similitudinem sequi deberet, multi quaesierunt. Cum ab his ratio quae ab similitudine oriretur vocaretur analogia, reliquia pars appallaretur anomalia: de qua re primo libro quae dicerentur cur dissimilitudinem ducem haberi oportere, dixi, secundo contra quae dic(er)entur […], VARRO 1993: 453). Beide haben in der Sprache ihre Berechtigung, während die Anomalie jedoch auf dem Gebrauch der Sprache durch das Volk beruht, folgt die Analogie dem Verstand. Auch QUINTILIAN, der als Lehrer seine klare und schnörkellose Sprache dem zeitgenössischen, gekünstelten Modestil des sogenannten Asianismus gegenüberstellte, ist ein wichtiger Referenzautor für Aussagen zur Analogie. In der Scholastik unterschied THOMAS VON AQUIN zwischen analogia secundum esse und secundum intentionem tantum. Großen Raum nahm im Mittelalter die Analogie in der Methodendiskussion ein. Die Renaissancephilologen folgten in den Grundzügen dem Analogieverständnis der antiken Grammatiker. Ihr Verständnis von Analogie kann man auf drei Aspekte reduzieren: (1) Kriterium der regelmäßigen Formenbildung in Flexion und Wortableitung;
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung (2) eine gewisse Entsprechung von ĺ Bedeutung und Form; (3) das auf diesen Prinzipien beruhende Verfahren, im Einzelfall eine Form durch Proportion als regelrecht zu erweisen. Zum Bezug des Analogiebegriffs auf die Zusammensetzung der Wörter trugen auch sprachtheoretische Überlegungen von Gelehrten der Renaissance, wie zum Beispiel De nominum analogia des CAJETANUS bei. SANCTIUS hatte den Gedanken der Analogie als Prinzip unter ausdrücklicher Berufung auf ARISTOTELES formuliert. Von großem Einfluss war bis ins 17. Jahrhundert auch Julius Caesar SCALIGERs Schrift De causis linguae Latinae, deren Buch XIII einer Diskussion über das Verhältnis von Analogie und Anomalie gewidmet ist. Dass dabei die etablierten Kategorien der ĺ Grammatik des Lateinischen auf der Grundlage des aristotelischen Begründungssystems revidiert werden sollen, zeigt SCALIGERs vorangestellte Liste von Irrtümern früherer Grammatiker. Seit dem französischen Philologen Henri ESTIENNE gewinnt Analogie endgültig den Status eines Fachausdrucks der Sprachbetrachtung und wird als ein Kriterium für die Bildung und Beurteilung neuer Wörter angewendet (ĺ Wortbildung). Dabei bezieht sich Analogie als ‘Entsprechung’, ‘Übereinstimmung’, ‘Parallelität’ einerseits auf das Griechische und Lateinische, andererseits auf schon im Französischen vorhandene Elemente. Als Kenner VARROs und Herausgeber von dessen De lingua Latina (1573) bezieht sich ESTIENNE mit einer Akzentverschiebung auf VARROs Analogiebegriff. Während für VARRO Deklination und Konjugation im Mittelpunkt stehen, ging es ESTIENNE vor allem um die Namengebung und Wortbildung. Die großen Aufgaben, vor denen die französische Sprache zu seiner Zeit stand, hatte nach ESTIENNEs Auffassung nicht das Volk zu lösen, sondern die der alten Sprachen kundigen Philologen. Der sprachlich-grammatische Analogiebegriff ließ sich leicht mit dem philosophischen und theologischen verbinden: die Schöpfung ist zwar vielfältig, aber nicht chaotisch, und die Aufgabe der Sprache ergibt sich von selbst,
Analogie sie besteht darin, die ihr vorgegebene Ordnung der Dinge getreu wiederzugeben. 2. Analogie in der Sprachnormierung im 17. Jahrhundert Die Bedeutung der Analogie wurde im 17. Jh. zunächst wieder auf die Funktion als Kriterium zur Beurteilung bzw. Verurteilung bereits existierender Sprachformen eingeschränkt. Dies drückt sich vor allem in dem für die französische ĺ Grammatik des 17. Jh. maßgebenden Werk Remarques sur la langue françoise (1647) von VAUGELAS aus, der sich auch auf VARRO beruft, sich jedoch gegen die Bildung neuer Wörter wendet (ĺ Neologismen). Wenn die Bildung neuer Wörter nicht in Frage kommt und wenn der usage die entscheidende Sprachinstanz ist, dann bleiben für die Analogie nur die durch den usage noch nicht geregelten Fälle übrig (ĺ Gebrauch). Diese Fälle sind nach Ähnlichkeit (ressemblance) und Übereinstimmung mit dem usage zu entscheiden, die Analogie verhalte sich dabei gegenüber dem vorbildlichen höfischen Sprachgebrauch wie die Kopie zum Original. VAUGELAS’ Auffassung von der Analogie wird von den meisten französischen Grammatikern des 17. Jahrhunderts geteilt. Dies trifft auch auf ARNAULD und LANCELOT zu, die zwar den Akzent auf das Regelhafte und rational Erklärbare legten, jedoch den Vorrang des usage nicht in Zweifel zogen. Eine deutliche Abweichung von VAUGELAS erfolgt erst durch DUCLOS, der in den Remarques zu seiner Ausgabe der Grammaire générale et raisonnée (1754) analogie und raison gleichsetzt. Auch in Deutschland standen sich zwei alternative Prinzipien der Sprachnormierung gegenüber, deren Tradition bis in die Antike zurückreicht. Nach der analogistischen Auffassung ging es darum, aus den grammatischen Merkmalen einer Sprache (ĺ Grammatik) strukturelle Prinzipien abzuleiten, die als Leitlinien der ĺ Normierung dienen sollten. Zum Beispiel gab es den Vorschlag, die Formen der Pluralkennzeichnung an die am häufigsten gebrauchte anzupassen. Analogistische Normierungen brechen somit mit dem etablierten Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch). Im Gegensatz dazu verbietet die anomalistische Auffassung derartige Eingriffe und setzt einen bestimmten Gebrauch als Leitvarietät an.
667 Wenn sich SCHOTTELIUS für die analogistische Position entschied, so geschah dies vor allem wegen seiner Ablehnung des Ostmitteldeutschen als Leitvarietät. Außerdem böte das analogistische Prinzip ein eindeutigeres Erklärungskriterium, das zugleich der inneren Sprachnatur entspräche (ĺ Wesen der Sprache). 3. Analogie als grammatischer Terminus in der Lexikographie Die weite Verbreitung des Begriffs der Analogie führte dazu, dass das entsprechende Lemma im 17. Jahrhundert in der Lexikographie bereits präsent ist. Im Wörterbuch der Accademia della Crusca (1612) erscheint analogia nicht als Lemma, was damit zusammenhängt, dass es im literarischen Sprachgebrauch der großen Autoren des 14. Jahrhunderts, der das Korpus der Crusca ausmacht, nicht auftritt. Es erscheint jedoch sechs Mal als Beschreibungsterminus zur Bezeichnung von Wortbildungsbeziehungen, die durch Derivation entstanden sind (cuffia – scuffiare, stendare – tende) sowie für Flexionsbeziehungen (ĺ Wortbildung). Das Wörterbuch der französischen Akademie (1694) definiert Analogie zunächst als Terminus der Dogmatik und bestimmt sie als logischen Schlüssen zugrunde liegende Ähnlichkeit. Auf Vergleich und Ähnlichkeit wird auch die Bildung von Metaphern zurückgeführt, so werde der untere Teil eines Berges als pied ‘Fuß’ in Analogie zum Fuß des Menschen bezeichnet (ĺ Metapher). Als grammatische Analogie werden auch Wortbildungszusammenhänge benannt. Durch Analogie sei zum Beispiel ambitionner aus ambition gebildet worden, ebenso wie passionné aus passion entstanden sei. Schon in der Ausgabe des Akademiewörterbuchs von 1718 wird Analogie als erstes als mathematischer Begriff eingeführt, der die Relation in Zahlenreihen zum Inhalt hat. Daneben wird jedoch Analogie auch explizit als grammatischer Terminus definiert und einerseits als die Relation der verschiedenen Bedeutungen eines Wortes untereinander, andererseits als Wortbildungsbeziehungen bestimmt (ĺ Bedeutung, ĺ Wortbildung). Mit der Aufnahme als philosophischer Begriff in der Ausgabe von 1762 wird die Ähnlichkeit zwischen Dingen und zwischen Wortbedeu-
668 tungen in den Mittelpunkt gerückt, eine Entwicklung, die sich auch auf dem Hintergrund der Popularität der Metaphorik (DU MARSAIS, Des Tropes, 1730) ergeben konnte (ĺ Metapher). In der Ausgabe des Jahres 1798 wird schließlich – unter Verwendung der seit 1694 stets übernommenen Beispiele – zwischen einem mathematischen, einem philosophischen, einem historischen, einem moralischen und einem grammatischen Analogiebegriff differenziert. Letzterer wird auf die Beziehungen zwischen den Wörtern, die zwischen ihnen aufgrund ihrer Wortbildung bestehen, reduziert. Das Wörterbuch der Real Academia Española gibt in seiner ersten Ausgabe (1726–1739) allerdings nur eine allgemeine, auf Ähnlichkeit beruhende Beziehung als Inhalt der Analogie an, die als Grundlage von Schlüssen dient. Erst in der Ausgabe von 1803 erscheint ein spezifisch grammatischer Begriff der Analogie, der als zweiter Teil einer ĺ Grammatik bestimmt wird, in dem die einzelnen ĺ Wortarten, ihre Eigenschaften und ihre Flexion zu behandeln seien. Diese Bestimmung wird in den folgenden Ausgaben wörtlich beibehalten, bis schließlich 1852 die Charakteristik als zweiter Teil wegfällt, die mit der Anordnung der Akademiegrammatik (1771) von vornherein nicht übereinstimmte. 4. Analogie aus sprachtheoretischer Sicht In sprachtheoretischen Texten wird die Analogie als Folge der Gewohnheit des Menschen erklärt, aus der sich trotz aller ĺ Arbitrarität Ähnlichkeiten in den sprachlichen Benennungen und eine weitgehende Uniformität des Gebrauchs ergeben (ĺ Gebrauch). Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel das Genus der Nomina, die Konjugationsformen der Verben und der Numerus von Substantiven (vgl. LAMY) aus Regeln ableiten (ĺ Nomen, ĺ Verb). Die Analogie wird hier in der Regelmäßigkeit bestimmter Flexionsendungen gesehen, auf deren Grundlage Rückschlüsse auf Bedeutungen möglich sind (ĺ Bedeutung). Zugleich wird der Analogie eine stabilisierende Wirkung auf die Sprache zugeschrieben. Aufgrund der Analogie sei es den Grammatikern überhaupt erst möglich geworden, Regeln zu formulieren. Die Nützlichkeit dieser grammatischen Regeln steht außer Frage, denn ohne sie müssten die Men-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung schen die Regelhaftigkeit selbst aus der real bestehenden Analogie mühsam ableiten. Ganz ähnlich wird die Analogie auch in Grammatiken des 18. Jahrhunderts definiert. Analogie wird somit als eine in einer Sprache real gegebene Eigenschaft gesehen, die zum Gegenstand grammatischer Beschreibung werden kann, jedoch auch ohne diese existiert. Eine weitere Verwendung des Terminus Analogie steht dem philosophischen Sprachgebrauch nahe und betrifft die Bezeichnung ähnlicher Gegebenheiten mit demselben, infolge von Bezeichnungsübertragung in seiner ĺ Bedeutung erweiterten Wort. Grundlage dafür sind Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen der sinnlich wahrnehmbaren Welt und abstrakten, den menschlichen Sinnesorganen nicht zugänglichen Gegebenheiten. Auf dieser Grundlage wird es zum Beispiel möglich, das Wort masque ‘Maske’ auch für Personen, die ihre wirklichen Absichten und Meinungen verbergen, zu verwenden, selbst wenn sie keine Masken tragen. DU MARSAIS geht sogar so weit, bei Präpositionen eine ursprünglich gegenständliche Bedeutung anzunehmen, die durch Imitation oder auch missbräuchliche Anwendung auf analoge Sachverhalte bezogen worden sei und schließlich zu einer Erweiterung der Bedeutung geführt habe (ĺ Missbrauch). Für den Prozess, der solchen Entwicklungen zugrunde liegt, verwendet er den Begriff Katachrese, wobei offen bleibt, ob damit wirklich die ‘schlechte Nachahmung’ oder eine ‘verblasste Bildlichkeit’, eine erloschene ĺ Metapher gemeint ist. Die bereits seit der Antike im Zusammenhang mit der Wortbildung diskutierte Analogie wird im 18. Jahrhundert ebenso wie die Bildung von Metaphern aufgrund von Ähnlichkeit als eine Kraft gesehen, die zur Erweiterung der Sprache führt (ĺ Wortbildung; ĺ Neologismen, ĺ Metapher). Durch Analogie können leicht neue Wörter für zu bezeichnende Begriffe gebildet werden, außerdem werden im Ergebnis des Wirkens der Analogie systematische Relationen etabliert, die durch analoge Wörter zu analogen Ideen führen und gleichzeitig unser Gedächtnis entlasten. Im Enzyklopädieartikel Analogie erscheint zunächst die übliche Bestimmung als Ähn-
Analogie lichkeit ansonsten qualitativ differenter Gegenstände und Möglichkeit, sie aufgrund dieser Gemeinsamkeit mit dem gleichen Wort zu benennen. Neue Wörter werden auf der Basis der Analogie gebildet, das heißt sie werden entsprechend bereits vorhandenen Wörter den neuen Begriffen beigelegt (ĺ Neologismen). Daraus resultierten durch Sprache verursachte Unklarheiten, die man nur unter Zuhilfenahme der Analogie beheben könne. In der ĺ Grammatik wird die Analogie dann jedoch auf verschiedenen Ebenen definiert. Zunächst werden für die Ebene der Laute minimale Differenzen in der ĺ Artikulation festgestellt, so bestehe der Unterschied des Lauts P lediglich in einer gespannteren Artikulation im Vergleich zu B, ebenso wie zwischen B und V Analogie bestehe. Es bestehe hingegen keinerlei Analogie zwischen dem französischen on dit und dem lateinischen dicitur oder dem italienischen si dice, jede dieser Ausdrucksweisen sei sprachspezifisch. Dagegen bestehe zwischen on dit und dem deutschen man sagt durchaus Analogie, da beide auf die Bezeichnung für ‘Mann’ und die dritte Person des Verbs ‘sagen’ zurückgehen. Der Analogie wird auch ein großes Gewicht für Schlussfolgerungen im Bereich der Deklination und für weitere morphologische Sachverhalte zugewiesen. Von den Lauten über die Wörter, die Ausdrücke und Wendungen bis zu den Sätzen betreffe die Analogie alle Bereiche der Sprache. Die Qualität, analog zu sprechen, wird schließlich auch mit der Beherrschung des besonderen Charakters einer Sprache (ĺ besonderer Charakter einer Sprache) verknüpft (vgl. Enzyklopädieartikel Analogue). An der Produktion nicht analoger Äußerungen erkenne man Ausländer, ebenso hätten fast alle modernen Autoren, die in griechischer oder lateinischer Sprache schrieben, ihren Muttersprachen, aber nicht den intendierten Zielsprachen analoge Sätze produziert. Die begriffliche Nähe der Analogie zum besonderen Charakter einer Sprache konnte sogar so weit gehen, dass sie als Genius der Sprache bezeichnet wurde (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). So kennzeichnet LAMBERT den Genius der Sprache als die Kraft, die den Wortbildungen aufgrund von Ähnlichkeit Schwung verleiht, aber auch
669 Grenzen setzt, wo es noch keine Muster gibt, nach denen man ähnliche Wörter bilden könnte (ĺ Wortbildung, ĺ Neologismen). Zugleich nehmen auch Vergleiche zwischen verschiedenen Sprachen zu, in denen Analogie, das heißt Ähnlichkeit von Formen einer Sprache mit denen einer anderen, festgestellt wird (ĺ Sprachvergleich). Während solche Vergleiche mit Bezug auf Wendungen und einzelne Formen durchaus als sinnvoll betrachtet werden (vgl. ALGAROTTI, Enzyklopädieartikel Analogie; Manuskript I-M-665– 1771), lehnt sie BEAUZÉE für Schlussfolgerungen auf die Verwandtschaft von Sprachen rigoros ab. Analoge Wörter könnten höchstens über den Grad der Kommunikation zwischen den Völkern Aufschluss geben, nicht jedoch über die Verwandtschaft von Sprachen (vgl. BEAUZÉE in Enzyklopädieartikel Langue). Demgegenüber werden Analogien als Mittel des Verfolgens des Weges einer Sprache zurück zu ihren Ursprüngen durchaus für tragfähig gehalten (ĺ Ursprung). Auf einer Vielzahl von direkten, von unterschiedlichen Bedingungen abhängigen und transversalen Wegen hätten sich die Sprachen von Analogie zu Analogie ausgehend von den gemeinsamen Wurzelwörtern entwickelt (vgl. DE BROSSES). Die Bezeichnung abstrakter und weiterer den Sinnen nicht zugänglicher Begriffe lässt sich so durch die Herstellung von Vergleichen und das zu realen und physischen Objekten analoge Benennen mit Wörtern erklären. 5. Analogie als Erkenntnisinstrument Vor dem Hintergrund rationalistischer Sprachtheorien wurde das Regelhafte der Analogie zu einer Kraft umgedeutet, die den Menschen zum Satzbau, der dem korrekten logischen Denken entspreche, zurückführt. Bei GIRARD (1747) heißen die Sprachen, die der Wortfolge Subjekt-Verb-Objekt folgen, analoge Sprachen (langues analogues). Nach DU MARSAIS (vgl. Enzyklopädieartikel Construction) wird die logisch vorgegebene Reihenfolge nicht immer beibehalten, sie wird vielmehr durch emotionale Faktoren und auch durch das Streben nach größerer Ausdruckskraft gestört. Dadurch auftretende Irregularitäten werden jedoch durch den Hörer rektifiziert, selbst wenn die produzierte Rede dem
670 entgegensteht. Hier komme uns die Analogie zu Hilfe, die uns erlaubt, vom Bekannten auf Unbekanntes zu schließen und die wir über Imitation und in einem langen Lernprozess erwürben. (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) Im 18. Jahrhundert wird die Analogie wieder zu einem erkenntnistheoretischen Instrument. Analogie bezeichnet zunächst eine Entsprechung des Zusammenhangs, der jeweils auf der Seite der sprachlichen Zeichen und auf der Seite der Gedanken besteht und aufgrund dessen ein Zeichen andere Zeichen evoziert (ĺ Zeichen und Idee). Da diese Entsprechung auch unter genetischem Aspekt betrachtet wird, wird die Analogie auch zum Erklärungsprinzip für die Entwicklung der Sprache: Den ersten, naturgegebenen Zeichen entsprechend, also in Analogie zu den ersten, seien immer mehr Zeichen entwickelt worden (ĺ Ursprung). Sprachregeln seien nichts anderes als die fortgesetzten Analogien. Wo die Analogie nur schwach ausgeprägt ist, verfügten die Menschen über weniger Möglichkeiten, die Sprache zu entwickeln und den Erfordernissen der Erkenntnis anzupassen. Mischungen von Sprachen reduzierten die Analogie. Eine Sprache mit perfekter Analogie, die CONDILLAC in der Algebra sieht, wurde im 18. Jahrhundert zum erkenntnistheoretischen Ideal erhoben. Mit dem Bezug der Analogie der Zeichen zur Gedankenverknüpfung (liaison des idées) und zur Erklärung des Sprachursprungs erfährt der Analogiebegriff auch eine Ausweitung ins Historische (ĺ Zeichen und Idee, ĺ Ursprung). Auch wenn CONDILLACS Erklärungsversuch des Sprachursprungs wie spätere Versuche im 18. Jahrhundert eher hypothetisch und auf eine Deutung des Wesens der Sprache gerichtet ist, so wird die Analogie hier doch als ein Prinzip benutzt, das die weitere Sprachentwicklung nach der Entstehung der ersten Zeichen erklären soll (ĺ Wesen der Sprache). Die Analogie werde gestört, wenn eine Sprache sich mit anderen vermischt. In diesen Mischsprachen müssten sich die Regeln der Analogie neu herausbilden. Das Prinzip der Analogie in der Entstehung und Entwicklung von Sprachen behandelt CONDILLAC noch ausführlicher in der Gram-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung maire, dem zweiten Teil des Cours d’études pour l’instruction du Prince de Parme (1775). CONDILLAC distanziert sich hier vom Prinzip der willkürlichen Wahl von Bezeichnungen für die Dinge (ĺ Arbitrarität), das er durch die Leitfunktion der Natur bei der Erfindung der ersten Zeichen und die Analogie in der Weiterentwicklung der Sprachen ersetzt. CONDILLACs Historisierung des Analogiebegriffs hatte Wirkung auf zahlreiche Autoren, darunter auch auf rationalistische Sprachtheoretiker. Als BEAUZÉE für die Encyclopédie méthodique (Grammaire et littérature) zu dem Analogieartikel DU MARSAIS’ einen längeren Nachtrag schrieb, wiederholte er darin zwar Teile seines Artikels Usage, behandelte aber auch die Rolle der Analogie beim Sprachursprung (ĺ Ursprung). Anders als bisher folgt er nicht mehr dem usage VAUGELAS’ als Erklärungsprinzip, sondern erklärt die Analogie zur lumière des langues (ĺ Gebrauch). Für BEAUZÉE ist die Analogie jedoch Ergebnis der raison, sie sei bereits vor der allerersten Sprache existent gewesen und im Moment der Schöpfung des Menschen vom Himmel gefallen, um die Form der Sprache zu bestimmen. Auch für den Erwerb einer Sprache wird die Analogie als förderlich angesehen, insofern sie zum Beispiel Konjugationsformen ohne weiteres durch Vergleich mit ähnlichen Formen erkennen und bilden ließe (RADONVILLIERS, MAYANS, ĺ Spracherwerb). Die Bestimmung der Analogie als Regelhaftigkeit einer Sprache legte es nahe, diese Eigenschaft als positiv zu bewerten und ihre weitere Ausprägung als Ziel des Ausbaus von Sprachen zu bestimmen. In diesem Sinne meinte PRIESTLEY, dass bei einer sinnvollen Anordnung alle in einer Sprache bestehenden Analogien auf einmal deutlich werden und redundante oder mehrdeutige sprachliche Erscheinungen auffallen müssten. Als wichtigstes Ziel der Sprachverbesserung charakterisierte er die Herstellung von Analogie, die zu einem bequemeren und sinnvolleren Sprachgebrauch führen würde (ĺ Gebrauch). Für PEREIRA stellt die Analogie auch ein Prinzip der Denkökonomie dar, ohne das unser Gedächtnis überfordert wäre. Er stellt im Sinne der Analogie lineare Relationen zwischen
Analogie Suffixen und den durch sie bewirkten Bedeutungs- und Wortartveränderungen her (ĺ Bedeutung, ĺ Wortarten). Auch bei den Ideologen stand die Analogie sowohl als Ziel des Ausbaus der Nationalsprache und Bauprinzip künstlicher Sprachen als auch als Erklärungsprinzip sprachlicher Erscheinungen hoch im Kurs. Ihr wurde die Fähigkeit zugeschrieben, Zweifelsfälle in der ĺ Syntax und der ĺ Orthographie lösen zu können. Schließlich schien sie die unüberschaubare Menge der sprachlichen Zeichen zu ordnen und in ihrer Vielfalt zu reduzieren (vgl. THUROT, ĺ Zeichen und Idee). Nach dem Vorbild der Fachsprache der Chemie sollte die Nationalsprache so verändert werden, dass man über die Variation von Suffixen zu präzisen und vor allem durchschaubaren Bezeichnungen gelangt (PRÉVOST). Auch beim Übergang zu philologischen Studien hielten die ehemaligen Ideologen an der Analogie als Erklärungsprinzip fest (BUTET 1808). Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erscheinen jedoch auch verstärkt Warnungen vor zu großem Vertrauen in die Analogie, die sich vor allem gegen Schlüsse auf nicht sinnlich erfahrbare Bereiche richten. Zwar beruhe die Analogie auf universellen Gesetzmäßigkeiten, diese erführen jedoch so viele Veränderungen, dass sie leicht zum Anlass für Fehlurteile werden könnten und Zusammenhänge nur oberflächlich berücksichtigten (vgl. z. B. THIÉBAULT). Der lediglich Anhaltspunkte für Schlüsse gebende, jedoch keine Beweiskraft implizierende Charakter der Analogie wurde somit erneut unterstrichen.
IV. Mit der Entwicklung der historisch-ver-
gleichenden Sprachwissenschaft tritt ein grundlegender Wandel des Analogiebegriffs ein, der nicht mehr nur als Abbild in den Sprachen gegebener Regelhaftigkeiten aufgefasst wird, sondern auch zu einem Prinzip des Schließens auf die Verwandtschaft von Sprachen wurde. Verbunden ist diese Entwicklung auch mit einem Unterschreiten der Wortebene. So definiert das Dictionnaire de l’Académie française 1835 den grammatischen Begriff der Analogie als eine durch gleiche Artikulationsorgane gegebene Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Konsonanten, nutzt dafür allerdings das in der Encyclopédie bereits 1751
671 verwendete Beispiel: Analogie, se dit particulièrement, en Grammaire, du rapport qu’ont entre elles les consonnes qui se prononcent avec la même partie de l’organe vocal. Il y a de l’analogie entre le B et le P, consonnes labiales, le D et le T, consonnes dentales, etc. HUMBOLDT betrachtet die Analogie als Prinzip der Spracherweiterung und verwendet für sie auch die Bezeichnung organischer Bau. In der Position, dass diese Analogie, d. h. der organische Bau, durch Sprachmischung gestört werde, stimmt er mit CONDILLAC und anderen Sprachtheoretikern des 18. Jahrhunderts überein. Die Störung der vorhandenen Analogie führt schließlich zu einer neuen Bildung von Analogie. Der Sprachorganismus wird von HUMBOLDT als ein zusammenhängendes Gewebe von Analogieen (zitiert nach DI CESARE 1989: 69) definiert. Die Analogie ist für HUMBOLDT “eine der Struktur der Sprache innere Beziehung, die den Zusammenhang ihrer Teile garantiert” (DI CESARE 1989: 68). Der Begriff der Analogie wird auch in der deutschen historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft verwendet. BOPP spricht von analogisch gebildeten Reihen, innerhalb derer gleiche Laute gleiche Formen bezeichnen; zum anderen verwendet er den Analogiebegriff auch für Fälle, wo eine Form sich verändert, indem sie dem Muster anderer Formen innerhalb ihrer Reihe folgt. Auch der Übergang einer Form von der einen Analogiereihe in die andere wird thematisiert. Solche Übergänge, wie man in der historisch-vergleichenden Grammatik z. B. bei starker und schwacher Deklination feststellen kann, nennt GRIMM unorganisch, was später dem geläufig gewordenen Ausdruck falscher Analogie von POTT entspricht. Mit unorganisch bzw. falsch wird der Verstoß gegen die Ordnung des ursprünglichen Formensystems bzw. eine Abweichung vom ursprünglichen Lautsystem bezeichnet. Der Begriff der Analogie wird im 19. Jh. in dreierlei Weise verwendet. In einem ersten Stadium dominiert die Verwendungsweise BOPPs, der sowohl die analogisch gebildeten Reihen, als auch die Übergänge in eine andere Reihe, also Reihenbildungen und falsche Analogie, als Analogiebildungen betrachtet.
672 In einem zweiten Stadium wird der Analogiebegriff ausschließlich im Sinne der falschen Analogie für solche morphologischen Umwandlungen verwendet, die gegen das Lautgesetz verstoßen. Lautgesetz und Analogie werden beispielsweise von SCHLEICHER als zwei Kräfte angesehen, die die Umgestaltungen der Sprache bestimmen, wobei das Lautgesetz ausnahmslos wirke und die Analogie als Störung des Lautgesetzes falsch sei. Diese strenge Trennung zwischen Lautgesetz und Analogie macht das Attribut falsch überflüssig. Es wird schließlich in einem dritten Stadium gestrichen, wo die nachfolgenden Junggrammatiker wie BRUGMANN und PAUL eine subjektive Wertung sprachlicher Phänomene ablehnen. Lautgesetz und Analogie werden nun als gleichrangig bewertet. Formenbildungen, die durch Lautgesetze nicht erklärt werden können, werden als Analogiebildungen anerkannt, und zwar genau so richtig wie Lautgesetz-Bildungen. Die Gleichwertigkeit von Lautgesetz und Analogie bedeutet, dass die Analogie im Gegensatz zu dem Analogiebegriff von HUMBOLDT bei den Junggrammatikern nichts Geistiges mehr an sich hat. Die Analogie wird genau so mechanisch wie das Lautgesetz angesehen (vgl. CHRISTMANN 1980, GAO 2000: 8). Die Verwendungen des Analogiebegriffs in den gegenwärtigen Wortbildungsbeschreibungen sind maßgeblich durch PAUL beeinflusst, dessen sprachinterne Analogieauffassung eine Grundlage ist, die die zwei gegensätzlichen Wortbildungsmodelle, nämlich das syntaktische und das lexikalistische bzw. das kompositionell-reguläre und das analog-holistische gleichermaßen legitimiert. Ein sprachinterner Analogiebegriff wird jedoch dem kreativen, sprachverändernden Aspekt nur unzulänglich gerecht. Sprachextern zeichnet sich der Analogiebegriff durch seine erkenntnisfunktionalen Implikationen aus, die man in dem Analogieverständnis HUMBOLDTs finden kann. Im 20. Jahrhundert gab es Versuche, den Dualismus von Analogie und Lautgesetz aufzuheben. Bereits SCHUCHARDT hatte die These entwickelt, dass zwischen Lautgesetz und Analogie eine innere, nicht antithetische Beziehung besteht. Die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen lautlicher und be-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung grifflicher Analogie wurde im 20. Jahrhundert betont, ebenso wurde der mechanische Charakter der Analogieauffassung der Junggrammatiker kritisiert. Noch weiter in HUMBOLDTs Richtung geht LAUSBERG, indem er das Lautgesetz unter einen noch weiter gefassten Analogiebegriff subsumiert. Er kritisiert, dass die junggrammatische Terminologie die Analogie auf den Formenbau, Wortkörperbau und Satzbau eingeschränkt hat. Für ihn stellt der traditionelle Terminus Lautgesetz nur die phonologische Analogie dar, während die Analogie als ein umfassender Begriff in allen Bereichen der Sprache wirksam ist. Unter Analogie wird heute eine systemimmanente Angleichungstendenz einander ähnlicher sprachlicher Elemente zugunsten größerer Einheitlichkeiten verstanden; z. B.: (des) nachts in Analogie zu (des) tags, abends, morgens, obwohl der Genitiv des alten femininen Wurzelnomens Nacht noch heute der Nacht lautet. Analogiewirkung ist eine wichtige Ursache historischen Sprachwandels; z. B.: mhd. ich half, wir hulfen > nhd. ich half, wir halfen (vgl. ULRICH 2002: 14). Im Spanischen dient die Präposition a bei Personen der Unterscheidung des Objekts vom Subjekt unabhängig von der Wortstellung (María vio a tu hermano oder A tu hermano vio María). In Analogie dazu ging man dazu über, die Präposition bei jeglichen Objekten zu verwenden, wenn die Gefahr einer Verwechslung mit dem Subjekt besteht (ABAD 1986). In modernen Forschungen zur Analogie wird der Analogiebegriff von verschiedenen Ansätzen je nach ihren sprachwissenschaftlichen Interessen unterschiedlich interpretiert. Wie unter anderem die Forschungen von WURZEL oder OLSEN zeigen, hat der Analogiebegriff jedoch seine Attraktivität behalten.
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Gerda Haßler
Normierung I. Dt. steuern, Worte ausbannen; die Regeln
einer Sprache fest setzen; frz. cultiver; polir et perfectionner une langue; des regles & des préceptes de l’usage; corriger leurs defauts; ital. accordarsi colle leggi di quella dotta, e famosa Accademia; autorità de gli altri Letterati; il copiare affatto il Linguaggio di Dante, del Boccaccio, e de gli altri vecchi; regolare la lingua; span. regular; su exâcta observancia, y diligencia en extender el idioma general de la Nacion para su mayor armonía, y enlace recíproco; tener ella y mantener un lenguage cierto, y constante; russ. ɩɪɚɜɢɥɶɧɨɟ ɡɧɚɧie ɩɪɢɪɨɞɧɨɝɨ ɹɡɵɤɚ. Der Vorgang des Normierens einer Sprache wurde im 17. und 18. Jahrhundert als notwendig und selbstverständlich betrachtet. Allerdings ist seine metasprachliche Benennung in keiner europäischen Sprache als Terminus belegt. Bezeichnet werden die regulierenden Eingriffe in die Sprache, die häufig Institutionen oder vorbildlichen Autoren zugeschrieben werden. Für derartige praktische Normierungen, die konkrete sprachliche Formen betrafen, stand eine Reihe von Bezeichnungen und performativen Formeln zur Verfügung, die Verbote und Gebote für den Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) beinhalteten: Dt. es ist also falsch […]; Fehler; Unrichtigkeiten; […] wird niemals so falsch sprechen; engl. provincial accents; frz. il faut dire; il y a des mots trop savants; cette expression est un peu poëtique; une expression qui fait honte à notre siecle; il falloit dire simplement […]; je dirois seulement […]; […] est meilleur, & plus soûtenu; par rapport à l’élocution & à la syntaxe d’usage, on ne doit dire que […].
Die Handlung des Normierens wird in der Regel als individuell und als von dazu ermächtigten Personen vollzogen beschrieben. Diese ǥsprachlichen Gesetzgeber’ werden als Autoritäten bezeichnet und anhand ihrer gesellschaftlichen Stellung oder ihrer Leistungen für die Sprache bestimmt: Lat. grammaticus; dt. das Vorrecht der claßischen Schriftsteller, der Schönen, und dessen, bey dem die oberste Gewalt ist, des Volcks; die Sprache ist eine Democratie; engl. the authorities; those writings which have contributed to fix a language; all our good authors; the most enlightened minds must be supposed to be the best judges of propriety in speech; the best writers; frz. maitre de l’usage; les maistre du langage; les Maistres du beau langage; des gens qui sont en reputation de bien parler, tels que sont principalement les gens de la Cour; la plus nombreuse partie de la cour; hommes du monde; les gens de la cour; nos plus fameux Auteurs; censeurs, juges de l’usage; ital. ingegni di alto sapere; i legislatori del bel parlare; i padri della Lingua; span. los Gramaticos; maestros de Gramatica; las personas capaces de dar la ley; los Autores i Patriarcas de la lengua; el mas acreditado y mas constante entre los cuerdos y sabios Autores; las personas mas juiciosas y mas sabias; autoridad; los mejores escritores y oradores del pais donde se vive.
II. (VAUGELAS 1647: Préface, I): C’est pourquoy ce petit Ouurage a pris le nom de Remarques, & ne s’est pas chargé du frontispice fastueux de Décisions, ou de Lois, ou de quelque autre semblable; Car encore que ce soient en effet les Lois d’vn Souverain, qui est l’Vsage, si est-ce qu’outre l’auersion que j’ay à ces titres ambitieux, j’ay deu esloigner
Normierung de moy tout soupçon de vouloir establir ce que ie ne fais que rapporter. (VAUGELAS 1647: Préface, XII): Mais comme ie n’ay eu dessein que de faire des Remarques, qui sont toutes destachées l’vne de l’autre, & dont l’intelligence ne depend nullement, ny de celles qui precedent, ny de celles qui suiuent, la liaison n’y eust seruy que d’embarras, & j’eusse bien pris de la peine pour rendre mon travail moins agreable & moins vtile; car il est certain que cette continuelle diuersité de matieres recrée l’esprit, & le rend plus capable de ce qu’on luy propose, sur tout quand la briefueté y est iointe, comme icy; & qu’on est asseuré que chaque Remarque fait son effet. (LAMY [1675/1701] 1998: 146): […] ce n’a donc été que lorsque les hommes ont commencé d’être raisonnables, que les langues se sont polies et perfectionnées; qu’il s’est trouvé des personnes d’esprit qui les ont cultivées, qui ont consulté la raison sur les manières de s’exprimer clairement et noblement. Puisqu’Adam avait été créé raisonnable, et sage, on ne peut pas douter qu’il n’ait parlé raisonnablement et sagement; ainsi sa langue, qui est l’hébraïque, fut parfaite dès sa première origine. (CHARPENTIER 1676: Au Roy): Ouy, SIRE, un Roy qui a bien voulu accorder sa Protection au Parnasse François, ne peut pas la luy refuser en cette rencontre. Car, que serviroit-il de le déguiser; L’Academie n’est plus rien, si cette Langue, qu’elle s’est efforcée depuis 40 ans de rendre agreable, riche, eloquente, est demeurée si imparfaite, que de ne pouvoir pas fournir avec dignité cinq ou six lignes, pour consacrer à vostre Valeur le Trophée immortel qu’on luy prepare. (BOUHOURS 1692: Avertissement): […] leur autorité particuliere en juges de l’usage, & en censeurs des Ecrivains […]. (LEIBNIZ [1697] 1908: 332): 18. So hat auch die Italiänische Gesellschaft der Cruska oder des Beutel-Tuchs, welche die böse Worte von den guten, wie die Kleyen vom feinen Mehl scheiden wollen, durch allzu eckelhafftes Verfahren ihres Zwecks nicht wenig verfehlet, und sind daher die itzigen Glieder gezwungen worden, bey der letzten Ausgebung ihres Wörter-Buchs viel Worte zur Hinterthür ein-
675 zulassen, die man vorhero ausgeschlossen; weil die Gesellschafft anfangs gantz Italien an die Florentinische Gesetze binden, und den Gelehrten selbst allzu enge Schrancken setzen wollen. Und habe ich von einem vornehmen Glied derselbigen, so selbst ein Florentiner, gehöret, dass er in seiner Jugend auch mit solchem Toscanischen Aberglauben behafftet gewesen, nunmehr aber sich dessen entschüttet habe. (LEIBNIZ [1697] 1908: 333): 23. Gleichwie nun gewissen gewaltsamen Wasserschüssen und Einbrüchen der Ströhme nicht so wohl durch einen steiffen Damm und Widerstand, als durch etwas so Anfangs nachgiebt, hernach aber allmählig sich setzet und fest wird, zu steuren; also wäre es auch hierin vorzunehmen gewesen. Man hat aber gleich auff einmahl den Lauff des Ubels hemmen, und alle fremde auch so gar eingebürgerte Worte ausbannen wollen. Dawider sich die gantze Nation, Gelehrte und Ungelehrte gestreubet, und das sonsten zum Theil gute Vorhaben fast zu spott gemacht, dass also auch dasjenige nicht erhalten worden, so wohl zu erlangen gewesen, wann man etwas gelinder verfahren wäre. (LEIBNIZ [1697] 1908: 337–338): 36. Es ist bekandt, dass die Italiänische Sprach-Gesellschafft, die sich von der Crusca genennet, bald Anfangs auf ein Wörter-Buch bedacht gewesen. Und als der Cardinal Richelieu, die Frantzösische Academie aufgerichtet, hat er ihr auch sofort ein solches zur Arbeit aufgegeben. Sie waren aber beyderseits nur auff läuffige Worte bedacht, und vermeinten die Kunst-Wörter an die Seite zu setzen, wie auch die Crusca würcklich gethan; ich habe aber in Franckreich selbst etlichen vornehmen Gliedern meine wenige Meynung gesagt, dass solches nicht wohl gethan, und zwar den Italiänern als Vorgängern zu gut zu halten; es werde aber von einer Versammlung so vieler trefflicher Leute in einem blühenden Königreiche unter einem so mächtigen König ein mehrers erwartet, inmassen durch Erklärung der Kunst-Worte die Wissenschafften selbst erläutert und befördert würden, welches auch einige wol begriffen. (LEIBNIZ [1697] 1908: 349): 81. Was die Wort und Weisen zu reden betrifft, so muss
676 man sich hüten vor Unanständigen, Ohnvernehmlichen und Fremden oder Unteutschen. (LEIBNIZ [1697] 1908: 353–354): 104. Man weiss, dass in der Frantzösischen Sprache selbst noch unlängst viele Zweiffel vorgefallen, wie solches die Anmerckungen des Vaugelas und des Menage, auch die Zweiffel des Bouhours zeigen, anderer zu geschweigen; ohngeachtet die Frantzösische Sprache aus der Lateinischen entsprossen, (welche bereits so wohl mit Regeln eingefasset) und sonsten von mehrer Zeit her als die Unsere von gelehrten Leuten bearbeitet worden, auch nur einen Hoff als den Mittel-Punct hat, nach dem sich alles richtet; welches uns mit Wien auch um des willen noch nicht wohl angehen wollen, weil Oesterreich am Ende Teutschlandes, und also die Wienerische Mund-Art nicht wol zum Grunde gesetzet werden kan; da sonst, wann ein Kayser mitten im Reiche seinen Sitz hätte, die Regel der Sprache besser daher genommen werden könte. (LEIBNIZ [1697] 1908: 354): 105. So geht auch den Italiänern noch biss dato ein und anders hierinn ab, ohngeachtet alles Fleisses, den die Crusca angewendet, gegen welche der scharffsinnige Tassoni und andere geschrieben, und ihr Urtheil nicht allemahl ohne Schein in Zweiffel gezogen. Und also, obschon die Italiänische Sprache unter allen Europäischen, die erste gewesen, so zu dem Stande kommen, darin sie sich ietzo im Hauptwerck noch befindet; immassen Petrarca und Dante noch ietzo gut seyn, welches von keinem Teutschen, Frantzösischen, Spanischen oder Englischen Buch selbiger Zeit gesaget werden kan. So sind doch annoch viele Grammatische Knoten und Scrupel auch bey ihr übrig blieben. (RÉGNIER-DESMARAIS [1705/1706] 1973: Préface, 1P): S’il avoit esté possible que l’Académie travaillast en Corps à une Grammaire Françoise, le Public auroit deu se promettre d’avoir en ce genre-là, tout ce qu’il eust peu desirer. Mais il n’est pas moins difficile que des Gens de Lettres travaillent de cette sorte sur un sujet de cette nature, qu’il le feroit que plusieurs Architectes fissent & executassent en commun le plan de quelque grand édifice. (MURATORI 1706: 626): Ed io non so punto approvare la ritrosia d’alcuni, che non sola-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung mente sdegnano d’accordarsi colle leggi di quella dotta, e famosa Accademia, ma per poco l’accusano eziandio d’alterigia, quasi col suo Vocabolario ell’abbia inteso di farsi per forza l’arbitra dell’Italiana favella, e voglia porre in credito ora il rancidume d’alcuni vecchi Autori, ora certe voci, e locuzioni proprie del solo popolo di Firenze. Ma poco giuste nel vero son le querele di costoro. (MURATORI 1706: 627): Finalmente non ha secondoché io m’immagino giammai inteso l’Accademia di mettere in ceppi, o di ristringere l’autorità de gli altri Letterati, che scrivono Italiano, al solo Vocabolario suo; sapendo ella benissimo, che loro è permesso d’usar talvolta vocaboli nuovi, e locuzioni di nuovo fabbricate, purché ciò si faccia, non colla licenza, necessariamente usata da i primi padri della Lingua, ma con parsimonia, e discrezione, e co’ riguardi convenevoli; cioè purché sieno le voci, e frasi, o addomesticate alquanto dall’uso della Nazione Italiana, o necessarie, o piú intelligibili, o piú significanti, armoniose, e leggiadre, che non son le finora usate; e purché si cavino con grazia dalla Lingua Latina, madre, e nutrice dell’Italiana, o dall’altre Lingue sorelle di questa. (MURATORI 1706: 628–629): Potevasi da quei valentuomini Fiorentini molto commendare il merito de gli Autori, che dall’Anno 1300 in fino al 1400 scrissero in Italiano, perché essi nel vero furono i padri della Lingua, e per tali da noi debbono venerarsi. Ma non poteano sí francamente affermare, che con esso loro nascesse, e ancor cadesse la perfezione della detta Lingua; ristringendo in un secolo solo anzi nella sola vita del Boccaccio, la riputazione dell’Italico parlare; e mostrando con ciò di credere, che oggidí per iscrivere, e parlar con lode, sia non che utile, ancor necessario il copiare affatto il Linguaggio di Dante, del Boccaccio, e de gli altri vecchi, benché in molte cose assai dispiacente a gli orecchi, e alla leggiadria de’ moderni. (GOTTSCHED [1748] 1762: 3–4): Eine jede Mundart hat in dem Munde der Ungelehrten, ihre gewissen Mängel; ja aus Nachlässigkeit und Übereilung im Reden, ist sie mit sich selbst nicht allemal einstimmig. Daher muss man auch den Gebrauch der besten Schriftsteller zu Hülfe nehmen, um die Regeln einer
Normierung Sprache fest zu setzen: denn im Schreiben pflegt man sich viel mehr in Acht zu nehmen, als im Reden. Anm.: Dieses ist umso gewisser: […] da alle Sprachen unter einer Menge eines rohen Volkes zuerst entstanden; oft durch Vermischungen fremder Sprachen verwirret, und durch allerley einschleichende Misbräuche, noch mehr verderbet worden. Sobald sich nun Gelehrte finden, die auch auf die Schreibart einigen Fleiß wenden; so fängt man an, die Sprachähnlichkeit besser zu beobachten, als der Pöbel zu thun pflegt: und die Sprache verliert also etwas von ihrer Rauhigkeit. Je mehr fleißige und sorgfältige Schriftsteller sich nun finden, desto richtiger wird die Sprache: und daher entsteht die Pflicht, sich auch nach dem Gebrauche der besten Schriftsteller zu richten. (GOTTSCHED [1748] 1762: 8): Da die Sprachen sich von Zeit zu Zeit verändern, und unvermerkt gewisse Arten zu denken und zu reden aufkommen, auch endlich überhand nehmen, die vormals nicht gewöhnlich gewesen: so müssen sich auch die Sprachlehrer darnach richten, und solche Regeln machen, die der Mundart ihrer Zeiten gemäß sind. […] Denn seit hundert Jahren hat sich das Deutsche ziemlich gebessert, oder doch wenigstens sehr verändert. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 535): Credette quella nazione dovere anche in questo seguir l’esempio dei Romani e dei Greci, le cui lingue tanto fiorirono e montarono a tanta altezza, forse anche perché ad esse non furono tarpate le ali dagli statuti delle Accademie. Ad alcuni de’ nostri sembrò medesimamente che un qualche torto venisse fatto alla nostra favella col Vocabolario singolarmente della Crusca; quasi che con esso siasi voluto fermare il corso di una lingua vivente, e segnandone i limiti, siasi anche preteso assegnarne per sempre i confini. Ma tale non è da credere sia stata la intenzione degli Accademici. Non avvisarono essi forse mai che il contare le nostre ricchezze fosse uno sminuirle o impedire altrui il modo di accrescerle. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 535): Ciò che regolò la lingua francese fu non tanto l’uso, a cui non si badò gran fatto, né tampoco l’autorità degli classici scrittori, a cui ricorrere non poteano, quanto il gusto di coloro che sedea-
677 no a quel tempo nel tribunale dell’Accademia. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 537): Tanto può la giacitura delle parole, levata la quale si viene il più delle volte a levare al discorso armonia, grazia, sospensione e dignità. Così dicevasi contro alle nuove regole dell’Accademia. Dicevasi ancora che troppo con esse si veniva a cavillare, che troppo scrupolose erano le correzioni, troppo ingiuste le censure contro a que’ modi di dire che tanto o quanto avessero dell’irregolare; buona parte delle figure grammaticali non altro essendo in sostanza che altrettanti errori di lingua, ma errori commessi da coloro che le indole conoscono e il particolare idioma delle passioni, e sanno che la grande arte dello scrivere è il bene imitar la natura. Aggiugnevano che quanto Ronsardo avea cercato di rendere la lingua nerboruta, animosa e varia, altrettanto l’Accademia l’avea resa effettivamente timida, uniforme e floscia […]. le volpi di Sansone, secondo la espression del La Mothe, non menarono tanta strage nelle biade de’ Filistei, quanto aveano fatto nella messe della lingua le regolazioni degli Accademici. (BOUCHOT 1759: 5): A Messieurs de l’Académie françôise. Ils n’ont été établis que pour s’oposer au caprice de la nation, arrêter les progrès des fleaux de la nouveauté, & servir de guide au torrent de l’inconstance. (BOUCHOT 1759: 9): Ces sons brefs qui sont tempérés par des sons un peu plus lents, doivent fixer l’attention des gens de goût qui travaillent à régler la prononciation françôise: sans toutefois affecter des sons trop lents & trop languissans, lesquels énervent la beauté d’une langue, qui veut être proportionnée au génie d’une nation vive. (BOUCHOT 1759: 16): Il en est de même aujourd’hui pour la Langue françôise, elle a des principes & des régles; le goût seul avec le bon sens ne suffisent plus pour en être juge: il faut savoir les régles; il faut être en état de piquer la loi. (PRÉMONTVAL 1759–1761: Dessein de cet ouvrage, IV-V): Cependant on ne peut nier qu’il ne soit de l’intérêt général, que la langue une fois adoptée, de quelque maniere, & à quelque titre que cela se soit fait, se conserve la plus pure qu’il est possible.
678 (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, VIII-IX): Un Recueil d’Observations roulant toutes sur des fautes de langage, quelque utile qu’on le suppose, n’annonce-t-il pas bien du dégoût? Je conviens que la sécheresse & l’aridité semblent en être inséparables; & c’est ce que montrent en effet les excellens Ouvrages en ce genre, de Vaugelas, de Corneilles, de Bouhours, & de quelques autres: Ouvrages de grande réputation que presque personne ne lit. Aussi me proposé-je une méthode bien différente. Envain un livre renferme des regles & des préceptes de l’usage le plus indispensable, si l’ennui le fait tomber des mains de la plûpart des Lecteurs. C’est ce que j’ai dû prévenir. Nos habiles Grammairiens, que j’estime infiniment pour le fond, seront mes guides & mes autorités. (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, Avant-Propos, 16–17): Sur le mot de Préservatif. On m’a objecté que ce mot sentoit la Médecine. Cela me fut représenté, avant la publication de mon Projet, par un Ami, qui craignoit sérieusement que l’idée peu agréable du Titre ne nuisît à mon Ouvrage. Quelqu’un m’en proposoit un autre, plus beau, plus noble en effet, mais trop fastueux; celui de Conservateur de la langue Françoise en Allemagne. (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, Avant-Propos, 19): C’est donc le P. Buffier qui m’a fourni l’idée de mon Titre, Préservatif contre la Corruption de la Langue Françoise &c. A son imitation je donnerai des Préservatifs contre plusieurs de nos Grammaires modernes. Celle de M. Mauvillon, toute pleine de Fautes honteuses qui ne l’empêchent pas d’avoir grand cours en Allemagne, ne sera pas oubliée; non plus que ses Remarques sur les Germanismes, où il commet lui-même plus de Barbarismes qu’il n’en reprend: c’est chose de fait. Bien entendu que je promets aussi le Préservatif de mon Préservatif. (MICHAELIS 1760: 30): Der zweite Abschnitt. Von dem vortheilhaften Einfluß der Sprachen in die Meinungen. […] Und woher entsteht dis? Wo ich nicht irre, so ist fast alle Schuld unsern Botanicis zu geben. Sie bedienen sich der lateinischen Nahmen fast mit Ausschließung, ja wol mit Tadel der Einheimischen: andere Gelehrte ahmen ihnen nach, und düncken sich artiger und zunftmäßiger zu reden, wenn es undeutsch ist, und das blos den Bau-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung ren gelassene Wort, muß bäurisch und unedel klingen, bis es gar vergessen wird. Unter den vielen Nahmen von einerley Pflantze kann auf diese Art keiner claßisch werden, welches bald geschehen würde, wenn ein großer Botanicus ihn im mündlichen und schriftlichen Vortrag gebrauchte, und den lateinischen Nahmen blos zur Erklärung an die Stelle setzte, die man noch jetzt zuweilen dem deutschen aus Gütigkeit einräumt. (MICHAELIS 1762: 83): Ni les noms scientifiques, pris de la langue des savans, ni les définitions ne sauroient remédier à ce défaut. l) Ces définitions & ces noms diférent encore plus entre eux que les diférens noms provinciaux: chaque savant a le droit de les changer à son gré, & pour ne le point perdre, il en use le plus souvent qu’il peut. (Kratkija pravila Rossijskoj Grammatiki 1773: 2): […] ɨ ɩɪɚɜɢɥɶɧɨɦɴ ɡɧɚɧiɢ ɩɪɢɪɨɞɧɨɝɨ ɹɡɵɤɚ ɧɟ ɦɟɧɶɲɟ ɪɚɡɫɭɠɞɚɸɬɴ, ɤɚɤɴ ɢ ɨ ɞɨɜɨɥɶɧɨɦɴ ɫɜɟɞɟɧiɢ ɱɭɠɟɫɬɪɚɧɧɵɯɴ. (CAPMANY 1776: 75): ¿Quántas voces podrian haberse incorporado en el diccionario general de la lengua que se desdeñan por la sola nota de provinciales, siendo muchas de ellas de una incomparable viveza y fuerza? (BRICAIRE DE LA DIXMERIE 1781: 312): Je n’aurai pas la même tolérance pour ces longues phrases, si pésantes, si embarrassées dans leur marche, si ambitieuses de paraître dire quelque chose, & ne disant presque jamais rien; espèce d’équipage de parade qu’on promène à vuide je les crois aussi peu nécessaires que peu agréables. (GARCÉS 1791: I, XXII): […] no hay, ni puede haber cosa mas necesaria para una culta nacion, que tener ella y mantener un lenguage cierto, y constante, al qual, formado que sea, deben todos atenerse, huyendo toda novedad, ó mudanza; pues es cierto que suele esta provenir no de mejor juicio y gusto, mayor conocimiento y doctrina que tuviéron los Maestros que la perfeccionáron, sino de inconsideracion, liviandad y poco estudio en los succesores, que introducen novedad; porque ignoran aquel rico y propio caudal que con ellos supiéron hablar en todo […]. (JOVELLANOS [1795] 1963: 114): Llámase pureza el uso de aquellas voces y construc-
Normierung ciones que pertenecen á la lengua que estamos hablando, en contraposicion de aquellas palabras y cláusulas tomadas de otros idiomas, arcaismos, voces nuevas ó sin propia autoridad. (LÓPEZ DE LA HUERTA 1799: XI): No se puede dudar que cada dia se va fixando mas la significacion de las voces, y distiguiéndose por su medio, con mayor exâctitud, las mas delicadas percepciones del entendimiento. Este es un efecto que naturalmente y sin esfuerzo producen los progresos de la literatura, de las artes, de la sociabilidad, y el comercio ó recíproca comunicación de las ideas. (BERNHARDI [1805] 1990: 45–46): Im Staate als solchem als bloße Verknüpfung vernünftiger Wesen zu einer Einheit für äußere Zwecke, ist die Sprache nur ein Vereinigungsoder Verständigungsmittel. Reinheit und Richtigkeit sind das Ideal einer solchen Sprache. Von einer Wahl der Gegenstände der Darstellung kann die Rede nicht seyn, denn als Verständigung aller darf sie nicht verschmähen, was die Nothwendigkeit zu bezeichnen gebietet. Diese Sprache heißt: Sprache des gemeinen Lebens. 1. Guter vs. schlechter Sprachgebrauch (MAUPAS [1618] 1625: 7): Pour l’affinité de son qu’il y a de c, dur, avec g, dur, les hauts Allemands les confondent quasi tousjours en prononçant. Il faut s’exercer à y mettre difference sur ces mots & semblables, Carder, garder, cris, gris, coust, goust. (CHIFLET [1659] 1681: Préface): Ce n’est pas une grande loüange, de bien garder les Regles de la Grammaire: mais aussi n’est ce pas un petit deshonneur d’y manquer lourdement. Voylà l’inconueniant, dont j’ay voulu vous preseruer. et comme il y a deux sortes de personnes, qui liront cette Grammaire: les uns qui sçauvent desja la Langue, & n’ont besoin que de s’y perfectionner: les autres qui en veulent apprendre les Principes, tels que sont les étrangers: ie conseille à ceux, qui en sçavent desja beaucoup, de la lire soigneusement d’un bout à l’autre, & d’y remarquer seulement ce qui pourra seruir à corriger leurs defauts. (CHIFLET [1659] 1681: 132): Il ne faut jamais rapporter la mesme construction à deux mots differents, dont l’un ne s’y accorde pas. Plu-
679 sieurs font cette faute, pensant plustot au sens qu’ils ont dans l’esprit, qu’aux paroles qu’ils ont à la bouche. (CHIFLET [1659] 1681: 166–167): Mais, disent-ils, ce seroit un grand soulagement pour les étrangers, qui lisent nos liures François, & apprennent nostre langue. Cette raison m’a tousjours semblé fort deraisonnable: & ie vous en feray le iuge. Car quoy que vous fassiez, iamais un estranger ne lira vostre langue, comme vous la lisez, s’il ne l’apprend de vous: ainsi que vous mesmes, si vous entreprenez de lire de l’Allemand, du Flamand ou de l’Espagnol, sans sçavoir leur façon de prononcer, vous feres rire les personnes de ces nations de l’impertinence de votre mauuais langage. (MÉNAGE 1672: I, 92): Mais il est vrai que cette façon n’est plus du bel usage. (BOUHOURS 1675: 2): On demande lequel il faut dire; ou si on peut dire l’un & l’autre. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: BUSSY-RABUTIN à BOUHOURS, 16.2. 1675): […] il y a des endroits admirables, il y en a de mediocres […]. (LAMY [1675] 1688: 51): Il ne faut pas conclure de tout cela qu’il soit permis aux Latins & aux Grecs de transposer leurs mots sans aucune moderation. Il n’y a que les méchants écrivains qui ayent pris cette liberté, les bons l’ont condamnée, car sans difficulté un mot ne doit jamais être trop éloigné du lieu où il se rapporte. (LAMY [1675] 1688: 56): Il faut encore distinguer l’article indefini d’avec celui qui est defini, & ne le pas mettre l’un pour l’autre. C’est mal parler que de dire je n’ai point de l’argent. Lorsqu’on veut dire en general qu’on est sans argent. En cette occasion il faut ecrire je n’ai point d’argent. Au contraire quand on ne parle pas en general, mais qu’on indique une chose determinée, c’est une faute de se servir de cet article indefini pour celui qui est defini. Dire par exemple donnez-moi d’argent, pour, donnez-moi de l’argent. (LAMY [1675] 1688: 73): Or il n’est pas difficile de faire le discernement du bon usage d’avec celui qui est mauvais, des manieres de parler de la populace qui sont basses d’avec celles des personnes scavantes, & que la con-
680 dition ou le merite éleve au dessus du commun. Il y a trois moïens de faire ce discernement. Le premier est l’experience. On peut consulter sur un doute ceux qui parlent bien: remarquer de quelle maniere ils s’expriment: quel tour ils donnent à leurs paroles; ce qu’ils affectent; ce qu’ils évitent. Si on ne peut avoir leur conversation, on a les Livres où l’on parle ordinairement avec plus d’exactitude, parce que l’on a le temps & le loisir de corriger les mauvaises façons de parler qui se glissent dans le discours. (LAMY [1675] 1688: 73): Le second moïen que nous avons pour connoître le bon usage est la raison, comme je vais le faire voir. Toutes les langues ont les mêmes fondemens que les hommes établiroient, si par une aventure semblable à celle que nous avons feinte, ils étoient obligez de se faire une nouvelle langue. L’on peut par la connoissance que nous avons donné de ces fondemens, se rendre maître & juge d’une langue, condamner les loix de l’usage qui sont opposées à celles de la nature, & de la raison. (LAMY [1675] 1688: 73–74): Les langues ne se polissent que lorsqu’on commence à raisonner, qu’on bannit du langage les expressions qu’un usage corrompu y a introduites, qui ne s’apperçoivent que par des yeux sçavans, & par une connoissance exacte de l’Art que nous traitons. Quand on ne se sert que d’expressions justes, les langues se renouvellent, & le non usage, s’il m’est permis de parler ainsi, des méchantes manieres de parler établit l’usage de celles qui sont raisonnables. C’est de cette maniere que la langue Grecque s’est polie, & qu’elle est devenuë sans contredit la plus belle & la plus parfaite de toutes les langues. (HINDRET 1687: 21): C’est de cét usage qu’il faut qu’on tire & qu’on dresse des regles, autrement si on confond le bon usage avec le mauvais, il suffira de savoir parler, tant bien que mal, pour savoir prononcer nôtre Langue, & on aura raison pour lors de dire, comme on disoit autre fois qu’importe-il, comme on parle, pourveu qu’on se fasse entendre. (HINDRET 1687: 33): Ce n’est pas, par exemple, l’accent d’un Gascon qui lui fait prononcer un v consone pour un b, ni un b pour un v
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung consonne, & qui luy fait dire un havit pour un habit, et bous pour vous, puisqu’il prononce ces consonnes aussi bien que nous; Ni ne lui fait donner un son de double diphthongue à nos syllabes ai & au, puisque prononçant bien les e ouverts & les o qui sont dans les mots Jupiter, amer, coq, nôtre, botte, il peut aussi bien que nous prononcer ferre, cose pour dire faire & cause sans faire sonner l’i & l’u de ces mots s’il veut bien y prendre garde; et il pourroit aisément se corriger de ces fautes sans être obligé pour cela de se défaire de son accent. (ALEMAND 1688: 9–11): Lequel des deux mots est le meilleur Abandon ou Abandonnement. Ces deux mots sont de nouvelle fabrique, ils sont nez environ au milieu de ce siécle; car je ne les trouve point au commencement dans le Cardinal du Perron, dans Malherbe, dans Coeffeteau, dans Bertaud, ny dans les autres Auteurs de ce premier âge de nôtre langue, ce sont donc nos Modernes qui ont commencé à les employer. Il y en a qui disent toûjours abandon & ne peuvent souffrir abandonnement, qu’ils trouvent trop incommode dans les vers, à cause qu’il est trop long, ils ne le trouvent pas moins embarassant en Prose où il faut aussi bien de la mesure qu’en Poësie. Le P. Bouhours ne prend pas ce pretexte pour rejetter ce mot, comme il rejette encore tous ceux qui se terminent en ment, ce Pere ne les proscrit que parce qu’ils ont le malheur de luy déplaire, c’est toute la raison qu’il en a pû donner dans les contestations qu’il a euës sur ce sujet avec M. Ménage, qui a entrepris leur deffense, laquelle est à la vérité bien legitime. Car si on bannissoit de nôtre langue les mots de cette terminaison, où en serions-nous? Nous en avons plus de trois cens de compte fait, dont il y en a plus de la moitié qui sont verbaux, c’est-à-dire, formez d’un verbe, ausquels le P. Bouhours en veut particulierement, abandonnement en est du nombre, car nous l’avons fait d’abandonner, quels mots mettrions-nous à la place de tout ce grand nombre d’exilés, qui sont cependant en faveur & en usage, quoy qu’en puisse dire ce Pere. Abandonnement est fort bien reçû parmi nos spirituels & nos devors, nos plus celebres Predicateurs s’en servent, M. l’Abbé de la
Normierung Chambre l’a mis dans le Panegyrique de sainte Rose. Enfin il y a tres-peu de gens qui veüillent donner dans l’aversion si mal fondée de ce Pere. Parlons presentement d’abandon que quelques-uns rejettent aussi fort mal à propos & que quelques autres trouvent moins bon qu’abandonnement. Le sieur Richelet est de ceuxcy, mais où est la raison de cette condamnation ou de cette preference, abandon est formé suivant l’analogie d’une infinité d’autres mots, il est autant & plus en usage qu’abandonnement. L’éloquent & sçavant Evêque de Meaux cy-devant Precepteur de Monseigneur le Dauphin, s’en est servi dans ses belles Oraisons funebres, où il dit l’abandon à Dieu & à sa Providence, on voit fort souvent ce mot dans les œuvres de Port Royal; Moliére dit aussi dans ton Tartuffe, Dans un tel abandon leur sombre inquietude Ne voit d’autre recours que le mêtier de prude. Enfin je n’aurois jamais fait si je voulois rapporter toutes les authoritez que j’ay pour abandon, comme aussi toutes celles où l’on voit indifferemment ces deux mots, & ainsi ceux qui se donnent entierement à l’un des deux n’ont pas raison, M. de Vaugelas condamne ces sentimens factieux. Ce qu’il y a d’extraordinaire en cette rencontre, c’est qu’on se divise pour ces deux substantifs pendant qu’on reçoit sans difficulté l’adverbe à l’abandon, qui n’est pourtant pas meilleur y n’étant formé que du substantif abandon, M. le Duc du Maine se sert de cet adverbe dans ses Maximes Morales qu’il a faites à l’âge de sept ans, ce Prince y dit de si bonne grâce: “Je ne trouve rien de si aimable que la liberté, & rien n’est plus doux que d’être à l’abandon avec les amis, on aime à agir par soy-même & suivre son goût, & on a mille fois plus de plaisir à faire tout ce qu’on imagine que ce qui vient des autres”. (ALEMAND 1688: 18–21): Si abregement est un bon mot. Voicy un commencement de la guerre que le P. Bouhours a déclaré aux Ecrivains de Port Royal, il n’est rien de plus beau que leurs Ouvrages, leurs Traductions sont excellentes, enfin, tout ce qu’ils nous ont donné est également solide & poli, mais d’un autre côté le P. Bouhours est assurément un des premiers
681 hommes que nous ayons aujourd’huy pour la langue, il nous en a fait connoître des beautez & des délicatesses qui avoient échapé à M. de Vaugelas & à M. Menage, on prétend neanmoins que ses critiques de langue contre le Port Royal que nous voyons répanduës abondamment dans son entretien de la langue, dans ses doutes & dans ses remarques, ne sont pas toutes bien fondées, c’est ce qui obligea M. Barbier d’Aucourt de l’Académie, d’écrire contre ce Pere pour la deffence de ces Messieurs, dans les sentimens que nous avons vû paroître sous le nom de Cleanthe sur les entretiens d’Ariste & d’Eugene. Quelques-uns ont crû, & ce n’est peut-estre pas sans fondement, que cét ouvrage étoit du Port Royal même, qui avoit seulement emprunté le nom de M. d’Aucourt, du moins c’est ce que M. l’Abbé de Villars reproche à cét Academicien, dans son traité de la délicatesse qu’il fit pour répondre à Cleante & pour deffendre le P. Bouhours. Quoiqu’il en soie, il est certain que M. d’Aucourc est capable de faire quelque chose d’aussi bon que cette Critique, bien qu’elle soit une des mieux écrites que nous ayons. Enfin, quand il seroit véritable que cét Academicien n’auroit que prêté son nom pour la deffense du Port Royal, & que ces Messieurs se seroient deffendus eux-mêmes dans cét ouvrage des sentimens de Cleanthe, qu’on ne croye pas pour cela que personne n’ait osé prendre leur parti. Monsieur Menage l’a pris aveuglément, le P. Bouhours & luy se sont dit à ce sujet toutes les raisons & toutes les injures qu’on se pouvoit, raisonnablement ou non, dire de part & d’autre, & tout cela qui le croiroit sur de pures questions de langue, en sorte que si la guerre qui a esté entre les autres Auteurs François a esté civile, parce qu’elle étoit entre des gens de même nation, on peut dire que la guerre qui a esté entre le P. Bouhours & M. Menage, car ils sont a present bons amis, a esté fort incivile par les manieres choquantes avec lesquelles ils ont écrit l’un contre l’autre. Mais venons au mot d’abregement qui nous a fait dire tout cela: M. de Chanteresne du Port Royal s’en étoit servi dans son beau traité de l’éducation d’un Prince, & une infinité de
682 gens le trouverent bon; mais le P. Bouhours l’a rejetté pour cette seule raison d’antipatie qu’il a contre tous ces noms verbeaux que se terminent en ment. Les partisans de ce Pere qui ne sont pas en petit nombre trouvent aussi ce mot trop nouveau, trop rude, & d’ailleurs, tres-peu necessaire, puisque nous avons accourcissement. Les autres, au contraire, le trouvent analogique, necessaire & tres-signincatif, jusques-la que le sieur Richelet, d’ailleurs fort grand sectateur du Pere Bouhours, l’abandonne en cette rencontre & se déclare pour abregement dans son Dictionaire, & il ne fait point mal ce me semble, & j’avouë ingenuëment que j’ay un extréme penchant à favoriser ce mot. c’est un nouveau venu à la vérité, mais il s’est introduit de bonne grace & il a esté presenté par des personnes d’une grande authorité en nôtre langue, & ainsi je voudrois qu’on pratiquât sur tout icy le conseil du grand Oracle de nôtre langue M. de Vaugelas, qui veut que l’on se rende favorable autant qu’on le pourra à l’établissement des mots nouveaux, pour aider à enrichir nôtre langue, car enfin nous recevons bien abreger, quoy que nous ayons aussi accourcir, pourquoy refuserons nous abregement, les Italiens & les Espagnols ont bien aussi leur abbreviatura, & leur abreviamento, qui sont encore plus Latins que le nôtre. (ALEMAND 1688: 39–42): Monsieur de Vaugelas a pretendu qu’on ne devoit point employer ce verbe qu’en bonne part à l’imitation de la Cour, qui ne se servoit pas autrement d’accueïl à moins qu’on n’y ajoûtat mauvais, ou quelque autre epithete d’une signification semblable; cependant il choquoit en cela le sentiment des meilleurs Auteurs de son temps, qui ne faisoient aucune difficulté de mettre accueïllir en mauvaise part, Coeffeteau son oracle le mettoit volontiers ainsi, & on ne voit autre chose dans les meilleurs Ecrivains qu’être accueïlly de toutes sortes de malheurs, être accueilly de la tempête, &c. Et ce pourroit bien être aussi ce qui a obligé le Pere Bouhours d’ailleurs grand adorateur de M. de Vaugelas de soûtenir une chose qui luy est bien opposée, car ce Pere dit positivement qu’accueillir ne vaut rien du tout qu’en mauvaise part, & qu en bonne part il faut dire, il a été bien reçû, on luy a fait un accueil
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung favorable, le J. Corneille méprise également ces deux opinions, puisqu’il rejette ce verbe en l’une & en l’autre signification & soutient qu’en bonne part il faut dire il a été bien reçû, & en mauvaise part, il a été battu de la tempête, il a été accablé de toutes sortes de malheurs, cet Academicien n’aura pourtant pas les gans, comme l’on dit, car le sieur Richelet a le premier ouvert cette opinion dans son Dictionnaire. […] Ce qui m’a surpris dans M. de Vaugelas, c’est qu’il ait voulu nous faire accroire que de son temps, on ne se servoit à la Cour du mot d’accueïl qu’en bonne part, ce qui n’est pourtant pas veritable, tous les Auteurs de ce siécle, & particulierement ceux qui luy étoient contemporains, & qui frequentoient la Cour comme luy ont toûjours mis accueïl en mauvaise part, mais il falloit qu’il dit cela d’accueïl pour pouvoir avancer la même chose d’accueïllir, il connoissoit bien que l’argument de l’un étoit bon pour l’autre, le P. Bouhours n’a cependant pas bien pris garde à cette raison, car comment veut-il ôter à accueïllir une signification favorable pendant qu’il la laisse à accueïl; ne voit-il pas bien que ces deux mots ont entr’eux une espece de communauté de bien & de mal. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 122– 123): “[…] quand le Roy veut faire des Ordonnances et des Réglements sur ces matieres, il se sert des termes de cét Art, sans qu’on puisse l’accuser de parler un langage barbare; comme on ne peut pas accuser Ciceron d’avoir parlé mal Latin […].” [selon Furetière] (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 420): […] on voit des gens disputer long-temps, s’il faut dire bréveté ou briéveté, il semble qu’il ne leur soit pas libre de les admettre tous deux, & qu’il faille necessairement qu’il y en ait un de mauvais, en quoy ils se trompent fort. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 711): C’est une sotte affectation de vouloir toujours mettre il est, pour, il y a. (ANDRY DE BOISREGARD [1693] 1694: 32): C’est une maniere de parler fort ordinaire dans le discours familier. (ANDRY DE BOISREGARD [1693] 1694: 367): Il y a manière de dire noblement les choses.
Normierung (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 146–147): Au reste, si l’on doit avoir de la complaisance pour les inventeurs des mots necessaires à la langue; on devroit avoir beaucoup de severité pour empêcher qu’on y en introduisist tant d’inutiles pour signifier des choses pour lesquelles nous en avons déja de tres-bons. On devroit traiter de ridicules ces badaux & ces causeuses qui pervertissent les significations legitimes des termes. Ces sortes de gens mettent aujourd’huy, par exemple, le mot gros dans toutes leurs phrases, comme l’on faisoit du temps de Charles VI. sans raison & sans jugement. C’est contre ces impertinences qu’il seroit besoin d’avoir de l’exactitude, parce qu’elles mettent la confusion dans le langage. (MURATORI 1706: 628–629): Potevasi da quei valentuomini Fiorentini molto commendare il merito de gli Autori, che dall’Anno 1300 in fino al 1400 scrissero in Italiano, perché essi nel vero furono i padri della Lingua, e per tali da noi debbono venerarsi. Ma non poteano sí francamente affermare, che con esso loro nascesse, e ancor cadesse la perfezione della detta Lingua; ristringendo in un secolo solo anzi nella sola vita del Boccaccio, la riputazione dell’Italico parlare; e mostrando con ciò di credere, che oggidí per iscrivere, e parlar con lode, sia non che utile, ancor necessario il copiare affatto il Linguaggio di Dante, del Boccaccio, e de gli altri vecchi, benché in molte cose assai dispiacente a gli orecchi, e alla leggiadria de’ moderni. (MURATORI 1706: 629): Fra Giordano, e simili altri Autori di quel secolo supposto d’oro, non vanno senza molti Solecismi, e senza moltissimi Barbarismi di Lingua, che forse allora tali non erano, o non parvero, perché non era ancor formata la Gramatica, ma che ora il sono, e sarebbono intollerabili nelle moderne Scritture. Usano eziandio parole, e forme di dire, che oggidí riescono pedantesche, rozze, e Latine; e in una parola, col molto lor frumento hanno mischiata non poca quantità di loglio. (MURATORI 1706: 633): Le quali cose da lui scritte in tempo, che già le sue Rime, quelle di Dante, e tutte le Opere migliori del Boccaccio erano pubblicate, assai palesemente dimostrano, come allora stesse l’Idioma Italiano. Perciocché dicesi lo Stile Volgare mo-
683 do inventus, adhuc recens, cioè poco fa nato, e ancor bambino; vastatoribus crebris, ac raro squallidus colono, rozzo, squallido; perché pochi lo coltivavano bene, molti lo trattavano male; magni ornamenti, vel augmenti capax, e facevasi conoscer capace di molto accrescimento, ed ornamento. (LUZÁN [1729] 1991: 94): De los diccionarios, los mejores son los que acompañan cada vocablo con ejemplos de buenos autores; porque los que traen el solo vocablo sin ejemplo, son peligrosos y alguna vez pueden hacer caer en impropiedades. (DU MARSAIS 1730: 212): Il est dificile en parlant & en écrivant, d’aporter toujours l’atention & le discernement nécessaires pour rejeter les idées accessoires qui ne conviènent point au sujet, aux circonstances, & aux idées principales que l’on met en œuvre: delà il est arivé dans tous les tems, que les écrivains se sont quelquefois servis d’expressions figurées qui ne doivent pas être prises pour modèle. Les règles ne doivent point être faites sur l’ouvrage d’aucun particulier, elles doivent être puisées dans le bon sens & dans la nature: & alors quiconque s’en éloigne ne doit point être imité en ce point. Si l’on veut former le gout des jeunes gens, on doit leur faire remarquer les défauts aussi bien, que les beautés des auteurs qu’on leur fait lire. Il est plus facile d’admirer, j’en conviens; mais une critique sage, éclairée, exemte de passion & de fanatisme est bien plus utile. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 409): Man setze hierbey jedoch voraus, daß man jederzeit die besten Schrifftverfasser bey der Erlernung einer todten Sprache als Vorgänger erwehlen müsse; so wird man im Stande seyn, allen Misverstand bey dieser erwiesenen Wahrheit zu vermeiden. Man verstehet nur dasjenige Böse, Unvollkommene und Unregelmäßige, welches man bey den angeführten besten Urhebern antrifft, und verwerffen [sic] alles übrige, welches schlechtere Verfasser uns aufbehalten haben. (GOTTSCHED [1748] 1762: 290): Endlich wird auch das Wörtchen so, sehr häufig, als ein beziehendes Fürwort, und zwar ohne Unterschied der Geschlechter, Fall- und Zahlendungen gebrauchet; und es fraget sich, was
684 davon zu halten sey? Die Redensarten klingen so: Derselbe, so zuerst die Sache erfunden; Die Braut, so er sich erwählet; Dasjenige, so sie mir geschrieben. Die Gaben, so ihm von der Natur verliehen worden, u. d. gl. Nun wäre zwar diese, bey vielen eingeführte Art zu schreiben, gar wohl zu dulden; wenn nicht dieses Wörtchen nicht schon ohne dies gar zu oft vorkäme. Denn auf sehr viele Verbindungswörter, als wie, weil, nachdem, seitdem, wofern, folget es in der andern Hälfte des Satzes überall. Die Vergleichungen werden auch damit gemachet, so groß, so reich, andere Fälle zu geschweigen. Man enthalte sich also dessen als eines beziehenden Fürwortes, so viel man kann; […]. (GOTTSCHED [1748] 1762: 484–485): Es ist eine altväterische Nachahmung des Griechischen und Lateinischen, die wider den natürlichen Schwung unserer Sprache läuft, wenn man einen Satz mit einem Mittelworte der gegenwärtigen Zeit anfängt. […] Wir haben davon nur noch ein Paar alte Redensarten im gebrauche; wenn wir sagen: Anlangend nun das leben und Wandel, oder: Betreffend dieses oder jenes. Aber in allen andern Redensarten kann man dergestalt nicht anheben: z. B. Sehend, daß dieses geschah, sprach er etc. Auch so darf man nicht einmal sagen: Dieses sehend, sprach er etc. Selbst die obigen Redensarten klingen besser so: Was nun das anlanget, oder was jenes betrifft etc. Unsere Neulinge fangen indessen an, solche Barbarismen einzuführen, die allen deutschen Ohren einen Ekel erwecken. (GOTTSCHED [1748] 1762: 485): Eben so ist es eine ungeschickte Nachäffung des Französischen, wenn man das Mittelwort der vergangenen Zeit, gleich im Anfange der Sätze und Redensarten brauchen wollte. Z. B. Erschrecket durch deine Worte, kann ich dir nichts antworten; oder so: vergnügt über deinen Antrag, ergreife ich ihn mit beyden Händen. Das ist eine barbarische oder undeutsche Art zu reden und zu schreiben. (GOTTSCHED [1748] 1762: 500): Die verdoppelte Verneinung, die noch im vorigen Jahrhunderte bey guten Schriftstellern gewöhnlich war, um desto stärker zu verneinen; muß itzo in der guten Schreibart ganz abgeschaffet werden. Man sagte z. B. damals: ich habe ihn niemals nicht gesehen; Es wird ihm dadurch
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung nicht nicht entgehen; Es kann es keiner nicht so gut. […] Allein heutzutage spricht nur noch der Pöbel so. Artige Leute vermeiden es, und zierliche Scribenten noch mehr. Ich habe ihn niemals gesprochen; dadurch entgeht dir nichts. (GOTTSCHED [1748] 1762: 503): Das Wörtchen vor wird überall mit gutem Rechte gebrauchet, wo von zeit und Ort die Rede ist, wie das lateinische ante, prae und coram. Daher ist es ganz unrecht, wenn viele schreiben fürlegen, fürschreiben, fürbilden, fürmalen, fürstellen, u. d. gl. da es doch überall vor heißen sollte; weil man einem etwas vor die Augen leget, schreibt, bildet, malet und stellet. Diese betrafen den Ort: folgende zielen auch auf die Zeit; als vorgehen, vorlaufen, vorfahren, vorreiten, […]. […] Für muß nur in denen Fällen gebrauchet werden, wo man anstatt eines andern, oder in seinem Namen oder ihm zu gut etwas thut; welches der Lateiner mit pro ausdrücket. (GOTTSCHED [1748] 1762: 504): Es ist kein geringer Mißbrauch, wenn einige von vielen zusammengesetzten Nebenwörtern, die ersten Syllben abbeißen, und sie dadurch so verkürzen, daß oft eine Undeutlichkeit und Zweydeutigkeit entsteht. Z. B. aus hervor machen sie vor, und daher aus hervorziehen, vorziehen, […]. Eben so machen sie aus heraus, raus, aus hinein, nein, aus herab, herauf, rab und rauf; […], dadurch die Sprache allmählich wankend und ungewiß gemachet wird. (GOTTSCHED [1748] 1762: 530): Übrigens sind gewisse Provinzen mit Zwischenwörtern so reichlich versehen, daß man sich in der guten Schreibart hüten muß, sie nicht alle anzunehmen. (Encyclopédie, Artikel Accent, DU MARSAIS, 1751: I, 63): Pour bien parler une langue vivante, il faudroit avoir le même accent, la même inflexion de voix qu’ont les honnêtes gens de la capitale; ainsi quand on dit, que pour bien parler françois il ne faut point avoir d’accent, on veut dire, qu’il ne faut avoir ni l’accent Italien, ni l’accent Gascon, ni l’accent Picard, ni aucun autre accent qui n’est pas celui des honnêtes gens de la capitale.
Normierung Accent ou modulation de la voix dans le discours, est le genre dont chaque accent national est une espece particuliere; c’est ainsi qu’on dit, l’accent Gascon, l’accent Flamand, &c. L’accent Gascon éleve la voix où, selon le bon usage, on la baisse: il abrege des syllabes que le bon usage allonge; par exemple un gascon dit par consquent, au lieu de dire par conséquent; il prononce séchement toutes les voyelles nazales an, en, in, on, un, &c. (HARRIS [1751/1786] 1993: 227): Hence also it is, that as TWO, when taken alone, has reference to some primary and indefinite Perception, while the Article, THE, has reference to some secondary and definite; hence I say the Reason, why it is bad Greek to say […], and bad English, to say TWO THE MEN. (Encyclopédie, Artikel Construction, DU MARSAIS, 1754: IV, 78): II. La seconde sorte de figure est le contraire de l’ellipse; c’est lorsqu’il y a dans la phrase quelque mot superflu qui pourroit en être retranché sans rien faire perdre du sens; lorsque ces mots ajoûtés donnent au discours ou plus de grace ou plus de netteté, ou enfin plus de force ou d’énergie, ils font une figure approuvée. Par ex. quand en certaines occasions on dit, je l’ai vû de mes yeux, je l’ai entendu de mes propres oreilles, &c. je me meurs; ce me n’est-là que par énergie. C’est peut-être cette raison de l’énergie qui a consacré le pléonasme en certaines façons de parler: comme quand on dit, c’est une affaire où il y va du salut de l’état; ce qui est mieux que si l’on disoit, c’est une affaire où il va, &c. en supprimant y qui est inutile à cause de où. Car, comme on l’a observé dans les remarques & décisions de l’académie Francoise, 1698, p. 39. il y va, il y a, il en est, sont des formules autorisées dont on ne peut rien ôter. La figure dont nous parlons est appellée pléonasme, mot grec qui signifie surabondance. Au reste la surabondance qui n’est pas consacrée par l’usage, & qui n’apporte ni plus de netteté, ni plus de grace, ni plus d’energie, est un vice, ou du moins une négligence qu’on doit éviter: ainsi on ne doit pas joindre à un substantif une épithete qui n’ajoûte rien au sens, & qui n’excite que la même idée; par ex. une tempête orageuse. Il en est de même de cette façon de parler, il est vrai de dire que; de dire est entierement inutile. Un de
685 nos auteurs a dit que Cicéron avoit étendu les bornes & les limites de l’éloquence. (DENDO Y AVILA 1757: 51): Tambien usamos mas oportunamente de esta voz […]. (DENDO Y AVILA 1757: 52): Solo esta voz es propria para para significar […]. (MAYANS 1757: 56): Todos los hombres que llegan a tener uso de la razón i de articulacion, hablan; pero mui pocos hablan bien, i raríssimos, mui bien, o perfetamente. (HELVÉTIUS 1758: 100): TOUTE société, divisée d’intérêt & de goût, s’accuse respectivement de mauvais ton; celui des jeunes gens déplaît aux vieillards, celui de l’homme passionné à l’homme froid, & celui du cénobite à l’homme du monde. Si l’on entend par bon ton le ton propre à plaire également dans toute société, en ce sens il n’est point d’homme de bon ton. Pour l’être, il faudroit avoir toutes les connoissances, tous les genres d’esprit &, peut-être, tous les jargons différents; supposition impossible à faire. (HELVÉTIUS 1758: 100): Les gens du monde sont donc, vis-à-vis d’elles, précisément dans le cas des gens fortement occupés d’un mêtier; ils en font l’unique & perpétuel sujet de leur conversation: en conséquence, on les taxe de mauvais ton, parce que c’est toujours par un mot de mépris qu’un ennuyé se venge d’un ennuyeux. (Encyclopédie, Artikel Parole enfantine, 1765: XII, 76): […] ce langage imparfait, ce ton enfantin, cette voix à demi-basse, que quelques jolies femmes affectent d’imiter, est ridicule quand on n’est plus dans cet âge tendre où la nature en faisoit tout le charme. (FORNER 1782: 18): Cuando se representa en mi imaginación la grandeza a que llegó la lengua de mi patria en su mejor edad, y veo el miserable y lamentable estado a que la han reducido la vana inconsideración, la barbarie y la ignorancia temeraria y audaz de los escritores de estos ultimos tiempos […]. […] en fin, no han sido los vándalos, los godos, ni los árabes los que en esta ocasión han hecho guerra a la elocuencia de España obscureciéndola con el bárbaro idioma de sus países. Los españoles, los mismos españoles, la han perseguido y aniquilado traidoramente. De
686 ellos ha recibido su lengua una injuria que no recibió jamás de las naciones más rudas y feroces. (GARCÉS 1791: II, I): Y no creais que este negocio del bien hablar sea asi como quiera; ántes es muy difícil y digno de madura consideracion; ya porque cada palabra debe der ser propia y tan acomodada, que ella y no otra que le parezca ocupe su lugar, yendo en esto fundada la principal gracia de la elocucion […]. ([EICHHORN] 1792: 6–7): Wir werden also nur solche Sprachen vorzüglich nennen können, deren Nationen bey ihren gelehrten Beschäftigungen ihre Sprache nicht vernachlässigt haben, um sie reich, regelmäßig, ausdrucksvoll u. harmonisch zu machen, und ihr alle die noch übrigen Eigenschaften zu geben, deren eine Sprache fähig seyn kann. 2. Verbot und Gebot des Gebrauchs (MAUPAS [1618] 1625: 42–43): On appelle communément articles, certaines syllabes dont nous nous servons à distinguer & qualifier notre propos. On les distingue communément en articles finis & infinis: ou pour mieux dire, articles definis & indefins. Plus aucuns sont du genre masculin & au feminin, […] commun genre, c’est-à-dire qui servent indifferement aux noms masculins & aux feminins. Il y en a aussi pour le nombre singulier, autres pour le plurier & quelques uns à l’un & à l’autre indifferemment. On met peine aussi de les distribuer en cas pour imiter en quelque sorte les Grecs & Latins en leurs declinaison. Bien que cette distribution serve plus pour commodité d’enseigner, que pour ce qu’il soit ainsi realement & de fait. Car à vray dire, il n’y a que le, la, les, qui semblent articles: les autres sont comme prepositions desquels notre langue se sert pour arranger ses mots, & les adapter les uns aux autres. (MAUPAS [1618] 1625: 84–85): On peut presenter une seule Reigle, que nous ensuivons le plus souvent en nos substantifs, les genres des Latins, nommément & principalement, en ceux qui en derivent; de matiere que les masculins & neutres en Latin sont attribuez au masculin en nostre langue: Et les feminins en latin en changent gueres de genre en François.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung (OUDIN 1632: Préface Aux curieux): On iugera facilement dans mon liure vne quantité de nouuelles obseruations que ie ne tiens de personne: conférées au demeurant à plusieurs beaux esprits, sur la capacité desquels i’ay fondé mon trauail. (MÉNAGE 1672: I, 16): Il faut dire je vais & c’est ainsi que l’on parie à la Cour. (SMITH 1674a: 56): The Substantive and Adjective agree in case, gender and number; as homme vertueux a virtuous man. The adjective is commonly placed before the Substantive, as bon soldat a good Soldier, except colours, as vin blanc, white wine; Chapeau noir, a black hat; also nouveau, as livre nouveau, a new book. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: BUSSY-RABUTIN à BOUHOURS, 16.2.1675): […] il y a des mots trop savants pour ces gens la, comme axe, paralaxe, astrolabe […]. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: BUSSY-RABUTIN à BOUHOURS, 20.9.1676): Les temps heroïques est une expression qui fait honte à notre siecle. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 13): Pourquoy ne pas dire les treves qui furent faites? (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 14): Cela n’est pas bien intelligible […]. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 15): J’aurois dit sans horreur. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 16): […] l’expression, prit résolution n’est pas juste, il faut dire: il résolut […]. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 26): Cette expression est un peu poëtique; la prose et l’histoire demandent quelque chose de plus simple et de plus juste. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 26): Il falloit dire simplement […]. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 40): Je dirois […]. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 117): C’est entrer dans un détail bas et inutile; je dirois seulement […]. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 120): Cela n’est pas vray-semblable […]. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 125): Je voudrois qu’on eut mis à la marge l’auteur qui a écrit cette réponse du Grand Maître au Com-
Normierung mandeur de Carette, car ces prophéties demandent de grandes autoritez pour estre cruës […]. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 157): Ces expressions sentent les mauvaises descriptions des romans: je dirois seulement […]. (BUSSY-RABUTIN [1675] 1720: 270): Je ne dirois point l’amour tout seul: je voudrois ajoûter l’amour des peuples. (LAMY [1675/1701] 1998: 141–142): Vaugelas dit que le barbarisme est aux mots, aux phrases, et aux particules, ce que le solécisme est aux déclinaisons, aux conjugaisons, et en la construction. On commet un barbarisme en disant un mot qui n’est point français, comme pache pour pacte; ou un mot qui est français en un sens et non pas en l’autre, comme lent pour humide; en se servant d’un adverbe pour une préposition, comme de dire dessus la table pour sur la table; en usant d’une phrase qui n’est pas française, comme élever les mains vers le ciel au lieu de dire lever les mains au ciel; je m’en suis fait pour cent pistoles au jeu, comme disent les Gascons, au lieu de dire j’ai perdu cent pistoles. C’est un barbarisme de laisser les particules qu’il faut mettre, ou de mettre celles qu’il faut supprimer. Pour le solécisme qui a lieu dans les déclinaisons, dans les conjugaisons et dans la construction, voici des exemples de tous les trois. Les émails pour les émaux; il allit pour il alla; je n’ai point de l’argent pour je n’ai point d’argent; un grand erreur pour une grande erreur; j’avons fait cela pour nous avons fait cela. (RICHELET [1680] 1685, Acoutumance): ACOUTUMANCE. S. f. Vaugelas dit que ce mot vieillit, & qu’en sa place on se sert de celui de coutume. Cela est vrai pour l’ordinaire: Mais il y a des endroits où le mot d’acoutumance vient mieux que celui de coutume […] (HINDRET 1687: 9–11): Si nous examinons la petite Bourgeoisie de Paris, nous trouverons beaucoup de gens qui ne font point de difficulté de dire, un pagné, un jardnié, un chavaillié, pour dire un panier, un jardinier, un chevalier, dont on ne doit point faire sonner les r finales; Qui prononcent le verbe manier, je manie, tu manies, &c., comme magné, je magne, tu magnes, &c. qui disent ils ne se soucissent pas, pour dire ils ne se soucient
687 pas; au lieur pour dire au lieu; à main nuit, un soldare, meune part, pour dire à minuit, un soldat, nulle part; Qui pour dire bataillon, postillon, bouteillé, moüillé, boüillon, & autres mots où il entre des i accompagnez de deux ll moüillées disent batayon, postiyon, boutaiye, boüyon; qui disent des flumes pour dire des flegmes; je couseray, tu couseras, &c. pour je coudray, tu coudras, &c. une tabe, une cose, du vinaigue, un doube, du suque, pour dire une table, un cofre, du vinaigre, un double, du sucre; Qui disent une chaisrette, un chaisreau, une demaune, madaime, le mailieu, il est meilieur, un gentizome, &c. pour dire une charrette, un chariot, une demi-aune, madame, le milieu, il est meilleur, un gentilhomme. Je cite ces dernières façons de prononcer grossieres & ridicules, contractées par les uns dans l’enfance, & par les autres pour ne pas savoir les regles afin d’obliger ceux qui liront cecy à s’examiner eux même & à s’en corriger, s’ils y son sujet […]. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 10): En l’amitié est meilleur, & plus soûtenu, quoy que à l’amitié ne soit pas mauvais. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 84): II y a des gens qui rejettent tout à fait bailler, & qui prétendent que donner doit toûjours estre préféré, mais ces personnes là se trompent. (ANDRY DE BOISREGARD [1693] 1694: 398– 399): C’est une maniere de parler que quelques personnes condamnent, & qui est neanmoins bonne. (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 3): On a trouvé d’abord […]. (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 5): On est pourtant demeuré dans le sentiment que […]. (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 6 und 11): Il s’est trouvé peu de messieurs qui ayent voulu le pluriel. (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 7): On ne peut mieux prouver que cette Phrase […]. (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 17): Il semble qu’il y ait quelque faute ou Pleonasme à dire […]. (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 25): Il est plus naturel de dire […]. (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 29): Il semble que […]; il est certain neanmoins que […].
688 (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 33): Il est certain que […]. (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 43): Cette façon de parler a esté presque généralement condamnée. (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 43): Un de la Compagnie a apporté un systeme sur les verbes de la langue. (DU MARSAIS 1730: 214): Au reste les fautes qui regardent les mots, ne sont pas celles que l’on doit remarquer avec le plus de soin: il est bien plus utile d’observer celles qui péchent contre la conduite, contre la justesse du raisonement, contre la probité, la droiture & les bones mœurs. Il seroit à souhaiter que les exemples de ces dernieres sortes de fautes fussent moins rares, ou plutot qu’ils fussent inconus. (GOTTSCHED [1748] 1762: 7): Doch, aus dieser Widerwärtigkeit der Gewohnheit im Reden, folget noch nicht: daß alle Redensarten durchaus auf eine Aehnlichkeit gebracht werden, und also alle Ausnahmen abgeschaffet werden müßten. Nein, die Sprachen sind älter, als die Regeln derselben: und diese müssen also nachgeben, wo eine durchgängige und allgemeine Gewohnheit im Sprechen das Gegentheil eingeführet hat. Nur, wo der Gebrauch ungewiss, oder verschieden ist, da kann ein guter Sprachlehrer, durch die Aehnlichkeit der meisten Exempel; oder durch die daraus entstandenen Regeln, entscheiden, welcher Gebrauch dem andern vorzuziehen sey. (GOTTSCHED [1748] 1762: 166): Es ist also auch falsch, wenn einige hier in Obersachsen, auch wohl in Reiche, in der dritten und sechsten Endung der einzelnen Zahl, beym männlichen oder ungewissen Geschlechtsworte, ein n; in der mehrern Zahl aber ein m sprechen oder schreiben. Z. B. Ich habe es den Mann gesaget, anstatt dem Manne; ich habe es von keinen Menschen gesehen, anstatt von keinem. Oder: Er lag ihm zum Füßen, anstatt zun Füßen, oder zu den Füßen; imgleichen zum Sternen erheben, anstatt zun, das ist zu den Sternen. Eine falsche Aussprache, oder ein eingebildeter Wohlklang, kann wider die Richtigkeit der Regeln nichts falsches rechtfertigen. Ein Lausitzer, Schlesier, Brandenburger, Preuß, und Niedersachs, wird niemals so falsch sprechen.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung (GOTTSCHED [1748] 1762: 255–256): Dieses letzte Wort erinnert mich eines Fehlers, der damit begangen zu werden pflegt, wenn man es zum Hauptworte machet. Wie man nämlich von vortrefflich, gelehrt, schön, u. d. gl. sagen kann, etwas Vortreffliches, etwas Gelehrtes, etwas Schönes: so kann man auch von groß, klein, viel, u. d. gl. ein Großes, ein Kleines, ein Vieles machen. […] Nach diesem Muster nun muß man auch sagen: über ein Kleines; ein Langes und Breites; und die Schönheit der Sprache thut ein Vieles zu dem Ruhme eines Volkes. Es ist also wider die Sprachähnlichkeit, wenn einige sprechen: dieses thut vieles, oder trägt vieles dazu bey; ohne das Geschlechtswort ein hinzuzusetzen. Denn wenn dieses nicht dabey steht, so sollte man schlechterdings, nach der obigen Regel sagen: es thut viel, es trägt viel dazu bey. (GOTTSCHED [1748] 1762: 349): Einheimische lernen es nun zwar von Jugend auf, aus der Übung, wie in ihrem Vaterlande gesprochen wird, wofern sie nicht aus billigem Misstrauen auf ihre besondere Provinz, in Zweifel gerathen, welches recht, oder besser ist. Z. B. das Wort ich begegne, ist diesem Zweifel unterworfen. Einige sagen, ich bin ihm, er ist mir begegnet; andere sprechen: ich habe ihn begegnet, und er hat mich begegnet: daher denn noch andere sich so weit verwirren, daß sie gar auch leidend sagen wollen: er ist begegnet worden; welches ganz ungereimt ist. Das erste nämlich ist nach der Sprachähnlichkeit, und dem Gebrauche der besten Schriftsteller recht; das zweyte aber ist verwerflich; das letzte endlich muß durch man, oder es, ausgedrücket werden: Man ist ihm sehr höflich begegnet; oder es ist ihm so und so begegnet worden: wiewohl dieses letzte auch schon anstößig klingt. (GOTTSCHED [1748] 1762: 373): Man höret in einigen Reichsstädten unter Handwerksleuten, noch eine Art die Zeitwörter abzuwandeln, die vorzeiten auch in Schriften gewöhnlich war, und die bey den Engländern noch diese Stunde im Schwange geht. Man bedienet sich hier des Wortes thun mit seiner Abwandelung, alle Zeiten, Zahlen und Personen zu bilden: das hauptsächliche Zeitwort aber, bleibt unverändert in der unbestimmten Art. Z. B. anstatt ich esse, ich gehe, ich reise,
Normierung saget man, ich thue essen, gehen, reisen; und so ferner, ich that essen, gehen, reisen. (GOTTSCHED [1748] 1762: 484): Hierher gehöret auch der Mißbrauch einiger Oberdeutschen, die bey Mittelwörtern gar die Syllbe er anhängen, z. B. er hat es unbesonnener gethan. Vielleicht haben sie das Wort Weise im Sinne; welches sie aber nicht verschweigen sollten. Wenn aber andere gar sagen: er ist todter, für todt; es ist gedruckter, für gedruckt; so ist es vollends ganz unverantwortlich. (GOTTSCHED [1748] 1762: 484): Hergegen ist es ein Mißbrauch, wenn man die Mittelwörter aus ihrer rechten Bedeutung reißt, und sie von Personen auf Sachen oder aus der leidenden Gattung in die thätige zieht, und umgekehret. Z. B. Es ist ihm wissend; denn wissend gehöret zur Person, ein Wissender. Es sollte heißen, bewußt, bekannt. (GOTTSCHED [1748] 1762: 501): Es ist ein Mißbrauch, daß viele da un vor den Nebenwörtern, immer in ohn verwandeln wollen. Sie sagen also falsch, ohnmöglich, ohnwissend, ohnnöthig, […]. (GOTTSCHED [1748] 1762: 516): Eben dergleichen Unrichtigkeiten gehen mit den Vorwörtern von und mit, im gemeinen Leben vor und zwar nur dann, wann man besonders höflich zu reden meynet. Mann saget nämlich ganz unrecht: Ich habe das von Sie bekommen; ich kam eben von Sie: da es doch heißen sollte, von Ihnen. (GOTTSCHED [1748] 1762: 524): Gewisse Bindewörter stehen niemals allein, sondern fordern ihre Gefährten; die man ihnen richtig zuordnen muß, wenn die Rede deutlich werden soll. Z. B. Auf weder, folget noch; Er scheuet weder Gott noch Menschen; weder Tod noch Leben. Er glaubet weder Himmel noch Hölle. Es ist also falsch, wenn einige das noch, nach nichts setzen: z. B. er will nichts (weder) davon hören, noch sehen. Man darf auch das weder nicht zweymal setzen; wie Rothfischer, ein Bauer, schrieb: sondern es muß darauf ein noch folgen. Auf wiewohl folget doch oder jedoch; auf zwar kömmt gleichwohl, oder jedoch, oder jedennoch; auf nicht allein kömmt sondern auch; auf entweder folget oder; auf obschon, oder obgleich, kömmt so, doch, oder gleichwohl, oder nichts
689 destoweniger; auf wie folget so. Gleichwohl, dennoch und doch setzen wenigstens ein Widerspiel voraus. (Encyclopédie, Artikel Accent, DU MARSAIS, 1751: I, 66): A notre égard, nous donnons le nom d’accent premierement aux inflexions de voix, & à la maniere de prononcer des pays particuliers; ainsi, comme nous l’avons déjà remarqué, nous disons l’accent gascon, &c. Cet homme a l’accent étranger, c’est-à-dire, qu’il a des inflexions de voix & une maniere de parler, qui n’est pas celle des personnes nées dans la capitale. En ce sens, accent comprend l’élevation de la voix, la quantité & la prononciation particuliere de chaque mot & de chaque syllabe. (Encyclopédie, Artikel Accent, DU MARSAIS, 1751: I, 67): Mais lorsque chacun des trois sons de l’e est devenu un son particulier de la langue, on auroit dû donner à chacun un signe propre dans l’écriture. Pour suppléer à ce défaut, on s’est avisé, depuis environ cent ans, de se servir des accens, & l’on a cru que ce secours étoit suffisant pour distinguer dans l’écriture ces trois sortes d’e, qui sont si bien distingués dans la prononciation. (Encyclopédie, Artikel Adjectif, DU MARSAIS, 1751: I, 135): Il n’est pas indifférent en François, selon la syntaxe élégante & d’usage, d’énoncer le substantif avant l’adjectif, ou l’adjectif avant le substantif. Il est vrai que pour faire entendre le sens, il est égal de dire bonnet blanc ou blanc bonnet: mais par rapport à l’élocution & à la syntaxe d’usage, on ne doit dire que bonnet blanc. Nous n’avons sur ce point d’autre regle que l’oreille exercée, c’est-à-dire, accoûtumée au commerce des personnes de la nation qui font le bon usage. Ainsi je me contenterai de donner ici des exemples qui pourront servir de guide dans les occasions analogues. On dit habit rouge, ainsi dites habit bleu, habit gris, & non bleu habit, gris habit. On dit mon livre, ainsi dites ton livre, son livre, leur livre. Vous verrez dans la liste suivante zone torride, ainsi dites par analogie zone tempérée & zone glaciale; ainsi des autres exemples. Liste de plusieurs Adjectifs qui ne vont qu’après leurs substantifs dans les exemples qu’on en donne ici. Accent Gascon. Action basse. Air indolent. Air modeste. Ange gardien. Beauté par-
690 faite. Beauté Romaine. Bien réel. Bonnet blanc. Cas direct. Cas oblique. Chapeau noir. Chemin raboteux. Chemise blanche. Contrat clandestin. Couleur jaune. Coûtume abusive. Diable boiteux. Dîme royale. Dîner propre. Discours concis. Empire Ottoman. Esprit invisible. Etat ecclésiastique. Etoiles fixes. Expression littérale. Fables choisies. Figure ronde. Forme ovale. Ganif aiguisé. Gage touché. Génie supérieur. Gomme arabique. Grammaire raisonnée. Hommage rendu. […] Il y a au contraire des adjectifs qui précedent toûjours les substantifs qu’ils qualifient, comme Certaines gens. Grand Général. Grand Capitaine. Mauvaise habitude. Brave Soldat. Belle situation. Juste défense. Beau jardin. Beau garçon. Bon ouvrier. Gros arbre. Saint Religieux. Sainte Thérese. Petit animal. Profond respect. Jeune homme. Vieux pécheur. Cher ami. Réduit à la derniere misere. TiersOrdre. Triple alliance, &c. 3. Sprachliche Gesetzgeber (SANCTIUS 1587: 7b): Quoniam res de qua agimus, ratione primum, deinde testimonijs & usu est comprobanda, nemo mirari debet, si magnos interdum viros non sequamur. Nam quantacunque auctoritate mihi grammaticus polleat, nisi ratione propositisque exemplis, quod dixerit, confirmaverit, nullam in re praesertim grammatica, fidem faciet. grammatici enim ut inquit Seneca, sermonis latini custodes sunt, non auctores. (ALDRETE [1606] 1970: 48): Quatro cosas dize Ciceron que hazian los Gramaticos: Tratar de los poetas, i declararlos, dar conocimiento de las historias, la declaracion de las palabras, i dar el tono i sonido en la pronunciacion. In Grammaticis Poetarum pertractatio, Historiarum cognitio, verborum interpretatio, pronuntiandi quidam sonus. Lo qual es necessario para hablar bien en qualquier lengua, aunque sea vulgar, i conuiene que aia maestros que lo enseñen, porque si faltan, como es sola la naturaleza la que obra, con el vso i trato de otros, que hablan i pronuncian bien, son mui pocos los que por este camino llegan a hablar con propriedad, i elegancia, i muchos los que hablan mui mal, i con grandes faltas; como por esperiencia vemos oi en nuestra lengua, que corre oi sin estos maestros de Gramatica Castellana, como estuuo Roma cerca de seis-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung cientos años sin que en ella los vuiesse de la Latina. (VAUGELAS 1647: Préface, VIII): VIII. Que le peuple n’est point le maistre de la langue. De ce grand Principe, que le bon vsage est le Maistre de nostre langue, il s’ensuit que ceuxlà se trompent, qui en donnent tout jurisdiction au peuple […]. (LANCELOT 1664: VIII): C’a esté pour entretenir une succession de personnes habiles en cette Langue, que la celebre Academia de La Crusca a esté instituée; laquelle n’estant composée que de personnes de merite & d’érudition, a toujours esté considerée comme celle qui sert de regle à toute l’Italie. (MÉNAGE 1672: I, 466): C’est une prononciation tres-vicieuse; à la considérer en elle mesme; a cause de l’équivoque d’anneau, en la signification d’agnus, avec anneau, en la signification d’annulus. Mais comme ces Messieurs sont les maistres du langage, il faut parler comme eux, quand même ils parlent mal. (MÉNAGE 1672: I, 520): Sire, vous estes un grand Roi, & fort puissant: mais avec vostre pouvoir, vous ne sauriez faire qu’on disse un ceuillêr en deça de la Loire. (BOUHOURS 1675: Epitre, 1): Il vous nomme un des plus grands ornemens du Barreau aussi-bien que de l’Académie; & quoyque la jeunesse ne soit pas trop un âge à oracle, il vous compte entre les oracles de la Langue, lors que vous n’estiez encore que dans la fleur de vos années. (BOUHOURS 1675: Epitre, 1): Toutes les personnes qui ont de la raison, & qui entendent nostre Langue, sçavent ce que vous valez. Vos ouvrages sont vos veritables éloges. Mais aprés nous avoir donné des modeles que nous avons de la peine à imiter, il est juste que vous nous donniez des regles que nous puissions suivre. (HINDRET 1687: Epitre): Les personnes illustres, […] sont les Maistres du beau langage, Vous estes né au milieu de la politesse même. (HINDRET 1687: 18–21): […] tost l’un que l’autre, & on ne peut plus s’en défaire après. Mais qui est-ce qui nous assurera que ces regles soient bonnes & seures: J’ay à répondre là-dessus que celuy qui les fait, les doit toutes
Normierung tirer & débroüiller de l’usage des gens qui sont en reputation de bien parler, tels que sont principalement les gens de la Cour, & que travaillant sur ce fondement il ne sauroit manquer; Outre qu’il doit les faire suivre de quantité d’exemples, pour en prouver la justesse, afin que personne n’en puisse douter […]. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 420): […] c’est un défaut ordinaire à nos Grammairiens de s’imaginer que dés qu’une chose se dit de deux façons, il faut condamner l’une pour autoriser l’autre. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 134): Mais si c’est une necessité de composer des locutions & des phrases nouvelles dans une langue, pour y traiter des choses dont on n’y a point encore traité; je ne sçay d’où peut venir que les hommes soient si délicats à l’égard de la fabrique des mots, & que l’on en fasse un si grand mystere. Un Grammairien disoit autrefois qu’un Empereur avec toute sa puissance ne pouvoit pas donner droit de bourgeoisie à un mot. Cela se peut veritablement bien appeller une puerilité. Il ne s’agit point en cela de puissance ni d’autorité, mais de raison. Quand un mot est fait à propos, & pour le besoin que l’on en a, il doit être favorablement reçû, comme un signe necessaire pour se faire bien entendre sur les matieres dont on veut parler. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 143–144): Quand on suivra ces regles & les autres qu’il plaira aux Maîtres de l’Art de nous prescrire, je ne croy pas que qui que ce soit se doive formaliser de l’invention d’un mot, ni faire le procés à l’inventeur, ainsi que de mauvais critiques l’on fait à feu Monsieur Ménage, comme s’il eût commis un crime. Si un mot nouveau paroît dur d’abord, l’usage ne sçauroit manquer de l’adoucir. (MAYANS 1737: 56): […] con sólo oir; o con la letura i la imitacion de los buenos escritores, que son pocos; i por esso es menester gran juicio para distinguir i elegir los mejores. (MAYANS 1737: 169–170): […] que no es la Lengua Española la que nos hace falta para hablar con perfeccion; sino que somos nosotros los que por falta de habilidad faltamos a ella. Si la Lengua Griega no tuviera a Hero-
691 doto, Thucidides, Genofonte, Demosthenes, Platòn, i Aristoteles; ni a Homero, Hesiodo, Esquilo Pindaro, Sofocles, i Aristofanes; què nos parecerìa? Si la Lengua Latina careciesse de Cesar, Ciceron, Cornelio Nepote, Salustio, Livio, i Suetonio; i de Terencio Plauto, Lucrecio, Horacio, Virgilio, i Ovidio; què juicio hariamos de ella? Seamos pues para la Lengua Española, quales fueron aquellos para la Griega, i Latina; i verèmos las perfecciones, i bellezas de que es capàz. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 520): E già credettero dover fare, per bene scrivere in italiano, qualche dimora in Firenze l’Ariosto, il Caro, il Chiabrera, il Guarino, il Castiglione e il Bembo, tuttoché nati e cresciuti nel bel mezzo d’Italia. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 521): […] la liberalità degli ingegni di alto sapere forniti e di purgato giudizio fanno le donazioni e i privilegi alle lingue delle parole, delle locuzioni, delle figure e degli altri ornamenti del dire; e con la loro autorità li confermano per tutti i secoli […]. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 534): Tale essendo allora lo stato delle lettere in Francia, non poté quell’Accademia, come fece la nostra della Crusca, cogliere il più bel fiore degli scrittori che non aveano fiorito per ancora; ma pensò di mondare, purificare e venir formando la lingua a benefizio degli scrittori che doveano venire dipoi. Adunque ella si mise a purgarla di moltissime voci e maniere di dire, o come troppo ardite, o come rancide, o come malgraziose o di tristo suono. Di moltissimi diminutivi e superlativi la spogliò, di parecchi addiettivi che esprimevano la qualità delle cose, di alcuni relativi che non poco facevano alla chiarezza. La volle meno contorta, nella locuzione più piana ed agevole che non era dianzi, di un andamento sempre eguale, talmente che nel periodo la collocazione delle varie particelle della orazione fosse sempre la istessa, e la venne assoggettando alle regole più severe ed inesorabili della sintassi; e fu chi disse che l’Accademia dando a’ Francesi la grammatica, avea loro levato la poesia e la rettorica. (ALGAROTTI [1750b]: 536): Troppo avea dello strano che uomini tali esser dovessero i legislatori del bel parlare. Fu posto tra le altre a sindacato quel loro decreto intorno all’uni-
692 formità della costruzione, per cui il nominativo deve sempre aprir la marcia del periodo tenendo il suo addiettivo per mano; séguita il verbo col fido suo avverbio, e la marcia è sempre chiusa dall’accusativo, che per cosa del mondo non cederebbe il suo posto. Dicevano che il costringer la lingua a camminar sempre di un modo, come fanno le camerate de’ seminaristi i più picciolini innanzi e dietro i più grandicelli di mano in mano col prefetto in coda, che il privarla di ogni trasposizione è un renderla fredda e stucchevole, è un privarla del miglior mezzo di allontanare le espressioni le più semplici dal comune parlare, è un tagliarle la via di sostenersi sicché non dia nel basso. (HARRIS [1751/1786] 1993: 128): Now for these the authorities are many. They have been acknowledged already in the ingenious Accidence of Mr. Hoadly, and explained and confirmed by Dr. Samuel Clarke, in his rational edition of Homer’s Iliad. Nay, long before either of these, we find the same scheme in Scaliger, and by him ascribed to Grocinus, as its author. (HARRIS [1751/1786] 1993: 131): AND first, the Latins used their Praeteritum Perfectum in some instances after a very peculiar manner, so as to imply the very reverse of the verb in its natural signification. Thus, VIXIT, signified, IS DEAD; FUIT, signified, NOW IS NOT, IS NO MORE. It was in this sense that Cicero addressed the People of Rome, when he had put to death the leaders in the Catalinarian Conspiracy. (HARRIS [1751/1786] 1993: 164–164): THE Stoics in their grammatical inquiries had this Infinitive in such esteem, that they held this alone to be the genuine PHMA or VERB, a name, which they denied to all the other Modes. Their reasoning was, they considered the true verbal character to be contained simple and unmixed in the Infinitive only. (Encyclopédie, Artikel Dictionnaire de langues, 1754: IV, 961): Une langue se dénature de deux manieres, par l’impropriété des mots, & par celle des tours: on remédiera au premier de ces deux défauts, non-seulement en marquant avec soin, comme nous avons dit, la signification générale, particuliere, figurée, & metaphorique des mots; mais encore en
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung proscrivant expressément les significations impropres & étrangeres qu’un abus négligé peut introduire, les applications ridicules & tout-à-fait éloignées de l’analogie, sur-tout lorsque ces significations & applications commenceront à s’autoriser par l’exemple & l’usage de ce qu’on appelle la bonne compagnie. J’en dis autant de l’impropriété des tours. C’est aux gens de lettres à fixer la langue, parce que leur état est de l’étudier, de la comparer aux autres langues, & d’en faire l’usage le plus exact & le plus vrai dans leurs ouvrages. Jamais cet avis ne leur fut plus nécessaire: nos livres se remplissent insensiblement d’un idiome tout-à-fait ridicule; plusieurs pieces de théatre modernes, joüées avec succès, ne seront pas entendues dans vingt années, parce qu’on s’y est trop assujetti au jargon de notre tems, qui deviendra bien-tôt suranné, & sera remplacé par une autre. Un bon écrivain, un philosophe qui fait un dictionnaire de langues, prévoit toutes ces révolutions: le précieux, l’impropre, l’obscur, le bisarre, l’entortillé, choquent la justesse de son esprit; il démêle dans les façons de parler nouvelles, ce qui enrichit réellement la langue, d’avec ce qui la rend pauvre ou ridicule; il conserve & adopte l’un, & fait main-basse sur l’autre. (HELVÉTIUS 1758: 98–99): Au reste, je suis bien aise d’avertir que je n’entends point ici, par les gens du monde, uniquement les gens de la cour: les Turenne, les Richelieu, les Luxembourg, les la Rochefoucault, les Retz & plusieurs autres hommes de leur espece, prouvent que la frivolité n’est pas l’appanage nécessaire d’un rang élevé; & qu’il faut uniquement entendre par hommes du monde, tous ceux qui ne vivent que dans son tourbillon. Ce sont ceux-là que le public, avec tant de raison, regarde comme des gens absolument vuides de sens; j’en apporterai pour preuve leurs prétentions folles & exclusives sur le bon ton & le bel usage. Je choisis ces prétentions d’autant plus volontiers pour exemple, que les jeunes gens, dupes du jargon du monde, ne prennent que trop souvent son cailletage pour esprit, & le bon sens pour sottise. (HELVÉTIUS 1758: 100–101): Les sociétés sont, à cet égard, comme les paysans de diverses provinces, qui parlent plus volontiers le patois de leur canton que la langue de leur
Normierung nation, mais qui préferent la langue nationale au patois des autres provinces. Le bon ton est celui que chaque société regarde comme le meilleur après le sien; & ce ton est celui des gens d’esprit. J’avouerai cependant, à l’avantage des gens du monde, que, s’il falloit, entre les différentes classes d’hommes, en choisir une au ton de laquelle on dût donner la préférence, ce seroit, sans contredit, à celle des gens de la cour; non qu’un bourgeois n’ait autant d’idées qu’un homme du monde: tous deux, si j’ose m’exprimer ainsi, parlent souvent à vuide, & n’ont peut-être, en fait d’idées, aucun avantage l’un sur l’autre; mais le dernier, par la position où il se trouve, s’occupe d’idées plus généralement intéressantes. En effet, si les mœurs, les inclinations, les préjugés & le caractere des rois ont beaucoup d’influence sur le bonheur ou le malheur public; si toute connoissance, à cet égard, est intéressante; la conversation d’un homme attaché à la cour, qui ne peut parler de ce qui l’occupe sans parler souvent de ses maîtres, est donc nécessairement moins insipide que celle du bourgeois. D’ailleurs, les gens du monde étant, en général, fort au-dessus des besoins, & n’en ayant presque point d’autre à satisfaire que celui du plaisir; il est encore certain que leur conversation doit, à cet égard, profiter des avantages de leur état: c’est ce qui rend, en général, les femmes de la cour si supérieures aux autres femmes en graces, en esprit, en agréments; & pourquoi la classe des femmes d’esprit n’est presque composée que de femmes du monde. (HELVÉTIUS 1758: 103): Le vrai bon ton est donc celui des gens d’esprit, de quelque état qu’ils soient. Je veux, dira quelqu’un, que les gens du monde, attachés à de trop petites idées, soient, à cet égard, inférieurs aux gens d’esprit: ils leur sont du moins supérieurs dans la maniere d’exprimer leurs idées. Leur prétention, à cet égard, paroît sans contredit mieux fondée. Quoique les mots, en eux-mêmes, ne soient ni nobles, ni bas; & que, dans un pays où le peuple est respecté, comme en Angleterre, on ne fasse, ni ne doive faire cette distinction: dans un état monarchique, où l’on n’a nulle considération pour le peuple, il est certain que les mots doivent prendre l’une ou l’autre de ces
693 dénominations, selon qu’ils sont usités ou rejetés à la cour; & qu’ainsi l’expression des gens du monde doit toujours être élégante; aussi l’est-elle. (BOUCHOT 1759: 15): […] à l’égard de la prononciation, ces accens mal placés la rendent si équivoque, qu’au lieu de la faciliter, ils n’occasionnent qu’embarras & confusion: & cela au point, que nos plus fameux Auteurs ont donné en de tels ècarts, qu’ils ont dèfiguré l’orthographe, & ètabli de faux principes de prononciation. (MICHAELIS 1760: 5): Höchstens ist das im Reiche der Sprachen nicht ganz democratisch, daß der gemeine Haufen sich nach dem cultivirtern Theil in vielem richtet: doch welche Democratie wird man finden, in der der einfältige Bürger nicht dem Einsichtsvollen zuweilen folget. (MICHAELIS 1760: 5): […] denn auch der Ungelehrte wird Gelehrten in vielen Stücken folgen, so wie der sich wiederum in andern nach dem Bauren richtet. (MICHAELIS 1760: 6): Doch alles dis ist nichts dagegen, wenn die besten Dichter die Philosophie in die Gesellschaft der Musen und in ihre Wercke des Witzes aufnehmen. Sie werden von Tausenden gelesen, sie sind die claßischen Schriftsteller, deren Neuerungen, ja so gar deren Fehler unter den übrigen Schönheiten gefallen, und nachgeahmet werden: sind aber erst Tausende, und zwar von cultivirten Personen, einig, und düncken sich schön zu reden, wenn sie die Neuerung des Poeten annehmen, so wird sich bald durch eine neue Nachahmung der Menge unter dem ganzen Volcke gäng und gebe werden. (MICHAELIS 1760: 6): […] noch minder wird er im Stande seyn, das vorhin gebräuchliche zu verdrängen, welches sich vielmehr neben seiner Redens-Art erhalten wird. Jenes ist und bleibt, wie gesagt, das Vorrecht der claßischen Schriftsteller, der Schönen, und dessen, bey dem die oberste Gewalt ist, des Volcks. (MICHAELIS 1760: 15–16): Die Sprachen sind eine Sammlung der Weisheit und des Genies gantzer Völcker, zu dem ein jeder das seinige gegeben hat: nicht blos der Gelehrte, der oft ein kleines Genie hat, und noch öfter durch Vorurtheile abgehalten wird etwas neues zu entdecken, und am Ende doch nur den hun-
694 dertsten Theil der Menschen ausmacht, sondern auch der witzige, und der Natur gleichsam näher wohnende Ungelehrte; nicht blos der, dessen Gedancken die Menge annahm, sondern auch der weiter sehende Kätzer; ja das Kind, dessen Genie das lebhafteste, und von Vorurtheilen am wenigsten eingeschränckte ist, und welches oft durch dreiste Associationen der Ideen Wahrheit findet, giebt seinen Tribut zu diesem allgemeinen Schatz des Volckes. (MICHAELIS 1760: 17–18): Man sieht von selbst, daß sie einen Nahmen zwar leicht geben, aber nicht in Gebrauch bringen können, wenn sie nicht zugleich claßische Schriftsteller sind: und daß es hierin den Dichtern am ersten glücken dürfte. Legt dis nicht dem großen Gelehrten die Pflicht auf, sich um die Reinigkeit und Annehmlichkeit der SchreibArt in seiner Muttersprache mit eben der Sorgfalt zu bekümmern, die man an den Alten wahrnimmt, und nur allzu oft für Pedanterey hält? Und was für einen Werth giebt es der Poesie in dem Munde eines großen Gelehrten? einen Werth der die Stunden reichlich bezahlet, welche ihm der Umgang der Musen stielet. Gesetzt, ein gewisses auswärtiges Mitglied der Academie, das den Ruhm ein göttlicher Poete, und auch in Prose ein claßischer Schriftsteller der Deutschen zu seyn, mit großen Verdiensten um die Botanik verbindet, benennete die männlichen und weiblichen Theile der Pflantzen in seinen Gedichten und übrigen Schriften mit einem deutschen Nahmen, der ihr Geschlecht andeutete, etwa der Mann, und, das Weib, und die Benennung würde im gemeinen Leben angenommen: so wäre eine Entdeckung der neuern Zeit nicht nur in Deutschland verewiget, sondern sie würde auch dem Advocaten, dem Richter, dem Ungelehrten, dem Gärtner, dem Bauren bekannt werden. Welch Verdienst um ein Volck! und um eine Wahrheit! (MICHAELIS 1760: 44) […] der claßische Schriftsteller ist in dem Reiche der Sprachen das, was der gewaltsame Eroberer in der Welt, und er sieget selbst dann, wenn er Unrecht hat. (MICHAELIS 1760: 80): Ich glaube so gar, der Gelehrte habe hier eine Verpflichtung, sich als ein Privat-Mann im Reiche der Sprachen
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung aufzuführen, und kein Gesetz wider diese gewöhnlichen Ausdrücke ausgehen zu lassen: und das Gelächter, damit er empfangen wird, wenn er das Gegentheil waget, sey die wohlverdiente Straffe seiner Herrschsucht und Eingriffe in die Rechte des Volcks. Die Sprache ist eine Democratie: wer hat dem gelehrten Bürger das Recht ertheilet, etwas zu verbieten, ehe er das gantze Volck überführt hat, das bisherige sey irrig? oder zu verlangen, daß man ihn verstehen soll, wann er ein anderes Wort zum Zeichen der Sache gebraucht, als das darüber man bisher überein gekommen ist? (MICHAELIS 1760: 80): Das gantze Volck ist doch nicht von dem Irrthum belehret, ja es hat so viel Zeit nicht übrig, sich von allen Irrthümern belehren zu lassen, die in der Sprache stecken: denn dis wäre eben so viel, als alle Disciplinen in ihrem grössesten Umfang lernen. Auf sein Wort aber dem Gelehrten zu glauben ist es auch nicht schuldig: so unbetrüglich ist er nicht. Gewiß, die Irrthümer in der Sprache würden sich sehr vermehren, wenn man ihm solche Rechte eingestünde; denn der Gelehrte erfindet ihrer nicht wenigere als das Volck, und würde begierig genug seyn, sie andern aufzudringen. (MICHAELIS 1760: 81–82): Ich habe einige Verbesserungen der Sprache nahmhaft gemacht. Das wichtigste aber ist: Wie? und von wem sie unternommen werden sollen? Mich dünckt, nicht durch Befehle; denn das ist wider die Democratischen Rechte der Sprache, und wird bald lächerlich: nicht von Gelehrten, die weiter nichts als Gelehrte sind: sondern durch Vermittelung solcher Personen, denen andere in der Sprache willig folgen, das ist durch Auctores classicos. Wenige sind hiezu geschickt: gemeininglich müssen es Original-Genies seyn, groß in ihren Disciplinen, so daß der Gelehrte dem es um nichts als Sachen zu thun ist, sie mit Hochachtung lieset, und ihrer Sprache so vollkommen Meister, daß sich jedermann düncket schön zu reden, wenn er so redet, wie sie. (MICHAELIS 1760: 82): Zum Auctore classico kann sich niemand selbst erklären: ja es wäre eine Unbescheidenheit, sich nur mercken zu lassen, daß man um diese Stelle anhielte. Das Glück, oder das Volck, wählt unter denen, die gleiche Verdienste haben, einige fast nach
Normierung dem Lose. Die Pflicht aber wird jeden Verbesserer der Gelehrsamkeit obliegen, so viel Fleiß auf seine Sprache zu wenden, als wollte er ein Auctor classicus werden. Niemand erreichet dis im höhern Grade, als der göttliche Dichter. Die Verbindung der Poesie mit den ernsthaften Wissenschaften ist daher diesen sehr nützlich: und was dem großen Gelehrten, der zugleich von Natur ein grosser Dichter ist, die Zeit verschafft, seine ernsthaftern Arbeiten mit der Gesellschaft der Musen abzuwechseln, ist zugleich den Wissenschaften gantzer Völcker einträglich. Die hier angewandten Belohnungen sind nicht verschwendet […]. (MICHAELIS 1762: 9): Il n’ y a qu’un point où l’empire du langage paroisse s’éloigner de la Démocratie; c’est que souvent le commun des hommes se règle sur les personnes, qui ont de l’éducation; mais n’en est-il pas de même dans tous les états Démocratiques? Combien de fois n’arrive t-il pas que l’ignorant citoyen défere aux avis de celui qui a plus de lumières & de pénétration? (MICHAELIS 1762: 11): Le droit de créer, comme nous l’avons dit, n’appartient en propre qu’aux auteurs classiques, au beau sexe, & au peuple qui est le souverain législateur. (MICHAELIS 1762: 27): Les langues sont l’amas de la sagesse & du génie des nations, où chacun a mis du sien. Ceci ne s’entend pas seulement des savans, qui au contraire ont souvent un génie borné, que plus souvent encore le préjugé empêche de voir, & qui après tout sont à peine la centième partie du genre humain. Le simple homme d’esprit y fournit peut-être davantage, & l’homme sans lettres y a souvent d’autant plus de part que ses pensées sont, pour ainsi dire, plus voisines de la nature. Quelquefois l’Hérétique y contribuera ce que le Docteur orthodoxe se gardera bien de contribuer parceque l’autre pense plus librement, & que son point de vue est moins compassé. Il arrivera même souvent, que les Orthodoxes les plus acharnés contre les Hérésies, en adoptent pourtant le langage, pourvû qu’ils ignorent la source, dont il est émané. De l’esprit même des enfans, qui est dans sa première vigueur, & encore vuide de préjugés, il sortira de ces traits heureux, de ces associations hardies d’idées marquées au coin
695 du vrai, espèce de tribut dont ce trésor national s’augmente & s’enrichit. (MICHAELIS 1762: 30): Mais le grand secret consiste à mettre ce nom en vogue; il est aisé de le forger; mais il est dificile de le faire recevoir; il n’y a que les auteurs classiques qui puissent y réussir, & cet honneur est sur tout reservé aux Poetes. Ce n’étoit donc pas un pédantisme ridicule que ces soins extrêmes avec lequel les anciens s’appliquoient à la pureté & à l’aménité de leur langue; & nos savans devroient les imiter à cet égard; Quel mérite la Poesie n’acquiert- elle point dans la bouche d’un grand génie? un mérite qui le recompense abondamment des heures que le commerce des muses lui a dérobées. Supposons que l’illustre Mr. de Haller, qui, aux connoissances botaniques les plus étendues joint le divin talent de la Poesie, & qui tant en prose qu’ en vers est un des plus admirables écrivains de l’Allemagne, supposons, dis je, que dans ses poemes aussi bien que dans ses autres écrits, il distinguât par des noms particuliers les parties des végétaux qui caractérisent leur sexe, en les appellant, par exemple, le mâle & la femelle ces dénominations, une fois reçues, non seulement éterniseroient en Allemagne une des plus belles découvertes modernes; elle mettroit cette découverte à la portée de tout le monde. Quel service rendu à la nation & à la vérité! (MICHAELIS 1762: 86): […] les auteurs classiques sont les conquérans de l’Empire du langage; que leur cause soit bonne ou mauvaise, ils triomphent. (MICHAELIS 1762: 148): Je crois même que c’est une espèce d’ obligation pour le savant de se conduire à cet égard, comme le doit faire chaque particulier dans l’Empire du langage: ce n’est pas à lui à donner la loi, ni à proscrire les expressions qui sont en vogue: s’il le hazarde, il est siflé, & il mérite de l’être; c’est le châtiment dû à son ambition & à l’infraction qu’il fait des droits du peuple. Le langage est un État Démocratique: le Citoyen savant n’est point autorisé à abolir un usage reçu avant qu’il ait convaincu toute la nation que cet usage est un abus: & s’il substitue un nouveau terme à celui dont on s’est toujours servi pour désigner un certain objet, comment peut-il exiger qu’on l’entende?
696 (MICHAELIS 1762: 149): Dailleurs toute la nation n’est pas instruite de l’erreur, & le peuple n’a pas le loisir de se faire instruire de toutes celles qui sont dans le langage, ce seroit prétendre qu’il embrassât toutes les sciences dans toute leur étendue. D’un autre côté les savans ne sont pas infaillibles au point que l’on doive toujours s’en rapporter à eux; si on leur accordoit le pouvoir de décider, certainement les erreurs du langage, au lieu de diminuer, iroient en augmentant: il n’en sort pas moins des cerveaux savans que des cerveaux vulgaires, & ceux là sont plus impérieux, ils voudroient nous forcer à respecter & à recevoir toutes leurs fausses opinions. (PRIESTLEY 1762: 152–153): But this can no more be taught by written rules, except in a gross general manner, than the art of graceful motion, or dancing, can be taught by written rules. Both are habits, which can only be acquired and perfected by observation, and repeated trials. A graceful motion may be perceived, and pointed out when it is seen; but to describe a priori, or beforehand in what it must consist, were impossible. In like manner, the best and most graceful transitions must be learned from the observation of the practice of the best writers, and can be learned no way else. (PRIESTLEY 1762: 180–181): In general, those writings which have contributed to fix a language are deemed classical in a country, and a studied imitation of them by succeeding writers tends still more to promote a perfect uniformity in writing. The progress of a language towards perfection may be considerably accelerated by the labours of persons who give their attention to it; if they study the analogy of the language, recommend phrases that are agreeable to it, and detect and expose those that are improper. While literary critics keep within these bounds, and their opinions are left to recommend themselves by their own weight, they do a very important service to a language: but when their decisions have the sanction of any authority, and forms of speech are adopted because recommended by them, and not on account of the reasons that might be alledged in their favour, since all men, and all bodies of men, are fallible, the interposition of their authority is in danger of contributing to estab-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung lish phrases and constructions which the more mature judgement of after ages would see reason to correct: and though the spirit of men will assert their liberty, in rejecting what they do not approve, such undue influence may keep a language much longer in an imperfect state than it otherwise would have been. (PRIESTLEY 1762: 224–225): When a cultivated language ceases to be spoken, it may reman [sic] in books, and when the introduction of the sciences into other countries makes those books to be sought after, and the language, in some sense, to revive, the only standard of this language is the practice of those original authors: whatever their practice will warrant, it is allowed, may be imitated: but every word or phrase that is not found in some original author (though so far analogous to the genius of the language as to be in no danger of being mistaken by those who are versed in it) is by some condemned as barbarous, because it is uncertain whether the people who spoke the language would have used it. (PRIESTLEY 1762: 265–266): Fourthly, we must not judge concerning the harmony of a language from the use that is actually made of it by any one writer, but a number of the best, who had the most command of it: for we see, in our own tongue, that the difference between two writers, in point of harmony of style, is often almost as great as between two different languages. (Encyclopédie, Artikel Participe, BEAUZÉE, 1765: XII, 98): Ainsi l’usage se trouvant partagé, le parti le plus sage qu’il y eut à prendre, étoit de préferer celui qui étoit le plus autorisé par les modernes, & sur-tout par l’académie, & qui avoit en même tems l’avantage de n’établir que des principes généraux: car, selon la judicieuse remarque de M. l’abbé d’Olivet, Opusc. page 386, “moins la Grammaire autorisera d’exceptions, moins elle aura d’épines; & rien ne me paroit si capable, que des regles générales, de faire honneur à une langue savante & polie. Car supposé, ditil ailleurs, pag. 380, que l’observation de ces regles générales nous fasse tomber dans quelque équivoque ou dans quelque cacophonie; ce ne sera point la faute des regles; ce sera la faute de celui qui ne connoîtra point d’autres
Normierung tours, ou qui ne se donnera pas la peine d’en chercher. La Grammaire, dit-il encore en un autre endroit, pag. 366, ne se charge que de nous enseigner à parler correctement. Elle laisse à notre oreille, & à nos réflexions, le soin de nous apprendre en quoi consistent les graces du discours”. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 517): […] je dirois que le bon usage est la façon de parler de la plus nombreuse partie de la cour, conformément à la façon d’écrire de la plus nombreuse partie des auteurs les plus estimés du tems. Ce n’est point un vain orgueil qui ôte à la multitude le droit de concourir à l’établissement du bon usage, ni une basse flatterie qui s’en rapporte à la plus nombreuse partie de la cour; c’est la nature même du langage […]. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 517): Il est donc raisonnable que la cour, protectrice de la nation, ait dans le langage national une autorité prépondérante […]. (IRIARTE 1774: 314): […] de seguir el Uso; no el caprichoso y antojizado de este ó aquel Escritor, sinó el mas acreditado y mas constante entre los cuerdos y sabios Autores, el qual se funda ya en la pronunciacion (que es lo mas regular) ya en la razon etimológica, ya en la mayor distincion de las voces, á veces en la mas pronta facilidad de formar los caracteres, y finalmente en el modo mas eficaz de persuadir á los ojos. (IHRE 1780: XXXIII): […] desiderium linguarum curiosorum non nisi plurium & fere omnium linguarum cognitione explebile, locus nobile est sperandi, illis certe gratum hoc futurum opus. His linguarum cultoribus eo minus pœniteat portigere opem, quod, se cum in hoc musarum genere oblectat, id simul utilitatis exinde redundet, ut, collatis secum invicem linguis illarumque aut convenientia aut discrepantia detecta, alia cum probilitate ortum gentium illarum, quibus vernaculæ sunt, nos edocere valeant. (TERREROS Y PANDO 1786–1793: I, V): […] lo que llamamos lenguaje castellano […] comprehende aquellas [voces, G. H.] que se hallan comunmente en Autores clasicos, puros y autorizados, y que son del uso de las personas mas juiciosas y mas sabias.
697 (BEATTIE [1788] 1968: 44–45): It may be said, indeed, that all our good authors might be transcribed or translated into the fashionable letters and syllables. But this could not be. We have no criterion, universally acknowledged, for distinguishing good authors from bad: we have no laws to warrant the annihilation of property in books and manuscripts: nor is it in the power of lawgivers, far less of philosophers, to make a whole people renounce the written language of their fathers, wherein they find no inconvenience, and which is their only security for a great part of their wealth, and adopt in its stead a system of ciphers and syllables, which they understand not, and of the utility of which they have had no experience. (BEATTIE [1788] 1968: 92–93): Are, then, all provincial accents equally good? By no means. Of accent, as well as of spelling, syntax, and idiom, there is a standard in every polite nation. And, in all these particulars, the example of approved authors, and the practice of those, who, by their rank, education, and way of life, have had the best opportunities to know men and manners, and domestick and foreign literature, ought undoubtedly to give the law. Now it is in the metropolis of a kingdom, and in the most famous schools of learning, where the greatest resort may be expected of persons adorned with all useful and elegant accomplishments. The language, therefore, of the most learned and polite persons in London, and the neighbouring Universities of Oxford and Cambridge, ought to be accounted the standard of the English tongue, especially in accent and pronunciation: syntax, spelling, and idiom, having been ascertained by the practice of good authors, and the consent of former ages. And there are two reaons for this preference. One is, that we naturally approve as elegant what is customary among our superiors. And another, and a better, reason is, because the most enlightened minds must be supposed to be the best judges of propriety in speech, as well as in every other thing that does not affect the conscience. (GARCÉS 1791: II, X): […] seguir el exemplo y constante aplicacion de los Doctos. (GARCÉS 1791: II, XVIII): […] que el uso docto y juez supremo de nuestra lengua ni fué
698 ni será jamas otro, sino el que formáron ya concordemente con suma diligenica, gran tino y curiosidad los sabios Españoles. (JOVELLANOS [1795] 1963: 114): No hay otras reglas de pureza y propiedad que la práctica de los mejores escritores y oradores del pais donde se vive. (D. M. A 1804: 8–9): El uso, es justo sea árbitro de las lenguas en orden á la significacion y medida de las boces, y tambien en cuanto al balor ó sonido de las letras; pues qe esto, en su institucion, no e sujeta á reglas: pero despues de establecido y conocido esto por todos, es cosa mui extrabagante, el qe la escritura se forme de signos qe no representen, conforme á dicho establecimiento, los sonidos qe se pretenden espresar; ó el qe en la escritura se introduzcan, como se practica en la nuestra, caracteres improprios, eqibocos; dando, asi, lugar á qe se yeré su pronunciacion. Y ¿como, despues de esto, se piensa allar uso jeneral y constante, cuando parece se estubieron discuriendo arbitrios para qe no lo pudiese aber? (D. M. A 1804: 83–84): Cuando se dice, qe el uso ace ley en la lengua, debe entenderse el uso de las personas capaces de dar la ley sobre esto. Seis de tales personas, tienen mas autoridad, para el efecto, qe seis millones de los qe ablan como las cotorás, qe acen mas de repetir lo qe oyen, y lo qe, por la primera bez, se le antojó decir á algun necio de buena ropa. Por mas común qe sea un uso, cuando él es bicioso siempre choca al oido de los sujetos de discernimiento, qe no adoptan ningun uso sin ecsamen. Por medio de las indicadas corêcciones, se reduciria bastante el bolumen del diccionario de la lengua; y no seria peqeña la comodidad qe resultaria de alijerar, siqiera de un tercio, el peso de un tan enorme tomázo.
III. Fragen der Sprachnormierung fanden in
Geschichte und Gegenwart nicht nur bei Linguisten Interesse, sondern führten immer wieder zur Aufmerksamkeit der Gesellschaft und schlugen sich im kollektiven Sprachbewusstsein nieder. Ihre Geschichte zeigt ständige Diskussionen um die Einigung auf bestimmte Grundsätze der ĺ Orthographie, ĺ Grammatik und Lexikographie, verdeutlicht aber auch die Rolle der Sprache als identitätsbil-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung dender Faktor im Zusammenhang mit der Kulturgeschichte. Die Kodifizierung der Norm in Grammatiken und Wörterbüchern unterliegt der ständigen Bewertung durch die Sprachbenutzer. Aufmerksamkeit wird auch den Akteuren der Normierung und deren Institutionen geschenkt. Blickt man auf die Entwicklung der Lexikographie und der Grammatikographie, so stellt sich der Begriff der ǥNorm’ unter dem Gesichtspunkt der Sprachrichtigkeit als Alternative zwischen ǥrichtig’ und ǥfalsch’ dar. Die Entstehung einer Norm setzt jedoch nicht deren Kodifizierung in Grammatiken und Wörterbüchern voraus. Eine Sprachnorm ist bereits mit dem über vorliegende Äußerungen erschließbaren und allen Mitgliedern einer Sprachgemeinschaft verfügbaren Regelsystem einer Sprache gegeben. Ein Bewusstsein dieser nichtkodifizierten Norm war im 17. Jahrhundert bereits deutlich ausgeprägt und führte zu Bestrebungen ihrer Beschreibung. Dabei waren die Grenzen zwischen Beschreibung und Setzung der Norm von vornherein fließend. Präskriptiv wurden normative Werke vor allem dann, wenn es um die Wahl verschiedener Varianten, beginnend mit unterschiedlichen Formen bis hin zu Varietäten einer Sprache, ging. Zunehmend wurde es zur Aufgabe der Grammatiker und Lexikographen, die Gesamtheit überindividueller Regeln, Vorschriften, Grundsätze und Muster, die den Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) verbindlich ordnen, schriftlich und systematisch zu fixieren. 1. Sprachnormierung in der frühen Neuzeit Der Prozess der Normierung der europäischen Sprachen verfolgte zunächst zwei Anliegen. Einerseits war er auf größere Vereinheitlichung gerichtet und sollte die bessere Verständigung unterschiedlicher Regionen und Bevölkerungsgruppen gewährleisten. In diesem Sinne forderte NEBRIJA uniformidad des Spanischen, das in vielfältige Dialekte gegliedert und auch durch die eben erst zu Ende gegangene arabische Besetzung des Südens geprägt war. Ein zweites Anliegen war weniger pragmatisch ausgerichtet, und betraf die Veredlung der Vernakularsprachen. Das Italienische, Spanische, Deutsche oder Englische sollten etwas von dem Prestige erhalten,
Normierung das man mit dem Lateinischen assoziierte (ĺ Apologie). Eine häufige dafür verwendete Bezeichnung ist Illustration. Sie wird auch von DU BELLAY verwendet, der das Französische nach dem Vorbild des volgare illustre, wie DANTE es empfohlen hatte, zu einer berühmteren Sprachen ebenbürtigen Sprache machen wollte. Der spanische Humanist VILLALÓN erklärte, er schreibe seine Grammatik, um seine Nation groß zu machen (engrandecer las cosas de mi nación). Das Vorhandensein einer Sprachnorm gehörte im 17. Jahrhundert bereits zu den zivilisatorischen Notwendigkeiten. Unter Zivilisation verstand man, sich nach einem Verhaltenscode zu richten, der sprachliches Verhalten einschloss. Wie der Dichter DRYDEN 1660 bemerkte, galt eine Sprache ohne Standard als ‘von barbarischer Art’. Die anerkannte sprachliche Standardvariante zu verwenden erforderte eine Form von Selbstkontrolle, da die Menschen normalerweise eine andere, etwa einen ĺ Dialekt, benutzten. Neben räumlicher Vereinheitlichung war zeitliche Beständigkeit ein weiterer Zweck der Normierung. Vom dauerhaften Charakter einer Vernakularsprache versprach man sich Prestige analog zum Lateinischen. Der Wunsch nach Fixierung war ein entscheidender Anlass für die Gründung von Akademien in Florenz (Crusca 1582), Paris (1635), Madrid (1713), Kopenhagen (1742), Lissabon (1779), Moskau (1783) und Stockholm (1786), unter deren Herausgeberschaft jeweils Wörterbücher erschienen, für die man unterschiedlich lange Zeit brauchte und die unterschiedlichen Erfolg hatten. Während der erste Band des spanischen Diccionario de la lengua castellana (Diccionario de Autoridades, 1726–1739) bereits 13 Jahre nach der Akademiegründung erschien, benötigte die französische Akademie fast 60 Jahre bis zum Erscheinen ihres nach morphologischen Gesichtspunkten geordneten Dictionnaire (1694). Das portugiesische Wörterbuch kam nicht über den Buchstaben A hinaus. Das Anliegen des Festlegens der Norm drückt sich auch im Motto der spanischen Akademie aus: sie reinigt, fixiert und verleiht Glanz (limpia, fija y da esplendor). Die Forderung nach Festigkeit der Sprache hielt im Laufe des gesamten 18. Jahrhunderts an. Schon
699 DRYDEN hatte gestört, dass im Unterschied zum Italienischen, das sich seit der Zeit BOCCACCIOs und PETRARCAs kaum verändert hat, das Englisch CHAUCERs ohne die Hilfe eines alten Wörterbuchs nicht zu verstehen sei. SWIFT hatte eine Abneigung gegen die ständigen Variationen der Sprache und hoffte, es gäbe ein Mittel, sie für alle Zeiten zu fixieren. Auch jenseits des Atlantiks wurde diese Angst vor Instabilität deutlich. So äußerte Hugh JONES, Professor am William and Mary College, 1721 den Wunsch, dass ein öffentlicher Standard fixiert werde. Noch am Ende des 18. Jahrhunderts forderte RIVAROL: Es bedarf der Festigkeit (il faut de la fixité). In ihren Anfängen verfolgte die Grammatikographie zunächst das Ziel, Ausländern, welche die Sprache erlernen wollten, ein Regelwerk in die Hand zu geben. Deshalb waren die in dieser Zeit veröffentlichten zahlreichen Grammatiken europäischer Volkssprachen oft in Latein verfasst, dessen Kenntnis bei den ausländischen Lernern vorausgesetzt werden konnte. Hinzu kam jedoch bald der Zweck, Muttersprachlern ein Regelwerk in die Hand zu geben. 1550 lagen gedruckte Grammatiken für Italienisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Deutsch und Tschechisch vor. Zwischen 1550 und 1599 erweiterte sich der Kreis um Holländisch, Englisch, Polnisch, Walisisch, Slowenisch und Kirchenslawisch, zwischen 1600 und 1649 kamen Baskisch, Kroatisch, Dänisch, modernes Griechisch und Lettisch hinzu, zwischen 1650 und 1699 Bretonisch, Estnisch, Friesisch, Litauisch, Russisch, Sorbisch und Schwedisch, zwischen 1700 und 1749 Albanisch, Rätoromanisch und Saami, 1757 schließlich Rumänisch. Die Veröffentlichung der Grammatik einer Volkssprache sagt jedoch noch nichts über deren normativen Effekt aus. Dass es eine Grammatik gibt, heißt natürlich nicht, dass auch nur eine Minderheit der betreffenden Muttersprachler sich tatsächlich an die Regeln hielt. Im Falle einiger weniger Volkssprachen scheinen die Regeln zumindest von den Eliten ernst genommen worden zu sein. Einige Volkssprachen setzten sich gegenüber dem Lateinischen dadurch durch, dass sie eine autorisierte Sprachversion schufen, die von der umgangssprachlichen Redeweise abwich. Die Frage, welche volkssprachliche Variante autori-
700 siert werden sollte, wurde im frühneuzeitlichen Europa sehr ausgiebig diskutiert. Während der Renaissance versuchten die Humanisten durch Imitation und Nacheifern des Lateinischen einige Volkssprachen zu reformieren, um sie literaturfähiger zu machen. Derartige Reformversuche wurden am Italienischen, Spanischen, Französischen, Portugiesischen und Englischen unternommen. Dabei wurden häufig Modelle aus Ländern übernommen, in denen sich der Humanismus früher durchgesetzt hatte. DU BELLAY etwa übernahm Stellen aus SPERONIs Dialog über die Volkssprache, die Befürworter einer walisischen Literatursprache kannten entsprechende italienische und französische Modelle, und sowohl die spanische Akademie als auch der russische Reformer TREDIAKOWSKI erhielten ihre Anregungen von dem französischen Sprachnormierer VAUGELAS. Der Erfolg der Grammatisierung der europäischen Sprachen erklärt sich vor allem dadurch, dass sich in volkssprachlichen Standardformen die Werte neuer Gemeinschaften äußerten. Die nationalen Gemeinschaften weltlicher Eliten distanzierten sich nicht nur von der gelehrten und lateinisch geprägten Kultur, sondern auch von der populären, regionalen oder dialektalen Kultur. Dies führte im Europa der frühen Neuzeit zu einer Anstrengung, die darauf gerichtet war, den Status der Volkssprachen aufzuwerten, sie zu kodifizieren, zu bereichern und sie damit zu literaturfähigen Sprachen zu machen (ĺ Apologie). Erheblich unterstützt wurde diese Anstrengung durch das gedruckte Buch. Mit der Buchdruckerkunst und der damit möglichen Massenproduktion identischer Texte war der Weg für die Fixierung der Sprache geebnet. Überzeugende Beispiele für die sprachfixierende Rolle des Buchdrucks liefern die Missionare, insbesondere der Jesuiten, die eingeborene Sprachen fixierten: Nahuatl in Mexiko, Quechua und Aymara in Peru, Tupí in Brasilien, Tagalog auf den Philippinen. Sie schrieben diese Sprachen nicht nur erstmals auf, sondern verfassten auch Wörterbücher und Grammatiken, etwa das Nahuatl-Spanische Wörterverzeichnis von MOLINA (1555), das Quechua-Wörterbuch von GONZÁLEZ HOLGUÍN (1586), die Tupí-Grammatik von ANCHIETA (1595) oder das Aymara-Wörter-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung buch von BERTONIO (1612). Damit wurde der Übergang von der Mündlichkeit zum gedruckten Wort ohne den Umweg über ein Zeitalter des Manuskripts vollzogen. Dennoch stellt sich der Prozess der Normierung der europäischen Sprachen als komplizierter dar und setzte schon vor Erfindung der Druckerpresse ein. Bei einigen europäischen Volkssprachen begann er weit vor 1450. In England war beispielsweise das Westsächsische als Literatursprache im 11. Jahrhundert weit verbreitet, in Spanien wird der Normierungsprozess im 13. Jahrhundert sichtbar. In Böhmen reformierte HUS Anfang des 15. Jahrhunderts die ĺ Orthographie des Tschechischen. Ab dem 14. Jahrhundert spielten die europäischen Kanzleien eine entscheidende Rolle in der Geschichte der Volkssprachen. Die vereinheitlichende Rolle des Buchdrucks wurde auch durch dessen teilweise polyzentrische Organisation geschmälert. Während in Großbritannien Druckerpressen fast die ganze frühe Neuzeit über praktisch nur in London vorhanden waren und in Frankreich ein großer Teil aller gedruckten Bücher aus Paris kam, konkurrierten in Spanien und Deutschland die Druckerpressen verschiedener Zentren miteinander. Auch Bücher, die im 16. Jahrhundert in Venedig, Mailand, Florenz, Rom und anderen Städten gedruckt wurden, trugen ihren Teil dazu bei, dass verschiedene sprachliche Varianten sich behaupteten. Erst Anfang des 17. Jahrhunderts wurde das Toskanische zur typographischen Standardsprache. In Deutschland und Italien hielt sich ein starkes regionales Gemeinschaftsgefühl und förderte eine Dialektverbundenheit (ĺ Dialekt), die bis in die höheren Klassen reichte. Selbst im Dictionnaire der Académie Française (1694) fanden sich auf verschiedenen Seiten unterschiedliche, der Herkunft des jeweiligen Setzers geschuldete Schreibweisen für ein und dasselbe Wort. Die Tätigkeit der Akademien fand über nationale Grenzen hinaus in ganz Europa Aufmerksamkeit. So geht LEIBNIZ auch auf das Bild von der Kleie und dem feinen Mehl ein, deren Trennung die Accademia della Crusca zur Aufgabe gestellt hatte. Hüten solle man sich entsprechend deren Vorbild vor unanständigen, nicht verständlichen (ohnvernehm-
Normierung lichen) und fremden oder unteutschen Wörtern. Ähnlichen Kriterien für die Ausgrenzung von Wörtern folgte auch JOVELLANOS, der die Reinheit des Gebrauchs (pureza el uso) der Verwendung von Wörtern oder Wendungen aus anderen Sprachen, Archaismen und neuen Wörtern ohne Autorität (sin propia autoridad) gegenüberstellt. 2. Der Streit um unterschiedliche Varianten der Volkssprache In der Debatte über die sprachliche Vereinheitlichung und die jeweiligen Vorzüge verschiedener Varianten der Volkssprache wurden unterschiedliche Resultate erzielt. Einerseits kam es zum Sieg eines bestimmten Dialekts über seine Rivalen (ĺ Dialekt), wie etwa in Spanien, Italien, Frankreich und England, andererseits zum Triumph einer gemischten Variante oder Koine. In Spanien setzte sich im Zuge der Reconquista die in Burgos gesprochene Variante als Standardsprache durch. Man akzeptierte sie auch in Toledo, als diese alte Hauptstadt von den Moslems zurückerobert wurde, und sie breitete sich dann nach Süden aus. Ein weiteres Stadium der Standardisierung wurde unter der Herrschaft der katholischen Könige um 1500 erreicht, und ist mit NEBRIJAs Grammatik (1492) belegt. Obwohl diese von VALDÉS wegen ihrer andalusischen Eigenheiten kritisiert wurde, war das frühneuzeitliche Kastilisch aus linguistischer Sicht ungewöhnlich homogen. Für das Italienische kam es zu einer regen Debatte, in der sich zahlreiche Stimmen erhoben. Die Vorschläge reichten von einer gemischten oder höfischen Umgangssprache (lingua commune, lingua cortigiana) bis zur gesprochenen Sprache Florenz’ oder der Toskana. Dafür, dass sich die toskanische Norm schließlich durchsetzte, ist auch die literarische Leistung eines DANTE, PETRARCA und BOCCACCIO ausschlaggebend, für die es in anderen Regionen Italiens keine Parallele gab und die vor allem durch das Engagement BEMBOs ein besonderes Gewicht bekam. Da der Weg zur Standardsprache in Italien ohne die Unterstützung von Staat oder Kirche auskommen musste, folgte ihm jedoch nur eine verschwindend kleine Minderheit der Bevöl-
701 kerung, die vor allem in der Toskana und in Rom lebte. In Frankreich und England dagegen verdankten die Dialekte der Île de France beziehungsweise der Home Counties ihren Sieg dem Zusammenwirken von Urbanisierung und politischer Zentralisierung (ĺ Dialekt). Im 17. Jahrhundert kam mit dem französischen Dichter MALHERBE ein Außenseiter aus der Provinz, der die französische Sprache nach eigenen Worten entprovinzialisieren wollte (il faut dégasconner la langue française). Seine Vorstellungen wurden in der Académie Française, die Kardinal RICHELIEU nach dem Florentiner Vorbild gegründet hatte, institutionalisiert. Eine der Aufgaben der Institution bestand darin, eine kultivierte Hochsprache zu schaffen, in der weder Regionalismen noch Fremdwörter oder technische Ausdrücke des Handwerkerjargons etwas zu suchen hätten. Auch gelehrte Fachwörter wurden verbannt, da sie nur in einer gelehrten beruflichen Tätigkeit, die für den honnête homme verpönt war, gebraucht würden. Die erfolgreichen Varianten des Französischen waren diejenigen von “Hof und Stadt” (la cour et la ville), wozu VAUGELAS noch weiter einschränkend formulierte “der vernünftigste Teil des Hofs” (la plus saine partie de la cour). Unter den maßgeblichen Personen für den “guten Gebrauch” (le bon usage) des Französischen befanden sich auch Frauen und solche Stadtbewohner, die Kontakt zum Hof hatten und so an seiner Kultur partizipierten. Im Sinne einer modellhaften Sprachgemeinschaft sollte der Begriff der gesetzgebenden Instanz sehr weit gefasst werden. Dazu zählten nicht nur die adeligen Herren und Damen in unmittelbarer Umgebung des Königs, sondern auch die Sekretäre in den Kanzleien, die nicht selten mit ihrer Kanzleisprache das Vorbild für den Schriftverkehr privater Individuen lieferten. Für das Deutsche besaßen die kaiserlichen Kanzleien in Prag und Wien sowie die sächsische Kanzlei in Meißen das größte Prestige. In England breitete sich Chancery English schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts aus. Zu den Normierungsinstanzen außerhalb des Hofs wurden im 17. Jahrhundert allerdings die Salons adeliger Damen in Paris, insbeson-
702 dere derjenige von Madame DE RAMBOUILLET, den sowohl MALHERBE als auch VAUGELAS frequentierten. Die oft abwertend als die “Preziösen” bezeichneten Damen und ihre Gäste waren wegen ihrer Kritik in Sprachfragen durchaus gefürchtet. In England berief die Royal Society Ende des 17. Jahrhunderts ein Komitee zur Verbesserung der englischen Sprache, und SPRAT, ihr erster Historiker, setzte sich auch für eine englische Sprachakademie nach dem Vorbild der Académie Française ein. JOHNSONs Dictionary aus dem 18. Jahrhundert diente nicht nur als Nachschlagewerk, sondern verstand sich auch als bewusster Versuch, die englische Sprache zu verfeinern. Das Wachstum Londons und die Nähe des Hofs trugen dazu bei, dass der südöstliche ĺ Dialekt sich zunächst in der Kanzlei und dann auf allgemeinerer Ebene als Standardsprache durchsetzte. Der Autor PUTTENHAM empfahl den Dichtern, sich die bei Hof gebräuchliche Sprache zum Vorbild zu nehmen sowie diejenige von London und der Grafschaften im Umkreis von 60 Meilen um London. Die Wanderungsbewegung in die Hauptstadt dürfte den Prozess der sprachlichen Vereinheitlichung zusätzlich vorangetrieben haben. Auch in anderen Ländern wurde eine Standardsprache nach dem Vorbild des Hofs beziehungsweise der Hauptstadt befürwortet. So setzte sich schon der polnische Autor SEKLUCJAN für eine ǥhöfische Sprache’ (dworski mowy) ein. GERNER plädierte in seinen Schriften für ein Standarddänisch auf der Grundlage dessen, wie es in Kopenhagen allgemein gesprochen wurde. LOMONOSOV empfahl den Moskauer Dialekt als russische Standardsprache, nicht nur in seiner Eigenschaft als Sprache des Hofs, sondern auch wegen der Bedeutung der Hauptstadt. Im Unterschied zur Erhebung eines Dialekts zur Nationalsprache und deren Ausbau vermochte sich im Deutschen, aber auch im Schwedischen, Holländischen und Finnischen eine gemischte Lösung durchzusetzen. Im Falle des Holländischen resultierte diese Mischung möglicherweise aus der Urbanisierung und der Zuwanderung aus Antwerpen nach Amsterdam. Das Deutsche entstand als frühneuzeitliche Koine, in die die Dialekte des Nordens und
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Südens (etwa Hamburgs und Münchens) oder des Ostens und Westens (zum Beispiel Leipzigs und Kölns) eingingen. Zwischen diesen Dialekten gab es so große Unterschiede, dass überregionale Kommunikation, sei es schriftlich oder mündlich, kaum möglich war (ĺ Dialekt). Als die Kanzleien des Kaisers und diejenigen der maßgeblichen Fürsten im 14. Jahrhundert die Volkssprache übernahmen, stellte sich ihnen die Frage, für welche Form von Volkssprache sie sich entscheiden sollten. Nach der kaiserlichen Kanzlei, die zunächst in Prag, später in Wien angesiedelt war, besaß diejenige des sächsischen Kurfürsten in Meißen das größte Prestige. Ostdeutschland war in sprachlicher Hinsicht relativ einheitlich, da es erst spät (im 12. und 13. Jahrhundert) kolonisiert worden war. Dennoch machte sich die sächsische Kanzleisprache um einer größeren Verständlichkeit willlen Elemente aus anderen Formen des Deutschen zu Eigen. Dieser Prozess der Einverleibung führte zur Entstehung einer Umgangssprache (lingua communis). LUTHER löste das Problem, in einer dem Volk verständlichen Sprache schreiben zu wollen, dadurch, dass er sich am Vorbild seiner örtlichen Kanzlei orientierte. Die Luther-Bibel wurde zu einem sprachlichen Vorbild. Im 17. Jahrhundert bestand jedoch noch keine das gesamte deutsche Sprachgebiet umfassende literatursprachliche Norm. Auf der einen Seite begannen Ostmitteldeutschland und Niederdeutschland zu relativer sprachlicher Einheitlichkeit zusammenzuwachsen, auf der anderen Seite beharrten die süddeutschen Gebiete auf den eigenen, traditionell gewachsenen Sprachformen. Dazwischen bildete der Westen, das mittlere Rheinland, eine vielfältig differenzierte Übergangsstufe. Jedoch brachte der Tiefstand infolge des dreißigjährigen Krieges als Gegenbewegung gegen den völligen Zerfall einen großen Aufschwung nationaler Bestrebungen, der auch in den Bemühungen um die deutsche Sprache seinen Ausdruck fand. Im 18. Jahrhundert wurden die Bemühungen um die Herausbildung einer nationalen deutschen Sprache und Kultur vor allem von der Aufklärungsbewegung getragen. Die Grammatiken dieser Zeit gingen in der Regel von dem Ziel der Überwindung der sprachlichen Uneinheitlichkeit aus und waren
Normierung zumeist normativ vorschreibend. Wenn Grammatiker versuchten, den Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) zu beeinflussen, gingen sie vor allem vom Prinzip der ĺ Analogie, der Angleichung an parallele Fälle, oder auch der ĺ Etymologie als Beweisgründen aus. In erster Linie war es GOTTSCHED, der mit seiner in der 1748 erstmals herausgegebenen Deutschen Sprachkunst dargelegten Ansicht von der literatursprachlichen Norm und ihren Bestimmungsfaktoren für Jahrzehnte den Mittelpunkt der Erörterung des Problems der Einheitssprache bildete. Für GOTTSCHED ist die einheitliche Sprache zunächst eine eklektische Art des Sprechens, die sich nicht an einer bestimmten Provinz orientiert. Als bestimmend für dieses Hochdeutsche werden der Sprachgebrauch der guten Schriftsteller und die beste Mundart genannt. Diese guten Schriftsteller sollen durch die Stimmen der klügsten Leser ermittelt werden und nicht aus nur einem Dialektgebiet stammen (ĺ Dialekt). Die beste Mundart beschreibt er äußerst ungenau als diejenige, die am Hofe oder in der Hauptstadt des Landes gesprochen wird. GOTTSCHED hatte keine Vorstellung vom historischen Entwicklungsprozess der Sprache und der Herausbildung der Literatursprache als einer historischen Größe. Er identifizierte infolgedessen die Hochsprache mit einer regionalen Form der Literatursprache, wofür für ihn nur Obersachsen in Frage kam, da die hier gebräuchliche Form der Literatursprache bereits weite Gebiete des deutschen Sprachraums beherrschte. Mit seiner Normauffassung erhob GOTTSCHED ein eng gefasstes Prinzip der Richtigkeit und Reinheit, der Einfachheit und Verständlichkeit zum entscheidenden Kriterium. Seine Reglementierungsbestrebungen beschränkten sich nicht nur auf den lautlichen und grammatischen Bereich, sondern auch auf die Ausdrucksgestaltung, den ĺ Stil und den Wortschatz. Schöpferische Sprachgestaltung, Lebhaftigkeit und Bildhaftigkeit des Ausdrucks, Freiheiten in der Wortwahl, in der Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) und im Satzbau wollte er ebenso aus der Literatursprache verbannen wie den Gebrauch von Provinzialismen. Dagegen setzte er Gleichförmigkeit, Regelmäßigkeit und Deutlichkeit als Prinzipien seiner Stilvorschriften.
703 Das Schaffen GOTTSCHEDs gab dem Streit um das, was als rechtes Hochdeutsch zu gelten habe, gewaltigen Auftrieb. Die sprachliche Zerrissenheit und das Schwanken des Südens und Westens zwischen den eigenen literatursprachlichen Formen und den aus dem Norden vordringenden spiegelten sich auch in den Ansichten der Sprachgelehrten wider. Im Mittelpunkt der Bemühungen süddeutscher Gelehrter stand die Auseinandersetzung mit dem Führungsanspruch des Obersächsischen, Widerstand gegen die meißnische Vorherrschaft zeigte sich allerdings nicht nur im Süden und Westen, sondern auch im Norden Deutschlands. Der Pfälzer AICHINGER vertrat die Ansicht, dass die nationale Literatursprache eine von den Gelehrten verwendete und festgesetzte Form der Sprache sein müsse, so dass keine einzelne Mundart Entscheidungsbefugnis für die literatursprachliche Norm besäße. Der Geistliche DORNBLÜTH richtete heftige Angriffe gegen die Fehlerhaftigkeit des Obersächsischen und setzte dagegen die Sprache der süddeutschen Kanzleien des 17. Jahrhunderts. Die Schwaben FULDA und NAST vertraten die Ansicht vom Hochdeutschen als einer von Gelehrten festgesetzten und nicht mit einer Mundart identischen Sprache, für die so genannte Sprachgründe maßgeblich seien. Dieser nicht näher definierte Begriff ist die theoretische Konstruktion eines der gesamten Sprache angeblich zugrunde liegenden Prinzips der Richtigkeit, der Reinheit und der Unvermischtheit. Es sei Aufgabe der Sprachgelehrten für eine Übereinstimmung der Literatursprache mit den Sprachgründen zu sorgen, von denen die einzelnen Mundarten unterschiedlich stark abwichen (ĺ Dialekt). Auch andernorts in Europa spielten häufig von Gelehrtengremien angefertigte Bibelübersetzungen eine wesentliche Rolle bei der Schaffung einer Koine. In Schweden folgte die Bibel WASAs (1541) dem Lutherschen Modell und verwendete eine Sprache, die im ganzen Land verstanden wurde. In Dänemark wurde ein Gremium vom König aufgefordert, dem Beispiel LUTHERs zu folgen, und so lieferte die Bibel CHRISTIANs III. (1550) eine geschriebene Norm für Dänisch, die später zur gesprochenen Norm werden sollte. In Finnland übersetzte AGRICOLA, der lutherani-
704 sche Bischof von Turku, der in Wittenberg studiert hatte, das Neue Testament (1548) und Teile des Alten, wobei er den Dialekt der Gegend um Turku als Grundlage nahm und auch neue Wörter im Finnischen einführte. 1642 wurde die Bibel von einem Komitee unter Leitung von PETRAEUS neu übersetzt, wobei man eine Sprache benutzte, die im ganzen Land verstanden würde. Auch in der holländischen beziehungsweise flämischen Bibelübersetzung traten ähnliche Probleme auf. Mit seinem Neuen Testament wollte UTENHOVE eigentlich einen Text vorlegen, der für Leser aus allen Teilen der Niederlande verständlich wäre. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch, weshalb die Generalstaaten eine Neuübersetzung in Auftrag gaben, die 1637 dann als kalvinistische “Staatsbibel” (Statenbijbel) erschien. Diese Übersetzung entstand wie die Authorized Version in England als Gemeinschaftsarbeit eines Komitees, wobei in dem Gremium verschiedene Regionen mit ihren jeweiligen Dialekten vertreten waren (ĺ Dialekt). Der Einfluss der Heiligen Schrift auf die Standardisierung des schriftlichen und mündlichen Ausdrucks in der Volkssprache ist auch in anderen europäischen Sprachen erkennbar. Die europäischen Drucker trieben den Prozess sprachlicher Normierung mit Bibelübersetzungen voran. Ganz pragmatische Gründe hatte es auch, als der Landtag der Oberlausitz 1691 ein Komitee einsetzte, um sicherzustellen, dass in protestantischen, auf Sorbisch geschriebenen Texten eine Standardsprache verwendet wurde. Aus ähnlichen Gründen wie die Protestanten übernahmen die böhmischen Jesuiten eine Art Koine, ein Mischvariante zwischen Tschechisch und Slowakisch, um mit ihrer Botschaft möglichst viele Menschen zu erreichen. Im Kampf um die Seelen der einfachen Menschen hatten die Protestanten einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Jesuiten und anderen katholischen Missionaren: die Bibel in der Volkssprache Die Wirkung von Schriften und Texterzeugnissen auf die Sprachnormierung war jedoch häufig ebenso wenig unmittelbar wie Aussagen gesellschaftlicher und kirchlicher Würdenträger zur Sprachenfrage. So sprach sich zum Beispiel im Falle des Rumänischen der Metropolit von Siebenbürgen STEFAN 1648
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung im Vorwort zu einer Übersetzung des Neuen Testaments für eine gebräuchliche Schriftform der Sprache aus. Bis sich eine solche Form durchsetzen konnte, sollten aber noch Jahrhunderte vergehen. Auch beim Tschechischen, Slowakischen, Slowenischen, Serbischen, Kroatischen, Bulgarischen und Griechischen erfolgte die sprachliche Standardisierung erst Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, in der Zeit von DOBROVSKÝ, ŠTÚR, KOPITAR, KARADŽIû, GAJ und KORAIS. 3. Die Normierung der gesprochenen Sprache Normierung vollzieht sich jedoch überwiegend nicht über metasprachliche Äußerungen, die feststellen, dass normiert wird, sondern über die Feststellung eines guten, schönen oder schlechten Sprachgebrauchs (ĺ Gebrauch). Die Chronologie der Normierung der gesprochenen Sprache ist schwieriger zu bestimmen. Auch ist der Anteil der Praxis des Vorlesens daran, die gesprochene Sprache der geschriebenen anzunähern, umstritten. Im Italien des 16. und im Frankreich des 17. Jahrhunderts wurden lange Debatten über die mündliche und schriftliche Ausdrucksweise der Gebildeten geführt. MALHERBE und VAUGELAS interessierten sich sogar eher für das Reden als für das Schreiben. Inhaltliche Schwerpunkte dieser Debatten waren die Aussprache und der Wortschatz. Beobachtungen zu Auffälligkeiten des Sprachgebrauchs (ĺ Gebrauch) finden sich in Grammatiken bereits vor VAUGELAS. So stellt z. B. MAUPAS die Verwechslung des stimmhaften [g] mit dem stimmlosen [k] durch deutsche Sprecher fest. Auch wenn die Beobachtung der Aussprache von Ausländern eher am Rande des Interesses steht, ist sie offensichtlich für die Entwicklung der Methoden der phonetischen Beschreibung ein wichtiger Schritt. Weiter fortgeschritten ist die phonetische Beschreibung dann bei HINDRET, der deutlich VAUGELAS folgt und dessen L’art de bien prononcer et de bien parler la langue françoise (1687) als Remarques phonétiques bezeichnet werden könnten. Darin werden Ausspracheschwierigkeiten als Ersetzung von [i] durch Palatalisierung beschrieben und als Merkmal der Sprechweise des Pariser Klein-
Normierung bürgertums charakterisiert. Gleichfalls werden Flexionsfehler und andere morphologische Probleme benannt und das Weglassen des [l] und des [r] in der Aussprache von table, cofre, vinaigre, double und sucre signalisiert. Ganz im Sinne der Remarqueurs werden derartige Sprechweisen als grob und lächerlich gekennzeichnet und die von ihnen betroffenen Personen werden aufgefordert, sich zu korrigieren und die Regeln zu beachten. Besonders interessant ist, dass die falschen Sprechweisen als von Kindheit an erworben dargestellt werden (ĺ Spracherwerb), so dass ein pädagogisches Anliegen nahe gelegt wird. Die Korrekturvorschläge gehen von der Erkenntnis phonologischer Oppositionen aus und berücksichtigen die Einsicht, dass die Personen mit einem “Akzent” die Einzellaute durchaus korrekt artikulieren könnten, was wiederum die Korrektur der falschen, d. h. durch die nicht akzeptierte Varietät gekennzeichneten Aussprache als leicht erscheinen lässt. Ist in diesem Fall das Konstatieren soziolinguistischer Variation bereits als solches interessant, so dürfen die Bemerkungen der Remarqueurs jedoch nicht in jedem Fall als Abbildung sprachlicher Verhältnisse ernst genommen werden. Vielfach sind sie auch von Aussagen der Grammatiker geprägt oder verzerren die Realität wunschgemäß oder in Überanalogisierung bestimmter Regeln (ĺ Grammatik; ĺ Analogie). Ein solcher Fall ist die Feststellung von SMITH in seiner gleichfalls VAUGELAS folgenden Grammatica Quadrilinguis (1674) zur französischen ĺ Syntax, dass das Adjektiv dem Substantiv im Allgemeinen vorangehen würde. Ausnahmen lässt er lediglich bei Farbadjektiven und bei nouveau zu, obwohl er unmittelbar vorher für die Feststellung der Kongruenz in Genus und Numerus ein durchaus gegenteiliges korrektes Beispiel gibt (homme vertueux). Dagegen trifft er für das Italienische interessanterweise die umgekehrte Aussage: das Adjektiv folge hier in der Regel dem Substantiv. Das Feststellen falscher Regeln ist natürlich auch in der Grammatikographie vor VAUGELAS nicht unbekannt und kann neben durchaus fortgeschrittenen grammatischen Beschreibungen in ein und demselben Werk auftreten. So verwendet MAUPAS die Kategorie des Ar-
705 tikels, die in vielen Grammatiken seiner Zeit fehlte, und trifft Aussagen über ihre determinierende, Genus und Numerus differenzierende Funktion. Darüber hinaus kennzeichnet er die Darstellung der Deklination als lediglich dem Lateinischen folgend und nicht in der französischen Sprache gegeben. Obwohl er darin eine gegenüber anderen Grammatiken fortschrittliche Position vertritt, trifft MAUPAS im Hinblick auf die Verteilung des Genus eine objektbezogen falsche Aussage, indem er die lateinischen Maskulina und die Neutra den Maskulina im Französischen zuordnet. Der Versuch der Reduzierung der Erscheinungen auf eine Regel, die auch bei den Remarqueurs zunächst vorherrscht, scheint Ursache für derartige Übergeneralisierungen zu sein. Eine weitere Ursache, insbesondere bei objektbezogen falschen Aussagen zu fremden Sprachen, ist die ungenaue Kenntnisse der betrachteten Sprache und Varietät. Darüber hinaus war die Beschreibung der Remarqueurs jedoch auch durch sprachtheoretische Prämissen und ideologische Voreingenommenheit geprägt und muss deshalb in der dadurch gegebenen Brechung betrachtet werden. Die Aktivitäten der Remarqueurs verhielten sich kontrapunktisch zur institutionell oder pädagogisch geförderten Grammatikschreibung und sie bewegten sich im Spannungsfeld zwischen bloßer Beobachtung und Formulierung eines normativen Ideals. Texte der Remarqueurs können als metasprachliche Texte in erster Linie den Zugang zu einer Geschichte des Sprachbewusstseins unterstützen. Zweifellos wird man dem Begriff des Sprachbewusstseins Unschärfe zuschreiben und ihn letztlich sogar in seiner Existenz anzweifeln dürfen. Sprecher verwenden ihre Sprache in den seltensten Fällen bewusst und gerade in dieser Unbewusstheit der zentralen Komponenten sprachlicher Kompetenz liegt letztlich auch ein Faktor des Sprachwandels (ĺ Sprachveränderung). Andererseits war und ist die Verwendung von Sprache Gegenstand der Reflexion. Die Erhebung der Remarques zur Textsorte erscheint durch die einer Reihe von Texten oder Textteilen des 17. Jahrhunderts gemeinsame Gestaltung gerechtfertigt, der nach
706 VAUGELAS auch BOUHOURS, ALEMAND und bestimmte Artikel der großen Wörterbücher (RICHELET, FURETIÈRE, Akademie) folgen. VAUGELAS hatte in seinen ungeordneten Remarques das Fehlen einer Methode beinahe stolz erklärt. Freiheit gegenüber den etablierten metasprachlichen Praktiken und das Fehlen kohärenter theoretischer Zusammenhänge ist für alle Remarques des 17. Jahrhunderts charakteristisch, deren Autoren kleine Aristokraten, Geistliche, gebildete Frauen, auf anderen Gebieten bekannte Intellektuelle waren. Ein weiteres Merkmal der Remarques ist deren punktueller Charakter, der eine Zusammenfassung nicht zwingend macht. Das erklärende Bemühen ist in den Remarques nicht dominant. Neben der Heterogenität der Remarqueurs als Gruppe ist auch die von jeder epistemologischen Fundierung ferne Diversität ihrer Textproduktion zu berücksichtigen. Als Charakteristikum der Remarqueurs kann ein Dialog mit der sprachlichen Erfahrung angesehen werden, der zum Bestandteil der grammatischen Deskription wurde und auf komplexe Weise in die Kodifizierung der Norm einging und der durch Bezugnahmen auf VAUGELAS geprägt ist. In den meisten Wörterbüchern des 17. bis 20. Jahrhunderts wird das Wort Remarque in der Bedeutung ‘Observation. Remarque utile, judicieuse, importante’ unter ausdrücklicher Bezugnahme auf VAUGELAS’ Remarques sur la langue française erklärt. Woraus ergibt sich der offensichtlich eine Serie von Texten eröffnende Charakter der Remarques VAUGELAS’? Dafür dass ein Text zum Referenztext wird, können die in ihm vertretenen Argumentationsmuster ausschlaggebend sein, er kann aber auch in besonderem Maße der Erwartungshaltung entsprechen und zeitbezogen wichtige soziale Aufgaben erfüllen. Zu weit darf ein Referenztext nicht vom Prospektionshorizont der Rezipienten entfernt sein, was auch Grenzen für seine innovativen Möglichkeiten setzt. Auf VAUGELAS treffen diese allgemeinen Überlegungen durchaus zu. So gibt es zwei Autoren, die vor VAUGELAS das Synonym observations verwandten: MAUPAS im Vorwort zu seiner 1618 in erster Auflage erschienen Grammaire et Syntaxe de la langue françoise und Antoine OUDIN, der sich 1632 im Zusammenhang
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung mit seiner Grammaire françoise, rapportée au langage du temps gleichfalls unter Verwendung des Wortes observations an den neugierigen Leser wendet. Diese observations sind jedoch in beiden Fällen in eine ĺ Grammatik integriert, während VAUGELAS seine Beobachtungen lose und ohne Zusammenhang und selbst unter Missachtung der alphabetischen Ordnung wie auch der Zuordnung zu ĺ Wortarten so aufschrieb, wie sie ihm in den Kopf kamen. Der höfische Schreibstil ließ ihn cet agréable mélange einer gelehrten Grammatik vorziehen, Remarques sind auch scheinbar weniger verbindlich als die mit Loix oder Décisions bezeichnete Normierung des Sprachgebrauchs (ĺ Gebrauch). Als Grund für die Gestalt der Remarques ist natürlich auch ihre Entstehungsgeschichte in Betracht zu ziehen. VAUGELAS setzte sich mit dem Werk MALHERBEs auseinander und schrieb zunächst ebenso dem Text folgend, wie MALHERBE selbst das mit der Poesie DESPORTEs getan hatte. Auch die Arbeit am Akademiewörterbuch kann ihn zu punktuellen Betrachtungen angeregt haben. Entscheidend und von ihm selbst erwähnt ist jedoch sein Widerwillen gegenüber pedantischem Wissen und Schreiben, seine Furcht, dem Publikum, insbesondere den Frauen zu missfallen. Folgende fünf Charakteristika liegen den Remarques zugrunde und können auch als konstitutiv für die entsprechende Textsorte betrachtet werden: 1. Ausgangspunkt ist stets ein Zweifel an bestimmten Gebrauchsformen. Die Remarques tendieren also zur Behandlung einzelner sprachlicher Besonderheiten; wenn sie dann zu allgemeinen Regeln kommen, werden diese über Beispiele gegeben. 2. In ihrer Form liegt ihnen keine logische Ordnung zugrunde, sie sind in der Regel kurz, zwischen einigen Zeilen und Seiten. 3. Das angesprochene Publikum sind die honnêtes gens, die nichts von Gelehrsamkeit wissen wollen. Fachvokabular wird deshalb nicht verwendet. 4. In den Remarques wird die Anomalie gegenüber der ĺ Analogie betont. Die Analogie als Ähnlichkeit, Übereinstimmung in den
Normierung Verhältnissen wurde bereits in der Antike in Gegensatz zur Anomalie, d. h. zur Regellosigkeit gesetzt. Im Altertum wurde, seitdem die grammatische Wissenschaft entstanden war (ĺ Grammatik), heftig darüber gestritten, ob Analogie in den Sprachbildungen zu finden sei, oder ob dieselben nur Unregelmäßigkeiten zeigen. Die Bedeutung der Analogie wurde im 17. Jh. zunächst wieder auf die Funktion als Kriterium zur Beurteilung bzw. Verurteilung bereits existierender Sprachformen eingeschränkt. Wenn die Bildung neuer Wörter nicht in Frage kommt und wenn der usage die entscheidende Sprachinstanz ist (ĺ Gebrauch), dann bleiben für die Analogie nur die durch den usage noch nicht geregelten Fälle übrig. Diese Fälle sind nach Ähnlichkeit (ressemblance) und Übereinstimmung mit dem usage zu entscheiden, die Analogie verhalte sich dabei gegenüber dem vorbildlichen höfischen Sprachgebrauch wie die Kopie zum Original. VAUGELAS’ Auffassung von der Analogie wird von den meisten französischen Grammatikern des 17. Jahrhunderts geteilt. Dies trifft auch auf ARNAULD und LANCELOT zu, die zwar den Akzent auf das Regelhafte und rational Erklärbare legten, jedoch den Vorrang des usage nicht in Zweifel zogen. Eine deutliche Abweichung von VAUGELAS erfolgt erst durch DUCLOS, der in den Remarques zu seiner Ausgabe der Grammaire générale et raisonnée (1754) analogie und raison gleichsetzt. 5. Die zugrunde liegende Ideologie ist trotz aller Beteuerungen normativ, und es wird eine Hierarchie der Gebrauchsweisen aufgestellt. VAUGELAS ist dabei jedoch weniger dogmatisch als seine Nachfolger und lässt im Grunde zwei Haltungen gegenüber sprachlicher Variation zu: Einerseits gesteht er dem ĺ Gebrauch das letzte Wort zu und will seine Ergebnisse akzeptieren, andererseits möchte er den bon usage etablieren und verwirft in diesem Sinne Varianten. Diese zwiespältige Haltung wird in der auf VAUGELAS folgenden Textserie im 17. Jahrhundert teilweise aufgegeben. Zu einer ersten Gruppe von Autoren, die auf den Referenztext VAUGELAS’ aufbauend serielle Texte produzierten, gehören BUFFET (1668), BOUHOURS (1675, 1693), BÉRAIN (1675), TALLEMANT (1698), MÉNAGE (1672, 1676), die in
707 ebenso ungeordneter Form Bemerkungen zu zweifelhaften sprachlichen Erscheinungen veröffentlichten, dabei jedoch nicht vollständig der Ideologie VAUGELAS’ folgen mussten. So kritisiert ihn MÉNAGE wegen fehlender Gelehrsamkeit und schwacher historischer Kenntnisse. Eine zweite Gruppe von Autoren, zu der D’ALEMAND (1688) und ANDRY DE BOISREGARD (1689, 1693) gehören, ordnet ihre Bemerkungen in alphabetischer Reihenfolge an. Eine dritte Gruppe ordnet schließlich die Remarques nach systematischen Gesichtspunkten. Neben der Méthode universelle pour apprendre facilement les langues von MACÉ (1652) sind hier die unter dem Titel le génie de la langue française erschienenen Systematisierungen zu nennen. AISY (1685) erklärt die Absicht einer Neuordnung der Remarques VAUGELAS’ ausdrücklich und gibt eine ausführliche Typologie sprachlicher Fehler. Obwohl in diesen Werken der systematische Anspruch einer Normierung der französischen Sprache dominierte, wurden gleichzeitig bestimmte Grundzüge aufgezeigt, durch die sie sich von anderen abheben sollte. Die Vorstellungen davon, wie die französische Sprache sein sollte, wurden zu deren génie erklärt und als Maßstab gesetzt. ĺ Klarheit und Einfachheit entsprachen dabei dem zeittypischen Ideal und wurden schnell zum Topos, das sich auch in späteren Charakterisierungen wieder findet. Als relationaler Begriff setzt der besondere Charakter einer Sprache einen Vergleich mit dem Allgemeinen voraus, der jedoch im Gefolge der Aufwertung der Nationalsprachen weitgehend ausgeblieben war. Einer Sprache werden aufgrund ihrer realen oder angenommenen Eigenschaften bestimmte Vorzüge und Mängel zugeschrieben, die dann als ihr besonderer Charakter nicht mehr hinterfragt werden (ĺ besonderer Charakter einer Sprache, ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Die Autoren kürzten VAUGELAS’ Remarques, wodurch ihr dogmatischer Charakter verstärkt wurde, oder sie fügten eigene Bemerkungen hinzu. Auch die Observations de l’Académie française sur les Remarques de M. de Vaugelas (1704) folgen diesem Muster. Die Textsorte der Remarques wird somit allmählich als ein kumulativer Prozes angesehen, der auch in anderen Formen Verwen-
708 dung findet. Eine solche Form ist die Integration in die Wortartengrammatik, zum Beispiel bei SAINT-MAURICE (1672). Inhalt und Stil der Remarques finden sich auch in der Lexikographie wieder. Das Dictionnaire de l’Académie lässt sich als imposante Kollektion von Remarques auffassen, schließlich sei noch das Lemma Acoutumance aus dem Dictionnaire de Richelet angeführt, unter dem VAUGELAS zitiert und diskutiert wird. Die Veränderung der Remarques und ihre Verarbeitung in unterschiedlichen Formen führen dazu, dass nicht mehr alle ihrer Merkmale beibehalten werden und tragen letztlich zum Verschwimmen der Konturen der Textserie bei. Schon im 18. Jahrhundert geriet in Frankreich die erste und die zweite Gruppe von Texten, das heißt diejenigen, die Remarques in beliebiger Reihenfolge oder alphabetisch geordnet schrieben, außer Mode. Die dritte Gruppe, die der systematisch geordneten Remarques, waren im 18. Jahrhundert sehr populär und entsprachen dem konservativen Geschmack. In seinen Principes généraux et particuliers de la langue françoise, die er erstmals 1754 unter dem Titel Grammaire françoise, ou la Manière dont les personnes polies et les bons auteurs ont coutume de parler et d’écrire veröffentlichte, erklärte zum Beispiel WAILLY, die Betrachtungsweise VAUGELAS’ auf alles übertragen zu haben, was in seiner Gegenwart irgendwie Anlass zu sprachlichem Zweifel geben konnte. Ihren Höhepunkt fand diese Tradition der compilations raisonnées in der Grammaire des grammaires von GIRAULT-DUVIVIER (1811), deren zweiter Band aus einer alphabetisch geordneten Liste von Remarques détachées sur un grand nombre de mots, et sur l’emploi vicieux de certaines locutions besteht. Neben den auf den guten Gebrauch setzenden Remarques gab es jedoch auch Überlegungen, den Verstand als Normierungsinstanz einzubeziehen. So unterscheidet LAMY guten und schlechten Sprachgebrauch zunächst nach der Erfahrung: man könne den Sprachgebrauch derjenigen, die gut sprechen, beobachten oder auf Bücher zurückgreifen. Die Orientierung an Büchern als sprachlichen Vorbildern beruhe darauf, dass wir mehr Zeit haben, wenn wir schreiben. Als weitere Instanz
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung bezieht LAMY jedoch auch den Verstand (raison) ein. Da alle Sprachen die gleiche Grundlage haben, könne man sich zum Richter über die Regeln des Gebrauchs erheben (ĺ Gebrauch). Diese seien manchmal denen des Verstandes entgegengesetzt und dürften dann auch korrigiert werden. In England war der richtige Akzent bereits früh von gesellschaftlicher Relevanz. Einen ersten Beitrag zu dieser Debatte leistete ROBINSON mit seinem Werk The Art of Pronunciation (1617), ihren Höhepunkt erreichte sie jedoch um die Mitte des 18. Jahrhunderts, wie der Erfolg von SHERIDANs Abhandlungen über die korrekte Redeweise dokumentiert. Weitere Belege dafür, wie sehr das Thema einer korrekten Aussprache in der englischen Öffentlichkeit an Bedeutung gewann, sind JOHNSTONs Pronouncing and Spelling Dictionary (1764) oder WALKERs Critical Pronouncing Dictionary (1791), in dem sich die Behauptung findet, die Londoner Aussprache sei “die beste”, da “allgemein anerkannter” als die Konkurrenz. Von den Vereinigten Niederlanden über die deutschen Fürstentümer bis nach Russland verzögerte sich die Entwicklung einer standardisierten Volkssprache wahrscheinlich in erster Linie dadurch, dass die Oberschicht Französisch zu sprechen pflegte, was die Unterscheidung zwischen Personen von gehobenem oder niedrigem Gesellschaftsstatus weniger dringlich machte. Noch zweieinhalb Jahrhunderte nach LUTHER konnte FRIEDRICH DER GROSSE in seinem auf Französisch verfassten Traktat über die deutsche Literatur das Deutsche als plumpe, “halb-barbarische Sprache” abtun, “mit so vielen verschiedenen Dialekten, wie Deutschland Provinzen hat” (une langue à demi-barbare, qui se divise en autant de dialectes différents que l’Allemagne contient de Provinces). Die Debatte um die richtige regionale Basis der deutschen Literatursprache hielt auch im 18. Jahrhundert noch an. ADELUNG etwa trat für eine südsächsische Standardsprache ein, einige Bayern empfahlen ihren ĺ Dialekt, CAMPE favorisierte eine Koine und GOTTSCHED plädierte für eine Schriftsprache nach Meißner Vorbild. Die zentrifugalen Tendenzen in der Sprachdebatte waren in Deutschland und Frankreich genauso stark wie die zentripetalen. Das gro-
Normierung ße Zeitalter der Sprachvereinheitlichung in Osteuropa war das 19. Jahrhundert. Dort, wo sich die Standardisierung in der frühen Neuzeit durchsetzen konnte, geschah es auf unterschiedlichen Wegen. Im Falle Frankreichs lässt sich von sprachlichem Absolutismus sprechen, der sich als enge Verknüpfung zwischen Staatsapparat und Académie Française als offizielle Sprachinstanz darstellt. In Spanien, Russland und Schweden wurde dieser französische Weg mit unterschiedlichen Ergebnissen imitiert. Obwohl die Normierung zum Teil Ergebnis bewusster Planung war, wurde die Vereinheitlichung von Nationalsprachen jedoch eher durch Gegebenheiten beeinflusst, die außerhalb menschlicher Kontrolle liegen, etwa durch den Buchdruck oder den Aufstieg bestimmter Höfe und Städte. Die Entwicklung einer kodifizierten Sprache, die seinerzeit als “kultiviert” gepriesen wurde, ist sicher als Teil des Zivilisationsprozesses zu verstehen, in dem der Ritterstand domestiziert wurde und aus Rittern Höflinge wurden. In dem Maße, wie ihre örtlichen Lehnsverhältnisse zusammenbrachen, kam ihnen auch ihr lokaler Akzent abhanden. Der Glanz des Hofes und sein Einfluss auf die Provinzeliten trugen dazu bei, dass die neue Sprachform übernommen wurde. Durch ihre Verwendung wurden das Anderssein und die Überlegenheit gegenüber dem einfachen Volk demonstriert. In der Reform der Ausdrucksweise wurde der Rückzug der europäischen Eliten aus ihrer Teilnahme an den vielfältigen Formen der Volkskultur sichtbar. In der Anonymität großer Städte, wie London und Paris, hing gesellschaftliches Ansehen jetzt nicht mehr so sehr von der Geburt ab als vielmehr von der “Kultur der Civilité”, die neben dem Tragen der richtigen Kleidung auch den Gebrauch der richtigen Ausdrucksweise einschloss. Wie VAUGELAS im Vorwort zu seinen Remarques schrieb, genügte es, dass jemand ein falsches Wort benutzte, um in vornehmer Gesellschaft das Gesicht zu verlieren. 4. Die Sprache der Remarques und die Benennung der sprachlichen Gesetzgeber Die in Analogie zu PLATON als sprachliche Gesetzgeber bezeichneten Personen nahmen sich in ihren Texten sehr zurück. Auch VAUGELAS schreibt ausdrücklich, dass der ĺ Ge-
709 brauch (usage) der Tyrann der Sprache sei und er diesen lediglich beobachte und beschreibe. Interessant sind dabei zunächst die Bezeichnungen des Trägers des Zweifels an bestimmten sprachlichen Formen, bei denen bereits in den Remarques & Décisions der Akademie (1698) das Dominieren des kurzen Ausdrucks on auffällt, der referentiell polymorph ist und eine Vermischung des Individuums mit einer Menge von Zweiflern erlaubt. Darüber hinaus findet man in diesen Remarques der Académie jedoch auch individualisierende Ausdrücke und Präzisierungen der Situation, in der eine normative Aussage getroffen wird. Auch die Einleitungsformel il semble que und mehrere modalisierende Gewissheitsausdrücke kommen häufig vor, was die normativen Aussagen weniger kategorisch erscheinen lässt. In den Observations sur les Remarques de Vaugelas (1704) werden solche Ausdrucksweisen deutlich geringer, um schließlich in den Remarques sur le Quinte-Curce (1719–1720) ganz zugunsten des unpersönlichen on zu verschwinden, das zur alleinigen diskursiven Instanz wird. Hinter scheinbarer Einmütigkeit wird hier die Subjektivität der Normsetzung versteckt. In den Remarques der Akademie aus dem Jahre 1698 wird ein stilisierter Streit um eine sprachliche Erscheinung in jeweils drei Schritten vorgeführt, die im Folgendem am Beispiel la nature a des beautez inimitables à l’art (ACADÉMIE FRANÇAISE 1698: 16–19) illustriert werden. Erstens wird das strittige Material benannt: “On a proposé cette Phrase, la nature a des beautez inimitables à l’art”. Zweitens erfolgt eine Darlegung der unterschiedlichen Meinungen und Argumente im Ablauf der Diskussion dazu: “Elle a d’abord paru un peu farouche […]. Ainsi il semble qu’il y ait une faute ou manière de Pleonasme. Et sur ce que plusieurs trouvoient neantmoins cette façon de parler belle & noble, on a esté consulté le premier Bureau qui l’a condamné tout d’une voix. Mais la dispute s’étant échauffée, on a proposé des phrases qui on ébranlé toute l’assemblée, comme […]. Plusieurs se sont rendus à ces Exemples qui ont paru bons. D’autres ont du moins avoüé que dans le style sublime & oratoire […]. Et pour répondre à l’objection, touchant l’initu-
710 lité & la redondance du regime, on a pretendu qu’il y avoit […] car ceseroit fort mal parler de dire […].” Drittens erfolgt eine Auflösung des Konflikts durch eine Regel, die gesetzt wird: “Ainsi inimitable va ordinairement sans régime; mais dans le style soûtenu, ou lorsqu’il y a quelque comparaison, il peut souffrir un régime.” Auch später werden drei Schritte beibehalten, ihr Inhalt ändert sich jedoch zuungunsten des argumentativen Teils. In den Remarques sur le Quinte-Curce kommt nach einem expliziten Urteil über die fragliche sprachliche Erscheinung eine mehr oder weniger ausführliche Begründung, weshalb diese abzulehnen ist. In einer dritten Komponente wird dann eine Korrektur in Form empfohlener Entsprechungen vorgenommen. Die Norm wird, einer dogmatischen Ausdrucksweise entsprechend, ohne Einbettung und ohne weiteren Ausdruck des Trägers als verbindlich gesetzt. Auch bei GOTTSCHED ähneln die normativen Aussagen denen der Remarqueurs. Er wendet sich zum Beispiel gegen den Gebrauch der Partikel so als beziehendes Fürwort und gegen das Beginnen von Sätzen mit dem Partizip Perfekt (Mittelwort der vergangenen Zeit), z. B. Erschrecket durch deine Worte, kann ich dir nichts antworten, gegen doppelte Verneinung und gegen die Verwechslung von für und vor. Seine Bemerkungen zu einzelnen sprachlichen Erscheinungen lassen Unsicherheiten im Sprachgebrauch des Deutschen im 18. Jahrhundert erkennen, zu denen GOTTSCHED meist eindeutig Stellung bezieht und damit eine normative Absicht verbindet. Orientierung dafür, was guter oder schlechter Gebrauch ist, erfahren wir nur aus der Gewohnheit und dem Folgen des guten Gebrauchs. Ausnahmen, die der Gebrauch erlaubt, sind jedoch durchaus möglich. Sie sind älter als die Regeln, die Regeln müssen bei fest im Gebrauch befindlichen Ausnahmen nachgeben (ĺ Gebrauch). Beim Verwerfen bestimmter sprachlicher Formen als schlechten Sprachgebrauch werden häufig Zuordnungen zu den klassischen Fehlergruppen vorgenommen: Ein Solözismus (griech. soloikismós) ist ein grober syntaktischer Fehler (ĺ Syntax), so genannt nach der griechischen Stadt Soloi in Kilikien, deren
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Einwohner durch den Einfluss benachbarter Barbarenstämme ein sehr entstelltes Griechisch sprachen. Diese Bezeichnung der antiken Rhetorik für einen Verstoß gegen die Regeln der ĺ Grammatik stand für Verstöße gegen das Prinzip der Sprachrichtigkeit, die erste der vier Stilqualitäten der antiken Rhetorik (ĺ Stil), und wurde analog auch im 17. und 18. Jahrhundert verwendet. Dagegen wurde Barbarismus (zu griech. ȕȐȡȕĮȡȠȢ / bárbaros ‘der Fremde, Barbar’) in der antiken Rhetorik für den falschen Gebrauch eines Wortes verwendet. In den sprachnormierenden Äußerungen des 17. und 18. Jahrhunderts wurde Barbarismus jedoch zunehmend auf die Bezeichnung unnötiger Fremdwörter festgelegt. Auch regional bedingte “falsche” Formen wurden zum Beispiel von GOTTSCHED als missbräuchliche Verwendungen gekennzeichnet (ĺ Missbrauch). Auch der Wandel einer Sprache wird als Quelle von Fehlern betrachtet, insofern alte Formen als Fehler betrachtet werden. Vereinfachungen der Konjugation wie ich thue essen, die GOTTSCHED als alte Formen betrachtet, werden ebenfalls angeprangert. Dabei stellte sich jedoch immer wieder die Frage, was eine bestimmte Varietät auszeichnen muss, damit sie in den Rang einer vorbildlichen, überregional gültigen Sprache erhoben werden kann. In erster Linie gründet sich ihre Autorität auf gutes Sprechen, weniger auf politische Macht. Da der gute Sprachgebrauch in erster Linie dem Hof zugeschrieben wird, erscheint er auch als legitimer sprachlicher Gesetzgeber. Einige Autoren (FRAIN DU TREMBLAY) schreiben die entscheidende Rolle der Vernunft zu: Kein Herrscher könne den Gebrauch oder Nichtgebrauch eines Wortes anordnen, wenn es nach den Regeln der Vernunft gebildet sei, würde es sich durchsetzen. Noch weiter geht MICHAELIS in der Bestimmung der Rolle des sprachlichen Gesetzgebers, insofern er jedem das Recht zugesteht, etwas zur Sprache beizutragen. Er schließt dabei ausdrücklich Menschen mit abweichenden Meinungen (Kätzer) und Kinder, die aufgrund ihrer lebhafteren Phantasie eher zu sprachlichen Neuerungen fähig wären, mit ein (ĺ Neologismen).
Normierung
IV. Auch nach dem 18. Jahrhundert ist die
Normierung ein breit diskutiertes Themenfeld, dessen sich die Linguistik angenommen hat, das aber auch nach wie vor öffentliche Aufmerksamkeit findet. Viele überregionale Tageszeitungen widmen Normierungsfragen regelmäßig Raum und gerade die Orthographiediskussion wurde unter starker Anteilnahme der Bevölkerung geführt (ĺ Orthographie). Normierung setzt neben Sprachanalyse auch eine voluntaristische Haltung gegenüber Sprache voraus. Sprache muss als ein mögliches Objekt von Normierung identifiziert werden und intentional herbeizuführende Veränderungen oder auch die Bewahrung eines gegebenen Zustands müssen so sehr als wünschendwert und notwendig erscheinen, dass sich daraus eine metasprachliche Tätigkeit ergibt. Ohne eine kritische Analyse der Sprachwirklichkeit ist Normierung nicht vorstellbar: Eigenschaften einer Sprache müssen zuerst als wünschenswert bzw. als nicht wünschenswert klassifiziert werden, bevor eine normative Haltung formulierbar wird. Zum Begriff der Norm wurden unterschiedliche Definitionen vorgelegt, die sich den folgenden drei Konstanten zuordnen lassen: (1) Die Norm wird als ein sprachliches Vorbild definiert, als ein dem Sprecher oder Schreiber vorschwebendes und von ihm anzustrebendes Sprachideal, als eine gehobene, über die einfache Sprachverwendung hinausgehende Stufe des Sprachgebrauchs (ĺ Gebrauch). (2) Die Norm wird als Gesamtheit der sprachlichen Regeln und ihre Geltung bzw. ihr Gültigkeitsanspruch bestimmt. (3) Die Norm wird als eine statistische Größe betrachtet, als eine Angabe des Häufigkeitswertes der einzelnen sprachlichen Erscheinungen. Mit der Herausbildung der nationalen Norm gewinnt die nationale Literatursprache als Trägerin dieser Norm nicht nur eine beherrschende Stellung, sondern wird geradezu zur Verkörperung der Einheitlichkeit der Nationalsprache. Der Prozess der Kodifizierung dieser Norm wird durch entsprechende Grammatiken, Wörterbücher, Orthographien und weitere schriftlich fixierte Regelwerke sanktioniert. Mit diesem von AUROUX als Grammatisierung bezeichneten allgemeinen Prozess geht eine Diskretisierung des Kontinuums
711 menschlicher Zeichenemission einher. So stellt etwa die ĺ Schrift die Grammatisierung der Sprache dar, das Notensystem die Grammatisierung der Musik und die Maschine grammatisiert die Gesten der Arbeit. Der Prozess der Grammatisierung schafft die Möglichkeit und bestimmt die Bedingungen von Reproduzierbarkeit. Neben der kodifizierten Norm, die Ergebnis häufig sozial organisierter metasprachlicher Tätigkeit ist und zum Vorbild erklärten Sprachformen zukommt, gibt es jedoch auch “reale” Normen, die jede auch noch so abgewertete Varietät einer Sprache besitzt. Normen stellen in diesem Sinne Anweisungen für das sprachliche Handeln der Sprecher dar, nach denen sie sich richten müssen, um nicht als aus dem Geltungsbereich der betreffenden Varietät ausbrechend betrachtet zu werden. Die komplexe Architektur der Sprache, die sich aus mehreren Varietäten zusammensetzt, bedingt von daher ein Nebeneinander mehrerer Normen, zwischen denen der Sprecher als Handlungsanweisungen für die Realisierung seiner kommunikativen Absichten wählen kann. Eine aus der strukturellen Linguistik SAUSSUREs abgeleitete Normkonzeption wurde im Jahre 1952 von COSERIU in dem Aufsatz Sistema, norma y habla (ǥSystem, Norm und Rede’) veröffentlicht. COSERIU setzt sich darin mit dem Saussureschen Begriffspaar langue und parole auseinander und stellt fest, dass dieses zur Erfassung der ganzen Realität der Sprache unzureichend ist. Die Hauptkritik bezieht sich darauf, dass bei einer Unterscheidung von funktionellem System auf der einen Seite, also der langue, und Realisierung auf der anderen, also der parole, verschiedene Fakten unberücksichtigt bleiben müssen. Bereits die Prager Phonologen hatten darauf hingewiesen, dass einem Phonem in einer bestimmten Sprache unterschiedliche Realisierungen, etwa aufgrund unterschiedlicher Lautumgebung, entsprechen können. COSERIU führt dafür als Beispiel das Spanische an, das im System nur fünf Vokalphoneme, /a/, /e/, /i/, /o/, /u/ hat. Den Phonemen entsprechen auf der Ebene der parole unendlich viele Realisierungen. Bei den Phonemen /e/ und /o/ ist darüber hinaus eine regelmäßige, traditionelle Verteilung je nach Lautumgebung zu
712 beobachten, derzufolge die Phoneme entweder geschlossen oder offen ausgesprochen werden. Da diese geschlossene oder offene Aussprache im Spanischen die normale, jeweils zu erwartende ist, eine andere Aussprache zwar möglich, aber nicht üblich wäre, ist diese Realisierung der Norm des Spanischen entsprechend. Die Norm ist also die in einer Sprachgemeinschaft übliche, traditionelle Realisierung des Systems. Die Norm existiert nicht nur im lautlichen, sondern in allen Bereichen der Sprache. Sie ist nicht zu verwechseln mit der präskriptiven Norm, der exemplarischen Norm in einer Gemeinschaft. Die Norm geht einerseits über das System hinaus, da sie ein Mehr an Information enthält. Andererseits geht auch das System über die Norm hinaus, denn das System enthält nicht nur die traditionellen Realisierungen, sondern als virtuelles “System von Möglichkeiten” auch solche Realisierungen, die nicht (oder noch nicht) traditionell sind. So sind etwa bei der ĺ Wortbildung im System einer Sprache nur die Wortbildungsregeln verankert, nicht aber die konkreten Realisierungen. Ein Wort wie rasierbar etwa entspricht einem deutschen Wortbildungsmuster, wahrscheinlich aber nicht der deutschen Norm. Es ist ein vom System her mögliches Wort, doch ist es im Deutschen nicht üblich, nicht normal. Diese von COSERIU getroffene Unterscheidung ging schon bald in das Kanonwissen der Linguistik ein. Doch auch auf weniger wissenschaftlicher Ebene fand die Diskussion zur Sprachnormierung ihre Forsetzung, wobei sich zunehmend Kritik an übermäßig präskriptiv gehaltenen Vorschriften artikulierte. Die Wirksamkeit der zentrifugalen Kräfte darf nicht unterschätzt werden. BACHTIN hat sich über die lange Geschichte des Wettstreits zwischen Standardoder offiziellen Sprachen und ihren inoffiziellen Alternativen wie Dialekten (ĺ Dialekt) und Jargons geäußert. Der Konflikt zwischen offizieller Kultur und Volkskultur hält dabei an und prägt sich als gegenseitiges Bedingen beider Seiten aus. Zur modernen Normierungsdiskussion trugen auch Rückbezüge auf normative Schriften des 17. und 18. Jahrhunderts bei. Die Bewertung der Werke von VAUGELAS (1647), MÉNAGE (1675–1676) und BOUHOURS (1675, 1693)
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung als normative und dogmatische Grammatiken leitet sich nicht in geringem Maße gerade aus ihrer Präsentation in späteren Grammatiken und compilations raisonnées ab, in denen eine negative Bewertung der gegebenen Empfehlungen häufig ohne ausgewogene Diskussion der Originaltexte gegeben wird. Eine neue Lektüre dieser Texte, wie sie etwa Arbeiten von AYRES-BENNETT, CARON und KIBBEE zugrunde liegt, konnte zur Neubestimmung des Wertes der Texte der Remarqueurs im Hinblick auf Erkenntnisse über die Variation der Sprache und die historische Soziolinguistik beitragen. Mit einer gewissen Berechtigung lässt sich das Korpus der Remarqueurs jedoch auch bis in die Gegenwart ausdehnen und umfasst dann Textgruppen, die CARON folgendermaßen benennt: la chronique de langage, la lettre pamphlétaire, le billet, la cacographie, les “ne dites pas…, mais dites…”, le journalisme grammatical en général (CARON 2004b, 9f.). Nachdem in Frankreich die Remarques, die in beliebiger Reihenfolge oder alphabetisch geordnet schrieben waren, schon im 18. Jahrhundert außer Mode geraten waren, veröffentlichte allerdings WEY, den BRUNOT als journaliste égaré dans la philologie bezeichnete (BRUNOT 1948: 502), 1845 seine Remarques sur la langue française au dix-neuvième siècle, sur le style et la composition littéraire. Die Tatsache, dass WEY selbst Journalist war, ist signifikativ, denn im 19. Jahrhundert erschienen sehr wenige Bücher in Form von Remarques, während jedoch die Diskussion von Sprachfragen in der Presse anhielt. Erwähnenswert ist insbesondere der zwischen 1868 und 1881 erscheinende Le Courrier de Vaugelas, der auf Fragen zur französischen Sprache aus Frankreich selbst und aus dem Ausland antwortet (GLATIGNY 2004). Schließlich erwähnt LITTRÉ in seinem Wörterbuch (1863–1872) fast in jedem Artikel, der ein von VAUGELAS behandeltes Wort betrifft, die Remarques und gibt ihnen nicht selten Recht. Gerade die dogmatische Gestaltung der Remarques wurde für die folgenden Jahrhunderte maßgeblich. Die durch sie geprägten Formen finden sich auch in der sehr emotionalen Debatte in den Chroniques de Langage in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts wieder. Doch auch in heutigen Wörterbüchern finden
Normierung sich, wenn auch weniger explizit normativ, Feststellungen zum Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) als Remarques wieder. Im 20. Jahrhundert sind die Sprachchroniken am ehesten als Fortsetzer der Tradition der Remarques zu betrachten. Sie haben den gleichen Ausgangspunkt im sprachlichen Zweifel und gelangen zu ähnlichen normativen Festlegungen. Obwohl das Publikum nicht mehr die honnêtes gens sind, ist das gleiche Bemühen, zu gefallen und Termini zu vermeiden, feststellbar. Herausragende Beispiele sind die Remarques de Monsieur Lancelot pour la défense de la langue française von HERMANT (1929) und die Regards sur la langue française von COHEN (1950). 1983 stellt allerdings CELLARD den Niedergang dieses Genres, das in Belgien und Kanada lebendig bleibt, für Frankreich fest. Im 20. Jahrhundert wird die Tradition der systematisch geordneten Remarques in Werken wie der Encyclopédie du bon français von DUPRÉ fortgesetzt, der zu den einzelnen strittigen Fragen die Meinungen der Lexikographen, Grammatiker und Linguisten anführt. Entscheidende Triebkraft der Herausbildung einer nationalen Norm einer Sprache ist das Bedürfnis der sprechenden Menschen nach einer einwandfreien, glatten und genauen Verständigung zwischen den Angehörigen einer Sprachgemeinschaft. Die Entwicklung der nationalen Norm vollzieht sich im Zusammenwirken der verschiedenen Anwendungsgebiete der Literatursprache in der Wissenschaft, Schule, Kirche, Staats- und Verwaltungstätigkeit, künstlerischen Literatur, im Rechtswesen usw. Wenn dabei in der Regel dem Schaffen hervorragender, national wirksamer und im ganzen Volk anerkannter Schriftsteller erstrangige Bedeutung zugemessen wird, bedeutet das jedoch nicht, dass die Entwicklung und Gestaltung der Sprachnorm ein bewusstes oder alleiniges Werk deren Schaffens ist. Sie benutzen die bereits bestehenden Normen, durch ihre Autorität wird jedoch das Ansehen der von ihnen benutzten Formen wesentlich verbessert. Der Sprachgebrauch dieser Schriftsteller wird zum Vorbild erhoben, das zur Grundlage für bewusste Sprachnormierungsbemühungen wird.
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Apologie
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Apologie I. Unter Apologie einer Sprache versteht man deren Lob und Verteidigung gegenüber anderen Sprachen. In der Regel handelt es sich dabei um die Verteidigung einer Volkssprache, auch Vernakularsprache genannt, gegenüber dem Latein, jedoch kommen auch Aufwertungen einer Volkssprache gegenüber anderen sowie des Lateins selbst vor. Der Diskurs zur Apologie der Vernakularsprachen begann im 14. bis 16. Jahrhundert, es finden sich jedoch auch Fortsetzungen im 17. und 18. Jahrhundert, die vor allem mit den Kriterien der Vollkommenheit, der ästhetischen Schönheit sowie mit der Eignung für die Kommunikation und weitere Funktionen operieren. In der Apologie einzelner Nationalsprachen wurden auch traditionelle Kriterien (ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia), sowie weitere, auch im wertenden Sprachvergleich diskutierte Vorzüge einer Sprache benutzt (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, ĺ Klarheit, ĺ Wohlklang, ĺ Reichtum, ĺ universelle Geltung; ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Der Begriff der ‘Apologie’ einer Sprache ist retrospektiv entstanden und wurde im 17. und 18. Jahrhundert nicht bezeichnet. Es handelt sich um metasprachliche Diskursstrategien, die eine Aufwertung einer Sprache zum Ziel haben, dabei jedoch nicht beweispflichtig sind und häufig auf kollektive Empfindungen und Topoi rekurrieren. II. (COMENIUS [1648] 1978: 45–46): 26. Inter Europæas sanè nostras nulla est, in qva non peculiares agnoscant dotes earum intimè gnari. Italica, Gallica, Hispanica, qvanqvam è corrupta Latinitate ortæ, hanc tamen, matrem suam, omninò superasse videri volunt: Italica qvidem peramænâ qvâdam facilitate; Gallica, mirâ & svavi elegantiâ: Hispanica gravi qvâdam majestate: qvibus fretæ non solùm matrem fastidiunt, sed & cum invicem de præeminentia certant. Germanica, ob radicum monosyllabarum copiam, vocesqve componendi ignotam aliis fecilitatem, seipsâ contenta, & ad indenda qvibusvis Rebus significantissima nomina semper prompta, inexhaustis suis frui posset divitiis, si uti sciret. Qvemadmodum & Slavonica: compositio-
nibus qvidem non æqvè felix, derivationibus tamen felicior: ideóqve copiâ & nervis illi nihil concedens. Præsertim dialecto Polonâ, ad vim eloqvendi insigniter expolita. Nec dialecto Bohemicæ qvô se ostentet deest, post accuratissimam scilicet Orthographiam (qvâ pronuntiationi scriptio ad minimos usqve apices respondet) carminum condendorum (Græcorum & Latinorum more) aptitudine ac svavitate, cæteris Europearum prorsùs inimitabili. (COMENIUS [1648] 1978: 47): 32. Qvæ tres Lingvæ (Hebræa, Græca, Latina) triplici titulô majoris æstimantur, præ omnibus aliis. Primô ob antiqvitatem, qvam ante omnes obtinent: Secundò, ob sapientiæ divinæ & humanæ thesauros, qvos monumentis suis conservant: & deniqve ob multiplicem ad alias lingvas usum. (CHARPENTIER 1676: Epistre au roy): Car enfin, il ne s’agit point de condamner la Langue Latine, comme on se le pourroit imaginer. Il s’agit seulement d’examiner si la Langue Françoise, à qui il appartient d’offrir à V. M. l’hommage de ses Sujets, comme la Langue Latine offroit aux Caesars les hommages du Senat & du Peuple Romain, est aujourd’huy si défectueuse, qu’il faille la priver de ce droit qui luy est acquis, & qu’on ne doive pas luy confier l’Inscription de ce Monument Illustre. (CHARPENTIER 1676: Préface, [1]): La premiere pensée que je voudrois bien inspirer au Lecteur de ces Discours, c’est, qu’ils n’ont point esté faits pour donner atteinte à l’authorité de la Langue Latine. Il y a si long-temps qu’elle regne, qu’on ne peut plus luy disputer sa puissance. Nous luy sommes redevables de la meilleure partie de ce que nous sçavons; Et nous pouvons dire ce que Ciceron disoit autrefois de la Langue Grecque, & qui se trouvera en quelque endroit de ce Livre. Que peut faire un Orateur François sans la Langue Latine? Aussi n’ay-je point eu d’autre intention que d’examiner selon mes forces, une question celebre, qui m’avoit esté proposé sur le sujet de l’Arc de Triomphe. I’ay voulu prouver que l’Inscription en devoit estre Françoise, contre l’opinion commune, qui veut qu’elle soit Latine; & j’avois creu avoir assez bien estably ce sentiment dans mon premier Dis-
720 cours en l’appuyant de l’exemple des Romains, qui dans les Inscriptions des Arcs de Triomphe consacrez à leurs Empereurs, ont toûjours employé leur Langue, quoy qu’ils peussent estre tentez de luy preferer la Grecque. (LEIBNIZ [1697] 1908: 330): 9. […] Und halt ich dafür, dass keine Sprache in der Welt sey, die (zum Exempel) von Ertz und Bergwercken reicher und nachdrücklicher rede als die Teutsche. Dergleichen kan man von allen andern gemeinen Lebens-Arten und Professionen sagen, als von Jagt- und Wäid-Werck, von der Schiffahrt und dergleichen. Wie dann alle die Europäer so auffm grossen WeltMeer fahren, die Nahmen der Winde und viel andere Seeworte von den Teutschen, nehmlich von den Sachsen, Normannen, Osterlingen und Niederländern entlehnet. (LEIBNIZ [1697] 1908: 339): 42. Es ist handgreifflich und gestanden, dass die Frantzosen, Welschen und Spanier (der Engländer, so halb Teutsch, zu geschweigen) sehr viel Worte von den Teutschen haben, und also den Ursprung ihrer Sprachen guten Theils bey uns suchen müssen. Giebt also die Untersuchung der Teutschen Sprach nicht nur ein Licht vor uns, sondern auch vor gantz Europa, welches unserer Sprache zu nicht geringem Lob gereichet. (LEIBNIZ [1697] 1908: 340): 46. Stecket also im Teutschen Alterthum und sonderlich in der Teutschen uhralten Sprache, so über das Alter aller Griechischen und Lateinischen Bücher hinauff steiget, der Ursprung der Europäischen Völcker und Sprachen, auch zum theil des uhralten Gottesdienstes, der Sitten, Rechte und Adels, auch offt der alten Nahmen der Sachen, Oerter und Leute, wie solches von andern dargethan, und theils mit mehrern auszuführen. (LEIBNIZ [1697] 1908: 345): 64. Es sind nemlich viel gute Worte in den Teutschen Schrifften so wohl der Frucht-bringenden als anderer, die mit Nutzen zu gebrauchen, aber darauff man im Noth-Fall sich nicht besinnet. Ich erinnere mich ehmahlen bei einigen gemercket zu haben, dass sie das Frantzösische Tendre, wann es vom Gemüth verstanden wird, durch innig oder hertzinnig bey gewissen Gelegenheiten nicht übel gegeben. Die alten Teutschen haben Innigkeit vor Andacht
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung gebrauchet. Nun will ich zwar nicht sagen, dass dieses Teutsche Wort bey allen Gelegenheiten für das Frantzösische treten könne; nichts desto minder ist es doch werth, angemerckt zu werden, damit es sich bey guter Gelegenheit angäbe. (LEIBNIZ [1697] 1908: 354): 107. Und zwar nicht allein um uns selbst aus einigen Zweiffeln zu helffen, weilen endlich solche nicht so gar wichtig seyn, sondern auch so wohl unsere Leute zu unterrichten, zumahl die kein Lateinisch studiret haben, welche gar offt schlecht Teutsch schreiben, als auch den Frembden die Teutsche Sprache leichter und begreifflicher zu machen; welches zu unserm Ruhm gereichen, andern zu den Teutschen Büchern Lust bringen, und den von etlichen gefassten Wahn benehmen würde, als ob unsere Sprache der Regeln unfähig, und aus dem Gebrauch fast allein erlernet werden müste. (MURATORI 1706: 618): Per gloria dunque, ma piú per obbligazione han da coltivare i Poeti, o per dir meglio ogni Scrittore Italiano, lo studio della Lingua nostra. (MURATORI 1706: 619): Né già s’avvisasse alcuno, che per ben’iscrivere in Italiano bastasse apprendere la Lingua nostra o dalla balia, o dall’uso del favellar civile. Vi si richiede ancora non solamente la lettura de’piú scelti, e puri Scrittori, che s’abbia l’Idioma Italico; ma lo studio eziandio delle Regole Grammaticali. Senza questi aiuti infin gli stessi Toscani non possono aspirare alla gloria di scriver bene, quantunque la Natura dia loro col latte un Linguaggio, che piú d’ogni altro in Italia alla perfezione s’accosta. (MURATORI 1706: 620): Hanno ben le Città della Toscana, e spezialmente Firenze il bel privilegio d’avere un leggiadrissimo Volgare, il quale men de gli altri Volgari d’Italia è imperfetto, e che piú facilmente de gli altri può condursi a perfezione; ma non perciò la lor favella (cioè il moderno loro Dialetto) è quella eccellente, che hanno da usar gl’Italiani avendo anch’essa bisogno, benché men dell’altre d’essere purgata, né bastando essa per iscrivere con lode. Ora questo commun parlare Italiano può chiamarsi Gramaticale; ed è un solo per tutta l’Italia, perché in tanti diversi luoghi d’Italia è sempre una sola, e
Apologie costante conformità di parlare, e scrivere, per cagione della Gramatica. (MURATORI 1706: 627): E a chi meglio si conveniva il compor questa opera, che a’ Toscani, e spezialmente a’ Fiorentini? la Provincia, e la Città de’ quali oltre la leggiadria del Dialetto ha la gloria d’aver prodotto i migliori Padri della Lingua; onde altro non fanno i moderni Fiorentini, che continuar’ad illustrare, pulire, ed arricchire quel Linguaggio, a cui gli Antenati loro diedero tanto splendore, e possiam dire la vita. (MURATORI 1706: 630–631): Secondariamente le Lingue allora piú sono salite in alto pregio, quando elle hanno avuto piú Scrittori eccellenti, che con esse abbiano trattato tutte le Scienze, e le Arti. Contuttoché Omero, Esiodo, Orfeo, Lino, e altri valenti Autori avessero sí felicemene [sic!] scritto in Greco, pure non giunse giammai quell’Idioma alla sua perfezione, e gloria, se non in quel tempo, in cui fiorirono Platone, Aristotele, Isocrate, Demostene, Eschine, Sofocle, Euripide, Aristofane, Teofrasto, Senofonte, e mille altri famosi Greci, che trattarono, e coltivarono tutte l’Arti, e le Scienze. Non fu differente la fortuna del Linguaggio Latino. (MURATORI 1706: 633–634): Per valor di costoro è salito in sommo pregio appresso le straniere nazioni dell’Italico Idioma, cioè lo strumento, con cui si sono esposte e descritte le suddette Scienze ed Arti; sonsi sbandite, e piú non si soffrono tante parole, che forse una volta furono in pregio, ma ora sono da noi tenute per barbare, e pedantesche, tante maniere di dire intricate, rozze, oscure, e Latine, che tratto tratto s’incontrano per le Scritture antiche; s’è coltivata, e ridotta la Lingua sotto le sue Regole; sonsi composti piú Vocabolari, e Gramatiche; s’è insegnata l’Ortografia: onde ben si scorge, che l’Italia tanto per l’Arti, e Scienze, quanto per l’Idioma ne’ due prossimi passati secoli è piú che mai fiorita. (MURATORI 1706: 636): Ora niuna di queste disavventure è avvenuta all’Italia ne’ due secoli passati. Anzi, come sopra dicemmo, sono in tal tempo fioriti maravigliosi Scrittori, ed Ingegni; e s’è restituito lo splendore all’Arti, e alle Scienze, che nel secolo del Boccaccio miseramente giacevan sepolte. Non si è riempiuta l’Italia di nazioni barbare, in guisa che
721 la lor compagnia abbia potuto intorbidar la purità della Lingua nostra. (MURATORI 1706: 640): E perché mai tanto studio per illustrare, o coltivar la Lingua Latina, che finalmente, benché nata in Italia, pure oggidí è Lingua morta, e straniera a gl’Italiani medesimi, e costa sí gran fatica a chi vuole apprenderla, non che a chi vuol con leggiadria ne’ suoi scritti usarla? Apprendasi pure il Latino Idioma: io non voglio per questo, che l’Italia impigrisca, o si contenti del proprio Volgare; anzi tengo per necessario a ciascun Letterato l’impararlo, ma non già bene spesso lo scrivere in quello. Il primo non è difficile, ma bensí difficilissima è la seconda impresa, non potendosi questa fornir con gloria senza un’incredibile studio. (MURATORI 1706: 643): E ciò, se diritto si giudica, è un confessare disavvedutamente la ricchezza, e per conseguente un pregio, una virtú dell’Italica Lingua, la quale per lo Stil grave, e serio ha i suoi propri vocaboli (e tali sono quasi tutti gl’innumerabili, di cui essa è provveduta) e ne ha parimente de gli altri, che son propri dello Stil giocoso, e ridevole. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (Griechische), 1744: XXXIX, 424): Uebrigens ist die Griechische unter allen alten und todten Sprachen, wegen der Menge ihrer Wörter, der Zierlichkeit ihrer Ausdrücke, des Nachdruckes ihrer zusammengesetzten Wörter und wegen des Wohlklanges in der Verbindung ihrer Wörter am höhesten zu schätzen. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (Griechische), 1744: XXXIX, 424–425): So bald Griechenland anfieng, gesitteter zu werden und die schönen Künste zu treiben; sobald wurde auch ihre Sprache bereichert und verbessert. Und hat es wohl niemahls eine Nation denen Griechen in dem ersten Stücke zuvor gethan; so hat auch ohne Zweifel kein Volck seine Sprache zu einen solchen Gipfel der Hoheit bringen können. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XIV, 189– 190): Enfin l’usage des conjonctions n’étant pas connu, il n’étoit pas encore possible de faire des raisonnemens. Ceux qui vouloient, par exemple, prouver combien il est avantageux d’obéir aux loix, ou de suivre les conseils des personnes plus expérimentées, n’a-
722 voient rien de plus simple que d’imaginer des faits circonstanciés: l’évenement qu’ils rendoient contraire ou favorable selon leurs vûes, avoit le double avantage d’éclairer et de persuader. Voilà l’origine de l’apologue ou de la fable. (MICHAELIS 1762: 128): Ou l’on changeoit les noms propres étrangers jusqu’à ce qu’ils devinssent plus harmonieux, c’est à dire, jusqu’à ce qu’ils devinssent Grecs, & semblassent dérivés d’une racine grecque, source féconde en erreurs. (STENDER 1763: 4): Die Lettische Sprache ist eben keine reiche, dennoch aber eine deutliche, wohlklingende und ziemlich zierliche Sprache, wozu folgende Grammatik, die nach der reinesten Mundart eingerichtet ist, die Anweisung geben wird. (LOMONOSOV 1764: III): Die Rußische Sprache, eine Gebieterin vieler andern, ist nicht nur in Ansehung des weiten Umfangs der Länder, in denen sie die Oberherrschaft führen, sondern auch zugleich durch ihren eigenen Reichtum und Vorrath vor allen Europäischen Sprachen groß zu nennen. (LOMONOSOV 1764: III-IV): Der Römische Kayser, Carl der Fünfte, soll gesagt haben, mit Gott müste man Spanisch, mit seinen Freunden Französisch, mit Feinden Deutsch und mit dem Frauenzimmer Italienisch reden; hätte er aber das Rußische gekannt, so würde er gewiß solches damit beschloßen haben, daß man mit ihnen allen sich der Rußischen Sprache anständig bedienen könne. Denn in dieser würde er das Erhabene des Spanischen, die Lebhafftigkeit des Französischen, die Zärtlichkeit des Italienischen, die Krafft des Deutschen, und überdem auch den Reichthum und die so nachdrückliche Kürze des Griechischen und Lateinischen angetroffen haben. Ein mit mehrern Gründen ausgeführter Beweiß erfodert eine andere Gelegenheit, als die gegenwärtige ist. (LOMONOSOV 1764: IV): Mich hat eine lange Beschäfftigung in der Rußischen Sprache hiervon vollkommen überzeugt. In selbiger verliehret weder die Beredsamkeit des Cicero das geringste von ihrer Stärke, noch der Ausdruck des Virgils von dem Erhabenen, noch auch die Scharfsinnigkeit des Ovids von ihrer Anmuth. Die feinsten Philosophischen Be-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung griffe und Erklärungen, die so mannigfältigen natürlichen Eigenschafften und Veränderungen in unserm sichtbaren Weltgebäude und dem gesellschaftlichen Leben finden durchgehends in unserer Sprache Ausdrücke, welche die Sachen deutlich und genau bestimmen. Fehlet es aber uns irgendswo hieran, so müßen wir solches nicht der Sprache, sondern unserm Mangel an hinlänglicher Kenntniß derselben zuschreiben. Wer die Sprache, und zwar nach Anleitung der allgemeinen Philosophischen Begriffe, immer mehr zu ergründen bemühet ist, der wird ein überaus weites Feld, oder beßer zu sagen, ein offenes Meer erblicken, welches fast gar keine Gränzen hat. (SAN PEDRO 1769: 96–97): En lo poco que los hombres doctos del siglo decimosexto la cultivaron, levantado su estilo sobre la comun habla del vulgo, descubrieron su precio, i grandes perfecciones. Ella alcanza tanta copia i abundancia de palabras, que puede manifestar con propriedad i elegancia casi sin limite ni tassa cuanto el entendimiento humano puede concebir; comparandose en esta su riqueza con la Griega, que a sido la mas copiosa de todas. (Gramática de la lengua castellana [1771] 1984: 86–87): Ninguna, Señor, podra contarse en esta clase con mejor título que la nuestra, pues á todos los vastos dominios, y casi inunmerables vasallos de V. M. es comun la lengua cas tellana; y ya que la ha llevado con su valor á los últimos términos del orbe, debe ponerla con su estudio en el alto punto de perfeccion á que puede llegar. (Kratkija pravila Rossijskoj Grammatiki 1773: 2): ɇɚɲɥɢ ɠɟɥɚɟɦɨɟ ɫ ɤɪɚɣɧɢɦɴ ɫɜɨɢɦɴ ɭɞɨɜɨɥɶɫɬɜiɟɦɴ ɜɴ ɦɚɬɟɪɧɟɦɴ ɹɡɵɤɟ, ɢ ɩɨɱɬɢ ɛɨɥɶɲɟɟ ɫɨɤɪɨɜɢɳɟ ɹɜɢɥɨɫɶ ɩɪɨɬɢɜɴ ɬɟɯɴ, ɤɴ ɤɨɬɨɪɵɦɴ ɞɨɥɝɨɜɪɟɦɟɧɧɵɟ, ɧɨ ɩɪiɹɬɧɵɟ ɬɪɭɞɵ ɩɪɢɥɚɝɚɥɢ. ȼɴ ɧɟɦɴ ɤɪɚɬɤɨɫɬɶ, ɜɴ ɧɟɦɴ ɜɚɠɧɨɫɬɶ, ɜɴ ɧɟɦɴ ɤɪɟɩɨɫɬɶ, ɜɴ ɧɟɦɴ ɧɟɠɧɨɫɬɶ, ɜɴ ɧɟɦɴ ɫɥɨɜɚ, ɠɢɜɨ ɢɡɨɛɪɚɠɚɸɳiɟ Ƚɟɪɨɣɫɤiɟ ɩɨɞɜɢɝɢ ɢ ɫɚɦɨɣ ɧɚɬɭɪɵ ɱɭɞɟɫɧɵɹ ɞɟɣɫɬɜiɹ ɢ ɧɟ ɢɡɫɥɟɞɢɦɵɹ ɩɟɪɟɦɟɧɵ, ɞɨɜɨɥɶɧɨ ɢɡɴɹɫɧɹɹɸɳiɹ ɪɟɱɟɧiɹ ɨɬɤɪɵɥɢɫɶ […]. (AUBERT 1774: 7): Son génie alors s’anoblit par les chef-d’œuvres des Corneilles, des Racines, des Despréaux; mais elle conserva
Apologie néanmoins ce caractère de naïveté qu’aucune autre Langue ne partage avec elle. (AUBERT 1774: 11): Ce qui manquait à cette qualité précieuse pour en étendre le charme aux genres sérieux & élevés, les grands hommes de ce siécle brillant le lui communiquèrent au plus haut degré. La langue entre leurs mains, devint féconde, nerveuse, pittoresque. (AUBERT 1774: 13): Elle sut être majestueuse avec cette affabilité douce, qui écarte la contrainte & la gêne; caractère qu’elle puisa dans celui de nos Princes, comme elle avoit puisé la naïvete dans les affections franches & cordiales des sujets. Elle bannit les métaphores trop hardies; & si elle parut quelquefois se permettre l’hyperbole, ce fut aux yeux des Étrangers, dans ces divertissements somptueux, où Louis XIV étalant toute la magnificence de la Cour, & semblant être un Dieu au milieu de l’Olympe, recevoit des hommages pour quiconque n’est pas né en France. (AUBERT 1774: 13): Pour varier les louanges qu’on y prodiguoit au plus grand des Souverains, il falloit épuiser toutes les richesses de cette idiôme qui ne faisoit que de sortir de la barbarie, & lui en chercher de nouvelles. Tout est facille au François quand il a conçu le dessein de captiver la bienveillance de ses Maîtres. Cet art si délicat de louer avec autant d’enthousiasme que de dignité & de réserve, des qualités qui inspirent à la fois l’amour, l’admiration & le respect, fit prendre à la Poésie une forme toute nouvelle; &, au lieu que dans nos anciens Ecrivains, elle tenoit absolument de l’enflure Espagnole ou de l’afféterie Italienne, elle apprit à garder un juste milieu entre ces deux Langues, & fut désormais modeste et retenue, même dans ces plus grands écarts […]. (AUBERT 1774: 15): […] parler une Langue que les hommes les plus éclairés & les plus polis de la Nation s’occupoient à enrichir & les plus polis de la Nation s’occupoient à enrichir & à perfectionner; tous désirèrent de lire dans leurs propres écrits, nos Historiens, nos Orateurs & nos Poëtes; & ce goût devint plus vif à mesure que les chef-d’œuvres se multiplièrent, & que l’Académie fut attentive à en rechercher les Auteurs & s’honorer de leur adoption.
723 (AUBERT 1774: 18): Qu’a donc ce Langage, à la fois élégant et asutère, délicat & noble, riche & précis, susceptible de toutes sortes de formes, également propre au Théâtre & à la Chaire, à la Poésie Lyrique & à la Sartyre, à la Fable & à l’Histoire, à l’Éloquence & à la Philosophie, au style Épistolaire & à celui du Barreau, qu’a-t-il qui doive lui faire préférer des Langues mortes, qui n’existent plus que dans les Livres, qui nous coûtent des peines infinies à apprendre, encore très-imparfaitement, & à l’étude desquelles nous sacrifions toute notre jeunesse, quoique nous n’en devions jamais faire un usage habituel? (CAPMANY 1776: 76): […] los primores y riquezas que encierra la lengua española. (Actos Literarios 1788: 295): […] la necesidad de estudiar con perfeccion la Lengua Latina y las Letras Humanas para cultivar felizmente las Ciencias, y desterrar la torpe ignorancia y mal gusto que es preciso que reyne siempre que se desatienda el importante estudio de las Humanidades […]. ([EICHHORN] 1792: 45): Jedoch nicht bloß die hebräische und griechische, sondern auch die deutsche Sprache ist mit solchen Worten versehen, die dem Begriffe der Sache sehr nahe kommen. ([EICHHORN] 1792: 94–97): Wer die bisherige Abhandlung nur mit einiger Aufmerksamkeit gelesen hat, wird nicht in Abrede seyn, daß die griechische Sprache den ersten Platz einnehmen müßte. Diesen Vorrang verdient sie aus mehr als einer Ursach. Denn außer dem wirklichen Reichthum an Worten und Wendungen, den sie besitzt, ist sie wegen ihrer Geschmeidigkeit eines noch größeren Reichthums fähig. Denn die Quelle ihrer Dithyramben, wodurch zwey bis drey Begriffe zu einem einzigen Worte verbunden werden, ist bey weitem noch nicht erschöpft. So viel andre Sprachen, worunter nicht nur die lateinische sondern so gar die französische gehört, haben aus ihr geschöpft. In der Dichtkunst, Beredtsamkeit, Physik, Arithmetik, Moral hat sie Spuren ihres Reichthums zurückgelassen. Und obgleich auch die hebräische, wenn man sie nach ihren Stammwörtern betrachtet, der griechischen den Vorzug streitig zu machen sucht, so bekommt doch der Reichthum der letzteren dadurch das Uebergewicht, daß sich
724 zu derselben noch andre Vorzüge gesellen, auf welche die hebräische Sprache schlechterdings Verzicht thun muß. Ihr Reichthum ist kein steifer Pomp, kein am unrechten Orte angebrachter Ueberfluß. Denn es fehlt ihr nicht an Partikeln, wodurch dieser Reichthum nach dem Gefühle jedes Zuschauers seinen wahren Platz zu erhalten scheint. An solchen Partikeln fehlt es der hebräischen Sprache; die daher alle ihre Sätze, sie mögen conjunktivä, conditionelle oder adversativä heißen, durch ihr verbinden muß. Ich will Ihnen deshalb das Gefühl nicht absprechen, als ob sie es selbst nicht gemerkt hätten, daß dadurch ihr Gedanke oft nur einseitig oft auch schief ausgedrückt werde. Fühlt es doch wohl das Kind, wenn es aus Unvermögen gleich seinen Eltern zu sprechen, nicht alle seine Gedanken so ausdrükken kann, als es sie ausdrükken wünschet. Bey alle dem ist doch so viel gewiß, daß diese Sprache gegen die griechische Sprache gehalten von dieser Seite eine sehr arme Sprache ist. (CADALSO 1793: XLIV): La predilección con que se suele hablar de todas las cosas antiguas, sin distinción de crítica, es menos efecto de amor hacia ella que de odio a nuestros contemporáneos. […] Es tan ciega y tan absurda esta indiscreta pasión a la antigüedad […]. (VARGAS PONCE 1793: 1–2): Un idioma de los primeros, y el mas copioso, y el de mayor magestad y armonía entre los vivos de Europa, se vé sin aprecio y séquito, usado sin dignidad ni conocimiento, olvidado, corrompido, perdiendo siempre de su primitiva y genial hermosura, y allegándosele palabras y expresiones y frases, que le afean, y dexan mal parado. En tamaño conflicto recurre á V. A. pide su amparo, y le nombra su Juez. (VARGAS PONCE 1793: 44): […] Mariana sin tanto latin no hubiera sido tan aventajado Romancista. Estima las inmortales obras de tus abuelos, manéjalas dia y noche para apropiarte las preciosidades de que van tan llenas, y escribir y portarte has muy de otra manera, pues así pertrechado no podrán dañarte los libros Extranjeros. Desprecia y abandona la deshecha lluvia de traducciones, que hoy inundan la Nacion […].
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Volkssprache gegenüber Latein (VAUGELAS 1647: 86–87): […] nous sommes plus exacts en notre langue et en nostre stile, que les Latins […]. (LANCELOT 1664: III): La langue Latine ainsi altérée, subsista neanmoins en quelque sorte jusques au temps de S. Bernard & de l’Empereur Frederic Barbarosse elle se perdit entierement, pour ce qui est de l’usage du peuple, & ne se conserva que dans le Clergé, & dans les actes publics de judicature […]. (CHARPENTIER 1683a: 210–212): Car en faisant entendre à tous les François, qu’ils ne doivent pas esperer de rien faire à l’avenir avec leur Langue qui ne soit fort au dessous des Latins, c’est estre cause que cela arrivera, puisque c’est rendre la langue Françoise mesprisable à ses propres Enfans, & les destourner de l’employer dans leurs ouvrages, quoy que ce soit le seul moyen qu’elle ait pour s’élever. Car enfin la langue Latine ni la Grecque ne sont point descendues du Ciel toutes polies, toutes elegantes, toutes nombreuses; Elles ont commencé de la maniere que toutes les choses du Monde commencent, & ne se sont perfectionnées que par les soins de ceux qui les ont cultivées. Et certes, si la langue Latine estoit un estre subsistant separement; si l’on pouvoit luy donner une vie & un raisonnement, elle diroit qu’elle est plus obligée à Caton & à Ennius, qui l’ont aymée toute pauvre & toute grossiere qu’elle estoit, qu’à Ciceron & à Virgile qui luy ont fait la cour, lors qu’elle estoit dans son estat le plus florissant. (CHARPENTIER 1683a: 223–225): Les Pensées peuvent estre encore aujourd’huy comparables à celles des Anciens. Il se peut trouver des hommes, il s’en trouve asseurement qui ont d’aussi grands mouvemens d’Eloquence que Ciceron; Il s’en peut trouver qui versifieront aussi bien que Virgile, qui penseront aussi juste que luy; mais il ne se peut trouver personne, qui escrivant en Latin soit comparable à eux du costé de la Diction; parce que la Diction ne peut jamais estre considerée que dans ceux qui parlent une langue naturellement, & que la plus grande perfection où l’on puisse maintenant arriver dans la langue Romaine, se mesure selon qu’on à bien ou mal imité ces deux grands auteurs. Ainsi quoy que l’Imitateur puisse les égaler du costé de l’Es-
Apologie prit, il faut qu’il leur soit toûjours soumis du costé de la Diction, & par consequent toûjours leur inferieur en l’une des deux parties qui composent son ouvrage. Au contraire en se servant des langues vulgaires illustres; en nous servant de la nostre, nous pouvons egaler les Anciens en ces deux parties. Nous pouvons les égaler du costé de l’Esprit, car cela ne se peut pas disputer; Nous pouvons les égaler du costé de la Diction parce que nous ne la tenons point d’eux; parce qu’elle nous est naturelle, & que nous y sommes originaux. Ainsi les Deffenseurs de la Latinité nous veulent insinuer mal à propos, qu’il faut cultiver la langue Latine pour avoir encore des Cicerons & des Virgiles, puis qu’à examiner cette pensée, il en resulte tout le rebours de ce qu’ils pretendent. Car nous voyons qu’en cultivant la langue Latine il est impossible qu’il se fasse de nouveaux Cicerons & de nouveaux Virgiles, & qu’en cultivant nostre langue cela se peut faire. (CHARPENTIER 1683a: 247–249): Les Langues n’ennoblissent point les plumes, dit M Pasquier, mais au contraire, les belles plumes donnent la vie aux Langues. Ce n’est donc point parce qu’un livre est en Latin, qu’on l’estime & qu’il passe dans les pays Estrangers; c’est parce qu’il est Excellent. Quand il a ce caractere il seroit bien mal-aisé, en quelque langue qu’il soit escrit, de le renfermer dans un certain espace de Pays. Il n’y a point de barrieres qu’il ne franchisse; Il traverse les Montagnes, & les Mers; Il n’y a point de Republique qui ne s’efforce de l’attirer chez elle, & qui ne l’adopte par une fidelle version. Le Senat Romain fit traduire les vingt-huit Livres de l’Agriculture composez par Magon Carthaginois, parce que cet ouvrage parut important au Peuple de Rome, qui se plaisoit au menage de la Campagne. La seule curiosité engagea Ptolomée Philadelfe à de grandes despenses, pour faire traduire en Grec les livres des Juifs, dont il ne vouloit point embrasser la Religion. La mesme chose est arrivée dans nos derniers Siecles, à un nombre infini de livres, à qui il n’a point nui d’avoir esté escrits dans quelqu’une des langues Vulgaires. (CHARPENTIER 1683a: 273–275): Toutes les Sciences s’enseignent en Latin, cela est vray; elles ne sçauroient s’enseigner en François;
725 cela est tres faux. La Verité est eternelle; La force du raisonnement qui la fait connoistre aux Grecs & aux autres nations, peut la découvrir encore à nos peuples, quand ils voudront y penser. Tout ce que les hommes ont jamais medité sur quelque matiere que ces soit, n’est point attaché à une langue plustost qu’à une autre. Les Grecs qui avoient appris tant de choses, du commerce des Egyptiens & des Chaldeens, chez qui les sciences estoient en splendeur, avant qu’elle eussent passé dans l’Europe; Les Grecs (disje) ont bien communiqué ces sciences à leurs compatriotes, sans s’estre attachez à la scrupuleuse observation de ne les communiquer que dans la langue qu’ils les avoient apprises. Nous ne voyons point que Platon, que Democrite, que Pythagore, qui avoient fait des voyages en Egypte & en Syrie, & qui avoient rapporté beaucoup de connoissances de ces pays là, ayent commancé à fonder des escholes des langues Chaldaiques ou Egyptiennes, pour enseigner leur doctrine dans la langue mesme de leurs Maistres. (CHARPENTIER 1683a: 277–279): Les Grecs ont donc enseigné en Langue Grecque, ce qu’ils ont appris des Barbares; Les Romains ont ensuitte transporté dans leur Langue, ce qu’ils ont appris des Grecs; Quelle raison y auroit-il pour croire, que nous ne pussions pas en faire de mesme, & enseigner ce que nous avons appris & des Grecs & des Latins, dans la langue de nos Peres? Quand on me veut faire accroire qu’on ne peut pas expliquer l’Anatomie, sans sçavoir le Grec, parce que tous les noms des os, des muscles, & des veines sont Grecs, on soustient une fausseté, & on ne laisse pas de persuader les Ignorans. les Egyptiens sçavoient l’Anatomie aussi bien que les Grecs, & la sçavoient sous d’autres termes. Les Arabes qui ont cultivé la Medecine avec tant de reputation, ont trouvé le moyen de rendre toutes ces choses dans leur langue. Qui doute donc que ces mesmes choses, ne puissent recevoir des noms François à la place des Grecs, qu’on y a laissez? (CHARPENTIER 1683a: 356–357): Quand donc nos Adversaires disent que la langue Latine est immortelle apres sa mort, ils disent vray; Mais ils ne m’empescheront pas de dire en mesme temps, que ce n’est pas sa mort qui a produit son Immortalité. Elle est immortelle,
726 parce qu’elle a esté escrite dans des livres qui subsistent encore. Il est donc indifferent à une langue pour estre immortelle, qu’elle viue, ou qu’elle ne vive plus, pourveu qu’elle soit escrite dans des ouurages qui puissent subsister. Or comme on ne peut pas nier que la langue Françoise, n’ait esté escrite dans des ouvrages qui subsisteront à l’avenir, il s’ensuit qu’elle est des à present immortelle, au sens mesme que l’est la Latine. Et ce n’est point une prerogative qui luy soit particuliere. Toutes les autres langues Illustres qui sont vivantes ont le mesme avantage. (CHARPENTIER 1683a: 623): Ainsi la langue Françoise a ce degré de Perfection par dessus la Latine, qu’elle est plus honneste, plus temperée, & qu’elle approche de plus prés du goust Attique. (CHARPENTIER 1683a: 639): MAIS si quelque chose est capable d’establir incontestablement l’Excellence de nostre Langue, c’est sa Construction Directe, qui sera tousjours preferable aux Constructions Renversées des Latins […]. (LEIBNIZ [1697] 1908: 330): 9. Ich finde, dass die Teutschen ihre Sprache bereits hoch bracht in allen dem, so mit den fünff Sinnen zu begreiffen, und auch dem gemeinen Mann fürkommet; absonderlich in leiblichen Dingen, auch Kunst- und Handwercks-Sachen, weil nemlichen die Gelehrten fast allein mit dem Latein beschäfftiget gewesen und die Mutter-Sprache dem gemeinen Lauff überlassen, welche nichts desto weniger auch von den so genandten Ungelehrten nach Lehre der Natur gar wohl getrieben worden. (LEIBNIZ [1697] 1908: 330): 10. Es ereignet sich aber einiger Abgang bey unserer Sprache in denen Dingen, so man weder sehen noch fühlen, sondern allein durch Betrachtung erreichen kan; als bey Ausdrückung der Gemüths-Bewegungen, auch der Tugenden und Laster und vieler Beschaffenheiten, so zur Sitten-Lehr und Regierungs-Kunst gehören; dann ferner bey denen noch mehr abgezogenen und abgefeimten Erkäntnissen, so die Liebhaber der Weissheit in ihrer DenckKunst, und in der allgemeinen Lehre von den Dingen unter dem Nahmen der Logick und Metaphysick auff die Bahne bringen. Welches alles dem gemeinen Teutschen Mann etwas entlegen und nicht so üblich, da hinge-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung gen der Gelehrte und Hoffmann sich des Lateins oder anderer fremden Sprachen in dergleichen fast allein und in so weit zu viel beflissen; also dass es denen Teutschen nicht am Vermögen, sondern am Willen gefehlet, ihre Sprache durchgehends zu erheben. Denn weil alles was der gemeine Mann treibet, wohl in Teutsch gegeben, so ist kein Zweiffel, dass dasjenige, so vornehmen und gelehrten Leuten mehr fürkommt, von diesen, wenn sie gewolt, auch sehr wohl, wo nicht besser in reinem Teutsch gegeben werden können. (LEIBNIZ [1697] 1908: 339): 43. Ja was noch mehr, so findet es sich, dass die alten Gallier, Celten, und auch Scythen mit den Teutschen eine grosse Gemeinschafft gehabt, und weiln Welschland seine ältesten Einwohner nicht zur See, sondern zu Lande, nemlich von den Teutschen und Celtischen Völckern über die Alpen herbekommen, so folget dass die Lateinische Sprache denen uhralten Teutschen ein Grosses schuldig, wie sichs auch in der That befindet. (LEIBNIZ [1697] 1908: 350–351): 88. Es kan zwar auch zu Zeiten ein Lateinisches oder aus dem Lateinischen gezogenes Wort, dabey ein sonderlicher Nachdruck, von einem Prediger gebrauchet werden; ein Lateinisches sage ich, dann das Frantzösische schicket sich meines Ermessens gar nicht auf unsere Cantzel, es ist aber alsdann rathsam, dass die Erklärung alsbald dabey sey, damit beyder Art Zuhörer ein Genügen geschehe. (LEIBNIZ [1697] 1908: 351): 89. Sonst ist von alten Zeiten her bräuchlich gewesen, in Rechtshandlungen, Libellen und Producten, Lateinische Worte zu brauchen, es thun es auch die Fremden so wohl als die Teutschen, obschon einige Gerichte, Facultäten und Schöppenstühle, zumahl in Abfassung der Urtheile und Sprüche von geraumer Zeit her, die nicht unlöbliche Gewohnheit angenommen, viel in Teutsch zu geben so anderswo nicht anders als Lateinisch genennet worden: als Krieg rechtens befestigen, litem contestari; Gerichts-Zwang, Instantia; End-Urtheil, Definitiva und dergleichen viel. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 73–74): J’ay dit que ces langues avoient acquis tout ce que les Grecs & les Romains étoient capables de leur donner d’excellence; parce que ces peuples n’étant pas encore éclairez de toutes les
Apologie Sciences dont les hommes ont été instruits depuis eux, quand ce ne seroit que de celles des mysteres de nôtre Religion, de sa discipline & de sa morale, sans parler de tant d’autres Sciences & de tant d’Arts que nous connoissons & qu’ils n’ont pas connus; ces langues dans l’état le plus parfait où les avoient mises les Payens, manquoient encore de beaucoup de choses que l’on leur a données depuis, toutes mortes qu’elles sont. On les a enrichies de nouveaux termes & de nouvelles façons de parler, que ni Aristote ni Ciceron n’ont point connuës. Le Grec & le Latin sont donc aujourd’huy des langues mortes qui ne servent plus au commerce de la vie civile; mais seulement à celuy des Sciences & de la Religion. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 105): J’avouë que c’est trop de mettre le Grec & le Latin au dessous du François. Mais c’est combattre ce sentiment par une tres-foible raison, de dire, comme il fait, que le François n’est un petit rejetton de l’une & de l’autre. Combien voiton de rejettons surpasser en grandeur, en beauté & en fecondité l’arbre qui les a produits? Mais les maximes generales sur lesquelles je me fonde pour reduire toutes les langues à l’égalité, ne suffiront peut-être pas encore pour dissiper les préventions des admirateurs des langues mortes. C’est pourquoy j’ay crû qu’il en faloit venir à l’examen de toutes les qualitez qui rendent le discours recommendable: c’est ce que je feray dans le reste de ce petit Traité. Je montreray que tout ce qui fait estimer les langues mortes, ou se trouve, ou se peut trouver dans toute autre langue. Le François me servira d’exemple; & ce que je diray du François se pourra appliquer à toutes les autres. (MURATORI 1706: 627): Finalmente non ha secondoché io m’immagino giammai inteso l’Accademia di mettere in ceppi, o di ristringere l’autorità de gli altri Letterati, che scrivono Italiano, al solo Vocabolario suo; sapendo ella benissimo, che loro è permesso d’usar talvolta vocaboli nuovi, e locuzioni di nuovo fabbricate, purché ciò si faccia, non colla licenza, necessariamente usata da i primi padri della Lingua, ma con parsimonia, e discrezione, e co’ riguardi convenevoli; cioè purché sieno le voci, e frasi, o addomesticate alquanto dall’uso della Nazione Italiana, o necessa-
727 rie, o piú intelligibili, o piú significanti, armoniose, e leggiadre, che non son le finora usate; e purché si cavino con grazia dalla Lingua Latina, madre, e nutrice dell’Italiana, o dall’altre Lingue sorelle di questa. (MURATORI 1706: 629): Perocché, se diritto si giudica, altra lode non è dovuta a Dante, al Petrarca, al Boccaccio, e a tutti que’ venerabili padri; che quella, che si diede ad Andronico, Ennio, Catone, Plauto, Cecilio, Fabio Pittore, C. Fannio, Pacuvio, Terenzio, Lucilio; e da altri vecchi Scrittori della Lingua Latina. (MURATORI 1706: 636): Né tampoco il risorgimento della Latina arrecò pregiudizio all’Italiana, essendo piú tosto vero, che meglio, e men rozzamente per l’ordinario hanno scritto nell’Italico Idioma quegli, che piú perfettamente possedevano il Latino, siccome nel Petrarca, nel Boccaccio, nel Passavanti, nel Sannazzaro, nel Bembo, in Monsignor della Casa, nel Pigna, nel Muzio, nello Sperone, in Claudio Tolomei, nel Giraldi, nel Castelvetro, e nel Caro, ne’ due Tassi, nel Card. Pallavicino, nel Segneri, nel Maggi, e in altri Autori può scorgersi. Perché costoro conoscevano, quanta cura fosse necessaria per bene scrivere Latino, altrettanta ancor ne poneano per ben’iscrivere Italiano, senza che si confondessero le ricchezze dell’un Linguaggio con quelle dell’altro; il che del pari avvenne, quando la Lingua Latina fu maggiormente in fiore, perché allora piú che mai si coltivò, e si usò in Roma la Lingua Greca. (MURATORI 1706: 637): Finalmente la Lingua Latina è madre dell’Italiana, e ne sarà nutrice, finché questa piú non abbia bisogno del suo latte. Non era già la Greca ugualmente madre della Latina, come questa è dell’Italiana; e pure moltissime locuzioni, o frasi, moltissime parole passarono dal Greco nel Latino Idioma, quando questo anche maggiormente fioriva. Io son poi certo, che se prendessimo a disaminare alcuni de gli Scrittori del Secolo decimo quarto, facilmente apparirebbe, che in loro piú che ne’ moderni si truovano vocaboli, e modi di favellare Latini, orridi, barbari, e scipiti. (MURATORI 1706: 640–641): Oggidí ancora poco ci servirebbe la Lingua Latina, se gli antichi Romani avessero solamente adorata la Greca. Né già mancarono in Roma, vivendo
728 Cicerone, alcuni, che riprovavano l’usar la Lingua Latina in iscrivere argomenti gravi, amando coloro la Greca, siccome oggidí noi amiam la Latina. Ma e con gagliarde ragioni, e col proprio esempio s’oppose a quegl’ingiusti, ed ingrati Censori il mentovato Cicerone; come può vedersi nel primo libro de’ Fini; e fu da tutta la posterità approvato e seguito il suo prudente consiglio. (MURATORI 1706: 644): Svegliano forse piú riso i Diminutivi Italiani, che i Latini? Certo, che no; perché non consiste la forza del far ridere nel suono delle parole (altrimenti non sarebbe serio alcun vocabolo Italiano, che terminasse in etto, ino, atto, ello, ola, come appunto soglion terminare i Diminutivi nostri), ma consiste questa forza nella significazione interna de i detti Diminutivi; e per questo significando tanto gli Italiani, quanto i Latini, e i Greci, la medesima cosa, possono egualmente farci ridere. (FEIJOO [1726–1740a] 1923–1925: I, 2): […] habiendo de tocar muchas cosas facultativas, escribo en el idioma castellano. Bastariame por respuesta el que para escribir en el idioma nativo no se ha menester más razón que no tener alguna para hacer lo contrario. No niego que hay verdades que deben ocultarse al vulgo, cuya flaqueza más peligra tal vez en la noticia que en la ignorancia; pero esas, ni en latin deben salir al público, pues harto vulgo hay entre los que entienden este idioma: facilmente pasan de estos á los que no saben más que el castellano […]. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 405): Die todten und lebendigen Sprachen sind in so fern von einander unterschieden, daß man eine lebendige Sprache diejenige nennet, welche in einem Reiche und unter einem gewissen Volcke annoch im Schwange ist, und ordentlich im Reden und Schreiben gebraucht wird. Im Gegentheile ist diejenige eine todte Sprache, welche an keinem Orte mehr als ein ordentliches und allgemeines Mittel, andern seine Gedancken zu erkennen zu geben, im Gebrauch ist. In Ansehung dieser letztern hindert es gar nicht, daß man viele darinnen geschriebene Bücher antreffe, und daß auch bisweilen einige unter vielen Völckern sich annoch selbiger im Reden und Schreiben bedienen. Das allgemeine und das ordentliche, welches sich bey
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung dem Gebrauche einer gewissen Sprache befindet, bringet selbiger nur eigentlich den Nahmen einer lebendigen zu wege. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (Italiänische), 1744: XXXIX, 428): Ihr erster Anfang fält in den Anfang des 14. Jahrhunderts, um welche Zeit die 3 berühmten Italiänischen Poeten Dantes, Petrarcha, und Boccatius gelebt haben. Diese dreye haben nach des Jachoverus Meynung in der gemeinen Sprache zu schreiben angefangen, weil sie sich nicht getrauet haben, etwas tüchtiges in Lateinischer Sprache zu schreiben. Jedoch Petrarcha hat hierinnen am meisten gethan, und ist als ein unvermutheter Stern durch die dunckle Nacht hervorgedrungen. Wiewohl auch Boccatius die Italiänische Sprache zu einer grossen Reinigkeit und Zierlichkeit gebracht hat. Heut zu Tage wird die Toscanische Sprache für die politeste geachtet, deren man sich am Römischen Hofe und unter andern Vornehmen am meisten bedient. Sie schreiben auch am zierlichsten und haben die schönsten Ausdrücke. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 515): E coloro che si danno veramente agli studi ed hanno tra noi il titolo di letterati, non degnano depositare i loro pensamenti che dentro al sacrario delle lingue morte, le quali hanno il vanto, dicono essi, di essere intese in tutti i paesi, si trovano fissate dall’autorità degli scrittori, non vanno più soggette a verun cambiamento, e sono in certo modo divenute il linguaggio dell’universo e della eternità. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 528): […] statuì che i pubblici atti nella giurisprudenza, i quali sino a quel tempo s’erano distesi in latino, distendere si dovessero d’allora innanzi in francese. E così la lingua ricevendo aumento, salisse in maggior pregio, e fosse innanzi agli occhi del popolo di maggior dignità […]. (PLUCHE 1751: VII): Il étoit cependant naturel qu’il en coutât davantage aux Romains pour apprendre le Grec, qu’à nous pour apprendre le Latin: car nos langues Françoise, Italienne, Espagnole, & toutes celles qu’on parle dans le midi de l’Europe, étant sorties, comme elles le sont pour la plupart, de l’ancienne langue Romaine; nous y retrouvons bien des traits de celle qui leur a donné naissance: la Latine au contraire ne tenait à la langue d’Athènes par aucun degré de parenté ou
Apologie de ressemblances qui en rendît l’accès plus aisé. Si nous avons moins d’obstacles à vaincre, que n’en avoient les Romains, nous devrions aller plus loin qu’eux. (MICHAELIS 1760:22): Die partheyische Liebe der Sprachgelehrten für das, was ihnen Fleiß und Zeit gekostet hat, diese vom Gelehrten kaum gantz zu trennende Schwachheit, übertreibt das Lob der todten Sprachen noch mehr, und macht es eben dadurch verdächtig. Ich habe geglaubt, es sey meine Schuldigkeit, diese Ungerechtigkeit gegen unsere Muttersprachen anzuzeigen. (MICHAELIS 1760: 27): Was für ein Vortheil wäre es für uns Deutsche, wenn jedes Gewächse seinen Nahmen in unserer Muttersprache hätte, der durch das gantze Land gültig, und auch bey Gelehrten und Natur-Kennern gebräuchlich wäre! Welche Erleichterung in Erlernung der Botanik, wenn man die eine, und zwar die verdrieslichste Hälfte ihrer Anfangs-Gründe, nehmlich die Nahmen, nicht erst dem Gedächtniß aufzwingen müßte, sondern blos die Gestalt des Gewächses behalten dürfte, dem der vorhin bekannte Nahme zukommt? Statt dessen aber muß bey uns der Kräuter-Liebhaber erst eine Menge gantz unbekannter, und seinem Ohr fremd klingender Wörter lernen, die ihm desto schwerer fallen, je seltener es sich füget, daß er mit dem Lateinischen und Griechischen sonderlich bekannt ist, und die Abstammung der Wörter zur Erleichterung für sein Gedächtniß anwenden kann. Die Lateinische und Griechische Sprache hatte hierin einen großen Vorzug vor der Unsrigen. (MICHAELIS 1760: 30–31): Man wird zwar sagen, die lateinischen Nahmen seyn bestimmter, als die deutschen: das sind sie aber offenbar nicht, wenn man ihnen keine andere Bedeutung giebt, als sie bey den alten Lateinern hatten. Will man dis bey lateinischen Nahmen thun, so kann man es bey den deutschen eben so gut wagen, und sie dadurch kunstmäßig und zum System bequem machen. Die wahre Ursache der Ursache ist eine wunderliche Gewohnheit auf Universitäten. Den lateinischen Vortrag, der beynahe in allen andern Facultäten abgeschaffet ist, hat man in den medicinischen Vorlesungen beybehalten, ob es gleich in keiner Wissenschaft mehr des Lateins un-
729 kundige Zuhörer giebt: die Botanik wird als ein Theil der Medicin angesehen, darum wird sie lateinisch gelehret, und dem Zuhörer werden keine andere Nahmen geläufig, als deren sich sein Lehrer bediente. Ich will die Lateinische Sprache nicht von den Universitäten verdrängen helfen: allein den Wunsch halte ich für patriotisch, daß sie in den Lehrsälen der Naturgeschichte und Botanik der Muttersprache Platz mache, Man trage alle Disciplinen, wenn man will Lateinisch vor, nur nicht die, in welcher wir von dem Landmann lernen, und seine Erfahrungen sammlen müssen: er hat die Natur stets vor Augen, und seine Entdeckungen gehen uns verlohren, wenn wir seine Sprache nicht verstehen. Die Lateinische Sprache ist ohnehin zum Vortrage der Naturgeschichte ungeschickt, weil wir, nach dem Urtheil der größesten Kenner, noch so wenig wissen, welches Kraut oder Thier, diesen oder jenen Lateinischen Nahmen geführet hat: und mich dünckt, diese Sprache seufze nach ihrer Befreyung aus den Botanischen Hörsälen. Die Aussprache derselben ist so unprosodisch, (ärgerer grammaticalischer Sünden nicht zu gedencken) daß einem, der Latein verstehet, die Ohren dabey weh thun, und doch durch das öftere Anhören der falschen Aussprache, die Gewohnheit fast aufgezwungen wird, eben so unregelmäßig zu sprechen. Kein Liebhaber des Lateins, und kein Freund der Botanik, kan die Fortsetzung einer so wunderlichen Botanik wünschen. (MICHAELIS 1760: 72): Die sämmtlichen Europäischen Sprachen haben in der Art des Ausdrucks eine gewisse Verwandtschaft, die nicht von der Verwandtschaft der Völcker, auch nicht von Handel und Wandel herkommt: sondern von der Sprache der Gelehrten, und der Kirche, d. i. von der Lateinischen. Nach dieser haben wir uns gebildet: die Grammatik aller Sprachen hat mehr oder weniger von der Lateinischen angenommen, weil wir diese zuerst regelmäßig lernen: der Gelehrte denckt zum Theil Lateinisch, und was mancher in seiner Muttersprache schreibt, ist wircklich eine Uebersetzung Lateinischer Gedancken in Deutsche oder andere Worte: die ersten Prediger des Christenthums übersetzten unsern Vorfahren gleichfalls Lehren, die in ihrem Gehirn Lateinisch eingeschrieben stunden.
730 (MICHAELIS 1760:73–74): Die aus so verschiedenen Völckern bestehende Republik der Gelehrten gebraucht eine gelehrte Sprache, deren Fehler der Gelehrsamkeit sehr nachtheilig seyn können. Wir haben nicht durch Wahl, sondern durch Zufälle, und zum Theil aus der Hand der Religion, die Lateinische Sprache bekommen. Daß dis eine todte Sprache ist, halte ich für einen glücklichen Umstand: denn unsere lebenden ändern sich zu oft, und in 200 Jahren werden Bücher schon unangenehm, wo nicht gar unverständlich. Hingegen sind auch manche Unbequemlichkeiten bey den Lateinischen: die größeste ist wohl die Armuth dieser Sprache an Wörtern der Naturgeschichte, durch welche Linnäus und andere zum Theil verleitet sind, eine neue barbarische Sprache zu bilden, davon nicht blos Cicero nichts verstanden haben würde, sondern die auch wircklich ein des jetzigen Lateins nicht unkundiger eben so lernen muß, als wenn es eine gantz unbekannte Mund-Art wäre. Das barbarische Latein ersetzt den Mangel schlecht: denn ein Volck versteht das barbarische Latein des andern nicht, weil ein jedes seine eigene Sprache damit vermischet. Dis ist eben die Haupt-Ursache, welche die Gelehrten bewegen soll, sich der reinen und alten Latinität zu befleißigen. (MICHAELIS 1762: 38): Il entre toujours de la partialité dans ces sortes de jugemens: on estime les connoissances à proportion du tems & de la peine qu’elles ont couté à acquérir, &; ce foible qui est, du plus au moins, celui de tous les savans, plus il leur fait enfler les éloges qu’ils prodiguent aux langues mortes, plus il rend ces éloges suspects. J’ai crû de mon devoir de condamner cette injustice envers nos langues maternelles. (MICHAELIS 1762: 46): Quel avantage ne seroit-ce pas pour nous si tous les végétaux avoient des noms allemands, également avoués du peuple & du Naturaliste? Combien cela ne facilireroit-il pas l’étude de la Botanique? Il ne seroit plus besoin de tourmenter sa mémoire d’une nomenclature rebutante, qui fait la moitié pour le moins des élémens de cette science; il n’y auroit qu’à retenir la figure des végétaux, dont les noms nous seroient déjà connus. Quelle dificulté pour un amateur de la Botanique que d’apprendre cette foule
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung de termes étrangers, dont la terminaison Grecque ou Latine effarouche ses oreilles, sur tout si, comme cela est ordinaire, il n’est pas assés versé dans ces langues pour pouvoir s’aider du secours de l’Etymologie! II faut avouer que les Grecs & les Latins avoient des facilités qui nous manquent […]. (MICHAELIS 1762: 53): On dira peut-être que les noms Latins ont un sens mieux déterminé. Mais cela est manifestement faux, à moins que l’on n’en détourne le sens de celui qu’ils obtiennent dans la bonne Latinité: & s’il ne tient qu’à cela, je ne vois point ce qui nous empêcheroit de changer de même la signification des termes Allemands, & de leur en donner une artificielle, qui s’accommodât au systême. Ce n’est donc pas ici la vraie cause qui fait parler Latin à nos Botanistes: il faut la chercher dans une mode bizarre, reçue aux Universités d’Allemagne. L’usage du Latin dans les leçons, que les autres facultés ont presque par tout aboli, s’est conservé dans la faculté de Médecine; & l’on ne fait pour-quoi: car c’est précisément parmi les étudians en Médecine qu’il se trouve le plus d’ignorance en fait de Latinité. Quoiqu’il en soit, la Botanique, considérée comme faisant partie de la Médecine, s’enseigne en latin, & les auditeurs ne connoissent d’autres termes que ceux qu’ils ont appris de leurs maîtres. Quoique je sois fort éloigné de vouloir aider à bannir la langue latine des Universités; je souhaiterois, je l’avoue, & je crois pouvoir le souhaiter en bon patriote, qu’elle cédât à notre langue la Botanique & 1’Histoire naturelle. Que l’on enseigne, si l’on veut, toutes les autres sciences en Latin; mais que l’on excepte au moins celles dont nous devons en partie recueillir les matériaux chez les gens de la campagne: comment pourrons-nous profiter de leurs découvertes, si nous n’entendons pas leur langage? La langue latine d’ailleurs n’est rien moins que propre pour l’histoire naturelle: les meilleurs connoisseurs vous diront que par rapport à un grand nombre de végétaux, aussi bien que d’animaux, il est encore fort incertain qu’ils ayent porté autrefois les noms que nous leur donnons aujourd’hui. Tout, en un mot, devroit nous engager à retirer la langue latine des auditoires de Botanique, où elle est si peu à sa place. Les fautes nombreu-
Apologie ses qui s’y commettent contre la prosodie, pour ne pas dire, contre la Grammaire, sont insupportables à toute oreille Latine, & il est presque impossible que les jeunes gens ne soient infectés d’une prononciation vicieuse. Il me semble donc que ni les amateurs de la langue latine, ni ceux de la Botanique ne devroient trouver à redire, à l’abolition d’un usage aussi bizarre. (MICHAELIS 1762: 135): II y a, par rapport à la maniere de s’exprimer, une liaison entre toutes les langues de l’Europe, qui ne dépend ni de la liaison, ni du commerce qui subsiste entre les diférentes nations; mais de la langue latine, qui est l’idiome des savans, & celui de l’Eglise. C’est sur elle que nous nous sommes formés: & comme c’est la premiere que nous apprenions selon les règles, les Grammaires des autres langues en ont toutes plus ou moins profité. Les savans, en partie, pensent en latin, & ce qu’ils composent dans leurs langues maternelles, n’en souvent que des traductions de pensées latines. Nos ancêtres ont reçu les doctrines du Christianisme des premiers prédicateurs dans l’esprit desquels elles étoient gravées en Latin. (MICHAELIS 1762: 137): La République des Lettres, qui est composée de tant de nations diverses, a besoin d’une langue savante; & les défauts de cette langue peuvent être fort préjudiciables aux lettres. Ce n’est pas par choix, mais par hazard que le Latin est parvenu à cette dignité, & il la doit en partie à la Religion. Je regarde comme une circonstance heureuse que ce soit une langue morte; les vivantes sont sujettes à trop de variations, & au bout de deux siècles les livres, s’ils ne deviennent pas in-intelligibles, au moins ne se lisent plus avec agrément. Cependant le latin a aussi bien des inconvéniens, & le principal c’est la disette de termes relatifs à l’histoire naturelle: cette disette a engagé Linnaeus & d’autres à forger un nouveau latin barbare, où Ciceron n’eût pas compris un mot, & que ceux même d’entre nous, qui entendent assés bien le latin courant, sont obligés d´étudier comme l’on étudie les idiomes tout-à-fait inconnus. Je ne vois pas, que ce moyen puisse remédier aux inconvéniens dont je viens de parler, & je crains que dans cette occasion le mal ne soit sans remède. Chaque nation, par le mêlange
731 de sa langue, se fera un latin barbare à part, & l’on ne s’entendra pas. C’est ce qui sur tout devroit porter les savans à s’appliquer à la pureté de l’ancienne langue latine. (PRIESTLEY 1762: 282): Universally, in countries were there were no arts to exercise the inventive faculties of men, and to augment and diversify their stock of ideas, nor any other inducement to excel in the use of speech, language hath been very barren; and, in every respect, ill adapted to express the ideas of more cultivated minds. What the poems were that Ovid wrote in the Gotic language we are not informed; but certain we may be, from the nature of things, that they must have fallen infinitely short of his Latin compositions; if not in delicacy of sentiment, at least in accuracy and ease of expression. Upon the revival of learning in the west, the Latin became the only language of the Literati in Europe, who hardly made use of any other either in conversation or in writing. Since the cultivation of the modern tongues, it hath not been so much used; but still it is highly disreputable, in a person of a scholastic profession, not to be able to express himself correctly in it upon occasion. (PRIESTLEY 1762: 283): The modern French, Italian, and Spanish tongues have fewer inflections of words than the Latin; but more than the German, and English. For though, originally, the same Celtick language was spoken in all those countries; yet, in consequence of the greater proximity of Spain and Gaul to Rome, and the more intimate and longer intercourse of the nations, the languages of those countries have deviated considerably from their original principles; whereas the English has only borrowed Latin words to incorporate with its own, and the German hath, even in that respect, borrowed little from the Latin. (RADONVILLIERS 1768: 43–44): Les mots articulés dont l’enfant sait déjà la valeur, aident à lui expliquer ceux qu’il ne sait pas encore. Il a quelques idées de père & d’homme; on lui dit que Dieu est le père des hommes: par-là on commence à lui expliquer le mot Dieu. Il a alors deux interprètes, au lieu qu’au commencement il n’en avoit qu’un: la Langue nationale se joint à la Langue naturelle.
732 (SAN PEDRO 1769: I, 84–85): Animados con estos grandes egemplares de gravedad i elocuencia Española otros grandes ingenios siguieron este rumbo, i salieron en ella Maestros perfectos el gran Politico Antonio Perez Secretario de Phelipe II. el [sic] Bachiller Pedro Rua, Don Antonio Agustin, Pedro Mexia, Gonzalo de Illescas, el P. Juan de Mariana, Miguel de Cervantes, Fr. Hernando del Castillo, D. Alonso de Erzilla, Juan Rufo, los Herreras, i los dos Hermanos Argensolas con otros muchos que florecieron en estos tiempos. Todos estos no se contentaron con enriquecer a la lengua Patria con lo mas florido i ameno de la Toscana, sino tambien con lo mas precioso i elegante de la Latina, i con lo mejor mas grave i eficàz de la Griega: como lo muestran sus grandes obras, que devemos respetar como modelos del todo acabados para nuestra imitacion, i enseñanza. […] Estos son los egemplares, que se han de leer de dia, i de noche, estos son los que se han de manejar mui de asiento para conseguir la propriedad i elegancia de decir en nuestro Romance Castellano: pero juntando al mismo tiempo el estudio de las letras humanas i de las lenguas Latina i Griega. Estos son los medios por donde subiò ella con tan rapidos progressos acia la mas excelente i sublime perfeccion, i estos son los medios por donde se a de conservar en su antigua dignidad. (FORNER 1782: 40): […] algunos juristas que, alegando una ley escrita en castellano puro y castizo, la cargan de un comentario latinobárbaro, con pretexto de que se honra el escrito con el latín, como si la barbarie fuese capaz de honrar a ningún escrito. […] las leyes se escriben para el uso común de la vida, y con este fin cada nación las publica y debe publicar en su idioma propio […]. (DENINA 1804: III, 2–3): C’est pourquoi l’on dit avec raison que nos langues sont nées non pas proprement de la langue latine, mais de la basse latinité. Il faut pourtant ajouter, que ces mots sont employés dans le sens, qu’ils prirent dans les tems postérieurs ou dans le discours familier et le langage du bas peuple. Et lorsque l’on dit que les langues modernes, sont nées de la basse latinité, on doit entendre non seulement le langage vulgaire du cinquième ou sixiéme siècle; mais aussi celui du bas peuple du siècle de Ciceron et de César.
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung La classe inférieure des habitans de Rome et de ses faubourgs, la foule des esclaves, des étrangers, des gens de la campagne qui ne lisoient point, et qui n’approchoient guere du lieu où les magistrats haranguoient, et moins encore des tribunaux où plaidoient les Crassus, les Hortensius, les Ciceron, prononçoient les mots tels qu’ils les avoient pû retenir, après les avoir entendu proférer à des personnes de tout rang, de toute qualité, parlant latin. (DENINA 1804: V, 93): Et nous ne pouvons guère douter que la pluspart des mots qu’on créa dans la basse latinité et qui sont passés dans les langues méridionales n’eussent contribué à enrichir et même à perfectionner la langue mère. Volkssprache gegenüber Volkssprache (LEIBNIZ [1697] 1908: 351): 90. In StaatsSchrifften, so die Angelegenheiten und Rechte hoher Häupter und Potentzen betreffen, ist es nun dahin gediehen, dass man nicht nur des Lateinischen, sondern auch des Frantzösischen und Welschen sich schwerlich allerdings entbrechen kan, dabey doch eine ungezwungene und ungesuchte Mässigung wohl anständig seyn dürffte; wenigstens solte man sich befleissen, das Frantzösische nicht an des Teutschen Stelle zu setzen, wann das Teutsche eben so gut, wo nicht besser; welches ich gleichwohl gar offt bemercket habe. (MURATORI 1706: 641): Parmi perciò degno non sol di lode, ma d’invidia il costume de’ moderni Franzesi, ed Inglesi, che a tutto lor potere, e con somma concordia si studiano di propagar la riputazione del proprio lor Linguaggio, scrivendo in esso quasi tutte l’Opere loro. E perché non vorran fare lo stesso gl’Italiani, la Lingua de’ quali ha altre prerogative, che non ha l’Inglese, e con pace di un certo Dialogista, non è inferiore alla Franzese, anzi può facilmente provarsi superiore? (MURATORI 1706: 641): Non ci dispiacerà d’udire, con quanta modestia, e verità parli dell’Idioma Italiano un Giudice straniero; e non sarà poco profitto il comprendere le ragioni, per cui egli afferma, che la nostra Lingua è infinitamente inferiore alla Franzese. Che se io in questo argomento porterò opinion diversa da quella del Dialogista, spero bene, ch’ogni Lettore provveduto di senno, e
Apologie amante del giusto saprà e vorrà conoscere, che colla mia opinione può accordarsi, e di fatto s’accorda il rispetto da me dovuto e professato alla stessa Lingua e Nazion Franzese, e a chi per ragione dell’instituto ha interesse nella riputazione del Dialogista medesimo. (STENDER 1763: 2): Die Zuneigung der Letten zu der Litthauischen Sprache siehet man einiger Orten gar zu deutlich, z. E. im Oberlautzischen, da sie besser Litthauisch verstehen als Lettisch, und wenn sie Lettisch reden, viele Litthauische Wörter einmischen, und den Thon nach dem Litthauischen dehnen. Im Schrundischen reden die Bauren unter sich Litthauisch, mit unserm Herrn Gott aber Lettisch, weil der Gottesdienst in dieser Sprache geschiehet. (STENDER 1763: 2): Weil in Litthauen die Herrensprache die Pohlnische ist, so haben einige Lettische Wörter daher ihren Ursprung. z. E. zilweks der Mensch, von czlowiek, azzis die Augen von oczy, istaba die Stube von izba &c. (DESTUTT DE TRACY 1802–1805: III, 47–49): […] la logique qui nous occupe a le défaut capital de ne nous expliquer ni l’action de nos facultés intellectuelles, ni la formation de nos idées, ni la génération de leurs signes, ni les effets et les usages de ces signes: en conséquence elle est obligée de se borner à nous dire que les premiers principes sont connus par eux-mêmes, et ne peuvent être démontrés, sans nous dire quel est leur nombre, leur étendue, leurs limites, et d’ où vient leur certitude: et elle se réduit à nous donner quelques procédés techniques pour démontrer l’ affirmative ou la négative des propositions regardées comme douteuses. Or ces procédés sont tous fondés sur une base fausse, comme je l’ai indiqué ailleurs, et comme j’espère le démontrer par la suite; et messieurs du Port-Royal, sans aller jusqueslà, ont déclaré que ces procédés sont moins utiles et moins commodes à employer que les simples lumières du bon sens naturel et dénué de tout guide. Donc cette logique est radicalement mauvaise comme art. Donc quand elle serait bonne comme art, elle n’est point ce qu’elle devrait être la science de la vérité et de la certitude. Donc, tant qu’on a cru que c’était là toute la science du raisonnement, on n’a pu faire aucun usage raisonnable de son
733 intelligence, qu’en mettant en oubli cette prétendue science; donc encore pendant tout ce tems, on n’a pu apporter aucune amélioration dans la manière d’employer nos facultés intellectuelles. Donc enfin cette logique tant vantée est bien loin de mériter le nom fastueux d’organum, organe ou machine intellectuelle, comme si c’était par elle que nous pensions, comme nous saisissons avec la main ou marchons avec les pieds. On aurait dû bien plutôt l’appeler les entraves ou le bandeau de notre intelligence. Un bon esprit n’a jamais été formé par elle, mais toujours malgré elle; et cela a été si bien senti depuis long-tems, quoique confusément, que cette mauvaise manière de traiter la logique avait fini par décréditer la science elle-même, et la faire regarder comme inutile et même comme nuisible. Vollkommenheit (VAUGELAS 1647: XV, 3): […] une langue a nombre & cadence en ses périodes, comme la françoise l’a maintenant, elle est en sa perfection, & qu’estant venüe à ce point, on peut en donner des reigles certaines, qui dureront tousiours […]. (COMENIUS [1648] 1978: 23): 15. Hoc etiam, duodecimò: Lingvæ apparatum (si in sua perfectione spectetur) prægrande qvid esse, ut Mundus ipse, qvem repræsentatum it; & amplum capaxqve, ut Mens ipsa, cujus Conceptibus exhauriendis, & in alterius mentem transfundendis, sufficere debet: & deniqve concinnum qvid, omnia sua tàm harmonicè contexens & connectens, ut harmoniam Rerum, cujus mensuras in se Animus humanus continet, rectè exprimat. Nempè Lingva perfecta reqvirit. I. Nomenclaturam Rerum plenam. II. Consensum de Vocum significatu plenum. III. Sermonis rite struendi Leges plenas. (COMENIUS [1648] 1978: 31): 10. Accedit ratio qvarta, à Lingvarum modernarum inæqvali perfectione, & qvarundam nimiâ imperfectione. Si enim immediatè à DEO essent Lingvæ, essent omnes perfectæ: qvia Opera DEI perfecta sunt (Deut. XXXII.4.) ut in Naturalibus videmus, qvàm harmonicè fiant omnia. Sed ab hominibus qvod venit, varium est, juxta ingenii & diligentiæ, rursúmq; hebetudinis aut negligentiæ, gradus.
734 (COMENIUS [1648] 1978: 46): 30. In seipsa considerata Lingva Lingvæ præcellit, qvantoplus lucit & evidentiæ in Articulatione, in Significatione, in Variatione, habet. Nempe qvæ pronunciationem habet cæteris faciliorem & svaviorem: significationes autem ad Res accommodatiores & distinctiores; variationem deniqve concinniorem, magis analogam & minus anomalam, ad progenerandam verborum & Formularum fluentem copiam. Illa cæteris merito antefertur. ista enim sunt, qvæ Rebus satisfacere, & Ingenia suavitatibus pascere, possunt. (HOLDER 1669: Preface): It hath been to me a matter of Wonder, that in the Alphabets of all Languages whereof I have any knowledge, there is not to be found either Order or Perfection. The Characters (or written Letters) neither being adjusted to the sounds of Letters pronounced; nor disposed in the Alphabet according to any rational or Natural Order. The Consequence whereof have been, to render Languages more difficult to be learnt, and needle fly to advance Orthography into a trouble some and laborious Arts and to hide the Nature of Letters in obscurity, so as not to be found without much searching […]. (MURATORI 1706: 619): Né già s’avvisasse alcuno, che per ben’iscrivere in Italiano bastasse apprendere la Lingua nostra o dalla balia, o dall’uso del favellar civile. Vi si richiede ancora non solamente la lettura de’ piú scelti, e puri Scrittori, che s’abbia l’Idioma Italico; ma lo studio eziandio delle Regole Grammaticali. Senza questi aiuti infin gli stessi Toscani non possono aspirare alla gloria di scriver bene, quantunque la Natura dia loro col latte un Linguaggio, che piú d’ogni altro in Italia alla perfezione s’accosta. (MURATORI 1706: 630): Ciò posto, chi mai ragionevolmente si persuaderà, che l’Italiano Idioma fosse pervenuto in que’ tempi al piú alto grado della sua perfezione, quando fra coloro, che allor l’usarono, o niuno, o quasi niuno si mostra, che sia senza macchie, anzi (per dir meglio) che non abbia moltissime macchie (che tali almen sarebbono chiamate ne’ Libri de’ moderni) potendosi contar fra quegli antichi Scrittori alcuno sí pieno di rancidume, e d’altri difetti, che nulla piú? (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 409): Die Erkänntnis des bö-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung sen, Unvollkommnen und Unordentlichen machet also in der That einen Theil der Vollkommenheit aus, welche in Ansehung einer todten Sprache statt findet. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 415): Alles aber was mit der Absicht der Sprache übereinstimmet, machet eine Vollkommenheit von derselben aus; welches hingegen ihrem Endzwecke zuwieder ist, das ist eine Unvollkommenheit. Hieraus folget, daß eine Sprache, die gut anzuhören ist, vollkommner sey, als diejenige, deren angehörte Wörter in unsrer Seele unangenehme Empfindungen machen. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 416): Die wesentliche Vollkommenheit von einer Sprache bestehet darinnen, daß die Wörter bequeme Zeichen von den Begriffen sind, daß bey jenen eine vernünfftige Rechtschreibung beobachtet werde, und sie nach den bey den Zeit und NennWörtern fest gesetzten Regeln verändert werden, u. s. w. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 527): Allora egli sembra che una lingua si abbia a chiamare ferma e compiuta, quando in essa sorgono scrittori tali, che sì nella prosa come nel verso vengano a dare espressione per ogni cosa e per ogni concetto. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 536): […] la langue franque. Cette langue est celle que parlent les diverses nations chrétiennes qui commercent en Turquie et dans les échelles du Levant. Je la crois telle aujourd’hui qu’elle a toujours été; et il n’y a pas d’apparence qu’elle se perfectionne jamais. La base en est un italien corrompu. (MICHAELIS 1760: 28): Er wird wenigstens eine gemeinsame Kenntniß der Gewächse erlangen, und vielleicht reitzt ihn die Leichtigkeit der Sache, bey müßigen Stunden noch einen Schritt weiter zu gehen, und die Anzahl der systematischen Kräuterkenner zu vermehren. Der Gärtner und der Bauer werden den Botanicum verstehen, und dadurch einiger massen aufmercksam auf die Natur, und halbe Kenner derselben werden. Hiedurch wird nicht nur ein jeder glücklicher und klüger, der etwas mehr lernet: sondern die Botanik wird zu einer mehreren Vollkommenheit steigen. Vor einen einzigen Botanicum haben wir
Apologie jetzt tausend, die nichts von der Botanik wissen: aller dieser Augen, die zum Theil auf dem Felde stets mit der Natur umgeben sind, würden doch mehr entdecken, als der eine Botanicus, wenn sie durch die Nahmen angewöhnt würden, ein Kraut von dem andern zu unterscheiden. (MICHAELIS 1760: 39): Daß jede Sprache von dieser Vollkommenheit noch weit entfernt sey, brauche ich nicht zu erinnern. (MICHAELIS 1762: 47): […] la curiosité, animée par le loisir & par la facilité qu’elle trouve à se satisfaire, sera des efforts pour aller plus loin: & le nombre des savans Botanistes s’augmentera. Le Jardinier & le campagnard, en état d’entendre ces savans, deviendront plus attentifs aux productions naturelles, & pourront passer jusqu’à un certain point, pour connoisseurs. Sans parler de la sagesse & du bonheur qui augmentent dans une nation, à mesure que ses lumières s’accroissent; il suffit pour mon but que la Botanique y soit portée à un plus haut degré de perfection. En Allemagne, nous pouvons toujours, contre un Botaniste, compter un millier d’hommes qui n’ont pas la moindre idée de cette science: ils se promenent dans les champs, où la nature les environne de toute part; mais ils sont aveugles, & ne le sont que parcequ’ils manquent de mots propres à distinguer les plantes. (PRIESTLEY 1762: 177–178): The time in which a language arrives at its perfection, it is natural to conjecture, will be when the people that speak it have occasion to make the greatest use of it; which will be when their power and influence abroad, and when arts, sciences and liberty at home are at the greatest height. As these grow less considerable, the language will naturally contract itself with the occasions of it, if it be not preserved by writing. (PRIESTLEY 1762: 178–179): Perhaps one intire century favourable to the polite arts may have been sufficient, in general, to bring any language to its perfection. Before a language have acquired a sufficient number of modification and forms of speech, different forms must necessarily be adopted by different persons: but the best forms of speech, the most commodious for use, and the most agreeable to the analogy of the language, will at length establish themselves,
735 and become universal, by their superior excellence: and at the time that a language hath begun to be spoken and written with uniformity, it may be taken for granted, to be arrived to its maturity and perfection. (PRIESTLEY 1762: 250): An attention to the use of language will inform us that, to the perfection of it, there must concur the three following particulars. In the first place it is necessary there be a sufficient copia of words; secondly that there be no ambiguities of words or constructions; and, lastly, that the pronunciation of it be not grating, but pleasing to the ear. The two former of these criterions contribute to clear expression, and are therefore the fundamental properties of a good language; the latter is a matter of ornament only. (PRIESTLEY 1762: 284): The French and Italian have attained to their ne plus ultra; and the English seems to be as near to its meridian as possible. (PRIESTLEY 1762: 297–298): There have been some men of learning who flattered themselves with the prospect of the intire cessation of this diversity of languages; and several projects have been set on foot to construct one philosophical language, which should be adequate to all the purposes of speech, and be without those superfluities, defects, and ambiguities, either in words or structure, with which all languages actually abound. This language, it is supposed, would recommend itself to the literati for the case and precision attending the use of it, and by degrees become the language of the whole world. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-686: 17): Ich bin gar nicht der Meinung, daß eine gewiße Sprache Natürlich, oder den Menschen angebohren sey. Ich halte vielmehr davon, daß, wenn z: ex: eine Gesellschaft Sprachloser Menschen auf einer wüsten Insel in Europa eine neue Sprache erfinden würde, und eine Andere Gesellschaft dergleichen Menschen, zu derselbigen Zeit auf einem andern Ort der Welt in eben dem Zustande befände, daß sie sich eine neue Sprache bilden müßte; diese beyden Sprachen würden gantz unterschieden seyn: Weil die Ursachen, Umständen und verschiedene Zufällen, welche zur Erfindung der Wörter Anlaß geben, nicht allemahl können dieselben seyn. So viel will ich doch nur
736 sagen, daß es wahrscheinlich sey, dergleichen Sprachen müßen, was die Aussprache eigentlich betrifft, meistentheils im Halse pronuncirt werden, und also unseren ersten, ich meine denen Ältesten Morgenländischen Sprachen, welche sehr viel aus litteris gutturalibus und aspiratis machen, nahe kommen; und dies um so viel mehr, weil die Sprachwerckzeuge der ersten Sprachanfänger (wie ich schon gesagt) ungerühriger seyn müßen, als die unsrigen, die wir von der Geburt an Gelegenheit haben, mit verschiedenen ordentlichen und reinen Tönen zu exerciren. Denn aus denen schon erwähnten exempel kan man sehen, daß es den SprachErfindern leichter seyn muß, im Halse zu sprechen, als die Töne fornen im Munde deutlich zu formiren. Und ich schließe daraus, daß es eine Vollkommenheit der Sprachen sey, wenn sie hart ausgesprochen werden, und wenn da mehrere lenes als aspiratae Sylben vorkommen: worum also unsere Europäischen Sprachen denen Alten, Morgenländischen weit vorzuziehen sind. (MEINER 1781: XXXIV): Höher hat es wohl nach den Griechen keine Nation weder in der Verfeinerung der Einsichten und Aufklärung des Verstandes, noch in der Vervollkommnung der Sprache gebracht, als eben diese Griechen. Es ist immer Ehre genug für andere Nationen, wenn sie die Einsichten der Griechen erreichen und ihre Sprache zu derjenigen Vollkommenheit erheben könne, in welcher wir die griechische erblicken. (MEINER 1781: XXXVI): So können wir sagen, daß, wie die menschliche Sprache von ihren ersten Anfängen an, bis zur Zeit des Augustus, in ihrem Steigen gewesen ist, und da den höchsten Gipfel ihrer Vollkommenheit erreichet hat; sodann aber von da an wieder in die Abnahme gekommen, und bis zur Barbarey herunter gesunken ist, bis endlich ihre Verbesserung im 15. Saec. nach Christi Geburt aufs neue wieder ist hervorgesucht worden, welche Verbesserung aber nicht in neuen Erfindungen und wirklichen Acquisitionen bestehet, sondern nur in Wiederhervorsuchung des Alten zu setzen ist, indem man alsdenn erst wieder die höchste Stufe der Vollkommenheit erreichet zu haben glaubet, wenn man sich den alten griechischen und lateinischen Mustern am meisten genähert hat; also es auch mit der Verfeinerung des Ver-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung standes und der Einsichten durchgängig eben so ergangen ist; mit der Sprache stieg nämlich und fiel die Einsicht der Menschen. Eignung für Kommunikation und weitere Funktionen (COMENIUS [1648] 1978: 67): 9. Qvando Lingva ærarium est Erudutionis, ac instrumentum societatis hominum, ère esset generis umani unam esse Lingvam, qvâ OMNES NATIONES communiter uterentur. Si perfici hoc non posset, saltem qvâ gentes ac nationes plurimæ: certè qvâ nos Christiani, initiati eisdem sacris: & ad commercia, & ad peritiam Rerum propagandam. (Peccati enim pœna est, tot esse Lingvas.) Eam verò ipsam Lingvam oporteret esse cùm svavem, tùm etiam doctam & facundam. Svavitas est in sono, sive simplicium Verborum ac separatorum, sive conjunctorum. Doctrina, est in apta proprietate appellandarum Rerum. Facundia, in Verborum & formularum varietate ac copia. Qvæ omnia efficerent, ut libenter eâ loqverentur homines, & aptissimè possent explicare qvæ sentirent, multumqve per eam accresceret judicii. Talis vedetur mihi LATINA LINGVA; ex iis certè qvas homines usurpant, qvæqve nobis sunt cognitæ. Nam illa perfectissima esset omnium, cujus Verba Rerum naturas explanarent. (COMENIUS [1648] 1978: 68): 11. Accedimus itaqve ad Vivis sententiam, Latinam præ aliis orbi commendandam esse: repetitis ejus rationibus. Primò, qvòd Gentium multarum jam agat Mercurium. Secondò qvòd concinnitate suá multùm rectitudinis addat ingeniis. Tertiò, qvòd sapientiæ omnigenæ paratos jam secum ferat thesauros. Supra omnes totius Mundi lingvas (Nam et Græcos jam longè superamus simul novis multis inventis, aliísqve infinitis sapienter tandem observatis, qvæ apud Græcos frustra qværas.) Qvartò, qvòd aliarum Linguarum, qvarumcunqve, facilius discendarum fida futura sit proxenetria Qvintò, qvòd nullam habemus, post Græcam, facundiorem: sed qvæ Græcam facilitate multis parasangis à tergo relinqvit. In Græca enim (ut idem Vives ibidem loqvitur) magni sunt labyrinthi, & vastissimi recessus: non solùm in dialectis variis, sed in unaqvaqve illarum, ut non videatur eadem esse Lingva: ob qvam suam difficultatem etiam exolevisse videtur.
Apologie (COMENIUS [1648] 1978: 69): 13. Ad hos verò fines nulla magis idonea videtur Latinâ. Qvippe, qvæ per totum Christianum Orbem nunc jam suscepta, ingeniis totius Europæ nunc jam excolitur: ut si qvid circa illam perficiendam porrò agendum restat, publicas ejus rei subministrandi occasiones aperta pateat via. Deinde, qvia in Scholis Europæis sola regnat, sola vernaculis parallelè excolendis fidissima esse dux poterit. Tandem, qvia Europæarum Gentium solertia ad omnes reliqvi Orbis Nationes aditum sibi paravit, eásqve novit (ex diversis enim europæ Regnis ad diversas Orbis totius partes commercia exercentur): cultura hæc Latinæ Lingvæ universalis ad Artium & Scientiarum, Fideiqve & Religionis lucem, per Gentes tenebris oppressas propagandam, felicissimum medium, prorsúsqve universale, esse poterit. Omninò itaqve soli Latinæ hunc referendum honorem, ut studia ejus tum à nobis Europæis diligenter domi colantur, tùm ad Gentes Mundi alias, per Asiam, Africam, Americam, qvàm maximè fieri potest propagentur, statuimus. (MURATORI 1706: 639): Contuttociò sempre mi è piaciuto, e piú che mai reputo lodevole il consiglio d’alcuni saggi uomini sí della passata, come della presente età, i quali vorrebbono, che piú tosto nella nostra Italiana, che in altra Lingua si scrivesse oggidí, e si trattassero in essa tutte l’Arti, e le Scienze. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 521): Nello stato presente della lingua latina ristretta, come abbiam detto, in picciol numero di autori, non basterebbe già ella a’ Romani stessi per esprimere tutti i loro concetti: e molto meno dovrà bastare a noi, i quali dovremmo in essa esprimere tante nuove cose apparite nel mondo, per quanto si spetta alle arti, alle scienze, ai traffici, ai governi, alle religioni, dopo che è spenta quella lingua. ([EICHHORN] 1792: 4): Die dänische Sprache z. E. ist die Sprache einer zur See handelnden Nation, sie muß also nothwendig an Ausdrükken reich seyn, die das Seewesen angehen. U doch ist diese Sprache in jeder anderen Absicht nur arm. Denn die dänischen Gelehrten haben genug gelehrte Sprachen, nemlich die lateinische und deutsche. (DENINA 1804: III, 218): Un point essentiel sur lequel les littérateurs de toutes les nations tombent d’accord, c’est que la langue françoi-
737 se est la moins poëtique, c’est-à-dire moins propre à varier les expressions, et l’harmonie du style que les autres langues méridionales, l’italienne, l’espagnole et la portugaise. (DENINA 1804: III, 219–220): Comme ce sont les objets relatifs à la guerre, à l’amour, à la vie pastorale et champêtre qui entrent le plus souvent dans les ouvrages poetiques, c’est dans ces genres surtout que la langue italienne, et l’espagnole sont riches; et par là facilement poetiques; parceque l’une et l’autre ont conservé plus que la françoise les mots latins; que l’italienne en a aussi adopté davantage de la langue allemande; et que l’espagnole augmenta beaucoup le fond de la langue romance, commune à ses deux soeurs, par tout ce qu’elle emprunta et retint de la langue arabe. Celle-ci lui a laissé beaucoup de termes d’arts et métiers, et d’administration civile; mais ne lui a pas fourni moins de termes de guerre, et d’expressions tant d’amour, que d’autres passions. Cependant ce qui enrichit particulièrement le langage poetique italien, et facilite la composition des vers et la formation des rimes c’est une quantité de mots d’origine latine qu’on a repris du Provençal, car c’est ce qui lui a fourni les synonymes dont nous avons parlé; comme desio, pour desiderio, beltà, pour bellezza, frale, pour fragile, fole, pour favole. Dante et Pétrarque qui ont formé le langage poetique des Italiens, ont tiré l’un de la Provence l’autre de Paris, ou de l’île de France, quantité de mots que les Provençaux, et les François, les Troubadours, et les Trouveires avoient tirés du Latin d’une autre façon que n’avoient fait les Toscans et les Siciliens. Ästhetische Schönheit (AISY 1685: 1): Mais ce qui fait de la peine à ceux qui étudient la pureté et la netteté de nôtre langue, c’est que ces Auteurs n’ont observé aucun ordre dans leurs Remarques ou Observations. Monsieur Vaugelas l’avoue luimême dans la préface. (MURATORI 1706: 639): Volesse pur Dio (mi sia lecito ridirlo) che nelle pubbliche Scuole si cominciasse una volta a ben’insegnarla unitamente colla Latina a i nostri giovani, e a farne loro conoscere per tempo la bellezza. Io confesso nel vero una singolare stima, un’affettuosa venerazione alla Greca, e alla Latina Favella; né soffro volentieri coloro, che por-
738 tati da soverchio amore de’ tempi presenti osano pareggiare, non che anteporre a quelle due sí feconde, maestose, e gloriose Lingue la nostra, o la Franzese. (LUZÁN [1737/1789] 1974: 65): Sólo en España, por no sé qué culpable descuido, muy pocos se han aplicado a dilucidar los preceptos poéticos, y tan remisamente que […] no se puede decir que tengamos un cabal y perfecto tratado de poética. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 522): […] in ogni altra lingua morta, conviene esaminare quali sieno le donazioni e i privilegi, che già le furono conceduti dalla munificenza degli antichi: a quelle donazioni e a quei privilegi unicamente bisogna stare, senza che vi sia luogo alla liberalità dei moderni. (MICHAELIS 1760: 68): Unter den alten uns bekannten Sprachen wird vielleicht die Griechische die meisten Beyspiele solcher Irrthümer geben können, die daraus entstanden sind, daß Redende oder Schriftsteller sich hüten mußten, gewisse willkührliche Gesetze der Schönheit nicht zu übertreten Die allgemeine Stimme des Volcks erklärte etwas für schön oder häßlich, ohne auf den Nutzen oder Schaden zu sehen: dis waren zwar Schönheiten von eben der Art, als in der Baukunst die Gothischen: allein wer für ein Volck schreibt, muß sich auch nach seinen Capricen richten. (MICHAELIS 1762: 127): De toutes les anciennes langues qui sont parvenues jusqu’à nous, la langue grecque est peut-être la plus propre à nous fournir des exemples d’erreurs qui ne doivent leur origine qu’à des beautés arbitraires, mais devenues des loix, dont. Ceux qui parloient ou écri voient cette langue n’osoient plus s’écarter. La voix du peuple décidoit du beau, sans avoir égard à l’utilité ou au dommage qui pouvoit en résulter. Ces beautés ressembloient assés à celles de l`architecture Gothique; mais quand on écrit pour une nation, il faut se régler sur ses caprices. (PRIESTLEY 1762: 171): And Athens, whose constitution was a more perfect democracy, and in other respects afforded more scope for the use of language, and were the rewards of literary excellence were more certain, and more inviting, was deemed to be in a more especial manner the seat of eloquence in Greece. The Athenians in general valued
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung themselves upon their exquisite taste for the purity and propriety of their language, and among them the arts of oratory were held in reputation, and flourished long after polite literature was totally forgotten in every other part of Greece. (Encyclopédie, Artikel Synonyme, BEAUZÉE 1765: XV, 757): Les chefs-d’oeuvres immortels des anciens sont parvenus jusqu’à nous; nous les entendons, nous les admirons même; mais combien de beautés réelles y sont entierement perdues pour nous, parce que nous ne connoissons pas toutes ces nuances fines qui caractérisent le choix qu’ils ont fait & dû faire des mots de leur langue! (SÜSSMILCH [1766] 1998: 19): Wenn wir das Gebäude einer Sprache betrachten, so findet sich überall Vollkommenheit, Ordnung, ja Schönheit und Wohlklang. Man ist aber der Sprache so gewohnt, daß nur wenige die vortrefliche Eigenschaften der Sprache wahrnehmen. Selbst unter denen Philosophen, wie viele sind ihrer, welche der Sache Wichtigkeit und innere Beschaffenheit in eine gnugsame Betrachtung ziehen? (SAN PEDRO 1769: II, 219): Se estendiò la lengua vulgar en riquissima copia de voces, se embelleciò con mil gracias i maneras proprias de hablar, […]. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-685: 23): Mais, à quelque point d’abondance et de perfection que soit parvenu une langue, on y reconnoit clairement qu’elle reçoit sa plus grande beauté de l’emploi des qualités physiques pour désigner les qualités morales, et que c’est cet emploi qui donne lieu à ce qu’on appelle expressions figurées [et qui] qui sont celles qui constituent la beauté d’une langue. (BEATTIE [1788] 1968: 55): And though some words of inconvenient magnitude may be found in every tongue, as notwithstanding and nevertheless in English, verumenimvero in Latin, and conciofiacosache in Italian, (which by the by are made up of short words joined together) yet it does not appear, that words are always improved by being shortened. On the contrary, our English abbreviations dont, cant, shant, &cc. though they have long been used in conversation, are to this day intolerable in solemn style.
Apologie (BEATTIE [1788] 1968: 56): Long words are said to give dignity to language, and short ones to be detrimental to harmony. And there is truth in the remark; but it must not be admitted without limitation. Many long ones render language heavy and unwieldy: and short ones are not harsh, unless where, by beginning or ending with hard consonants, they refuse to coalesce with the letters that go before or follow. For, in pronunciation, the voice does not make a pause at the end of every word; and when two or three little words run easily into one another, the effect in point of harmony is the same, as if one word of several syllables were spoken, instead of several words of one syllable. ([EICHHORN] 1792: 47): Die Landleute, die sich dem rohen Stande der Natur am meisten nähern, haben dergleichen Onomatopoetika in größerer Menge, als die cultivierteren Städter, die solche tönende Wörter gern ganz verbannen mögten, wenn sie ihnen nicht in tausend Fällen ganz unentbehrlich wären, weil sie sich des einfachen und rohen Ursprungs ihrer Sprache eben so sehr schämen, als ihrer ursprünglichen Nacktheit.
III. 1. Die Überlieferung des Lateins bis in die frühe Neuzeit und die Übernahme kommunikativer Bereiche durch die Vernakularsprachen Bereits in der Spätantike herrschte in dem Latein sprechenden Teilen des Imperium Romanum eine Art Zweisprachigkeit zwischen dem volkstümlich gesprochenen Vulgärlatein der Ungebildeten und dem Bildungslatein derer, die die Schule des grammaticus besucht hatten. Dieser Zustand des Nebeneinanders änderte sich mit dem Zerfall des römischen Reiches und der beginnenden Völkerwanderungen, in deren Ergebnis germanische Reiche entstanden. Der lateinische Sprach- und Grammatikunterricht (grammatica) verfiel in der Zeit der Wirrnisse vom sechsten bis achten Jahrhundert. In der Folgezeit entstanden die romanischen Sprachen, gleichzeitig verfiel auch die Kenntnis des Schriftlateins. KARL DER GROSSE ließ in seinem Reich den Lateinunterricht wieder herstellen und engagierte 781 für die Durchführung seines Re-
739 formwerks den aus dem britischen York stammenden ALKUIN. Im Zuge der karolingischen Bildungsreform wurde das Modell der Zweisprachigkeit aus einer spontan gelernten Muttersprache und dem in Schulen erlernten Latein sowohl auf die Germania als auch auf die Romania übertragen. Dass die aus dem Lateinischen hervorgegangenen romanischen Sprachen sich in jeder Hinsicht kommunikativ verselbständigt hatten und mit dem Deutschen auf einer Ebene standen, wird durch den noch zu Lebzeiten KARLs DES GROSSEN gefassten Beschluss des Kirchenkonzils von Tours (813) bezeugt, der verfügte, alle Predigten zum besseren Verständnis aus dem Lateinischen in rusticam romanam linguam aut thiotiscam zu übersetzen. Im Ergebnis der karolingischen Reform war das Latein für alle zu einer toten Sprache geworden, die von den Gebildeten zusätzlich zu einer Muttersprache bei einem grammaticus erworben und nicht von der Mutter erlernt wurde. Dieser Zustand der Zweisprachigkeit dauerte in ganz Europa und mit weltweiter Ausstrahlung bis ins 18. Jahrhundert fort. Die im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert in Italien beginnende Renaissance wandte sich der Antike zu und betrachtete vor allem deren Sprache und Literatur als vorbildlich. Als Begründer der als Humanismus bezeichneten Denkrichtung gilt PETRARCA, auf den die Vorstellung vom mehr oder weniger dunklen Mittelalter zurück geht, der aber auch als Pionier der lateinischen Sprache der Neuzeit gilt. ‘Humanismus’ ist eine retrospektive Begriffsbildung des frühen 19. Jahrhunderts, die auf die studia humanitatis zurückgeht. Als humanistae bezeichnete man im späten fünfzehnten Jahrhundert die Dozenten für lateinische Literatur und Moralphilosophie an den italienischen Universitäten. Wenn PETRARCA die studia humanitatis aufgriff, so lehnte er sich an CICERO an, der damit vor allem ĺ Grammatik und Rhetorik als die üblichen Anfänge der geistigen Bildung im Jugendalter gemeint hatte. PETRARCAs Erneuerung der lateinischen Sprache versetzte die Menschen in Erregung und Entzücken und machte ihn zum Symbol des Fortschritts. Die mittellateinische Literatur, die einen ästhetischen Anspruch erhob, war mit dem Ende des 12. Jahrhunderts ausgeklungen. Etwa
740 zur selben Zeit hatten in Italien, Frankreich und Deutschland Nationalliteraturen das Erbe der lateinischen Literatur angetreten. Diese Neuordnung in der Rolle der Sprachen reflektiert sich auch in DANTEs De vulgari eloquentia (zwischen 1303 und 1305 geschrieben). Nach DANTE gibt es seit der ĺ Sprachverwirrung durch den Turmbau zu Babel zwei Arten von Sprachen: einerseits die natürliche Volkssprache (vulgaris locutio) (ĺ Natürlichkeit), die man sich ohne Regel durch Imitation der Amme aneigne, andererseits die grammatica, die als Zweitsprache nach Regeln erlernt werden müsse (ĺ Spracherwerb). Diese grammatica, das Lateinische, sei eine künstliche, auf Verabredung beruhende Erfindung der Gelehrten. Durch sie habe man ein stabiles, unveränderliches Kommunikationsmittel, durch das wir in die Lage versetzt würden, sowohl mit den maßgeblichen Geistesgrößen der Vergangenheit als auch mit Menschen, von denen wir räumlich getrennt sind, in Kontakt zu kommen. Die Überlegenheit des Lateinischen beschränkt DANTE jedoch genau auf diese Funktionen, denn trotz ihrer Verschiedenheit sei die Volkssprache vornehmer (nobilior) als die grammatica. Von daher schrieb er auch selbstverständlich seine Divina commedia nicht in lateinischer, sondern in italienischer Sprache. DANTEs De vulgari eloquentia war also gewissermaßen eine frühe Apologie des Italienischen. Das Wissenschaftslatein des Spätmittelalters war dagegen – auch bei DANTE – eine ästhetisch anspruchslose Wissenschaftssprache. Aus diesem Grund haben PETRARCA, dessen Nachfolger BOCCACCIO, SALUTATI und weitere Humanisten gegen das Mittellatein polemisiert und sich von dem als hässlich empfundenen Universitätslatein ihrer Zeit abgesetzt. Unter Orientierung an CICERO und VERGIL haben sie die lateinische Sprache in die Kunst zurückgeführt. In ihren Werken ist sowohl praktisch durch den eigenen Gebrauch der lateinischen Sprache als auch metasprachlich durch Äußerungen über sie eine Apologie des Lateinischen zu finden. Mit den philologischen Betrachtungen der Humanisten verbanden sich auch Streitigkeiten. So hatte VALLA nachgewiesen, dass es sich bei einer Schenkungsurkunde, in der angeblich der Kaiser KONSTANTIN dem Papst
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Rom und Italien zugesprochen haben soll, um eine mittelalterliche Fälschung handelte. Neben historischen Wahrscheinlichkeitsargumenten diente ihm dafür auch die Aufdeckung sprachlicher Mängel, die KONSTANTIN nicht unterlaufen wären. POGGIO, den VALLA wegen seines Lateins kritisiert hatte, eröffnete mit seiner Schmähschrift eine Serie von Auseinandersetzungen zwischen den beiden, in der schließlich auch der Begriff des ‘Küchenlateins’ von VALLA das erste Mal gebraucht wurde. Die Diskussion der Frage nach dem richtigen Latein hielt bis ins 17. Jahrhundert an. Radikale Puristen orientierten sich am Sprachgebrauch CICEROs, andere waren liberaler und ließen auch den Sprachgebrauch anderer Schriftsteller oder sogar das Recht auf einen individuellen ĺ Stil gelten. Für Deutschland ist der Humanist CELTIS zu nennen, der die erste von einem Deutschen veröffentlichte lateinische Metrik verfasst hat, die jedoch hinter seinem Anspruch zurückbleibt. CELTIS’ Versuch einer modernen Lateinmetrik zeigte die Schwierigkeit, sich von den mittelalterlichen Lateinlehrbüchern zu befreien. Vor allem sollte das Latein durch das Lateinsprechen selbst gelehrt werden, wofür Schulmeister eine neue Lehrbuchgattung, die Schülergespräche, entwickelten. Im Zusammenhang damit entstanden auch die Anfänge des lateinischen Schultheaters in Deutschland. VALLAs Schrift über die Unechtheit der konstantinischen Schenkung wurde in Deutschland von HUTTEN veröffentlicht, der sich als Philologe im Kampf für die Reformation engagierte. An der Seite LUTHERs publiziert HUTTEN seine Streitschriften gegen die Papstkirche auf Deutsch und Lateinisch. Diese Zweisprachigkeit seiner Schriften erklärt sich aus einer doppelten Wirkungsabsicht: Er schrieb lateinisch, um die europaweite Verbreitung zu sichern und deutsch, um auch von den ungebildeten Angehörigen seines Volkes verstanden zu werden. Doch manche Publikationen schreibt HUTTEN auch gänzlich auf Deutsch, wie die folgenden Verse programmatisch feststellen: Latein ich vor geschriben hab, das war eim yeden nit bekandt. Jetzt schrey ich an das vatterland Teütsch nation in irer Sprach…
Apologie LUTHER, der mit seiner Bibelübersetzung ins Deutsche die deutsche Sprache entscheidend bereicherte, war selbst am Mittellatein seiner Lehrer geschult, konnte aber auch in gehobener lateinischer Sprache formulieren. Vor allem hat er jedoch dafür gesorgt, dass trotz der Wirrnisse von Reformation und Bauernkrieg die lateinische Schulbildung erhalten blieb und im Geiste der Humanisten erneuert werden konnte. Dennoch kam es zu Differenzen zwischen LUTHER und dem Humanismus, insbesondere ERASMUS VON ROTTERDAM, der nach LUTHERs Einschätzung mehr am Menschlichen als am Göttlichen hing. Für ERASMUS war die Pflege der Sprache, das heißt des Lateins, immer auch ein Wert an sich. Mit dem Titel eines seiner Werke De utraque verborum ac rerum copia führt ERASMUS ein Kriterium ein, das in der Sprachapologie nachhaltig wirken sollte, die copia, den ĺ Reichtum an Wörtern, der dem Reichtum an zu bezeichnenden Dingen entsprechen muss. Der mit einundzwanzig Jahren von LUTHER an die Universität Wittenberg geholte MELANCHTHON förderte das Klassiker- und Sprachenstudium und widmete sich auch der Rhetorik im Sinne der Perfektionierung des lateinischen Stils (ĺ Stil). Den Zweck der Rhetorik sah er in der Schulung der verständlichen Rede, aber auch in der Förderung des Verständnisses der Bibel, vor allem aber auch in sittlicher Bildung. In dem Jahrhundert nach der Reformation, also vom Augsburger Religionsfrieden (1555) bis zum Westfälischen Frieden (1648), waren es vor allem die Jesuiten, die die lateinische Bildung und Literatur förderten. Sie griffen die vor allem auf MELANCHTHON zurückgehende Konzeption des protestantischen Gymnasiums auf, verbanden den lateinischen Humanismus mit der Religion und förderten das lateinische Theaterspiel. Erklärtes Ziel der Jesuiten war das Bemühen um das “Heil der Mitmenschen” (salus proximorum), worunter sie in erster Linie die Mission verstanden. Damit wollten sie nicht nur ihre jeweiligen Mitbürger für die katholische Kirche gewinnen, sondern auch die Menschen in fernen Ländern bekehren. Da sie den Bildungsnotstand des Klerus für die Hauptursache der Reformation hielten, legten sie von Anfang an großen Wert auf das Bildungswesen und
741 verbanden ihre Niederlassungen mit Gymnasien, in denen sie nicht nur ihren eigenen Nachwuchs, sondern jedermann kostenlos ausbildeten. Die jesuitische Ratio studiorum, die 1599 in endgültiger Fassung vorlag und bis ins 18. Jahrhundert ihre Gültigkeit behielt, regelt detailliert Inhalt und Methode des Unterrichts. Der Unterricht begann weltweit mit der verbindlichen Schulgrammatik des Spaniers ALVARES (Institutiones grammaticae) und strebte die aktive Beherrschung des Lateinischen in Wort und Schrift an. Sprache des Unterrichts war Latein, die Muttersprache wurde nur gelegentlich zu Übersetzungs- und Erläuterungszwecken eingesetzt. Doch auch neben den Jesuiten hatte es große Didaktiker des Lateinischen gegeben. Zu erwähnen ist vor allem COMENIUS, der die Sprach- und Sachkunde vereinen wollte. Nach anderen Lehrwerken hat er dafür den zweisprachigen Orbis sensualium pictus – Die sichtbare Welt (1658), sein berühmtes Bilderbuch für den Sprachunterricht herausgegeben. Es enthält die gesamte Welt in etwa dreitausend Lemmata und sollte dem kindgemäßen Unterricht dienen. COMENIUS setzte im Anschluss an die Humanisten dabei auf das Lateinsprechen, durch das die Kinder auf natürliche Weise die Begriffe und die ihnen entsprechenden lateinischen Wörter lernen sollten (ĺ Spracherwerb). Die Forderung, Latein durch Lateinsprechen erlernen zu lassen, war jedoch längst nicht mehr unumstritten. Der Spanier SANCTIUS hatte im Anhang seiner Minerva (1587) zum ersten Mal das Lateinsprechen aus Sorge um die Reinheit der Sprache verworfen. Der Verteidigung bedurfte also das Latein auch im Unterricht, gegen unbedachten und fehlerhaften Gebrauch (ĺ Missbrauch). Als PETRARCA und BOCCACCIO, die Väter des Humanismus der lateinischen Dichtung, das im Mittelalter verloren gegangene Terrain wiedereroberten, verfolgten sie diese Absicht jedoch nicht vollständig. Als florentinische Patrioten benutzten sie auch die italienische Sprache und wurden mit ihren in dieser Sprache geschriebenen Werken zu den Tre Corone, die BEMBO schon 1525 zu den italienischen Musterautoren erklärt hatte. Außerhalb Italiens dominierte die in der Vernakularsprache geschriebene Dichtung noch mehr. Nach
742 Spanien und Portugal kam die lateinische Poesie früh, genannt sei als herausragendes Beispiel der Humanist VIVES. Dennoch wird die Nationalliteratur in Spanien durch spanisch schreibende Autoren wie CERVANTES und CALDERÓN geprägt, die ähnlich wie die italienischen Humanisten bald zu den sprachlichen autoridades wurden und damit eine Vorbildrolle gewannen. In Portugal kam diese Rolle dem Nationalepos Os Lusiadas (1572) von CAMÕES zu. Nachdem in Frankreich der genialste Dichter des fünfzehnten Jahrhunderts VILLON bereits französisch geschrieben hatte, folgten im sechzehnten Jahrhundert der französisch dichtende MAROT und die Poeten der Pléiade. Aus diesem Kreis ging auch die erste umfassende Apologie der französischen Sprache hervor, die Deffence et illustration de la langue Française (1549) von DU BELLAY. Schon im Vorwort wehrt sich darin DU BELLAY, gegen eine unmäßige Erhebung einer Sprache gegenüber anderen, denn alle Sprachen seien der Phantasie der Menschen entsprungen. Er setzt dann mit einem Plädoyer dafür fort, die französische Sprache nicht barbarisch zu nennen. In der frühen humanistischen Periode dominierte in England das Latein vor allem dank MORUS, doch später überstrahlten die englischen Werke SHAKESPEAREs und anderer Dichter des Elisabethanischen Zeitalters das Lateinische. Für die kleinen Nationen war die lateinische Literatursprache wichtig, um im Ausland verstanden zu werden. Die lateinische Literatur blühte im sechzehnten Jahrhundert in Polen, Böhmen, Ungarn, Dänemark, Norwegen, Island und Schweden. Auch in Deutschland war im sechzehnten Jahrhundert die lateinische Poesie der nationalsprachlichen noch weit überlegen, und auch im Barockzeitalter überstrahlte der Glanz des lateinisch dichtenden BALDE die deutschen Zeitgenossen. Doch mit dem theoretischen Poetik-Werk Buch von der Deutschen Poeterey von OPITZ war ein Regelwerk der neuen deutschen Kunstdichtung und Verssprache entstanden. Zuvor hatte OPITZ ähnlich wie DU BELLAY die Verwendung der Vernakularsprache verteidigt, zunächst in Latein (Aristarchus sive de contemptu linguae Teutonicae), dann aber auch auf Deutsch (Wieder die Verachtung Teutscher Sprach).
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung Für den Übergang vom Latein zu den Muttersprachen im Zeitraum von 1450 bis 1650 ist die Wirkungsabsicht der Dichter verantwortlich. Im Zuge des Aufkommens und der Entwicklung des Nationalstolzes wurden ihnen die des Lateins nicht oder schlecht kundigen Angehörigen ihres Volkes wichtiger als das ausländische Publikum, das aus Kennern bestand. Außerdem wollte man die eigene Muttersprache durch den Beweis aufwerten, dass sie für den Ausdruck erhabener und poetischer Inhalte geeignet war. Auch die Schönheit der Muttersprache sollte durch ihren Gebrauch ins rechte Licht gesetzt werden (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Schließlich mag auch ein verändertes Verhältnis der Dichter zur Unsterblichkeit ihres Ruhmes und ein Abwägen mit der unmittelbaren Wirkungsmöglichkeit zur Aufwertung der Muttersprachen beigetragen haben. Die Natur der lateinischen Sprache kam mit ihrer Unvergänglichkeit und Überzeitlichkeit der literarischen Unsterblichkeit des eigenen literarischen Werkes entgegen. Symbolisiert wurde diese Unsterblichkeit durch die Krönung mit dem nie verwelkenden Dichterlorbeer, an der den posthumanistischen Dichtern offensichtlich weniger gelegen war. In der wissenschaftlichen Prosa vollzog sich der Übergang vom Lateinischen zur Volkssprache später, da hier der Drang, sich den Mitbürgern mitzuteilen weniger groß war. Bis ins 18. Jahrhundert hinein blieb das Latein die Sprache der Wissenschaften, die auch eine Teilnahme an der internationalen Kommunikation ermöglichte. Doch mit dem 18. Jahrhundert setzte ein Wandel ein, der zur verstärkten Verwendung der Muttersprachen führte. NEWTON, der vorher lateinisch geschrieben hatte, legte 1704 in den englisch geschriebenen Opticks seine revolutionäre Theorie des Lichts dar und leitete damit eine verstärkte Hinwendung zur Muttersprache als Sprache der Wissenschaften ein. In Frankreich war Französisch als Sprache der Wissenschaft seit der Gründung der Académie des Sciences durch LUDWIG XIV. im Jahre 1666 auf dem Vormarsch. Dazu trug auch die erste nichtlateinische Gelehrtenzeitschrift, das von dieser Akademie herausgegebene Journal des Sçavans bei.
Apologie Natürlich verschwindet das Lateinische nicht gänzlich aus den Naturwissenschaften. Dazu trug das nach wie vor gegebene Streben nach internationaler Wirkung bei. Am deutlichsten wird dies am Beispiel des schwedischen Biologen LINNÉ, dessen im Systema naturae (1735) entwickelte Methode, Pflanzen und Tiere hierarchisch zu ordnen und nach Genus und Spezies lateinisch zu klassifizieren (Canis familiaris ‘Haushund’, Canis lupus ‘Wolf’) bis heute bei der Benennung jedes neu entdeckten Lebwesens angewandt wird. Auch bleibende Werke auf den Gebieten der Physik (FAHRENHEIT), der Astronomie und Bauphysik (BOSCOVICH) und der Anatomie (MORGAGNI) wurden weiterhin in lateinischer Sprache geschrieben. Die Aufklärung in ihrer extensiven, auf die Verbreitung von Wissen gerichteten Form musste sich natürlich der Muttersprache der Adressaten bedienen. Das Deutsche wurde bereits im frühen sechzehnten Jahrhundert in populären, für Nichtlateiner bestimmten Schriften verwendet. So schrieb DÜRER seine Underweysung der messung mit dem Zirckel und richtscheyt (1525) für deutsche Künstler, die Rechenung nach der lenge / auff den Linihen vnd Feder (1550) von RIESE war für einfache Leute bestimmt, die Messkunst Archimedis von KEPLER für deutsche Küfer und Weinvisierer. Zwei Publikationen in romanischen Sprachen werden als Pionierleistungen für die Durchsetzung der Nationalsprachen angesehen: der Dialogo sopra i due massimi sistemi (1623) von GALILEI und der Discours de la méthode (1637) von DESCARTES. Dass GALILEI sein kopernikanisches Weltbild in populärem Italienisch darlegte wurde als so gefährlich betrachtet, dass es ihm seinen berühmten Prozess einbrachte. DESCARTES hatte zwar sein erstes und populärstes Werk in Französisch geschrieben, übersetzte es aber selbst ins Lateinische und schrieb andere Werke von vornherein ganz auf Latein. Die Verwendung der Vernakularsprachen für den Zweck der Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse war somit im 17. Jahrhundert noch keinesfalls selbstverständlich, wie auch die Werke von BACON, HOBBES und SPINOZA zeigen.
743 Auch LEIBNIZ hatte meist lateinisch und gelegentlich französisch geschrieben, er plädierte jedoch für den Gebrauch der deutschen Sprache und legte mit seinen Unvorgreiffliche[n] Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache (um 1697) einen apologetischen Text vor. Aus der Würde der Deutschen und ihrem Vorzug im Heiligen Römischen Reich folgert er darin die Berechtigung, die deutsche Sprache zu gebrauchen und sie weiter auszubauen. Das Deutsche habe es bereits weit gebracht, wie insbesondere seine Eignung zum Sprechen über bestimmte Kommunikationsbereiche beweise, es sei zum Beispiel hervorragend zur Behandlung von Fragen im Umfeld von Erz und Bergbau geeignet. Des weiteren erwähnt er das Alter einer Sprache und Beziehungen zu alten, ehrwürdigen Sprachen als wichtiges Kriterium der Hochwertigkeit: Da das Deutsche in direkter Beziehung zu Sprachen steht, die so alt oder älter als das Lateinische sind, brauche es den Vergleich mit diesem nicht zu scheuen. Schließlich erwähnt er die Regelfähigkeit des Deutschen, was zugleich auf den noch nicht abgeschlossenen Normierungsprozess und die Ausbaunotwendigkeit hinweist (ĺ Normierung). Ein Durchbruch für die deutsche Sprache in Philosophie und Mathematik gelingt WOLFF, der einige wichtige philosophische Begriffe kühn verdeutschte: z. B. idea – Begriff, attributum – Eigenschaft, exceptio – Ausnahme. Jedoch auch WOLFF selbst schrieb noch im Philosophenlatein. Erst in der Generation KANTs dominierte das Deutsche und wurde mit der Kritik der reinen Vernunft eine Sprache, in der europäische Philosophen lesen wollten. Zum Durchbruch als Universitätssprache im Allgemeinen verhalf dem Deutschen THOMASIUS. Bereits 1687 hatte er am Schwarzen Brett der Universität Leipzig angekündigt: Christian Thomasius eröffnet Der Studirenden Jugend zu Leipzig in einem Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle?. Bereits die Absicht, nicht Ethik nach ARISTOTELES, sondern weltmännische Moral nach französischer Art zu lehren, musste den Widerwillen der Fakultät hervorrufen, die
744 den ersten Teil seiner Vernunftlehre ungelesen zurückgab, weil sie über eine in deutscher Sprache verfasste Schrift nicht urteilen wolle. THOMASIUS war später ein hochangesehener Professor an der Reformuniversität Halle und durfte es noch erleben, dass in Deutschland zumindest an den protestantischen Universitäten auch deutschsprachige Vorlesungen gehalten wurden. Am Ende des 18. Jahrhunderts war dieser Prozess der Durchsetzung des Deutschen als Wissenschaftssprache noch weiter fortgeschritten. Die deutsche Sprache war im Wissenschaftsbetrieb, mit Ausnahme der Theologen, Juristen und Altphilologen, die übliche geworden. Während der Westfälische Friede noch lateinisch geschlossen wurde, verlor Latein im achtzehnten Jahrhundert auch als Sprache der internationalen Diplomatie seine Vorrangstellung. In der Diplomatie wie auch in der Wissenschaft hatte das Französische eine Vorrangstellung gewonnen. Was diese Vorrangstellung begründete, wurde unter anderem Ende des 18. Jahrhunderts in einer Preisfrage der Berliner Akademie thematisiert (ĺ universelle Geltung). Doch neben der geschickten französischen Diplomatie, den Leistungen der höfischen Kultur und dem besonderen Charakter dieser Sprache (ĺ besonderer Charakter einer Sprache), die in den Preisbewerbungsschriften in einem Gleichklang erwähnt wurden, scheint auch die im 17. Jahrhundert auf einer bestimmten Stufe abgeschlossene ĺ Normierung und die frühzeitig einsetzende Apologie dieser Sprache dazu beigetragen zu haben, der französischen Sprache eine besondere Stellung zu verleihen. 2. Verteidigungen einzelner Sprachen und Bewusstwerden ihrer Situation Die Koexistenz des Lateinischen und der Vernakularsprachen brachte die Notwendigkeit von Verteidigungsdiskursen hervor, in denen die Vorzüge der einzelnen Sprachen gelobt und Eigenschaften der anderen als Nachteile abgewertet wurden (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Verteidigungen konnten dabei in verschiedener Hinsicht notwendig werden: (1) Verteidigung des Gebrauchs des Lateins gegenüber den Anhängern der Nationalsprachen, (2) Verteidigung
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung des Gebrauchs einer Nationalsprache gegenüber dem Latein, (3) Verteidigung des Gebrauchs einer bestimmten Nationalsprache gegenüber anderen Vernakularsprachen, (4) Verteidigung einer Vernakularsprache gegen anderssprachige Einflüsse oder sogar gegen den Sprachtod. Ansätze aller vier Richtungen der Verteidigung von Sprachen finden sich im 14./15. Jahrhundert, in einigen Fällen sogar noch früher. Wenn zum Beispiel im Spanien des 13. Jahrhunderts unter ALFONS DEM WEISEN eine Standardisierung der Sprache stattfand, so bedeutete das natürlich auch, dass es von diesem Standard abweichende Alternativen gab. Auch Verteidigungen gegen einen drohenden Sprachtod gab es bereits im Mittelalter. 1295 behauptete EDUARD I. von England, Frankreich beabsichtige, sein Land zu überfallen und die englische Sprache auszulöschen. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts plante der König von England nach Aussage des Chronisten ADAM VON USK ein Dekret zur Vernichtung der walisischen Sprache. Ähnlich berichtete auch ein polnischer Chronist, die Deutschordensritter beabsichtigten, die polnische Sprache auszurotten. Schließlich geht aus englischen Parlamentsreden des 14. Jahrhunderts hervor, dass Befürchtungen bestanden, die Franzosen wollten die ganze Nation und die englische Sprache vertilgen. Das 14. und 15. Jahrhundert waren eine Zeit zunehmenden Sprachbewusstseins im Italien der Frührenaissance, in England, Frankreich und Mitteleuropa. Im Böhmen des frühen 15. Jahrhunderts sorgte sich der Reformator HUS um den Einfluss des Deutschen auf das Tschechische und versuchte, seine Muttersprache dagegen zu verteidigen. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts setzte sich jedoch die Erkenntnis sprachlicher Vielfalt durch. Die damit verbundenen Fragen, Probleme und möglicherweise auch Bedrohungen kamen klarer zu Bewusstsein als zuvor. Das Sprachbewusstsein wurde auch durch den Umstand gefördert, dass immer mehr Menschen Griechisch und Hebräisch sowie verschiedene europäische Volkssprachen studierten. Auch das Lateinische wurde im Zuge dieser Entwicklungen den Angriffen religiöser und gesellschaftlicher Reformer ausgesetzt. Im Italien des 16. Jahrhunderts verurteilten zwei
Apologie unorthodoxe Denker die Verwendung des Lateins in der Kirche und der Rechtssprechung. GELLI, ein Schuhmacher, formulierte in einem Dialog, bei der lateinischen Liturgie gehe es darum, den Glauben vor den Laien geheimzuhalten und sie somit aus der Kirchengemeinschaft auszuschließen. Der Müller MENOCCHIO erklärte, bei Gericht Latein zu sprechen sei ein Verrat an den Armen, denn so würden einfache Leute daran gehindert, der Verhandlung zu folgen. Auch im England des 17. Jahrhunderts kam es zur Anprangerung des Gebrauchs des Lateinischen an den Universitäten und des Französischen bei Gericht. Durch die Verwendung von Fremdsprachen könnten die Fachleute einfache Menschen täuschen und sie damit beherrschen. Im Hinblick auf die Vernakularsprachen kam es zu vielfältigen Diskussionen um deren ĺ Reichtum oder Armut, die das Bewusstsein ihrer Ausbaubedürftigkeit kennzeichnen. Im Mittelpunkt standen dabei Kommentare über die Armut der Volkssprachen im Vergleich zum Lateinischen. Ein polnischer Muttersprachler verwies 1566 auf die ‘Armut’ seiner Sprache (niedostatek), und der Dichter SZYMONOWIû äußerte sein Bedauern über den akuten Mangel an Wörtern. DU BELLAY äußerte sich in apologetischer Weise dazu, dass die französische Sprache nicht gar so arm sei, wie viele meinten, räumte aber durchaus ein, dass sie nicht so reich und gehaltvoll ist wie das Griechische und Lateinische. Obwohl derartige Feststellungen auch von der Verehrung der klassischen Sprachen geprägt sind, lässt sich ihre Berechtigung in der praktischen Verwendung der Vernakularsprachen bis ins 17. Jahrhundert nachweisen. In manchen europäischen Sprachen wurden regelmäßig lateinische Wörter und Phrasen verwendet, sobald es um Abstraktionen ging. Andererseits ist aber auch immer häufiger von sprachlichem Überfluß oder Wortreichtum die Rede (ĺ Reichtum). Der Drucker FRANCK stellte 1541 fest, keine andere Sprache habe so vil varietet und Formulas zu reden wie das Deutsche. Der Humanist TOLOMEI schätzte 1546 das Italienische als reicher als das Griechische oder Lateinische ein. Der Kaufmann EDEN erklärte 1562, das Englische sei nicht mehr ärmlich, denn Übersetzungen
745 von der Art, wie er sie selbst angefertigt habe, hätten die Sprache bereichert und erweitert. In seinem Discurso sobre la lengua castellana (1585) erklärte MORALES das Spanische für gleichrangig mit allen guten Sprachen, was Fülle, Angemessenheit, Vielfalt und Schönheit betrifft (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). In diesen Kommentaren drückt sich Stolz auf die eigene Nationalsprache aus, der zur Motivation zahlreicher apologetischer Schriften wurde. Auch die Fremdwortdebatte stand von Anfang an unter dem Zeichen der Apologie. Durch die Tatsache, dass viele neue Wörter Eingang in die europäischen Volkssprachen fanden, verstärkte sich das Gefühl von Überfluss, der nicht in jedem Fall als positiv empfunden wurde. In der Debatte um den Eingang neuer Wörter in die europäischen Volkssprachen kam es zu Vergleichen dieses Prozesses mit der Einbürgerung von Fremden. Es kam außerdem zu einer allgemeinen europäischen Debatte über die Vermischung von Sprachen und die Notwendigkeit ihrer Reinhaltung. Der Zustand des Ausbaus der Nationalsprachen wurde auch im Zusammenhang mit ihrer Geschichte reflektiert. Vielfach kam es dabei zu Feststellungen eines hohen Entwicklungsgrades von Sprachen. So vertrat der Schulleiter MULCASTER die Meinung, die englische Sprache seiner Zeit (1582) stehe auf ihrem absoluten Höhepunkt. ROBLES erklärte 1635, das Spanische befinde sich zu seiner Zeit im selben Zustand wie das Lateinische zur Zeit CICEROs. Dieselbe Feststellung hinsichtlich des Französischen traf 1694 die Académie Française im Vorwort zur ersten Ausgabe ihres Dictionnaire. Das zunehmende Bewusstsein von sprachlicher Veränderung wurde auch durch Überlegungen zur Geschichte verschiedener Sprachen gefördert, andererseits regte es seinerseits ein Nachdenken über die Sprachgeschichte an. Von besonderem Interesse war dabei der Zusammenhang zwischen sprachlichen Entwicklungen und dem Auf- und Abstieg gesellschaftlicher und politischer Existenzformen. Im 15. Jahrhundert hatte der Humanist VALLA einen Zusammenhang zwischen dem Aufstieg und Niedergang des Lateinischen und dem Aufstieg und Fall des Rö-
746 mischen Reichs hergestellt. Im Anschluss an ihn erörterten BRUNI und BIONDO die Frage, ob die gesprochene Sprache der alten Römer Latein oder Italienisch gewesen sei. Der Kardinal CASTELLESI schrieb nach dem Vorbild von VARROs De lingua latina eine Abhandlung über das Lateinische (De sermone latino, 1515), in der er die Geschichte der Sprache in vier Perioden unterteilte: ‘ganz alt’, ‘alt’, ‘vollkommen’ und ‘unvollkommen’ (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Diese Unterteilung wurde auch von späteren Autoren übernommen. 1538 veröffentlichte der französische Gelehrte POSTEL eine Untersuchung über die Ursprünge des Hebräischen (ĺ Ursprung), während eine Geschichte des Griechischen erst 1643 vorlag, als DE SAUMAISE seine Studie Funus linguae hellenisticae über die Sprache in der hellenistischen Periode veröffentlichte. Aus der Betrachtung der Sprachgeschichte schöpften die Autoren auch Argumente für die Apologie einzelner Nationalsprachen. So übertrug zum Beispiel der spanische Humanist NEBRIJA VALLAs Vergleich zwischen Sprache und Imperium auf das Kastilische seiner Zeit. In der Widmung seiner Gramática castellana (1492) für Königin ISABELLA formulierte NEBRIJA folgenden Satz: Siempre la lengua fue compañera del imperio ‘Die Sprache war stets die Gefährtin des Reichs’. Nachdem sich sowohl das Hebräische als auch das Griechische und Lateinische überlebt hätten, sei jetzt die Zeit des Spanischen gekommen. 1492, als die Rückeroberung Spaniens durch die katholischen Könige vollkommen gelungen war, bedurfte es keiner weiteren Erklärung für die Überlegenheit des Spanischen. Ein wichtiges Argument für die Hochwertigkeit einer Vernakularsprache war ihr alter oder zumindest die direkte Abstammung von möglichst alten Sprachen. Seit der Zeit des heiligen HIERONYMUS war immer wieder behauptet worden, die ĺ Ursprache sei Hebräisch gewesen. Diese Auffassung war nun insofern willkommen, als die scheinbare Rückführbarkeit von Sprachen oder einzelner ihrer Wörter geeignet für die Verleihung von Adelspatenten war. Sogar bestimmte Wörter mancher Indianersprachen Amerikas schienen auf hebräische Ursprünge hinzuweisen. Andere Ge-
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung lehrte plädierten dagegen für das Chaldäische oder Skythische als Ursprachen. Der Franzose PICARD machte Gründe für das hohe, weit über das Lateinische hinaus reichende Alter des Französischen geltend, GOROPIUS BECANUS aus Antwerpen für das Flämische als Ursprache, RUDBECK aus Uppsala und andere für das Schwedische, während der französische Jesuit BOUVET und der englische Architekt WEBB das Chinesische ins Spiel brachten. Besonders intensiv wurde die Diskussion um den Charakter des Urspanischen geführt, von dem manche glaubten, es sei in Babel entstanden und durch Tubal, den Enkel Noahs, nach Spanien gebracht worden. Demgegenüber behauptete ALDRETE in seinem Del orígen y principios de la lengua castellana ò romance que oi se usa en España (1606), das Spanische habe sich zu der Zeit, als Spanien eine Provinz des Römischen Reichs war, nach und nach aus dem Lateinischen entwickelt. ALDRETE wendet dabei seine Überlegungen zur Sprachgeschichte auch auf die Sprachen der neuen Welt an. Auch NUNES DE LEÃO bemerkte in seiner Geschichte des Portugiesischen, dass so, wie die Eroberer von Ländern und Provinzen diesen ihre Gesetze geben, sie diesen auch ihre Sprache geben würden, wobei er sich auf das Beispiel des Portugiesischen in Äthiopien und Indien berief. Die Erkenntnis des Unterschieds der eigenen Sprache im Vergleich zum Latein und zu anderen Vernakularsprachen führt dabei auch zu Lösungen, die bereits auf dem Hintergrund des erreichten Diskussionsstands als abwegig gelten konnten. So hatte JIMÉNEZ PATÓN die Unabhängigkeit der spanischen Sprache gegenüber dem Latein behauptet und sie auf eine der 72 bei der ĺ Sprachverwirrung von Babel entstandenen Sprachen zurückgeführt. Gemeinsamkeiten, wie sie etwa zwischen dem Spanischen und dem Latein sowie den anderen romanischen Sprachen festzustellen sind, resultierten aus göttlicher Barmherzigkeit, die den Menschen eine gewisse Übereinstimmung zwischen den Sprachen und damit den Einstieg in Kommunikationsmöglichkeiten zugestand. Doch selbst wenn es historische Ursachen für diese Gemeinsamkeit geben sollte, wäre es besser, sowohl für das Lateinische wie für das Kastilische einen ge-
Apologie meinsamen ĺ Ursprung im Hebräischen anzunehmen. Bekanntlich ging man so weit, derartige Thesen über das hohe Alter von Sprachen oder ihre Herkunft aus Muttersprachen mit biblischer Würde auch durch Fälschungen zu stützen. So hatte sich LÓPEZ MADERA in seinem Discurso de la certidumbre de las reliquias descubiertas en Granada (1601) auf bei Granada gefundene Pergamentrollen bezogen, die angeblich die Herkunft des Lateins aus dem Spanischen beweisen. Schließlich konnte noch im 17. Jahrhundert QUEVEDO behaupten, dass sich das Spanische direkt aus dem Hebräischen ableite, und selbst in einer 1769 entstandenen Schrift möchte der unter dem Pseudonym Faustino DE BORBÓN schreibende Polygraph das Spanische auf das Griechische zurückführen. Die Aktualität einer solchen Instrumentalisierung von Annahmen über die Sprachentwicklung für eine Aufwertung des kulturellen Gewichts der eigenen Sprache ist somit auch im 18. Jahrhundert noch nicht völlig vorüber. Einige Autoren erzählten die Geschichte einer Sprache unter dem Gesichtspunkt einer Verfeinerung oder Verbesserung. So glaubte der Dichter DRYDEN, dass das Englische zu seiner Zeit Fortschritte mache. Häufiger jedoch wurde sprachlicher Wandel mit dem Bild des Verfalls und des Niedergangs erklärt (ĺ Sprachveränderung, ĺ Korruption). So glaubte SWIFT, das Englische befinde sich seit Mitte des 17. Jahrhunderts im Verfall. Andere Autoren stellten einen Zusammenhang zwischen sprachlichen Veränderungen und dem Verfall der Sitten her (De la Vicissitude, 1575) und DURET (Thresor de l’histoire des langues de cest univers, 1613). Auch WILKINS erklärte in seinem System einer ĺ Universalsprache, dass jeder Wandel eine schrittweise Korrumpierung bedeute. Dagegen behauptete BOUHOURS, die Verfeinerung der Sprache ginge mit der Verfeinerung der Sitten einher, so wie es beim Französischen ab dem 15. Jahrhundert der Fall sei. 3. Kriterien der Sprachapologie Die Kriterien der Sprachapologie entwickelten sich seit dem 14. Jahrhundert weiter, können jedoch nicht den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und begriffliche Klarheit erheben. Sie entsprechen häufig kollektiven emo-
747 tionalen Wertungen und tragen den Charakter von Topoi. Die Notwendigkeit der Aufwertung der Vernakularsprachen gegenüber dem Latein war bereits im 17. Jahrhundert zurückgetreten und im 18. Jahrhundert bereits weitgehend obsolet geworden. COMENIUS und CHARPENTIER betonen ausdrücklich, dass es ihnen nicht darum geht, das Lateinische abzuwerten, das seine Stellung auch nach der Aufwertung der Vernakularsprachen bewahren wird. Vielmehr gehe es darum, den Volkssprachen eine entsprechende Stellung zu verschaffen, die der Entwicklung und der Modernisierung der Gesellschaft angemessen ist. CHARPENTIER äußerte sich zu der Frage, ob die Inschriften auf den Triumphbögen lateinisch oder französisch erfolgen sollten, im Sinne der modernen Sprache. Er beruft sich dabei darauf, dass die Römer immer ihre Sprache verwendeten, auch wenn sie die als gelehrt geltende griechische Sprache zur Verfügung hatten. Dieses Plädoyer für die Verwendung der modernen Sprache wurde auch im Streit der Alten und der Neuen, der Querelle des anciens et des modernes fortgesetzt. Dieser Streit begann am 27. Januar 1687, als PERRAULT in der Académie française sein Gedicht Le siècle de Louis le Grand vortrug, in dem er das Zeitalter LUDWIGs XIV. als Ideal pries und zugleich die Vorbildfunktion der Antike in Frage stellte. Dies erregte den Protest des Akademiemitglieds BOILEAUDESPRÉAUX. Der Streit verschärfte sich, als PERRAULT ab 1688 die vier Bände seiner Parallèle des anciens et des modernes publizierte. Darin wiederholte er seine Angriffe auf die Alten, indem er in einem fiktiven Dialog die vermeintlich schwachen Leistungen der Alten mit den modernen Errungenschaften in beinahe allen Bereichen des menschlichen Lebens konfrontiert. In der Folge bildeten sich zwei Lager heraus, die sich mit zahlreichen Publikationen bekämpften. In dem Streit ging es um zwei gegensätzliche ästhetische Modelle: das Prinzip der Nachahmung, das sich an der Antike als absolutem Schönheitsideal orientierte, und andererseits das Prinzip der Imagination des Genies, das aus sich selbst schöpft. Die Thematik der Querelle führt auch zu sprachbezogenen Diskussionen: Sollte man sich ungehemmt der Mutter-
748 sprache bedienen und sie auch durch kreative Schöpfungen (ĺ Neologismen) bereichern oder sollte man sich am ĺ Stil der antiken Schriftsteller orientieren und möglicherweise sogar deren Sprache benutzen? Die Möglichkeit, durch den Gebrauch der Vernakularsprache den Alten gleichzukommen, beruhte auf einer Uminterpretation des Kriteriums der ĺ Natürlichkeit. Im Geist und im Ausdruck können wir im Gebrauch der Muttersprache den Alten ebenbürtig werden, da wir uns in dieser natürlich und originell ausdrücken (CHARPENTIER). Parallelen zum Lateinischen wurden in den modernen Sprachen selbst gezogen. Zunehmend fand auch eine Verteidigung der Lehre der Wissenschaften in den Vernakularsprachen statt. Für den Gebrauch der eigenen, natürlichen Sprache (ĺ natürliche Sprache) wurden die wichtigsten Argumente aus den alten Sprachen selbst bezogen. Die Römer lehrten das, was sie von den Griechen übernommen hatten, in lateinischer Sprache. Auch die Araber fanden die Möglichkeit, die Medizin in ihrer Sprache zu lehren. Schließlich lerne man in seiner Muttersprache auch besser als in einer Fremdsprache (CHARPENTIER). Die Kriterien, die die Exzellenz der alten Sprachen ausmachen, wurden relativiert. So schulde das Lateinische dem Deutschen aufgrund der Gemeinschaft der Deutschen mit anderen alten Völkern viel (FRAIN DU TREMBLAY). Alte Sprachen hätten außerdem ihre Vorzüge an die neuen weitergegeben, die sich dann weiterentwickelten. Was die Wertschätzung der alten Sprachen ausmacht, lässt sich auch in den neuen Sprachen finden. Insgesamt seien die neuen Sprachen also den alten überlegen (FRAIN DU TREMBLAY) (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Auch die Eignung des Lateins für die Wissenschaften wurde im 18. Jahrhundert bezweifelt (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). So stellte MICHAELIS die Armut des Lateins in Bezug auf Bezeichnungen der Naturgeschichte fest und kritisierte den Gebrauch des Lateins in naturwissenschaftlichen Vorlesungen. Schließlich musste auch das Argument der Unsterblichkeit, das für die alten Sprachen
II. Ursprung, Entstehung, Entwicklung spricht, umgedeutet werden. Die Unsterblichkeit einer Sprache liege darin, dass Werke in ihr geschrieben sind (CHARPENTIER). Als ein wichtiges Kriterium der Hochwertigkeit einer Sprache wurde deren Ausbau durch große Schriftsteller angesehen (vgl. z. B. MURATORI). Die kulturelle Leistung dieser bedeutenden Autoren ging als Argument in die Apologie der jeweiligen Sprache ein. Ein häufiges Argument gegen die Zurückweisung der Apologie der modernen Sprachen ergab sich aus einer Trennung zwischen der Sprache als Mittel der Kommunikation und Kognition und ihrem ĺ Gebrauch (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). Für mangelhafte Kenntnis und schlechten Gebrauch sei nicht die Sprache verantwortlich zu machen (ĺ Missbrauch). Auch konkrete Eigenschaften einer Sprache wurden, wie für das Französische insbesondere die direkte Wortfolge (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion), als für ihre Exzellenz verantwortlich identifiziert. Das Französische habe im Verlauf seiner Entwicklung vielfältige Bereicherung erfahren, sich aber zugleich auch die naïveté als Vorzug bewahrt (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Zu den Entlehnungen aus anderen Sprachen bestand ein teilweise zwiespältiges Verhältnis. Während sie teilweise als Ausdruck von Sprachmischung und unzulässige Verunreinigung gesehen wurden, wurden Entlehnungen, insbesondere aus alten, würdevollen Sprachen als Argument für die Hochwertigkeit einer Sprache angesehen (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Eine Sprache wurde vor allem dann als vollkommen angesehen, wenn sie ihrem Zweck optimal entspricht (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Daraus ergibt sich, dass die Verwendbarkeit einer Sprache in allen kommunikativen Bereichen zunehmend zum Argument ihrer Apologie wurde (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Bezeichnend dafür ist die Feststellung LOMONOSOVs, KARL V. habe gesagt, mit Gott müsse man Spanisch, mit seinen Freunden Französisch, mit Feinden Deutsch und mit dem Frauenzimmer Italienisch reden; hätte er aber das Russische gekannt, so hätte er sich in jedem
Apologie dieser Kommunikationsbereiche seiner bedienen können.
IV. Die Apologie einzelner Sprachen ist
nach dem 18. Jahrhundert kein wissenschaftliches Thema mehr. Dennoch hat die Erhebung von einzelnen Sprachen über andere bis heute ihre Bedeutsamkeit im Alltag und auch in der politischen Diskussion nicht verloren. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Englische als allgemeine Wissenschaftssprache fast vollständig durchgesetzt. Die Naturwissenschaften kamen dieser Entwicklung mit ihrer stark normierten Ausdrucksweise entgegen, während die auf nuancierte Formulierung und Sprachbeherrschung angewiesenen Geisteswissenschaften durch die allseitige Verwendung des Englischen Schaden zu nehmen drohen. Wenn Englisch als das “Latein der Gegenwart” funktioniert, so besteht doch ein entscheidender Unterschied. Latein war seit dem Mittelalter niemandes Muttersprache und doch hatten alle Anteil an ihm. Seinen Status als Weltsprache hat sich das Latein durch die Leistungen der Römer verdient. Demgegenüber schafft das Englische seinen native speakers heute einen kaum auszugleichenden Vorteil.
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III. EINHEIT UND VIELFALT Universalität und Verschiedenheit I. Lat. Linguae varietas, Habent tamen omnes Linguae aliquid, quô in commune prosint; dt. Verschiedenheit, Unterschiede ihrer Gebräuche und Sprachen, Vielheit der Sprachen, das Natürliche und Menschliche der Fortbildung einer Sprache, ein progressives Ganze von einem Ursprunge; unter allen Völkern der Erde ist die Grammatik beinahe auf einerlei Art gebaut; nur eine Menschensprache; das Allgemeine und Nothwendige; engl. the particular forms of speaking, universal, different forms, uniformity, diversity of languages; one universal language, different languages; peculiarities, qualities in common; frz. la diversité des langues, cette grande difference qui est entre les langues, differences essentielles, différences dans les langues; uniformité; une même langue; le commun dans leurs procédés généraux; ces lois sont invariablement les mêmes partout & dans tous les tems; des principes fondamentaux communs à toutes les langues; it. la forma di ciascun linguaggio, riesce specificamente diversa; span. el lenguage no es uno en todas partes; general uniformidad de las lenguas; la afinidad ó diferencia de las lenguas conocidas; diversidad de lenguas; lenguas diversas. Zum 17. und 18. Jahrhundert findet sich trotz einschlägiger sehr differenzierender Studien in sprachtheoretischen Standardwerken und auch in neueren Arbeiten noch immer der Topos vom Universalismus in der Sprachauffassung, der sich an Titeln wie Grammaire générale oder Allgemeine Sprachlehre orientiert. Das Verhältnis von Universalität und Verschiedenheit von Sprachen war jedoch in erster Linie ein anthropologisches Problem, das in unterschiedlichen Formulierungen und Akzentuierungen diskutiert wurde. Dabei kam es zu einer Zuschreibung des Universellen oder Allgemeinen an die natürlichen Grundlagen der Sprache (ĺ Natürlichkeit), während die einzelsprachlichen Ausprägungen der menschlichen Sprachfähigkeit als Verschiedenheit diskutiert wurden.
II. (ALDRETE [1606] 1970: 42): […] el len-
guage no sea vno en todas partes, ni en todos tiempos, porque como se muda con las tierras, assi con las edades, es forçoso, que si a de auer comunicacion lo estrangero se aprenda, i si loque se escriuio antiguamente se a de entender aia quien lo muestre i enseñe. (WILKINS [1641/1707] 1984: 58): Though several Nations may differ in the Expression of Things, yet they all agree in the same Conceit of them. (SEMMEDO [1642] 1996: 64): Ces caractères [chinois] sont propres et commodes pour les ambassades, pour les cédules, et pour les livres, à cause qu’on remédie par ce moyen aux inconvénients qui naissent de la diversité des langues dans les royaumes, et qu’un chacun peut aisément lire et comprendre leur signification en sa langue maternelle. (COMENIUS [1648] 1978: 17): Vox Lingvæ sumitur pro varia loqvendi ratione, qvâ disjectæ per Orbem Gentes tàm diversimodè utuntur, ut sese invicem non intelligant. Atqve hoc sensu Lingva hæc huic Nationi, alia alii, peculiaris est, à qvibus & denominationem sumunt, ut lingua Hebræa, Græca, Latina &c. dicantur. Qvarum pleriqve mortalium vix unam, nonnulli duas vel tres, pauci plures, nemo omnes, intelligunt. (COMENIUS [1648] 1978: 29): 2. Nam Notionum innatarum syntagma, utcunq; mansit integrum: nec ubi opinionum prava phantasmata rectificanda sunt, aliis ratiocinandi Regulis opus habet Indus, aut Æthiops, qvàm Europæus. Sed cùm de Rebus loqvendum est, ùm in diversa abimus, mille modis aliter atq; aliter easdem res exprimentibus his, illis, istis. Qvæ Lingvæ varietas qvid fit, & unde, & qvanta, si rationabiliter fuerimus contemplati, ad universalem Lingvarum Methodum vestigandam inde etiam momenti aliquid accedere posse spero. (COMENIUS [1648] 1978: 29): 4. Hæc Lingvarum varietas unde sit, attingamus paucis. Ab initio enim non fuisse sic, indè scimus, qvòd
752 totum humanum genus ex uno prognatum est homine, Adamo. Unus autem Homo dum erat, Lingua esse non una poterat multiplicatis ergò demùm hominibus, mutiplicati sunt Mores, Opiniones, Linguæ. Nempe qvomodo ex uno Homine homines omnes, sic ex Lingva una lingvæ omnes; propagatione merâ, & aliorum ab aliis discessu, Cujus rei originem modúmq; si qværimus, triplicem est invenire. Primùm, Iustitiæ divinæ nemesin, temeritatem hominum castigantem. Secondò, Lingvæ humanæ errabundam volubilitatem, in qvidvis mox sese transformantem. Tertiò, Gentium sæpè factam aliarum in alias infusionem & confusionem, Lingvarum simul misturam inserentem. (COMENIUS [1648] 1978: 48): 36. Habent tamen omnes Lingvæ aliqvid, qvô in commune prosint. Nempe Omnes Sapientiæ DEI organon sunt: & omnes hominibus usum qvem debent (unaqvæqve locô suô, pro modulo suo) præstant: & omnes deniqve sororibus cæteris aliqvid conferre possunt, qvantillum etiam illud sit. Puta ad melius rem hanc vel illam intelligendum; ad aptius nomen huic vel illi rei indendum: verbô, ad locupletandum & acuendum sese invicem: modò hominum industria non desit. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: Préface, iij): […] je m’arreste à considerer comment on peut inventer une langue; comment un homme peut aprendre celle d’un pays où personne ne sçait la sienne; & enfin comment les enfans apprennent à parler; I’admire les efforts que la raison fait en eux dés le premier âge, pour leur faire discerner la signification de chaque mot; sur tout l’ordre qu’ils suivent pour cela me paroist surprenant, en ce qu’il est tout semblable à celui de la Grammaire, de sorte que voyant combien cét art imite la nature, je n’ay pas de peine à découvrir, comment ceux qui nous en ont donné des regles, les ont apprises des enfans; Et dans toute cette discussion, je rencontre tant de nouveaux argumens, pour montrer la distinction du corps & de l’ame, qu’il ne me semble pas, qu’on puisse connoistre aucune chose plus évidamment que celle-là. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 60–62): Il n’est pas difficile maintenant de concevoir, pourquoy nous avons tant de facilité à apprendre une langue estrangere d’une personne qui
III. Einheit und Vielfalt la sçait, & qui sçait aussi la nostre: car alors nous pouvons nous enquerir aysément, du nom de chaque chose. Nous pouvons aussi par ce moyen apprendre plusieurs langues, estant manifeste qu’après avoir appris le mot qui signifie une chose en François, l’on peut apprendre encore par quels mots les Italiens, les Espagnols & d’autres Nations expriment cette chose: & ce qu’il y a de remarquable est, que quand nous sommes une fois convenus que plusieurs mots signifient une mesme chose, nous joignons si bien l’idée ou la pensée de cette chose à chacun de ces mots, que souvent nous nous souvenons tres-bien qu’on nous en a donné l’idée, sans nous souvenir duquel de tous ces mots on s’est servy; d’où vient, que quand on se trouve avec des personnes de differens Pays dont on sçait les langues, on retient aisément chaque nouvelle, & tout ce qui a esté dit sur les sujets dont on a parlé, sans pouvoir précisément se ressouvenir des mots ny de la langue dont on s’est servy, pour nous donner les idées qui nous en restent. (LAMY [1675] 1688: 19): Il dépend de nous de comparer les choses comme nous voulons, ce qui fait cette grande difference qui est entre les langues qui ont une même origine. (LAMY [1675] 1688: 31): […] presque autant qu’il y a de differentes nations, il y a de differentes langues qui ne different pas seulement dans leurs termes, mais dans les manieres de s’exprimer. Il n’y a point de langue qui n’ait quelque chose de particulier. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 34): En effet, c’est la diversité des langues qui rend les hommes barbares les uns aux autres, & incapables de s’entr’assister. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 83–84): Pour moy il me semble que l’on ne sçauroit mieux marquer la distinction des langues, qu’en disant qu’une langue est essentiellement differente d’une autre langue, quand les peuples qui parlent ces deux langues ne s’entr’entendent point naturellement parler; & que si l’un veut entendre l’autre, il faut qu’il étudie sa langue. En effet, si les langues sont des signes par le moyen desquels les hommes se communiquent naturellement leurs pensées, il faut que les langues qui servent aux uns & ne servent de rien aux autres pour cette communication, ayent des differences essentielles. Na-
Universalität und Verschiedenheit turellement un François n’entend point un Italien, ni un Italien un François; la langue Françoise & la langue Italienne diffèrent donc essentiellement. Je ne croy pas que l’on puisse marquer la difference des langues par des notions plus précises: celle des langues matrices & des dialectes s’étend & se resserre comme l’on veut; & il n’y a point en effet de langue matrice si pure qu’elle ne tienne beaucoup des autres langues. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XV, 200): […] le génie des langues commence à se former d’après celui des peuples, il n’acheve de se développer que par le secours des grands écrivains. Pour en découvrir les progrès, il faut résoudre deux questions, qui ont été souvent discutées, et jamais, ce me semble, bien éclaircies. C’est de savoir pourquoi les arts et les sciences ne sont pas également de tous les pays et de tous les siécles; et pourquoi les grands hommes dans tous les genres sont presque contemporains. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 515): Diversi sono appresso nazioni diverse i pensamenti, i concetti, le fantasie; diversi i modi di apprendere le cose, di ordinarle, di esprimerle. Onde il genio, o vogliam dire la forma di ciascun linguaggio, riesce specificamente diversa da tutti gli altri, come quella che è il risultato della natura del clima, della qualità degli studi, della religione, del governo, della estensione dei traffici, della grandezza dell’imperio, di ciò che constituisce il genio e l’indole di una nazione. (Encyclopédie, Artikel Accent, DU MARSAIS, 1751: I, 63): Chaque nation, chaque peuple, chaque province, chaque ville même, differe d’un autre dans le langage, non-seulement parce qu’on se sert de mots différens, mais encore par la maniere d’articuler & de prononcer les mots. Cette maniere différente, dans l’articulation des mots, est appellée accent. En ce sens les mots écrits n’ont point d’accens; car l’accent, ou l’articulation modifiée, ne peut affecter que l’oreille; or l’écriture n’est apperçue que par les yeux. (Encyclopédie, Artikel Accent, DU MARSAIS, 1751: I, 63): Selon le méchanisme des organes de la parole, il y a plusieurs sortes de modifications particulieres à observer dans l’accent en général, & toutes ces modifications se trouvent aussi dans chaque accent national,
753 quoiqu’elles soient appliquées différemment; car, si l’on veut bien y prendre garde, on trouve partout uniformité & variété. Partout les hommes ont un visage, & pas un ne ressemble parfaitement à un autre; partout les hommes parlent, & chaque pays a sa maniere particuliere de parler, & de modifier la voix. Voyons donc quelles sont ces différentes modifications de voix qui sont comprises sous le mot général accent. (Encyclopédie, Artikel Construction, DU MARSAIS, 1754: IV, 75): Il est vrai qu’il y a des différences dans les langues; différence dans le vocabulaire ou la nomenclature qui énonce les noms des objets & ceux de leurs qualificatifs; différence dans les terminaisons qui sont les signes de l’ordre successif des correlatifs; différence dans l’usage des métaphores, dans les idiotismes, & dans les tours de la construction usuelle: mais il y a uniformité en ce que par-tout la pensée qui est à énoncer est divisée par les mots qui en représentent les parties, & que ces parties ont des signes de leur relation. (Encyclopédie, Artikel Formation, BEAUZÉE, 1757: VII, 173): Il en est de même & dans toute autre langue, de tout mot radical, qui par ses diverses inflexions, ou par son union à d’autres radicaux, sert à exprimer les diverses combinaisons de l’idée fondamentale dont il est le signe, avec les différentes idées accessoires qui peuvent la modifier ou lui être associées. Il y a dans ce procédé commun à toutes les langues un art singulier, qui est peut-être la preuve la plus complette qu’elles descendent toutes d’une même langue, qui est la souche originelle: cette souche a produit des premieres branches, d’où d’autres sont sorties & se sont étendues ensuite par de nombreuses ramifications. Ce qu’il y a de différent d’une langue à l’autre, vient de leur division même, de leur distinction, de leur diversité: mais ce qu’on trouve de commun dans leurs procédés généraux, prouve l’unité de leur premiere origine. J’en dis autant des racines, soit génératrices soit élémentaires, que l’on retrouve les mêmes dans quantité de langues, qui semblent d’ailleurs avoir entre elles peu d’analogie. Tout le monde sait à cet égard ce que les langues greque, latine, teutone, & celtique, ont fourni aux langues modernes de l’Europe, & ce que celles-ci ont
754 mutuellement emprunté les unes des autres; & il est constant que l’on trouve dans la langue des Tartares, dans celle des Perses & des Turcs, & dans l’allemand moderne, plusieurs radicaux communs. (Encyclopédie, Artikel Grammaire, BEAUZÉE, 1757: VII, 841): Dans toutes les langues on trouvera des propositions qui auront leurs sujets & leurs attributs; des termes dont le sens incomplet exigera un complément, un régime: en un mot, toutes les langues assujettiront indispensablement leur marche aux lois de l’analyse logique de la pensée; & ces lois sont invariablement les mêmes partout & dans tous les tems, parce que la nature & la maniere de proceder de l’esprit humain sont essentiellement immuables. Sans cette uniformité & cette immutabilité absolue, il ne pourroit y avoir aucune communication entre les hommes de différens siecles ou de différens lieux, pas même entre deux individus quelconques, parce qu’il n’y auroit pas une regle commune pour comparer leurs procédes respectifs. Il doit donc y avoir des principes fondamentaux communs à toutes les langues, dont la verite indestructible est antérieure à toutes les conventions arbitraires ou fortuites qui ont donné naissance aux différens idiomes qui divisent le genre humain. (Encyclopédie, Artikel Grammaire, BEAUZÉE, 1757: VII, 841–842): La Grammaire admet donc deux sortes de principes. Les uns sont d’une verité immuable & d’un usage universel; ils tiennent à la nature de la pensee même; ils en suivent l’analyse; ils n’en sont que le résultat. Les autres n’ont qu’une vérité hypothétique & dépendante de conventions libres & muables, & ne sont d’usage que chez les peuples qui les ont adoptés librement, sans perdre le droit de les changer ou de les abandonner, quand il plaira à l’usage de les modifier ou de les proscrire. Les premiers constituent la Grammaire générale, les autres sont l’objet des diverses Grammaires particulieres. La Grammaire générale est donc la science raisonnée des principes immuables & généraux de la parole prononcée ou écrite dans toutes les langues. Une Grammaire particuliere est l’art d’appliquer aux principes immuables & généraux de
III. Einheit und Vielfalt la parole prononcée ou écrite, les institutions arbitraires & usuelles d’une langue particuliere. La Grammaire générale est une science, parce qu’elle n’a pour objet que la spéculation raisonnée des principes immuables & généraux de la parole: une Grammaire particuliere est un art, parce qu’elle envisage l’application pratique des institutions arbitraires & usuelles d’une langue particuliere aux principes généraux de la parole (voyez ART). La science grammaticale est antérieure à toutes les langues, parce que ses principes sont d’une vérité éternelle, & qu’ils ne supposent que la possibilité des langues: l’art grammatical au contraire est postérieur aux langues, parce que les usages des langues doivent exister avant qu’on les rapporte artificiellement aux principes généraux. Malgré cette distinction de la science grammaticale & de l’art grammatical, nous ne prétendons pas insinuer que l’on doive ou que l’on puisse même en séparer l’étude. L’art ne peut donner aucune certitude à la pratique, s’il n’est éclairé & dirigé par les lumieres de la spéculation; la science ne peut donner aucune consistance à la théorie, si elle n’observe les usages combinés & les pratiques différentes, pour s’élever par degrés jusqu’à la généralisation des principes. Mais il n’en est pas moins raisonnable de distinguer l’un de l’autre, d’assigner à l’un & à l’autre son objet propre, de prescrire leurs bornes respectives, & de déterminer leurs différences. (PRIESTLEY 1762: 18–19): The same set of sounds, or alphabet of letters, is not in use in all nations; because mankind happened to fall early into a different application of the organs of speech, and those who were descended of any particular family or nation, or educated among them, would learn the sounds that were in use in that family or nation by imitation: and as a number, much short of all the modulations that the human voice is capable of, is sufficient for all the occasions of human life, there is room for very great diversity in the articulation of different nations. (PRIESTLEY 1762: 137): On the other hand, in a country where all that spoke the language had one head, all writers, ambitious to draw the attention of the leading men in the state, would studiously throw aside the particular
Universalität und Verschiedenheit forms of speaking they might happen to have been brought up in, and conform to that of their superiors: by this means Dialects, though used in conversation, would hardly ever be introduced into writing; and the written language would be capable of being reduced very nearly to a perfect uniformity. (PRIESTLEY 1762: 179): For till a sufficient number of forms have become universal, different forms will occur to different persons, and the language will be written with great dissimilarity. The English language, in particular, cannot be said to have been fixed till about the reign of queen Ann. (PRIESTLEY 1762: 190): In an attempt to solve so curious a problem, and account for so remarkable a fact, it may not be unpleasing to observe, to how small a difference in the first principles of languages it might be owing that, in their progress, they came to be so unlike one another. (PRIESTLEY 1762: 291–292): This diversity of languages is generally complained of as a great inconvenience to the human race, in that it prevents so free a communication as there otherwise would be among men. This may be allowed, and yet, upon the whole, this diversity of languages may have been of great advantage to us; both as individuals and a collective body. (PRIESTLEY 1762: 296): The little light that hath yet been struck out upon the subject of language in general hath resulted from the comparison of the properties of different languages actually subsisting. For want of the grounds of this universal language being thoroughly understood, it could hardly have been used with precision in many particular cases; let it, originally, have been ever so perfect; and mankind, having no general principles of language to have recourse to, to help them to correct and adjust it, as new occurrences arose; it is not impossible but that the inconveniences of this one universal language might ultimately, have exceeded those arising from the use of different languages. (DE BROSSES 1765: I, xv-xvji): Que les choses étant ainsi, il existe une langue primitive, organique, physique & nécessaire, commune à tout le genre humain, qu’aucun peuple au monde ne connoît ni ne pratique dans sa pre-
755 miere simplicité; que tous les hommes parlent néanmoins, & qui fait le premier fond du langage de tous les pays: fond que l’appareil immense des accessoires dont il n’est chargé laisse à peine appercevoir. […] Que néanmoins toutes les routes, malgré la diversité de leur tendance apparente, ramenent toujours enfin, en revenant sur ses pas, au point commun dont elles se sont si fort écartées. (DE BROSSES 1765: I, xxix-xxx): On remarque encore combien le genre des procédés & des sensations qui ont principalement servi à la formation de chaque langage, contribuent à le caractériser, & servent à ranger les langues sous deux classes principales, dont l’une s’adresse aux yeux, & l’autre aux oreilles. (DE BROSSES 1765: I, xlviij-xlix): On en viendra un jour à comparer toutes les langues les unes aux autres, à mesure qu’elles seront bien connues; à les disposer toutes ensemble, & à la fois, sous les yeux dans une forme parallele. Si jamais on exécute l’archéologue universel, ou tableau de nomenclature générale, par racines organiques, pour les langues qui nous sont connues, […] ce sera un magazin tout préparé pour y joindre celles dont on acquerra la connoissance; & il est plus que probable que tous les mots de chacune viendront facilement d’eux-mêmes se ranger chacun sous leur racine organique, dans leur case propre & préparée, jusqu’à ce qu’enfin on soit parvenu au complet sur cette matiere. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 249–250): Si dans la totalité des usages de la voix propres à une nation, on ne considere que l’expression & la communication des pensées, d’après les vues de l’esprit les plus universelles & les plus communes à tous les hommes; le nom de langue exprime parfaitement cette idée générale. Mais si l’on prétend encore envisager les vues particulieres à cette nation, & les tours singuliers qu’elles occasionnent nécessairement dans son élocution; le terme d’idiome est alors celui qui convient le mieux à l’expression de cette idée moins générale & plus restrainte. La différence que l’on vient d’assigner entre langue & idiome, est encore bien plus considérable entre langue & langage, quoique ces deux mots paroissent beaucoup plus rapprochés par l’unité de leur origine. C’est le matériel des mots & leur ensemble qui détermine
756 une langue; elle n’a rapport qu’aux idées, aux conceptions, à l’intelligence de ceux qui la parlent. Le langage paroît avoir plus de rapport au caractere de celui qui parle, à ses vues, à ses intérêts; c’est l’objet du discours qui détermine le langage; chacun a le sien selon ses passions, dit M. l’abbé de Condillac, Orig. des conn. hum. II. Part. 1. sect. ch. xv. Ainsi la même nation, avec la même langue, peut, dans des tems différens, tenir des langages différens, si elle a changé de moeurs, de vues, d’intérêts; deux nations au contraire, avec différentes langues, peuvent tenir le même langage, si elles ont les mêmes vues, les mêmes intérêts, les mêmes moeurs: c’est que les moeurs nationales tiennent aux passions nationales, & que les unes demeurent stables ou changent comme les autres. C’est la même chose des hommes que des nations: on dit le langage des yeux, du geste, parce que les yeux & le geste sont destinés par la nature à suivre les mouvemens que les passions leur impriment, & conséquemment à les exprimer avec d’autant plus d’énergie, que la correspondance est plus grande entre le signe & la chose signifiée qui le produit. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 261): En quelque pays que ce soit, le mouvement le plus facile est d’ouvrir la bouche & de remuer les levres, ce qui donne le son le plus plein a, & l’une des articulations labiales b, p, v, s ou m. De-là, dans toutes les langues, les syllabes ab, pa, am, ma, sont les premieres que prononcent les enfans: de-là viennent papa, maman, & autres qui ont rapport à ceux-ci; & il y a apparence que les enfans formeroient d’eux-mêmes ces sons des qu’ils seroient en état d’articuler, si les nourrices, prévenant une expérience tres-curieuse à faire, ne les leur apprenoient d’avance; ou plutôt les enfans ont été les premiers à les bégayer, & les parens, empressés de lier avec eux un commerce d’amour, les ont répétés avec complaisance, & les ont établis dans toutes les langues même les plus anciennes. On les y retrouve en effet, avec le même sens, mais désigurés par les terminaisons que le génie propre de chaque idiome y a ajoutées, & de manïere que les idiomes les plus anciens les ont conservés dans un état ou plus naturel, ou plus approchant de la nature.
III. Einheit und Vielfalt (Encyclopédie, Artikel Lettres, BEAUZÉE, 1765: IX, 405–406): Les diverses nations qui couvrent la terre, ne different pas seulement les unes des autres, par la figure & par le tempérament, mais encore par l’organisation intérieure qui doit nécessairement se ressentir de l’influence du climat, & de l’impression des habitudes nationales. Or il doit résulter de cette différence d’organisation, une différence considérable dans les sons & articulations dont les peuples font usage. De-là vient qu’il nous est difficile, pour ne pas dire impossible, de prononcer l’articulation que les Allemands représentent par ch, qu’euxmêmes ont peine à prononcer notre u qu’ils confondent avec notre ou; que les Chinois ne connoissent pas notre articulation r, &c. Les élémens de la voix usités dans une langue, ne sont donc pas toûjours les mêmes que ceux d’une autre; & dans ce cas les mêmes lettres ne peuvent pas y servir, du moins de la même maniere; c’est pourquoi il est impossible de faire connoître à quelqu’un par écrit, la prononciation exacte d’une langue étrangere, sur-tout s’il est question d’un son ou d’une articulation inusitée dans la langue de celui à qui l’on parle. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-668: 9): Autres il est clair que c’est par la privation de communication que les hommes de differents cercles ont eüe ensemble. Si le langage n’avoit pas été le propre ouvrage des hommes, cette privation de communication n’auroit pas pû inflüer sur les langages, il n’y en auroit eu qu’un Seul qui est celui auquel la nature auroit soumis l’homme comme elle le soumet à la même forme, à la même organisation, au meme nombre de sillabes qui est commun a tous, en général, aux mêmes besoins et qualités qui sont propres à l’espéce humaine. L’Africain comme l’Européen en recevant l’usage de la parole auroit exprimé par les mêmes mots les idées. car les idées et les qualités phisiques et spirituelles de ces deux hommes ont des raports très réels et très clairs; mais leurs langages n’en ont aucun entre eux. de la on peut conclure que chacun a fait le sien. C’est ce que je vais tacher d’aprofondir et de prouver par des raisons plus fortes et plus detaillées. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-668: 12– 13): […] la parole est une faculté naturelle et
Universalität und Verschiedenheit phisique qu’elle est invariablement existente dans l’espéce humaine, et qu’elle se borne seulement à un certain nombre de sons articules, toujours semblables dans tous les hommes et dont l’usage ne se determine que suivant l’ordre, la combinaison et les autres facultés de l’ame et que par là il en peut resulter un Langage. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-668: 22): […] un penchant naturel qui semble consister dans l’homme qui lui fait faire les mêmes signes muëts et les mêmes inflexions de voix dans les mêmes occasions. Par exemple, les articulations *ô!* *ah!* se retrouvent presque dans toutes les langues et portent la même signification. Il n’est pas douteux aussi qu’il n’y ait certains mots qui fassent tableau. Voilà ou les hommes peuvent se rencontrer. Il ne faut cependant pas confondre cette idee de tableau général avec celle de tableau particulier que les mots peuvent former (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-685: 1–2): Cependant pour étre certains que la parole, quoique généralement propre à l’homme, est le produit-contingent du tems et des circonstances, et non une faculté absolument inhérente à l’humanité, il suffisoit de jetter un coup d’oeil réfléchi sur la diversité des langues; diversité, qu’on peut, en quelque sorte regarder comme infinie. Si à toutes les langues positivement ou historiquement connues, on joint toutes celles que les différentes modifications de notre voix, la mobilité de notre langue et de nos lèvres, rendent possibles. Assurément cette diversité n’auroit pas eu lieu, du moins quant au fond du langage humain, Si la parole eût été naturelle à l’homme; et tous les hommes auroient été uniformes dans leur langage, comme ils le sont dans toutes les autres facultés qu’ils tiennent immédiatement de la nature. (HERDER [1772] 1978a: 186): Tun wir einen Blick in die lebendige, würksame Welt, so sind Triebfedern da, die die Verschiedenheit der Sprache unter den nahen Völkern sehr natürlich veranlassen müssen; nur man wolle den Menschen nach keinem Lieblingssystem umzwingen. Er ist kein Rousseauscher Waldmann: er hat Sprache; er ist kein Hobbesischer Wolf: er hat eine Familiensprache. Er ist aber auch in andern Verhältnissen kein unzeitiges Lamm: er kann sich also entgegenge-
757 setzte Natur, Gewohnheit und Sprache bilden. Kurz, der Grund von dieser Verschiedenheit so naher kleiner Völker in Sprache, Denkund Lebensart ist – gegenseitiger Familienund Nationalhaß. (HERDER [1772] 1978a: 188): Verewigter Familienhaß ist also die Ursache ihrer Kriege, ihrer so eifersüchtigen Abtrennungen in Völker, die oft kaum nur Familien gleichen, und nach aller Wahrscheinlichkeit auch der völligen Unterschiede ihrer Gebräuche und Sprachen. (HERDER [1772] 1978a: 189): Wer den Geist der Morgenländer in ihren oft so umhergeholten Einkleidungen und epischwunderbaren Geschichten kennet (ich will hier für die Theologie keine höhere Veranstaltung ausschließen), der wird vielleicht den sinnlich gemachten Hauptgedanken nicht verkennen, daß Verunreinigung über einer großen gemeinschaftlichen Absicht, und nicht bloß die Völkerwanderung, mit eine Ursache zu so vielen Sprachen geworden. (HERDER [1772] 1978a: 189): Dies morgenländische Zeugnis (was ich doch überdem hier nur als Poem anführen wollte) dahingestellet, siehet man, daß die Vielheit der Sprachen keinen Einwurf gegen das Natürliche und Menschliche der Fortbildung einer Sprache abgeben könne. (HERDER [1772] 1978a: 190): So wie nach aller Wahrscheinlichkeit das menschliche Geschlecht ein progressives Ganze von einem Ursprunge in einer großen Haushaltung ausmacht, so auch alle Sprachen und mit ihnen die ganze Kette der Bildung. (HERDER [1772] 1978a: 193): Wären die Menschen Nationaltiere, wo jedes die seinige sich ganz unabhängig und abgetrennt von andern selbst erfunden hätte, so müßte diese gewiß eine Verschiedenartigkeit zeigen, als vielleicht die Einwohner des Saturns und der Erde gegeneinander haben mögen; und doch geht bei uns offenbar alles auf einem Grunde fort. Auf seinem Grunde, nicht bloß was die Form, sondern was würklich den Gang des menschlichen Geistes betrifft; denn unter allen Völkern der Erde ist die Grammatik beinahe auf einerlei Art gebaut. (HERDER [1772] 1978a: 194): Wird hier nicht Überlieferung sichtbar? Die morgenländi-
758 schen Alphabete sind im Grunde eins, das griechische, lateinische, runische, deutsche usw. Ableitungen; das deutsche hat also noch mit dem koptischen Buchstaben gemein, und Irländer sind kühn gnug gewesen, den Homer für eine Übersetzung aus ihrer Sprache zu erklären. Wer kann, so wenig oder viel er drauf rechne, im Grunde der Sprachen Verwandtschaft ganz verkennen? Wie ein Menschenvolk nur auf der Erde wohnet, so auch nur eine Menschensprache; wie aber diese große Gattung sich in so viele kleine Landarten nationalisiert hat, so ihre Sprachen nicht anders. (TETENS 1772: 43–44): Nicht allein einige einzelne Personen haben von Natur eine leichter bewegbare Zunge als andere, sondern man hat auch diesen Unterschied bey ganzen Völkern wahrgenommen, wie bey den mundfaulen Indianern in Domingo, und denen unter ihnen sich befinden und aus Africa dahin gebrachten geschwätzigen Mohren. Dieses ist ohne Zweifel eine Wirkung von dem Mechanismus des Körpers, so wie dieser wiederum von andern äussern Ursachen, und, bey rohen Völkern vorzüglich von dem Clima, modificiret wird. Ein lebhaftes Volk war also mehr aufgelegt, dergleichen mechanische Töne hervor zu bringen, als ein anders; es konnte mehr zu dieser Gattung der natürlichen Töne aufgelegt seyn, als zu den übrigen, die es von den schallenden Körpern annehmen und nachahmen mußte, und daher seine Sprache auch mehr mit jenen als mit diesen anfüllen. Aber eben diese letzte Wirkung kan, wie in Dingen von dieser Art so oft geschieht, von einer ganz entgegen gesetzten Ursache entstehen, nämlich von der Trägheit, und von der Ungeschmeidigkeit der Zunge. Denn wenn eine Nation sich darum mehr der mechanischen Töne bediente, weil sie leichter selbst erfand als nachmachte, so konnte eine andere sich ebenfalls derselben darum am häufigsten bedienen, weil sie zum Nachmachen zu ungelenksam war. Diese mußte sich mit dem genügen, was die Natur und Noth ihr abzwang. Es ist zu vermuthen, daß in den vocalreichen Sprachen eine vorzügliche Menge von dieser Gattung der natürlichen Töne enthalten sind. (TETENS 1772: 56): Wenn die Sprachen Wirkung des menschlichen Witzes und der Umstände sind, wodurch seine Sprachfähigkeit
III. Einheit und Vielfalt modificiret und geleitet worden ist, so müssen sie auch dieser ihrer Ursache entsprechen. Man wird daher bey ihnen einige Beschaffenheiten antreffen, welche von der Natur des Menschen, und von den nothwendigen Wirkungsgesetzen seiner Leibes- und Seelenfähigkeiten, abhangen, und diese Beschaffenheiten werden bey allen Sprachen in der Welt so allgemein seyn, als es die Grundeinrichtung des Menschen ist. Es wird andere Eigenschaften geben, die zwar nicht so nothwendig wie jene, aber wegen der Aehnlichkeit einiger äussern Umstände, unter welchen sich der Mensch an allen Orten der Welt befindet, allen Sprachen gemeinschaftlich sind. Es muß andere geben, welche in den unterschiedenen Sprachen eben so verschieden sind, als die Völker selbst, in den verschiedenen Ländern und unter verschiedenen Umständen. (TETENS 1772: 56): Das Allgemeine und Nothwendige, welches von Einigen das Metaphysische in der Sprache genennet wird, ist das Allerwenigste. Es ist fast zu zweifeln, ob es ein einziges Wort gebe, es müßte denn etwan eine einfache Interjection seyn, welches in allen Sprachen auf der Welt einerley Sache anzeiget. In der Grammatik, welche die Form der Sprache bestimmet, muß dieses Nothwendige noch am häufigsten gefunden werden. Dennoch würde eine Grammatik, die nur völlig allgemeine Regeln in sich faßte, in der That von einem geringen Umfange seyn. Alles übrige ist zufällig und veränderlich, und verschieden in den verschiedenen Sprachen. Und diese Verschiedenheit fieng schon bey den ersten Grundzügen an, und vermehrte sich, je weiter die Sprachen sich ausbildeten. (TETENS 1772: 57): Die ersten natürlichen mechanischen Töne waren schon nicht in allen Erdgegenden eben dieselben. Der Orientaler aspirirt stärker als der Nordländer. Die natürlichen Schallarten der Körper sind an sich nicht allemal einander völlig ähnlich; das Quaacken, der Frösche ist nicht immer einerley Geschrey; der Knall des Donners hat nicht immer völlig einerley Ton, und das Sausen des Windes lässet sich bald so bald anders hören. Dazu müßte das nur unvollkommene Nachmachen dieser Töne bey verschiedenen Menschen auch nothwendig verschiedentlich ausfallen.
Universalität und Verschiedenheit (TETENS 1772: 57): Und zu diesen Mannigfaltigkeiten in den ersten Elementen der Sprachen kömmt nun noch diejenige, die weit größer ist, als die vorhergehenden, welche bey der Uebertragung der Nahmen von einem Dinge auf das andere statt gefunden hat. Die Einbildungskraft konnte jeden besondern Gegenstand auf unzählig verschiedene Dinge beziehen, mit jedem eine andere Aehnlichkeit entdecken, und auf eine eben so vielfache Art ihn benennen. (TETENS 1772: 57–58): Eben so natürlich entstand der Unterschied in der Oeconomie oder in der Form der Sprachen. Eine Nation besaß eine lebhaftere und vieles auf einmal umfassende Einbildungskraft. Diese stellte sich eine Sache mit ihren Neben-Umständen auf einmal zugleich vor, und druckte dieses Ganze auch also aus, daß sie die Neben-Ideen, die handelnde Person, die Zeit, die Zahl, und dergleichen, und mit einigen Abänderungen des Haupttons zu erkennen gab. Eine solche Sprache erhielte Kürze, Feuer und Nachdruck. Ein anderes Volk dachte langsamer, aber auch deutlicher, und mit einer bessern Auseinandersetzung seiner Begriffe. Die Neben-Ideen eines Hauptbegrifs [sic] wurden weiter von einander abgesondert, und, um jene anzugeben, bediente man sich besonderer Töne, welche zu dem Grundton hinzugefüget worden. (RIVAROL [1784] 1998: 52): J’avais d’abord établi que la parole et la pensée, le génie des langues et le caractère des peuples, se suivaient d’un même pas; je dois dire aussi que les langues se mêlent entre elles comme les peuples, qu’après avoir été obscures comme eux, elles s’élèvent et s’ennoblissent avec eux: une langue riche ne fut jamais celle d’un peuple ignorant et pauvre. (BEATTIE [1788] 1968: 105–106): Languages, therefore, resemble men in this respect, that, though each has peculiarities, whereby it is distinguished from every other, yet all have certain qualities in common. The peculiarities of individual tongues are explained in their respective grammars and dictionaries. Those things, that all languages have in common, or that are necessary to every language, are treated of in a science, which some have called Universal or Philosophical Grammar; whereof I shall now endeavour to unfold the principles. The knowledge of it will not only illus-
759 trate what we may already have learned of the grammatical art; but also, by tracing that matter to its first elements, will give us more comprehensive views of it than can be obtained from any particular grammar; and at the same time make us better judges of the nature and extent of human language, and of the connection, that obtains between our words and thoughts. (BEATTIE [1788] 1968: 125): The words of different languages differ greatly in sound. Nay, in this respect two languages may be so unlike, that the most perfect knowlege of the one would not enable us to understand a single word of the other. If, therefore, all languages have some things in common, those things must be sought for, not in the sound of the words, but in their signification and use. (GARCÉS 1791: I, I–II): […] que entre millones de hombres, aunque todos concurran y se parezcan en la general del rostro, apénas hallaréis dos que de todo en todo se semejen en las propias lineas de su fisionomía. Pues esto mismo sucede en las lenguas; porque todas concurren en los mismos puntos de sonido por sus vocales, y de articulacion por sus consonantes: todas tienen nombres, que significan las cosas, y pronombres que las representan: todos verbos que comunican á la mente la verdad, accion, ó estado del objeto, ayudándose de adverbios, que lo suben, ó baxan de punto, segun les cumple, y de preposiciones, que pasan, y asientan la accion á verdad sobre el sugeto que miran; del mismo modo todas tienen partículas, que en el enlazar de las palabras ó períodos llevan en sí depositado (I) lo mas bello y primoroso de la elocucion; y finalmente todos tienen interjecciones; si bien son ellas de tal condicion que atento su ser y particular semejanza en todas las naciones, y aun vivientes pueden con cierta propiedad llamarse el cándido y natural lenguage del corazon, que dellas se sirve, como de otras tantas cifras, ó notas de sus mas íntimos sentimientos. [Anm.] I: In particulis dici non potest quanta sita sit… elegantia. Jo. Gottl. Heineccius Fundam. stili cultior. part I cap. I, n. XV. (GARCÉS 1791: I, II): Mas baxo esta general uniformidad de las lenguas, quién no se maravillará de la simple y fecunda naturaleza que supo mostrar con pocos generales principios,
760 é instrumentos casi infinitos, maravillosos efectos, habiendo dado en solas cinco vocales, o puntos de sonido, y pocos mas de articulacion á todas las naciones tan diferentes entre sí y aun contrarias en costumbres, ritos, dominancia, y fortuna, abundante manera de articular cada una á su modo una casi inmensa extension de ideas simples y compuestas de la mente, y los inumerables movimientos del corazon mostrando, combinando, y extendiendo quanto conocen, reflexionan, y sienten sobre el profundo caos del tanto, y tan vario ser con todas las relaciones que dicen entre sí por su esencia, conveniencia, utilidad., oposicion, &c. explicando los afectos, que de todo esto pueden hacer en el corazon por mil incomprehensibles modos acomodados al genio de cada nacion, proporcionados a todos los puntos, combinados con todos los respetos; y todo aunque tanto y diverso reducido á pocos generales principios de sonido y articulacion. (GARCÉS 1791: I, III-IV): Mas por lo que toca á aquellas únicas y singulares partes, con que una lengua se distingue de otra, y son como lineas de particular gracia que forman su hermosura, y gala, no hay duda sino que, aunque deban su ser principalmente al arbitrio de los nacionales, han debido de concurrir á formarlas ó por sí, ó de por junto con el clima, ó genio del país su legislacion, ciencias, trato, comercio, y sobre todo aquel dominar que desto derivase de unas pasiones mas que otras. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 11): Las lenguas diversas, quando se escriben, presentan al lector dos distintivos característicos de su diversidad, que son las palabras, y el artificio gramatical con que estas se ordenan para formar el discurso; y quando se hablan, presentan otro tercer distintivo, que es el de la pronunciacion ó acento vocal con que se profieren las palabras. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 15): Tres son, como ántes se dixo, los principales distintivos característicos de cada lengua: conviene á saber, las palabras de esta, su artificio gramatical, y su pronunciacion. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 17–18): Las naciones de orígen comun provienen de una misma familia, y consiguientemente hablan dialectos del idioma de esta, que no se deben diferenciar tanto como los dialec-
III. Einheit und Vielfalt tos forasteros de naciones de orígenes diversos, porque estas naciones descendiendo de familias de idiomas diversos deben conservar muchas palabras é idiotismos de ellos. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 19–20): A mi parecer se puede establecer por regla general, que todas las naciones siempre conservan substancialmente la pronunciacion antigua de sus respectivos idiomas primitivos; y que la conservan no solamente aquellas que siempre los han hablado, ó hablan dialectos de ellos, mas tambien las que habiéndolos abandonado hablan lenguas forasteras. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 23): […] y principalmente del artificio gramatical de ellas. Este artificio ha sido en mi observacion el principal medio de que me he valido para conocer la afinidad ó diferencia de las lenguas conocidas, y reducirlas á determinadas clases. El artificio particular con que en cada lengua se ordenan las palabras, no depende de la invencion humana, y ménos del capricho: él es propio de cada lengua, de la que forma el fondo. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 32): No pocas veces los autores antiguos á naciones que hablaban dialectos ó lenguages provenientes de una misma lengua matriz, nos las proponen como naciones totalmente diversas de lenguas desemejantes, porque ellos, segun la opinion vulgar, por lenguas diversas entendian ó tenian todas aquellas que notablemente eran diferentes, aunque tuvieran afinidad clara de dialectos: y por esto de la sola diversidad de lenguas […]. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 5): […] mais avons-nous une Grammaire vraiment philosophique? on peut assurer que non; et quant aux Grammaires générales, on peut affirmer que même nous n’en aurons jamais qui soient parfaitement dignes de ce nom: car comment tracer un code qui devienne celui de toutes les langues? comment rattacher les usages de toutes les langues aux mêmes principes? Et si la chose n’étoit pas impossible, quel homme seroit assez savant pour l’entreprendre et n’y pas échouer? (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 11): Les langues s’appellent idiômes, lorsqu’on les considere sous le rapport des vues particulières et des
Universalität und Verschiedenheit tours singuliers qui les distinguent, et qui font le caractère propre de chacune d’elles. (DENINA 1804: III, 1–2): On ne dispute pas à la langue italienne le titre de fille ainée de la latine, mais c’est bien moins pour être née avant la françoise et l’espagnole, que parcequ’elle ressemble beaucoup plus que celles-ci à la mère commune. Il est même certain qu’on a des monumens en langue françoise, antérieurs à ceux que l’on peut produire en langue italienne. Et puisque ces trois idiomes sont nés incontestablement de la corruption du Latin, il est à supposer que cette corruption a eu lieu plus facilement et plutôt dans les pays plus éloignés du siège de la langue mère, et qu’elle y a été plus grande que dans les contrées voisines. Cependant elle a été bien moins l’effet d’une plus grande distance du berceau et du siège de la langue mère, que de la différence du climat, du sol, de l’air des pays, ou d’une habitude de prononciation contractée par des circonstances peu connues. Effectivement nous trouverons une foule de mots latins qui ont éprouvé plus de changement dans quelques provinces d’Italie, qu’en Espagne, et en Portugal. Mais puisque la langue italienne a été parfaitement formée, réglée, et portée à son plus haut dégré de perfection, et même hautement illustrée, longtems avant la françoise et l’espagnole, c’est par elle que nous croyons devoir débuter en traitant de l’origine de ces trois ou quatre langues. Nous commencerons néanmoins par observer qu’elles se sont formées de la même maniére, et sont également l’effet des mêmes causes que l’on peut réduire à ces trois. La première est la prononciation inexacte et défectueuse des mots latins; la seconde un mêlange plus ou moins considérable de mots étrangers, grecs ou barbares, comprenant sous le nom de barbares les langues des peuples, qui n’avoient point de livres dans leurs idiomes en leur propre langue. La troisième qui cependant est en grande partie une suite nécessaire des deux precédentes, est l’emploi des mots, dans un sens différent de celui que leur avoient donné les bons écrivains, dans le tems que la langue étoit florissante. (DENINA 1804: III, 4): Les barbares qui ont envahi les provinces de l’empire romain, ont certainement contribué à la corruption de la langue qu’on y parloit, mais cette invasion
761 ayant eu lieu tant en Italie que dans les Gaules et l’Espagne, l’effet qu’elle produisit à l’égard des langues généralement encore dominantes, fut le même. Et cette quatrième cause de la corruption de la langue ancienne et de la naissance de modernes, est aussi commune à toutes également. Nous aurons même assés lieu de remarquer qu’il s’est introduit plus de mots Gothiques et Teutoniques dans l’Italien, que dans le François, dans l’Espagnol, et le Portugais. Ce qu’elles ont de commun et qui les sépare également de la latine, c’est l’introduction, et l’usage des articles pour les noms et des auxiliaires dans les verbes. (DENINA 1804: III, 52): Le fond du langage des trois grandes îles de la Méditerranée, la Sicile, la Sardaigne et la Corse, est tout aussi bien latin que celui des dialectes des contrées d’Italie les plus proches de la campagne de Rome où est née la langue latine, et de la Toscane, où s’est formée la langue commune d’Italie. Mais la forme s’en éloigne à mesure de la distance qui se trouve entre Rome, Florence, Palerme, Cagliari et Bastia. (DENINA 1804: III, 107–108): Par tout ce que nous venons de dire, on voit de quelle manière s’est formé le gros corps de la langue françoise; et il est assez prouvé qu’elle ne s’écarte de la langue latine, sa mère, que par une diversité réelle, quoiqu’imperceptible, dans l’organe de la parole, ou peut-être de l’ouie; et que c’est par une différente manière de saisir et de rendre, en parlant, les mots latins, que la langue françoise diffère de l’italienne. C’est là, une cause physique et matérielle de cette différence. Des causes morales ou intellectuelles y ont peu contribué. (BERNHARDI [1805] 1990: 44): Das leitende Princip bei dieser Untersuchung ist die Bildung der Gesellschaft, denn diese will ja eben das, was die Sprache zum Zweck hat, Verknüpfung vernünftiger Wesen zu Einer Vernunft. So viele Stuffen der Geselligkeit es also giebt, eben so viele Momente in der Sprache muß es geben.
III. Die Verschiedenheit der Sprachen wur-
de sowohl als Beweis dafür betrachtet, dass ihre Gestalt als Erscheinungsform von Körperlichkeit nichts mit dem Denken zu tun hat, als auch als ein Argument eingebracht, das den cartesischen Dualismus so nachhaltig in
762 Frage stellte, dass es letztlich zu seiner Überwindung beitrug (ĺ besonderer Charakter einer Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). 1. DESCARTES und der Universalismus Nach der Veröffentlichung des Discours de la méthode (1637) hatte das “montaignistische” Lager eine Gegenposition zum Cartesianismus entwickelt, die insbesondere DESCARTES’ These vom Tierautomatismus als Paradoxon darstellte und sie in ihrem argumentativen Bruch zum Rest des Discours kritisierte. Natürlich war DESCARTES das Provozierende an der Annahme des Tierautomatismus nicht entgangen. Im fünften Teil des Discours wechselt der Ton der Darlegung von strenger Beweisführung zu deutlicher Polemik. Die Argumentation orientiert sich nicht mehr an der methodischen Ordnung, der die Rekonstruktion der Welt und der Stellung des Menschen in ihr gefolgt war, dafür wird eine dialektische Argumentationsweise eingeführt, die Argumente des Gegners vorführt und widerlegt. DESCARTES will damit der Provokation begegnen, die MONTAIGNEs Darstellung der Tiere für die Wissenschaften und die Theologie darstellte. Nicht nur ein radikaler Skeptizismus konnte durch MONTAIGNE unterstützt werden, sondern seine Anhänger legten zu DESCARTES’ Zeit auch eine materialistische Psychologie nahe, die das menschliche Erkenntnisvermögen auf körperliche Wahrnehmungen reduzierte und damit die Beweisbarkeit der unsterblichen Seele untergrub. In der Annahme einer unüberbrückbaren Kluft zwischen dem durch die res cogitans bestimmten Wesen des Menschen und dem der Tier-Automaten fand sich ein sicherer Weg zur Abwehr dieser Tendenzen. Bei DESCARTES gibt es zunächst zwei Gruppen von Beweisen des Tierautomatismus, die beide ausschließender Natur sind. Die erste Gruppe von Beweisen eines grundsätzlichen Unterschieds zwischen dem seelenlosen Tier und dem aufgrund seiner Sonderstellung in jeder Situation anpassungsfähigen Menschen ergibt sich aus seiner Sprachfähigkeit, die Tiere und konstruierte Automaten nie erreichen würden. Gegenüber der mechanischen und körperlichen Seite der Sprachproduktion wird eine nicht nur reaktive Fähigkeit zur sprachli-
III. Einheit und Vielfalt chen Äußerung zum unterscheidenden Kriterium des Menschen erklärt. In der zweiten Gruppe von Beweisen dafür, dass Tiere keine Seele haben, stellt DESCARTES im Discours de la Méthode fest, dass Tiere zwar einige Handlungen sogar besser ausführen als die Menschen, aber nicht nach einer universellen Vernunft, nicht frei von sehr speziellen Umständen handeln können. Im Discours de la Méthode war DESCARTES bei der Unterscheidung einer universellen geistigen Anpassungsfähigkeit des Menschen und eines entsprechenden sprachlichen Ausdrucksvermögens offensichtlich von der Unterscheidung der Stoiker zwischen Innerem und Äußerem angeregt worden, er stellt jedoch diese Symmetrie nicht im klassischen Sinne her. In späteren Briefen verschwindet sie sogar zunehmend, so bleibt im Brief an MORUS vom 5. Februar 1649 die Sprache als einzige Form übrig, in der sich das vom Körper verhüllte und eingeschlossene Denken zu erkennen gibt. Im Grunde reduziert sich DESCARTES’ Beweisführung damit auf folgenden Schluss: 1. Es ist unmöglich, dass eine Maschine sprechen kann, 2. Das Tier kann nicht sprechen, 3. Es ist also eine seelenlose Maschine. Mit der Umkehrung des ersten Satzes zu einer Prämisse (‘Was nicht sprechen kann ist eine Maschine’) ist der Ansatz für eine hohe Wichtung der Sprache bei DESCARTES gegeben. Dieser Ansatz wird jedoch nicht weiter ausgeführt und von daher den unterschiedlichsten Deutungen preisgegeben. Wenn der Verweis auf die Sprachfähigkeit bei DESCARTES als einziges Argument für die Sonderstellung des Menschen gegenüber den als Automaten aufgefassten Tieren übrig bleibt, wird zudem der Sprache gewissermaßen die Universalität des Handelns des Menschen, das vernunftgeleiteten und nicht wie bei den Tieren rein mechanischen und reaktiven Prinzipien folgt, übertragen. Im gleichen Maße tritt die materielle Gestalt nicht nur der menschlichen Handlungen allgemein, sondern auch der sprachlichen Handlungen in den Hintergrund. Wie bereits für den Discours de la méthode festgestellt, hatte DESCARTES deutlich zwischen einer materiellen Perfektion des Automaten und seiner Sprach- und universellen Handlungsfähigkeit unterschieden. Ebenso wie eine Uhr die Zeit besser
Universalität und Verschiedenheit messen könne als der Mensch, könne ein Tier für bestimmte Verrichtungen durch seine organische Disposition sogar besser eingerichtet sein. Im Hinblick auf die Sprachfähigkeit können dagegen auch noch so wohlkonstruierte Tiere und Automaten nicht einmal mit den zurückgebliebensten und stumpfsinnigsten Menschen mithalten. Von daher ist es durchaus möglich, dass Papageien oder andere Tiere sprachliche Äußerungen ebenso oder besser von sich geben als Menschen, sie werden jedoch nicht in der Lage sein, sie der Vernunft entsprechend einzusetzen und zu verstehen zu geben, dass sie denken, was sie sagen. Dagegen erfinden Menschen, die taub und stumm geboren sind, sich selbst Zeichen zum Ausdruck ihrer Gedanken (ĺ Zeichen und Idee), da die menschliche Natur danach verlangt. Der Unterschied zwischen den Tieren und den Menschen ist für DESCARTES somit kein gradueller, der durch besonders hervorragende oder depravierte Vertreter einer Gattung in der einen oder anderen Richtung zu überwinden wäre, sondern ein unüberbrückbarer und durch das Vorhandensein von Vernunft beim Menschen gegebener. Sprache wird also zum universellen und definitorischen Merkmal des Menschen und nur des Menschen erklärt. Auf diesem Hintergrund rechtfertigt sich durchaus das Postulat eines Universalismus. Der eigentliche sprachtheoretische Rationalismus wurde weniger von DESCARTES selbst entwickelt, schon im 17. Jahrhundert und verstärkt im Jahrhundert der Aufklärung kam es jedoch zu Versuchen, DESCARTES’ Lehre mit einem sprachtheoretischen Komplement zu versehen. An die augustinisch-rationalistische Tradition anknüpfend, übernimmt dies die Grammaire générale et raisonnée von PortRoyal (1660), die zu Beginn des zweiten Teils den Vergleich der mechanischen Sprachverwendung mit den Papageien aufnimmt und der spirituellen Seite der Sprache deutlich mehr Raum gibt als der materiellen. Bemerkenswert ist dabei die Zurückführung unendlich vieler Ausdrucksmöglichkeiten, die nach DESCARTES gerade dem Wesen des Menschen und der Situationsunabhängigkeit seines Handelns entsprechen, auf eine sehr begrenzte Zahl von Lauten. Der Gedanke der Optimalität von Elementen und Organisati-
763 onsebenen begleitet die Entwicklung von Sprachtheorien, die materiellen Zufälligkeiten in den Ausdrucksformen eine vernunftbestimmte, ‘natürliche’ mentale Ordnung gegenüberstellen, offensichtlich schon in frühen Ausprägungen (ĺ natürliche Sprache). Die Unterscheidung von Körper und Geist, die bei einer Übertragung auf die Sprachproblematik zwingend die Annahme einer arbiträren Relation zwischen Lauten und Bedeutungen voraussetzt (ĺ Arbitrarität, ĺ Bedeutung), ist auch im Discours physique de la parole (1668, korrigierte Ausgabe 1677) von CORDEMOY der eindeutige Ausgangspunkt. Dabei wird nicht mehr wie bei DESCARTES einfach festgestellt, dass die Art der menschlichen Sprachfähigkeit auf eine von Automaten nicht erreichbare Qualität von Verstandesleistungen hindeutet, sondern es wird auch der am körperlichen Wesen des Menschen partizipierende Teil der Sprache ausführlich behandelt. Nicht mit einem Körper verbundene Geister hätten freilich den Vorteil, auf nichtkörperliche, stets klare Kommunikationsformen zurückgreifen zu können. Dieser Zustand sei dem Menschen zwar nicht erreichbar, jedoch könne ihm ein esprit éclairé zustreben (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache; ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die Beschäftigung mit der Sprache und ihrer Erklärung wird hier zu einer Art Annäherung an Kommunikations- und Erkenntnismöglichkeiten erhoben, die dem Menschen aufgrund seines körperlichen Wesens nicht gegeben sind. In Umkehrung der Argumentation wird aus der Gleichartigkeit, mit der die Menschen ihre Sprachfähigkeit gebrauchen, auf das Vorhandensein einer Seele geschlossen. Über die Produktion von Lauten hinaus, die Papageien ebenso wie Menschen zustande brächten, lasse die Zweckgerichtetheit der menschlichen Sprachverwendung das Vorhandensein der raison erkennen. Neben den Schreien, die Leidenschaften des Körpers ausdrücken (signes naturels de la passion) und allen Völkern gemeinsam, wenngleich durch ĺ Missbrauch trügerisch seien, nimmt CORDEMOY in ihrer universellen Ausdrucksfähigkeit leistungsstärkere signes d’institution an (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Diese konventionellen Zeichen
764 (ĺ Konvention) der menschlichen Lautsprache erklärt er in ihrem Wesen analog zum Verhältnis von Körper und Geist. Die verschiedenen Wege, auf denen Menschen Kommunikation mit ihresgleichen herstellen, also die Erfindung von Universalsprachen (ĺ Universalsprache), der Erwerb einer Fremdsprache oder der kindliche ĺ Spracherwerb, ließen das Wirken einer Seele deutlich werden, die nicht von äußeren körperlichen Bedingungen abhängt. Demgegenüber würden die Tiere bereits aufgrund ihrer körperlichen Beschaffenheit bestimmte, für ihre Artgenossen erkennbare Laute abgeben (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)). Den Regeln der ĺ Grammatik, die CORDEMOY als etwas universell Gültiges betrachtet, folgt bereits der ĺ Spracherwerb des Kindes, in dem sich die Prinzipien der raison auf elementare und beobachtbare Weise manifestieren. In der Art, wie Kinder ihre Sprache erlernen und dabei Bedeutungen unterscheiden (ĺ Bedeutung) und Gedanken anordnen, ist hinter den Zufälligkeiten der Umgebung das Wirken der raison zu erkennen, das auf diesem Wege genug Argumente für die Unterscheidung von Körper und Seele liefere. Sprachunterschiede werden auf dieser Grundlage als unproblematisch angesehen, da sie ohnehin nur das äußere körperliche Erscheinungsbild, nicht das eigentliche auf der raison und der âme beruhende Wesen der Sprachen ausmachen (ĺ Wesen der Sprache). Wörter sind austauschbar, sobald man die bezeichneten Konzepte erfasst hat. Die Sprachverschiedenheit gilt auf der Basis DESCARTES’ und der ihm folgenden rationalistisch-augustinischen Grammatiker problemlos als Beweis für die ĺ Arbitrarität der Zuordnungen von Lauten und Bedeutungen, solange das sprachtheoretische Denken auf einer Basis steht, die es keinesfalls zulässt, auch die beiden Korrelate selbst auf eine mögliche Arbitrarität ihrer Zusammensetzung zu hinterfragen. 2. Trennung und Verbindung universeller und einzelsprachlicher Grammatik Wie das Beispiel des Grammatikers der französischen Enzyklopädie BEAUZÉE zeigt, lässt sich auf dieser Basis im 18. Jahrhundert eine
III. Einheit und Vielfalt Trennung von zwei Arten der Grammatikbetrachtung finden: die grammaire générale und die grammaire particulière (ĺ Grammatik). Zwei Bereiche, in denen das Thema Sprache zentral ist, grenzt er klar gegeneinander ab und definiert sie als Wissenschaft und Kunst, letztere durchaus mit einem gewissen Anklingen an die arts méchaniques. Doch schon in der Bestimmung der notwendigen, in allen Sprachen zu findenden unveränderlichen Merkmale ist der Bezug zu den überlieferten grammatischen Kategorien, in denen die Eigenschaften der Einzelsprachen beschrieben werden, offensichtlich: die ĺ Artikulation der Laute, ihre Beziehung zu Buchstaben (ĺ Laut vs. Buchstabe), die Eigenschaften der Wörter und die Wortfolge (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) sind letztlich Bereiche der Sprachbeschreibung, die hier universalisiert werden. Insofern baut gerade die definitorische Trennung zwischen der Feststellung universeller Prinzipien der menschlichen Sprachfähigkeit und der Beschreibung von einzelnen Sprachen eine Brücke zwischen beiden auf. Als Beispiel für eine ebensolche gleichzeitige Trennung und Verbindung von universeller und einzelsprachlicher Sprachbetrachtung sei ein zu einem völlig anderen Thema und aus einer anderen Perspektive geschriebener Text genannt, nämlich der Beginn von MENDELSSOHNs Notizen zum ĺ Ursprung der Sprache, der die Berliner Preisfrage auf seine Art reformuliert. Auch hier geht es auf der einen Seite um die natürlichen, universellen Kräfte des Menschen, die zur Sprachentstehung führten, auf der anderen um die Realität der Ordnung, die wir in den bekannten Sprachen finden. Auch hier findet die Trennung mindestens dann ihre Grenzen, wenn die deduktiv abgleiteten Schritte der Sprachentstehung mit Kategorien beschrieben werden, die aus der grammatischen Beschreibung entlehnt sind: erst sollen die Hauptwörter entstanden sein, dann die Eigenschaftswörter usw. (ĺ Wortarten). Auch dort, wo es ganz offensichtlich um die anthropologischen Grundlagen geht, wo Prinzipien einer universellen, nicht am mechanischen Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) orientierten ĺ Grammatik entdeckt werden sollen, kommt man offensichtlich an der durch Viel-
Universalität und Verschiedenheit falt geprägten Realität nicht vorbei. Diese Vielfalt ist zwar nicht Ziel, sondern eher notwendiges Übel, durch das man hindurch muss, sie zu ignorieren hatte sich jedoch im Grunde bereits im 17. Jahrhundert, dort verboten, wo wirklich über Sprache nachgedacht wurde. Selbst die Feststellung, dass sich für die Grammatiker von Port-Royal hinter den Unterschieden der Sprachen eine universelle Logik verbirgt, erfasst nur eine Seite des in PortRoyal entwickelten sprachtheoretischen Denkens. Sie wäre mindestens zu ergänzen durch die in der Logik (1662) entwickelte semantische Theorie, die eine Beschäftigung mit den Nebenideen, den idées accessoires, in ihrer Differenziertheit fordert (ĺ Bedeutung). Selbst in den aus dem 17. Jahrhundert übernommenen und von einigen Autoren des 18. Jahrhunderts mehr oder weniger konsequent fortgesetzten rationalistischen Auffassungen fanden sich durchaus bereits Ansätze dafür, die Verschiedenheit der Sprachen ernst zu nehmen. Dies bedeutete allerdings noch nicht, dass eine Korrelation zu Besonderheiten in Denken und Kultur hergestellt würde. Auf dem Hintergrund des cartesischen Dualismus hatte vor allem der Begriff der ĺ Arbitrarität des sprachlichen Zeichens die Möglichkeit geschaffen, die Vielfalt der Sprachen als äußere, zufällige Erscheinung, einem einheitlichen menschlichen Denken, das in keiner wesentlichen Beziehung zur Unterschiedlichkeit der Sprachen steht, zu erklären (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Damit konnte man problemlos einem Argumentationsmuster folgen, das in der Vielfalt der Sprachen nach der ĺ Sprachverwirrung von Babel eine Strafe sah. Auf diesem Hintergrund ist eine enge Arbitraritätsauffassung zwingend. Wenn die Beziehung zwischen dem sprachlichen Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) und dem bezeichneten Gegenstand nicht arbiträr wäre, müsste es – schon aufgrund der Einheitlichkeit des Denkens – nur eine Sprache geben. Dieses Erklärungsmuster geriet jedoch mit der empirischen Kenntnisnahme der Sprachenvielfalt und der Aufwertung von Volkssprachen (ĺ Apologie) in der frühen Neuzeit in Konflikt.
765 3. Die Herausforderung der Vielfalt der Sprachen Bestandteil der Herausforderung der Vielfalt der Sprachen war bereits im 16. Jahrhundert der Kontakt mit außereuropäischen Sprachen geworden. Die Eingeborenensprachen, auf die man im Ergebnis der Entdeckungsreisen und der beginnenden Kolonialisierung gestoßen war, waren nicht ohne weiteres mit der griechisch-lateinischen Tradition der Sprachbeschreibung zu erfassen. Bei der Beurteilung der ersten Beschreibungen dieser Sprachen muss berücksichtigt werden, dass sie vor allem als Instrumente für spätere Missionare verfasst wurden. Der Gebrauch der lateinischen Sprache als Metasprache und kategoriales Instrument ergab sich daraus als pragmatische Konsequenz. Ein Beispiel der exogenen Übertragung grammatischer Kategorien findet sich in einer Quechua-Grammatik, der Gramatica y arte de la lengua general de todo el Peru, llamada lengua Quichua, o lengua del Inca (1607) des Jesuiten GONÇALEZ HOLGUIN. Die Kategorie des Kasus wird darin in Anlehnung an einen Katechismus eingeführt und formal definiert. Damit wird die Voraussetzung geschaffen, an ‘Wurzeln’ angehängte Elemente als Kasus zu bestimmen und sie funktional nach den sechs Kasus des Lateinischen zu deuten. Gleichzeitig wird die Bedeutung dieser Endungen als exklusive Kasusmarkierung gekennzeichnet und andere Bedeutungen werden ausgeschlossen. Auch für ein Verständnis der Varietäten der Eingeborenensprachen bezieht man sich auf Konzeptualisierungen, die aus den sprachgeschichtlichen Entwicklungen in Europa hervorgegangen sind und die Verhältnisse in Amerika nicht angemessen widerspiegeln. So betrachtet HUERTA in seiner Arte Breve de la lengua Quechua (1616) die Lenguas Generales nicht als erst in jüngerer Zeit mit überregionaler Geltung eingeführte Verkehrssprachen, sondern als Ausgangspunkt einer Korruption, in deren Ergebnis die vielen einzelnen Eingeborenensprachen entstanden seien. Neben solchen Feststellungen, die auf eine exogene Übertragung des metasprachlichen Verarbeitens der Verhältnisse in europäischen, vor allem in romanischen Sprachen schließen lassen, gibt es jedoch auch Ansätze
766 für eine Wahrnehmung der kategorialen Spezifik der amerikanischen Sprachen. In einigen Fällen werden zwar nicht die für die beschriebenen Sprachen zutreffenden Kategorisierungen erkannt, immerhin wird jedoch festgestellt, dass die aus der lateinischen ĺ Grammatik bekannten Kategorien nicht vorhanden sind. Gemessen am Lateinischen wird ein Fehlen unregelmäßiger Verbformen und die Reduktion der Verben auf eine Konjugationsklasse konstatiert, deren Formenvielfalt dann allerdings als Vorhandensein von noch mehr Tempora als im Lateinischen gedeutet wird (ĺ Verb). Dass mit den gegebenen Formen andere als nur temporale Funktionen unterschieden werden könnten, liegt außerhalb der Wahrnehmungsmöglichkeiten, immerhin wird jedoch eine völlig andere Strukturierung des Verbalsystems erkannt. Die Feststellung der Andersartigkeit der ĺ Grammatik einer Sprache kann sich dabei auch mit dem ausdrücklichen Hinweis auf deren kulturellen Wert verbinden. Fehlende Einsicht in die tatsächlichen Grammatikalisierungsverhältnisse führt oft zur Feststellung eines einfachen und ursprünglichen Charakters von Sprachen. Dem wird jedoch ausdrücklich entgegengehalten, dass diese Sprachen keinesfalls auf einen barbarischen Charakter oder mangelnde Würde der betreffenden Völker schließen lassen. Neben solchen typologischen Unterschieden (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), die aufgrund ihrer Auffälligkeit dazu anhielten, die Verschiedenheit der Sprachen ernst zu nehmen, gab es auch aus der Verwendung der europäischen Sprachen selbst resultierende, gewissermaßen pragmatische Anlässe zu einer Beschäftigung mit der Sprachenvielfalt. Aus der Sprachdiskussion der Renaissance wurden die Überlegungen zur Verschiedenheit der Volkssprachen gegenüber dem Latein fortgesetzt und in neuen normativen Zusammenhängen, aber auch nach wie vor unter apologetischen Aspekten behandelt (ĺ Apologie). Gleichzeitig stellte sich die Frage nach einer universellen, d. h. perfekten Sprache (ĺ Universalsprache), die möglicherweise die als “natürlich” betrachteten Eigenschaften ursprünglicher Sprachzustände repräsentiert (ĺ Natürlichkeit, ĺ Ursprung), möglicher-
III. Einheit und Vielfalt weise aber auch das Produkt menschlicher Abstraktionsleistung sein muss. Ein ebenfalls mit dem Verlust der universellen Geltung des Latein verbundener Gesichtspunkt der Sprachdiskussion sind die Kriterien, die für eine perfekte Sprache, d. h. vorrangig eine für die Wissenschaften geeignete, gelten sollen (ĺ universelle Geltung, ĺ Universalsprache). Diese Frage wird nicht unbedingt als Aufstellung universeller, als vorbildlich anzusehender Eigenschaften verstanden, sie kann sich vielmehr durchaus aus der Wertung vorhandener Sprachen ableiten. Charakteristisch für diesen Bereich der Diskussion ist jedoch ein stark konstruktivistisches Moment, das auch dazu anhält, Sprachen nach einem Idealbild zu verändern oder a priori neu zu entwickeln. Erinnert sei an die Universalsprachenprojekte des 17. Jahrhunderts sowie an LEIBNIZ’ characteristica universalis. Der Versuch der Ideologen in Frankreich, die Thematik des Einflusses der Zeichen auf die Wissenschaften noch einmal im Zusammenhang mit möglichen Verbesserungen der Zeichensysteme zu erörtern, schließt diese Diskussion am Ende des 18. Jahrhunderts zunächst ab (ĺ Zeichen und Idee; ĺ Bedeutung). Immer wieder wurde in dieser Diskussion auch die Frage gestellt, ob eine Produktion wissenschaftlicher Texte in einer Vielzahl von Sprachen überhaupt wünschenswert und legitim ist, oder ob man nicht besser doch auf das Latein zurückgreifen sollte. So schreibt MAYANS, dass man beim Gebrauch des Lateins bleiben soll, um nicht zu viel Zeit für das Erlernen von Sprachen zu verbrauchen. Ebenso wie im Fall des Lateins, führt auch die Infragestellung des Französischen als Gelehrtensprache dazu, dass die ĺ universelle Geltung im Gebrauch problematisiert wird. Verwiesen sei auf die von der Berliner Akademie aufgeworfene Frage nach der Universalität des Französischen (1782/1784). Eine Frage nach den Gründen für die Universalität des Französischen hatte es vorher an der Académie Française selbst gegeben, schließlich wurde sie um 1810 unter sehr spezifischen Bedingungen in Portugal nochmals gestellt. Die Logik, die dem Phänomen der Universalität innewohnt, trug dazu bei, dass bestimmte Argumente oder Fakten immer wieder als be-
Universalität und Verschiedenheit weiskräftig angeführt werden. Daraus entsteht auch der Eindruck eines Gleichklangs der Argumentation. Als Ursachen der Universalität des Französischen nennt zum Beispiel SCHWAB, einer der beiden Gewinner der Berliner Preisfrage, die Natur der Sprache (Leichtigkeit, Regelmäßigkeit, ĺ Klarheit, Ausbildung), die Qualität der französischen Nation und die französische Außenpolitik. Bei EBERHARD, einem Hallenser Philosophen, liest man als Gründe die Vortrefflichkeit des Französischen (Perfektion, ĺ Reichtum des Wortschatzes, Deutlichkeit), die überlegene Kultiviertheit dieser Sprache und der Franzosen (Literatur, Geschmack, Vorbildwirkung), schließlich die Wirkung nach außen. Besonders in RIVAROLs Schrift ist festzustellen, dass er die unterschiedlichsten Argumente aus der bisherigen Sprachdiskussion entlehnt und in sehr inkohärenter Weise nebeneinander reiht. Die Feststellung, dass die natürliche Wortfolge, die das Französische habe, am besten den Gesetzen des universellen Denkens folgen würde (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion), steht unvermittelt neben Argumenten, die aus sensualistischen Sprachtheorien entlehnt sind und von einer Verwendung der Sprache für den Ausdruck und die Hervorrufung von Leidenschaften ausgehen. In der Diskussion um die Vorzüge einer Sprache (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) kam es offensichtlich nicht auf Schlüssigkeit der Argumentation, sondern auf passfähige Ordnung der Topoi an. 4. Ansätze zu einer Deutung der Vielfalt der Sprachen im frühen 18. Jahrhundert Die Möglichkeit, die Verschiedenheit der Sprachen auch im Hinblick auf die Erkenntnismöglichkeiten der Menschen und ihre kulturellen Zusammenhänge zu deuten, hatte sich bei LOCKE bereits angedeutet. Unter Ausdehnung des Begriffs der ĺ Arbitrarität nicht nur auf die Beziehung zwischen Zeichen und Ideen (ĺ Zeichen und Idee), sondern auch auf die Zusammensetzung der komplexen Ideen selbst, stellte LOCKE fest, dass die Umwelt und der Umgang mit den Dingen darüber entscheiden, welche komplexen Ideen durch sprachliche Zeichen gefestigt werden. Ideenkombinationen, die im Leben der Menschen häufig auftreten, werden zu komplexen Ideen und erhalten eigene Be-
767 zeichnungen, während seltene Kombinationen von Ideen ohne Namen bleiben. Den Zusammenhang, der sich dadurch zwischen den Wörtern einer Sprache und der Begriffswelt ihrer Sprecher herausbildet, verdeutlicht LOCKE am Beispiel der Unterscheidung von Eis und Wasser in verschiedenen Sprachen. Das Vorhandensein der unterschiedlichen Bezeichnungen ice und water und der häufige Umgang mit den entsprechenden Erscheinungen würde jedem Engländer nahelegen, auch deutlich zwischen den beiden verschiedenen Dingen zu unterscheiden. Jemand, der in Jamaika aufgewachsen sei und daher weder die Erscheinung ‘Eis’ noch den zugehörigen Namen dafür kenne, würde dagegen nicht zögern, Eis und Wasser als ein und dieselbe Sache anzusehen. Schließlich gelangt LOCKE zu einer noch weiter gehenden Feststellung über den Nebel, den die Sprache mitunter zwischen dem menschlichen Erkenntnisvermögen und der Objektwelt aufziehen lässt. Die Wörter als ein Hindernis, das sich zwischen das menschliche Denkvermögen und die Realität der Außenwelt schiebt, werden hier vor allem im sprachkritischen Sinne thematisiert (ĺ kognitive Funktion der Sprache): Besonders in der französischen Übersetzung durch COSTE, der LOCKE in seinem Vorwort bereits gegen den Vorwurf des Skeptizismus verteidigen musste, wurde der Essay LOCKEs zu einem wichtigen Referenztext der Sprachdiskussion der europäischen Aufklärung. Folgenreich ist bei LOCKE die Annahme einer Relativität der Begriffsbildungen in den Bereichen der Moral und der Religion. Mit dem Negieren eingeborener Ideen lag es nahe, keine allgemeinen Prinzipien für das menschliche Verhalten mehr anzunehmen. Dies bedeutete zwar nicht völlige Beliebigkeit, wie LOCKE von seinen Gegnern vorgehalten worden war, wohl aber die Annahme einer Historizität der Begriffe und die Aufforderung zur Suche nach anderen Grundlagen für gemeinsame Prinzipien im Verhalten der Menschen. Nicht eingeborene Ideen veranlassen dazu, bestimmte Regeln einzuhalten, sondern eine ĺ Konvention, die von den Menschen selbst abhängt. Die Tragweite der Relativität der Begriffe wird insbesondere am Beispiel des Gottesbegriffs veranschaulicht. Das Fehlen eines entsprechenden Wortes in mehreren exo-
768 tischen Sprachen wird als Beweis dafür angenommen, dass die Vorstellung von einem Gott keineswegs allgemeingültig für alle Menschen sei. Noch ein weiterer Vergleich soll die Konventionalität (ĺ Konvention) abstrakter Begriffe bestätigen. Eine Gemeinschaft von Kindern, die niemals Kontakt mit Feuer hatten, hätte auch keinen Begriff von der entsprechenden Erscheinung. Analoges würde auf Personen zutreffen, die mit der Konvention, bestimmte Überlegungen über Ursprung und Gründe der Welt mit dem Gottesbegriff zu belegen, nicht vertraut seien. Bemerkenswert erscheint dabei gerade die Parallelisierung theologischer Einsichten mit der Herausbildung sehr sinnfälliger Begrifflichkeiten. Die Rückführung der Begriffe auf einfache und von den Sinneswahrnehmungen erfahrene Ideen war für LOCKE der sicherste Weg, paradoxen und extrem skeptizistischen Schlussfolgerungen aus seinem nominalistischen Ansatz zu entgehen. Dies ist jedoch gerade im Bereich der Religion und der Moral nicht immer möglich. Der Weg, den LOCKE für solche Fälle vorschlägt, ist eine semantische Plausibilisierung der Konvention, die dem allgemeinen und abstrakten Begriff zugrunde liegt. Die gesamte Aktivität des menschlichen Intellekts ist dabei nur durch das Vorhandensein und das Zusammenwirken von Zeichen erklärbar (ĺ Zeichen und Idee). Die Zeichen können dabei selbst eine Realität abgrenzen und damit deren Wesen bestimmen. Nichts in der Natur der Dinge selbst spreche für eine größere Beziehung der Idee des Tötens zu der des Menschen als zu der des Lammes, die rechtfertigen würde, die entstandene Verbindung in dem einen Fall mit dem Wort Mord zu belegen und sie in dem anderen unbezeichnet zu lassen. Die Entscheidung darüber, welche komplexen Begriffe mit Zeichen belegt und von daher gefestigt werden, ist konventioneller Art und unterliegt sozialer Autorität. Da die Vereinigung von Ideen unter einem Namen arbiträr ist, haben die untereinander verschiedenen Sprachen auch verschiedene Konventionen getroffen (ĺ Konvention). Bei LEIBNIZ dominiert dagegen der erkenntnistheoretische Gesichtspunkt einer Wertung der Sprachverschiedenheit. Für ihn ordnet sich die Sprachenvielfalt und die erkenntnistheo-
III. Einheit und Vielfalt retische Wertung der Sprachverschiedenheit in grundsätzliche philosophische Zusammenhänge ein, die mit seiner Monadologie (1714) in Beziehung stehen. Die Vielfalt der Sprachen ist analog zur Vielheit der Monaden notwendig, damit die Welt auf möglichst vielfältige Weise erfasst und dadurch gewissermaßen multipliziert wird. In diesem Sinne erwartet sich LEIBNIZ auch Aufschlüsse für die Erkenntnis der Wirklichkeit und der menschlichen Denkprozesse durch die Aufzeichnung und den Vergleich des Wortschatzes und der Grammatiken verschiedener Sprachen. Die Verschiedenheit der Sprachen ist nach LEIBNIZ mit der Verschiedenheit der menschlichen Naturen von Anbeginn gegeben. Sie gilt nicht mehr als ein Fluch aus den Tagen des babylonischen Turmbaus (ĺ Sprachverwirrung). Damit ist auch die Basis dafür gegeben, Verschiedenheit nicht im Widerspruch zur ĺ Natürlichkeit zu verstehen. VICO schließlich nimmt gegenüber den verschiedenen Ausprägungen in den einzelnen Sprachen, die er letztlich auf das Klima zurückführt, für die menschliche Sprachfähigkeit ein mentales Wörterbuch an, das sich in allen drei Zeitaltern und in den verschiedenen Sprachen wieder findet. Die Bezeichnungen dieses mentalen Wörterbuchs rühren von der Ewigkeit her und geben allen verschiedenen artikulierten Sprachen die Bedeutungen (ĺ Bedeutung). In der Zeit, in der die Familien, die ersten heroischen Städte und auch die Sprachen entstanden, wurden der Bezeichnungsgebung jeweils unterschiedliche Merkmale zugrunde gelegt, so dass sich die Sprachen der einzelnen Völker zwar unterscheiden, hinter ihnen aber eine Sprache steht, in der die ewige ideale Geschichte spricht. Die Annahme eines solchen mentalen Wörterbuchs lässt sich in Analogie zur Vorstellung von einer idealen Geschichte sehen, auf die sich die Nationalgeschichten zubewegen. Das Vertrauen in die Übereinstimmung der sprachlichen Ordnung mit der Ordnung der Welt findet sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch einen elementaren empirischen Tatbestand in Frage gestellt, der die alte Frage nach der ĺ Arbitrarität der sprachlichen Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) neu stellen lässt: die Verschiedenheit der Sprachen. War es in der unmittelbaren Nachfolge DES-
Universalität und Verschiedenheit CARTES’ noch möglich gewesen, gerade die Unterschiedlichkeit der verschiedenen sprachlichen Benennungen ein und desselben Begriffs oder Sachverhalts als Beleg für die Willkürlichkeit der Beziehung zwischen Sprache und Denken zu benutzen, so erforderte ein neues, auch die semantische Seite einschließendes Verständnis des Arbitraritätsbegriffs neue Lösungen. Die Konsequenzen, die sich etwa bei LEIBNIZ und VICO aus der Annahme eines historisch eingerichteten Charakters sprachlicher Zeichen (ĺ Zeichen und Idee) ergeben, gehen allerdings in unterschiedliche Richtungen. VICOs Anliegen ließe sich im weitesten Sinne als Versuch einer Erklärung der intersubjektiven Welt menschlicher Kultur verstehen. Im Zentrum steht dabei eine historisch-institutionelle Deutung des Arbitraritätsbegriffs (ĺ Arbitrarität), die sich insbesondere durch ihre pragmatische und rechtshistorische Ausrichtung vom Vorgehen LEIBNIZ’ unterscheidet, sich mit diesem jedoch in der Vereinbarung des historisch-institutionellen Charakters der sprachlichen Zeichen mit ihrer metaphorischen Bedeutsamkeit trifft (ĺ Metapher). Von seinem Anbeginn her stellt sich für VICO das Recht in den Formen der Sprache verkörpert dar, denn mit den ersten Verwendungsweisen der Sprache, d. h. dem Versprechen, der Zeugnisablegung, dem gegebenen Wort und dem Glauben, der ihm entgegengebracht wird, entsteht überhaupt erst das gesellschaftliche Leben. In unlösbarem Zusammenhang mit dem Recht entsteht die Sprache als Ausdruck des Willens in Zusammenhang mit der Ethik der Familie, die sich im positiven Recht vollendet (ĺ Ursprung). Die Formen der Sprache begleiten dabei die Formen des Rechts und verändern sich mit ihnen. Infolge ihrer Unfähigkeit zu abstrahieren bleiben die Völker zunächst innerhalb begrenzter Formen der Sprache, in der alle Beziehungen auf Macht und auf symbolischen körperhaften Prozeduren beruhen. Erst auf einer höheren Stufe erlangen sie die Fähigkeit der Abstraktion und können sich mit deren Hilfe von der wörtlichen Interpretation der Sprache befreien. Gemeinsam mit anderen Institutionen durchläuft die Sprache einen Entwicklungsweg, der zur fortschreitenden Unterscheidung und
769 Trennung zwischen Mythos und Logos, zwischen Fabel und wahrhafter Rede führt. Dabei erscheint die Sprache – weniger als in sensualistischen Sprachtheorien des 18. Jahrhunderts dann üblich wurde – als ein Element der Umwandlung des Menschen aus einem Tier ohne Sprache in ein zeichenbegabtes Tier. Sie ist bei VICO vielmehr in einen langen Prozess institutioneller Umwandlung einbezogen, in dessen Verlauf der Mensch von einem ursprünglich elementaren Zustand zur Herrschaft des Bewusstseins gelangt und in dem die Verwendung konventioneller Zeichen aus ihm ein Wesen macht, das abstrahiert und deutlich unterschiedene Wahrheiten aus der konfusen Masse des Mythos auswählt (ĺ Konvention). 5. Korrelation zwischen der Verschiedenheit der Sprachen und der Verschiedenheit der Kulturen und Denkweisen Für die Feststellung einer Korrelation zwischen der Verschiedenheit der Sprachen und der Verschiedenheit der Kulturen und Denkweisen gibt es im 18. Jahrhundert Belege in verschiedenen nationalen Traditionen (ĺ besonderer Charakter einer Sprache; ĺ kognitive Funktion der Sprache). Neben den bereits genannten Ansätzen, die für das frühe 18. Jahrhundert stehen, seien CONDILLAC, LAMBERT und BECCARIA genannt. Eine Wechselwirkung zwischen dem besonderen Charakter der Völker und dem ihrer Sprachen anzunehmen war zumindest Mitte des 18. Jahrhunderts schon nichts Außergewöhnliches mehr (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Es ist auf diesem Hintergrund nur zu verständlich, dass die Berliner Akademie mit der Preisfrage für das Jahr 1759 ein weit verbreitetes Thema aufgriff und zu seiner originellen Behandlung aufforderte: Welcher Art ist der wechselseitige Einfluss der Meinungen des Volkes auf die Sprache und der Sprache auf die Meinungen? Die Art der Aufgabenstellung weist eindeutig darauf hin, dass es um einen bestimmten Zweck ging, nämlich die Sprache als Mittel der Kommunikation, vor allem aber des Denkens zu vervollkommnen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache; ĺ kognitive Funktion der Sprache). Es drückt sich darin eine letztlich auf LEIBNIZ’ characteristica universalis beziehbare Suche nach der perfekten Sprache aus, die je-
770 doch nicht universalistisch und von einem vorgegebenen Ideal bestimmt konstruierend verfahren muss. Ausgehend von den Vor- und Nachteilen der empirisch gegebenen Sprachen wird vielmehr nach möglichen Verbesserungen gefragt. Diese Verfahrensweise setzt die Relativität der Sprachen als Erkenntnismethoden voraus. Auch eine historische Dimension der Fragestellung wird bereits im Ausschreibungstext vorgegeben: Zuerst haben bestimmte spezifische Denkweisen sprachliche Ausdrucksformen und damit Fixierungen gefunden. In einer zweiten Stufe wirken diese Fixierungen nun auf das Denken zurück und können dabei auch dessen Weiterentwicklung behindern und Vorurteile festigen. Diese These, die seit LOCKE zu den Grundlagen der sensualistischen Sprachdiskussion gehört, und bei CONDILLAC, DU MARSAIS, DIDEROT, aber auch bei GIRARD, MAUPERTUIS und D’ALEMBERT weitergehende theoretische Ausführungen angeregt hatte, war bereits eine zum Topos gewordene Position der Sprachdiskussion. Vergleicht man die deutsche Fassung der vom Preisträger MICHAELIS eingesandten Schrift mit der später unter Mitwirkung von MERIAN und PRÉMONTVAL entstandenen französischen Übersetzung, so fallen eine wenige, jedoch gerade für unsere Problematik gewichtige Veränderungen auf. Insbesondere enthält der französische Text zusätzliche Überlegungen zu einer universell gültigen Wissenschaftssprache (ĺ Universalsprache). War es also möglicherweise bereits 1759 darum gegangen, die Verwendbarkeit der verschiedenen Sprachen für die Gewinnung und Verbreitung von Erkenntnissen weiter zu ergründen? Den in diesem Sinne weniger geeigneten philologischen Bemerkungen des deutschen Textes fügt MICHAELIS nun eine klare Stellungnahme hinzu. In einer ersten Ergänzung stellt er fest, dass ĺ Reichtum und Armut der Sprachen immer relativ sind, also auch keine für alle Zwecke gleichermaßen gut geeignet ist. Der längste Zusatz betrifft jedoch die Universalsprachenproblematik selbst (ĺ Universalsprache). Die Erfindung einer im Sinne der wissenschaftlichen Kommunikation perfekten Sprache hält MICHAELIS schon deshalb für unmöglich, weil gerade die Gelehrten will-
III. Einheit und Vielfalt kürliche Veränderungen einbringen würden, die schließlich die Verständigung unmöglich machen. Der allgemeine, durch einen Konsens getragene und insofern ‘demokratische’ Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) weist zwar viele Probleme auf und konserviert vor allem Vorurteile, bleibt jedoch zumindest vor zu weit gehender persönlicher Willkür bewahrt. MICHAELIS’ Auffassung von den historischen und sozialen Bedingungen, die in der Sprache und über sie auch für den Erkenntnisprozess wirksam werden, ist an der französischen Aufklärung orientiert, im einzelnen jedoch noch differenzierter und stärker auf einzelne sprachliche Mittel bezogen. Er bleibt auch bei der Behandlung der sprachtheoretischen Fragestellung der Akademie Philologe und argumentiert mit philologischen Betrachtungen. So versucht er insbesondere, die Auswirkungen der inneren Motiviertheit der Wörter und ihrer Etymologien (ĺ Etymologie) für das Denken und Verhalten der Sprecher an Beispielen zu belegen. Die Relativität von Sprache als Erkenntnismittel stellt sich für MICHAELIS vorrangig als historisch-philologisch erklärbar dar. Folgerichtig ist der negative Einfluss der Sprache auf die Meinungen auch in erster Linie durch Verbesserung der Sprache zu bekämpfen (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Über die Annahme unterschiedlicher génies des langues wird schließlich die Berücksichtigung einer historischen und individuellen Dimension möglich, die gleichzeitig auf identische Funktionen von Sprachen verweist. Für die Ausprägung dieser typologischen Besonderheiten nimmt CONDILLAC in der Grammaire (1775) ein Modell der wechselseitigen Entwicklung von Bedürfnissen (besoins), Wissen (connaissances) und Sprachen (langues) an, das letztlich die Sprachverschiedenheit erklären und an eine universelle anthropologische Basis binden soll (ĺ besonderer Charakter einer Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). Wenn CONDILLAC die unterschiedlichen génies des langues mit Unterschieden im Denken in Verbindung setzt, so steht jedoch gerade auf dieser Basis auch für ihn die Frage nach dem Universellen, anthropologisch Notwendigen.
Universalität und Verschiedenheit 6. Rückführung der Vielfalt auf anthropologisch bedingte Universalien Die Notwendigkeit, die Vielfalt der existierenden Sprachen auf ihre anthropologisch bedingten Universalien zurückzuführen, stellt sich insbesondere im Zusammenhang mit der hypothetischen Rekonstruktion des Sprachursprungs (ĺ Ursprung). Selbst bei einem Sensualisten wie CONDILLAC erscheint die Annahme einer angeborenen Kommunikationsform völlig kohärent, wenn der evolutive Prozess der Entstehung arbiträrer Zeichen aus dem langage d’action beschrieben wird (ĺ Arbitrarität; ĺ Zeichen und Idee). Vereinfachende Darstellungen der Wechselbeziehung von Sprache und Denken können punktuell durchaus eine Seite dieser Beziehung zeitweise ausblenden (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Es erscheint also durchaus problematisch, die Diskussion um das Universelle im menschlichen Wesen und der Sprache auf die Polarität zwischen Sensualismus und Rationalismus homogenisieren zu wollen. Dies zeigt auch die Diskussion, die im Gefolge der Berliner Preisfrage von 1771 ausgelöst wurde und die zum Gegenstand hatte, ob die Menschen, ihren natürlichen Neigungen überlassen, imstande wären, Sprache zu erfinden. Bei allen feststellbaren Unterschieden ist in den Schriften zum Sprachursprung (ĺ Ursprung) auffällig, dass die als hypothetisches empirisches Beweismaterial herangezogenen exotischen Sprachen als menschlich betrachtet werden, insofern sie den natürlichen und universellen Kriterien des Sprachlichen genügen würden (ĺ natürliche Sprache). Dabei blieb es nicht aus, dass einzelne, in ihrer Gestalt erheblich von der Alltagserfahrung abweichende Sprachen zur Verkörperung dieses Wesentlichen, Natürlichen und Universellen schlechthin erklärt wurden. Die Versuche, die Sprachenvielfalt auf das Allgemeine, anthropologisch Wesentliche und damit zugleich Ursprüngliche zurückzuführen, illustrieren zugleich den spekulativen Gestus des Sprachdenkens der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die angeführten empirischen Zeugnisse stammen in der Regel nicht aus erster Hand. Vielmehr durchzieht das Beispiel der Indianer, die über eine bestimmte Zahl hinaus Quantitäten nicht benennen kön-
771 nen, die Sprachdiskussion seit dem 16. Jahrhundert, und erst der Schluss, dass sie aufgrund dieser Tatsache wohl auch nicht rechnen könnten, dürfte als Innovation am Ende des 17. Jahrhunderts anzusehen sein. Der Bezug auf das Chinesische entspringt nicht nur der Faszination des isolierenden Sprachtyps (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), sondern nicht zuletzt einer Mode, die sich in den vielfältigsten Erscheinungsformen des kulturellen Lebens zeigt. In der Gleichsetzung der Eigenschaften, wesensnah (natürlich) und einfach zu sein, wird eine intensiv geführte Diskussion homogenisiert und auf ein Idealbild der ursprünglichen Sprache bezogen (ĺ Natürlichkeit; ĺ natürliche Sprache, ĺ Ursprache). Der im 18. Jahrhundert immerhin denkbaren Annahme eines einzelsprachlichen Determinismus steht bei einer ganzen Reihe von Autoren die Feststellung entgegen, dass sich die Menschen durch ein kritisches Denken von den durch die Sprache gesetzten Grenzen emanzipieren können. Schon MENDELSSOHN hat in seiner Einschätzung der Preisschrift MICHAELIS’ hervorgehoben, dass die Aufgabenstellung mit dem zweiten Teil zu weit gegangen sei und MICHAELIS zu Recht nicht im Sinne der Akademie darauf geantwortet habe. Vorwiegend gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich mit den Sprachensammlungen jedoch eine Gattung von Texten, in denen die Sprachverschiedenheit zum zentralen Gegenstand wurde. Ein herausragender Vertreter dieser Gattung, HERVÁS Y PANDURO, betrachtet die Beziehung zwischen Sprache und Denken in seiner anthropologischen Abhandlung El hombre físico (1800) analog zum Verhältnis von Körper und Geist. Da die Rationalität des Menschen nicht als Produkt seiner Sprachtätigkeit erklärt werden kann, erscheint ihm die Lehre von den eingeborenen Ideen als wahrscheinlich. Die Wechselbeziehung zwischen Sprache und Denken als zwei wesentlichen Eigenschaften des Menschengeschlechts bleibt für HERVÁS Y PANDURO auf die gegenseitige Herausarbeitung und Förderung des besonderen Charakters der Sprachen und der Eigenarten der Völker beschränkt (ĺ kognitive Funktion der Sprache, ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Damit schließt gerade eine betont empirische Arbeit
772 zur Sprachenvielfalt den Kreis zu einem Universalismus, der den eingeborenen Charakter der grundlegenden Eigenschaften und kognitiven Fähigkeiten des Menschen nicht hinterfragt und Universalität und Vielfalt ohne relativistische Konsequenzen mit Hilfe des Arbitraritätsbegriffs versöhnt (ĺ Arbitrarität).
IV. In der philosophisch-wissenschaftlichen
Sprachreflexion der europäischen Antike werden Sprachen als Gegenstände nicht in ihrer Verschiedenheit thematisiert, obwohl das Phänomen der Sprachverschiedenheit bekannt und geläufig war. Man berichtete darüber, dass der König MITHRIDATES sich in den 22 Sprachen der Untertanen seines Reiches verständigen konnte, sein Name lebt deshalb in den vergleichenden Sprachensammlungen von GESNER (1555) und ADELUNG / VATER (1806–1817) weiter. Mythisch tradiert wurde die Sprachverschiedenheit als Strafe in Gestalt der biblischen Erzählung zum Turmbau zu Babel, nach der die Menschen mit 72 Sprachen über den Erboden verteilt lebten (ĺ Sprachverwirrung). Philosophische und sprachwissenschaftliche Überlegungen zur Sprache betrafen jedoch immer und nur die Sprache überhaupt. Die von PLATON inaugurierte philosophische Sprachkritik, die von ARISTOTELES fest etabliert wurde, versteht Sprache als nachträgliche Verlautbarung des an sich sprachfreien Denkens. Sie sei ein zwar notwendiges Instrument für die Kommunikation unserer Gedanken, nicht aber deren konstitutives Medium (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache; ĺ kognitive Funktion der Sprache). Folglich versteht ARISTOTELES die gegebene Verschiedenheit der Sprache als ein für das Denken gleichgültiges Naturphänomen. Bis heute ist die Vorstellung von der Verschiedenheit der Sprachen, d. h. die Vorstellung ihrer Gleichgültigkeit, tief im kulturellen Gedächtnis der europäisch geprägten Menschheit verwurzelt. Die Betonung der Basis der Sprache steht in dieser Tradition und grenzt auf die Verschiedenheit gerichtete Überlegungen systematisch aus der wissenschaftlichen Sprachbetrachtung aus. Dennoch gehört das Verhältnis von Universalität und Verschiedenheit der Sprachen bis heute zu den am meisten reflektierten sprachtheoretischen Themen. In der Retrospektion auf das 17. und 18 Jahrhundert findet sich da-
III. Einheit und Vielfalt bei trotz einschlägiger sehr differenzierender Studien in sprachtheoretischen Standardwerken und auch in neueren Arbeiten noch immer der Topos vom Universalismus in der Sprachauffassung, der sich an Titeln wie Grammaire générale oder Allgemeine Sprachlehre orientiert. Als prototypischer Autor, an dem das Verhältnis von Universalität und Verschiedenheit der Sprache immer wieder expliziert wird, steht meist HUMBOLDT im Blickpunkt der Reflexion über die Geschichte der beiden Begriffe. Sein Verhältnis zu den Sprachtheorien der Aufklärung ist bis heute umstritten, fest steht jedoch, dass seine Theorie von der sprachlichen Weltansicht nicht unabhängig von früheren Positionen zum besonderen Charakter einer Sprache und der kognitiven Funktion der Sprache ausgearbeitet wurde (ĺ besonderer Charakter einer Sprache; ĺ kognitive Funktion der Sprache). Im kulturellen Gedächtnis des europäischen Sprachdenkens ist HUMBOLDT vor allem durch den umständlichen Titel der Einleitung seines letzten großen sprachwissenschaftlichen Werkes, welches das Kawi, die heilige Sprache Javas, zum Gegenstand hat, präsent: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1836). Dennoch gibt es auch bei HUMBOLDT Aussagen zu den universellen Grundlagen der Sprache, die es erlaubten, ihn unter starker Vereinfachung in eine Cartesianische Linguistik einzuordnen. Die Retrospektionshorizonte des heutigen sprachlichen Relativismus und der generativen Linguistik stehen für unterschiedliche Homogenisierungen der gleichen Entwicklungslinien. Während der sprachliche Relativismus die Verschiedenheit der Sprachen und ihre Konsequenzen für das Denken der Menschen betont, stehen für die generative Linguistik die gemeinsamen kognitiven Grundlagen im Vordergrund, wodurch der Blick auf die Universalien gelenkt wurde. Gerade im Hinblick auf die Feststellung gemeinsamer Wurzeln des europäischen und des amerikanischen sprachlichen Relativismus sind Rückgriffe auf das 18. Jahrhundert nicht ungewöhnlich. Eher zum Standard gehört die Erwähnung von HERDER und HA-
Universalität und Verschiedenheit MANN, die in einer direkten Kontinuitätslinie zu HUMBOLDT gesehen werden. In ihrer kon-
tinuitätsstiftenden Rolle ist diese Beziehung auch prospektiv effizient, insofern SAPIR eine Masterarbeit über HERDER und HUMBOLDT geschrieben hat und für den Einwanderer BOAS ohnehin ein “deutscher” Hintergrund angenommen wird. Beeindruckend dabei ist, wie zumindest eine der beiden Etikettierungen als “romantisch” und “deutsch” ausreicht, um auch LEIBNIZ als Vorläufer zu vereinnahmen und einen Gegensatz zur Allgemeinen Grammatik und dem Universalismus der Aufklärung zu konstruieren. Die von Port-Royal ausgehende Traditionslinie der Allgemeinen Grammatik und universellen Logik und die zu HUMBOLDTs sprachlicher Weltanschauung führende romantische Tradition werden so als zwei sich ausschließende Gegensätze gesehen. Ein solcher Umgang mit der Geschichte sprachtheoretischen Denkens war weit weniger differenziert und geschickt als es sich – bei aller Fragwürdigkeit der Homogenisierungsversuche CHOMSKYs – in der Konstruktion des Geschichtsbilds der Generativistik feststellen lässt. In Language and Mind (1968) hatte CHOMSKY die Ähnlichkeit des intellektuellen Klimas der Sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts zum 17. Jahrhundert festgestellt. Eine wesentliche Gemeinsamkeit bestehe dabei im Glauben an die Möglichkeiten von Automaten. Zwischen solchen Automaten und dem menschlichen Intellekt sei jedoch eine nicht zu überbrückende Kluft, die vor allem durch die andere Art der Komplexität, die dem menschlichen Wesen eigen ist, entsteht. CHOMSKY empfiehlt sogleich, diesem Gedanken bei den “minor and now quite forgotten Cartesian philosophers” (CHOMSKY 1972: 6) nachzugehen, die über DESCARTES’ spärliche Bemerkungen hinaus tatsächliche Abhandlungen über Sprache geschrieben hätten. An erster Stelle steht dabei, durchaus den historischen Tatsachen folgend, der Discours physique de la parole von CORDEMOY, danach der Traité de l’esprit de l’homme von LA FORGE. Der wichtigste Gedanke, den CHOMSKY bei diesen Cartesianern findet, ist die Ablehnung der Hoffnung, Einsichten über den menschlichen Geist aus körperlichen Erschei-
773 nungsformen, wie etwa den zufällig gegebenen Einzelsprachen, zu gewinnen. Es sei von daher zwingend, eine ganz andere Substanz anzunehmen, der weder Ausdehnung noch Bewegung eigen sind. Dieses neue Prinzip habe vor allem einen kreativen Aspekt, der sich in der für den Menschen charakteristischen Fähigkeit manifestiere, immer wieder neue Gedanken in einer institutionalisierten Sprache auszudrücken und zu verstehen. Prinzipien dieser Art sind auch von den kompliziertesten Automaten nicht ausführbar, und sie sind nicht anhand des Verhaltens und der Interaktion körperlicher Wesen zu beschreiben. Ebenso seien nach DESCARTES mit allen physiologischen Möglichkeiten ausgestattete Automaten (bzw. Tiere) nicht zu normaler, das heißt kreativer und situationsunabhängiger Sprachverwendung fähig. An dieser Stelle wäre nach CHOMSKY im 17. Jahrhundert die Entwicklung einer Psychologie möglich gewesen, wie es sie bisher noch nicht gebe, einer Psychologie nämlich, die sich vor allem mit den anthropologischen Grundlagen und eingeborenen Strukturen des Wissens und Glaubens und erst nachgeordnet mit deren situations- und umweltabhängigen Ausprägungen befasst. Dominant geworden sei hingegen eine Denkrichtung, in der NEWTON DESCARTES vorgeworfen habe, dass seine Physik nicht funktionieren könne. Man müsse eine Kraft annehmen, die für die Bewegung der Körper verantwortlich ist. NEWTON findet sie in der Schwerkraft, die für das 18. Jahrhundert zu einem Festpunkt der Erklärung der physischen Welt wurde. Generelle Unzufriedenheit mit der Physik DESCARTES’ sei dann auch der Grund dafür gewesen, weshalb man auf eine weitere Ausarbeitung einer seinen Ideen gemäßen Psychologie verzichtet habe. Die auf dem Dualismus von Körper und Geist beruhende Psychologie DESCARTES’ (deren Bestandteil eine nicht von ihm entwickelte Sprachtheorie wäre) wurde somit vorzeitig aufgegeben, und zwar aufgrund eines Irrtums, der nicht diese Psychologie selbst, sondern DESCARTES’ Physik betraf. Eine Instrumentalisierung philosophiehistorischer Gegebenheiten zur Legitimation der eigenen Theorie würde erst dann problematisch, wenn diese Theorie Absolutheit bean-
774 sprucht und eben nicht wie bei DESCARTES das prinzipiell Neue des eingeschlagenen Weges als berührungsfrei mit dem bisherigen und damit letztlich mit diesem unvergleichbar bestimmen würde. Das reaktive Eingehen auf den Behaviorismus und seine ganz auf beobachtbare äußerlich-physikalische, also eher “newtonsche” Erscheinungen setzende Methode ist bei CHOMSKY jedoch auch in philosophiehistorischen Betrachtungen präsent. In Auseinandersetzung mit BLOOMFIELD wendet sich CHOMSKY gegen den Vorwurf, die Tradition der rationalistischen Grammatiken sei am Lateinischen orientiert gewesen, und stellt dabei richtig, dass das Lateinische von den Cartesianern eher als eine vom natürlichen Denken wegführende Sprache behandelt worden sei (ĺ Natürlichkeit), während sich etwa die Grammatik und die Logik von PortRoyal am Französischen orientierten. Der sprachtheoretische Wert dieser Zeugnisse auf dem Weg der Ersetzung des Lateins durch eine Vernakularsprache ergibt sich dabei weniger durch die Berücksichtigung einer vom Latein abweichenden Sprachspezifik als durch die Tatsache, dass sich die Autoren der Introspektion ihrer eigenen Sprachkompetenz bedienten. Ansatzpunkt der DESCARTES-Interpretation in der Cartesianischen Linguistik ist für CHOMSKY die Sprache als unterscheidendes Moment zwischen Mensch und Tier. Die Absicht, DESCARTES’ Sprachtheorie zu rekonstruieren oder auf dem Zeithorizont zu ergänzen, tritt jedoch zurück, wenn er den kreativen Aspekt der Sprache gegenüber der allgemeinen Intelligenz als einen autonomen Organisationstyp charakterisiert und somit die res cogitans gewissermaßen parzelliert, ihr zumindest einen eigenen sprachlichen Bereich abtrennt: Dass die Kreativität als Unabhängigkeit von auslösenden Reizen und Fähigkeit zur Anpassung des Sprachverhaltens an beliebige Situationen zum homogenisierenden Moment bei CHOMSKY wird, zeigt sich noch deutlicher bei der Einordnung solcher Autoren wie CONDILLAC, HERDER oder HUMBOLDT in eine Cartesianische Linguistik. Dabei werden Traditionsbrüche, etwa im Hinblick auf den rationalistischen Universalismus, der sich mit HUMBOLDTs Auffassung von sprachlichen Weltansichten nicht verträgt, durchaus be-
III. Einheit und Vielfalt merkt, jedoch sogleich auf Nebenschauplätze verwiesen, da sie nicht das grundlegende Merkmal der Kreativität betreffen. Historische Legitimation durch die cartesianische Tradition erfährt auch die Unterscheidung von Beschreibung und Erklärung, die CHOMSKY auf BEAUZÉEs Abgrenzung der science vom art in der Grammatik bezieht. Erklären heißt universelle Prinzipien geben, die auch den einzelsprachlichen Tatsachen zugrunde liegen, und sich nicht mit einer bloßen Beschreibung des Gebrauchs begnügen (ĺ Gebrauch). Dabei parallelisiert CHOMSKY die Haltung der Grammatiker von PortRoyal gegenüber einem den bon usage beschreibenden Werk wie VAUGELAS’ Remarques sur la langue Françoise (1647) mit seiner eigenen Sicht der deskriptiven Linguistik. Der Rekurs auf historische und historiographische Gegebenheiten ist bei CHOMSKY zumindest bis zum Einsetzen der nicht seinem Anliegen entsprechenden historisch-rekonstruktiven Diskussion um sein Cartesianische Linguistik ein wichtiges Moment der Theoriebildung. Trotz der Überzeugung, noch grundlegender als je zuvor mit allen linguistischen Traditionen zu brechen, ist der Gedanke eines Wiederbelebens durch die ausschließliche Beschäftigung mit der reinen Empirie der Sprachenvielfalt verschütteter Gedanken bis ins Minimalistische Programm präsent. Im Zuge der erneuerten Beschäftigung mit dem sprachlichen Relativitätsprinzips kam es jedoch auch auf der Gegenseite bis zu einem gewissen Grade zu einer Berücksichtigung historiographischer Arbeiten. Insbesondere trifft dies auf AARSLEFFs nur teilweise ausführbares Programm einer Herleitung der Sprachtheorie HUMBOLDTs aus der französischen Aufklärung zu, die immerhin zu einer bescheidenen Kenntnisnahme dieser Epoche auch durch Protagonisten des sprachlichen Relativismus führte (GUMPERZ / LEVINSON 1996: 4). Schließlich findet sich auf dem Symposium über Evidence for Linguistic Relativity (vgl. NIEMEIER DIRVEN 2000) mit KOERNER auch ein profilierter Historiograph wieder, der auch sogleich die Rekonstruktion des Stammbaums der SAPIR-WHORF-Hypothese bis zurück zu LOCKE fordert. Zu Recht betont er dabei wie auch bereits JOSEPH (1996) die unmittelbaren Quellen dieses Ge-
Universalität und Verschiedenheit dankens im 20. Jahrhundert, eine wirkliche Rekonstruktion und Kontextualisierung der Ursprünge seines “Full Pedigree” wird jedoch wiederum durch die plakative Nennung der Namen LEIBNIZ, HERDER und HUMBOLDT umgangen. Auch die so genannte Ökolinguistik (TRAMPE 1990, HALLIDAY 1992) hat in den letzten Jahren die Vielfalt und Verschiedenheit für sich entdeckt, was insofern bereits nahe liegt, als sie Beziehungen zwischen dem Sprachsystem und der äußeren Realität im weitesten Sinne zu ihrem Gegenstandbereich erwählt hat, ohne sich dabei auf eine einseitige Perspektive festzulegen oder wie die Soziolinguistik nur einen Ausschnitt dieser äußeren Realität in Betracht zu ziehen. Auf eine historische Verortung von wissenschaftlichen Konzepten lässt sie sich dabei insofern ein, als Reflexionen in der amerikanischen Traditionslinie zur vermittelnden Rolle der Sprachen zwischen Mensch und Welt berücksichtigt werden. Der Bezug der Eigenschaft, ‘natürlich’ zu sein, auf die tatsächlichen einzelsprachlichen Gegebenheiten liegt in der Sprachbeschreibung nahe, insofern sie immer eine Vielfalt vorfindet, aus der Gemeinsamkeiten und möglicherweise Universalien zu extrapolieren sind (ĺ Natürlichkeit). Aber auch sprachtheoretische Ansätze können das ‘Natürliche’ als Charakteristikum von Einzelsprachen bestimmen, die auf Grenzen der Variation beziehbar sind. Einer klassischen Arbeitsteilung von einzelsprachlicher und allgemeiner Sprachbetrachtung, die auf Komplementarität beruht und auf Konvergenz abzielt, entspricht die Forderung von KATZ, “bei der Untersuchung natürlicher Einzelsprachen ihre Eigenschaften [zu überprüfen], um das Ausmaß der Unterschiedlichkeit bei der sprachlichen Kommunikation aufzuzeigen, während wir beim Studium von Sprache an sich die Merkmale betrachten, die natürlichen Sprachen gemeinsam sind, um die Grenzen solcher Unterschiedlichkeit zu ermitteln” (KATZ 1971: 17). Erwartungsgemäß liegt die Akzentuierung der Verschiedenheit gegenüber den Universalien in solchen Untersuchungen besonders nahe, die sich mit der empirischen Gegebenheit der Sprachenvielfalt beschäftigen und Sprachen sehr unterschiedlichen Typs vergleichen und beschreiben. Gerade von dieser linguisti-
775 que des langues fordern FUCHS und ROBERT, sich der Betrachtung kognitiver Prozesse zu öffnen (FUCHS / ROBERT 1997: 1), für die sie die Beziehungen zwischen der Universalität des langage und der Sprachenvielfalt, zwischen der Invarianz und der Variation als zentral betrachten. Wissenschaftsgeschichtliche Überlegungen konzentrieren sich dabei auf die jüngere Geschichte der Divergenz von Paradigmen, etwa auf die Gründe, weshalb die kognitive Linguistik die Tatsache der Sprachenvielfalt und die Beschreibung der Einzelsprachen so lange ignorieren konnte. Außer Betracht sei damit unter kognitivem Aspekt auch eine so fundamentale Einsicht wie MARTINETs zweifache Artikulation und die daraus abgeleitete theoretische Notwendigkeit der Sprachverschiedenheit geblieben. Für die 90er Jahre stellt jedoch auch FUCHS (1997: 9) einen Ausschlag des Pendels in die andere Richtung fest. Im Anschluss an LUCY (1992), JOSEPH (1996) und LEE (1996) konstatiert sie eine Rehabilitierung WHORFs, als deren Ausdruck zahlreiche neowhorfianische Kolloquien und die argumentative und textuelle Aufarbeitung der entsprechenden Quellen als Bezugstexte auch für die kognitive Linguistik gelten können. Beziehungen zur Gestalttheorie und zu konnektionistischen Ansätzen in den Neurowissenschaften werden dabei durchaus hergestellt. Vor allem wird jedoch für das Spannungsverhältnis zwischen Universalien und Verschiedenheit eine Alles-oder-Nichts-Haltung zugunsten einer gradualité (FUCHS 1997: 20) verworfen, die in den Sprachen bestehende Gleichgewichtszustände als in ständiger Dynamik befindlich betrachtet. Die metatheoretische Reflexion in dieser Betrachtungsweise, die sich im weitesten Sinne als funktional kennzeichnen ließe, bezieht zwar die jüngste Vergangenheit sorgfältig ein, eine historische Tiefenperspektive für einzelne Positionen und Konzepte wird jedoch nicht angestrebt.
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Besonderer Charakter einer Sprache I. Lat. Genius linguae, Indoles linguae; dt. Genie der Sprache, Genius der Sprache; engl. genius of a language; frz. génie d’une langue, génie de la langue; ital. genio della lingua. – Dt. Sprache ein Spiegel des Verstandes (LEIBNIZ); besondere Art einer Sprache (LAMBERT); engl. particular words in every language (LOCKE); Tenor of the Language (HARTLEY), the structure or genius of the languages (PRIESTLEY); frz. les idiomes, ou manieres de parler qui lui sont particulieres (LAMY); ital. le lingue volgari diverse (VICO); il differente ingegno delle nazioni, la varia indole delle lingue (ALGAROTTI), russ. ɫɜɨɣɫɬɜɨ ɧɚɲɟɝɨ ɹɡɵɤɚ (TREDIAKOVSKIJ).
Die Feststellung von Besonderheiten von Einzelsprachen entspricht zunächst einer trivialen Begriffsbildung, die im 17. Jahrhundert mit Bezeichnungen belegt wird, die von lat. genius abgeleitet sind. Insbesondere im Französischen erscheint génie d’une (de la / des) langue(s) regelmäßig sowohl für den globalen Eindruck von Besonderheit als auch für Auffälligkeiten im lexikalischen, syntaktischen, seltener im morphologischen Bereich. Das begriffliche Korrelat ist der besondere Charakter einer Sprache, der sich aus grammatischen Regeln und Vokabular zusammensetzt. Der Terminus ist in Frankreich im 17. Jahrhundert geläufig und wird gegen Ende des
778 Jahrhunderts zu einem regelrechten Modebegriff. Als konkurrierende Bezeichnung lässt sich idiome feststellen, das jedoch auch differenzierend zu génie de la langue für sprachliche Einzelerscheinungen gebraucht wird. Zunehmend tritt die Benennung systematischer, bei der Sprachverwendung und auch bei der Erweiterung der Sprache durch neue Wörter (ĺ Neologismen) zu berücksichtigender Zusammenhänge in den Vordergrund. Im 18. Jahrhundert ist eine Begriffsverschiebung von der Besonderheit der Ausdrucksmittel zur Wirksamkeit des besonderen Charakters einer Sprache für kognitive Prozesse feststellbar. Der besondere Charakter einer Sprache wird häufig mit den Besonderheiten der Nation in Beziehung gesetzt und gleichartig benannt (génie / caractère du peuple, de la nation). Der Gegensatz zum Universellen an den Sprachen tritt in den Vordergrund, wobei Universalität und besonderer Charakter nicht als unvereinbar gesehen werden (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Obwohl auch in anderen europäischen Sprachen mit genius zusammenhängende und in einigen Fällen als Lehnübersetzungen aus dem Französischen entstandene Bezeichnungen für den besonderen Charakter der Sprachen verwendet werden, ist dort die Bezeichnungsbreite größer und weniger fixiert. Vor allem treten derartige Bezeichnungen im Vergleich von Sprachen auf (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), weniger als systematisierende und normative Beschreibung der eigenen Sprache (ĺ Normierung). Die Entwicklung des Geniebegriffs im Deutschen schloss vor allem kreative Eigenschaften des Individuums ein und ließ die Bezeichnung deskriptiver und instrumenteller Besonderheiten der Sprache mit Genie eher zur Ausnahme werden. Unter dem Einfluss des Französischen (génie) wurde nicht das eigentlich angemessene lateinische ingenium, sondern Genie (< genius) für die Bezeichnung des Begriffes verwendet.
II. (BOURZEYS [1635] 1971: 233): Chaque langue a son air et son genie particulier. (BOUHOURS 1671: 50): Il y a d’autres langues qui representent naïvement tout ce qui se passe dans l’esprit; Et entre celles qui ont ce talent, il me semble que la langue Françoise tient le premier rang, sans en excepter la
III. Einheit und Vielfalt Grecque & la Latine. Il n’y a qu’elle à mon gré qui sçache bien peindre d’après nature, & qui exprime les choses precisement comme elles sont. Elle n’aime point les exagerations, parce qu’elles alterent la verité; & c’est pour cela sans doute qu’elle n’a point de ces termes qu’on appelle superlatif, non plus que la Hebraïque. (LAMY [1675] 1688: 76): Pour apprendre parfaitement l’usage d’une langue, il en faut étudier le genie, & remarquer les idiomes, ou manieres de parler qui lui sont particulieres. Le Genie d’une langue consiste en de certaines qualitez que ceux qui la parlent affectent, de donner à leur stile. Le Genie de nôtre langue est la netteté & la naïveté. Les François recherchent ces qualitez dans le stile, & sont fort differens en cela des Orientaux qui n’ont de l’estime que pour des expressions mysterieuses, & qui donnent beaucoup à penser. Les idiomes distinguent les langues unes des autres aussi bien que les mots. Ce n’est pas assez pour parler François de n’emploier que des termes François; car si on tourne ces termes, & qu’on les dispose, comme feroit un Alleman ceux de sa langue; c’est parler Alleman en François. (MENUDIER 1681: [Titel]): Die Natur der Französischen Sprach / Das ist: Ihre Eigenschaften, Zierlichkeit und Curiositäten / deren ein guter Theil ist noch niemals heraus gegeben worden. Nebst einer deutlichen Erläuterung der vornehmsten und einem vollständigen Register derer Wörter so allhier nicht nach dem Alphabeth sind gesetzt worden. / Le Génie de la langue françoise, c’est à dire: ses propriétés, ses élégances et ses curiosités, dont plusieurs n’ont point encore été mises en lumière, avec une claire explication. (CHARPENTIER 1683a: 89): […] il est naturel de mesurer le genie des peuples par les qualitez du langage dont ils se servent. – (655): Le François ne sçauroit parler autrement & en suivant le Genie de sa Langue, il suit le Genie de l’exactitude & les regles de l’Elegance. (LOCKE [1690] 1894: III, V, 48): A moderate skill in different languages will easily satisfy one of the truth of this, it being so obvious to observe great store of words in one language which have not any that answer them in another. Which plainly shows that those of one
Besonderer Charakter einer Sprache country, by their customs and manner of life, have found occasion to make several complex ideas, and given names to them, which others never collected into specific ideas. (LEIBNIZ [1697] 1908: 327): 1. Es ist bekandt, daß die Sprach ein Spiegel des Verstandes, und dass die Völcker, wenn Sie den Verstand hoch schwingen, auch zugleich die Sprache wohl ausüben, welches der Griechen, Römer und Araber Beyspiele zeigen. (TREDIAKOVSKIJ 1735: 1): ȿɠɟɥɢɛɴ ɨɧɴ ɬɨɝɞɚ ɪɚɫɫɭɞɢɥɴ, ɱɬɨ ɫɜɨɣɫɬɜɨ ɧɚɲɟɝɨ ɹɡɵɤɚ ɬɨɝɨ ɧɟ ɬɟɪɩɢɬɴ, ɧɢɤɨɝɞɚ ɛɴ ɬɚɤɨɜɵɹ ɩɪɨɫɨɞiɢ ɧɟ ɩɨɥɨɠɢɥɴ ɜɴ ɫɜɨɟɣ Ƚɪɚɦɦɚɬɢɤɟ. (MAYANS 1737: 57): Si para escribir yo una historia, en lugar de imitar la destreza de la aplicación que se percibe en una historia ajena, me pongo a contrahacer el giro, orden o constitución que dió a su obra aquel artífice, ¿qué otra cosa seré sino un esclavo de la ajena invención, sujeto a caer en sus defectos o descuidos? Y si esto es reprensible en los escritores de una misma nación o lengua, ¿cuánto más lo será cuando se pretende imitar el modo de escribir de los extranjeros? Cada nación, cada gente tiene su carácter particular. Los escritos se acomodan a este carácter como el agua al vaso; que no por otro motivo expresaban los atenienses y los rodios una misma cosa, aquéllos con concisión, y éstos con amena, aunque lánguida profusión. (VICO 1744: II, II, Cap. 4): Ma pur rimane la grandissima difficultà: come, quanti sono i popoli, tante sono le lingue volgari diverse? La qual per isciogliere, è qui da stabilirsi questa gran verità: che come certamente i popoli per la diversità de’climi han sortito varie diverse nature, onde sono usciti tanti costumi diversi; così dalle loro diverse nature e costumi sono nate altrettante diverse lingue: talché, per la medesima diversità delle loro nature, siccome han guardato le stesse utilità o necessità della vita umana con aspetti diversi, onde sono uscite tante per lo più diverse ed alle volte tra lor contrarie costumanze di nazioni; così e non altrimente son uscite in tante lingue, quant’esse sono diverse. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XII, 175): Afin qu’on ne pense pas que je promets un paradoxe, je ferai remarquer qu’il est naturel que nous nous accoutumions à lier nos idées
779 conformément au génie de la langue dans laquelle nous sommes élevés, et que nous acquérions de la justesse, à proportion qu’elle en a elle-même davantage. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XV, 220): Or ces combinaisons autorisées par un long usage, sont proprement ce qui constitue le génie d’une langue. (GIRARD 1747: 21–23): La différence la plus aparente dans les Langues est celle qui frape d’abord nos oreilles; elle vient de la différence des mots: mais la plus essentielle ne se montre qu’à nôtre réflexion; elle nait de la diversité du gout de chaque peuple dans le tour de la frase & dans l’idée modificative de l’emploi des mots. Lorsque cette sorte de gout propre & distinctif ne regarde qu’une circonstance unique ou une seule façon particuliere de s’exprimer; on le nomme IDIOME, c’est à dire propriété de Langue. Par exemple, c’est un idiome françois d’exprimer par le pronom indéfini on joint au verbe actif l’attribution vague & indéterminée d’une action: au lieu que c’est un idiome italien de l’exprimer par le pronom réciproque si avec le même verbe: & c’est un idiome latin de se servir pour cet effet du seul verbe passif sans pronom ni particule. Le François dit donc on demande, l’Italien si domanda, le Latin quæritur. Lorsque ce gout distinctif est considéré dans son universalité; c’est alors ce qu’en fait de Langues on nomme GÉNIE, dont il est important au Grammairien de bien connoitre la nature. Chaque langue a le sien: ils peuvent néanmoins être réduits à trois sortes; & par ce moyen les Langues se trouvent distinguées en trois classes. Si on ne leur a pas donné des noms; c’est qu’on n’a pas connu l’influence qu’ils devoient avoir dans l’établissement des regles. Cette inattention n’empeche pourtant pas qu’ils ne soient les fondemens de tout principe de Grammaire, & que leur confusion ne devienne une source d’absurdités. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 515): Diversi sono appresso nazioni diverse i pensamenti, i concetti, le fantasie; diversi i modi di apprendere le cose, di ordinarle, di esprimerle. Onde il genio, o vogliam dire la forma di ciascun linguaggio, riesce specificamente diversa da tutti gli altri, come quella che è il risultato della natura del clima, della qualità degli studi, della religione, del governo, della esten-
780 sione dei traffici, della grandezza dell’imperio, di ciò che constituisce il genio e l’indole di una nazione. A segno che una dissimilitudine grandissima conviene che da tutto ciò ne ridondi tra popolo e popolo, tra lingua e lingua; e i politici tengono per naturalmente nemici quei popoli che parlano lingue diverse. (HARRIS [1751/1786] 1993: 11): How many of those, who are thus far literate, know nothing of that Grammar, which respects the Genius of their own Language? (Encyclopédie, Artikel Grammaire, BEAUZÉE, 1757: VII, 842): La diversité des climats; la constitution politique des Etats; les révolutions qui en changent la face; l’état des sciences, des arts, du commerce; la religion & le plus ou le moins d’attachement qu’on y a; les prétentions opposées des nations, des provinces, des villes, des familles même: tout cela contribue à faire envisager les choses, ici sous un point de vûe, là sous un autre, aujourd’hui d’une façon, demain d’une maniere toute différente; & c’est l’origine de la diversité des génies des langues. Les différens résultats des combinaisons infinies de ces circonstances, produisent la différence prodigieuse que l’on trouve entre les mots des diverses langues qui expriment la même idée, entre les moyens qu’elles adoptent pour désigner les rapports énonciatifs de ces mots, entre les tours de phrase qu’elles autorisent, entre les licences qu’elles se permettent. (MICHAELIS 1760: 81): Indessen kann etwas zur Verbesserung der irrigen Etymologien geschehen, nehmlich, daß man andere richtigere Ausdrücke erfindet, und sie den irrigen an die Seite setzt. Dis ist einem jeden erlaubt, der der Sprache mächtig ist: er hat durch den Gebrauch der Sprache auch das Recht, neue Wörter und Redensarten, doch solche, die dem Genie der Sprache gemäß sind, und in nicht allzugrosser Anzahl, zu machen. Wenn diese nur neben den irrigen Ausdrücken gleichsam in den Cours kommen, so steuren sie schon dem Irrthum und machen wenigstens, daß man nicht von der Sprache gezwungen wird, zu irren. In dem Munde und Feder einiger Schriftsteller sind sie gar so glücklich, daß sie den fehlerhaften Ausdruck verdrängen, oder doch ihn blos dem Pöbel lassen. – Was für eine Unsicherheit verursacht es in der Geschichte, wenn der Beschreiber derselben durch das
III. Einheit und Vielfalt Genie seiner Sprache gezwungen ist, ein falscher Zeuge zu seyn? (MONTIZON 1761: 5): La principale différence qui se trouve entre toutes les Langues, leur caractère propre & distinctif se faisant remarquer d’une manière toute sensible dans le seul arrangement des mots dont elles sont composées, (arrangement toujours relatif à la diverse manière dont le même objet affecte différents Peuples) chacun sentira comme moi, que ce n’est certainement pas parler une Langue, que d’en ranger les mots suivant l’ordre & le génie d’une autre. (MICHAELIS 1762: 131–132): Quelle ne doit pas être l’incertitude de l’histoire, si l’Historien, par le génie de sa langue, est forcé à faire le Role de faux témoin? (PRIESTLEY 1762: 190–191): Two languages may consist of the same words, that is, the people that use them may call every thing by the same name, but have a quite different manner of expressing their relations; or, on the contrary, their manner of using words may be the same, but the words themselves be totally different. In this latter case, the structure or genius of the languages is said to be the same, and the Grammar of them must be precisely the same: whereas, in the former case, though the same words or names of things were used, the different manner of using them would make the grammar rules of the two languages quite different. (Dictionnaire philosophique, Artikel Le génie de la langue, VOLTAIRE, [1764] 1829: V, 519): On appelle génie de la langue son aptitude à dire de la manière la plus courte et la plus harmonieuse ce que les autres langages expriment moins heureusement. Le latin, par exemple, est plus propre au style lapidaire que les langues modernes, à cause de leurs verbes auxiliaires qui allongent une inscription et qui l’énervent. Le grec, par son mélange mélodieux de voyelles et de consonnes, est plus favorable à la musique que l’allemand et le hollandais. L’italien, par des voyelles beaucoup plus répétées, sert peut-être encore mieux la musique efféminée. Le latin et le grec étant les seules langues qui aient une vraie quantité, sont plus faites pour la poésie que toutes les autres langues du monde. Le français, par la marche naturelle de toutes ses constructions, et aussi par sa
Besonderer Charakter einer Sprache prosodie, est plus propre qu’aucune autre à la conversation. Les étrangers, par cette raison même, entendent plus aisément les livres français que ceux des autres peuples. Ils aiment dans les livres philosophiques français une clarté de style qu’ils trouvent ailleurs assez rarement. – (V, 524): Quoi qu’il en soit, connaissez bien le génie de votre langue; et, si vous avez du génie, mêlez-vous peu des langues étrangères, et surtout des orientales, à moins que vous n’ayez vécu trente ans dans Alep. (LAMBERT 1764: II, 191): In dieser Absicht kann man dasjenige zu dem Genio einer Sprache rechnen, wodurch sie zu einer gewissen Art und Form der Erkenntnis biegsamer ist als zu andern. (Encyclopédie, Artikel Langage, JAUCOURT, 1765: IX, 243): Puisque du différent génie des peuples naissent les différens idiomes, on peut d’abord décider qu’il n’y en aura jamais d’universel. Pourroit-on donner à toutes les nations les mêmes moeurs, les mêmes sentimens, les mêmes idées de vertu & de vice, & le même plaisir dans les mêmes images, tandis que cette différence procede de celle des climats que ces nations habitent, de l’éducation qu’elles reçoivent, & de la forme de leur gouvernement? (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 259): […] c’est sur-tout dans la syntaxe que consiste le génie principal & indestructible de tous les idiomes. […] Pour ce qui concerne les différentes especes de mots, une même idée spécifique les caracterise dans toutes les langues, parce que cette idée est le résultat nécessaire de l’analyse de sa pensée, qui est nécessairement la même par-tout: mais, dans le détail des individus, on rencontre des différences qui sont les suites nécessaires des circonstances où se sont trouvés les peuples qui parlent ces langues; & ces différences constituent un second caractere distinctif du génie des langues. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-668: 29): […] dans le langage de tous les hommes on reconnoit la main de l’ouvrier, les moïens, les besoins, les raisons, et même les occasions qu’il a eües pour l’inventer, et pour le conserver toujours à son niveau. Bien plus on y reconnoit l’esprit et le caractere de chaque Nation. On voit toujours cette invention soumise
781 et consequente à la qualité des organes qui l’a créée. Car il est certain et sensible que chaque climat inflüe sur les hommes qui l’habitent; les éléments n’étant point dans une égale proportion par toute la terre tous les animaux doivent necessairement avoir des raports avec les proportions de ces elements, puisqu’ils n’en sont qu’un extrait qui doit naturellement hériter des qualités que produit l’union de leur principe. (HERDER [1772] 1978a: 149): Die Analogien aller wilden Sprachen bestätigen meinen Satz: jede ist auf ihre Weise verschwenderisch und dürftig, nur alle auf eigne Art. Wenn der Araber für Stein, Kamel, Schwert, Schlange (Dinge, unter denen er lebt!) so viel Wörter hat, so ist die ceylanische Sprache, den Neigungen ihres Volks gemäß, reich an Schmeicheleien, Titeln und Wortgepränge. Für das Wort Frauenzimmer hat sie nach Stand und Range zwölferlei Namen, da selbst wir unhöfliche Deutsche z. E. hierin von unsern Nachbarn borgen müssen. Nach Stand und Range wird das Du und Ihr auf achterlei Weise gegeben, und das sowohl vom Tagelöhner als vom Hofmann; der Wust ist Form der Sprache. (CAPMANY 1776: VI-VII): Una traduccion será imperfecta siempre que con ella no podamos conocer, y exâminar el caracter de la nacion por el del autor. Cada Nacion tiene el suyo, y de resultas de él usa de ciertas comparaciones, imágenes, figuras, y locucion, que por su singularidad, y novedad chocan nuestra delicadeza. Así muchos traductores, ò por amor proprio, ò por indiferencia, ò finalmente por ignorancia, esto es, ò por preferir el caracter de su nacion, y el gusto de su tiempo, ò por no querer, ò no saber conocer la filosofia de las costumbres en la de los diversos idiomas, han hecho que hable un Sueco como un Arabe. […] – (VIII): Las lenguas tienen un caracter particular que las distingue; y esta diversidad, que aqui llamamos genio, ò índole, consiste en la desigual aptitud para expresar una misma idea, logicamente hablando, aunque todas pueden acomodarse à los diferentes géneros de estilos, y de obras. (IHRE 1780: XXX): Hi linguarum cultores mirabuntur linguam hujus gentis, quae studia literarum non colit, cujusque simplicitas vitae haud multarum scientiarum & artium admini-
782 culo opus habet, tamen multis abundare elegantiis vocibusque, quibus quæ dicenda sunt nervose satis exprimi possunt. Hæ voces phrasesque sæpe tales sunt & tam singularis energiæ, ut in aliud idioma ægre transferri possint, atque, si versiones ex una in alteram linguam merito consentur requirere eruditionem solidam ingeniumque acutum, multo adhuc difficilius erit negotium ex lingua Lapponica in aliam quamvis quidquam transferre, propter idiotismos hujus linguae indolemque singularem. (BRICAIRE DE LA DIXMERIE 1781: 311): Chaque Langue a son génie. Celui de la nôtre est la précision, la clarté; elle est même susceptible de cette élévation qui atteint jusqu’au sublime; qui devient l’organe des plus nobles sentimens, le tableau des plus grands objets; également ennemie de l’enflure qui n’exprime rien, & de la trivialité qui défigure tout. (ROUSSEAU [1781] 1968: 41): Le genie des langues orientales, les plus anciennes qui nous soient connües, dément absolument la marche didactique qu’on imagine dans leur composition. Ces langues n’ont rien de méthodique et de raisoné; elles sont vives et figurées. (MORITZ [1784] 1801: 7): Wir haben gesehen, wie die alte Brittische Sprache nach und nach durch die Römer, Dänen und Sachsen ausgerottet, und durch die Angelsächsische verdrängt ward, und wie sich nachher dieses Angelsächsische wieder mit dem Normannisch-Französischen vermischte. Dadurch hat die Sprache sehr viel von ihrem Eigenthümlichen verloren, indem sie sonst Religions- und andere Begriffe aus sich selbst benannte, nachher aber sich der alten lateinischen Benennungen bediente. (RIVAROL [1784] 1998: 31–32): A tant d’obstacles tirés de la situation de l’Empire on peut en ajouter d’autres, fondés sur la nature même de la langue allemande: elle est trop riche et trop dure à la fois. N’ayant aucun rapport avec les langues anciennes, elle fut pour l’Europe une langue mère, et son abondance effraya des têtes déjà fatiguées de l’étude du latin et du grec. En effet, un Allemand qui apprend la langue française ne fait pour ainsi dire qu’y descendre, conduit par la langue latine; mais rien ne peut nous faire remonter du français à l’allemand: il aurait fallu se créer pour lui une nouvelle mémoire, et sa
III. Einheit und Vielfalt littérature, il y a un siècle, ne valait pas un tel effort. D’ailleurs, sa prononciation gutturale choqua trop l’oreille des peuples du Midi, et les imprimeurs allemands, fidèles à l’écriture gothique, rebutèrent des yeux accoutumés aux caractères romains. - (41): Enfin le caractère même de la langue italienne fut ce qui l’écarta le plus de cette universalité qu’obtient chaque jour la langue française. On sait quelle distance sépare en Italie la poésie de la prose; mais ce qui doit étonner, c’est que le vers y ait réellement plus d’âpreté, ou, pour mieux dire, moins de mignardise que la prose. (CESAROTTI 1788b: 71–72): […] questo genio è biforme, e può distinguersi in due, l’uno de’quali po chiamarsi Genio Grammaticale, e l’altro Rettorico. Il primo dipende dalla struttura meccanica degli elementi dalla loro sintassi; l’altro dall’sistema generale dell’idee e dei sentimenti che predomina nelle diverse nazioni. (CAMPOS 1791: 23): Cada idioma tiene su particular coleccion de diferencias, y su particular sentido en las palabras: y suponer dos idiomas iguales en este punto, es suponer dos naciones que hayan observado con una perfecta igualdad. – (135): El comercio, mezclando las naciones, confundió los idiomas, alteró su genio, y les desfiguró hasta hacer imposible la invencion del significado exâcto de las palabras en la derivacion, ni en las etimologías. Triste condicion de todas las lenguas de Europa, mas ó menos, á medida que las naciones han variado mas de dominacion, y de su mayor propension al tráfico y los viages! (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 11): Las lenguas diversas, quando se escriben, presentan al lector dos distintivos característicos de su diversidad, que son las palabras, y el artificio gramatical con que estas se ordenan para formar el discurso; y quando se hablan, presentan otro tercer distintivo, que es el de la pronunciacion ó acento vocal con que se profieren las palabras. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 30): Le génie de cette langue consiste dans l’ordre et la clarté: la liberté et les charmes de la société lui ont donné une délicatesse d’expression, et une finesse d’esprit qui ne se retrouvent point ai-
Besonderer Charakter einer Sprache lleurs; ce qui ne l’a point empêchée de devenir plus philosophique qu’aucune autre. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 166–167): Nous ne craindrons pas de dire qu’une langue qui n’auroit rien emprunté des autres, ou qui n’auroit emprunté que des familles entières de mots, et qui même en auroit pris les racines, nous donneroit d’une manière sensible, la filiation des idées et des connoissances de la nation dont elle seroit la langue: mais les langues qui ne sont qu’un mélange désordonné de plusieurs autres, ne peuvent jamais nous offrir qu’un cahos où tout est confondu et sans valeur: la différence des mots n’y indique aucune diversité entre les idées: la ressemblance de ceux-là n’y offre aucune analogie entre celles-ci: ces langues ne sont et ne peuvent être que de misérables jargons. Nous dirons encore que la stabilité du caractère national, tenant essentiellement à la stabilité des opinions, plus les langues sont homogènes, et moins les peuples sont inconstants ou légers. (DENINA 1804: XXVII): La différence des langues provenant principalement d’une différence imperceptible d’organisation dans les races humaines nées, éduquées en différens pays, ou d’une manière différente, il importe certainement beaucoup de connoître le penchant qu’a chaque nation à proférer plutôt certaines lettres, que d’autres; à commencer ou à terminer le mot plutôt par une aspiration que par un sifflement, et plutôt par une consonne que par une voyelle. En considérant la résistance qu’éprouvent certains peuples à articuler les lettres, consonnes ou voyelles, en certaines positions, ou l’habitude qu’ils ont contractée, de donner aux élémens de la parole une expression, ou une valeur différente de celle qu’ils avoient ailleurs, on devine pour ainsi dire la signification du mot qui se présente. (BERNHARDI [1805] 1990: 7): Eben so befaßt sich die Sprachwissenschaft nicht mit dem was die empirische Sprache eigentlich zur individuellen macht und wozu erstlich der ganze einzelne Sprachgebrauch gehört, der zwar in sehr vielen Fällen durch eine gehörige philosophische Erklärung verschwindet, aber doch bisweilen von einer unbedingten und daher unauflösbaren Willkühr der einzelnen Sprache als eines progressiven Ganzen herkommt.
783 (BELLO [1847] 1995: 5–6): El habla de un pueblo es un sistema artificial de signos, que bajo muchos respectos se diferencia de los otros sistemas de la misma especie; de que se sigue que cada lengua tiene su teoría particular, su gramática. No debemos, pues, aplicar indistintamente a un idioma los principios, los términos, las analogías en que se resumen bien o mal las prácticas de otro. Esta misma palabra idioma está diciendo que cada lengua tiene su genio, su fisonomía, sus giros; y mal desempeñaría su oficio el gramático que explicando la suya se limitara a lo que ella tuviese de común con otra, o (todavía peor) que supusiera semejanzas donde no hubiese más que diferencias, y diferencias importantes, radicales. Una cosa es la gramática general, y otra la gramática de un idioma dado: una cosa comparar entre sí dos idiomas, y otra considerar un idioma como es en sí mismo.
III. Nach der Aufwertung der Volksspra-
chen in der Folge des Humanismus und im Zusammenhang mit dem Bewusstwerden eines Normierungsbedarfs (ĺ Normierung) entstand im 17. Jahrhundert die Notwendigkeit, einzelsprachliche Besonderheiten in ihrer Gesamtheit zu bezeichnen. Erstmals ist die Bezeichnung génie de la langue bei BOURZEYS in seiner Abhandlung Sur le dessein de l’Académie et sur le différent génie des langues belegt (BOURZEYS 1635: 233, vgl. SCHLAPS 1999). BOURZEYS gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Académie française und war sowohl am Plan für das Wörterbuch als auch an der Redaktion der Statuten beteiligt. Nach BOURZEYS hat jede Sprache Besonderheiten in ihren Regeln, ihren Wendungen und im Geschmack (reigles, proprietéz, goustz), was ihn zur Forderung nach einer eigenen Gesetzen gehorchenden Beredsamkeit und einer entsprechenden Stilistik veranlasst (ĺ Stil). Zum in ihrer Breitenwirkung dominierenden Genre metasprachlicher Reflexion wurden im Frankreich des 17. Jahrhunderts jedoch ungeordnete, aus Anlass sprachlicher Zweifel und mit normativem Anspruch verfasste Bemerkungen, für die VAUGELAS’ Remarques sur la langue française (1647) als Prototyp stehen. Für die besondere Neigung von Sprachen, Vorgänge im Denken einfach (naïvement) darzustellen, wurde auch das Wort talent ver-
784 wendet, das BOUHOURS vor allen anderen Sprachen dem Französischen zuschreibt. Ende des 17. Jahrhunderts war der Bedarf an systematischer und ausführlicher Darstellung der von MÉNAGE, VAUGELAS und BOUHOURS beschriebenen Erscheinungen herangereift. Es entstanden normative Werke (ĺ Normierung), die mit dem Titel le génie de la langue bezeichnet wurden und die Remarques in eine systematische Ordnung brachten. AISY (Le Génie de la langue françoise, 1685) erklärt diese Absicht ausdrücklich und gibt eine ausführliche Typologie sprachlicher Fehler. MENUDIER (1681) nennt in seinem gleichfalls Le Génie de la langue françoise überschriebenen Werk deutsche Entsprechungen zu französischen Redewendungen und wählt als deutsche Variante des zweisprachigen Titels Die Natur der Französischen Sprach. Obwohl in diesen Werken der systematische Anspruch einer ĺ Normierung der französischen Sprache dominierte, wurden gleichzeitig bestimmte Grundzüge aufgezeigt, durch die sie sich von anderen abheben sollte. Die Vorstellungen davon, wie die französische Sprache sein sollte, wurden zu deren génie erklärt und als Maßstab gesetzt. ĺ Klarheit und Einfachheit entsprachen dabei dem zeittypischen Ideal und wurden schnell zum Topos, der sich auch in späteren Charakterisierungen wieder findet. Als relationaler Begriff setzt der besondere Charakter einer Sprache einen Vergleich mit dem Allgemeinen voraus, der jedoch im Gefolge der Aufwertung der Nationalsprachen weitgehend ausgeblieben war (ĺ Apologie). Einer Sprache werden aufgrund ihrer realen oder angenommenen Eigenschaften bestimmte Vorzüge und Mängel zugeschrieben (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), die dann als ihr besonderer Charakter nicht mehr hinterfragt werden. Diese aus der Sprachdiskussion in den verschiedensten Bereichen kommende Begriffsbildung wurde auch in der Rhetorik und der ĺ Grammatik aufgenommen. Klarheit und Einfachheit der Regeln, Präzision und Eleganz werden auf diese Weise zu Eigenschaften des Französischen erklärt (vgl. LAMY, CHARPENTIER), die lediglich allgemein im Hinblick auf die Anordnung der Gedanken (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) mit anderen Sprachen verglichen werden.
III. Einheit und Vielfalt Ende des 17. Jahrhunderts war das génie de la langue in Frankreich bereits in der grammatischen Beschreibung geläufig (ĺ Grammatik) und ein regelrechtes Modethema, das sich in der ĺ Normierung des Französischen etabliert hatte. Nach dem vorherrschenden Erklärungsmodell der Beziehungen zwischen Sprache und Denken stellten sich die Beziehungen zwischen dem variierenden, einzelsprachlich verschiedenen Charakter der Sprachen und dem einheitlichen, auf rationalistischer Basis erklärten Denken als unproblematisch dar (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Diese rationalistische und universalistische Erklärung des Verhältnisses von Sprache und Denken ist ein wichtiger Grund dafür, warum die Feststellung eines besonderen Charakters der Sprachen zunächst nicht zu Überlegungen über die Spezifik des Sprachbaus, wie etwa die Einzelsprachlichkeit grammatischer Regeln oder die Spezifik der Wortschatzgliederung, führte (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die Bezeichnung génie de la langue war zumindest für das Französische fest etabliert als Bezeichnung für Besonderheiten der Ausdrucksweise und des Stils (ĺ Stil). Im Einzelnen wurden solche besonderen Ausdrucksformen auch mit idiome bezeichnet (z. B. LAMY). Dabei kam es jedoch zu einer Differenzierung der Bedeutung: Während idiome für die isoliert betrachtete Erscheinung reserviert war, wurde génie de la langue zur Bezeichnung des systematischen besonderen Charakters einer Einzelsprache. Bei GIRARD wird dieser als Sprachbau betrachtete Grundzug, der sich nicht auf lautliche Besonderheiten reduziert, zur Grundlage einer Typologie (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Die Begriffsbildung des besonderen Charakters einer Sprache findet auch außerhalb Frankreichs statt, jedoch deuten Benennungsschwierigkeiten und Umschreibungen darauf hin, dass es sich um einen übernommenen Begriff handelt. MENUDIER findet 1681 mit Natur der Französischen Sprach eine Bezeichnung, die den Geniebegriff als Essenz einer Erscheinung deutet, jedoch der gemeinten Sache, der Beschreibung spezifischer französischer Redewendungen, kaum gerecht wird. MAYANS bedient sich 1737 der bildhaften Umschreibung des Gießens von Wasser
Besonderer Charakter einer Sprache in ein Gefäß, das die Form vorgibt. TREDIAKOVSKIJ erkennt 1735 die Besonderheit einer Nationalsprache als globale Eigenschaft, die spezifische prosodische oder grammatische Züge zulassen muss (ĺ Prosodie / Akzent, ĺ Grammatik), und bezeichnet sie als ɫɜɨɣɫɬɜɨ ɧɚɲɟɝɨ ɹɡɵɤɚ (‘Eigenheit unserer Sprache’). ALGAROTTI verwendet 1750 die Bezeichnung genio für besondere Denk- und Ausdrucksweisen der Völker, versieht sie jedoch mit einer Umschreibung (il genio, o vogliam dire la forma di ciascun linguaggio). HARRIS übernimmt 1751 genius in der Benennung für denselben Sachverhalt, legt sich jedoch terminologisch nicht fest und verwendet den adjektivischen Zusatz own (Genius of their own Language). Die Verarbeitung des Begriffs und seiner Bezeichnungen in den europäischen Sprachen zeigt ein komplexes Bild, das sich nicht als linearer Kulturtransfer deuten lässt. Obwohl der Ursprung des Begriffs in Frankreich lag, führten kulturelle und sprachliche Bedingungen zu Abweichungen im begrifflichen Inhalt und seiner Benennung. Das Interesse für die Erklärung der Verschiedenheit der Sprachen führte zu Feststellungen, die Beziehungen zu Besonderheiten des Denkens und der Charakteristika der Nationen akzentuierten (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Hierzu gehört die Annahme, die Sprache sei ein Spiegel des Denkens (LEIBNIZ), mit der jedoch noch keine Aussage über die Art und Weise der Beziehung verbunden ist. LOCKEs Feststellung, dass die einzelnen Völker ihre Sinneswahrnehmungen unterschiedlich zu komplexen Begriffen zusammenfassen und benennen, wurde zur Grundlage der Erklärung des besonderen Charakters der Sprachen in sensualistischen Sprachtheorien. Eine Schlüsselstellung nahm dabei die Begründung sprachlicher Unterschiede mit unterschiedlichen Bedürfnissen ein. Die Menschen bezeichneten lediglich die Dinge und Erscheinungen, mit denen sie häufig Umgang hatten, mit Wörtern, um schneller über sie kommunizieren zu können und um einen raschen Zugriff für das Denken zu erlauben. Wenn die Wörter erst einmal festgelegt sind, werden sie für die Art und Weise, in der die Menschen Beziehungen in ihrem Denken herstellen, bestimmend (CONDILLAC). Damit war
785 die Frage verbunden, ob die Verschiedenheit der Sprachen lediglich eine äußere ist, ob sie auf Unterschiede im Denken schließen lässt oder ob sie diese Unterschiede vielleicht sogar bedingt (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Verbreitet war die Rückführung sprachlicher Besonderheiten, ebenso wie der Eigenschaften der Sprecher und ihres Denkens, auf klimatische und politische Bedingungen sowie auf die Entwicklung von Wissenschaften und Künsten (vgl. z. B. VICO, BEAUZÉE). Mit dem von ROUSSEAU im Essai sur l’origine des langues (Chap. X) eingeführten grundlegenden Unterschied in der Entstehung der Sprachen des Nordens und des Südens war eine wichtige Referenz für die Position geschaffen, die zu mechanischen Deutungen sprachlicher Charakteristika einzelner Sprachen durch klimatische Einflüsse führte. Auch die orientalischen Sprachen erfuhren auf diese Weise globale Beschreibungen ihrer Charakteristika (HERDER, ROUSSEAU). Nach der von VOLTAIRE gegebenen Definition besteht das génie de la langue in der Fähigkeit der Sprache, das besonders kurz und harmonisch auszudrücken, wofür andere Sprachen weniger geeignete Mittel haben. Ausschlaggebend für die Diskussion um den besonderen Charakter der Sprachen wurde im 18. Jahrhundert die Frage ihrer Eignung für die Entwicklung der menschlichen Denkprozesse. Ausgehend von den in LOCKEs Essay concerning Human Understanding (1690) dargelegten sensualistischen Positionen wurde die Feststellung eines arbiträren Zeichencharakters (ĺ Arbitrarität) über die Relation zwischen Lautfolgen und Ideen (ĺ Konvention) hinaus auch auf die Zusammensetzung der Ideen ausgedehnt. LOCKE hatte die Spezifik der Wortbedeutungen (ĺ Bedeutung) in jeder Sprache mit Unterschieden der einzelnen Völker in ihren kommunikativen Bedürfnissen und der Zusammensetzung komplexer Ideen erklärt. LEIBNIZ war in seinen Nouveaux Essais sur l’entendement humain von LOCKE ausgegangen, er hatte jedoch dessen Erklärung der Wortbedeutungen als willkürliche Zusammenfassung einfacher Ideen verworfen. Zwar stellt sich auch für ihn die Wortform nicht als etwas natürlich Gegebenes dar; die Wortbedeutungen ergeben sich je-
786 doch nicht durch zufällige Übereinkunft, sondern sie werden durch verschiedene natürliche und soziale Faktoren bestimmt. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachen sind nach LEIBNIZ nicht einfach spezifische Entwicklungen, sondern sie sind ebenso notwendig, wie die Vielheit der Monaden zur möglichst vielfältigen Erfassung der Welt notwendig ist (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Autoren wie CONDILLAC und DIDEROT stellten eine Beziehung zwischen dem Charakter von Sprachen und den Besonderheiten der sie sprechenden Völker fest. Für CONDILLAC prägt das génie de la langue den Charakter der Sprache als Methode, deren sich der Mensch bei der Analyse der Ideen bedienen muss. In Beantwortung einer Preisfrage der Berliner Akademie zum Verhältnis der Sprachen und der ‘Meinungen der Völker’ (1759) setzt MICHAELIS diese Diskussion unter eher philologischen Gesichtspunkten fort und bezieht auch Beispiele aus orientalischen Sprachen ein. Beim Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert ist die Vorstellung von einer Spezifik und Einzelsprachlichkeit der Gliederung des Wortschatzes jeder Sprache auch außerhalb philosophischer und sprachtheoretischer Zusammenhänge deutlich ausgeprägt. So hindert die Orientierung an der rationalistischen Tradition der Logik von Port-Royal in der Erklärung der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens (ĺ Zeichen und Idee, ĺ Arbitrarität) LAMY (1699) nicht daran, die unterschiedliche Differenzierung lexikalischer Felder in einzelnen Sprachen festzustellen. Die Bezeichnung der Gegenstände und Erscheinungen sei umso differenzierter, je größere Aufmerksamkeit die einzelnen Völker bestimmten Bereichen des Lebens schenkten. Daraus erkläre sich unter anderem, warum die Araber 30 Bezeichnungen für Kamele haben oder die Völker, die Wissenschaften und Künste besonders pflegen, ein reicheres Vokabular hätten als andere (ĺ Reichtum). Die Untersuchung von Metaphern (ĺ Metapher) trug ebenfalls zur Feststellung von Unterschieden zwischen Sprachen und zum Erkennen historischer Veränderungen in Wortbedeutungen bei (ĺ Bedeutung). LAMY hat unterschiedliche Arten übertragener Bedeu-
III. Einheit und Vielfalt tungen ausführlich behandelt und die Notwendigkeit von Metaphern mit der Gedächtniskapazität der Menschen begründet, die nicht für jede jeweils neu gefundene Kombination von Ideen neue Zeichen erfinden und behalten könnten (ĺ Zeichen und Idee). In dem Maße, wie die Sinneswahrnehmungen als Erkenntnisquelle aufgewertet wurden und eine emotionale und persuasive Rhetorik sich durchsetzte, gewann die Metaphernproblematik ihrerseits an Bedeutung. Im Bereich übertragener Bedeutung wird die Bindung der sprachlichen Bedeutungen an historische Gemeinschaften vor allem von DU MARSAIS in seinem Werk Des Tropes ou des différents sens dans lesquels on peut prendre un même mot dans une même langue (1730) beschrieben. In einer als Exkurs eingefügten kontrastiven Studie zu Metaphern, behandelt DU MARSAIS Schwierigkeiten in der Übersetzung lexikalischer Metaphern und diesbezügliche Mängel lateinisch-französischer Wörterbücher. Um die Bedeutungen der Wörter einer Sprache zu beschreiben, müsse man die Besonderheiten jeder Sprache in der Anordnung des semantischen Materials berücksichtigen. Nach der rein normativen Bestimmung des génie de la langue wird die Problematik eines besonderen Charakters der Einzelsprachen vor allem im Zusammenhang mit kulturellen Unterschieden zwischen Völkern diskutiert. Die Zeichen der menschlichen Sprache werden auf dem Hintergrund eines langen Interaktionsprozesses mit den kognitiven Fähigkeiten der Menschen betrachtet (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Den aus diesem Prozess hervorgegangenen Regeln für die Verknüpfung zwischen Ideen und der Belegung mit Zeichen wird für die jeweiligen Völker Verbindlichkeit und konstitutive Eigenschaft für den besonderen Charakter der Sprache zugeschrieben. Die Spezifik einer Sprache als analytische Methode, die vor allem von der Zusammensetzung der mit Zeichen belegten Ideenkombinationen abhängt (ĺ Zeichen und Idee), ist Bestandteil des besonderen Charakters einer Sprache. Dies trifft auch auf Konnotationen (‘Nebenideen’) zu, die zum Zeitpunkt der Fixierung einer Sprache in Abhängigkeit von der Wertschätzung der Sprachgemeinschaft für bestimmte Bereiche des Lebens festgelegt werden. Darüber hinaus gibt
Besonderer Charakter einer Sprache es nach CONDILLAC noch tiefgreifendere Unterschiede im Wortschatz der Sprachen. Die Menschen könnten ihre Ideen nicht klar bestimmen, bevor sie angemessene Bezeichnungen für sie gefunden hätten, die sie fixieren und für weitere Denkprozesse verfügbar machen. Die Bildung komplexer Ideen wäre in diesem Prozess an institutionelle Zeichen gebunden. Da es keine außersprachliche Grundlage für die Zusammenfassung von Ideen unter einer Bezeichnung gibt, gingen die einzelnen Sprachen in der Bildung komplexer Ideen, die ihrerseits zur Grundlage der Klassifizierung von Gegenständen und Erscheinungen würden, unterschiedlich vor. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lässt sich eine begriffliche Weiterentwicklung feststellen, die vor allem den grammatischen Bau als Kern des besonderen Charakters der Sprachen bestimmt. Deutlich wurde dabei ein besonderer Charakter einer Sprache in ihrer ĺ Grammatik und in ihrem ĺ Gebrauch unterschieden, wobei PRIESTLEY (1762) den Begriff des Systems in seiner einzelsprachlichen Ausprägung einführt und CESAROTTI die Unterscheidung von systematischen grammatischen Voraussetzungen und Sprachverwendung zum Ausdruck der spezifischen Ideen eines Volkes in der Gegenüberstellung von genio grammaticale und genio rettorico konzeptualisiert. Für den spanischen Jesuiten HERVÁS Y PANDURO ist die Verschiedenheit der Sprachen in der Aussprache, im Vokabular und im grammatischen Bau beschreibbar. Letzteren, den artificio gramatical, sieht er als Ausgangspunkt seiner anthropologisch orientierten Typologie (ĺ Universalität und Verschiedenheit, ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Unter sprachphilosophischem Aspekt trat auch der sprachkritische Gesichtspunkt bei der Betrachtung des besonderen Charakters einer Einzelsprache ins Blickfeld. Sprachen können durch die von ihnen vorgenommenen Gliederungen Vorurteile festigen und Missverständnisse verursachen. Aus dem Konstatieren dieses Zustands leitet sich bei einigen Autoren (z. B. MICHAELIS) der Aufruf zur Sprachverbesserung ab. Die bessere oder schlechtere Eignung der Sprachen, ihre Biegsamkeit (LAMBERT 1764) für die Belange der menschlichen Erkenntnisprozesse war in der
787 zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem Topos geworden (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die intensive Diskussion über den besonderen Charakter einzelner Sprachen warf im 18. Jahrhundert auch das Verhältnis zu den universellen Eigenschaften der Sprache als sprachtheoretisches Problem auf (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Aus rationalistischer Sicht ließ sich diese Frage einfach mit einer Zweiteilung der Sprachbetrachtung in allgemeine und einzelsprachliche ĺ Grammatik beantworten. So ergeben sich nach BEAUZÉEs Enzyklopädieartikel Langue die Gemeinsamkeiten der Sprachen aus der notwendigerweise für alle Menschen gleichen Analyse unseres Denkens. Demgegenüber konnte die sensualistische Betrachtungsweise sogar so weit geführt werden, jedem Menschen eine eigene Auffassung von der Welt zuzuschreiben, die er auf individuelle Weise mit Zeichen verbindet, deren Bedeutungen jedoch nicht mehr konventionalisierbar sind (ĺ Bedeutung, ĺ Konvention). Neben der erkenntnistheoretischen Diskussion des besonderen Charakters einer Sprache und der Betrachtung der systematischen Voraussetzung für den Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) behält jedoch durch das ganze 18. Jahrhundert auch die wertende, insbesondere das Französische hervorkehrende Deutung ihre Gültigkeit (vgl. BRICAIRE DE LA DIXMERIE, RIVAROL). RIVAROLs Auffassung, nach der die französische Sprache ihre Vorrangstellung ihrem besonderen Charakter verdanke, knüpft an frühere Diskussionen zum génie de la langue an, deutet jedoch deren Forderung nach Ausbau und ĺ Normierung im Sinne der Feststellung einer Überlegenheit um. Die zum Charakteristikum der französischen Sprache erklärte ĺ Klarheit wird in erster Linie mit der direkten Wortfolge (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) gestützt und entwickelt sich im Sinne von RIVAROLs Satz ce qui n’est pas clair n’est pas français zu einem Mythos. Dabei tritt auch der Gedanke der Bewahrung des Sprachcharakters im Zusammenhang mit dem Charakter einer Nation bei Sprachkontakten in der Folge von Eroberungen und historischen Prozessen zunehmend in den Vordergrund (z. B. THIÉBAULT, CAMPOS, MORITZ). Die wertende Komponen-
788 te des Begriffs des besonderen Charakters einer Sprache, die sich mit Stolz auf die Nationalsprache, aber auch abwertender Betrachtung anderer Sprachen verbinden konnte, bleibt somit präsent und wurde zur Grundlage für eine Verankerung des Begriffs im epilinguistischen Bewusstsein der Sprecher. Schließlich musste der besondere Charakter der Sprachen als Gegenstand der Sprachbetrachtung im Interesse einer allgemeinen ĺ Grammatik, die sich in einigen Fällen zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch an KANT orientierte (BERNHARDI), zurückgestellt werden. Die Vorstellung von der Willkürlichkeit einzelsprachlicher Charakteristika gewinnt dabei eine negative Nuance.
IV. Ausgehend von der Diskussion des be-
sonderen Charakters der Sprachen wurde vor allem eine gewisse Kontinuität bis zu HUMBOLDT beschrieben, der die Verschiedenheit der Sprachen und ihre “Identität” mit dem Denken feststellt (ĺ Universalität und Verschiedenheit, ĺ kognitive Funktion der Sprache). Diese Kontinuität ist auf dem Hintergrund einer breiten Sprachdiskussion vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu erklären. Im Hinblick auf HUMBOLDT wurden HERDER und den französischen Ideologen maßgebliche Einflüsse zugeschrieben, was sich jedoch schwer im Einzelnen nachweisen lässt. Dennoch lässt sich feststellen, dass die HUMBOLDTs Theorie von der sprachlichen Weltansicht zugrunde liegende Annahme einer Sprachrelativität des Denkens aus der Aufklärung erwuchs und dort eine progressive Funktion hatte, insofern sie der Überwindung der rationalistischen Erkenntnistheorie diente und den Aufruf zu einer verantwortungsbewussten Verwendung der Sprache unterstützte. Zu der Vermutung, dass Sprache und Individualität der Sprecher in einem Zusammenhang stehen, kommt HUMBOLDT erstmals in der Folge von Überlegungen zur Übersetzungskunst und Berechtigung von ĺ Neologismen. HUMBOLDT greift 1795 mit der Forderung nach Sprachverbesserung entsprechend den Bedürfnissen des Gedankenausdrucks und des Erkenntnisfortschritts, der Neologieproblematik und der Feststellung des Zusammenhangs zwischen dem Charakter der Sprache und der Individualität der
III. Einheit und Vielfalt Sprecher gleich drei zentrale Themen der Sprachdiskussion des 18. Jahrhunderts auf. Mit der Auffassung der Sprache als Wesen, als organisches Ganzes, ist zugleich die Grundlage für eine komplexere Auffassung von der Sprachrelativität des Denkens gegeben. Sprache, menschliches Denken und Handeln bilden eine untrennbare Einheit: Der Mensch denkt, fühlt und lebt allein in der Sprache, und muss erst durch sie gebildet werden (HUMBOLDT, Über den Nationalcharakter der Sprache (Bruchstück). In: HUMBOLDT 1960–1964: III, 77). Die These von der Sprachrelativität des Denkens erhält bei HUMBOLDT eine wichtige Funktion bei der Erklärung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit und ist – ähnlich wie bei vielen Aufklärern – mit dem Aufruf zum verantwortungsbewussten Handeln verbunden (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die Veränderung der Auffassung der einzelsprachlichen Geformtheit des Denkens bei HUMBOLDT liegt gegenüber dem 18. Jahrhundert jedoch nicht nur in der Annahme einer dem Menschen innewohnenden mystischen Kraft. Während in der vorangegangenen Sprachdiskussion die Sprachgemeinschaft als im wesentlichen durch soziale Faktoren geprägte Menschengruppe aufgefasst wurde, deren Charakter durch die Sprache Stabilität erhält und zusätzlich geformt werden kann, geht HUMBOLDT sogar so weit, den Begriff der Nation mittels des Sprachkriteriums zu definieren. Die Verschiedenheit der Sprachen ist für HUMBOLDT nicht nur eine naturhistorische Erscheinung als Folge der Verschiedenheit und Absonderung der Völkerstämme, sondern eine “intellectuell-teleologische Erscheinung” als “Bildungsmittel der Nationen” (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Wie weit analoge Überlegungen auch in Deutschland zur Zeit HUMBOLDTs verbreitet waren, zeigen Arbeiten, die unabhängig von HUMBOLDT oder sogar vor ihm zu ähnlichen Schlussfolgerungen kamen. Parallel zu HUMBOLDT und zunächst unabhängig von ihm entwickelte HEYSE von 1829 an Überlegungen, die er in seinem System der Sprachwissenschaft mit folgenden Worten darlegte: Die Sprache ist also nicht ein System reiner Begriffe, sondern eine in sich geschlossene Welt eigenthümlicher Vorstellungen, wie sie der
Besonderer Charakter einer Sprache besondere Volksgeist nach seiner eigenthümlichen Anschauungsweise aus sich erzeugt hat. Die verschiedenen Sprachen sind also auch von ihrer inneren Seite betrachtet keineswegs identisch, sondern eben so viel identische Systeme von Vorstellungen, jede eine eigenthümliche Welt. (HEYSE 1856: 159–160) (ĺ Universalität und Verschiedenheit). In unmittelbarer Kontinuität zur Sprachdiskussion des 18. Jahrhunderts steht BELLO, der durch einen fast zwanzigjährigen Aufenthalt in London mit dem europäischen Sprachdenken bekannt wurde und sich die analytische Methode der Ideologen aneignete. Seine Forderung nach einer Trennung von allgemeiner und einzelsprachlicher ĺ Grammatik setzte er nach seiner Rückkehr nach Lateinamerika in seiner Gramática de la lengua castellana para uso de hispano-americanos (1847) um, in der er besonders bei der Beschreibung der Verbaltempora neue Wege ging (ĺ Verb). Während der besondere Charakter einer Sprache in der Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts partikularisiert wurde und als globaler Begriff kaum noch präsent war, blieb er jedoch in der Laienlinguistik durchaus aktuell. Die Bezeichnung génie de la langue steht dabei für Nachschlagewerke, die idiomatische Besonderheiten einer Sprache oft für praktische Lernzwecke aufführen, wie zum Beispiel das anonyme Werk Le génie de la langue française ou Receuil de 3200 proverbes et phrases proverbiales avec la traduction allemande. D’après le Dictionnaire de l’Académie, Dictionnaire des deux Nations, Boiste, Gattel, Mozin et autres ouvrages (1843). In der deutschen Übersetzung des Titels wird Genius der französischen Sprache verwendet, das jedoch im 19. Jahrhundert im Deutschen kaum noch auftritt. Auch in didaktischen Werken zu anderen Sprachen sollte der besondere Charakter, der die Eigenarten erklärt und zusammenhält, dargestellt werden, so zum Beispiel in einem Lehrbuch des Englischen: Génie de la langue anglaise. Développé dans une suite d’exercices sur les idomes; à l’usage des personnes qui désirent parler purement (1841). Mit DAUZAT, der sich auf den Begriff des génie de la langue bei VOLTAIRE und RIVAROL bezieht, wurde diese Tradition auch im 20. Jahrhundert aufgegriffen und im Sinne einer
789 an ein breites Publikum adressierten Beschreibung des Französischen als Einzelsprache in einer Art Globalkontrast zu anderen Sprachen fortgeführt. Der nichtterminologische, bewusst offene Charakter der Bezeichnung le génie de la langue lässt sie bis in die Gegenwart für ein je ne sais quoi verwenden, über das die Sprecher einer Sprache verfügen (BRZOZOWSKI / PIECHNIK 2003). Letztlich wird dabei jedoch das Besondere immer differenziell bestimmt, insofern es von nicht normativ Empfundenem abgegrenzt und auf Alterität bezogen wird. In den letzten Jahren ist eine Reihe von Publikationen unter Verwendung des Terminus génie de la langue erschienen (CRÉPON 2000, MESCHONNIC 2000, GRIJELMO 2004), die an ein breites Publikum gerichtet sind und unter historischen Gesichtspunkten auf den beziehungsreichen Begriff zurückkommen.
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Universalsprache I. Lat. lingua universalis, characteristica
universalis, Scriptura Universalis, ars characteristica, character realis & mutus, ars signorum, Lingua generalis, lingua nova, lingua perfecta; dt. Universalsprache, allgemeine Sprache, Philosophische Sprache, realer Character; engl. universal language, universal character, real character, Characters reall, artificial language; Philosophical Language, a new perfect language; frz. langue universelle; Langue nouvelle, langue philosophique, langue universelle ou philosophique,
langue universelle & abrégée, langue factice, la meilleure langue de toutes les possibles, nouvelle langue savante, caractere universel, idiome universel, caracteres réels, caractere réel ou universel, alphabet ou caractere universel, langue universelle ou philosophique, caracteres réels, alphabet ou caractere universel; ital. linguaggio filosofale, lingua universale; span. lengua universal.
II. (BACON [1605] 1970: 59–60): For the
ORGANE OF TRADITION, it is either SPEECH OR WRITING: for Aristotle sayth
Universalsprache well: Wordes are the Images of Cogitations, and Letters are the Images of Wordes: But yet is not of necessitie, that Cogitations bee expressed by the Medium of Wordes. For whatsoeuer is capable of sufficient differences, and those perceptible by the sense; is in Nature competent to expreße Cogitations: And therefore we see in the Commerce of barbarous People, that vnderstand not one anothers language, & in the practise of diuers that are dumb & deafe, that mens minds are expressed in gestures, though not exactly, yet to serue the turne. And we vnderstand further, that it is the vse of Chyna, and the Kingdomes of the High Leuant, to write in Characters reall, which expresse neither Letters, nor words in große, but Things or Notions; in so much as Countreys and Prouinces, which vnderstand not one anothers language, can neuerthelesse read one anothers Writings, because the Characters are accepted more generally, than the Languages doe extend; and and [sic] therefore they haue a vast multitude of Characters; as many, I suppose, as Radicall words. These Notes of Cogitations are of twoo sortes; The one when the Note hath some Similitude, or Congruitie with the Notion; The other Ad Placitum, hauing force onely by Contract or Acceptation. Of the former sort are Hierogliphickes, and Gestures. For as to Hierogliphickes, (things of Ancient vse, and embraced chiefely by the Aegyptians, one of the most ancient Nations) they are but as continued Impreases and Emblemes. And as for Gestures, they are as Transitorie Hierogliphickes, and are to Hierogliphickes, as Words spoken are to Wordes written, in that they abide not; but they haue euermore as well, as the other an affinitie with the thinges signified. (TRIGAULT 1615: 27): […] Huius rei causam ego quidem esse suspicor, quod ab omni saeculorum memoria, gens haec scriptionem expolire magis, quam sermonem procurarit, ex eo quod omnis eius eloquentia ad nostra vsque tempora in sola scriptione, non etiam in pronunciatione consistat. Qualem Isocratis fuisse apud Graecos legimus: hinc fit vt familiares etiam nuncij non verbo, sed scripto etiam intra eandem Vrbem ferè transmittantur.
791 Hic porrò scribendi modus, quo singulis rebus singulos appingimus characteres, etsi memoriae sit permolestus, tamen adfert secum insignem quandam nostrisque inauditam commoditatem. Nam nationes alioqui sermone inter se diuersissimae, si communibus in scribendo characteribus vtantur, librorum litterarumque commercio communicant, tametsi alia aliam minimè assequatur colloquendo. Ita Iapones, Corai, Caucinciae: Leuhiaei communes habent libros, tametsi eos efferendo, ita inter se discrepent, vt alter alterius, ne verbum quidem intelligat, eundem tamen omnes librorum sensum assequantur, praeter suum Idioma aliudque nullum norint. (HUGO 1617: 60): […] si singulae literae impositae essent, non vocibus, sed rebus ipsis significandis, eaeque essent hominibus omnibus communes; omnes omnino homines, etiamsi gentes singulae res singulas diversis nominibus appellent, singularum gentium scriptionem intelligerent. (BACON [1620] 1999: 120/122): Aphorismus LVIII. At Idola Fori omnium molestissima sunt; quae ex foedere verborum et nominum se insinuarunt in intellectum. Credunt enim homines rationem suam verbis imperare; sed fit etiam ut verba vim suam super intellectum retorqueant et reflectant; quod philosophiam et scientias reddidit sophisticas et inactivas. Verba autem plerunque ex captu vulgi induntur, atque per lineas vulgari intellectui maxime conspicuas res secant. Quum autem intellectus acutior aut observatio diligentior eas lineas transferre velit, ut illae sint magis secundum naturam, verba obstrepunt. Unde fit ut magnae et solennes disputationes hominum doctorum saepe in controversias circa verba et nomina desinant; a quibus (ex more et prudentia mathematicorum) incipere consultius foret, easque per definitiones in ordinem redigere. Quae tamen definitiones, in naturalibus et materiatis, huic malo mederi non possunt; quoniam et ipsae definitiones ex verbis constant, et verba gignunt verba: adeo ut necesse sit ad instantias particulares earumque series et ordines recurrere; ut mox dicemus, quum ad modum et rationem constituendi notiones et axiomata deventum fuerit. (DESCARTES 1629, in MERSENNE [1628– 1648] 1932–1988: II, 327–328): […] et comme on peut aprendre en un jour à nommer
792 tous les nombres jusques à l’infiny, et à les écrire en une langue inconnuë, qui sont toutesfois une infinité de mots differens; qu’on pust faire le mesme de tous les autres mots necessaires pour exprimer toutes les autres choses qui tombent en l’esprit des hommes. Si cela estoit trouvé, je ne doute point que cette langue n’eust bien-tost cours parmy le monde; car il y a force gens qui employeroient volontiers cinq ou six jours de temps pour se pouvoir faire entendre par tous les hommes. […] l’invention de cette langue depend de la vraye Philosophie; car il est impossible autrement de denombrer toutes les pensées des hommes, et de les mettre par ordre, ny seulement de les distinguer en sorte qu’elles soient claires et simples, qui est à mon advis le plus grand secret qu’on puisse avoir pour acquerir la bonne science. Et si quelqu’un avoit bien expliqué quelles sont les idées simples qui sont en l’imagination des hommes, desquelles se compose tout ce qu’ils pensent, et que cela fust receu par tout le monde, j’oserais esperer ensuite une langue universelle fort aisée à aprendre, à prononcer et à ecrire et, ce qui est le principal, qui aideroit au jugement, luy representant si distinctement toutes choses, qu’il luy seroit presque impossible de se tromper; au lieu que tout au rebours, les mots que nous avons n’ont quasi que des significations confuses, ausquelles l’esprit des hommes s’estant accoutumé de longue main, cela est cause qu’il n’entend presque rien parfaitement. Or je tiens que cette langue est possible, et qu’on peut trouver la science de qui elle dépend, par le moyen de laquelle les paysans pourroient mieux juger de la verité des choses que ne font maintenant les philosophes. (MERSENNE 1635: Brief an PEIRESC, in MERSENNE [1628–1648] 1932–1988: V, 136): […] Je me suis imaginé une sorte d’escripture et un certain idiome universel, qui vous pourroit servir à cet effect, en dressant un alphabet qui contient tous les idiomes possibles, et toutes les dictions qui peuvent servir à exprimer chasque chose en telle langue qu’on vouldra. Il a ceste proprieté que sa seule lecture peut tellement enseigner la philosophie accomodée à son ordre, qu’on ne peut l’oublier ou si on l’oublie, qu’on peult la restablir sans l’ayde d’aulcun.
III. Einheit und Vielfalt (MERSENNE [1636] 1975: II, 65): Si l’on pouuoit inuenter vne langue dont les dictions eussent leur signification naturelle, de sorte que tous les hommes entendissent la pensee des autres à la seule prononciation sans en auoir appris la signification, comme ils entendent que l’on se réjoüit lors que l’on rit, & que l’on est triste quand on pleure, cette langue seroit la meilleure de toutes les possibles: car elle feroit la mesme impression sur tous les auditeurs, que feroient les pensees de l’esprit si elles se pouuoient immediatement communiquer entre les hommes comme entre les Anges. (MERSENNE [1636] 1975: II, 65–66): […] ce qui ne peut arriver si l’on ne suppose premierement que la meilleure langue est celle qui explique les notions de l’esprit le plus briefuement & le plus clairement. en apres, que les dictions qui ont moins de lettres ou moins de syllabes sont les plus courtes, & que la langue qui sera composee de dictions plus briefues sera la meilleure, puis qu’elle arrivera plustost au but que l’on se propose dans les langues, qui consiste à expliquer & à mettre au dehors ce que l’on a dans l’esprit. Cecy estant supposé, ie dis que la meilleure langue de toutes les possibles doit estre composee de toutes les dictions qui se peuvent faire d’une lettre, & puis de celle de deux, de trois, & de quatre lettres, iusques à ce qu’elle ait un assez grand nombre de dictions pour exprimer toutes les choses qui se peuvent cognoistre, & dont on peut parler. (GODWIN [1638] 1972: 92–94): […] In good time, therefore, I setled my selfe immediately to the learning of the language which (a marvellous thing to consider) is one of the same throughout all the regions of the Moone […]. The Difficulty of that language is not to bee conceived, and the reasons thereof are especially two: First, because it hath no affinitie with any other that ever I heard. Secondly, because it consisteth not so much of words and Letters, as of tunes and uncouth sounds, that no letters can expresse. For you have few wordes but they signifie divers and severall things, and they are distinguished onely by their tunes that are as it were sung in the utterance of them, yea many
Universalsprache wordes there are consisting of tunes onely, so as if they list they will utter their mindes by tunes without wordes […]. (TRIGAULT 1639: 63): Ex hoc etiam characterum pingendorum pro literis modo, nascitur insigne quoddam apud Sinas scriptionis genus, quo genere non paucis solum dictionibus, sed syllabis ea dicunt, quae nos longis ambagibus minus etiam significanter fortasse diceremus. (WILKINS [1641/1707] 1984: 55–56): Against the other [curse inflicted on mankind, i. e. the confusion of languages, C. N.], the best Help that we can yet boast of, is the Latin Tongue, and the other learned Languages, which by Reason of their Generality, do somewhat restore us from the first Confusion. But now if there were such an Universal Character to express Things and Notions, as might be legible to all People and Countries, so that Men of several Nations might with the same ease both write and read it, this Invention would be a far greater Advantage in this Particular, and mightily conduce to the spreading and promoting of all Arts and Sciences: Because that great part of our Time which is now required to the Learning of Words, might then be employed in the Study of Things. Nay, the Confusion at Babel might this way have been remedied, if every one could could have expressed his own meaning by the same kind of Character. But then perhaps the Art of Letters was not invented. That such a manner of Writing is already used in some Parts of the World, the Kingdoms of the high Levant, may evidently appear from divers credible Relations. Trigaultius affirms, that though those of China and Japan, do as much differ in their Language as the Hebrew and the Dutch; yet either of them can, by this Help of a common Character, as well understand the Books and Letters of the others, as if they were only there own. (WILKINS [1641/1707] 1984: 58): The Learning of this Character will not be more difficult than the Learning of any one Language, because there needs not be more Signs for the Expression of Things, than there is now for the Expression of Words. Amongst those in China and Japan, there is said to be about Seven or Eight Thousand.
793 The perfecting of such an Invention [of a universal language based upon a common system of signs, C. N.] were the only Way to unite the Seventy two Languages of the first Confusion; and therefore may very well deserve their Endeavours who have both Abilities and Leisure for such kind of Enquiries. (LODWICK [1647] 1972: To the Reader, 167– 168): […] So that what is once written with this writing, will be legible and intellegible, in all Languages whatsoever, although the reader in any Language, understood but his owne Language, provided as before, he understood this manner of writing. The reason hereof is, for that this writing hath no reference to letters, or their Conjunctions in words, according to the severall Languages, but, being rather a kind of hieroglyphical representation of words, by so many severall Characters, for each word a Character, and that not at Random, but as each word is either Radical, or derivative, the Radical, have their radicall Characters, the derivatives beare the Character of the Radix of their descent, with some differentall addition, whereby they may be differenced, from other derivatives, proceeding from the said Radix. (COMENIUS [1648] 1978: 23): 15. Hoc etiam, duodecimò: Lingvæ apparatum (si in sua perfectione spectetur) prægrande qvid esse, ut Mundus ipse, qvem repræsentatum it; & amplum capaxqve, ut Mens ipsa, cujus Conceptibus exhauriendis, & in alterius mentem transfundendis, sufficere debet: & deniqve concinnum qvid, omnia sua tàm harmonicè contexens & connectens, ut harmoniam Rerum, cujus mensuras in se Animus humanus continet, rectè exprimat. Nempè Lingva perfecta reqvirit. I. Nomenclaturam Rerum plenam. II. Consensum de Vocum significatu plenum. III. Sermonis rite struendi Leges plenas. (LODWICK [1652] 1972: The Introduction, 204–205): […] Concerning language, which, for the common use it hath with rationall creatures, should be in rules certain and easie, the contrary of which I have observed in most Languages at present in use amongst the Nations of these Western parts of the World, and more especially in those called Learned Languages, which are, as it were, become com-
794 mon Languages, by reason of the knowledge and learning by them divulged; and which should in all reason be the easiest and certainest, both for the truer description of things, and the easier attaining of the said Languages, which are but as the gates to Sciences, and therefore should admit easie and quick entrance to the things themselves, else it proveth a greater discouragement in Students, or at best, a losse of pretious time. The difficulty appeareth in the multiplicity of forms of the variations of the Verb in its Moods, Tenses, Persons and Numbers: of the Noun in its Cases, and of the Derivatives from the Radix, distinghuished by their Terminations. The uncertainty is manifested by those many Anomalies which the Grammer mentioneth after its Rules for speech, proceedeth to the increasing of them by the manifold Anomalies. (URQUHART [1653] 1970: 1–2): 1. Words are the signes of things; it being to signifie that they were instituted at first, nor can they be, as such, directed to any other end, whether they be articulate or inarticulate. 2. All things are either real or rationall; and the real, either natural or artificial. 3. There ought to be a proportion betwixt the sign and thing signified; therefore should all things, whether real or rationall, have their proper words assigned unto them. […] 9. But in the matter of the words whereby those things are expressed, no language ever hitherto framed hath observed any order relating to the thing signified by them; for if the words be ranked in their alphabeticall series, the things represented by them will fall to be in severall predicaments; and if the things themselves be categorically classed, the word whereby they are made known will not be tyed to any alphabetical rule […]. (BECK [1657] 1979: To the Reader): This last Century of years much hath been the discourse and expectation of learned men, concerning the finding out of an Universal Character, which if happily contrived, so as to avoid all Equivocal words, Anomalous variations and superfluous Synonymas (with which all Languages are encumbered and rendred difficult to the learner) would much advan-
III. Einheit und Vielfalt tage mankind in their civil commerce and be a singular means of propagating all sorts of Learning and true Religion in the World. (BECK [1657] 1979: To the Reader): It is a Character that wil fright no Eye with an unusual shape, there being nothing more generally known among men, all looking upon the figures, and reading them in their own Language, for the uses of arithmetick, and also, for secret Writing, it is the most common Character whereby men indeavour to hide their Conceptions from an intercepting hand. (DALGARNO [1661] 1968: 14): […] Sed admodum moleste fero, qod [sic] videam omnes fere homines una voce Characterem Realem & Mutum expetentes; dum vero de Lingua audiunt, ab hac ut a vano & superfluo Commento abhorrent. (DALGARNO [1661] 1968: 35): […] Natura autem ipsa in omni homine docet Rerum Naturas, sub communi & universali respectu considerare; & ex paucis qibusdam [sic] Communibus Rerum rationibus, particulares Rerum naturas describere: qamobrem [sic], omnino aequm est, ut Ars (qae nihil est aliud nisi Natura Exculta) rationes Rerum maxime communes doceat; ex qibus particularium Rerum Naturae describi possunt. (KIRCHER 1663: 6): […] Quid sit, aut in quo consistat hoc nouum linguarum artificium? Artificivm quod in hoc opere exponimus, nihil aliud est, quam linguarum omnium ad vnam reductio. Et in hoc potissimum, consistit, quod per illud quiuis, etiam si nulla alia, nisi vernacula sua lingua instructus, cum omnibus tamen totius orbis populis & nationibus, linguis, & idiomatis differentibus, reciproco commercio litteris correspondere queat. Ita vt si quis, huius artificij methodo, litteras scripserit, verbi gratia, latinas, illae non solum à totius Europae, sed & ab Asiae, Africae, quin de Americae populis, intelligi queant: & quod de latinis litteris, idem de Italicè, Gallicè, Hispanicè, & Germanicè scriptis intelligas velim. Sufficit enim vernacula cuiuscumque, tandem Nationis lingua, ad id quam commodissinè praestandum. Rursus si quispiam in Asia constitutus, in Turcica, Arabica, aut Persica lingua, huius artificij ope litteras ad quempiam in Europa constitutum scripserit, eadem hunc facilitate litteras, quarum linguas
Universalsprache non nouerit, non secus ac si vernacula sua lingua fuissent scriptae, intellecturum scias. Quod quam pulchrum, & fructuo–sum sit, quis non videt? (KIRCHER 1663: 7): CAPVT TERTIVM. Quomodo hoc artificium ad omnes totius mundi linguas traducere possis? Nos tanta occupationum mole continuò distenti hoc artificium, non nisi ad quinque praecipuas Europae linguas applicuimus, ne si ad omnes orbis linguas extendere id vellemus, nos vitam prius, quam exitum huius operis compleremus. Quia tamen nemo non facile videt, eodem prorsus modo, reliquas linguas applicari posse, quemadmodum nos eas Latinae, Gallicae, Italicae, & Germanicae applicuimus. Si verò Bibliopolae cuipiam opulento artificium ad omnes linguas orbis, aut saltem praecipuas & magis vsitatas transferendi animus sufficeret, illi nil aliud faciendum esset, quam vt vnam ex istis quinque, verbi gratia latinum dictionarium I. in quamcumque linguam voluerit, transferri curaret, vti sequitur in Catalogo. (COMENIUS 1668: 58–59): CAP. XV. VIÆ LUCIS universalis reqvisita qvatuor: Libri universales; Scholæ universales; Collegium universale; Lingva universalis. Fixis Panaugiæ finibus, media jam accommodabimus. Qvorum qvatuor se omninò offerunt: Libri universales, Scholæ universales, Collegium aliqvod virorum sapientum universale, & Lingva universalis: Omnia nova, novâ cura à fundamentis excitanda. 2 Non qvidem nobis jam desunt Libri universales, qvibus omnia continentur, Mundus, Scriptura, Conscientia; neqve Schola universalis, qvam nemo effugere potest, Vita præsens: Collegium etiam universale, Angelorum & hominum sanctorum, piè in gloriam Creatoris sui consentientium agmina: sola communis Lingva, qvâ nos intelligamus omnes, deest, sed non defuit olim, in statu innocentiæ. In qvo si perstitissemus, non aliis nobis utiqve Libris, non aliâ Scholâ, non aliâ collegiali Societate, non aliâ Lingvâ esset opus. Sed qvia aberravimus, & per infinita dilapsi vagamur, regressuqve opus est: opus & recollectione qvâdam universali, instrumentisqve nos ita colligentibus. 3 Cujus modi qvatuor illa, DEO jubente, esse poterunt, novi Libri, novæ Scholæ, novum
795 Collegium, nova Lingva: omnia verè universalia, & catholica, omnibus hominibus ad universales fines jam dictos dirigendis accomoda. Libri enim qvos desideramus, nihil aliud qvàm introductoria qvædam in Libros DEI, ad illos jam tandem meliùs & veriùs intelligendum, esse debebunt. Et Scholæ qvas optamus, nihil qvam majoris Scholæ, Vitæ ipsius, pædagogiæ erunt: id solum, ut nemo in mundo aliter qvàm in Schola sit, nemo non qvantum qvantum [sic] proficiat, qværentes. Collegium item qvod svademus, hoc sibi solùm habebit propositum, ut omnibus ubiqve hominibus associandi se sanctorum agminibus, occasiones non deesse possunt. Lingva deniqve illa universalis hoc solùm, ut nos in præsenti jam hâc subcælesti societate meliùs intelligamus, & in bono omnes mutuò ædificemus, præstare laborabit. (COMENIUS 1668: 59–60): 8 Habuimus item Lingvas varias, confusionum nostrarum continuandarum, & semper in magis augendarum, medium aptissimum. Hâc enim inflictâ Humanæ insolentiæ pænâ, verè Babylon facti fuimus omnes: plus inter nos invicem qvàm mutæ, bestiæ divisi. Illæ enim qvantum opus est nutibus se intelligunt: Homo cum ignotæ lingvæ homine qvid occipiat, prorsus nescit. Hinc Augustinus, Nemo nostrum est (inqvit) qvi non cum cane suo, qvàm cum homine ignotæ lingvæ, conversari malit. Cùm ergò tot per Orbem diversæ sint Lingvæ qvot Gentes (qvarum numerum ignoramus) eôqve ad plerasqve mundi gentes aditus nullus, obice hoc non remoto, pateat: etiam atqve etiam de constituenda aliqva una, omnibus communi, cogitandum erit. Qvæ si reperiri, usuqve introduci poterit (sicut & priora illa) habebitur qvod qværitur, ad omnes omnia necessaria docendum Via patentissima. (COMENIUS 1668: 74–76): CAP. XIX. Lingvæ Universalis ratio. Qvanto humanæ societati ad conservandam concordiam, & colenda sapientiæ studia, dilatandamqve Veritatis Doctrinam, & extendenda Ecclesiae pomæria, impedimento fuerit Linguarum confusio, vel inde fiat evidens, qvòd cum tenebrarum nostrarum misereri, Evangeliiqve Lucem Mundo inferre vellet DEUS, Lingvarum usus est ministerio. Idqve duplici ratione. 2 Primò, qvod Monarchiam Græcam adventum Christi antecedere, Romanam verò comi-
796 tari, voluit: qvarum utrarumque cultißima Lingva una cum Imperio, per gentes dilatata, felix Evangelii vehiculum facta fuit: ut ex titulo Crucis Christi, Evangelicisqve & Apostolicis, Patrum item Græcorum & Latinorum Scriptis, patet. 3. Secundò, qvòd ut ad illas qvoqve Gentes, qvæ nec Græca nec Latina intelligerent, penetrare vox Evangelii posset, Spiritus S. aliarum qvoqve lingvarum cognitione Evangelii præcones instruebat: utpote sine qvo medio ad illuminandum hominum heteroglossorum mentes aditus erat præclusus. 4 Necessario igitur nunc etiam, cùm Mundi totius Reformatio qværitur, & speratur, Lingvarum ope erit opus: h. e. aut illis qvi sapientiæ hoc lumen distributuri sunt Lingvarum qvarumvis donô; aut gentibus omnibus lingvâ aliquâ unâ communi. Qvorum utrumqve tametsi impossibile videri possit, non tamen est: posterius etiam priori faciliùs. Facilius enim est omnes addiscere unum qvid, qvàm unum alimqvem omnia; si labore & industria res hæ parandæ sunt. Sunt autem, qvia miraculorum dona cessarunt. […] 6 Prorsus tamen praeferenda est via posterior, ut Lingva aliqva toti Orbi communis constituatur. Ita enim meliùs se intelligent omnes, eodem sono: et evidentiùs erit signum, universale hoc Lumen penetrasse ad omnes; & Sapientiae studium fixiùs conservabitur inter omnes, & propagabitur ad posteritatem certiùs. Et poterit, qvicunqve volet, per qvascunqve Mundi regiones & climata, peregrinari, omnes intelligere, & ab omnibus intelligi, gnarus. […] 8 Sed communem hunc gentium Mercurium, qvia necesse est omnibus esse sufficientem, blandum, amabilem, nemini difficilem, durum, morosum; nobisqve talis jam qværendus est, non possum qvin hîc Ludovici Vivis Orbi universo Lingvam unam etiam optantis, cogitationes (qvas sub initium Libri III. de tradendis Diciplinis aperuit) reseram: Cùm lingva (inqvit) & instrumentum sit Societatis humanæ, & Eruditionis ærarium, è re humani generis esset unam esse, qvâ uterentur omnes Nationes. Qvam oportet esse svavem, doctam, facundam. Svavem, in facili & jucunda enunciatione: Doctam, in apta & propria significatione: Facundam, in verborum & formarum varietate & copia. Qvod efficeret, ut ho-
III. Einheit und Vielfalt mines libenter loqverentur, & aptissimè omnia sensu applicarent, multumqve semper crescerent judiciis. Subdit verò: Et talis mihi videtur, Latina, exiis qvas hodie usurpamus. (1) qvia diffusa jam est per multas Nationes. (2) Artes penè omnes illâ moderatæ sunt. (3) Copiosa est. (4) Sono svavis. (5) Gravis. Obqvas causas nefas esset non conservari eam, & coli: qvæ si amitteretur, magna seqveretur Disciplinarum confusio, &c. Ad dilatandam etiam pietatem utilissimum est homines mutuô intelligere: Accedit etiam (NB) Lingvam esse aliqvam Doctorum sacram, qvâres arcanæ consignentur, &c. Sed nescio utrum à communi illa diversam esse conveniat. Hactenus Vives. (COMENIUS 1668: 76–77): 10 Primò, Lingvâ universali consulendum est ex æqvo universis: Latinâ verò consuleremus nobis potissimùm, qvibus illa jam nota est: non item gentibus barbaris (qvarum tamen hîc, qvia potiorem Orbis partem faciunt, potior habenda est ratio:) qvibus Latina æqvè ut aliæ, imò magis etiam, tùm ignota est, tùm difficilis. Qvippe admodum operosas curam multorum annorum, studiumqve intensum, reqvirens: ut experitur pubes nostra, & ipsa ejus structura ostendit. Est enim plena diversis (1) in Nominibus qvidem casibus: (2) in Verbis autem modis & temporibus: (3) in Syntaxi constructionibus: (4) in his autem omnibus anomalis scatet qvàm plurimis. Qvæ omnia qvia Itali, multa ex parte Lingva suæ detraxerunt, qvanqvam Latinam corrupisse videantur, id tamen obtinuerunt ut suam illam (Italicam) non illubentes discant non solùm omnes ferè Europæ gentes, sed & Arabes, Turcæ, Tartari, aliiqve barbari: licet & illa suis adhuc horreat spinis, h. e. laboret anomaliis. Qvid igitur non sperandum putamus, si facilior adhuc, prorsusqve per omnia regularis & fluida, daretur? 11 Deinde, Lingvam universalem oportet esse omnium locupletissimam, ad exprimendum aptè res omnes, & promendum facilè omnes animi conceptus, omninò sufficientem: qvalem se non esse Latina ultrò fatetur; Compositionibus enim pauper est, nec derivationibus adeò felix. Unde tot vocabula mutuatur aliunde: præsertim è Græca, à qva tota pendet, nec sine illa perfectionem suam unqvam asseqvitur. Atque sic ab unitate & simplicitate rece-
Universalsprache dens, & perfectionem qvæ reqviritur non attingens, nec sibi nec rebus sufficit. 12 Tandem, & qvod maximè intenditur. Lingvam universalem oportet esse confusionis conceptuum antidotum universale. Qvod non aliâ ratione fieri potest, qvàm si rebus parallelè decurrat, non plus nec minus Vocum continens, qvàm sunt res; nec aliò ullo ordine eas copulans, qvàm res in seipsis copulantur exactissimè. Et qvidem sono ipso semper naturas rerum exprimendo, Mentibvsque præsentando. Qvod Latina æqvè parum ut alia qvæcunqve præstat: qvia priorum seculorum homines, Sermonis illius qvi ad nos transmissus est authores, tam accurati Rerum contemplatores non fuerunt, ut differentias omnes notarent, Verbisqve accuratis ac propriis exprimerent: nota & obvia exprimere posse satis illis fuit. Imò plurima casu illis enata, nullâ ratione ad significandum hoc vel illud (etiam contrarium sono eodem aut simili, rursumqve contrario sono rem eandem) adhibita fuerunt. Hinc homonymiarum, Syonymiarum, Paronymiarum, Troporum, Figurarum, Periphrasium, i. e. ambiguitatum, superfluitatum, confusionum, plena omnia. Et qvoties accuratiùs de rebus loqvendum est, aut definiendum semper est, & toties qvid per hoc vel illud intelligatur repetendum; aut inter ipsum discursum perpetuò excipiendum, distingvendum, limitandum; sæpius inscitè, aut sophisticè, qvàm verè. Hinc semper aut dubitatio aut fallacia se ingerit: qvia nec satis unqvam conceptus à confusione liberatur. (COMENIUS 1668: 78):14 Restat igitur, multiplicibus illis qvæ à multitudine, difficultate, imperfectioneqve Lingvarum oriuntur humani commercii remoris & confusionibus, remedium efficacius non superesse, qvàm ut concinnetur Lingva nova, omnibus jam notis (1) facilior, ut sine temporis & Rerum dispendio disci possit: (2) svavior, ut eam discere & didicisse volupe sit: (3) perfectior, (qvantumqve per Rei naturam & nostram in hac antecælesti Schola imperfectionem licet, tam perfecta) ut eam callere ad ipsarum Rerum intellectum valdè prosit. (CORDEMOY [1668/1677] 1970: 37–38): […] si un homme a bien observé ses yeux, son visage, & tout l’exterieur de son Corps pendant qu’il a eu certaines passions, il a pû, voyant les mémes mouvemens dans un autre homme,
797 juger que cét homme sentoit les mesmes passions: veritablement si quelquefois il a sceu se contraindre en des états semblables, il peut avoir appris à se deffier de ces signes; mais enfin il est évident qu’ils sont naturellement propres à expliquer les passions, & que le meilleur moyen de faire entendre ce que l’Ame souffre, est de ne pas contraindre son visage, ses yeux ou sa voix; c’est la maniere d’exprimer ses pensées la plus naïve, c’est aussi la premiere de toutes les langues, & la plus universelle qui soit dans le Monde, puis qu’il n’y a point de Nation qui ne l’entende. (WILKINS [1668] 1968: I, I, Chap. III, Of a Reall Character, 13): Besides these, there have been some other proposals and attempts about a Real universal Character, that should not signifie words, but things and notions, and consequently might be legible by any Nation in their own Tongue; which is the principal design of this Treatise. That such a Real Character is possible, and hath been reckoned by Learned men amongst the Desiderata, were easie to make out by abundance of Testimonies. To this purpose is that which Piso mentions to be somewhere the wish of Galen, That some way might be found out to represent things by such peculiar signs and names as should express their natures; ut Sophistis eriperetur decertandi & calumniandi occasio. There are several other passages to this purpose in the Learned Verulam, in Vossius, in Hermannus Hugo, &c. besides what is commonly reported of the men of China, who do now, and have for many Ages used such a general Character, by which the Inhabitants of that large Kingdom, many of them of different Tongues, do communicate with one another, every one understanding this common Character, and reading it in his own Language. It cannot be denied, but that the variety of Letters is an appendix to the Curse of Babel, namely, the multitude and variety of Languages. And therefore, for any man to go about to add to their number, will be but like the inventing of a Disease, for which he can expect but little thanks from the world. But this Consideration ought to be no discouragement: For supposing such a thing as is here proposed, could be well established, it would be the surest remedy that could be against the
798 Curse of the Confusion, by rendring all other Languages and Characters useless. (WILKINS [1668] 1968: I, I, Chap. V, 19): From what hath been already said it may appear, that there are no Letters or Languages that have been at once invented and established according to the Rules of Art; but that all, except the first…have been either taken up from that first, and derived by way of Imitation; or else, in a long tract of time, have, upon several emergencies, admitted various and casual alterations; by which means they must needs be liable to manifold defects and imperfections, that in a Language at once invented and according to the rules of Art might be easily avoided. (WILKINS [1668] 1968: Part IV, Chap. III., 414): 1. The words of it [the universal language, C. N.] should be brief, not exceeding two or three Syllables […]. 2. They should be plain and facil to be taught and learnt. 3. They should be sufficiently distinguishable from one another, to prevent mistake and equivocalness; and withal significant and copious, answerable to the conceipts of our mind. 4. They should be Euphonical, of a pleasant and graceful sound. 5. They should be Methodical; those of an agreeable or opposite sense, having somewhat correspondent in the sounds of them. (WILKINS [1668] 1968: Part IV, Chap. III., 415): For instance, if (De) signifie Element, then (Deb) must signifie the first difference; which (according to the Tables) is Fire: and (DebȐ) will denote the first Species, which is Flame. (LEIBNIZ [1666–1672] 1903: nicht genau datierbarer Brief an den Baron VON BEUNEBURG, 29–30): Quoniam Excellentia vestra delectatur meditationibus de lingua quadam philosophica, quam alii Characteristicam et universalem dicunt; idcirco etiam hic brevibus aperiam, quae mihi aliquando circa eam obortae sint cogitationes. […] Si autem praecipuis in ordine meo titulis certos characteres adscribam, de reliquis etiam res erit confecta. Sunt in eo tituli praecipui DIVITIAE, HONORES, VOLUPTATES. Tribuatur igitur di-
III. Einheit und Vielfalt vitiis signum quadrati Ƒ, honoribus circuli ż, voluptatibus trianguli ¨. […] Cunctae nationes consensu quodam facto possent omnes res iisdem characteribus designare. Consenserunt pleraeque gentes in eo, quod circulum in 360 gradus, Zodiacum in 12 signa dispertiantur. Cum igitur res supra proposita praesenti se commendet utilitate, facile apud multos, si modo praeconem idoneum inveniret, applausum mereretur. Characterum certe horum cognitio certis innititur fundamentis, Sinicisque characteribus quodammodo anteferenda videtur. (LEIBNIZ [1677] 1901: Lettre à GALLOYS, 92): […] Si nous l’avions telle que je la conçois, nous pourrions raisonner en metaphysique et en morale à peu près comme en Geometrie et en Analyse, parce que les Caracteres fixeroient nos pensées trop vagues et trop volatiles en ces matières, où l’imagination ne nous aide point, si ce ne seroit par le moyen de Caractères. (LEIBNIZ [1678] 1903: 277–278): Lingua generalis. Cum frustra sperari consensus hominum videatur in rem utcunque utilem difficilem tamen, alioqui dudum ex vulgaribus linguis aliquam sumsissent, et, quod vulgaribus non indulsere, nec novae cuicunque dabunt a privato excogitatae. Ideo excogitandum est aliquid, quod eos alliciat, ipsa mirabili facilitate: ut enim alia artificia atque utilia paulatim de gente in gentem propagantur, exemplo Musicae, ita credibile est idem huic linguae eventurum. Itaque debet talis esse ut facile disci, facile retineri, facile in usum transferri possit, praeterea grata sit et ita numeris omnibus absoluta, ut frustra quisquam eam reformare speret. Quia vero paucis elementis omnia constare debent, ideo composita fierent admodum prolixa nisi ars quaedam reperiatur contrahendi expressiones, ut in numeris ope progressionis decimalis. Optima autem ratio contrahendi erit, ut res revocetur ad numeros inter se multiplicatos, ponendo elementa alicujus characteris esse omnes ejus divisores possibiles. Artificium hoc sane admirabile est, et probari possunt ejusmodi ratiocinationes per novenariam probam. Elementa simplicia possunt esse numeri primi seu indivisibiles. Ad loquendum hac lingua necesse erit posse ex tempore calculare quaedam, saltem nosse Tabulam pythagoricam majorem. Ita-
Universalsprache que hac lingua loqui nihil aliud erit, quam enuntiare propositiones numericas tabulae pythagoricae continuatae, v. g. 6, 8 est 48. vel 48 est 6narius. Excogitanda lingua qua numeri pronuntientur apta et elegans, in qua nec vocalium nec consonarum concursus: adhibendae in eam rem syllabae, ut a, e, i, o, u, ba, be, bi, etc. ca, ce, ci Quoniam vero in numeris non est tot opus elementis, sed tantum numeris 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 100. 1000. 10 000. quod si sic a e i o u 1 10 100 1000 10000 imo dyphthongi si opus interponi possunt vel si altius assurgendum vel si placeat per quinarios aut quaternarios progredi. Ut lingua grata apta Musicae et poesi et omnibus aliis sermonis deliciis reddi possit, debet res ita institui, ut fieri possent multae permutationes salva substantia. at literae unius organi significabunt idem. Item pro vocibus saepe usitatis residuae et commodae erunt syllabae. etc. b. c. d. f. g. h. l. m. n. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. erit bodifalemu seu mubodilefa 8 1 3 7 4 8 1 374 (ANONYM 1683: 43): Quindi facilmente possiamo scoprir la vanità di coloro ch’hanno ricercato, ò bramato un straordinario linguaggio, chiamato da un autore Inglese linguaggio filosofale, le di cui parole spiegassero tutte da se stesse la natura di i loro oggetti, si che un’huomo riuscisce dottissimo dalla sola notitia di cosi fatta lingua. (LEIBNIZ [1697] 1908: 329): Die Alten haben mit der Cabbala viel Wesens gemacht und Geheimnisse in den Worten gesuchet. Und die würden sie in der That in einer wohlgefasseten Sprache finden: als welche dienet nicht nur vor die Wiss–Kunst, sondern für alle Wissenschafften, Künste und Geschäffte. Und hat man demnach die Cabbala oder Zeichen-Kunst nicht nur in denen Hebräischen Sprach–Geheimnissen, sondern auch bey einer ieden Sprach nicht zwar in gewissen buchstäblichen Deuteleyen, sondern im rechten Verstand und Gebrauch der Worte zu suchen.
799 (WILKINS [1708] 1984: 170–171): […] The Advantages proposed by this Philosophical Language were, The facilitating of mutual Commerce among the several Nations of the World, the improving of Natural Knowledge; and the Propagation of Religion; Our Author was also of Opinion, that it might contribute much to the clearing of some Modern Differences in Religion, by unmasking many wild Errors that shelter themselves under the Disguise of Affected Phrases; which being philosophically unfolded, and rendred according to the Genuine and Natural Importance of Words, would appear to be Inconsistencies and Contradictions; and several of those pretended Mysterious Profound Notions, express’d in Big Swelling Words, by which Men set up for Reputation, being this way examin’d, would either appear to be Nonsense, or very jejune. But whatever might be the issue of this Attempt, as to the establishing of a Real Character, and bringing it into common Use among several Nations of the World, of which our Author had but very slender Expectations, yet of this he was confident, that the reducing of all Things and Notions to such kind of Tables as he proposed, were it as completely done as it might be, would prove the shortest and plainest Way for the attainment of Real Knowledge, that had yet been offer’d to the World. To which he added. That he thought his Tables, as now they are, were a much better and readier Course for training up Men in the knowledge of Things, than any other Way that he knew of. And indeed since his Design of the Real Character is wholly neglected, that seems now to be the principal use of the Book, and alone makes it truly valuable. (WILKINS [1708] 1984: 172–173): […] a thing that might be of singular use to facilitate an Intercourse between People of different Languages, and consequently a proper and effectual Means for advancing all the Parts of Real and Useful Knowledge, civilizing Barbarous Nations propagating the Gospel, aud increasing Traffic and Commerce, which prevail’d with his Majesty to grant his said Letters of Recommendation to as many of his Subjects, especially the Clergy, as were truly apprehensive and sensible of the defectiveness of Art, chiefly in this Particular of Language, what a
800 great loss Mankind is at thereby, how acceptable it would be before God, and praiseworthy among Men, to encourage and advance those Ways of Learning, wherein the general Good of Mankind is intended; that such Persons would, as their Affections shall incline them, and their Places enable them, put their helping Hands to the bringing forth this (as yet) Infant Design, now sticking in the Birth. (WILKINS [1708] 1984: 178): Second, he treats of the Natural Ground and Principle of the several Ways of Communication among Men; where he tells us, That as they generally agree in the same Principle of Reason, they likewise agree in the same Internal Notion or Apprehension of Things; and those Internal Notions they communicate to the Ear by Sounds, and particularly by Words, and to the Eye they communicate them by Motion and Figure, etc. and more particularly by Writing: So that if Men should generally agree upon the same way of Expression as they agree in the same Notion, we should then be free from that Curse of the Confusion of Tongues, and all the unhappy Consequences of it. This is only to be done by some one Language and Character to be universally practised and enjoined by Authority, which cannot be expected without an Universal Monarchy; and perhaps not then: Or else by some Method which (without such Authority) might engage Men to learn it, because of its Facility and Usefulness, which was the Design of this Essay. (WILKINS [1708] 1984: 178–179): […] The Third Section informs us, That in order to this, the first thing to be consider’d, was a just Enumeration and Description of such things as were to have Marks or Names assigned them, and to be so contrived, as to be full and adequate without Redundancy or Defect as to their Number, and regular as to their Place and Order. And, if every Thing and Notion had a distinct Mark, with some Provision to express Grammatical Derivations and Inflexions, it would answer one great End of a Real Character, to signify Things and not Words. And if several distinct Words were assigned for the Names of such Things, with fixed Rules for such Grammatical Derivations and Inflexions as are natural and necessary, it would make a more easy and convenient Language than any yet in being.
III. Einheit und Vielfalt (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (allgemeine), 1744: XXXIX, 417–418): Sprache (allgemeine) oder Scriptura universalis, ist diejenige, welche alle Völcker verstehen können. Sie wird auch insonderheit die Philosophische Sprache genennet. Es haben schon verschiedene grosse Männer an einer solchen Sprache gearbeitet; allein die Schwürigkeiten, welche sich bey dieser Sache befinden, haben ihr Vorhaben bis jetzo noch zu Schanden gemacht. Unter diesen hat sich Wilkins, Bischoff von Chester und Dalgarne, hervorgethan; allein der Herr von Leibnitz, welcher ebenfalls daran arbeitete, hat schon damahls, als er sich noch in Engelland aufhielte, gesagt: Er glaube nicht, daß dieser Bischoff nebst andern grossen Männern das rechte Ziel getroffen habe. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (allgemeine), 1744: XXXIX, 418): Sie hätten aber die rechten realen Character noch nicht ertappet. Diese wären das behendeste Werckzeug, dessen sich der menschliche Verstand bedienen könnte, und daß die Beurtheilung, das Gedächtnis und die Erfindung der Sachen überaus leicht machen müsse. Es sollten dieselben, so viel als möglich, den Algebraischen Zeichen ähnlich seyn, welche in der That sehr einfältig und deutlich sind, niemahls etwas überflüßiges oder zweydeutiges an sich haben, und deren gesammte Veränderung allezeit wohl bewiesen wird. Er hat an einem gewissen Orte von einem Alphabeth der menschlichen Gedancken, so er vor hätte, geredet, und hat allen Ansehen nach dieses Alphabeth auf die allgemeine Sprache abgezielet. Wenn er sie aber gefunden hätte, so hätte er, wie bequem und nützlich sie auch mochte gewesen seyn, erst die Kunst erfinden müssen, denen verschiedenen Völckern den Gebrauch derselben beyzubringen, welches nicht eben das leichteste gewesen wäre. So viel ist gewiß, daß woferne jemahls jemand im Stande gewesen wäre, ein solches Werck zu vollenden; so wäre dieser grosse Geist dazu geschickt gewesen. (Encyclopédie, Artikel Caractere, D’ALEMBERT, 1751: II, 646): Les premiers essais, & même les plus considérables que l’on ait fait en Europe pour l’institution d’une langue universelle ou philosophique, sont ceux de
Universalsprache l’évêque Wilkins & de Dalgarme [sic]: cependant ils sont demeurés sans aucun effet. M. Leibnitz a eu quelques idées sur le même sujet. Il pense que Wilkins & Dalgarme n’avoient pas rencontré la vraie méthode. M. Leibnitz convenoit que plusieurs nations pourroient s’entendre avec les caracteres de ces deux auteurs: mais, selon lui, ils n’avoient pas attrapé les véritables caracteres réels que ce grand philosophe regardoit comme l’instrument le plus fin dont l’esprit humain pût se servir, & qui devoient, dit-il, extrèmement faciliter & le raisonnement, & la mémoire, & l’invention des choses. Suivant l’opinion de M. Leibnitz, ces caracteres devoient ressembler à ceux dont on se sert en Algebre, qui sont effectivement fort simples, quoique très-expressifs, sans avoir rien de superflu ni d’équivoque, & dont au reste toutes les variétés sont raisonnées. Le caractere réel de l’évêque Wilkins fut bien reçu de quelques savans. M. Hook le recommande après en avoir pris une exacte connoissance, & en avoir fait lui-même l’expérience: il en parle comme du plus excellent plan que l’on puisse se former sur cette matiere; & pour engager plus efficacement à cette étude, il a eu la complaisance de publier en cette langue quelques-unes de ses découvertes. M. Leibnitz dit qu’il avoit en vûe un alphabet des pensées humaines, & même qu’il y travailloit, afin de parvenir à une langue philosophique: mais la mort de ce grand philosophe empêcha son projet de venir en maturité. M. Lodwic nous a communiqué, dans les transactions philosophiques, un plan d’un alphabet ou caractere universel d’une autre espece. Il devoit contenir une énumération de tous les sons ou lettres simples, usités dans une langue quelconque; moyennant quoi, on auroit été en état de prononcer promptement & exactement toutes sortes de langues; & de décrire, en les entendant simplement prononcer, la prononciation d’une langue quelconque, que l’on auroit articulée; de maniere que les personnes accoûtumées à cette langue, quoiqu’elles ne l’eussent jamais entendu prononcer par d’autres, auroient pourtant été en état sur le champ de la prononcer exactement:
801 enfin ce caractere auroit servi comme d’étalon ou de modele pour perpétuer les sons d’une langue quelconque. Dans le journal littéraire de l’année 1720, il y a aussi un projet d’un caractere universel. L’auteur, après avoir répondu aux objections que l’on peut faire contre la possibilité de ces plans ou de ces projets en général, propose le sien. Il prend pour caracteres les chiffres Arabes ou les figures numériques communes: les combinaisons de ces neuf caracteres peuvent suffire à l’expression distincte d’une incroyable quantité de nombres, & par conséquent à celle d’un nombre de termes beaucoup plus grand que nous n’en avons besoin pour signifier nos actions, nos biens, nos maux, nos devoirs, nos passions, &c. par là on sauve à la fois la double incommodité de former & d’apprendre de nouveaux caracteres; les figures Arabes ou les chiffres de l’Arithmétique ordinaire ayant déjà toute l’universalité que l’on demande. Mais ici la difficulté est bien moins d’inventer les caracteres les plus simples, les plus aisés, & les plus commodes, que d’engager les différentes nations à en faire usage; elles ne s’accordent, dit M. de Fontenelle, qu’à ne pas entendre leurs intérêts communs. (Encyclopédie, Artikel Langue nouvelle, FAIGUET, 1765: IX, 268): Langue nouvelle. On a parlé presque de nos jours d’un nouveau système de Grammaire, pour former une langue universelle & abrégée, qui pût faciliter la correspondance & le commerce entre les nations de l’Europe: on assure que M. Léibnitz s’étoit occupé sérieusement de ce projet; mais on ignore jusqu’où il avoit poussé sur cela ses réflexions & ses recherches. On croit communément que l’opposition & la diversité des esprits parmi les hommes rendroient l’entreprise impossible; & l’on prévoit sans doute que quand même on inventeroit le langage le plus court & le plus aisé, jamais les peuples ne voudroient concourir à l’apprendre: aussi n’a-t-on rien fait de considérable pour cela. Le pere Lami de l’oratoire, dans l’excellente rhétorique qu’il nous a laissée, dit quelque chose des avantages & de la possibilité d’une langue factice; il fait entendre qu’on pourroit supprimer les déclinaisons & les conjugaisons, en choisissant pour les verbes, par exemple, des mots qui exprimassent les ac-
802 tions, les passions, les manieres, &c. & déterminant les personnes, les tems & les modes, par des monosyllabes qui fussent les mêmes dans tous les verbes. A l’égard des noms, il ne voudroit aussi que quelques articles qui en marquassent les divers rapports; & il propose pour modele la langue des Tartares Mogols, qui semble avoir été formée sur ce plan. (HERDER [1772] 1978a: 171): “Und was sollte die Menschen zu dieser höchst sauren Arbeit der Verbesserung gereizet haben?” O durchaus keine saure, spekulative Stubenarbeit, durchaus keine abstrakte Verbesserung a priori. Und also auch gewiß keine Anreizungen dazu, die nur in unserm Zustande der verfeinerten Gesellschaft stattfinden. (RIVAROL [1784] 1998: 81–82): Leibnitz cherchait une langue universelle, et nous l’établissions autour de lui. Ce grand homme sentait que la multitude des langues était fatale au génie et prenait trop sur la brièveté de la vie. Il est bon de ne pas donner trop de vêtements à sa pensée: il faut, pour ainsi dire, voyager dans les langues, et, après avoir savouré le goût des plus célèbres, se renfermer dans la sienne. Si nous avions les littératures de tous les peuples passés, comme nous avons celle des Grecs et des Romains, ne faudrait-il pas que tant de langues se réfugiassent dans une seule par la traduction? Ce sera vraisemblablement le sort des langues modernes, et la nôtre leur offre un port dans le naufrage. L’Europe présente une république fédérative composée d’empires et de royaumes, et la plus redoutable qui ait jamais existé. On ne peut en prévoir la fin, et cependant la langue française doit encore lui survivre. Les États se renverseront, et notre langue sera toujours retenue dans la tempête par deux ancres, sa littérature et sa clarté, jusqu’au moment où, par une de ces grandes révolutions qui remettent les choses à leur premier point, la nature vienne renouveler ses traités avec un autre genre humain. (BEATTIE [1788] 1968: 53): […] If one were to contrive a new language, one might make any articulate sound the sign of any idea: there would be no impropriety in calling oxen men, or rational beings by the name of oxen. But where a language is already formed, they who speak it must use words in the customa-
III. Einheit und Vielfalt ry sense. By doing otherwise, they incur the charge, either of affectation, if they mean only to be remarkable, or of falsehood, if they mean to deceive. (MAIMIEUX 1797: 5): Par l’ordre pasigraphique on entend ici une classification de pur sens-commun, où l’intelligence éclairée par l’analogie, l’attention économisée le plus possible, et la mémoire aidée de tous les moyens de rappel, vont ensemble, ou du genre à l’espèce et de l’espèce à l’individu, ou du simple au composé, ou du plus connu au moins connu, selon que les rapports les plus frappans des idées entr’elles permettent l’une ou l’autre de ces marches. (MAIMIEUX 1797: 5): L’ordre pasigraphique est donc un ordre naturel, où la place du mot en fixe la signification et concourt à déterminer celle des mots voisins, où la suite des caractères ramène l’idée, tandis que la gradation des idées ramène aussi sûrement les caractères. (GARAT 1800: II, 38–39): Nous pourrons donc […] entrer dans l’examen de ce projet d’une langue universelle; et si jamais, comme nous en avons formé déjà le vœu et l’espérance, l’Europe est établie en républiques, il ne faut pas douter que ces républiques ne forment un jour un congrès de philosophes, chargés de l’institution de cette langue [i. e. la pasigraphie de Maimieux, C. N.], qui serait pour toutes les nations, la source de tant de lumières, de tant de vertus, de tant de richesses, de tant de prospérités nouvelles. (LANCELIN 1801–1802: I, 315): Cette langue, n’étant point faite pour flatter l’oreille et remuer l’imagination par des compositions brillantes, originales, mais pour décrire soigneusement tous les objets, et analyser avec précision les idées de tout genre, aurait une marche sévère, méthodique et uniforme, qui la rendrait peu propre aux productions poétiques et littéraires. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 34–35): Une langue n’est telle qu’autant que par la parole, elle nous offre le moyen d’exprimer nos pensées et nos affections: il faut donc supposer ici une langue parlée; d’autant plus que si on peut l’obtenir, on sera ensuite peu embarrassé de l’écrire. Une langue, quelle qu’elle soit, ne sera point universelle, si l’on
Universalsprache ne détermine en général, tous les hommes ou tous les peuples à s’en servir dans l’occasion, et par conséquent à l’apprendre. On n’obtiendra pas ces deux points de tous les hommes en général, si cette langue ne réunit à une très-grande perfection, l’avantage de pouvoir s’apprendre facilement et en très-peu de temps. Ainsi, que l’on imagine une langue également agréable, riche, variée, propre à bien rendre toutes les vues de l’esprit, et toutes les nuances des sentiments moraux; que cette langue n’ait pas un mot qui ne soit formé de racines qui lui soient propres, et par conséquent bien connues; que par-là tous les mots se rangent d’eux-mêmes chacun dans une famille très-nombreuse; que jamais une même syllabe n’y ait deux fonctions à remplir, ni un même mot deux idées à exprimer; que tous les mots admettent facilement toutes les idées accessoires qu’on peut avoir à y annexer, et que cette annexe s’y fasse encore d’une manière uniforme; que les regles de syntaxe y soient générales, simples, suffisantes, et sans exception; quatre cent racines bien définies, trois cent formes consacrées à l’expression ou adjonction des idées accessoires, emploieront sept cent syllabes dont les diverses combinaisons, en n’admettant qu’une seule racine dans chaque mot, produiront cent vingt mille mots, c’est–à– dire, quatre fois autant qu’en ait la langue la plus riche, aux yeux mêmes de ses partisans Mais comme on pourra réunir à volonté et selon le besoin, deux, trois, ou quatre racines semblables dans un même terme, on voit que dans cette langue, le nombre des mots s’élévera facilement à six, sept, ou huit cent mille mots, toujours aussi aisés à entendre qu’à former; ainsi que nous l’avons déjà observé ci-devant. (DESTUTT DE TRACY 1803–1805: II, 402): […] Par toutes ces raisons, je crois que l’utilité d’une langue universelle purement savante, est plus que compensée par ses inconvéniens, par-tout où elle n’est pas la langue usuelle; et que son effet inévitable, en supposant qu’elle ne rallentisse pas le progrès des lumières, est de les concentrer et de les réduire à un foyer unique, ce qui est une autre manière de leur nuire extrêmement. (DENINA 1804: IX-X): Cependant la langue françoise qui étoit déjà regardée comme uni-
803 verselle du temps de Montesquieu, de Voltaire et de Rousseau, s’est encore beaucoup plus répandue de nos jours. On ne cesse point avec cela de recommander comme necéssaire l’étude du grec et surtout du latin, au moins à tous ceux qui se destinent à une carrière littéraire quelconque.
III.
1. Zur Bezeichnungsvielfalt Das Konzept der ‘Universalsprache’ wird im 17. und 18. Jahrhundert mit einer Vielfalt von Bezeichnungen thematisiert, die teilweise unterschiedliche Aspekte des Konzeptes widerspiegeln. Grundsätzlicher Natur ist dabei die Unterscheidung von ‘Universalsprache’ (lingua universalis, Lingua generalis; Universalsprache, allgemeine Sprache; universal language; langue universelle; lingua universale; lengua universal) und ‘Universalschrift’ (characteristica universalis, Scriptura Universalis, ars characteristica, character realis & mutus; realer Character; universal character, real character, Characters reall; caracteres réels, caractere réel ou universel, alphabet ou caractere universel), da entweder eine allgemein zugängliche, die babylonische ĺ Sprachverwirrung und Sprachenvielfalt überwindende mündliche Kommunikationsform oder eine universell gültige ĺ Schrift bezeichnet werden. Dabei wird die Bezeichnung Universalsprache aber je nach Kontext auch im Sinne einer Universalschrift aufgefasst, während das Konzept der ‘Universalschrift’ sich ausschließlich auf die graphische Realisierungsform bezieht. Die Bezeichnung real character für eine Universalschrift impliziert die Auffassung, dass diese Art des Zeichensystems einen direkteren Zusammenhang zu den zu bezeichnenden Denotaten ermögliche als dies bei natürlichen Sprachen der Fall sei (ĺ natürliche Sprache). Unter real character wird eine Symbolschrift verstanden, die weder Buchstaben noch ganze Wörter, sondern die Dinge selbst repräsentiert. Einer der Hauptvorwürfe, der im Rahmen der Kritik an natürlichen Sprachen erhoben wird, zielt gerade in der angelsächsischen Tradition von BACON über HOBBES zu LOCKE auf die Unschärfe von Bedeutungen (ĺ Bedeutung) ab, die als Resultat einer verstärkten Hinwendung auf die Sprache selbst
804 zuungunsten der durch sie bezeichneten Dinge und Sachverhalte interpretiert wird (ĺ Missbrauch). Eine ‘universelle Sprache’ wird auch als philosophische Sprache bezeichnet, da als ihre Grundlage die Durchdringung des Wesens der Dinge, die Unterscheidung von Allgemeinem und Besonderem, von Generalia und Akzidenzien, von Formen und Substanzen angesehen wird, wie sie auch in der philosophischen ĺ Grammatik vorgenommen wird. Fundament einer philosophischen Sprache ist auch die taxonomische Gliederung der Realia, die Differenzierung in Ober- und Unterbegriffe, die jedoch in einer derartigen künstlichen Sprache besser und logischer wiedergegeben werden soll als dies bei natürlichen Sprachen der Fall ist (ĺ natürliche Sprache). Die Bezeichnung philosophische Sprache hebt auch den Anspruch dieser Kunstsprache hervor, logische Relationen exakter wiederzugeben und außerdem als eine Enzyklopädie des Wissens zu fungieren (vgl. insbesondere die Auffassungen von LEIBNIZ, DALGARNO und WILKINS). Die Bezeichnung der Universalsprache als lingua perfecta oder als la meilleure langue de toutes les possibles zeugt von einem großen Optimismus im Hinblick auf die praktische Realisierbarkeit einer künstlichen Sprache (artificial language) sowie von der Überzeugung, dass diese die an Inkongruenzen krankenden natürlichen Sprachen übertreffen werde (ĺ natürliche Sprache). Die Bezeichnung nouvelle langue savante lässt darauf schließen, dass man einer Universalsprache einen höheren Grad an Wissenschaftlichkeit zuspricht als dies bei natürlichen Sprachen der Fall ist. Der Skeptizismus im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit natürlicher Sprachen als Medium der Erkenntnis ist vor allem kennzeichnend für die Sprachauffassung BACONs, dessen Gedankengut sich auf die ersten Überlegungen zu Universalsprachen im angelsächsischen Raum prägend auswirkte. 2. Allgemeine Grundprämissen der Entstehung von Universalsprachenprojekten 2.1. Sprachinhärente Problemfelder Natürliche Sprachen stoßen bedingt durch ihre ĺ Arbitrarität und durch ihren konventionellen Charakter (ĺ Konvention) auf eine Vielzahl von Schwierigkeiten (ĺ natürliche
III. Einheit und Vielfalt Sprache). So erweist sich etwa die Diversität der Einzelsprachen als ernstzunehmendes Hindernis für die Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedener Sprachgemeinschaften. Phänomene wie der Sprachwandel (ĺ Sprachveränderung) wurden noch im 18. Jahrhundert als ein Makel der Sprache betrachtet, als Ausweis ihrer Unvollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), die letztendlich in der ĺ Korruption der Sprache ihren Ausdruck fand. Als Gründe für den Niedergang einer Sprache wurden Faktoren wie Sprachkontakt, Entlehnung und Fremdwörter ebenso verantwortlich gemacht wie Unvollkommenheiten und Unschärfen des Sprachsystems, die sich in Bedeutungsrelationen wie Synonymie, Antonymie und Polysemie äußerten (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). Vor diesem Hintergrund geriet die Kritik am ĺ Missbrauch der Sprache zum Topos einer Reihe von Sprachkritikern, zu deren bedeutendsten Vertretern etwa BACON, LOCKE oder HELVÉTIUS zu rechnen sind. Im Kontext der Diskussion des Konzeptes ‘Universalsprache’ im 17. und 18. Jahrhundert werden auch die Konzepte ‘Ursprache’ und ‘Sprachverwirrung’ thematisiert. Charakteristisch für die damalige Sprachbetrachtung ist die Annahme, dass seit der babylonischen ĺ Sprachverwirrung die ursprünglich mit dem Attribut der Vollkommenheit (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) versehene ĺ Ursprache in eine Vielzahl von Einzelsprachen zersplittert worden sei, deren Unvollkommenheit Ausdruck der Unvollkommenheit des Menschen und seiner Erfindungen sei. Vor dem Hintergrund einer als Fluch empfundenen Diversität der Einzelsprachen, die aufgrund des Turmbaus von Babel als göttliche Strafe über die Menschen gekommen sei, bemühte man sich um eine Restituierung der verloren gegangenen Ursprache. Die Tatsache, dass die Menschen, die am Turmbau zu Babel teilgenommen hätten, dieses hybride Großprojekt in Angriff nehmen konnten, verdankte sich nicht zuletzt der gemeinsamen Sprache, die sie benutzten. Mit der babylonischen Sprachverwirrung wird diese eine gemeinschaftsstiftende Sprache jedoch zerstört. Der Mythos von Babel diente bis Ende des 18. Jahrhunderts als Erklärungs-
Universalsprache muster für die Vielzahl der Einzelsprachen, die bald als Segen, aber weitaus häufiger als Fluch wahrgenommen wurde, der überwunden werden sollte. Versuche, diese verlorene präbabylonische Einheit wiederherzustellen, artikulierten sich entweder in der (hypothetischen) Rekonstruktion der ĺ Ursprache oder im Bemühen um die Erfindung einer perfekten Sprache, die die Unzulänglichkeiten der natürlichen Sprachen nicht teilte (ĺ natürliche Sprache). Die Skepsis gegenüber der Möglichkeit einer Rekonstruktion der verloren gegangenen präbabylonischen Ursprache veranlasste die Gelehrten zu Überlegungen zu einer Universalsprache, die vollkommen sein sollte (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), leicht erlernbar, allen Menschen zugänglich und frei von Ambiguitäten und unpräzisen Definitionen. Für das Konzept der ‘Universalsprache’ ist allerdings der Tatsache Beachtung zu schenken, dass eine wirklich universelle Sprache bis heute ein Desiderat geblieben ist. So steht einer Vielzahl von Reflexionen und theoretischen Versuchen eine weit geringere Zahl von wirklich in die Tat umgesetzten Universalsprachen gegenüber, die höchstens als internationale Auxiliarsprachen dienen, ohne jedoch den Rang von Weltsprachen erlangen zu können. 2.2. Gründe für die Entstehung von Universalsprachenprojekten im 17. Jahrhundert Das Konzept einer ‘Universalsprache’ oder einer ‘Universalschrift’ (ĺ Schrift) gehörte trotz aller Schwierigkeiten, die mit seiner praktischen Realisierung verbunden waren, zu den meistdiskutierten Anliegen der Gelehrten im 17. Jahrhundert. Es handelt sich bei diesem Konzept geradezu um einen Gemeinplatz der Gelehrtendiskussion im 17. und teilweise auch noch im 18. Jahrhundert. Insbesondere im angelsächsischen Raum, der im 17. Jahrhundert vor allem durch die Debatten um Sprache und Erkenntnis im Umfeld der Royal Society beeinflusst wurde, lässt sich eine Kontinuität der Bemühungen um eine Universalsprache nachweisen. Als Referenzautoren, die in besonderer Weise die Diskussion um eine Universalsprache beeinflusst
805 haben, sind etwa BECK, URQUHART, LODWICK, DALGARNO, WILKINS, WEBSTER und WARD zu nennen. Wichtig für die angelsächsische Konzeption der ‘Universalsprache’ war vor allem BACONs Sprachkritik, in der die fehlende Eindeutigkeit von Wortbedeutungen, der damit einhergehende ĺ Missbrauch von Sprache und eine daraus resultierende mangelnde Eignung der Sprache, Konzepte zu repräsentieren, angeprangert wurden. Mit der Berufung auf BACONs Nominalismus wird der Wunsch nach einer Sprache laut, die als direktes Abbild der Wirklichkeit ohne Vermittlung über einen für Ungenauigkeiten empfänglichen Signifikanten einer natürlichen Sprache funktionieren solle (ĺ natürliche Sprache). Eine universelle Sprache soll die Dinge selbst darstellen, soll durch einen plain style die Essenz des Dinges unmittelbar repräsentieren und sich nicht in Verbosität verlieren. Das Postulat einer Universalsprache wurde im 17. Jahrhundert jedoch nicht nur in England, sondern auch in Kontinentaleuropa etwa von DESCARTES, MERSENNE, COMENIUS, KIRCHER, BECHER oder LEIBNIZ unter jeweils unterschiedlicher Akzentuierung aufgestellt. Während Reflexionen zu Universalsprachenprojekten im 17. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebten, erfuhr die Idee einer Universalsprache im 18. Jahrhundert allerdings bereits ihren Niedergang und gewann erst gegen Ende des Jahrhunderts durch die Pasigraphie des MAIMIEUX und die teilweise daran anknüpfenden Überlegungen einiger französischer Ideologen wie etwa GARAT neue Aufmerksamkeit. Für die stetig wachsende Bedeutung des Konzepts gerade im 17. Jahrhundert ist eine Reihe unterschiedlicher kultureller, epistemologischer, politischer und praktischer Motivationen maßgeblich. Einer der Hauptgründe für das Postulat einer Universalsprache war zweifelsohne der Niedergang des Lateinischen. Noch bis ins frühe 17. Jahrhundert hinein war das Lateinische als internationale Sprache der Gelehrten in Gebrauch gewesen. So war die Kenntnis des Lateinischen unerlässlich für den Zugang zu Kirchenämtern, gehobenen Berufen, der Gerichtsbarkeit und zur Gelehrtenrepublik. Im 16. Jahrhundert hatte VIVES (De tradendis disciplinis, 1531)
806 das Lateinische aufgrund seiner Eignung zur Eloquenz und wegen seines Wohlklangs (ĺ Wohlklang) noch als universelle Sprache gepriesen. Anfang des 17. Jahrhunderts beginnt mit der wachsenden Verwendung der europäischen Vernakularsprachen (etwa durch GALILEI) jedoch ein Rückgang der lateinischen Sprache als Sprache der Gelehrten. Im protestantischen Europa, namentlich im puritanischen England, wurde das Lateinische auch aus der Liturgie zugunsten der jeweiligen Volkssprache allmählich verdrängt. Insbesondere für die Engländer als Sprecher einer flexionsarmen Muttersprache erwies sich das Erlernen einer so flexionsreichen Sprache wie des Lateinischen als problematisch, wie aus Kommentaren von Zeitgenossen wie z. B. SIMPSON (1669: 232; zit. nach SALMON 1996: 917) hervorgeht. Bedingt durch beträchtliche phonetische Veränderungen, die zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert in England stattgefunden hatten und unter der Bezeichnung Great Vowel Shift bekannt sind (ĺ Vokal), sprachen Engländer die lateinischen Vokale anders aus als Kontinentaleuropäer, was zu zusätzlichen Kommunikationsproblemen führte. Ein weiterer Grund für die Ablehnung des Lateinischen und den Ruf nach einer internationalen lingua franca war zurückzuführen auf BACONs Forderung, sich den Dingen selbst zuzuwenden, sich auf Realia zu beziehen und nicht der fehlenden Präzision lautsprachlicher Kommunikation zu vertrauen. Auch die Haltung der Puritaner im England des 17. Jahrhunderts gegenüber dem Lateinischen war von starker Kritik geprägt, da sie ebenso wie BACON eine Hinwendung auf die Sachen statt auf die Wörter forderten. Zudem wandten sie sich gegen die lateinische Sprache, weil ihre Erlernung als zu mühsam und unökonomisch betrachtet wurde und die fehlende Zeit lieber auf die Realia angewandt werden sollte (ĺ Spracherwerb). Die Hauptgründe, die zur Zurückdrängung des Lateinischen führten, das traditionell als Gelehrtensprache gedient hatte, waren neben der wachsenden Emanzipation der Volkssprachen und ihrer Verwendung auch als Sprachen gelehrter Diskurse ein Bedürfnis nach zeitlicher Ökonomie beim Erlernen einer Zweitsprache (ĺ Spracherwerb) sowie das seit BACON virulente Postulat einer Abwen-
III. Einheit und Vielfalt dung von den Wörtern zugunsten einer Hinwendung zu den Dingen selbst. Aufgrund der mangelnden Eignung des Lateinischen als internationale Kommunikationssprache wurde der Ruf nach Alternativen laut. Dieses Bedürfnis nach einer neuen Weltsprache, die das Lateinische ablösen könnte, wurde durch die stetig wachsenden Aktivitäten der Entdeckungsreisenden, Seefahrer, Missionare und Handlungsreisenden im 17. Jahrhundert entscheidend stimuliert. Insbesondere die nähere Auseinandersetzung mit den Schriftkulturen Chinas und Ägyptens weckte ein Bewusstsein für die Möglichkeiten emblematischer und piktographischer Repräsentationsformen von Konzepten (ĺ Schrift), die als reizvolle Alternativen zum lateinischen Alphabet wahrgenommen wurden (u. a. von BACON, vgl. auch RICCIs Reiseberichte herausgegeben von TRIGAULT) und zur Entstehung einer regelrechten China–Mode und Ägyptomanie führten. Neben den Entdeckungs– und Missionsreisen ist die explosionsartige Zunahme der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfindungen zu nennen, die eine eindeutige, leicht erlernbare internationale Sprache erforderlich scheinen ließen. Die Tatsache, dass England bei den Entdeckungsreisen etwa der Levante-Gesellschaft oder bei der protestantischen Missionierung Nordamerikas sowie bei der Nobilitierung der Naturwissenschaften durch die Gründung der Royal Society eine Vorreiterrolle zukam, mag ein Grund dafür sein, warum gerade England als Wiege der Universalsprachenprojekte zu betrachten ist, die als Antwort auf die Suche nach einer neuen internationalen Weltsprache florierten. Neben den genannten historischen, politischen, kulturellen und praktischen Gründen, die die Erfindung einer Universalsprache als lohnendes Unterfangen erscheinen ließen, sind nicht zuletzt religiöse Gründe zu nennen: Die Vorstellung, dass man durch die Erfindung einer Universalsprache den Fluch der babylonischen ĺ Sprachverwirrung tilgen könne, war ein wichtiges Movens religiös motivierter Bestrebungen um eine einheitliche, allen gemeinsame Sprache. Insbesondere in der pansophischen Konzeption des COMENIUS kommt einer für alle Menschen neu zu schaffenden, leicht verständlichen und leicht er-
Universalsprache lernbaren Sprache besondere Bedeutung zu, da sie die in verschiedene Glaubensrichtungen und Sekten aufgesplitterten Gläubigen zu einigen vermag. Eine universelle Sprache kann nach COMENIUS’ Vorstellung die ursprüngliche präbabylonische Harmonie des Paradieses wiederherstellen, da sie durch ihre Zentrierung auf die Dinge der Welt das göttliche Wesen der Schöpfung widerspiegelt. COMENIUS’ pansophisches Ideal einer Universalsprache, die ein genaues Abbild der Dinge der Welt ist, steht einerseits im Zeichen seiner religiös motivierten Bemühungen um den Weltfrieden, andererseits ist der Wunsch nach einer Universalsprache auch im Kontext der pädagogischen Sendung des Böhmen zu sehen, der eine klare Strukturierung des Weltwissens auf einer universell verständlichen konzeptuellen Basis anstrebt. COMENIUS’ religiöse Begründung der Notwendigkeit einer Universalsprache hat die Versuche innerhalb der Royal Society, eine solche Plansprache zu entwerfen, maßgeblich geprägt, so dass die aus diesem Kreise hervorgegangenen vielfältigen Ansätze zur Universalsprache nicht nur vor dem epistemologischen Kontext der Sprachkritik BACONs, sondern ebenso vor dem pansophischen Hintergrund der Reformideen des COMENIUS zu würdigen sind. 3. Grundformen von Universalsprachen Die Versuche einer Erfindung von Universalsprachen in England wie in Kontinentaleuropa basierten auf unterschiedlichen Grundschemata, die auf verschiedene Traditionen von Schriftsystemen (ĺ Schrift), Notationsmethoden, aber auch orale Sprachkulturen allgemein zurückgingen. Für eine Vielzahl von Ansätzen ist dabei eine Vertrautheit mit Verfahren der Kryptologie und Kryptographie, mit Geheimschriften aller Art, aber auch mit sprachmystischen Kombinationssystemen nach den Prinzipien des LULLUS oder der Kabbala charakteristisch. Grundsätzlich lässt sich bei Universalsprachen (nach der Terminologie von COUTURAT und LÉAU 1903; LARGE 1985) zwischen a-priori-Sprachen und a-posteriori-Sprachen unterscheiden. Bei a–priori–Sprachen handelt es sich um Sprachsysteme, die vollkommen unabhängig von bestehenden grammatischen und lexikalischen Systemen konzipiert werden.
807 Im Unterschied dazu greifen a-posterioriSprachen sowohl auf lexikalisches als auch auf grammatisches Material bereits existenter, insbesondere europäischer Sprachen zurück. Während a-posteriori-Sprachen vor allem im 20. Jahrhundert mit einem gewissen Erfolg eingesetzt wurden (vgl. Esperanto, Volapük, Interlingua), handelt es sich bei den Universalsprachsystemen des 17. und 18. Jahrhunderts zumeist um a-priori-Sprachen, die einen völlig neuen Zugang zur Repräsentation von Konzepten anstreben. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts lassen sich im Wesentlichen drei Ansätze zur Erfindung von Universalsprachen nachweisen: 1. Der am leichtesten nachzuvollziehende Ansatz beruht auf einem System, in dem Zeichen (real characters) oder auch Zahlen zur unmittelbaren Repräsentation des Objektes der Außenwelt, also des Referenten, anstelle von Wörtern einer bestimmten Lautsprache verwandt werden. Diese Zeichen werden seit BACONs Einlassungen in The Advancement of Learning (1605) als real characters bezeichnet, als Schriftzeichen, die der unmittelbaren und authentischeren Abbildung der außersprachlichen Realität dienen als eine Volkssprache dies vermag. Der real character ist eine Symbolsprache, deren schriftliche Symbole weder Buchstaben noch ganze Wörter ausdrücken sollen, sondern die Dinge oder die Konzepte selbst (ĺ Bedeutung). Diese Form der Symbolschrift würde dann zumindest die schriftliche Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedener Sprachgemeinschaften ermöglichen. Als Prototyp einer solchen Zeichenschrift nennt BACON selbst das Chinesische, dessen symbolische Potenz in Europa insbesondere durch die von TRIGAULT herausgegebenen Reiseberichte RICCIs bekannt war. Neben dem Chinesischen galten vor allem die ägyptischen Hieroglyphen als denkbare Alternative zum lateinischen Alphabet. Die Hieroglyphen wurden seit der Antike als Geheimschrift der hochgestellten ägyptischen Priesterkaste aufgefasst. Allerdings wird dieses Verständnis der Hieroglyphen von WARBURTON in The Divine Legation of Moses zurückgewiesen (vgl. WARBURTON 1738–1742: II, I, IV, IV, 66) (ĺ Schrift). Ähnlich wie die chinesischen Schriftzeichen dürften sie durch
808 den Reiz des Verborgenen und Enigmatischen als besonders attraktiv erschienen sein. Zudem wurden die Hieroglyphen schon in der Renaissance aufgrund der Unzugänglichkeit ihrer Symbolik als Geheimschrift aufgefasst, die dazu bestimmt gewesen sei, die Mysterien des Hermetismus und der Alchemie zu verbergen. Auch für die Konzeption von Universalsprachen erwiesen sich Symbole wie die Zeichen der Planeten, Tierkreiszeichen, chemische Zeichen und sogar Systeme der Musiknotation als nützliches Material. In dem utopischen Roman The Man in the Moone (1638) von GODWIN kommunizieren die Mondbewohner mit einer Sprache aus Tönen und Geräuschen. Zu den Symbolen sind auch die Zahlen zu rechnen, die in frühen Universalsprachskonzeptionen ein beliebtes Mittel waren. Universalsprachen, die auf numerischen Codes basieren, beruhen im Wesentlichen auf dem Prinzip, dass die Wörter einer natürlichen Sprache durch Zahlen ersetzt werden. Es wird somit also eigentlich keine Sprache im engeren Sinne geschaffen, sondern ein Zahlencode, dessen Zahlen ein einsprachiges oder auch mehrsprachiges Lexikon zugeordnet wird. Statt der Wörter der verschiedenen natürlichen Sprachen (z. B. Latein, Englisch, Spanisch) sollen die diesen Wörtern zugeordneten Zahlen verwendet werden. Grundprinzip dieses Ansatzes ist die Vorstellung der Existenz eines universellen Denkens und universeller Konzepte, wobei hinsichtlich der Bedeutung von einer 1:1–Relation zwischen den verschiedenen Sprachen ausgegangen wird. Charakteristische Beispiele für einen derartigen Code sind BECKs Universal Character (1657) und KIRCHERs Polygraphia nova et universalis (1663). Eine Verknüpfung des numerischen Codes mit Buchstabensymbolen findet sich in KIRCHERs Polygraphia nova et universalis (1663), in welcher der Autor die Zeichen seiner Universalsprache in einem fünfsprachigen Wörterbuch, das die Sprachen Latein, Italienisch, Französisch, Spanisch und Deutsch beinhaltet, übersetzt. 2. Eine zweite Möglichkeit der Konzeption einer Universalsprache basiert nicht auf Symbolen. Sie zeigte sich insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert und besteht im Rückgriff auf bereits existente europäische Einzelspra-
III. Einheit und Vielfalt chen. Es handelt sich dabei also um a-posteriori-Sprachen, die im Gegensatz zu den kühnen apriorischen Konstrukten des 17. Jahrhunderts auch in die Praxis umgesetzt wurden, ohne jedoch den Rang von Weltsprachen einnehmen zu können. Esperanto, Volapük und Interlingua können jedoch als erfolgreiche Hilfssprachen klassifiziert werden. 3. Eine besonders komplexe Form des Universalsprachenprojekts ist die philosophische Universalsprache (universal philosophical language), die ihre reifste Ausprägung in den Vorschlägen von DALGARNO und WILKINS findet. Diese Form der Universalsprache beruht auf einer wissenschaftlich abgesicherten Taxonomie, die alle Aspekte der Realität in hierarchisch gegliederte Klassifikationsschemata einordnet und dabei dem Grundprinzip der aristotelischen Unterteilung in genera und species verpflichtet ist. Die in hierarchischen Ordnungsschemata platzierten Wörter haben ikonischen Charakter und bilden durch ihre Stellung im System die Qualitäten des Referenten und seine Position in der Realität ab. Die besonders ausgereiften Vorschläge von DALGARNO und WILKINS liefern aber nicht nur eine lexikalisch–semantisch orientierte Klassifizierung von Konzepten und ihrer ikonischen Repräsentation (ĺ Bedeutung), sondern auch eine Universalgrammatik (ĺ Grammatik), die die universelle Struktur des Denkens widerspiegeln soll. Man kann in diesem Sinne durchaus von einer spekulativen Grammatik sprechen – um den Terminus der Modisten heranzuziehen – da in der syntaktischen Struktur der Universalgrammatik ebenso wie auf semantischer Seite das lexikalischsemantische Begriffssystem als Spiegel der Dinge der Realität konzipiert wird. Allerdings ist anzumerken, dass Universalgrammatiken des 17. und 18. Jahrhunderts (wie etwa die Grammatik von Port-Royal) ihrerseits nicht notwendigerweise auch die Konstruktion einer Universalsprache implizieren müssen. Das Konzept einer philosophischen Universalsprache steht freilich aufgrund seines Anspruchs, auch komplexe Phänomene der Realität wie etwa solche aus dem Bereich der Metaphysik beschreiben zu wollen, in einem Widerspruch zum Postulat der Ökonomie der Universalsprachen, die als eines ihrer Grundcharakteristika den universellen Gebrauch gerade fördern soll.
Universalsprache 4. Das Konzept der ‘Universalsprache’ im 17. Jahrhundert 4.1. Theoretische Vorüberlegungen zum Konzept 4.1.1. BACON Das Konzept der ‘Universalsprache’ spielte Anfang des 17. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle in den Überlegungen von BACON und DESCARTES. Allerdings belassen es beide Denker bei Reflexionen allgemeinerer Art über eine ideale universelle Sprache, der nicht die Nachteile der natürlichen Sprachen anhaften (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, ĺ natürliche Sprache). Beide liefern keinerlei konkreten Entwurf für eine Universalsprache, sondern werden vielmehr durch epistemologische Überlegungen dazu veranlasst, über das Konzept ‘Universalsprache’ nachzudenken. BACONs primäres Interesse gilt ja einer Reform der Wissenschaften (vgl. The Advancement of Learning), die im Wesentlichen auf Induktion und Observation basiert. Zur objektiven Wiedergabe der mittels empirischer Beobachtung gewonnenen Erkenntnisse benötigt BACON jedoch eine eindeutige Sprache, die aufgrund der Ambiguität der Lexeme natürlicher Sprachen nicht gegeben ist. Wörter sind für BACON idola fori, Trugbilder des Marktplatzes, die die Realität nicht exakt wiedergeben und daher für eine Vielzahl sinnloser Dispute verantwortlich gemacht werden müssen (ĺ Missbrauch). Im Rahmen seiner Sprachkritik schlägt BACON als Gegenmittel zu den idola fori eine Schriftsprache vor, die nicht aus Wörtern besteht, welche für ihn nur ein Hindernis des Denkens darstellen, sondern aus den Objekten selbst oder aus Konzepten. Ein geeignetes Beispiel für eine ideale Sprache ist für BACON das Chinesische, da es Dinge und nicht Wörter darstelle (ĺ Schrift). Für die detaillierte Ausarbeitung eines Konzeptes der ‘Universalsprache’ sind BACONs Überlegungen wichtig, da er eine Reihe von Anstößen liefert, die für die weitere Entwicklung des Konzepts wesentlich sind: Er behauptet, dass natürliche Sprachen (ĺ natürliche Sprache) zur Repräsentation der Realität ungeeignet seien, dass das Chinesische als ein natürliches Schriftsystem (ĺ Schrift) modellhaften Charakter für eine ideale Sprache be-
809 sitze und dass Wörter ein Abbild unserer Gedanken sein sollten. BACONs Überlegungen sind wesentlich für alle Konzepte der Universalsprache, welche primär auf eine Universalschrift abzielen, die anhand von Symbolen eine eindeutige Form der Repräsentation vornimmt (ĺ Schrift). 4.1.2. DESCARTES In noch größerem Maße als der Name BACON ist der Name DESCARTES im Zusammenhang mit dem Konzept der ‘Universalsprache’ zu würdigen, da DESCARTES auf die Relation zwischen Konzepten und ihren Symbolen genau eingeht und explizit eine Systematisierung menschlicher Gedanken verlangt, denen dann bestimmte Symbole entsprechen sollen (ĺ Zeichen und Idee). DESCARTES’ Überlegungen fallen auf der Ebene der Methodologie einer Universalsprache konkreter aus als BACONS diesbezügliche Reflexionen. DESCARTES’ Überlegungen zur Universalsprache richten sich jedoch nicht an eine breite Öffentlichkeit, sondern er legt sie in einem Brief vom 20. November 1629 an MERSENNE ausführlich nieder. In diesem Brief kritisiert DESCARTES das Projekt eines anonymen Zeitgenossen, der behauptet, er habe die ĺ Ursprache der Menschheit entdeckt, die grammatisch völlig regelmäßig gewesen sei und mit Hilfe eines multilingualen Wörterbuches mühelos dekodiert werden könne. Gegen dieses Projekt einer vorgeblichen Universalsprache wendet DESCARTES ein, dass Sprecher aus Gründen der Euphonie, des Wohlklangs (ĺ Wohlklang), die künstlichen Laute dieser Sprache als unangenehm empfinden würden. Zudem kritisiert er an dieser Universalsprache, dass sie nur schwer erlernbar sei, da ihre künstlichen Wörter keinen Bezug zu bekannten natürlichen Sprachen aufwiesen (ĺ natürliche Sprache). Schon bei DESCARTES sind also grundsätzliche Bedenken gegenüber apriori-Sprachen erkennbar, da diese Sprachen aufgrund ihrer Neuartigkeit anstelle der von einer Universalsprache geforderten Ökonomie des Lernaufwandes ein zu hohes Maß an mnemotechnischem Aufwand erfordern. Die Mängel, die die im Brief an MERSENNE von DESCARTES diskutierte Universalsprache des Anonymus aufweist, veranlassen DESCARTES zu eigenen Überlegungen. Grundvor-
810 aussetzung für eine Universalsprache ist für ihn eine systematische Anordnung von Konzepten. Sämtliche Gedanken, die ein Mensch entwickeln kann, müssen analog zu numerischen Codes in eine systematische Anordnung gebracht werden. Eine derartige Anordnung ist ihrerseits abhängig von wahrer Philosophie (la vraye Philosophie). Für die Systematisierung der Konzepte ist es erforderlich, dass zunächst einfache Ideen (idées simples) unterschieden werden, bevor komplexe Ideen analysiert werden können. Auf der Strukturierung klarer und einfacher Ideen (idées claires et simples) beruht für DESCARTES jede gute Wissenschaft. Erst wenn allgemeine Übereinkunft über diese klaren und einfachen Ideen besteht, lässt sich nach Auffassung DESCARTES’ eine Universalsprache entwickeln, die zugleich die Vorzüge der leichten Erlernbarkeit, der mühelosen ĺ Artikulation und ĺ Orthographie in sich birgt und darüber hinaus eine wertvolle Hilfe für die Urteilsbildung (jugement) darstellt. Eine Universalsprache auf der Basis genau definierter klarer und einfacher Ideen würde dem Bauer zu demselben Urteilsvermögen verhelfen wie dem Gelehrten. Allerdings schränkt DESCARTES ein, dass eine derartige Universalsprache eine Utopie sei, die nur in einem irdischen Paradies zu finden wäre. DESCARTES sind also die Grenzen der praktischen Realisierbarkeit dieses theoretischen Konzeptes deutlich bewusst. Eine Universalsprache im Sinne DESCARTES’ ist somit eine apriorische Sprache, die nicht auf bestehenden Idiomen aufbaut, sondern auf eingeborenen, dem Menschen gegebenen Grundkonzepten. Analog zu den Zahlen, die auf einer natürlichen Ordnung beruhen, soll auch die Universalsprache als systematisch aufgebautes Gebilde von idées simples ausgehen, die die Grundlage des menschlichen Urteilsvermögens bilden. Die angestrebte Ordnung der Dinge lässt sich als mathematisch-qualitativer Ansatz beschreiben, der auf der Addition und Subtraktion einfacher und komplexer Ideen basiert. DESCARTES’ Beitrag zum Konzept der ‘Universalsprache’ beruht vor allem auf seiner Forderung nach einem hierarchischen System von klaren und einfachen Ideen als Grundlage dieser Sprache. Für die weitere Entwicklung des Konzeptes ist allerdings von Bedeu-
III. Einheit und Vielfalt tung, dass DESCARTES’ Brief an MERSENNE erst 1657 veröffentlicht wurde und aus diesem Grund die in England florierende Diskussion um eine Universalsprache nur in geringem Maße beeinflusst haben dürfte. 4.1.3. MERSENNE Auch unabhängig vom Briefwechsel mit DESCARTES wendet sich MERSENNE dem Konzept der ‘Universalsprache’ in seiner Harmonie universelle (1636) zu und entwirft darin eine eigene Vorstellung einer Universalsprache. In der Harmonie universelle konzipiert MERSENNE eine Universalsprache als eine primitive Sprache, die auf den Prinzipien der ĺ Natürlichkeit, ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention beruht. Die Wörter dieser Sprache wären dem Menschen so natürlich, dass ihre ĺ Bedeutung nicht erlernt zu werden bräuchte, da der Verstehensprozess automatisch, analog zur Sprache der Engel ablaufe. Grundlage eines solch intuitiven Verständnisses ist die Natürlichkeit dieser Sprache, die wesentlich auf Onomatopoetika basiert. Da MERSENNE allerdings zugleich den konventionellen und arbiträren Charakter aller existierenden Einzelsprachen hervorhebt, muss nach seiner Auffassung selbst die ĺ Ursprache neben ihren natürlichen Zügen auch eine Vielzahl arbiträrer Laute aufgewiesen haben. Da MERSENNE den konventionellen Charakter der Sprache nicht in Frage stellt, postuliert er, dass auch eine Universalsprache maßgeblich auf diesem Prinzip beruhen müsse. Eine ideale Sprache (la meilleure langue) muss für MERSENNE analog zu DESCARTES auf eindeutigen Begriffen basieren, die kurz und präzise bestimmt werden können. Im Sinne der sprachlichen Ökonomie plädiert MERSENNE zudem für kurze Wörter, die maximal aus vier Buchstaben bestehen sollten. Grundprämissen einer Universalsprache sind für MERSENNE Kürze und Einfachheit ihrer Elemente, leichte Verständlichkeit ihres Lexikons und geringer mnemotechnischer Aufwand. MERSENNEs Vorschläge zum idiome universel sind in unmittelbarem Kontext kryptographischer Systeme zu sehen, da sein Alphabet einer idealen Sprache stark von den Prinzipien der ars combinatoria eines LULLUS beeinflusst ist. Entsprechend dieser kombinatorischen Prinzipien möchte MERSENNE eine Universalsprache durch die Permutation
Universalsprache von Ziffern, die den Buchstaben des Alphabets zugeordnet werden, aufbauen. Die Schriftzeichen von MERSENNEs Universalsprache beschränken sich auf die Ziffern von 1–10, wobei die Einheit 1 für Gott steht und die Ziffern 2–10 die Attribute der göttlichen Vollkommenheit zum Ausdruck bringen. MERSENNEs kombinatorisches System beinhaltet abgesehen von Ziffern aber auch Buchstaben, Musiknoten oder eigenständig erfundene Symbole. Anhand von Permutationsverfahren ergibt sich durch die Kombination dieser verschiedenen Symbole eine Vielzahl komplexer Zeichen. Neben einer Universalschrift, die anhand von mathematisch–kombinatorischen Prinzipien generiert wird, diskutiert MERSENNE aber auch die als langue naturelle klassifizierte gesprochene Sprache. Diese Sprache sei eine lautnachahmende Natursprache, da es sich bei Onomatopoetika um sprachliche Universalien handle, die als Grundlage einer idealen gesprochenen Sprache fungieren können. Die vorgebliche Universalität der Onomatopoetika versucht er anhand von Beispielen aus der klassischen Literatur nachzuweisen, wobei insbesondere Phänomene wie der Vokalismus entscheidend sind (ĺVokal). Ein wichtiges Kriterium für die mit Hilfe von Kombinationen und Permutationen gebildeten Wörter der Universalsprache ist für MERSENNE der ĺ Wohlklang. Ebenso wie DESCARTES hat aber auch MERSENNE das Projekt einer Universalsprache nicht systematisch ausgearbeitet, sondern sich auf theoretische Überlegungen zu diesem Konzept beschränkt. Ähnlich wie die Ansätze britischer Sprachplaner im 17. Jahrhundert zielt auch MERSENNEs Ansatz im Bereich der Lexik auf eine nach verschiedenen Hierarchien gegliederte klassifikatorische Sprache ab. Allerdings glaubt er im Gegensatz zu diesen, dass einzig Gott Einsicht in die wahre Ordnung der Konzepte des Kosmos besäße. 4.1.4. COMENIUS COMENIUS entwirft in seiner Via Lucis (1668) seine Konzeption einer Universalsprache, die vor dem Hintergrund eines kosmischen und menschheitsgeschichtlichen Heilsplanes zu betrachten ist. Ziel des COMENIUS ist die Divulgation einer für die gesamte Menschheit
811 gültigen Erkenntnislehre, einer Pansophia, zu der neben empirischen Wissensinhalten auch theologische Elemente zu zählen sind. Am Ende einer durch Pansophia bestimmten Entwicklung der Menschheit steht nach COMENIUS’ Auffassung die Aufhebung des Sündenfalls und des Fluches von Babel (ĺ Sprachverwirrung). Im Geiste des Mystizismus und des Hermetismus strebt COMENIUS durch die Pansophie die Restituierung der verloren gegangenen Einheit zwischen Mensch und Gott an. In seiner Konzeption der Pansophia wurde COMENIUS maßgeblich durch seine Lehrer in Herborn, die Herborner Enzyklopädisten ALSTED, BIESTERFELD und RATKE beeinflusst. Im Rahmen seines pansophischen Heilsplans nimmt das Projekt einer Universalsprache der Menschheit eine zentrale Stellung ein. Diese Universalsprache ist für COMENIUS das Medium zur Aufhebung der durch den Sündenfall und den babylonischen Turmbau verlorenen Einheit zwischen Mensch und Gott. Neben universalen Büchern, universalen Schulen und universalen Kollegien bildet die Universalsprache eine von vier Grundvoraussetzungen zur Erlangung universellen Wissens (Pansophia). Die Verschiedenheit der Sprachen sieht COMENIUS als ernstzunehmendes Hemmnis für die Etablierung allumfassenden Wissens und damit allgemeiner Einigkeit unter den Menschen. Die Möglichkeit, eine bereits existente Sprache als Universalsprache zu verwenden, wird von COMENIUS verworfen. Als mögliche Universalsprache benennt er zunächst die Gelehrtensprache Latein, da diese auf Anhieb am ehesten für universelle Zwecke prädestiniert erscheint. Das Lateinische scheidet jedoch aus einer Vielzahl von Gründen für COMENIUS als Universalsprache aus: Es handle sich dabei zwar um ein unter den Gelehrten geläufiges Idiom, welches jedoch den Barbaren, die den weitaus größten Teil der Weltbevölkerung darstellten, unzugänglich sei. Auch lerntechnische Gründe veranlassen COMENIUS zur Zurückweisung dieser Sprache: Das Studium des Lateins erfordere aufgrund der besonderen Komplexität dieser Sprache einen allzu hohen Arbeitsaufwand, da seine Struktur durch eine Vielzahl von Kasus und Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet sei.
812 Zudem sieht COMENIUS das Lateinische aufgrund der geringen Anzahl seiner Komposita, seiner zahlreichen Lehnwörter und seiner starken lexikalischen Orientierung am Griechischen als ungeeignet an, um einen deutlichen und einfachen Bezug zu den Konzepten herstellen zu können. Das Bestreben, eine eindeutige Relation zwischen Wort und Ding zu etablieren, veranlasst COMENIUS, sich gegen die ĺ Arbitrarität der Sprache zu positionieren, da sie für die Entstehung von Ambiguität und problematischen Bedeutungsrelationen (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen) und damit für die Zerstörung der ursprünglichen Einheit der Welt und die Verschleierung der Wahrheit verantwortlich sei. COMENIUS’ Ideal einer gesprochenen Universalsprache beruht auf einem Isomorphismus zwischen Wort und Welt, der sprachlich durch Mittel wie Lautikonismus und Onomatopoetika zu realisieren sei. Der ĺ Arbitrarität und ĺ Konvention der Sprache stellt COMENIUS die ĺ Natürlichkeit als Ideal gegenüber, da nur sie einen Zugang zum Wesen der Dinge und zu den Wahrheiten des Kosmos ermögliche. Als Heilmittel gegen die Unzulänglichkeit der Zeichen postuliert er die Notwendigkeit einer Universalsprache. Als Gütekriterien dieser Universalsprache werden ihre leichte Erlernbarkeit (ĺ Spracherwerb) sowie die Ökonomie dieses Sprachsystems genannt; zudem werden ästhetische Wertmaßstäbe (Lieblichkeit) an sie angelegt und es wird die Vollkommenheit dieser Sprache postuliert, die Einsichten in die Dinge der Welt selbst ermöglichen soll. Sprachliche Vollkommenheit beruht für COMENIUS auf einer eindeutigen Relation zwischen Wort und Welt, welche für ihn die Basis der anzustrebenden Pansophia und des in ihrem Gefolge erreichbaren Weltfriedens darstellt (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Charakteristisch für COMENIUS’ Konzept einer ‘Universalsprache’ ist somit die Konvergenz zwischen theologischen und pädagogischen Motivationen, die das Streben nach universeller Erkenntnis mit der Restituierung der ursprünglichen Einheit zwischen Gott und Mensch und der Etablierung des Weltfriedens unter einem gemeinsamen Dach verbinden.
III. Einheit und Vielfalt 4.2. “Exotische” Schriftsysteme als Modelle der Universalsprachenprojekte Für die Ausbildung einer Universalschrift waren im 17. Jahrhundert sowohl chinesische Schriftzeichen als auch ägyptische Hieroglyphen beliebte Modelle (ĺ Schrift). Der Reiz des Exotischen und zugleich die Eignung dieser fremdartigen Zeichen für kryptologische und kryptographische Zwecke ließ chinesische und ägyptische Zeichen als geeigneten Maßstab für die Erfindung einer Universalsprache erscheinen, die mit dem Attribut der Novität belegt werden konnte. Für Vertreter von Universalsprachskonzeptionen war die Orientierung gerade an einer exotischen Sprache zudem ein geeignetes Mittel, das im Zuge der apologetischen Diskussionen der Renaissance (ĺ Apologie) gesteigerte nationale Sprachbewusstsein der Europäer in dieser Frage zu übergehen, da mit dem Chinesischen gerade keine europäische Sprache als Modell für eine Universalsprache gewählt wurde. Getragen von der Vorstellung, dass chinesische Schriftzeichen eine exakte Repräsentation der materiellen Realität der Welt vorführten und getragen von dem Wunsch, die durch die babylonische ĺ Sprachverwirrung verloren gegangene ĺ Ursprache wiederzufinden, erachteten die Gelehrten im 17. Jahrhundert das Chinesische als geeignetes Schrift-Modell der Ursprache oder einer als ideal empfundenen Universalsprache (ĺ Schrift). Das 17. Jahrhundert war, insbesondere in England, das Zeitalter der großen Entdeckungsreisen von Seefahrern, Kaufleuten und Missionaren. Bedingt durch die Reisen jesuitischer Missionare, durch die Reiseberichte von ACOSTA (1588) oder RICCIs Reisetagebücher, die von TRIGAULT veröffentlicht wurden, erlangten die chinesischen Schriftzeichen Aufmerksamkeit in Europa und wurden so auch zum beliebtesten Modell für eine Universalschrift (ĺ Schrift). Besonderen Eindruck hinterließ ACOSTAs Bericht, dass die chinesischen Schriftzeichen auch von Völkern der benachbarten Länder, wie den Japanern, Koreanern und den Einwohnern Cochinchinas, mühelos gelesen werden konnten. Daher wurden chinesische Schriftzeichen als ikonische Abbildungen der Realität angesehen, denen universeller Charakter zukam. Aus
Universalsprache ACOSTAs Beschreibung erfuhren die europäischen Gelehrten, dass die Chinesen kein Alphabet benutzten, sondern ikonische Zeichen, die astronomischen Symbolen ähnlich waren wie etwa Darstellungen von Sonne, Mond, Mars, Jupiter oder verschiedenen Gestirnen. Europäische Gelehrte entnahmen den Reiseberichten der Missionare, dass chinesische Zeichen direkte Repräsentanten der Realität seien, dass es für jedes Objekt exakt ein Symbol gäbe, welches dieses darstelle und dass es aufgrund der Vielzahl chinesischer Dialekte erforderlich gewesen sei, zur allgemeinen Verständigung eine Universalschrift zu erfinden. RICCI selbst legt in seinen von TRIGAULT herausgegebenen Reisetagebüchern den Europäern die Verwendung einer Universalschrift analog zu chinesischen Zeichen nahe (TRIGAULT 1615: 27–28) und prägte die Überlegungen von BACON, HUGO, VOSSIUS (in seiner De arte grammatica von 1635) und WALTON (Biblia Sacra Polyglotta, 1657) zu einer Universalschrift für Europa. Bei HUGO artikuliert sich im Zusammenhang seiner Gedanken zu einer europäischen Universalschrift im Stile chinesischer Symbole die Vorstellung, dass diese Symbolschrift zur Überwindung des Fluches von Babel führen würde (ĺ Sprachverwirrung), da sie zur Vereinigung der Völker dienen könnte. Diese Auffassung findet sich auch im weiteren Verlauf der Diskussion insbesondere in den Überlegungen zur Universalsprache von COMENIUS, DALGARNO und WILKINS wieder. Entscheidend für die weitere Entwicklung des Konzepts der ‘Universalsprache’ insbesondere in England waren vor allem BACONs Bemerkungen zu den chinesischen Zeichen, die er als geeignete Lösung des Problems der Repräsentation ansah, ohne das Problem der Universalsprache jedoch ausdrücklich zu thematisieren. Bei seinen Überlegungen zur Wort-Ding-Relation trifft BACON allerdings eine wichtige Unterscheidung zwischen chinesischen Zeichen einerseits und ägyptischen Hieroglyphen und der Taubstummensprache andererseits. BACON unterscheidet zwei verschiedene Formen der Repräsentation. So interpretiert er Hieroglyphen und die Gebärdensprache der Taubstummen (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache) als Zeichen, die sich kongruent zur Realität verhalten, da sie
813 dem dargestellten Objekt ähnlich sehen (Similitude, or Congruitie). Sowohl den Hieroglyphen als auch der Gebärdensprache der Taubstummen kann nach BACONs Auffassung das Attribut der ĺ Natürlichkeit zugeschrieben werden. Im Gegensatz dazu fasst BACON die chinesischen Zeichen als arbiträre Symbole auf, die der Mensch den Dingen zugeordnet habe, wobei es für jedes Wurzelwort genau ein Symbol gäbe (ĺ Arbitrarität). Der Einfluss exotischer Sprachen ist als ein wesentlicher Parameter für die Konzeption von Universalsprachen im 17. Jahrhundert zu erachten. In diesem Zusammenhang sind auch Universalsprachen zu berücksichtigen, die in fiktiven Texten, in Romanen und Utopie-Konzepten von Literaten erdacht wurden. Hier lässt sich eine Kontinuität der exotisierenden Phantasiesprachen von MORUS’ Utopia über RABELAIS’ Gargantua et Pantagruel bis hin zu SWIFTs Gullivers Reisen nachzeichnen. Allerdings lassen sich die genannten Phantasiesprachen eher als a-posterioriUniversalsprachen klassifizieren, da sie im Wesentlichen auf der Amalgamierung und Verfremdung einer Vielzahl europäischer Sprachen beruhen. SWIFTs Text kommt dabei eine Sonderstellung zu, da er als erster die Universalsprachenprojekte seiner Zeitgenossen zum Opfer einer Satire werden lässt. Der Einfluss des gesprochenen Chinesischen, konkret des Quonhoa, der gesprochenen Sprache der chinesischen Mandarine, ist deutlich wahrnehmbar in GODWINs utopischer Konzeption einer Sprache der Mondbewohner. Da es sich beim Quonhoa um eine Tonsprache (ĺ Prosodie / Akzent) von besonderer Musikalität handelt, ist es nicht verwunderlich, dass GODWIN zur Notation der Sprache seiner Lunarier ein musikalisches Notationssystem wählt. Für seine fiktiven Mondbewohner erfindet GODWIN eine Sprache, die zugleich ästhetisch anspruchsvoll und wissenschaftlich interessant sein soll und dabei auf Reiseberichten aus dem China des 16. Jahrhunderts basiert. GODWINs musikalische Universalsprache ist zudem geprägt von den Prinzipien der Kryptologie, da er eine chiffrenartige Universalsprache auf der Grundlage von Musiknoten entwickelt, wobei jeder Note ein Buchstabe entspricht.
814 Exotische Schriftzeichen besaßen Modellcharakter für Universalsprachenprojekte, für Phantasiesprachen in utopischen Erzählungen und Romanen, aber auch für die hypothetische Rekonstruktion der ĺ Ursprache. Der enge Zusammenhang zwischen der Suche nach der Ursprache und dem Versuch, eine perfekte Universalsprache zu konstruieren, wird in auffälliger Weise sinnfällig in PEYRÈREs Praeadamitae (1655). PEYRÈRE vermischt in diesem Werk den biblischen Bericht über die Arche Noah mit der Geschichte Chinas, indem er Noah mit seiner Arche nach China reisen lässt. Da Noah die Chinesen selbst mit den Grundprinzipien der Moral und der Gottesverehrung vertraut gemacht habe, sei die Entwicklung der chinesischen Zivilisation der europäischen vorausgegangen. Spekulationen über das Chinesische als ĺ Ursprache finden sich auch in WEBBs An Historical Essay, Endeavouring the Probability that the Language of China is the Primitive Language. Da Noah und seine Nachfahren in China gelebt und nicht am babylonischen Turmbau teilgenommen hätten, sei das Chinesische die Ursprache der Menschheit und besäße Modellcharakter für alle Einzelsprachen. Im Historical Essay bezieht sich WEBB wiederholt lobend auf WILKINS’ Universalsprachenprojekt im Mercury (1641), das er als einen Versuch beschreibt, in Europa eine Universalsprache analog zum Chinesischen einzuführen. Exotische Schriftsysteme (ĺ Schrift) besitzen somit wichtige Modellfunktion sowohl für die Konstruktion einer a-priori-Universalsprache als auch für Ansätze der Rekonstruktion der ĺ Ursprache. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Suche nach einer Universalsprache oftmals als Antwort auf die durch die ĺ Sprachverwirrung von Babel entstandene Diversität der Einzelsprachen einerseits und als Reaktion auf die als unmöglich eingestufte Rekonstruktion der Ursprache der Menschheit andererseits zu klassifizieren ist. Die chinesischen Schriftzeichen sind insbesondere für die Universalsprachenkonzeptionen von KIRCHER und BECK konstitutiv gewesen. Nach anfänglicher Begeisterung verwarfen sowohl WILKINS als auch LEIBNIZ chinesische Zeichen als Modell. In ihren Ar-
III. Einheit und Vielfalt gumentationen verweisen beide darauf, dass es in Wirklichkeit keine Kongruenz zwischen den Zeichen und ihren Denotaten gebe und aus diesem Grunde das chinesische Schriftsystem dem lateinischen Alphabet keineswegs überlegen sei (ĺ Schrift). 4.3. Konkrete Projekte einer Universalsprache im 17. Jahrhundert 4.3.1. Publizierte Projekte Die Bemühungen um eine Universalsprache im 17. Jahrhundert lassen eine Diskrepanz erkennen zwischen einer Vielzahl begonnener Universalsprachenentwürfe und einer vergleichsweise geringen Anzahl von tatsächlich zu Ende geführten oder gar in Druck gegebenen Projekten. Zudem ist bei den vorgelegten Ansätzen zu unterscheiden zwischen einer Universalschrift (real character) und einer Universalsprache, die neben der ĺ Schrift auch die gesprochene Sprache mit einbezieht, also sowohl einen graphischen als auch einen oralen Kode für die mündliche Kommunikation impliziert. Publiziert wurden folgende Projekte: In England wurden die Universalsprachenprojekte folgender Autoren, die eine rein schriftliche Universalsprache vorführen, veröffentlicht: LODWICKs A Common Writing (1647), BECKs The Universal Character (1657) und DALGARNOs Character Vniversalis (1657); weitere Universalschriften waren in Deutschland BECHERs Character pro notitia (1661) und die 1663 in Rom erschienene Polygraphia nova des deutschen Jesuiten KIRCHER. Im gleichen Jahr erschien in Frankreich LABBÉs Vorschlag für eine Universalsprache, die nicht nur geschrieben, sondern auch gesprochen werden konnte, mit seiner Grammatica linguae universalis missionum et commerciorum (1663). Philosophische Universalsprachen, für die die Erstellung hierarchischer Systeme und Taxonomien zur Klassifizierung des Weltwissens charakteristisch ist, finden wir vor allem in England mit LODWICKs The ground-work, or foundation laid, (or so intended) for the framing of a new perfect language: and an universall or common writing (1652), DALGARNOs Ars Signorum (1661) und WILKINS’ An Essay Towards a Real Character (1668). In Italien erschien ein weiterer Ansatz zu einer
Universalsprache philosophischen Universalsprache: der Arithmeticus Nomenclator, Mundi omnes nationes ad linguarum & sermonis unitatem invitans, Auctore linguae (quod mirêre) Hispano quodam verè ut dicitur, muto des sich selbst als stumm klassifizierenden spanischen Autors BERMUDO (1653). Gleichfalls in Italien wurde 1669 ein weiterer Vorschlag KIRCHERs veröffentlicht, nämlich seine Ars magna sciendi, während in Irland 1679 CHAMBERLAINs Tractatus de literis et lingua philosophica publiziert wurde. 4.3.2. Britische Universalsprachenprojekte des 17. Jahrhunderts Britische Bemühungen um eine Universalsprache im 17. Jahrhundert sind stark an BACONs Ideal einer Beseitigung der Hauptschwächen konventioneller natürlicher Sprachen orientiert (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, ĺ natürliche Sprache). Diese Universalsprachenschemata bieten denkbare Alternativen zur alltäglichen und / oder wissenschaftlichen Kommunikation. Dabei handelt es sich bei den ersten Versuchen, eine Universalsprache zu konstruieren, meist um einfache Universalschriften (real characters). Eine philosophische Sprache (lingua universalis), die auf taxonomischen Klassifizierungen beruht, stellt demgegenüber ein weiter entwickeltes Stadium von Konzepten der Universalsprache dar. Die bekanntesten Ansätze für einen real character finden sich in den Versuchen von LODWICK und BECK sowie in den Frühschriften von DALGARNO und WILKINS. Die philosophische Universalsprache gipfelt ihrerseits in den späteren Werken von DALGARNO und WILKINS. 4.3.2.1. Diskussionen um die Universalsprache innerhalb der Royal Society Für die Ausarbeitung der philosophischen Universalsprachenprojekte von LODWICK, DALGARNO und WILKINS war die Diskussion um die Universalsprache im Rahmen der Royal Society bedeutsam, wobei insbesondere auch Spekulationen um die ĺ Ursprache und die ĺ Natürlichkeit der Sprache die Überlegungen zur Universalsprache bestimmten. In der Royal Society war es vor allem die Debatte zwischen WEBSTER und WARD um die Sprache Adams, die der weiteren Entwicklung der Universalsprachendiskussion in England Im-
815 pulse verlieh. Die Kontroverse zwischen WEBSTER und WARD hatte unmittelbaren Einfluss auf den weiteren Verlauf dieser Diskussion. Der puritanische Minister für Erziehung, WEBSTER, forderte in seiner kritischen Schrift Academiarum Examen von 1654 eine Umorientierung des englischen Universitätswesens. In den Universitäten solle die Schöpfung Gottes selbst studiert und nicht die Werke der klassischen griechischen und lateinischen Autoren gelesen werden. Da WEBSTER die Erlernung einer so komplexen Sprache wie des Lateinischen als unökonomisch ansieht, postuliert er die Erfindung einer Universalsprache, die er als Pflichtaufgabe den Universitäten anträgt. WEBSTER bezieht sich ausdrücklich auf BÖHME, der im Rahmen seines mystischen Weltverständnisses alle Erscheinungen der Außenwelt als Symbole (Signaturen) der inneren Welt ansieht. Für BÖHME entstammen die Wörter göttlicher Harmonie, verfügen über eine innere Kraft und sind versteckt im Buch der Natur. Nach BÖHMEs Auffassung erlaubt die exakte Benennung der Dinge der Welt den Zugang zur natürlichen Sprache Gottes, da Gott selbst sich in einer geheimnisvollen Symbolsprache seinen Kreaturen mitteilt. Für WEBSTER wäre die Erfindung einer Universalsprache der Weg zur Wiedergewinnung der ursprünglichen natürlichen Ursprache. Gegen WEBSTERs logosmystische Begründung der Notwendigkeit einer Universalsprache wendet sich der Astronomieprofessor WARD in einer satirischen Antwort, den Vindiciae Academiarum. WARD negiert die Existenz einer Natursprache und verwirft WEBSTERs mystische Argumentation. Zugeständnisse macht WARD in Bezug auf die Konzeptionen der Kabbalisten, Lullisten und Pythagoreer, die sich einer Symbolschrift zur Bezeichnung der Natur der Dinge bedienen. Auch das Kriterium, dass eine Universalsprache den erheblichen Zeitaufwand des Fremdsprachenerwerbs beseitigen würde, akzeptiert WARD (ĺ Spracherwerb). Anstelle eines logosmystischen Zugangs zu den Dingen postuliert WARD jedoch eine philosophische Sprache, die auf einer Reihe von einfachen Begriffen (simple notions) beruhen soll. Diese einfachen Begriffe sollen ihrerseits nicht noch weiter in kleinere Komponenten zerlegt
816 werden können und durch kombinatorische Muster zur Herstellung komplexer Ideen verwendet werden. WARDs Konzeption der Universalsprache beruht somit auf kombinatorischen Prinzipien der Mathematik und Logik. Er plädiert für eine Verringerung der zu verwendenden Symbole und für die Reduktion komplexer Ideen auf einfache Ideen zur Erstellung einer begrifflichen Basis der Universalsprache (ĺ Zeichen und Idee). In der Kontroverse zwischen WEBSTER und WARD lassen sich zwei Grundtendenzen von Universalsprachenprojekten erkennen: WEBSTERs Universalsprache beruht im Grunde auf dem Postulat einer Rekonstruktion der nach dem Sündenfall und nach Babel verloren gegangenen ursprünglichen Natursprache (ĺ Ursprache). Seine logosmystische theozentrische Begründung der Notwendigkeit einer Universalsprache steht in Opposition zu der auf den Prinzipien der Logik und Kombinatorik basierenden Konzeption der Universalsprache WARDs. Sowohl die logosmystische als auch die stärker auf eine logisch–definitorische Begriffsbestimmung ausgerichtete Konzeption der Universalsprache beeinflussten weitere Universalsprachenprojekte. Während sich eine logosmystische Begründung der Universalsprache ebenfalls bei COMENIUS findet, dessen sprachtheoretisches Wirken auch die Diskussion innerhalb der Royal Society beeinflusste, gelangte WARDs Ansatz vor allem in den philosophischen Universalsprachenprojekten von LODWICK, DALGARNO und WILKINS zur Anwendung. 4.3.2.2. Frühformen von Universalsprachenprojekten Thomas URQUHART Kein eigentliches Universalsprachenprojekt, sondern eher eine Liste der Vorzüge einer Universalsprache liefert der RABELAIS-Übersetzer URQUHART 1652 mit seiner Schrift Eskybalauron und in einer leicht abgewandelten Fassung 1653 in Logopandecteision; Or an Introduction to the Vniversal Langvage. Leider ging URQUHARTs Manuskript 1651 in der Schlacht von Worcester verloren, so dass lediglich eine “Introduction to the Universal Language” erhalten blieb. URQUHARTs Logopandecteision ist im Grunde eine Kombination aus literarischer Fiktion und mythischen
III. Einheit und Vielfalt Sprachvorstellungen. Für den Literaten URQUHART ergibt sich die Notwendigkeit einer Universalsprache nicht als Folge der Beschäftigung mit fachsprachlicher wissenschaftlicher Kommunikation, sondern aus der Vorstellung, dass Sprache die Realität adäquat abbilden müsse. In URQUHARTs Konzeption muss eine Universalsprache primär alltagssprachlichen Zwecken und nicht der Perfektionierung der Kommunikation unter Gelehrten dienen. ĺ Bedeutung kann für URQUHART nur dann auftreten, wenn Kongruenz zwischen Wörtern und Dingen besteht. Selbst sogenannte Ursprachen (ĺ Ursprache) stellen nach seiner Auffassung das Wesen der Dinge nur unzureichend dar. Phonische und morphologische Strukturen von Lexemen müssen nach URQUHARTs Konzeption der ĺ Natürlichkeit der Sprache die intrinsischen Qualitäten der Dinge selbst repräsentieren. Da eine Kongruenz zwischen res und verba als Grundvoraussetzung von Bedeutungshaftigkeit in natürlichen Sprachen jedoch nicht gegeben ist, erachtet URQUHART eine Kunstsprache als vollkommenste und natürlichste Sprache (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, ĺ natürliche Sprache). URQUHARTs Universalsprache basiert auf einem Isomorphismus zwischen Wort und Welt, da nach seiner Meinung eine deutliche Relation zwischen dem Zeichen und dem Ding, auf das es sich bezieht, bestehen müsse (a proportion betwixt the sign and thing signified). Daher ist z. B. der Lautikonismus eines der Grundprinzipien einer solchen Sprache. In der Tat ist URQUHART auch der einzige Autor, der einen Vorschlag zu einer Universalsprache auf der Grundlage von Phonogrammen entwickelte. So behauptet URQUHART, er habe ein universelles Alphabet entworfen, das alle Wörter beinhalte, die der Mensch zu artikulieren vermöge. Jedem Wort in diesem Alphabet komme eine besondere Bedeutung zu. Das gesamte Alphabet beruhe auf 250 Wurzelwörtern, von denen alle weiteren Wörter abgeleitet würden. In seiner Liste der 66 Vorzüge seiner Universalsprache nennt der RABELAIS-Übersetzer im Wesentlichen quantitative Verdienste im Vergleich zu natürlichen Sprachen (ĺ natürliche Sprache). So hätten seine Nomina (ĺ Nomen) zehn Fälle außer dem Nominativ,
Universalsprache vier Numeri und elf Genera; Verbformen (ĺ Verb) verfügten über zehn Tempora neben dem Präsens und über sechs verschiedene Modi. Zudem verfüge seine Sprache über zwölf ĺ Wortarten. Trotz der morphologischen Komplexität behauptet URQUHART, dass ein zehnjähriger Junge diese Sprache innerhalb von drei Monaten erlernen könne. URQUHARTs Ansatz besteht eher aus allgemeinen Reflexionen über das Konzept einer ‘Universalsprache’, die als Desideratum dargestellt wird. Ob der Literat URQUHART jemals die vorgegebene Universalsprache entwickelt hat, wird in der Forschungsliteratur jedoch bezweifelt (vgl. FORMIGARI 1988: 63). Cave BECK Eine richtige Universalsprache entwickelt dagegen der aus Ipswich stammende Schullehrer BECK mit The Universal Character, By which all the nations in the world may understand one another’s Conceptions, reading out of one Common writing their own Mother Tongues (1657). BECKs Ziel war es jedoch nicht, eine lesbare Pasigraphie zu konstruieren, sondern ein Instrument zu entwerfen, welches die Unvollkommenheiten, die durch Babel (ĺ Sprachverwirrung) und die Sprachverschiedenheit entstanden waren, beseitigen könnte. Das Ziel des Universal Character ist vor allem praktischer Natur, da BECK sein Schema fernab aller Diskussionen gelehrter akademischer Zirkel wie der Royal Society mit dem Anliegen entwirft, eine Universalsprache zu schaffen, die allgemein verwendbar ist, sowohl vom Wissenschaftler als auch vom Kaufmann. Da BECK doppeldeutige Wörter und Synonyme (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen) der natürlichen Sprachen (ĺ natürliche Sprache) als Hindernis für wahres Wissens ansieht, soll für ihn eine Universalsprache auch der Verbreitung echten Wissens und einer wahren, nicht durch Sprache verfälschten, Religion in aller Welt dienen. Im Gegensatz zu LODWICK, DALGARNO und WILKINS, deren Universalsprachsysteme alle auf taxonomischen Klassifizierungen der Welt beruhen, entwirft BECK keine hierarchische Ordnung von Konzepten in verschiedenen Klassen, sondern ein leicht verständliches alphabetisches Wörterbuch mit 3996 Wörtern. Jedem lexikalischen Eintrag entspricht dabei eine Ziffer. Diese Ziffern bilden
817 die Basis der Zeichen von BECKs Universalschrift. Grammatische Kategorien oder Unterkategorien (ĺ Grammatik), Flexionen und Derivationen werden durch Hinzufügung von Buchstaben des Alphabets rechts oder links der Ziffer gekennzeichnet. So geben etwa die Vokale a, e, i, o, u verschiedene Fälle an und die Konsonanten b, c, d, f, g, l markieren sechs Tempora. Das Passiv wird mit Hilfe eines diakritischen Zeichens angegeben. Beck liefert zudem eine einfache Methode für die Aussprache der Graphie der aus der BuchstabenZiffern-Konfiguration resultierenden Zeichen. Jede arabische Ziffer wird mit einer Kurzform der entsprechenden halbphonetischen Aussprache verbunden. Die Wahl von arabischen Ziffern und Buchstaben anstelle anderer Symbole begründet BECK mit dem hohen Bekanntheitsgrad dieser Zeichen, vor denen im Gegensatz zu den ungewöhnlichen chinesischen Zeichen oder Hieroglyphen (ĺ Schrift) kein Auge zurückschrecken würde (It is a Character that wil fright no Eye with an unusual shape). In BECKs Schema wird seine Vorstellung deutlich, mit Hilfe von Ziffern und einigen alphabetischen Zusatzzeichen einen REAL character entworfen zu haben, der in einer Relation der Isomorphie Welt durch Worte abbildet. BECKs Universalsprache wurde von DALGARNO als eine rätselhafte Weise, Englisch zu schreiben, kritisiert (Brief an HARTLIB vom 20. April 1657). 4.3.2.3. Philosophische Universalsprachen und ihre Vorstufen Francis LODWICK In England beginnen die konkreten Bemühungen um eine Universalschrift mit LODWICKs A Common Writing (1647). LODWICK, der ein vielseitig interessierter Kaufmann und Mitglied der Royal Society war, verfasste unter dem Einfluss der Überlegungen von BACON und WILKINS seinen Vorschlag für einen real character. In seiner konzisen Schrift A Common Writing entwirft LODWICK eine Universalschrift, die eine Ansammlung von Wörtern enthält, welche durch nonverbale Symbole im Stil arithmetischer Zeichen dargestellt werden, die in jeder Sprache benutzt werden können. Zudem schlägt LODWICK die Ausarbeitung eines Lexikons vor, in dem Wurzelwörter (radicals) enthalten sind, deren Ableitungen (derivatives) mit Hilfe standardi-
818 sierter diakritischer Zeichen gebildet werden können. LODWICK entwirft neben einer Universalschrift aber auch eine Universalsprache. So erweist sich LODWICKs The ground-work, or foundation laid, (or so intended) for the framing of a new perfect language: and an Vniversall or common writing. And presented to the consideration of the learned, by a wellwiller to learning aus dem Jahre 1652 als sein zweiter, aber fruchtbarerer Versuch zur Erfindung einer Universalsprache. In diesem Werk versucht LODWICK, die Grundlage einer vollkommenen neuen Sprache zu legen, die für die Repräsentation der wahren Ordnung der Welt geeignet erscheint. Zu diesem Zweck schlägt er eine wissenschaftliche Nomenklatur mit genauem Bezug auf die Qualitäten der Dinge vor. Die Radikalität des taxonomischen Ansatzes von LODWICK zeigt jedoch zugleich, dass diese Sprache rasch die Grenzen mnemotechnischer Leistungsfähigkeit überschreitet, da in einer philosophischen Universalsprache alle Dinge definiert werden müssten. Diese Überforderung des Gedächtnisses wird auch zu einem Kernproblem der apriorischen philosophischen Universalsprachen von DALGARNO und WILKINS. In der Einleitung zum Ground-work begründet LODWICK die Notwendigkeit einer Universalsprache insbesondere mit der Komplexität der grammatischen Regeln natürlicher Sprachen (ĺ natürliche Sprache). Gerade die sogenannten Learned Languages wären durch eine zu große Komplexität und eine zu große Menge an Anomalien gekennzeichnet. Da die gelehrten Sprachen jedoch Tore zu den Wissenschaften (gates to Sciences) sein sollten, müssten sie einen raschen Zugang zu den Dingen selbst ermöglichen, weil sie sonst nur die Schüler entmutigten und einen ungerechtfertigten Zeitaufwand erforderten (ĺ Spracherwerb). Im Sinne BACONs postuliert LODWICK eine ökonomische Sprache, deren Erlernung nicht allzu viel kostbare Zeit in Anspruch nimmt und die eine genaue Repräsentation der Welt liefert. LODWICKs Kritik an den bestehenden natürlichen Sprachen bezieht sich vor allem auf die Komplexität ihrer Flexions- und Derivationsparadigmata. Daher ist der größte Teil des Textes auch der Entwicklung einer Universalgrammatik gewid-
III. Einheit und Vielfalt met, die die Vielzahl grammatischer Regeln in natürlichen Sprachen reduzieren soll (ĺ Grammatik). Besonders bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist LODWICKs Konzeption einer universellen Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Zwar wurde LODWICKs Universalsprachenprojekt niemals in die Tat umgesetzt, aber es war von entscheidender Bedeutung für WILKINS’ Essay towards a real Character, and a Philosophical Language (1668). WILKINS selbst beruft sich darin auf LODWICK als einen seiner wichtigsten Inspiratoren. Mit seinem Ground-work leitet LODWICK die bedeutsame Trias englischer philosophischer Universalsprachenprojekte ein, die in den Arbeiten von DALGARNO fortgesetzt wird und in WILKINS’ Universalsprache kulminiert. Alle drei Universalsprachenprojekte basieren auf einer hierarchischen Klassifizierung der Dinge der Welt und verbinden die Konzeption der Universalsprache auch mit dem Vorschlag zu einer Universalgrammatik (ĺ Grammatik). Ein dritter und letzter Versuch LODWICKs ist sein in den Philosophical Transactions der Royal Society dargestellter Essay towards an Universal Alphabet (1686), in dem er eine neue Form der phonetischen Notation entwickelt. George DALGARNO In den Jahren 1657 und 1658 veröffentlichte der schottische Gelehrte DALGARNO drei Entwürfe zu einer Universalschrift, nämlich Character Universalis / A New Discovery of the Universal Character (1657), Tables of the Universal Character and Grammatical Observations (1657) und News to the Whole World, of the Discovery of an Universal Character, and a New Rational Language (1658). Die neue Universalschrift sollte frei sein von Unregelmäßigkeiten und Redundanz. Sie sollte sowohl den Denkprozess vereinfachen als auch als internationale Hilfssprache fungieren. Interessant ist auch die didaktische Präsentation der neuen Universalschrift. DALGARNO ordnet das Basisvokabular in Form von dreizehn Strophen an, die als mnemotechnische Unterstützung beim Lernen dienen sollen. Ein ausgereiftes Universalsprachenschema veröffentlicht DALGARNO im Jahre 1661 mit
Universalsprache seiner Ars signorum, vulgo Character Universalis et Lingua Philosophica. DALGARNO geht es dabei um zwei Grundanliegen: Erstens strebt er eine Perfektionierung der zum damaligen Zeitpunkt in England oft benutzten Kurzschrift (shorthand) oder Brachygraphie an. Zweitens soll die Anzahl an Grundbegriffen, auf denen die neue Sprache beruhen sollte, möglichst gering gehalten werden. Insbesondere das letztere Anliegen steht im Fokus von DALGARNOs Bemühungen. So kann seine Ars signorum als die erste richtige philosophische Universalsprache betrachtet werden, die den reinen real character als ein System von Begriffszeichen übertrifft durch eine sorgfältig ausgearbeitete Klassifikation der Begriffe, die sich an der Logik und den Taxonomien des ARISTOTELES und ihrer weiteren Ausarbeitung durch RAMUS orientiert. Als Basis der Klassifizierung setzt DALGARNO eine Reihe einfacher Ideen (simple notions) in siebzehn Gruppen an. Entscheidend für DALGARNOs Vorgehen ist diese Gruppierung in Klassen. Den siebzehn Gattungen wird jeweils ein Buchstabe zugeordnet, der den begrifflichen Kern des neu erschaffenen Kunstwortes enthält. Jeder der siebzehn Buchstaben bezeichnet alle Wörter, die der betreffenden Klasse zugehören. So stehen beispielhaft A für das Wesen, H für die Substanzen, E für die Akzidenzien, I für konkrete Dinge oder O für die Körper. Die siebzehn Grundbegriffe (genera) werden in weitere Unterklassen gegliedert, die ihrerseits in verschiedene Spezies zerlegt werden. Die Lexeme der Universalsprache DALGARNOs lassen sich somit als Additionen von Definitionen von Genera und Species und deren Eigenschaften begreifen. Zum Beispiel definiert sich etwa das Lexem nȘksofpad als solidipesprivatum-sexus, als ‘Vollhuftier ohne Fortpflanzungsfähigkeit’. Man erkennt an diesem Beispiel die Zielsetzung des taxonomischen Prinzips: Ziel des taxonomischen Prinzips ist nicht nur, eine Ordnung der Welt zu ermitteln, sondern zugleich solide Definitionen von Begriffen zu erreichen, wie sie seit BACON im Zentrum des epistemologischen Interesses englischer Gelehrter der Royal Society und ihres Umfeldes standen. Das Problem dieses terminologischen Systems besteht jedoch darin, dass eine komplexe Entität von verschiedenen Benutzern der Sprache unter
819 Akzentuierung unterschiedlicher Begriffsinhalte beschrieben werden könnte und damit eine Kompatibilität der Definitionen beim Gebrauch dieser Sprache durch verschiedene Sprecher nicht gegeben ist. Für die praktische Benutzung ist das System DALGARNOs daher ungeeignet. Bei genauerer Betrachtung wird zudem deutlich, dass es sich bei DALGARNOs System nicht im eigentlichen Sinne um eine philosophische Universalsprache, sondern vielmehr um ein lexikographisches Projekt, nämlich um ein Wörterbuch der logischen Klassifikation aller Begriffe handelt. Das Verdienst dieses Ansatzes besteht jedoch darin, dass er zuvor erfolgte Versuche, die von Wurzelwörtern bestehender Sprachen ausgingen, hinter sich lässt, indem er sich nicht auf die Bereitstellung eines handhabbaren Lexikons beschränkt, sondern in einem weitergehenden philosophischen Sinn auf die Erschließung der ontologisch-notionellen Zusammenhänge der Welt und die Entschlüsselung der Relation zwischen res et verba abzielt (ĺ Bedeutung). John WILKINS Die philosophischen Universalsprachenprojekte des 17. Jahrhunderts gipfeln in WILKINS’ Essay Towards a Real Character von 1668. Bevor WILKINS, der auch eines der Gründungsmitglieder der Royal Society und ihr erster Sekretär war, jedoch das enzyklopädische Großunternehmen des Essay in Angriff nahm, hatte er bereits 1641 einige Überlegungen zur Universalsprache in seinem Mercury: or the secret and swift messenger angestellt, die wichtige Grundlagen für den Essay darstellten. Bei WILKINS’ Mercury handelt es sich um ein Werk, in dem Methoden und Erfindungen der Kryptographie beschrieben werden, die durchaus positiv bewertet werden. Die Möglichkeit des Missbrauchs kryptographischer Systeme wird jedoch nicht in Erwägung gezogen. WILKINS’ Mercury steht in engem gedanklichem Zusammenhang zu Bischof GODWINs Man in the Moone. So nimmt WILKINS im Mercury unmittelbar Bezug auf die Sprache der Lunarier, deren Musiksprache er dechiffriert. Neben kryptographischen Überlegungen beinhaltet der Mercury auch semiotische Einlassungen zu verschiedenen Zeichen- und Kommunikationsformen (ĺ Schrift), wobei etwa auch die Möglich-
820 keiten der Gestensprache thematisiert werden (ĺ Gebärdensprache vs. Lautsprache). Im Zentrum von Kapitel XIII stehen Reflexionen zur Universalsprache, an deren Ausgangspunkt die babylonische ĺ Sprachverwirrung gesetzt wird, die durch die relative Universalität des Lateinischen zwar teilweise, aber keineswegs ganz aufgehoben worden sei. Da für die Erlernung der lateinischen Sprache (learning of the words) zu viel Zeit aufgewandt werden müsse und diese Zeit besser dem Studium der Dinge selbst (the Study of Things) zu widmen sei (ĺ Spracherwerb), fordert WILKINS einen universal character, der den Fluch der babylonischen Sprachverwirrung aufheben könnte. Als Vorbild nennt WILKINS unter Berufung auf TRIGAULT wie zuvor schon BACON die chinesischen Schriftzeichen, die Angehörige solch verschiedener Sprachgemeinschaften wie Chinesen und Japaner problemlos zur schriftlichen Kommunikation verwendeten. Allerdings verweist WILKINS auch auf Entwürfe von Universalsprachen, die namentlich unter dem Einfluss der Kryptographie entstanden sind. So nennt er als mögliche Zeichen einer Universalschrift römische und arabische Zahlen, Zeichen für Maßeinheiten, Sternzeichen, astronomische Zeichen, chemische Nomenklaturen und auch Musiknoten. Da WILKINS die Anzahl dieser Zeichen zur Benennung von Basiskonzepten nicht für ausreichend hält, postuliert er die Notwendigkeit der Erfindung eines neuen real character. Diese Universalschrift muss neben Zeichen für Basiskonzepte auch über Zusatzzeichen zur Darstellung grammatischer Relationen, Deklinationen und Flexionen verfügen. WILKINS’ Forderung nach Zusatzzeichen für die Relationierung der Konzepte untereinander ist vergleichbar mit den Vorstellungen zu einer Universalschrift von BECHER oder KIRCHER, die ebenfalls die Notwendigkeit solcher Zeichen postulieren. Die im Mercury angestrebte philosophische Universalsprache präsentiert WILKINS allerdings erst in seinem Essay Towards a Real Character von 1668, der allgemein als der am besten nachvollziehbare und ausgereifteste Versuch einer Universalsprache angesehen wird. Ähnlich wie DALGARNO strebt auch WILKINS nach einem enzyklopädischen Klas-
III. Einheit und Vielfalt sifikationssystem, das das gesamte Alltagswissen sowie das gesamte technische und wissenschaftliche Wissen der Menschheit umfassen soll. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass WILKINS und DALGARNO eine Zeitlang gemeinsam an Universalsprachenprojekten arbeiteten, bis es zum Bruch kam. Vor diesem Hintergrund ist die wesensmäßige Verwandtschaft ihrer Systeme nicht überraschend. Allerdings ist auch WILKINS’ Essay Towards a Real Character das Resultat gemeinschaftlicher Arbeit WILKINS’ mit anderen Gelehrten der Royal Society, welche über das notwendige Fachwissen für die Aufstellung der Klassifizierung spezifischer fachwissenschaftlicher Bereiche verfügten (wie etwa der Botaniker RAY, der sich den Klassifizierungen der Pflanzen und Tiere widmete). Somit kann der Essay auch als ein großes enzyklopädisches Projekt unter der geistigen Vorherrschaft WILKINS’ betrachtet werden, der seinerseits auch die philosophischen und epistemologischen Beweggründe darlegte, die zur Produktion des Essays führten. Der umfangreiche Essay besteht aus vier Teilen: Die Prolegomena beschäftigen sich mit der Kritik natürlicher Sprachen und deren Alphabeten (ĺ Schrift) ebenso wie mit sprachtheoretischen Problemkreisen wie z. B. ĺ Ursprung, ĺ Sprachveränderung, ĺ Korruption. Ein ausführlicher zweiter Teil liefert zahlreiche Tabellen, die die Taxonomien der things and notions enthalten. Der dritte Abschnitt widmet sich der natural grammar, und der vierte Teil wendet sich der Universalsprache zu. Das im Essay dargestellte System einer Universalsprache ist von großer Komplexität, da die Sprache aus einer Vielzahl von Komponenten besteht: aus einem umfangreichen onomasiologischen Lexikon, einer Universalgrammatik (ĺ Grammatik), einer Auseinandersetzung mit verschiedenen nicht-alphabetischen Schriftsystemen für europäische Sprachen unter Berücksichtigung kabbalistischer, lullistischer und kryptographischer Tendenzen (ĺ Schrift) sowie einem Beitrag zur Phonetik, in welchem WILKINS sich um die Generierung artikulatorisch einfacher Lautkombinationen bemüht (ĺ Artikulation). Ähnlich wie schon im Mercury nennt WILKINS auch im Essay Towards a Real Charac-
Universalsprache ter die babylonische ĺ Sprachverwirrung und die Diversität der Einzelsprachen als Gründe für die Notwendigkeit der Erfindung einer Universalsprache. Als mögliche Vorteile, die seine philosophische Universalsprache zu bieten vermag, nennt WILKINS die Erleichterung von Handelsbeziehungen zwischen verschiedenen Völkern der Welt, die Erweiterung unseres Wissens sowie die Möglichkeit, religiöse Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften leichter beilegen zu können. Die Unvollkommenheit natürlicher Sprachen (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, ĺ natürliche Sprache) sowie Prozesse der ĺ Sprachveränderung und der ĺ Korruption lassen die Erfindung einer idealen Kunstsprache, welche die Dinge selbst repräsentiert, für WILKINS als Notwendigkeit erscheinen. WILKINS’ Universalsprache basiert auf der Vorstellung, dass es eine allen Menschen gemeinsame a priori übereinstimmende Form der Welterkenntnis gibt. Nach WILKINS’ Auffassung ist seine Universalsprache deshalb ein funktionierendes Kommunikationsmedium, weil die Zeichen die Realität unmittelbar repräsentieren. Die angestrebte Universalsprache muss auf einer exhaustiven Katalogisierung und Klassifizierung der Dinge der Welt beruhen. Die taxonomischen Schemata sollen sich jedoch nicht auf Auflistungen von Bezeichnungen beschränken, sondern zugleich auch Definitionen von Begriffen enthalten. WILKINS’ Ansatz basiert im Einklang mit den Prinzipien des ARISTOTELES und der Scholastik auf der nicht hinterfragten Vorstellung, dass unsere Konzepte ein exaktes Abbild der Realität seien, welche eine exakte Sprache ihrerseits nach korrekter wissenschaftlicher Klassifizierung genau zu repräsentieren vermöge (ĺ Bedeutung). Für die Klassifizierung der Begriffe erstellt WILKINS einen Thesaurus aus verschiedenen Tafeln (tables), der sich vor allem auf Allgemeinbegriffe gründet, wie sie seit ARISTOTELES kennzeichnend sind für die logisch-ontologische Diskussion. So folgt WILKINS dem aristotelischen Grundprinzip einer Unterteilung in genus-differentia-species. Im Wesentlichen lassen sich WILKINS’ tables als nähere Spezifizierungen von Allgemeinbegriffen auffassen, die im Stil des Baums des PORPHYRI-
821 US dargestellt werden. Das Grundschema der Tafeln lässt sich als eine deduktiv konzipierte hierarchisch gegliederte Sammlung von Konzepten verstehen, wobei eine Vielzahl von Einträgen als Antonymenpaare angelegt ist (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). Für diese Anordnung spricht sicherlich auch der mnemotechnisch leichtere Zugang. Die Konstruktion der Begriffstafeln beruht im Wesentlichen auf der Vorstellung, dass Wortbedeutungen in ihre Teilbedeutungen zerlegt werden können (ĺ Bedeutung). Durch die hierarchische Gruppierung der Begriffe werden Wortfelder produziert, die das Resultat der Bemühungen um eine formal exakte Definition der Konzepte darstellen. Im Rahmen seiner taxonomischen Klassifizierung der Welt benennt WILKINS 40 übergeordnete Gattungen, deren jede in 9 Spezies unterteilt ist, welche ihrerseits in 9 Differenzen gegliedert sind. Von den 40 Genera ragen 6 Oberbegriffe heraus, zu denen 3 transzendentale Begriffe gehören. Die verbleibenden 36 Begriffe werden unter 5 Prädikamenten (im Sinne der aristotelischen Kategorienlehre) aufgeteilt: Diese Prädikamente sind Substance, Quantity, Quality, Action, Relation. Neben den Prädikamenten unterscheidet WILKINS distributive Individualkonzepte der Wirklichkeit. Dazu zählen z. B. Natur-, Pflanzenund Tierwelt, die Beschreibung pflanzlicher und tierischer Organismen sowie Konzepte, welche die Anatomie des Menschen repräsentieren. WILKINS’ Thesaurus zeigt eine Grobgliederung, die sich in drei Hauptrubriken unterteilen lässt, nämlich 1. philosophisch-ontologische Voraussetzungen der Welt, 2. die Welt der Natur sowie 3. die Welt des Menschen, die z. B. Disziplinen wie Medizin, Psychologie, Ethik, Rechtswesen, Nautik etc. umfasst. Allerdings erkennt WILKINS die Grenzen seiner Ordnung: So gibt er selbst zu, dass er bestimmte Elemente mit seiner Universalsprache nicht bezeichnen könne. Dazu gehören Amts- und Ehrentitel, Berufsbezeichnungen, Termini der Rechtskunde und heraldische Bezeichnungen. WILKINS’ Klassifizierung eignet sich zudem nicht für die Darstellung von Erscheinungen des Alltagslebens, die im Laufe der Jahrhunderte einem starken Wandel unterworfen sind wie etwa Kleider, Stoffe, Mu-
822 sikinstrumente, Werkzeuge etc. Gerade die Ausklammerung von Alltagsvokabular lässt jedoch berechtigte Zweifel an der Tauglichkeit von WILKINS’ Sprache für eine universelle Kommunikation unter Gelehrten und Nicht-Gelehrten aufkommen. Der universal character, den WILKINS im vierten Teil des Essay darstellt, bildet die Grundlage der Universalsprache, da WILKINS seine Universalschrift im Gegensatz zum Spracherwerbsprozess bei natürlichen Sprachen (ĺ Spracherwerb) als leichter erlernbar einstuft. WILKINS’ graphisches Zeichensystem ist geprägt von kabbalistischen und lullistischen Elementen, die mit Methoden der Kryptographie und Steganographie verbunden werden. So beruht seine Universalschrift auf Symbolen, die in etwa mit Hieroglyphen verglichen werden können (ĺ Schrift). Jede der 40 Hauptgattungen wird mit einem deutlich unterscheidbaren Zeichen dargestellt. Nach dem Analogieprinzip (ĺ Analogie) werden verwandte Gattungen mit ähnlichen Zeichen repräsentiert. Weitere Unterscheidungen von Unterkategorien werden mit Hilfe von Strichen und Haken vorgenommen, wobei daneben noch Zeichen wie Kreise, Halbkreise oder Schleifen zur zusätzlichen Differenzierung verwendet werden. Seine Universalsprache als gesprochene Sprache muss für WILKINS fünf Kriterien genügen: Kürze der Wörter, leichte Lernbarkeit (ĺ Spracherwerb), Eindeutigkeit und gute Unterscheidbarkeit der Lexeme, ĺ Wohlklang und methodisch sinnvoller Aufbau der Lexeme. Zur Kennzeichnung der verschiedenen Spezies verwendet WILKINS lateinische und griechische Vokale und Diphthonge. Für die Unterscheidungen der Differenzen (differences) werden 9 Konsonanten in fester Reihenfolge angesetzt. Auch die 40 Gattungen werden durch Kombinationen von Konsonanten und Vokalkombinationen bezeichnet. Die Genera unterscheiden sich voneinander durch einen Konsonant, dem ein Vokal folgt. Ein weiterer Konsonant markiert die jeweilige Differenz und ein zusätzlicher Vokal oder Diphthong bezieht sich auf eine Spezies. WILKINS’ Vorschlag zu einer Universalsprache kann ähnlich wie DALGARNOs Ansatz im Wesentlichen als eine Erweiterung und Verbesserung von ARISTOTELES’ Taxonomien
III. Einheit und Vielfalt aufgefasst werden. Wenngleich WILKINS’ Universalsprache definitorische Exaktheit auszeichnet, ist sie wegen des komplizierten Kombinationssystems der Symbole und aufgrund der zahlreichen hierarchischen Ebenen im Alltagsgebrauch nicht praktikabel. Problematisch ist auch WILKINS’ Anspruch, mit dem Lexikon seiner Universalsprache die Welt in ihrer Totalität abbilden zu wollen, zumal gerade im Hinblick auf alltägliche Dinge von ihm selbst Einschränkungen genannt werden. Trotz der offensichtlichen Nachteile, die eine Universalität dieses Idioms vereiteln, ist der Essay auch für weitere Entwürfe einer Universalsprache von Bedeutung gewesen. Für die britische Diskussion der Universalsprache im 17. Jahrhundert lässt sich festhalten, dass sie insbesondere durch BACONs Nominalismus und seine Forderung nach einem real character geprägt war. Daneben lässt sich eine logosmystische Orientierung aufzeigen, die vor allem für die Auffassungen der Universalsprache von COMENIUS und WEBSTER prägend war. Als greifbare Resultate der Überlegungen zur Universalsprache ragen insbesondere die auf Begriffshierarchien beruhenden Thesauren von DALGARNO und WILKINS heraus, die die Grundlage einer logischen Universalsprache bilden, welche als Abbild der Dinge funktioniert und zugleich ein hohes definitorisch-formales Niveau aufweist. Vor allem WILKINS’ Essay hat weiteren Einfluss auf die Entwicklung von Universalsprachenkonzepten genommen und auch die Zustimmung von LEIBNIZ erhalten, der allerdings WILKINS’ Universalsprache als nicht philosophisch genug klassifizierte. 4.3.3. Deutsche Universalsprachenprojekte des 17. und 18. Jahrhunderts 4.3.3.1. Die Herborner Enzyklopädisten Im Gegensatz zur Situation in England steht die Erfindung einer Universalsprache keineswegs im Zentrum sprachtheoretischer Bemühungen der Gelehrten im Deutschland des 17. Jahrhunderts, sieht man einmal von LEIBNIZ ab. Zwar finden sich Vorschläge zur Sprachplanung in einer Vielzahl grammatikographischer Schriften, die sich jedoch vor allem auf Verbesserungen in einzelnen Bereichen wie etwa der ĺ Orthographie, Aussprache (ĺ Artikulation) und ĺ Grammatik sowie auf die
Universalsprache ĺ Normierung der Sprache beziehen, aber eine eigenständige Diskussion des Problems der Universalsprache oder die Entwicklung von Universalsprachsentwürfen stellt, abgesehen von den Überlegungen eines LEIBNIZ, eher die Ausnahme dar. Überlegungen zu einer Universalsprache sind in Deutschland im 17. Jahrhundert vor allem mit der von ROSENKREUZ begründeten Geheimgesellschaft der Rosenkreuzer und der von ihnen vertretenen Konzeption des Pansophismus verbunden. Das Hauptziel des Pansophismus besteht in der Errichtung eines perfekten Systems, das die Gesamtheit unseres Weltwissens repräsentiert. Die mystizistischen und utopischen Elemente dieses Denkens gipfeln in der Auffassung einer Reform des Universums auf der Basis der Pansophia, durch die die Überwindung des Fluches von Babel (ĺ Sprachverwirrung) und die Wiederherstellung der Einheit unter den Menschen ermöglicht werden soll. An der Akademie von Herborn wurden die mystizistischen und utopischen Ideale des Pansophismus insbesondere von den Enzyklopädisten RATKE, BIESTERFELD und ALSTED vertreten, welche entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung der pansophischen Konzeption der Universalsprache des COMENIUS nahmen. Ebenso wie COMENIUS strebte auch KINNER nach einer Bildungsreform, die auf einer gründlichen Analyse unseres enzyklopädischen Wissens beruhen sollte. KINNER stellte Überlegungen zur Universalsprache an, ohne jedoch konkrete Vorschläge für ihre Realisierung anzubieten. Offenbar zielte er auf die Erfindung einer botanischen Nomenklatur ab. Dabei sollten die Bezeichnungen der Pflanzen zugleich Angaben über ihre Beschaffenheit enthalten und essentielle von akzidentellen Eigenschaften unterscheiden. Als Universalschrift schlug KINNER die Verwendung einer Symbolschrift anstelle von Buchstaben vor, wobei den Symbolen emblematischer Charakter zukommen sollte (ĺ Schrift). 4.3.3.2. Johann Joachim BECHER Mit seinem Character, pro Notitia Linguarum Universali, inventum steganographicum hactenus inauditum von 1661 knüpft der Polyhistor und Mediziner BECHER an die Tradition des real character an. Dieser Vorschlag
823 zu einer Universalschrift ist geprägt vom kryptologischen Interesse eines Gelehrten, der bereits durch eine Vielzahl von Erfindungen und Experimenten in Physik, Chemie und Alchemie hervorgetreten war. BECHERs Character beruht auf einem gut verständlichen lateinischen Wörterbuch, das 10.283 Einträge und eine vereinfachte Art von Grammatik enthält. BECHER nimmt eine Unterscheidung in Wurzelwörter und Affixe vor, wobei jedem Wurzelwort eine arabische Ziffer zugeordnet wird. Weitere Hilfsnummern werden hinzu notiert, um Flexionen und Derivationen anzuzeigen. BECHER geht von der Unterstellung aus, dass eine 1:1-Relation zwischen Synonymen verschiedener Sprachen bestehe, da er dieselbe arabische Ziffer synonymen Wörtern in verschiedenen Sprachen zuordnet (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). Als Grundprinzip seiner Universalsprache nimmt er somit eine nahezu automatische Übersetzbarkeit (ĺ Übersetzung) von einer Sprache in die andere sowie vergleichbare Erscheinungen der Flexion in verschiedenen Sprachen an. BECHER sieht auch eine Übertragung der arabischen Ziffern in graphische Symbole wie etwa Geraden und Kurven vor mit der Begründung, dass derartige Symbole im Vergleich zu den arabischen Ziffern weiter verbreitet seien. BECHERs Universalsprache basiert mit ihrer Verknüpfung von Universal- und Geheimschrift auf der Vorstellung, dass eine numerische Nachricht leicht in einen kryptographischen Code umgewandelt werden kann, da Sender und Empfänger nur dazu übereinkommen müssen, eine bestimmte Ziffer zu jeder Zahl im Code zu addieren. Die Tatsache, dass ein universell zu verwendender Zahlencode zugleich zu kryptographischen Zwecken benutzt werden kann, zeigt, dass die Konzeptionen der Universalsprache als Medium der universellen Verbreitung von Gedanken einerseits und der Reservierung der Information für den Eingeweihten andererseits durchaus miteinander kompatibel sein können, obwohl sie sich auf Anhieb zu widersprechen scheinen. 4.3.3.3. Athanasius KIRCHER Der Jesuit und Polyhistor des Barockzeitalters KIRCHER veröffentlichte 1663 mit seiner Polygraphia nova et universalis einen Uni-
824 versalsprachenentwurf, der mit dem BECHERs eng verwandt ist. KIRCHERs Bemühungen um eine Universalsprache waren geprägt von dem Bedürfnis, das universelle Weltwissen systematisch und methodisch zu erschließen und mit Hilfe der Vorstellung von einer prästabilierten Harmonie und Regelhaftigkeit, die sich in numerischen Verhältnissen ausdrückt, darzustellen. Das Prinzip der Universalität besitzt nach KIRCHERs Meinung für alle Wissenschaften Gültigkeit und ist durch kombinatorische Verfahren zugänglich. Für die Konzeption der Universalsprache des Jesuiten KIRCHER, der als Universalgelehrter Professor für Moralphilosophie, Mathematik und biblische Sprachen war, war das Element der Kombinatorik ausschlaggebend, wobei er sich zunächst besonders am Lullismus orientierte. Mit der Polygraphia nova et universalis knüpft KIRCHER schon im Titel an das Modell von TRITHEMIUS’ Polygraphia von 1518 an, die als eines der bedeutendsten Zeugnisse der kryptographischen Tradition angesehen werden kann. KIRCHERs Universalsprache ähnelt der Konzeption BECHERs, da auch hier universalsprachliche und kryptographische Zielsetzung miteinander verbunden und durch einen numerischen Code dargestellt werden. KIRCHERs Interesse an Symbolen ist eine Konstante seines wissenschaftlichen Arbeitens. So hatte sich KIRCHER bereits zuvor in seinem Prodromus Coptus von 1636 mit den ägyptischen Hieroglyphen beschäftigt und sie nicht als eigentliches Schriftsystem (ĺ Schrift), sondern als ein Symbolsystem zum Ausdruck der theosophischen Lehren der Ägypter beschrieben. Allerdings bleibt die Dechiffrierung dieses abstrakten hieroglyphischen Symbolsystems nach der Auffassung KIRCHERs dem Gelehrten vorbehalten, der allein die darin verborgenen Geheimnisse zu entschlüsseln vermag. In seinem Oedipus Aegyptiacus (1652–1654) erklärte KIRCHER, der mit Interesse die Berichte der nach China entsandten Missionare zur Kenntnis genommen hatte, die angebliche Verwandtschaft zwischen chinesischen Schriftzeichen und ägyptischen Hieroglyphen, wobei er die chinesische Bilderschrift als eine Abstraktion ägyptischer Hieroglyphen interpretierte. Ägyptische Hieroglyphen begreift
III. Einheit und Vielfalt KIRCHER als Bildsymbole, die von den Chinesen so abgewandelt worden seien, dass ihr bildhafter Charakter verloren gegangen sei (ĺ Schrift). Wichtige Anregungen für sein Universalsprachenprojekt entnahm KIRCHER auch den rational-mathematischen formalen Prinzipien von LULLUS’ Ars magna, die die Grundlage seiner “Reduzierung aller Sprachen auf eine einzige” aus dem Jahre 1659 bildete. In dieser Schrift, die eine Vorform der späteren Polygraphia nova et universalis darstellt, hatte KIRCHER das Grundprinzip entwickelt, das Lateinische zu reduzieren, das ihm als Grundsprache diente zu einem Bezugssystem, das auf alle Sprachen übertragbar sein sollte. Im Wesentlichen handelt es sich bei KIRCHERs in der Polygraphia nova et universalis dargestellten Universalsprache um eine vereinfachte Variante des Lateinischen, dem dann ein Wörterbuch beigegeben wird, das ähnlich wie BECHER die Probleme der ĺ Übersetzung in die Fremdsprache übergeht und das die Sprachen Latein, Italienisch, Französisch, Spanisch und Deutsch enthält. Wenn man also KIRCHERs vereinfachtes Latein anwenden wollte, musste man zunächst mit dem beigegebenen Wörterbuch, dem Dictionarivm pro literis componendis, welches alphabetisch gegliedert war, arbeiten. Dabei verfügte jedes Wort über eine Letter oder ein Gruppensymbol und eine Ziffer, die der jeweiligen Gruppe als Ganzes zugeordnet wurde. Zudem verwandte KIRCHER zusätzliche kryptographische Zeichen, die z. B. den Numerus oder das Tempus präzisierten. Für die Erstellung seines vereinfachten Lateins nimmt KIRCHER im lexikalischen Bereich eine Untergliederung des Wortschatzes in 54 Gruppen vor, die über weite Strecken an die Einteilung in LULLUS’ Ars magna erinnert. Diese Gruppen sind in Allgemeinbegriffe (genera) unterteilt, wobei den ersten 23 Gruppen zusätzlich Buchstaben oder Symbole voranstehen. Im Sinne des ARISTOTELES werden auch dreißig Begriffe als differentia aufgeführt. Allerdings handelt es sich bei KIRCHERs System nicht wie bei DALGARNO oder WILKINS um systematische Taxonomien, sondern um rein mechanisch aufgestellte Wortlisten, die nicht nach philosophischen Prinzipien sortiert werden. Aus diesem Grun-
Universalsprache de muss KIRCHERs Wortlisten auch semantische Kohärenz abgesprochen werden. Im Grunde handelt es sich bei KIRCHERs vereinfachtem Latein um eine Transformation in einen Code aus Zahlen, Buchstaben und speziellen Symbolen, die in der kryptographischen Tradition geläufig sind. 4.3.3.4. Gottfried Wilhelm LEIBNIZ Den wichtigsten Beitrag zur Entwicklung einer Universalsprache in Deutschland leistete zweifelsohne LEIBNIZ, der zudem als Einziger unter den Gelehrten des 17. Jahrhunderts, die sich mit der Universalsprache befasst haben, die Grundlagen der modernen symbolischen Logik antizipierte. LEIBNIZ’ vielfältige Ansätze zur Universalsprache waren allerdings auch beeinflusst von den Arbeiten von LULLUS, KIRCHER, DALGARNO und WILKINS und den theoretischen Forderungen, die DESCARTES an eine Universalsprache erhoben hatte. Den Universalsprachenprojekten von DALGARNO und WILKINS, die er als nicht philosophisch genug erachtet, möchte LEIBNIZ eine Sprache gegenüberstellen, die zugleich ein Instrument der Vernunft ist. In diesem Sinne müssen die Wörter der Universalsprache nicht nur Definitionen von Konzepten sein, sondern zugleich die Relationen zwischen diesen Begriffen und die Wahrheiten, die sie beinhalten, verdeutlichen. Daher sollen die Begriffe ultimativ durch algebraische Transformationen abgeleitet werden, so dass logische Überlegungen durch Berechnungen ersetzt werden. LEIBNIZ’ characteristica universalis ist daher eine logische Algebra, die für alle Konzepte verwendet werden kann. Seine Konzeption einer Universalsprache folgt streng logischen Prämissen und kann als ein vereinfachtes Symbolsystem für den exakten Ausdruck aller denkbaren Erkenntnisse beschrieben werden. LEIBNIZ entwirft auch die Konzeption einer Wissenschaft von der Universalsprache (ars characteristica). Die Universalsprache bezeichnet er als characteristica universalis oder characteristica generalis. Sein Interesse an Universalsprachen schlägt sich in einer Vielzahl von Fragmenten nieder. Es handelt sich um eine Konstante seines Schaffens, die einem Entwicklungsprozess unterworfen ist, der mit einer Symbolschrift im Stile des Lul-
825 lismus beginnt und schließlich in eine algebraische Repräsentation der Begriffe mündet. In den Briefen der Jugendzeit widmet er sich dem Thema wie etwa in dem Brief an den Baron VON BEUNEBURG, in dem LEIBNIZ Vorschläge zur Gestaltung der Zeichen einer Universalsprache vorlegt, die eng an die Konzeptionen von LULLUS, KIRCHER, DALGARNO und auch WILKINS erinnern. In Analogie zur Musik schlägt LEIBNIZ ein Symbolsystem aus geometrischen und anderen Zeichen vor, bei dem jedem Konzept ein bestimmtes Zeichen entspricht und komplexe Ideen durch Zusammensetzungen von Zeichen gebildet werden. Die Diskussion von Zeichensystemen ist eines der wichtigen Anliegen von LEIBNIZ im Zusammenhang seiner Überlegungen zur Universalsprache. Neben Zahlen und mathematischen Symbolen, Buchstaben, Hieroglyphen und chinesischen Zeichen betrachtet er auch die semiotischen Möglichkeiten astronomischer Figuren, chemischer Zeichen, Musiknoten und verschiedener Arten von Zeichen, die in der Tradition der Kryptographie geläufig waren. In seiner Dissertatio de arte combinatoria geht LEIBNIZ davon aus, dass alle komplexen Begriffe auf unveränderlichen Basisbegriffen beruhen, welche das alphabetum cogitationum humanarum bilden. Für die Darstellung eines Konzepts postuliert LEIBNIZ eine Analogie zwischen der Struktur des Konzepts und der Struktur des entsprechenden Zeichens (ĺ Zeichen und Idee). Allerdings sieht LEIBNIZ Zeichen sowohl als Repräsentanten der Konzepte als auch als Repräsentanten der Dinge selbst an. In diesem Sinne lassen sich die Zeichen der Universalsprache in LEIBNIZ’ frühen Konzeptionen mit Hieroglyphen vergleichen, da sie sich durch eine unmittelbare analogische Relation zum Konzept bzw. zum Referenten selbst auszeichnen. In seiner Dissertatio de arte combinatoria vertritt LEIBNIZ die Ansicht, dass man durch die Darstellung einfacher Konzepte anhand von Primzahlen komplexe Konzepte als Produkt dieser Primzahlen darstellen könne. So wäre etwa, wenn die Zahl 3 für ‘rational’ und die Zahl 2 für ‘animalisch’ steht, das Produkt 6 das Zeichen für ‘Mensch’. Das Beispiel verdeutlicht, dass LEIBNIZ eine logische Kalkülsprache zu entwickeln versucht, die verschiedene semanti-
826 sche Komponenten miteinander kombinieren kann. Von einer characteristica universalis erhofft sich LEIBNIZ vor allem eine stabilere Verbindung zwischen Zeichen und Konzept als dies natürliche Sprachen zu leisten vermögen (ĺ Zeichen und Idee, ĺ natürliche Sprache). Als ultimatives Ziel soll die characteristica universalis mit Hilfe ihrer Zeichen das gesamte Weltwissen repräsentieren und mit ihrer Zerlegung der Ideen in eine Art Enzyklopädie münden. Durch ihre definitorische Exaktheit und den Aufbau von Relationen wird die Universalsprache von LEIBNIZ zu einer mechanischen Methode logischer Schlussfolgerungen. Allerdings betont LEIBNIZ nicht nur die kognitiven Funktionen seiner characteristica universalis, sondern er verweist ebenso auf die kommunikative Funktion, die diese Sprache als internationale Hilfssprache wahrnehmen soll. LEIBNIZ’ Darstellung einer Lingua generalis basiert auf dem Bestreben, eine Universalsprache als Zahlenkalkül aufzubauen. Logische Verbindungen von Gedanken sollen mit Hilfe von Multiplikationen gebildet werden. Sein Versuch einer Lingua generalis beruht auf dem Ansatz, Zahlen seines logischen Kalküls in Wörter umzuwandeln, die aussprechbar sind. Dabei werden die ersten neun Ziffern durch die ersten neun Konsonanten repräsentiert. Die Vokale drücken Dezimaleinheiten aus und Diphthonge stehen für höhere Ordnungen. Anhand der Kunstwörter beodifamelu und mudobodilefa zeigt LEIBNIZ, dass die Reihenfolge der Silben in den Wörtern seiner Sprache beliebig ist. Aufgrund der verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der Silben sieht LEIBNIZ die mündliche Realisierung seiner Kalkülsprache als geeignet für Musik und Poesie an und regt auch eine Übertragung seiner Universalsprache in Musik in Analogie zu den Komponiertabellen von KIRCHERs Musurgia universalis an. Trotz seines kontinuierlichen Interesses an der Universalsprache hat LEIBNIZ keine abschließende Gesamtdarstellung vorgelegt wie etwa DALGARNO oder WILKINS. Der Beitrag LEIBNIZ’ zur Universalsprache besteht vor allem in seinem Postulat einer eindeutigen Relation zwischen Konzepten und deren Zeichen und einer exakten Analyse durch die
III. Einheit und Vielfalt Konstruktion der characteristica universalis (ĺ Zeichen und Idee). Dafür möchte seine characteristica ein rationales Kalkül liefern. Mit diesem Berechnungsschema sollen mögliche Kombinationen von Ideen und Begriffen ermittelt werden. Das Verfahren soll am Ende in eine ars inveniendae übergehen, die auch zur Auffindung neuer Gedanken und Wahrheiten führt. Wie bei einer Vielzahl von Universalsprachenprojekten ist allerdings auch bei LEIBNIZ ein Gegensatz zwischen theoretischem Anspruch und Praktikabilität zu sehen. Für den praktischen universellen Gebrauch muss LEIBNIZ’ Kalkülsprache als ungeeignet erachtet werden. Da LEIBNIZ sich des utopischen Charakters seines Universalsprachenprojektes bewusst war, postulierte er ähnlich wie KIRCHER die Notwendigkeit eines vereinfachten Lateins als universale Hilfssprache. 4.3.4. Französische Universalsprachenprojekte des 17. und 18. Jahrhunderts 4.3.4.1. Projekte im 17. Jahrhundert Das erste Projekt einer Universalsprache in Frankreich war DOUETs Proposition présentée au Roy, d’une escriture universelle, das 1627 in Paris veröffentlicht wurde. DOUET beschreibt seine Universalschrift als Imitation ägyptischer Hieroglyphen, chinesischer Schriftzeichen und Tironischer Noten (ĺ Schrift). Für DOUETs Universalschrift war einerseits das Vorbild der Kurzschrift wie im Falle der Tironischen Noten entscheidend und andererseits die Übernahme von Symbolen der Kryptographie. Als Grund für die Notwendigkeit einer Universalsprache führt DOUET die babylonische ĺ Sprachverwirrung und die Diversität der Einzelsprachen an, die sein Schriftsystem jedoch überwinden würde. Als ein weiteres wichtiges Universalsprachenprojekt in Frankreich ist LABBÉs Grammatica linguae universalis missionum et commerciorum zu erwähnen. Wie der Titel schon anzeigt, besteht das Anliegen des Jesuiten LABBÉ darin, mit der hier vorgestellten Universalsprache zur Verbreitung des christlichen Glaubens und zu einer einfacheren Abwicklung von Handelsbeziehungen beizutragen. LABBÉ selbst benennt KIRCHERs Polygraphia nova als das Werk, das ihm den An-
Universalsprache stoß zu seiner Grammatica gegeben habe. Im Gegensatz zu KIRCHER verfolgt er jedoch den Gedanken einer Universalsprache, die sich durch äußerste Einfachheit, Kürze und Leichtigkeit auszeichnet. Das Grundprinzip von LABBÉs Universalsprache basiert auf einer Reduktion des synthetischen Lateins zu einer stark vereinfachten analytischen Sprache. So verzichtet LABBÉ etwa auf Kasusendungen und Personenzeichen der Verben; zudem nimmt er starke morphologische Vereinfachungen am Tempus- und Modussystem des Lateinischen vor. Das Vokabular besteht nur aus Mono- oder Bisyllaba. Im Gegensatz zu den zeitgenössischen Systemen KIRCHERs oder BECHERs gibt es bei LABBÉ keinerlei kryptologische Erscheinungen, da für ihn der Aspekt der möglichst weiten Verbreitung seiner Sprache wesentlich ist, insbesondere zu Zwecken der Missionierung und der Kommunikation im Welthandel. Obwohl LABBÉs Universalsprache auch zur mündlichen Kommunikation geeignet war, konnte sie sich als ein dem humanistisch geprägten Gelehrten fremd anmutendes Idiom nicht durchsetzen. 4.3.4.2. Projekte im 18. Jahrhundert Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts lässt sich ein Niedergang der Universalsprachenprojekte konstatieren. Für diese Entwicklung gibt es eine Reihe von Gründen: das Hauptproblem ist sicherlich der hohe Abstraktionsgrad insbesondere der kombinatorischen Projekte im Stile eines BECHER oder KIRCHER. Da diese Projekte zudem die ständige Benutzung eines Wörterbuchs erforderten, waren sie für die praktische Kommunikation ungeeignet. Bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts setzte außerdem ein Rückgang des allgemeinen Interesses an Kryptologie ein, so dass eine Weiterführung kryptologisch–kombinatorischer Projekte nicht mehr dem Zeitgeist entsprochen hätte. Der Hauptgrund für den Rückgang der Beschäftigung mit der Universalsprache lag allerdings in der sich im 18. Jahrhundert manifestierenden Position des Französischen als neuer internationaler Gelehrtensprache, als Sprache europäischer Fürstenhöfe und Akademien und als Sprache der mondänen Welt. Französisch wurde außerdem 1714 beim Abschluss des Friedens von Rastatt als einzige Sprache der Vertragspartner
827 verwandt und löste so das Latein in seiner Funktion als Diplomatensprache ab. Das große Selbstbewusstsein, das sich mit diesem neuen Status des Französischen als Universalsprache verband, ist auch gegen Ende des 18. Jahrhunderts deutlich an RIVAROLs siegreicher Einsendung auf die Preisfrage der Berliner Akademie der Wissenschaften nach der Universalität des Französischen zu erkennen. Obwohl bereits das Stellen dieser Preisfrage anzeigt, dass der Rang des Französischen als Universalsprache gegen Ende des 18. Jahrhunderts im frankophilen Preußen hinterfragt wurde, bekundet RIVAROLs Antwort seine Überzeugung von der Superiorität des Französischen. Diese Superiorität wird mit dem Argument der als natürlich empfundenen Subjekt-Prädikat-Objekt-Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) begründet. Da das Französische sich jedoch de facto als Universalsprache der Gelehrten und der vornehmen Welt durchgesetzt hatte, verlor die Frage nach einer künstlichen Universalsprache an Interesse. So ist der Niedergang der Universalsprache in Europa unmittelbar mit dem Aufstieg des Französischen verknüpft. Einen Aufschwung erlebt die Universalsprache in Frankreich nochmals gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch die Überlegungen einiger Ideologen wie DESTUTT DE TRACY, GARAT oder SICARD, bei denen sich das Interesse an einer Universalsprache unmittelbar mit ihren Bemühungen um eine allgemeine ĺ Grammatik verband. Zuvor hatte schon BEAUZÉE die Notwendigkeit der Beachtung der Regeln der Universalgrammatik für die Erstellung einer Universalsprache postuliert. Obwohl gerade die neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts in Frankreich durch ein neu erstarktes Interesse an Universalsprachenmodellen auf der Grundlage einer Universalgrammatik gekennzeichnet sind, entstehen in dieser Zeit Projekte wie DELORMELs Projet d’une langue universelle présenté à la convention nationale (1795), die im Grunde eine Wiederaufnahme des taxonomischen Prinzips von WILKINS und DALGARNO darstellen. Den Wunsch nach einer idealen Universalsprache von mathematischer Präzision formuliert auch CONDORCET in seiner Esquisse d’un tableau historique des progrès de l’es-
828 prit humain (1795) und greift damit Gedankengut von LEIBNIZ auf. Die Originalität in CONDORCETs Überlegungen besteht in seinem Versuch, Denkoperationen mit Hilfe von Symbolen darzustellen. Allerdings erkennt CONDORCET, dass die Unschärfe unserer Konzepte eine exakte symbolische Repräsentation vereitelt (ĺ Zeichen und Idee). Der erfolgreichste Entwurf einer Universalsprache in Frankreich war zweifelsohne die Pasigraphie des MAIMIEUX (1797). Bei MAIMIEUX’ Pasigraphie handelt es sich um eine reine Universalschrift, die im Gegensatz zur großen Vielzahl der Universalsprachenprojekte jedoch auch praktische Anwendung fand und an Schulen in Frankreich und Deutschland gelehrt wurde. Die Pasigraphie beruht auf relativ einfachen Grundprinzipien: Es werden nur 12 Buchstaben verwendet, die allerdings auf verschiedene Weisen miteinander kombiniert werden können. Außerdem gibt es 12 obligatorische Regeln, die keinerlei Ausnahmen dulden. Drittens werden in Europa gängige Regeln der Betonung und Zeichensetzung beibehalten. Da die Anzahl der Buchstaben dieser Universalschrift begrenzt ist, ist ihre Kombination von besonderer Wichtigkeit. Dennoch sollen sie ausreichen, um alle Konzepte, derer der menschliche Verstand fähig ist, abzubilden. Die einzelnen Buchstaben werden dann in eine pasigraphische Ordnung (ordre pasigraphique) gebracht, unter der MAIMIEUX eine Klassifizierung entsprechend dem “gesunden Menschenverstand” (une classification de pur sens-commun) versteht, der sich durch Prinzipien wie ĺ Analogie und mnemotechnische Ökonomie auszeichne. Ein wichtiges Kriterium für die Reihenfolge der Wörter ist auch das Fortschreiten vom Allgemeinen zum Individuellen und vom Bekannten zum Ungewöhnlichen. Die Darstellung der Reihenfolge der Wörter erklärt MAIMIEUX mit einer Tafel, auf der Objekte, Ideen, Gefühle und grammatische Relationen dargestellt werden. In MAIMIEUX’ Schema nimmt die Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) eine Schlüsselfunktion ein, da die Position eines Wortes entscheidend ist für seine ĺ Bedeutung. Die Popularität von MAIMIEUX’ Pasigraphie ließ sie allerdings rasch zum Opfer politi-
III. Einheit und Vielfalt scher Instrumentalisierung werden, da Republikaner wie z. B. GARAT diese Universalschrift zur Propagierung republikanischer Ideale einsetzen wollten. Nicht alle Ideologen teilten GARATs Begeisterung für Universalsprachen und Pasigraphien. So hält etwa DESTUTT DE TRACY die Pasigraphie für eine Chimäre, die von keinerlei Nutzen sei und der man sich bei genauerer Betrachtung niemals hätte widmen dürfen. Nach DESTUTT DE TRACYs Auffassung tragen Universalsprachen keineswegs zur universellen Verbreitung von Wissen bei, sondern dienen eher der Verschleierung von Wissensinhalten, die durch den Gebrauch einer universell verwandten Sprache eine zu starke Konzentration erfahren. Ein weiterer Einwand besteht darin, dass eine Universalsprache als künstliches Produkt nur von Wissenschaftlern benutzt und damit den Bedürfnissen des Alltags nicht gerecht würde. Nach der Auffassung des Ideologen LANCELIN wäre eine analytische Kunstsprache außerdem nicht geeignet, die literarischpoetische Funktion von Sprache wahrzunehmen. Eine analytische Sprache müsse mit einer gewissen methodischen Strenge Objekte und Ideen analysieren, die der Produktion literarischer Kunstwerke abträglich sei. Für die Ideologen als Vertreter der Lehre von den Ideen, ihrer Erzeugung und Kombination war das Projekt einer Universalsprache aufgrund der engen Verknüpfung zwischen Sprache und Denken und wegen ihres Interesses am Problem der semiotischen Darstellung von Gedanken von besonderer Relevanz. Allerdings wurde in ihren Reihen das Konzept als solches durchaus kritisch diskutiert. Das 18. Jahrhundert als das Jahrhundert, in welchem das Französische zur europäischen Gelehrtensprache wird, steht für den Niedergang der Beschäftigung mit Universalsprachen, da ein Medium internationaler Kommunikation vorhanden ist, das dem Lateinischen den Rang abgelaufen hat.
IV. Die Wurzeln des im 17. Jahrhundert florierenden Konzepts der ‘Universalsprache’ liegen weit zurück u. a. in bestimmten Ausprägungsformen der Mythologie, des Mystizismus und der Gnosis, bevor die Universalsprache schließlich in der Blütezeit der Universalsprachenbewegung zum Anliegen von Philologen und Philosophen wurde, die sich
Universalsprache auf die Suche nach einer vollkommenen, eindeutigen, für alle Menschen leicht erlernbaren Sprache begaben. Entscheidende Impulse für die Entwicklung von Universalsprachenschemata des 17. Jahrhunderts gingen von der Kryptologie aus, die mit ihren Symbolen zwar auf eine Verschlüsselung geheimer Nachrichten abzielte, aber damit zugleich ein handhabbares Instrumentarium als Alternative zu den gängigen Schriftsystemen in Europa lieferte (ĺ Schrift). Bereits im Mittelalter dienten kryptologische Verfahren in Klöstern als ein gängiges Kommunikationsmedium. Dort wurden sogenannte Substitutionsverfahren angewandt, die bereits von CÄSAR und AUGUSTUS benutzt worden waren und auch heute noch als ‘Cäsar’Verfahren bekannt sind. Bei diesem Code wird ein Buchstabe des Alphabets durch den drittnächsten ersetzt. Eine Vielzahl mittelalterlicher kryptologischer Verfahren basiert auf Buchstabensubstitutionen, wobei einzelne Buchstaben auch durch Zahlen oder andere Symbole ersetzt werden können. Geeignete Symbole, die in der Kryptographie zur Substitution dienten, waren auch Runenalphabete und Tironische Noten, die in der kryptologischen Tradition noch bis zur Jahrtausendwende bekannt waren. Die frühesten Vorläufer eines Universalsprachenprojektes sind im Kontext des Mystizismus anzusiedeln und zwar in dem Entwurf der HILDEGARD VON BINGEN, die eine Kunstsprache (lingua ignota) mit einem taxonomischen System von 900 Wörtern entworfen hatte. Dieses System, das auch auf kryptologischen Prinzipien basierte, sollte die gesamte Weltordnung darstellen. Wichtige Impulse für die weitere Entwicklung der Geheimschrift (Kryptographie / Steganographie) gingen im Humanismus von dem Trittenheimer Abt TRITHEMIUS aus, dessen Polygraphia (1518) auch für spätere Gelehrte wie etwa KIRCHER richtungsweisend war. Aufgrund seines Interesses für Hexerei und Astrologie gerieten die Schriften des TRITHEMIUS zu seinen Lebzeiten jedoch in Verruf und brachten ihm die Unterstellung ein, er missbrauche Geheimschriften zur Verbreitung von Ketzerlehren. Neben der kryptologischen Tradition war vor allem die mittelalterliche ars combinatoria
829 insbesondere von LULLUS eine wichtige Quelle späterer Universalsprachenprojekte. Die kombinatorischen Schemata von BECHER, KIRCHER und LEIBNIZ knüpfen unmittelbar an diese Tradition an, aber auch die Schemata von DALGARNO und WILKINS zeugen von genauer Rezeption der ars combinatoria. LULLUS’ Ars magna mit ihren geometrischen Symbolfiguren und ihren Permutationsverfahren wurde später von LEIBNIZ in der Dissertatio de arte combinatoria diskutiert und von KIRCHER noch erweitert. Bei LULLUS’ Ars magna handelt es sich um eine Art logischer Maschine, in der Subjekte und Prädikate theologischer Propositionen in geometrischen Figuren dargestellt werden. Die bekannteste Figur ist eine aus drei konzentrischen Ringen bestehende Kreisscheibe. Der äußere Ring dieser Scheibe ist stabil, während die beiden inneren Scheiben veränderbar sind. Durch Permutationen dieser Scheiben, denen spezifische Symbole zugeordnet sind, ist es nach LULLUS’ Auffassung möglich, affirmative oder negative Propositionen zu generieren und damit Einsicht in letzte Wahrheiten und die Natur der Dinge zu gewinnen. LULLUS versteht seine Ars als eine universelle und allgemeine Wissenschaft, die mit ihrer logisch-enzyklopädischen Struktur die Ordnung der Dinge im Kosmos aufzuzeigen vermag. Zur Darstellung des Kosmos verwendet LULLUS auch seinen Wissensbaum (arbor scientiarum), der in der Folgezeit als Vorbild für taxonomische Klassifizierungsschemata diente. Primäres Ziel von LULLUS’ Kombinatorik war jedoch, ein System zu schaffen, das auf eine logisch überzeugende Weise der Missionierung der Ungläubigen dienen konnte, da die Anwendung der Permutationen der Ars sie über letzte Wahrheiten aufklären sollte. Das kombinatorische System LULLUS’ basierte jedoch seinerseits auf dem Mystizismus der Kabbala, der Vier-Temperamenten-Lehre des GALENUS und auf dessen Astrologie. Elemente der kabbalistischen Tradition wie die Konzeption des Hebräischen als heiliger Sprache, deren Buchstaben göttliche Wesenhaftigkeit in sich bergen, finden sich auch in der europäischen Mystik. Geläufig ist hier die Vorstellung einer natürlichen ĺ Ursprache, die als Basis für die Entwicklung von Kon-
830 zeptionen der Universalsprache diente. Diese natürliche Ursprache (ĺ Natürlichkeit) war der Ausgangspunkt einer Reihe von Natursprachenmodellen der Renaissance und der frühen Neuzeit, die wichtige Grundlagen für die Ausprägung des Konzepts der ‘Universalsprache’ im 17. Jahrhundert legten. Modelle der Natursprache lieferten etwa die Rosenkreuzer in den Manifesten der confessio fraternitatis oder die Sprachmystik eines BÖHME, der analog zur Signaturenlehre des PARACELSUS Sprache als Abbild der Natur und als Speicher von Weltwissen konzipierte. Mystische, okkulte und hermetische Auffassungen von Sprache prägten auch die Bemühungen VAN HELMONTs um ein Naturalphabet, das die Rekonstruktion der verlorenen Ursprache erlauben und damit das Wissen des Menschen über die Natur der Dinge erweitern sollte. Da Adams Weltwissen, das sich in der nominatio rerum artikuliert hatte, mit dem Sündenfall unwiederbringlich verloren gegangen war, sollte die natürliche Sprache des Menschengeschlechtes anhand sprachmystischer Bemühungen, die auch vor dem Hintergrund kabbalistischer Methoden zu betrachten sind, rekonstruiert werden. Für BÖHME war Sprache das Mittel zur Wiedergewinnung der Göttlichkeit des Menschen, da die exakte Benennung der Dinge der Welt seiner Meinung nach den Zugang zur natürlichen Sprache Gottes erlaubte. Diese mystische Tradition war insbesondere für die Universalsprachenkonzepte von COMENIUS und WEBSTER richtungsweisend. Universalsprachenprojekte des 17. und 18. Jahrhunderts knüpften im Wesentlichen an 3 verschiedene Traditionen an: an die Kryptologie, die Kombinatorik, welche auf kabbalistischen und lullistischen Prinzipien basierte sowie an die mystische Konzeption einer göttlichen Natursprache (ĺ Ursprache, ĺ Natürlichkeit), die es nach dem Fluch von Babel (ĺ Sprachverwirrung) wiederzufinden galt. Im 19. Jahrhundert ist eine Abkehr von den bis dahin dominanten Universalsprachen a priori zugunsten einer Hinwendung zu a-posteriori-Sprachen, die auf bekannten europäischen Idiomen basieren, zu konstatieren. Das Konzept einer philosophischen a-priori-Kunstsprache wird damit zugunsten einer Plansprache aufgegeben, die keineswegs die bestehen-
III. Einheit und Vielfalt den Sprachen ersetzen soll, sondern als Auxiliarsprache für den internationalen Verkehr hinzutritt. Allerdings zeigt die Anzahl von mindestens 900 existierenden Plansprachen, dass die praktische Durchsetzung von Kunstsprachen sich auch nach ihrer Blütezeit im 17. Jahrhundert als ernstzunehmendes Problem erwies. Zu den bekanntesten Kunstsprachen, die Ende des 19. Jahrhunderts in Zeiten rasch fortschreitender technischer Entwicklung erfunden wurden, gehören das 1880 von SCHLEIER erfundene Volapük sowie das 1887 von ZAMENHOF geprägte Esperanto, welches auch im 21. Jahrhundert noch eine beachtliche Verbreitung erfährt. Sowohl Volapük als auch Esperanto knüpfen eng an bekannte westeuropäische Sprachen an. Während Esperanto als eine polylinguistische Sprache seine Wurzeln aus verschiedenen romanischen Sprachen, Englisch, Deutsch, Griechisch und Russisch schöpft, basieren monolinguistische Plansprachen wie PEANOs Latino Sine Flexione von 1903 auf einer einzigen Sprache. Die von dem Semiotiker OGDEN 1930 entworfene Plansprache Basic English ist eine vereinfachte Version einer natürlichen Sprache (ĺ natürliche Sprache). Das Postulat, bestehende natürliche Sprachen zu vereinfachen und als Universalsprachen zu verwenden, hatten zuvor bereits KIRCHER, LABBÉ oder LEIBNIZ erhoben. Im 20. Jahrhundert wurde außerdem eine Reihe von Pasigraphien und Bildersprachen entworfen, die im Gegensatz zu den arbiträren Zeichen (ĺ Arbitrarität) älterer Pasigraphien (wie etwa der MAIMIEUX’) in der Regel auf ikonischen und indexikalisch motivierten Zeichen beruhen. Bildersprachen haben sich allerdings nicht als Universalsprachen, sondern als didaktisch geeignete Medien für die Gehörlosenpädagogik erwiesen (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Das Konzept der ‘Universalsprache’ ist auch im 20. und 21. Jahrhundert ein beliebter Gegenstand der Sprachforschung und Sprachplanung. Wie in den vorigen Jahrhunderten steht jedoch auch hier die große Anzahl der vorgeschlagenen Sprachen im Widerspruch zu ihrer praktischen Realisierung.
Universalsprache
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Universalsprache
835
Anhang
Abb. 1: GODWINs Musiksprache der Lunarier (zit. nach GODWIN [1638] 1972: 95)
Abb. 2: LODWICKs Universal character in A common writing am Beispiel der Zeichen für das Adverb und die Personalpronomina. (zit. nach The Works of Francis Lodwick. A study of his writings in the intellectual context of the seventeenth century. Hrsg. von Vivian SALMON. London 1972: Longman: [191–192]).
836
III. Einheit und Vielfalt
Abb. 3: WILKINS’ real character am Beispiel seiner Notation des Vaterunsers. (zit. nach WILKINS [1668] 1968: An Essay towards a Real Character and a Philosophical Language. Menston, England: The Scolar Press Limited: 395).
Sprachvergleich und Sprachtypus
837
Sprachvergleich und Sprachtypus I. Der Begriff ‘Sprachvergleich’ bezieht sich auf metasprachliches Handeln und wurde im 17. und 18. Jahrhundert nicht systematisch benannt, obwohl hin und wieder Bezeichnungen wie frz. comparaison oder dt. philosophischkritische Vergleichung auftraten. Auch der Begriff des ‘Sprachtypus’ ist nicht lexikalisiert, im 18. Jahrhundert finden sich jedoch zunehmend Bezeichnungen dafür: dt. Eine Sprache muß jederzeit den Grund in sich enthalten; unbedingte Form der Sprache; frz. le génie des langues analogues & transpositives; span. el artificio gramatical, artificio de la lengua. II.
1. Sprachvergleich (DURET [1613] 1972: 162): […] nostre langue Françoise, est fort propre & commode, aussi bien que l’Hebraique & Grecque a ces Anagrammes, ainsi qu’on pourra veoir par plusieurs noms & surnoms tournez & renuerses […] (SEMMEDO [1642] 1996: 63): Après l’union des Provinces, il s’est formé une langue commune, qu’ils [les Chinois] nomment la Langue des Mandarins, parce que les Mandarins, à mesure qu’ils établissaient leur gouvernement dans un royaume, étaient soigneux en même temps d’introduire cette langue, qui a cours à présent partout, comme le latin en Europe, mais plus universellement, chaque province ne laissant pas, outre cela, d’avoir sa langue particulière. […] Comme ils [les mots chinois] sont aussi tous monosyllabes et indéclinables, autant les verbes que les noms, et si propres à leur usage, on se sert bien souvent d’un nom au lieu d’un verbe, ou d’un adverbe. C’est à la vérité ce qui la [la langue chinoise] rend plus aisée que la langue latine, dont les seuls rudiments de la grammaire emportent les meilleures années d’un enfant, mais aussi c’est cela même qui la rend sujette à beaucoup d’équivoques parce qu’elle est trop concise. (LAMY [1675/1701] 1998: 149–150): La Grèce eut des esprits excellents qui voyageaient en Egypte, en Phénicie, de tous côtés, pour profiter de la doctrine et des expériences
de tous les peuples. En toutes choses ils étudiaient la raison; ils écoutaient ce qu’elle prescrit. Il ne faut donc pas s’étonner s’ils réussirent. Ils se formèrent un goût admirable pour l’éloquence, pour les arts. Aussi tout ce qu’on a pu faire dans la suite des temps, c’est de les imiter. Nous n’avons ni peintre, ni sculpteur qui les ait surpassés. Les architectes n’ont réussi qu’autant qu’ils ont suivi les belles proportions que la Grèce avait trouvées. On voit dans la conduite des poètes épiques et dramatiques combien les Grecs sont raisonnables. Toute la Grèce avait un amour, une estime infinie et une déférence entière pour ceux qui réussissaient. Une langue qui a donc été formée avec une pleine liberté par des maîtres si raisonnables, comment n’aurait-elle pas été la plus parfaite? Toutes les autres langues ne se sont perfectionnées dans la suite que lorsque les écrivains ont pris les Grecs pour modèles de l’art de bien écrire. On peut dire que la langue grecque était déjà dans sa perfection du temps d’Homère, trois mille ans après la création du monde, lorsque Salomon régnait en Judée. Rome fut bâtie environ deux cents cinquante ans après ce temps-là. Alors, la langue latine était fort grossière. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 5–6): A la vérité si les Anges parloient une langue sensible & intelligible aux hommes, comme les paroles de saint Paul semblent le marquer; cette langue pourroit estre le modele de la perfection de toutes les nostres: & celle des hommes qui en approcheroit le plus, mériteroit sans doute le premier rang entre toutes les autres langues. Mais ce modele nous manque; & si à son défaut on veut qu’une langue soit arrivée à la souveraine perfection dont les langues sont capables, quand elle est devenuë propre à traiter toutes sortes de matieres dans les stiles de tout genre, avec toutes les beautez & toutes les richesses de l’éloquence la plus exquise; je diray qu’il n’y en aura point qui ne soient susceptibles de cette souveraine perfection autant qu’aucune autre, autant que la Grecque & que la Latine; pourvû qu’elles soient autant cultivées, & par des hommes aussi sçavans & aussi spirituels que l’ont été les Grecs & les Romains: & que par conséquent
838 les langues considerées en elles-mêmes & selon leur nature, sont parfaitement égales. Il est si certain que les langues en elles-mêmes ne peuvent rien avoir qui les fasse préferer les unes aux autres; que la pluspart des raisonnemens des différens partis, regardent moins les langues, que les hommes qui les parlent. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 6): C’est pourquoy, afin de terminer ces disputes les plus frivoles, qui puissent occuper des hommes, il faut reduire toutes les langues à l’égalité. C’est le dessein que je me propose: & pour l’executer avec quelque methode j’examineray les langues, prémierement selon ce qu’elles sont en elles-mêmes, selon leur origine, leur progrés, leur décadence, & leur entiere extinction. Je viendray ensuite à toutes les qualitez qui les rendent recommandables, comme la pureté & l’élegance des termes, & la noblesse des expressions, le nombre & la cadence des periodes. Et par cette discussion j’espere que l’on demeurera convaincu que c’est sans aucun fondement raisonnable que l’on élevé certaines langues si haut au dessus des autres. (FEIJOO [1726–1740a] 1923–1925: I, 46): […] juzgo, contra el comun dictámen, que todas las lenguas son iguales en cuanto á todas aquellas voces que específicamente significan determinados objetos. (FEIJOO [1726–1740a] 1923–1925: I, 46–47): A todos suena bien el idioma nativo, y mal el forastero, hasta que el largo uso le hace proprio. […] De modo que puede asegurarse que los idiomas no son ásperos ó apacibles, sino á proporcion que son ó familiares ó extraños. La desigualdad verdadera está en los que los hablan, segun su mayor ó menor genio y habilidad. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (Dänische), 1744: XXXIX, 420–421): Dieses ist die wahre Ursache, warum in dem heutigen Dänischen vielmehr Aehnlichkeit mit dem Deutschen und Friesischen anzutreffen sey, als vormahls; und es ist nicht wahrscheinlich, daß die Dänische Sprache nach einger Meynung von der Deutschen abstamme. Die heutige Dänische Sprache ist unstreitig eine Vermischung von der Gothischen, Frisischen und Deutschen, welche nach und nach zusammen gesetzt worden ist. Wo aber die Wurtzel der alten Dänischen Sprache zu suchen sey, da sind verschiedene Meynungen. Einige wollen
III. Einheit und Vielfalt sie von der Hebräischen herleiten; andere von der Griechischen, weil nicht nur sehr viel Worte sondern auch gantze Redens-Arten in diesen beyden Sprachen fast gleich lauten; und noch andere wolle die Lateinische zu ihrer Mutter machen. Allein diese Meynungen sind alle vielen Schwürigkeiten unterworffen. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, II, 23): Ce langage se conserve encore chez les chinois. Ils n’ont que 328 monosyllabes qu’ils varient sur cinq tons, ce qui équivaut à 1640 signes. On a remarqué que nos langues ne sont pas plus abondantes. D’autres peuples, nés sans doute avec une imagination plus féconde, aimèrent mieux inventer de nouveaux mots. La prosodie s’éloigna chez eux du chant peu à peu, et à mesure que les raisons qui l’en avoient fait approcher davantage cessèrent d’avoir lieu. Mais elle fut longtemps, avant de devenir aussi simple qu’elle l’est aujourd’hui. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, V, 78): […] je viens de dire, d’après tous ceux qui ont écrit sur cette matière, que les grecs avoient l’imagination plus vive que nous. Mais je ne sçais si la vraie raison de cette différence est connue; il me semble, au moins qu’on a tort de l’attribuer uniquement au climat. En supposant que celui de la Gréce se fût toujours conservé tel qu’il étoit, l’imagination de ses habitans devoit peu à peu s’affoiblir. On va voir que c’est un effet naturel des changemens qui arrivent au langage. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, VI, 95): […] la prosodie, dans chaque langue, ne s’éloigne pas également du chant: elle recherche plus ou moins les accens, et même les prodigue à l’excès, ou les évite tout-à-fait; parce que la variété des tempéramens ne permet pas aux peuples de divers climats de sentir de la même manière. C’est pourquoi les langues demandent, selon leur caractère, différens genres de déclamation et de musique. On dit, par exemple, que le ton dont les anglois expriment la colère n’est, en Italie, que celui de l’étonnement. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, VII, 100): […] à suivre mes conjectures, si les romains ont dû être plus sensibles à l’harmonie que nous, les grecs y ont dû être plus sensibles qu’eux, et les asiatiques encore plus que les grecs: car plus les langues sont anciennes, plus leur prosodie doit approcher du chant.
Sprachvergleich und Sprachtypus Aussi a-t-on lieu de conjecturer que le grec étoit plus harmonieux que le latin, puisqu’il lui prêta des accens. Quant aux asiatiques, ils recherchoient l’harmonie avec une affectation que les romains trouvoient excessive. (BOYER, zit. in ALGAROTTI [1750b] 1969: [Fußnote], 540): “La langue angloise, rivale de la grecque et de la latine est également fertile et énergique. Elle est de plus, ennemie de toute contrainte (de même que la nation qui la parle), elle se permet tout ce qui peut contribuer à la beauté et à la noblesse de l’expression; au-lieu que la françoise énervée et appauvrie par le rafinement toujours timide et toujours esclave des règles et des usages, ne se donne presque jamais la moindre liberté, et n’admet point d’heureuses téméritez. Ainsi plus un original anglois est parfait dans le grand et dans le sublime, plus il est rempli d’images vives et de métaphores hardies, et plus il perd en françois, où les figures un peu fortes et les saillies de l’imagination sont regardées comme des défauts, pour ne pas dire des extravagances.” (ALGAROTTI [1750b] 1969: 546): Se una tale sensatissima riforma potesse aver luogo o no in un linguaggio già fatto e a cui tanti libri hanno come posto il suggello, è assai malagevole cosa il decidere, quantunque l’autorità d’un uomo quale è il Fenelono, debba far credere che sì. Ma questo ben si può dire francamente, che ogni buon francese avria dovuto desiderare che avesse luogo. Un più bel campo si sarebbe aperto a’ loro scrittori, non più avrebbono dovuto stillarsi il cervello per la ristrettezza delle parole, e la loro lingua non avrebbe ceduto per la abbondanza e maneggevolezza alla italiana, non per la maestà alla spagnuola, né alla inglese per la energia. Più armoniosa e più varia, capace di atteggiarsi a seconda dei movimenti dell’animo, musicale e pittoresca, sarebbe meno sorda a rispondere all’ingegno de’ Francesi, e suonerebbe più grata all’orecchio de’ forestieri. (Encyclopédie, Artikel Article, DU MARSAIS, 1751: I, 723): Les Italiens ont un plus grand nombre de prépositions qui se contractent avec leurs articles. Mais les Anglois, qui ont comme nous des prépositions & des articles, ne font pas ces contractions; ainsi ils disent of the, de le, où nous disons du; the king, le roi; of the king, de le roi, & en François du roi; of
839 the queen, de la reine; to the king, à le roi, au roi; to the queen, à la reine. Cette remarque n’est pas de simple curiosité; il est important, pour rendre raison de la construction, de séparer la préposition de l’article, quand ils sont l’un & l’autre en composition, par exemple, si je veux rendre raison de cette façon de parler, du pain suffit: je commence par dire de le pain, alors la préposition de, qui est ici une préposition extractive, & qui comme toutes les autres prépositions doit être entre deux termes, cette préposition, dis-je, me fait connoître qu’il y a ici une ellipse. (HARRIS [1751/1786] 1993: 138): IT is remarkable that the very manner, in which the Latins derive these tenses from one another, shews a plain reference to the system here advanced. From the passing Present come the passing Past, and Future. Scribo, Scribebam, Scribam. From the perfect Present come the perfect Past, and Future. Scripsi, Scripseram, Scripsero. And so in all instances, even where the verbs are irregular, as from Fero come Ferebam and Feram; from Tuli come Tuleram and Tulero. (STENDER 1763: 2): Die Belgrodischen Tartarn in der Stepp, die am Limanischen Meerbusen, durch welchen sich der Dnieper ins schwarze Meer ergießt, zwischen dem Flusse Bug und dem Bach Beresan disseits Oczakow wohnen, sind von den andern Tartarn ganz unterschieden sowol in Sitten, als in der Sprache, in welcher sie der Lettischen sehr nahe kommen, dergestalt, daß die Lief- und Curländer zu der Einwohner höchsten Verwunderung, einigermaßen von ihnen verstanden worden. […] Mir scheinet die Lettische Sprache eine Schwester der Litthauischen zu seyn. Ich berufe mich nicht etwa blos auf die Aenlichkeit der Benennung, sondern hauptsächlich auf die Uebereinstimmung beyder Sprachen. Man halte nur das Verbum subst., die Pronomina, die Zahlen, die Praepositiones, nebst einem Theil der Adverbiorum, Verborum und auch der Substantivorum, am meisten aber die Construction in beyden Sprachen gegen einander, so wird man ihre Verwandschaft bald wahrnehmen. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 265): Si l’on envisage les langues comme des instrumens dont la connoissance peut conduire à d’autres lumieres; elles ont
840 chacune leur mérite, & la préférence des unes sur les autres ne peut se décider que par la nature des vues que l’on se propose ou des besoins où l’on est. (Encyclopédie, Artikel Onomatopée, BEAUZÉE, 1765: XI, 485): Les articulations ou les consonnes sont labiales, linguales ou gutturales: les linguales sont dentales, sifflantes, liquides ou mouillées, voyez Lettres; & le mouvement de la langue est plus sensible ou vers sa pointe, ou vers son milieu qui s’éleve, ou vers la racine dans la région de la gorge. Ce ne peut être que dans ce méchanisme & d’après la combinaison des effets qu’il peut produire, que l’on peut trouver l’explication de l’analogie que l’on remarque dans les langues entre plusieurs noms des choses que l’on peut classifier sous quelque aspect commun. (Encyclopédie, Artikel Phrase, BEAUZÉE, 1765: XII, 529): On emploie quelquefois le mot de phrase dans un sens plus général qu’on n’a vu jusqu’ici, pour désigner le génie particulier d’une langue dans l’expression des pensées. C’est dans ce sens que l’on dit que la phrase hébraïque a de l’énergie; la phrase grecque, de l’harmonie; la phrase latine, de la majesté; la phrase françoise, de la clarté & de la naïveté, &c. […]. (Encyclopédie, Artikel Prononciation, 1765: XIII, 457): En exceptant les seuls Anglois, tous les peuples de l’Europe attachent les mêmes sons aux quatre premieres voyelles A, E, I, O, la voyelle U souffre des différences. A l’égard des consonnes seules, elles ont à-peuprès les mêmes sons dans toutes les langues, mais lorsqu’elles sont combinées on leur attache une valeur très-différente. (Encyclopédie, Artikel Prononciation, 1765: XIII, 457): Les aspirations gutturales qui sont usitées dans quelques langues, sont entierement ignorées dans d’autres. Il est très-difficile de les peindre aux yeux, & l’on est obligé de tâcher d’exprimer le mouvement des organes pour en donner une idée à ceux dans la langue de qui ces sortes d’aspirations sont inconnues. La différence de la quantité fait un obstacle très-grand à la prononciation des langues; c’est de cette différence que résulte l’accent d’une langue ou sa quantité; on a tâché de distinguer cette prosodie par les signes qui marquent les longues & les breves dans les exemples qui seront rapportés dans cet ar-
III. Einheit und Vielfalt ticle. Enfin la langue françoise fait un usage très-fréquent de syllabes nazales, comme dans les mots en, on, intention, &c. sur quoi il faut bien remarquer que ces sons nazaux sont presqu’entierement bannis de presque toutes les autres langues qui font sonner les n, & qui prononceroient les mots susdits enn, onn, inntenntionn. (Encyclopédie, Artikel Prononciation, 1765: XIII, 457): […] presque toutes les nations de l’Europe prétendent que leur ortographe est la meilleure en ce qu’elles écrivent comme elles prononcent. Cette prétention est très-peu fondée; & si elle avoit lieu pour une langue, ce seroit pour l’espagnole plutôt que pour aucune autre. Parmi toutes les langues modernes il n’y en a point dont la prononciation s’écarte plus de celle de toutes les autres que la langue angloise, c’est aussi cette langue qui va nous fournir le plus grand nombre d’exemples d’irrégularités. (Encyclopédie, Artikel Prononciation, 1765: XIII, 458–459): Les langues suédoises & danoises sont dérivées de l’allemand, & ont une très-grande affinité avec lui; leur prononciation n’a, dit-on, rien qui les caractérise & qui les distingue sensiblement de celle des Allemands. La langue des Russes, des Polonois, des Bohémiens, des Croates, des Illyriens, des Dalmatiens, des Bosniens, des Serviens, des Bulgares & des Sclavons, est la même avec très-peu de différence, au point que tous ces peuples s’entendent; c’est le sclavon qu’ils parlent. Les Russes ont un plus grand nombre de caracteres que les autres nations; quelquesuns de ces caracteres ont la valeur des diphtongues, comme ia, ie, iou: d’autres marquent des consonnes combinées, & font l’effet de cz, tch, sch, ts ou tz […]. (Encyclopédie, Artikel Verbe, BEAUZÉE, 1765: XVII, 48): Dans les verbes de la langue françoise, les genres ne sont admis qu’au participe passif; la langue latine & la langue grecque les ont admis au participe actif; la langue hébraïque étend cette distinction aux secondes & troisiemes personnes des modes personnels. Si l’on excepte le chinois & la langue franque, où le verbe n’a qu’une seule forme immuable à tous égards, les autres langues se sont moins permis à l’egard des nombres & des personnes; & le verbe prend presque toujours des terminaisons relatives à ces
Sprachvergleich und Sprachtypus deux points de vûe, si ce n’est dans les modes dont l’essence même les exclut: l’infinitif, par exemple, exclut les nombres & les personnes, parce que le sujet y demeure essentiellement indéterminé; le participe admet les genres & les nombres, parce qu’il est adjectif, mais il rejette les personnes, parce qu’il ne constitue pas une proposition. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-668–1771: 22): […] on peut en meme tems sentir que comme une convention ne doit son existence qu’a un concours de volontés unies, elle doit être étrangere et inconnue à toutes celles qui n’ont pas concouru à la former. Voila donc la vraïe cause de la diversité des langages. (TIEDEMANN [1772] 1985: 33): Leute, deren Sprache nicht sonderlich ausgebauet ist, die Wilden in Amerika, die Hottentotten in Afrika haben beynahe keine allgemeine, keine abstrakte Vorstellungen; bloß sinnliche Begriffe, bloß Sachen, die die Einbildungskraft rühren können, sind es, die den Vorrath ihrer Kenntnisse ausmachen. (RIVAROL [1784] 1998: 69): Quoiqu’il en soit, l’événement a démontré que, la langue latine étant la vieille souche, c’était un de ses rejetons qui devait fleurir en Europe. On peut dire, en outre, que, si l’anglais a l’audace des langues à inversions, il en a l’obscurité, et que sa syntaxe est si bizarre que la règle y a quelque fois moins d’applications que d’exceptions. On lui trouve des formes serviles qui étonnent dans la langue d’un peuple libre, et la rendent moins propre à la conversation que la langue française, dont la marche est si leste et si dégagée. Ceci vient de ce que les Anglais ont passé du plus extrême esclavage à la plus haute liberté politique, et que nous sommes arrivés d’une liberté presque démocratique à une monarchie presque absolue. Les deux nations ont gardé les livrées de leur ancien état, et c’est ainsi que les langues sont les vraies médailles de l’histoire. Enfin la prononciation de cette langue n’a ni la plénitude ni la fermeté de la nôtre. ([EICHHORN] 1792: 1–2): Nach der von Einer Königl. Preuss. Akademie auf das Jahr 1791 aufgegebenen Preis Frage soll man 1) die vorzüglichen todten u lebenden Sprachen in Ansehung ihres Reichthums, ihrer Regelmäßigkeit, Stärke, Harmonie und ihrer anderen Vorzüge, deren sie fähig seyn könten, mit einan-
841 der vergleichen […]. Vergleichung der vorzüglichen Sprachen […]. ([EICHHORN] 1792: 3): […] daß dieselbe [die hebräische Sprache] mit anderen morgenländischen Sprachen in naher Verwandtschaft stehet. (HERVÁS Y PANDURO 1795: I, 140): […] todos los idiomas del mundo se hablan no por efecto ó inspiración de la naturaleza, sino por instrucción, en la que comprehendo la milagrosa confusion de los idiomas en Babel. (JENISCH 1796: III): Das Ideal einer vollkommenen Sprache zu entwerfen: die berühmtesten ältern und neuern Sprachen Europens diesem Ideal gemäß zu prüfen; und zu zeigen, welche dieser Sprachen sich demselben am meisten nähern? (JENISCH 1796: VI): Eben so wenig aber glaube ich das Hypothetische mancher Behauptungen in dieser Abhandlung, z. B. über den Gebrauch des Griechischen Artikels, über Entstehung des Artikels überhaupt, und in den Lateinischen Tochtersprachen insbesondere, entschuldigen zu müssen. Mögen gelehrtere und scharfsinnigere Männer da durchdringen, wo ich anbrach. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 46): […] el descubrimiento de nuevas naciones ha hecho conocer, que algunas de sus lenguas son sumamente preferibles á todas las que antiguamente conocian los europeos en el número de sus palabras monosílabas, y en la simplicidad de su artificio gramatical. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 26–28): Les diverses qualités propres à caractériser les langues, en ce qu’elles en constituent les traits distinctifs, les beautés ou les défauts, proviennent de la nature des éléments dont elles se composent, et des moyens qu’elles emploient pour en tirer avantage, et parvenir aux buts qu’elles ont à remplir. Ces buts se réduisent à trois points principaux, flatter l’oreille, toucher le cœur, et éclairer l’esprit. Les moyens que les langues emploient, consistent dans les regles de leur syntaxe; regles fixes ou incertaines, consonantes ou disparates, complettes ou insuffisantes, et heureuses ou maladroites: leurs éléments sont le syllabaire qu’elles s’approprient, la combinaison qu’elles aiment à faire des sons que nous pouvons produire, et les mots qu’el-
842 les adoptent, ainsi que la manière de les composer, de les dériver les uns des autres, de les réunir par familles, et d’y annexer un plus grand ou plus petit nombre d’idées accessoires. C’est pour et par toutes ces causes, prises isolément ou combinées ensemble, que les langues sont douces ou dures, sonores ou sourdes, molles ou rudes, suaves ou âpres, monotones ou variées, mélodieuses ou pénibles à entendre, nombreuses ou sans prosodie, harmonieuses ou discordantes: c’est de-là qu’elles parviennent avec plus ou moins de facilité, à rendre la chaleur du sentiment, la violence des passions fortes, toutes les délicatesses des passions douces, les convenances les plus fines; ou bien qu’elles restent habituellement foibles, timides, froides ou sèches, sans élans et sans ame: c’est de-là encore qu’elles se prêtent plus ou moins naturellement à l’ordre, à cette clarté ou perspicacité, que Quintilien dit être la première qualité d’une langue, à la correction, à la propriété des termes, à la noblesse et à l’élévation, à la force et à l’énergie, à toutes les nuances de la gaité, à la véhémence des mouvements oratoires, et à l’élégance qui, selon Voltaire, vient des choix que l’on fait, suppose l’exactitude et la pureté du langage, réunit la justesse et l’agrément, et consiste surtout dans une liberté noble, dans un air facile et naturel, et dans la réunion des graces: c’est de-là enfin que les langues tirent leur dégré de richesse et d’abondance, de naïveté, de vivacité, de concision, de variété et de dignité; ou qu’elles sont pauvres, stériles, guindées, lentes, monotones et sans valeur. (DENINA 1804: III, 154–156): C’est encore en considérant les adverbes que l’on peut connoître la véritable origine des langues. Nous avons vu, comment l’Italien et le François ont remplacé l’enim et le nam: forse de forsitan et fortasse. Voici d’où l’Espagnol et le Portugais ont tiré celui qui remplace forsitan ou fortasse; de deux mots latins quis scit, ou sapit; l’un fait quiza, l’autre d’ad casum, a fait acaso, tous deux moins forcés que le peutêtre, potest esse. Statim, illico, cito sont remplacés par luego et logo, venus du Latin e loco, qui a le même sens à-peu-près. Le Portugais a même retenu cito, dont il a fait cedo. Vespere est en Italien sera, en François soir, venus de serus et sero; l’Espagnol et le Portugais dit tarde, qui a un sens analogue, mais
III. Einheit und Vielfalt un peu éloigné du latin. Ce mot est aussi resté dans l’Italien et le François, à-peu-près dans le même sens, mais plus général; car tardi et tard ne se dit pas seulement de la fin du jour, mais dans le sens latin de sero. L’adverbe conjonctif autem, n’a guère pu être remplacé dans l’italien, que par poi, ou par mais, comme le traduisent le François et l’Espagnol. Le Portugais le remplaça par porem, qui vient de porro, latin, synonyme en quelque sens d’autem. (DENINA 1804: III, 204–207): La plus grande partie des synonymes que l’abbé Girard et Beauzée ont rapportés dans leur excellent ouvrage sur ce sujet, et sous ce titre, sont des mots latins communs à la langue italienne et à l’espagnole; une autre partie consiste en des mots, que ces trois langues ont pris également de l’Allemande. Il n’y en a que peu dont l’origine soit absolument ignorée, ou incertaine; et il n’y en a pas un seul qui soit exclusivement françois. Or rien ne seroit plus raisonnable, ni plus facile aux Italiens que de prendre et employer ces mots dans le même sens qu’ils ont dans le Latin, et dans lequel le François le plus pur et le plus correct les employe […]. […] le François dit se nomme, s’apelle; et de nous servir de domandare, et domanda, comme de questione, et interrogazione, dans le même sens précis que ces noms ont en François? Cela ne me concerne, ne me touche, ne me regarde pas, disent bien à-peuprès la même chose; que le verbe italien, et certainement on pouvoit avec la même réflexion s’en servir, avec la différence peu marquante qu’ils ont en françois, sans abandonner l’usage qu’on peut faire ailleurs du verbe toccare, qui en Italien est encore un synonyme de spettare, appartenere; et il est, en certains cas, plus propre et plus précis que le verbe substantif être lors que l’on dit c’est à vous, c’est à moi, au lieu de tocca a voi, tocca a me. Déclarer, découvrir, manifester, révéler, décéler, sont tous exactement les même mots que dichiarare, scoprire, ou discoprire, manifestare, rivelare; et c’est l’affaire de celui qui s’en sert d’employer l’un plutôt que l’autre pour marquer la nuance qui les distingue, quoique en gros ils désignent la même action. Le verbe décéler n’a pas de correspondant propre en Italien; comme le François n’a pas nascondere, qu’il rem-
Sprachvergleich und Sprachtypus place par cacher. Mais l’Italien peut encore opposer au verbe françois cacher, d’autres synonymes. Il a le verbe dissimulare, dans la même signification; et n’ayant pas le verbe déguiser, quoiqu’il ait le nom guisa pris de l’Allemand, il forma du Latin fingere le verbe infingere, qui fort souvent tient lieu de déguiser. L’article dans lequel la langue françoise abonde le plus en synonymes, est celui de crainte, parmi lesquels il y en a quatre qui ne sont pas matériellement dans l’Italien, tel qu’allarme, effroy, frayeur: mais on en a dérivé tout autant du latin, qui marquent le même dégré de ce sentiment, ni plus ni moins que les noms François, si on excepte frayeur, et effroy. Il a tema, temenza, timore, qui répondent à crainte; spavento, qui est le même qu’épouvante, comme paura est peur exactement. On peut donc, et on devroit[,] pour parler plus précisément, employer les mots dans le même sens qu’ils ont dans le François, et il en résulteroit pour l’une, la même clarté, la même précision que l’on trouve dans l’autre. L’abbé Girard nous donne aussi huit noms qu’on peut compter comme synonymes de raison, et qui se trouvent tous dans l’Italien, sauf à l’orateur, au poëte, à l’écrivain de quelque classe qu’il soit, de se servir de l’un ou de l’autre, suivant qu’il le juge à propos. Nous trouverons dans tel poëte italien le mot ragione, pour dire ce qu’un autre, ou lui même dans un autre lieu, auroit exprimé par le mot intelletto, ou intendimento; lorsque concetto, ou giudizio, auroit le même sens. Mais un auteur qui veut parler, et écrire avec précision, ne manquera pas de dire giudizio, et intendimento, dans le même cas qu’un écrivain françois diroit jugement et entendement; ainsi il dira buon senso, et intelligenza, où le François diroit bon sens, et intelligence. On n’aura pas à hésiter non plus lorsqu’on voudra dire en Italien que la conduite de tel ministre eut l’approbation du public, qu’il obtint le consentement, l’agrément du roi pour faire telle démarche, que le traité qu’il a conclu et signé, fut ratifié incessamment; que la ratification, fut suivie de l’adhésion d’autres puissances à l’alliance qu’on avoit faite. Tous ces termes, excepté adhésion se présentent aussi promptement en Italien, qu’en François, de même que
843 deux ou trois cents autres que nous voyons dans l’ouvrage que je viens de citer. Il y en a quelques uns auxquels les mots italiens ne répondent pas aussi exactement au premier regard, tels que biffer, effacer, raturer, rayer. Mais outre que cette classe de mots n’influe guère sur la clarté de l’élocution, ils trouvent encore facilement dans l’Italien des termes équivalents. Cancellare, quoique dérivé de toute autre source que biffer, et effacer, ne signifie-t-il pas la même chose? Raturer, tiré du Latin barbare rasculare, ou plutôt de l’Italien raschiatura, ne dit pas davantage que radere, et raschiare; ni effacer, plus que cancellare, et scansare, deux mots de fond latin, et de formation qu’on peut appeller barbare. Les Espagnols par rapport à la richesse de leur langue sont dans le même cas que les Italiens. (DENINA 1804: IV, 148–154): L’organe portugais n’a pas moins de facilité que l’espagnol, pour articuler de longs mots; puisque nous en trouvons de très longs substitués à des mots assez courts, italiens et françois, tels par exemple qu’espreitador, espion, estalajadeiro, hotellier. D’un autre côté les deux langues ont éprouvé la même difficulté à soutenir les syllabes brèves intermédiaires ou le même penchant à les supprimer; de triticum, froment[,] elles font également trigo; fiducia, est fucia. Mais dans le Portugais cette suppression est infiniment plus fréquente et plus forte; souvent accompagnée de quelqu’autre changement, comme dans treva, fait de tenebra. D’ailleurs le Portugais n’a point substitué le b, ni le d, à l’e, ou à l’i, qu’il supprimoit comme ont fait l’Espagnol et le François. De homo, hominis, dont l’Espagnol fit hombre, le Portugais fait homem. Il n’a abandonné de nomen, que l’n final en faisant nome, comme l’Italien, ou plutôt il supprima l’in intermédiaire, de l’ablatif nomine, et de là nombrar, pour nominare nommer, au lieu que l’Espagnol en a fait nombre: numera, Latin et Italien a été conservé en entier dans les deux idiomes et n’a pas été changé en nombre, comme dans le François; l’Espagnol ayant déjà fait nombre, de nomen, ne pouvoit changer numerus de la même façon. Quelques mots portugais où se trouve le b, remplaçant une voyelle brève du Latin ont été empruntés de l’Espagnol dans des tems postérieurs. Tel
844 est le verbe lembrar, dérivé de memorari latin, pris directement de l’Espagnol membrar. Au reste le changement d’m en l, fort rare dans toutes les langues l’est d’autant plus dans la portugaise, qui en mille mots a supprimé cette consonne l, et qui dans beaucoup d’autres le change en r, comme dans branco, blanc; brando, pris du Latin blandus; prata, argent, qui en Espagnol est plata, il le supprime quelque fois dans les mots latins, qu’il a retenus. Mais pour preuve du caprice, du hazard, tandis qu’on l’insère dans un autre qui ne l’avoit pas, de praelium, au plurier praelia, l’Espagnol et le Portugais ont fait pelea, et de praeliari, pelear, de sarculus, sarchio Italien, ils ont fait sacho. (DENINA 1804: IV, 318–320): Voici d’abord les noms composés de la particule ou préposition in, ou im. Probablement les Latins donnoient à cet in, lorsqu’il étoit préposition intensive, une expression différente de celle qu’ils lui donnoient lorsqu’il étoit particule négative, et en cela le François a de l’avantage sur l’italien. Car dans le françois, de même que dans l’espagnol, l’in préposition est, avec peu d’exception, devenue en; et l’in négatif est resté constamment in; au lieu qu’en italien cette particule étant toujours in, comme dans le latin, peut souvent laisser de l’ambiguité; de sorte que quelquesfois un mot matériellement le même, peut être pris en deux sens opposés. Inscriptus, par exemple, se trouve dans la signification d’inscrit en quelque table, liste, rôle, ou mémoire, et ailleurs veut dire non écrit; intentatus gladius, signifie épée tournée contre quelqu’un et res intentata, veut dire chose non tentis. Et quelle raison auroit-on de croire qu’impetrare, l’im, pour in, à cause du p, qui suit soit in, dans le sens d’intus, ou in, dans le sens de nom de ana grec, d’un, et on, allemand et flamand. Pourquoi inpenetrabilis, fait de penetrare, qui l’est de penitus intrare, ne pouvoit-il pas signifier entrer bien profondement, plutôt que le contraire? L’a dans quelques mots françois suivit de la lettre n, a été sans besoin apparent changé en e, et l’e, en a. En cela on n’a pas suivi une règle constante, car dans prudent, diligent, insolent, on a retenu l’e comme le Latin, et l’Italien, et l’on dit pourtant confiance, confidance, pris de confidentia. Cependant, quoique fait de ciò, pendente. Mais si on y fait attention on verra que
III. Einheit und Vielfalt ces variations n’ont pas été faites sans cause. Premièrement dans les noms ou l’en est précédé de l’i ou y si on avoit écrit comme on l’écrit en italien, ou pouvoit hesiter en le lisant s’il falloit prononcer a, comme dans prudence, ou e, comme dans payen, italien, rien, contient; le doute n’avoit plus lieu en substituant l’a, à l’e, et écrivant confiance. On a fort utilement repris l’adverbe si latin au lieu de se, qu’on avoit pris de l’italien; de la particule disjonctive nec, on a fait ni, gardant le ne, pour dire non, simplement au lieu de ki, que le vieux François avoit tiré de qui, on a repris ce même pronom tel qu’il est dans le latin au nominatif; reservant que, pour l’accusatif. Ainsi le François est plus clair, plus précis que l’Italien où che est nominatif et accusatif indistinctement. On s’est de plus fait une loix d’accompagner le verbe avec le pronom et au lieu de dis, fais, écris qui peuvent être pris pour la seconde personne aussi bien que pour la première; et à cet égard on corrigea un defaut essentiel dont les deux idiomes frères du françois sont exempts. Car dico[,] fo, ou faccio, scrivo, ne peuvent pas se confondre avec dici, fai, ou faci, et scrivi. Quelque peu considérables que puissent paroître ces améliorations; c’est à elles que cette langue doit en grande partie sa précision. (DENINA 1804: Supp., XXVI–XXVII): Toutes les langues et surtout celles qu’on peut appeller primitives, ou qui du moins sont très anciennes, reconnues par conséquent pour mères des langues modernes, nous offrent en foule des faits qui renversent le systême lorsqu’on prétend que telles syllabes doivent indiquer telle chose, telle action, telle sensation. Nous trouvons partout des mots composés des mêmes élémens, ou de lettres qui se remplacent continuellement les uns les autres par leur affinité, et qui cependant signifient des choses très différentes dans le même idiome, puis une infinité d’autres si nous les cherchons en plusieurs langues, même dans celles qui ont une origine commune. On sait que la langue hébraïque par exemple que les orientalistes vantent hautement comme très-riche, ont des mots formés des mêmes caractères, et disposés dans le même ordre, qui cependant indiquent des objets, des sensations, des ac-tions tout-à-fait diverses! Et pour nous en tenir au
Sprachvergleich und Sprachtypus grec, au latin et au teutonique, qui ont plus de rapport à nos langues actuelles Européennes. 2. Sprachtypus (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 410): Die Natur und das Wesen einer lebendigen Sprache muß jederzeit den Grund in sich enthalten warum man so oder auf eine andre Art schreiben und reden soll. (GIRARD 1747: 22–23): Lorsque ce gout distinctif est considéré dans son universalité; c’est alors ce qu’en fait de Langues on nomme GÉNIE, dont il est important au Grammairien de bien connoitre la nature. Chaque langue a le sien: ils peuvent néanmoins être réduits à trois sortes; & par ce moyen les Langues se trouvent distinguées en trois classes. Si on ne leur a pas donné des noms; c’est qu’on n’a pas connu l’influence qu’ils devoient avoir dans l’établissement des regles. Cette inattention n’empeche pourtant pas qu’ils ne soient les fondemens de tout principe de Grammaire, & que leur confusion ne devienne une source d’absurdités. (FÉNELON: Lettre à l’Académie Française, zit. in ALGAROTTI [1750b] 1969: 537): “L’excès choquant de Ronsard nous a un peu jettez dans l’extrémité opposée. On a appauvri, desséché et gêné notre langue. Elle n’ose jamais procéder, que suivant la méthode la plus scupuleuse et la plus uniforme de la grammaire. On voit toujours venir d’abord un nominatif substantif, qui mène son adjectif comme par la main. Son verbe ne manque pas de marcher derrière, suivi d’un adverbe, qui ne souffre rien entre deux, et le régime appelle aussi-tôt un accusatif, qui ne peut jamais se déplacer. C’est ce qui exclut toute suspension de l’esprit, toute attente, toute surprise, toute variété et souvent toute magnifique cadence”. (Encyclopédie, Artikel Déclinaison, DU MARSAIS, 1754: IV, 695): Ainsi en françois & dans les autres langues dont les noms ne se déclinent point, la suite des rapports des mots commence par le sujet de la proposition; après quoi viennent les mots qui se rapportent à ce sujet, ou par le rapport d’identité, ou par le rapport de détermination: je veux dire que le correlatif est énoncé successivement après le mot auquel il se rapporte, comme en cet exemple, César vainquit Pompée.
845 (Encyclopédie, Artikel Déclinaison, DU MARSAIS, 1754: IV, 695): Comme nos Grammairiens ont commencé d’apprendre la Grammaire relativement à la Langue latine, il n’est pas étonnant que par un effet du préjugé de l’enfance, ils ayent voulu adapter à leur propre langue les notions qu’ils avoient prises de cette Grammaire, sans considérer que hors certains principes communs à toutes les langues, chacune a d’ailleurs ses idiotismes & sa Grammaire; & que nos noms conservant toûjours en chaque nombre la même terminaison, il ne doit y avoir dans notre langue ni cas ni déclinaisons. La connoissance du rapport des mots nous vient ou des terminaisons des verbes, ou de la place des mots, ou des prépositions par, pour, en, à, de, &c. qui mettent les mots en rapport, ou enfin de l’ensemble des mots de la phrase. S’il arrive que dans la construction élégante l’ordre successif dont j’ai parlé soit interrompu par des transpositions ou par d’autres figures, ces pratiques ne sont autorisées dans notre langue, que lorsque l’esprit, après avoir entendu toute la phrase, peut aisément rétablir les mots dans l’ordre successif, qui seul donne l’intelligence. Par exemple dans cette phrase de Télémaque, là coulent mille divers ruisseaux, on entend aussi aisément le sens, que si l’on avoit lû d’abord, mille divers ruisseaux coulent-là. La transposition qui tient d’abord l’esprit en suspens, rend la phrase plus vive & plus élégante. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 258): Par rapport à l’ordre analytique, il y a deux moyens par lesquels il peut être rendu sensible dans l’énonciation vocale de la pensée. Le premier, c’est de ranger les mots dans l’élocution selon le même ordre qui résulte de la succession analytique des idées partielles: le second, c’est de donner aux mots déclinables des inflexions ou des terminaisons relatives à l’ordre analytique, & d’en régler ensuite l’arrangement dans l’élocution par d’autres principes, capables d’ajoûter quelque perfection à l’art de la parole. De-là la division la plus universelle des langues en deux especes générales, que M. l’abbé Girard (Princ. disc. I. tom. j. pag. 23. ) appelle analogues & transpositives, & auxquelles je conserverai les mêmes noms, parce qu’ils me pa-
846 roissent en caractériser très-bien le génie distinctif. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 258): […] car les langues analogues ne laissent pas d’admettre quelques inversions légeres & faciles à ramener à l’ordre naturel, comme les transpositives reglent quelquefois leur marche sur la succession analytique, ou s’en rapprochent plus ou moins. Assez communément le besoin de la clarté, qui est la qualité la plus essentielle de toute énonciation, l’emporte sur le génie des langues analogues & les détourne de la voie analytique dès qu’elle cesse d’être la plus lumineuse: les langues transpositives au contraire y ramènent leurs procédés, quelquefois dans la même vûe, & d’autres fois pour suivre ou les impressions du goût, ou les lois de l’harmonie. Mais dans les unes & dans les autres, les mots portent l’empreinte du génie caractéristique: les noms, les pronoms & les adjectifs déclinables par nature, se déclinent en effet dans les langues transpositives, afin de pouvoir se prêter à toutes les inversions usuelles sans faire disparoître les traits fondamentaux de la succession analytique. Dans les langues analogues, ces mêmes especes de mots ne se déclinent point, parce qu’ils doivent toujours se succéder dans l’ordre analytique, ou s’en écarter si peu, qu’il est toujours reconnoissable. (MEINER 1781: 101–102): Es gehen aber die Sprachen in der Zahl des Numeri von einander ab, indem einige nur zween Numeros, andere aber drey zählen, nämlich den Singularem, der von der ganzen Classe oder von einem Indiuiduo aus der Classe redet; den Dualem, der nur von zweyen Indiuiduis redet; und den Pluralem, der von mehr als zweyen Dingen redet. Die, so da zween Numeros zählen, theilen sich darinnen wieder, daß einige den Plural weiter abtheilen in den Plural 1) der von der Natur gepaarten oder in einer gedoppelten Reihe geordneten Dinge; 2) in den Plural der einzelnen Dinge. Diesen Unterschied machen die Hebräer, Chaldäer und Syrer, und nennen den Plural für die von der Natur gepaarten oder in einer gedoppelten Reihe geordneten Dinge, Dual, aber in einem ganz andern Verstande, als die, so drey Numeros, und unter diesen auch einen Dual erkennen. Jene mögen von hundert Augen, Ohren, Händen
III. Einheit und Vielfalt reden, so gebrauchen sie dennoch ihren Dual; diese aber gebrauchen ihren Dual, wenn sie von zweyen Dingen reden, sie mögen von der Natur gepaaret oder einzeln seyn. Einen solchen Dual haben die Griechen, den sie überall gebrauchen, wenn sie von zweyen Dingen reden, sie mögen beschaffen seyn, wie sie wollen. Andere geben sich mit diesem subtilern Unterschied nicht ab, sondern sind zufrieden den Numerum nur in Singularem, der von einem redet, und in Pluralem, der von mehr als einem redet, abgetheilet zu haben: z. E. die lateinische, deutsche und französische Sprache. (MEINER 1781: 115–116): Und weil die Eigenschaft eben so vervielfältiget wird, wie ihre selbständigern Dinge, woran sie sich befindet, vervielfältiget werden; so ist es daher gekommen, daß verschiedene Sprachen sich eines verschiedenen Weges bedienet haben, den Plural von diesen, an sich unselbständigen, im Satze aber als selbständig gedachten Eigenschaften zu formiren. Einige Sprachen setzen die Substantiva der Eigenschaften im Plural und erklären ihn vermittelst des Wortes verschieden. Andere Sprachen drücken die Pluralität der Eigenschaft durch die Pluralität ihrer selbständigern Dinge aus, an denen sie sich befindet: z. E. der Lateiner sagt wohl odia im Plural, aber der Deutsche kann von dem Worte Haß im Plural nicht sagen: die Hässe; von Tod nicht die Töde; sondern er hilft sich entweder durch Beysetzung des Wortes mannigfaltig, verschieden; oder er zeigt die Vervielfältigung der unselbständigen Eigenschaft durch die Vervielfältigung ihres selbständigern Dinges an, woran sie sich befindet. Er sagt entweder: er hat sich vielerley Haß müssen gefallen lassen; oder: er hat den Haß vieler Neider erdulden müssen. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 23): El artificio gramatical particular con que en cada lengua se ordenan las palabras, no depende de la invención humana, y menos del capricho: él es propio de cada lengua, de la que forma el fondo. Las naciones con la civilidad y con las ciencias salen del estado de barbario, y se hacen mas ó menos civiles y sabias: mas nunca mudan el fondo del artificio gramatical de sus respectivas lenguas. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 24): […] las naciones no han inventado el ar-
Sprachvergleich und Sprachtypus tificio particular de sus respectivos idiomas, mas lo han recibido y conservado. Todos los hombres al empezar á hablar una lengua, empiezan á dar á sus ideas el órden que á las palabras de ellas se da segun su propio artificio gramatical. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 24–25): […] y segun ella los hombres en su respectiva lengua hablan, y tambien piensan. Una nacion pues, que habla y piensa segun el artificio gramatical de su lengua, no muda jamas este método de hablar y pensar, y consiguientemente no muda el dicho artificio. Podrá perfeccionarlo, y en esta perfeccion, mas o ménos grande, se distinguen y diferencian muchas veces los dialectos de una misma lengua matriz. (BERNHARDI [1805] 1990: 6–7): Die unbedingte Form der Sprache ist die nothwendige, keinesweges aber die nothdürftige Form, diese nothwendige Form wird aber auch ihrem ganzen Umfange nach aufgestellt und daher ist die nothwendige Form auch zugleich die idealische. Keine empirische Sprache erfüllt dieses Ideal, denn entweder bleibt sie als ein unvollendetes Naturprodukt unter dem Ideal; sie enthält blos das Nothdürftige, oder sie schreitet durch einen Luxus über das Nothwendige hinaus und wenn nicht im Ganzen doch im Einzelnen. Die unbedingte Form kann nichts als diese Erscheinungen im Ganzen erklären. (CALLEJA 1818: 1–2): Entonces conocieron la necesidad de simplificarle y estenderle. ¿ Qué hicieron? Le sugetaron á ciertas reglas que facilitasen mas su uso, y formaron un maravilloso artificio de la lengua. 3. Analoge Sprachen (GIRARD 1747: 23–24): Les Langues de la premiere classe suivent ordinairement, dans leur construction, l’ordre naturel & la gradation des idées: le sujet agissant y marche le premier, ensuite l’action accompagnée des ses modifications, après cela ce qui en fait l’objet & le terme. Par cette raison je les nomme ANALOGUES, ainsi que le génie qui les caractérise. Elles ont un article, qu’elles joignent aux dénominations qui ne sont pas individuelles, & n’admettent point de cas: telles sont la Françoise, l’Italienne, & l’Espagnole.
847 (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 258): Les langues analogues sont celles dont la syntaxe est soumise à l’ordre analytique, parce que la succession des mots dans le discours y suit la gradation analytique des idées; la marche de ces langues est effectivement analogue & en quelque sorte parallele à celle de l’esprit même, dont elle suit pas à pas les opérations. (Encyclopédie, Artikel Méthode, BEAUZÉE, 1765: X, 447): Il. De la distinction des langues en analogues & transpositivés, il doit naître encore des différences dans la méthode de les enseigner, aussi marquées que celle du génie de ces langues. 1°. Les langues analogues suivent, ou exactement ou de fort près, l’ordre analytique, qui est, comme je l’ai dit ailleurs, (voyez Inversion & Langue) le lien naturel, & le seul lien commun de tous les idiomes. La nature, chez tous les hommes, a donc déjà bien avancé l’ouvrage par rapport aux langues analogues, puisqu’il n’y a en quelque sorte à apprendre que ce que l’on appelle la Grammaire & la Vocabulaire, que le tour de la phrase ne s’écarte que peu ou point de l’ordre analytique, que les inversions y sont rares ou legeres, & que les ellipses y sont ou peu fréquentes ou faciles à suppléer. Le degré de facilité est bien plus grand encore, si la langue naturelle de celui qui commence cette étude, est elle même analogue. Quelle est donc la méthode qui convient à ces langues? Mettez dans la tête de vos éleves une connoissance suffisante des principes grammaticaux propres à cette langue, qui se réduisent à peu-près à la distinction des genres & des nombres pour les noms, les pronoms, & les adjectifs, & à la conjugaison des verbes. Parlez-leur ensuite sans délai, & faites-les parler, si la langue que vous leur enseignez est vivante; faites-leur traduire beaucoup, premierement de votre langue dans la leur, puis de la leur dans la vôtre: c’est le vrai-moyen de leur apprendre promptement & sûrement le sens propre & le sens figuré de vos mots, vos tropes, vos anomalies, vos licences, vos idiotismes de toute espece. Si la langue analogue que vous leur enseignez, est une langue morte, comme l’hébreu, votre provision de principes grammaticaux une fois faite, expliquez vos auteurs, & faites-les expliquer avec soin, en y appliquant vos princi-
848 pes fréquemment & scrupuleusement: vous n’avez que ce moyen pour arriver, ou plutôt pour mener utilement à la connoissance des idiotismes, où gissent toûjours les plus grandes difficultés des langues. Mais renoncez à tout désir de parler ou de faire parler hébreu; c’est un travail inutile ou même nuisible, que vous épargnerez à votre éleve. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 31–32): Toutes les langues où les mots ayant moins de formes variables, sont astreints à occuper telle ou telle place dans la phrase, selon le rôle qu’ils ont à y faire, et selon les rapports qu’ils y ont les uns avec les autres, sont des langues analogues. […] C’est d’après ces définitions si simples et si frappantes, que 1’hébreu, le celtique, le françois, l’italien, l’espagnol, l’anglois, etc. sont appelés langues analogues; et que le grec, le latin, le basque, etc. sont transpositives: l’allemand participe de l’un et de l’autre de ces deux caractères, ayant plus de transposition que celles-là, et moins que celles-ci, parce que les moyens de supplément y existent, mais n’y sont que partiels et imparfaits. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 32–33): On peut long-temps disputer pour savoir lesquelles sont préférables, des langues analogues, ou des langues transpositives: celles-ci, plus libres dans leur marche, en ce qui tient au placement respectif des mots, sont, dit-on, naturellement embarrassées d’un grand nombre de règles, toutes nécessaires à suivre, difficiles à retenir, et escortées d’exceptions aussi nombreuses que fatiguantes. Celles-là semblent promettre plus de clarté, de simplicité, et de facilité: mais elles sont plus lentes, plus gênées, et comme assujetties à une allure uniforme et contrainte, qui les prive de plusieurs avantages très-précieux. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 33): Cependant si le premier et véritable objet des langues est de présenter ce que l’on pense, avec clarté et fidélité, les langues analogues, essentiellement plus fideles, et plus claires, du moins au premier aspect, ne sont-elles pas plus près de la perfection que leurs rivales? (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 237): Quoiqu’il en soit, l’usage des prépositions est d’autant plus fréquent dans les langues, que celles-ci sont plus rigoureusement analogues.
III. Einheit und Vielfalt 4. Transpositive Sprachen (flektierende Sprachen) (GIRARD 1747: 24–25): Les Langues de la seconde classe ne suivent d’ordre, dans la construction de leurs frases, que le feu de l’imagination; faisant précéder tantôt l’objet, tantôt l’action, & tantôt la modification ou la circonstance: ce qui n’est pourtant pas un défaut, & ne produit aucune ambiguité, acause [sic] des cas & de la variété des terminaisons qu’elles admettent; par le moyen desquelles le régime étant d’abord indiqué, il ne reste ni équivoque ni confusion dans le sens, mais seulement la peine d’aller jusqu’au bout de la période avant que de commencer à la former une pensée suivie. Ainsi le nom de TRANSPOSITIVES leur convient parfaitement. Elles ne connoissent pas l’usage de l’Article. Le Latin, l’Esclavon, & le Moscovite sont de cette espece. (GOTTSCHED [1748] 1762: 223): Unsere deutsche Sprache hat dieses mit allen andern gemein, daß sie bey den meisten Hauptwörtern, es durch gewisse Buchstaben, oder Syllben anzeiget, ob man von einem, oder von vielen redet. (Encyclopédie, Artikel Cas, DU MARSAIS, 1751: II, 735): Les cas ne sont en usage que dans les langues où les mots sont transposés, soit par la raison de l’harmonie, soit par le feu de l’imagination, ou par quelqu’autre cause. Or quand les mots sont transposés, comment puis-je connoître leurs relations? Ce sont les différentes terminaisons, ce sont les cas qui m’indiquent ces relations; & qui lorsque la phrase est finie, me donnent le moyen de rétablir l’ordre des mots, tel qu’il a été nécessairement dans l’esprit de celui qui a parlé lorsqu’il a voulu énoncer sa pensée par des mots: par exemple; Frigidus agricolam si quando continet imber. Virg. Georg. Lib. I. v. 250. Je ne puis pas douter que lorsque Virgile a fait ce vers, il n’ait joint dans son esprit l’idée de frigidus à celle d’imber; puisque l’un est le substantif, & l’autre l’adjectif. Or le substantif & l’adjectif sont la chose même; c’est l’objet considéré comme tel: ainsi l’esprit ne les a point séparés. Cependant voyez combien ici ces deux mots sont éloignés l’un de l’autre: frigidus commence le vers, & imber le finit. Les terminaisons font que mon esprit rapproche ces deux mots, & les remet dans l’ordre
Sprachvergleich und Sprachtypus des vûes de l’esprit, relatives à l’élocution; car l’esprit ne divise ainsi ses pensées que par la nécessité de l’énonciation. Comme la terminaison de frigidus me fait rapporter cet adjectif à imber, de même voyant qu’agricolam est à l’accusatif, j’apperçois qu’il ne peut avoir de rapport qu’avec continet: ainsi je range ces mots selon leur ordre successif, par lequel seul ils font un sens, si quando imber frigidus continet domi agricolam. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 258): Les langues transpositives sont celles qui dans l’élocution donnent aux mots des terminaisons relatives à l’ordre analytique, & qui acquierent ainsi le droit de leur faire suivre dans le discours une marche libre & tout-à-fait indépendante de la succession naturelle des idées. Le françois, l’italien, l’espagnol, &c. sont des langues analogues; le grec, le latin, l’allemand, &c. sont des langues transpositives. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 258): La langue allemande est transpositive, & elle a la déclinaison; cependant la marche n’en est pas libre, comme elle paroît l’avoir été en grec & en latin, où chacun en décidoit d’après son oreille ou son goût particulier: ici l’usage a fixé toutes les constructions. Dans une proposition simple & absolue, la construction usuelle suit l’ordre analytique; die creaturen aussern ihre thatlichkeit entweder durch bewegung, oder durch gedancken (les créatures démontrent leur activité soit par mouvement, soit par pensée). Il y a seulement quelques occurrences où l’on abandonne l’ordre analytique pour donner à la phrase plus d’énergie ou de clarté. C’est pour la même cause que dans les propositions incidentes, le verbe est toujours à la fin; das wesen welches in uns dencket (l’être qui dans nous pense); unter denen dingen die moeglich sind (entre les choses qui possibles sont). Il en est de même de toutes les autres inversions usitées en allemand; elles y sont déterminées par l’usage, & ce seroit un barbarisme que d’y substituer une autre sorte d’inversion, ou même la construction analytique. Cette observation, qui d’abord a pû paroître un hors-d’oeuvre, donne lieu à une conséquence générale; c’est que, par rapport à la construction des mots, les langues transpositives peuvent se soudiviser en deux classes. Les lan-
849 gues transpositives de la premiere classe sont libres, parce que la construction de la phrase dépend, à peu de chose près, du choix de celui qui parle, de son oreille, de son goût particulier, qui peut varier pour la même énonciation, selon la diversité des circonstances où elle a lieu; & telle est la langue latine. Les langues transpositives de la seconde classe sont uniformes, parce que la construction de la phrase y est constamment reglée par l’usage, qui n’a rien abandonné à la décision du goût ou de l’oreille; & telle est la langue allemande. Ce que j’ai remarqué sur la premiere division est encore applicable à la seconde. Quoique les caracteres distinctifs qu’on y assigne soient suffisans pour déterminer les deux classes, on ne laisse pas de trouver quelquefois dans l’une quelques traits qui tiennent du génie de l’autre: les langues transpositives libres peuvent avoir certaines constructions fixées invariablement, & les uniformes peuvent dans quelques occasions régler leur marche arbitrairement. (Encyclopédie, Artikel Méthode, BEAUZÉE, 1765: X, 447): 2°. Pour ce qui est des langues transpositives, la méthode de les enseigner doit demander quelque chose de plus; parce que leurs écarts de l’ordre analytique, qui est la regle commune de tous les idiomes, doivent y ajoûter quelque difficulté, pour ceux principalement dont la langue naturelle est analogue: car c’est autre chose à l’égard de ceux dont l’idiome maternel est également transpositif; la difficulté qui peut naître de ce caractere des langues est beaucoup moindre, & peutêtre nulle à leur égard. C’est précisément le cas où se trouvoient les Romains qui étudioient le grec, quoique M. Pluche ait jugé qu’il n’y avoit entre leur langue & celle d’Athènes aucune affinité. (MEINER 1781: XLVII–XLVIII): Weil nun bey den Franzosen der Nominativus und Accusativus kein Casuszeichen brauchen, so wird ein Nomen proprium in diesen beyden Casibus ganz nackend und bloß ohne alle Bestimmung und ohne Casuszeichen hingesetzet. Aber entbehret auch ein Nomen proprium bey den Franzosen in den übrigen Casibus, im Genitivo und Dativo, die Casuszeichen? Da hätte der Deutsche bedenken sollen, daß du und au aus le und à le, das ist, aus dem Casuszeichen de und à und dem Articulo le und la zu-
850 sammengesetzet sind, und daß, nach Weglassung des Articuli le, la bey dem Nomine proprio, de und à als Casuszeichen übrig bleiben müssen, wie sie denn auch wirklich übrig bleiben, und daß also, wenn kein Artikel le und la bey der Declination eines Nominis proprii nöthig ist, doch die Casuszeichen unentbehrlich sind. Er hätte ferner bedenken sollen, daß, wenn er, wie der Franzos, kein Casuszeichen zum Nominativo nöthig hat, darum noch nicht gleich folge, daß er auch wie der Franzos, das Casuszeichen für den Accusat. entbehren könne; denn der Deutschen ihr Accusat. läßt sich nicht so, wie der Franzosen ihrer bloß aus der Stelle, die er im Satze einnimmt, erkennen. Demnach muß der Deutsche zur Declination eines Nominis propr. für alle Casus, bis auf den Nominativum, Casuszeichen haben. Da nun der deutsche Artikel, der, die, das, ein gedoppelt Amt hat, daß er nicht nur Bestimmung ist, sondern auch die Stelle der Casuszeichen vertritt; so folgt, daß ein Nomen propr. zwar im Nominat. ganz ohne Artikel seyn könne und müsse, in den übrigen Casibus aber den Artikel als Casuszeichen nothwendig erfordere. Lutherus hat also in seiner Bibelübersetzung richtig deklinirt: Nom. Adam; Gen. des Adams; Dat. dem Adam; Accus. den Adam. (MEINER 1781: LXXXI–LXXXII): Da die Verba in allen Sprachen, in Ansehung ihres Begriffes, darinnen einander gleich sind, daß ihr Begriff entweder absolut oder relativisch ist, und daß man bey einem Verbo eines absoluten Begriffes nach vier; bey einem Verbo eines relativischen Begriffes nach sechs selbständig gedachten Dingen fragen kann, ohne welche sich ihr Begriff nicht mit vollkommener Deutlichkeit denken läßt: so muß auch bey allen Sprachen als was schon bekanntes können vorausgesetzet werden: daß eine gewisse Anzahl möglicher Fälle [Casus] Statt finden müsse, nach welchen ein jedes selbständig gedachtes Ding im Satze zu stehen komme, das heißt: daß in allen Sprachen eine gewisse Deklination Statt finden müsse. Nur fragt sichs a) ob diese Deklination durch Casusendungen, wie in der lateinischen und griechischen Sprache, oder durch vorgesetzte Casuszeichen, wie in der französischen, hebräischen und deutschen Sprache, bewerkstelliget werde.
III. Einheit und Vielfalt c) Wie viel Casuszeichen die zu erlernende Sprache nöthig habe, und wie viel sie wirklich habe? Denn einige Sprachen brauchen zu ihrer Deklination weniger Casuszeichen, als die andern. So braucht die hebräische wegen ihres gedoppelten Generis in den personis verbi kein Zeichen für die beyden Casus subjecti, den Nominatiuum und Vocatiuum; die französische braucht die allerwenigsten, weil ihr Casus subjecti, Nominatiuus und Vocatiuus, imgleichen der Accusatiuus gleich aus der Stelle erkannt werden, so sie im Satze einnehmen; über dieses der Ablatiuus unter dem Genitiuo verborgen stecket. Es bleiben also bey ihr nur zwey Casus zu bezeichnen übrig, nämlich der Genitiuus und Datiuus. (Enciclopedia metódica 1788, Artikel Ablativo: I, 22–23): Ablativo s. m. termino de Gramatica; es el sexto caso de los nombres latinos. Este caso se llamó asi de la voz latina ablatus, quitado, por darse la denominación de este caso á los nombres latinos, que son el complemento de las preposiciones à, absque, de, ex, sine, que denotan extraccion, ó traspasso de una cosa a otra […]. Ni en Frances, ni en Castellano, ni en las demas lenguas vulgares hay ablativo, porque en estas lenguas los nombres no tienen casos. Las relaciones y fines del entendimiento, que denotaban los latinos por diferentes inflexiones, ó terminaciones de una misma palabra, las denotamos nosotros, ó por colocacion, y puesto que ocupa la palabra, o por el socorro de las preposiciones. Y assi, quando dicen nuestros Gramaticos, que un nombre está en Ablativo, solamente dicen esto, por la analogía de la lengua latina; quiero decir, por el habito, que tomaron, quando niños, de componer del castellano al latin, y de buscar en que caso latino pondrian tal palabra castellana, ó francesa. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 31): Toutes les langues où ces rapports sont comme entés ou greffés dans les mots, à l’aide des changements que ces mots peuvent subir, sont transpositives, c’est-à-dire, qu’alors les mots ne sont plus assujétis dans leur construction relative, à d’autre ordre qu’à celui que l’oreille, l’habitude, ou la passion peuvent faire désirer.
Sprachvergleich und Sprachtypus (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 32): C’est d’après ces définitions si simples et si frappantes, que 1’hébreu, le celtique, le françois, l’italien, l’espagnol, l’anglois, etc. sont appelés langues analogues; et que le grec, le latin, le basque, etc. sont transpositives: l’allemand participe de l’un et de l’autre de ces deux caractères, ayant plus de transposition que celles-là, et moins que celles-ci, parce que les moyens de supplément y existent, mais n’y sont que partiels et imparfaits. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 32): On peut long-temps disputer pour savoir lesquelles sont préférables, des langues analogues, ou des langues transpositives: celles-ci, plus libres dans leur marche, en ce qui tient au placement respectif des mots, sont, dit-on, naturellement embarrassées d’un grand nombre de règles, toutes nécessaires à suivre, difficiles à re tenir, et escortées d’exceptions aussi nombreuses que fatiguantes. (DENINA 1804: III, 12–13): Moyennant les prépositions de, ab, ad, et les pronoms ille, illa, illum, qu’un pléonasme avoit introduit dans la basse latinité, on tâcha de distinguer les cas, de donner un sens précis, autant qu’on pouvoit, à la phrase, et d’assurer l’expression. J’apelle barbarisme et pléonasme l’emploi des prépositions à contre sens et l’usage inutile et superflu du pronom démonstratif, que l’on remarque dans les documens du moyen âge, où l’on voit illa et illo à tout bout de phrase. Cette association du pronom ille avec le substantif avoit des exemples dans les écrits des meilleurs auteurs, même dans ceux de Cicéron; mais elle devint dans la suite excessivement fréquente; et c’est de là que sont venus les articles italiens, il, la, lo; del, della, allo, alla, dallo; et li, degli, agli, dagli, ainsi que le françois le, du, au, comme nous le verrons en son lieu. Si les Goths, les Lombards et les autres Allemands ont concouru à introduire les articles, ce n’est qu’en parlant mal le latin, et non pas en introduisant leurs propres articles, qui n’ont rien de commun avec ceux des langues méridionales; car der, die, das, den, n’ont pas produit il, la, lo, ni le et les. 5. Mischtypus (GIRARD 1747: 25): Les Langues de la troisième classe tiennent des deux autres; ayant un article comme les Analogues, & des cas
851 comme les Transpositives: telle est la Langue Grecque: il me semble aussi que la Teutonique appartient également à cette classe. On la nommera, si l’on veut, MIXTE, ou, d’un air plus docte, AMPHILOGIQUE: je ne fixe point de nom; parce que je crains de n’en pas trouver un assez heureux pour être adopté.
III.
1. Sprachvergleich im 17. und 18. Jahrhundert Über rein apologetische Vergleiche (ĺ Apologie) einer Sprache mit anderen hinaus finden sich im 17. und 18. Jahrhundert vielfach Feststellungen zu lautlichen, morphologischen und syntaktischen Zusammenhängen (ĺ Syntax). Dabei gab es auch Feststellungen von Gemeinsamkeiten, die auf Verwandtschaft der verglichenen Sprachen zurückgingen. Da jedoch eine Methode des historischen Sprachvergleichs noch fehlte, waren derartige Beschreibungen der Feststellung typologischer Zusammenhänge ähnlich. Das Vorgehen beim Sprachvergleich ist insofern dem der vergleichenden Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts entgegengesetzt, als teilweise sowohl genetisch als auch nach ihrem Typus einander fern stehende Sprachen verglichen werden. Vielfach wurde die Eignung der Sprachen für bestimmte Zwecke oder ihr Verbreitungsgrad zum Kriterium des Vergleichs. So stellt z. B. SEMMEDO fest, dass das Mandarin in China die gleiche Verbreitung wie in Europa das Latein hätte. Aus dem monosyllabischen und unflektierbaren Charakter des Chinesischen erkläre sich die häufige Verwendung von Nomina an Stelle von Verben und Adverbien (ĺ Nomen, ĺ Verb, ĺ Adverb). Wenn sprachvergleichende Betrachtungen als ein Argument für die Vorzüge einer Sprache verwendet wurden (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), so stand dabei vielfach eine bestimmte Sprache als Bezugspunkt im Hintergrund, deren Bau zum vorbildlichen erklärt wurde. Im 17. Jahrhundert war es in Europa vielfach das Griechische, dem diese Rolle zugeschrieben wurde (vgl. LAMY, FRAIN DU TREMBLAY). Auffällig ist dabei, dass die Vorzüge oder die Überlegenheit einer Sprache nicht an sprachlichen Eigenschaften, sondern an der kulturprägenden Rolle ihrer Spre-
852 cher festgemacht wurden. Dieser Zustand des Sprachvergleichs wurde offensichtlich bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts als methodologisches Defizit empfunden, was bei FRAIN DU TREMBLAY in den Versuch mündet, einen Sprachvergleich nach den “klaren” Kriterien der Reinheit, Eleganz, der Noblesse des Ausdrucks und der Länge der Sätze vorzunehmen. Auch die Schwierigkeiten, sichere Aussagen über die Verwandtschaft von Sprachen zu treffen, wurden durchaus deutlich empfunden und entsprechend formuliert. Wenn man sich zum Beispiel darin einig war, dass die dänische Sprache eine Vermischung des Gotischen, Friesischen und Deutschen sei, so gab es dennoch Meinungsverschiedenheiten über die Basis dieser Sprache, die einige auf das Griechische, andere auf das Hebräische zurückführten. Das Fehlen einer Methode für den Sprachvergleich führte auf der Basis des globalen Bewusstseins, dass historische Entwicklungen den Charakter einer Sprache beeinflussen könnten, zu derartigen Erklärungsversuchen. Der Sprachvergleich wurde vielfach auf dem Hintergrund der Idee einer weitgehenden Übereinstimmung der Sprachen durchgeführt und gelangte infolgedessen auch zur Feststellung universeller Eigenschaften (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Unterschiede wurden im wertenden Sprachvergleich meist als Differenzen einer Sprache zu den übrigen dargestellt und als Vorzüge (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) gedeutet. Von besonderem typologischem Interesse waren Sprachen mit sehr weit von den europäischen Sprachen abweichenden Strukturen. Vor dem Hintergrund des zeittypischen Interesses für China, das sich auch in der Architektur und in der Mode des 18. Jahrhunderts manifestierte, trat dabei auch die chinesische Sprache in den Mittelpunkt. Ihre wenigen einsilbigen Wörter, die aber auf fünf Tonstufen variieren, ergeben durch diese Kombinatorik hinreichend viele Zeichen zur Benennung aller relevanten Begriffe. Andere Völker hätten sich eher von der bedeutungstragenden Funktion der ĺ Prosodie entfernt und hätten deshalb mehr Wörter erfinden müssen (ĺ Bedeutung).
III. Einheit und Vielfalt Im Sprachvergleich ist auch das Bestreben zu verzeichnen, festgestellte Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu typisieren und auf Gründe zurückzuführen (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Ein wichtiger Grund war neben den kulturellen Leistungen der einzelnen Völker und ihren Kontakten sowie unterschiedlich getroffenen Konventionen (ĺ Konvention) auch das Klima, das über die Gestaltung der Lebensbedingungen Einfluss auf die Sprechorgane, aber auch auf das Temperament der Völker und damit auf die semantische Gestalt der Sprache nehme. Auf diese Weise käme es auch zustande, dass die Tonlage, mit der die Engländer Wut ausdrücken würden, in Italien lediglich als Verwunderung empfunden würde (vgl. CONDILLAC). Der Sprachvergleich ging dabei auch von Prämissen aus, die sich aus Hypothesen über den ĺ Ursprung und die Entwicklung der Sprachen ableiteten und die auf konkrete Sprachen projiziert wurden. So nahm CONDILLAC für die alten Sprachen eine reichere und harmonischere ĺ Prosodie als für die modernen an, da sie der ursprünglichen Gemeinsamkeit von Sprache und Musik näher seien. Die im Vergleich festgestellten Eigenschaften der Sprachen wurden analog zu menschlichen Eigenschaften benannt, womit die Sprachen gleichzeitig personifiziert wurden. So kennzeichnet BOYER in einer von ALGAROTTI zitierten Textstelle die englische Sprache als fruchtbar und energiereich, sie würde sich jedem Zwang widersetzen, während die arme und schüchterne französische Sprache sich keine Freiheiten erlauben würde. Trotz des globalen und nicht an konkreten Kriterien orientierten Sprachvergleichs kam es auch zur Feststellung von Sprachverwandtschaft auf der Basis des Vergleichs konkreter sprachlicher Mittel. So stellt STENDER die Verwandtschaft des Litauischen und des Lettischen auf der Grundlage der Übereinstimmung der beiden Sprachen in der Kopula (Verbum substantivum), den Pronomina (ĺ Pronomen), den Zahlen, den Präpositionen und auch der ĺ Syntax (Construction) fest. Obwohl der wertende Sprachvergleich darauf ausgerichtet war, die Vorzüge einer Sprache gegenüber anderen herauszustellen, kam es auch zu ausgleichenden Urteilen. So stellte BEAUZÉE im Enzyklopädieartikel Langue fest,
Sprachvergleich und Sprachtypus dass jede Sprache ihre Verdienste hat und man nur dann von Vorzügen oder Nachteilen bestimmter Sprachen sprechen könne, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt bestimmter Zwecke betrachte (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Doch auch bei der Beschreibung unterschiedlicher Aussprache in verschiedenen Sprachen im Artikel Prononciation kam es zur Abbildung von Vorurteilen auf die konkreten Gegebenheiten. So wurde die englische Sprache immer wieder wegen ihrer von anderen abweichenden Aussprache inkriminiert: sie verbinde mit den Vokalzeichen a, e, i, o, u nicht dieselben Laute wie die anderen europäischen Sprachen. Für die Beschreibung der Aussprache wird bemerkt, dass es schwierig sei, Gutturallaute graphisch richtig darzustellen, und schließlich wird auch bemerkt, dass die Darstellung unterschiedlicher Quantitäten von Lauten ein Problem darstelle (ĺ Laut vs. Buchstabe; ĺ Artikulation). Die ĺ Orthographie stehe in einem unzulänglichen Verhältnis zur Aussprache, obwohl die meisten europäischen Nationen stolz auf ihr orthographisches System seien. Am meisten weiche die Lautung im Englischen von der Orthographie ab, während man für das Spanische hier vorbildliche Lösungen gefunden habe. Für den Vergleich der Sprachen konzentrierte man sich auf kurze Elemente, die in mehreren Sprachen erwartbar sind und bei denen die nominative Funktion im Hintergrund steht: Präpositionen, Konjunktionen, Zahlwörter, Präfixe oder auch Flexionsendungen. Doch auch im lexikalisch-semantischen Bereich kam es durchaus zu vergleichenden Untersuchungen. So nahm DENINA in seiner Clef des langues (1804) Vergleiche von Wortfeldern vor und bezog sich dabei ausdrücklich auf GIRARDs Synonymik (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). Insbesondere weist er auf den lateinischen und teilweise deutschen Hintergrund der von GIRARD genannten Synonyme, die er auch im Italienischen und Spanischen wieder findet. Für den Bereich der ‘Furcht’, der im Französischen besonders häufig vertreten ist (allarme, effroy, frayeur), findet DENINA im Italienischen weniger Bezeichnungen. Ebenso diskutiert er unterschiedliche Abgrenzungen im Bereich des Intellektualwortschatzes. In Ansätzen liefert DENINA da-
853 mit eine kontrastive Wortfeldlehre, die sich bereits struktureller Verfahren bedient. Mit der Vorstellung unterschiedlicher Qualitätsgrade von Sprachen entwickelte sich auch der Begriff ihres Ausbaus. Als ausgebaut galt eine Sprache, die über ausreichend Mittel verfügt, um den kommunikativen und kognitiven Anforderungen zu genügen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache; ĺ kognitive Funktion der Sprache). Dabei wurde auch von einer Korrespondenz des Ausbaugrades mit den kognitiven Möglichkeiten der Sprecher ausgegangen. Es war zu einem Topos geworden, dass die Wilden in Amerika und die Hottentotten in Afrika keine allgemeinen und abstrakten Ideen, sondern bloß sinnliche Vorstellungen hätten (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). 2. Unvoreingenommener und wertender Vergleich von Sprachen: die Preisfrage für 1792/94 Interessanter für die theoretische Diskussion der Problematik des Sprachvergleichs war die zunächst für 1792 gestellte und dann auf Vorschlag FORMEYs für 1794 verlängerte Preisaufgabe der Berliner Akademie Vergleichung der Hauptsprachen Europas, lebender und todter, in Bezug auf Reichthum, Regelmäßigkeit, Kraft, Harmonie und andere Vorzüge; in welchen Beziehungen ist die eine der anderen überlegen, welche kommen der Vollkommenheit menschlicher Sprache am nächsten? Neben der 1796 veröffentlichen prämiierten Schrift des Berliner Predigers JENISCH waren mindestens zwei weitere eingesandt worden, darunter ein heute im Akademiearchiv aufbewahrtes 104-blättriges Manuskript (I-M-934). FORMEY ordnet eine der Schriften, die kaum nach Erscheinen der Preisfrage eingegangen war, SCHWAB zu, die andere einem Göttinger Professor, bei dem es sich wahrscheinlich um Johann Gottfried EICHHORN handelte. Beide hielt er für nicht preiswürdig und schlug deshalb eine Verlängerung vor, die offensichtlich JENISCH die Beteiligung ermöglichte. Mit komparatistisch-empiristischem Anspruch verfasst, steht die Schrift JENISCHs im Kontext der großen Sprachensammlungen seiner Zeit, die entgegen vielfachen Behauptungen gerade keine Vorwegnahme der historischvergleichenden Methode kennzeichnen. JE-
854 NISCHs
Schrift stellt vielmehr einen Schlusspunkt der literaturorientierten, im Umgang mit sprachlichem Material weitgehend hypothetischen Sprachbetrachtung dar. JENISCH selbst verwendet den Ausdruck hypothetisch als Kennzeichnung seines Vorgehens und bringt seine Ahnung von einer bevorstehenden Hinwendung des Sprachvergleichs zur Empirie der Sprachen zum Ausdruck. Offensichtlich ist dem Verfasser bewusst, dass eine neue Art der Empirie in der Sprachforschung kurz vor dem Durchbruch steht, er betrachtet es jedoch nicht als seine Aufgabe, diese Entwicklung zu befördern. Aufschlussreich ist dabei auch die Umformulierung der Fragestellung der Akademie, die Autoren von Preisbewerbungsschriften vornehmen. Das erwähnte Manuskript I-M-934 von EICHHORN gibt eine im wesentlichen wortgetreue deutsche Übersetzung der französischen Formulierung der Akademie und nimmt damit eine dem Zeitgeist durchaus entsprechende Orientierung auf die sammelnde Beschreibung von Sprachen und den wertenden Vergleich der dabei gewonnenen Ergebnisse vor, die Ähnliches erwarten lässt wie die im einzelnen durchaus differenziert angelegten Werke von PALLAS, HERVÁS Y PANDURO oder ADELUNG. Dagegen formuliert JENISCH die gestellte Aufgabe ganz anders: Das Ideal einer vollkommenen Sprache zu entwerfen: die berühmtesten ältern und neuern Sprachen Europens diesem Ideal gemäß zu prüfen; und zu zeigen, welche dieser Sprachen sich demselben am meisten nähern? Der Maßstab für den wertenden Sprachvergleich wird somit a priori ausgehend von einem Ideal einer vollkommenen Sprache bestimmt (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Bemerkenswert ist dabei, dass JENISCH, indem er sich gegen die Vormachtstellung einer bestimmten Sprache ausspricht, zugleich die Reduzierbarkeit der Sprachen auf eine Universalgrammatik ablehnt und die prinzipielle Gleichrangigkeit der Sprachen gerade im Zusammenhang mit ihrer Vielfalt sieht (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Damit bereitet er eine Sprachbetrachtung vor, die sich vorurteilsfrei mit der Vielfalt der menschlichen Sprachen beschäftigt. Der Grund, weshalb JENISCHs Schrift, nicht der in ihrer Argumentation stringenteren und
III. Einheit und Vielfalt originelleren anderen Abhandlung der Preis zuerkannt wurde, ist jedoch ein offensichtlicher. Das Deutsche – so wird nämlich in dieser Göttinger Abhandlung festgestellt – sei eine arme Sprache (ĺ Reichtum). Zwar habe sie Bereicherung durch die Werke WOLFFs und weiterer Autoren erfahren, die wichtigste Ursache für ihre Armut bestehe jedoch darin, dass das Deutsche den Fremdwörtern kein “deutsches” Kleid umhängen könne, wie es das Englische und Französische mit griechischen, lateinischen und deutschen Wörtern durch entsprechende ‘Endungen’ können. Eine weitere Ursache bestehe darin, dass das Deutsche zwei ‘Hauptmundarten’ oder ‘eng verwandte’ Sprachen umfasse, das Ober- und Niederdeutsche, die sich nicht gegenseitig bereichern könnten (ĺ Dialekt). Die durchaus bemerkenswerte Diskussion dieser philologischen These war keinesfalls geeignet, die von der Akademie eigentlich gemeinte Problematik zu erhellen. Und letztlich schloss sich der Autor dieser stark an MICHAELIS erinnernden und auf altphilologische Gelehrsamkeit setzenden Preisschrift durch eine besonders unrealistische These aus dem Kreis der potentiell erfolgreichen Bewerber aus: auf die Frage, welche Sprache den Vollkommenheitskriterien am besten entspricht, gibt er im Unterschied zu MICHAELIS eine eindeutige Antwort: die griechische. Er verkennt damit das Anliegen der Akademie, mit der Diskussion zu dieser Preisfrage auch die eigenen Kommunikationsmöglichkeiten und Kommunikationspraktiken zu reflektieren und die sich vollziehende Abwendung vom Französischen als Wissenschaftssprache zu rechtfertigen. 3. Die wirkliche Empirie und die Realität ihrer Beschreibung Mit dem Anspruch empirischen Vorgehens hatte sich das 18. Jh. zur Antwort auf sprachtheoretische Fragen zweier Gedankenexperimente bedient, der fictio philosophica des allein aufwachsende Kinderpaares und andererseits der Beobachtung eines ohne Sprache aufgewachsenen Kindes, das in die menschliche Gesellschaft eingeführt wird, allerdings zu spät, um deren grundlegende Techniken zu erlernen. Für letzteres steht gegen Ende des Jahrhunderts eine historische Begebenheit, der sauvage d’Aveyron, der zur ersten im späteren Sinne wissenschaftlichen, d. h. nicht
Sprachvergleich und Sprachtypus mehr nur hypothetisch beobachtenden Behandlung des Problems Anlass gegeben hat. Aufgrund ihrer physischen Voraussetzungen am Spracherwerb Gehinderte und Wilde galten als lebende Beispiele der tabula rasa, auf der die allmähliche Ausbildung aller menschlichen Fähigkeiten beobachtet werden sollte (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell). Die zunehmende Konfrontation mit wirklicher Empirie führte dabei jedoch zu Problemen und Einschränkungen. Behinderungen, die den Spracherwerb ausschließen, lassen vielfach auch die Entwicklung von Denkfähigkeiten nicht zu (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Solche Beispiele eignen sich daher nicht sehr weit als Beobachtungsgegenstand. Mit der Veränderung der Haltung des aufgeklärten Bürgertums zur Neuen Welt gestand man schließlich auch so genannten primitiven Völkern autochthone Organisationsformen und einen gewissen Stand der kulturellen Entwicklung zu. Die amerikanischen Ureinwohner sind somit nicht mehr die stummen Tiere, als die sie zunächst betrachtet worden waren, sondern es wird ihnen durchaus eine semiotische Verarbeitung ihrer Wirklichkeit zuerkannt. Vor diesem Hintergrund ist es einleuchtend, dass die – aus ethischen Gründen freilich nur hypothetische – Beobachtung ausgesetzter Kinder in der Sprachdiskussion der Aufklärung zum Topos geworden ist (ĺ defizitärer Spracherwerb (sozial / physisch / kulturell)). Eine Möglichkeit, wirkliche und nicht nur hypothetische Empirie als Grundlage des Sprachvergleichs zu gewinnen, war mit den Sprachen der kolonisierten Gebiete gegeben. Auch in den Beschreibungen der Sprachen der neuen Welt fanden sich Ansätze des Sprachvergleichs. Dabei beschränkte man sich jedoch häufig auf Wörter und bis zu einem gewissen Grade auf pragmatisch bestimmbare Wendungen. Letztere ergeben sich zum Beispiel in den Beschreibungen der amerikanischen Sprachen, die in der Königlichen Spanischen Bibliothek in Madrid gesammelt wurden, aus sprachlichen Anforderungen der Lebensbewältigung und der religiösen Unterweisung durch Missionare. Inwieweit dabei sprachliche Funktionen überhaupt reflektiert und mit europäischen Sprachen verglichen wurden, ist zwei-
855 felhaft. Oft erscheint auch das Spanische gar nicht als Kontrastsprache, sondern es werden lediglich ganze Aussagen in zweisprachigen Katechismen gegenübergestellt, die ein Auswendiglernen nahe legen. In einigen Fällen werden jedoch vor dem Hintergrund des Spanischen durchaus differenzierte grammatische Betrachtungen vorgenommen, so etwa in der Darstellung von Verbformen (ĺ Verb) unter Berücksichtigung der beteiligten Aktanten. Zweifel an der linguistischen Qualifikation der als Missionare, Reisende, Naturforscher fremde Sprachen beschreibenden Personen sind sicher berechtigt, ebenso wie man in der Entwicklung der Grammatikographie sicher bescheinigen muss, dass sie grundlegende Unterschiede nur bedingt wahrnahm und auf die Kategorienvorgabe der griechisch-lateinischen Tradition zu beziehen suchte (ĺ Grammatik). Vorwiegend gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt sich jedoch eine Gattung von Texten, in denen dem Sprachvergleich ein zentraler Platz eingeräumt wurde, die Sprachensammlungen. Erwähnt seien PALLAS’ im Auftrag KATHARINAs II. entstandene Sammlung (1786), DENINAs Clef des langues (1804), HERVÁS Y PANDUROs Catálogo de las lenguas de las naciones conocidas (1800– 1805), sowie der Mithridates (1806–1817) von ADELUNG und VATER. Die Erklärung der Gründe für sprachliche Veränderungen bleibt bei DENINA im Rahmen der klimatisch-geographischen Einflüsse auf die menschlichen Lebensäußerungen. DENINA leitet davon eine deterministische Vorstellung von der Organisation des Menschen und seinen kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten ab, die er schrittweise bis hin zur Clef des langues korrigiert. Der deterministische geographische und klimatische Faktor der Differenzierung der Sprachen und Völker erscheint dort ergänzt durch Erziehung sowie kollektive Gewohnheiten. Nach ihrer erklärten Zielstellung sollte die Clef des langues dazu dienen, dass die Völker schneller Sprachen lernen, sie sei aber besonders den Sprechern des Piemontesischen nützlich, da sich deren Sprache ohnehin bereits auf einem Schnittpunkt befinde. Den mechanischen und auf der Klimatheorie basierenden Erklärungen DE BROSSES’ folgend, stellt DENINA fest, dass Unterschiede der Sprachen vor allem auf
856 Unterschiede in der physischen Organisation zurückzuführen seien (ĺ Universalität und Verschiedenheit). DENINA zieht zur Deutung des gemeinsamen Ursprungs der europäischen Sprachen die seit dem 17. Jahrhundert vor allem ausgehend von den Niederlanden verbreitete Skythentheorie heran (ĺ Ursprung). Die Besiedlung Europas erfolgte nach dieser Auffassung vom Osten her, und zwar ausgehend von Völkern nördlich des Kaspischen Meeres, die in zwei Richtungen wanderten: einerseits nach Persien und Indien, andererseits nach Europa. DENINAs Verdienst besteht dabei darin, diese Theorie von nationalistischen Umdeutungen, die sie im 18. Jahrhundert erfahren hatte, befreit zu haben. Diese nationalistischen Deutungen gingen davon aus, dass ein Rückführen der eigenen ethnischen Anfänge auf die archaischen Ursprünge überhaupt der eigenen Nation mehr Würde verleihen könnte. Als Beleg für die Vorläuferrolle DENINAs gegenüber der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts wurde seine Aufmerksamkeit für das Sanskrit herangezogen. Allerdings war er wohl eher in der Lage, besonders schnell und treffsicher Trends zu beobachten und bei anderen gelesene Informationen in eigenen Arbeiten wiederzugeben und zu verarbeiten. Der Hinweis auf das Sanskrit erscheint in der Clef des langues unter Bezugnahme auf SAN BARTOLOMEO. Auch die Beispiele für den Vergleich von Wörtern aus dem Lateinischen und dem Sanskrit, der die These von dem gemeinsamen, skythischen Ursprung der Völker stützen sollte, sind ausnahmslos von diesem Autor übernommen. Von den Studien der Akademie von Kalkutta und den Arbeiten von Sir William JONES, denen die Schlüsselrolle in der Aufwertung des Sanskrit zuerkannt wurde, hatte DENINA keine Kenntnis. Diese Feststellung könnte dazu beitragen, die Verbreitung von Wissen über das Sankskrit als eine Tendenz am Ende des 18. Jahrhunderts zu begründen, die letztlich auch auf eine breitere empirische Basis für zukünftige Aussagen über Sprachen und ihre Zusammenhänge hinauslief. Ausdrücklich auf die Begründung eines philosophischen Sprachvergleichs waren die Arbeiten des spanischen Jesuiten HERVÁS Y PANDURO, darunter auch sein Sprachenkata-
III. Einheit und Vielfalt log, gerichtet. Die Mythenbildung über HERVÁS Y PANDURO ist schon seit längerer Zeit mit der Realität konfrontiert worden. In der Tat hatte HERVÁS Y PANDURO nicht aus eigener Beobachtung, sondern durch das Studium von Schriften der aus Amerika nach Rom gegangenen Jesuiten Informationen über seinerzeit wenig bekannte Sprachen erhalten. Aber auch dies wäre schon beachtlich und würde die häufig vorgenommene Einordnung als Vorläufer der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft rechtfertigen, hätte HERVÁS Y PANDURO tatsächlich vorrangig Sprachen beschreiben und vergleichen wollen. Den Catálogo de las lenguas de las naciones conocidas (1800–1805) betrachtet HERVÁS Y PANDURO jedoch ausdrücklich als Fortsetzung seines anthropologischen Werks unter dem Gesichtspunkt der Verschiedenheit der Sprachen der Völker, ihrer Kultur und Geschichte. HERVÁS Y PANDURO trägt dabei einem erfahrungswissenschaftlichen Erkenntnisideal Rechnung und erklärt alle zu Erkenntnissen über die naturaleza, die Natur des Menschen führenden Verfahren für berechtigt. Gerade die ĺ Arbitrarität der sprachlichen Zeichen und ihre einzelsprachliche Verschiedenheit sind nach HERVÁS Y PANDURO Beweis für den übernatürlichen ĺ Ursprung, da ohne göttliches Eingreifen auf der Grundlage der gleichen Sinnesorgane der Menschen überall die gleiche Sprache entstanden wäre. Während die ĺ natürliche Sprache nicht nur für alle Menschen zu gleichen Ausdrucksformen führen würde, sondern sogar den Tieren in ähnlicher Weise zukomme (ĺ menschliche Lautsprache (vs. andere Zeichen)), beweise gerade die Verschiedenheit der arbiträren Lautsprachen, dass sie nicht aus der Natur heraus, sondern durch die ĺ Sprachverwirrung von Babel entstanden sind (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Diese anthropologische Zielstellung bringt HERVÁS Y PANDURO auch zum Ausdruck, wenn er die Sprachen zum geeignetsten Kriterium für eine Klassifizierung der Völker erklärt. 4. Sprachtypus Mit der Erkenntnis systematischer Zusammenhänge in einer Sprache, die über die vage Annahme ihres besonderen Charakters hinausging (ĺ besonderer Charakter einer Sprache), entwickelte sich im 18. Jahrhundert all-
Sprachvergleich und Sprachtypus mählich auch ein Begriff des ‘Sprachtypus’, der zunächst nicht terminologisiert wurde. Zu ihm gehört die Annahme mehrerer, zusammenhängender Eigenschaften von Sprachen, die in einer bestimmten Sprachgruppe auftreten. Für die Identifizierung dieser Sprachgruppe gab es keine genetischen, geographischen oder sonstigen Anhaltspunkte. Mitunter wurde auch ein gemeinsamer Grund angenommen, der die jeweiligen typologischen Eigenschaften hervorbringt. Als folgenreiche typologische Eigenschaft wurde das Fehlen der Nominalflexion angesehen (vgl. BEAUZÉE). Dadurch werde die Anordnung der Elemente eines Satzes bestimmt (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Das determinierende Wort folge im Normalfall stets dem Determinierten. Die Sprachen, die die Beziehung zwischen den Wörtern über die Wortstellung anzeigen, also einer analytischen Ordnung folgen, wurden analoge Sprachen (langues analogues) genannt. Ihr Gegenstück, die flektierenden Sprachen, wurden ebenfalls nach dem Kriterium der Wortstellung, die in ihnen freier ist und Transpositionen erlaubt, als transpositive Sprachen (langues transpositives) bezeichnet. Diese Unterscheidung geht auf GIRARD zurück, der sie in seinen Les vrais principes de la langue françoise; ou la parole réduite en méthode, conformement aux loix de l’usage (1747) ausdrücklich für eine noch fehlende terminologische Differenzierung einführte. Bald darauf wurde sie auch von anderen Autoren aufgegriffen und verbreitet, wozu insbesondere die Verwendung der Bezeichnungen langues analogues und langues transpositives durch BEAUZÉE im Enzyklopädieartikel Langue beitrug (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). COURT DE GÉBELIN, ein Kritiker GIRARDs, empfahl, die Termini analog durch lokal bzw. transpositiv durch frei zu ersetzen. Die Anzahl der Eigenschaften, die durch den analogen Charakter der Sprachen ausgelöst würden, wurde im Laufe der Zeit erweitert. Auch das Vorhandensein eines Artikels (ĺ Artikel) wurde den analogen Sprachen als Folge des Fehlens von Nominalflexion zugeschrieben, ebenso wie der häufigere Gebrauch von Präpositionen. Da die Beziehung zwischen den Wörtern über ihre Anordnung oder
857 durch die Flexion erkannt wird, bot sich dieses Kriterium für eine erste typologische Unterscheidung an. Die Bezeichnung langues transpositives für die flektierenden Sprachen wurde aus französischer Sicht geprägt, aus der die Kennzeichnung der Satzbeziehungen mittels der “natürlichen” Wortstellung als der Regelfall galt, während alle anderen Sprachen einfach anhand des davon abweichenden Merkmals des Transponierens von Satzgliedern benannt wurden (ĺ Syntax; ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Bei GOTTSCHED ist dagegen durchaus von gewissen Buchstaben oder Syllben die Rede, von Flexionsendungen also, die die Beziehungen im Satz markieren. Für THIÉBAULT stellen sich die Verhältnisse in den transpositiven Sprachen als Ergebnis der Veränderungen dar, die die Wörter durch Flexion erfahren. Im Enzyklopädieartikel Langue nimmt BEAUZÉE eine nochmalige Unterteilung der transpositiven Sprachen in freie und uniforme vor. In den freien transpositiven Sprachen könne der Sprecher die Satzteile beliebig nach seiner kommunikativen Absicht anordnen, in den uniformen Sprachen gebe es zwar Kasus, die Konstruktion der Sätze sei aber durch den ĺ Gebrauch festgelegt und könne nicht beliebig gewählt werden. Zu den uniformen transpositiven Sprachen zählt BEAUZÉE auch das Deutsche (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Der dritte Typus von Sprachen, für den GIRARD den Terminus langues mixtes oder auch die gelehrte Bezeichnung langue amphilogique gewählt hatte, stellt eine Mischung aus dem analogen und dem transpositiven Typus dar. Er umfasst Sprachen, die über Kasus verfügen und Inversionen zulassen können (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion), häufig jedoch syntaktischen Festlegungen (ĺ Syntax) folgen und ĺ Artikel sowie viele Präpositionen nutzen. Auch GIRARD exemplifiziert diesen Sprachtypus am Beispiel des Deutschen. Wie die Einordnung derartiger Sprachen als uniforme transpositive Sprachen zeigt, hatte sich GIRARDs Vorschlag zunächst nicht durchsetzen können. BEAUZÉE hatte ihn durch eine binäre und hierarchische Gliederung der Sprachtypen ersetzt.
858 Die Frage, ob die Flexion nur die nicht vorhandene Möglichkeit der Kennzeichnung von Beziehungen durch eine feste Wortstellung ausgleicht (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion), ob es umgekehrt ist oder ob beide Mittel, die Flexion und die feste Wortstellung, funktional gleichwertig sind, wurde ausgiebig diskutiert. Desgleichen wurde die Ausdrucksmöglichkeit der Kasus (ĺ Nomen) über Flexionsendungen oder durch vorangestellte Präpositionen thematisiert (vgl. MEINER). Auch wenn der Ausdruck des Kasus als absolutes Kriterium gesetzt wurde, ließen sich mehrere Möglichkeiten seines Ausdrucks annehmen. So benötige das Hebräische keine gesonderten Markierungen des Nominativs und des Vokativs, denn diese würden durch Kennzeichnungen beim ĺ Verb übernommen. Auch das Französische brauche keine morphologischen Markierungen des Nominativs und des Akkusativs, da diese beide aus der Stellung im ĺ Satz hervorgingen. In einigen Fällen wurde das Vorhandensein von Kasus bei fehlenden morphologischen Kennzeichnungen sogar ausdrücklich negiert (Enciclopedia metódica). Wenn die Grammatiker vom Vorhandensein eines Ablativs im Spanischen sprächen, geschehe dies in Analogie zum Lateinischen. Die Funktion der morphologischen Kasus haben längst die Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) und die Verwendung von Präpositionen übernommen. Auch die Vorzüge und Nachteile der analogen und der transpositiven Sprachen wurden erörtert und differenziert eingeschätzt. Im Allgemeinen wurde die größere Freiheit der transpositiven Sprachen zu kommunikativen Zwecken positiv gewertet, andererseits seien sie durch ihre flektiven Eigenschaften einer Fülle von Einschränkungen und Regeln unterworfen, die schwer zu behalten seien und außerdem zahlreiche Ausnahmen aufwiesen. Daneben wurden aber auch andere Kriterien für typologische Bestimmungen herangezogen. Zum Beispiel unterscheidet MEINER zwischen den Sprachen mit zwei (Singular, Plural) und drei Numeri (Singular, Plural, Dual). Auch der Ausdruck einer Pluralität wird in den einzelnen Sprachen unterschiedlich vorgenommen. Während es im Lateinischen durchaus möglich ist, von dem Sub-
III. Einheit und Vielfalt stantiv odium einen Plural zu bilden (odia), ist dies im Deutschen mit dem Wort Hass nicht möglich (*Hässe). Das Deutsche bediene sich hierfür gesonderter Wörter (mannigfaltig, verschieden, viele) und drücke die Pluralität durch deren Einbindung in den Satz aus (er hat sich vielerley Haß müssen gefallen lassen; er hat den Haß vieler Neider erdulden müssen). Adam SMITH entwickelte eine Hypothese von zwei Sprachtypen, die nicht zusammengesetzten (uncompounded, auch simple, primitive, original) Sprachen, die einen ursprünglichen Charakter mit Deklination und Konjugation besitzen und keine Beimischungen aus anderen Sprachen aufweisen, und die zusammengesetzten (compounded) Sprachen. Diese uncompounded Sprachen wären nach seiner Auffassung beibehalten worden, wäre es nicht zur Vermischung der Völker und Sprachen gekommen. Erst der Kontakt mit anderen Sprachen, d. h. der kommunikative Zwang zwischen zwei und mehr Nationen, führe zum Abbau eines komplizierten (intricate) Flexionssystems zugunsten eines periphrastischen Systems mit Präpositionen und Auxiliarverben. Im Ergebnis entsteht der compounded Typ. Die beiden Typenbezeichnungen compounded und uncompounded betreffen zunächst den historischen Prozess, werden aber auch auf das Strukturmerkmal ausgedehnt. Eine einfache, unzusammengesetzte Sprache wird durch Mischung zur zusammengesetzten Sprache, indem sie ihr Flexionssystem vereinfacht und – ästhetisch gesehen – für das Ohr weniger angenehm erscheint. Die beiden Sprachtypen sind somit für SMITH historische Stufen, die jede Sprache für sich alleine durchlaufen kann. Er exemplifiziert sie mit einer Reihe von Beispielen: Das Altgriechische ist ein uncompounded Sprachtyp, während das Lateinische schon compounded aus Etruskisch und Griechisch, das Französische aus Latein und Fränkisch, das Englische aus Angelsächsisch und Französisch, das Italienische aus Latein und “Lombardisch”, das Neugriechische aus Altgriechisch und Türkisch sei. SMITH, der seine typologischen Gedanken im Rahmen seiner Arbeit zum Sprachursprung entwickelte (A Dissertation on the Origin of Languages, or Considerations concerning the
Sprachvergleich und Sprachtypus First Formation of Languages and the Different Genius of Original and Compounded Languages, 1759; ĺ Ursprung), erweist sich mit seinen typologischen Überlegungen als spekulativer Denker. Ein deduktiv aus seiner Mischtheorie abgeleitetes Merkmal, das Vorhandensein eines Flexionssystems oder die Nutzung periphrastischer Konstruktionen, wurde auf die Sprachen je nach ihrer bekannten äußeren Geschichte projiziert. Eine umfassende Betrachtung des Sprachtypus strebte HERVÁS Y PANDURO unter der Bezeichnung artificio gramatical an. Dem grammatischen Bau der Sprachen schreibt HERVÁS Y PANDURO die Verantwortung für die Art und Weise zu, wie die einzelnen Völker ihre Ideen anordnen. Diese Ordnungsprinzipien könnten zwar durch Wissenschaften und Kultur verfeinert werden, jedoch niemals im grundsätzlichen Bau, der wegen seiner Stabilität als oberstes Prinzip für die Einteilung der Sprachen gelten sollte. Ein Sprachvergleich, der durch Verschiedenheiten der Wörter und Aussprachegewohnheiten hindurch vor allem den artificio gramatical betrachtet, werde ungeahnte Verwandtschaften zwischen Sprachen entdecken lassen. So könne man das Malayische als Ausgangssprache zahlreicher Inseldialekte erkennen, die sich über mehr als 200 Längengrade erstrecken, und über historische Zeiträume hinweg Zusammenhänge zwischen Völkern und ihren Sprachen feststellen. Diese sehr weitreichenden und über formale Ordnungprinzipien hinausgehenden typologischen Überlegungen korrelieren jedoch mit einer völlig anderen Deutung des Universellen am Wesen des Menschen (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Die Beziehung zwischen Sprache und Denken (ĺ kognitive Funktion der Sprache) betrachtet HERVÁS Y PANDURO in seiner anthropologischen Abhandlung El hombre físico (1800) analog zum Verhältnis von Körper und Geist. Da die Rationalität des Menschen nicht als Produkt seiner Sprachtätigkeit erklärt werden kann, erscheint ihm die Lehre von den eingeborenen Ideen als wahrscheinlich. Die Wechselbeziehung zwischen Sprache und Denken als zwei wesentlichen Eigenschaften des Menschengeschlechts bleibt für HERVÁS Y PANDURO auf die gegenseitige Herausarbeitung und Förderung des besonderen Charakters der Sprachen
859 und der Eigenarten der Völker beschränkt (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). In BERNHARDIs Begriff der unbedingten Form reflektiert sich eine universalistische Grundlage der Typologie (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Die unbedingte Form betrifft lediglich das allen Sprachen Notwendige und tritt in keiner Sprache als solche auf. Keine empirische Sprache entspreche diesem Ideal. Mit dem Begriff der empirischen Sprache führt BERNHARDI zugleich eine Dimension der Sprachbetrachtung ein, die für das kommende Jahrhundert die Entscheidende werden sollte. Seine Entgegensetzung der unbedingten Form zur empirischen Sprache entspricht seinem kantischen Ansatz, der jedoch für die weitere Entwicklung der Sprachwissenschaft nicht verfolgt wurde.
IV. Mit der Entstehung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft war die Zeit des spekulativen, häufig auf Hypothesen über Sprachen beruhenden Sprachvergleichs beendet. Zugleich trat eine Orientierung auf die genetischen Zusammenhänge der Sprachen ein, die typologische Fragestellungen zunächst in den Hintergrund treten ließ. Es gibt gute Gründe, den Beginn der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft mit den Arbeiten von BOPP, RASK, GRIMM und VOSTOKOV anzusetzen. Dennoch fällt es einer vorläuferorientierten Historiographie natürlich nicht schwer, Kontinuitäten festzustellen. In der Wissenschaftsgeschichte gibt es anhaltende Diskussionen um die Ende des 18. / Anfang des 19. Jahrhunderts immer zahlreicher und umfangreicher werdenden Sprachensammlungen. Derartige Sammlungen lieferten jedoch nur bedingt eine Materialbasis für eine wissenschaftlich betriebene vergleichende Sprachwissenschaft. Sie schlossen eher eine obsolet gewordene Epoche des Sprachdenkens ab, das sich fortan nicht nur anderer Methoden bedienen, sondern auch seine Daten auf anderen Wegen gewinnen sollte. Mit der Entstehung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft veränderte sich nicht nur die Datenlage, sondern man musste auch neu interpretieren, was seit längerer Zeit bekannt war. Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft
860 spielte die Entdeckung der Rolle des Sanskrits als Brücke zwischen den europäischen Sprachen und den indischen Dialekten. Der Prozess dieser Entdeckung durch die europäische Wissenschaft lässt sich weder als plötzlicher Sprung noch als lineare Akkumulation im Hinblick auf ein Ziel beschreiben. Der erste linguistische Kommentar stammt aus einem bis 1957 unveröffentlichten Brief des englischen Jesuiten Thomas STEPHENS in Goa aus dem Jahre 1583. In diesem Brief wird zwar das Sanskrit nicht explizit erwähnt, es werden aber strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen den indischen Dialekten, dem Griechischen und dem Lateinischen herausgestellt. 1586 schrieb der Florentinische Literat und Händler SASSETTI aus Indien über den Status des Sanskrit als gelehrte Sprache, wobei er lexikalische Gemeinsamkeiten mit dem Italienischen, insbesondere die Numeralia 6 bis 9 sowie Bezeichnungen für ‘Gott’ und ‘Schlange’ erwähnte. Im 17. Jahrhundert begannen Sanskritstudien unter dem Einfluss der Jesuiten und Missionare verschiedener Konfessionen. Dieser Sammeleifer hatte auch im 18. Jahrhundert angehalten. PONS hatte 168 Sanskrit-Manuskripte nach Europa geschickt. Vor allem war jedoch die Kenntnis der indischen Kultur zur kolonialen Notwendigkeit geworden. In diesem Zusammenhang hatte DOW (1768) vermutet, dass die Brahmanen das Sanskrit nach rationalen Prinzipien geschaffen haben, um darin ihre Religion und Philosophie auf mysteriöse Weise aufzubewahren. Darauf aufbauend hatte MEINER auffällige Gemeinsamkeiten des Sanskrit mit anderen Sprachen damit erklärt, dass die Brahmanen ihre künstliche Sprache nach griechischem Muster gebildet hätten. Nachdem – ganz dem konzeptuellen Hintergrund der Diskussion um die europäischen Volkssprachen folgend – der ‘Reichtum’ des Sanskrit festgestellt worden war (ĺ Reichtum), wurde durch Sir William JONES ein neuer Impuls gegeben. Als Richter des obersten Gerichtshofes in Kalkutta interessierte ihn das Sanskrit aus juristischen Gründen, denn er wollte Fundiertheit und Authentizität der Rechtsauffassungen prüfen. Er kommt 1786 zu seiner berühmt gewordenen Aussage über die gemeinsamen Ursprünge des Sanskrit, des Gothischen und des Keltischen. Wenngleich
III. Einheit und Vielfalt diese Aussage später retrospektiv in den Rang einer Charta der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft erhoben wurde, so ging es für JONES eher um die Suche nach dem ĺ Ursprung der Kultur in Kunst, Recht, Wissenschaft, Religion und Philosophie. Für seine Hypothese, dass die indoeuropäischen Sprachen auf dieselbe Ausgangssprache zurückzuführen sind, konnte JONES zu seiner Zeit keinen empirischen Nachweis führen. Zeitgleich wurde für Gemeinsamkeiten mit anderen Sprachen noch die Erklärung verbreitet, dass ins Sanskrit entlehnt worden sei. Korrigierend wirkte jedoch auch die 1789 von SAN BARTOLOMEO vorgenommene und vor allem für den Gebrauch der Geistlichen bestimmte Zusammenstellung des Wissens über Indien. Zugunsten der Annahme eines gemeinsamen Ursprungs wurden darin Erklärungen der Gemeinsamkeiten durch Kontakt und Entlehnung ebenso abgelehnt wie skythische Ursprünge. Schließlich veröffentlichte in Petersburg ALTER 1799 seine Sanskrit-Wortliste, die eine wichtige Quelle für HERVÁS Y PANDURO und ADELUNG wurde. ADELUNG hatte die Forschungen JONES’ durchaus gekannt und erwähnt sie auch im Mithridates, wertet sie jedoch als Übertreibung in der Wichtung dieser Sprache. Nach einer deskriptiven Charakteristik, zu der unter anderem Mehrsilbigkeit, das Verhältnis von Vokalen und Konsonanten, Wortarten und Flexion gehören, folgt eine Darstellung unter der Überschrift Übereinkunft vieler Wörter des Sanskrit mit den Wörtern anderer alter Sprachen (ADELUNG / VATER 1806–1817, I, 149) (ĺ Vokal; ĺ Konsonant; ĺ Wortarten). Es handelt sich um eine 26 Seiten umfassende reine Aufzählung, wobei sich ADELUNG selbst zum Fehlen einer Methode bekennt. Im Unterschied zu ADELUNG war es HERVÁS Y PANDURO, der dieselben Quellen benutzt, mehr um Filiationsverhältnisse zwischen den Sprachen gegangen. Die Sprache der Brahmanen wird von ihm als Ausgangspunkt mehrerer Dialekte gesehen (ĺ Dialekt), deren Filiation vor allem anhand der Sprachbezeichnungen selbst beschrieben wird: Dabei spielen Laut-Buchstaben-Vergleiche, wenngleich auf wenig reflektierter Ebene, durchaus eine Rolle (ĺ Laut vs. Buchstabe). Die histori-
Sprachvergleich und Sprachtypus sche Dimension ist bei HERVÁS Y PANDURO insofern vertieft, als er eine Anteriorität des Sanskrit gegenüber anderen Sprachen annimmt, was ihn linear zur Annahme von Entlehnungen aus dem Sanskrit ins Griechische, und ausdrücklich nicht umgekehrt, führt. Die Behandlung des Sanskrit im Verhältnis zu den anderen indogermanischen Sprachen bei BOPP unterscheidet sich von den bloßen Auflistungen bereits durch die Annahme von Sprachstufen, die mehr oder weniger konserviert werden können und nicht mit geographischer Nähe korrelieren müssen. Die eigentliche Innovation besteht bei ihm nicht in der Anordnung und im Vergleich des Materials – beides findet sich mindestens bei HERVÁS Y PANDURO, in Ansätzen auch bei ADELUNG – sondern in der Feststellung charakteristischer Gesetzmäßigkeiten für bestimmte Wirkungszeiträume. BOPP charakterisiert diese Ansicht 1823, also nur wenige Jahre nach den genannten Sprachensammlungen folgendermaßen: “Die vergleichende Zergliederung grammatischer Formen, welche wir hier eröffnen, wird nicht nur das nähere und entferntere Verhältnis der obengenannten Sprachen zu dem Sanskrit entwickeln, sondern auch zeigen, in wiefern mehrere unter ihnen neben der allgemeinen Verwandtschaft noch durch ein näheres mehr spezielles Band an einander geknüpft sind” (BOPP 1972: 122–123). Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft hat sich im 19. Jahrhundert als akademisches Fach etabliert und konnte mit Hilfe des Sprachvergleichs ĺ Ursprung und Verwandtschaftsbeziehungen zwischen einzelnen Sprachen untersuchen und Sprachfamilien erstellen. Auf die Betrachtung der genetischen Beziehungen sind auch die aus ihr hervorgegangenen Einzeldisziplinen ausgerichtet, wie beispielsweise die indogermanische Sprachwissenschaft, die Semitistik oder die FinnoUgristik. Erst durch die historisch-vergleichende Betrachtung von Sprachen etablierten sich philologische Fächer wie Germanistik, Anglistik oder Romanistik als eigenständige Wissenschaften und Studienrichtungen. Ältere Sprachstufen untersuchte man anhand von Texten in Form von Grammatiken, Wörterbüchern und Sprachgeschichten. Die historischvergleichende Sprachwissenschaft stellte dabei die Mittel zum Verständnis der älteren
861 Texte zur Verfügung, was wiederum zum Verständnis der Vorstufen der Sprachgemeinschaften und Kulturgemeinschaften führen konnte. Während die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft diachrone Forschungen betreibt, ist der Sprachvergleich in der kontrastiven Linguistik synchron und befasst sich mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden zweier oder mehrerer Sprachsysteme auf phonologischphonetischer, morphologischer, syntaktischer, semantischer und teilweise auch pragmatischer Ebene. Ansätze dazu finden sich bereits in Sprachvergleichen des 18. Jahrhunderts, z. B. zur unterschiedlichen Realisierung von Lauten oder zur Gestaltung von Synonymieverhältnissen (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen), und sie war auch im 19. Jahrhundert abseits der akademischen Sprachwissenschaft in Arbeiten zur Sprachbeschreibung und zum Sprachunterricht durchaus vertreten. Einen systematischen Aufschwung nahm die kontrastive Linguistik jedoch erst in den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf der Grundlage der Rezeption der strukturellen Linguistik und im Zusammenhang mit Bestrebungen um eine neue Grundlage für einen effektiveren Fremdsprachenunterricht (ĺ Spracherwerb). Die Sprachtypologie beruht auf systematischem Sprachvergleich und gelangt zur Klassifizierung von Sprachen anhand grammatischer Merkmale (ĺ Grammatik). Die typologische Klassifikation unterscheidet sich von der genetischen Klassifikation, welche Sprachen nach primären etymologischen Ursprüngen (ĺ Etymologie) in Sprachfamilien einordnet, und von der geographischen Klassifikation, welche Sprachen nach geographischen Kriterien in Sprachbünden gruppiert. Eine typologische Klasse wird Sprachtyp genannt. Als Begründer einer Sprachtypologie wird im Allgemeinen Friedrich SCHLEGEL mit seiner Arbeit Ueber die Sprache und Weisheit der Inder. Ein Beitrag zur Begründung der Alterthumskunde (1808) genannt. Der Romantiker SCHLEGEL hatte eine fast schwärmerische Beziehung zum Sanskrit, das er als ursprüngliche und flexionsreiche Sprache verehrte. Dagegen gehe die Schönheit und Kunst der Struktur durch den Hang zur Vereinfachung
862 und zum Verlust komplexer Formen mehr und mehr verloren, was beim Vergleich alter und neuer germanischer, romanischer und indischer Sprachen zu erkennen sei. Die von GIRARD und BEAUZÉE in der Bewertung am höchsten eingestuften flexionsarmen analytischen Sprachen spielen für SCHLEGEL eher eine negative Rolle. Ein Einfluss der beiden französischen Grammatiker ist von daher unwahrscheinlich. Wie andere Autoren vor ihm geht jedoch auch SCHLEGEL von der Art der Herstellung der Beziehungen im Satz aus und nimmt zwei Hauptgattungen von Sprachen nach ihrem inneren Bau an: Flexionssprachen und Nichtflexionssprachen. Zur ersten Hauptgruppe möchte er nur das Indische (gemeint ist das Sanskrit) mit allem, was aus ihm abgeleitet ist, rechnen, zur zweiten alle anderen Sprachen der Erde, also auch die semitischen Sprachen und das Chinesische. Von der altindischen ĺ Grammatik übernimmt SCHLEGEL den Begriff der Wurzel mit einer Grundbedeutung, aus der sich durch “innere Veränderung” die Flexion bilde, die zum Ausdruck von Nebenbestimmungen und Verhältnisbegriffen dient. Am Anfang stünde dabei das Indische, dem Griechisch und “Römisch” (= Latein) und später andere indoeuropäische Sprachen folgen würden; nur im “Keltischen” werden “noch” Spuren einer Suffixgrammatik gefunden, weshalb SCHLEGEL dem Keltischen nur geringfügige oder gar keine Verwandtschaft mit dem Indischen usw. zumisst. Da für ihn die Wurzel eine Art Keim ist, aus der die Flexion durch innere Veränderung entsteht, scheiden Affigierungen, die ohnehin zur zweiten Hauptgattung gehören, als genealogisches Merkmal für die Flexionssprachen aus. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts gab es mehrere neuirische Grammatiken, aus denen SCHLEGEL leicht hätte erkennen können, dass gerade im “Keltischen” eine innere Flexion vorkommt, z. B. frecraim (‘er antwortet’) / frisgart (‘er hat geantwortet’), ebenso wie in den semitischen Sprachen, denen SCHLEGEL sogar die Existenz einer Wurzel zunächst abspricht. Natürlich ist es ebenso falsch, den indoeuropäischen Sprachen die Affigierung abzusprechen. Während es in der ersten Hauptgattung die Wurzeltheorie sowie die Hypothese, dass das Sanskrit die Mutter
III. Einheit und Vielfalt der klassischen Sprachen sei, waren, die BOPP in öffentlicher und brieflicher Auseinandersetzung bis zur Zerreißprobe seiner Freundschaft mit SCHLEGEL widerlegte, gab es in der zweiten, umfangreichen Hauptgattung ebenfalls viele Ungereimtheiten. Grotesk ist zum Beispiel die Erklärung der Struktur des Chinesischen: Im Rahmen seiner Charakteristik der zweiten Hauptgattung, die im Wesentlichen auf Affigierung von Wörtern und Partikeln (ĺ Partikel) beruhe, muss SCHLEGEL eine Stufenfolge ansetzen, bei der Mischung oder kunstreiche Ausbildung mitwirken. Dem Chinesischen wird dann die fast das ganze 19. Jahrhundert überdauernde “einsilbige” Wortstruktur zugeschrieben, die SCHLEGEL offensichtlich unkritisch von Autoren des 18. Jahrhunderts übernommen hat. SCHLEGEL kam schließlich zu dem Ergebnis, die Sprache dieser sonst so verfeinerten Nation stünde gerade auf der untersten Stufe, weil sie durch das so äußerst künstliche Schriftsystem zu früh fixiert worden sei (ĺ Schrift). SCHLEGEL übersieht dabei, dass sich Sprachen immer in der kommunikativen Praxis entwickeln und dass Schriftsysteme im Altertum nur von Priestern, Gelehrten und Administratoren verwendet wurden und infolgedessen keinen Einfluss auf die “Nationen” haben konnten. Schließlich übersieht er auch, dass dieselbe Schrift im Japanischen nicht entwicklungshemmend war. Die amerikanischen Sprachen stehen nach SCHLEGEL auf niederer Stufe, weil ihnen uns geläufige Buchstaben (gemeint sind Laute; ĺ Laut vs. Buchstabe) wie b, d, f, g usw. fehlen bzw. weil ihnen eine eigensinnige Vorliebe für gewisse zusammengesetzte Laute wie tl eigen ist. Abgesehen davon, dass die angeführten Fakten nicht mit der Realität übereinstimmen oder auch einfach mangelhaft waren (wie z. B. die Interpretation des eigensinnigen tl, das gar keine Lautverbindung darstellt, sondern ein dental-lateraler Affrikat, also ein Laut ist), lässt die Phonetik keine Stufenaussagen zu. SCHLEGEL verstößt zudem gegen sein rein grammatisches Kriterium. Obwohl F. SCHLEGEL mehrfach mit Bewertungsstufen arbeitet, betont er, dass er keinesfalls die eine Hauptgattung “ausschließend” erheben wolle.
Sprachvergleich und Sprachtypus Der ältere Bruder August Wilhelm SCHLEGEL ist der erste Typologe, der nicht von zwei disjunkten Mengen ausgeht. Er hatte ausdrücklich die Klassifikation seines Bruders übernommen, aber die so genannten einsilbigen aus Friedrich SCHLEGELs Klasse der nichtflektierenden Sprachen herausgenommen und zu einer selbständigen Klasse erhoben. Schließlich hat er unabhängig von seinem Bruder die Flexionsklasse noch in zwei genres unterteilt, um dem Wandel flektierender Sprachen von ‘synthetischen’ zu ‘analytischen’ Sprachen gerecht werden zu können. Diesen Unterschied hatten sowohl die französischen Grammatiker als auch Adam SMITH bereits bemerkt. Systematisch gesehen unterscheidet A. W. SCHLEGEL 1. Sprachen ohne jegliche grammatische Struktur, 2. Sprachen, die Affixe verwenden und 3. Flexionssprachen. Die erste Klasse wird mit dem Chinesischen belegt, das beide SCHLEGELs nicht näher kannten. Es wird deshalb falsch charakterisiert: es habe nur eine einzige Art von Wörtern, die sich nicht entwickeln könnten, also racines steriles seien. Bei der zweiten Klasse spielen die Affixe zum Ausdruck von Nebenbestimmungen die Hauptrolle. Den Affixen bleibe bei isolierter Verwendung noch ihr vollständiger Sinn erhalten. Die semitischen Sprachen, die F. SCHLEGEL hier eingliedert, konnte A. W. SCHLEGEL nicht mit Sicherheit unter die zweite Klasse einordnen, weil er diese Sprachen, deren Rolle so wichtig für die Geschichte des Menschengeschlechts sei, nicht studiert habe. Für ihre Einordnung unter die dritte Klasse sei jedoch ihre Struktur zu sehr von der griechischen oder sanskritischen verschieden. Auch sei er sich nicht klar, ob Sprachen von einer Klasse in die nächste überwechseln könnten. Der höchste Rang gebührt nach A. W. SCHLEGEL den am meisten kultivierten Sprachen der dritten Klasse, weil allein sie als langues organiques eine végétation abondante et féconde besitzen. Es bestehen heute verschiedene Ansätze der Sprachtypologie, die teilweise Berührungspunkte miteinander und mit sprachtypologischen Überlegungen des 18. Jahrhunderts aufweisen. Am deutlichsten sind diese Berührungspunkte in der Wortstellungstypologie (ĺ Wortstel-
863 lung / ordo naturalis / Inversion), die an die von GIRARD eingeführte Unterscheidung von analogen, transpositiven und gemischten Sprachen erinnert. Die neuere Wortstellungstypologie, die an die Universalienforschung von GREENBERG anknüpft, sucht nach allgemein auftretenden Strukturgesetzmäßigkeiten in den Sprachen der Welt. Sie klassifiziert Sprachen nach der Reihenfolge von Subjekt, Objekt und ĺ Verb im Satz. Dabei werden die Typen der Abfolge der Komponenten häufig einfach “Typ der Sprache” genannt: 1. SVO Subjekt-Verb-Objekt, z. B. Englisch, Chinesisch, Französisch, Russisch; 2. SOV Subjekt-Objekt-Verb, z. B. Türkisch, Japanisch, Latein, Persisch; 3. VSO Verb-Subjekt-Objekt, z. B. Gälisch, Walisisch, Aramäisch, Tagalog, Standardarabisch; 4. VOS Verb-Objekt-Subjekt, z. B. Malagasy, Javanesisch; 5. OSV Objekt-Subjekt-Verb, z. B. Xavante; 6. OVS Objekt-Verb-Subjekt, z. B. Guarijio. Da allerdings in fast allen Sprachen das Subjekt dem Objekt vorausgeht, treten die Typen VOS, OSV und OVS nur vereinzelt auf. Bei der Klassifikation des Deutschen nach der Wortstellungstypologie tauchen wiederum Schwierigkeiten auf, was seine Einordnung als “gemischte Sprache” durch GIRARD bereits ahnen lässt. Das deutsche ĺ Verb wird oft in mehreren Teilen über den Satz verteilt, und Subjekt und Objekt können auch dazwischen platziert werden: Gestern hat Max Moritz gesehen. Da sich das gebeugte Prädikat (unabhängig von der Position von Subjekt und Objekt) in jedem Fall an der zweiten Stelle eines Hauptsatzes befinden muss, werden Sprachen wie das Deutsche daher häufig als V2-Sprachen klassifiziert. Allerdings wird häufiger die im Nebensatz verwendete Reihenfolge als Grundwortstellung angenommen, da dort das Subjekt eine feste Position einnimmt und die einzelnen Teile des Verbs nicht voneinander getrennt werden können. Auf diese Weise wird das Deutsche als Sprache mit Verbendstellung charakterisiert: SOV dass Max Moritz gestern gesehen hat. Einige Sprachen, insbesondere stark flektierende wie das Lateinische, bereiten bei der Einordnung in dieses System besondere Probleme, da sie im Grunde jede beliebige Reihenfolge von Verb und Objekt zulassen (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion).
864 Ein anderer typologischer Ansatz ist die von August Wilhelm SCHLEGEL und HUMBOLDT entwickelte morphologische Typologie. Sie teilten die Sprachen aufgrund morphologischer Kriterien in synthetische und analytische Sprachen ein und setzen damit – wie bereits GIRARD – die Art des Herstellens der Verbindungen zwischen den Wörtern als Grundkriterium an. Synthetische Sprachen drücken syntaktische Verhältnisse im ĺ Satz zumindest teilweise durch Affixe aus (ĺ Syntax). Die synthetischen Sprachen wurden weiter in flektierende, fusionale, agglutinierende, und polysynthetische eingeteilt. Während bei den agglutinierenden Sprachen jede grammatische Kategorie (ĺ Grammatik) durch ein einzelnes Affix vertreten wird, drückt in den fusionalen Sprachen ein Affix den Wert mehrerer grammatischer Bestimmungen aus. Die fusionalen Sprachen verwenden weniger Affixe, und Affixe, welche nicht nur eine, sondern mehrere grammatische Kategorien ausdrücken. So werden im Affix -t in der lateinischen Form clamat (er / sie / es ruft) Informationen zu Person, Numerus, Zeit, Modus und Genus Verbi, in diesem Fall “3. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv”, in ein einzelnes Affix fusioniert. In einer agglutinierenden Sprache wird dagegen eine Bedeutungseinheit, beispielsweise ‘Plural’, ‘Kasus’, ‘Besitz’, durch ein einzelnes Affix ausgedrückt. Die finnische Wortform taloissani ‘in meinen Häusern’ kann folgendermaßen zerlegt werden: talo (‘Haus’) + i (Plural) + ssa (Inessiv, ‘in’) + ni (zeigt Besitz durch eine 1. Person Singular an, ‘mein’). Analytische Sprachen verwenden für die syntaktische Funktion (ĺ Syntax) Wortstellungsregularitäten oder Funktionswörter. Die analytischen Sprachen umfassen die Gruppe der isolierenden Sprachen, zu der auch das Chinesische gehört. Bei diesen wird die grammatische Funktion eines Wortes durch dessen Position innerhalb eines Satzes deutlich gemacht wird (ĺ Grammatik). Es gibt keine Kasus, Präpositionen oder sonstige Satzbeziehungsmittel die diese Funktion übernehmen würden. Darüber hinaus gibt es weitere Arten der Typologie, wie die relationale Typlogie, die für ihre Klassifizierung die Umsetzung grammatischer Relationen einbezieht (Aktiv-, Erga-
III. Einheit und Vielfalt tiv- und Nominativsprachen) und die phonologische Typologie, die zwischen akzentzählenden und silbenzählenden Sprachen unterscheidet. Es ist möglich, Sprachtypologien Kriterien aus allen Teildisziplinen der Linguistik zugrunde zu legen.
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Dialekt I. Lat. dialectus, dt. Mundart, dialectus, der Dialekt; engl. dialect; frz. le / la dialecte, façons de parler des Provinces, patois, jargon; it. dialetto, volgare, volgar parlare; span. dialecto. Für die Bezeichnung der nicht standardisierten regionalen Sprachvarietäten war im 17. und 18. Jahrhundert der aus dem Griechischen stammende Terminus Dialekt (gr. ǻȚȐȜİțIJȠȢ; vgl. įȚĮȜȑȖȠȝĮȚ, dialegomai ‘miteinander reden’) gebräuchlich. Er bezeichnete von einer als Norm empfundenen Sprachform abweichende Sprechweisen. Der Terminus wurde allerdings teilweise zögerlich verwendet, worauf die in deutschen Texten auftretende lateinische Form dialectus und die Genusvarianz im Französischen hindeutet. VON ZESEN hatte als Sprachpurist, der mit Neologismen den Wortschatz der deutschen Literatursprache erweitern wollte, dafür das Wort Mundart eingeführt, das häufiger als Dialekt verwendet wurde. II. (ALDRETE [1606] 1970: 190–191): Mui
diferente razon es la de los modos de dezir, i generos de hablar, que los Griegos llaman dialectos […]. Porque estos, como dizen los que dellos mejor sienten, consisten en vna cierta propriedad en el hablar, con la qual no se va-
ria, ni muda la lengua, sino se acomodan los vocablos aun modo recibido, i admitido por los, que hablan bien en ella, o por lo menos al vso de la tierra, aunque no sea el mas elegante. Por lo qual los de vna misma prouincia, hablando vna misma lengua, siendo de diferentes partes, se conocen, i distinguen entre si por los varios modos de dezir, con que se habla diuersamente en cada lugar, bien que la lengua sea toda vna. (ALDRETE [1606] 1970: 191): De lo qual consta, que estos modos de hablar son diuersos en vna misma lengua conforme la variedad, i diuersidad de los lugares; i tambien consta que son mui accidentales en la lengua, la qual no depende dellos. Algunos destos son mas vniuersales, porque generalmente an sido admitidos por su buen agrado, i cada dia se reciben de nueuo de otras lenguas, i con el vso se hazen proprios, porque se dizen con vocablos, i gramatica de nuestra lengua, lo qual no fuera assi, si en ello consistiera lo principal, i essencial de la lengua. Otros ai, que no corren tan vniuersalmente a solo se conseruan donde nacieron, porque no merecen salir de aquel termino. (MERSENNE [1636] 1975: II, 61): Or cecy n’empesche pas que quelques-uns n’ayent la langue, ou les autres parties qui contribuent à
Dialekt former les dictions, plus propres à prononcer de certaines syllabes les uns que les autres, mais puis que cela arrive dans un mesme climat, il n’est pas necessaire d’en rapporter la cause à la difference du ciel, de l’air, ou de la terre. (DESCARTES [1637] 1840: 14): Ceux qui ont le raisonnement le plus fort et qui digèrent le mieux leurs pensées afin de les rendre claires et intelligibles, peuvent toujours le mieux persuader ce qu’ils proposent, encore qu’ils ne parlassent que bas-breton et qu’ils n’eussent jamais appris de rhétorique […]. (VAUGELAS 1647: Rem. II, 7): II ne faut pas insensiblement se laisser corrompre par la contagion des prouinces en y faisant vn trop long seiour […]. (VAUGELAS 1647: Rem. X, 2): […] des façons de parler des Provinces, qui corrompent tous les iours la pureté du vray langage François […]. (COMENIUS [1648] 1978: 44): 23. Dialectus verò, est peculiaris loqvendi, aut certè eloqvendi, seu enuntiandi, ratio, in Lingva eadem: prout eam aliter, aut aliô accentu, loqvuntur hîc, qvam alibi. Volubilissimum enim membrum est Lingva, in infinitas sonorum formas transformabilis: qvicunqve diversè habitant, mox etiam diversùm sonant. Aurium verò judicium admodum est delicatum, exiguas etiam notat differentias. Hinc est, qvod Germanus Germanum, Gallus Gallum, Polonus Polonum &c. vix satis intelligat, qvi paulò remotius ab invicem habitant: ut Helvetius Silesium, Silesius Pomeranum &c. Qvælibet Regio, propemodum Urbs, propriam habet Dialectum, peculiarem scilicet dicendi characterem: saltem respectu dictionum qvarundam, alibi inusitatarum: vel pronuntiationis, à consvetudine aliorum recedentis. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Dialecte, 1694): DIALECTE. s. m. Langage particulier d’une ville ou d’une province, dérivé de la Langue generale de la nation. La Langue Grecque a differents dialectes. (LEIBNIZ [1697] 1908: 336): 32. Der Grund und Boden einer Sprache, so zu reden, sind die Worte, darauff die Redens-Arten gleichsam als Früchte herfür wachsen. Woher dann folget, dass eine der Haupt-Arbeiten, deren die Teutsche Haupt-Sprache bedarff, seyn
867 würde eine Musterung und Untersuchung aller Teutschen Worte, welche, dafern sie vollkommen, nicht nur auf diejenige gehen soll, so jederman brauchet, sondern auch auf die so gewissen Lebens-Arten und Künsten eigen. Und nicht nur auf die so man Hochteutsch nennet, und die im Schreiben anietzo allein herrschen, sondern auch auff PlatTeutsch, Märckisch, Ober-Sächsisch, Fränckisch, Bäyrisch, Oesterreichisch, Schwäbisch, oder was sonst hin und wieder bey dem Landtmann mehr als in den Städten bräuchlich. Auch nicht nur was in Teutschland in Ubung, sondern auch was von Teutscher Herkunfft in Holl- und Engelländischen: worzu auch fürnehmlich die Worte der Nord-Teutschen, das ist der Dänen, Norwegen, Schweden und Issländer (bey welchen letztern sonderlich viel von unser uralten Sprach geblieben,) zu ziehen. Und letzlichen nicht nur auff das so noch in der Welt geredet wird, sondern auch was verlegen und abgangen, nehmlichen das Alt-Gothische, Alt-Sächsische und Alt-Fränckische, wie sichs in uralten Schrifften und Reimen findet, daran der treffliche Opiz selbst zu arbeiten gut gefunden. Denn anders zu den wahren Ursprüngen nicht zu gelangen, welche offt die gemeinen Leute mit ihrer Aussprache zeigen, und sagt man, es habe den Käyser Maximilian dem I. einsmahls sonderlich wohl gefallen, als er aus der Aussprache der Schweitzer vernommen, dass Habsburg nichts anders als Habichtsburg sagen wolle. (MURATORI 1706: 619): Che se tanta necessità di studiar la Lingua hanno i Fiorentini, e Toscani stessi, cotanto privilegiati dalla Natura: quanto piú ne avranno coloro, che nascono in Città, o Provincie d’Italia, ove son corrotti, rozzi, e difettosi i dialetti della Lingua, e dalle balie questi soli s’insegnano? (MURATORI 1706: 620): Segue poscia a dire, che l’Italia è principalmente divisa in tredici Volgari, ognun de’quali è differente dall’altro. Anzi aggiunge, potersi affermare, che non solamente una Provincia dall’altra, ma una Città dall’altra, e una parte della Città da un’altra è differente nel parlar Volgare. Appresso ci fa saper questo Autore, che in niuna delle mentovate favelle Volgari consiste il vero, ed eccellente parlar d’Italia, dovendo questo esser comune a tutti gl’Italiani, e privo
868 di difetti: le quali due condizioni non si verificano in alcun volgar parlare d’Italia, e né pure in quel de’ Toscani. (MURATORI 1706: 624): […] necessario a noi tutti lo studio della Gramatica, e de’ piú purgati Autori, non solamente per fuggire il biasimo di parlare, e scriver male, ma per ottener la gloria di scrivere, e parlar bene la Lingua nostra. Senza un tale studio né si schivano i solecismi, e barbarismi; né può la Prosa, o il Verso seco portar leggiadria. Ora due sono i frutti, che si cavano dalla Gramatica, cioè quello di saper ben pronunziar le parole, o di usarle senza difetto. E l’altro consiste nel saper leggiadramente scrivere. Certo è, che ne’ tempi nostri, ne’ quali si è tornato a coltivar la Lingua, reca noia qualche Lombardo, che sul pergamo non sa pronunziare il C. dicendo in vece di certo, perciò, nocivo, pace: zerto, perziò, nozivo, paze; o chi poi pronunzia per C que’ vocaboli, che s’han da pronunziare con CH, come Ciesa, Ciostro, Occi, Riciede, Ciave, in vece di Chiesa, Chiostro, Occhi, Richiede, Chiave […]. (Diccionario de la lengua castellana 1726– 1739: I, § 9, xy) En el cuerpo de esta obra, y en el lugar que les corresponde, se ponen várias voces peculiares y própias, que se usan freqüentemente en algunas províncias y réinos de España, como en Aragón, Andalucía, Astúrias, Murcia, &c. aunque no son comúnes en Castilla: y en las de Aragón se omiten las que vienen de la Léngua Lemosina, y no están autorizadas con los Fueros, Leyes, y Ordonanzas de aquel reino. (LARRAMENDI 1728: 12–15): De los dialectos del Bascuenze. El dialecto en una Lengua no es otra cosa, que una nota, diferencia, ò caracter distinto de la misma Lengua, que no le estilan todos los que hablan aquella Lengua, sino que se habla en algunos parages, ò Provincias determinadas. Pues como el Griego v. g. entre otros menores dialectos tiene, ò tuvo quatro principales, el Dórico, Eólico, Jónico, Attico; assi el Bascuenze tiene el dialecto Guipuzcoano, del Señorio, ò Bizcaíno, y Navarro, ò Labortano, que comunmente es uno mismo, aunque ay bastante mezcla de los demás, dialectos; y es tambien lo que sucede en Alaba, que participa de todos ellos, mas ò menos sincopados, y variados. La diferencia está, que los dialectos del Bascuenze son muy
III. Einheit und Vielfalt arreglados, y consiguientes, como inventados con estudio, discrecion, y oportunidad: lo que no tenian, ni tienen los dialectos Griegos, y otros en otras muchas Lenguas. Y como el Griego tiene aquel cuerpo de Lengua, que llamaban comun, assi tambien el Bascuenze tiene su cuerpo de Lengua, comun y universal à todos sus dialectos. Este cuerpo del Bascuenze incluye todos los nombres, y verbos, tomados en sí mismos, esto es, tomados como declinables, y conjugables, y todas las demás partes de la oracion, todos los modos del infinitivo, &c. en que no ay diferencia alguna. Los dialectos pues se reducen à las declinaciones del nombre, y pronombre, que consisten en los articulos, y à las conjugaciones del verbo, que consisten en terminaciones, ò inflexiones, diferentes, y se pondrán en su lugar. Pues como no solo se llamaba Griego, el que hablaba algun dialecto particular suyo, sino mucho mas el que no estando atado à ninguno, usaba de todos los dialectos en la ocasion: assi tambien se ha de llamar Bascongado, no solo el que habla el dialecto Guipuzcoano, ò el Bizcaíno, ò el Navarro, y Labortano, sino tambien y con mas razon el que haze familiares suyos à todos los dialectos. Destos ultimos seré yo en adelante: y tengo buena pauta en Quintiliano, el qual hablando (Institut. Orator. lib. I. cap 9. circa finem) de varios como dialectos de la Lengua Latina, dice que todos los tiene por Romanos, y consiguientemente por buenos, y dignos de usarse: lo qual dice tambien de algunos vocablos pegadizos. […] sucede à muchos Bascongados, que solo tienen por buenos, y elegantes los dialectos de su Provincia, y es enfermedad comun de los que hablan qualquier lenguage, que admite muchas variaciones segun la variedad de las Provincias, en que se habla. Pero es enfermedad de la passion, que debe curarse con dos onzas de razon, y de inteligencia. (Zedlers Universallexicon, Artikel Dialectus, 1734: VII, 743): Dialectus einer Sprache ist die besondere Redens- und Schreib-Art, welcher sich gewisse Völcker, die doch einerley Sprache reden, mit mercklichem Unterscheide bedienen. Also sind bey der Teutschen Sprache, der Schweitzerische, Oesterreichische, Schlesische, Nieder-Sächsische und Jüdische Dialectus, von dem so genannten
Dialekt Hoch-Teutsch, oder der gelehrten Teutschen Redens-Art gar sehr unterschieden. (FIELLSTRÖM 1738: 9): De Differentia Dialectuum. Dialectuum differentia potissimum consistit 1. in quarundam vocalium alternatione, 2. in quarundam vocum differenti significatione 3. in quorundam casuum & temporum terminatione, 4. in pronuntiatione, sive prosodia. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 420): Lingua Danica, ist nur in der Mund-Art von der Schwedischen und Norwegischen Sprache unterschieden; denn es verstehen alle Einwohner der 3 Nordischen Königreiche einander, bis auf wenige Worte. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 425): Die Griechische Sprache theilte sich in viererley Mundarten nehmlich die Attische, Jonische, Dorische, und Aeolische. Dieses waren eben so viel Sprachen, deren jede in ihrer Art vollkommen war, deren sich unterschiedene Völcker bedieneten, die aber doch alle zusammen eine eintzige Sprache zum Grunde hatten. Diese Verschiedenheit der Sprachen darf einen nicht wunderbar scheinen, da sie in einem Lande wohneten, dessen Einwohner einander nicht unterwürffig waren, sonder eine besondere Herrschafft für sich hatten. (GOTTSCHED [1748] 1762: 2): Eine Mundart ist diejenige Art zu reden, die in einer gewissen Provinz eines Landes herrschet; in so weit sie von der Art zu reden der andern Provinzen abgeht, die einerley Hauptsprache mit ihr haben. (Encyclopédie, Artikel Dialecte, DU MARSAIS, 1754: IV, 934): įȚȐȜİțIJȠȢ, S, H, maniere particuliere de prononcer, de parler; įȚĮȜȑȖȠȝĮȚ, dissero, colloquor. La dialecte n’est pas la même chose que l’idiotisme: l’idiotisme est un tour de phrase particulier, & tombe sur la phrase entiere; au lieu que la dialecte ne s’entend que d’un mot qui n’est pas tout-à-fait le même, ou qui se prononce autrement que dans la langue commune. Par exemple, le mot fille se prononce dans notre langue commune en mouillant l’l, mais le peuple de Paris prononce fiye, sans l; c’est ce qu’en grec on appelleroit une dialecte. Si le mot de dialecte étoit en usage parmi nous, nous pourrions dire que nous avons la dia-
869 lecte picarde, la champenoise; mais le gascon, le basque, le languedocien, le provençal, ne sont pas des dialectes: ce sont autant de langages particuliers dont le françois n’est pas la langue commune, comme il l’est en Normandie, en Picardie & en Champagne. Ainsi en grec les dialectes sont les différences particulieres qu’il y a entre les mots, relativement à la langue commune ou principale. […] L’usage de ces dialectes étoit autorisé dans la langue commune, & étoit d’un grand service pour le nombre, selon Quintilien. Il n’y a rien de semblable parmi nous, & nous aurions été fort choqués de trouver dans la Henriade des mots françois habillés à la normande, ou à la picarde, ou à la champenoise; au lieu qu’Omere s’est attiré tous les suffrages en parlant dans un seul vers les quatre dialectes différentes, & de plus la langue commune, Les quatre dialectes sont l’attique, qui étoit en usage à Athenes; l’ionique, qui étoit usitee dans l’Ionie, ancien nom propre d’une contrée de l’Asie mineure, dont res villes principales étoient Milet, Ephese, Smyrne, &c. La troisieme dialecte étoit la dorique, en usage parmi un peuple de Grece qu’on appelloit les Doriens, & qui fut dispersé en différentes contrées. Enfin la quatrieme dialecte c’est l’éolique: les Éoliens étoient un peuple de la Grece, qui passerent dans une contrée de l’Asie mineure, qui de leur nom fut appellée Éolie. Cette dialecte est celle qui a été le plus particulierement suivie par les Latins. On trouve dans Homere ces quatre dialectes, & la langue commune: l’attique est plus particulierement dans Xénophon & dans Thucydide; Hérodote & Hippocrate employent souvent l’ionique; Pindare & Théocrite se servent de la dorique; Sapho & Alcée de l’éolique, qui se trouve aussi dans Théocrite & dans Pindare: c’est ainsi que par rapport à l’italien, le bergamasque, le vénitien, le polonois, le toscan & le romain pourroient être regardés comme autant de dialectes. (MICHAELIS 1760: 30): Durchreiset man die deutschen Provinzen, so wird man beynahe einen schädlichen Ueberfluß gewahr: das Gewächs so nahmenlos schien, hat mehr als eine deutsche Benennung; es sind aber nur Provinzial-Nahmen; der Schweitzer verstehet den Meißnischen eben so wenig, als der Leipziger
870 den Niedersächsischen, ja ich habe gesehen, daß große Kräuterkenner deutsche Nahmen der Kräuter, als ihnen unbekannt verworfen, und von dem Schriftsteller nicht ohne Tadel gefordert haben, er solle davor Lateinische setzen, da doch jene deutschen Nahmen in und um Leipzig bey vornehmen und geringen gebräuchlich waren, und ihre gar bestimmte Bedeutung hatten. So lange man Leipzig für die Hauptstadt der deutschen Sprache hält, könnten wol solche Nahmen nicht ProvinzialWörter heißen, und die Schuld der Undeutlichkeit lag nicht an dem Buch, sondern an dem Leser. (MICHAELIS 1762: 51–52): Parcourés les diférentes contrées de l’Allemagne; vous cesserés de vous plaindre de la disette des noms; vous vous plaindrés plutôt d’une abondance pernicieuse. La plante que vous croyiés n’avoir point de nom, vous verrés qu’elle en a plusieurs, mais ce ne sont que des noms provinciaux. Le langage de l’habitant de la Misnie est de l’Hébreu pour le Suisse, & l’habitant de Leipzig ne comprend pas mieux celui de la basse Saxe: que dis-je? j’ai vû moi-même de célébres Botanistes qui rejettoient les noms Allemans de certaines herbes comme des noms barbares, en censurant ceux qui les employoient, & en les exhortant à y substituer les termes Latins; cependant ces noms Allemans étoient en vogue à Leipzig, & aux environs de Leipzig, tant parmi le peuple que parmi les gens de condition; & si cette ville est en effet le siege de la langue Allemande, ils ne pouvoient passer pour des termes provinciaux; si donc ils n’étoient point entendus, c’étoit la faute du lecteur, & non celle de l’écrivain. (PRIESTLEY 1762: 135–136): When a language was spoken by several independent cities or states, that had no very free communication with one another, and before the use of letters was so generally diffused as to fix the modes of it, it was impossible, not only to prevent the same words being pronounced with different tones of voice (like the English and Scotch pronunciation) but even the number and nature of the syllables would be greatly altered when the original root remained the same; and even quite different words would be introduced in different places. And when,
III. Einheit und Vielfalt upon the introduction of letters, men endeavoured to express their sounds in writing, they would, of course, write their words with the same varieties in letters. These different modes of speaking and writing a language originally the same have obtained the name of DIALECTS, and are most of all conspicuous in the Greek tongue. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 249): Si une langue est parlée par une nation composée de plusieurs peuples égaux & indépendans les uns des autres, tels qu’étoient anciennement les Grecs, & tels que sont aujourd’hui les Italiens & les Allemans; avec l’usage général des mêmes mots & de la même syntaxe, chaque peuple peut avoir des usages propres sur la prononciation ou sur les terminaisons des mêmes mots: ces usages subalternes, également légitimes, constituent les dialectes de la langue nationale. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 249): Si, comme les Romains autrefois, & comme les François aujourd’hui, la nation est une par rapport au gouvernement; il ne peut y avoir dans sa maniere de parler qu’un usage légitime: tout autre qui s’en écarte dans la prononciation, dans les terminaisons, dans la syntaxe, ou en quelque façon que ce puisse être, ne fait ni une langue à part, ni une dialecte de la langue nationale; c’est un patois abandonné à la populace des provinces, & chaque province a le sien. (HERDER [1772] 1978a: 183): Die Sitte der Gesellschaft und die mächtige Göttin der Gewohnheit werden bald nach Gebärden und Anstand diese Eigenheiten und jene Verschiedenheiten einführen – ein Dialekt. (ADELUNG [1774–1786/1793–1801] 1990: III, 311, Artikel Die Mundart): Die Mundart, plur. die -en, die besondere Art zu reden, wodurch sich die Einwohner einer Gegend von den Einwohnern anderer Gegenden unterscheiden, die Abweichungen einzelner Gegenden in der gemeinschaftlichen Sprache; wohin also nicht nur die Abweichungen in der Aussprache, sondern auch in der Bildung, der Bedeutung und dem Gebrauche der Wörter gehöret; mit einem Griechischen Kunstworte der Dialekt. (ROUSSEAU [1781] 1968: Prononciation, 219): Il est frapant combien la prosodie et
Dialekt l’accent se perdent et se défigurent à mesure qu’on s’éloigne de la capitale. N’ayant point de modèle assuré pour régler sa voix et ses tons, ses accens on se livre uniquement à l’imitation du parler (de l’accent) corrompu de sa province. Tel arrive à Paris sachan[t] parfaitement sa langue qui peut à peine se faire entendre en parlant et fait rire aussitôt qu’il ouvre la bouche. Bien plus, la loi de l’usage n’ayant pas la même publicité dans la prononciation que dans la grammaire devient arbitraire; chacun prend son usage particulier pour le bon, et prévenu que son accent est le seul naturel taxe de tellement d’affectation tout accent qui s’en éloigne qu’alors c’est même un vice de bien parler. C’est ainsi que chaque province, chaque canton prenant une prononciation particuliere se fait de la langue commune écrite un langage propre en parlant, de sorte qu’à la parole on prendroit le françois gascon et le françois picard pour deux langues particuliéres qui loin de s’entendre réciproquement sont à peine entendues de ceux qui parlent le vrai françois. (RIVAROL [1784] 1998: 28): Quand les Romains conquirent les Gaules, leur séjour et leurs lois y donnèrent d’abord la prééminence à la langue latine; et, quand les Francs leur succédèrent, la religion chrétienne, qui jetait ses fondements dans ceux de la monarchie, confirma cette prééminence. On parla latin à la cour, dans les cloîtres, dans les tribunaux et dans les écoles; mais les jargons que parlait le peuple corrompirent peu à peu cette latinité et en furent corrompus à leur tour. De ce mélange naquit cette multitude de patois qui vivent encore dans nos provinces. L’un d’eux devait un jour être la langue française. (RIVAROL [1784] 1998: 29): […] la France, naturellement partagée par la Loire, eut deux patois, auxquels on peut rapporter tous les autres, le picard et le provençal. Des princes s’exercèrent dans l’un et l’autre, et c’est aussi dans l’un et l’autre que furent d’abord écrits les romans de chevalerie et les petits poèmes du temps. Du côté du midi florissaient les troubadours, et du côté du nord les trouveurs. Ces deux mots, qui au fond n’en sont qu’un, expriment assez bien la physionomie des deux langues. Si le provençal, qui n’a que des sons pleins, eût prévalu, il aurait donné au français l’éclat
871 de l’espagnol et de l’italien; mais le midi de la France, toujours sans capitale et sans roi, ne put soutenir la concurrence du nord, et l’influence du patois picard s’accrut avec celle de la couronne. C’est donc le génie clair et méthodique de ce jargon et sa prononciation un peu sourde qui dominent aujourd’hui dans la langue française. (BEATTIE [1788] 1968: 88): But let a man, who has been born und bred in Aberdeen, live two or three years in Edinburgh or London; and he shall become both insensible to the tone of the place of his residence, and also sensible of the accent that adheres to the dialect of his native town. In England, in Ireland, in the south and in the north of Scotland, the people speak dialects of one and the same language: and yet it is not difficult to know, by the tone of his voice in speaking, even before we hear him so plainly as to distinguish the words, whether the speaker be of England or of Ireland, a native of Lothian, or of Kincardineshire, of Aberdeen, or of Inverness. And if even the provincial dialects of the same tongue are distinguishable by their accents, we may with reason conclude, that the languages of different nations will be more remarkably distinguished in this way: which in fact is found to be the case. (BEATTIE [1788] 1968: 92–93): Are, then, all provincial accents equally good? By no means. Of accent, as well as of spelling, syntax, and idiom, there is a standard in every polite nation. And, in all these particulars, the example of approved authors, and the practice of those, who, by their rank, education, and way of life, have had the best opportunities to know men and manners, and domestick and foreign literature, ought undoubtedly to give the law. Now it is in the metropolis of a kingdom, and in the most famous schools of learning, where the greatest resort may be expected of persons adorned with all useful and elegant accomplishments. The language, therefore, of the most learned and polite persons in London, and the neighbouring Universities of Oxford and Cambridge, ought to be accounted the standard of the English tongue, especially in accent and pronunciation: syntax, spelling, and idiom, having been ascertained by the practice of good authors, and the consent of former ages.
872 (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 17–18): Las naciones de orígen comun provienen de una misma familia, y consiguientemente hablan dialectos del idioma de esta, que no se deben diferenciar tanto como los dialectos forasteros de naciones de orígenes diversos, porque estas naciones descendiendo de familias de idiomas diversos deben conservar muchas palabras é idiotismos de ellos. (HERVÁS Y PANDURO [1800–1805] 1979: I, 24–25): […] y segun ella los hombres en su respectiva lengua hablan, y tambien piensan. Una nacion pues, que habla y piensa segun el artificio gramatical de su lengua, no muda jamas este método de hablar y pensar, y consiguientemente no muda el dicho artificio. Podrá perfeccionarlo, y en esta perfeccion, mas o ménos grande, se distinguen y diferencian muchas veces los dialectos de una misma lengua matriz. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 11): Tant qu’une langue conserve en général et sensiblement, les mêmes mots et les mêmes procédés, elle est toujours réputée une seule et même langue: mais si elle est commune à plusieurs peuples qui soient indépendants les uns des autres, et que ces différents peuples y aient établi quelques diversités ou variations sensibles, surtout en ce qui concerne les formes particulières des mots, l’indication de leurs rapports dans le discours, ou quelques autres traits remarquables; ces manières distinctes et généralement reçues chez les peuples qui les ont privativement adoptées, constituent ce que l’on nomme dialectes dans les langues. (DENINA 1804: III, 30): Les dialectes ou langages particuliers de différentes provinces d’un vaste pays, ne sont pas fils de la langue à laquelle ils appartiennent, mais plutôt ses frères; puisqu’ils existoient avant que la langue dont on pourroit les supposer sortis, fût formée elle-même; et ils sont nés du même langage dont se forma celui, qui ensuite devint langue principale et dominante dans le pays. (DENINA 1804: III, 32–37): Pour la langue latine, on sait bien qu’elle ne fut jamais divisée en différens dialectes; quoiqu’il soit très-probable que dans les premiers siècles de Rome les trois peuples qui partag[e]oient le Latium avec les Romains[,] les Volsques, les Herni-
III. Einheit und Vielfalt ciens, les Eques parlassent un langage différent les uns des autres; mais dès que ces peuples n’en firent qu’un seul, la langue qu’on parloit à Rome, devenue capitale incontestable de tout le pays latin, régna seule, et il n’y eut plus d’autre langue latine que la romaine, laquelle encore ne fut formée qu’après la réunion des peuples en un seul. Elle se répandit ensuite rapidement dans toute l’Italie, dans tout le sud-ouest de l’Europe, et dans l’Afrique, mais elle ne put se diviser en dialectes, parceque tous ceux qui l’apprenoient suivoient autant qu’ils pouvoient l’inflexion des mots et les tours de phrases qu’ils entendoient des Romains; et jamais il ne fut question de dialectes latins. Mais dès que cette langue, après être devenue commune à une grande partie de l’ancien monde, se corrompit, tant à Rome et dans les pays voisins, que dans les provinces éloignées, il en sortit une foule de langages qui pouvoient s’appeler des dialectes comme ceux des Grecs, mais qui n’eurent ce nom que long-temps après lorsque quelques-uns d’eux ayant prévalu sur les autres, devinrent des idiomes communs à des nations nombreuses. Il est vrai que lorsqu’on appeloit romaine ou romance la langue latine corrompue, on auroit pu appeler dialecte provençal, languedocien, gascon, picard et parisien les langues particulières des habitans de la Provence, du Languedoc, de la Gascogne, de la Picardie et de l’Isle de France. Mais ce mot n’étoit point usité, ou plutôt étoit inconnu dans le sens où nous le prenons. Cependant lorsque la langue latine se fut corrompue et qu’elle devint ce qu’en Italie on appelle langue vulgaire et en France langue romaine ou romance, il se forma dans toute l’Europe une foule de langages, différens dans les formes, mais dont le fond étoit le même; et ces langages étoient tous des dialectes de cette langue romaine ou vulgaire. Quelques-uns de ces dialectes sont devenus des idiomes parfaits et des langues générales de trois grandes nations, l’italienne, la françoise et l’espagnole. On convint ensuite d’appeler dialectes les langues que parlent des peuples qui sont membres d’une grande nation, mais qui forment des états indépendans les uns des autres. Ainsi les différens langages de la nation espagnole avant le siécle de Charles-Quint au-
Dialekt roient pu s’appeler dialectes; mais depuis que tous ces petits royaumes ont été réunis en un seul, le langage des Andaloux, des Murciens, des Catalans, et même des Valenciens et des Aragonois, ne peut plus s’appeler que patois, dès qu’il s’éloigne du dialecte castillan devenu l’idiome général de toute la nation espagnole. D’après l’idée qu’on attache aujourd’hui à ce mot, il n’y a plus de dialectes qu’en Italie et en Allemagne. En Italie, dans le quinzième siécle, on en comptoit quatorze qui auroient encore pu se subdiviser en quarante ou cinquante et beaucoup plus encore, lorsque dans la Romagne, dans la Toscane, et en Lombardie on pouvoit compter plusieurs républiques ou principautés indépendantes. Nous pouvons à présent en distinguer cinq ou six principaux, qui sont le Napolitain, le Romain, le Toscan, le Vénitien, le Bas- et le Haut-Lombard; comprenant sous le nom de Bas-Lombard celui que l’on parle depuis Bologne et Ferrare jusqu’à Milan, et sous le nom de Haut-Lombard le Piémontois. Il est naturel que les langages des peuples qui se trouvent plus près du siége de la languemère, s’approchent davantage de celui qui en est aussi sorti, et qui est devenu dominant. Cependant, c’est moins par le voisinage que par d’autres rapports également physiques que les langues diffèrent plus ou moins entr’elles, et s’éloignent ou s’approchent de la langue-mere. Car le Bolonois diffère du Romain et du Toscan presque plus que le Piémontois; et le Gênois qui n’est séparé du Latium que par la Toscane, est plus différent des idiomes romain et toscan que ne l’est le Portugais, avec lequel au reste il a beaucoup de rapport. Mais en général il est sûr que le langage des provinces plus voisines de Rome, siége de la langue latine, tient beaucoup plus du fond maternel que tous les autres. Il seroit par conséquent naturel que le langage des villes qui sont entre Rome et Naples, et de celles qui se trouvent entre Rome et Ravenne eussent formé la langue italienne des débris de la latine; puisque tous ces pays, outre qu’ils ne sont pas à une plus grande distance de Rome que Florence, capitale de la Toscane, sont aussi sur un sol de qualité plus approchant de celle du pays latin que ne l’étoit le district ou l’état florentin dans le tems que
873 la langue italienne se forma, de sorte que les mots latins devoient éprouver moins d’altération sur les rives du Garigliano, et du Tibre qu’ils n’en éprouvoient dans les vallées de l’Arno et les ravines du torrent Mugello. Mais ce n’est pas de la seule ressemblance des filles avec la mère que vient l’universalité d’une langue, ou la supériorité d’un dialecte sur les autres. Différentes causes concourent à les former, à les enrichir et à étendre leur domination, si je puis m’exprimer ainsi. La langue provençale et la languédocienne étoient aussi bien, et par plus de raison que la parisienne et la picarde, filles de la latine, et sous quelque rapport de la celtique; cependant c’est la parisienne qui prévalut et qui domine. Le langage des Calabrois tient plus de prés que le Vénitien à la langue grecque, et à la latine dont sont nées plus ou moins immédiatement toutes ces langues, ou ces dialectes. Néanmoins la Venitienne est plus généralement répandue en Italie que ne l’avoient jamais été le langage de Tarente, de Bari, ou de Mantoue, dont les dialectes, tout aussi que les grands idiomes naissants se formèrent de la même manière, prenant les mots d’un idiome antérieur, et changeant ceux-ci d’une façon[,] ceux-là d’une autre, suivant la disposition de leurs organes ou l’habitude contractée d’articuler les élémens de la parole c’est-à-dire les lettres, puis en suppléant les mots qu’ils perdoient par des translations d’autres mots, que quelques rapports accidentels leur suggérèrent. Les langues s’enrichissent ensuite à mesure que dans les pays, où on les parle[,] le progrès des arts, de la civilisation, du commerce, oblige les habitans de certaines classes, d’adopter ou de créer des noms. Les dialectes n’ont pas suivi d’autre marche que celle qu’ont faite les langues en général, soit en changeant le matériel, soit en changeant l’intellectuel, c’est-à-dire la signification des mots qu’elles ont reçus d’une langue antérieure. Il faudroit copier la moitié d’un vocabulaire, et la charger de notes sans nombre pour expliquer comment et pourquoi tel et tel mot qui devroit signifier telle ou telle chose, en signifie une autre, ou faire un immense commentaire au Traité des tropes de du Marsais. Car tous les mots qui semblent dire autre chose que ce qu’ils devroient, c’est
874 par quelque rapport qu’ils ont avec l’objet, ou l’action que le mot signifie proprement. Le langage métaphysique est tout composé de tels termes chez tous les peuples du monde, et ce qui est digne de remarque, c’est que le mot qui a été substitué à celui qu’avoit une langue antérieure, dont les autres sont sorties, a aussi du rapport avec celui qu’on a abandonné. Toutes les nations ont également formé et enrichi leur langue par ce moyen, et ont remplacé les mots qu’elles avoient perdus du fond de la langue mère, ou qu’elles n’avoient pas encore acquis autrement. Par le même moyen les dialectes italiens sont également riches; quelques-uns peut-être plus que n’est celui qui est devenu l’idiome de toute la nation. (DENINA 1804: III, 38–39): Trois causes concourent ordinairement à donner à un dialecte la préférence sur les autres du même pays ou de la même nation: 1. Une certaine supériorité d’esprit du peuple qui le parle. 2. La puissance ou la considération politique de ce même peuple. 3. La position géographique du pays. Ces trois causes, ou du moins deux décidément, ont contribué à faire du dialecte attique la langue commune des Grecs, du dialecte romain la langue latine, du toscan la langue italienne, du castillan et du parisien la langue castillane et la françoise, enfin du saxon la langue allemande. (DENINA 1804: III, 53): La différence qui se trouve entre ces trois dialectes n’a d’autre cause que celle des idiomes italien, françois, espagnol et portugais, c’est-à-dire, une disposition organique, une facilité ou difficulté qu’ont les hommes d’un tel pays, sous tel ou tel climat, d’articuler certaines syllabes. En quoi il est curieux d’observer que des nations fort éloignées l’une de l’autre, articulent facilement certaines syllabes, que d’autres nations voisines articulent avec peine. (DENINA 1804: III, 133–134): Ainsi la langue catalane ressembloit et ressemble encore si fort à celle qu’on parle dans la France méridionale, et à la Ligurienne, que les François même la regardent comme soeur ainée de la Provençale et de la Languedocienne. La Castillane tant par le voisinage et par la qualité de l’air et du sol, que pour avoir eu des relations politiques avec la Gascogne et le Béarn singulièrement, ressemble infiniment au Gascon. Les provinces méridionales telle[s] que
III. Einheit und Vielfalt la Murcie, la Grenade, l’Andalousie, ont conservé plus de mots arabes que les deux Castilles, la Catalogne, et la Navarre. L’Aragonois qui ne peut guères différer du Valencien, tient une sorte de milieu entre le langage des provinces, placées aux extremités opposées de la Péninsule. Il s’amalgame plus facilement que les autres avec le Castillan; conservant toutefois plus de rapport avec le Latin ou l’Italien, que n’en conserva le Castillan. Ce qu’on remarque surtout au sujet de la lettre F que le Castillan surtout changea peu-à-peu en une aspiration fort légère, qui à la longue disparut en parlant, et ne resta que dans l’écriture. (BERNHARDI [1805] 1990: 5): Dann geht die historische Ansicht zur Erweiterung des Kreises über, wo sich die Nothwendigkeit eines Dialekts offenbart, und von da zu dem einer Volkssprache, die sich dann wieder in Stände und Style zersplittert und so vom Individuo zum Individuo fortgeht. (BERNHARDI [1805] 1990: 45): Aus der Familie wird ein Stamm, der Ansichten, Bedürfnisse, Gegenstände, Veranlassungen werden mehrere, die Sprache selbst bildet sich aus, erhält durch den Gebrauch einen festern, allgemeinen Charakter. Diese Sprachen einzelner Stämme verschwinden späterhin in der Volkssprache und erhalten sich nur als Gegensatz derselben, in manchen Formen und Wendungen, sie erhalten den Namen der Dialekte. (BERNHARDI [1805] 1990: 45): Aus mehreren Stämmen entsteht ein Staat und mit ihm eine Landes- oder Volkssprache, welcher aber immer ein Dialekt, der des gebildetsten Stammes zum Grunde liegt, oder auch wenn die Bildung wechselt, mehrerer Stämme. (BERNHARDI [1805] 1990: 45): In dieser Volkssprache erhalten sich die Dialekte, bald als fehlerhafte Formen, bald als zwar gebildete aber veraltete Sprachdarstellungen. Das erstere ist gemeiniglich der Fall in großen Monarchien, das letztere in republikanischen Staaten, deren Stämme weniger eng verbunden sind. (HOURWITZ [ca. 1801–1810]: Origine des Langues, Préface): Ainsi, les langues qu’on appelle mères ne le sont qu’à l’égard de leurs dialectes connus; mais il n’y en a aucune qui
Dialekt ne soit elle-même fille de plusieurs mères connues ou inconnues, surtout le grec et le latin; car on sait que les premiers habitants d’Athènes et de Rome étaient un ramas de barbares qui parlaient des langues ou des dialectes différents. (BELLO [1847] 1995: 12–13): No se crea que recomendando la conservación del castellano sea mi ánimo tachar de vicioso y espurio todo lo que es peculiar de los americanos. Hay locuciones castizas que en la Península pasan hoy por anticuadas y que subsisten tradicionalmente en Hispano-América. ¿Por qué proscribirlas? Si según la práctica general de los americanos es más analógica la conjugación de algún verbo, ¿por qué razón hemos de preferir la que caprichosamente haya prevalecido en Castilla? Si de raíces castellanas hemos formado vocablos nuevos, según los procederes ordinarios de derivación que el castellano reconoce, y de que se ha servido y se sirve continuamente para aumentar su caudal, ¿qué motivos hay para que nos avergoncemos de usarlos? Chile y Venezuela tienen tanto derecho como Aragón y Andalucía para que se toleren sus accidentales divergencias, cuando las patrocina la costumbre uniforme y auténtica de la gente educada. En ellas se peca mucho menos contra la pureza y corrección del lenguaje, que en las locuciones afrancesadas, de que no dejan de estar salpicadas hoy día aun las obras más estimadas de los escritores peninsulares. (BELLO [1847] 1995: 15): La gramática de una lengua es el arte de hablarla correctamente, esto es, conforme al buen uso, que es el de la gente educada. Se prefiere este uso porque es el más uniforme en las varias provincias y pueblos que hablan una misma lengua, y por lo tanto el que hace que más fácil y generalmente se entienda lo que se dice; al paso que las palabras y frases propias de la gente ignorante varían mucho de unos pueblos y provincias a otros, y no son fácilmente entendidas fuera de aquel estrecho recinto en que las usa el vulgo.
III. Schon früh fand die Neigung der Men-
schen, Unterschiede im Sprechen zu beobachten und dann auch als Kennzeichnung von Volksgruppen heranzuziehen, ihren Niederschlag in Literaturen. Auf eine solche im Alten Testament mitgeteilte Beobachtung geht
875 auch ein späterer Terminus für die Kennzeichnung von sprachlichen Unterschieden zurück: schibboleth vs. sibboleth. Von derselben Haltung sind auch solche Feststellungen getragen wie “Auch du bist ein Galiläer: deine Sprache verrät dich” (Matthäus 26; 73). In der beobachteten regionalsprachlichen Unterschiedlichkeit wurde jedoch offensichtlich vor dem 17. Jahrhundert kein unüberwindbares Problem gesehen und es wurde nicht auf Änderung der Verständigungsverhältnisse in Form einer vereinheitlichten Sprache gedrungen. Im 16./17. Jahrhundert begannen die Sprachforscher, sich mit der Mundart zu beschäftigen. Das Wort Mundart selbst ist eine künstliche Ersatzbildung für das Fremdwort Dialekt und ist 1640 bei VON ZESEN belegt. Im Vordergrund stehen jedoch die Probleme der gesprochenen Sprache im Gegensatz zur geschriebenen, noch nicht der regionale Aspekt. Als Bezeichnung für nicht standardisierte regionale Varietäten erweist sich Dialekt als relationaler Begriff, der einem Standard, einer Hochsprache, einer Norm gegenübersteht (ĺ Normierung). Die Dialekte wurden mittels folgender Faktoren von Standardsprachen abgegrenzt: regional geringere kommunikative Reichweite, fehlende explizite Normierung und Kodifizierung, hauptsächliche Verwendung durch sozial und bildungsmäßig weniger Hochstehende, fehlende Verschriftung im Sinne eines eigenständigen Schrifttums (ĺ Schrift). Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden besondere, lokal geprägte Sprechweisen, die nicht als besonders elegant empfunden wurden, als Dialekte betrachtet (ALDRETE). Die Wertung der Dialekte hängt dabei von den Zusammenhängen des Begriffs ab. So gesteht DESCARTES durchaus auch Dialektsprechern Überzeugungsfähigkeit zu, auch wenn sie eine wenig prestigereiche Sprachvarietät benutzen, da das Denken davon nicht beeinträchtigt werde (ĺ kognitive Funktion der Sprache). VAUGELAS befürchtet dagegen einen Verfall der Sprache und ihrer Reinheit durch den Einfluss der Dialekte (ĺ Normierung). SCHOTTELIUS stellte 1663 in seiner Ausführliche(n) Arbeit von der teutschen Hauptsprache fest, dass eine grammatische Be-
876 schreibung der völlig regellosen und entarteten Dialekte unmöglich sei (ĺ Grammatik). Im 18. Jahrhundert erschienen erste Arbeiten, die die Mundart in ihrem regionalen Aspekt behandelten, vor allem in Niederdeutschland, wo der Unterschied zwischen Dialekt und Hochsprache am größten war. Wörterbücher, die landschaftliche Eigenheiten verzeichnen, sind z. B. RICHEY: Idioticon hamburgense (1743), STROTHMANN (Osnabrück 1756), TILING und DREYER (5 Bd., Bremen und Niedersachsen, ab 1767). 1780 erschien der Versuch einer Vereinigung der Mundarten von Teutschland als eine Einleitung zu einem vollständigen Wörterbuche von POPOWITSCH, einer der frühesten Versuche, überregionale Dialektwörterbücher anzulegen. Dialekte und Mundarten werden jeweils auf eine übergeordnete Sprache bezogen. Für die Ausgliederung der Dialekte aus ihr werden neben geographischen Gegebenheiten auch unterschiedliche Herrschaftsverhältnisse verantwortlich gemacht. Die Unterschiede der Dialekte von der Hochsprache wurden in der Vokalalternation, in unterschiedlichen Bedeutungen der Wörter (ĺ Bedeutung), in abweichenden Flexionsendungen und in Aussprache und Prosodie (ĺ Prosodie / Akzent) gesehen. In den Stellungnahmen zu Dialekten reflektiert sich auch die unterschiedliche Sprachsituation in den einzelnen Ländern im 17. und 18. Jahrhundert. Für das Italienische wird immer wieder die Vielzahl der Dialekte konstatiert, und es wird auf die privilegierte Stellung der Florentiner hingewiesen, die die reine Sprache von Haus aus lernten. LARRAMENDI charakterisiert einen Dialekt als besondere Sprache, die Abweichungen von der allgemein gesprochenen Sprache aufweist. Eine Besonderheit der baskischen Dialekte sei ihr regelhafter Charakter, den die Dialekte des Griechischen oder anderer Sprachen nicht haben. Im Artikel Dialectus in Zedlers Universallexicon finden sich für das Deutsche nur große regionale Varietäten erwähnt, wie das Österreichische und das Schweizerische, außerdem aber auch interessanterweise das Jiddische (Jüdische), das als Varietät des Deutschen hier eingeordnet wurde, obwohl es nicht als regionale Variante entstand.
III. Einheit und Vielfalt Mitunter wurde der Begriff des Dialekts auf die unterschiedliche Aussprache ein und derselben Sprache reduziert (PRIESTLEY). Der Begriff ‘Dialekt’ war vom ‘Akzent’ noch nicht deutlich abgegrenzt (ĺ Prosodie / Akzent). Akzent bezieht sich lediglich auf die phonologischen Charakteristiken der Aussprache. So kann ein Bayer das Standarddeutsch (Hochdeutsch) mit einem bairischen Akzent sprechen, aber nicht Standarddeutsch mit einem bairischen Dialekt. Das Abweichen von der Allgemeinsprache wurde auch in der französischen Enzyklopädie als Merkmal des Dialekts gesehen. Dabei wurde jedoch von DU MARSAIS zugleich erkannt, dass das Baskische und das Provenzalische keine Dialekte des Französischen sind, sondern eigene Sprachen. Diese Einsicht spielte jedoch in Schriften, die eine Zweiteilung zwischen der französischen Hochsprache und allen anderen Idiomen vornehmen, keine Rolle. So rechnet RIVAROL das Provenzalische wie das Pikardische zu den patois. Im Französischen wurde für die regionalen Varietäten der Nationalsprache die abwertende Bezeichnung patois verwendet. So erklärt BEAUZÉE im Enzyklopädieartikel Langue einzig und allein die Staatssprache für legitim, alle davon in den Provinzen abweichenden Gebrauchsweisen seien nicht Dialekte, sondern patois. Doch auch für die anderen Sprachen finden sich kaum Stimmen, die für eine Aufwertung der Dialekte plädieren. Für das Englische weist BEATTIE den most learned and polite persons in London, and the neighbouring Universities of Oxford and Cambridge die normgebende Rolle für Aussprache, ĺ Syntax, ĺ Orthographie und den Gebrauch von Redewendungen zu (ĺ Normierung). Eine gewisse Ausnahme von der abwertenden Einschätzung der Dialekte stellte MICHAELIS dar, der mit seiner demokratischen Auffassung von der Sprache jedem Sprecher Einfluss auf die Sprachentwicklung zubilligen wollte (ĺ Sprachveränderung). Er kritisierte, dass deutsche Pflanzenbezeichnungen als Provinzialwörter abgetan wurden, nur weil sie auch vom einfachen Volke gebraucht würden. Interessant ist bei BEAUZÉE, dass trotz der abwertenden Haltung gegenüber den Dialekten die historische Ausdifferenzierung der roma-
Dialekt nischen Sprachen aus dem Latein gleichfalls als Entstehung von Dialekten (patois) erklärt wurde. Um zu der heutigen französischen Sprache zu werden, mussten Ereignisse eingetreten sein, die den entsprechenden Dialekt des Lateinischen in den Rang einer Hochsprache erhoben haben. Die Bezeichnung dialectos ist auch bei HERVÁS Y PANDURO für Tochtersprachen ein und derselben Muttersprache geläufig. Die in einem Entwicklungsprozess entstehenden Tochtersprachen behalten den grammatischen Bau der Muttersprachen bei, können ihn aber perfektionieren. Im Grad dieser Perfektionierung unterscheiden sich die einzelnen Tochtersprachen voneinander (ĺ Sprachveränderung). Bei der Erfassung der Differenzierung einer historisch vorausgehenden Sprache in nachfolgende Einzelsprachen wird für diese die Bezeichnung für ‘Dialekt’ wertfrei verwendet. DENINA entwickelte die Theorie von der Priorität der Dialekte gegenüber den in den einzelnen Ländern gesprochenen Nationalsprachen. Sie sind nicht etwa deren Kinder, sondern die Beziehung zwischen einer ausgebauten Nationalsprache und den zugehörigen Dialekten stellte sich als Beziehung zwischen Schwestern dar. Schließlich wurde die Problematik der regionalen Variation einer Sprache auch für die in die neue Welt exportierten Sprachen übertragen. BELLO, der an der Einheit des Spanischen festhielt und meinte, dass man in Lateinamerika viel weniger gegen die Norm der spanischen Sprache verstieße als in Spanien, wo man viele Gallizismen aufnehme, wollte dennoch dieselbe Toleranz für das Spanische in Chile und Venezuela gewahrt wissen wie für die Sprache in Aragon und Andalusien (ĺ Normierung). Neben der Kennzeichnung von Abweichungen in der Aussprache waren es vor allem regionale lexikalische Besonderheiten, die mit Interesse wahrgenommen und gesammelt wurden. Im deutschen Sprachraum beginnt die Mundartforschung mit einer Sammlung dialektaler Wörter, einer so genannten Idiotismensammlung, von PRASCH aus dem Jahre 1689, der sein Glossarium Bavaricum als Anhang zu einer anderen Abhandlung publiziert und damit eine Sammlung von vocabula pro-
877 vincialia, plebeica et rara vorlegen will. Das Bestreben, auf die regionale Kommunikation beschränkte, von den unteren Volksschichten gebrauchte und seltene Wörter zu sammeln, führte am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts in mehreren Ländern Europas zur lexikographischen Behandlung von Idiotismen. Die Interessenlage ist jedoch von den je spezifischen Verhältnissen der einzelnen Länder mitgeprägt und muss nicht in eine normative Ausgrenzung oder Abwertung dieser Wörter münden (ĺ Normierung). So geht es Prasch auch darum zu zeigen, dass seine oberdeutsche Sprache ihren Wert besitzt. RAY verfolgt dagegen mit seinem 1674 erschienenen Werk A Collection of English Words not Generally Used, with their Significations and Original, in Two Alphabetical Catalogues, the one of such as are proper in the Nothern, the other to the Southern Counties drei Ziele, von denen die ersten beiden zweckfrei sind: (1) er will etwas Neues schaffen, (2) er findet das Thema interessant, (3) er will dem Reisenden helfen, die Sprache der Menschen zu verstehen. Die drei Ziele sind nicht aus einem sprachwissenschaftlichen Impetus entstanden, aber sie zeigen die Neugier am Fremden, die im 18. Jahrhundert zu einer Flut von Bemerkungen über Redeweisen der ländlichen Bevölkerung in Reiseberichten führt. FULDA führt in seinem Versuch einer allgemeinen teutschen Idiotikensammlung von 1788 (Nachdruck Leipzig 1975) ein weiteres Argument für die Dialektlexikographie an: die Idiotiken, worunter er Wörter einer landschaftlich gebundenen Sprache versteht, die so nicht in der hochteutschen Sprache vorhanden sind, stellen eine Bereicherung der Hochsprache dar. Dafür müssen sie jedoch von ihrer Provinzialaussprache gereinigt, in die gehörige Form gegossen, oder nach der gewönlichen hochteutschen Art und Mode gekleidet werden. Eine Bereicherung der Hochsprache durch Dialektwörter wird somit durchaus für möglich erklärt (ĺ Reichtum). Was als störend empfunden wurde, war in erster Linie das dialektale Lautgewand, das in ein hochdeutsches zu verwandeln war (ĺ Laut vs. Buchstabe). Eine ähnliche Diskussion hatte es zuvor bereits zwischen GOTTSCHED und süddeutschen Gelehrten, et-
878 wa AICHINGER, sowie den Zürchern BODMER und BREITINGER um süddeutschen bzw. schweizerischen Sprachgebrauch gegeben (ĺ Gebrauch). Den Sammlungen dialektaler Wörter liegen unterschiedliche Motivationen zugrunde. Während einerseits das Kuriose und das Seltsame festgehalten werden sollte, vielleicht auch, um es vor dem Aussterben im Zuge der Durchsetzung der Standardsprache zu bewahren, war auch der Ausbau der Literatursprache durch auffälliges Wortgut durchaus ein Ziel. Als eine Art Theoretiker der Idiotika erweist sich Johann Christoph SCHMID in der Vorrede zu seinem Versuch eines schwäbischen Idiotikon oder Sammlung der in verschiedenen schwäbischen Ländern und Städten gebräuchlichen Idiotismen: mit etymologischen Anmerkungen (Berlin und Stettin: Nicolai 1795; ĺ Etymologie). Er fordert darin unter anderem zu jedem Idiotikon auch eine Grammatik und weitet damit die Beschreibung über einzelne Wörter hinaus auf den ganzen Dialekt aus. Dieses Ziel wird Anfang des 19. Jahrhunderts verstärkt fortgesetzt. In einem eigenartigen Widerspruch zur Realität des Verdrängens des Dialekts aus der Schriftsprache wurde der Mundartforschung fortan verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Unter dem Einfluss der entstehenden vergleichenden und historischen Sprachwissenschaft wurde diese Aufmerksamkeit insofern verändert, als es nicht mehr um bloße Kuriositäten ging, sondern um das systematische Sammeln von dialektalem Wortgut, das als Vertreter einer historisch früheren Periode betrachtet wurde. Bei STALDER ist dieses Motiv verbunden mit einem “vaterländischen” Stolz, den er in der Widmung des zweiten Bandes seines Versuchs eines Schweizerischen Idiotikon mit etymologischen Bemerkungen untermischt (Aarau 1812; 1. Band 1806) zum Ausdruck bringt. Das Material in STALDERs Idiotikon beruht auf Korrespondentenberichten und eigenen Sammlungen. Er schreibt die Etyma in enger Anlehnung an das Hochdeutsche und gibt ihm bekannte Varianten an. In der Angabe der regionalen Verbreitung und etymologischer Hinweise geht er nicht immer systematisch vor, insbesondere finden sich etymologische Bemerkungen wirklich nur unter-
III. Einheit und Vielfalt mischt und zeugen nicht immer von methodischer Sicherheit (ĺ Etymologie). STALDER hatte seine Dialektologie auf die Bitte des französischen Innenministeriums hin verfasst. Er hatte seinen Korrespondenten den Text der Parabel vom Verlorenen Sohn vorgelegt, was auf MONTBRET zurückgeht, der 1806/7 die erste übergreifende Materialsammlung im Hinblick auf die französischen patois durchgeführt hatte. MONTBRET war von Hause aus Geograph; es erstaunt daher nicht, dass er explizit von der Idee einer Sprachgeographie ausgeht, was sich auch im Titel eines Essais, welcher der Publikation der Materialien im Jahre 1831 beigegeben war, zeigt: Essai d’un travail sur la Geographie de la langue française. Er wurde in seinem Vorhaben unterstützt von der Societe Royale des Antiquaires de France (1814 gegründet), welche die Arbeiten der Academie celtique (1804 gegründet) in weniger engem Rahmen weiterführen sollte. Die Beschäftigung mit den Mundarten erfolgte in verschiedenen Ländern im Rahmen von Gesellschaften, die sich mit Geschichte beschäftigen. So ist es die Antiquarische Gesellschaft von Zürich, die den Rahmen für den Aufruf zur Sammlung der Schweizer Idiotismen bildet, und BERNHARDI ruft in seiner Sprachkarte Deutschlands “sämmtliche deutsche Geschichtsvereine” zur Entwerfung einer Sprachkarte von ganz Deutschland auf.
IV. Von der in der Folge der Professionali-
sierung entstandenen Sprachwissenschaft wurden die Idiotika des 18. Jahrhunderts wenig hoch geschätzt. So stellt Jacob GRIMM fest, dass sich STADLERs schweizerisches Idiotikon nicht mit der Gelehrsamkeit und dem Sprachtalent eines SCHMELLER messen könne, dessen Bayerisches Wörterbuch zwischen 1827 und 1837 in vier Bänden erschien und dessen ausführlicher Untertitel zugleich das Neue anzeigt: Sammlung von Wörtern und Ausdrücken, die in den lebenden Mundarten sowohl, als in der ältern und ältesten Provincial-Litteratur des Königreichs Bayern, besonders seiner ältern Lande, vorkommen und in der heutigen allgemeindeutschen Schriftsprache gar nicht, oder nicht in denselben Bedeutungen üblich sind, mit urkundlichen Belegen, nach den Stammsilben etymologisch-alphabetisch geordnet. Neben einem
Dialekt Idiotikon im alten Sinne stellt sich also SCHMELLER auch das Ziel, ein Glossarium der älteren Denkmäler vorzulegen. Außerdem strebt er eine ganzheitliche Sicht der bayrischen Sprache an, insofern er nicht nur die Idiotismen, sondern den ganzen Wortschatz möglichst vollständig erfasst und andererseits historische Belege aufnimmt. Im Zusammenhang damit steht auch sein Versuch einer etymologischen Durchdringung des Materials (ĺ Etymologie). Wie schon STALDER seinem Idiotikon eine Grammatik (Dialektologie genannt) voranstellte, der er 1819 einen eigenen Band mit dem Titel Die Landessprachen der Schweiz oder Schweizerische Dialektologie folgen ließ, so publizierte auch SCHMELLER einen Band mit dem Titel Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt (1821). Während STALDERs Motivation in seiner Begeisterung für das “Vaterländische” lag, wobei die Sprache hier nur einen Aspekt hinzu bringt, gehörte SCHMELLER zu jenen Philologen, welche die neue Wissenschaft an den Akademien und Universitäten vertreten und ihre Grundlage unter anderem in der Publikation der Quellentexte legen. STALDER steht am Ende der Entwicklung der lexikographischen Tradition der Idiotika; während SCHMELLER als der erste gilt, der ein Dialektwörterbuch schrieb und damit dem Dialekt das Recht der Eigenständigkeit als Forschungsgegenstand, vielleicht sogar als Kommunikationsmittel zugesteht. SCHMELLERs Werk eröffnet eine lange Reihe von regionalen Wörterbüchern im deutschen Sprachbereich, in der sich die gleichzeitige Entwicklung der Sprachwissenschaft wieder findet. Die weitere lexikographische Tradition ist von fortschreitender Arbeitsteilung und Institutionalisierung geprägt, was deutlich am Schweizerischen Idiotikon oder dem Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache erkennbar wird, das vor allem auf Betreiben von STAUB und der Antiquarischen Gesellschaft von Zürich entstand, auf die 1860er Jahre zurückgeht und ab 1881 erschien. Das explizite Ziel dieses Wörterbuchs, wie auch weiterer Arbeiten zu Dialekten im späteren 19. Jahrhundert, ist die Bewahrung der alten Mundarten, die zu verschwinden drohten. Wahrscheinlich war es KLAPROTH, der den Terminus Sprachatlas einführte. Er hat seiner
879 Übersicht über die Sprachen Asiens (Asia poly-glotta 1823) einen Band mit dem Titel Sprachatlas beigefügt, der eine beigebundene Sprachenkarte Asiens enthält, die ihrerseits von 1825 datiert ist. KLAPROTHs Sprachatlas enthält in Listenform angeordnete Wörterbelege für die verschiedenen Sprachen Asiens von den Kaukasussprachen bis hin zu Japanisch. Im Gebrauch des Terminus schließt sich ihm GEMBLOUX an, der den französischen Terminus langatlas prägt, den er für Frankreich, Wallonien und die Suisse Romande erarbeitet, der aber nie publiziert wurde. Methodisch war das Vorgehen der ersten Sprachgeographen wenig ausgereift. Man arbeitete meist mit Forschern oder gebildeten Personen als Korrespondenten, nicht mit Dialektsprechern. KLAPROTH versuchte vor Ort, Dialekte aufzuzeichnen, allerdings fehlte dafür noch weitgehend das phonetische Instrumentarium für eine genaue Aufzeichnung. Die Idee, dass Sprachen und Dialekte kartierbar sind, kann jedoch für diese Zeit als gesichert gelten. Noch fehlen aber die methodologischen Grundlagen, die zu genauen und verlässlichen Angaben führen würden. In der Folgezeit kam es zur Interaktion der Entwicklung von Dialektgrammatikschreibung und Sprachgeographie. Für die Germanistik war es WEINHOLD, der die Methoden der historischen Grammatik auf Dialekte anwendete (Schlesisch 1853, Alemannisch 1863, Bairisch 1867). Im Zuge der junggrammatischen Wende war es WINTELERs Arbeit über Kerenzen (1876), welche eine phonetisch dem Stand der Zeit entsprechend genaue Beschreibung eines Dialektes lieferte. In den folgenden Jahrzehnten enstand eine Fülle von Ortsgrammatiken, zumeist mit historischem Bezugssystem. Für den germanistischen Bereich wurde mit WENKERs Werk der Weg zur Institutionalisierung der Dialektgeographie beschritten. WENKERs Vorgehen verwendete Volksschullehrer als Korrespondenten und forderte sie auf, einen Fragebogen mit mehreren Beispielsätzen in den örtlichen Dialekt zu übersetzen. Zwischen 1876 und 1887 unternahm WENKER insgesamt sechs Fragebogenaktionen, die zuerst den rheinischen, westfälischen, norddeutschen, nochmals den rheinischen und noch-
880 mals den norddeutschen, und schließlich den süddeutschen Raum betrafen. Der wissenschaftliche Hintergrund des Begründers der französischen Dialektgeographie GILLIÉRON war ein anderer als der WENKERs, insofern seine sprachgeographischen Pläne in einem sprachwissenschaftlichen Milieu reiften, in dem es für ausgemacht galt, dass jede Abgrenzung dialektaler Einheiten willkürlich und sprachliche Homogenität nicht einmal im Kreise einer Familie anzutreffen sei. GILLIÉRON bezieht sich ausdrücklich auf seinen Lehrer Paul MEYER, der eine Geographie der dialektalen Charakteristiken und nicht der Dialekte gefordert hatte. Die ersten Publikationen WENKERs waren in Frankreich kritisiert worden, weil man nicht glaubte, mit Hilfe der normalen ĺ Orthographie die phonetischen Besonderheiten der patois erfassen zu können. Dennoch gaben sie aber den Anstoß zum Unternehmen des Atlas Linguistique de la France, das schließlich 1897 mit den ersten Aufnahmen durch EDMONT begann. GILLIÉRON hatte dabei die direkte Methode gewählt, nach der ein Explorator vor Ort einen Fragebogen abfragte und die Antworten der Gewährsleute in phonetischer Schrift notierte. Im Falle des ALF waren es 639 Orte, in denen zwischen 1400 und 1920 Fragen gestellt wurden. GILLIÉRON ging so weit, nach Möglichkeit nur die Erstantwort gelten zu lassen; Nachfragen wurden gesondert behandelt. Die publizierten Karten schließlich enthalten nur das Originalmaterial und keinerlei Interpretationen. Einen eigenen Deutschen Wortatlas (DWA) begann erst Walther MITZKA zu publizieren (1951–1980). Der kartographische Aspekt betrifft Überlegungen zur Gestaltung der Karten, wobei die Verwendung von Symbolen, von Isoglossen, von Schraffuren und dergleichen mehr eine Rolle spielt. Die englische Dialektographie des 19. Jahrhunderts hat ihre Wurzeln in der historischvergleichenden Sprachforschung, die in Deutschland betrieben wird. WRIGHT, der Verfasser des English Dialect Dictionary, war in Deutschland ausgebildet worden. Er verfasste die erste Ortsgrammatik nach deutschem Muster Grammar of the Dialect of Windhill (1892). Das English Dialect Dictionary entstand aufgrund von Plänen der 1873
III. Einheit und Vielfalt gegründeten English Dialect Society, die bis 1896 achtzig Wörterverzeichnisse publizierte oder wieder auflegte. WRIGHT publizierte zwischen 1898 und 1905 nicht nur das Wörterbuch, sondern separat als letzten Teil auch eine English Dialect Grammar (1905), die zum Teil auch auf den Angaben von ELLIS beruhte, der 1889 als fünften Band eines Werkes über die Aussprache des frühen Englisch The Existing Phonology of English Dialects compared with that of West Saxon Speech publizierte. Ein eigentliches Atlasunternehmen wird in England erst von Eugen DIETH und Harold ORTON 1946 skizziert. Das Interesse an Dialekten hat in Italien eine lange Tradition. Seit dem 16. Jahrhundert wurden Dialektwörterbücher verfasst. SALVIATI publizierte im Anhang an sein berühmtes Werk Degli avvertimenti della lingua sopra ǥl Decamerone (Venedig 1584; 1586) die Übersetzung einer Novelle von BOCACCIO in 12 italienische Dialekte. Diese Idee wurde im 19. Jahrhundert von PAPANTI wieder aufgenommen. Die wirksamste derartige Dialektsammlung nahm jedoch wieder den Text der Parabel vom Verlorenen Sohn zum Ausgangspunkt. Es war BIONDELLI, der 1853 einen Band Saggio sui dialetti gallo-italici mit einer Karte der gallo-italischen Dialekte veröffentlichte. BIONDELLI sammelte die Texte zum großen Teil selbst vor Ort. Sein Werk ist auch deshalb wichtig, weil es den vielleicht bedeutendsten italienischen Dialektologen des 19. Jahrhunderts, ASCOLI , zu seinen Studi critici (1861) veranlasste. Diese Veröffentlichung geschieht zu der Zeit, als ASCOLI auf den ersten Lehrstuhl der vergleichend-historischen Sprachwissenschaft an einer italienischen Universität berufen wurde, an die Accademia scientifica letteraria in Mailand, welche die alte philosophische Fakultät wiederherstellen sollte. Mit der Gründung des Archivio glottologico italiano im Jahre 1873 (fortgeführt bis Band 34 im Jahre 1942) gibt ASCOLI der italienischen Dialektologie ein Forum. Die Dialektologie erreicht im 19. Jahrhundert in Deutschland aber nicht den Status einer eigenen Disziplin. Sie bleibt ein Forschungsgegenstand für jene Philologen, die historische Sprachwissenschaft mit lebender Sprache zu verbinden suchen. Zu einem großen
Dialekt Teil wird dialektologische Feldforschung von Gymnasiallehrern und nicht an der Universität betrieben. Neben der Einbettung der Dialektologie in die (jeweilige) Philologie bleibt die Dialektologie mit der Volkskunde verbunden. In diesem Zusammenhang wird die Untersuchung von Dialekten der Untersuchung anderer kultureller Manifestationen des Volkslebens zugeordnet.
V. ALTHAUS, Hans Peter (1970): Ergebnisse der Dialektologie. Bibliographie der Aufsätze in den deutschen Zeitschriften für Mundartforschung 1854–1968. Wiesbaden: Steiner. – BAHNER, Werner (1986): “Sprachwandel und Etymologie in der spanischen Sprachwissenschaft des Siglo de Oro”. The History of Linguistics in Spain. Ed. Antonio QUILIS / HansJosef NIEDEREHE. Amsterdam / Philadelphia: Benjamins, 95–116. – BENFEY, Theodor (1869): Geschichte der Sprachwissenschaft und orientalischen Philologie in Deutschland seit dem Anfange des 19. Jahrhunderts mit einem Rückblick auf die früheren Zeiten. München. – BENINCÀ, Paola (1996): Piccola storia ragionata della dialettologia italiana. Padova: Unipress. – CORTELAZZO, Manlio (1800): I dialetti e la dialettologia in Italia: (fino al 1800). Tübingen: Narr. – CORTELAZZO, Manlio (1973): I dialetti e la dialettologia in Italia (fino al 1800). Tübingen: Narr. – EBERENZ, Rolf (1990): “Sprachliche Norm und Varietäten in Sebastián de Covarrubias’ Tesoro de la lengua castellana e española (1611)”. Sprachtheorie und Theorie der Sprachwissenschaft. Hrsg. Ricarda LIVER / Iwar WERLEN / Peter WUNDERLI. Tübingen: Narr, 108–117. – EICHINGER, Ludwig M. (1984): “Der Kampf um das Hochdeutsche. Zum 200. Todestag des Oberpfälzer Sprachforschers C. F. Aichinger (1717–1782)”. Jahrbuch der Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft 1982. Bayreuth, 81–104. – FRIEBERTSHÄUSER, Hans (Hrsg.) (1986): Lexiko-
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III. Einheit und Vielfalt
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel I. Lat. varietas; expressionibus bonis, claris,
emphaticis abundant; brevitas integra, lumina dilucidum, breve, probabile, illustre, suave vs. inopia, pauperes; dt. Reichthum, Überfluß, Deutlichkeit, Kürze, Nachdruck, Reinigkeit, Glantz; Vollkommeners und Regelmäßigers, Zierlichkeit, Wohlklang, Vollkommenheit, Schönheit, Lieblichkeit, Anmuth, Geschmeidigkeit, Biegsamkeit, Regelmäßigkeit, Stärke, klar und kräfftig, nachdrücklich und kräftig vs. das Unvollkommene, Rauhigkeit; engl. the right use and perfection of language, sufficient copia of words; not grating, but pleasing to the ear, clear expression vs. imperfection, ambiguities; frz. perfection, langue parfaite, netteté, clarté, perspicuité, précision, correction, propriété des termes, noblesse, élévation élegance, énergie, force, majesté, abondance, politesse, douceur, chaleur, éloquence, vivacité, modestie, ordre, justesse, brieveté, grandeur, sublimité, avantages, noble, auguste, douce, significative, sonore, eloquente, nombreuse, abondante, raisonnée, chaste, châtiée, concise & serrée, majestueuse, la plus exacte et la plus estimable, delicatesse de goust, cadence pleine d’harmonie, Pudicité du Discours vs. disette, superfluité, seicheresse, saletez, paroles outrageuses, les bassesses; négligences, des restes de la balbutie des premiers âges, beautés arbitraires, métaphores outrées; des termes grossiers ou obscènes; it. perfezione, purità vs. confusione, span. propiedad, puridad, limpieza, claridad, brevedad, gusto, decoro, suavidad, una de las lenguas mas copiosas, sonoras y acabadas entre las vivas. Gegenüber dem klassischen Begriffsgefüge ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia war im 17. und 18. Jahrhundert eine Vielzahl von Bezeichnungen für Vorzüge einer Sprache entstanden, die unterschiedliche Blickrichtungen akzentuierten. Die Bezeichnungen für positive Wertungen sind dabei weitaus häufiger als die Benennung von Mängeln einzelner Sprachen. Neben der grundsätzlichen Eignung für die Kommunikation wird im 18. Jahrhundert auch die Möglichkeit, kognitive Prozesse positiv zu beeinflussen, zu einem wesentlichen Moment bei der Bestimmung der Vorzüge von Sprachen
(ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). Die Benennungen der Vorzüge und Mängel werden überwiegend auf systematische Eigenschaften von Sprachen bezogen, jedoch auch die Sprachverwendung (ĺ Gebrauch) konnte mit ihnen gewertet werden.
II. (COMENIUS [1648] 1978: 41–42): 11. Hoc item in Vocibus observandum est, qvòd qvævis Lingva primigeniarum habet numerum qvendam certum, haud ita multum, à qvibus deducunt cæteras. Differunt autem, qvòd qvædam solâ derivatione, ut ferè Hebræa cum cognatis suis; qvædam sola compositione, ut ferè Germanica; qvædam utroqve modo, ut Græca, Latina, Slavonica. Atqve ab hac differentia provenit, ut Lingvæ aliæ aliis sint copiosiores vel pauperiores; & ad exprimendum Res magis vel minùs idoneæ. Qvæ enim nec derivant nec componunt feliciter, pauperes sunt, & Vocum inopiâ laborant. Qvæ aptè derivant (ut Latina & Slavonica) aut componunt (ut Germanica) aut utrumqve (ut Græca) aptè qvoqve & promptè Vocabula Rebus indunt, expressionibúsqve bonis, claris, emphaticis abundant. (COMENIUS [1648] 1978: 43): 20. Liceat adscribere qvod Verulamius de Lingvarum Differentia notavit, (libro VI. de Scient. Augm. Cap. 1.) Annon & illud observatione dignum, inqvit, (licet nobis modernis spiritus nonnihil retundat) antiqvas lingvas plenas Declinationum, Casuum, Conjugationum, Temporum, & similium, fuisse: Modernas his ferè destitutas, plurima per Præpositiones, & Verba auxiliaria, segniter expedire. Sanè facilè qvis conjiciat (utcunqve nobis ipsis placeamus) Ingenia priorum seculorum nostris fuisse multò acutiora & subtiliora. (Intelligit autem per modernas Lingvas, illas ex ruinis aliarum nuper natas, Italicam, Hispanicam, Gallicam, Anglicam.) Hæc ille. Ego autem dubito, an subscribendum sit. Germanica enim plus varietatis retinet, multóqve plus Slavonica: an ideò aliis ingeniosiores? Qvin ego illas Lingvas novas ingeniosiores credam, si compendiosius, & modô faciliori, eadem illa expediunt, ad qvæ aliis majori terminationum apparatu opus fuit. Ita enim fit, ut difficultate minus terreant, & ambagius minus detineant, eôqve in
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel Res celerius mittant. Licet nostræ ille antiqviores ipsâ varietate emphasibusqve reverà oblectent, si qvem hic deliciari juvet. (BOUHOURS 1671: 40): Car à la bien considerer dans la perfection où elle [la langue française] est depuis plusieurs années, ne faut-il pas avouër qu’elle a quelque chose de noble & d’auguste, qui l’égale presque à la langue Latine, & la releve infiniment au-dessus de l’Italienne & de l’Espagnole, les seules langues vivantes qui peuvent raisonnablement entrer en concurrence avec elle. (CHARPENTIER 1683a: 566): Si les bagatelles & les ignorances qui s’impriment tous les jours en langue Françoise doivent estre regardées comme un sujet de mespris pour elle. (CHARPENTIER 1683a: 609–612): Les Philosophes & les Rheteurs nous ont donné des regles pour connoistre en quoy consiste la beauté de l’Elocution en general, & en appliquant ces Maximes à la langue Françoise, comme nous l’avons desja fait en plusieurs Chapitres precedens, on voit aisément qu’elle est une de celles qui approchent le plus de l’Idée d’une langue parfaite. Elle possede par excellence la Netteté & la Clarté, qui sont les principales beautez du discours, selon Aristote, puisqu’on ne parle que pour se faire entendre. Elle est douce, Elle est significative, Elle est sonore, Elle est eloquente, Elle est nombreuse. Ce n’est point une langue dont les Expressions soient heureuses, mais fortuites; Et qui n’ait point de regles pour s’asseurer quand elle a bien fait, ou pour se corriger quand elle a failli. Elle a ses loix tirées des mesmes sources que la Latine & la Grecque. C’est desormais une Langue de Reflexion & d’Estude; C’est une Langue raisonnée, qui n’est pas moins ennemie de la Superfluité que de la Seicheresse. Sur tout, Chaste jusqu’au scrupule, & d’une Delicatesse de goust presque infinie. Les Saletez, les Paroles outrageuses, les Bassesses, n’y sont point souffertes; Et si l’on veut s’expliquer sur quelque passion tendre, il ne faut pas que ce soit avec ces vilaines expressions que Catulle & Martial ont si souvent employées. (CHARPENTIER 1683a: 625): Ce n’est donc pas là une des moindres marques de la perfection de nostre Langue que cette Pudicité du Discours, avec laquelle on ne laisse pas de combattre toute la turpitude des vices sans la
883 dévoiler, & de deffendre la Justice de sa Cause sans s’esloigner des termes de l’Honnesteté. (CHARPENTIER 1683a: 639): Chapitre XXX: Que la Construction Directe comme est celle de la Langue Françoise, est incomparablement plus estimable que la Construction Renversée de la Langue Latine, Et que les Grecs & les Latins mesmes en ont jugé de la sorte […]. (CHARPENTIER 1683a: 645) Ainsi on ne doit pas douter que la plus belle Elocution, & mesme la plus heureuse, ne soit celle ou sans renverses l’Arrangement Naturel des paroles, elles se joignent agreablement ensemble, & forment une Cadence pleine d’harmonie. (CHARPENTIER 1683a: 650–652): Il n’y a que la Langue Françoise qui puisse exprimer les grandes émotions, & converser la politesse d’un Discours estudié, parce que dans cette Langue la Nature & l’Art sont presque toûjours d’accord. Ses Nombres ne paroissent point recherchez, parce qu’ils ne s’éloignent jamais de la Construction Naturelle, & quoy que cette Construction n’ampesche pas qu’on n’en sente l’Harmonie, elle fait neantmoins que l’Art en est plus caché, & par consequent qu’elle est plus propre à persuader. Mais le principal avantage de la Construction Directe, c’est qu’elle contribue à la Clarté, qui est la souveraine perfection du Discours. Tout le monde aime naturellement à apprendre, & il y auroit autant de raison à demander si le Soleil est beau à voir; & s’il y a du plaisir à vivre, qu’à mettre en question s’il y a du plaisir à s’instruir de ce qu’on ignore. Il y a de certaines premieres Veritez qui n’ont point besoin de preuves, & qui servent elles-mêmes de preuves à toutes les autres. Cependant s’il y a du plaisir à apprendre avec facilité, parce qu’alors le plaisir n’est meslé d’aucune amertume. Or les expressions qui suivent la Construction Directe, produisent une connoissance plus facile & plus prompte que les Inverses, car il faut que l’esprit de l’Auditeur redresse ce que la Langue a renversée; Ainsi ce sont deux opérations d’esprit pour une, ce qui fait que l’on ne comprend pas sitost ni si agréablement. Et c’est ce qui cause les chagrins de la Jeunesse Françoise, qui apprend la Langue Latine; Il faut qu’elle se desaccoustume de la Construction Directe, qui est conforme à la
884 Logique Naturelle, pour en prendre une qui ne l’est pas. (CHARPENTIER 1683a: 680–681): Et c’est ce qui nous donne lieu de conclure que la Construction Françoise est la plus excellente que l’on puisse imaginer, puisqu’en conservant la Clarté qui naist de l’arrangement naturel des paroles, elle ne laisse pas de recevoir tous les ornemens des Nombres aussi bien que la Latine, & de reüssir aussi heureusement qu’elle dans toutes les figures de Sens & de Diction. (CHARPENTIER 1683a: 1064–1065): La langue Françoise est de meilleure foy. Elle ne supprime rien par ignorance, ni par malice. Elle ne tend point de pieges à son Lecteur; Et ce ne luy doit pas estre un reproche, d’estre plus longue qu’une Langue qui n’escrit quelquefois que la moitié de ce qu’elle doit escrire. Je veux donc bien qu’il y ait de la Brieveté dans la langue Latine, mais il faut que ce soit une Brieveté où il ne manque rien, Brevitas integra, comme dit Quintilien, & non pas une Brieveté estropiée; Car il y a bien de la difference entre estre petit & estre mutilé. (CHARPENTIER 1683a: 1107–1108): Car enfin, nous avons monstré suffisamment, Qu’il n’y a nulle apparence que la France entiere voulant parler à ses enfans de la gloire de leur Monarque ne se serve pas de sa Langue naturelle; Et cela ne doit point estre regardé comme un mespris de la Langue Latine, ni comme une préference que nous accordons à son préjudice à la Langue Françoise. Il n’est point question de préference, quand on n’a point à choisir. C’est la nature de la chose qui nous determine, & non pas le merite des Langues. C’est une Election que nous faisons sans estre en liberté de ne la pas faire. (LOCKE [1690] 1894: III, IX, 104): For since sounds are voluntary and indifferent signs of any ideas, a man may use what words he pleases to signify his own ideas to himself: and there will be no imperfection in them, if he constantly use the same sign for the same idea: for then he cannot fail of having his meaning understood, wherein consists the right use and perfection of language. (LEIBNIZ [1697] 1908: 335): 27. Ich will doch gleichwohl gern jedermann recht thun, und also nicht in Abrede seyn, dass mit diesem
III. Einheit und Vielfalt Frantz- und Fremd-entzen auch viel Gutes bey uns eingeführet worden; man hat gleichwie von den Italiänern die gute Vorsorge gegen ansteckende Kranckheiten, also von den Frantzosen eine bessere Kriegs-Anstalt erlernet, darin ein freyherrschender grosser König andern am besten vorgehen können; man hat mit einiger Munterkeit im Wesen die Teutsche Ernsthafftigkeit gemässiget, und sonderlich ein und anders in der Lebens-Art etwas besser zur Zierde und Wohlstand, auch wohl zur Beqvemlichkeit eingerichtet, und so viel die Sprache selbst betrifft, einige gute Redens-Arten als fremde Pflantzen in unsere Sprache selbst versetzet. (LEIBNIZ [1697] 1908: 343): 56. Allein ich komme nunmehro zu dem, so bey der Sprache in dero durchgehenden Gebrauch erfordert wird, darauff die Herren Frucht-bringenden, die Crusca, und die Frantzösische Academie zuerst allein gesehen, und auch anfangs am meisten zu sehen ist; in so weit keine Frage ist von dem Ursprung und Alterthum oder von verborgenen Nachrichtungen, Künsten und Wissenschafften, sondern allein vom gemeinen Umgang und gewöhnlichen Schrifften, allwo der Teutschen Sprache Reichthum, Reinigkeit und Glantz sich zeigen soll, welche drey gute Beschaffenheiten bey einer Sprache verlanget werden. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 77–78): C’est donc une necessité que la faculté de parler marche presque d’un pas égal avec celle de penser, & que la sagesse se trouve toûjours accompagnée de l’éloquence comme d’une servante fidelle, ainsi qu’en parle saint Augustin. Et Ciceron dit en quelque endroit, que l’éloquence n’est autre chose qu’une sagesse diserte, eloquentia nihil est aliud quam copiose loquens sapientia. Il ne peut donc pas arriver qu’un peuple fasse de grand progrés dans la connoissance des Arts & des Sciences, sans s’accoûtumer à parler avec pureté, avec élegance, avec énergie, & même avec beaucoup de magnificience & de sublimité; avec pureté pour donner des idées exactes & précises des veritez qu’il connoît; avec énergie pour faire comprendre toute la force de ses pensées; avec grandeur & sublimité pour faire concevoir aux autres la même estime & le même amour qu’il a luy-même pour ces veritez: & tout cela n’est autre chose que perfectionner
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel sa langue & la rendre plus polie & plus éloquente. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 207): Mais aprés tout, afin de terminer la question au gré de tout le monde, s’il y a des langues dont la cadence convienne mieux aux sujets de certain genre, elles se trouvent moins propres aux autres sujets. Si l’une excelle dans la force, l’autre excellera dans la douceur de l’harmonie: de sorte qu’à tout examiner chacune aura dequoy se dédommager; & aucune ne pourra s’attribuer une superiorité absoluë au dessus des autres. (MURATORI 1706: 632): Né vale il dire, che ancor con Solecismi si può puramente in qualunque Linguaggio scrivere, essendo i soli Barbarismi contrari alla purità delle Lingue; poiché in ogni Lingua è vero ciò, che fu scritto dall’Autor della Rettorica ad Erennio nel lib. 4 Latinitas (torno a riferir le sue parole) est, quae sermonem purum conservat ab omni vitio remotum. Vitia in sermone, quominus Latinus sit, duo possunt esse, Soloecismus, et Barbarismus. In quarto luogo né pur fu in quel secolo purgata l’Ortografia. Si scrivevano con somma confusion le parole, senza le necessarie lettere, o pur con altre non necessarie, in maniera che, qualor si leggono i Manuscritti di quella età, bisogna confessare, che le Italiane Scritture erano allora molto lontane in questa parte dalla lor perfezione. (LUZÁN [1729] 1991: 89): La propiedad y la puridad de las voces (que es una misma cosa) es aquella virtud con la cual se dan a cada cosa aquellos términos que perfectamente la representan. – (96): Leyendo con atención estos autores u otros de los muchos que hay, los cuales han tratado con puridad y limpieza en nuestra lengua diversas materias, se adquirirá la propiedad de las voces, que es el primer requisito para hablar bien. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, 1744: XXXIX, 409): Folglich müssen wir uns so weit ebenfalls das Unvollkommene und Unordentliche bekannt machen. Wir dürffen aber hiebey keines weges stehen bleiben, indem wir auch zu einer Verbesserung derselben verbunden sind. So bald wir also das Unvollkommene einer lebendigen Sprache wissen und ein besseres, Vollkommeners und Regelmäßigers erkennen; so bald müssen wir uns auch verbunden halten, selbiges zu entdecken, und durch einen neuen Gebrauch an statt
885 des schlechtern einzuführen, das Unvollkommene aber der Vergessenheit zu überliefern. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache, frantzösische, 1744: XXXIX, 423–424): Die Zierlichkeit der Frantzösischen Sprache sey also beschaffen, daß sie sich überalle nach dem Unterschiede und Erforderung der Materie klar und kräfftig brauchen lasse. Wenn man den Wohlklang betrachte; so sey theils der Inhalt der Worte gleichgültig, und rühre das, was uns dabey verdrüßlich oder angenehm vorkomme, blos von der Deutung her, so man denselben beygelegt: theils habe auch jede Sprache, zum wenigsten vor diejenigen, die sie brauchen, was wohlklingendes in sich, obgleich diejenigen, denen sie nicht natürlich ist, solches nicht verstünden. Daß nach der genauen Ausarbeitung der Frantzösischen Sprache ein Scribent, der gut schreiben wolle, sich weniger Freyheit nehmen dürffe, und an den eingeführten Gebrauch mehr gebunden sey, als in andern Sprachen, die nicht so mit Regeln versehen wären, dürffte man nicht als einen Fehler sondern vielmehr als einen Vorzug auslegen. Wenn also gleich ein Frantzose so wohlklingende Beywörter nicht brauchte wie Homer, wenn er gleich die niedrigsten Worte nicht durch andre prächtige zu erheben suche, oder die hartklingenden mit andern angenehmen verwechsle; so geschehe solches nicht aus Mangel, sondern weil er nach den Grundsätzen der Sprache kein Wort um des Wohlklanges willen brauche, das an sich selbst überflüßig sey, und mehr auf eine durchgehends gleiche als gemengte Harmonie halte. Allein der Herr de la Motte ist in dieser Sache vielleicht kein so glaubwürdiger Richter als die Dacier. Sie versteht ungleich mehr Griechisch. Hernach sind auch seine Regeln, die er in Vergleichung zweyer Sprachen anwendet, nicht genugsam gegründet. Denn wenn gleich eine Sprache alles sagen kan, was sie sagen will; so kan die andere wohl besser seyn, die es kürtzer und nachdrücklicher und mit einer bessern Art sagt; welche Gewalt die Griechische Sprache insonderheit so wohl in gantzen Redens-Arten, als in ihren zusammengesetzten und Beywörtern besitzet. Daß er aber über den Schall und Wohlklang streitet, ist etwas wunderliches. Denn er kan der Dacier doch nicht wehren, daß ihr das Griechische besser klingt als das Frantzösische;
886 und vielleicht solte noch jeder Ursachen genug finden, das Urtheil ihrer Ohren zu behaupten, wenn man den Wohlklang aus dem Grunde untersuchen wolte. Endlich rühret die Regelmäßigkeit der Frantzösischen Sprache, die er so sehr herausstreicht, keinesweges von der Sprache, zu welcher nichts als Worte gehören, sondern von der gefunden Vernunfft her, welche die Begriffe in Ordnung bringen lehret, und deren Regeln in allen Sprachen können angewendet werden. Deutsche Acta Erudit. Tom. III. p. 375 u. ff. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, VII, 98): Par conséquent, dans une langue dont la prosodie est parfaite, la succession des sons doit être subordonnée à la chûte de chaque période; en sorte que les cadences soient plus ou moins précipitées, et que l’oreille ne trouve un repos qui ne laisse rien à desirer, que quand l’esprit est entièrement satisfait. On reconnoîtra combien la prosodie des romains approchoit plus que la nôtre de ce point de perfection, si l’on considère l’étonnement avec lequel Cicéron parle des effets du nombre oratoire. Il représente le peuple ravi en admiration, à la chûte des périodes harmonieuses; et, pour montrer que le nombre en est l’unique cause, il change l’ordre des mots d’une période qui avoit eu de grands applaudissemens, et il assure qu’on en sent aussi-tôt disparoître l’harmonie. (GOTTSCHED [1748] 1762: 13): Durch die Vollkommenheit einer Sprache, versteht man hier nicht, eine durchgängige Übereinstimmung aller ihrer Wörter und Redensarten, nach einerley allgemeinen Regeln, ohne alle Ausnahmen. Dieses würde die Vollkommenheit einer mit Fleiß erfundenen philosophischen Sprache seyn. Diese findet man aber nirgends. Ich rede nur von der Volkommenheit derselben, in so weit sie in den wirklich vorhandenen Sprachen angetroffen wird: wo allerdings ein vieles nach gewissen Regeln übereinstimmet; obgleich viel andres auch davon abweicht. Und in Ansehung dessen kann man allen Sprachen auf dem Erdboden, einen gewissen Grad der Vollkommenheit nicht absprechen. (GOTTSCHED [1748] 1762: 14): Wie nun der Reichthum und Überfluß die erste Vollkommenheit einer Sprache abgiebt: so ist es auch gewiß, daß die Deutlichkeit derselben, die zweyte ist. Denn die Sprache ist das Mittel,
III. Einheit und Vielfalt wodurch man seine Gedanken, und zwar in der Absicht ausdrücket, daß sie von andern verstanden werden sollen. Da aber dieser Zweck nicht erhalten wird, außer wenn die Wörter wohl zusammengefüget, und nach gewissen leichten Regeln verbunden werden: so kömmt es bey der Größe der Vollkommenheit, auch darauf an, ob eine Sprache viel oder wenig Regeln nöthig hat? Je weniger und allgemeiner nun dieselben sind, d. i. je weniger Ausnahmen sie haben; desto größer ist ihre Vollkommenheit: wenn nur der Zweck der Rede, nämlich die deutliche Erklärung der Gedanken dadurch erhalten wird. Die dritte gute Eigenschaft der Sprachen ist die Kürze, oder der Nachdruck; vermöge dessen man mit wenigen Worten, viele Gedanken entdecken kann. (GOTTSCHED [1748] 1762: 16): Man pflegt auch noch andere Eigenschaften zur Vollkommenheit und Schönheit einer Sprache zu erfordern, die aber so unstreitig nicht sind. Man redet z. B. von der Lieblichkeit und Anmuth gewisser, imgleichen von der Rauhigkeit anderer Mundarten. (GOTTSCHED [1748] 1762: 17): Wenn man fraget, ob unsere Sprache, seit ein Paar hundert Jahren, an Vollkommenheit zugenommen habe: so giebt es freylich Grübler, die solches läugnen, und uns wohl gar bereden wollen: daß man zur Zeit Kaiser Maximilians des I und Karls des V, ein nachdrücklicheres und kräftigeres Deutsch geredet und geschrieben habe, als itzo. Diese glauben also, daß unsere Sprache sich verschlimmert habe; indem sie, wie sie reden, viel schwatzhafter, und daher gezwungener geworden, als sie vormals gewesen. Sie bemerken auch noch, daß man heute zu Tage eine Menge ausländischer Wörter und Redensarten ins Deutsche menget, die ihm gar nicht wohl stehen; und die kerndeutschen Ausdrückungen der Alten dafür fahren läßt: woraus denn nothwendig eine Verderbniß der Sprache hätte entstehen müssen. (GOTTSCHED [1748] 1762: 19): Aus dieser Ursache nun wäre es zu wünschen, daß unsere Sprache bey der itzigen Art, sie zu reden und zu schreiben, erhalten werden könnte: weil sie, allem Ansehen nach, denjenigen Grad der Vollkommenheit erreicht zu haben scheint, darinn sie zu allen Vorfällen und Absichten ei-
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel ner ausgearbeiteten und artigen Sprache, geschickt und bequem ist. (GOTTSCHED [1748] 1762: 261): So sehen die Vergleichsstaffeln aus, wenn sie richtig gehen: allein es giebt auch einige unrichtige, die nicht bey den Regeln bleiben. Z. B. bald, eher, am ehesten; gern, lieber, am liebsten, gut, besser, am besten; viel, mehr, am mehresten oder meisten. Vielleicht kommt aber die Unordnung daher, daß die ersten Staffeln dieser Wörter, mehr für Nebenwörter, als für Beywörter zu halten sind. Daher hätte man sagen können, dieser Wörter Vergleichung wäre mangelhaft (defectiva); indem ihnen die erste Staffel fehlete; an deren Stelle denn nur ein Nebenwort genommen würde. Wenigsten geht es mit minder und am mindesten so: denn hier muß man den Mangel der ersten Staffel mit wenig ersetzen, welches doch sonst seine regelmäßigen Stuffen behält, wenig, weniger, am wenigsten. Das Wort der letzte, ist zur dritten Staffel zu zählen, der aber im Deutschen die erstern beyden mangeln. Die Engländer und Niedersachsen haben alle drey, late, later, latest. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 538): Tanto può la giacitura delle parole, levata la quale si viene il più delle volte a levare al discorso armonia, grazia, sospensione e dignità. Così dicevasi contro alle nuove regole dell’Accademia. Dicevasi ancora che troppo con esse si veniva a cavillare, che troppo scrupolose erano le correzioni, troppo ingiuste le censure contro a que’ modi di dire che tanto o quanto avessero dell’irregolare; buona parte delle figure grammaticali non altro essendo in sostanza che altrettanti errori di lingua, ma errori commessi da coloro che le indole conoscono e il particolare idioma delle passioni, e sanno che la grande arte dello scrivere è il bene imitar la natura. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 546): D’où il s’ensuit, ce me semble, que la communication de la pensée étant l’objet principal du langage, notre langue est de toutes les langues la plus châtiée, la plus exacte et la plus estimable; celle, en un mot, qui a retenu le moins de ces négligences que j’appellerais volontiers des restes de la balbutie des premiers âges; où, pour continuer le parallèle sans partialité, je dirais que nous avons
887 gagné, à n’avoir point d’inversions, de la netteté, de la clarté, de la précision, qualités essentielles au discours; et que nous y avons perdu de la chaleur, de l’éloquence et de l’énergie. (Encyclopédie, Artikel Article, DU MARSAIS, 1751: I, 738): La perfection des langues consiste principalement en deux points. 1. A avoir une assez grande abondance de mots pour suffire à énoncer les différens objets des idées que nous avons dans l’esprit: par exemple, en latin regnum signifie royaume, c’est le pays dans lequel un souverain exerce son autorité: mais les Latins n’ont point de nom particulier pour exprimer la durée de l’autorité du souverain, alors ils ont recours à la périphrase; ainsi pour dire sous le regne d’Auguste, ils disent imperante Coesare Augusto, dans le tems qu’Auguste régnoit; au lieu qu’en françois nous avons royaume, & de plus regne. La langue françoise n’a pas toujours de pareils avantages sur la latine. 2. Une langue est plus parfaite lorsqu’elle a plus de moyens pour exprimer les divers points de vûe sous lesquels notre esprit peut considérer le même objet: le roi aime le peuple, & le peuple aime le roi: dans chacune de ces phrases, le roi & le peuple sont considérés sous un rapport différent. Dans la premiere, c’est le roi qui aime; dans la seconde, c’est le roi qui est aimé: la place ou position dans laquelle on met roi & peuple, fait connoître l’un & l’autre de ces points de vûe. (Encyclopédie, Artikel Article, DU MARSAIS, 1751: I, 739): En un mot, la netteté & la précision sont les premieres qualités que le discours doit avoir: on ne parle que pour exciter dans l’esprit des autres une pensée précisément telle qu’on la conçoit; or les langues qui ont des articles, ont un instrument de plus pour arriver à cette fin; & j’ose assûrer qu’il y a dans les livres Latins bien despassages obscurs, qui ne sont tels que par le défaut d’articles; défaut qui a souvent induit les auteurs à négliger les autres adjectifs démonstratifs, à cause de l’habitude où étoient ces auteurs d’énoncer les mots sans articles, & de laisser au lecteur à suppléer. (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, III–IV): Moins douce que l’Italienne; moins majestueuse que l’Espagnole; moins concise & moins serrée que l’Angloise; sans comparaison moins éner-
888 gique que l’Allemande; avec cela moins riche, moins abondante, qu’aucune peut-être de Langues modernes; elle [la langue française] a pourtant assez de ressources dans son indigence, assez d’énergie, de précision, de majesté, de douceur, pour qu’il en résulte un instrument des Pensées humaines très estimable, & très utile quand on le manie comme il faut. La clarté surtout, & la politesse qui la caractérisent, y ajoûtent un très grand prix. (MICHAELIS 1760: 29): Der Vorzug einer solchen Sprache, und die Mittel, ihn einer jedweden Sprache zu geben, werden besser in die Augen fallen, wenn ich das mangelhafte unserer Sprache beschreibe. Sie selbst ist ohne Schuld, und man kann sie reich nennen: allein theils ihr Reichthum, theils ihre ausgearteten Kinder, haben sie dürftig gemacht. (MICHAELIS 1760: 40): Was ich von der Armuth der Lateinischen und Griechischen Sprache in Absicht auf einen eigenen Nahmen für Gott S. 7. 8. geschrieben habe, entdeckt vermuthlich auch die Ursache, warum diese Völcker zum Theil so schlecht von Gott philosophiert haben, und ihre größesten Geister von der Untersuchung der Frage, ob Götter sind? so ungewiß und unbelehrt zurück gekommen sind. (MICHAELIS 1760: 43): Der Ueberfluß wird fast nur alsdenn schädlich, wenn er unproportionirt, und mit einer Armuth in eben der Gattung von Wörtern verknüpft ist. Z. E. zwey sehr verwandte Gewächse, die nach dem übrigen Reichthum der Sprache nur einen Nahmen brauchten, oder zwey Species eines Generis, in dem sonst der Hauptnahme des Krautes durch und durch bleibet, und die Species blos durch ein Adjectivum (weiße Tanne) oder durch eine Zusammensetzung (Edel-Tanne) bezeichnet wird, bekommen gantz verschiedene Nahmen: die Folge davon wird seyn, daß das Volck sich die Gewächse als gantz verschieden vorstellet, und wenn sie gleich wegen ihrer nahen Verwandtschaft einerley Wirckungen haben, doch nicht darauf kommt, die Wirckung des einen von dem andern zu vermuthen: der Fehler ist noch größer, wenn die zwey verschiedenen Nahmen sie gar in zwey Genera bringen: doch dis gehört unter die Irrthümer der Etymologie. (MICHAELIS 1762: 49–50): Pour mettre encore dans un plus grand jour les avantages de
III. Einheit und Vielfalt ces sortes de langues, & pour faire connoitre les moyens dont il faudroit se servir pour procurer les mêmes avantages à d’autres, je vais examiner ce qui empêche l’allemande d’en jouïr. Ce n’est pas sa pauvreté; elle est très riche de sa nature; si elle s’appauvrit, il faut l’attribuer, en partie même à son trop de richesse, & en partie à ce que ceux qui la parlent ont extrèmement dégénérés. (MICHAELIS 1762: 79): Les langues peuvent nuire de diverses façons, que je réduis à six. 1) Par leur disette. 2) Par une abondance vicieuse. 3) Par les Equivoques. 4) Par des idées accessoires & de faux jugemens inséparables de l’idée principale. 5) Par des Etymologies & des expressions qui couvent des erreurs ou causent des méprises. 6) Par un attachement opiniâtre pour certaines beautés arbitraires. (MICHAELIS 1762: 80): Nous avons encore vû que chez les Grecs & les Romains la Divinité n’avoit point de nom propre: c’est là probablement la raison de leur mauvaise Philosophie, & de leurs notions défectueuses dans tout ce qui concerne la Théologie, & c’est là ce qui a rendu leurs premiers génies si incertains & si flottant sur la question s’il y a des Dieux. (MICHAELIS 1762: 85): Je suppose, par exemple, que l’on donne deux noms diférens à deux végétaux qui se ressemblant de bien près ne devroient en avoir qu’un selon l’analogie de la langue; ou bien que l’on en donne deux à deux espèces du même genre que par tout ailleurs on ne distingue qu’en ajoutant un adjectif au nom générique, ou par composition. Qu’arrivera-t-il? le peuple se représentera ces végétaux comme diférens du tout au tout, & ne soupçonnera jamais qu’ils puissent produire les mêmes effets. Peut-être par une faute encore plus grossiere, il en sera deux genres; mais ce seroit là une erreur enfantée par l’étymologie. (PRIESTLEY 1762: 250): An attention to the use of language will inform us that, to the perfection of it, there must concur the three following particulars. In the first place it is necessary there be a sufficient copia of words; secondly that there be no ambiguities of words or constructions; and, lastly, that the pronunciation of it be not grating, but pleasing to the ear. The two former of these criterions contribute to clear expression, and are therefore the
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel fundamental properties of a good language; the latter is a matter of ornament only. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 264): La simple énonciation de la pensée est le premier but de la parole, & l’objet commun de tous les idiomes: c’est donc le premier rapport sous lequel il convient ici de les envisager pour poser des principes raisonnables sur la question dont il s’agit. Or il est évident qu’à cet égard il n’y a point de langue qui n’ait toute la perfection possible & nécessaire à la nation qui la parle. Une langue, je l’ai déjà dit, est la totalité des usages propres à une nation, pour exprimer les pensées par la voix; & ces usages fixent les mots & la syntaxe. Les mots sont les signes des idées, & naissent avec elles, de maniere qu’une nation formée & distinguée par son idiome, ne sauroit faire l’acquisition d’une nouvelle idée, sans faire en même tems celle d’un mot nouveau qui la représente: si elle tient cette idée d’un peuple voisin, elle en tirera de même le signe vocal, dont tout au plus elle réduira la forme matérielle à l’analogie de son langage; au lieu de pastor, elle dira pasteur; au lieu d’embaxada, embassade; au lieu de batten, battre, &c. si c’est de son propre fonds qu’elle tire la nouvelle idée, ce ne peut être que le résultat de quelque combinaison des anciennes, & voilà la route tracée pour aller jusqu’à la formation du mot qui en sera le type; puissance se dérive de puissant, comme l’idée abstraite est prise dans l’idée concrete; parasol est composé de parer (garantir), & de soleil, comme l’idée de ce meuble est le résultat de la combinaison des idées. séparées de l’astre qui darde des rayons brûlans, & d’un obstacle qui puisse en parer les coups. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 265): Pour continuer le parallele sans partialité, je dirois que nous avons gagné à n’avoir point d’inversions, ou du moins à ne les avoir ni trop hardies ni trop fréquentes, de la netteté, de la clarté, de la précision, qualités essentielles au discours; & que nous y avons perdu de la chaleur, de l’éloquence, & de l’énergie. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 266): La clarté, l’ordre, la justesse, la pureté des termes, distinguent le françois des autres langues, & y répandent un agrément qui plait à tous les peuples. Son ordre
889 dans l’expression des pensées, le rend facile; la justesse en bannit les métaphores outrées; & sa modestie interdit tout emploi des termes grossiers ou obscènes. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 266): Lorsqu’une langue a fait des progrès considérables, qu’elle s’est enrichie, qu’elle a acquis de la dignité, de la finesse, & de l’abondance, il faut savoir ajouter à la clarté du style plusieurs autres perfections qui entrent en concurrence avec elle, la pureté, la vivacité, la noblesse, l’harmonie, la force, l’élégance; mais comme ces qualités sont d’un genre différent & quelquefois opposé, il faudroit les sacrifier les unes autres, suivant le sujet & les occasions. Tantôt il conviendroit de préférer la clarté à la pureté du style; & tantôt l’harmonie, la force ou l’élégance, donneroient quelque atteinte à la régularité de la construction […]. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 267): Le françois manque encore de mots composés, & par conséquent de l’énergie qu’ils procurent; car une langue tire beaucoup de force de la composition des mots. On exprime en grec, en latin, en anglois, par un seul terme, ce qu’on ne sauroit rendre en françois que par une périphrase. Il y a pareillement aussi peu de diminutifs dans notre langue, que de composés; & même la plûpart de ceux que nous employons aujourd’hui, comme cassette, tablette, n’ont plus la signification d’un diminutif de caisse & de table; car ils ne signifient point une petite caisse ou une petite table. Les seuls diminutifs qui nous restent, peuvent être appellés des diminutifs de choses, & non de terminaisons: bleuâtre, jaunâtre, rougeâtre, sont de ce caractere, & marquent une qualité plus foible dans la chose dont on parle. Ajoutons, qu’il y a un trèsgrand nombre de choses essentielles, que la langue françoise n’ose exprimer par une fausse délicatesse. Tandis qu’elle nomme sans s’avilir une chevre, un mouton, une brebis, elle ne sauroit sans se diffamer dans un style un peu noble, nommer un veau, une truie, un cochon. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 267): Avouons la vérité; la langue des François polis n’est qu’un ramage foible & gentil: disons tout, notre langue n’a point une étendue fort considérable; elle n’a point
890 une noble hardiesse d’images, ni de pompeuses cadences, ni de ces grands mouvemens qui pourroient rendre le merveilleux; elle n’est point épique; ses verbes auxiliaires, ses articles, sa marche uniforme, son manque d’inversions nuisent à l’enthousiasme de la Poésie; une certaine douceur, beaucoup d’ordre, d’élégance, de délicatesse & de termes naifs, voilà ce qui la rend propre aux scenes dramatiques. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 29–30): Dieses kan genug seyn, darzuthun, daß der Sprache eine große Vollkommenheit überhaupt könne und müsse beygeleget werden. Wir nennen aber eine Sache vollkommen, wenn alle Theile derselben in einer gemeinschaftlichen Uebereinstimmung zur Erreichung ihres Zweckes stehen, oder wenn sie zusammen den Grund enthalten, daß der Zweck dadurch kan erhalten werden. Da nun bisher erwiesen ist, daß der nächste Zweck der Sprache ist, daß Menschen sich mit einander ihre Gedanken mittheilen und daß sie so gebildet, und daß die Töne willkührlich so bestimmet sind, daß der Zweck kan erhalten werden, daß dabey auf das Maas unserer Seelenkräfte des Gedächtnisses und der Einbildungskraft, gesehen ist, dergestalt, daß auch Kinder dieselbe leicht erlernen können, daß es ihr an keinen wesentlichen Stücke, insonderheit an den allgemeinen und abstracten, wie auch an den Zahlwörtern fehle; so wird man der Sprache die Vollkommenheit nicht absprechen können. Ja, es wird aus der folgenden Abhandlung erhellen, daß ihr eine nicht gemeine, sondern eine große und hohe Vollkommenheit müsse beygelegt werden, weil sie nicht nur zum gesellschaftlichen Umgang dienet, sondern auch das Mittel ist, wodurch der Mensch selbst zum Gebrauch der Vernunft gelanget. (AUBERT 1774: 8): D’ailleurs, Messieurs, pour qu’une Langue se perfectionne, il ne faut pas seulement qu’elle acquiere des mots; il faut que les esprits eux-mêmes s’éclairent, que les imaginations s’échauffent, que les conceptions s’agrandissent. Ces premiers pas faits, supposez tel Langage que vous voudrez; quelque grossier, quelque foible qu’il puisse être, il se polira, il se fortifiera insensiblement: s’il est pauvre et sans harmonie, la richesse des idées saura bientôt le rendre abondant et nombreux; peu pittoresque, il se façonnera
III. Einheit und Vielfalt aux images que le génie lui donnera à peindre; peu souple, peu coulant & le sentiment l’assujettiront à des formes qui rompront sa roideur, qui adouciront son âpreté. (CAPMANY 1776: 76): Carecemos de vocabularios técnicos […]; carecemos de un diccionario de sinónimos, es decir, del diccionario filosófico de todas las finezas y modificaciones del lenguage, sin cuyo auxilio es imposible dar principios fixos á la propiedad y correccion de idióma alguno. […] Quando poseamos estos tesoros y una gramatica elemental conoceremos los primores y riquezas que encierra la lengua española. (CAPMANY 1776: 109): Quando no hubiese yo cogido otro fruto que el decubrimento que la lengua castellana aun exîste intacta y desconocida en los libros, […] nunca daria por malogrado mi trabaxo. (BRICAIRE DE LA DIXMERIE 1781: 311): Chaque Langue a son génie. Celui de la nôtre est la précision, la clarté; elle est même suceptible de cette élévation qui atteint jusqu’au sublime; qui devient l’organe des plus nobles sentimens, le tableau des plus grands objets; également ennemie de l’enflure qui n’exprime rien, & de la trivialité qui défigure tout. Cette langue, aujourd’hui si délicate et si flexible, si rapide et si légère dans sa marche, fut longtems barbare & trainante. Elle n’a même brise ses entraves que depuis peu. Cet esclave ne doit son entier affranchisement qu’aux bons Écrivains de notre siècle. La Langue Française ne se débarrassera sans doute, jamais entièrement de ces nombreuses conjonctions, de ces articles plus nombreux encore, qui contrarient sans cesse & harmonie & l’élégance & la précision. C’est la chenille, qui avec mille pieds rampé & ne marche pas. (BRICAIRE DE LA DIXMERIE 1781: 327–328): Je pourrais dire aussi quelque chose des participes, dont l’emploi trop fréquent défigure l’élocution Française, & fatigue toute oreille un peu délicate. On a reproché à Boileau de n’être point assez sobre à cet égard; & ce reproche n’est peut-être, point déplacé. Quoi qu’il en soit, le participe détruit l’harmonie de la versification, lorsqu’il y paraît trop souvent. Il nuit même, en pareil cas, à celle de la prose. On est surpris d’en trouver un si grand nombre dans l’Emile. On en compte jusqu’à quatre, jusqu’à six dans une même phrase. On
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel s’étonne bien plus encore que l’Auteur ait employé de si longues périodes pour nous parler de choses très-communes; telles que la tunique & la chaussure d’un enfant, &c. Montagne comparait ceux qui tombent dans un pareil défaut, “à un Cordonnier qui fait de grands souliers pour un petit pied”. (MEINER 1781: XIII): Unter allen Nationen waren es die Griechen allein, die da eingesehen haben, daß ein Verbum, welches einen thätigen Verhältnißbegriff bezeichnet, außer den beyden gewöhnlichen Formen, der Actiuae und Passiuae, die andere Sprachen auch haben, auch noch eine Dritte, die Mediam haben müsse, wenn man anders bey voller Kürze, dennoch recht bestimmt reden wollte, ohne bey dem Zuhörer fernere Fragen zu veranlassen. Denn, dachten sie, trägt jemand Eyer oder sonst etwas zu Markte, so verhält er sich zwar thätig, und diese Handlung muß von ihm in der forma actiua prädiciret werden. Aber da er diese Eyer eben so wohl für einen andern, als für sich zu Markte tragen kann, so ist es billig, daß ich eine gedoppelte Formam actiuam annehme, eine für die Handlung, die jemand für einen andern verrichtet, und eine andere für die, so er für sich selber verrichtet, und also eine Beziehung auf den zurücke hat, der sie verrichtet. Jene kann man actiuam transitiuam, diese reciprocam, reflexam, mediam, nennen. (MEINER 1781: IX–XI): Billig fangen wir diese Geschichte des menschlichen Verstandes mit den Hebräern und ihren Brüdern an, ohne uns dabey in jene Streitigkeit einzulassen, ob die Hebräer das allerälteste Volk und ihre Sprache die allererste sey? Genug, daß uns die Geschichte von keinem ältern Volke Nachricht giebt, und der Hebräer ihre Sprache, wenn sie ohne Punkte angenommen wird, wie sie vor der babylonischen Gefangenschaft ist geschrieben worden, [siehe hiervon das Hauptstück von den Vokalen,] so einfach ist, daß sie auch schon deswegen für die allererste Sprache kann erkannt und angenommen werden. Daß aber der menschliche Verstand bey den Hebräern noch in seiner völligen Kindheit gewesen sey, daran läßt uns die äußerste Einfalt ihrer Sprache im geringsten nicht zweifeln, nach welcher sie völlig der Rede eines Kindes gleichet, und bey welcher sie sich aus einer fast abergläubischen
891 Liebe zu alle dem, was ihre Väter gehabt haben, recht eifrig zu erhalten müssen gesucht haben, weil man sichs sonsten auf keinerley Weise erklären kann, wie es doch müsse gekommen seyn, daß ihre Sprache in einem so langen Zeitraum, als der hebräische Staat geblühet hat, unter so grossen Geistern, als z. B. ein Salomo und die Propheten gewesen sind, zu keiner größern Vollkommenheit und mehrerer Bestimmtheit gelanget ist. Ihre Sprache weiß in ihrem größten Flore noch nichts von jenen bey dem Verbo zu unterscheidenden sechs oder sieben Prädicirungsarten oder Modis und sie können also ihrer Rede auch nicht diejenige Bestimmtheit geben, die von dem richtigen Gebrauch dieser Modorum abhängt. In Ermangelung des Coniunctiui und Indicatiui können sie ihre Sätze nicht so, wie der Lateiner, unterscheiden, daß man gleich die Hauptsätze von den Nebensätzen; die bedingten von den unbedingten; die zweifelhaften von den ungezweifelten, unterscheiden kann, sondern sie überlassen diese Unterscheidung der Ueberlegung des Lesers oder Zuhörers. Ferner weiß ihre Sprache noch nichts von jenem genauern Unterschied der Temporum, nach welchem das Praeteritum bey den Lateinern dreyfach; bey den Griechen und Franzosen gar fünffach ist; nichts von dem gedoppelten Futoro, dem Absoluto und Relatiuo f. Exacto; nichts von einem Wörtchen, wodurch sich der Deutsche den Abgang des gedoppelten imperfecti und Plusquamperfecti der Franzosen oder des gedoppelten Aoristi der Griechen so glücklich ersetzet hat, das ist, welches jenem Deutschen so gleich wäre, wodurch der Deutsche in einer zusammengesetzten Periode den Nachsatz von dem Vördersatz absondert, vornehmlich in periodo conditionali, wenn beyder Sätze ihr Prädikat Imperfecta oder Plusquamperfecta sind; wovon hier meine Abhandlung von den Temporibus Verbi weiter nachzusehen ist. Woher mag nun diese Unvollständigkeit ihrer Rede anders rühren, als weil sie anfänglich, noch mit der Sorge für das Allernothwendigste der Sprache beschäftiget, sich noch nicht um die Schwierigkeiten bekümmern konnten, die aus der Vernachlässigung dieser genauern Bestimmungen in dem Verständniß ihrer Sprache entstehen mußten?
892 (MEINER 1781: XIV): Wie viele Geschmeidigkeit und Biegsamkeit haben nicht die Griechen ihrer Sprache dadurch verschaffet, daß sie die Orationem infinitam in allen Casibus der Declination zu gebrauchen erfunden? (BATTEUX 1788: 204): Elle a été accueilie pour elle même, pour son propre mérite & pour celui de ses Auteurs, & elle est regardée per-tout comme une portion considérable de ce qu’on appelle les belles humanités. On vante la richesse, l’énergie, l’harmonie des langues anciennes, mais on ne songe pas que si ces qualités peuvent convenir aux mots isolés d’une langue, elles appartiennent bien plus au style & à la maniere des Auteurs; que c’est proprement le génie, le goût & l’oreille de ceux qui écrivent, qui font l’éloquence riche, énergique, harmonieuse. (BEATTIE [1788] 1968: 158): These old modes of language, in writings consecrated to religious use, should never be altered, till they become unintelligible, or ludicrous, or likely to occasion a mistake of the sense. – Virgil, Sallust, and Quintilian knew, and all good writers and criticks are sensible, that old words judiciously applied give an air of grandeur to certain kinds of composition, and that familiar expressions have often an effect directly contrary. (GARCÉS 1791: I, XXIV): Riqueza llamo yo de una lengua, á mas de la abundancia de palabras, aquellos singulares modos que ella tiene de variar natural y oportunamante una misma expresion, variandose así la elocucion, y el número; de lo qual sírvaos por todo de exemplo aquel vario aprobar la opinion, ó parecer ageno, que usan nuestros Autores quando dicen: que me place: eso creo yo muy bien: así es la verdad: tu estás en lo cierto: contigo estoy: a ti me atengo: con vos me entierren: y otras varias maneras, que podreis ver especialmente en el amenísimo y copioso Cervántes. Riqueza es tambien, y exquisita riqueza de un idioma aquel abundar ciertas peculiares voces de sentidos, y muy naturales significados demas del inmediato y propio, segun que las califican y envisten algunos verbos, qual se ve en la palabra mano la qual supuesto aquel significar natural que lleva con los verbos dar, tomar, alzar y otros; sirve con natural gracia y propiedad para muchas y diversas locuciones; que ora frisan con su ser,
III. Einheit und Vielfalt ora con alguna alegoría ú metáfora; trayendo a vezes en sí ciertos graciosos proverbios, que dan gran peso y sentido á la diccion: y lo mismo podreis observar en otras muchas voces de nuestro romance, y señaladamente en sus partículas. (GARCÉS 1791: II, I): Y no creais que este negocio del bien hablar sea asi como quiera; ántes es muy difícil y digno de madura consideracion; ya porque cada palabra debe de ser propia y tan acomodada, que ella y no otra que le parezca ocupe su lugar, yendo en esto fundada la principal gracia de la elocucion; ya tambien porque en el conjunto de todas ellas debe de haber una bien ordenada seguida, y simetria natural, de modo que el sentido sea claro nacido de una exacta gramática con extension proporcionada la respiracion, y cuando esto haya, veréis adornado vuestro discurso de aquellas cinco esenciales partes del óptimo raciocinio, á saber, claridad, brevedad, gusto, decoro y suavidad. (GARCÉS 1791: II, VI-VII): Lengua que se ha merecido la estima de quantos han llegado á penetrar sus muchas y perfectísimas partes ya nacionales ya extrangeros: y esto no solo en los pasados siglos, donde el poder y extension del dominio Español, hizo que fue nuestro Romance, como en otro tiempo el Latín, la lengua de casi todo el mundo en el reynado del inmortal Carlos V. pero aun hoy en dia, quando ni la adulacion ni el interes les fuerza, es ella reconocida por una de las lenguas mas copiosas, sonoras y acabadas entre las vivas, y esto por ingenios de igual juicio que penetracion en bellas artes. ([EICHHORN] 1792: 1): Nach der von Einer Königl. Preuss. Akademie auf das Jahr 1791 aufgegebenen Preis Frage soll man 1) die vorzüglichen todten und lebenden Sprachen in Ansehung ihres Reichthums, ihrer Regelmäßigkeit, Stärke, Harmonie und ihrer anderen Vorzüge, deren sie fähig seyn könten, mit einander vergleichen, 2) zeigen, worin jede die andern übertrifft, und worin sie zurückbleibt, und die Ursachen davon angeben, und 3) diejenigen, die durch die glückliche Verbindung dieser verschiedenen Eigenschaften sich dem höchsten Grade der Vollkommenheit, dessen die menschliche Sprache fähig ist, zu nähern scheinen, bestimmen.
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel ([EICHHORN] 1792: 2–3): Welches sind vorzügliche Sprachen? Sind es ohnehin diejenigen, die auf ein höheres Alter, als andere Anspruch nehmen? So häufig man sonst auch dieses als den häufigsten Vorzug angesehen hat, so fehlt doch so viel davon, dass diese Bestimmung eher zur Einsicht in die oben angeführten Fragen beytragen könnte, daß wir vielmehr dadurch in unserer ganzen Untersuchung sehr bald ermüden würden. Die Geschichte, die nothwendig unsere Führerinn seyn muß, wenn wir das Alter einer Sprache untersuchen wollen läßt uns am Ende in größerer Ungewißheit zurück, als worinn wir beym Anfang unserer Untersuchung waren. Und ob es gleich aus mehr als einer Ursach mehr als wahrscheinlich ist, daß die ältesten Sprachen da gesucht werden müssen, wo der Geschichte zu Folge die ältesten Völker zum Vorschein gekommen sind, nemlich im Morgenlande, so ist bisher doch noch nicht ausgemacht worden, welche von den verschwundenen morgenländischen Sprachen älter als die andere ist. ([EICHHORN] 1792: 4–6): Ja der Reichthum kann sich noch weiter erstrekken, und doch kann eine damit versehene Sprache deshalb noch nicht vorzüglich heißen. Man denke hiebey an die persische. Diese Nation hat, nachdem sie die Schriften der Griechen kennen und schätzen gelernt hatte, sich so sehr auf Astronomie, Mathematik, historische und mathematische Geographie, Philosophie und Geschichte, Medicin, Chemie und Grammatik gelegt, daß ihre Sprache dadurch nothwendig von mehr als von einer Seite bereichert werden mußte. Und in der That ist der Reichthum derselben erstaunlich, indem sie 500 Wörter hat, um einen Löwen zu bezeichnen und ein Tausend, die ein Schwerdt bedeuten. Da aber die prosaischen Schriftsteller dieser Nation durch eine unglückliche Nachahmung sich die Schreibart der Dichter zum Muster wählten, und dadurch ins Schwülstige fielen, da diese Sprache bey der Menge von Partikeln, womit sie gleichsam überschwemmt ist, doch die zur Rundung der Perioden erforderlichen nicht besitzt, da ihre Schriftsteller, so gar diejenigen, die für die besten unter ihnen gehalten werden, sich nicht über das Mittelmäßige erheben, so verliert sie sehr viel von der ho-
893 hen Würde, zu der sie von manchen morgenländischen Philologen erhoben wurde. ([EICHHORN] 1792: 28–29): Daß aber die deutsche Sprache bey allein ihrem Überfluß an Ausdrükken doch eine arme Sprache sey, erhellet theils aus der Menge lateinischer, französischer und italienischer Ausdrükke, die sich in derselben eingeschlichen haben, theils aber auch daraus, daß wenn man aus andern Sprachen in die deutsche übersetzt, der Uebersetzer, der jeden Gedankengang ausdrükken will, genöthigt ist, seine Zuflucht zu fremden Ausdrükken zu nehmen, ein einziges Wort durch zwey und mehrere Worte zu umschreiben. Freylich hat diese Sprache seit der Reformation außerordentlich gewonnen, freylich ist sie dadurch, daß Wolf den Anfang gemacht hat, die Philosophie in deutscher Sprache zu schreiben, sehr bereichert worden. ([EICHHORN] 1792: 31–32): Ich würde noch einen Grund dieser Armuth darinn sehen, daß die deutsche Sprache von Alters her aus zwey Hauptmundtarten oder vielmehr eigenen verwandten Sprachen nemlich der ober- und niederdeutschen bestanden hat; die hochdeutsche ist im Grunde nichts anders, als die durch das Obersächsische gemilderte, und durch Geschmack und Wissenschaften ausgebildete oberdeutsche Mundart, die in Absicht des Reichthums vor ihren übrigen Schwestern den Vorzug hat, daß sie eine Menge Gegenstände und Begriffe mit einheimischen Worten ausdrükken kann, wofür die hochdeutsche Mundart fremde und ausländische entlehnt hat; ich würde, sage ich noch einen Grund dieser Armuth darin finden, daß diese Schwestern nicht unter einander sich selbst bereichert haben, wenn uns die Geschichte nicht lehrte, daß der Verfall der römischen Litteratur sich gerade von der Zeit herschreibt, da man ohne Bedenken Provinzialwörter in die Schriftsprache aufnahm, vielleicht auch in der unschuldig scheinenden Absicht, die Sprache zu bereichern. ([EICHHORN] 1792: 33–37): Wir wollen also die vorzüglichen todten und lebenden Sprachen auch nach ihrer Regelmäßigkeit betrachten. Dahin rechne ich, 1) daß man bei den Nominibus einen Casus von dem andern gehörig unterscheide, damit die Deutlichkeit nicht leide. […] Zur Regelmäßigkeit, worinn alle vorzüglichen Sprachen übereinstimmen gehört 2) daß die Adjectiva relativa d. h. sol-
894 che, die jederzeit zwischen zwei selbständigen Dingen gedacht werden müssen, in allen den Sprachen, die Casus haben, einen Genitiv nach sich oder in Sprachen, die keine Casus haben, wie die hebräische den Statum constructum erfordern […]. Der Franzos sagt: Il est plein d’ambition. Der Deutsche: Ich bin meiner Sache gewiß. 3) daß sich zwischen dem Substantiv und Adjectiv eine Gleicheit der Generis findet. […] Die Ursach liegt darinn, weil beyde Sprachen die Ellipse lieben. Mann muß also im Neutrum ergänzen, welches ein Substantiv ist und worauf sich die Adjectiva beziehen. ([EICHHORN] 1792: 37): Die Stärke einer Sprache bestehet 1) darinn, daß sie eine Person oder Sache, wovon die Rede ist, so viel als möglich ist, vergegenwärtigen. ([EICHHORN] 1792: 39): Die Stärke einer Sprache besteht auch 2) darinn, daß sie das, was eine andre mit mehrern Worten umschreibt, mit einem einzigen ausdrükken kann. ([EICHHORN] 1792: 43): Zur Stärke einer Sprache rechne ich 3) wenn sie Worte hat, die dem Begriff und der Natur der Sache am nächsten kommen. ([EICHHORN] 1792: 48): Zur Stärke der Sprache rechne ich 4) die zusammengesetzten Wörter d. h. solche, wodurch zwey klare Vorstellungen und ihre Ausdrükke zu einer einigen verbunden werden. ([EICHHORN] 1792: 51): Zur Stärke einer Sprache rechne ich 5) wenn dieselbe so beschaffen ist, daß dasjenige, was die größte Aufmerksamkeit zu erringen im Stande ist vorangesetzt werden kann, ohne dadurch der Natur der Sache zuwider zu handeln. ([EICHHORN] 1792: 100–102): Wir ziehen also aus alle dem den Schluß, daß die griechische Sprache unter den vorzüglichen Sprachen des Menschen die vorzüglichste ist. Aber ist sie auch die vollkommenste? – Wenn sie für jeden Gegenstand nicht nur einen deutlichen sondern auch einen einheimischen Namen hätte, wenn dieser Name den Gegenstand ohne einer weiteren Umschreibung benöthigt zu seyn bezeichnete, wenn sie, da eine Sache in gewisser Rücksicht auf Vortheil und Schaden, auf Ehre und Schande betrachtet werden kann, diese verschiedenen Beziehungen kurz und doch deutlich ausdrükken
III. Einheit und Vielfalt könnte, wenn diese Ausdrükke so im Gange wären, daß jeder, der diese Sprache zu verstehen sich rühmt, sie ohne alle Mühe verstände, und doch dabey nicht so alltäglich wären, daß sie auf den Leser oder Zuhörer keinen Eindruck mehr machen, und beyde dabey nichts mehr denken, wenn ihr Reichthum, ihre Regelmäßigkeit, Stärke, Harmonie, Bestimmtheit und Gründlichkeit nicht zu groß und nicht zu klein wäre, um Leser und Zuhörer zu belehren und zu erwärmen; so wäre sie die vollkommenste Sprache. Aber so etwas darf man unter Menschen nicht suchen. Die vorzüglichste Sprache trägt den Stempel der Unvollkommenheit, wie die Sonne ihre Flekke. Denn sie ist nicht das unmittelbare Werk der göttlichen Allmacht, wie die Juden von ihrer Sprache wähnen, sondern sie ist das Werk des Zufalls und des Bedürfnisses. Bey alle dem bleibt die griechische Sprache doch immer eine sehr vollkommene Sprache und je mehr sich andre Sprachen derselben näherten, desto vollkommener wurden sie. (JENISCH 1796: 4–5): Der bestimmte Hang unsers Geistes bei allen seinen Kraftäusserungen, und also auch bei, der Sprache, ist eine gewisse gemächliche Thätigkeit, wodurch der intellectuelle sowohl, als der sinnliche Theil seiner Natur, auf eine ihm angenehme Weise ins Spiel gesetzt wird. Zuviel Ideen, auf Einmal dargestellt, überladen, zuwenig – langweiligen ihn. Das Mittel zwischen jener Ueberladung, und dieser Leere – trifft die Deut1ichkeit, wodurch Begriffe und Empfindungen so leicht und so schnell, als möglich, in die Seele übertragen werden. Der Deutlichkeit schliessen wir sogleich die Gewandtheit an, als den Vorzug einer Sprache, nach welchem jeder Begriff und jede Empfindung, ohne Mühe, zweckmässig dargestellt und gleichsam mit Leichtigkeit gehandhabt werden kann. Eine Sprache kann sehr glücklich für die Deutlichkeit gebildet sein, und doch der Gewandtheit mangeln, (obgleich Gewandtheit immer zugleich auch Deutlichkeit mit sich führt.) (JENISCH 1796: 5): Durch die genannten Eigenschaften des Reichthums, des Nachdrucks, der Deutlichkeit und des Wohlklanges erfüllt die Sprache alle die Forderungen, welche der Philosoph nach Massgabe der intellectuellen und sinnlichen Kraftäusserungen des Geistes,
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel in so fern diese auf die Rede Beziehung haben, an eine Sprache überhaupt machen kann. Durch die Vereinigung aller dieser Eigenschaften wird sie also (was sie durch ihre Bestimmung sein soll) das vollkommenste Werkzeug zu dem Ausdrucke unserer Begriffe und Empfindungen. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 26–27): Les diverses qualités propres à caractériser les langues, en ce qu’elles en constituent les traits distinctifs, les beautés ou les défauts, proviennent de la nature des éléments dont elles se composent, et des moyens qu’elles emploient pour en tirer avantage, et parvenir aux buts qu’elles ont à remplir. Ces buts se réduisent à trois points principaux, flatter l’oreille, toucher le cœur, et éclairer l’esprit. Les moyens que les langues emploient, consistent dans les regles de leur syntaxe; regles fixes ou incertaines, consonantes ou disparates, complettes ou insuffisantes, et heureuses ou maladroites: leurs éléments sont le syllabaire qu’elles s’approprient, la combinaison qu’elles aiment à faire des sons que nous pouvons produire, et les mots qu’elles adoptent, ainsi que la manière de les composer, de les dériver les uns des autres, de les réunir par familles, et d’y annexer un plus grand ou plus petit nombre d’idées accessoires. C’est pour et par toutes ces causes, prises isolément ou combinées ensemble, que les langues sont douces ou dures, sonores ou sourdes, molles ou rudes, suaves ou âpres, monotones ou variées, mélodieuses ou pénibles à entendre, nombreuses ou sans prosodie, harmonieuses ou discordantes: c’est de-là qu’elles parviennent avec plus ou moins de facilité, à rendre la chaleur du sentiment, la violence des passions fortes, toutes les délicatesses des passions douces, les convenances les plus fines; ou bien qu’elles restent habituellement foibles, timides, froides ou seches, sans élans et sans ame: c’est de-là encore qu’elles se prêtent plus ou moins naturellement à 1’ordre, à cette clarté ou perspicacité, que Quintilien dit être la première qualité d’une langue, à la correction, à la propriété des termes, à la noblesse et à l’élévation, à la force et à l’énergie, à toutes les nuances de la gaîté, à la véhémence des mouvements oratoires, et à l’élégance […].
895
III. Ein Nachdenken über die Vorzüge, die
Vollkommenheit und die Mängel von Sprachen setzte spätestens dann ein, als mehrere Sprachen um die Verwendung in attraktiven Kommunikationsbereichen konkurrierten. Man konnte dabei an eine lange Tradition der Bewertung von Sprachen im Hinblick auf ihre Vorzüge anknüpfen, die auch eine begriffliche Fortsetzung fand (ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia). Die Bereiche, in denen die Begriffe ‘Vorzüge’, ‘Vollkommenheit’, ‘Mängel’ auftraten, waren vor allem der wertende Vergleich von Sprachen und das Lob einzelner Sprachen (ĺ Klarheit, ĺ Wohlklang, ĺ Reichtum, ĺ universelle Geltung). Beide Bereiche berührten sich und konnten durchaus auch vermischt auftreten, wobei im wertenden Sprachvergleich mehrere Sprachen einbezogen wurden und zumindest ein gewisser Anspruch auf Objektivität bestand, in apologetischen Schriften (ĺ Apologie) jedoch lediglich die Vorzüge einer Sprache gepriesen wurden, was auch auf dem Hintergrund der Benennung angeblicher Mängel anderer geschehen konnte. Die Wege, auf denen ĺ Reichtum einer Sprache erreicht werden kann, werden bereits am Anfang des 17. Jahrhunderts behandelt. So weist COMENIUS dem Lateinischen und den slawischen Sprachen die Derivation und dem Deutschen die Komposition zu (ĺ Wortbildung). Ein wichtiges und viel diskutiertes Problem war die Frage, ob der ĺ Reichtum an Kasusendungen und Verbalflexion höher zu bewerten sei als der häufige und reichliche Gebrauch von Präpositionen und Hilfsverben. Damit wurde ein “alter” Typ von Sprachen einem “neuen”, eher analytischen gegenübergestellt (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). COMENIUS möchte dabei nicht allein den alten und flexionsreichen Sprachen den Vorzug zuschreiben, vielmehr seien die italienische, die spanische, die englische und die französische Sprache durch die in ihnen vollzogenen Vereinfachungen genauso schnell und leicht zur Kommunikation befähigt. Im wertenden Vergleich von Sprachen wurde ihre Fähigkeit als Maßstab gesetzt, mit dem Denken Schritt zu halten und es adäquat auszudrücken (FRAIN DU TREMBLAY). Die Rhetorik müsse zur Dienerin der Weisheit und
896 Gelehrsamkeit werden. Es galt von daher als unmöglich, dass ein Volk Fortschritte in Künsten und Wissenschaften erzielen könne, wenn es nicht gleichzeitig seine Sprache vervollkommne, das heißt sie mit Reinheit, Eleganz und Energie gebrauche. Keine Sprache sei jedoch gleichermaßen gut für die Behandlung aller Gegenstände geeignet. Während die eine für die Behandlung Kraft und Energie erfordernder Gegenstände geeignet sei, komme der anderen der Vorzug in Bezug auf Harmonie und Sanftheit zu (ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia). Eine Überlegenheit über alle Sprachen kam aus der Sicht des objektiven wertenden Sprachvergleichs keiner Sprache zu (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). In den lobenden Schriften über eine Sprache dominierte im 17. Jahrhundert zweifellos das Französische, dessen ĺ Normierung zu einem zentralen gesellschaftlichen Anliegen geworden war. Die Beschreibungskategorien des Französischen waren zunächst sehr global und vage benannt worden, kennzeichnen jedoch einen hohen Anspruch (vgl. BOUHOURS: noble, auguste). Schon sehr bald wurden die ĺ Klarheit und die Reinheit zu Begriffen, die den erhabenen Charakter des Französischen am besten erfassen sollten. Daneben wurden viele Merkmale für die Überlegenheit des Französischen genannt, die auf der Empfindung durch die Sprecher beruhen und in denen sich verschiedene Ebenen vermischen. So kennzeichnet sie CHARPENTIER als ‘sanft’ (douce), ‘klangvoll’ (sonore), ‘reich’ (nombreuse) und gibt damit Eigenschaften auf der Ebene der Sprache als Voraussetzung für den Sprachgebrauch an, die sich als Vorzüge erweisen. Daneben nennt er aber auch ihre Fähigkeit zum Gebrauch in der Redekunst (eloquente) und ihre Bezeichnungsfähigkeit, die damals noch nicht als Eigenschaft der Sprache, sondern ihrer Verwendung galt (significative). Auf die Verwendung der Sprache sind auch die Bezeichnungen der Mängel bezogen: Überfluss und Trockenheit (superfluité, seicheresse), schmutzige und niedrige Ausdrucksweisen (saletez, les paroles outrageuses, les bassesses), würde die Französische Sprache nicht dulden. Das Vermeiden eines bestimmten schlechten Gebrauchs (ĺ Missbrauch) durch die Sprecher wird hier von
III. Einheit und Vielfalt CHARPENTIER als Eigenschaft der Sprache dargestellt, die einen entsprechenden ĺ Gebrauch der Sprache nicht dulde. Zu einem wichtigen Vorzug der französischen Sprache wurde im 17. Jahrhundert immer wieder die direkte Wortfolge erklärt, die dem natürlichen Denken entspreche und der in ihrem Denken auch die Römer gefolgt seien, bevor sie in ihrer Ausdrucksweise Umstellungen vorgenommen hätten (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Die strenge und logische Gedankenfolge würde vor Abweichungen vom ehrenwerten Ausdruck bewahren und dennoch in allen Fällen erlauben, den gemeinten Sinn angemessen und effektiv zu transportieren. Die französische Sprache erlaube es, alles kurz zu sagen, ohne etwas wegzulassen. Sie würde dem Rezipienten nicht durch unnötige Inversionen Fallen beim Verstehen des Textes stellen. Für die Wahl der französischen Sprache weist CHARPENTIER die Verantwortung nicht der Entscheidung der Menschen, sondern der Natur zu. Damit ist die Frage nach den Vorzügen des Französischen gegenüber dem Latein entschieden und lässt keine weiteren Umdeutungen zu. Der Diskurs zur Vollkommenheit der französischen Sprache konnte sich auch des scheinbar objektiven Vergleichs von Sprachen bedienen (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). So weist ihr PRÉMONTVAL durchaus weniger Sanftheit als der italienischen, weniger majestätische Größe als der spanischen, weniger Kürze als der englischen und weniger Energie als der deutschen Sprache zu, außerdem sei sie weniger reich als die anderen modernen Sprachen (ĺ Reichtum). Dennoch verfüge das Französische über all diese Eigenschaften in ausreichendem Maße, so dass sie ein wertvolles Instrument sei, um alle Gedanken des Menschen darzustellen. Neben der ĺ Klarheit und Höflichkeit ist es somit gerade die moderate Ausprägung aller Vorzüge im Einzelnen, die die französische Sprache über andere erhebt. Außerhalb Frankreichs blieb die Diskussion um die Vorzüge des Französischen nicht ohne Reaktionen. So plädierte LEIBNIZ dafür, neben dem Gebrauch in den Wissenschaften auch den gemeinen Umgang und den Gebrauch in gewöhnlichen Schrifften zu berück-
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel sichtigen und wendet sich gegen eine übertriebene Erhebung des Französischen. Dennoch verschließt er sich nicht der Aufnahme von Wörtern aus anderen Sprachen, die durchaus zur leichteren Kommunikation beitragen könnten. Für das Italienische stellt MURATORI fest, dass es noch weit von der Perfektion entfernt sei. In Spanien identifizierte LUZÁN die angemessene Bedeutungsfähigkeit (propiedad) mit der Reinheit der Wörter (puridad) als Voraussetzung vollkommener Sprache. Jede Sache müsste eine Bezeichnung erhalten, die sie vollkommen repräsentiert (ĺ Bedeutung). Zu gutem Sprachgebrauch komme man durch die Lektüre von Texten, die Autoren in reiner Sprache zu verschiedenen Gegenständen verfasst hätten (ĺ Stil). Die aus rationalistischer Sicht festgestellten Vorzüge des Französischen blieben jedoch nicht unumstritten. Gegen die Lehre vom ordre naturel, der für ĺ Klarheit und Dignität der französischen Sprache verantwortlich sei, hatte CONDILLAC ausgehend der von der Anordnung der Wörter nach kommunikativen Bedürfnissen argumentiert (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Doch auch in der Prosodie (ĺ Prosodie / Akzent ) findet er Argumente gegen die Überlegenheit des Französischen gegenüber dem Lateinischen. Die Prosodie des Lateinischen verknüpfe die Elemente der Rede besser, führe am Ende jeder Periode zu einem Abfallen des Tons und gewähre danach dem Ohr eine Pause. Dies bewirke eine für den Geist angemessene Stimmführung, die durch die Variabilität der Wortfolge noch unterstützt würde. Auch ALGAROTTI merkt in seinem Saggio sopra la lingua francese (1750) an, dass die Akademie mit ihrer Festlegung von Regeln vielleicht zu weit gegangen sei und in diesen Regeln der Natur widersprechen würde (ĺ Normierung, ĺ Natürlichkeit). Er bezieht sich dabei auf FÉNELON, der feststellt, dass die Sprachreinigung der letzten einhundert Jahre zur Verarmung der französischen Sprache beigetragen habe, in dem man mehr Wörter verworfen als neue eingeführt habe. Für das Deutsche wurde im 17. und 18. Jahrhundert keine hohe Vollkommenheit behauptet, vielmehr wurden Ausbaubedarf und Vervollkommnungsnotwendigkeit festgestellt. Die
897 Diskussion um die Vorzüge der französischen Sprache wurde in Deutschland mit Verhaltenheit und Distanz rezipiert (vgl. Zedlers Universallexicon). Dass die starke Festlegung des Französischen durch Regeln (ĺ Normierung) keine negativen Auswirkungen auf die Freiheit des Sprachgebrauchs hatte (ĺ Gebrauch), mag ebenso bezweifelt worden sein, wie die nicht gegebene Notwendigkeit wohlklingender Beywörter. Schon gar nicht konnte die Argumentation für den Vorzug des Französischen im Hinblick auf den ĺ Wohlklang überzeugen, der stark vom subjektiven Empfinden und von der Vertrautheit mit einer Sprache abhängt. Während man eine Rückführung der Regelhaftigkeit des Französischen auf die Sprache selbst ablehnte, wurde der Vernunft die Eigenschaft, die Begriffe in Ordnung zu bringen, zugeschrieben. Da die Vernunft jedoch überall gleich sei, könne sie genauso auf die Regeln aller Sprachen angewandt werden. Dies schließt ein Mehr oder Weniger an Vollkommenheit in einzelnen Sprachen jedoch keineswegs aus: Denn wenn gleich eine Sprache alles sagen kan, was sie sagen will; so kan die andere wohl besser seyn, die es kürtzer und nachdrücklicher und mit einer bessern Art sagt. GOTTSCHED stellte seiner Deutschen Sprachkunst, die 1748 das erste Mal erschien, einen kurzen Aufsatz Von der Vollkommenheit einer Sprache überhaupt voran, in dem er die zentralen Kategorien zusammenfasst und dabei an die vorangegangene Sprachdiskussion anknüpft. Er distanziert sich dabei vom Ideal einer philosophischen Sprache, die durchgängig von Regeln beherrscht wäre, und setzt die bedingte, relative Regelhaftigkeit einer natürlich entstandenen Sprache voraus (ĺ Natürlichkeit), an der er ihren Grad an Vollkommenheit misst. Eine Sprache betrachtet er als umso vollkommener, je weniger Regeln sie nötig hat und je allgemeiner infolgedessen diese Regeln sind. Ausgehend von diesem Grundsatz zählt er dann die einzelnen Vorzüge einer Sprache auf: Reichthum und Überfluß, Deutlichkeit, Kürze oder Nachdruck. Er nennt damit die klassischen Kriterien der Sprachwertung (ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia), differenziert jedoch nicht zwischen ĺ Reichtum und Überfluss, der auch schädlich wirken kann, und reduziert den Nachdruck, der ursprünglich aus
898 der Kategorie der Energie hervorgegangen war, auf Kürze. Die Harmonie wird von GOTTSCHED nicht unter den unstrittigen Vorzügen erwähnt, er führt jedoch weitere, umstrittene Vorzüge an: Lieblichkeit und Anmuth, im Gegensatz dazu die Rauhigkeit bestimmter Mundarten. In der Deutlichkeit sieht GOTTSCHED in erster Linie eine pragmatische, nicht eine zeichenspezifische Größe, die die eindeutige Zuordnung von Zeichen und bezeichnetem Gegenstand betreffe. Der Sprache komme lediglich die Aufgabe zu, die Vorstellungen so eindeutig und unkompliziert wie möglich abzubilden (ĺ Zeichen und Idee). Für ihn korreliert die grammatische Unkompliziertheit der Sprache, die möglichst wenig Regeln und Ausnahmen haben soll, mit ihrer Vollkommenheit. Mit diesem Prinzip, das kühner Metaphorik (ĺ Metapher) ebenso wie eigenwilliger ĺ Syntax widerspricht, schließt er sprachliche Variation aus. Mit der Forderung nach Reibungslosigkeit der Kommunikation, die regionale Einflüsse ausschließt (ĺ Dialekt), betrachtete GOTTSCHED die Ausnahme von der Regel nicht als Ausdruck von Vielfalt, sondern als Gefährdung des homogenen Systems. Zur Frage nach der Vollkommenheit des Deutschen resümiert GOTTSCHED zunächst die Diskussion der Kritiker, die das Deutsche zur Zeit Kaiser MAXIMILIANs I. und KARLs V. nachdrücklicheres und kräftigeres Deutsch nennen. Die Sprache sei durch den Gebrauch viel schwatzhafter, und daher gezwungener geworden, als sie vormals gewesen war (ĺ Gebrauch). Auch die Aufnahme vieler ausländischer Wörter und Redensarten ins Deutsche, die man nicht richtig verstehen und gebrauchen könne, habe zum Verderben des Deutschen beigetragen (ĺ Korruption). Dennoch kommt er zu dem Schluss, dass die deutsche Sprache die Mittel besitzt, um alle Ausdrucksabsichten geschickt und bequem realisieren zu können und es infolgedessen verdient, bewahrt zu werden. GOTTSCHEDs Sprachauffassung entspricht damit dem aufklärerischen Fortschrittsdenken, nach dem sich die Sprachen ständig höher entwickeln. Den extremen fremdwortpuristischen Bestrebungen der fruchtbringenden Gesellschaft kann GOTTSCHED nicht folgen, obwohl er in
III. Einheit und Vielfalt seiner Critischen Dichtkunst (1742) empfahl, seine Gedichte nicht mit gestohlenen Lumpen der Ausländer zu behängen. Er wollte vielmehr in Fremdwortfragen die Mittelstraße gehen. Während in der Diskussion über die Vorzüge bestimmter Sprachen, insbesondere des Französischen, eine Vielzahl von Argumenten geliefert wurde, ergaben sich aus der philosophisch-erkenntnistheoretischen Diskussion minimale Anforderungen an positiv zu wertende Sprachen. Da sprachliche Zeichen als arbiträr (ĺ Arbitrarität) betrachtet wurden und vom ĺ Gebrauch durch den Menschen abhängen, kann es keine Unvollkommenheit geben, wenn der Mensch die Zeichen immer wieder für die gleichen Ideen verwendet (ĺ Zeichen und Idee). Der Sprecher wird dann immer verstanden werden, worin der richtige Gebrauch und die Perfektion der Sprache zu sehen sei (LOCKE). Auch wenn der hohe Ausbaugrad des Französischen anerkannt wurde, konnte er als Produkt der Sprachentwicklung verstanden werden, die zu Gewinn, aber auch zu Verlusten geführt hatte. So räumt DIDEROT durchaus ein, dass das Französische aufgrund des erreichten Standes seiner ĺ Normierung die exakteste Sprache sei, und stellt in ihr Reinheit, ĺ Klarheit, Präzision als für den Diskurs wichtige Eigenschaften fest, konstatiert jedoch gleichzeitig einen objektiven Verlust an Wärme, Eloquenz und Energie. Für die Bewertung der Vollkommenheit einer Sprache stellt DU MARSAIS im Enzyklopädieartikel Article zwei Kriterien fest. Einerseits müsse ein hinreichender ĺ Reichtum an Wörtern gegeben sein, der es erlauben sollte, nicht nur die Dinge zu benennen, sondern auch unsere unterschiedlichen Ideen von ihnen zu bezeichnen. Zum Beispiel bezeichne lat. regnum ‘Königreich’ royaume, aber im Lateinischen gäbe es keinen Ausdruck für den Zeitraum der Herrschaft eines Königs, wofür das Französische das Wort regne verwende. Um die Herrschaftszeit des Augustus (le regne d’Auguste) zu bezeichnen, habe man die Periphrase imperante Coesare Augusto gebildet. Er relativiert dieses Beispiel jedoch sofort durch die Aussage, dass das Französische nicht immer in dieser Weise im Vorteil gegenüber dem Lateinischen sei.
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel Andererseits sei diejenige Sprache im Vorteil gegenüber anderen, die mehr Mittel habe, um die Gesichtspunkte unter denen sich uns die Dinge darstellen, auszudrücken. DU MARSAIS bezieht sich hier auf das Beispiel der Perspektivierung der Information und der syntaktischen Rollenzuweisung durch Wortstellung in den Sätzen le roi aime le peuple und le peuple aime le roi (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Zur Präzisierung der Aussage gehöre auch das Vorhandensein von Funktionswörtern, die in den eher analytisch gebauten modernen Sprachen gegeben sind. So trage der ĺ Artikel im Französischen zur ĺ Klarheit bei, während es in lateinischen Texten viele dunkle Passagen gebe, die nur aufgrund des Fehlens von Artikeln missverständlich seien (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Für den Rationalisten BEAUZÉE sind die Vorzüge einer Sprache dem Entwicklungsstand des Denkens des Volkes nachgeordnet und würden sich zwangsläufig entsprechend der Perfektion des Volkes, das sie spricht, ergeben. Die Wörter entstehen als Zeichen der Ideen mit diesen, oder sie werden gemeinsam mit den entsprechenden Begriffen von einem Nachbarvolk übernommen und der ĺ Analogie der Sprache gemäß angepasst (embaxada > embassade; batten > battre). Für neue, abstrakte Begriffe bilde man von Bezeichnungen für Konkreta Ableitungen (puissance < puissant), ebenso wie man bei Zusammensetzungen von Ideen auch zusammengesetzte Bezeichnungen bilde (parasol < parer + soleil; ĺ Zeichen und Idee). Für den Bereich des Wortschatzes räumt BEAUZÉE durchaus das Fehlen von Komposita, Diminutiva und die Verbannung bestimmter Wörter (veau ‘Kalb’, cochon ‘Schwein’) aufgrund eines falschen Reinigungsbestrebens ein. Selbstverständlich folgt BEAUZÉE der hohen Wertschätzung der französischen Sprache, die zwar Wärme, Eloquenz und Energie verloren, dafür aber an ĺ Klarheit gewonnen habe. Neben der festgelegten Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) führt er auch die Reinheit der Wörter, das heißt ihre Bildung entsprechend der ĺ Analogie der Sprache, an (ĺ Wortbildung). Das Französische gefalle aufgrund seines richtigen, reinen und bescheidenen Sprachbaus al-
899 len Völkern. BEAUZÉE führt mit der Lebendigkeit, dem edlen Charakter, der Harmonie, der Kraft, der Eleganz noch eine Reihe weiterer Vollkommenheitskriterien an, stellt aber fest, dass sie nicht alle zusammen in jeder Situation realisiert werden können und schlägt vor, sie gegebenenfalls zugunsten der Klarheit und der Reinheit zu opfern. Ganz im Sinne seiner rationalistischen Theorie fordert er, gegebenenfalls auf Harmonie, Kraft und Eleganz des Ausdrucks zu verzichten, wenn sonst die regelmäßige Wortstellung gefährdet sei (ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia). Dem gegenüber stellt BRICAIRE DE LA DIXMERIE zwar ebenso den Gewinn an Präzision und ĺ Klarheit für das Französische fest, bedauert aber zugleich, dass es sich sicher niemals von den die Harmonie, Eleganz und Präzision störenden Konjunktionen und Artikeln (ĺ Artikel) befreien werde. Ebenso würde der häufige Gebrauch de Partizipien die Harmonie des Versbaus und sogar die Prosa beeinträchtigen. Derartige kritische Bemerkungen zu einzelnen sprachlichen Mitteln bedienen sich in oft inkohärenter Weise der Kriterien der Vollkommenheit einer Sprache. Die Entwicklung von mehr Klarheit ging nach der Mehrzahl der Grammatiker mit der Herausbildung des analytischen Sprachbaus und damit auch mit mehr Funktionswörtern einher (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Das Begrüßen dieser Entwicklung und das Ablehnen von Konjunktionen (ĺ Konjunktion), Präpositionen und Artikeln sind somit widersprüchlich. Mit dem insbesondere in CONDILLACs Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746) diskutierten Einfluss der Sprache auf die Ideenentwicklung war auch die Frage ins Blickfeld getreten, welche Voraussetzungen eine Sprache haben muss, um die kognitiven Fähigkeiten ihrer Sprecher optimal zu unterstützen (ĺ kognitive Funktion der Sprache, ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Es ging dabei sowohl um die Eignung einer Sprache als Wissenschaftssprache, die das Latein ablösen konnte, als auch um Einflüsse des Sprachbaus auf das Alltagsdenken der Menschen. Insbesondere letzteres wurde in der Preisfrage, die von der Berliner Akademie für das
900 Jahr 1759 ausgebracht wurde, direkt angesprochen: Welcher Art ist der wechselseitige Einfluß der Meinungen des Volkes auf die Sprache und der Sprache auf die Meinungen? Die Art der Aufgabenstellung weist eindeutig darauf hin, dass es um einen bestimmten Zweck ging: die Sprache als Mittel der Kommunikation, vor allem aber des Denkens zu vervollkommnen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache). Es drückt sich darin eine letztlich auf LEIBNIZ’ characteristica universalis beziehbare Suche nach der perfekten Sprache aus, die jedoch nicht universalistisch und von einem vorgegebenen Ideal bestimmt konstruierend verfahren würde. Ausgehend von den Vorund Nachteilen der empirisch gegebenen Sprachen wird vielmehr nach möglichen Verbesserungen gefragt. Diese Verfahrensweise setzt die Relativität der Sprachen als Erkenntnismethoden voraus. Auch eine historische Dimension der Fragestellung wird bereits im Ausschreibungstext vorgegeben: Zuerst haben bestimmte spezifische Denkweisen sprachliche Ausdrucksformen und damit Fixierungen gefunden. In einer zweiten Stufe wirken diese Fixierungen nun auf das Denken zurück und können dabei auch dessen Weiterentwicklung behindern und Vorurteile festigen (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Diese These, die seit LOCKE zu den Grundlagen der sensualistischen Sprachdiskussion gehört, und bei CONDILLAC, DU MARSAIS, DIDEROT, aber auch bei GIRARD, MAUPERTUIS und D’ALEMBERT weitergehende theoretische Ausführungen angeregt hatte, wurde also bereits von der Akademie in der Formulierung der Preisaufgabe als Voraussetzung mitgegeben. Eine zum Topos gewordene Position aus der Sprachdiskussion Mitte des 18. Jahrhundert wird somit aufgegriffen, von den einzelnen Autoren der Preisbewerbungsschriften jedoch sehr unterschiedlich verstanden. Bei dem Preisträger MICHAELIS selbst ebenso wie bei mehreren anderen Einsendungen ist der sprachkritische Aspekt am weitesten ausgeprägt, unter dem Nachteile und Mängel behandelt und in Ansätzen auf ihre kognitiven Auswirkungen befragt werden. Dabei wird durchaus sichtbar, dass sich Autoren von Preisbewerbungsschriften auch einfach auf
III. Einheit und Vielfalt ein Wiederholen von Textstücken bekannter Persönlichkeiten aus dem Umkreis der Akademie beschränken konnten. So kopiert die zweite französisch geschriebene Preisbewerbungsschrift einfach MAUPERTUIS’ Aussagen aus den Réflexions philosophiques sur l’origine des langues (1748). Der Autor der ersten französischen Einsendung kennzeichnet die psychologische Sprachbetrachtung zwar als wichtig und folgt in der Terminologie sowie auch gängigen Topoi der Sprachdiskussion französischen Vorbildern, bleibt dabei jedoch oberflächlich und wenig originell. Die neben der preisgekrönten einzige deutschsprachige Einsendung kommt gar nicht bis zur Behandlung der Problematik und bleibt bei der Behandlung der Sprachentstehung stehen. Bei den lateinischen Abhandlungen fällt neben der Kürze auf, dass die Fragestellung zum Anlass für die Behandlung der verschiedensten benachbarten Themen, wie die Sprachursprungsproblematik oder das Verhältnis von Autoren zu ihrer Sprache genommen wird (ĺ Ursprung). Die eigentlich bekannt gewordene französische Fassung von MICHAELIS’ Schrift ist nicht nur mit dem Text der Preisbewerbungsschrift nicht identisch, sondern außerdem noch ganz bewusst im Hinblick auf ein französisches Publikum redigiert. Aufnahmen gängiger Argumente aus der europäischen Sprachdiskussion erklären sich auch aus diesen Entstehungsbedingungen. Grundlage für MICHAELIS’ Herangehen an die von der Akademie gestellte Frage ist eine am ĺ Gebrauch orientierte, demokratische Sprachauffassung. Davon ausgehend sieht er auch die Beziehung zwischen Einzelsprache und Erkenntnisstand unter neuen Gesichtspunkten und misst der Rückwirkung der Angehörigen aller Schichten auf ihre Muttersprache noch größere Bedeutung bei als etwa CONDILLAC und DIDEROT. Damit erweitert MICHAELIS die bereits von den französischen Aufklärern gestellte Forderung, entsprechend den spezifischen Erkenntnismöglichkeiten zur Verbesserung der Sprache beizutragen. Schon in der Encyclopédie der französischen Aufklärung war der Auftrag an die verschiedenen Berufsgruppen formuliert worden, durch die eigene Fachsprache und die darin verarbeitete Erkenntnis zur Sprachbereicherung beizutra-
Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel gen (ĺ Reichtum). Darüber hinausgehend bezieht MICHAELIS die Möglichkeit der Sprachbereicherung auf jeden auch noch so ungelehrten Sprecher. Allerdings wird auch nicht jeder gleich eine ĺ Sprachveränderung bewirken können, denn die “oberste Gewalt” in der Sprache ist das Volk selbst, das eine Neuerung annehmen oder ablehnen kann. Der rückwirkende Einfluss der Sprache auf die Meinungen des Volkes kann nach MICHAELIS’ Auffassung sowohl positiv als auch negativ zu werten sein. Vorteilhaft sei er dann, wenn ein ĺ Reichtum an Wörtern vorhanden ist, der so weit gehen muß, daß alles und jedes, was der Mensch denken kann, sein eigenes deutliches, einheimisches Wort hat, damit es ohne lange Umschreibung bezeichnet werden kann: ja das man auch im Stande sey, es unter mehr als einem Gesichtspuncte vorzustellen. Das schlechte Philosophieren der Griechen und Römer über Gott führt MICHAELIS auf das Fehlen eines eigenen Namens für Gott zurück (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Jedoch nicht nur Armut in der Sprache kann zu schädlichen Auswirkungen für Denken und Meinungen führen, sondern auch unproportionierter Überfluss. (ĺ Reichtum). Insgesamt stellt MICHAELIS sechs Möglichkeiten fest, wie die Mängel eine Sprache dem Denken der Sprecher schaden können: 1) durch Armut an sprachlichen Mitteln, 2) durch schädlichen Überfluss, 3) durch nicht eindeutige Ausdrucksweisen, 4) durch falsche Nebenideen und Urteile, die mit der Hauptidee untrennbar verbunden sind, 5) durch Etymologien und Ausdrücke, in denen Fehler fixiert sind 6) durch eigensinniges Festhalten an bestimmten eingebildeten Schönheiten. MICHAELIS ruft nicht zur Beseitigung dieser Mängel auf, da sie ihm seine Sprachauffassung unrealistisch erscheinen lässt. Für Verbesserungen wie für alle sprachlichen Veränderungen bedürfte es eines breiten demokratischen Konsenses, der nicht einfach durch bessere Einsichten herzustellen ist. Für die deutsche Sprache, die er nicht zu den starken Sprachen zählt, sieht er die Ursache ihrer Mängel nicht in fehlendem ĺ Reichtum, sondern in der Degeneration ihrer Sprecher. Dass die klassischen Kriterien einer harmonischen Sprache auf den Prüfstand gestellt und verändert wurden, verdeutlicht auch PRIEST-
901 LEY,
der an erster Stelle den ausreichenden Wortreichtum (ĺ Reichtum) nennt und das zweite Kriterium negativ als das Fehlen von uneindeutigen Ausdrücken bestimmt. Zusammen würden diese beiden Eigenschaften zu klarem Ausdruck beitragen. ĺ Klarheit erscheint hier also als Ergebnis zweier Vorzüge und nicht als Eigenschaft der Sprache. Schließlich erwähnt er als drittes, allerdings nur ornamentales Kriterium einer vollkommenen Sprache, dass ihre Aussprache angenehm sein und dem Ohr schmeicheln muss (ĺ Wohlklang). Bemerkenswert ist auch der von SÜSSMILCH in seinem Versuch eines Beweises, dass die erste Sprache ihren Ursprung nicht vom Menschen, sondern allein vom Schöpfer erhalten habe (1756 vor der Berliner Akademie vorgetragen, 1766 veröffentlicht) verwendete Vollkommenheitsbegriff, der zunächst keinerlei Kriterien voraussetzt. Da alle Teile der Sprache zusammenwirken, um den Zweck der menschlichen Verständigung zu erreichen, könne man die Sprache als vollkommen bezeichnen (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache). Die Vollkommenheit ist für SÜSSMILCH eine Eigenschaft der Sprache, die ihr göttlicher ĺ Ursprung verbürgt. Sie ist eine Eigenschaft, die allen Sprachen, auch den wildesten und unkultiviertesten, zukommt. Mit dieser Bestimmung der Vollkommenheit fällt SÜSSMILCH aus der Reihe der Autoren heraus, die sich auf der Basis eines wertenden Vergleichs von Sprachen mit unterschiedlichen Graden der Ausprägung von Vollkommenheit befassten (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Auch die Komplexität oder Einfachheit der grammatischen Kategorien (ĺ Grammatik) wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts als ein Kriterium von Vollkommenheit oder Unvollkommenheit einer Sprache gedeutet. Wenn die alte hebräische Sprache nicht zwischen bestimmten Satztypen unterschied und keine Zeitformen von Verben wie das Griechische oder Lateinische hatte, so ist das ein Zeichen dafür, dass sie sich nahe an der Kindheit der Menschheit befand, einfach war und ihre Vervollkommnung noch vor sich hatte. Als für deutsche Texte typische Kriterien der Vollkommenheit führt MEINER die Geschmeidigkeit und Biegsamkeit ein, worunter er Flexi-
902 onsvielfalt und damit ermöglichte Flexibilität der Anordnung versteht (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Auch für die hohe Wertschätzung anderer Sprachen als der französischen wurden die Kriterien der Vollkommenheit modifiziert und genutzt. So charakterisiert zum Beispiel GARCÉS das Spanische als eine der reichsten (ĺ Reichtum), klangvollsten und vollendeten unter den lebenden Sprachen (una de las lenguas mas copiosas, sonoras y acabadas entre las vivas). Im Rahmen der Preisfrage der Berliner Preisfrage zur Vergleichung der Hauptsprachen Europas, lebender und todter, in Bezug auf Reichthum, Regelmäßigkeit, Kraft, Harmonie und andere Vorzüge; in welchen Beziehungen ist die eine der anderen überlegen, welche kommen der Vollkommenheit menschlicher Sprache am nächsten kam es erneut zu einer Wiederbelebung der klassischen Kategorien ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia. Das Alter einer Sprache, das man in der Zeit des Humanismus noch als Kriterium angenommen hatte, wird von dem mutmaßlichen Autor einer der eingesandten Preisschriften EICHHORN gleich zu Anfang verworfen. Doch auch der bloße Hinweis auf ĺ Reichtum ist nicht genügend, sondern es müsse richtig verteilter Reichtum sein, der die Ausdrucksmöglichkeiten in allen Bereichen fördert. Die deutsche Sprache kennzeichnet er als eine bei allem Überfluss in bestimmten Bereichen arme Sprache, da man einerseits eine große Menge lateinischer, französischer und italienischer Ausdrücke aufgenommen habe, und andererseits weil man immer wieder genötigt sei, fremde Wörter für den Ausdruck von Gedanken zu nutzen. Allerdings sei die deutsche Sprache seit dem Bemühen WOLFFs, die Philosophie in ihr zu schreiben, sehr bereichert worden. Zur Regelmäßigkeit rechnet EICHHORN die Tatsache, dass Adjektive mit dem Substantiv im Genus kongruieren und dass eine Relation ausdrückende Adjektive in Kasussprachen den Genitiv fordern (z. B. Ich bin meiner Sache gewiss). Detaillierte Kriterien gibt EICHHORN für das Kriterium der ‘Stärke’. (1) Die Stärke bestehe darin, dass die Sprachen eine Person oder Sache, von der die Rede ist, so viel als
III. Einheit und Vielfalt möglich vergegenwärtigen. Diese Eigenschaft einer Sprache könnte man in moderner Terminologie als Möglichkeit der Topikalisierung benennen. (2) Muss eine starke Sprache das mit mehreren Worten Umschreibbare mit einem einzigen ausdrücken können. (3) Zur Stärke einer Sprache rechnet er außerdem, wenn sie Wörter hat, die dem Begriff und der Natur der Sache am nächsten kommen, die also in ihrer Form durch die bezeichnete Sache motiviert sind, außerdem (4) zusammengesetzte Wörter, die zwei klare Vorstellungen und ihre Bezeichnungen verbinden. (5) Schließlich rechnet er zur Stärke einer Sprache auch die Möglichkeit, das voranzusetzen, was die größte Aufmerksamkeit erregen soll. Als vorzüglichste Sprache betrachtet EICHHORN die griechische, jedoch möchte er dieses Urteil nicht als absolut verstanden wissen. Die griechische Sprache ist kein Werk Gottes, sondern ein Produkt des Zufalls und menschlichen Bedürfnisses und bleibe deshalb bei aller Vollkommenheit auch mit Unvollkommenheiten behaftet (ĺ Ursprung). JENISCH greift in seiner preisgekrönten Schrift auf die vier klassischen Vorzüge des Reichthums, des Nachdrucks, der Deutlichkeit und des Wohlklanges zurück und erklärt deren Vereinigung zu einem Zustand der Sprachen, in dem sie das vollkommenste Werkzeug zu dem Ausdrucke unserer Begriffe und Empfindungen ist (ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia, ĺ Wohlklang). Die Vielfalt der Eigenschaften, die Sprachen zugeschrieben wurden, resümiert schließlich THIÉBAULT in einer langen Aufzählung. Im Zusammenwirken der Eigenschaften der Sprachen unter den drei Zielrichtungen, dem Ohr zu schmeicheln, das Herz zu rühren und den Geist zu erleuchten (flatter l’oreille, toucher le cœur, et éclairer l’esprit), erreichten sie mehr oder weniger große Vollkommenheit.
IV. Nach der Entwicklung der historisch-
vergleichenden Sprachwissenschaft vermied man wertende Beschreibungen von Sprachen im Sinne von Vorzügen und Mängeln. Entsprechende Texte wurden fortan als unwissenschaftlich charakterisiert und in die Vorgeschichte der Wissenschaft verwiesen. Die sich im 18. Jahrhundert durchsetzende Meinung, dass niemals alle Vorzüge einer Spra-
Klarheit che zukommen würden und dass ein ausgewogenes Maß von Vorzügen Ziel des Sprachausbaus sei, wurde in metasprachlichen Diskursen und auch im Alltagsbewusstsein nach dem 18. Jahrhundert fortgesetzt.
V. FRANÇOIS, Alexis (1959): Histoire de la
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903 George Arthur (1985): Grammatical Theory in Western Europe 1500–1700. Trends in Vernacular Grammar. Cambridge: Cambridge University Press. – PERCIVAL, W. Keith (1975): “The grammatical tradition and the rise of the vernaculars”. Current Trends in Linguistics, Vol. 13: Historiography of Linguistics. Ed. Thomas A. SEBEOK. The Hague: Mouton. – SIOUFFI, Gilles (2001): “L’éternel passé de la langue: temps et perception linguistique au XVIIème siècle”. Littératures classiques 43, 241–256. – SIOUFFI, Gilles (2004): “Enquête autour du concept de perfection dans la description linguistique (France, XVIIème siècle)”. History of Linguistics in Texts and Concepts. (= Geschichte der Sprachwissenschaft in Texten und Konzepten). Hrsg. Gerda HASSLER / Gesina VOLKMANN. Münster: Nodus Publikationen, 141–154. – STEINMETZ, Jutta (1997): “Vollkommenheit und Ordnung bei Johann Peter Süßmilch. Eine Pilotstudie”. Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft 7.2, 265– 276. Gerda Haßler
Klarheit I. Lat. perspicuitas, dt. Klarheit, Deutlichkeit, Reinigkeit, engl. clearness, frz. clarté, netteté, span. claridad, perspicuidad. Unter den Vorzügen von Sprachen (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel) nimmt die Klarheit eine prominente Rolle ein und setzt die seit der Antike bekannte perspicuitas fort. Der Begriff der perspicuitas, der im Lateinischen wörtlich ‘Durchsichtigkeit’ bedeutete, war bereits eine zentrale Kategorie im System der antiken Rhetorik, wie sie ARISTOTELES, CICERO und – im Sinne einer wissenschaftlich-praktischen Summe – QUINTILIAN verfasst haben. Der Begriff benennt eine Forderung oder ‘Tugend’ (virtus), deren Befolgung durch den Redner im Rahmen der sprachlichen Ausgestaltung (elocutio) einer Rede Voraussetzung für deren Erfolg ist. Mit Blick auf die Sprachverwendung in der Rhetorik ist damit die gedankliche Klarheit und sinnvolle, gut nachvollziehbare Organisation der Gedanken im Gesamtaufbau der Rede gemeint, durch die das Ziel verfolgt werden
soll, die Redeintention für das Publikum klar erkennbar und nachvollziehbar zu machen. In der Zeit des Humanismus wurde der Begriff der Klarheit jedoch auch zu einer systematischen Qualität einzelner Sprachen umgedeutet. Diese insbesondere im Zusammenhang mit der ĺ Apologie der Nationalsprachen relevant gewordene Charakteristik einzelner Sprachen als über perspicuitas verfügende wurde auch mit einzelnen sprachlichen Argumenten belegt. Im Zuge der Durchsetzung des Rationalismus wurde diese als clarté bezeichnete Eigenschaft vor allem für das Französische in Anspruch genommen und zu einer Eigenschaft dieser Sprache erklärt (ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia).
II. (QUINTERO 1629: 187): Que la Claridad
es la maior gala del lenguage, y la oscuridad su maior vicio. Entre las galas del lenguaje (o sean columnas del Templo de la Elocuencia) ninguna hallo
904 que mas le adorne y sustante que esta Claridad, es la luz, y este dia. Pues al modo que en los braços de la tiniebla espesa de la noche, duerme melancolia la poupa de las flores, la alegoria del campo, y el entretenimiento trabieso de las fuentes, y ni pance que ai flores, campo verde, ni cristales. (DESCARTES [1637] 1840: 38): Après cela, je considérai, en général, ce qui est requis à une proposition pour être vraie et certaine; car puisque je venois d’en trouver une que je savois être telle, je pensai que je devois aussi savoir en quoi consiste cette certitude. Et ayant remarqué qu’il n’y a rien du tout en ceci. Je pense, donc je suis, qui m’assure que je dis la vérité, sinon que je vois très clairement que, pour penser, il faut être: je jugeai que je pouvois prendre, pour règle générale, que les choses que nous concevons fort clairement et fort distinctement sont toutes vraies; mais qu’il y a seulement quelque difficulté à bien remarquer quelles sont celles que nous concevons distinctement. (VAUGELAS 1647: 112–114): Netteté de construction: Lors qu’en deux membres d’une periode qui sont joints par la conjonction et, le premier membre finit par un nom, qui est à l’accusatif, & l’autre membre commence par un autre nom, qui est au nominatif, on croit d’abord que le nom qui suit la conjonction, est au même cas que celui qui le precede, parce que le nominatif & l’accusatif sont toujours semblables, & ainsi l’on est trompé, & on l’entend tout autrement que ne le veut dire celuy qui l’escrit. Vn exemple le va faire voir clairement. Germanicus (en parlant d’Alexandre) a egalé sa vertu, & son bonheur n’a jamais eu de pareille. Ie dis que ce n’est pas escrire nettement, que d’escrire comme cela, a egalé sa vertu, & son bonheur, &c. parce que sa vertu est accusatif, regi par le verbe égalé, & son bon heur est nominatif, & le commencement d’vne autre construction, & de l’autre membre de la periode. […] Mais toujours ils ne peuuent pas nier que le lecteur & l’auditeur ny soient trompez d’abord, & quoy qu’ils ne le soient pas long temps, il est certain qu’ils ne sont pas bien aises de l’avoir esté, & que naturellement on n’aime pas à se mesprendre. Enfin c’est vne imperfection qu’il faut euiter, pour petite qu’elle soit, s’il est vray qu’il faille tousjours faire les choses de
III. Einheit und Vielfalt la façon la plus parfaite que se peut, sur tout lors qu’on matière de langage il s’agit de la clarté de l’expression. (LAMY [1675] 1688: 49): Nous ne pouvons souffrir qu’on éloigne aucun mot, qu’il faille attendre pour concevoir ce qui precede; Nous sommes ennemis pour cela des parentheses et des longues periodes; c’est pourquoi nôtre langue est plus propre qu’aucune autre pour traiter les sciences, parce qu’elle le fait avec une admirable clarté. Il ne s’agit en enseignant que d’être clair. Nôtre langue ne cede à aucune pour la clarté. (LAMY [1675] 1688: 53–54): La netteté & la clarté sont une même chose. Un discours est net lorsqu’il presente une peinture nette & claire de ce qu’on a voulu faire concevoir. Pour peindre un objet nettement il en faut representer les propres traits, donnant pour cela les seuls coups de pinceau necessaires. Ceux qui sont inutiles gâtent l’ouvrage. Cette comparaison de la peinture avec l’éloquence suffit pour faire comprendre comment on peut rendre net le discours. Nous avons dit qu’il ne faut pas dire les choses sechement; mais aussi qu’il ne faut rien dire de superflus. Nous parlons ici particulierement de la clarté qui dépend de l’arrangement des paroles. Lorsqu’on s’attache à l’ordre naturel on est clair, ainsi le renversement de cet ordre ou la transposition des mots trajectio verborum, est un vice opposé à la netteté. (LAMY [1675/1701] 1998: 180): La plupart de ce qu’on appelle expressions choisies, tours élégants, ne sont que des métaphores, des tropes, mais naturels, et si clairs, que les mots propres ne le seraient davantage. Aussi notre langue, qui aime la clarté et la naïveté, donne toute liberté de s’en servir; et on y est tellement accoutumé qu’à peine les distinguet-on des expressions propres, comme il paraît dans celles-ci qu’on donne pour des expressions choisies: il faut que la complaisance ôte à la sévérité ce qu’elle a d’amer; et que la sévérité donne quelque chose de piquant à la complaisance, etc. (CHARPENTIER 1683a: 113): On a commencé à s’appercevoir qu’il falloit éviter les expressions equivoques, par ce que la clarté est la qualité la plus necessaire du discours.
Klarheit (CHARPENTIER 1683a: 116–117): Et comme dans la necessité où sont les hommes de se parler, c’est un des plus grands plaisirs de ce commerce, que de s’expliquer avec clarté & avec élégance; la clarté faisant que celuy à qui l’on parle ne s’abuse jamais a ce qu’on dit, & n’est point en danger de faire le contraire de ce qu’on desire de luy; Et l’Elegance faisant qu’on ne dit rien de superflu ni qui ennuye. (CHARPENTIER 1683a: 117–118): Et comme il est encore vray que l’Homme cherche naturellement le plaisir en toutes choses, & que c’est par l’amour du plaisir qu’il est excité à toutes les actions qui sont necessaires à la conservation de sa personne ou de son espece, il sensuit que tout homme à moins qu’il ne soit entierement hebeté ne peut pas s’empescher de vouloir se procurer à luy mesme ce plaisir qui naist de l’usage d’une Langue pleine de clarté & d’elegance; & par consequent, on peut assurer que tous ceux qui n’ont point joüi de ce plaisir spirituel, ne l’ont manqué, que parce qu’ils n’ont pas esté assez habiles pour se le donner, ce qui les a arrestez par impuissance, ou parce qu’ils ne l’ont pas assez connu pour le souhaiter, ce qui les en a privez par stupidité. (CHARPENTIER 1683a: 462–464): Mais ne conte-t-on pour rien cete [sic] admirable qualité de la langue Françoise, qui possedant par excellence, la Clarté & la Netteté, qui sont les perfections du discours, ne peut entreprendre une traduction sans faire l’office de commentaire? C’est ce que dit tres veritablement un des derniers traducteurs François des Epistres de Saint Paul, au sujet des endroits difficiles & obscurs qui si rencontrent dans l’original. “On espere”, ditil, “que cette traduction ne sera pas inutile pour remedier à cette obscurité, parceque nostre langue estant tres claire d’elle mesme & ne pouvant pas souffrir des expressions suspenduës & incertaines, on n’a pû traduire Saint Paul sans s’esclaircir en mesme temps.” C’est cette Clarté inseparable de la langue Françoise qui fait qu’il est beaucoup plus difficile de traduire les Auteurs Grecs en François qu’en Latin. Car dans les lieux difficiles, j’ay observé, que les Traducteurs Latins se servent d’un artifice qui leur reussit admirablement, aupres de la plus part du
905 monde; car ils se contentent de rendre mot pour mot & comme la phrase Latine se croise aussi bien que la Grecque, ils font un jargon qu’eux mesme ne pourroient pas déchiffrer, & non seulement ils laissent l’original dans l’obscurité qu’ils y trouvent, mais ils y en adjoustent une nouvelle, parce que les mots Latins n’ont pas toûjours la mesme idée que les Grecs. (CHARPENTIER 1683a: 610–611): Elle possede par excellence la Netteté & la Clarté, qui sont les principales beautez du discours, selon Aristote, puisqu’on ne parle que pour se faire entendre. Elle est douce, Elle est significative, Elle est sonore, Elle est eloquente, Elle est nombreuse. (CHARPENTIER 1683a: 680–681): Et c’est ce qui nous donne lieu de conclure que la Construction Françoise est la plus excellente que l’on puisse imaginer, puisqu’en conservant la Clarté qui naist de l’arrangement naturel des paroles, elle ne laisse pas de recevoir tous les ornemens des Nombres aussi bien que la Latine, & de reüssir aussi heureusement qu’elle dans toutes les figures de Sens & de Diction. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Clair, 1694): Clair, sign. aussi fig. Evident, fort intelligible. Style clair. discours clair. une expression claire. un commentaire bien clair. cela est clair comme le jour. il n’y a rien de si clair. son droit est clair. la raison, la consequence en est claire. preuve claire. methode claire. il s’est expliqué en paroles claires. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Clarté, 1694): Il se dit figur. De la facilité & de la netteté de l’esprit. Parler, escrire avec une grande clarté. expliquer quelque chose avec une grande clarté. (LEIBNIZ [1697] 1908: 332): 17. Ich erinnere mich gehöret zu haben, dass wie in Franckreich auch dergleichen Rein-Dünckler auffkommen, welche in der That, wie Verständige anitzo erkennen, die Sprache nicht wenig ärmer gemacht; da solle die gelehrte Jungfrau von Gournay, des berühmten Montaigne Pflege-Tochter gesaget haben: was diese Leute schrieben, wäre eine Suppe von klarem Wasser (un bouillon d’eau claire) nehmlich ohne Unreinigkeit und ohne Krafft.
906 (LEIBNIZ [1697] 1908: 349): 80. Die Reinigkeit der Sprache, Rede und Schrifft bestehet darin, dass so wol die Worte und Red-Arten gut Teutsch lauten, als dass die Grammatic oder Sprach-Kunst gebührend beobachtet, mithin auch der Teutsche Priscianus verschonet werde. (LEIBNIZ [1697] 1908: 351): 93. Über dergleichen guten Anstalten zu Beybehaltung der Teutschen Sprache Reinigkeit, so viel es immer thunlich, hätten die vornehmen Scribenten durch ihr Exempel die Hand zu halten, und damit dem einbrechenden Sturm der fremden Worte sich nicht zwar gäntzlich, so vergebens, doch gleichsam lavirend zu widersetzen, biss solcher Sturm vorüber und überwunden. (LEIBNIZ [1697] 1908: 353): 102. Der ander Theil der Sprach-Reinigkeit besteht in der Sprach-Richtigkeit nach den Reguln der Sprach-Kunst; Von welchen auch nur ein Weniges allhie gedencken will; Denn ob wohl darin ziemlicher Mangel befunden wird, so ist doch nicht ohnschwer solchen mit der Zeit zu ersetzen, und sonderlich vermittelst guter Uberlegung zusammengesetzter tüchtiger Personen ein und andern Zweiffels-Knoten auffzulösen. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 106–107): CHAPITRE X. De la clarté du Discours. C’est une maxime qui ne sçauroit être contestée par aucun de ceux qui ont tant soit peu examiné ce que c’est que la parole, & pour quelle fin elle a été donnée à l’homme, que la clarté fait le premier, & peut-être le seul veritable merite du discours. C’est une verité que les Grammairiens & les Rheteurs ne se lassent point de repeter. Perspicuitas orationis summa virtus, (dit Quintillien.) En effet, si l’homme ne parle que pour se faire entendre, c’est-à-dire, pour rendre presentes à l’esprit d’autruy les mêmes idées qui sont presentes au sien; nôtre plus grande habileté doit tendre à nous exprimer d’une maniere si claire, qu’elle fasse concevoir aux autres sans obscurité & sans équivoque ce que nous avons conçû les premiers. Aristote même, tout obscur que l’on veut qu’il ait été dans ses livres, a regardé la clarté comme la principale partie de l’orateur. Car si nôtre discours n’est pas capable de faire comprendre nos pensées, qui pourra le faire?
III. Einheit und Vielfalt (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 108–109): Sur ce fondement que l’on ne sçauroit contester sans se declarer contre la raison, plus un homme parle clairement, plus il parle bien; & par consequent plus une langue est propre à la clarté du discours, plus elle est parfaite; plus elle s’éloigne des sens suspendus, ambigus & équivoques, plus elle merite nôtre estime. Mais pour faire justice à toutes, elles sont toutes par elles-mêmes également susceptibles de clarté; & l’obscurité du stile n’est point le vice des langues dans lesquelles on écrit, mais celuy des personnes qui écrivent. En toute langue ceux qui sont assez éloquens peuvent & doivent parler clairement. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 113): Jusqu’icy on s’est étudié à la simplicité & à la naïveté qui sont les fondemens de la clarté; j’apprehende que l’on ne se lasse de cette simplicité, & que l’on ne tombe dans le mauvais goût de certains Ecrivains dont parloit Quintillien, qui étoient persuadez qu’une chose étoit dite avec beaucoup d’esprit & d’élegance quand on avoit besoin d’interprete pour l’entendre. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 116): On peut dire que la clarté est un des caracteres de nôtre langue, tâchons de la conserver. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 134): Et cette abondance sert encore infiniment à la clarté, rien ne rendant un discours plus équivoque & plus ambigu que lorsque les mêmes mots y sont pris en des sens differens, & une langue seroit parfaitement claire, si chaque chose & chaque idée avoit son terme & son expression propre. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Clair, 1718): Clair, Signifie fig. Intelligible, aisé à comprendre, Idée claire, style clair. discours clair. une expression claire. un Commentaire bien clair. il n’y a rien de si clair. methode claire & aisée. il s’est expliqué en termes fort clairs. Il signifie aussi, Evident, manifeste. Son droit est clair comme le jour. la raison, la consequence en est claire. preuve claire, claire comme le jour. On dit fig. qu’Un homme à l’esprit clair, le jugement clair, pour dire, qu’Il a beaucoup de netteté dans l’esprit, dans le jugement. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Clarté, 1718): Clarté, Se dit fig. De la net-
Klarheit teté de l’esprit. Parler, escrire avec clarté. expliquer quelque chose avec une grande clarté. (Diccionario de la lengua castellana, Artikel Claridad, 1726–1739: I, 368): Claridad. Significa tambien la puréza y modo selecto de hablar, con que se dá à entender claramente y sin rodeos lo que se dice y se siente sobre alguna matéria, para su cierta y verdadera inteligencia. Lat. Perspicuitas. (MAYANS 1737: 196): La pureza sirve para expressar las ideas con claridad, i limpieza. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (frantzösische), 1744: XXXIX, 423): Insonderheit ist der Streit zwischen de la Motte und der Mad. Dacier bekannt, deren der erste der Frantzösischen, die andere aber der Griechischen den Vorzug einräumete. De la Motte hält dafür, man könnte im Frantzösischen eine Sache so schön als im Griechischen ausdrucken; denn die Frantzosen hätten Wörter genug sich zu erklären, und wenn sie bisweilen etwas umschreiben müßten, was die Griechen mit einem Worte geben konnten; so hätten sie vielleicht in andern Exempeln eben diesen Vortheil über die Griechen. So zähle auch ein verständiger Leser niemahls die Worte, sondern sey zufrieden, wenn nur nichts überflüßiges gesetzt worden. (Encyclopédie, Artikel Clarté, DIDEROT, 1753: III, 505): CLARTÉ, s. f. (Gram.) au simple, c’est l’action de la lumiere par laquelle l’existence des objets est rendue parfaitement sensible à nos yeux : au figuré, c’est l’effet du choix & de l’emploi des termes, de l’ordre selon lequel on les a disposés, & de tout ce qui rend facile & nette à l’entendement de celui qui écoute ou qui lit, l’appréhension du sens ou de la pensée de celui qui parle ou qui écrit. On dit au simple, la clarté du jour; au figuré, la clarté du style, la clarté des idées. Voyez DISCOURS, IDÉES, STYLE, ÉLOQUENCE, DICTION, MOTS, CONSTRUCTION, LANGUE&c. (BONNET 1755: 41): L’abondance des mots & la multitude des Inversions constituent la principale richesse d’une Langue. Moins de richesse, & même une sorte de pauvreté peuvent être très bien compensés par la clarté & le naturel.
907 (PRIESTLEY 1762: 250): An attention to the use of language will inform us that, to the perfection of it, there must concur the three following particulars. In the first place it is necessary there be a sufficient copia of words; secondly that there be no ambiguities of words or constructions; and, lastly, that the pronunciation of it be not grating, but pleasing to the ear. The two former of these criterions contribute to clear expression, and are therefore the fundamental properties of a good language; the latter is a matter of ornament only. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 258): Assez communément le besoin de la clarté, qui est la qualité la plus essentielle de toute énonciation, l’emporte sur le génie des langues analogues & les détourne de la voie analytique dès qu’elle cesse d’être la plus lumineuse: les langues transpositives au contraire y ramènent leurs procédés, quelquefois dans la même vûe, & d’autres fois pour suivre ou les impressions du goût, ou les lois de l’harmonie. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 266): Lorsqu’une langue a fait des progrès considérables, qu’elle s’est enrichie, qu’elle a acquis de la dignité, de la finesse, & de l’abondance, il faut savoir ajouter à la clarté du style plusieurs autres perfections qui entrent en concurrence avec elle, la pureté, la vivacité, la noblesse, l’harmonie, la force, l’élégance; mais comme ces qualités sont d’un genre différent & quelquefois opposé, il faudroit les sacrifier les unes autres, suivant le sujet & les occasions. Tantôt il conviendroit de préférer la clarté à la pureté du style; & tantôt l’harmonie, la force ou l’élégance, donneroient quelque atteinte à la régularité de la construction […]. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, , 1765: IX, 266): On doit chérir la clarté, puisqu’on ne parle que pour être entendu, & que tout discours est destiné par sa nature, à communiquer les pensées & les sentimens des hommes; ainsi la langue françoise mérite de grandes louanges en cette partie; mais quelque precieuse que soit la clarté, il n’est pas toujours nécessaire de la porter au dernier degré de la servitude, & je crois que c’est notre lot.
908 (BEAUZÉE 1767: II, 538–539): Et il ne faut pas croire, comme l’insinue M. Batteux, que nous ayons introduit ce cas pour revenir à l’ordre des latins, dont les procédés après tout importent peu à notre langue: mais forcés, comme les latins & comme toutes les autres nations, de placer cet article conjonctif à la tête de la proposition incidente, lors même qu’il est complément du verbe; nous n’aurions pu nous dispenser de lui donner un cas adverbial, sans compromettre souvent la clarté de l’énonciation, qui est l’objet immédiat du Langage, l’objet unique, de la Grammaire, & l’objet caractéristique & distinctif de la langue françoise. (ADELUNG [1774–1786] 1811: II, 1607, Artikel Die Klarheit): Die Klarheit plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es klar ist. 1. In Absicht des Gehöres. Die Klarheit der Stimme, eines Schalles, die Eigenschaft, nach welcher man ihn von allen andern unterscheiden kann. Ingleichen in einem andern Verstande, die feine Beschaffenheit der Stimme. Wie auch figürlich, die Eigenschaft einer Sache, da sie bestimmt, deutlich, und keinen Zweifeln unterworfen ist. Die Klarheit eines Satzes, einer Antwort, eines Ausspruches u. s. f. Die Klarheit eines Begriffes, in der Logik, die Eigenschaft, nach welcher er hinreicht, die Sache von allen andern zu unterscheiden. 2. In Absicht des Gesichtes. 1. Eigentlich, in der ersten und zweyten Bedeutung des Beywortes für Licht, heller Glanz; eine in der Deutschen Bibel sehr übliche Bedeutung, welche auch außer derselben noch nicht ganz veraltet ist. Eine andere Klarheit hat die Sonne, eine andere Klarheit hat der Mond, eine andere Klarheit haben die Sterne, denn ein Stern übertrifft den andern nach der Klarheit, 1 Cor. 15, 41. Die Klarheit des Herrn leuchtet um sie, Luc. 2, 9. Als ich aber vor Klarheit des Lichts nicht sehen konnte, Apostelg. 22, 11. In gewöhnlicherer Bedeutung, die Durchsichtigkeit, so fern sie von der Anwesenheit fremdartiger Theile nicht gehindert wird. Die Klarheit eines Glases, des Wassers, des Weines. 2. Figürlich, wo es besonders für Feinheit, zarte Beschaffenheit der Fäden, des Gewebes, einer Schrift u. s. f. häufig gebraucht wird. (ROUSSEAU [1781] 1968: 81): Tout ceci mêne à la confirmation de ce principe que par un
III. Einheit und Vielfalt progrès naturel toutes les langues lettrées doivent changer de caractére et perdre de la force en gagnant de la clarté, que plus on s’attache à perfectionner la grammaire et la logique plus on accélére ce progrès, et que pour rendre bientôt une langue froide et monotone il ne faut qu’établir des academies chez le peuple qui la parle. (ROUSSEAU [1781] 1968: 131): Le besoin mutuel unissant les hommes bien mieux que le sentiment n’auroit fait, la societé ne se forma que par l’industrie, le continuel danger de périr ne permettoit pas de se borner à la langue du geste, et le premier mot ne fut pas chez eux, aimez-moi, mais, aidez-moi. Ces deux termes, quoiqu’assés semblables, se prononcent d’un ton bien différent. On n’avoit rien à faire sentir, on avoit tout à faire entendre; il ne s’agissoit donc pas d’énergie mais de clarté. (EBERHARD [1784] 2000: 54): Die hohe Begeisterung, der kühne Flug der Phantasie ist weder in den Geschäften noch in dem gesellschaftlichen Umgange an seinem rechten Orte. Der Ton der Geschäfte erfordert sowohl in Schriften als Unterredungen Klarheit, Präcision, Kürze ohne Dunkelheit, und Lebhaftigkeit ohne Enthousiasmus […]. (RIVAROL [1784] 1998: 72–73): Le français, par un privilège unique, est seul resté fidèle à l’ordre direct, comme s’il était tout raison, et on a beau par les mouvements les plus variés et toutes les ressources du style, déguiser cet ordre, il faut toujours qu’il existe; et c’est en vain que les passions nous bouleversent et nous sollicitent de suivre l’ordre des sensations: la syntaxe française est incorruptible. C’est de là que résulte cette admirable clarté, base éternelle de notre langue. Ce qui n’est pas clair n’est pas français; ce qui n’est pas clair est encore anglais, italien, grec ou latin. Pour apprendre les langues à inversion, il suffit de connaître les mots et leurs régimes; pour apprendre la langue française, il faut encore retenir l’arrangement des mots. On dirait que c’est d’une géométrie tout élémentaire, de la simple ligne droite, et que ce sont les courbes et leurs variétés infinies qui ont présidé aux langues grecque et latine. La nôtre règle et conduit la pensée; celles-là se précipitent et s’égarent avec elle dans le labyrinthe des sen-
Klarheit sations et suivent tous les caprices de l’harmonie. (RIVAROL [1784] 1998: 76): Mais la langue française, ayant la clarté par excellence, a dû chercher toute son élégance et sa force dans l’ordre direct; l’ordre et la clarté ont dû surtout dominer dans la prose, et la prose a dû lui donner l’empire. Cette marche est dans la nature: rien n’est en effet comparable à la prose française. (BEATTIE [1788] 1968: 11): Yet, where language has been little improved, as among savages, and is of course defective in clearness and energy, it is for the most part enforced by looks, gestures, and voices, naturally significant: and even some polite nations, the French for example, from an inborn vivacity, or acquired restlesness, accompany their speech with innumerable gestures, in order to make it the more emphatical; while people of a graver turn, like the English an Spaniards, and who have words for all their ideas, trust to language for a full declaration of their mind, and seldom have discourse to gesture, unless when violence of passion throws them off their guard. (GARCÉS 1791: I, XXIX–XXX): Las partículas no son otra cosa sino aquellas menudas partes, que forman y dan fuerza á aquella íntima union que debe llevar consigo un compuesto y acabado raciocinio; cuyas partes así deben de unirse, y darse por este medio vigor y claridad, que finalmente resulte dellas un perfecto y bien regulado discurso: y como este ni pueda ni deba ser, y llamarse perfecto, no siendo las partes que lo constituyen en sí mismas perfectas, yendo ademas natural y propiamente unidas; de aquí nace que debemos traer sumo estudio en conocer naturaleza, y usar con propiedad y elegancia deste tan necesario enlace, ó vínculo; avisándonos que tan solo el nervio, ó vigor del discurso, sino la flor (por decirlo así) y nata de su elegancia depende tambien desta union, ó enlace de las partes. Ved pues, si puso con razon Aristóteles primera, y principal parte del culto razonar las que él llama conjunciones, y nosotros partículas, cuyo ser consiste en ocupar cada una aquel lugar que le corresponde, poniéndose ántes, ó despues; aqui no, sino allí, segun lo pida su propiedad natural: con cuya doctrina frisa la de Quintiliano, el que enco-
909 mienda siempre como parte esencial del bien hablar la union y vínculo de unas cláusulas con otras; y con razon, porque si la mejor, y parte mas necesaria del raciocinio es la claridad, ó digamos perspicuidad, su contrario debrá de ser forzado lo que mas menoscabe su natural seguida, y es aquel vicio, que nace del ir rotas las clausulas, y sin aquel enlace, que les obligue á mirarse entre sí, y vigorosamente sostenerse; siendo necesario que el raciocionio, que anda falta de partículas sea obscuro […]. (GARCÉS 1791: II, I): La parte mas principal, y la que es base, y como fundamento del Orador, ó del que habla propia y elegantemente de las cosas que trata, es á dicho de Ciceron la elocucion castigada y natural, por cuyo medio os comunica el que habla su propia idea, y de su mente la traslada á la vuestra, sin que pierda punto de su perfeccion; debiendo por esto ser las palabras como el espejo, el qual nos muestra por maravillosa reflexion la idea tal qual es nuestro semblante: así que para hablar con propiedad conveniente, decia un perfecto Maestro de la elocucion Española, no es menester otro sino “procurar que… con palabras significantes, honestas y bien colocadas salga vuestra oracion y periodo sonoro y festivo, pintando en todo lo que alcanzáredes y fuere posible vuestra intencion, dando á entender vuestros conceptos sin intrincarlos y escurecerlos.” Con lo que nos da una idea clara de lo que es la base y fundamento del bien hablar: pues si cada palabra es propia y significante, y luego se enlaza y une con las otras en natural órden y colocacion de modo, que todas se miren entre sí, y como se llamen y confirmen; no hay duda sino que os mostrarán viva y naturalmente la sentencia, que en sí traen depositada. (JENISCH 1796: 4–5): Der bestimmte Hang unsers Geistes bei allen seinen Kraftäusserungen, und also auch bei der Sprache, ist eine gewisse gemächliche Thätigkeit, wodurch der intellectuelle sowohl, als der sinnliche Theil seiner Natur, auf eine ihm angenehme Weise ins Spiel gesetzt wird. Zuviel Ideen, auf Einmal dargestellt, überladen, zuwenig – langweiligen ihn. Das Mittel zwischen jener Ueberladung, und dieser Leere – trifft die Deut1ichkeit, wodurch Begriffe und Empfindungen so leicht und so schnell, als möglich,
910 in die Seele übertragen werden. Der Deutlichkeit schliessen wir sogleich die Gewandtheit an, als den Vorzug einer Sprache, nach welchem jeder Begriff und jede Empfindung, ohne Mühe, zweckmässig dargestellt und gleichsam mit Leichtigkeit gehandhabt werden kann. Eine Sprache kann sehr glücklich für die Deutlichkeit gebildet sein, und doch der Gewandtheit mangeln, (obgleich Gewandtheit immer zugleich auch Deutlichkeit mit sich führt.) (JENISCH 1796: 31–33): Nun ruft uns eine andere Vollkommenheit der Sprache, nämlich: III. Deutlichkeit und Bestimmtheit. Da es bei der Deutlichkeit vor andern darauf ankommt, den ausgedrückten Begriff schnell und leicht zu fassen, so rechnen wir zu derselben: A) die lexikalische Bestimmtheit. Alle unkultivirten Sprachen bezeichnen, wegen der ihnen eigenthümlichen Armuth, mehrere Begriffe mit Einem Wort, dessen Werth und Bedeutung an seiner jedesmaligen Stelle, eben desswegen sehr oft schwankend seyn muss. Man erinnere sich zum Beispiel der vielen und auf den ersten Anblick oft sehr ungleichartigen Bedeutungen eines und desselben Zeitworts, eines und des nämlichen Substantivs in der Hebräischen Sprache, als wodurch so viele Stellen des alten Testaments höchst vieldeutig und nicht selten dem Exegeten durchaus unerklärlich werden. Je mehr der Geist eines Volks sich erweitert, desto feiner und bestimmter werden seine Begriffe, desto bestimmter auch seine Sprache. Die Abstractionen selbst, die sich nun einführen, befördern diese Bestimmtheit; wie wohl sie auch sehr oft (man denke dabei nur an die Geschichte der Philosophie) eine neue Quelle der Unbestimmtheit werden. Die reichste Sprache hat die Anlage, auch die lexikalischdeutlichste zu seyn. Denn so besitzt sie das Mittel, verschiedene Nüanzen der Begriffe zu bezeichnen. Diese Anlage muss aber von Dichtern und Philosophen gehörig ausgebildet werden, wenn die Sprache wirklich die lexikalisch-reichste werden soll: denn ohne diess ist ihr Reichthum selbst eine Quelle der Ideen-Verwirrung: z. B. Zu viele Synonymen machen, ohne bestimmte kritisch-philosophi-
III. Einheit und Vielfalt sche Abgränzungen, eine Sprache nur schwankend. Da alles, was zu dem Ausdrucke feiner Nüanzen der Begriffe und Empfindungen gehört, besonders, wenn es den ganzen Bau der Sprache betrifft, auch zu der Deutlichkeit und Bestimmtheit einer Sprache gehört: so erfordert die Deutlichkeit auch ferner: B) Feinheit in dem grammatikalischen Bau der Sprache. Hieher rechnen wir die Declinationen mit ihren Fallendungen, den Artikel, die Conjugationen mit ihren Activis, Passivis, Mediis, Participien, und eben so die kleinen Bindungsoder auch Uebergangs-Partikeln u. s. f., so wie überhaupt alles das, was zu dem grammatikalischen Bau einer Sprache gehört. Der Lateiner, der keinen Artikel hat, kann sich ohne Zweifel in den angeführten Fällen nicht grade mit so wenig Sylben ausdrücken, als der Franzose; oder auch irgend eine der neuern Sprachen, die fast alle den Artikel, und mehr als einen haben. […] (43): Da es, so wie bey dem regelmässigen Denken auf die regelmässige Aneinanderreihung der Ideen, also bey dem Ausdrucke dieser Ideen auf die, durch die natürliche und regelmässige Ideenfolge bestimmte Aneinanderreihung der Worte, ankommt: so erfordert die Deutlichkeit auch: C) Eine regelmässige und natürliche Syntax. So wie eine durchaus bestimmte und unabänderliche Wortfügung dem Nachdrucke der Sprache, in jedem bedeutendern Momente der Leidenschaften und des heftigen Ideenstroms Eintrag thut, […] so ist sie, alsdann, wenn diese Gesetzmässigkeit der Wortstellung auf den natürlichen Gang des Geistes in der Ideen-Entwickelung, und nicht auf den Eigensinn des Gebrauchs gegründet ist, der Deutlichkeit höchst zuträglich. Ist dagegen diese Wortstellung durchaus, oder mehrentheils der Willkühr des Redenden überlassen (denn einige Regeln der Wortfügung hat jede auch noch so freie Sprache) so brauche der Geist des Zuhörers oder Lesers schon mehr Anstrengung, um die, durch die freiere Wortstellung von einandergerissenen Worte und Ideen (möge, der Redende oder Schreibende sie um des Wohlklangs oder um des Nachdrucks willen von einander getrennt haben), zusam-
Klarheit men zu ordnen, führt, werden wir in der Schlussanmerkung zu diesem Abschnitte von der Deutlichkeit, ausser allen Zweifel setzen. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 29): Quant à la langue françoise qui, selon Diderot, est la plus châtiée, la plus exacte, et la plus estimable; comme elle n’a que des inversions peu hardies et assez rares, elle brille moins par l’éloquence, la force, et la chaleur; mais elle gagne infiniment du côté de la précision, de la clarté, et de la netteté: sa marche didactique et réglée, la rend également et spécialement propre au commerce ordinaire de la vie et aux sciences: il faut, dit cet auteur, parler françois dans la société et dans les écoles de philosophie; parce que cette langue est singulièrement la langue propre aux délassements de l’esprit, aux agréments de la conversation, et à la conduite des affaires; et qu’elle est de plus et en même-temps, la langue des amis de la vérité, ou des sages; tandis que la plupart des autres langues deviennent trop facilement des langues de mensonges, favorables aux prestiges des passions, et faites pour émouvoir et égarer les peuples. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 30): Le génie de cette langue consiste dans l’ordre et la clarté: la liberté et les charmes de la société lui ont donné une délicatesse d’expression, et une finesse d’esprit qui ne se retrouvent point ailleurs; ce qui ne l’a point empêchée de devenir plus philosophique qu’aucune autre. (DENINA 1804: 196): Cette liberté d’employer les mots en François fut restreinte par de bonnes raisons. Quelques écrivains judicieux ayant observé que les lettres finales ne se prononçant point ou se prononçant de la même manière, les mots pouvoient très facilement se prendre l’un pour l’autre, s’avisèrent sagement de prévenir l’équivoque et la confusion, en accompagnant toujours le verbe du nom ou du pronom qui le régit. De là vinrent je, tu, nous, vous, il, elle; qui se présentent à tout moment dans les phrases, où les autres langues ne les employent que rarement, parcequ’ils n’y sont nullement nécessaires. (DENINA 1804: 197–200): La seconde cause de la précision, de la clarté de la langue françoise, est la règle établie par les grammairiens contemporains de Corneille et de Vaugelas, de faire précéder le verbe par le nominatif, et faire suivre les cas obliques. Cela
911 n’étoit point nécessaire aux langues grecque et latine; qui par les différentes terminaisons des cas les distinguoient ordinairement les uns des autres. Je dis ordinairement; parcequ’il y en avoit qui ne se distinguoient que par l’ensemble de la phrase dans les écrits, et quelques uns par la prononciation comme l’ablatif en a, du nominatif, (V. sup. Part. I, §. 13.) car il est certain que l’a, de musa, dans dic mihi musa virum, ne rendoit pas le même son que celui de lyra, dans Phoebus volentem proelia me loqui increpuit lyra. L’Italien ne distingue pas plus l’ablatif de musa, et lyra, de leur nominatif, que le François ne distingue muse dans les différens cas du singulier. Les pluriers ne se distingueroient pas mieux sans les articles; et ces articles ne distinguent pas toujours dans nos idiomes un cas de l’autre; puisque lo, il, et le, la, sont sans distinction nominatif et accusatif comme li, et les, au pluriel. Les terminaisons latines écartoient cette confusion, excepté dans les verbes neutres. Il arrivoit donc assez souvent qu’on ne distinguoit pas à quel cas se rapportoient p. e. les livres, les hommes, les choses, et que la locution étoit susceptible de deux sens contraires. C’est pour cela que la langue françoise s’est astreinte à faire précéder constamment le verbe par le nominatif et faire suivre les autres cas; et ce n’est nullement par un motif de logique ou de métaphysique. En bien des cas il est fort douteux si c’est un mot ou l’autre qui doit se présenter à l’esprit. Aussi l’Italien ne s’est pas astreint à cette règle et chaque écrivain suivant que le caprice ou l’harmonie de la prose, la mesure du vers ou la nécessité de la rime l’exigent ou le conseillent, place l’accusatif avant et le nominatif après le verbe. Ce qui laisse subsister l’ambiguité dans l’expression, comme dans ce vers de Pétrarque. La vita il fin, e il dì loda la sera;où le sens seroit plus facilement saisi en disant: Il fine loda la vita, et la sera loda il giorno, et c’est ce que diroit le François. Mais voici dans la phrase ci-après une exception à la règle générale de la construction analytique dont le François se felicite. C’est une remarque très importante; parcequ’elle indique une imperfection de la langue italienne, dont la françoise est exempte. La bergere, qu’aime Coridon, est belle, et jolie. Le pronom que ne peut être
912 pris que comme acusatif, au lieu que qui est décidement nominatif, s’il n’est précedé de l’article de ou à. Ainsi l’équivoque n’a pas lieu lorsque je dis la bergere qu’aime Coridon, est belle et jolie; mais il s’y trouve sûrement si je dis en Italien la pastorella che ama Coridone, è bella e leggiadra. Car on ne voit pas si la pastorella aime, ou si elle est aimée. Le François en échange a moins de précision que l’Italien, dans l’usage des pronoms démonstratifs au cas oblique, lorsqu’il dit lui au datif, il dit lui également pour le masculin et le féminin; où l’Italien distingue parfaitement en disant lui, et lei, comme colui, et colei; mais ce qui est plus essentiel en disant gli, et le. “Le roi appella l’esclave Cassandre et lui ordonna d’aller trouver les autres esclaves”. Le nom Cassandre comme tant d’autres venus du Grec et du Latin, pouvant se prendre pour nom d’homme et nom de femme, on ne voit pas dans ce récit si l’on parle d’un homme ou d’une femme; puisque lui, et les autres esclaves, sont également masculins et féminins. Cette incertitude n’a pas lieu dans l’Italien; il re chiamò lo schiavo Cassandro, et gli comandò d’andare a trovare gli altri schiavi suoi compagni etc. S’il ne parloit pas d’un homme esclave; il diroit la sua schiava Cassandra, et le altre schiave sue compagne. Ce défaut de la langue françoise, commun en partie à la latine qui dit illius, et illi, dans les deux genres, a aussi lieu dans beaucoup de noms appellatifs qui par la terminaison si générale de l’e muet tient également lieu de l’a, et de l’o Italien, ainsi que de l’i et de l’e, dans les pluriers; comme il est évident dans les mêmes mots que je viens de citer, esclaves, et fideles, compagnes. (DENINA 1804: 317): Mais le changement qui mérite le plus d’être remarqué parmi tous ceux qui se sont faits dans la langue françoise depuis le duc d’Orleans, les deux Marots, Melin de St. Gelay, jusqu’à Malherbe, à Corneille, Racine et Voltaire; depuis Henry Etienne jusqu’à Vaugelas, ce bon Savoyard, qui le premier fixa les règles de la grammaire actuelle et dirigea la première édition du dictionnaire de l’académie, n’est pas d’avoir rejetté quantité de mots pris du latin, et fort usités dans les deux ou trois siècles précédens, mais d’y avoir mis cette précision, cette clarté que l’on vante avec tant de raison. Cela s’est
III. Einheit und Vielfalt fait tantôt en rapprochant les mots de l’idiome dont ils étoient venus, tantôt en les éloignant, les distinguant par la suppression, ou l’addition de quelque lettre. C’est en quoi les reformateurs du vieux langage ont montré de la sagacité, du discernement. (DENINA 1804: 318–320): Voici d’abord les noms composés de la particule ou préposition in, ou im. Probablement les Latins donnoient à cet in, lorsqu’il étoit préposition intensive, une expression différente de celle qu’ils lui donnoient lorsqu’il étoit particule négative, et en cela le François a de l’avantage sur l’italien. Car dans le françois, de même que dans l’espagnol, l’in préposition est, avec peu d’exception, devenue en; et l’in négatif est resté constamment in; au lieu qu’en italien cette particule étant toujours in, comme dans le latin, peut souvent laisser de l’ambiguité; de sorte que quelquesfois un mot matériellement le même, peut être pris en deux sens opposés. Inscriptus, par exemple, se trouve dans la signification d’inscrit en quelque table, liste, rôle, ou mémoire, et ailleurs veut dire non écrit; intentatus gladius, signifie épée tournée contre quelqu’un et res intentata, veut dire chose non tentis. Et quelle raison auroit-on de croire qu’impetrare, l’im, pour in, à cause du p, qui suit soit in, dans le sens d’intus, ou in, dans le sens de nom de ana grec, d’un, et on, allemand et flamand. Pourquoi inpenetrabilis, fait de penetrare, qui l’est de penitus intrare, ne pouvoit-il pas signifier entrer bien profondement, plutôt que le contraire? L’a dans quelques mots françois suivit de la lettre n, a été sans besoin apparent changé en e, et l’e, en a. En cela on n’a pas suivi une règle constante, car dans prudent, diligent, insolent, on a retenu l’e comme le Latin, et l’Italien, et l’on dit pourtant confiance, confidance, pris de confidentia. Cependant, quoique fait de ciò, pendente. Mais si on y fait attention on verra que ces variations n’ont pas été faites sans cause. Premièrement dans les noms ou l’en est précédé de l’i ou y si on avoit écrit comme on l’écrit en italien, ou pouvoit hesiter en le lisant s’il falloit prononcer a, comme dans prudence, ou e, comme dans payen, italien, rien, contient; le doute n’avoit plus lieu en substituant l’a, à l’e, et écrivant confiance. On a fort utilement repris l’adverbe si latin au lieu de se, qu’on avoit
Klarheit pris de l’italien; de la particule disjonctive nec, on a fait ni, gardant le ne, pour dire non, simplement au lieu de ki, que le vieux François avoit tiré de qui, on a repris ce même pronom tel qu’il est dans le latin au nominatif; reservant que, pour l’accusatif. Ainsi le François est plus clair, plus précis que l’Italien où che est nominatif et accusatif indistinctement. On s’est de plus fait une loix d’accompagner le verbe avec le pronom et au lieu de dis, fais, écris qui peuvent être pris pour la seconde personne aussi bien que pour la première; et à cet égard on corrigea un defaut essentiel dont les deux idiomes frères du françois sont exempts. Car dico[,] fo, ou faccio, scrivo, ne peuvent pas se confondre avec dici, fai, ou faci, et scrivi. Quelque peu considérables que puissent paroître ces améliorations; c’est à elles que cette langue doit en grande partie sa précision.
III. Die Klarheit war eine seit langem hoch
angesehene Eigenschaft der Rede, die sich jedoch schwer in Regeln fassen ließ. Im Allgemeinen verstand man darunter eine einleuchtende, deutliche Sprechweise, die sich jedoch dem Geschmack der Zeit unterwerfen musste. Die barocke Ausdrucksweise von QUINTERO mit ihren Antithesen und Metaphern (ĺ Metapher) kann durchaus als eine Ausprägung der Vorstellungen von Klarheit zu Beginn des 17. Jahrhunderts betrachtet werden. Doch bereits in der Zeit des Humanismus hatte es Versuche gegeben, die Eigenschaft der Klarheit stärker mit bestimmten Sprachen zu verbinden und als deren Charakteristikum zu betrachten. Die Klarheit wurde zu einem Kriterium des wertenden Sprachvergleichs, das auch in der ĺ Apologie einzelner Sprachen benutzt wurde (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Neben dem emotionalen Empfinden von Klarheit wurden in Ansätzen bereits sprachliche Merkmale genannt, wie zum Beispiel das Vorhandensein von Wörtern für die deutliche Unterscheidung von Begriffen oder die regelmäßige Anordnung der Ideen. 1. Die philosophische Dimension des Klarheitsbegriffs Mit der Entwicklung des Rationalismus von DESCARTES wurde die Klarheit in ein anderes Licht gerückt, insofern mit dem Evidenzpaar ‘Klarheit’ und ‘Deutlichkeit’ im Discours de
913 la Méthode (1637) ein erkenntnistheoretischer Maßstab eingeführt wurde. Diese neue Methode hebt sich im Sinne eines Kriteriums der Gewissheit und Wahrheit bewusst von der verworrenen und obskuren Kunst ab. Dementsprechend beschäftigt sich die erste Regel der Méthode mit Klarheit und Deutlichkeit. Das entsprechende Prinzip formuliert DESCARTES in der Beschreibung des eigenen Methodenfindungsprozesses: nichts soll als wahr angenommen werden, was sich nicht klar und distinkt dem Verstand darstellte. An dieser Stelle kommt das Paar clairement und distinctement im Discours zum ersten Mal vor, und es wird sofort mit der grundlegenden Regel verbunden, die besagt, dass man nur auf der Basis der klaren und deutlichen Evidenz urteilen sollte. Alles, woran es nur den geringsten Zweifel gibt, sollte verworfen werden. Auf diesem Weg gelangte DESCARTES zu dem als Grundsatz der Philosophie anzusetzenden Je pense donc je suis. Die Behandlung des Klarheits- und Evidenzproblems in DESCARTES’ Discours de la Méthode lässt sich durch folgende Merkmale charakterisieren: (1) DESCARTES stellt die allgemeine Regel auf, dass das, was man sehr klar und deutlich einsieht, wahr ist. (2) Die “Begründung” der Regel, wenn davon überhaupt die Rede sein kann, liegt (a) in der Verallgemeinerung von der Evidenz des “ersten Grundsatzes” der cartesianischen Philosophie und (b) in der Berufung auf Gott als denjenigen, der die Gültigkeit der Wahrheitsregel verbürgt. (3) DESCARTES behauptet nicht ausdrücklich, er habe die Wahrheitsregel im strengeren Sinne “bewiesen”. (4) DESCARTES definiert nirgendwo, was er mit “Klarheit und Deutlichkeit” meint. In den Meditationes de prima philosophia (1641), wo DESCARTES ausdrücklich behauptet, er habe seine allgemeine Wahrheitsregel bewiesen, geht er insofern über den Discours hinaus, als er feststellt, dass man “zwangsweise” urteilen muss, dass das, was man klar und deutlich einsieht, auch wahr ist. Als Beweis für die Auffassung, dass jede clara et distincta perceptio in strenger Allgemeinheit und Notwendigkeit auch eine perceptio vera ist, gilt, dass sie Gott als Urheber hat. Einerseits kann Gott selbst nicht als Urheber für eine falsche clara et distincta perceptio fungie-
914 ren, weil die Tatsache, dass er sich täuschte, auf eine Unvollkommenheit (imperfectio) hindeuten würde, wogegen er als ens summe perfectum alle Unvollkommenheit ausschließt; andererseits können die Menschen keine andere, nicht von Gott verursachte clara et distincta perceptio besitzen, weil die Tatsache, dass sie eine solche hätten, auch auf eine imperfectio Gottes hindeutete, insofern er dann nicht wirklich Urheber aller klaren und deutlichen Erkenntnis wäre. Der Beweis der Klarheit und Distinktheit als Evidenzkriterien kettet somit das erkennende Ego an einen Wahrheit verbürgenden Gott. Eine eigentliche Definition der Begriffe der Klarheit und Deutlichkeit gibt DESCARTES jedoch erst in den Principia philosophiae (1644). Er bezieht sie dort auf die Wahrnehmungsfähigkeit und stellt fest, dass ein Urteil, das den Anspruch erheben will, ein sicheres und zweifelsfreies zu sein, sich nur auf eine perceptio stützen kann, die selbst die zwei Merkmale Klarheit und Deutlichkeit besitzt. Die Qualität der perceptio färbt gewissermaßen das auf diese perceptio gestützte Urteil. Damit sind zwei Grundstufen der “positiven” Evidenz festgestellt, wovon jede durch zwei Merkmale gekennzeichnet ist. Die zwei Merkmale der Klarheit bestehen darin, dass eine perceptio einem aufmerksamen Geist (1) gegenwärtig oder präsent (anwesend) und (2) offenkundig ist; die zwei Merkmale der Deutlichkeit bestehen darin, dass eine perceptio, die schon eine klare ist, von allen übrigen perceptiones so unterschieden und getrennt ist, dass sie gar nichts anderes als das, was klar ist, in sich enthält. Demnach ist die Klarheit einer perceptio eine notwendige, aber nicht eine hinreichende Bedingung für die Deutlichkeit dieser perceptio. Eine Gegenposition zum Evidenzverständnis DESCARTES’ blieb – nicht zuletzt unterstützt durch eine an die Sinne appellierende Kanzelberedsamkeit – ein rhetorisch geprägter Klarheitsbegriff, der die Kraft des Einzelnen und des Beispiels für die Erkenntnis des Allgemeinen und Abstrakten in den Mittelpunkt stellte. Ein wichtiger Ausgangspunkt dieser Tendenz liegt bei FRANZ VON ASSISI, für den im Unterschied zu früheren Asketen Materie nicht nur Gegenprinzip zum ‘Geist’, d. h. zu Gott und daher in sich böse war, sondern
III. Einheit und Vielfalt gottgeprägt und gut. Auf diesem Hintergrund sollte die Predigt durch das Beispiel wirken und eine Predigt durch das Einzelne sein. Sie hat ein Hier und Jetzt, im Gegensatz zur Überzeitlichkeit und Unveränderlichkeit der Abstraktion. Dieser Art des Verstehens und verständlich Machens liegt eine Sinnlichkeit zugrunde, die mit Sensibilität genau übersetzt ist: Sensibilität für die Schöpfung, die zu verachten lange Zeit Bedingung der Frömmigkeit gewesen war. Von dieser Verlegung der Transzendenz in das Konkrete wird auch die Malerei geprägt. Heilige sind aus demselben Stoff wie die Bauern, sie sind gleichzeitig und untrennbar irdische, stoffliche Menschen und überirdische Heilige. Anstatt einer fernen, goldenen Jenseitigkeit stehen sie an irdischen Orten, die mit sparsamen Mitteln bezeichnet, aber in Formen und Farben wieder erkennbar sind. Schließlich erscheinen auch Plädoyers für den Durchbruch der Volkssprachen franziskanisch inspiriert. Bis hin zu den ‘Letzten Dingen’ sollten sie nach DANTE auch für die Vermittlung der anspruchsvollen Inhalte verwendet werden. Die von der franziskanischen Bewegung wieder entdeckte Erfahrung, dass die Materie selbst anschaulich ist, dass sie Geistiges widerspiegelt und Träger von Bedeutungen ist, hatte Roger BACON in die Anschaulichkeit als Greifbarkeit des Transzendenten im Stofflichen umgesetzt. Im Experiment wird Wahrheit erfahrbar gemacht, im Einzelnen ‘inkarniert’, individuiert. Das Erkennen unter Mitwirkung der Sinne heißt bei BACON verus intuitus rerum apud intellectum, es wird vom intellectus agens unterstützt und liefert als einzige Form der Erkenntnis dem Menschen deutliche species, die deshalb deutlich sind, weil sie einzeln sind. Die Analogie oder Bildhaftigkeit des Erkennens im Einzelnen ist Evidenz noch diesseits von Sprache und Begriffsbildung, ein “Sehen” der Bedeutungen. Das Kunstwerk, auch das Experiment, alles, was Wahrheit anschaubar macht, ist nicht dasselbe wie das, worauf es verweist – es repräsentiert das Gemeinte, macht es gegenwärtig und erfahrbar, es ist ein Zeichen. Im Zeichen kann der Mensch das Einzelne als Träger des Universalen, d. h. wahrheitsgemäß erkennen. BACON ist oft als Cartesianer vor DESCARTES gesehen worden, dabei wurde je-
Klarheit doch übersehen, dass bei DESCARTES Geist und Stoff zwei unvereinbare Welten sind. Im letztlich die Klarheit auf anthropologischer Ebene konstituierenden Cogito ergo sum identifiziert sich das menschliche Wesen als Geist und denkende Substanz, nicht als Stoff. Bei BACON steht dagegen das Experiment im Zusammenhang des gemeinsamen Natur-Seins und Geschöpf-Seins von “Subjekt” und “Objekt”. Bei DESCARTES und der noch heute verbreiteten Wissenschaftspraxis, die auf seine Methode zurückgeht, geht dieser Zusammenhang verloren. Eine stärker erkenntnistheoretisch akzentuierte DESCARTES-Kritik verband sich mit der Entwicklung einer Auffassung von der Evidenz, die sich im Gegensatz zur “absolutistischen” befindet, von der die cartesianische eine Variante ist. In diesem Sinne hatte LEIBNIZ DESCARTES vor allem kritisiert, weil er mit dessen Bestimmung der Klarheit und Distinktheit unzufrieden war, nicht weil er diese Kriterien als Wahrheitskriterien überhaupt ablehnen würde. LEIBNIZ schlägt vor, Klarheit und Deutlichkeit durch apriorische (für notwendige und ewige Wahrheiten) und aposteriorische (für zufällige und faktische Erkenntnis) zu ergänzen. Für ihn sind Klarheit und Deutlichkeit keine absoluten, selbständigen Wahrheitskriterien. Darüber hinaus versucht LEIBNIZ, eine Erkenntnis (cognitio) in Bezug auf ihre möglichen Evidenzstufen erheblich ausführlicher zu beschreiben als DESCARTES dies vermochte. Nach LEIBNIZ ist eine Erkenntnis (1) entweder dunkel oder klar, die wiederum (2) entweder verworren oder deutlich, und die deutliche wiederum (3) entweder inadäquat oder adäquat und schließlich auch (4) entweder symbolisch oder intuitiv. Dabei geht er zwei Schritte weiter als DESCARTES, der mit den ersten zwei Gegensätzen aufhörte. Nach LEIBNIZ’ Definitionen ist eine Erkenntnis klar, wenn sie es ermöglicht, die vorgestellte Sache selbst wieder zuerkennen; deutlich, wenn sie aufgrund von Merkmalen und Untersuchungen hinreicht, die vorgestellte Sache von allen anderen ähnlichen zu unterscheiden; adäquat, wenn, bei zusammengesetzten Begriffen im Gegensatz zu primitiven, jeder Bestandteil, der in die deutliche Erkenntnis eingeht, wiederum in deutlicher Weise erkannt wird; intuitiv, wenn diese Erkennt-
915 nis auf der Anwesenheit der Sachen selbst (res) und nicht bloß auf der der Zeichen (signa) beruht. Die Frage, inwieweit die Sinne eine zuverlässige Erkenntnisquelle darstellen und inwiefern die Rhetorik ihrerseits berechtigt ist, für die Rekonstruktion der Gegenstände an die Sinne zu appellieren, durchzieht die gesamte Sprachdiskussion des 17. und 18. Jahrhunderts und hat zur retrospektiven Deutung unter dem Begriffspaar Sensualismus und Rationalismus geführt. Für die Evidenzfrage orientierte man sich im 18. Jahrhundert zunehmend an Leitwissenschaften, insbesondere der Mathematik. Symptomatisch dafür ist die von der Berliner Akademie gestellte Preisfrage für das Jahr 1763, aus der MENDELSSOHN als Sieger hervorging, während KANT und ABBT mit einem accessit lobend erwähnt wurden: Sind die metaphysischen Wahrheiten einer ebensolchen Augenscheinlichkeit fähig wie die mathematischen? Als prägend für die Klarheitsauffassung der Moderne erscheint jedoch insbesondere KANT, bei dem sich das Ganze, das als Perspektive Wahrheit und Gewissheit vereinigt, nicht mehr als ein Abglanz einer Seinsgesetzlichkeit darstellt, die sich, evident, selbst vermittelte. Damit gilt auch nicht mehr als vorgezeichnet, was gewiss ist, sondern es muss sich erst in der “Wahrhaftigkeit” der kritischen Methode unter dem Vorbehalt einer mit sich selbst beschäftigten Vernunft herausstellen. Dem eigenen Ideenentwurf ausgesetzt, wird nur eine Aussage über die Gewissheit, die ich bin, nicht die ich habe, möglich sein. In Abwandlung der antiken Auffassung der Evidenz als des Herausscheinenden (epiphainestei = am hellsten leuchtend, sich offenbarend) war die certitudo als eine Instanz der Wahrheitsfindung entwickelt worden, die nicht mehr hinterfragt werden kann und braucht. Bei KANT kann sie es, braucht es aber nicht unbedingt, zumindest nicht, ohne die transzendentale Methode zu transzendieren. Die Begriffe Wahrheit, Gewissheit, Klarheit, Evidenz fluktuieren, wobei sich Evidenz jeweils in einer Begrifflichkeit erneuert, die den transzendental ausgelösten infiniten Regress parallel zur transzendentalen Fragestellung trägt. Evidenz wird zur Zäsur der formalen Projektion des mit Gewissheit Gewussten
916 in die Immanenz des Erkennbaren und des nicht Wissbaren, allenfalls Problematischen, in die Transzendenz des noch Denkbaren. Die systematische Einheit als bloße Idee ist nach KANT nur projektierte Einheit, nicht als gegeben, sondern als Problem anzusehen. Evidenz im transzendentalen Verstande korrigiert sich selbst, deutet sich in jedem einzelnen Sachzusammenhang aus dem Ansatz der partikularen Wahrheit und Gewissheit. In seiner Vorrede zur Kritik der praktischen Vernunft erinnert KANT die Freiheit als ratio essendi des moralischen Gesetzes, dieses hingegen als ratio cognoscendi der Freiheit. Die “Data” der Vernunft erklären nicht das “Faktum” der Vernunft, und das Faktum der Vernunft ist in dem Maß diskret, als intellektuelle Anschauung erforderlich wäre, aus seiner Orientierung am moralischen Gesetz einen positiven Begriff zu machen. Die Vernunfteinheit ist für KANT eine Einheit des Systems, objektive Realität kann sie nicht beanspruchen, hingegen transzendentale Wahrheit durch die Form ihrer Integration in den transzendentalen Gedanken oder durch seine Repräsentanz. Die Evidenz der transzendentalen Gleichschaltung von Erkenntnis und Erkenntnisgegenstand bleibt eine erkenntnistheoretische These, solange nicht die Kritik der Kritik erfolgt. Dies bezeichnet für die Evidenz das Paradoxon ihrer Definition, das einer nachgetragenen Augenscheinlichkeit. Anders ist die Beschäftigung der Vernunft mit sich selbst ein Nachtrag zum transzendentalen Gedanken, aber im zeitlichen Auseinanderfall unumgänglich. Der Verdacht taucht auf, dass die Selbstgegebenheit selbst lediglich Idee sei und alle vermeintliche Evidenz Annäherung relativer Evidenzen. Der Evidenzbegriff bei KANT läuft im Grunde auf eine Zerstörung der Evidenz hinaus. Damit kommt jedoch allem Sprachlichen stets nur relative Evidenz zu. Dass sich die transzendental gezogene Grenze selbst bezeichnen kann, macht sie bereits zum Ausdruck einer ideenhaften Projektion. 2. Klarheit als Eigenschaft von Sprachen Ohne die erkenntnistheoretische Entwicklung linear nachzuvollziehen, bleibt auch in der sprachtheoretischen Diskussion die Repräsen-
III. Einheit und Vielfalt tanz der Klarheit des Denkens der dominante Maßstab. Hierbei war es einerseits möglich, sprachliche Strukturen als eingeboren, natürlich (ĺ Natürlichkeit) und einfach zu betrachten und als Garant für Klarheit zu setzen oder den Bezug zu den Sinneswahrnehmungen herzustellen, die Funktion sprachlicher Mittel daran zu messen und sie als klar, im Sinne von empirisch einleuchtend, zu definieren. Klarheit wird dabei zunächst überwiegend negativ bestimmt als Vermeidung von mehrdeutigen Ausdrücken, durch die der Angesprochene die Redeabsicht möglicherweise missverstehen würde (vgl. CHARPENTIER, FRAIN DU TREMBLAY, VAUGELAS). Dieser auf die Sprachverwendung bezogene Klarheitsbegriff knüpft an die Vorstellung von einem natürlichen Kommunikationsbedürfnis des Menschen an, das durch den klaren und eleganten, d. h. auf Überflüssiges verzichtenden ĺ Gebrauch optimiert wird. Von einer Gebrauchseigenschaft in der Rede wurde die Klarheit jedoch bei denselben Autoren auch zu einer Eigenschaft der Sprache als deren Voraussetzung umgedeutet und als solche in erster Linie dem Französischen zugeschrieben. Als vordergründige Eigenschaft dieser Sprache, an der die clarté festgemacht wurde, galt die festgelegte Wortfolge Subjekt-VerbObjekt, die unter dem Einfluss der Lehre DESCARTES von den eingeborenen Ideen auch mit einer Übereinstimmung mit der natürlichen Reihenfolge des Denkens erklärt wurde (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Die Klarheit wurde auch zu einem der wichtigsten Kriterien, an denen der besondere Charakter einer Sprache gemessen wurde (ĺ besonderer Charakter einer Sprache). Neben der Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion) wurde die Klarheit einer Sprache auch anhand der Anzahl ihrer Wörter bestimmt, wobei in diesem Bereich sich zwei Meinungen gegenüberstanden. Während einerseits eine Beschränkung im Sinne von Einfachheit für einen Vorteil gehalten wurde, forderte man andererseits ausreichend Wörter, um alle Ideen zu unterscheiden. Diese Forderung wurde im Sinne der Lehre vom verbum proprium dahingehend modifiziert, dass eine Sprache genügend Wörter zur Verfügung stellen müsse, um alle Ge-
Klarheit danken distinkt benennen zu können (ĺ Reichtum). Aus der Eigenschaft der Klarheit wurde die Eignung der französischen Sprache für die Wissenschaft abgeleitet. Da sie selbst aufgrund ihrer klaren Struktur zu richtigem Denken führe, verbürge sie für wissenschaftliche und philosophische Erkenntnis. Als Bezeichnung erscheint clarté dabei häufig in Koordination sowohl mit élégance, was den sparsamen und effizienten Gebrauch der Mittel bezeichnet, als auch mit naïveté, einer Bezeichnung für die Einfachheit und Direktheit der Benennungen. Clarté wird in Opposition zu obscurité gesetzt, wobei die Meinung vorherrscht, dass beide Eigenschaften der Verwendung von Sprache in der Rede zukämen und dass folglich ein guter Redner unabhängig von der verwendeten Sprache in der Lage sei, klar zu sprechen (vgl. FRAIN DU TREMBLAY). Die Erhebung des Französischen in den Stand der Sprache, die über perfekte Klarheit verfügen sollte, wurde außerhalb Frankreichs nicht nur mit Bewunderung zur Kenntnis genommen. So schreibt LEIBNIZ in seinen Unvorgreifflichen Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache (1697) über die französischen ReinDünckler, die ihrer Sprache viel von ihrem ĺ Reichtum und ihrer Kraft genommen hätten. Für ihn besteht die Reinheit der Sprache im Fernhalten übertriebener fremder Einflüsse und im Befolgen der eigenen Regeln der Sprache (ĺ Analogie). Die von LEIBNIZ als Reinheit bezeichnete Klarheit ist somit durchaus auch eine innersprachlich bestimmte Eigenschaft, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen als in der französischen Sprachdiskussion. Bei der Verbreitung des Begriffs der Klarheit mit Bezug auf sprachliche Gegebenheiten ist es erstaunlich, dass die entsprechenden Einträge in Wörterbüchern immer nur als Nebeneinträge auftreten und die einschlägigen Bedeutungen als figurativ bezeichnet werden. Die Lexikographie vollzieht die in der Sprache und der metasprachlichen Diskussion gegebene Entwicklung in diesem Bereich offensichtlich verspätet nach. Auch in dem sehr kurzen von DIDEROT verfassten Enzyklopädie-Artikel Clarté wird von der wörtlichen
917 Bedeutung der Wirkung des Lichts auf unsere Augen ausgegangen, bevor dann die übertragene Bedeutung der Auswahl und Anordnung der Wörter in der Rede zur verständlichen Vermittlung der Gedanken des Sprechers oder Schreibers genannt wird. Im Verlauf der Diskussion um die Klarheit kam es jedoch zu begrifflichen Differenzierungen, die teilweise auch zu einer Verschiebung der Inhalte beitrugen. So bezeichnet MAYANS die Klarheit gleich mit drei Wörtern (pureza, claridad, limpieza), von denen pureza der übergeordnete Term ist und eher eine geistige Haltung bezeichnet, die im Sprachgebrauch (ĺ Gebrauch) dann die nicht weiter differenzierten Eigenschaften der claridad und limpieza hervorbringt. Abweichend vom rationalistischen Klarheitsideal einer knappen Menge von Wörtern und einer festgelegten Wortfolge nimmt BONNET gerade den ĺ Reichtum an Wörtern und die Vielzahl der Inversionen (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion)als eine Voraussetzung für die Klarheit an, die jedoch auch in armen Sprachen in Kompensation durch die ĺ Natürlichkeit der Sprache hergestellt werden könne. Auch PRIESTLEY nimmt zwei Kriterien der Klarheit als Voraussetzung für eine perfekte Sprache an: den ĺ Reichtum an Wörtern und ihre Eindeutigkeit. Dagegen weist er dem ĺ Wohlklang eine untergeordnete, ornamentale und nicht der Klarheit dienende Rolle zu. Die Klarheit als ein Vorzug einer Sprache wird zu anderen Eigenschaften in Relation gesetzt und entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem Kriterium des wertenden Sprachvergleichs (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). BEAUZÉE stellt im Enzyklopädie-Artikel Langue eine Hierarchie der Vorzüge von Sprache auf, die sich untereinander teilweise auch widersprechen und einander ausschließen können (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Gegenüber der Reinheit des Stils (ĺ Stil), der Harmonie, der Kraft und der Eleganz weist er jedoch der Klarheit eine übergeordnete Rolle zu, da die anderen Vorzüge die Regularität der Konstruktion beeinträchtigen würden. Als höchsten Vorzug einer Sprache weist auch er die clarté dem Französischen zu.
918 Ganz anders als in dieser rationalistischen Deutung bestimmt BEAUZÉE die Klarheit als ein notwendiges Entwicklungsprodukt der Sprache, das ihr aber Kraft und Energie wegnehme und dazu beitrage, die Sprachen kalt und monoton erscheinen zu lassen. Ähnlich bestimmt auch EBERHARD die Folgen der Klarheit und schränkt ihre positiven Wirkungen auf bestimmte Kommunikationsbereiche, insbesondere den Geschäftsstil ein, wo Klarheit, Präcision, Kürze ohne Dunkelheit, und Lebhaftigkeit ohne Enthousiasmus gefordert sei. Die Diskussion um die Klarheit erlebte im 18. Jahrhundert einen späten Höhepunkt, als die Berliner Akademie für 1784 die Frage nach den Eigenschaften, die das Französische zur ĺ Universalsprache machten, als Preisaufgabe ausschrieb. Durch die von der Akademie gewählte Themenstellung wird verdeutlicht, dass es nicht um sprachliche Universalien, sondern um die Bewertung der Möglichkeiten einer konkreten Sprache als Mittel der Kommunikation und der Erkenntnis gehen sollte: Was hat die französische Sprache zu einer Universalsprache in Europa gemacht, wodurch verdient sie diese Stellung und wird sie sie vermutlich weiter behalten? 1793 wandte man sich dann der eigenen Sprache zu und es wurde ein Wettbewerb über die Vervollkommnung der deutschen Sprache ausgeschrieben. Die Ausschreibung der beiden Themen fand in einer Zeit statt, in der das Französische als Wissenschaftssprache an der Akademie in eine tiefe Krise geraten war und schließlich durch das Deutsche abgelöst wurde, das freilich erst einer weiteren Ausgestaltung und Vervollkommnung bedurfte. Insofern sind die beiden Themenstellungen signifikant für Richtungen der Diskussion. Zwischen ihnen lag der Tod FRIEDRICHs II., mit dem der Frankophonie eine entscheidende Stütze entzogen wurde. FRIEDRICHs Schrift De la littérature allemande hatte den Widerspruch zwischen dem französisch geprägten Leben des Hofes und teilweise auch der Akademie und der patriotischen Bewegung im Land vertieft. FRIEDRICHs Abhandlung hatte auf viele Zeitgenossen als Provokation bewirkt. Diese Stimmung ging sicher nicht an den Mitgliedern der Akademie vorüber. Auf diesem Hintergrund war die
III. Einheit und Vielfalt Frage nach der Bedeutung des Französischen relevant geworden. Und, wohl auch um jedwede Polemik aus dem Problem herauszunehmen, bot es sich an, eine akademische Preisfrage daraus zu machen. Die Akademie wünschte eine Bewertung des Französischen im Hinblick auf seine führende Position in Europa. Worin besteht der Anteil der einzelnen möglichen Faktoren, die zum Aufschwung des Französischen beigetragen haben? Eine solche Frage nach der künftigen Position drängt sich nur dann auf, wenn es Gesichtspunkte gab, die an der führenden Rolle Zweifel aufkommen ließen. Den Preis teilten sich RIVAROL und SCHWAB, darüber hinaus ging eine Reihe weiterer Schriften ein. Die Kriterien, die lange Zeit das Festhalten am Französischen als Wissenschaftssprache gestützt hatten, bildeten bei den Antworten zu der Preisfrage das gängige, teils apologetische (ĺ Apologie), teils auch kritisch hinterfragte Gerüst für die Auseinandersetzung mit dem Problem. Auch hier bedient man sich, vor allem was die Begründung von Vorteilen und Nachteilen betrifft, rationalistisch-universalistischer Argumente. So begründet RIVAROL die besondere Stellung des Französischen damit, dass es den allgemeingültigen Gesetzen des Denkens, etwa der natürlich festgelegten Reihenfolge der Gedanken, am besten entspreche (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Er greift damit in der Sprachdiskussion des 18. Jahrhunderts bereits widerlegte sprachtheoretische Argumente des Rationalismus wieder auf und ordnet sie in apologetische Zusammenhänge ein (ĺ Apologie). Die Logik, die dem Phänomen der Universalität innewohnt (ĺ Universalität und Verschiedenheit), trug dazu bei, dass bestimmte Argumente oder Fakten immer wieder beweiskräftig angeführt werden. Daraus entsteht auch der Eindruck eines Gleichklangs der Argumentation bei den beiden Preisträgern RIVAROL und SCHWAB. Genannt werden bei SCHWAB und anderen vor allem folgende Ursachen der Universalität des Französischen: die Natur der Sprache (Leichtigkeit, Regelmäßigkeit, Klarheit, Ausbildung), die Qualität der französischen Nation, die französische Außenpolitik. Bei EBERHARD, einem Hallenser Philosophen, der sich gleichfalls beteiligte, liest man als Gründe:
Klarheit die Vortrefflichkeit des Französischen (Perfektion, ĺ Reichtum des Wortschatzes, Deutlichkeit), die überlegene Kultiviertheit dieser Sprache und der Franzosen (Literatur, Geschmack, Vorbildwirkung), die Wirkung nach außen. Besonders in RIVAROLs Schrift ist festzustellen, dass er die unterschiedlichsten Argumente aus der bisherigen Sprachdiskussion entlehnt und in sehr inkohärenter Weise nebeneinander reiht. Die Feststellung, dass die natürliche Wortfolge, die das Französische habe, am besten den Gesetzen des universellen Denkens folgen würde (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion), steht unvermittelt neben Argumenten, die aus sensualistischen Sprachtheorien entlehnt sind und von einer Verwendung der Sprache für den Ausdruck und die Hervorrufung von Leidenschaften ausgeben. Es kam offensichtlich nicht auf Schlüssigkeit der Argumentation, sondern auf passfähige Ordnung der Topoi an. Dass RIVAROL unter den Argumenten für die Universalität des Französischen der Klarheit eine herausragende Rolle zuwies wird mit seinem berühmt gewordenen Satz, dass was nicht klar ist, nicht französisch sei (Ce qui n’est pas clair n’est pas français) sehr deutlich. Die französische ĺ Syntax folge unbeirrbar der natürlichen Reihenfolge des Denkens und lasse keine Abweichungen zu. Während man in Sprachen mit Inversionen, wie zum Beispiel dem Englischen, dem Italienischen und dem Lateinischen, nur die Wörter und ihre Rektion kennen müsse, erfordere das Französische auch die richtige Anordnung. Während die anderen Sprachen dabei Kurven verfolgen und ins Labyrinth führen würden, gebe das Französische eine klare Linie vor (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Die Argumentation RIVAROLs war zu seiner Zeit in Anbetracht der Diskussion um die Wortfolge, in der Autoren wie BATTEUX, CONDILLAC oder DIDEROT die Doktrin vom ordre direct mit sensualistischen Argumenten widerlegt hatten, fast anachronistisch. Zwar wurde im Zusammenhang mit Klarheit immer wieder Satzbeziehungsmitteln eine große Rolle zugeschrieben, diese jedoch nicht auf die Wortstellung beschränkt. So verweist GARCÉS auf die Funktion von Partikeln (ĺ Partikel) für die Herstellung von Klarheit. Den-
919 noch übernimmt auch er die Forderung nach einer geregelten Wortfolge im Interesse der klaren Gedanken und möchte sie sogar auf das Spanische anwenden (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Unter der Bezeichnung Deutlichkeit und Bestimmtheit erscheint der Klarheitsbegriff auch in JENISCHs Schrift Philosophisch-kritische Vergleichung und Würdigung von vierzehn ältern und neuern Sprachen Europens, namentlich: der Griechischen, Lateinischen; Italienischen, Spanischen, Portugiesischen, Französischen; Englischen, Deutschen, Holländischen, Dänischen, Schwedischen; Polnischen, Russischen, Litthauischen (1796), für die er 1794 den Preis der Berliner Akademie für die Aufgabe der Vergleichung der Hauptsprachen Europas erhalten hatte. Mit der Deutlichkeit und Bestimmtheit bedient sich JENISCH jedoch nicht eines Mittels der ĺ Apologie, sondern er verfolgt das Anliegen eines objektiven philosophischen Vergleichs von Sprachen (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Dabei geht er davon aus, dass keine Sprache im Hinblick auf alle Kriterien vorbildlich sein kann. Auch die Deutlichkeit kann dazu führen, dass eine Sprache über weniger Gewandtheit verfügt. JENISCH untersucht die Deutlichkeit dann auf verschiedenen Ebenen: die lexikalische Bestimmtheit, die Feinheit in dem grammatikalischen Bau der Sprache, eine regelmässige und natürliche Syntax. Für letztere übernimmt er zwar die Argumente der rationalistischen Theorie von der festen Wortstellung (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion), räumt aber ein, dass man mit Anstrengung durchaus auch bei davon abweichender Wortstellung klare Beziehungen herstellen könne. Auch im lexikalischen Bereich schließt sich JENISCH an die traditionelle Vorstellung an, dass Sprachen mit einem umfangreicheren Wortschatz Nuancen besser ausdrücken und folglich klarer differenzieren können: Die reichste Sprache hat die Anlage, auch die lexikalisch-deutlichste zu seyn (ĺ Reichtum). Er spricht in diesem Zusammenhang jedoch nur von einer Anlage, die durch die Philosophen und die Dichter ausgebildet werden muss, denn ein zu großer Synonymenreichtum trage nicht zur Klarheit bei (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). Schließlich kann Klarheit auch durch
920 Formenreichtum im grammatischen Bereich gefördert werden. Dabei entgeht er dem wertenden Sprachvergleich nicht ganz, wenn er das Fehlen des Artikels im Lateinischen als Mangel darstellt (ĺ Artikel; ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Mit komparatistisch-empiristischem Anspruch verfasst, steht die Schrift JENISCHs im Kontext der großen Sprachensammlungen seiner Zeit, die entgegen vielfachen Behauptungen gerade keine Vorwegnahme der historisch-vergleichenden Methode kennzeichnen. JENISCHs Schrift stellt vielmehr einen Schlusspunkt der literaturorientierten, im Umgang mit sprachlichem Material weitgehend hypothetischen Sprachbetrachtung dar. Wie die Beispiele von THIÉBAULT und DENINA zeigen, wurde das Argumentieren zur Überlegenheit des Französischen mit seiner auf der festgelegten Wortstellung beruhenden Klarheit auch Anfang des 19. Jahrhunderts noch fortgesetzt.
IV. Der
spekulative Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), der sich der Klarheit der Sprachen als eines Kriteriums bedient hatte, war mit dem Aufkommen der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft überholt. Die Klarheit als Merkmal von Sprachsystemen überlebte diese Wende nur im Rahmen einer Fundierung des nationalen Sprachbewusstseins, die sich in Frankreich bis in die Gegenwart immer wieder auf RIVAROLs clarté-Begriff beruft und mitunter sogar den Bezug zur historischen Situation von RIVAROLs Schrift bewusst ausklammert (HAGÈGE 1987, PÉNISSON 1995). Gültig bleibt die Forderung der Klarheit in der Rhetorik, wo sie sich jedoch auf die Sprachverwendung in der Expositio bezieht.
V. ANTOS, Gerd / WICHTER, Sigurd (Hrsg.)
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Wohlklang
921
Wohlklang I. Dt. Wolklang, poetischer Wolklang, Leichtigkeit der Aussprache, angenehmerer Klang, Zierlichkeit, Schönheit, Annehmlichkeit, Harmonie, glückliche Mischung der Vocalen und Consonanten und die weiche Beschaffenheit der letztern; engl. graceful, variety, accuracy and elegance of contexture, elaborate; frz. harmonie, agréable, agréable à l’oreille, charment l’oreille, un son agréable & doux, mélodie; port. eufonia, formosura, suave, amavel. Der Begriff des ‘Wohlklangs’ ist aus dem der ‘Harmonie’ hervorgegangen und wird mit sehr unterschiedlichen, teils auch umschreibenden Ausdrücken bezeichnet. Was unter Wohlklang verstanden wird, ist von vielfältigen subjektiven Faktoren abhängig, deren wichtigster die Bevorzugung des Klangbildes der Muttersprache ist. Das angenehme Klingen der Laute einer Sprache wurde auch als ein Kriterium, wenngleich ein wenig fassbares, im wertenden Sprachvergleich verwendet. II. (BOUHOURS 1671: 66): Il n’y a rien de
plus agréable à l’oreille que nôtre E muet, que toutes les autres langues n’ont point. (LAMY [1675/1701] 1998: 282): Tout ce qu’on aperçoit avec clarté, soit par les sens, soit par l’esprit, donne du plaisir. Voilà donc deux conditions nécessaires aux sons afin qu’ils puissent être agréables. La première, qu’ils ne soient pas si violents qu’ils blessent les oreilles; la seconde, qu’ils soient clairement et distinctement entendus. (LAMY [1675/1701] 1998: 285): L’harmonie suppose donc de la variété. Le même son, quoique doux et agréable, ennuierait s’il durait trop longtemps. Au contraire les sons désagréables d’eux-mêmes, pourvu qu’ils frappent l’oreille avec ordre, deviennent agréables; ce qui se remarque dans la chute des gouttes d’eau, qui plaisent lorsqu’elles tombent différemment et par intervalles réglés, comme Cicéron le dit élégamment: “Numerus in continuatione, nullus est, distinctio et aequalium intervallorum percussio, numerum conficit, quem in cadentibus guttis, quod intervalus distinguuntur notare possumus, in amni praecipitante non possumus”.
(LEIBNIZ [1697] 1908: 348): 75. Je mehr nun die Gleichheit beobachtet wird, und je weniger man sich von dem so bereits in Übung, entfernet; je mehr auch der Wolklang, und eine gewisse Leichtigkeit der Aussprache dabey statt findet, jemehr ist das Schmieden neuer Wörter nicht nur zu entschuldigen, sondern auch zu loben. (FONSECA 1710: Prólogo, [I]): Eu nunca me descontentei tanto da nossa Lingua, como se descontentaõ muitos grammaticos, que affirmaõ temerariamente, que ella he muito peor que a Castellana, sendo tal a ignorancia, de que nelles procede esta affirmaçaõ, que o mais que dizem, se saõ examinados os fundamentos della, he sò, que a grande frequencia, com que usamos do ditongo aõ, faz a nossa lingua mui tosca e mui grosseira. Isto confesso, que nunca nella me pareceu bem; mas nem basta, para que eu julgue inferior a alguma das vulgares, nem cuido, como o cuidaõ geralmente todos os Portugueses, que he irremediavel este defeito; e por isso me resolvi a declarar aqui, qual me parece, que pode ser o remedio delle. (FONSECA 1710: Prólogo, [III]): […] a causa principal, porque me he odioso este ditongo aõ, e dezejo que por nòs o uso delle seja exterminado, he a dura e notavel incongruencia, com que por elle temos taõ viciada, e taõ iniquamente offendida huma Lingua taõ pura, taõ suave, e taõ elegante como he a nossa, a qual sempre me pareceu, e a outros juizos melhores que o meu, muito melhor que todas as vulgares. (FONSECA 1710: 9): Naquella differença; que he huma das principáes, em que a sua Lingua se distingue da nossa, dizendo puerta, puerto, huevo, nuevo, tuerto, muerte, fuerte, fuente, puente, fuego, cuerpo, cuervo, fuera, & onde a nossa mais elegante, mais facilmente, e mais propinqua ao Latim, diz, porta, porto, ovo, novo, torto, morte, forte, sorte, fonte, ponte, fogo, corpo, corvo, fora, &. bem vemos, que lhe excede notavelmente a nossa, e que he mui grande o numero das palavras, que mostraõ este excesso. (FONSECA 1710: 9): Alem disto a errada analogia de dizer puerta e portero, fuerte e forta-
922 leza, fuerça e forçoso, muerte e mortaja, duele e dolor; cuento e contar, suelto e soltar, duerme e dormia, puede e podia, muerde e mordia, quiere e queria, tiene e tenia, viene e venia, tiembla e temblava, suena e sonava, hazer e satisfazer, dicho e maldito, e mil outras cousas, como estas, he vicio entre os Castelhanos frequentissimo, e entre nòs rarisissimo. (FONSECA 1710: 13): Em huma controversia mui altercada ouvi eu já, que em Portuguez nem se pode dizer levidade, nem levidaõ, porque nenhuma destas palavras foi athe agora usada de algum escritor nosso. A minha opiniaõ sobre isto he, que devemos dizer levidade, porque os Latinos no ablativo dizen Levitate, e porque os imitamos deste modo, dizendo gravidade, e humanidade, e temeridade, &c. e porque sempre he licita, se he necessaria, ou util, e he muito mais amavel, que a falta de palavras, a introducça dellas, e porque he taõ urgente a necessidade, que muitas vezes temos de as introduzir, que contra ella nem pode haver ley justa, nem, que naõ seja muito menos forçosa. Mas se naõ fosse licito dizer levidade, muito melhor seria levidaõ, e ainda outra palavra mais inculta e mais rustica, do que naõ declarar por palavra alguma aquilo, que por essa inculta e rustica pode ser declarado. Naõ fallo agora na obstinaçaõ ridicula dos que diziaõ, que levidaõ por ser palavra acabada em aõ, he mais propria da nossa Lingua, que levidade; porque naõ seraõ poucos neste Livro os Capitulos, em que declarei sufficientemente o que sinto sobre esta e outras semelhantes fatuidades. (FONSECA 1710: 13): Esta interior formosura das linguas he tanto mais formosa que a exterior, quanto nos arvores saõ mais formosos os fructos, do que as folhas; mas assim como nas arvores naõ deixa de ser agradavel a formosura das folhas, ainda que dellas se naõ possa tirar a utilidade, que se tira dos fructos: tambem nas linguas naõ deixa de ser agradavel a formusora externa apparente das palavras, ainda que nessa apparencia naõ consista o verdadeiro fructo, que dellas dezejamos tirar; o qual consiste so na formosura interior dellas; e essas queremos que se entenda. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (frantzösische), 1744: XXXIX, 423): Wenn man den Wohlklang betrachte; so sey [laut de
III. Einheit und Vielfalt la Motte] theils der Inhalt der Worte gleichgültig, und rühre das, was uns dabey verdrüßlich oder angenehm vorkomme, blos von der Deutung her, so man denselben beygelegt: theils habe auch jede Sprache, zum wenigsten vor diejenigen, die sie brauchen, was wohlklingendes in sich, obgleich diejenigen, denen sie nicht natürlich ist, solches nicht verstünden. (Zedlers Universallexicon, Artikel SprachKunst, 1744: XXXIX, 454): Was er [Thomasius] von der Reinigkeit anführet, hat seine Richtigkeit. Man kan nicht sagen, daß eine Sprache reiner, als die andre sey, indem die Reinigkeit auf die Auctorität beruhet, die eine jede haben kan. Doch kan eine angenehmer und zierlicher seyn, wenn sie einen angenehmern Klang erreget, und so beschaffen, daß man durch dieselbe in einer Rede mehr Zierlichkeit erhalten kan. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, III, 27): Si la prononciation des anciens avoit été semblable à la nôtre, ils se seroient donc contentés comme nous, d’une simple déclamation. Mais il falloit qu’elle fût bien différente, puisqu’ils n’en pouvoient augmenter l’expression que par le secours de l’harmonie. On sçait d’ailleurs qu’il y avoit dans le grec et dans le latin des accens, qui, indépendamment de la signification d’un mot ou du sens de la phrase entière, déterminoient la voix à s’abbaisser sur certaines syllabes, et à s’élever sur d’autres. (Encyclopédie, Artikel Élocution, D’ALEMBERT, 1755: V, 524–525): Deux choses charment l’oreille dans le discours, le son & le nombre: le son consiste dans la qualité des mots; & le nombre, dans leur arrangement. Ainsi l’harmonie du discours oratoire consiste à n’employer que des mots d’un son agréable & doux; à éviter le concours des syllabes rudes, & celui des voyelles, sans affectation néanmoins (sur quoi voyez l’article ELISION); à ne pas mettre entre les membres des phrases trop d’inégalité, sur-tout à ne pas faire les derniers membres trop courts par rapport aux premiers; à éviter également les périodes trop longues & les phrases trop courtes, ou, comme les appelle Cicéron, à demi écloses, le style qui fait perdre haleine, & celui qui force à chaque instant de la reprendre, & qui ressemble à une sorte de marqueterie; à
Wohlklang savoir entremêler les périodes soutenues & arrondies, avec d’autres qui le soient moins & qui servent comme de repos à l’oreille. Cicéron blâme avec raison Théopompe, pour avoir porté jusqu’à l’excès le soin minutieux d’éviter le concours des voyelles; c’est à l’usage, dit ce grand orateur, à procurer seul cet avantage sans qu’on le cherche avec fatigue. L’orateur exercé apperçoit d’un coup d’œil la succession la plus harmonieuse des mots, comme un bon lecteur voit d’un coup d’oeil les syllabes qui précedent & celles qui suivent. (Encyclopédie, Artikel Élocution, D’ALEMBERT, 1755: V, 525): L’harmonie souffre quelquefois de la justesse & de l’arrangement logique des mots, & réciproquement: c’est alors à l’orateur à concilier, s’il est possible, l’une avec l’autre, ou à décider lui-même jusqu’à quel point il peut sacrifier l’harmonie à la justesse. La seule regle générale qu’on puisse donner sur ce sujet, c’est qu’on ne doit ni trop souvent sacrifier l’une à l’autre, ni jamais violer l’une ou l’autre d’une maniere trop choquante. Le mépris de la justesse offensera la raison, & le mépris de l’harmonie blessera l’organe; l’une est un juge sévere qui pardonne difficilement, & l’autre un juge orgueilleux qu’il faut ménager. (Encyclopédie, Artikel Élocution, D’ALEMBERT, 1755: V, 525): Ce que nous appellons ici harmonie dans le discours, devroit s’appeller plus proprement mélodie: car mélodie en notre langue est une suite de sons qui se succedent agréablement; & harmonie est le plaisir qui résulte du mêlange de plusieurs sons qu’on entend à la fois. (MICHAELIS 1760: 68): Die allzu große Zärtlichkeit des Ohrs in Absicht auf den Wohlklang; und sein eigensinniger Haß gegen barbarische Töne, gebieret gewisse historische Irrthümer. Diese Zärtlichkeit war der Griechischen Sprache vorzüglich eigen. Herodotus entschuldigt sich mehr als einmahl, wenn er gewisse Nomina propria, die barbarisch klingen, brauchen muß, und bey einigen gehet er so weit, sie lieber gar auszulassen. (MICHAELIS 1762: 128): Le trop de sensibilité pour l’harmonie, & le trop d’aversion pour les sons barbares peut introduire des erreurs dans l’histoire. Or cette délicatesse étoit particulièrement affectée à la langue grecque. Hérodote
923 s’excuse plus d’une fois, lorsqu’il est obligé d’employer des noms propres qui rendent un son étranger, & il y en a qu’il aime mieux omettre entierement. (PRIESTLEY 1762: 156–157): […] it is not easy to conceive, that the language of any people, before the introduction of letters, could be otherwise than very incoherent and unconnected: and that their first attempts to write would want that variety, accuracy and elegance of contexture, which their late compositions would acquire. (PRIESTLEY 1762: 160–161): Not unfrequently the neglect of regular transitions is esteemed graceful in verse and the old poems here referred to, as the Delphin Oracles, &c. where the sense was generally compleated in a line, or a short stanza, required very little art or variety of connexion. How much more elaborate in point of transition and concatenation of sentences is even the history of Herodotus than the poems of Homer, many parts of which are historical. (SÜSSMILCH [1766] 1998: 32–33): Ich könnte auch noch der Schönheit der Sprache gedenken und sie darthun, wenn es mich nicht zu weit verleitete, zumahl da der Begriff des Schönen nicht bey allen einerley ist. Will man sie in der gehörigen Abmessung und Verhältniß der Theile gegen einander, wie auch in der geschickten Verbindung des Aehnlichen und Unähnlichen setzen, so lässet sich solche bey einer Sprache beurteilen, […]. (SULZER [1771–1774/1792–1806] 1994: I, 17a): Von der Beobachtung der Accente hängt ein großer Theil des Wolklangs ab. Der Redner und der Dichter, der seine Worte und Redensarten so zu setzen weis, dass alle Gattungen der Accente sich nicht nur unter dem Lesen selbst darbieten, sondern mit den Gedanken selbst so genau verbunden sind, dass sie nothwendig werden, ist unfehlbar wolklingend. Denn dass der Wolklang mehr von den verschiedenen Accenten, als blos von der richtigen Beobachtung der Prosodie herkomme, scheinet eine ausgemachte Sache zu seyn. (SULZER [1771–1774/1792–1806] 1994: III, 743b): Es ist daher sehr zu wünschen, dass ein Dichter von so feinem Ohr, wie Klopstok oder Ramler, sich der Mühe unterzoge, eine
924 deutsche Prosodie zu schreiben. Vortreffliche Beyträge dazu hat zwar Klopstok bereits ans Licht gestellt; aber das Ganze, auf deutlich entwikelte und unzweifelhafte Grundsätzedes metrischen Klanges gebaut, fehlet uns noch, und wird schwerlich können gegeben werden, als nachdem die wahre Theorie des Metrischen und des Rhythmischen in dem Gesang völlig entwikelt seyn wird, woran bis itzt wenig gedacht worden; weil die Tonsetzer sich blos auf ihr Gefühl verlassen, das freylich bey großen Meistern sicher genug ist. Eine auf solche Grundsätze gebaute Prosodie würde denn freylich nicht blos grammatisch seyn, sondern zugleich die völlige Theorie des poetischen Wolklanges enthalten. Einige sehr gute Bemerkungen über das wahre Fundament unsrer Prosodie wird man in der neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften, im ersten Stük des zehnten Bandes in der Recension der Ramlerischen Oden, antreffen. (TIEDEMANN [1772] 1985: 70): So oft man von der Zierlichkeit oder Annehmlichkeit einer Sprache redet, so oft versteht man, wo ich nicht irre, den angenehmen Klang, den sie den Ohren mittheilet. Im Gegentheil nennt man eine Sprache rauh oder hart, wenn sie unangenehm zu hören ist. Ein Ton, oder ein Wort, das dem einen widerlich ist, macht oft einem andern Vergnügen, jedem Volke klingt seine Sprache gut, fremde hingegen wunderlich, die Gewohnheit macht oft auch häßliche Frauenzimmer schön, wenigstens angenehm. Also ist es schwer einen allgemeinen und in allen Fällen sichern Maaßstab der Zierlichkeit einer Sprache zu geben. Nur auf den Ausdruck derer kann man sich einigermaßen verlasen, die ein feines Gehör haben, selbst mehrere Sprachen kennen, und sie erforscht haben. Doch kann auch dieser ihr Ausspruch triegen. (TIEDEMANN [1772] 1985: 70–71): Viel mehr ist es billig, nach derjenigen Aussprache und demjenigen Klange der Worte, der von allen, oder den klügsten, für den besten gehalten wird, sich in seinem Urtheile zu richten. Alle Worte, die sich von einem, der eine geübte und biegsame Zunge hat, nicht leicht aussprechen lassen, sind unangenehm zu hören, und folglich nicht zierlich. (TIEDEMANN [1772] 1985: 71): Man muß auch die Zierlichkeit einer ganzen Sprache
III. Einheit und Vielfalt nicht nach diesem oder jenen einzelnen Worte beurtheilen. Es ist keine Sprache, so angenehm sie auch immer den Ohren seyn mag, die nicht einige harte, einige rauhe Worte haben sollte. Und es ist im Gegentheile keine so widerliche Sprache zu finden, worinn nicht etliche wohlklingende Worte seyn sollten. Man muß daher nach der größten Anzahl der Worte den Ausspruch thun, ein jedes hat hier seine Stimme. (TIEDEMANN [1772] 1985: 71): Die gar zu vielsylbigen und langen Worte haben gleichfalls etwas wiedriges, weil sie uns zwingen, den Ton gar zu lange bey einer Höhe zu erhalten, und dadurch die angenehme Abwechslung des Lautes hemmen, welche den Ohren eine Sprache eben lieblich macht. Solche lange riesenmäßige Worte giebt es in der Huronschen und Iroquoisischen Sprache. (TIEDEMANN [1772] 1985: 71–72): Je mehr eine Sprache einsylbige Worte hat, desto widerlicher wird sie. Denn bey dem Ende eines jeden solchen Wortes muß man mit dem Tone inne halten, und dem folgenden einen neuen Ton geben. Dies macht eine etwas lange hinter einander fortgehende Rede höckericht, rauh, und hindert den sanft und leicht fortschleichenden Gang der Rede. Ich kann mir es daher kaum vorstellen, daß die Chinesische Sprache, die aus lauter einsylbigen Worten besteht, nach dem Berichte der Missionarien dennoch angenehm klingen könnte. (TIEDEMANN [1772] 1985: 72): Es ist ferner gegen die Zierlichkeit, wenn ein Vocal oder Selbstlauter in einem Worte gar zu oft wiederholet wird. Die macht das Wort monotonisch, und hindert uns, das uns so gewünschte Vergnügen der Abwechselung zu genießen. (TIEDEMANN [1772] 1985: 73): Und aus eben diesem Grunde [weil sie monoton klingen, G. H.] sind auch die gleichen Endigungen der Worte, insonderheit wenn sie vielsylbig sind, unangenehm. (TIEDEMANN [1772] 1985: 73): Je mehr Mitläuter zusammen gehäufet werden, desto schwerer ist ein Wort auszusprechen, und eben daher häßlich. Man hat Mühe, die Gliedmaßen der Sprache in alle die verschiedenen Gestalten zu bringen, die die vielen Mitlauter erfordern. Es ist ein Glück für die teutsche Sprache, daß die Mitlauter, welche oft in
Wohlklang ziemlicher Anzahl sich versammeln, nur geschrieben, aber nicht ausgesprochen werden; wenigstens nicht von denen, die zierlich reden. (TIEDEMANN [1772] 1985: 74–75): Die Worte müssen eine geschickte Abtheilung haben, so daß keine leere Zwischenräume, nichts höckerichtes darinn vorkomme. […] Man gebe dem Worte fallen eine andere Abtheilung, und sprechen fa-llen: so wird das Gehör schon den Ausspruch thun, das diese unschicklich sey, und daß eine geschickte Abtheilung der Worte zu der Zierlichkeit einer Sprache ungemein viel beytrage. (TIEDEMANN [1772] 1985: 76): Endlich ist es eine große Unschicklichkeit einer Sprache, wenn die Worte entweder so geschwind, daß man sie errathen muß, oder auch so langsam ausgesprochen werden, daß man die Meynung des redenden schon eingesehen hat, ehe er sie noch hervorgebracht hat. Die Gewohnheit thut hier vieles. ([EICHHORN] 1792: 26): Der Reichthum der französischen Sprache zeigt sich in der Menge verbindlicher und wohlklingender Ausdrükke, womit dieselbe angefüllt ist. ([EICHHORN] 1792: 64–65): Im Lateinischen zeigt sich dieser Wohlklang besonders am Ende, welches, wenn der Periode numerös seyn soll, nicht kurz seyn, sondern sich mit einem Gliede, das dem vorhergehenden gleich oder noch länger ist und mit einem aus einem langen, hellen, das Ohr füllenden Tone bestehenden Worte schließen muß. Hieher gehört auch der von den Römern so sehr bewunderte harmonische Abfall des Carbo patris dictum sapiens temeritas filii comprobavit. Die höchste Stufe der Harmonie haben die griechischen und lateinischen Dichter erstiegen, indem sie die Töne mit den Gegenständen übereinstimmend zu machen wussten. (JENISCH 1796: 48–49): Zuletzt betrachten wir noch: IV. Den Wohlklang. So wie es gewisse Töne giebt, die auf jedes unverdorbene Gehörorgan angenehmen Eindruck machen, (als worauf die ganze Tonkunst gegründet ist) so giebt es auch in dem wörtlichen Ausdrucke der Ideen, in der Sprache, gewisse Töne, die allgemein als wohlklingend oder als misstönend anerkannt werden.
925 (JENISCH 1796: 50–51): Eine glückliche Mischung der Vocalen und Consonanten, und die weiche Beschaffenheit der letztern bilden daher die Element des Wohlklanges einer Sprache. Durch zu viele Vocale wird eine Sprache weichlich; durch zu viele und schwer auszusprechende Consonanten hart. Durch eine glückliche Mischung von beiden wird sie nicht allein im Ganzen wohlklingend, sondern auch zu dem hörbaren Ausdrucke starker oder angenehmer Bilder, sanfter oder heftiger Bewegungen der Seele, geschickt. Der Wohlklang einer Sprache ist so innig in ihren ganzen Bau verwebt, dass er zu ihren ursprünglichen Eigenthümlichkeiten gerechnet werden muss: und der feinste, mit den Regeln der Harmonie vertrauteste Schriftsteller, kann einer Sprache eher jede andere geistige Vollkommenheit geben, die sie bis dahin noch nicht hatte, als den Wohlklang, wenn ihr derselbe nicht ursprünglich eigenthümlich ist, […]. (BERNHARDI [1805] 1990: 154–155): Hier entdeckt sich übrigens beiläufig der Nutzen und die Nothwendigkeit eines repräsentativen Redetheils und zwar zuerst in musikalischer Rücksicht, in Beziehung auf den Wohlklang. Dieser wird späterhin durch das reciproke Pronomen erreicht, z. B. für, Ein Mann liebend den Mann: Ein Mann liebend sich selbst.
III. Der ‘Wohlklang’ ist ein intuitiver Be-
griff, der für die angenehme lautliche Gestalt einer Sprache steht und als harmonia bereits zu den klassischen Vorzügen einer Sprache gehörte (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia). Problematisch bei der Feststellung von Wohlklang ist das Fehlen objektiver Kriterien. Merkmale im Klangbild einer Sprache, die von dem einen als unangenehm empfunden wurden, konnten von anderen durchaus als wohlklingend charakterisiert werden. Immer wieder wurde dabei festgestellt, dass die Gewöhnung an ein Lautbild, etwa das der Muttersprache, zum Eindruck von Wohlklang beiträgt. 1. Wohlklang aufgrund einzelner Laute Als Merkmale für Wohlklang einer Sprache wurden bestimmte Laute benannt, die in anderen Sprachen nicht vorkommen. So führt
926 BOUHOURS zum Beispiel den Schwa-Laut, das so genannte e-muet an, das dem Erscheinungsbild des Französischen einen angenehmen Charakter verleihe. In einem 1710 erschienenen Werk unter dem Titel Antidoto da Lingua Portugueza, das FONSECA veröffentlichte, wurde sogar ein “Gegengift” gegen das ästhetisch Störende am Lautbild des Portugiesischen vorgeschlagen. Man solle den Diphthong aõ aus der portugiesischen Sprache verbannen, da er ihr einen rauen und groben Charakter verleihe. Die expressiven Eigenschaften der portugiesischen Sprache könne man nicht genug loben. Wenn man das einzige störende phonetische Element, eben jenen Diphthong aõ eliminieren würde, ließe sich sogar von einer Überlegenheit der portugiesischen Sprache über alle anderen Sprachen sprechen. Die vorgeschlagenen Mittel einer phonetischen Verbesserung der portugiesischen Sprache sind dabei sehr einfach. Schließlich sagte man früher auch Romaons und Castellaons für Romanos und Castellanos, und die zwischen den beiden Formen eingetretene Veränderung sei Anlass zu größter Freude. Eine so reine Sprache wie die portugiesische müsse nur von dem Mangel, den der Diphthong aõ darstellt, befreit werden, um sich über die Sprachen aller anderen Völker erheben zu können. Der Gebrauch des Diphthongs aõ stelle nicht mehr als eine Mode dar, wie etwas das Tragen großer Hüte oder das Bauen enger Straßen in Städten. Man könne sich leicht davon überzeugen, dass eine andere Mode günstiger wäre. Der portugiesische König könne einen Erlass zur Vermeidung des Diphthongs ão herausgeben und dessen Einhaltung dann in Schulen und Druckereien überwachen lassen. Diese vereinfachende Vorstellung von der Verbesserung der Klangqualität einer Sprache beruht auf einer Interpretation der ĺ Arbitrarität der Zuordnung von Lautbild und bezeichnetem Gegenstand, die dem Menschen weitgehende Entscheidungskraft zuordnete und sprachliche Gesetzmäßigkeiten analog zu Gesetzen der Gesellschaft deutete. Seine ĺ Apologie der portugiesischen Sprache gegenüber der spanischen führte FONSECA vor allem mit phonetischen Argumenten aus. Die spanische Sprache sei wegen des häufigen und schwer zu artikulierenden aus-
III. Einheit und Vielfalt lautenden -d (verdad, falsedad, magestad, dignidad) weniger schön als die portugiesische. An Stelle des -d habe das Portugiesische in den Imperativformen einen weit sanfteren und angenehmeren Vokal (correi, fazei, cantai, saltai, estimai), der weniger schockierend wirkte als das -d im Spanischen corred, hazed, cantad, faltad, estimad. Außerdem endeten im Spanischen viele Wörter auf -n, zum Beispiel pan, capitan, ladron, was der Sprache einen schwerfälligen Charakter geben würde. Wenn an diesen Stellen im Portugiesischen noch immer der schreckliche Diphthong aõ auftrete, habe man zumindest die Möglichkeit, ihn zu beseitigen. Eleganter sei das Portugiesische auch dadurch, dass es den Vokal in Wörtern wie porta, ovo, novo nicht verändere, während das Spanische hier eine Diphtongierung vornimmt und damit der Sprache wiederum schweren Charakter verleihe. 2. Wohlklang als Nähe zum Lateinischen und Analogie Die Überlegenheit des Portugiesischen gegenüber dem Spanischen auf phonetischem Gebiet führt FONSECA in erster Linie auf seine größere Nähe zum Lateinischen zurück, die es als solche bereits schöner werden lasse. Der Vokal i sei in Wörtern wie merienda, cierto, ciervo, ciego, siempre, vientre, ciento, miedo, tiempo, viento, tierra, fiera, miel, diente, impedimiento vollkommen überflüssig. Diese Wörter fänden sich auch in der portugiesischen Sprache, jedoch in einfacherer und klarer Form und ohne den höchst unnützen Vokal. Die phonologischen Eigenschaften des Portugiesischen ließen außerdem eine größere ĺ Analogie zu als im Spanischen, wo die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen puerta und portero, fuerte und fortaleza, muerte und mortaja, duele und dolor durch lautliche Veränderungen gestört seien. Die Perfektionierung der portugiesischen Sprache, in der es gleichzeitig um Reinigung und Bereicherung (ĺ Reichtum) gehe, könne jedoch zu Konflikten zwischen ĺ Analogie, Norm (ĺ Normierung) und Wohlklang (eufonia) führen. FONSECA wendet sich in diesem Zusammenhang gegen die Puristen, die die Wörter levidade und levidão verworfen hatten, weil sie in den Texten der großen portugiesischen Autoren nicht zu finden sind. FONSECA bevorzugt natürlich bereits aufgrund
Wohlklang seiner Abneigung gegen den Diphthong ão die Form levidade, hinzu kommen als Gründe der lateinische Ablativ levitate und die Analogie mit portugiesischen Wörtern, die nach dem gleichen Muster gebildet sind (gravidade, humanidade, temeriͅdade). Wenn es jedoch kein Mittel zur Einführung des Neologismus levidade gebe, so sei er auch bereit, das unkultivierte und rustikale levidão zu dulden (ĺ Neologismen). Bei aller Schwierigkeit der objektiven Erklärung, was unter Wohlklang zu verstehen sei, kommt FONSECA auf zwei gängige Kriterien zurück: die Nähe zum Latein und das Verdeutlichen analoger Beziehungen in der Sprache. Beide Kriterien hängen eng zusammen, denn auch die ĺ Analogie wird anhand der Transparenz etymologischer Beziehungen, die auf lateinischer Basis beruhen, bestimmt (ĺ Etymologie). Letztlich führt FONSECA damit den höheren Wert des Portugiesischen auf seine Nähe zu einer alten Sprache zurück und folgt damit einem traditionellen Argument der Sprachapologie (ĺ Apologie). 3. Kriterien des Wohlklangs Die Merkmale des Wohlklangs zu definieren, fällt offensichtlich noch schwerer als bei anderen Vorzügen von Sprachen (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). LAMY meint, dass im Interesse des Wohlklangs die Laute nicht so kräftig sein dürften, dass sie das Ohr verletzen, andererseits müssten sie klar und deutlich zu hören sein. Wichtig für den Wohlklang sei jedoch die Variabilität. Auch angenehme Laute könnten störend wirken, wenn das Ohr ihnen zu lange ausgesetzt ist; dem gegenüber könnten mit Regelmäßigkeit verwendete unangenehme Laute zu angenehmen werden. Für LEIBNIZ wird der Wohlklang vor allem durch die Leichtigkeit der Aussprache hervorgebracht. Das Anstrengungslose der Bewegung der Sprechorgane führt nach seiner Auffassung zu einem angenehmen Klangbild. CONDILLAC weist auf die vom Klangbild der heutigen französischen Sprache abweichende Aussprache in früheren Sprachstufen hin, die vor allem durch Akzente gekennzeichnet waren und eine Stimmführung nach oben und unten hervorbrachten (ĺ Prosodie / Akzent).
927 Die theoretische Erfassung des Wohlklangs wurde jedoch nicht in Angriff genommen, was sich auch in den Benennungen dieser Erscheinung zeigt. Dass jede Sprache für ihre Sprecher einen angenehmen Klang hat, wurde unbestritten angenommen, oft ist in diesem Zusammenhang auch von angenehmerm Klang oder Zierlichkeit die Rede. Nach D’ALEMBERT sind es zwei Dinge, die dem Ohr schmeicheln: die Laute und der Rhythmus. Ein Redner solle daher nur angenehme und sanfte Laute verwenden, er solle es vermeiden, raue Silben zu nutzen und ungleich lange Sätze zu verwenden. Vor allem solle er die letzten Elemente eines Satzes nicht zu kurz gestalten und damit einen ĺ Stil, der den Atem nimmt, vermeiden. Er solle gehobene Perioden mit abgerundeten mischen und damit dem Ohr Gelegenheit zur Erholung geben. Er solle auch auf eine harmonische Abfolge von Wörtern achten, die darauf beruht, dass ein geübter Leser bereits die folgenden Wörter ahnen kann. Neben dem angenehmen Klang scheint hier das Vermeiden von zu viel Information durch ungewohnte Wortverbindungen beabsichtigt. D’ALEMBERT ist sich dabei eines möglichen Widerspruchs zwischen dem richtigen und logischen Anordnen der Wörter und dem Wohlklang bewusst (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Als zu befolgende Regel gibt er dem Redner mit, dass er nicht zu oft die Logik zugunsten des Wohlklangs beeinträchtigen und umgekehrt die Logik nicht zu oft durch Zugeständnisse an den Wohlklang opfern sollte. 4. Ansätze einer Theorie des Wohlklangs SULZER verweist auf die Tatsache, dass eine Theorie der deutschen Prosodie (ĺ Prosodie / Akzent) noch zu schreiben ist. Interessant ist dabei, dass ihr SULZER Regelhaftigkeit und das Attribut, grammatisch zu sein, zuweist. Darüber hinaus müsse eine solche Theorie der Prosodie die völlige Theorie des poetischen Wohlklanges enthalten. Noch stärkeren Einfluss auf den Wohlklang als der Prosodie gesteht er aber den Akzenten zu. Er geht dabei davon aus, dass das menschliche Gehör lebhafter und nachdrücklicher empfindet als der Gesichtssinn; dass angenehme und widrige Töne stärker auf uns wirken als dergleichen Farben und Figuren. Damit begründet er die Notwendigkeit, den Werken der redenden
928 Künste Wohlklang zu geben. Schon die Alltagssprache verliere einen großen Teil ihrer Kraft, wenn sie nicht wenigstens mit einer gewissen Leichtigkeit fließt und sie wird sehr unangenehm und widrig, wenn sie alles Wohlklanges beraubt ist. Verstöße gegen den Wohlklang würden vom Sinn der Rede ablenken und damit den Effekt der Kommunikation beeinträchtigen. Der Wohlklang lenke dagegen die Aufmerksamkeit auf den Sinn der Rede und bewirke, dass man ihr mit Lust zuhöre. Außerdem werde die empfindsame Lage des Gemütes, die den Eindruck sehr befördert, unterstützt und verstärkt. Mehr als von theoretischen Kenntnissen hänge der Wohlklang von einem feinen Gehör und einer fleißigen Übung im Hören ab. Der Wohlklang hänge, wie CICERO festgestellt hat, vom Klang und dem Numerus (Rhythmus) ab. Den Klang geben die einzelnen Silben und die aus diesen zusammengesetzten Wörter, die an sich mehr oder weniger wohlklingend sind; und ihre Stellung. Ein und dieselbe Silbe klinge voller, besser, nachdrücklicher, wenn ihre Aussprache durch die Stellung erleichtert werde. Man dürfe keine Wörter von schlechtem Klange dort verwenden, wo der oratorische Akzent liegt, sondern da, wo der Ton sinkt und die Bewegung leicht und schnell ist. Man müsse sich hüten, harte Silben auf harte folgen zu lassen. Man solle sich außerdem hüten, dass der Akzent nicht auf Silben von schlechtem Klang falle, was meistens dadurch vermieden werden kann, dass man einsilbige Wörter vor oder nach einem zweisilbigen setze und so den Akzent verändere. Mehr einsilbige Wörter hintereinander, von denen jedes einen Akzent hat, würden einen sehr üblen Klang ergeben; aber zwei oder drei lassen sich oft so stellen, dass eines den Akzent allein auf sich zieht und dass sie zusammen wie ein einziges Wort klingen. In jeder Sprache ist es nach SULZER möglich, zugunsten des Wohlklangs Abweichungen von den gewöhnlichen grammatischen Regeln vorzunehmen. Eine zu häufige Wiederholung derselben oder ähnlich klingender Wörter, besonders gleicher Endungen, sei des Wohlklanges halber möglichst zu vermeiden. Erfordert es die Notwendigkeit, ein Wort in einer kurzen Rede mehrmals zu brauchen, so muss man darauf sehen, dass das Unangeneh-
III. Einheit und Vielfalt me der Wiederholung durch die Mannigfaltigkeit des Rhythmischen in den verschiedenen Sätzen verbessert werde. SULZER wendet sich dagegen, den Wohlklang rein am lautlichen Erscheinungsbild festzumachen, vielmehr werde er durch den Sinn der Rede unterstützt. Sind die Gedanken leicht und angenehm, so findet man auch einen mittelmäßigen Klang gut. Dagegen würde auch der vollkommenste mechanische Bau der Rede nicht wohlklingend scheinen, wenn der Sinn anstößig oder schwer zu fassen ist. Den besten Klang gibt allemal ein reizender Gedanke, wenn nur der Ausdruck desselben nichts anstößiges oder holpriges hat. Auch der Rhythmus, den SULZER – dem Sprachgebrauch der Zeit folgend – Numerus nennt, ist für den Wohlklang wichtig, insofern der Gang der Rede dem Inhalt vollkommen angemessen sein muss. Unter dem Rhythmus fasst er Ausdrucksformen des Sittlichen und Leidenschaftlichen der Gemütslage sowie als deren Grade das Gelassene, das Lebhafte, das Zärtliche und das Strenge. Doch obwohl er den Wohlklang für notwendig hält, misst er ihm lediglich eine einkleidende und verschönernde Funktion zu: Wer die größte Schönheit im Wohlklange sucht, läuft Gefahr wichtigere Fehler zu begehen als wer ihn ganz versäumt. Man solle nie zugunsten des Wohlklangs Gedanken verfälschen, auch dürfe man das Ohr nicht an sybaritische Weichlichkeit gewöhnen. Eine ernsthafte, von wichtigen Dingen angefüllte Rede könnte durch übertriebenen Wohlklang sogar verdorben werden. 5. Wohlklang als Maßstab im Sprachvergleich Bei verschiedenen Autoren (z. B. MICHAELIS, PRIESTLEY) wird ihre Wertschätzung für die Harmonie der griechischen Sprache deutlich, die auch als Maßstab für andere Sprachen angelegt wird. Doch für eine wirkliche Bestimmung der Schönheit, Zierlichkeit oder Annehmlichkeit sehen alle Autoren Probleme. TIEDEMANN findet es schwer, einen allgemeinen und in allen Fällen sicheren Maßstab der Zierlichkeit einer Sprache zu geben. Er möchte sich auf ein feines Gehör und die Kenntnis mehrerer Sprachen verlassen, weiß jedoch, dass auch diese nicht zu sicheren Ergebnissen
Wohlklang führen. Man dürfe sich vor allem nicht nach dem rauen oder angenehmen Klang einzelner Worte richten, sondern man müsse den Klang einer Sprache als Ganzes berücksichtigen. Vor allem viele einsilbige Wörter einer Sprache seien ein Hindernis für den Wohlklang, da man nach jeder Silbe absetzen müsse, was dem sanft und leicht fortschleichenden Gang der Rede widerspreche und die Sprache “höckericht und rauh” mache. Doch auch vielsilbige Wörter seien nicht gut für den Wohlklang, da sie die Stimme zwingen, zu lange auf einer Höhe zu verbleiben, und dadurch die angenehme Abwechslung des Lautes hemmen. Das Chinesische könne aufgrund seiner einsilbigen Wörter keine wohlklingende Sprache sein, dagegen seien im Huronischen und Irokesischen zu lange Wörter störend für den Wohlklang. Schließlich nennt TIEDEMANN noch eine Reihe von Faktoren, die sich negativ auf den Wohlklang auswirken würden: die Wiederholung eines Vokals in einem Wort und gleiche Endungen der Wörter würden die Sprache monoton werden lassen. Doch auch die Häufung von Konsonanten mache die Sprache hässlich (ĺ Konsonant). Auch die Silbentrennung muss geschickt durchgeführt werden. Schließlich spiele das Sprechtempo eine Rolle für den Wohlklang. Man dürfe Wörter nicht so schnell aussprechen, dass man sie erraten muss, doch auch wiederum nicht so langsam, dass man schon vor dem Abschluss der Äußerung deren Inhalt kennt. Im ästhetischen Anspruch der Gestaltung von Wohlklang orientieren sich die meisten Autoren an der antiken Rhetorik und damit auch an der Gestalt der griechischen und lateinischen Sprache. So wiederholt EICHHORN, dass das Element am Ende einer umfangreichen Periode nicht kurz sein soll. JENISCH bestimmt den Wohlklang als etwas Allgemeingültiges und hebt ihn damit aus der subjektiven einzelsprachlichen Bestimmtheit heraus. Dennoch ist der Wohlklang in seiner wirklichen Ausformung an den Bau der Sprache gebunden und nur schwer von hervorragenden Dichtern beeinflussbar. Er definiert
929 den Wohlklang als eine glückliche Mischung der Vokale und Konsonanten und die weiche Beschaffenheit der letztern (ĺ Vokal, ĺ Konsonant).
IV. Einige der im Zusammenhang mit dem
Wohlklang gegebenen Empfehlungen finden sich durchaus in Handbüchern der Rhetorik auch im 19. und 20. Jahrhundert wieder, zum Beispiel die Forderung nach Vermeidung von Wiederholungen gleicher Formen oder der Hinweis, dass am Ende einer Periode ein gewichtiges Element stehen sollte. Die Diskussion um den Wohlklang als Kategorie des wertenden Sprachvergleichs (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) fand jedoch Ende des 18. Jahrhunderts ihren Abschluss. Gegen ihre Einbeziehung in die Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts sprach ihre schwere Bestimmbarkeit sowie letztlich die Subjektivität der Entscheidung, was als Wohlklang betrachtet werden kann.
V. BECKER, Christoph (1998): Sprachkon-
zeptionen der deutschen Frühaufklärung: Wörterbuch und Untersuchung. Frankfurt/Main / Berlin / Bern / New York / Paris / Wien: Lang. – FRANÇOIS, Alexis (1959): Histoire de la langue française cultivée. Genève: A. Jullien. – GARDT, Andreas (1999): Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Berlin / New York: Walter de Gruyter. – HASSLER, Gerda (2003): “Aménagement linguistique et normalisation de la langue portugaise”. Hommage au professeur Claude Maffre. Montpellier: E. T. I. L. A. L. Université Paul-Valéry, Montpellier III, 469–487. – MAYRHOFER, Manfred (2004): Die Hauptprobleme der indogermanischen Lautlehre seit Bechtel. Wien: Verl. der Österr. Akad. der Wiss. – MESCHONNIC, Henri (1997): De la langue française. Paris: Hachette. – PADLEY, George Arthur (1985): Grammatical Theory in Western Europe 1500–1700. Trends in Vernacular Grammar. Cambridge: Cambridge University Press. Gerda Haßler
930
III. Einheit und Vielfalt
Reichtum I. Lat. copia, abundantia; dt. Reichthum,
Uberfluss, Reichthum und Armuth; engl. copia, rich; frz. richesse, riche, abondant, ital. ricchezza, ricco; span. copia, abundancia, riqueza; port. riqueza, mais copiosa de palavras; russ. ɢɡɨɛɢɥiɟ. Die Wörter, die den Reichtum als Vorzug einer Sprache bezeichnen, sind teilweise als “Erbwörter” aus dem täglichen Sprachgebrauch übernommen, andererseits knüpfen sie jedoch auch an gelehrte “Buchwörter” aus dem Lateinischen (copia, abundantia) und dem Kirchenslawischen (ɢɡɨɛɢɥiɟ) an. Reichtum ist eine grundsätzlich positiv gewertete Eigenschaft von Sprachen, die als anzustrebendes Ziel und als Vorzug gegenüber ärmeren Sprachen galt (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Im Gefolge von Normierungen kam es zu Reduzierungen des Reichtums in der Standardsprache, die der Rechtfertigung bedurften (ĺ Normierung). Differenzierte Wertungen des Reichtums einer Sprache traten auch im Zusammenhang mit der Unterscheidung von für die Ausdrucksmöglichkeiten einer Sprache funktional wichtigem Reichtum und lediglich zierendem Überfluss ein.
II. (COMENIUS [1648] 1978: 50): 2. Coli dicitur Lingva eô sensu, qvô Ager, Vinea, Hortus, colitur: subigendo, stercorando, serendo, seu plantando, & sarriendo, ac putando, h. c. depurando: eô fine ut vireat, floreat, fructum ferat. […] Cultas ergò vocamus Lingvas, tùm qvæ Res omnes ad omnem necessitatem eloqvi possunt; tùm qvæ insuper copiâ & varietate animos oblectare, Librísqve doctè scriptis ad sui amorem allicere posse videntur. Non malè id sanè: nondùm tamen qvid Lingvarum Cultura specificè reqvirat, determinatè satis. Inqviramus ergò in id. (BOUHOURS 1671: 79–80): Au reste, les mots que nous n’avons pas, sont remplacez par des expressions si belles, & si heureuses, qu’on n’a pas sujet de regreter ce qui nous manque. Mais parce que pour estre riche, ce n’est pas assez d’avoir precisément ce que la necessité demande; & qu’il faut avec cela avoir quantité de choses dont on puisse se passer: outre les termes communs, & necessaires,
nous en avons de rares & d’exquis, qui comme des habits precieux servent non seulement à revestir, mais encore à orner les pensées: nous avons de plus, mille tours, & mille manieres pour exprimer vne mesme chose. Cependant, dit Ariste, on a retranché de nôtre langue vne infinité de mots, & de phrases: & apparemment cela ne l’a pas enrichie. Ne pensez pas vous en moquer, repliqua Eugene, c’est par ce retranchement qu’on l’a perfectionnée, & qu’on en a fait vne langue également noble, & delicate. (LEIBNIZ [1697] 1908: 343): 57. Reichthum ist das erste und nöthigste bey einer Sprache und bestehet darin, dass kein Mangel, sondern vielmehr ein Uberfluss erscheine an bequemen und nachdrücklichen Worten, so zu allen Vorfälligkeiten dienlich, damit man alles kräfftig und eigentlich vorstellen und gleichsam mit lebenden Farben abmahlen könne. (LEIBNIZ [1697] 1908: 345): 62. Inzwischen ist gleichwohl diejenige Sprache die reichste und bequemste, welche am besten mit wörtlicher Übersetzung zurechte kommen kan, und dem Original Fuss vor Fuss zu folgen vermag; und weilen, wie ob erwehnet, bey der Teutschen Sprache kein geringer Abgang hierinn zu spüren, zumahl in gewissen Materien, absonderlich da der Wille und willkührliches Thun der Menschen einläufft, so hätte man Fleiss daran zu strecken, dass man diessfals andern zu weichen nicht mehr nöthig haben möge. (LEIBNIZ [1697] 1908: 348): 77. Ehe ich den Punct des Reichthums der Sprache beschliesse, so will erwehnen, dass die Worte oder die Benennung aller Dinge und Verrichtungen auf zweyerley Weise in ein Register zu bringen: nach dem Alphabet und nach der Natur. Die erste Weise ist der Lexicorum oder Deutungs-Bücher, und am meisten gebräuchlich. Die andere Weise ist der Nomenclatoren oder Nahm-Bücher, und geht nach den Sorten der Dinge. Ist von Stephano Doleto, Hadriano Junio, Nicodemo Frischlino, Johanne Jonstono, und andern nicht übel getrieben worden: Und zeiget sonderlich der Sprache Reichthum und
Reichtum Armuth, oder die sogenannte Copiam Verborum; daher auch ein Italiäner (Alunno) sein dergestalt eingerichtetes Buch, Ricchezza della Lingua volgare benennet. Die DeutungsBücher dienen eigentlich, wenn man wissen will, was ein vorgege-benes Wort bedeute; und die Nahm-Bücher, wie eine vorgegebene Sache zu nennen. Jene gehen von dem Worte zur Sache, diese von der Sache zum Wort. (LEIBNIZ [1697] 1908: 348–349): 78. Und solte ich dafür halten, es würde zwar das Glossarium Etymologicum, oder der SprachQvell nach den Buchstaben zu ordnen seyn, es könte aber auch solches auf zweyerley Weise geschehen: nach der ietzigen Aussprache, und nach dem Ursprung, wenn man nemlich nach seinen Grund-Wurtzeln gehen, und ieder Wurtzel, oder iedem Stamm seine Sprossen anfügen wolte; welches auf gewisse masse sehr dienlich, auch eine Ordnung mit der andern zu vereinigen nützlich wäre. Der Sprach-Schatz aber, darin alle Kunst-Worte begriffen, wäre besser und nützlicher nach den Arten der Dinge, als nach den Buchstaben der Worte abzufassen, weilen alda die verwandten Dinge einander erklären helffen, obschon letztens ein Alphabetisches Register beyzufügen. Aber die Wort und Reden des durchgehenden Gebrauchs könten nützlich auf beyde Weise vermittelst eines DeutungsBuchs (Lexici) nach dem Alphabet, und vermittelst eines Nahm-Buchs nach den Sorten der Dinge dargestellet werden; beydes könte den Nahmen eines Dictionarii oder WörterBuchs verdienen, und beydes würde seinen besondern, die letzte Art aber meines Erachtens den grösten Nutzen haben. (LEIBNIZ [1697] 1908: 349): 79. Es sind auch gewisse Neben-Dictionaria so zu sagen, so die Lateiner und Griechen brauchen und bey den Teutschen dermahleins nicht allerdings ausser Augen zu setzen, als Particularum, Epithetorum, Phrasium &c. der Prosodien und Reim-Register zu geschweigen; welches alles aber, wann das Haupt-Werck gehoben, sich mit der Zeit von selbsten finden wird. Biss hieher vom Reichthum der Sprache. (MURATORI 1706: 625): Il vero Linguaggio d’Italia ha le sue locuzioni e i suoi vocaboli. Gran viltà, gran pigrizia è abbandonar le sue ricchezze, per usar le straniere. E suole per l’ordinario un tal difetto solamente osservarsi
931 in chi pone tutto il suo studio nell’apprendere le Lingue forestiere, senza molto curarsi di saper la propria. Non si biasima già, anzi si reputa degno di gran lode, chi può posseder molti Linguaggi; ma siccome senza disonore si può non imparare gli stranieri, cosí non si può senza vituperio ignorare il proprio. Quelli ci son d’ornamento; ma questo è a noi necessario. (MURATORI 1706: 628): In tal guisa s’arricchiscono le Lingue. Né la nostra è ancor giunta a tal ricchezza, che possa uguagliar la Greca, e la Latina, o debba contentarsi delle sole voci, e forme di dire, che son raccolte nel Vocabolario, e molto men di quelle sole, che usò il Petrarca, e il Boccaccio, i quali certamente non poterono nominar tutte le cose, né scrivere tutti i vocaboli d’Italia, né pensarono tutti quegli infiniti, e vari concetti, che poteano cadere in mente di loro stessi, non che di tutti gli altri uomini, dopo loro nati, e che hanno da nascere. E di fatto ci fa sperar la medesima Accademia un altro Vocabolario assai piú ricco, e piú copioso de gli stampati finora, conoscendo ella, che non son peranche adunate in un corpo tutte le ricchezze della nostra Lingua. (MURATORI 1706: 644): Ancor deve confessarsi, che questo Autore in vece di far comparire maestosa, e grave piú dell’Italiana la Lingua Franzese, ha pubblicata contra suo volere per molto povera la sua in paragon della nostra; scoprendo a chi nol sapea, che i Franzesi non hanno Diminutivi, e ch’essi con due, o piú parole debbono talvolta esprimere ciò, che da gl’Italiani, da i Latini, e da i Greci si può significar con una sola. (FONSECA 1710: 6): Ali veraõ com gosto e facilidade, que nas cinco melhores propiedades, ou qualidades, que deve ter huma Lingua para ser perfeita, naõ deve ser posposta a alguma das vulgares a nossa Portugueza; porque nenhuma he mais copiosa de palavras, nenhuma tem maior, nem igual facilidade na sua pronunciaçaõ, nenhuma pode explicar com maior brevidade, e menores circumloquios a grande variedade dos pensamentos e juizos humanos, nenhuma he mais apta para os estilos todos, e finalmente em nenhuma concorda tanto com a escritura a pronunciaçaõ. (FEIJOO [1726–1740a] 1923–1925: I, 270): En la copia de voces (único capítulo que pue-
932 de desigualar sustancialmente los idiomas) juzgo que excede conocidamente el castellano al francés. Son muchas las voces castellanas que no tienen equivalente en la lengua francesa y pocas he observado en ésta que no la tengan en la castellana. Especialmente de voces compuestas abunda tanto nuestro idioma que dudo que le iguale aun el latino ni otro alguno, exceptuando el griego. El canciller Bacon, ofreciéndose hablar de aquella versatilidad política que constituye a los hombres capaces de manejar en cualquiera ocurrencia su fortuna, confiesa que no halla en alguna de las cuatro lenguas, inglesa, latina, italiana y francesa, voz que signifique lo que la castellana desenvoltura. Y acá estamos tan de sobra, que para significar lo mismo tenemos otras voces equivalentes: despejo y desembarazo. (MAYANS 1737: 170): Y no fundo esta Abundancia en que tenemos Voces con que significamos muchas cosas, que en otras Lenguas tal vez no tienen determinados Vocablos, como, Acierto, desamor, desemboltura, despejo, emplazamiento, i otros; porque sè que de qualquiera Lengua me opondràn muchos Vocablos, que siendo mui expresivos, no tienen correspondencia en la nuestra; ni hai modo de traducirlos sino por rodeo. (MAYANS 1737: 171): Ni tampoco mido la Abundancia de la Lengua Española con los Diccionarios, porque todos los que tenemos son mui pobres de Voces; i aunque todos se juntassen en uno, lo serían, por aver sido en sus Autores mayor la ansia de copiar unos de otros, que de añadirlos. (MAYANS 1737: 184): Si se publicassen Libros antiguos, i se hiciessen Indices de las Voces mas singulares, […] se observarìa mejor la extension de la Lengua. (MAYANS 1737: 185): […] se deve observar la Abundancia de nuestra Lengua en los dos arcaduces de la Tradicion, assi Escrita, como Verbal. (MAYANS 1737: 187): Yo siempre estarè de parte de la Abundancia de la Lengua, i me tomaré la licencia de usarlos. (MAYANS 1737: 188): […] es tanta la copia de Voces Españolas, que conserva, que dudo que aya Lengua viva igualmente abundante.
III. Einheit und Vielfalt (MAYANS 1737: 192): […] el ser, i parecer abundante, unicamente depende del uso, i observacion […]. Quiero decir, que solo puede juzgar una Lengua por pobre de Voces, el que ha leìdo mucho en ella, i no ha hallado Abundancia; o quando se le ha ofrecido hablar, posseyendo la Lengua con perfeccion, no ha sabido explicarse: lo qual apenas puede suceder a un Hombre eloquënte. Porque, si se considera la facultad que hai de inventar Voces nuevas, quando la necessidad las pide; podrà una Lengua no ser abundante antecedentemente; pero no en el caso en que se aya de hablar, supuesto que no habrà cisa que alguno diga en su Lengua, que otro forzado de la necessidad, no pueda tambien decir en la suya: pues obligado de ella, es licito inventar algun Vocablo, o Expression. (Zedlers Universallexicon, Artikel Sprache (frantzösische), 1744: XXXIX, 424): Denn wenn gleich eine Sprache alles sagen kan, was sie sagen will; so kan die andere wohl besser seyn, die es kürtzer und nachdrücklicher und mit einer bessern Art sagt; welche Gewalt die Griechische Sprache insonderheit so wohl in gantzen Redens-Arten, als in ihren zusammengesetzten und Beywörtern besitzet. (Zedlers Universallexicon, Artikel SprachKunst, 1744: XXXIX, 454): Der Reichthum an Worten und Redens-Arten macht die Sache an sich auch nicht aus. Denn es kommt darauf an, wie solcher Reichthum beschaffen. Manche Sprache ist wohl reich; indem es aber nur gleichgültige Wörter sind, daß man zu mancher Idee derselben wohl zehn hat, so steht dahin, ob man dieses nicht vielmehr vor einen Fehler, als vor eine Schönheit anzusehen hat. Eine solche Sprache kan in einigen Stücken reich, in andern aber arm seyn. Sind so viel Wörter da, als man zur Ausdrückung der Ideen braucht, so ist die Sprache an sich vollkommen; wenn aber auch zu einer Idee viele Wörter vorhanden, so dient es zur Veränderung, daß man eine Rede zierlich machen kan. (BLANCHET 1760: 25–26): Les termes étant les signes des appréhensions & des sentimens, les langues doivent être plus ou moins riches, à raison du plus ou moins de connoissances & de sentimens des peuples qui les parlent. Chaque passion a une langue qui lui est propre; cette langue est plus ou moins abondan-
Reichtum te, selon les degrés & les nuances de cette même passion. (BLANCHET 1760: 27): Si l’abondance de la langue Latine égala, ou même surpassa celle de toutes les autres, c’est que Rome fut le trône des arts, des sciences & des passions, ainsi que de l’univers. (MICHAELIS 1760: 26–27): Der Ungelehrte wird hingegen durch den Reichthum der Sprache einigermaßen ein Halbgelehrter, und bekommt von manchen Dingen Nachricht, davon er sonst gar nichts weiß: in den Wercken der Natur, und wo es auf Erfahrungen ankommt, wird er in den Stand gesetzt, auch seine Erfahrungen, die sonsten dem Reich der Wissenschaften verlohren giengen, mitzutheilen: und der, so sich der Gelehrsamkeit gewidmet hat, lernet manches spielend und als Kind, darauf er sonst Mühe und männliche Jahre wenden müßte. (MICHAELIS 1760: 38): Ich beschließe mit der Anmerckung: aller vortheilhafte Einfluß der Sprachen in die Denckungs-Art ihres Volcks, läßt sich auf zwey Hauptstücke bringen. Dies sind 1) ein Reichthum an Wörtern, der, wenn ich ihn vollkommen, oder vielmehr unendlich bilden soll, so weit gehen muß, daß alles und jedes, was der Mensch dencken kann, sein eigenes, deutliches, einheimisches Wort hat, damit es ohne lange Umschreibung bezeichnet werden kann: ja daß man auch im Stande sey, es unter mehr als einem Gesichtspuncte vorzustellen. Die beyden, der gleichgültige, und der vortheilhafte oder nachtheilige, je nachdem es den einen von beyden verdienet, sind die nöthigsten: und bisweilen können alle drey verlanget werden, wenn die Sache einen vortheilhaften und nachtheiligen Gesichtspunct zugleich hat, z. E. das beständige Glück, welches uns unempfindlich gegen das genossene Gute macht. Ich habe diesen Reichthum in seiner Vollkommenheit bilden müssen, allein ich gestehe zugleich, daß er in derselben unmöglich wird. Denn nicht alle Wörter einer so reichen Sprache würden wegen Kürtze des menschlichen Lebens, und wegen Einschränckung unserer Einsichten, oft genug ausgesprochen werden, um gleichsam in den Cours zu kommen, und das Gepräge, so sie gültig und bekannt macht, zu erhalten. Nur die Wörter ha-
933 ben einen Einfluß in die Denckungs-Art des Volcks, die bekannt sind. (MICHAELIS 1760: 74): Der Orient, dem eine falsche Religion die Arabische zur GelehrtenSprache gegeben hat, könnte glücklicher seyn als wir. Ihr Reichthum ist fast unerschöpflich, für die Natur hat sie so viel Wörter, daß sie uns damit beschenckt hat: und sie ist beynahe so unveränderlich, als eine todte Sprache. (MICHAELIS 1760: 78): Der einmahl erworbene Reichthum einer Sprache wird erhalten, wenn die Gelehrsamkeit unter dem Volcke blühend bleibet, wenn es die Wissenschaften nicht blos in der Sprache der Gelehrten, sondern auch in seiner eigenen abhandelt, und die besten Schriftsteller sich der Reinigkeit so weit befleißigen, daß sie kein fremdes Wort gebrauchen, wo ein einheimisches von gleicher Güte vorhanden ist. Geschiehet dis nicht, so wird die Sprache, zum unersetzlichen Schaden der Wissenschaften unter einem Volcke, ärmer. Es ist daher eine gewisse Sorgfalt, die manche Gelehrte für eine Kleinigkeit, und fast für eine grammaticalische Pedanterey halten, den Wissenschaften wichtig. (MICHAELIS 1762: 45–46): Lorsque la langue est riche; il n’y a pas jusqu’à l’homme du commun qui ne prenne quelque teinture du savoir; il s’instruit de choses qui sans le secours de sa langue lui seroient toujours demeuré inconnues; il observe mieux le cours de la nature, & se trouve en état dé communiquer aux savans des expériences qui sans cela eussent été perdues, & qui ne sont pas toujours à mépriser. D’un autre côté ceux qui se sont voués aux sciences se seront familiarisés dès leur tendre jeunesse, & pour ainsi dire en se jouant, avec bien des notions que par tout ailleurs ils n’eussent point acquises sans beaucoup de peine & de travail même dans un âge plus avancé. (MICHAELIS 1762: 47): […] mais autant qu’ils nous surpassent à cet égard, au-tant sont-ils surpassés par les Orientaux. La richesse de la langue Arabe & de la langue Hébraïque égale presque celle de la nature: tout ce que le règne végétal produit dans ces paislà, a son nom tiré du propre fonds de ces langues; & ces noms sont si fréquemment employés, par les poetes mêmes, & dans les livres de pur agrément, qu’il étoit impossible qu’ils fussent ignorés des savans & des beaux
934 esprits; ceux même qui ne faisoient point leur objet de 1’Histoire naturelle les rencontroient dans leurs lectures, & en étoient comme poursuivis jusque dans leurs cabinets. Une constitution aussi heureuse du langage, non seulement épargne bien du tems & du travail au Botaniste de profession; la nation en général fera plus familiarisée que nous ne le sommes avec les ouvrages de la nature. Il n’y aura personne qui n’ait au moins quelque connoissance superficielle des végétaux […]. (MICHAELIS 1762: 66–67): 1) Si l’on vouloit se figurer le premier de ces points dans toute sa perfection, l’on en pourroit pousser l’idée jusqu’à l’infini. Il faudroit que tout ce qui peut être pensé eût un nom qui lui fût propre, je dis un nom national qui fût clair, & qui dénotât son objet sans périphrase. Il faudroit encore qu’on fût en état de présenter le même objet sous plusieurs points de vûe, du moins sous les deux principaux, comme indiférent, & comme utile ou nuisible, selon que sa nature l’exige: souvent même il seroit nécessaire qu’on pût donner également ces trois sens aux objets: c’est lorsqu’ils ont un côté avantageux, & un côté qui les fait paroitre à leur desavantage; tel est, par exemple, un bonheur trop constant, qui nous rend insensibles aux biens dont nous jouissons. Je conviens que cette perfection du langage que je viens de peindre n’est qu’une chimère qui ne sauroit être réalisée. La brièveté de la vie, & les bornes dont notre esprit est environné y mettroient toujours un obstacle insurmontable. Les mots d’une langue aussi riche ne sauroient être assés souvent prononcés pour prendre racine & pour obtenir la vogue. (PRIESTLEY 1762: 163–164): Further, by introducing other words of similar signification, as the mention of minute and flight circumstances, a sentence admits of still greater variety of expression. Thus we may say, Three battles were fought and Darius was at the mercy of Alexander. Alexander fought three battles before he subdued Darius, &c. &c. Languages that have a great copia of words are much preferable to others on this account; since, by a small alteration of this kind, a writer may give what degree of emphasis or precision he pleases to an expression; in the command of which, the accuracy and excellency of style doth greatly consist.
III. Einheit und Vielfalt (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 267): En un mot, le dix-septieme & le dix-huitieme siecle ont produit dans notre langue tant d’ouvrages admirables en tout genre, qu’elle est devenue nécessairement la langue des nations & des cours de l’Europe. Mais sa richesse seroit beaucoup plus grande, si les connoissances spéculatives ou d’expériences s’étendoient à ces personnes, qui peuvent donner le ton par leur rang & leur naissance. Si de tels hommes étoient plus éclairés, notre langue s’enrichiroit de mille expressions propres ou figurées qui lui manquent, & dont les savans qui écrivent, sentent seuls le besoin. (TIEDEMANN [1772] 1985: 59–64): Von dem Reichthume einer Sprache. Eine Sprache kann reich scheinen, und doch arm seyn, so wie einer, der einen großen Haufen Kupfer-Müntzen, oder gar Lacedä-monisches Geld hat, reich zu seyn scheint, ob er es gleich nicht ist. Der Ueberfluß an Worten macht den Reichthum einer Sprache nicht aus, so wie der Ueberfluß an Gold und Silber den Reichthum eines wie Robinson Crusoe auf einer Insel allein wohnenden Menschen, nicht ausmachen würde. Wenn eine Sprache zehn tausend Worte hätte, und mit dieser ganzen ungeheuren Menge nichts mehr als einen einzigen Begriff anzeigte, würde man sie denn reich nennen? Man muß also ein anderes Maaß für den Reichthum einer Sprache ausfindig machen. Keine Schätze, kein Gold, ist Reichthum, wenn es nicht zu etwas nützlich ist. Eben so müssen auch die Ausdrücke einer Sprache ihren Nutzen haben, und nach diesem muß man den Reichthum der Sprache beurtheilen. Dieser Nutzen ist die Bezeichnung unserer Gedanken. Wenn also eine Sprache geschickt ist, unsere Gedanken in ihrer Mannigfaltigkeit auszudrücken; so ist sie reich. Hier läßt sich ein zwiefacher Reichthum unterscheiden. Ist eine Sprache hinreichend die verschiedenen Gedanken, die ein gewisses Volk, oder gewisse Menschen haben, anzudeuten: so ist sie in Betrachtung dieses Volkes, oder dieser Menschen, reich genug. Dies kann man den relativischen Reichthum nennen. Dieser kommt allen Sprachen zu, weil es nothwendig ist, daß die Menschen zu den Dingen, von denen sie unumgänglich reden müs-
Reichtum sen, auch Nahmen suchen. Von Dingen aber, die ihnen von keinem Nutzen sind, werden sie auch keine Begriffe haben, weil sie diese Begriffe nicht nöthig haben, und sich folglich auch nicht um sie bekümmern, mit den Begriffen aber fallen auch die Nahmen weg. Von dieser Art des Reichthums ist hier die Rede nicht, sondern von den absoluten, die darinn besteht, daß eine Sprache geschickt ist, die Mannigfaltigkeit der nützlichen Begriffe, die Menschen als Menschen haben können, anzuzeigen. […] Je mehr demnach eine Sprache nützliche und brauchbare Begriffe anzeigen kann, desto reicher ist sie. Hier sind die Sprachen sehr voneinander unterschieden, einigen fehlen Ausdrücke zu den allgemeinen und abgezogenen Begriffen, die man nicht entbehren kann. Die Griechische, Lateinische und einige neuere Sprachen haben dagegen einen Ueberfluß an Worten, allerhand Begriffe, von welcher Art sie auch seyn mögen, anzuzeigen. Die Iroquoisische, die Lappländische, und andere Sprachen wilder Völker, sind dagegen sehr arm, wie man aus der allgemeinen Geschichte von Amerika, dem Lafiteau, und anderen Reisebeschreibern, sieht. Diese Verschiedenheit ist zu wichtig, als daß wir sie, ohne uns um ihre Ursache zu bekümmern, vorbey lassen sollten. Der Unterschied der Himmelsgegend, des natürlichen Verstandes der verschiedenen Völker können zu der engern, oder weitern Ausdehnung der Sprache nichts beytragen. Denn wir finden, daß sich arme und rauhe Sprachen in reiche und annehmliche verwandelt haben, unter derselben Himmelsgegend, und bei demselben Volke, wo sie arm und rauh gewesen waren. […]. Die Lebens-Art der verschiedenen Völker, ihre Sitten, ihr Umgang mit andern Nationen, ist das einzige, welches die Frage von den verschiedenen Graden des Reichthums und der Armuth in den verschiedenen Sprachen hinlänglich auflösen zu können scheinet. (Kratkija pravila Rossijskoj Grammatiki 1773: 2): ɉɪɢɱɢɧɭ ɫɟɦɭ ɩɨɥɚɝɚɸ ɫiɸ, ɱɬɨ ɢɧɨɣ, ɫɬɪɟɦɹɫɶ ɤɴ ɢɧɨɫɬɪɚɧɧɨɦɭ ɹɡɵɤɭ, ɧɚɧɨɫɢɬɴ ɫɜɨɟɦɭ ɧɟɫɧɨɫɧɨɟ ɛɟɡɫɥɚɜiɟ, ɨɛɟɡɨɛɪɚɠɚɹ ɟɝɨ ɢɥɢ ɛɟɡɫɢɥiɟɦɴ, ɢɥɢ ɧɟɞɨɫɬɚɬɤɨɦɴ ɜɴ ɢɡɨɛɪɚɠɟɧiɢ ɧɚɲɢɯɴ ɦɵɫɥɟɣ, ɢɥɢ ɩɪɟɡɢɪɚɹ ɟɝɨ ɢɡɨɛɢɥiɟ, ɜɜɟɞɟɧiɟɦɴ ɛɟɡɴ ɜɫɹɤɨɣ ɧɭɠɞɵ ɢɧɨɹɡɵɱɧɵɯɴ ɪɟɱɟɣ. ɂ
935 ɟɫɬɶɥɢ ɛɟɡɩɪɢɫɬɪɚɫɬɧɨ ɪɚɡɫɭɞɢɬɶ: ɬɨ ɢ ɧɚɲɴ ɹɡɵɤɴ ɧɟ ɛɵɥɴ ɥɢ ɧɟɤɨɝɞɚ ɩɨɞɜɟɪɠɟɧɴ ɫɟɦɭ ɠɪɟɛiɸ? ɇɨ ɤɚɤɴ ɜɴ ɭɱɟɧiɢ ɞɨɜɨɥɶɧɨ ɭɩɪɚɠɧɹɜɲiɟɫɹ ɩɪɢɪɨɞɧɵɟ Ɋɨɫɫiɹɧɟ, ɢɫɬɢɧɧɨɸ ɥɸɛɨɜiɸ ɤɴ Ɉɬɟɱɟɫɬɜɭ ɢ ɫɩɪɚɜɟɞɥɢɜɨɸ ɩɨɯɜɚɥɨɸ ɛɭɞɭɱɢ ɩɨɞɜɢɝɧɭɬɵ, ɩɪɟɠɞɟ ɱɭɠɢɦɴ ɹɡɵɤɚɦɴ ɢ ɜɵɲɧɢɦɴ ɧɚɭɤɚɦɴ ɨɛɭɱɚɫɶ ɩɨɪɹɞɨɱɧɨ, ɱɪɟɡɴ ɬɨ ɛɥɚɝɨɪɚɡɭɦɧɨ ɨɬɜɚɠɚɫɶ, ɧɚɱɚɥɢ ɢɡɫɥɟɞɵɜɚɬɶ, ɧɟɬɴ ɥɢ ɢ ɜɴ ɧɚɲɟɦɴ ɬɨɝɨ, ɱɬɨ ɪɟɜɧɨɫɬɶ ɢ ɨɯɨɬɭ ɜɴ ɧɢɯɴ ɜɨɡɛɭɞɢɥɨ ɤɴ ɨɛɭɱɟɧiɸ ɢɧɨɫɬɪɚɧɧɵɯɴ? (AUBERT 1774: 8): Ces premiers pas faits, supposez tel Langage que vous voudrez; quelque grossier, quelque foible qu’il puisse être, il se polira, il se fortifiera insensiblement: s’il est pauvre et sans harmonie, la richesse des idées saura bientôt le rendre abondant et nombreux; peu pittoresque, il se façonnera aux images que le génie lui donnera à peindre; peu souple, peu coulant & le sentiment l’assujettiront à des formes qui rompront sa roideur, qui adouciront son âpreté. (CAPMANY 1776: 57): La riqueza de voces de la lengua francesa no es tanto caudal propio suyo en que debe estar cifrado el ingenio de una nacion en el modo de ver y sentir las cosas quanto un tesoro adventicio y casual del cultivo de las artes y ciencias naturales. (CAPMANY 1776: 75): ¿Cuántas [voces] se llaman antiquadas que son y deben ser de todos los tiempos? Yo creo que una lengua debe trabaxar mas en adquirir que en desechar lo adquirirdo, consistiendo su mayor grandeza y adelantamiento en su mayor abundancia. Una lengua viva es un cuerpo inmortal que siempre crece sin tasa y sin medida siguiendo los progresos del entendimiento humano. (IHRE 1780: XXX-XXXI): Quod in lingua Lapponica termini technici scientiarum artiumque illarum quas gens ignorat defiderentur, nemini mirum videri potest. Omnibus aliis gentibus id ipsum commune est, quae cum primum scientias & artes amplexæ sunt, terminos technicos artiumque nomina aut simul mutate sunt, aut nova effingere necessum habuere. Ex hac ipsa causa lingua Lapponica ævo recentiori multis, imprimis vocibus Theologicis aucta est, quarum tanta laborat penuria, quanta excellit copia vocum, quibus quae in vita communi occurrunt exprimuntur.
936 (MORITZ [1784] 1801: 8): Endlich, so wie Künste und Wissenschaften sich ausbreiteten, wurde auch die Sprache durch eine große Anzahl von Kunstwörtern, in der Mathematik, Philosophie, Physik u. s. w. bereichert, welche sie größten Theils aus dem Griechischen, Lateinischen und Französischen genommen hat. So ist denn die Sprache von England, welche vor achtzehnhundert Jahren noch die alte Brittische oder Wallische war, nunmehr eine Mischung vom Angelsächsischen, Altdeutschen, Holländischen, Dänischen, Normannischen, und vom neueren Französischen geworden, und mit Griechisch und Latein ausgeschmückt. (CALINO 1787–1792: 552): […] nuestra lengua es una mina, que cuanto más se cava, más riquezas va descubriendo. De ella podemos echar mano en cualquiera asunto literario que emprendamos. (GARCÉS 1791: I, XXIV): Riqueza llamo yo de una lengua, á mas de la abundancia de palabras, aquellos singulares modos que ella tiene de variar natural y oportunamante una misma expresion, variandose así la elocucion, y el número; de lo qual sírvaos por todo de exemplo aquel vario aprobar la opinion, ó parecer ageno, que usan nuestros Autores quando dicen: que me place: eso creo yo muy bien: así es la verdad: tu estás en lo cierto: contigo estoy: a ti me atengo: con vos me entierren: y otras varias maneras, que podreis ver especialmente en el amenísimo y copioso Cerván-tes. Riqueza es tambien, y exquisita riqueza de un idioma aquel abundar ciertas peculiares voces de sentidos, y muy naturales significados demas del inmediato y propio, segun que las califican y envisten algunos verbos, qual se ve en la palabra mano la qual supuesto aquel significar natural que lleva con los verbos dar, tomar, alzar y otros; sirve con natural gracia y propiedad para muchas y diversas locuciones; que ora frisan con su ser, ora con alguna alegoría ú metáfora; trayendo a vezes en sí ciertos graciosos proverbios, que dan gran peso y sentido á la diccion: y lo mismo podreis observar en otras muchas voces de nuestro romance, y señaladamente en sus particulas. ([EICHHORN] 1792: 3–4): Aber auch der Reichthum einer Sprache an und für sich selbst genommen kann, weil jeder Reichthum
III. Einheit und Vielfalt relativ ist, das Vorzügliche derselben auch nicht vollkommen bestimmen. Denn es kann eine Sprache in der einen Absicht reich in der anderen arm heissen. Die dänische Sprache z. E. ist die Sprache einer zur See handelnden Nation, sie muß also nothwendig an Ausdrükken reich seyn, die das Seewesen angehen. Und doch ist diese Sprache in jeder anderen Absicht nur arm. ([EICHHORN] 1792: 4–6): Ja der Reichthum kann sich noch weiter erstrekken, und doch kann eine damit versehene Sprache deshalb noch nicht vorzüglich heißen. Man denke hiebey an die persische. Diese Nation hat, nachdem sie die Schriften der Griechen kennen und schätzen gelernt hatte, sich so sehr auf Astronomie, Mathematik, historische und mathematische Geographie, Philosophie und Geschichte, Medicin, Chemie und Grammatik gelegt, daß ihre Sprache dadurch nothwendig von mehr als von einer Seite bereichert werden mußte. Und in der That ist der Reichthum derselben erstaunlich, indem sie 500 Wörter hat, um einen Löwen zu bezeichnen und ein Tausend, die ein Schwerdt bedeuten. Da aber die prosaischen Schriftsteller dieser Nation durch eine unglückliche Nachahmung sich die Schreibart der Dichter zum Muster wählten, und dadurch ins Schwülstige fielen, da diese Sprache bey der Menge von Partikeln, womit sie gleichsam überschwemmt ist, doch die zur Rundung der Perioden erforderlichen nicht besitzt, da ihre Schriftsteller, so gar diejenigen, die für die besten unter ihnen gehalten werden, sich nicht über das Mittelmäßige erheben, so verliert sie sehr viel von der hohen Würde, zu der sie von manchen morgenländischen Philologen erhoben wurde. ([EICHHORN] 1792: 8–9): Dazu rechne ich 1) wenn eine Sprache viel einheimische und eigenthümliche Wörter hat, um die Gegenstände der Gelehrsamkeit, die Stärke der Natur, der Kunst und der Sitten zu bezeichnen. Dadurch verbreitet sich nicht nur die Kenntniß von diesen Dingen sehr leicht unter den großen Geistern, sondern auch die, die sich auf Gelehrsamkeit und Künste legen, können früher und mit geringerer Mühe sich diese Kenntniß erwerben. Was der Mangel des Gesichts dem Blinden, das ist dem Menschen die Armuth seiner Sprache. Sie verhindert, die Dinge gehörig zu unterscheiden, und die Eigen-
Reichtum schaften derselben dem Gedächtniße einzuprägen. Freilich kann man viele Sachen schon dem bloßen Anblikk nach von einander unterscheiden, aber das sind keine andern als solche, an denen der Unterschied der Merkmale handgreiflich ist. Und wie klein, wie unbedeutend ist die Anzahl solcher Sachen? In tausend anderen Fällen findet ein so hervorstechender Unterschied nicht statt. Fehlt es nun an Ausdrükken der Muttersprache, die feinen Schattierungen, die dem Auge entwischen, dem Verstande vorstellen können, so bleiben uns tausend Gegenstände mit ihren Eigenschaften gänzlich verborgen. ([EICHHORN] 1792: 11): Wie weit bleibt in botanischer Rücksicht die lateinische, deutsche nebst den übrigen lebenden Sprachen hinter der hebräischen zurück. ([EICHHORN] 1792: 13–14): Es könnte hier jemand den Einwurf machen, daß man doch auch in der griechischen und lateinischen Sprache einen großen Reichthum von Wörtern finde, die in die Kräuterkunde schlagen, welches man daraus sehen könne, weil selbst die deutschen Botaniker sich griechischer und lateinischer Benennungen in ihrer Wissenschaft bedienen. Allein die Hauptfrage bleibt noch übrig, ob Athen und Rom diese Namen schon gekandt haben. Die Fehler, die man in denselben gegen Grammatik und Prosodie begehet, sollten mich beynahe dahin bringen, daß ich diese Frage mit nein beantworten mögte. ([EICHHORN] 1792: 14): Die Ursach dieses Reichthums liegt in der Fruchtbarkeit des Landes, worinn das hebräische Volk seinen ersten Wohnsitz hatte. Denn je reicher und fruchtbarer ein Land ist, desto reicher an Stammwörtern ist die Sprache. ([EICHHORN] 1792: 26): Der Reichthum der französischen Sprache zeigt sich 1) in der Menge verbindlicher und wohlklingender Ausdrükke, womit dieselbe angefüllt ist. ([EICHHORN] 1792: 29): Denn nach dem Reichthum der Begriffe richtet sich jederzeit der Reichthum der Sprache. (JENISCH 1796: 3): Da der Begriffe und Empfindungen, besonders eines gebildeten Geistes, so viele und mannichfaltige sind, und, nach der Menge und Mannichfaltigkeit derselben, die intellectuelle Vortrefflichkeit des
937 Geistes geschätzt wird: so ist der Reichthum an Worten und Wendungen, wodurch Begriffe und Empfindungen bezeichnet werden, einer der Hauptvorzüge der Sprache. (JENISCH 1796: 6–10): Eine Sprache kann I. reich sein 1) an Wörtern zur unmittelbaren Bezeichnung der sinnlichen Gegenstände. – Durch das bezeichnende Wort wird der Gegenstand gleichsam in die Seele eingeheftet. Daher ist es dem Menschen natürlich, ein jedes Ding, welches seine Sinne mit einem empfindlichen Eindruck berührt, mit einem bestimmten Ausdruck, als mit seinem eigenthümlichen Namen, zu bezeichnen. Die scholastische Philosophie war vielleicht nicht reicher an namentlichen Bezeichnungen ihrer Eintheilungen und Unterordnungen der Begriffe, als die Sprache des Wilden an bedeutungsvollen Ausdrücken für die kleinen Geschäfte des Jagt- Hirten- oder Nomadenlebens, welches er führt; – oder als die Sprache des Handwerkers an Namen zur Bezeichnung der Werkzeuge und des Zubehörs in seinem Gewerbe. So natürlich ist es dem Menschen, die Gegenstände, die sich seiner Beobachtung darbieten, mit Worten zu bezeichnen! Und es ist daher der Natur des Menschen sehr gemäss geschildert, wenn der älteste Geschichtschreiber von dem ersten Menschen sagt, dass er jedem Thier, welches der Schöpfer ihm vorführte, seinen bestimmten Namen beilegte; denn durch diesen Namen ward ihm der angeschaute Gegenstand – Bild für die Einbildungskraft, Merkmal für das Gedächtnis, Subjekt für den urtheilenden Verstand. Je grösser die Menge und Mannichfaltigkeit von Gegenständen ist, welche die Aufmerksamkeit des Menschen reizen, desto beträchtlicher ist auch der Vorrath von Wörtern zur unmittelbaren Bezeichnung der sinnlichen Gegenstände. Denn der Mensch thut hier nichts weiter, als dass er dasjenige, was ihm die äusserlichen Sinne, als von einander verschieden, darstellen, durch ein angemessenes Wort auch nach dieser Verschiedenheit, in die Seele überträgt. Das sinnlichste Merkmal des Gegenstandes bestimmt gewöhnlich auch seine Benennung, und die Etymologie lehrt, dass dieses Merkmal, so weit sie nur immer hinaufsteigen kann, in allen Wurzelwörtern tönt. (Dass übrigens viele Wörter der Sprache auch
938 blossen Zufälligkeiten ihren Ursprung verdanken, z. B. gewisse Farben, Moden u. d. g., ist allbekannt.) So viel Scharfsinn indessen und richtigen Beobachtungsgeist die Etymologie selbst in der unmittelbaren Benennung sinnlicher Gegenstände entwickelt; so macht doch der blosse Reichthum an solchen Benennungen noch nicht den eigentlichen und wahren Reichthum einer Sprache aus. Der Geist schöpft hier wenig aus sich selbst: die äussern Sinne allein sind dazu nöthig, und leiten den Menschen durch die rohesten Eindrücke. Machte diese Gattung von Reichthum den Hauptvorzug der Sprache aus: so würden wir die Sprache der alten Karthager und Phönicier vollkommener nennen müssen, als die griechische. Denn gewiss hatten die berühmtesten Handelsvölker der alten Welt, welche zugleich nach dem Zeugnisse der Geschichte die meisten Erfindungen der Nothwendigkeit, Bequemlichkeit und des Luxus – der alten Welt mittheilten, einen unvergleichbar grössern Reichthum an Wörtern zur Benennung sinnlicher Gegenstände, als – die, auf ihr kleines Ländchen eingeschränkten Griechen, ohne Handlung und ohne Eroberungssucht. – Eben so müssten alsdann auch alle neuere Sprachen desswegen allein schon einen entschiedenen Vorzug vor der griechischen und lateinischen haben, weil unzähliche Entdeckungen, Manufakturen, Handlung, Reisebeschreibungen u. s. w. die erstern mit einem unermesslichen Schatz von Wörtern bereichert haben, welche diesen durchaus mangeln, und umderentwillen es so äusserst schwer, ja bei vielen Gegenständen durchaus unmöglich ist, gelehrte Werke aus neuern Sprachen in die alten zu übertragen; gerade so unmöglich, als wenn wir vollständige Beschreibungen der Handwerke, Manufakturen und Gewerbe – in durchaus klassischen, und, nach dem Wörterbuch, als rein und gebräuchlich anerkannten Ausdrücken, liefern sollten. Bouhours in seinen “Entretiens d’Ariste et d’Eugène” und Stephan in seinem Werke “sur la precellence de la langue françoice” führten daher einen sehr einseitigen Beweis für den Reichthum der Französichen Sprache, wenn sie sich beide auf den Wortvorrath derselben in Gegenständen der Jagd, des Kriegeswesens und in an-
III. Einheit und Vielfalt dern einzelnen Gegenständen des menschlichen Lebens bezogen. Diesen Reichthum der Sprache wollen wir, da er, nach dem Gesagten, bloss die Menge der Wörter betrifft, den extensiven nennen. Aber es giebt noch andere, als unmittelbar sinnliche Gegenstände, welche die Sprache bezeichnet. Diess sind nämlich diejenigen, bei deren Bezeichnung der durch den sinnlichen Eindruck angeregte Geist sich gleichsam auf sich selbst zurückbiegt (reflectirt), dieselben nach sich selbst modelt, und einen Theil seiner geistigen Wirkungen in sie überträgt. Daher entsteht dann ein weit wichtigerer Reichthum der Sprache, nämlich der Reichthum 2) an geistigen Anschauungen und ReflexionsBegriffen oder sogenannten Abstractionen, den ich, weil er die Natur (qualitas) und den innern Gehalt (vis) der Begriffe und Worte betrifft, den intensiven Reichthum nenne. Diese geistigen Anschauungen und Gefühle, und die ihnen entsprechenden wörtlichen Bezeichnungen in der Sprache, machen einen wesentlichen und vielleicht den wesentlichsten Theil der Feinheit und gesammten Bildung einer Sprache aus. Denn nur alsdann erst ist der Mensch fähig, abstracte Begriffe und Worte zu bilden, wenn sich sein Geist zu einer ruhigen und, was noch mehr sagen will speculativen Betrachtung der Gegenstände, und zur feinern Entwickelung seiner Gefühle gewöhnt hat; wenn er den Gegenstand seines Denkens gleichsam mehr selbst bestimmt, als von demselben bestimmt wird; wenn er im Stande ist ihn von allem dem, was das Interesse des unmittelbaren Bedürfnisses für ihn hat, abzusondern, und sich über den ersten, rohesten Eindruck der Sinne, über den ersten Moment der aufwallenden Leidenschaft, zu erheben, und gleichsam der Zuschauer seiner eigenen Handlungen, ich will sagen, der innern Kraftäusserungen seines Geistes, zu werden. (LÓPEZ DE LA HUERTA 1799: VI–VII): […] el error, demasiado general, de creer que la riqueza de la lengua consiste en la multitud de las voces. […] confundir la abundancia con la superfluidad. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 20): Ainsi les mêmes causes qui enrichissent les langues,
Reichtum les chargent également de vices et d’abus, ou d’imperfections. (DENINA 1804: III, 186–187): Il est très naturel, comme nous l’avons dit dans un article précédent, que chaque individu trouve plus belle, plus riche la langue qu’il possède le mieux; et que chaque idiome ait tous les mots nécessaires pour nommer les choses, indiquer les objets connus de la nation qui le parle. Abstraction faite de leur origine plus ou moins noble ou ancienne, les mots sont pour chaque peuple également purs, propres et expressifs. Il est vrai qu’une langue peut avoir plus de termes qu’une autre, pour désigner les objets, ou pour en distinguer les nuances; et à cet égard il n’est point douteux que l’Italien et l’Espagnol ne surpassent le François de plus d’une maniére, et par deux raisons différentes. 1) Parceque l’un et l’autre ont plus retenu du fond de la langue mère; 2) parcequ’ils ont plus de facilité d’augmenter par les mots qu’ils ont pris des langues étrangères ou barbares, puisque ces deux langues de tourner et retourner de différentes façons les mots qu’elles ont hérités tant du Latin, que d’autres idiomes. Elles ont par là non seulement des synonymes proprement dits, mais un plus grand fond de termes pour exprimer les variétés des choses, des personnes et des actions. J’apelle synonymes propres les noms tirés de la même racine, et formés un peu différemment, tels que sont ceux que la langue italienne (pour parler d’abord de celle-ci) a repris du François à qui elle les avoit transmis, et ceux qu’un dialecte particulier qui les avoit originairement pris du Latin, a plus ou moins tronqués, et tournés un peu différemment comme mozzo, et mutilo, sudicio, et sozzo, badia, et abazia, ereditare, et redare, inimico, et nemico, ostaggio, et statico, romito, et eremita, aggrandire, et ingrandire; et une foule innombrable de mots qui ont tantôt retenu, tantôt abandonné la voyelle et surtout l’e initial suivi d’un s, et d’une autre consonne; comme, sperienza, et esperienza, spremere, et esprimere, bevanda, bibita, beveraggio, tous synonymes de pozione. (DENINA 1804: III, 209–210): Les écrivains françois semblent avoir de la peine à convenir que leur langue manque de noms diminutifs; et qu’à cet égard elle cede à l’italienne et à l’espagnole la supériorité. Ils citent, pour répondre à ce reproche, quelques noms vérita-
939 blement diminutifs, tels que fourneau, levreau, perdreaux, pigeoneau, levrette, fillette, houlette, bandelette, on peut encore ajouter livret, bouquin, bouquet, et quelques autres. Mais ces noms sont en très-petit nombre et même de peu d’importance comparativement à la foule innombrable que nous en présentent la langue italienne et l’espagnole, qui dans ce genre de richesse surpassent de beaucoup la latine et l’allemande. L’Italien les forma de toutes les façons dont on les voit formés dans les autres idiomes, tant anciens que modernes. D’abord il en a en ello, d’après les diminutifs latin illus, et ellus, et il a fait catello, vitello, fiumicello. Il en forma en etto, dont il n’avoit point d’exemples dans le Latin. De là viennent libretto, petit livre; fioretto, petite fleur, de flos, flosculus; de là aussi les noms de Ricciardetto, Spagnoletto. Il en forma en uolo, d’après le Latin olus, de filiolus, faseolus, il fit figliuolo, et fagiuolo. (DENINA 1804: III, 214–215): Cependant le François compensa avantageusement le manque de cette classe de mots, par une quantité de noms qu’il tira du fond latin, et que l’Italien et l’espagnol, n’ont pas. Et voilà d’où provient que le nom homo, inexactement prononcé, devint hom, et om; où l’m, n’ayant plus que l’expression de n, devint On. Ce mot venoit si souvent et si facilement à propos, qu’il prit la valeur d’un nom impersonel, faisant le même effet que le si de l’Italien, qui donne au verbe une signification neutre ou passive. Ces termes on mange, on lit, on vit, rendent les termes italiens, si mangia, si legge, si vive, comme ceux-ci rendent les latins estur, legitur, vivitur.
III. Der Reichtum galt als wichtigster Vor-
zug einer Sprache (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel; ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia) und wurde sowohl als Ziel des Ausbaus von Nationalsprachen als auch als Kriterium der ĺ Apologie und des wertenden Sprachvergleichs verwendet (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Zunehmend trat dabei eine begriffliche Differenzierung ein in “nützlichen” Reichtum, der die kommunikative und die kognitive Leistungsfähigkeit einer Sprache befördert (ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache, ĺ kognitive Funktion der Sprache), und “überflüssigen” Reichtum, der eher störend wirkt.
940 1. Der Reichtum und seine Erfassung Als reich galten Sprachen, die über hinreichend viele Wörter für die Bezeichnung aller Ideen verfügten und durch die Variabilität ihres Wortschatzes einen positiven ästhetischen Eindruck hervorrufen konnten (vgl. COMENIUS). LEIBNIZ setzte den Reichthum einer Sprache mit Überfluss an Ausdrücken gleich, der es erlauben sollte, alle verschiedenen Schattierungen von Ereignissen mit bequemen und nachdrücklichen Worten darzustellen. Er forderte, die Wörter einer Sprache nicht nur in alphabetisch geordneten Wörterbüchern zu erfassen, vielmehr sollten sachlich geordnete und von der Sache zum Wort gehende NahmBücher die Vielfalt und den Reichtum einer Sprache deutlich machen. LEIBNIZ’ Überlegungen zur Lexikographie sehen unterschiedliche Arten von Wörterbüchern vor. Neben alphabetisch geordneten etymologischen Wörterbüchern sollten auch die Grund-Wurtzeln einer Sprache geordnet werden, von denen ausgehend die Sprossen hinzugefügt worden sind (ĺ Etymologie). Um den Reichtum einer Sprache zu erfassen, schlägt er auch Wörterbücher der Partikeln (ĺ Partikel), Epitheta, Phrasen, der Prosodien (ĺ Prosodie / Akzent) und Reim-Register vor. Auch MURATORI stellt großen Reichtum für seine Muttersprache fest und fordert die Erfassung von deren Wortschatz im Wörterbuch der Akademie. 2. Reichtum und Beschränkung Im 17. Jahrhundert verstärkte sich jedoch eine Diskussion, in der beliebiger und ungeordneter Reichtum in seinem Wert für die Sprache in Frage gestellt wurde. Normierungsbestrebungen hatten insbesondere aus dem Französischen eine Reihe von Wörtern verbannt, wofür es unterschiedliche Gründe gab (ĺ Normierung). Abgelehnt wurden insbesondere “überflüssige” Fremdwörter, aber auch Synonyme (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen), die sich in ihrer ĺ Bedeutung kaum von anderen unterschieden. Im Ergebnis dieser Normierung wurde der Wortschatz der Standardsprache reduziert, was mitunter auch als Verarmung der Sprache angesehen wurde. In seinen Entretiens d’Ariste et d’Eugène (1671) lässt BOUHOURS der Position, dass ein Aussondern von Wörtern die Sprache keinesfalls bereichert hätte, entgegenhal-
III. Einheit und Vielfalt ten, dass es im Gegenteil sogar zur Perfektionierung beigetragen habe (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Der Reichtum maß sich somit nicht mehr nur an der Menge vorhandener Wörter, sondern auch am Verhältnis von Wörtern und kommunikativen Bedürfnissen. 3. Reichtum und Bereicherung durch Entlehnungen Die Zusammenfassung des reichen Wortschatzes der Sprachen in Wörterbüchern war ein aktuelles Anliegen, das nicht nur normativen und von daher einschränkenden Bestrebungen folgte, sondern auch dem Vorzeigen dieses Reichtums diente. Von daher erklärt sich auch das Bemühen, den Reichtum an eigenen, einheimischen Wörtern nachzuweisen und Abgrenzungen gegenüber Entlehnungen vorzunehmen. In kaum einem europäischen Land fehlte es am Vorwurf der Überfremdung durch französische Einflüsse, die den eigentlichen Wert der Geschichte und Kultur vergessen ließen und durch Oberflächlichkeit ersetzten. Im Traditionsbruch, der gesunde Wurzeln durch kranke französische Überfremdung ersetzte, wurde insbesondere in Spanien eine Ursache der Dekadenz gesehen (ĺ Korruption). Die Dekadenz Spaniens leugneten jedoch im 18. Jahrhundert auch die Verfechter einer Öffnung keinesfalls, ihr sei vielmehr gerade durch Innovationen zu begegnen. Der Beginn des Verfalls wird von ihnen allerdings bereits im 16. Jahrhundert gesehen, als Spanien einen von Europa wegführenden Weg genommen hatte. Mit seiner Gegenreformation habe sich das Land isoliert und einen enormen kulturellen Rückstand eingeleitet, der nicht ohne weiteres aufzuholen sei. In einem Zustand kultureller Depression schienen Anstöße für eine Erneuerung des Landes, für ein Aufholen des Rückstands nur aus dem Ausland kommen zu können. Mit diesem Argument ließen sich Vorwürfe gegen die afrancesados zurückweisen. Diskussionen zu dieser Thematik finden sich bereits im Zusammenhang mit FEIJOOs Teatro crítico universal. FEIJOO, der als Benediktinermönch in Oviedo lehrte und zur herausragenden Persönlichkeit der spanischen Frühaufklärung wurde, verfolgte das Ziel, zum
Reichtum Überwinden von Vorurteilen auf allen Wissensgebieten beizutragen und auf neue Lehren hinzuweisen. Er löste damit eine Welle von kritischen und apologetischen Stellungnahmen aus, in der sich auch das widerspruchsvolle Verhältnis der Spanier zu aus dem Ausland kommenden Gedanken ausdrückt. Diese Widersprüchlichkeit ist auch FEIJOOs eigener Ausgangspunkt in dem 1726 entstandenen Paralelo de las lenguas castellana y francesa, in dem er die spanische und die französische Sprache in ihrer Funktionsfähigkeit miteinander vergleicht. Er misst sie an geläufigen Kriterien wie Expressivität der Wörter, angenehmer Klang (ĺ Wohlklang) und Wortreichtum. Als letztlich einziges objektives Kriterium für den Sprachvergleich wird von FEIJOO nur der Wortreichtum anerkannt und sogleich für eine ĺ Apologie des Spanischen genutzt. Insbesondere viele zusammengesetzte spanische Wörter hätten weder im Französischen noch in anderen Sprachen außer dem Griechischen Entsprechungen. Sogar BACON habe darauf hingewiesen, dass der Inhalt des spanischen Wortes desinvoltura (‘Ungezwungenheit’) im Englischen, Lateinischen, Italienischen und Französischen nicht ausgedrückt werden könne, dagegen habe das Spanische dafür sogar noch zwei äquivalente Wörter: despejo und desembarazo. Die Betonung des Wortreichtums der spanischen Sprache verbindet sich jedoch bei FEIJOO mit Angriffen gegen ihre Überfremdung durch Entlehnung aus dem Französischen. Er appelliert an das Nationalgefühl der Spanier, wenn er das Französieren der spanischen Sprache als ein Zeichen der Unterwürfigkeit gegenüber einer anderen Nation kennzeichnet. Unter Berufung auf ALDRETE nennt er Beispiele aus der spanischen Geschichte, wo die Sprache trotz fremder Besetzung beibehalten wurde. Am Beispiel der Sprache wird hier eine Haltung deutlich, die bei FEIJOO in bezug auf viele Gegenstände wiederzufinden ist. Neuerungen, auch Entlehnungen, werden bejaht, wenn sie nützlich sind und nicht zu einfachen modischen Dopplungen gegenüber Vorhandenem und Bewährtem führen. Der Vorwurf des Traditionsbruchs und der Überfremdung gewinnt jedoch schon mit der Diskussion um
941 FEIJOOs Teatro crítico eine Ausprägung, die auch das Verhältnis zur eigenen Sprach- und Texttradition in den Mittelpunkt stellt. Hinter der Frage nach der Notwendigkeit bestimmter Gallizismen und ĺ Neologismen verbirgt sich freilich auch die Diskussion um die Rezeption aufklärerischer Konzepte. Neben einer gründlichen theologischen Bildung betrachtet SÁNCHEZ VALVERDE in seinem El Predicador (1782) als eine unabdingbare Voraussetzung für wirksame Rhetorik eine gute Kenntnis der Sprache in ihrem allgemeinen ĺ Gebrauch. Der Prediger sollte nicht den Fehler begehen, fremde oder veraltete Wörter zu verwenden oder seine Gedanken durch unübliche Metaphern und Anspielungen zu verkleiden (ĺ Metapher). Man unterscheide verschiedene Eigenschaften der Sprachen, was aber für das Spanische zähle, sei einzig und allein die pureza. Es reiche nicht aus, diese einfach durch die natürliche Erziehung erworben zu haben, denn in allen Städten, Höfen und Häusern gebe es Mischungen von Sprachen. Der Redner müsse sich dagegen an den Autoren des siglo de oro orientieren. Keinesfalls sei eine Bereicherung der spanischen Sprache vom Französischen zu erwarten, man müsse sich eher an die klassischen Sprachen halten, die das Spanische bereits an seinen Ursprüngen genährt hätten. Gallizismen würden vielmehr das Ohr beleidigen und nur denjenigen gefallen, die einer Mode entsprechend und die eigene Sprache schlecht beherrschend, sich einer fremden Sprache bedienen wollten, die gerade einmal mit ihrem Ausbau und ihrer Vervollkommnung begonnen habe. Zeichen des infantilen Stadiums, in dem sich das Französische befinde, sei insbesondere seine Aussprache, die zur Häufung von mehrdeutigen Formen führe. Es sei erstaunlich, dass FEIJOO in seinem Vergleich des Französischen und des Spanischen gerade diesen für das Kastilische so vorteilhaften Punkt ausgespart habe. Verwerflich sei es, wider besseres Wissen umständliche Anspielungen und Klauseln, Metaphern (ĺ Metapher) und Fremdwörter zu verwenden, wenn die eigene Sprache über einfache und erhabene Ausdrucksmittel verfügt. Die Berufung auf die Tradition für die Gestaltung des Sprachverhaltens ist hier zweifa-
942 cher Art. Einerseits hat man sich an den Autoren des siglo de oro zu orientieren. Wenn dies nicht ausreicht, stehen noch ältere Traditionen, nämlich die Ausdrucksmöglichkeiten des Lateinischen und des Griechischen als Lehnquellen zur Verfügung, die ohnehin die Anfänge der spanischen Sprache genährt hätten. Eine solche Berufung auf möglichst alte Sprachen als Quelle des Spanischen mit dem Zweck der Begründung seiner Dignität reicht in das 16. Jahrhundert zurück. Die gelehrte Traditionslinie der Aufklärung auf der iberischen Halbinsel begründete ihr Sprachbewusstsein jedoch nicht nur retrospektiv. Sie verfügte über beachtliche Beziehungen zu anderen europäischen Ländern und verband diese mit einem reflektierten Traditionsbezug auch im eigenen Sprachbewusstsein. Eine Aufwertung zur Schlüsselfigur erfuhr in diesem Sinne der Valencianer MAYANS, der vor allem wegen seiner rechtswissenschaftlichen Arbeiten auch im Ausland bekannt war. Der wichtigste sprachtheoretische Teil seines enzyklopädisch angelegten philologischen Vorhabens einer Aufbereitung der spanischen Tradition ist die Herausgabe des schon zwei Jahrhunderte vorher entstandenen Diálogo de la lengua von VALDÉS zusammen mit MAYANS’ eigenen Orígenes de la lengua española (1737). Aktuell war der Diálogo für MAYANS nicht nur als erster systematischer Versuch einer Darstellung des Ursprungs der lengua castellana, sondern auch durch die Art und Weise, wie VALDÉS ĺ Ursprung und Entwicklung der Sprache mit der Geschichte des Volkes und der Gesellschaft verband. Nach einem knappen Referieren der Sprachursprungslehre (ĺ Ursprung) des Alten Testaments wendet sich MAYANS den Eigenschaften der ĺ Ursprache zu und greift damit in die Diskussion um mögliche Vorzüge einer Sprache ein, die in Spanien eine bis ins 16. Jahrhundert zurückgehende Tradition hat (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). 4. Reichtum (abundantia) vs. Überfluss (copia) Das wenige Jahre zuvor von FEIJOO hervorgehobene Kriterium des Wortreichtums nimmt MAYANS auf, modifiziert es jedoch in einer Weise, die für die theoretische Fundierung
III. Einheit und Vielfalt der Synonymenproblematik wichtig werden konnte (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). Ausschlaggebend für den Wortreichtum als Vorzug einer Sprache im Sinne MAYANS’ (abundancia) ist nicht wie für FEIJOOs copia einfach das Vorhandensein von Wörtern, die es in anderen Sprachen nicht gibt, sondern die Fähigkeit einer Sprache, alle Ideen mit genau unterschiedenen Wörtern zu bezeichnen. Neben der abundancia betrachtete MAYANS die Ausdruckskraft (fuerza de expresión) und die Sanftheit (suavidad) als Vorzüge einer Sprache (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Auch in Deutschland hatte sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Meinung durchgesetzt, dass nicht näher bestimmter Reichtum kein Kriterium für den Wert einer Sprache ist. In Zedlers Universallexicon wird der Ausdruck gleichgültige Wörter verwendet, der auf das belanglose Anhäufen von semantisch undifferenzierten Wörtern hindeutet. Eine Sprache könne zehn Ausdrücke für die gleiche Sache haben, damit werde sie jedoch nicht wirklich reich, sondern biete nur Möglichkeiten des variablen Gebrauchs, was der zierlichen Rede diene. TIEDEMANN möchte den Reichtum einer Sprache nicht mit Überfluss an Wörtern gleichsetzen, sonder er setzt den Nutzen als wichtiges Kriterium für wirklichen Reichtum an. Dieser Nutzen bestehe in der mehr oder weniger geschickten Bezeichnung der Gedanken. In diesem Zusammenhang unterscheidet TIEDEMANN zwischen zwei Arten von Reichtum. Der relativische Reichthum bestehe in der Fähigkeit, alle Gedanke der Sprecher zu bezeichnen. Über diese Art von Reichtum verfügten alle Sprachen, denn die Menschen würden für Dinge, mit denen sie ständigen Umgang haben, auf jeden Fall Namen finden, und für Dinge, die sie nicht brauchen, würden sie die Namen vergessen. Davon unterscheidet TIEDEMANN den absoluten Reichthum, der darin bestehe, dass eine Sprache geschickt ist, die Mannigfaltigkeit der nützlichen Begriffe, die Menschen als Menschen haben können, anzuzeigen. Absoluten Reichtum schreibt er dem Griechischen, dem Lateinischen und einigen neueren Sprachen zu, während das Irokesische, das Lappländische und die Sprachen einiger weiterer wilder Völ-
Reichtum ker sehr arm seien. Geographische oder klimatische Faktoren lässt er für die Entwicklung zu einer reichen Sprache nicht gelten, es sei vielmehr die Lebens-Art der verschiedenen Völker, ihre Sitten, ihr Umgang mit andern Nationen, die sprachlichen Reichtum hervorbringen würden. Die Entwicklung von Reichtum einer Sprache wird, dem aufklärerischen Fortschrittsglauben folgend, als natürliche Entwicklung, aber durchaus auch als nationales Ausbauziel dargestellt (AUBERT, Kratkija pravila Rossijskoj Grammatiki, CAPMANY). Auch für eher exotische Sprachen wird eine Perspektive der Bereicherung aufgezeigt. So kennzeichnet IHRE in seinem Lexicon Lapponicum (1780) die lappländische Sprache als durchaus reich im Alltagsgebrauch, sie müsse nur um die für die Wissenschaften erforderlichen Termini erweitert werden, was für den Bereich der Religion bereits geschehen sei. Als Reichtum wurde insbesondere gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch die Fähigkeit bezeichnet, über Bedeutungsveränderungen neue Bezeichnungsmöglichkeiten zu erschließen (ĺ Bedeutung). Auch die Möglichkeit, über Partikeln (ĺ Partikel) bestimmte Nuancierungen des Ausdrucks hervorzubringen, wurde als Reichtum einer Sprache gekennzeichnet (GARCÉS). 5. Reichtum im wertenden Sprachvergleich Im wertenden Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus) wird Reichtum der Sprache häufig mit Reichtum an Ideen bei ihren Sprechern gleichgesetzt (BLANCHET). Dies bedeutet zunächst noch nicht, dass einer reichen Sprache ein vorteilhafter Einfluss auf das Denken zugestanden würde. Dennoch kam es auch zur Feststellung der kognitiven Bevorzugung der Sprecher reicher Sprachen. MICHAELIS weist reichen Sprachen die Verantwortung dafür zu, dass ihre Sprecher auch als Ungelehrte mehr wüssten und dass man bereits als Kind viel über die Sprache mitbekommen würde, wofür man sonst viel Zeit aufwenden müsste. Den Reichtum betrachtet er als den wichtigsten Vorzug einer Sprache (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Er bestehe darin, dass man alles mit einem deutlichen und einheimischen Wort bezeichnen
943 könne und dabei auch in der Lage sei, eine positive, eine negative und eine neutrale Haltung zu der Sache auszudrücken. Eine Sprache werde so lange reich bleiben, wie das sie sprechende Volk sich den Wissenschaften widmet und die dabei gewonnenen Erkenntnisse auch verbreitet. Wenn es dies nicht mehr tut, werde die Sprache zum unwiderruflichen Schaden für das Denken und die Wissenschaft ärmer. Als Beispiel für eine reiche Sprache führt MICHAELIS die arabische und die hebräische Sprache an, die so viele Bezeichnungen für Gegenstände aus dem Bereich der Natur hätten, dass sie zwangsläufig zu umfangreichen Kenntnissen davon führen würden. Im wertenden Sprachvergleich spielte das Vorhandensein größeren Reichtums in einer Sprache als in anderen Sprachen eine wichtige Rolle, wobei sich die Argumentation hier auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter sprachlicher Mittel konzentrierte (ĺ besonderer Charakter einer Sprache; ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Auffällig waren dabei vor allem differenzierte Benennungsmöglichkeiten für bestimmte Begriffsbereiche in exotischen Sprachen. Wenn zum Beispiel im Persischen fünfhundert Wörter für einen Löwen und tausend für ein Schwert vorliegen, so heißt das, dass diesen Gegenständen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde und dass es Anlass gegeben haben muss, die verschiedenen Gesichtspunkte, unter denen sie vorstellbar sind, zu differenzieren. Ebenso wurden in Missionarsschriften zahlreiche Bezeichnungen für Gegenstände der natürlichen Umgebung festgestellt, während Benennungen abstrakter Begriffe fehlten. Auch morphologische Möglichkeiten einzelner Sprachen wurden auf diese Weise mit anderen Sprachen kontrastiert. Zum Beispiel spielten die Diminutiva, die im Italienischen im Gegensatz zum Französischen vorhanden sind, eine wichtige Rolle (vgl. MURATORI). Schließlich erscheint der Reichtum auch als Kriterium im wertenden Sprachvergleich bei EICHHORN und JENISCH (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, ĺ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia). Dabei stehen bei EICHHORN deutlich die kognitiven Eigenschaften der Sprache im Vordergrund. Armut an Wörtern lässt den Menschen Unter-
944 scheidungen bei den Dingen nicht wahrnehmen. Er vergleicht diesen Umstand sogar mit der Blindheit: die Sprache ist für ihn also ein Zugang zur Wirklichkeit, der sich bei nicht hinreichenden Differenzierungen auch negativ auswirken kann. Ob er letztlich wirklich von einer kognitiven Beeinflussung durch Sprache ausgeht, bleibt allerdings unklar, denn er nimmt den Reichtum der Begriffe, dem der Reichtum der Sprache folge, als Grundlage an (ĺ kognitive Funktion der Sprache). Für die Ausprägung des Reichtums in einer Sprache gibt EICHHORN dann allerdings eine sehr mechanische Erklärung: Das Hebräische sei so reich, da ein reiches und fruchtbares Land mehr Stammwörter hervorbringe. Auch bei JENISCH wird der Reichtum der Sprache als Folgeerscheinung des Reichtums der Ideen eines Volkes gekennzeichnet. Er unterscheidet Arten des Reichtums einer Sprache: als extensiven Reichthum bezeichnet er die Benennungen der sinnlichen Gegenstände. Als intensiven Reichthum bezeichnet er die Wörter für die geistigen Anschauungen und Reflexions-Begriffe oder Abstractionen. Am Ende des 18. Jahrhunderts war die Zwiespältigkeit des Reichtums deutlich geworden. Einerseits galt er als Vorzug einer Sprache, der die Benennung und Kommunikation der Gedanken ermöglichte und über differenzierte sprachliche Benennungen das Erfassen von Unterschieden auch für die menschliche Kognition erlaubte. Andererseits führen die Gründe der Bereicherung jedoch auch zu Mängeln, ĺ Missbrauch und Unvollkommenheit (THIÉBAULT; ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Auffällig ist auch, dass in beiden Jahrhunderten die Kategorie des Reichtums stets auf lexikalische Erscheinungen bezogen wird. Fast ausnahmslos steht der Wortreichtum im Blickpunkt, allenfalls werden Partikeln (ĺ Partikel) oder Wortbildungsmöglichkeiten (ĺ Wortbildung) einbezogen. Diese Reduzierung des Begriffs ‘Reichtum’ auf das in Wörterbüchern Erfassbare entspricht dem Sprachbegriff der Zeit, der vor allem die sprachlichen Zeichen als benennende Größen im Blick hatte.
IV. Da sich der Reichtum einer Sprache wissenschaftlichem Zugriff entzieht, ging der Begriff nicht in die Sprachwissenschaft nach
III. Einheit und Vielfalt dem 18. Jahrhundert ein. Eine Beschreibung des Wortreichtums im Sinne einer differenzierenden Betrachtung von Wortbedeutungen fand jedoch in der Synonymik eine gewisse Kontinuität (ĺ Synonyme / Bedeutungsrelationen). Auch in sprachrelativistischen Konzeptionen des 20. Jahrhunderts (WEISGERBER, TRIER, WHORF) fand die Idee, dass Reichtum an Benennungen in einer Sprache für die Erkenntnismöglichkeiten der Sprecher von Vorteil sei, eine Fortsetzung. Dabei wird jedoch auf die Möglichkeiten des Ausgleichs durch die Kombination sprachlicher Mittel Wert gelegt. Auch im alltäglichen metasprachlichen Bewusstsein prägte sich die Einsicht aus, dass keine Sprache auf allen Gebieten reich sein kann, dass aber jede für die Benennung in bestimmten, ihren Benutzern besonders nahe liegenden Bereichen als reich betrachtet werden muss.
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945 George Arthur (1985): Grammatical Theory in Western Europe 1500–1700. Trends in Vernacular Grammar. Cambridge: Cambridge University Press. Gerda Haßler
Universelle Geltung I. Dt. die allgemeine Sprache von Europa, Sprache der höhern Stände in dem ganzen kultivirten Europa, allgemeine Ausbreitung der französischen Sprache, frz. langue universelle, la Langue universelle de l’Europe; moins la Langue de la France, que celle de l’Europe entiere, span. la [lengua] mas conocida, y celebrada el dia de oy, un Idioma, con muchas partidas de universal. Universelle Geltung wurde im 17. und 18. Jahrhundert vor allem der französischen Sprache zugewiesen. Als Begründung hierfür wurden neben der zirkulären Erklärung, dass die französische Sprache weithin im ĺ Gebrauch sei, auch innersprachliche Eigenschaften genannt (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, ĺ Klarheit, ĺ Wohlklang; ĺ Reichtum). Hier sollen lediglich Beispiele der damit verbundenen Diskussion vorgestellt werden. II. (BOUHOURS 1671: 36–38): Enfin pour
moy, comme je suis toûjours dans le dessein de voyager, si j’avois quelque chose à demander à Dieu pour la commodité de la vie, je croy que je luy demanderois le don des langues, ou du moins vn peu du genre de ce Postel si renommé au siecle passé par la connoissance des langues, & qui se vanta vn jour en presence de Charles IX. de pouvoir aller sans truchement jusqu’au bout du monde. Toutes vos raisons, dit alors Eugene ne me donneront pas l’envie d’apprendre le Flamand: je laisse à vôtre docteur ces connoissances infinies, qui l’ont fait passer de son temps pour un prodige. Je craindrois, poursuivit-il en riant, que si je menois à parler tant de sortes de langues, on ne me prist dans le monde pour vn possedé. Au-moins vous seriez bien aise, dit Ariste, que toutes les langues fussent réduites à vne seule, & que tous les peuples s’entendissent comme nous nous entendons,
& comme ils s’entendoient autrefois. Je n’en serois pas fasché, répliqua Eugene, pourveu que nôtre langue fust cette langue universelle, & que toute la terre parlast François. Vous avez raison de prendre ce parti-là, répondit Ariste, car parlant aussi bien que vous faites, vous perdriez trop, si l’on ne parloit plus qu’Allemand ou bas Breton. Mais vous n’avez rien à craindre de ce costé-là, ajoûta-til, vous devez plûtost esperer que vos souhaits seront un jour accomplis. On parle déja François dans toutes les Cours d’Europe. Tous les Étrangers qui ont de l’esprit, se piquent de sçavoir le François; ceux qui haïssent le plus nôtre nation, aiment nôtre langue: dans le pays où nous sommes les personnes de qualité en font une étude particulière, jusqu’à négliger tout-à fait leur langue naturelle, & à se faire honneur de ne l’avoir jamais apprise. Les dames de Bruxelles ne sont pas moins curieuses de nos livres que de nos modes; le peuple mesme tout peuple qu’il est, est en cela du goust des honnestes gens: il apprend notre langue presque aussi-tost que la sienne, comme par vn instinct secret qui l’avertit malgré luy, qu’il doit vn jour obeïr au Roy de France comme à son legitime maistre. (JARON 1688: Al Lector): Siendo la Lengua Francesa la mas conocida, y celebrada el dia de oy, no solo en la Europa, sino en las mas remotas Provincias del Orbe, como lo testifican, el enviar los Niños desde el Reyno de Siam, a Paris, para que la aprendan: y la gloria de que en el Exercito Imperial, sea la mas frequente, pareçe ocioso cualquier Elogio, pues con tales apoyos se manifiesta bien su grandeza. (MURATORI 1706: 640): Crescerebbe parimente fuori d’Italia il pregio della nostra Lingua; e siccome per tutte le provincie dell’Europa, e in altre parti della Terra ella oggidí si
946 studia, e con piacere si parla, molto piú ciò si farebbe, ove maggiore utilità trar se ne potesse per la copia delle cose per mezzo di lei pubblicate. Ed è ben piú facile alle altre Nazioni l’apprendere questa, che altra Lingua, non tanto perché essa è la piú legittima figliuola della Latina, quanto per altri riguardi ancora, che non concorrono in altri Idiomi. (WESTENHOLZ 1713, zit. in STOROST 1994: 5): […] nous ne voyons pas d’abord notre propre langue capable d’exprimer les choses dont ces Sciences traitent. […] Et en considerant de quelle maniere la Langue Françoise s’introduit insensiblement, peut-être sera-il permis d’augurer avec plusieurs Sçavants qu’elle succedera à la Latine […] la langue des François […] s’est introduite & s’introduit encore par sa douceur, par sa beauté, par son utilité, & par sa necessité. (MAUPERTUIS [1746/1750] 1900: 313): Ce sont la perfection de la langue même, l’abondance que nos progrès dans tous les arts et toutes les sciences y ont introduite, la facilité avec laquelle on peut s’y exprimer avec justesse sur toutes sortes de sujets, le nombre innombrable d’excellents livres écrits dans cette langue. (JUAN DE LA CONCEPCIÓN: Zensurbericht, in GALMACE 1748): […] pocos havrà tan rudos, ò tan desidiosos, que quieran privarse de la instrucción de un Idioma, con muchas partidas de universal. (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, Dessein de cet ouvrage, III): La Langue Françoise est depuis plus d’un demi siecle, moins la Langue de la France, que celle de l’Europe entiere. (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, Dessein de cet ouvrage, IV): Telle qu’elle est enfin; soit goût, ou raison; soit effet de son mérite, ou celui d’une rencontre singuliere de conjonctures; elle est devenue la Langue universelle de l’Europe; & il ne paroît pas qu’aucune révolution puisse lui faire perdre si tôt l’ascendant qu’elle a pris sur les Langues. (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, Dessein de cet ouvrage, XIV): Si la langue Allemande est celle du Monarque dans les combats, la Françoise l’est partout ailleurs. C’est celle du Sage, du Législateur, du Philosophe, de l’Homme de lettres & de l’Homme aimable.
III. Einheit und Vielfalt (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, IV, 236): Je ne doute point effectivement qu’on n’eût mieux fait de garder la Langue Latine pour la Langue vulgaire de la France, & pour la Langue universelle de l’Europe; ou beaucoup mieux, la Langue Grecque, selon l’avis du très digne & très illustre Secrétaire de l’Académie royale de Gottingue, le savant M. Michaelis, dans l’excellente Dissertation qui vient de remporter le prix de notre Académie des Sciences, cette année. (MERIAN [1778], zit. in STOROST 1994: 15– 16): I) En quoi consistent les prérogatives, ou les avantages extérieurs, dont la Langue Françoise jouit actuellement par-dessus toutes les autres Langues de l’Europe, tant anciennes que modernes? On demande que ces avantages soient exactement dénombrés, et déterminés, tant en général que par voie de comparaison. II) Quelles sont les causes physiques, ou morales, ou mixtes, qui ont fait prendre cet ascendant à la Langue françoise? Comment se sont-elles subordonnées les unes aux autres? Jusqu’où chacune de ces causes a-t-elle concouru à la production de l’effet total? Et comment cet effet a-t-il résulté de leur combinaison? C’est ce qu’il s’agit de développer de la manière la plus lumineuse, et la plus propre à expliquer le phénomène. III) Dans cette grande vicissitude des choses humaines, est-il à croire que la Langue Françoise conserve à jamais les prérogatives dont elle est aujourd’hui en possession? Combien de durée peut-on raisonnablement lui promettre à cet égard? Quels sont les événemens, ou les causes qui pourroient lui faire perdre ces avantages? Enfin, cette révolution supposée, quelles en seront les suites? Y aura-t-il quelque autre Langue qui prendra la place de la Langue Françoise? Et quelle sera cette Langue selon la conjecture la plus vraisemblable? (EBERHARD [1784] 2000: 51–53): Der Vorzug, den seit geraumer Zeit die französische Sprache genießt, die allgemeine Sprache der höhern Stände in dem ganzen kultivirten Europa zu seyn, erregt ebenso natürlich den Neid der Fremden, als den Stolz derjenigen, deren Muttersprache sie ist. Beyde haben ein gleiches Interesse die Ursachen dieses Vorzuges zu untersuchen, und jeder erwartet ohne Zweifel, daß diese Untersuchung zu seinem
Universelle Geltung Vortheil ausfallen werde. Der unpartheyische Philosoph, der den Ursachen der Begebenheiten bloß zur Befriedigung seiner Wißbegierde nachforscht, sieht dem Ausgange seiner Untersuchungen ohne Unruhe entgegen; er hat seinen Zweck erreicht, wie sie auch ausfallen mögen. Welches sind die Ursachen der allgemeinen Ausbreitung der französischen Sprache in Europa? […] Die französische Sprache hat also ihre Aufnahme weder der Eroberung noch der Einwanderung zu verdanken. Was kann sie dann veranlaßt haben? Ich weiß nicht, ob man noch mehr, als drey andere Ursachen wird finden können, warum eine fremde Sprache außer den Gränzen ihres Landes aufgenommen wird. I. Ihr Vortrefflichkeit. II. Die größere Kultur derselben, und die größere Kultur des Volkes, dessen Muttersprache sie ist, und III. der politische Einfluß dieses Volks auf diejenigen, die seine Sprache annehmen. Alle diese Ursachen sind zusammen gekommen, die französische Sprache zu der Allgemeinheit zu verhelfen, der sie genießt; und sie mußten alle zusammen kommen, wenn sie die allgemeine Sprache von Europa werden sollte. (RIVAROL [1784] 1998: 81–82): Leibnitz cherchait une langue universelle, et nous l’établissions autour de lui. Ce grand homme sentait que la multitude des langues était fatale au génie et prenait trop sur la brièveté de la vie. Il est bon de ne pas donner trop de vêtements à sa pensée: il faut, pour ainsi dire, voyager dans les langues, et, après avoir savouré le goût des plus célèbres, se renfermer dans la sienne. Si nous avions les littératures de tous les peuples passés, comme nous avons celle des Grecs et des Romains, ne faudrait-il pas que tant de langues se réfugiassent dans une seule par la traduction? Ce sera vraisemblablement le sort des langues modernes, et la nôtre leur offre un port dans le naufrage. L’Europe présente une république fédérative composée d’empires et de royaumes, et la plus redoutable qui ait jamais existé. On ne peut en prévoir la fin, et cependant la langue française doit encore lui survivre. Les États se renverseront, et notre langue sera toujours retenue
947 dans la tempête par deux ancres, sa littérature et sa clarté, jusqu’au moment où, par une de ces grandes révolutions qui remettent les choses à leur premier point, la nature vienne renouveler ses traités avec un autre genre humain.
III. Das Aufheben der verschiedenen Spra-
chen in einer, die allen zur Verständigung dienen würde, entsprach einem alten Menschheitstraum, der jedoch mit der Entstehung und ĺ Normierung von Nationalsprachen an Bedeutung verlor. Neben der Schaffung von Universalsprachen auf der Basis logischer Konstrukte (ĺ Universalsprache) wurde vielmehr die Diskussion um den Wert der Sprachen in eine Richtung entwickelt, die die Frage nach dem Übernehmen der universellen Funktion durch eine Nationalsprache ermöglichte. Prädestiniert für diese Rolle war das Französische, das an den Europäischen Höfen gebraucht wurde und auch in der Wissenschaft und der Philosophie zunehmend das Lateinische abgelöst hatte. In seinen Entretiens d’Ariste et d’Eugène (1671) lässt BOUHOURS die Frage nach einer universellen Sprache stellen und verschiedene Sprachen, unter anderem das Flämische, das Deutsche und das Bretonische dafür in Betracht ziehen, um schließlich bei der Entscheidung für das Französische anzukommen (ĺ Universalsprache). Die Begründung hierfür liefert ihm der ĺ Gebrauch dieser Sprache, die an allen Höfen Europas verwendet werde. Alle Ausländer, selbst diejenigen, die die französische Nation hassen, bemühten sich sehr um den Erwerb ihrer Sprache, was auf deren Qualitäten zurückzuführen sei (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Unter den Franzosen gebe es einige personnes de qualité die sich um die Erforschung und Verbesserung ihrer Sprache verdient gemacht hätten. Schließlich erwähnt er auch die faktisch bereits gegebene Verdrängung der Minoritätensprachen in Frankreich. Selbst das flämische Volk würde von Anfang an Französisch lernen und diese Sprache fast so gut wie die eigene beherrschen, weil es einsehen würde, dass es dem französischen König zu dienen habe. Diese Einschätzung mag die realen Verhältnisse im Sinne einer universellen Frankophonie beschönigen, sie widerspiegelt aber die
948 Haltung der sprachlichen Gesetzgeber in Frankreich, denen andere Länder wenig entgegenzusetzen hatten. Der Wunsch MURATORIs nach einem universellen Studium des Italienischen erweist sich demgegenüber als eher hoffnungslos, obwohl er ihn damit begründet, dass das Italienische am ehesten die legitime Tochter des Lateins sei. Einen Höhepunkt fand der Gebrauch des Französischen am Preußischen Hof unter FRIEDRICH II., der französische Gelehrte an die Akademie berufen ließ und sich selbst dieser Sprache bediente. Auf die Situation des Französischen in Deutschland hatte schon 1713 der Hannoveraner WESTENHOLZ in seiner Dissertation académique sur l’Usage de la Langue françoise en Allemagne aufmerksam gemacht. Das Französische sei den Nachbarvölkern aufgrund der Leistungen der Franzosen in den Wissenschaften und schönen Künsten angenehm geworden. Das Streben der Menschen nach Wissen führe auch in Deutschland dazu, diese Sprache zu lernen, da man der eigenen Sprache eine für die Wissenschaften angemessene Ausdrucksfähigkeit nicht zutraue. Als Gebiete, auf denen das Französische in Deutschland Einzug gehalten hat, nennt WESTENHOLZ Kriege, Handel, Naturwissenschaften, Literatur, Medizin, Mathematik, Physik, Theologie und Jura. Aufgrund seiner Sanftheit, Schönheit, Nützlichkeit und Notwendigkeit würde das Französische bald das Lateinische aus den Wissenschaften verdrängen (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Nach der Thronbesteigung FRIEDRICHs II. 1740 kam es zu einem organisatorischen und inhaltlichen Umbruch der 1700 unter dem Präsidenten LEIBNIZ gegründeten Berliner Akademie. FRIEDRICH gelang es, den französischen Gelehrten MAUPERTUIS als Präsidenten zu gewinnen. Fortan wurde die Akademie nach dem Modell der Pariser ausgerichtet, was zur Veröffentlichung der Abhandlungen, Tätigkeitsberichte und Nekrologe in französischer Sprache führte. In der Praxis der Akademie wurden alle deutsch oder lateinisch zur Veröffentlichung eingereichten Texte vom ständigen Sekretär FORMEY ins Französische übersetzt. MAUPERTUIS, der des Deutschen nicht mächtig war, begründete in einer Rede über die Aufgaben der Akademiemitglieder
III. Einheit und Vielfalt den durchgängigen Gebrauch der französischen Sprache mit folgenden Argumenten: 1. die Perfektion der französischen Sprache (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel), 2. der ĺ Reichtum der französischen Sprache infolge des Fortschritts in den Künsten und Wissenschaften; 3. die Leichtigkeit, mit der in französischer Sprache über alle Themen richtig gesprochen werden kann, 4. die Vielzahl der ausgezeichneten, in französischer Sprache vorliegenden Bücher, 5. die Besonderheit der französischen Sprache, komplizierte Dinge geistvoll und einfach auszudrücken. Im Umkreis der Akademie und unter den in Berlin lebenden Franzosen kam kein Zweifel an der führenden Rolle des Französischen auf. Einer von ihnen, PRÉMONTVAL, proklamierte das Französische zur universellen Sprache Europas, eine Rolle, die ihm keine Sprache streitig machen könne. Auch der preußische König würde sich als Weiser, Gesetzgeber, Philosoph, Gelehrter und liebenswürdiger Mann der französischen Sprache bedienen, und nur auf Kriegszügen das Deutsche verwenden. Dennoch waren die in Berlin lebenden Franzosen relativ isoliert von den Vorgängen der französischen Aufklärung und hatten auch sprachliche Besonderheiten angenommen. Nachdem MAUPERTUIS Präsident geworden war, gelang es, eine Reihe bedeutender ausländischer Gelehrter für die Akademie zu gewinnen: D’ALEMBERT, VOLTAIRE, MONTESQUIEU, den Mathematiker und Naturforscher LA CONDAMINE, den Biologen LINNÉ. Nach MAUPERTUIS’ Tod versuchte FRIEDRICH D’ALEMBERT für das Präsidentenamt zu gewinnen, dieser widersetzte sich jedoch. Schließlich bestimmte sich FRIEDRICH 1764 selbst zum Präsidenten und führte die frankreichzentrierte Wissenschaftspolitik weiter. Den Kreis um die Allgemeine deutsche Bibliothek NICOLAIs oder einen HERDER nahm FRIEDRICH überhaupt nicht zur Kenntnis. Die sich selbst im Land isolierende Akademie blieb französischsprachig und war durch zahlreiche französische Intellektuelle, Hugenotten und deren Abkömmlinge sowie eine Reihe Schweizer geprägt. Die philologische Klasse bestand Anfang der achtziger Jahre im Wesentlichen aus Lehrern der Ritterakade-
Universelle Geltung mie, Direktor der Klasse war MERIAN, Inspektor und Professor für Philosophie am Collège français in Berlin. Die Französierung des Adels hatte der Entwicklung eines Nationalgefühls und der Ausbildung der Nationalsprache entgegengewirkt. Dass die Ausbildung der Nationalsprache auf der Tagesordnung stand, führte jedoch auch dazu, die Frage nach den Perspektiven der Universalität des Französischen aufzuwerfen. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Anfechtung des Französischen als Wissenschaftssprache wurde für 1784 schließlich eine Thematik zur akademischen Preisfrage erhoben, die bereits in der öffentlichen Diskussion Aufsehen erregt hatte: Was hat die französische Sprache zu einer Universalsprache in Europa gemacht, wodurch verdient sie diese Stellung und wird sie sie vermutlich weiter behalten? (Qu’est-ce qui a fait de la langue françoise la langue universelle de l’Europe? Par où mérite-t-elle cette prérogative? Peuton présumer qu’elle la conserve?) Erst nach dem Tode FRIEDRICHs (1786) wurde für 1793 – diesmal allerdings nicht von der philosophischen Klasse – ein Wettbewerb über die Vervollkommnung der deutschen Sprache ausgeschrieben, der von CAMPE gewonnen wurde. Die Ausschreibung der beiden Themen fand in einer Zeit statt, in der das Französische als Wissenschaftssprache an der Akademie in eine tiefe Krise geraten war und schließlich durch das Deutsche abgelöst wurde. Schon in den siebziger Jahren hatte MERIAN in dieser Situation die Frage nach der Zukunft des Französischen angeregt. FRIEDRICHs Schrift De la littérature allemande hatte auf viele Zeitgenossen als Provokation gewirkt und den Widerspruch zwischen dem französisch geprägten Leben des Hofes und teilweise auch der Akademie und der patriotischen Bewegung im Land vertieft. Auf diesem Hintergrund war die Frage nach der Bedeutung des Französischen vielleicht sogar deshalb relevant geworden, weil es sich anbot, die Polemik aus dem Problem herauszunehmen, indem man es als akademische Preisaufgabe stellte. Bereits am 15. Mai 1778 hatte MERIAN den Vorschlag zu einer entsprechenden Frage vorgelegt. MERIAN wünschte eine Bewertung des Französischen im Hinblick auf seine füh-
949 rende Position in Europa und eine Wichtung des Anteils der einzelnen möglichen Faktoren, die zum Aufschwung des Französischen beigetragen haben. Und nun schließt MERIAN die Frage nach der künftigen Position an. Eine solche Frage drängt sich nur dann auf, wenn es Gesichtspunkte gab, die an der führenden Rolle Zweifel aufkommen ließen. MERIAN fragt sogar schon, wie lange es wohl mit dem Französischen so weitergehen wird und welche Umstände es aus seiner privilegierten Position verdrängen könnten. Folgerichtig ergibt sich die Frage, welche Sprache nach aller Wahrscheinlichkeit die Stellung des Französischen in Europa einnehmen könnte. Zwar war es nicht gleich 1778 zur Ausschreibung der von MERIAN angeregten Frage gekommen, bei der Brisanz der Diskussion, die FRIEDRICHs Visionen über die deutsche Sprache ausgelöst hatten, ist es jedoch nicht verwunderlich, dass man 1782 darauf zurückgriff und sie für 1784 ausschrieb. Den Preis teilten sich schließlich RIVAROL und SCHWAB, die als Repräsentanten der gegenüberstehenden Positionen betrachtet werden können. Die Kriterien, die lange Zeit das Festhalten am Französischen als Wissenschaftssprache gestützt hatten, bildeten bei den Antworten zu der Preisfrage das gängige, teils apologetische, teils auch kritisch hinterfragte Gerüst für die Auseinandersetzung mit dem Problem (ĺ Apologie). Auch hier bediente man sich, vor allem was die Begründung von Vorteilen und Nachteilen betrifft, universalistischer Argumente (ĺ Universalität und Verschiedenheit). So begründet RIVAROL die besondere Stellung des Französischen damit, dass es den allgemeingültigen Gesetzen des Denkens, etwa der natürlich festgelegten Reihenfolge der Gedanken, am besten entspreche (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Er greift damit in der Sprachdiskussion des 18. Jahrhunderts bereits widerlegte sprachtheoretische Argumente des Rationalismus wieder auf und ordnet sie in apologetische Zusammenhänge ein. Die Logik, die dem Phänomen der Universalität innewohnt (ĺ Universalität und Verschiedenheit), trug dazu bei, dass bestimmte Argumente oder Fakten immer wieder als beweiskräftig angeführt werden. Daraus ent-
950 steht auch der Eindruck eines Gleichklangs der Argumentation bei den beiden Preisträgern RIVAROL und SCHWAB. Genannt werden bei SCHWAB und anderen vor allem folgende Ursachen der Universalität des Französischen: die Natur der französischen Sprache (Leichtigkeit, Regelmäßigkeit, ĺ Klarheit, Ausbildung), die Qualität der französischen Nation, die französische Außenpolitik. Bei EBERHARD, einem Hallenser Philosophen, der sich gleichfalls beteiligte, liest man als Gründe: die Vortrefflichkeit des Französischen (Perfektion, ĺ Reichtum des Wortschatzes, Deutlichkeit), die überlegene Kultiviertheit dieser Sprache und der Franzosen (Literatur, Geschmack, Vorbildwirkung), die Wirkung nach außen. Die Aufzählung der Preisbewerber, die sich in diesem Gleichklang befinden und die bekannten Topoi wiederholen, ließe sich fortsetzen. Besonders in RIVAROLs Schrift ist festzustellen, dass er die unterschiedlichsten Argumente aus der bisherigen Sprachdiskussion entlehnt und in sehr inkohärenter Weise nebeneinander reiht. Die Feststellung, dass die natürliche Wortfolge, die das Französische habe, am besten den Gesetzen des universellen Denkens folgen würde (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion), steht unvermittelt neben Argumenten, die aus sensualistischen Sprachtheorien entlehnt sind und von einer Verwendung der Sprache für den Ausdruck und die Hervorrufung von Leidenschaften ausgehen. Es kam offensichtlich nicht auf Schlüssigkeit der Argumentation, sondern auf passfähige Ordnung der Topoi an. RIVAROL knüpft dabei geschickt an LEIBNIZ’ Anliegen an, eine ĺ Universalsprache auf logischer Basis zu entwickeln. Dieser große Gelehrte habe richtig erkannt, dass die Vielzahl der Sprachen dem menschlichen Geist abträglich sei und ihm viel Zeit wegnehme. Es sei nicht gut, seinem Denken zu viele Hüllen zu geben, vielmehr solle man die berühmtesten Sprachen kennen lernen und sich danach mit seiner eigenen begnügen. Der universelle Charakter des Französischen im 18. Jahrhundert zeigt sich auch in der Situation dieser Sprache im Fremdsprachenunterricht (ĺ Universalität und Verschiedenheit). Die Selbstverständlichkeit, mit der man von der Überlegenheit des Französischen aus-
III. Einheit und Vielfalt ging, ist jedoch in den einzelnen europäischen Ländern unterschiedlich. Betrachtet man die spanisch-französischen Lehrwerke des 17. Jahrhunderts, so fällt eher ein Anknüpfen an den Diskurs um die Dignität des Spanischen auf. Im Thresor des deux langues Françoise et Espagnolle von César OUDIN (11607) findet sich kein Verweis auf eine herausragende Rolle des Französischen, in der Ausgabe von 1660 liest man sogar einen Hinweis auf die zu erwartende Ausbreitung des Spanischen in Frankreich. Erst 1675 wird der Gedanke aufgenommen, dass das Französische ebenso wichtig wie das Spanische sei. Auch Grammatiken räumen dem Französischen im 17. Jahrhundert keine herausragende Stellung ein, sondern beschreiben die französische Sprache als die eines Nachbarn, mit dem es zu kommunizieren gilt. Erst im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts wird das Erlernen des Französischen mit seiner weiten Verbreitung in Europa und darüber hinaus begründet. Von da an bleibt die Idee der Überlegenheit und weiten Verbreitung des Französischen in Grammatiken für Spanier bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts präsent. Im Zensurbericht von DE LA CONCEPCIÓN zu einem Lehrwerk von GALMACE wird festgestellt, dass wohl niemand so grob und nachlässig sein werde, eine Sprache, die alle Anzeichen von Universalität habe, nicht erlernen zu wollen. Die Gründe, die in den spanischen Lehrwerken für das Erlernen der spanischen Sprache angegeben werden, widerspiegeln in ähnlicher Weise wie in den Preisbewerbungsschriften der Berliner Akademie ein Denken in Topoi. Die geographische Ausbreitung, die Verwendung in Künsten und Wissenschaften und die ernsthafte Konkurrenz gegenüber dem Latein werden als häufigste Gründe genannt.
IV. Das Bestreben, eine Nationalsprache in
den Stand der für alle Menschen und alle Bereiche gültigen ĺ Universalsprache zu erheben, wurde Ende des 18. Jahrhunderts aufgegeben. Auch die Verwendung des Französischen als Sprache der Berliner Akademie war bereits im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts zurückgegangen. Das Bestreben, dem Französischen eine besondere Geltung zuzuweisen, hielt jedoch weiter an und wurde mit der Zurückdrängung durch das Englische noch verstärkt. Dabei erfolgt auch eine Berufung
Universelle Geltung auf RIVAROL, der in diesem Zusammenhang meist als einziger Preisträger der Frage nach der Universalität des Französischen dargestellt wird (vgl. HAGÈGE 1987: 9). Das gegenwärtige Schicksal der französischen Sprache wird mitunter als le temps tragique de la retraite dargestellt und es wird an das Nationalgefühl der Franzosen appelliert, sie korrekt und in allen Situationen zu benutzen. Charakteristisch dafür ist das in Frankreich am 4. August 1994 erlassene Gesetz, das die französische Sprachen zum élément fondamental de la personnalité et du patrimoine de la France erklärt und zu ihrer Verwendung in allen Bereichen des Lebens, insbesondere auch bei Warenbezeichnungen und in Werbetexten verpflichtet. Die Durchsetzung des Französischen mit Anglizismen ist jedoch gerade in diesem Bereich fortgeschritten und nicht aufzuhalten. In der Funktion als Wissenschaftssprache hat sich das Englische mit universeller Geltung durchgesetzt.
V. BRUÑA CUEVAS, Manuel (1999): “L’universalité de la langue française dans les grammaires de français pour les espagnols et dans les dictionnaires bilingues antérieurs à 1815”. Historiographia Liguistica 26, 37–71. – CHRISTMANN, Hans Helmut (1978): “Antoine de Rivarol und Johann Christoph Schwab pari passu. Zwei Stellungnahmen zur Universalität der französischen Sprache”. Studia neolatina. Festschrift für Peter M. Schon. Hrsg. Johannes THOMAS. Aachen: Mayer, 24–37. – GOYON D’ARZAC, Guillaume Henri Charles de (2000): Essais littéraires et philosophiques
951 sur les causes de l’universalité de la langue française: ein Beitrag aus dem Jahr 1783 zur Berliner Preisfrage nach der Universalität des Französischen. Hrsg., eingeführt und mit Anm. vers. von Jürgen STOROST. Bonn: Romanistischer Verlag. – HAGÈGE, Claude (1987): Le français et les siècles. Paris: Éditions Odile Jacob. – HASSLER, Gerda (2001): “La discussion sur l’universalité de la langue française et la comparaison des langues: une rupture épistémologique”. Changements politiques et statut des langues. Histoire et épistémologie 1780–1945. Éds. Marie-Christine KOK ESCALLE / Francine MELKA. Amsterdam: Atlanta GA, 15–39. – PÉNISSON, Pierre (Hrsg.) (1995): Académie de Berlin. De l’universalité européenne de la langue française. 1784. Paris: Fayard. – PIEDMONT, René M. (1984): Beiträge zum französischen Sprachbewusstsein im 18. Jahrhundert: der Wettbewerb der Berliner Akademie zur Universalität der französischen Sprache von 1782/84. (Lingua et Traditio, 7). Tübingen: Narr. – RICKEN, Ulrich (1974): “La critique sensualiste à l’encontre du Discours sur l’universalité de la langue française de Rivarol”. Historiographia Linguistica 1, 67–80. – STOROST, Jürgen (1994): Langue française – langue universelle? Die Diskussion über die Universalität des Französischen an der Berliner Akademie der Wissenschaften. Zum Geltungsanspruch des Deutschen und Französischen im 18. Jahrhundert. Bonn: Romanistischer Verlag. Gerda Haßler
Perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia I. Die Bezeichnungen perspicuitas ‘Klarheit’ (dt. Deut1ichkeit, Gewandtheit; engl. perspicuity; frz. clarté), energeia ‘Energie, Kraft’ (dt. Energie, Nachdrücklichkeit, Nachdruck; engl. energy; frz. énergie, force, puissance de la parole), abundantia ‘Reichtum’ (dt. Reichthum; engl. copious; frz. abondance) und harmonia ‘Harmonie’ (dt. Harmonie, Wohlklang; engl. harmony, numbers; frz. harmonie, nombre, cadence) stehen für positiv gewertete Eigenschaften von Sprachen und wurden seit der Renaissance im wertenden Sprachvergleich und bei der Kenn-
zeichnung von Vorzügen von Einzelsprachen verwendet. Hier werden lediglich einige späte Ausprägungen der mit diesen vier Begriffen verbundenen Argumentation für die Vorzüge von Sprachen aufgeführt, die das traditionelle Muster fortsetzen. Verwiesen sei auf ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel, wo die für das 17. und 18. Jahrhundert typische Argumentation behandelt wird, sowie auf weitere Begriffe im Zusammenhang mit Vorzügen von Sprachen: ĺ Klarheit, ĺ Wohlklang, ĺ Reichtum, ĺ universelle Geltung.
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II. (FRAIN
DU TREMBLAY 1703: 134): De l’abondance des Langues. COMME les Langues ne sont données aux hommes que pour marquer ce qu’ils pensent des choses, leur richesse & leur abondance vient de la multiplicité des choses que connoissent les hommes, & des pensées qu’ils ont à leur occasion; les Sçavans & les personnes de grand esprit qui meditent & approfondissent les matieres, étant presque toûjours obligez d’inventer des mots par les besoins qu’ils ont, afin de se faire entendre, comme nous l’avons déja dit. Et cette abondance sert encore infiniment à la clarté, rien ne rendant un discours plus équivoque & plus ambigu que lorsque les mêmes mots y sont pris en des sens differens, & une langue seroit parfaitement claire, si chaque chose & chaque idée avoit son terme & son expression propre. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 149): Monsieur le Laboureur disoit, qu’il ne voyoit que deux choses bien considerables pour la perfection d’une langue, un nombre suffisant de termes propres, & un juste arrangement de ces termes. Il avoit raison; car si l’on demande encore de l’énergie & du nombre; n’est-il pas certain que l’énergie naît de la proprieté des termes, & que le nombre naît de leur arrangement? Ce que j’ay dit jusqu’icy pourroit donc suffire pour prouver que toutes les langues sont également susceptibles d’énergie & de nombre. Cependant les partisans du Grec & du Latin ne sont pas gens à se rendre si aisément; il faut leur montrer plus particulierement que ces deux perfections ne sont point incommunicables à quelque langue que ce soit. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 153–154): Nous pouvons à present discourir de l’énergie ou de la force du discours. Il me semble qu’un discours est veritablement énergique, quand les termes & les expressions font concevoir à celuy qui l’entend, les choses avec la même clarté, la même étenduë & la même profondeur, que les conçoit celuy qui parle; en sorte qu’au même moment que nous l’entendons parler, nôtre esprit voit precisément les mêmes choses que voit le sien. Voilà, ce me semble, ce que fait l’énergie. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 155–157): Je n’ay encore parlé que des effets de l’énergie. Il s’agit à present de sçavoir ce qui la produit;
III. Einheit und Vielfalt c’est-à-dire, ce qui rend la parole si efficace & si puissante, qu’elle porte dans l’esprit de l’auditeur tout le poids & toute la grandeur des pensées de celuy qui parle. Or il me semble que cette efficace naît de la composition des mots, de celle des phrases & des periodes. Je dis qu’elle naît de la composition des mots; parce que les mots simples & primitifs en peuvent signifier qu’une seule chose, qu’une simple idée, qu’un sentiment, qu’une action. Ainsi pour grossir la signification des mots, ou pour l’étendre, on les allonge, on les compose de plusieurs mots, & ces mots ainsi allongez & composez enflent & grossissent les idées. C’est pourquoy les langues qui abondent davantage dans ces sortes de mots, ont necessairement plus d’énergie & de force. La composition des membres & des periodes contribuë encore beaucoup à cette énergie. Certains termes joints ensemble, certaines phrases liées par une composition spirituelle & sçavante, font des effets qu’elles ne feroient point dans tout autre assemblage. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 157–158): L’énergie resulte encore des termes & des façons de parler figurées: car il est certain que ces termes étant ordinairement pris de choses pour lesquelles on a, par exemple, de grands sentimens d’estime & de respect, servent infiniment à faire concevoir de grandes & de nobles idées des choses que l’on voudroit nous rendre recommandables. Il en est de même des sentimens contraires de mépris & d’aversion, & de tous les autres les termes figurez sont d’une merveilleuse efficace pour les produire. La prononciation même donne de l’énergie à la parole: & les partisans du Grec & du Latin ne manquent gueres à faire valoir ces langues par là; mais elle est plus proprement l’éloquence des personnes que celle des langues, & nous pouvons prononcer le Français avec autant d’emphase qu’ils prononcent le Grec & le Latin. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 158–159): Si ce sont là les causes principales de l’efficace & de la puissance de la parole, je demande sur quoy l’on se peut fonder pour prétendre qu’une langue en ait plus qu’une autre? Qu’un homme pense bien, qu’il imagine bien
Perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia ce qu’il aura pensé, les termes énergiques & significatifs suivront par necessité son imagination, s’il y en a dans la langue qu’il parle; & s’il n’y en a pas de propres, il en prendra de figurez: enfin, il en composera, s’il ne peut s’exprimer autrement. Or il n’y a point de langue dans laquelle tout cela ne se puisse faire également bien. Il n’y en a aucune qui ne puisse recevoir cette composition de mots & periodes, ce nombre & cette cadence qui rendent le discours énergique & puissant. Les pensées n’ont point par elle-mêmes plus d’affinité & de sympathie avec certaines langues qu’avec les autres. C’est pourquoy si une pensée a été pour la premiere fois exprimée en Hebreu, en Grec ou en Latin; un François, par exemple, la pourra rendre dans sa langue naturelle aussi belle & aussi noble qu’il l’a trouvée dans les autres, pourveu qu’il la conçoive aussi belle & aussi noble qu’elle est en effet. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 189–190): Le nombre du discours n’est autre chose que son harmonie ou sa cadence, & on appelle nombreux tout discours qui est harmonieux, c’està-dire, dont la prononciation fait sentir du plaisir à l’oreille, à l’imagination, & même à l’esprit: car enfin, les sens ni l’imagination ne sont point touchez de plaisir, que l’esprit n’y prenne quelque part; il y a même un nombre dont l’esprit seul peut être le juge. On appelle nombre cette harmonie, parce que les proportions d’où elle resulte se mesurent par les nombres, quoy que pourtant cela ne soit vray que dans la Musique. Le nombre du discours dépend beaucoup plus du sentiment de l’oreille que du jugement de la raison. Mais enfin, il suffit que cette harmonie soit l’effet de certaines proportions pour pouvoir être appellée de ce nom, omnis harmonia & concensus numeris constat. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 191–192): En effet, l’harmonie d’une langue dépend certainement de sa prononciation; il faut donc pour en connoître l’harmonie que nôtre bouche & nos oreilles soient faites tout premierement à sa veritable prononciation. Celuy qui la prononce mal en corrompt le nombre, & celuy dont l’oreille n’est pas accoûtumée à sa veritable prononciation, ne le goûte pas.
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(FRAIN DU TREMBLAY 1703: 192–193): L’experience peut tres-bien nous assurer de ce que je dis; ceux qui prononcent nôtre langue avec trop de précipitation nous surprennent; ceux qui la prononcent trop lentement, nous impatientent, parce que les uns ne remplissent pas l’oreille, & que les autres la font languir. Ce que Ciceron exprime par ces paroles, numeros aures ipsa metiuntur ne aut non compleas verbis, quod proposueris, aut redundes. Que l’on donne une de nos plus belles Pieces d’éloquence à prononcer aux hommes de certaines Provinces, qui ont des prononciations vicieuses, ils leur feront perdre toutes les graces du nombre & de la cadence. S’il est donc certain que ce soit la prononciation qui forme le nombre, il l’est de même que nous ne sçaurions connoître le nombre d’une langue que nous ne soyons parfaitement informés de sa prononciation. Et par consequent nous ne devons point nous flatter de connoître le nombre des langues dont la prononciation nous est absolument inconnuë. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 200–201): Mais si nous convenons nous autres François de ces observations, parce qu’elles sont avantageuses à nôtre langue; je doute fort que tous les hommes de toutes les langues en demeurassent d’accord. Cependant il faut des regles communes & également approuvées de tous les hommes; sans quoy on ne peut rien conclure de certain. Ces nations qui parlent des langues si chargées de consonnes, ne conviendront jamais de ces principes; elles prétendront que les lettres les plus rudes articulant davantage la voix, & faisant un plus grand effet sur l’organe, en font aussi un plus grand dans l’imagination & dans l’esprit; & qu’ainsi elles ont un nombre plus puissant & plus énergique. Elles diront de même que les mots qui n’ont point de consonnes ou qui en ont peu, ne sont pas assez differens des cris des animaux pour former le langage des hommes. Et ces prétentions ne manquant pas de raison, il s’ensuivra que chacun ne raisonnera dans ces matieres que selon son temperament & la conformation de ses organes; c’est-à-dire, selon ses préjugez. Ceux qui auront les organes faciles à ébranler, ne voudront être touchez que legerement, & les autres qui ont les organes durs & pesans, aimeront un langage qui se fasse plus sentir.
954 Il est donc certain qu’à considerer la nature, les choses ne sçauroient être autrement. Les organes de la parole étant toûjours proportionnez à ceux de l’oüie, l’articulation de la voix s’ajuste toûjours au sentiment de l’oreille. C’est pour cette raison que chaque nation est prévenuë en faveur de sa langue, & la doit trouver plus belle & plus nombreuse qu’aucune autre. Ainsi un homme qui parle naturellement l’Esclavon, ne pourra croire que sa langue toute herissée de consonnes qu’elle soit, n’ait pas un nombre aussi agreable & aussi touchant que les langues les plus estimées. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 203–204): S’il est donc vray que l’on ne puisse goûter parfaitement le nombre d’une autre langue, que de sa langue naturelle; parce que nos organes ne sçauroient être faits à la prononciation que de cette seule langue; ces sortes de disputes sont de purs amusemens: & pour en parler selon les idées claires de la raison, les langues ne peuvent rien avoir au dessus les unes des autres pour le nombre, non plus que pour toutes les autres vertus du discours. On peut distinguer dans le discours deux sortes de nombres, sçavoir un qui est purement naturel, & l’autre qui vient de l’artifice. Le premier naît de la simple prononciation, & le second de l’arrangement des mots & de la composition des periodes. Or il n’y a point de langues où ces nombres ne se rencontrent: Etant toutes également l’ouvrage de la nature, se formant toutes par l’usage naturel des organes, elles ont par necessité toutes un nombre naturel, parce qu’il est impossible de former le discours sans pousser sa voix avec certaines proportions, & selon certaines mesures d’élevation & d’abaissement, & ces mesures font une cadence naturelle. Et on peut dire dans ce sens avec beaucoup de verité, qu’il ne se fait rien sans nombre, omnia in pondere, numero & mensura. Il seroit impossible à l’homme de parler autrement, il faut necessairement qu’il pousse l’air & qu’il le tire dans cette proportion, & toutes les langues sont égales au regard de ce nombre. Id numerosum est in omnibus sonis atque vocibus quod habet quasdam impressiones & quod metiri possimus intervallis æqualibus.
III. Einheit und Vielfalt (PRIESTLEY 1762: 174): About the time of the first Punic war, when the inscription upon the Columna Rostra was written, the Latin tongue seems to have been very barbarous, and void of that regularity and harmony which it was afterwards distinguished by. (PRIESTLEY 1762: 239): For metrical composition requires that words be placed in some regular order; so that the pronunciation of them may yield a kind of harmony. This, it is easy to see, requires some choice of words. Language, therefore, must not only have been formed, but have become pretty copious before it would admit of verse. (PRIESTLEY 1762: 242): All the harmony that the Ancients ever attempted to give their language arose from the proper disposition of the syllable according to their quantity, as divided into long and short, two short syllables requiring the time of one long one. (PRIESTLEY 1762: 258–259): If it be said, that fewer words are employed in one case than in the other, it is answered, that this makes no real difference, with respect even to the pronunciation, and consequently the harmony, much less to perspicuity: since not only those particles, and the words they belong to, but all the words of an entire clause of a sentence perfectly coalesce in pronunciation. (PRIESTLEY 1762: 264–265): Perhaps none but a native can be a competent judge of the harmony of his own language, and to him the articulations of it can hardly ever appear harsh, whatever they be abstractedly considered: from being familiar, they are easy. (BEATTIE [1788] 1968: 57–58): The truth is, that a mixture of shorter with longer words may be necessary to harmony: but, in our language, a better sound is heard from many short words of Saxon original, if their initial and final articulations admit of an easy coalescence, that from a redundancy of long words derived from the Greek and Latin. For in English, though there is much Latin, and some Greek, yet the Saxon predominates; and its sounds are most acceptable to a British ear, because most familiar. And hence, with all its ease and apparent carelessness, the prose of Dryden is incomparably more melodious, than that of the learned and elaborate Sir Thomas Brown. For the former adheres,
Perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia where he can, to plain words of English and Saxon growth; while the other is continually dragging in gigantick terms of Greek or Latin etymology. (BEATTIE [1788] 1968: 76–77): Indeed, most of our common measures may be varied in the same way, as well as by the different position of their pauses. And such varieties, when skilfully introduced, give wonderful energy to English, Greek, and Latin numbers; and have, for this reason, been studiously sought after by Homer, Vergil, Milton, Dryden, and all other harmonious poets: variety being the soul of harmony, and nothing in language or in musick more tiresome to the ear than an uniform sameness of sound and measure. – Our heroick verse is sometimes lengthened out by an additional short syllable, and then becomes nearly the same with that of the modern Italians. “The heaven itself that points out an hereafter.” – Che ’l gran sepolchro libero di Christo. (BEATTIE [1788] 1968: 168–169): We may infer, that the declension of adjectives and participles, though it takes place in many tongues, and may contribute to elegance and harmony of style, is not essential to language, and is therefore a consideration which belongs not to Universal Grammar. And it will appear afterwards, that the same thing is true of the declension of nouns. (BEATTIE [1788] 1968: 196): Yet, in all the known languages, different inflections of the verb are used, more sparingly in English than in most other European tongues, and in Greek and Latin with very great variety; which, as will be observed hereafter, is one chief cause of the superior elegance and harmony of these languages. (BEATTIE [1788] 1968: 340): But, thirdly, it must be allowed, that the Classick tongues derive from the inflection of their nouns a very great superiority, in respect of elegance. For, first, what they express by one word pennae (for example) we cannot express by fewer than two, or perhaps three, of pen, of a pen, of the pen. Besides, the varieties of termination in the Greek and Latin nouns contributes not a little to their harmony: while the unvaried found of our substantives, with the perpetual repetition of such little word as of, to, for, with, &cc. gives a harshness to the
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language, which would certainly be offensive to an ear, that had long been inured to the modulation of the antient tongues. (BEATTIE [1788] 1968: 340–341): But the chief advantage of diversified termination, both in nouns and in verbs, consists (as formerly hinted) in this, that it leaves the composer at liberty to place his words in any order, which he may think will most effectually promote variety, and energy, as well as harmony, of stile. Whereas, in the modern tongues, the relation that one word bears to another being in a great measure determined by their position, we are often confined to one particular arrangement; and, when we depart from that, and attempt those deviations from the grammatical order which are so graceful in antient authors, are apt to write obscurely and affectedly. – In this respect, however, the English tongue is more susceptible of variety than the French, and English verse than English prose. Indeed, almost all arrangements of words, that do not perplex the sense, are permitted in our poetry, especially in our blank verse: a privilege, whereof Milton availing himself in its full latitude, displays in the Paradise Lost a variety and elegance of composition, which had never been equalled in any other modern tongue, and may bear to be compared with the most elaborate performances of antiquity. (BEATTIE [1788] 1968: 388): But English is not so elegant as Latin and Greek. Be it so. Yet, would it not be hard to call one a barbarian, merely because one has not reached the summit of politeness? The less elegant a language is in its structure, the more merit have they who write elegantly in it. If St. Paul’s Cathedral were of Parian marble, instead of Portland stone, its appearance might be more splendid; but the sublime imagination of Sir Christopher Wren would not be more conspicuous. ([EICHHORN] 1792: 4–5): Ja der Reichthum kann sich noch weiter erstrecken, und doch kann eine damit versehene Sprache deshalb noch nicht vorzüglich heißen. Man denke hiebey an die persische. Diese Nation hat, nachdem sie die Schriften der Griechen kennen und schätzen gelernt hatte, sich so sehr auf Astronomie, Mathematik, historische und mathematische Geographie, Philosophie und
956 Geschichte, Medicin, Chemie und Grammatik gelegt, daß ihre Sprache dadurch nothwendig von mehr als von einer Seite bereichert werden mußte. Und in der That ist der Reichthum derselben erstaunlich, indem sie 500 Wörter hat, um einen Löwen zu bezeichnen und ein Tausend, die ein Schwerdt bedeuten. Da aber die prosaischen Schriftsteller dieser Nation durch eine unglückliche Nachahmung sich die Schreibart der Dichter zum Muster wählten, und dadurch ins Schwülstige fielen, da diese Sprache bey der Menge von Partikeln, womit sie gleichsam überschwemmt ist, doch die zur Rundung der Perioden erforderlichen nicht besitzt, da ihre Schriftsteller, so gar diejenigen, die für die besten unter ihnen gehalten werden, sich nicht über das Mittelmäßige erheben, so verliert sie sehr viel von der hohen Würde, zu der sie von manchen morgenländischen Philologen erhoben wurde. ([EICHHORN] 1792: 56): Wir kommen nun zur Harmonie der Sprache, die sich besser empfinden als mit Worten beschreiben läßt. Die Empfindung aber rührt nicht sowohl vom Tone der Sprache als vielmehr vom Ausdrukke des Sängers und Redners her. Es frägt sich aber, wie die Sprache beschaffen seyn müsse, wenn dieser Ausdruck harmonisch werden soll. ([EICHHORN] 1792: 61): Vorzüglich sind die griechische und lateinische Sprache wegen der beständigen Abwechselung von Consonanten und Vokalen eines vorzüglichen Grades der Harmonie fähig. ([EICHHORN] 1792: 61–62): Soll eine Sprache harmonisch seyn, so müssen 2) in derselben gewisse Gegen-Sätze und Perioden angebracht werden können, Denn diese Stükke sind es, die eine Sprache bis zur höchsten Harmonie erheben. Im Hebräischen gehören besonders die Räthsel hieher, die außer dem ihnen eigenthümlichen Scharfsinn auch einen gewissen Wohlklang bey sich führen. ([EICHHORN] 1792: 64–65): Im Lateinischen zeigt sich dieser Wohlklang besonders am Ende, welches, wenn der Periode numerös seyn soll, nicht kurz seyn, sondern sich mit einem Gliede, das dem vorhergehenden gleich oder noch länger ist und mit einem aus einem langen, hellen, das Ohr füllenden Tone bestehenden Worte schließen muß. Hieher
III. Einheit und Vielfalt gehört auch der von den Römern so sehr bewunderte harmonische Abfall des Carbo patris dictum sapiens temeritas filii comprobavit. Die höchste Stufe der Harmonie haben die griechischen und lateinischen Dichter erstiegen, indem sie die Töne mit den Gegenständen übereinstimmend zu machen wußten. (JENISCH 1796: 3): Die Darstellung der Begriffe und Empfindungen durch die wörtliche Bezeichnung muss ferner der Fülle und dem Umfange dieser geistigen Operationen entsprechen, und die Begriffe mit aller Wahrheit und Vollständigkeit, die Empfindungen nach dem jedesmaligen Grade ihrer Stärke und Innigkeit, ausdrücken. Diese Eigenschaft der Sprache heisst: die Nachdrücklichkeit (Energie). (JENISCH 1796: 4–5): Der bestimmte Hang unsers Geistes bei allen seinen Kraftäusserungen, und also auch bei, der Sprache, ist eine gewisse gemächliche Thätigkeit, wodurch der intellectuelle sowohl, als der sinnliche Theil seiner Natur, auf eine ihm angenehme Weise ins Spiel gesetzt wird. Zuviel Ideen, auf Einmal dargestellt, überladen, zuwenig – langweiligen ihn. Das Mittel zwischen jener Ueberladung, und dieser Leere – trifft die Deut1ichkeit, wodurch Begriffe und Empfindungen so leicht und so schnell, als möglich, in die Seele übertragen werden. Der Deutlichkeit schliessen wir sogleich die Gewandtheit an, als den Vorzug einer Sprache, nach welchem jeder Begriff und jede Empfindung, ohne Mühe, zweckmässig dargestellt und gleichsam mit Leichtigkeit gehandhabt werden kann. Eine Sprache kann sehr glücklich für die Deutlichkeit gebildet sein, und doch der Gewandtheit mangeln, (obgleich Gewandtheit immer zugleich auch Deutlichkeit mit sich führt.) (JENISCH 1796: 20–21): Wir gehen nun weiter zu der II Nachdrücklichkeit (Energie) als der zweiten Vollkommenheit der Sprache. Jede rohe Sprache übertrifft an Nachdruck und Kraft die kultivirte. Denn da der rohe Naturmensch, in seinem grobsinnlichen Ideenund Empfindungskreise keiner Abstractionen, Artikel, feiner Verbindungs- und Uebergangspartikeln u. s. w. bedarf: so besteht auch der ganze Wortvorrath seiner Sprache beinahe nur aus so genannten Onomatopoiätis und Wurzelwörtern, welche beide – gewisser-
Perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia massen als die Elemente aller Energie der Sprachen, müssen angesehen werden. (JENISCH 1796: 22): Dieser Nachdruck liegt 1) in der ursprünglichen Bedeutung der Wörter und dem bestimmten Gebrauch dieser Bedeutung. Diese Gattung von Nachdruck werde ich den lexikalischen nennen. Je allgemeiner und abstracter der Begriff ist, den wir mit einem Worte verbinden, desto geringer ist der Grad des Nachdrucks in demselben. So wie, nach dem eben Gesagten, jede rohe Natursprache, eben durch ihre Absractionslosigkeit und höchstsinnliche Bezeichnung aller Gegenstände, jeder Sprache der Kultur an Stärke und Nachdruck vorgeht; eben so wird in Rücksicht der lexikalischen Energie jede kultivirte Sprache um so viel nachdruckvoller seyn, je mehr sie sich in der sinnlichen Bedeutung ihrer Wörter den Sprachen der Unkultur nähert. (JENISCH 1796: 25): Daher ist eine Sprache auch nachdruckvoll 2) Durch ihren grammatikalischen Bau: diess nenne ich die grammatikalische Energie. Hat eine Sprache viel Artikel, Hülfs-Verbindungs und Uebergangswörter, und dabei zugleich die unabänderliche Einrichtung, dass sie sich den Gebrauch derselben in höchstseltenen Fällen, und sehr sparsam erlassen, kann: so muss die Sprache des Dichters, des Redners und überhaupt der lebhaften Einbildungskraft und der erschütterten Leidenschaft, so wie jeder höhern und schwungvollern Bewegung der Seele, durchaus matt und schlaff werden. (JENISCH 1796: 26): Zu dem grammatikalischen Bau, in so fern er auf den Nachdruck der Sprache Beziehung hat, gehört vorzüglich auch die Wortstellung (Syntax). (JENISCH 1796: 28): So giebt es auch eine Energie der Sprache durch die charakteristische Energie der Nation und ihrer OriginalSchriftsteller. (JENISCH 1796: 43): Da es, so wie bey dem regelmässigen Denken auf die regelmässige Aneinanderreihung der Ideen, also bey dem Ausdrucke dieser Ideen auf die, durch die natürliche und regelmässige Ideenfolge bestimmte Aneinanderreihung der Worte, ankommt: so erfordert die Deutlichkeit auch:
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C) Eine regelmässige und natürliche Syntax. So wie eine durchaus bestimmte und unabänderliche Wortfügung dem Nachdrucke der Sprache, in jedem bedeutendern Momente der Leidenschaften und des heftigen Ideenstroms Eintrag thut, (siehe oben) so ist sie, alsdann, wenn diese Gesetzmässigkeit der Wortstellung auf den natürlichen Gang des Geistes in der Ideen-Entwickelung, und nicht auf den Eigensinn des Gebrauchs gegründet ist, der Deutlichkeit höchst zuträglich. Ist dagegen diese Wortstellung durchaus, oder mehrentheils der Willkühr des Redenden überlassen (denn einige Regeln der Wortfügung hat jede auch noch so freie Sprache) so brauche der Geist des Zuhörers oder Lesers schon mehr Anstrengung, um die, durch die freiere Wortstellung von einandergerissenen Worte und Ideen (möge, der Redende oder Schreibende sie um des Wohlklangs oder um des Nachdrucks willen von einander getrennt haben), zusammen zu ordnen, […].
III. Die mit den Bezeichnungen perspicui-
tas, energeia, abundantia und harmonia erfassten Begriffe gehören zum Sprachdenken der Epoche der Renaissance, deren literarische Produktion in der Regel als Humanismus bezeichnet wird. Die entsprechenden Begriffe finden sich bereits in der Antike geprägt und wurden insbesondere durch QUINTILIAN überliefert. Das intensive Studium der lateinischen Autoren hatte im 13. Jahrhundert in einigen norditalienischen Städten begonnen, sich im 14. und 15. Jahrhundert über die angrenzenden Länder Spanien, Frankreich und Deutschland ausgebreitet und im 16. Jahrhundert ganz Europa erreicht. Die Betonung der lateinischen Literatur hatte zu einer entsprechenden Pädagogik geführt, die es ermöglichen sollte, sich der lateinischen Sprache so gut wie die Alten zu bedienen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde großer Wert auf die Entwicklung von Standards sprachlicher Kompetenz gelegt. Die Wiedergeburt der klassischen Gelehrsamkeit ermutigte zum Gebrauch des Lateinischen, es kam aber auch zu ernsthaften Studien des Griechischen, das in der Verbreitung und Kenntnis dem Lateinischen jedoch nicht gleichkam. Die Mehrzahl der Gelehrten beherrschte die griechische Sprache nicht gut genug, um in ihr verfasste Texte mit Leich-
958 tigkeit lesen zu können. Man machte sich mit den Griechen über Übersetzungen bekannt. Der daraus entstandene Bedarf führte zu einer Reihe bedeutsamer griechisch-lateinischer Übersetzungen. Allein aus dieser Situation war ein Bedürfnis der Begründung des Wertes der lateinischen Sprache mit ihrer perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia gegeben. Hinzu kam das bereits im Mittelalter einsetzende und sich im 15. und 16. Jahrhundert noch verstärkende Aufkommen der Volkssprachen. In Italien war die Volkssprache erstmals im 14. Jahrhundert von DANTE, BOCCACCIO und PETRARCA für literarische Zwecke gebraucht worden. Der erste Italiener, der die Volkssprache für gelehrte Zwecke nutzte, war ALBERTI, der in den Vorworten seiner beiden Werke Della tranquillità dell’animo und Della famiglia den Gebrauch der Volkssprache verteidigte (ĺ Apologie). Für diese Verteidigung des Italienischen gebrauchte ALBERTI nicht etwa die Tatsache, dass es sich um eine lebende und deshalb natürlich im Gebrauch befindliche Sprache handelte, sondern das Argument, dass die Volkssprache universeller sei als das Lateinische, das nur denen bekannt sei, die es gelernt hätten (ĺ universelle Geltung). Für das Italienische spreche auch seine Ausdruckskraft, die es anderen Sprachen überlegen mache (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Im 16. Jahrhundert weitete sich der linguistische Horizont Westeuropas in zweierlei Hinsicht: einerseits führten die Entdeckungsreisen und im Anschluss an sie vor sich gehende Handelsreisen und koloniale Unternehmungen zum Kontakt der Portugiesen, Spanier und später der Niederländer, Franzosen und Engländer mit Sprachen Afrikas, Indiens, des Fernen Ostens und der Neuen Welt. Andererseits führte das Studium des Hebräischen und danach auch des Aramäischen und des Arabischen zu einem ganz anderen grammatischen Bezugsrahmen. Neben Versuchen der grammatischen Beschreibung und der Herstellung von Beziehungen zwischen den Sprachen (ĺ Etymologie) kam es auch zu Wertungen ihrer Eignung für die Kommunikation, in denen die Kriterien der perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia eine wichtige Rolle spielten. Die Entstehung von Standardspra-
III. Einheit und Vielfalt chen und die Konkurrenz um einen Vorzugsplatz führten zu speziellen Arbeiten über die Verdienste einzelner europäischer Sprachen. Für das Französische erfüllten diesen Zweck die Deffence et illustration de la langue françoyse (1549) von DU BELLAY und der Abrégé de l’art poétique (1565) von RONSARD. Eher philologisch orientierte Bemerkungen lieferte Henri ESTIENNE mit seinen Deux dialogues du nouveau langage françois italianizé (1578). Die Autoren dieser Traktate griffen nicht nur die italienische Sprache an, von deren Einflüssen sie die französische frei halten wollten, sondern sie wandten sich auch gegen Dialekte (ĺ Dialekt). Eine klare, starke, reiche und harmonische Sprache war auch das Ziel der Grammatiken, die im 16., für das Spanische sogar bereits Ende des 15. Jahrhunderts entstanden (NEBRIJA: Gramática de la lengua castellana (1492), BEMBO: Prose della volgar lingua (1525), OLIVEIRA: Gramática da linguagem portuguesa (1536)). Ein Beispiel für die Verwendung der Kategorien der perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia ist der Traité des langues, où l’on donne des Principes & des Regles pour juger du mérite & de l’excellence de chaque Langue, & en particulier de la Langue Françoise (1703) von FRAIN DU TREMBLAY, der nach einer Erklärung des göttlichen Sprachursprungs (ĺ Ursprung) und der Vervielfältigung der Sprachen der Reihe nach die Vorzüge einer perfekten Sprache darstellt (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). An erster Stelle nennt er die ĺ Klarheit und führt für diese ein Zitat von QUINTILIAN an: Perspicuitas orationis summa virtus. Auf die Reinheit (pureté) folgen dann der Reichtum (abondance), die Energie (l’énergie ou de la force) und schließlich die Harmonie (l’harmonie des Langues). Er folgt damit den klassischen Kategorien der Aufwertung einer Sprache in der Sprachapologie (ĺ Apologie), gibt ihnen jedoch eine modernisierte inhaltliche Deutung. Der Wortreichtum (ĺ Reichtum) komme von der Fülle der auszudrückenden Inhalte, die durch den Erkenntnisfortschritt der Menschen entstünden. Er sei gleichzeitig ein Garant für die Klarheit des Ausdrucks, denn eine Sprache sei dann klar, wenn es Ausdrucksmittel für jede Idee gebe.
Perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia Die Energie bestimmt er als die Fähigkeit eines Diskurses, die Ideen des Produzenten mit derselben ĺ Klarheit, Tiefe und Weite dem Rezipienten zu vermitteln, wie sie der Sprecher oder Schreiber selbst habe. Er verbindet diese Eigenschaft vor allem mit der Anordnung der Ideen, die er in der festen Wortfolge des Französischen am konsequentesten realisiert sieht (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Außerdem steigt nach seiner Auffassung die Energie mit der Fähigkeit zur Zusammensetzung. Sprachen, die eine reiche Morphologie haben, erreichten leichter einen hohen Grad an Energie (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Auch bildhafte Bezeichnungen könnten zu einer kraftvollen Sprache beitragen, da sie von bekannten und geschätzten Dingen auf große und erhabene Ideen übertragen werden. Auch die Aussprache trage zur Energie der Sprachen bei, wobei sie allerdings weniger die Sprache selbst als die Sprechweise kraftvoll mache. Auf diese Weise könnten sich auch Franzosen genau so kraftvoll ihrer Sprache bedienen wie Griechen und Römer. Als harmonisch betrachtet FRAIN DU TREMBLAY eine Sprache, die angenehm für das Ohr und den Geist ist. Viel hänge für die Harmonie von der Aussprache ab, doch auch die Gewöhnung des Ohrs an die Sprache sei ausschlaggebend dafür, dass sie als angenehm empfunden werde könne. Der Rhythmus der Sprachen, die wir nicht kennen, kann von uns deshalb nicht verstanden werden, folglich werden wir sie nicht als harmonisch empfinden. Jeder urteile nach seiner Sprache über die Harmonie, und auf diese Weise könne man auch Sprachen mit Konsonantenhäufungen, wie die slawischen, als harmonisch empfinden. Zumindest in diesem Bereich lehnt FRAIN DU TREMBLAY somit ein objektives Kriterium ab. Den Rhythmus sieht er als naturgegeben an, insofern er von den Sprechorganen der Menschen vorgegeben werde. Unter Verwendung von Zitaten aus QUINTILIAN und CICERO hat FRAIN DU TREMBLAY die Begriffe der perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia den Bedürfnissen seiner Zeit angepasst. Insbesondere hat er sie von der Bindung an die Rhetorik auf die Bezeichnung sprachsystematischer Eigenschaften angewandt. Damit wurden sie nicht nur zu Be-
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zeichnungen vorbildlicher Sprechweise, sondern konnten im wertenden Sprachvergleich als Kriterien gebraucht werden (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Auch bei PRIESTLEY erscheinen die seit der Antike bekannten Vorzüge von Sprachen miteinander verknüpft (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Für die Herstellung von Harmonie in der Aussprache muss ein bestimmter ĺ Reichtum an Wörtern gegeben sein, aus dem man das passende Wort auswählen kann. Die Wörter müssen in einer Äußerung zusammenspielen, ihre Anzahl ist für die Harmonie, weniger für die ĺ Klarheit relevant. Schließlich stellt auch er fest, dass das Empfinden von Harmonie für eine Sprache davon abhängt, ob es die eigene Muttersprache ist oder nicht. Bei BEATTIE spielt die Gewohnheit durch die Muttersprache eine große Rolle für das Harmonieempfinden, das er auf das Englische bezieht. Zwar sei generell eine Abwechslung von langen und kurzen Wörtern in einer Sprache für die Harmonie vorzuziehen, dennoch sei es im Englischen besser, die kurzen, angelsächsischen Wörter zu verwenden als die langen lateinischer und griechischer Herkunft, die der Sprache ihre Melodie nehmen würden. Die “Seele der Harmonie” sei die Variation, die durchaus auch in der englischen Dichtung zu erreichen sei, indem man kurze Silben anfüge. Damit werde die englische Sprache genauso abwechslungsreich und melodisch wie die italienische. Die alten Sprachen hätten durch die Flexion viel Harmonie, außerdem erlaube die Deklination verschiedene Bedeutungen (ĺ Bedeutung) mit einem Wort auszudrücken, für die man im Englischen Präpositionen und ĺ Artikel hinzufügen müsse. Durch den häufigen Gebrauch dieser kurzen Funktionswörter of, to, for, with werde die englische Sprache rau und könne das Ohr eines an die deklinationsreichen alten Sprachen gewohnten Menschen beleidigen. Die Deklination der Nomina, die auch zur Harmonie beitragen kann, ist jedoch nicht notwendig und wird von ihm aus der allgemeinen ĺ Grammatik ausgeklammert. Auch die Flexion der Verben ist im Englischen weniger ausgeprägt als im Lateinischen und Griechischen, worin BEATTIE keinen Grund sieht, Störungen für die Harmonie an-
960 zunehmen. BEATTIE übernimmt somit das Kriterium der Harmonie als Eigenschaft einer vollkommenen Sprache, passt es jedoch an den Bedarf, seine Muttersprache für harmonisch zu erklären, an. Den Haupteffekt der flexionsreichen Sprache kann die englische Sprache jedoch nicht erreichen: aufgrund des Mangels an Flexionsendungen lässt sie keine freie Wortstellung zu. Die Möglichkeit, die Elemente der Rede frei anzuordnen gebe einer Sprache mehr Variationsmöglichkeiten, Energie und Harmonie. In den modere Sprachen sei man dagegen darauf angewiesen, die Beziehungen der Elemente im Satz durch die Wortstellung auszudrücken und habe nicht die Möglichkeit der alten Autoren, affektive und “dunkle” Anordnungen zu verwenden. Dennoch habe die englische Sprache mehr Möglichkeiten von einer festgelegten Wortfolge abzuweichen und dadurch Variation und Eleganz des Ausdrucks zu erreichen als das Französische, was insbesondere MILTON reichlich genutzt habe (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). BEATTIE leugnet jedoch nicht, dass dem Englische nicht die gleiche Eleganz wie den alten Sprachen zukomme. Umso größer sei jedoch das Verdienst der Autoren die in dieser Sprache elegant schreiben. Genauso könnte die Sankt-Pauls-Kathedrale noch viel prachtvoller aussehen, wenn sie aus Marmor und nicht aus Portland-Steinen erbaut wäre, die Genialität ihres Architekten wäre dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Sprache wird hier als das Material betrachtet, das erst in seiner Verwendung auf Vollkommenheit geprüft werden kann (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Damit wurden die Kategorien der perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia wieder ihrem ursprünglichen Bereich, der Rhetorik, zugeordnet. Interessant für die weitere Entwicklung der klassischen Kategorien der perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia ist der Ende des 18. Jahrhunderts nochmals auflebende wertende Sprachvergleich (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus). Der Vergleich betraf dabei Sprachen als Mittel der Erkenntnis und der Kommunikation (ĺ kognitive Funktion der Sprache, ĺ Mitteilungsfunktion der Sprache) und war auf eine philosophische Betrachtung ausgerichtet, die allerdings
III. Einheit und Vielfalt durchaus zu Hypothesen über den Anteil einzelner sprachlicher Eigenschaften an der Vollkommenheit der Sprachen einschloss (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). 1792, dann nochmals verlängert für 1794 schrieb die Berliner Akademie folgende Preisaufgabe aus: Vergleichung der Hauptsprachen Europas, lebender und todter, in Bezug auf Reichthum, Regelmäßigkeit, Kraft, Harmonie und andere Vorzüge; in welchen Beziehungen ist die eine der anderen überlegen, welche kommen der Vollkommenheit menschlicher Sprache am nächsten. Neben der 1796 veröffentlichen prämiierten Schrift von JENISCH, Philosophisch-kritische Vergleichung und Würdigung von vierzehn ältern und neuern Sprachen Europens, namentlich: der Griechischen, Lateinischen; Italienischen, Spanischen, Portugiesischen, Französischen; Englischen, Deutschen, waren mindestens zwei weitere eingesandt worden, darunter ein heute im Akademiearchiv aufbewahrtes 104-blättriges Manuskript, dessen Autor noch nicht zweifelsfrei ermittelt wurde und das wir dem Göttinger Philosophen EICHHORN zuordnen. EICHHORN schließt sich an die hohe Wertung des Persischen durch viele Orientalisten an, die nach der Kenntnisnahme der Griechen eine umfangreiche Bereicherung ihres Wortschatzes in der Mathematik, Philosophie, Astronomie, historischen und mathematischen Geographie, Geschichte, Medizin, Chemie und Grammatik erfahren habe. Auch das Vorhandensein einer vielfältigen Differenzierung im Alltagswortschatz ist bemerkenswert. So habe das Persische 500 Wörter, um einen Löwen zu bezeichnen, und 1000, die ein Schwert bedeuten. Jene lexikalische Differenziertheit ist jedoch kein ausreichendes Kriterium für die Hochwertigkeit einer Sprache. Die persischen Dichter hätten durch schwülstigen Gebrauch ihre Sprache verdorben, außerdem habe das Persische zwar viele Partikeln (ĺ Partikel), jedoch nicht ausreichend in allen Bereichen. Einer Sprache wird somit die Hochwertigkeit abgesprochen, wenn ihre Schriftsteller nur Mittelmäßiges leisten (ĺ Reichtum). Die Harmonie stellt EICHHORN von vornherein als ein vages Kriterium dar, wenn er erklärt, dass sie sich besser empfinden als be-
Perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia schreiben lässt. Auch hier komme es vorwiegend auf die Vortragsweise des einzelnen Sängers oder Redners an, die Harmonie wird somit von einem Merkmal der Beschreibung der Sprache zu einem Merkmal der Sprachausübung. Dennoch gibt es bestimmte Eigenschaften von Sprachen, die sie eher harmonisch werden lassen: die Abwechslung von Vokalen und Konsonanten (ĺ Vokal, ĺ Konsonant), außerdem die Möglichkeit, Gegensätze und Perioden in ihr anzubringen, wie es im Hebräischen möglich sei. Im Lateinischen werde diese als ĺ Wohlklang bezeichnete Harmonie vor allem erreicht, wenn man eine Periode mit einem aus einem langen, hellen, das Ohr füllenden Tone bestehenden Worte schließen lässt. Dabei spielt EICHHORN auch auf die Motiviertheit zwischen Sprache und bezeichnetem Gegenstand an. Die höchste Stufe der Harmonie hätten die griechischen und lateinischen Dichter erreicht, indem sie die Töne mit den Gegenständen übereinstimmend zu machen wussten. Bemerkenswert ist bei EICHHORN, dass er die Begriffe perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia auf orientalische Sprachen anwendet und auf der Basis seiner Kenntnisse über diese urteilt. Der rein hypothetische, auf Spekulation beruhende Sprachvergleich ist zwar auch bei ihm noch präsent (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), wird jedoch durch sprachbeschreibende Momente eingeschränkt. Der Grund, weshalb EICHHORNs Schrift trotz ihrer stringenteren und originelleren Argumentation nicht der Preis zuerkannt wurde, ist jedoch ein sehr offensichtlicher. Das Deutsche – so wird nämlich in dieser Göttinger Abhandlung festgestellt – sei eine arme Sprache. Zwar habe sie Bereicherung durch die Werke WOLFFs und weiterer Autoren erfahren, die wichtigste Ursache für ihre Armut bestehe jedoch darin, dass das Deutsche den Fremdwörtern kein “deutsches” Kleid umhängen könne, wie es das Englische und Französische mit griechischen, lateinischen und deutschen Wörtern durch entsprechende Endungen können. Eine weitere Ursache bestehe darin, dass das Deutsche zwei Hauptmundarten oder eng verwandte Sprachen umfasse, das Ober- und Niederdeutsche, die sich nicht gegenseitig bereichern könnten (ĺ Dialekt). Die durchaus bemerkenswerte
961
Diskussion dieser philologischen These war keinesfalls geeignet, die von der Akademie eigentlich gemeinte Problematik zu erhellen. Und schließlich schloss sich der Autor dieser stark an MICHAELIS erinnernden und auf altphilologische Gelehrsamkeit setzenden Preisschrift durch eine besonders unrealistische These aus dem Kreis der potentiell erfolgreichen Bewerber aus: auf die Frage, welche Sprache den Vollkommenheitskriterien am besten entspricht, gibt er im Unterschied zu MICHAELIS eine eindeutige Antwort: die griechische (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Er verkennt damit das Anliegen der Akademie, mit der Diskussion zu dieser Preisfrage auch die eigenen Kommunikationsmöglichkeiten und Kommunikationspraktiken zu reflektieren und die sich vollziehende Abwendung vom Französischen als Wissenschaftssprache zu rechtfertigen. JENISCH, der seine Arbeit von vornherein als hypothetisch und als philosophischen Sprachvergleich charakterisierte (ĺ Sprachvergleich und Sprachtypus), nutzt gleichfalls die klassischen Kriterien, benennt sie jedoch anders und legt teilweise originelle Definitionen vor. Die Klarheit (perspicuitas) spaltet er auf in eine Deutlichkeit und eine Gewandtheit, die teilweise zueinander im Widerspruch stehen, sich aber auch bedingen. Die Deutlichkeit bestimmt er als das richtige Maß an sprachlichen Mitteln, mit dem Begriffe und Empfindungen so leicht und so schnell, als möglich, in die Seele übertragen werden. Die Gewandtheit akzentuiert das Leichte und Mühelose in der Darstellung, stellt also gewissermaßen einen höheren Grad an Deutlichkeit dar (ĺ Klarheit). Die Nachdrücklichkeit genannte Energie der Sprache erklärt JENISCH auf der Basis des Einwirkens auf die Sinne, weshalb jede rohe Sprache eine kultivirte an Nachdruck und Kraft übertreffe. Die ursprünglichen, natürlichen Sprachen (ĺ natürliche Sprache), die aus Onomatopoetika und Wurzelwörtern bestehen, seien elementare Formen von Energie, die sich allerdings auf die grobsinnlichen Ideen- und Empfindungskreise beschränken würden. Abstraktionen, Artikel, feine Verbindungs- und Uebergangspartikeln stellt JENISCH wie BEATTIE in einen Gegensatz zur Energie. Da die Sprachen sich jedoch vom
962 ursprünglichen, energiereichen Zustand entfernt haben, sucht JENISCH die Nachdrücklichkeit in den modernen Sprachen auf verschiedenen Ebenen: Den lexikalischen Nachdruck sieht er in der Verwendung der Wörter mit ursprünglicher ĺ Bedeutung. Da sich die Bedeutungen der Wörter durch Metaphorisierung vom ursprünglichen, sinnliche Wahrnehmungen bezeichnenden Inhalt entfernt haben, ist ein Verlust an Nachdruck der Sprachen zu verzeichnen, der durch die Wiederbelebung der sinnlichen Bedeutung ihrer Wörter wieder ausgeglichen werden soll (ĺ Metapher). Den Nachdruck im grammatikalischen Bau nennt JENISCH grammatikalische Energie. Auch sie gehe im Verlauf der Sprachentwicklung mit der Einführung der Artikel, HülfsVerbindungs und Uebergangswörter verloren. Die lebhafte Einbildungskraft und erschütterte Leidenschaft ginge mit der Ausbreitung der Funktionswörter verloren. Zum grammatikalischen Bau, in so fern er auf den Nachdruck der Sprache Beziehung hat, zählt JENISCH auch die Wortstellung, zu der er die intensive Diskussion des 18. Jahrhunderts zur Kenntnis genommen hat (ĺ Wortstellung / ordo naturalis / Inversion). Eine regelmässige und natürliche Syntax erklärt er für die Deutlichkeit als notwendig (ĺ Syntax). Er räumt dabei ein, dass man im Interesse der Harmonie durchaus von der festen Wortfolge abweichen könne, man reiße damit aber Worte und Ideen auseinander, was zu einem höheren Aufwand beim Hörer oder Leser führe, der sie wieder zusammen ordnen müsse. Als dritte Form der Energie einer Sprache nimmt JENISCH eine durch die charakteristische Energie der Nation und ihrer OriginalSchriftsteller bestimmte Energie an. Hier bezieht auch er die Ebene des Gebrauchs (ĺ Gebrauch) in die Betrachtung der Vollkommenheitskriterien von Sprache ein (ĺ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Die Anwendung der klassischen Kriterien auf die Charakteristik von Sprachen als Voraussetzungen der Sprachverwendung ist im 18. Jahrhundert vorherrschend, wird jedoch auch durch die Bezugnahme auf den Gebrauch der Sprache und damit auf rhetorische Kriterien durchsetzt.
III. Einheit und Vielfalt
IV. Als Kriterien des wertenden Sprachver-
gleichs und der ĺ Apologie stellen perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia seit der Antike wenig modifizierte Konstanten dar, die am Ende des 18. Jahrhunderts noch einmal einen Aufschwung durch den philosophischen Sprachvergleich, der argumentativ auf die Vielzahl der inzwischen bekannten Sprachen Bezug nahm, erlebten. Die klassischen Kriterien gingen auch in den alltagssprachlichen Diskurs über Sprache ein und fanden ihre Ausprägung in der Rhetorik. In der Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts vermied man sie jedoch offensichtlich aufgrund ihres wissenschaftlich nicht exakt messbaren Charakters.
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963
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BAND II
IV. SPRACHVERWENDUNG Gebrauch I. Lat. usus; dt. (allgemeiner) Gebrauch,
Sprache des gemeinen Lebens; engl. custom, use of language, common use; frz. coustume, usage; ital. l’uso corrente; span. el uso comun; russ. употребленie. Den Ausgangspunkt der Bezeichnungen in den untersuchten Sprachen bildet das Lateinische, dessen Bezeichnung im Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen in direkter etymologischer Kontinuität fortgesetzt wird (→ Etymologie). In den Einzelsprachen lassen sich teilweise mehrere Äquivalente für das lateinische usus auffinden, was als Indiz dafür angesehen werden kann, dass die Terminologiebildung in diesem Punkt für diese Sprachen im Untersuchungszeitraum noch nicht abgeschlossen war. Nichtsdestoweniger wird deutlich, dass alle aufgeführten Bezeichnungen Attribute wie ‘habituell’ und ‘allgemein’ aufweisen.
II. (SANCTIUS 1587: 7a): Usus porro sine ratione non movetur, alioqui abusus, non usus dicendus erit. auctoritas vero ab usu sumpsit incrementum: nam si ab usu recedat, auctoritas nulla est. Unde Cicero Coelium, & M. Antonium reprehendit, qui suo arbitratu, non ex usu loquerentur. Nihil autem potest esse diuturnum, ut inquit Cortius, cui non subest ratio. (NICOT 1606: Artikel Usage): Usage, m. penac. C’est ce que le Latin dit Vsus, dont il descend. Usage aussi se prent pour coustume, et selon ce on trouve souvent au coustumier de France ces deux mots Usage, et coustume pour une mesme chose, d’autant que coustume n’est autre chose que le commun usage du peuple, touchant quelque chose. L’usage de la parole, Vsus sermonis. (URFÉ 1612–1616: I, 344): […] preuve de son humeur altière, puis que pour ne m’en donner cognoissance, et ne pouvant commander à son visage qui estoit devenu pasle, elle se lia de sorte la langue, qu’elle ne dit jamais parole qui la peust accuser d’avoir flechy, […].
(BROSSE [1646] 1984: I, 85): On dit que la Nature deslia autrefois la langue d’un enfant muet, pour apprendre que celuy qu’on alloit tuer estoit son pere: quand j’aurois perdu l’usage de la parole, l’occasion de contribuer à l’utilité ou à la gloire de qui m’auroit procuré du bien, me la feroit recouvrer (VAUGELAS 1647: Préface, [II]): Pour le mieux faire entendre, dont on parle tant, & que tout le monde appelle le Roy, ou le Tyran, l’arbitre, ou le maistre des langues; Car si ce n’est autre chose, comme quelques-uns se l’imaginent, que la façon ordinaire de parler d’une nation dans le siege de son Empire, ceux qui y sont nez & éleuez, n’auront qu’à parler le langage de leurs nourrices & de leurs domestiques, pour bien parler la langue de leur pays, & les Prouinciaux & les Estrangers pour la bien sçauoir, n’auront aussi qu’à l’imiter. Mais cette opinion choque tellement l’experience generale, qu’elle se refute d’elle mesme, & ie n’ay iamais peu comprendre, comme vn des plus celebres Autheurs de nostre temps a esté infecté de cette erreur. Il y a sans doute deux sortes d’Vsages, vn bon & vn mauuais. Le mauuais se forme du plus grand nombre de personnes, qui presque en toutes choses n’est pas le meilleur, & le bon au contraire est composé non pas de la pluralité, mais de l’élite des voix, & c’est veritablement celuy que l’on nomme le Maistre des langues, celuy qu’il faut suiure pour bien parler, & pour bien escrire en toutes sortes de stiles, si vous en exceptez le satyrique, le comique, en sa propre & ancienne signification, & le burlesque, qui sont d’aussi peu d’estenduë que peu de gens s’y adonnent. Voicy donc comme on definit le bon usage. C’est la façon de parler de la plus saine partie de la Cour, conformément à la plus saine façon d’écrire des Autheurs du temps. Quand je dis la Cour, i’y comprend les femmes comme les hommes, & plusieurs personnes de la ville où le Prince reside, qui par la communication qu’elles ont avec les gens de la Cour participent à sa politesse.
968 (COMENIUS [1648] 1978: 45): Illud etiam in commune patiuntur omnes Lingvæ, quod de Latina observans Horatius cecinit: Multa renascuntur, qvæ jam cecidêre, cadéntqve Qvæ nunc sunt in honore Vocabula, si volet usus: Qvem penes arbitrium est, & jus, & norma loqvendi. (LAMY [1675] 1688: 68): L’usage est le maître, & l’arbitre souverain des langues, personne ne lui peut contester cet empire. […] le langage dépend de la volonté des hommes, de la coûtume & de l’usage. (LAMY [1675/1701] 1998: 141): L’usage ne garde pas toujours l’ordre naturel dans certains mots: il veut qu’on place les uns les premiers, il veut qu’on éloigne les autres. (RICHELET [1680] 1973): Usage. Ce mot se dit en parlant de langage, & en ce sens, il n’a point de Pluriel. [Il y a deux sortes d’usage, Le bon, & le mauvais, Le mauvais se forme du plus-grand nombre des personnes qui ne parlent ni bien, ni exactement, mais le bon usage est la façon de parler de la plus-saine partie de la Cour conformément à la façon d’écrire de la plus-saine partie des Auteurs du tems. Le bon usage est le Tiran, ou le Roi, l’Arbitre, le Souverain, ou le Maître des langues. Vau. Rem. Régler l’usage. Ablancourt. C’est aprés tout, Monsieur le bon usage / Qui fait ou défait le langage. Façon de parler qui est en usage, qui n’est plus en usage, ou qui est hors d’usage.] (LOCKE [1690] 1894: III, IX, 108): Common use regulates the meaning of words pretty well for common conversation; but nobody having an authority to establish the precise signification of words, nor determine to what ideas any one shall annex them, common use is not sufficient to adjust them to Philosophical Discourses; there being scarce any name of any very complex idea (to say nothing of others) which, in common use, has not a great latitude, and which, keeping within the bounds of propriety, may not be made the sign of far different ideas. (LOCKE [1690] 1894: III, XI, 153–154): Vulgar notions suit vulgar discourses: and both, though confused enough, yet serve pretty well the market and the wake. Merchants and
IV. Sprachverwendung lovers, cooks and tailors, have words wherewithal to dispatch their ordinary affairs: and so, I think, might philosophers and disputants too, if they had a mind to understand, and to be clearly understood. (LOCKE [1690] 1894: III, XI, 154–155): […] common use has not so visibly annexed any signification to words, as to make men know always certainly what they precisely stand for […]. (Dictionnaire de l’Académie française, Artikel Usage, 1694): […] l’usage est le maistre des langues vivantes. ce mot n’est pas du bel usage, n’est plus en usage. l’usage l’a receu. cela est hors d’usage. (LUZÁN [1729] 1991: 71): Siendo así que a muchos el principio de introducirse en una casa, en una conversación en donde han dado muestras de espíritu y vivacidad, ha sido el principio de su fortuna. Es necesario a la misma plebe, al pobre, al desvalido; pues muchas veces los grandes señores se mueven a socorrellos [sic; socorrerlos] y a concederles lo que piden, si lo piden con una gracia, con un garbo que es en suma hablar bien. (LUZÁN [1729] 1991: 114): Porque aunque se dice que el régimen de una lengua está en manos del uso, Quem penes arbitrium est et ius et norma loquendi. Pero el uso se ha de entender en el sentido en que lo entendió el citado Quintiliano: Usum, qui sit arbiter dicendi, vocamus consensum eruditorum, sicut vivendi, consensum bonorum. Hay algunos españoles que dicen trebajo, digendo, quisio en lugar de trabajo, diciendo, quiso, etc. El uso de éstos (como quier que no sean pocos) no ha de montar nada para el hablar cuando el uso de la gente civil y más granada es contrario. Pero cuando el uso, aunque injusto, llega a tiranizar totalmente a la razón y a dominar en las lenguas de todos, es preciso entonces ceder a la corriente. (DU MARSAIS 1730: 45): La langue, qui est le principal organe de la parole a doné son nom par métonymie et par extension au mot générique dont on se sert pour marquer les idiomes, le langage des diférentes nations: langue latine, langue françoise. (DU MARSAIS 1730: 83–84): La langue, qui est le principal organe de la parole se prend pour la parole: c’est une méchante langue,
Gebrauch c’est-à-dire, c’est un médisant avoir la langue bien pendue, c’est avoir le talent de la parole, c’est parler facilement. (MAYANS 1737: 185–186): […] a veces se oye una palabra Castellana, i se estraña mucho, porque no se ha oido otra vez.. I llega a ser tal la estrañeza, que la misma Academia Real ha condenado como Antiquismos muchissimas Voces, que son, i se deven tener por Españolas legítimas: i ha querido desterrarlas del uso comun, unicamente porque éste no es frecuente […]. (GOTTSCHED [1748] 1762: 93): Man muß […] sich nicht einbilden, daß irgend eine Sprache in der Welt sey, die nach lauter allgemeinen Regeln geredet, oder geschrieben wird. Auch im Lateinischen und Griechischen ist nicht alles analogisch geredet und geschrieben worden. Wo es also der Gebrauch nicht gewollt hat, da schreibt man auch kein th; als in Tod, ob es gleich plattdeutsch Dood heißt. Wo man hergegen durchgehends eins findet, als Thurm, da behält mans bey, ob es gleich von Turris herkömmt: im gleichen Thurnier, Themse, u. d. gl. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 519): E il più delle volte la moltitudine è una miglior guida, che esser nol possono gli scrittori. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 520): […] le leggi sovrane dell’uso corrente, che è il vero padron delle lingue. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 535): Pensarono piuttosto che, quantunque l’uso governi a suo talento le lingue, faccia invecchiare tal voce e la metta fuori dal consorzio, a tale altra dia vita e fiore di gioventù, pur è ben fatto che ci sia una generale conserva della lingua; e pensarono che nelle dubbietà ed incertezze grammaticali l’autorità degli scrittori veramente classici dovesse esser quello che nella milizia è la insegna a cui ricorrono i soldati, se per qualche accidente sieno posti in disordine. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 535): Ciò che regolò la lingua francese fu non tanto l’uso, a cui non si badò gran fatto, né tampoco l’autorità degli classici scrittori, a cui ricorrere non poteano, quanto il gusto di coloro che sedeano a quel tempo nel tribunale dell’Accademia. (DIDEROT [1751] 1969: Lettre sur les sourds et muets, 556): Si vous me demandez en quel temps l’hiéroglyphe syllabique s’est introduit
969 dans le langage; si c’est une propriété du langage naissant, ou du langage formé, ou du langage perfectionné, je vous répondrai que les hommes, en instituant les premiers éléments de leur langue, ne suivirent, selon toute apparence, que le plus ou le moins de facilité qu’ils rencontrerent dans la conformation des organes de la parole, pour prononcer certaines syllabes plutôt que d’autres […]. (ISLA 1758–1770: I, xy): […] porque no dice o encarga que el predicador siga y no desprecie cualquier uso, sino el uso docto (doctum ne spreuerit usum), esto es, el arreglado, el puesto en razón, el que acostumbran los hombres universalmente reputados por doctos y por inteligentes en la facultad. Éste es el que propiamente se llama uso, que los demás son abusos y coruptelas (PRÉMONTVAL 1759–1761: I, 31): En & dans signifient la même chose; ils ne s’emploient cependant pas indifféremment l’un pour l’autre. C’est même une des grandes difficultés de notre Langue, que d’en bien appliquer l’usage. (MICHAELIS 1760: 5): Ihre Gesetze sind democratisch: nur das, was den meisten gefällt, wird gebräuchlich, und was gebräuchlich ist, das ist nach Horatzens Ausspruch auch richtig und gesetzmäßig. (MICHAELIS 1762: 8): […] c’est en vain qu’il ordonne la justesse des expressions, on ne l’écoute pas. C’est, en un mot, une Démocratie, où la volonté du grand nombre décide de l’usage; & Horace nous dit que dans les langues l’usage est la Loi suprême. (PRIESTLEY 1762: 226): Allowed forms of speech have no natural, but only an arbitrary preference to those which are disallowed. In language every thing is regulated by mere custom, and in things that have no internal excellence, we should consider only the uses to which they are applied. (MARMONTEL 1763: 335–336): Or les organes de la parole se divisent en trois mobiles et deux appuis: les mobiles sont le souffle, la langue et les lèvres […]. (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 249): L’usage n’est donc pas le tyran des langues, il en est le législateur naturel, nécessaire, & exclusif; ses décisions en font l’essence […].
970 (Encyclopédie, Artikel Langue, BEAUZÉE, 1765: IX, 249): Tout est usage dans les langues; le matériel & la signification des mots, l’analogie & l’anomalie des terminaisons, la servitude ou la liberté des constructions, le purisme ou le barbarisme des ensembles. C’est une vérité sentie par tous ceux qui ont parlé de l’usage; mais une vérité mal présentée, quand on a dit que l’usage étoit le tyran des langues. L’idée de tyrannie emporte chez nous celle d’une usurpation injuste & d’un gouvernement déraisonnable; & cependant rien de plus juste que l’empire de l’usage sur quelque idiome que ce soit, puisque lui seul peut donner à la communication des pensées, qui est l’objet de la parole, l’universalité nécessaire; rien de plus raisonnable que d’obéir à ses décisions, puisque sans cela on ne seroit pas entendu, ce qui est le plus contraire à la destination de la parole. (Kratkija pravila Rossijskoj Grammatiki 1773: 2): Правда, что изъ одного употребленiя обучающiеся изобилуютъ словами, или называемыми вокабулами; но сiе ихъ въ семъ случає мнимое богатство желаемого прибытка не приноситъ. Разумєютъ они то только, о чемъ ежедневно разсуждается, притомъ и въ матерiяхъ почти ребяческихъ на изученномъ имъ языкє могутъ дать отвєтъ. (BUFFON [1778] 1997: 32): […] que sa parole nous a été transmise dans une langue pauvre, dénuée d’expressions précises pour les idées abstraites, en sorte que l’interprète de cette parole divine a été obligé d’employer souvent des mots dont les acceptions ne sont déterminées que par les circonstances (RIVAROL [1784] 1998: 46): Après avoir expliqué la diversité des langues par la nature même des choses, et fondé l’union du caractère d’un peuple et du génie de sa langue sur l’éternelle alliance de la parole et de la pensée, il est temps d’arriver aux deux peuples qui nous attendent, et qui doivent fermer cette lice des nations: peuples chez qui tout diffère, climat, langage, gouvernement, vices et vertus: peuples voisins et rivaux, qui après avoir disputé trois cents ans, non à qui auroit l’empire, mais à qui existeroit, se disputent encore la gloire des lettres et se partagent depuis un siècle les regards de l’univers.
IV. Sprachverwendung (BEATTIE [1788] 1968: 142): But, if it be asked, why in Latin (for example) the termination a of the first declension should be feminine, and of the third neuter; or why in either it should be feminine or neuter, and not masculine; I know of no reason, but what has been already assigned, namely, that in the Latin tongue such is the rule, as established by custom: – by Custom, I say, which in all human affairs has great authority, but which in giving laws to language is absolute and irresistable. (GARCÉS 1791: II, XV): Y es esto tan así que no solo quando menguados y superficiales ingenios introducen novedad en el perfecto antiguo lenguage debe el uso comun ser el árbitro del bien hablar y proceder contra semejante atentado; mas aun quando ingenios atinados y doctos quisieren so pretexto de suavizar y enriquecer la propia lengua enmendar ó dar ser á alguna voz, se debe estar al juicio y decision del uso. De uno y otro se viéron exemplos en el buen siglo del lenguage Español. (JOVELLANOS [1795] 1963: 106): […] no tanto se aprende una lengua con reglas, cuanto con ejemplos selectos; no tanto en una gramatica, cuanto en los buenos autores. (DEBRUN 1801: 64): C’est-à-dire, que la voix, l’écriture et le geste deviennent les trois moyens que nous employons pour la communication des pensées, et un système quelconque de ces moyens, est ce qu’on nomme une langue, du principal organe que nous employons à cette communication; c’est à la faculté d’employer ces moyens, prise d’une manière générale, qu’on donne le nom de langage, et à l’Acte de cette faculté, qu’on donne celui de parole. (THIÉBAULT [1802] 1977: I, 37): L’usage général bien constaté est le seul maître ou arbitre des langues: il n’en est pas le tyran; car ses droits sont légitimes et sacrés: les langues vivantes ne dépendent donc que de l’usage des peuples auxquels elles appartiennent et qui les parlent; et les langues mortes ne dépendent que des usages avoués et comme déposés dans les ouvrages et les monuments qu’elles nous ont laissés. (BERNHARDI [1805] 1990: 46): Die Sprache des gemeinen Lebens ist sowohl in einzelnen
Gebrauch Wörtern als in ganzen Sätzen und Wendungen der Maasstab für alle andere Sprachdarstellung. Die Sprache des Dichters, des Philosophen &c. wird an dieser gemessen und als Sprache aus dieser begriffen. (ROQUEFORT 1820: 90): Je ne conçois donc pas cette autorité, cette prépondérance, que, selon les grammairiens, l’analogie doit avoir sur l’usage. Je vois au contraire que la parole étant créée pour l’oreille, ce juge superbe a toujours décidé souverainement du langage, en dépit de l’analogie. Les mots n’ont d’usage que par l’imitation, par l’euphonie, et c’est l’oreille qui les adopte. Les langues ne sont pas plus ou moins harmonieuses par l’analogie, mais par le plus ou moins de justesse et de délicatesse dans les organes qui rendent et qui reçoivent les sons.
III. Der Begriff des Gebrauchs erscheint im 17. und 18. Jahrhundert vor allem in folgenden Zusammenhängen: (1) in der Beschreibung der Sprachwendung zu kommunikativen Zwecken, die in ihrer Andersartigkeit dem Regelwerk der Grammatiken gegenübergestellt wurde (→ Grammatik), (2) in der Darstellung des Unsystematischen, Willkürlichen und rational nicht Begründbaren in einer Sprache (→ Arbitrarität), (3) als guter oder schlechter Gebrauch im Kontext von Normierungsdiskursen (→ Normierung), (4) als Grundlage für einen → Spracherwerb aus Texten und der Verwendung der Sprache und nicht in Form des Auswendiglernens grammatischer Regeln. Die Kategorie des Gebrauchs wird dabei von den Autoren vielfach mit der Norm in Verbindung gebracht wird. Dass gerade im 17. Jahrhundert das Spannungsfeld zwischen diesen beiden Entitäten verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses rückt, wird jedoch kaum verwundern, wenn man sich vergegenwärtigt, dass eine Vielzahl von europäischen Sprachakademien gegründet wurde bzw. mehr oder minder kurz davor ihre Arbeit aufgenommen hatte (→ Normierung). Diese Akademien verstanden sich allesamt als normschaffende, -regulierende und -überwachende Einrichtungen und somit als kulturelle Institutionen, dazu berufen, die eigene Nationalsprache an klassischen (meist lateinischen) Vorbildern auszurichten und gleichsam den Beweis dafür zu
971 erbringen, dass auch eine Volkssprache gleicher kultureller und kommunikativer Leistungen fähig ist, wie die tief in der Tradition der Gelehrsamkeit verwurzelten klassischen Sprachen (→ Apologie). Um die angestrebte Blüte des eigenen Idioms zu erreichen, erwies es sich jedoch als dringend notwendig, kritisch zu erfassen, in welcher Weise Sprache gebraucht wird und welche Schritte daher notwendig sind, um den Status der jeweiligen Sprache anzuheben. Frühe Arbeiten des Untersuchungszeitraums, wie z. B. NICOT 1606, beschäftigen sich – unter deutlicher Bezugnahme auf das Lateinische – vor allem noch mit der Etablierung einer adäquaten linguistischen Terminologie. Jedoch verweist u. a. SANCTIUS bereits vorher darauf, dass der Usus einer Sprache nicht ohne weiteres geändert werden könne, und spricht damit einen inhaltlichen Aspekt an, der für die Sprachdiskussionen nachfolgender Jahrhunderte von erheblicher Relevanz sein wird. COMENIUS schreibt Mitte des 17. Jahrhunderts dem Sprachgebrauch normative Bedeutung zu – eine Meinung, die auch der bedeutendste Sprachnormierer des Französischen, VAUGELAS, vertritt (→ Normierung). Er kennzeichnet den Sprachgebrauch als König und Richter, ja sogar als Tyrann in Sprachfragen. Entsprechend gibt er vor, in seinen Bemerkungen zur französischen Sprache lediglich dem guten Sprachgebrauch des Hofes und der besten Schriftsteller zu folgen, ihn zu beschreiben und keine eigenen normativen Entscheidungen zu treffen. Auffällig ist im 17. und 18. Jahrhundert auch das Merkmal des nicht rational Erklärbaren, das dem Sprachgebrauch fast durchgängig zugeschrieben wird. Auf dieser Grundlage kann vollkommene Sprachbeherrschung nur durch Imitation, nicht durch rationale Erklärungsversuche von Grammatikern erreicht werden. Im Widerstreit der Anomalie und der → Analogie in der Sprachentwicklung kommt dem Sprachgebrauch immer eine das Regelhafte durchbrechende Rolle zu. Wenn er überhaupt auf Regeln zurückgeführt werden kann, so beruhen diese vor allem auf → Konvention. LAMY erklärt den Usus zu einer auf sprachlicher → Konvention fußenden Erscheinung und skizziert Wege einer Wortschatzentwicklung. Dabei vertritt er u. a. den Gedanken, der
972 Usus müsse nicht unbedingt einer bestimmten Logik folgen. Dass der Sprachgebrauch konventionellen Charakter trägt, dabei konstante Bezeichnungen etabliert und folglich für das Gelingen kommunikativer Handlungen wesentlich ist, sieht Ende des 17. Jahrhunderts auch LOCKE und weist auf die Existenz von Fach- und Gruppensprachen hin. Für ihn regelt der Usus die Kommunikation, die wiederum darauf abziele, vom Gegenüber verstanden zu werden. Aufgrund des mit der Äußerungsproduktion verbundenen kommunikativen Anliegens komme es zur Herausbildung der sprachlichen Konvention. Kritisch merkt er jedoch an, dass die → Bedeutung einzelner Wörter nicht eindeutig durch den Sprachgebrauch bestimmt werde, der im Übrigen unabhängig vom Bildungsstand der Sprecher sei. Besonders in diesem letzten Argument unterscheidet sich LOCKE von RICHELET, der nur wenig vorher, im Jahre 1680, in seinem Wörterbuch die Remarques von VAUGELAS zitiert, dabei die tradierte Sicht, der Sprachgebrauch müsse von einer gesellschaftlichen und intellektuellen Elite bestimmt werden, übernimmt und im usage “le Tiran, ou le Roi, l’Arbitre, le Souverain, ou le Maître des langues” sieht. Gerade in Hinblick auf den tyrannischen Charakter des Usus blieben VAUGELAS und RICHELET nicht ohne den Widerspruch anderer Autoren. Das Akademiewörterbuch von 1694 übernimmt zwar den Topos vom maistre des langues vivantes, äußert sich aber nicht zu der Frage, in welcher Weise der Sprachgebrauch entsteht und wer etwa Einfluss auf ihn nehmen könne oder müsse. Einer, der VAUGELAS und RICHELET widerspricht, ist Mitte des 18. Jahrhunderts z. B. der Italiener ALGAROTTI, wenn er unter Wiederholung der Auffassung, der Usus sei die wichtigste Instanz in Sprachfragen, die Meinung vertritt, dass die Masse (la moltitudine) hier besser leiten könne als die Schriftsteller. Vom Einfluss klassischer Autoren hätte man sich vor allem in Frankreich für den Bereich der → Grammatik anfänglich viel versprochen und gehofft, der Sprachgebrauch könne auch Wortschatzentwicklungen wie Archaisierung und Neologie regulieren (→ Neologismen). Indes erhalte sich Sprache im Allgemeinen in der einmal vorliegenden Form. Mit Blick auf das Nachbarland stellt ALGAROTTI fest, dass dort die Sprachnormierung einzig
IV. Sprachverwendung von der Akademie vorgenommen worden sei, ohne Blick auf den Usus, aber auch ohne weitergehende Berücksichtigung klassischer Autoren (→ Normierung). Auch die Encyclopédie (1751–1780) widerspricht der von RICHELET zitierten Auffassung, indem sie den usage eindeutig nicht als tyran des langues charakterisiert und stattdessen unterstreicht, dass die daraus erwachsende Norm eine natürliche und notwendige sei (tout est usage dans les langues). Vielmehr käme es – durch die damit verbundene Garantie einer weitgehenden Sinnkonstanz – zu einem Absichern der Kommunikation. Der Altphilologe MICHAELIS sieht – unter Bezug auf antike Autoren – im Usus eine demokratische Konvention und das oberste Gesetz in Sprachfragen. Folgerichtig erklärt er dessen Entstehung aus der Volksmasse heraus und hält jegliche institutionelle Normierungsversuche für vergeblich. Eine andere Perspektive bringt PRÉMONTVAL ein, der den usage nicht für evident hält, sondern es als eine der großen Schwierigkeiten, namentlich des Französischen, bezeichnet, diesen richtig anzuwenden. Wenn PRIESTLEY im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts auf die Arbitrarität der sprachlichen Norm hinweist, so diskutiert er dabei eine Fragestellung, die ebenfalls noch zahlreiche Autoren nach ihm beschäftigen wird: die des Verhältnisses von → Arbitrarität und → Analogie in der Sprache. Zeitgleich schreibt GOTTSCHED, auch in den klassischen Sprachen gebe es zahlreiche Unregelmäßigkeiten, denn alles hänge vom Usus ab. Dass erst regelmäßige Anwendung sprachlicher Formen und Regeln zu sicheren Kenntnissen führe, unterstreichen – wenngleich nicht völlig ohne didaktisierenden Hintergrund – die Kratkija pravila Rossijskoj Grammatiki von 1773. Der Brite BEATTIE sieht es als erwiesen an, dass niemand sich dem Usus entziehen könne. Zwar sei der Sprachgebrauch weitgehend arbiträr (→ Arbitrarität), trotzdem ermögliche die Existenz von Konventionen (→ Konvention) die kommunikative Interaktion. Als einzigen legitimen Maßstab für lebende und tote Sprachen – und ausdrücklich nicht als Tyrannen – betrachtet THIÉBAULT den Usus. Dieser dient laut BERNHARDI darüber hinaus der Festigung und → Normierung einer Sprache.
Gebrauch Die Frage der → Analogie greift im frühen 19. Jahrhundert u. a. ROQUEFORT auf. Er beschreibt den usage als eindeutig nicht analog, jedoch seien Harmonie und Euphonie (→ Wohlklang) einer Sprache dieser Eigenschaft vorzuziehen – ein Punkt, in dem er sich z. B. von BATTEUX distanziert, der sich nicht nur gegen den Einfluss der Volksmasse auf den Sprachgebrauch, sondern auch für die Analogie in der Sprache ausgesprochen hatte. Indem sich ROQUEFORT zugunsten des Usus gegen analogische Bildungen in der Sprache ausspricht, argumentiert er gleichzeitig gegen die traditionalistischen grammairiens. Die Harmonie bezieht er lediglich auf lautliche Gegebenheiten und Entwicklungsvorgänge. Eine Gegenüberstellung des Sprachsystems und des Gebrauchs einzelner Sprachen wurde noch nicht systematisch betrieben, die Voraussetzungen einer entsprechenden Terminologisierung wurden jedoch allmählich geschaffen. Eine Unterscheidung von langue und parole war seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts geläufig, jedoch in einem anderen Sinne als dem später terminologisch gewordenen. Als parole wurde die Ausübung der Fähigkeit des Sprechens bezeichnet, als langue ihr physisches Organ (vgl. URFÉ 1612– 1616, BROSSE 1646). Bei den Autoren des 18. Jahrhunderts findet sich diese Unterscheidung wieder, auch wenn sie zu stärker terminologischen Gebrauchsweisen in anderen Kontexten übergehen (z. B. MARMONTEL). In einigen Kontexten erhält das Wort parole eine zusätzliche Konnotation und bezeichnet einen Diskurs von besonderem Gewicht, häufig das Wort Gottes (z. B. BUFFON). Eine explizite Unterscheidung von langue, parole und langage erscheint erstmals in Les Tropes von DU MARSAIS (1730). Mit einer leichten Variation findet man bei ihm einige Seiten weiter eine Definition der parole, in der die Möglichkeit des Missbrauchs einer Fähigkeit, die mit Leichtigkeit ausgeübt wird, festgestellt wird (→ Missbrauch). Den Gebrauch von langue für die einem Volk zugehörige Einzelsprache, von langage für eine mehr oder weniger vollkommene Fähigkeit und von parole für die Ausübung dieser Fähigkeit findet man besonders klar in DIDEROTs Lettre sur les sourds et muets (1751).
973 Bei den Ideologen wurde die im unspezifischen Sprachgebrauch vorbereitete Unterscheidung schließlich terminologisiert. DEBRUNs Cours de psycologie (1801) steht dabei als ein Beispiel, das sich in die serielle Lehrbuchproduktion nach vereinfachten sensualistischen Grundsätzen einreiht. → Stimme, → Schrift und Gesten (→ Gebärdensprache vs. Lautsprache) betrachtet er als die Mittel, mit denen wir unsere Gedanken ausdrücken, und ein System (système) aus diesen Mitteln bezeichnet er als langue. Die allgemein betrachtete Fähigkeit zum Gebrauch dieses Systems nennt er langage und den einzelnen Akt der Ausübungen dieser Fähigkeit parole. Die Unterscheidung zwischen langue, parole und langage wird somit in wichtigen und einflussreichen Texten des 18. Jahrhunderts vorgenommen und über die Lehrbücher der Ideologen in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeführt. Das heißt jedoch nicht, dass es gegen Ende des 18. Jahrhunderts nicht auch Texte gibt, die eine solche Unterscheidung nicht vornehmen und, wie zum Beispiel RIVAROL in seinem Discours de l’universalité de la langue française (1784), die drei Wörter als Synonyme zur Vermeidung von Wiederholungen verwenden. IV. Die terminologische Unterscheidung von langue, parole und langage wurde mit der Veröffentlichung von SAUSSUREs Cours de linguistique générale (1916) zu einer festen Bezugsgröße der Linguistik. Dennoch führt ein langer Weg von der im 17. Jahrhundert angebahnten und Ende des 18. Jahrhunderts bereits relativ weit fortgeschrittenen Entwicklung zu ihr. Im 19. Jahrhundert findet sich diese Unterscheidung vor allem im Sprachgebrauch von Gegnern der Ideologen wie BONALD und MAISTRE, aber auch bei dem Mathematiker und Wirtschaftstheoretiker COURNOT, der CONDILLACs Gedanken verarbeitete. Doch auch unabhängig von solchen unmittelbaren positiven oder negativen Reaktionen war die Unterscheidung von langue, parole und langage in den allgemeinen Sprachgebrauch eingedrungen. Die paradigmatische Kraft, mit der SAUSSUREs Cours de linguistique générale die Unterscheidung terminologisiert, steht gegen seine Betrachtung als serieller Text, der bereits vorher ge-
974 troffene terminologische Unterscheidungen funktionalisiert. Damit ein Text aus einer Serie herausragt und ihm inaugurativer Wert für ein Paradigma oder eine Tradition zugeschrieben werden kann, muss dieser Text auf besonders überzeugende Weise auf die in den vorangegangenen linguistischen Theorien nicht gelösten Probleme antworten. Hinzu kommen soziale und institutionelle Bedingungen, aber die terminologische Vorbereitung, durch die eine Unterscheidung passend erscheint, ist nicht zu unterschätzen. Der Gebrauch der Sprache, der durch SAUSSUREs Betonung der langue als ein differentielloppositives System in den Hintergrund gedrängt erschien, fand in Disziplinen wie der Textlinguistik oder der Gesprächsforschung zunehmend Berücksichtigung. In den letzten Jahren ist mit der Veröffentlichung des handschriftlichen Nachlasses SAUSSUREs auch verstärkt deutlich geworden, dass die reine Orientierung auf das System der Sprache eher auf die Herausgeber des Cours zurückgeht, während SAUSSURE durchaus eine linguistique de la parole für sinnvoll hielt. Die argumentative Verknüpfung des Gebrauchs mit der sprachlichen Norm (→ Normierung) bestand auch nach dem 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart fort, hat aber inhaltlich in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Akzente erhalten (man sehe stellvertretend nur die unermüdlich geführte Diskussion um die Anglizismen im Französischen). Initiiert und getragen werden entsprechende Diskussionen vorwiegend durch die Sprachakademien der jeweiligen Länder oder ihnen dem Range und der Funktion nach gleichgestellte Einrichtungen. Schwerpunkte heutiger Diskussionen bilden die Übernahme fremden Wortguts in die eigene Sprache (sowie mögliche Formen dieser Übernahmen) und Reformen innerhalb des Sprachsystems, etwa im Bereich der → Orthographie. Bei mehrsprachigen Gemeinwesen sind darüber hinaus Erörterungen zur hierarchischen Ordnung der auf dem Territorium vertretenen Sprachen und Varietäten (→ Dialekt) und zu deren (tolerablen) Einfluss auf die Hochsprache(n) zu erwarten. Anhand zahlreicher neuerer Beispiele ließe sich aufzeigen, dass bei derlei Diskussionen oftmals in verschiedene Richtungen strebende Kräfte wirksam wer-
IV. Sprachverwendung den, die das entstehende Ergebnis nachhaltig beeinflussen und den Erfolg der normierenden Maßnahme teilweise herabsetzen können: So ist es französischen Terminologiekommissionen nur im Ansatz und unter Androhung hoher Strafen gelungen, den Einfluss englischen Wortguts auf das Französische zu begrenzen und muttersprachliche Bezeichnungen einzuführen. Die neueste Orthographiereform des Deutschen beinhaltet zahlreiche Ausnahmen, die vielerorts eine klare Regelbildung verhindern. Davon abgesehen wird der Einfluss des Sprachgebrauchs auf die Norm einer Sprache heute kaum mehr unterschätzt.
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Stil
I. Lat. elocutio, genus dicendi, stilus; dt.
Stil, Schreibart; engl. style, good writing; frz. style; it. stile; span. estilo; russ. стиль. In den europäischen Sprachen gehen die Bezeichnungen für die Art und Weise des Schreibens und Sprechens, die durch mehr oder weniger auffällige Eigenheiten des sprachlichen Ausdrucks gekennzeichnet ist, auf lat. stilus zurück, das ursprünglich ‘Stengel’ bedeutete und durch metaphorische Übertragung zur Bezeichnung für den ‘Schreibgriffel’ wurde. Für die weitere Bedeutungsentwicklung ist die Gestalt dieses Griffels, der aus Holz, Metall oder Elfenbein bestand, wesentlich. Außer dem spitzen Ende, mit dem man schrieb, hatte der Griffel noch ein flaches, das dazu diente, das auf Wachstafeln Geschriebene wieder auszustreichen, woher auch der lateinische Ausdruck stilum vertere ‘den Griffel umdrehen’ kommt, der für ‘verbessern’ verwendet wurde. Damit war die Voraussetzung für eine zweite Übertragung von ‘Griffel’ auf die ‘Schreibart’ gegeben. Bereits in der Antike, beginnend mit TERENZ und CICERO, wurde
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stilus auf geschriebene, gelegentlich auch auf gesprochene Sprache bezogen. Man meinte irrtümlich, dem lateinischen stilus lege das griechische stylos (‘Säule’ oder ‘Pfeiler’) zugrunde, worauf die Schreibung dieses Wortes im Englischen und im Französischen zurückgeht. Im lateinischen Mittelalter fehlt die Verwendung von stilus für ‘Schreibart’, es kam jedoch eine neue Bedeutung von stilus auf, die ‘Art der Anlage von Gerichtsakten oder von Akten überhaupt’. In der Vernakularsprache Italiens bedeutete das entsprechende Wort allerdings bereits ‘Schreibart’, ‘Redeart’ oder ‘Dichtungsart’. Im 17. Jahrhundert findet das Wort sowohl in den Bildenden Künsten als auch in der Musik Anwendung. Einzelne Belege dafür gibt es allerdings bereits im 15. Jahrhundert für das Katalanische und im 16. für das Italienische. Das Wort bezeichnete fortan nicht nur die ‘Schreibart’, sondern auch die ‘Machart’ in den Bildenden Künsten und der Musik.
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II. (NICOT 1606: Artikel Style): Style, et maniere d’escrire, Stylus, Vena. (CHIFLET 1659: 165): Le stile n’est autre chose que la manière d’exprimer ses pensées, par le choix & par l’arrangement des paroles & des diverses figures ou façons de les employer à cet effet. (LAMY [1675] 1688: [X]): […] qu’il faut que la matiere regle le stile, qu’on doit s’élever ou s’abaisser selon qu’elle est relevée ou qu’elle est basse; & que la qualité du discours doit exprimer la qualité du sujet. (LOCKE [1690] 1894: III, VII, 98): In right use of Particles consists the Art of Well-speaking. (LEIBNIZ [1697] 1908: 350): 87. Hernach vermeyne, dass ein Unterscheid zu machen unter den Arten der Zuhörer oder Leser: dann was für männiglich geredet oder geschrieben wird, als zum Exempel, was man prediget, soll billig von jedermann verstanden werden; was aber für Gelehrte, für den Richter, für Staats-Leute geschrieben, da kan man sich mehr Freyheit nehmen. (MURATORI 1706: 619): Per lo contrario, mancando il condimento della Lingua, molto men piacciono a chi ha buon Gusto i versi, tuttoché ingegnosi, e con buona vena composti. Gran fastidio altresí pruovano gl’Intendenti saggi, allorché prendono a leggere qualche dotto componimento, se si avvengono tratto in parole straniere, barbare, o troppo plebee, cioè in Barbarismi, o pure in isconcordanze, o sia in Solecismi. (MURATORI 1706: 625): E questo è il primo frutto, che dallo studio d’essa Gramatica si raccoglie, cioè lo schivar gli errori. Ma non basta il parlare, o scrivere senza errori, bisogna oltre a ciò per meritar lode saper favellare, e scrivere con leggiadria. Ed ecco il secondo frutto, che s’ottiene sí dalla Gramatica, e sí dalla lettura de’migliori, che hanno scritto in Lingua Italiana. Questa leggiadria consiste nell’uso de’buoni vocaboli; e non solo in questo (potendo essere Italiani tutti i vocaboli d’una scrittura, e pur non essere Italiana la Scrittura) ma nell’usar eziandio le forme di dire Italiane, che ancor si chiamano frasi, e locuzioni. (FEIJOO [1726–1740a] 1923–1925: I, 270) En los españoles, picados de cultura, dió en rei-
IV. Sprachverwendung nar de algun tiempo á esta parte una afectacion pueril de tropos retóricos, por la mayor parte vulgares, una multitud de epítetos sinónimos, una colocacion violenta de voces pomposas, que hacen el estilo, no gloriosamente majestuoso, sí asquerosamente entumecido. A que añaden muchos una temeraria introduccion de voces, ya latinas, ya francesas, que debieran ser decomisadas como contrabando del idioma, ó idioma de contrabando en estos reinos. Ciertamente en España son pocos los que distinguen el estilo sublime del afectado, y muchos los que confunden uno con otro. (FEIJOO [1726–1740a] 1923–1925: I, 270): Consiste la propiedad del estilo en usar de las locuciones más naturales y más inmediatamente representativas de los objetos. (MAYANS [1727] 1983–1986: 578): Toda Europa desprecia, i aun hace burla del extravagante modo de escrivir que casi todos los españoles practican hoi. Es casi nada lo que se traduce de nuestra lengua en las otras; argumento claro del poco aprecio que se hace de nuestro modo de pensar, enseñar i decir; i más en un tiempo en que, codiciosa Francia de enriquecer su idioma con los mejores escritos que ha logrado el mundo, no se acuerda de los nuestros. No sucedía assí quando tenía España a los venerables Luises […]. (LUZÁN [1729] 1991: 95): El uso de los diccionarios para alguna palabra suelta es más breve y más fácil, pero la letura [sic] de los buenos autores es mejor, más segura y más provechosa. Con este ejercicio se viene insensiblemente a formar el stilo puro y elegante. (LUZÁN [1729] 1991: 96): […] se puede seguramente proponer como ejemplar de un estilo puro y elegante, quitados algunos pocos términos extranjeros, los cuales no sé que hasta ahora se hayan avecindado en España […]. (MAYANS 1737: 100): A mas de la observacion de las Piezas originales, i Autores, cuyas obras son texto de lengua, se deve egercitar el estilo hablando con cuidado, i enmienda; i sobre todo escriviendo con arreglo e imitacion a los Originales, tomando para cada materia los Autores, que hablaron en ella. (Zedlers Universallexicon, Artikel Schreibart, 1743: XXXV, 1121): Schreibart, Lat. Stylus, Franz. Stile, ist eine Zusammensetzung der Wörter, wodurch wir unsere Gedancken
Stil auszudrücken suchen. Diese Zusammensetzung überhaupt ist entweder gut oder fehlerhaft. Zu einer guten Schreibart gehört, dass sie in der Sprache rein, in der Verbindung ordentlich, und in der Ausdrückung deutlich sey. Ueberhaupt ist zu wissen nöthig, daß, so viele Arten von Zusammensetzungen der Wörter möglich, es auch so viele Schreibarten geben müsse. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, VI, 91): […] notre déclamation admet, de temps en temps, des intervalles aussi distincts que le chant. Si on ne les altéroit qu’autant qu’il seroit nécessaire pour les apprécier, ils n’en paroîtroient pas moins naturels, et l’on pourroit les noter. Je crois même que le goût et l’oreille font préférer au bon comédien les sons harmoniques, toutes les fois qu’ils ne contrarient point trop notre prononciation ordinaire. C’est sans doute pour ces sortes de sons que Molière avoit imaginé des notes. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, VIII, 104): […] le style, dans son origine, a été poëtique; puisqu’il a commencé par peindre les idées avec les images les plus sensibles, et qu’il étoit d’ailleurs extrêmement mesuré. Mais, les langues devenant plus abondantes, le langage d’action s’abolit peu à peu; la voix se varia moins; le goût pour les figures et les métaphores, par les raisons que j’en donnerai, diminua insensiblement, et le style se rapprocha de notre prose. Cependant les auteurs adoptèrent le langage ancien, comme plus vif et plus propre à se graver dans la mémoire: unique moyen de faire passer pour lors leurs ouvrages à la postérité. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, VIII, 109– 110): […] la prosodie et le style étant devenus plus simples, la prose s’éloigna de plus en plus de la poësie. D’un autre côté, l’esprit fit des progrès, la poësie en parut avec des images plus neuves; par ce moyen, elle s’éloigna aussi du langage ordinaire, fut moins à la portée du peuple, et devint moins propre à l’instruction. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, VIII, 116– 117): […] le style poëtique et le langage ordinaire, en s’éloignant l’un de l’autre, laissèrent entr’eux un milieu où l’éloquence prit son origine, et d’où elle s’écarta pour se rapprocher tantôt du ton de la poësie, tantôt de celui de la conversation. Elle ne diffère de celui-ci,
977 que parce qu’elle rejette toutes les expressions qui ne sont pas assez nobles; et de celui-là, que parce qu’elle n’est pas assujettie à la même mesure, et que, selon le caractère des langues, on ne lui permet pas certaines figures et certains tours qu’on souffre dans la poësie. (GIRARD 1747: 6): De l’assemblage méthodique des mots se forme le DISCOURS; dont les varíétés produisent les différens stiles. (GIRARD 1747: 6): Le STILE est une façon de s’exprimer, portant un caractere émané ou de la qualité de l’ouvrage ou du gout personnel de l’auteur. Ce caractere résulte du tour de la pensée, du choix des mots, & de l’arrangement respectif de toutes les parties qui composent le discours. (GOTTSCHED [1748] 1762: 2–3): Sobald sich nun Gelehrte finden, die auch auf die Schreibart einigen Fleiß wenden; so fängt man an, die Sprachähnlichkeit besser zu beobachten, als der Pöbel zu thun pflegt: und die Sprache verliert also etwas von ihrer Rauhigkeit. Je mehr fleißige und sorgfältige Schriftsteller sich nun finden, desto richtiger wird die Sprache: und daher entsteht die Pflicht, sich auch nach dem Gebrauche der besten Schriftsteller zu richten. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 520): Al pericolo di non usare scrivendo per latino le voci proprie, si aggiunge anche quello non punto minore, che nello stile che nasce dall’insieme di esse non vi abbia naturalezza, né unità. (BUFFON [1753] 1872: 15): Le style n’est que l’ordre et le mouvement qu’on met dans ses pensées. Si on les enchaîne étroitement, si on les serre, le style devient ferme, nerveux et concis; si on les laisse se succéder lentement, et ne se joindre qu’ à la faveur des mots, quelque élégants qu’ ils soient, le style sera diffus, lâche et traînant. (BUFFON [1753] 1872: 19–20): Mais lorsqu’il se sera fait un plan, lorsqu’une fois il aura rassemblé et mis en ordre toutes les pensées essentielles à son sujet, il s’apercevra aisément de l’instant auquel il doit prendre la plume, il sentira le point de maturité de la production de l’esprit, il sera pressé de la faire éclore, il n’aura même que du plaisir à écrire: les idées se succéderont aisément, et le style sera naturel et facile; la chaleur naîtra de ce plaisir, se répandra partout, et donnera de la vie à chaque expression; tout s’animera de plus en plus:
978 le ton s’élèvera, les objets prendront de la couleur; et le sentiment, se joignant à la lumière, l’augmentera, la portera plus loin, la fera passer de ce que l’on dit à ce que l’on va dire, et le style deviendra intéressant et lumineux. (BUFFON [1753] 1872: 21): Ces écrivains n’ont point de style, ou, si l’on veut, ils n’en ont que l’ombre. Le style doit graver des pensées: ils ne savent que tracer des paroles. (BUFFON [1753] 1872: 23–24): Les ouvrages bien écrits seront les seuls qui passeront à la postérité: la quantité des connaissances, la singularité des faits, la nouveauté même des découvertes, ne sont pas de sûrs garants de l’immortalité: si les ouvrages qui les contiennent ne roulent que sur de petits objets, s’ils sont écrits sans goût, sans noblesse et sans génie, ils périront, parce que les connaissances, les faits et les découvertes s’enlèvent aisément, se transportent, et gagnent même à être mises en œuvre par des mains plus habiles. Ces choses sont hors de l’homme, le style est l’homme même. Le style ne peut donc ni s’enlever, ni se transporter, ni s’altérer; s’il est élevé, noble, sublime, l’auteur sera également admiré dans tous les temps: car il n’y a que la vérité qui soit durable, et même éternelle. Or un beau style n’est tel en effet que par le nombre infini des vérités qu’il présente. (Encyclopédie, Artikel Elocution, D’ALEMBERT, 1755: V, 520): ELOCUTION, s. f. (BellesLettres.) Ce mot qui vient du latin eloqui, parler, signifie proprement & à la rigueur le caractere du discours; & en ce sens il ne s’employe guere qu’en parlant de la conversation, les mots style & diction étant consacrés aux ouvrages ou aux discours oratoires. On dit d’un homme qui parle bien, qu’il a une belle élocution; & d’un écrivain ou d’un orateur, que sa diction est correcte, que son style est élégant, &c. (Encyclopédie, Artikel Elocution, D’ALEMBERT, 1755: V, 520): J’ai dit que l’élocution avoit pour objet la diction & le style de l’orateur; car il ne faut pas croire que ces deux mots soient synonymes: le dernier a une acception beaucoup plus étendue que le premier. Diction ne se dit proprement que des qualités générales & grammaticales du discours, & ces qualités sont au nombre de deux, la correction & la clarté. Elles sont indispen-
IV. Sprachverwendung sables dans quelqu’ouvrage que ce puisse être, soit d’éloquence, soit de tout autre genre; l’étude de la langue & l’habitude d’écrire les donnent presqu’infailliblement, quand on cherche de bonne foi à les acquérir. Style au contraire se dit des qualités du discours, plus particulieres, plus difficiles & plus rares, qui marquent le génie & le talent de celui qui écrit ou qui parle: telles sont la propriété des termes, l’élégance, la facilité, la précision, l’élévation, la noblesse, l’harmonie, la convenance avec le sujet, &c. Nous n’ignorons pas néanmoins que les mots style & diction se prennent souvent l’un pour l’autre, sur-tout par les auteurs qui ne s’expriment pas sur ce sujet avec une exactitude rigoureuse; mais la distinction que nous venons d’établir, ne nous paroît pas moins réelle. On parlera plus au long au mot STYLE, des différentes qualités que le style doit avoir en général, & pour toutes sortes de sujets […]. (Encyclopédie, Artikel Elocution, D’ALEMBERT, 1755: V, 525–526): Mais quelque harmonie qui se fasse sentir dans le discours, rien n’est plus opposé à l’éloquence qu’un style diffus, traînant, & lâche. Le style de l’orateur doit être serré; c’est par-là sur-tout qu’a excellé Démosthene. Or en quoi consiste le style serré? A mettre, comme nous l’avons dit, chaque idée à sa véritable place, à ne point omettre d’idées intermédiaires trop difficiles à suppléer, à rendre enfin chaque idée par le terme propre: par ce moyen on évitera toute répétition & toute circonlocution, & le style aura le rare avantage d’être concis sans être fatiguant, & développé sans être lâche. Il arrive souvent qu’on est aussi obscur en fuyant la briéveté, qu’en la cherchant; on perd sa route en voulant prendre la plus longue. La maniere la plus naturelle & la plus sûre d’arriver à un objet, c’est d’y aller par le plus court chemin, pourvû qu’on y aille en marchant, & non pas en sautant d’un lieu à un autre. On peut juger de-là combien est opposée à l’éloquence véritable, cette loquacité si ordinaire au barreau, qui consiste à dire si peu de choses avec tant de paroles. (Encyclopédie, Artikel Elocution, D’ALEMBERT, 1755: V, 526): Il ne suffit pas au style de l’orateur d’être clair, correct, propre, précis, élégant, noble, convenable au sujet, harmonieux, vif, & serré; il faut encore qu’il soit fa-
Stil cile, c’est-à-dire que la gêne de la composition ne s’y laisse point appercevoir. Le style naturel, dit Pascal, nous enchante avec raison; car on s’attendoit de trouver un auteur, & on trouve un homme. Le plaisir de l’auditeur ou du lecteur diminuera à mesure que le travail & la peine se feront sentir. Un des moyens de se préserver de ce défaut, c’est d’éviter ce style figuré, poétique, chargé d’ornemens, de métaphores, d’antitheses, & d’épithetes, qu’on appelle, je ne sai par quelle raison, style académique. Ce n’est assûrément pas celui de l’académie Françoise; il ne faut, pour s’en convaincre, que lire les ouvrages & les discours même des principaux membres qui la composent. C’est tout au plus le style de quelques académies de province, dont la multiplication excessive & ridicule est aussi funeste aux progrès du bon. goût, que préjudiciable aux vrais intérêts de l’état; depuis Pau jusqu’à Dunkerque, tout sera bien-tôt académie en France. (MAYANS 1757: 56): Para formar el estilo deven leerse con gran freqüencia mui pocos i los mejores; pero una vez formado, conviene estender la leyenda a otros muchos, para adquirir una gran abundancia de palabras i de cosas. (MAYANS 1757: 308): […] tiene cierto aire i galanía que no se halla en los estilos provinciales […] lo que en buen romance llamamos valencianismos, cathalanismos, aragonesismos i otros semejantes vicios, en que caen los que hablan diciendo incautamente algunas expresiones por las quales manifiestan que son de cierto reino o provincia. (MAYANS 1757: 309): Si algo, pues, no se pudiere decir en español, sino por rodeo, si dirá por él. (ISLA 1758–1770: III, 154): Todo cuanto dices es así, y no hubieras perdido nada por habérmelo dicho con mayor templanza y con un poco más de urbanidad. (ISLA 1758–1770: III, II, § 8): […] aquel estilo afectado que consiste en imitar mal las palabras o los pensamientos del otro […]. (ISLA 1758–1770: III, II, § 10): Sea siempre el estilo crespo, hinchado, erizado de latín o de griego, altisonante y, si pudiere ser, cadencioso. Huye cuanto pudieres de voces vulgares y comunes, aunque sean propias; porque si el predicador habla desde más alto
979 y en voz alta, es razón que también sean altas las expresiones. Insigne modelo tienes en el autor del famoso Florilogio, y sólo con estudiar bien sus frases harás un estilo que aturrulle y atolondre a tus auditorios. Al silencio llámale taciturnidades del labio; al alabar, panegirizar; al ver, atingencia visual de los objetos; nunca digas habitación, que lo dice cualquier payo, di habitáculo y déjalo por mi cuenta; existir es vulgaridad, existencial naturaleza es cosa grande. (ISLA 1758–1770: III, II, § 11): Dígote de verdad que un sermón de este estilo, no hay oro en el mundo para pagarle. (ISLA 1758–1770: III, II, § 32): Y si este autorcillo avinagrado tiene por viciosos todos los estilos que acaba de nombrar, ¿dónde hallará uno que no sea pecador? Al magnífico le llama hinchado; al culto, remedador, o caco – ¿qué sé yo?; al figurado, frío; al tierno, florido y delicioso, pueril; al vehemente, parentirso o paren-diablo; al arreglado, escolástico; al rumboso, poético; y al alusivo, metafórico o alegórico”. (BOUCHOT 1759: 8): Mais est-il dècent de prononcer en chaire comme dans les spectacles? A cela je réponds: l’ècriture & la parole sont les deux tableaux de l’ame, c’est par eux qu’elle manifeste ses idées; si le texte sacré mis dans le stile à la mode a eu des censeurs, la prononciation affectée en sera-t-elle exempte? (MICHAELIS 1760: 69): Die Ohren der Griechen fanden einen so übermäßigen Wohlgefallen an der Beredsamkeit, daß ihr Geschichtschreiber, oft wider alle Wahrscheinlichkeit gantze Reden der Helden erzählen und oratorisch einkleiden muß, wenn er gefallen will. Josephus bekennet selbst, von den ältesten Geschichten seines Volcks nichts weiter zu wissen, als was in der Bibel stehet: weil er aber Attisch schreiben und von Griechen gelesen seyn wollte, so mußte er eben solche künstliche Reden erdichten, wo in seiner Hebräischen Urkunde entweder nur ein kurtzer Ausdruck, von einer eintzigen Zeile alles in sich fasset, oder die ungekünstelte Natur etwas weitläufiger redet. (MICHAELIS 1760: 76): Ein beträchtlicher Theil der Sprachen entstehet aus Redens-Arten der Dichter, die man so oft in Prosa nach-
980 ahmte, bis sie prosaisch wurden. Da der Poete die gewöhnliche Bahn verlassen und figürlich reden muß, und seine Begeisterung ihn auf die neuesten und unerwartetesten Vergleichungen bringet: so ist es sehr wahrscheinlich, daß jeder irrige Ausdruck auch sein Gegengift in der Sprache der Dichter haben werde, wenn auch kein Dichter die Wahrheit eingesehen, sondern blos die Absicht gehabt hat, neue Vergleichungen anzustellen. (MICHAELIS 1762: 130): La passion des Grecs pour l’Eloquence étoit si excessive que leurs Historiens, pour s’y conformer, furent obligés de faire haranguer tous leurs principaux personnages, & de donner au mépris des loix les plus simples de la vraisemblance, un tour oratoire à tous leurs discours. L’historien Joseph avoue qu’il ne connoit de l’histoire de l’ancien peuple Juif que ce qu’il en a lû dans le vieux testament; mais comme il se piquoit d’Atticisme, & qu’il vouloit se faire lire en Grèce, il lui fallut suivre le même goût. Aussi n’y manque-t-il pas; Là où le texte original n’excède pas une ligne, il brode de longues déclamations; & là où ce texte, quoique plus étendu, ne renferme que des expressions simples & naïves, il substitue des fleurs de Rhétorique & des ornemens apprêtés. (MICHAELIS 1762: 141): Les langues consistent en grande partie dans des expressions poétiques, qui à force d’être imitées en prose, sont devenues prosaïques. Comme les poètes sont obligés d’abandonner la route ordinaire, & de rechercher les figures, leur enthousiasme leur suggere souvent les comparaisons les plus singulieres & les moins attendues; par là il devient très vraisemblable que toutes les expressions erronées ont leur antidote dans le langage poetique: Ce n’est point que les poetes ayent découvert la vérité; mais ils l’ont rencontrée sans le savoir, en cherchant de nouvelles ressemblances. (Preisfrage 1771, Manuskript I-M-665: 45): Pour ne rien oublier j’ajoute encore ici la répétition trop fréquente des mots, que l’on a taché d’éviter dès qu’on a été un peu avancé dans l’art d’écrire, de là premièrement les pronoms dans toutes les langues, delà les mots sousententendus [sic], de là enfin plusieurs mots qu’on regarde comme synonimes, & qui ne l’ont pas été toujours.
IV. Sprachverwendung (HERDER [1772] 1978a: 147): Die späten französischen Dichter können sich nicht versteigen, weil die ersten Erfinder ihrer Sprache sich nicht verstiegen haben; ihre ganze Sprache ist Prose der gesunder Vernunft und hat ursprünglich fast kein poetisches Wort, das dem Dichter eigen wäre – aber die Morgenländer, die Griechen, die Engländer und wir Deutschen? (HELVÉTIUS 1773: 243–244): Mais les hommes attachent-ils la même idée au mot style? On peut prendre ce mot en deux sens différens. Ou l’on regarde uniquement le style comme une maniere plus ou moins heureuse d’exprimer ses idées, et c’est sous ce point de vue que je le considere. Ou l’on donne à ce mot une signification plus étendue et l’on confond ensemble et l’idée et l’expression de l’idée. C’est en ce dernier sens que M. Beccaria dans une dissertation pleine d’esprit et de sagacité, dit que pour bien écrire, il faut meubler sa mémoire d’une infinité d’idées accessoires au sujet qu’on traite. En ce sens l’art d’écrire, est l’art d’éveiller dans le lecteur un grand nombre de sensations, et l’on ne manque de style que parce qu’on manque d’idées. (ADELUNG [1774–1786/1793–1801] 1990: IV, 492): Der Styl, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, aus dem Griech. und Lat. Stylus, die Art und Weise, wie man seine Gedanken ordnet und vorträgt; zunächst von dem Vortrage derselben durch Worte, die Schreibart. (CAPMANY 1776: 60): […] [los libros franceses] nos han tambien deslumbrado con su novedad y método y, mas aun, con la brillantez y limpieza del estilo, que es todo del gusto de los autores y no del genio y primor del [i]dióma. (CAPMANY 1776: 142–143): […] desde que en España se traduce bien, y se tratan nuevos asuntos, el idioma ha tomado un vuelto sublime, y ha recibido un nuevo lustre con el caudal de voces cientificas, compuestas y naturales que ha adoptado de dia en dia. El espacio de veinte años ha puesto una notable diferencia entre los escritos de la Nacion… Si yo hubiese de hablar aquí del estilo, haria ver, que éste tambien se ha reformado prodigiosamente, desde que los traductores han tenido la noble libertad de valerse de ciertos rasgos bri-
Stil llantes y expresivos de otra lengua, para traducir las vivas y enérgicas del original. Compárese aquel estilo sublime, porque se perdia de vista, afectado, lleno de delirios metafóricos, cargado de perifrasis pueriles, y de obscuridades dialecticas, que en el siglo pasado pervirtió el gusto de la eloqüencia: compárese, vuelvo á decir, con el estilo natural, fluido, y metódico, lleno de solidez, nobleza, y de una simple magestad, con el qual se visten los escritos modernos de nuestra lengua. Esta innovacion en la pureza de la expresion y del estilo, ha venido de la imitacion de los buenos exemplares de este siglo pensador, que ha reformado el gusto y el entendimiento, y por consiguiente el modo de raciocinar. (MEINER 1781: LXI): Endlich hat man dem erfinderischen Geiste der Griechen auch noch diese doppelte gleich schöne Erfindung zu verdanken, daß man, a) Bey Nacherzählung einer fremden Rede, seinen Worten eine solche Lage und Richtung geben kann, nach der man sich aller Verbindlichkeit entschüttet, für die Wahrheit und Richtigkeit derselben zu stehen: Man nennet diese Art des Vortrags den erzählenden Styl, Stylum relatiuum, den man hier in einem besondern Abschnitt erkläret und mit Beyspielen aus allerley Sprachen erläutert finden wird. b) Daß man durch den Gebrauch der Participien seiner Rede, bey einer großen Kürze, dennoch nicht nur eine besondere Deutlichkeit, sondern auch, neben der Purität der Sprache, auch eine angenehme Abwechslung verschaffen kann. In welchen beyden Stücken sich die Lateiner als fleißige Nachahmer erwiesen haben, denen hernach auch andere Nationen wieder gefolget sind. (IRIARTE 1782: 245): Los que mezclan voces anticuadas con las de buen uso, para acreditarse de escribir bien el idioma, le escriben mal y se hacen ridículos […]. (JOVELLANOS [1795] 1963: 114): […] perspicuidad y ornamento, porque todo lo que se exige del lenguaje es que nuestras ideas se presenten con claridad al entendimiento de los otros, y que tengan al mismo tiempo aquel adorno capaz de darles gusto y de interesarlos. (JOVELLANOS [1795] 1963: 114): La propiedad consiste en la eleccion de aquellas pala-
981 bras de la lengua patria, apropiadas por el uso establecido á aquellas ideas que intentamos expresar por ellas. El estilo puede ser puro, esto es, puede ser del todo español, sin galicismos ó expresiones irregulares, y sin embargo, puede ser defectuoso por falta de propiedad. […] Pero el estilo no puede ser propio sin ser tambien puro. […] No hay otras reglas de pureza y propiedad que la práctica de los mejores escritores y oradores del pais donde se vive. (LÓPEZ DE LA HUERTA 1799: VII): […] al orador, al filósofo, al facultativo, que tienen que dar á su persuasion, ó á su explicacion la mayor precision, energía y claridad, les conviene elegir aquellas voces que desmenucen, por decirlo así, las mas pequeñas modificaciones de las ideas generales, que apénas se distinguen en el uso comun. (BERNHARDI [1805] 1990: 48): Indessen legt auch jeder Dichter und Gelehrte in den Darstellungen seiner Gattung seine Individualität mit nieder und dies kann mit der höchsten Allgemeinheit der Ansicht sehr wohl bestehen. Diese ganz unfehlbar, aber als Nebensache sich aussprechende Individualität, heißt, so fern es in und durch Sprache geschieht: Styl und hiemit wäre der Kreis durchlaufen und wir wären angekommen, da wo wir ausgelaufen waren, bei dem Einzelnen. Individueller Stil, Stil eines Autors (SANCTIUS 1587: 165b): Contra nostros Gramatistas sentit Quintilianus lib. 9. cap. 3. quum inquit: Quae per detractionem fiunt figurae brevitatis novitatisque maximè gratia petuntur, &c. Iam verò quid lepôris habebunt tot proverbia, si integra referantur? Lupus in fabula. Ad fractam canis. Ne sutor ultra crepidam. Posterioribus melioribus, inter caesa & porrecta. Manum de tabula: & mille huiusmodi. Multa etiam Grammaticae ratio nos cogit intelligere, quae si apponerentur latinitatis elegantiam disturparent, aut sensum dubium facerent. Hinc fit ut praepositiones saepe supprimatur: & saepius participium ENS: ut nate, meae vires, mea magna potentia solus.s.ens: Annibal peto pacem.s.ens, quae omnia imperiti ad appositionem aut evocationem referunt. (ALGAROTTI [1750a] 1969: 517): Ma a niun Francese meglio riuscì di scrivere in italiano
982 quanto all’abate Regnier, il quale all’Accademia della Crusca seppe ordire quell’illustre suo inganno contrafacendo una canzone come se fosse del Petrarca, ed arricchì la Toscana di una versione di Anacreonte, che sopra quelle medesimamente de’ Toscani meritò palma e corona. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 530): V’introdusse le trasposizioni, le parole composte, delle maniere in tutto nuove; si studiò di far sì che negli ardiri, nella energia, nella copia e in ciascun altro pregio si potesse agguagliare alla stessa greca; e nella lingua francese così da esso raffazzonata si mise a comporre dei saggi sull’andare di Pindaro, di Callimaco, di Teocrito, di Omero. Dove Ronsardo avrebbe forse ottenuto assai più, se avesse tentato meno; e parve accadesse a lui come a coloro che, volendo in un subito cangiare un governo a cui un popolo sia da lungo tempo avvezzo, non altro sogliono fare che maggiormente confermarlo. Infatti mentre i dotti mettevano in cielo il poeta e le poetiche sue valentie, si nauseò il popolo al sentire tutto a un tratto non solo costruzioni inaudite sino allora, ma parole del tutto strane e pedantesche; quelle per atto di esempio ond’è composto quel suo noto verso: Ocymore, dysptome, oligocronien, e parecchie altre, che andò incastrando, quasi peregrini gioielli, nel suo nativo linguaggio. E per verità coll’introdurvi que’ suoi tanti grecismi, se di tanto però fosse stata l’autorità sua, egli avrebbe reso la lingua francese un corpo niente meno eterogeneo e deforme, che si facessero i cortigiani di Caterina de’ Medici con que’ loro italicismi. (ALGAROTTI [1750b] 1969: 531): Malherbe, scrittore di moltissima esattezza e di poca fantasia. Diedesi costui a regolare principalmente la versificazione, sicché i versi non si accavallassero insieme, ciascuno di essi contenesse un intiero membretto del sentimento e tutti procedessero in certo modo paralleli tra loro, introducendo nello stile poetico quella simmetria che ne’ tempi appresso introdusse il Le Nautre nell’arte del piantare i giardini (ALGAROTTI [1750b] 1969: 532): […] che quanto al linguaggio volle nella prosa far quello che Dante avea fatto nella poesia, scrivendo in una quasi comune favella d’Italia, il Guicciardini autore gravissimo ed ampio, il Segretario fiorentino conciso, pieno di nervi e
IV. Sprachverwendung di cose, il Bernio tutto sapore e festività, che da tanti è stato imitato ed è tuttavia inimitabile. E per passare sotto silenzio di altri molti, il Bembo aveva a quel tempo, con la sua diligenza e con grandissimo studio posto sopra gli autori più classici, dato le regole della nostra lingua, e l’avea ridotta a sistema. (LESSING [1778] 1970: 193–194): Jeder Mensch hat seinen eignen Stil, so wie seine eigne Nase; und es ist weder artig noch christlich, einen ehrlichen Mann mit seiner Nase zum besten haben, wenn sie auch noch so sonderbar ist. Was kann ich dafür, daß ich nun einmal keinen andern Stil habe? Daß ich ihn nicht erkünstle, bin ich mir bewußt. Auch bin ich mir bewußt, daß er gerade dann die ungewöhnlichsten Kaskaden zu machen geneigt ist, wenn ich der Sache am reifsten nachgedacht habe. Er spielt mit der Materie oft um so mutwilliger, je mehr ich erst durch kaltes Nachdenken derselben mächtig zu werden gesucht habe. Es kömmt wenig darauf an, wie wir schreiben: aber viel, wie wir denken. Und Sie wollen doch wohl nicht behaupten, daß unter verblümten, bilderreichen Worten notwendig ein schwanker, schiefer Sinn liegen muß? daß niemand richtig und bestimmt denken kann, als wer sich des eigentlichsten, gemeinsten, plattesten Ausdruckes bedienet? daß, den kalten, symbolischen Ideen auf irgend eine Art etwas von der Wärme und dem Leben natürlicher Zeichen zu geben suchen, der Wahrheit schlechterdings schade? Wie lächerlich, die Tiefe einer Wunde nicht dem scharfen, sondern dem blanken Schwerte zuschreiben! Wie lächerlich also auch, die Überlegenheit welche die Wahrheit einem Gegner über uns gibt, einem blendenden Stile desselben zuschreiben! Ich kenne keinen blendenden Stil, der seinen Glanz nicht von der Wahrheit mehr oder weniger entlehnet. Wahrheit allein gibt echten Glanz; und muß auch bei Spötterei und Posse, wenigstens als Folie, unterliegen. Also von der, von der Wahrheit lassen Sie uns sprechen, und nicht vom Stil. (LÓPEZ DE LA HUERTA 1799: 202): Cervántes [sic] usa el segundo como equivalente, ó sinónimo, del primero […], pero dudo que haya quien imite esta locucion.
Stil Guter vs. schlechter Stil (VAUGELAS 1647: 241–242): […] stile bas, & non pas dans le médiocre, & mesme dans le sublime […]. (LAMY [1675/1701] 1998: 142): Vaugelas remarque qu’il y a bien de la différence entre la netteté dont nous avons parlé ci-dessus et la pureté dont nous parlons présentement. Un langage pur est ce que Quintilien appelle emendata oratio; et un langage net ce qu’il appelle dilucida oratio. Ce sont deux choses si différentes, dit Vaugelas, qu’il y a une infinité de gens qui écrivent nettement; c’est-àdire qui s’expliquent si bien, qu’à la simple lecture on conçoit leur intention: et néanmoins il n’y a rien de si impur que leur langage: comme au contraire il y en a qui écrivent purement, c’est-à-dire sans barbarisme et sans solécisme, et qui néanmoins arrangent si mal leurs paroles, et embarrassent tellement leur style, qu’à peine conçoit-on ce qu’ils veulent dire. Les plus belles expressions deviennent basses lorsqu’elles sont profanées par l’usage de la populace qui les applique à des choses basses. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 144): He that hath complex ideas without names for them, wants liberty and dispatch in his expressions, and is necessitated to use periphrases. (LOCKE [1690] 1894: III, XI, 154): The proper signification and use of terms is best to be learned from those who in their writings and discourses appear to have had the clearest notions, and applied to them their terms with the exactest choice and fitness. (FRAIN DU TREMBLAY 1703: 114): J’ay dit toutes ces choses pour faire comprendre que les langues & que les Auteurs ne meritent nôtre estime qu’à proportion qu’ils sont intelligibles; quoy que pourtant il ne faille pas toûjours leur imputer leur obscurité, ni aux langues dans lesquelles ils ont écrit. (DU MARSAIS 1730: 33–34): Ce qu’on doit observer, & ce qu’on doit éviter dans l’usage des Tropes, & pourquoi ils plaisent. Les Tropes qui ne produisent pas les éfets que je viens de remarquer, sont défectueux. Ils doivent surtout être clairs, faciles, se présenter naturèlement & n’être mis en œuvre qu’en tems & lieu. Il n’y à rien de plus ridicule en tout genre que l’afectation & le défaut de
983 convenance. Moliére dans ses Précieuses, nous fournit un grand nombre d’exemples de ces expressions recherchées & déplacées. La convenance demande qu’on dise simplement à un laquais, donez des siéges, sans aler chercher le détour de lui dire; voiturez-nous ici les comodités de la conversation [Les Prec. Rid. Sc. II.]. De plus, les idées accessoires ne jouent point, si j’ose parler ainsi, dans le langage des Précieuses de Moliére, ou ne jouent point come elles jouent dans l’imagination d’un home sensé: Le conceiller des graces, pour dire le miroir [ibid. Sc. VI.]: contentez l’envie qu’a ce fauteuil de vous embasser, pour dire asséyez-vous [ibid. Sc. IX.]. Toutes ces expressions tirées de loin & hors de leur place, marquent une trop grande contention d’esprit, & font sentir toute la peine qu’on a eue à les rechercher: elles ne sont pas, s’il est permis de parler ainsi, à l’unisson du bon sens, je veux dire qu’elles sont trop éloignées de la maniére de penser, de ceux qui ont l’esprit droit & juste, & qui sentent les convenances. Ceux qui cherchent trop l’ornement dans le discours tombent souvent dans ce défaut, sans s’en apercevoir; ils se savent bon gré d’une expression qui leur paroit brillante & qui leur a couté, & se persuadent que les autres en doivent être aussi satisfaits qu’ils le sont eux mêmes. On ne doit donc se servir de Tropes que lorsqu’ils se présentent naturèlement à l’esprit; qu’ils sont tirés du sujet; que les idées accessoires les font naitre; ou que les bienséances les inspirent: ils plaisent alors, mais il ne faut point les aler chercher dans la vue de plaire. (GOTTSCHED [1748] 1762: 499–500): Die verdoppelte Verneinung, die noch im vorigen Jahrhunderte bey guten Schriftstellern gewöhnlich war, um desto stärker zu verneinen; muß itzo in der guten Schreibart ganz abgeschaffet werden. Man sagte z. B. damals: ich habe ihn niemals nicht gesehen; Es wird ihm dadurch nicht nicht entgehen; Es kann es keiner nicht so gut. […] Allein heutzutage spricht nur noch der Pöbel so. Artige Leute vermeiden es, und zierliche Scribenten noch mehr. Ich habe ihn niemals gesprochen; dadurch entgeht dir nichts. (GOTTSCHED [1748] 1762: 530): Übrigens sind gewisse Provinzen mit Zwischenwörtern
984 so reichlich versehen, daß man sich in der guten Schreibart hüten muß, sie nicht alle anzunehmen. (Encyclopédie, Artikel Diction, MALLET, 1754: IV, 958): On convient que les différens genres d’écrire exigent une diction différente; que le style d’un historien, par exemple, ne doit pas être le même que celui d’un orateur; qu’une dissertation ne doit pas être écrite comme un panégyrique, & que le style d’un prosateur doit être tout-à-fait distingué de celui d’un poëte: mais on n’est pas moins d’accord sur les qualités générales communes à toute sorte de diction, en quelque genre d’ouvrages que ce soit. 1°. Elle doit ètre claire, parce que le premier but de la parole étant de rendre les idées, on doit parler non-seulement pour se faire entendre, mais encore de maniere qu’on ne puisse point ne pas être entendu. 2°. Elle doit être pure, c’est-à-dire ne consister qu’en termes qui soient en usage & corrects, placés dans leur ordre naturel; également dégagée & de termes nouveaux, à moins que la nécessité ne l’exige, & de mots vieillis ou tombés en discrédit. 3°. Elle doit être élégante, qualité qui consiste principalement dans le choix, l’arrangement & l’harmonie des mots; ce qui produit aussi la variété. 4°. Il faut qu’elle soit convenable, c’est-à-dire assortie au sujet que l’on traite. L’Éloquence, la Poésie, l’Histoire, la Philosophie, la Critique, &c. ont chacune leur diction propre & particuliere, qui se subdivise & se diversifie encore, relativement aux différens objets qu’embrassent & que traitent ces Sciences. Le ton d’un panégyrique & celui d’un plaidoyer sont aussi différens entr’eux, que le style d’une ode est différent de celui d’une tragédie, & que la diction propre à la comédie est elle-même différente du style lyrique ou tragique. Une histoire proprement dite ne doit point avoir la sécheresse d’un journal, des fastes ou des annales, qui sont pourtant des monumens historiques, & ceuxci n’admettent pas les plus simples ornemens qui peuvent convenir à l’Histoire, quoique pour le fond ils exigent les mêmes regles. (BLANCHET 1760: 28): Je viens de jetter les fondemens d’une excellente Rhétorique: on n’y trouveroit point de longues & inutiles listes de figures; & elle préserveroit la jeunesse de la contagion de ces frivoles orateurs,
IV. Sprachverwendung qui ont trouvé le secret avec tout l’esprit & tout l’art possible, de ne dire que des riens harmonieux. (Encyclopédie, Artikel Phrase, ROUSSEAU, 1765: XII, 529): “[…] Il est indubitable, dit M. de Vaugelas, Rem. préf. § IX. p. 64. que chaque langue a ses phrases, & que l’essence, la richesse & la beauté de toutes les langues & de l’élocution consistent principalement à se servir de ces phrases-là. Ce n’est pas qu’on n’en puisse faire quelquefois, … au lieu qu’il n’est jamais permis de faire des mots; mais il y faut bien des precautions, entre lesquelles celle-ci est la principale, que ce ne soit pas quand l’autre phrase qui est en usage approche fort de celle que vous inventez. Par exemple, on dit d’ordinaire lever les yeux au ciel, … c’est parler françois de parler ainsi: néanmoins, comme quelques écrivains (modernes) croient qu’il est toujours vrai que ce qui est bien dit d’une façon n’est pas mauvais de l’autre, ils trouvent bon de dire aussi élever les yeux vers le ciel, & pensent enrichir notre langue d’une nouvelle phrase. Mais au lieu de l’enrichir, ils la corrompent; car son génie veut que l’on dise levez, & non pas élevez les yeux; au ciel, & non pas vers le ciel. […]” (Encyclopédie, Artikel Phrase, ROUSSEAU, 1765: XII, 529): “[…] Qu’on ne m’allegue pas, dit ailleurs Vaugelas, Rem. 125. qu’aux langues vivantes, non plus qu’aux mortes, il n’est pas permis d’inventer de nouvelles façons de parler, & qu’il faut suivre celles que l’usage a établies; car cela ne s’entend que des mots… Mais il n’en est pas ainsi d’une phrase entiere qui étant toute composée de mots connus & entendus, peut être toute nouvelle & néanmoins fort intelligible; de sorte qu’un excellent & judicieux écrivain peut inventer de nouvelles façons de parler qui seront reçues d’abord, pourvu qu’il y apporte toutes les circonstances requises, c’est-à-dire un grand jugement à composer la phrase claire & élégante, la douceur que demande l’oreille, & qu’on en use sobrement & avec discrétion”. (Encyclopédie, Artikel Phrase, ROUSSEAU, 1765: XII, 529): “Un excellent & judicieux écrivain peut inventer, dit-il [i. e. Vaugelas], de nouvelles façons de parler qui seront reçues d’abord, pourvu qu’il y apporte toutes les circonstances requises”.
Stil (Encyclopédie, Artikel Phrase, ROUSSEAU, 1765: XII, 529): “On dit qu’une phrase est estropiée quand il y manque quelque chose, & qu’elle n’a pas toute l’étendue qu’elle devroit avoir”. Bouh[ours] Rem. nouv. t. II. p. 29. Or il manque à la phrase de Vaugelas le nom auquel il rapporte ces mots qu’on en use sobrement, je veux dire le pouvoir d’inventer de nouvelles phrases. On sent bien que s’il y a quelque chose de permis à cet égard, c’est sur-tout dans le sens figuré, par lequel on peut quelquefois introduire avec succès dans le langage un tour extraordinaire, ou une association de termes dont on n’a pas encore fait usage jusques-là. Mais, je l’ai dit, article NÉOLOGISME, il faut être fondé sur un besoin réel ou très-apparent, si fortè necesse est; & dans ce cas-là même il faut être très-circonspect & agir avec retenue, dabitur licentia sumpta pudenter. “Parler par phrases, dit le P. Bouhours, Rem. nouv. tome II. p. 426. c’est quitter une expression courte & simple qui se présente d’ellemême, pour en prendre une plus étendue & moins naturelle, qui a je ne sais quoi de fastueux… Un écrivain qui aime ce qu’on appelle phrase… ne dira pas… si vous saviez vous contenir dans de justes bornes, mais il dira, si vous aviez soin de retenir les mouvemens de votre esprit dans les bornes d’une juste modération… Rien n’est plus opposé à la pureté de notre style”. Et c’est ordinairement le style que les jeunes gens remportent du college, où, au lieu de prescrire des regles utiles à la fécondité naturelle de leur âge, on leur donne quelquefois des secours & des motifs pour l’augmenter; ce qui ne manque pas de produire les effets les plus contraires au but que l’on devoit se proposer, & que l’on se proposoit peut-être. (Encyclopédie, Artikel Prononciation, HOLBACH, 1765: XIII, 456–457): L’union de deux qualités opposées & incompatibles en apparence, fait toute la beauté de la prononciation, l’égalité & la variété. Par la premiere, l’orateur soutient sa voix, & en regle l’élévation & l’abaissement sur des lois fixes qui l’empêchent d’aller haut & bas comme au hasard, sans garder d’ordre ni de proportion. Par la seconde il évite un des plus considérables défauts qu’il y ait en matiere de prononciation, la monotonie. Il y a encore un
985 autre défaut non moins considérable que celui-ci, & qui en tient beaucoup, c’est de chanter en prononçant, & sur-tout des vers. Ce chant consiste à baisser ou à élever sur le même ton plusieurs membres d’une période, ou plusieurs périodes de suite, en sorte que les mêmes inflexions de voix reviennent fréquemment, & presque toujours de la même sorte. Enfin la prononciation doit être proportionnée aux sujets que l’on traite, ce qui paroît sur-tout dans les passions qui ont toutes un ton particulier. La voix qui est l’interprete de nos sentimens, reçoit toutes les impressions, tous les changemens dont l’ame elle-même est susceptible. (Encyclopédie, Artikel Synonyme, BEAUZÉE, 1765: XV, 758): […] ce qu’enseigne l’abbé Girard au sujet des différences qui distinguent les synonymes, n’est rien moins qu’arbitraire; qu’il est fondé sur le bon usage de notre langue; & qu’il ne s’agit, pour en établir les décisions sur cet objet, que d’en extraire avec intelligence les preuves répandues dans nos ouvrages les plus accrédités & les plus dignes de l’être. Ce n’est pas non plus une chose qui appartient en propre à notre idiôme. (Encyclopédie, Artikel Trope, BEAUZÉE, 1765: XVI, 702): […] le mauvais usage des tropes est la source de quantité de fautes que l’on commet dans le discours: c’est pourquoi il est important de le bien regler, & pour cela les tropes doivent surtout avoir deux qualités; en premier lieu, qu’ils soient clairs, & fassent entendre ce qu’on veut dire, puisque l’on ne s’en sert que pour rendre le discours plus expressif: la seconde qualité, c’est qu’ils soient proportionnés à l’idée qu’ils doivent réveiller. (Encyclopédie, Artikel Trope, BEAUZÉE, 1765: XVI, 702): L’idée du trope doit être tellement liée avec celle du mot propre, qu’elles se suivent, & qu’en excitant l’une des deux, l’autre soit renouvellée. Le défaut de cette liaison est la seconde chose qui rend les tropes obscurs. (Encyclopédie, Artikel Trope, BEAUZÉE, 1765: XVI, 702–703): L’usage trop fréquent des tropes est une autre cause d’obscurité. Les tropes les plus clairs ne signifient les choses qu’indirectement; l’idée naturelle de ce que l’on n’exprime que sous le voile des
986 tropes, ne se présente à l’esprit qu’après quelques réflexions; on s’ennuie de toutes ces réflexions, & de la peine de deviner toujours les pensées de celui qui parle. (Encyclopédie, Artikel Trope, BEAUZÉE, 1765: XVI, 703): On ne doit donc se servir de tropes que lorsqu’ils se présentent naturellement à l’esprit; qu’ils sont tirés du sujet; que les idées accessoires les font naître, ou que les bienséances les inspirent: ils plaisent alors; mais il ne faut point les aller chercher dans la vue de plaire. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 516): Ce n’est pas précisément de l’usage des langues qu’il est difficile & rare de se former une idée exacte, c’est des caracteres du bon usage & de l’étendue de ses droits sur la langue. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 517): […] je dirois que le bon usage est la façon de parler de la plus nombreuse partie de la cour, conformément à la façon d’écrire de la plus nombreuse partie des auteurs les plus estimés du tems. Ce n’est point un vain orgueil qui ôte à la multitude la droit de concourir à l’établissement du bon usage, ni une basse flatterie qui s’en rapporte à la plus nombreuse partie de la cour; c’est la nature même du langage. […] “Toutefois, dit M. de Vaugelas, ibid. n. 4. quelqu’avantage que nous donnions à la cour, elle n’est pas suffisante toute seule pour servir de regle; il faut que la cour & les bons auteurs y concourent; & ce n’est que de cette conformité qui se trouve entre les deux, que l’usage s’établit”. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 517): Dans une nation où l’on parle une même langue (Buffier, n. 30. 31.) & où il y a néanmoins plusieurs états, comme seroient l’Italie & l’Allemagne; chaque état peut prétendre à faire, aussi-bien qu’un autre état, la regle du bon usage. Cependant il y en a certains, auxquels un consentement au-moins tacite de tous les autres semble donner la préférence; & ceux-là d’ordinaire ont quelque supériorité sur les autres. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 517): […] les surprises du néologisme ou du néographisme, qui sont les ennemis les plus dangereux du bon usage de la
IV. Sprachverwendung langue nationale: c’est aux habiles écrivains à maintenir la pureté du langage, qui a été l’instrument de leur gloire, & dont l’altération peut les faire insensiblement rentrer dans l’oubli. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 517): Par rapport aux langues mortes, l’usage ne peut plus s’en fixer que par les livres qui nous restent du siecle auquel on s’attache; & pour décider le siecle du meilleur usage, il faut donner la préférence à celui qui a donné naissance aux auteurs reconnus pour les plus distingués, tant par les nationaux que par les suffrages unanimes de la postérité. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 517): Dans les langues vivantes, le bon usage est douteux ou déclaré. L’usage est douteux, quand on ignore quelle est ou doit être la pratique de ceux dont l’autorité en ce cas seroit prépondérante. L’usage est déclaré, quand on connoît avec évidence la pratique de ceux dont l’autorité en ce cas doit être prépondérante. (Encyclopédie, Artikel Usage, BEAUZÉE, 1765: XVII, 519): […] il subsiste toujours deux sources inépuisables de changement par rapport aux langues, qui ne changent en effet que la superficie du bon usage une fois constaté, sans en altérer les principes fondamentaux & analogiques: ce sont la curiosité & la cupidité. La curiosité fait naître ou découvre sans fin de nouvelles idées, qui tiennent nécessairement à de nouveaux mots; la cupidité combine en mille manieres différentes les passions & les idées des objets qui les irritent, ce qui donne perpétuellement lieu à de nouvelles combinaisons de mots, à de nouvelles phrases. Mais la création de ces mots & de ces phrases, est encore assujettie aux lois de l’analogie qui n’est, comme je l’ai dit, qu’une extension de l’usage à tous les cas semblables à ceux qu’il a déja décidés. (SULZER [1771–1774/1792–1806] 1994: III, 401): Wie etwa große Männer nicht besser, als mit ihren bloßen Namen, können genennet werden, so giebt es auch Vorstellungen, die schon in ihrer Anlage, in ihren wesentlichen Theilen groß und vollkommen ästhetisch sind, und deßwegen in dem Ausdruk keine Auszierung durch Beywörter nöthig haben;
Stil vielmehr würden sie dadurch geschwächt werden. (SULZER [1771–1774/1792–1806] 1994: III, 401–402): Auch in dem entgegengesetzten Fall, bey Vorstellungen, welche nur des Zusammenhangs halber da sind, und die der Dichter mit Fleiß etwas aus den Augen wegsetzt, würde man die Beywörter sehr zur Unzeit anbringen. Die Mahler setzen oft in einen Hintergrund, oder im stärksten Schatten einzelne Figuren oder Gruppen hin, die blos des Zusammenhangs halber, oder eine sonst leere Stelle auszufüllen, da sind. Diese können sie durch keinen lebhaften Pinselstrich erheben, weil sie sonst zu starke Würkung thäten, und das Auge von wesentlichen Gegenständen abzögen. Eben diese Beschaffenheit hat es mit einigen Vorstellungen in redenden Künsten. Was seiner Natur nach in der Dämmerung liegen muß, das soll nicht ans Licht gebracht werden. Wenn ein Dichter uns auf die Handlungen eines streitenden Helden aufmerksam machen will, so muß er sich hüten, durch ein unzeitiges Beywort die Aufmerksamkeit auf das Gerassel seines Wagens, oder das Stampfen seines Pferdes, zu lenken. (SULZER [1771–1774/1792–1806] 1994: III, 402): Die größte Vorsichtigkeit im Gebrauch der Beywörter, hat man da nöthig, wo man andre Personen redend einführt. Man muß auf das genaueste erwägen, wie viel einzelne Begriffe nothwendig in den Vorstellungen der redenden Personen liegen, und gerade nur so viel ausdruken. Man muß allezeit daran denken, dass die Beywörter den Hauptwörtern untergeordnet sind: wo diese schon alles sagen, was an diesem Orte, nach diesen Umständen, hinreichend ist, da muß jedes Beywort vermieden werden. (SULZER [1771–1774/1792–1806] 1994: III, 402): Ueberhaupt also sind sie zu gar allen Gattungen der ästhetischen Kraft die beste Würze, die den Hauptvorstellungen den größten Nachdruk geben. Hingegen ist auch nichts abgeschmakteres, als eine von den schwachen, unbestimmten, oder müßigen Beywörtern angefüllte Schreibart. Auch die ist zu verwerfen, da die Beywörter zwar nicht müßig sind, aber Nebenbegriffe ausdrüken, die den Hauptzwek nichts angehen, sondern blos den Witz und besondere Einfälle des Redners oder Dichters anzeigen sollen.
987 (HELVÉTIUS 1773: 242–243): En général tout ce qu’on appelle tours et expressions heureuses, ne sont que les tours et les expressions les plus propres à rendre nettement nos pensées. C’est donc à la clarté que se réduisent presque toutes les regles du style. Pourquoi le louche de l’expression est-il en tout écrit réputé le premier des vices? C’est que le louche du mot s’étend sur l’idée, l’obscurcit et s’oppose à l’impression vive qu’elle feroit. Pourquoi veut-on qu’un auteur soit varié dans son style et le tour de ses phrases? C’est que les tours monotones engourdissent l’attention; c’est que l’attention une fois engourdie, les idées et les images s’offrent moins nettement à notre esprit et ne font plus sur nous qu’une impression foible. Pourquoi exige-t-on précision dans le style? C’est que l’expression la plus courte, lorsqu’elle est propre est toujours la plus claire; c’est qu’on peut toujours appliquer au style ces vers de Despréaux. Tout ce qu’on dit de trop est fade et rebutant; L’esprit rassassié le rejette à l’instant. Pourquoi desire-t-on pureté et correction dans tout ouvrage? C’est que l’un et l’autre y portent la clarté. Pourquoi lit-on enfin avec tant de plaisir les écrivains qui rendent leurs idées par des images brillantes? C’est que leurs idées en deviennent plus frappantes, plus distinctes, plus claires et plus propres enfin à faire sur nous une impression vive. C’est donc à la seule clarté que se rapportent toutes les regles du style. (BRICAIRE DE LA DIXMERIE 1781: 313): Avouons-le, sans hésiter; les meilleurs Ecrivains sont ceux qui ont écrit avec une précision éxempte de sécheresse. (BEATTIE [1788] 1968: 70): In lines, that are intended to imitate the sense by the articulation, or to be remarkably concise and significant, an exuberance of emphatick syllables may sometimes be found. But such lines, whatever merit they may have in respect of energy, are not welltuned; and perhaps could hardly be known to be verse, if we did not find them among other verses. The imperfection of their harmony, however, we overlook, if they have any other beauty to counterbalance it. Such is this of Milton: Rocks, caves, lakes, fens, bogs, dens, and shades of death. (BEATTIE [1788] 1968: 172): Pronouns, as they supply the place of nouns, must, like
988 them, be incapable of comparison. It is true, we say in English the very same, and in Plautus we find Ipsissimus the superlative of ipse or ipsus. But these are redundancies. For the same, and ipse, express all that can be meant by the very same, and ipsissimus. Many such superfluities find their way into the language of conversation; but in solemn and elegant style it is better to avoid them. (BEATTIE [1788] 1968: 305): I said, that Adverbs promote energy of expression. But this happens only when they promote brevity too, and are sparingly used, and chosen with judgement. A superabundance of them, or of adjectives, makes a style unwieldy and tawdry. For it is from its noun, rather than from its attributives, that language derives strength: even as a building derives stability rather from the walls and rafters, than from the plastering, wainscotting, and painting. Young writers, however, are apt to think otherwise; and, with a view to invigorate their expression, qualify every verb with an adverb, and every noun with an epithet. And so, their compositions resemble a house, whose walls are supported by posts and buttresses: which not only make it unseemly to the eye, and inconvenient by taking up too much room, but also justify a suspicion, of weakness in the work, and unskilfulness in the architect. (BEATTIE [1788] 1968: 355–356): The style of the best authors of Greece and Rome abounds in conjunctions and other connecting words. Take any page in Cicero, especially where he speaks in his own person, and in the way of investigation, as in his books of Moral Duties; and you shall hardly see a sentence, that is not in, or near, the beginning, an autem, or enim, sed, or igitur, or some other connective: by which we may instantly discover the relation, which the present sentence bears to what went before; as an inference, an objection, an illustration, a continuation, a concession, a condition, or simply as one sentiment subjoined to another by a copulative. The style of Seneca, on the other hand, and that of Tacitus, are in the respect deficient. Their sentences are short, and their connectives few; so that the mutual dependence of their thoughts is rather left to the conjecture of the reader, than expressed by
IV. Sprachverwendung the author. And hence, we are told, it was, that the emperor Caligula remarked, though we can hardly suppose Caligula to have been capable of saying so good a thing, that the style of Seneca was Arenam sine calce, Sand without lime; meaning, that matter, or sense, was not wanting, but that there was nothing to cement that matter into one uniform and solid mass. (GARCÉS 1791: I, XXX): Y si el uso concertado de las partículas pide tanto tino y diligencia, y es tan útil y necesario para conciliar vigor y adorno al discurso, nadie se ha de maravillar de que sea este primor y adorno lo primero que falta en una lengua que comienza á descaecer, bien como perlas preciosas, pero menudas, y que andan por las manos de todos, que si no se trae suma diligencia en tratarlas se han de perder necesariamente; y por eso la primera señal por donde se vino á advertir la decadencia de la Lengua Latina fué el haber desaparecido de la locucion muchas de sus partículas, como lo demuestra el dicho satírico de Calígula acerca de los escritos de Séneca, tachándolos de ser ellos arena, pero sin cal; esto es materiales de obra juntos, pero no unidos, que si hacen bulto, no forman cuerpo, no obstante que en la excelente Moral deste Filósofo vemos con suma admiracion grandes vestigios de la antigua grandeza y eloqüencia romana. Situationsabhängigkeit des Stils (VAUGELAS 1647: IX, 3): […] de certains termes, qui sentent le stile de Notaire, & qui dans les actes publics sont tres-bon, mais qui ne valent rien ailleurs. (MÉNAGE 1672: I, 210): Les jardiniers disent Jacynthe. Et c’est ainsi qu’il faut parler dans le discours familier. Mais dans les compositions relevées, il faut dire hyacynthe. (MÉNAGE 1672: II, 294): Le mot d’hydrie, est un mot inconnu aux halles: donc on ne peut pas l’employer dans la traduction de la Bible. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: Préface): D’ailleurs nostre langue abonde en toutes sortes de façons de parler, elle en a pour le style médiocre & pour le sublime, pour le sérieux et pour le burlesque; il faut tâcher d’en faire le discernement: & c’est en quoy consiste presque toute la science des paroles.
Stil (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 7–8): Il est vray que à l’envie est plus propre au stile sérieux & élevé; & que lors que M. d’Ablancourt dit dans ses Commentaires de César, la Cavalerie pour réparer la honte de sa fuite, témoigna à l’envie sa valeur. Il parle mieux que s’il disoit la Cavalerie pour réparer la honte de sa fuite, témoigna sa valeur à qui mieux mieux. Mais dans le discours familier, & sur tout dans le stile plaisant, à qui mieux mieux bien loin d’estre vicieux, est élégant, & même beaucoup meilleur qu’à l’envi. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 9): […] il est vray qu’il est quelquefois moins important de songer aux paroles dont on se sert, qu’au lieu où on les met. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 18– 20): […] Il faut remarquer cependant qu’avoir faute n’est que du stile mediocre & même du plus mediocre, & que dans un discours un peu élevé ce seroit une faute considerable de s’en servir […]. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 62): […] & cependant cette transposition sied tout-à-fait bien dans le discours badin. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 150– 151): Cette façon de parler: il n’y a si &c. n’est que du stile mediocre et du discours familier, mais elle y est tres-élegante […]. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 218): Ce terme, & quelques autres de la même nature sont fort bien receus dans le stile familier & plaisant; comme sont les lettres, les conversations […]. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 446): […] ne vaut guéres en Prose, il se souffre en Poésie. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 644): Ce mot ne peut avoir sa place que dans le stile plaisant. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 658– 659): […] mais dans le discours familier, il est quelquefois meilleur que goûter; & le Pere Tarteron s’en est servy fort à propos […]. (ANDRY DE BOISREGARD [1689] 1692: 668– 672): Cét ordre régulier est bon pour la conversation & pour un discours tout simple. Mais dans un discours public qui est animé de la voix, & qui demande plus de feu, l’ordre irrégulier est plus beau; il ne laisse
989 pas mesme d’estre élégant quelquefois dans le discours familier; & M. de Voiture écrivant à Monseigneur d’Avaux, ne fait pas de difficulté de dire: “il n’y a point de pays barbare quand vous y estes, les plus beaux, les plus agréables, les plus délicieux fruits de la Grèce & de l’Italie vous les faites naistre” ce qui a plus de grâce que s’il eust dit. Vous faites naistre les plus beaux, les plus agreables, les plus délicieux fruits de la Grèce et de l’Italie. (ANDRY DE BOISREGARD [1693] 1694: 162): Cette façon de parler n’est que du discours familier, mais elle y est élegante. (Encyclopédie, Artikel Conversation, D’ALEMBERT, 1754: IV, 165–166): CONVERSATION, ENTRETIEN, (Gramm.) Ces deux mots désignent en général un discours mutuel entre deux ou plusieurs personnes; avec cette différence, que conversation se dit en général de quelque discours mutuel que ce puisse être, au lieu qu’entretien se dit d’un discours mutuel qui roule sur quelque objet déterminé. Ainsi on dit qu’un homme est de bonne conversation, pour dire qu’il parle bien des différens objets sur lesquels on lui donne lieu de parler; on ne dit point qu’il est d’un bon entretien. Entretien se dit de supérieur à inférieur; on ne dit point d’un sujet qu’il a eu une conversation avec le Roi, on dit qu’il a eu un entretien; on se sert aussi du mot d’entretien, quand le discours roule sur une matiere importante. On dit, par exemp. ces deux princes ont eu ensemble un entretien sur les moyens de faire la paix entr’eux. Entretien se dit pour l’ordinaire des conversations imprimées, à moins que le sujet de la conversation ne soit pas sérieux; on dit les entretiens de Cicéron sur la nature des dieux, & la conversation du P. Canaye avec le maréchal d’Hocquincourt. Dialogue est propre aux conversations dramatiques, & colloque aux conversations polémiques & publiques qui ont pour objet des matieres de doctrine, comme le colloque de Poissy. Lorsque plusieurs personnes, sur-tout au nombre de plus de deux, sont rassemblées & parlent entr’elles, on dit qu’elles sont en conversation, & non pas en entretien. Les lois de la conversation sont en général de ne s’y appesantir sur aucun objet, mais de passer legerement, sans effort & sans affectation, d’un sujet à un autre; de savoir y parler de choses frivoles comme de choses sérieu-
990 ses; de se souvenir que la conversation est un délassement, & qu’elle n’est ni un assaut de salle d’armes, ni un jeu d’échecs; de savoir y être négligé, plus que négligé même, s’il le faut: en un mot de laisser, pour ainsi dire, aller son esprit en liberté, & comme il veut ou comme il peut; de ne point s’emparer seul & avec tyrannie de la parole; de n’y point avoir le ton dogmatique & magistral; rien ne choque davantage les auditeurs, & ne les indispose plus contre nous. La conversation est peutêtre la circonstance où nous sommes le moins les maîtres de cacher notre amour-propre; & il y a toûjours à perdre pour lui à mortifier celui des autres; parce que ce dernier cherche à se venger, qu’il est ingénieux à en trouver les moyens, & que pour l’ordinaire il les trouve sur le champ; car qui est-ce qui ne prête pas par cent endroits des armes à l’amourpropre d’autrui? C’est encore un défaut qu’il faut éviter, de parler en conversation comme on feroit à des lecteurs, & d’avoir ce qu’on appelle une conversation bien écrite. Une conversation ne doit pas plus être un livre, qu’un livre ne doit être une conversation. Ce qu’il y a de singulier, c’est que ceux qui tombent dans le premier de ces défauts, tombent ordinairement dans le second; parce qu’ils ont l’habitude de parler comme ils écriroient, ils s’imaginent devoir écrire comme ils parleroient. On ne sauroit être trop sur ses gardes quand on parle au public, & trop à son aise avec ceux qu’on fréquente. (Encyclopédie, Artikel Elocution, D’ALEMBERT, 1755: V, 524): La convenance du style avec le sujet, exige le choix & la propriété des termes; elle dépend outre cela de la nature des idées que l’orateur employe. Car, nous ne saurions trop le redire, il n’y a qu’une sorte de style, le style simple, c’est-à-dire celui qui rend les idées de la maniere la moins détournée & la plus sensible. Si les anciens ont distingué trois styles, le simple, le sublime, & le tempéré ou l’orné, ils ne l’ont fait qu’eu égard aux différens objets que peut avoir le discours: le style qu’ils appelloient simple, est celui qui se borne à des idées simples & communes; le style sublime peint les idées grandes, & le style orné les idées riantes & agréables. En quoi consiste donc la convenance du style au sujet? 1°. à n’employer que des idées propres au sujet, c’est à dire
IV. Sprachverwendung simples dans un sujet simple, nobles dans un sujet élevé, riantes dans un sujet agréable: 2°. à n’employer que les termes les plus propres pour rendre chaque idée. Par ce moyen l’orateur sera précisément de niveau à son sujet, c’est-à-dire ni au-dessus ni au-dessous, soit par les idées, soit par les expressions. C’est en quoi consiste la véritable éloquence, & même en général le vrai talent d’écrire, & non dans un style qui déguise par un vain coloris des idées communes. Ce style ressemble au faux bel esprit, qui n’est autre chose que l’art puéril & méprisable, de faire paroître les choses plus ingénieuses qu’elles ne sont.
III. Unter Stil wurde die Art und Weise des
Schreibens, des Gedanken Ausdrückens, der Auswahl der Wörter, Metaphern (→ Metapher) und ihrer Verwendung und Anordnung im Diskurs verstanden.
1. Die Dreistillehre Bereits in der Antike wurde ein Schema von drei Stilarten entwickelt, in dem man die Art und Weise, über einen Gegenstand zu sprechen, von der Redeabsicht des Sprechers ableitete. Will der Redner durch Tatsachen überzeugen (docere), gebraucht er den pragmatischen Stil, will er seine Hörer erschüttern und Affekte erregen (movere), den pathetischen Stil, will er aber unterhalten und erfreuen (delectare), bedient er sich des ethischen Stils. Die gebräuchlichsten lateinischen Fachbegriffe für diese Stilarten sind genus humile, genus medium, genus grande (niederer, mittlerer und hoher Stil). Die Stilarten wurden schon früh mit bestimmten Objektbereichen in Zusammenhang gebracht. Im Mittelalter wurde die Kategorie des Standes an den Stil geknüpft. Die drei Stile wurden dabei an den Werken VERGILs erklärt. In den Bucolica sah man den niedrigen Stil verwirklicht, in den Georgica den mittleren und in der Aeneis den hohen. Als Grundlage für die Stillehre wurden typische Gegenstände der Umwelt der als Stände aufgefassten in VERGILs Werken vorkommenden Berufe der Hirten, Bauern und Krieger katalogisiert. Im Ergebnis entstand eine verbindliche Zuordnung der Dinge, über die gesprochen wird, zu den einzelnen Stilarten.
Stil Die im Humanismus einsetzende Distanzierung von diesem festen Schema ist Folge der neuen Auffassung vom Menschen, der nicht mehr vornehmlich nach seinem Stand in der Welt eingeordnet wird. Ohne eine Beziehung der drei Stilarten zu den ihnen entsprechenden Gegenständen grundsätzlich auszuschließen, stellt zum Beispiel RAMUS fest, man könne über jeden Gegenstand in allen Schreibarten schreiben. In der Zuordnung zu Stilarten treten bei SCALIGER die dramatischen Gattungen neben die Werke VERGILs. Im niedrigen Stil sollen Hirten und andere Personen beschrieben werden, die in der Komödie auftreten, während der höhere Stil in der Tragödie verwendet werden soll. Der mittlere Stil bleibt bei ihm ohne Bezug zu einer Gattung. Trotz ihres unterschiedlichen Ranges musste jede der drei Stilarten den rhetorischen Tugenden genügen, ihre sprachliche Gestaltung musste angemessen (aptum), klar und verständlich (perspicuitas), grammatisch korrekt (puritas) und mit Schmuck (ornatus) versehen sein. Die Barockrhetoriker schenkten dem niedrigen Stil wenig Aufmerksamkeit und bevorzugten den hohen Stil mit seinen Möglichkeiten in Pathos und Bildlichkeit. Der hohe Stil verliert unter dem Druck des Prunkwillens der Autoren seine Grenzen und wird auch für niedere Gegenstände angewandt. Daran konnten auch die Warnungen der Theoretiker der Rhetorik nichts ändern. Die Stilmittel verselbständigen sich und werden im Überfluss gebraucht. Die Fähigkeit zu überreden und zu überzeugen tritt hinter dem Überwältigen zurück. Die Autoren des 17. Jahrhunderts können in ihren Texten nicht frei über die Wirklichkeit des Lebens verfügen, sondern sind auf angemessene Gegenstände festgelegt, die ihrerseits bestimmte Ausdruckswesen erfordern. So durften in der Tragödie oder im höfischen Roman nur Standespersonen auftreten. Welcher Stil zu verwenden ist wird als abhängig vom Kommunikationsprozess dargestellt. Angemessenheit des Stils bestimmt sich vor allem nach dem behandelten Gegenstand, also danach, ob dieser ein “hoher” oder ein “niedriger” ist (LAMY). Auch der Rezipient des Textes ist entscheidend für die Verwendung eines bestimmten Stils. Wenn die Zuhö-
991 rer oder Leser gemeine Menschen sind, so muss man sich eines verständlichen Stils befleißigen, während im Fall von Gelehrten, Richtern oder Staatsleuten die Freiheit zur Wahl eines gelehrten Stils bestehe. (LEIBNIZ) Im 18. Jahrhundert wurde ein Literaturstil entwickelt, der in der Dreistillehre dem mittleren Stil entspricht und der sich des Natürlichen (→ Natürlichkeit) als Leitbegriff bedient. Der hohe Stil des Barocks und der mit ihm verbundene Schwulst werden im 18. Jahrhundert geschmäht. 2. Stil als Nachahmung von Textmustern und als Ausprägung von Individualität Durch den europäischen Humanismus waren textuelle Vorbilder geschaffen worden die zur Grundlage der Stilauffassungen des 17. Jahrhunderts wurden. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Einfluss des ERASMUS, der mit seinem Briefsteller De conscribendis epistolis die humanistischen Tendenzen in der Briefpraxis systematisierte und zu deren europaweiten Durchsetzung beitrug. Das wahrscheinlich schon in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts in Paris entstandene Werk erlebte im 16. Jahrhundert mindestens 80 Auflagen. Als herausragendes Merkmal guten Stils betont ERASMUS die perspicuitas (→ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia), für die er in Polemik gegen den Kanzleischwulst CICERO und AUGUSTINUS als Autoritäten anführt. Obwohl auch ERASMUS zwischen einen gehobenen und einem niederen Briefstil unterscheidet, betrachtet er die am klassischen Latein orientierte Eleganz für beide als erforderlich. Die Beschränkung der Fülle des Ausdrucks zugunsten seiner Klarheit galt den Humanisten als wesentliches Merkmal des ciceronischen Stils. Auch der in Valencia geborene VIVES, der als konvertiertes Jude in den Niederlanden tätig war, orientierte sich mit seinem De conscribendis epistolis (1533) weitgehend an ERASMUS. Bei ihm erscheint auch SENECA, der zwar ein anticiceronischer Schriftsteller war, für VIVES wegen seiner iberischen Herkunft jedoch nicht fehlen durfte. Mit LIPSIUS war ein neuer Stil der Intensität entstanden, der sich von dem weichen, ciceronischen Stil der Renaissance abhob. Zwar sei die Nachahmung eines Stilvorbilds für
992 Anfänger notwendig, der wahre Könner ließe sich jedoch nicht auf Musterautoren festlegen. Er werde nicht unbedingt CICERO nachahmen, sondern bevorzuge eventuell den lakonischen Stil eines SENECA oder TACITUS. Der lakonische Stil galt als spanisch, französische Autoren hielten sich deshalb weitgehend fern von ihm. In Frankreich legten die Lettres von GUEZ DE BALZAC mit ihrer Forderung nach einer von Neologismen gereinigten Literatursprache eine der Grundlagen der französischen Klassik. Der normative Charakter des Stils (→ Normierung) bedingte einerseits, dass er als ein Zwang zum Einpassen aufgefasst wurde. Man folgte Mustern und passte seine Sprache an die Texte vorbildlicher Autoren an. Andererseits wurde als Stil jedoch nicht nur dieses Sich-Einfügen, sondern auch ein Sich-Ausfügen betrachtet. Als Stil galt auch das SichAbheben von einem Vorgegebenen. Beide Seiten des Stils stehen dabei nicht zueinander im Widerspruch: Indem man sich in eine vorgegebene Schreibart einfügt, kann man auch gleichzeitig seine Individualität zeigen. In diesem Zusammenhang entstand auch die Frage, ob Stil als ein individuelles Merkmal nur den großen Schriftstellern zukomme oder ob jeder zu stilistischen Besonderheiten befugt sei. Zur Erreichung eines guten Stils wurde es für notwendig befunden, beim Sprechen Sorgfalt walten zu lassen und sich beim Schreiben an den vorbildlichen Autoren zu orientieren, die zu den jeweiligen Gegenständen Texte geschrieben haben. MAYANS verwendet in diesem Zusammenhang für diese vorbildlichen Texte den Ausdruck texto de lengua und betrachtet sie als Autoritäten, an denen der Sprachgebrauch sich zu orientieren habe (→ Gebrauch, → Normierung). Um einen guten Stil zu erlernen, müsse man die wenigen Autoren, die beispielhafte Werke geschrieben haben, viel lesen, dann jedoch den Kreis der Autoren erweitern, um eine große Menge von Wörtern und Sachen kennen zu lernen. Auch LUZÁN erklärt die Lektüre guter Texte für den sichersten Weg zu einem reinen und eleganten Stil (stilo puro y elegante) und zieht sie zu diesem Zweck der Nutzung von Wörterbüchern vor.
IV. Sprachverwendung Der Stil wurde allgemein als etwas über die → Grammatik hinaus Gehendes verstanden, das zwar Wahlmöglichkeiten lässt, aber in der Anwendung in bestimmten Kommunikationssituationen ebenso verbindlich ist und erlernt werden muss (vgl. z. B. MURATORI). Neben dem Einfügen in eine Texttradition wurde Stil auch als Ausdruck von Individualität (vgl. GIRARD: gout personnel de l’auteur) betrachtet. Der Stil wird mitunter auch mit der Art der Gedankenproduktion eines Volkes in Zusammenhang gebracht. So beklagt MAYANS die spanische Denkart zu Anfang des 18. Jahrhunderts, die auch dazu beitrage, das wenig aus dem Spanischen in andere Sprachen übersetzt werde. Im Unterschied dazu trage Frankreich viel zur Bereicherung seiner Sprache bei, was Spanien jedoch nur in der Vergangenheit getan habe. Die Betonung des Individuellen am Stil wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum dominierenden Kennzeichen des Stilbegriffs, der vor allem als individueller Stil und Stil eines Autors betrachtet wurde. Als Stil galt fortan das, was über den besonderen Charakter einer Sprache hinaus die Eigenart und Individualität eines Autors ausmacht (→ besonderer Charakter einer Sprache). Stil als Besonderheit konnte dabei auf verschiedenen Ebenen der Sprachindividualisierung berücksichtigt werden: auf der Ebene von Textgattungen, für bestimmte Kommunikationsbereiche, Kommunikations- und Situationstypen sowie auch als Konstanten individueller Sprachproduktion. Der Wandel vom normativen rhetorischen Stilbegriff (→ Normierung) zur Auffassung von Stil als Individualität erfolgte weitgehend unter Vermeidung des Wortes Stil, das zunächst durch Paraphrasen und Umschreibungen ersetzt wurde und das erst nach dem vollzogenen Paradigmenwechsel wieder als Bezeichnung für die Schreibart verwendet wurde. Mit dem Aufkommen des historischen Bewusstseins im 18. Jahrhundert trat ein weiterer Wandel des Stilbegriffs ein, durch den sich ein relativierendes Moment mit dem Stilbegriff verbindet. Jedem Stil wird sein eigenes, jeweils historisch bedingtes Recht zugestanden.
Stil Die Wende vom Gattungsstil, in den sich der Autor einzufügen hat, zum Individualstil, wird durch LESSINGs eigenes Schreiben und seine Reflexion des Stilbegriffs verkörpert. Bis dahin hatte die aus der Antike stammende Rhetorik die Regeln der Texterstellung und Textausschmückung vorgegeben. LESSING hingegen legitimiert den Individualstil, der – wenn er natürlich sei und der auszudrückenden Sache entspreche – auch zu akzeptieren sei. Die Festlegung auf bestimmte Wörter, etwa die Kollokation von Schwert mit blank und nicht mit scharf, kennzeichnet er als lächerlich. Den Ausdruck blendender Stil, den er aus dem Diskurs über den Stil aufgreift, kritisiert er sogleich metasprachlich: Kein Stil könne blenden, der nicht seinen Glanz von der Wahrheit, die er transportiert, erhalte. 3. Wertungskriterien des Stils und stilistische Tugenden Zu allen Zeiten gab es Tendenzen, das Publikum durch Sprachkunststücke und Überfülle großer Worte zu berauschen, was sich auch zum Selbstzwecke und zuungunsten des Bezugs zur Sache entwickeln konnte. In der Antike wurden solche Tendenzen missbilligt und als Asianismus gekennzeichnet. In der Zeit des Humanismus galt ein maßvoller, geistreicher und klarer Stil als vorbildlich, der dem Ideal der elegantia folgte. Im Barock wurden alle Möglichkeiten des movere und des delectare bis an die Grenzen ausgeschöpft. Als Gegenreaktion dazu kam es zur Betonung der → Natürlichkeit des Stils, bei dem sprachliche Kunstgriffe nicht auffallen und sich aus der behandelten Sache ergeben. FEIJOO unterscheidet den erhabenen Stil vom affektierten, der sich pompöser Worte und vieler synonymischer Attribute bediene. Der ‘reine’ Stil besteht für ihn in der Verwendung natürlicher Wörter (→ Natürlichkeit), die am unmittelbarsten die bezeichneten Gegenstände repräsentieren. Wenn von Stil die Rede ist, kommt vielfach auch die Bewertung ins Spiel (→ Gebrauch). Autoren wurde ein guter oder schlechter Stil zugeschrieben, wobei die Angemessenheit in Bezug auf den behandelten Gegenstand oft hinter einer einfachen Dimension von erhabenem, hohem Stil und niedrigem Stil zurück-
993 trat. Als Kriterium des guten Stils wurde in der Regel die Reinheit angenommen. Zum guten Stil tragen auch die richtige Wahl und die Verwendung der Wörter in ihren eigentlichen Bedeutungen bei (LOCKE). Zu einem wichtigen Kriterium des Stils wurde die Verständlichkeit erklärt, was auch mit dem Sprachideal des honnête homme zusammenhängen kann. Dieser verwende als edler und nicht mit pedantischer Gelehrsamkeit ausgestatteter Sprecher nur allgemein verständliche Wörter und vermeide fachsprachliche Elemente ebenso wie Wörter aus regionalen Varietäten. Guter oder schlechter Stil kann sich auf allen Ebenen der Sprache ausprägen, in der Aussprache, der → Syntax ebenso wie in der Wortwahl. Immer wieder erfolgten dabei Anlehnungen an VAUGELAS, dessen bon usage auch in der Encyclopédie von BEAUZÉE aufgegriffen wurde (→ Normierung). Für guten Stil (→ Normierung) wurden verschiedene Kriterien entwickelt: Der Ausdruck darf nicht mehrdeutig sein, da mehrdeutige Ausdrücke sich auch auf das Denken und seine Klarheit negativ auswirken. Wiederholungen sind zu vermeiden, da sie die Aufmerksamkeit ablenken und den Verstand lähmen. Der kürzeste Ausdruck – vorausgesetzt, dass es der der Sache angemessene Ausdruck ist – gilt immer als der klarste, alles was zu viel gesagt wird, wirkt fade und abstoßend und der übersättigte Geist verwirft es sofort. Auch die Verwendung brillanter Bilder trage zum guten Stil bei. Letzten Endes wird der Stil für das Französische jedoch immer auf die → Klarheit zurückgeführt, die als Kriterium einer hoch entwickelten Sprache, aber auch guten Stils gilt (HELVÉTIUS). Auch SULZER plädiert für einen knappen Stil und möchte vor allem die schmückenden Beywörter (Adjektive) beschränken. Dort wo ein Hauptwort bereits alles ausdrückt, müsse man die Verwendung von Beywörtern vermeiden (→ Nomen). Die Beywörter seien zwar nicht überflüssig, da sie jedoch lediglich Nebenbegriffe ausdrücken und nichts mit dem Hauptzweck zu tun haben, dienen sie lediglich dem Anzeigen der Originalität und des Witzes des Dichters. Gleiches trifft auch auf die Bewertung von Adverbien zu, die bei übermäßiger Verwendung den Stil schwer-
994 fällig und geschmacklos machen können (→ Adverb). Auch die Hilfe von Funktionswörtern für guten Stil wurde im 18. Jahrhundert erkannt und beschrieben. So stellt BEATTIE fest, dass der Stil der besten griechischen und römischen Autoren von zahlreichen Konnektoren geprägt ist. Wenn Autoren hingegen nur kurze Sätze und wenig Konnektoren verwendeten, erweise sich das als stilistisches Defizit. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang die dem römischen Kaiser CALIGULA zugeschriebene satirische Darstellung der Sprache SENECAs als Sand ohne Kalk (arenam sine calce) erwähnt, womit das Fehlen von verbindenden Funktionswörtern bei durchaus vorhandener gedanklicher Substanz kritisiert wurde (vgl. BEATTIE, GARCÉS). BEATTIE empfiehlt aus stilistischen Gründen die Vermeidung von Superlativen bei Pronomen, die aufgrund ihrer eigentlichen Funktion, der Ersetzung von Nomina, eigentlich unfähig zur Steigerung sind (the very same, ipsissimus). Ein stilistisches Problem stellte in einigen Ländern die Verwendung von Fremdwörtern dar. In Spanien wurde das Verwenden von Gallizismen als Vergehen gegen den guten Stil angeprangert, außerdem wurden Ratschläge zur Vermeidung als niedrig und vulgär betrachteter Wörter gegeben (ISLA). Bei allem Patriotismus wurde jedoch von Autoren wie CAPMANY in Frankreich auch ein Vorbild gesehen. Gerade durch die Neuheit der Methoden und die Reinheit des Stils seien die Franzosen zum Vorbild geworden; durch vorbildliche Übersetzungen habe sich auch der Stil des Spanischen bereichert. Bei aller Vielfalt von Diskussionen um den Stil, erweist sich das Benennen von Kriterien guten Stils jedoch auch im 18. Jahrhundert als problematisch. Als ausschlaggebend für den guten Stil wurde letztlich das Empfinden genannt. Der Geschmack und das Ohr (CONDILLAC: le goût et l’oreille) entscheiden letzten Endes, ob bestimmte Laute für harmonisch befunden würden (→ Wohlklang). In der Entwicklung der Sprachen stellt CONDILLAC einen Stilwandel dar: vom bildhaften, die Sinne ansprechenden poetischen Stil habe sich die Sprache hin zu
IV. Sprachverwendung einem eher prosaischen, getragenen Stil entwickelt. Im Ergebnis der Auseinanderentwicklung der Poesie und der Prosa habe sich zwischen beiden die Rhetorik entwickelt, die bald zu der einen, bald zu der anderen Seite tendiere. Die Neigung einer Sprache zu poetischem oder prosaischem Ausdruck wurde für HERDER zum Anlass, den Stil zu einer Eigenschaft einer ganzen Sprache zu erklären. So weist er der französischen Sprache die Prosa als Eigenschaft zu, sie sei die Sprache gesunder Vernunft und habe kein poetisches Wort. In der französischen Enzyklopädie wird der Stil zum Gegenstand der Rhetorik erklärt und als solcher gleichzeitig von der Diktion (diction) unterschieden. Als Diktion bezeichne man die allgemeinen grammatischen Eigenschaften eines Diskurses, zu diesen gehören lediglich die grammatische Korrektheit (→ Grammatik) und die → Klarheit. Diese Eigenschaften sind in jedem Werk erforderlich, während der Stil darüber hinaus geht, also nicht zu den notwendigen Bedingungen eines Textes gehört. Die Eigenschaften des Stils werden von D’ALEMBERT als spezieller und schwerer bestimmbar erklärt, sie hängen letztlich vom Talent des Autors oder Sprechers ab. Schließlich nennt D’ALEMBERT eine ganze Reihe von Eigenschaften, an denen sich der Stil misst: die Reinheit der Wörter, die Eleganz, die Leichtigkeit, die Präzision, die Erhabenheit, das Edle, die Harmonie und die Angemessenheit gegenüber dem behandelten Gegenstand. Dennoch gibt er zu, dass all diese Kriterien des Stils schwer zu fassen sind und dass die Wörter style und diction häufig verwechselt würden. Für eine gelungene Rhetorik ist nach D’ALEMBERT ein kurzer, gedrängter Stil (style serré) angemessen, währen ein diffuser, langatmiger und schwacher Stil (un style diffus, traînant, & lâche) der Wirkung eines Textes abträglich sei. Er stellt diese Merkmale des Stils als Kennzeichen wahrhafter Beredsamkeit (éloquence véritable) und gewöhnlicher Geschwätzigkeit (cette loquacité si ordinaire au barreau) gegenüber. Als Kriterien guten Stils, die auch auf die Qualität einer Sprache als solcher übertragen wurden, finden sich auch in der Rhetorik noch Bewertungsmaßstäbe wie Deutlichkeit,
Stil Energie, Reichtum und Harmonie (vgl. JOVELLANOS, LÓPEZ DE LA HUERTA) (→ perspicuitas, energeia, abundantia und harmonia). Eine spezielle Verwendung des Wortes Stil findet bei seinem Bezug auf die Wiedergabe fremder Rede statt. Mit dem erzählenden Stil (MEINER: stylum relativum) war es möglich, ohne persönliche Verantwortung etwas wiederzugeben. 4. Die Abhängigkeit des Stils von Ziel, Gegenstand, Situation und Partnern der Kommunikation Der Stil wurde als eine Eigenschaft der Sprachverwendung betrachtet, die abhängig von den Situationen ist, in denen die Sprache gebraucht wird. Was im Stil eines Notars gut ist, kann durchaus in der Sprache anderer Personen zu verwerfen sein (VAUGELAS). Die angemessene Verwendung alltagssprachlicher Wörter und Ausdrücke der gehobenen Sprache wurde im 17. Jahrhundert in lexikographischen und etymologischen Zusammenhängen diskutiert (→ Etymologie). Dabei wurde auch festgestellt, dass stilistisch hohe Wörter für Texte, die Allgemeinverständlichkeit anstreben, nicht geeignet sind (MÉNAGE). Ausgehend von Beispielen aus dem Sprachgebrauch (→ Gebrauch) wurden bestimmte Ausdrücke dem familiären oder dem öffentlichen Sprachgebrauch, dem mittelmäßigen oder dem eleganten Stil, der witzigen und der ernsthaften Rede, dem boshaften, burlesken und erhabenen Sprechen zugeordnet (ANDRY DE BOISREGARD). Im Enzyklopädieartikel Conversation wurden unterschiedliche Gespräche nach der Beziehung zum Gesprächsgegenstand und dem sozialen Verhältnis der interagierenden Partner unterschieden. Während man einen gegenseitigen Austausch im Allgemeinen conversation nenne, stehe beim entretien ein bestimmter Gesprächsgegenstand im Vordergrund. Entretien werde bei sozialem Abstand zwischen den Gesprächspartnern verwendet, während conversation für ein Gespräch zwischen dem König und einem Untertanen nicht verwendet werden könne. Außerdem werde entretien für ein Gespräch über einen wichtigen Gegenstand und auch für ein gedrucktes Gespräch, außer wenn der Gegenstand nicht ernsthaft ist, benutzt. Als dialogue bezeichne man hin-
995 gegen ein dramatisches, polemisches oder öffentliches Gespräch. In der conversation wechsle man in der Regel leicht von einem Thema zum anderen und dürfe nicht so sprechen als wenn man schreibe. 5. Stil in der Rhetorik der deutschen Aufklärung Die Aufmerksamkeit, die schon die ersten Aufklärer, wie in Deutschland THOMASIUS und LEIBNIZ, der Vervollkommnung der Sprache widmeten, erklärt auch die Bedeutung, die die Rhetorik in der Aufklärung gewinnen musste. Die rednerisch bestimmte Kultur des Denkens war sowohl für die intensive Aufklärung, die Erweiterung des menschlichen Wissens, als auch die extensive Aufklärung, die Verbreitung des Wissens, für größere Kreise der Gesellschaft wesentlich. LEIBNIZ’ Schrift Ermahnung an die Teutsche, ihren Verstand und Sprache besser zu gebrauchen, samt beigefügtem Vorschlag einer teutschgesinnten Gesellschaft (entstanden ca. 1679, gedruckt 1846) enthält ebenso wie sein Essay Unvorgreiffliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache (1697) eine philosophische und kulturpolitische Begründung aufklärerischer Rhetorik. Sollte die Aufklärung über die Gelehrtenrepublik hinaus auch breite Schichten des Volkes erreichen, rücken die Methoden und Techniken des Aufklärers und damit auch der Stil seiner Schriften ins Zentrum des Interesses. Noch in den Achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts hatte LEIBNIZ die Unvollkommenheit der deutschen Sprache für so groß gehalten, dass er sie zum schriftstellerischen Gebrauch für untauglich hielt (→ Vorzüge / Vollkommenheit / Mängel). Dagegen hatte THOMASIUS schon 1687 sein Collegium über des Gratians Grund-Regeln, Vernünftig, klug und artig zu leben in deutscher Sprache abgehalten. Grundlage der darin enthaltenen Vorschläge, alles Schulmäßige zu vermeiden, einen klaren, verständlichen und wirkungsvollen Stil zu benutzen und eine edle Gelehrsamkeit zu entwickeln, war das Geschmacksideal, das das Bildungsziel der rhetorischen Erziehung bezeichnete und den honnête homme charakterisierte. Die Forderung nach einer Verbreitung des Wissens entstammt also aus einem höfischen Bildungsverständnis, wo es seinen realistischen Sinn in säkula-
996 risierten Bildungs- und Umgangsformen längst entfaltet hatte. In Deutschland verlief die Aneignung der Rhetorik im 18. Jahrhundert bis in die Vierziger Jahre hinein auf zwei unterschiedlichen Strecken: die emotionale Überzeugungsherstellung durch Erregung der sanften Gefühle oder der heftigen Leidenschaften wird nur als Zugeständnis an die menschliche Unvollkommenheit gewertet, während die eigentlich Aufgabe der Rhetorik in der Aufklärung des Verstandes, also in der rationalen Wirkungskomponente des docere gesehen wurde. Die damit gegebene Rangfolge der Erkenntnisvermögen hatte Auswirkungen für alle Zweige des Wissens. Auch in der Auseinandersetzung zwischen GOTTSCHED und den Schweizern spielte dieser Aspekt eine entscheidende Rolle. Der Vorzug, den BREITINGER der Phantasie und dem Wunderbaren und Neuen einräumt, widerspricht der rationalistischen Vermögenspsychologie und erregte GOTTSCHEDs Zorn. Dass jedoch die rhetorischen Wirkungsweisen des delectare und des movere längst in den Vordergrund getreten waren, zeigt nicht nur der Ausgang des Streits zuungunsten GOTTSCHEDs, sondern auch Entwicklungen in der deutschen Literatur wie die Wirkung des Trauerspiels in der Erregung von Furcht und Mitleid, die Betonung der Empfindsamkeit und der Genieperiode. Als Konsequenz aus der rhetorischen Nobilitierung der emotionalen Wirkung wurde von BAUMGARTEN die Ästhetik als eine philosophische Disziplin gegründet, in der er die ästhetische Erfahrung nicht als bloßes Durchgangsstadium zur deutlichen Erkenntnis einstuft. Ebenso hatte in Italien VICO die künstlerische Erfahrung als notwendiges Pendant des kritisch-reflektierenden Denkens erklärt. Die Neubewertung der emotionalen Beweggründe der Redekunst hatte die Entstehung der Erfahrungsseelenkunde zur Folge, die das Seelenleben empirisch zu erfassen suchte und sich der Begründung ästhetischer Erkenntnis und ihrer philosophischen Reflexion zuwandte. Die rhetorische Stillehre in Deutschland entwickelte sich in Abgrenzung von der schmuckvollen, wortreichen und gesuchten Redeweise der vergangenen Epoche gemäß den obersten Tugenden der Richtigkeit, Sachlichkeit und
IV. Sprachverwendung Deutlichkeit. Für GOTTSCHED besteht das Stilideal in schmuckloser Deutlichkeit, natürlicher Leichtigkeit, klarer → Syntax und vernunftgemäßer Verknüpfung. Er richtet seine Angriffe gegen den Schwulst, schlechten, unverständlichen Ausdruck, Pedanterie und affektiert-nachäffende und phantastische Schreibweise. 6. BUFFONs Dictum Le style c’est l’homme Die 44-bändige Naturgeschichte (1749–1789) des französischen Gelehrten BUFFON verdankt ihren großen Erfolg nicht zuletzt auch dem Stil dieses Werkes. Dieser beruhte im Wesentlichen darauf, dass BUFFON die traditionelle Lehre von den drei literarischen Stilen, denen drei ständische Höhenlagen der gesellschaftlichen Wirklichkeit zugeordnet sind, auf die Naturgeschichte übertragen hat. So wie in der Gesellschaft Adligen der stilus sublimus, Bürgern der stilus mediocris und Bauern der stilus humilis zukam, waren für BUFFON in analoger Weise die natürlichen Arten nach Ranghöhen zu unterscheiden und forderten eine stilistisch hierarchisierte Beschreibungssprache. In der zoologischen Hierarchie BUFFONs nahmen Löwe, Pferd und Schwan in Anlehnung an die Stände des Königs, des Ritters und des Poeten eine Stellung ein, die eine sublime Beschreibungssprache verlangt. Über Mäuse und Ratten schreibt er in einem niederen Stil, alles in allem herrscht in seinem Werk ein mittlerer Stil vor. Von seinen Gegnern wurde BUFFON als Schwätzer und Schönredner gekennzeichnet, der mit seinem Stil die Wissenschaft in Verruf bringe. Insbesondere wurde er von der Schule des schwedischen Naturforschers LINNÉ kritisiert, der schon vor BUFFON, im Jahre 1735, eine erste Version seines Systema Naturae veröffentlicht hatte. LINNÉ hatte sich auf eine strenge Methodik gestützt und eine umfassende Darstellung der Natur als eine lateinische Nomenklatur geliefert. Aus der Perspektive der exakten Taxonomie der Linneaner war BUFFON “im Stil der erste, in der Wissenschaft der letzte” (stilo primus, doctrina ultimus). 1753, als sein Ruhm wegen derartiger Angriffe bereits bröckelte, wurde BUFFON in die Académie Française gewählt, was nach seiner bereits vorher erfolgten Wahl in die Akade-
Stil mie der Wissenschaften als Huldigung an den Schriftsteller und als Anerkennung seines literarischen Stils galt. Seine Antrittsrede widmete BUFFON dann auch dem Thema des Stils und äußerte darin den bemerkenswerten Satz Le style est l’homme même. Der Inhalt dieses Satzes ist im Grunde nicht so bahnbrechend wie in der Rezeptionsgeschichte immer wieder dargestellt wurde. BUFFON greift damit den seit der Antike bestehenden Topos auf, dass die Art und Weise, wie jemand spricht oder schreibt, sein Wesen und seinen Charakter offenbart. In seiner Rede, die nach den strengen Vorgaben der Akademie strukturiert ist, steht der berühmt gewordene Satz in einem wenig prominenten Teil, in dem die Akademie lobend zu apostrophieren ist. Er behandelt darin die für die Mitglieder der Akademie wichtige Frage, wie man unsterblichen Ruhm erwerben kann, und stellt fest, dass dafür herausragende und umfangreiche Kenntnisse, große Entdeckungen sowie wissenschaftliche Verdienste nicht ausreichen. Allein die in gutem Stil geschriebenen Werke würden von der Nachwelt aufgenommen. Ohne guten Stil und ohne Geschmack geschriebene Erkenntnisse würden sich von ihren Entdeckern verselbständigen und als solche weitergegeben, bis sie schließlich von geschickteren und geistreicheren Autoren aufgegriffen und verarbeitet würden. Die sachbezogenen Erkenntnisse bestehen also außerhalb des Menschen, während der Stil der Mensch selbst sei. Der in diesem Zusammenhang stehende Satz Ces choses sont hors de l’ homme, le style est l’ homme même bezieht sich also auf die Bedingungen des Erwerbs wissenschaftlichen Ruhmes: Während hervorragende wissenschaftliche Leistungen als solche nicht ausreichen, um sie mit einem bestimmten Autor zu verbinden, trage ein gehobener, edler und erhabener (élevé, noble, sublime) Stil zur Personalisierung dieser Leistungen bei. Nur die gut geschriebenen Werke würden die Nachwelt als Produkt einer bestimmten Person erreichen. Der Stil ist dem Menschen innerlich, im Gegensatz zu dem vielförmigen Faktenwissen, das äußerlich bleibt und insofern auf dem Weg zur Unsterblichkeit immer gefährdet ist und problemlos von anderen aufgegriffen und stilis-
997 tisch gut verarbeitet werden kann, womit es dann zum Ruhm dieser anderen beiträgt. Der sehr pragmatische, den Sitz des neuen Akademiemitglieds rechtfertigende Sinn des in Frage stehenden Satzes knüpft damit an die seit der Antike oft erörterte Unterscheidung von Sachen und Wörtern (res und verba, choses und mots) an und schließt mit einer Aufwertung der rhetorischen Seite dieser Opposition. Wegen der verba / mots war BUFFON schließlich auch Mitglied der Academie française geworden, während seine Bemühungen um die res / choses schon vorher durch die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften Anerkennung erfahren hatten.
IV. Um BUFFONs Satz in einer ganz ande-
ren, die Individualität des Stils akzentuierenden Bedeutung als weltweit immer wieder zitiertes Diktum verwenden zu können, musste er zunächst formal verändert werden. Das ohne den vorausgehenden Kontext nicht mehr verständliche même (‘selber’) musste dabei zunächst weggelassen werden. Hinzu kam eine textuelle Fokussierung des Prädikatsnomens l’homme durch das Präsentativ-Morphem c’est, durch das eine Textbedeutung zustande gebracht wird, die semantisch in die Nähe einer Stildefinition rückt: le style c’est l’homme. Für die weitere Bedeutungsgeschichte des buffonschen Diktums konstatiert WEINRICH (2007: 141) eine Schub- und eine Sogwirkung. Die Schubwirkung nimmt ihren Ausgang von der Vergangenheit. Bereits bei CICERO konnte man lesen, dass der Mensch selber so ist, wie seine Rede ist (qualis autem homo ipse esset, talem eius esse orationem). Die mindestens ebenso starke Sogwirkung geht von der Zukunft aus. Die Romantik verlieh dem Individuum und seiner unverwechselbaren Erlebniswelt eine neue anthropologische Würde. Auf diese Weise wurde das buffonsche Diktum zu einer allgemeingültigen Maxime der Individual-Stilistik. Im 19. Jahrhundert verliert die Rhetorik ihren wissenschaftlichen Einfluss in Schule und Hochschule. Die ihr gewidmeten Lehrstühle werden von Germanisten, Historikern, Philosophen und sogar Naturwissenschaftlern besetzt. Gleichzeitig wird der geschriebene Text, von der Poesie bis zur wissenschaft-
998 lichen Abhandlung, von der Parlamentsrede bis zum Roman, Gegenstand anderer, problem- und sachbezogener Disziplinen. Damit löst sich die Literatur im weitesten Sinne von ihren rhetorisch-stilistischen Begriffen. Die Rhetorik als kohärentes Bildungssystem hatte sich aufgelöst in die modernen Wissenschaftsdisziplinen, denen die Formkultur der geschriebenen und gesprochenen Rede gleichgültig war. Demgegenüber erfasste die rhetorische Praxis alle Lebensbereiche und führte zu immer weiterer stilistischer Differenzierung. Den Höhepunkt ihrer Totalität erreichte die rhetorische Praxis in der Rhetorisierung des bürgerlichen Lebens in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Renaissance der Rhetorik und der ihr zugeordneten Stillehre Ende des 20. Jahrhunderts zielt auf produktive Erinnerung und Aneignung der rhetorischen Tradition. Im 18. Jahrhundert bestand noch die Einheit von Rhetorik und Poetik. Die Stilistik gehörte zum Bereich der elocution, die seit der Antike das differenzierteste Gebiet im rhetorischen System und in den rhetorischen Lehrbüchern darstellte. Im 19. Jahrhundert setzte sich die allgemeine Tendenz der Epoche, Theorie und philosophische Reflexion von der Praxis zu trennen, auch auf rhetorischem Gebiet durch. Sie führte zur Trennung der Stilistik von der Rhetorik, die entweder als Lehre von der Auffindung und Anordnung des Stoffes oder als nur noch für die mündliche Rede zuständig aufgefasst wurde. Die Stilistik wurde damit zu einem rein technischen Anwendungswissen verselbständigt. Stil wird bis heute überwiegend in seiner normativen Dimension erfasst (→ Normierung), womit das Sich-Einfügen wieder im Vordergrund steht. Stil wird somit nicht als Abweichung vom Üblichen und Erwarteten wahrgenommen, vielmehr stehen die Möglichkeiten, die uns die Sprache für jede Aussageabsicht bietet, im Blickfeld. Der im 18. Jahrhundert einsetzende Wandel in der Stilauffassung wurde im 19. Jahrhundert als umfassende Historisierung des Stilbegriffs fortgesetzt. Alles, was sich im Menschlichen vorfindet, wurde fortan als geschichtlich verstanden, wodurch jeder Erscheinung ihr historisches Recht eingeräumt wurde. Auch im Stilbegriff prägte sich dieses histo-
IV. Sprachverwendung risch relativierende Element aus, insofern nicht mehr nach absoluten Kriterien geurteilt, sondern jedem Stil sein eigener, historisch bedingter Platz zugestanden wird. Im Unterschied zum 17. und 18. Jahrhundert sind wir heute in der Lage, uns in die verschiedensten Stile einzuleben. Diese Historisierung führte auch dazu, dass wir – im Hinblick auf eine späte Übertragung des Stilbegriffs – in Bauwerken die ursprüngliche Schönheit wieder herstellen, wenn uns Barockelemente in gotischen Kirchen stören, während sie diejenigen, die sie hineinbrachten, dies taten, weil sie das Vorgefundene störte. Von den historischen Voraussetzungen dieses Empfindens wussten sie nichts. Besonders deutlich zeigt sich die Historisierung des Stilbegriffs in der Musik. Während man in früheren Zeiten nur die jeweils neueste Musik hören wollte und die ältere nicht beachtete, wollen wir heute alte Musik in möglichster Stilreinheit hören. Die Historisierung des Stilbegriffs schuf aber auch die Grundlage für das Aufhören des eigenen Stils. Während die Stile des Barock und des Rokoko noch reine, nicht historisch relativierte Stile waren, lehnten sich die Stile des 19. Jahrhunderts bereits an frühere Stile an. Der Stilbegriff kehrte zu dem zurück, was in den Zeiten vor dem 18. Jahrhundert als Machart oder Geschmack bezeichnet wurde und erhält wieder etwas Technisches und Handwerkliches. Die historisch relativierende Auflösung des Stilbegriffs hat auch eine schwächende und lähmende Seite. Mit dem Blick auf die Sprache wird Stil heute sowohl als Individualstil als auch als Textartenstil oder Stil einer Diskurstradition verstanden. Im Fall des Textartenstils fügt sich der Einzelne in ein Vorgegebenes ein und erfüllt die mit der betreffenden Textart verbundenen Erwartungen. Mit dem Individualstil fügt sich der Textproduzent aus einer Erwartungshaltung aus und nimmt eine Eigenprägung des Stils vor. Sowohl die Einfügung als auch die Ausfügung verschränken sich in der Ausprägung des Stils. Innerhalb der Normen für eine Textsorte sind Abweichungen durchaus erlaubt, allerdings nur innerhalb eines bestimmten Rahmens (→ Normierung). Rahmen und Rahmenbegrenztheit der Bewegung sind die Bedingungen der Möglichkeit von Stil. Natürlich müssen auch mindestens zwei
Stil Möglichkeiten gegeben sein, die Bewegung überhaupt ermöglichen. Wo der grammatische Rahmen des Sprachbesitzes nur eine Möglichkeit vorschreibt, kann es Stilistisches nicht geben. Auch die Bindung des Stils an inhaltliche Elemente in der klassischen Stiltheorie wirkt bis heute nach. Zum stilistischen Wie einer Sprachäußerung gehören heute drei Arten von Elementen: (1) inhaltliche Elemente, also eigentlich Was-Elemente, die als solche bereits an bestimmte Stilmerkmale gebunden sind, (2) formale Elemente, die aber nicht sprachlich sind, (3) formale Elemente, die sprachlich sind. Die Unterscheidung zwischen sprachlichen und nichtsprachlichen Elementen lässt sich anhand des Kriteriums der Realisierung spezifischen Sprachbesitzes treffen. Nicht-sprachliche Elemente erscheinen zwar sprachlich, da sie in Sprachäußerungen auftreten, sie sind aber nicht bedingt durch die Sprache selbst, den Sprachbesitz, in dessen Medium die Text-Äußerung erfolgt. In diesem Sinne sind Ironie, Pathos, Leichtigkeit, Tempo, Umständlichkeit, Langsamkeit, Bedächtigkeit, Fasslichkeit, Klarheit, Lebendigkeit zwar an Sprache gebunden, jedoch nicht Exteriorisierungen eines spezifischen Sprachbesitzes. Als solche sind sie auch ohne Schwierigkeiten übersetzbar. Als sprachlich im eigentlichen Sinne ist lediglich das an der Textäußerung zu betrachten, was Sprachbesitz realisiert.
V. ASMUTH, Bernhard (1991): “Stilprinzipi-
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1000 ist überall – aber wie bekomme ich ihn zu fassen? Akten der Internationalen Tagung an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vom 18.–20. Mai 2006. Frankfurt/Main / Berlin / Berne / Bruxelles / New York / Oxford / Wien: Peter Lang. – TRABANT, Jürgen (1992): “Die Schäferstunde der Feder: Hamanns Fußnoten zu Buffons Rede über den Stil”. Stilfragen. Hrsg. Willi ERZGRÄBER / Hans-Martin GAUGER. Tübingen: Narr, 107–
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Missbrauch I. Lat. abusus; dt. misbrauch, misbreuchigs,
misbreuchen, schädlicher Einfluß der Sprachen; engl. abuse of words, abuse of language; frz. abus, abus des mots; ital. abuso; span. abuso.
II. (FRANGK 1531: unpaginiert): Von Deut-
scher sprach vnd jrem misbrauch jnn gemein. Anfenglich ist zu mercken / Das die Deutsche sprach / hie geteilt wird in zween vnderschied / als / Ober- vnd Niderlendisch / Was nu hie gehandelt oder geschrieben / wird / von oberlendischer verstanden. Vnd wiewol diese sprach an jr selbst rechtfertig vnd klar / so ist sie doch in vil puncten vnd stücken / auch bei den hochdeutschen nicht einhelich / Denn sie in keiner jegnit oder lande / so gantz lauter vnd rein gefurt nach gehalden wird / das nicht weilands etwas straffwirdigs / oder misbreuchigs darin mitliefft vnd gespürt würde / Wie denn hirnach in sonderheit zu mercken ist. Woraus man Recht vnd rein Deutsch lerne. Wer aber solche misbreuch meiden / vnd rechtförmig deutsch schreiben / odder reden will / der mus deutscher sprachen auf eins lands art vnd brauch allenthalben nicht nachfolgen. Nützlich vnd gut ists einem jdlichen / vieler Landsprachen mit jren misbreuchen zu wissen / da mit man das vnrecht möge meiden / Aber das fürnehmlichst / so zu dieser sach förderlich vnd dienstlich / ist / das man gutter exemplar warnehme / das ist / gutter deutscher bücher und verbriefungen / schrieftlich odder im druck verfast vnd ausgangen / die mit vleisse lese / vnd jnen jnn dem das anzunehmen vnd recht ist / nachfolge.
(BACON [1620] 1999: 42): At nos demonstrationem per syllogismum rejicimus, quod confusius agat, et naturam emittat e manibus. Tametsi enim nemini dubium esse possit quin, quae in medio termino conveniunt, ea et inter se conveniant (quod est mathematicae cujusdam certitudinis): nihilominus hoc subest fraudis, quod syllogismus ex propositionibus constet, propositiones ex verbis, verba autem notionum tesserae et signa sint. Itaque si notiones ipsae mentis (quae verborum quasi anima sunt, et totius hujusmodi structurae ac fabricae basis) male ac temere a rebus abstractae, et vagae, nec satis definitae et circumscriptae, denique multis modis vitiosae fuerint, omnia ruunt. (BACON [1620] 1999: 86): Aphorismus XIV. Syllogismus ex propositionibus constat, propositiones ex verbis, verba notionum tesserae sunt. Itaque si notiones ipsae (id quod basis rei est) confusae sint et temere a rebus abstractae, nihil in iis quae superstruunter est firmitudinis. Itaque spes est una in inductione vera. (BACON [1620] 1999: 120/122): Aphorismus LIX. At Idola Fori omnium molestissima sunt; quae ex foedere verborum et nominum se insinuarunt in intellectum. Credunt enim homines rationem suam verbis imperare; sed fit etiam ut verba vim suam super intellectum retorqueant et reflectant; quod philosophiam et scientias reddidit sophisticas et inactivas. Verba autem plerunque ex captu vulgi induntur, atque per lineas vulgari intellectui maxime conspicuas res secant. Quum autem intellectus acutior aut observatio diligentior eas li-
Missbrauch neas transferre velit, ut illae sint magis secundum naturam, verba obstrepunt. Unde fit ut magnae et solennes disputationes hominum doctorum saepe in controversias circa verba et nomina desinant; a quibus (ex more et prudentia mathematicorum) incipere consultius foret, easque per definitiones in ordinem redigere. Quae tamen definitiones, in naturalibus et materiatis, huic malo mederi non possunt; quoniam et ipsae definitiones ex verbis constant, et verba gignunt verba: adeo ut necesse sit ad instantias particulares earumque series et ordines recurrere; ut mox dicemus, quum ad modum et rationem constituendi notiones et axiomata deventum fuerit. (BACON [1620] 1999: 146): Aphorismus LXIX. Secundo, notiones ab impressionibus sensuum male abstrahuntur, et interminatae et confusae sunt, quas terminatas et bene finitas esse oportuit. (DESCARTES [1637] 1982: II, 17–18): J’auois vn peu estudié, estant plus ieune, entre les parties de la Philosophie, a la Logique, & entre les Mathematiques, a l’Analyse des Geometres & a l’Algebre, trois ars ou sciences qui sembloient deuoir contribuër quelque chose a mon dessein. Mais, en les examinant, ie pris garde que, pour la Logique, ses syllogismes et la pluspart de ses autres instructions seruent plutost a expliquer a autruy les choses qu’on sçait, ou mesme, comme l’art de Lulle, a parler, sans iugement, de celles qu’on ignore, qu’a les apprendre. Et bien que elle contiene, en effect, beaucoup de preceptes tres vrais & tres bons, il y en a toutefois tant d’autres, meslez parmi, qui sont ou nuisibles ou superflus, qu’il est presque aussy malaysé de les en séparer, que de tirer vne Diane ou vne Minerue hors d’vn bloc de marbre qui n’est point encore ébauché Puis, pour l’Analyse des anciens & l’Algebre des modernes, outre qu’elles ne s’estendent qu’a des matieres fort abstractes, & qui ne semblent d’aucun vsage, la premiere est tousiours si astrainte a la consideration des figures, qu’elle ne peut exercer l’entendement sans fatiguer beaucoup l’imagination; et on s’est tellement assuieti, en la derniere, a certaines reigles & a certains chiffres, qu’on en a fait vn art confus & obscur, qui embarrasse l’esprit, au lieu d’vne science qui le cultiue.
1001 (DESCARTES [1641] 1983: Meditatio II, 31– 32): Miror verò interim, quàm prona sit mea mens in errores; nam quamvis haec apud me tacitus & sine voce considerem, haereo tamen in verbis ipsis, & fere decipior ab ipso usu loquendi: […]. (SCHORER [1643] 1650: 112–113): Teutsche Sprach-Verderbung. […] Wie schändlich / wie heßlich dieselbe [teutsche Sprach] mit Außländischen vnnd fremden Wörtern besudelt / vermischet vnnd verunreiniget werde / so gar / daß man kaum drey oder vier Wörter ohn einmischung Außländischer Zungen reden kan / ist offenbahr. (SCHORER [1643] 1650: 113–114): […] Kauffleuth vnd andere / welche in Franckreich gegucket. Es ist leider nunmehr dahin kommen / daß / wan ein Teutscher etwa ein viertel Jahr in Franckreich gegucket / oder nur einen Frantzosen hören reden / so ist ihm seine Muttersprach schon erleydet / Er wil alsobald eine Frantzösische Zunge haben / vnnd darvor halte / es sey ihm eine Schand / in Franckreich gewesen zu seyn / vnnd nit Frantzösische Brocken mit vnter dem Teutschen auswerffen. Ja? solte ein solcher halbgebackener Teutscher Frantzos sich der frantzösischen Wörter enthalten? Solte er rein und lauter Teutsch reden? Er meinet es wäre ihm die größte schand / er könte keine grössere Untugent begehen. Aber ist dieses nicht ein schand? reden wollen solche Wörter / welcher man doch nit ganz mächtig / darzu die Zung viel zu schwer […]. (SCHORER [1643] 1650: 157–158): […] Nun kommen wir auch auff die letzte / welche vnder allem am meisten hervor leuchtet / vnnd keinem nichts nachgeben wollen / als da seyn die Zeitungschreiber: Hier höret einer wunder vber wunder / wie die Zeitungen mit allerhand frembden Wörtern angefüllet werden. Wie mancher einfältiger Teutscher Man / der etwa die Zeitungen […] liset / verstehet kaum das halbe theil. Es wäre von nöthen bey dieser jetzigen zeit / daß / wan einer die Zeitungen lesen wil / er zween Männer bey sich stehen habe / auff der rechten seyten einen Frantzosen / auff der lincken / einen Lateiner / welcher die frembde wörter ihme außlagten.
1002 (HOBBES [1651] 1988: 15): So that in the right Definition of Names, lyes the first use of Speech; which is the Acquisition of Science: And in wrong, or no Definitions, lyes the first abuse; from which proceed all false and senslesse Tenets; which make those men that take their instruction from the authority of books, and not from their own meditation, to be as much below the condition of ignorant men, as men endued with true Science are above it. For between true Science, and erroneous Doctrines, Ignorance is in the middle. (HOBBES [1651] 1988: 96–97): […] it is manifest, there can be but Three kinds of Common–wealth. For the Representative must needs be One man, or More: and if more, then it is the Assembly of All, or but a Part. When the representative is One man, then is the Common-wealth a MONARCHY: when an Assembly of All that will come together, then it is a DEMOCRACY, or Popular Commonwealth: when an Assembly of a Part onely, then it is called an ARISTOCRACY. Other kind of Common-wealth there can be none: for either One, or More, or All, must have the Soveraign Power […] entire. There be other names of Government, in the Histories, and books of Policy; as Tyranny, and Oligarchy: But they are not the names of other Formes of Government, but of the same Formes misliked. For they that are discontented under Monarchy, call it Tyranny; and they that are displeased with Aristocracy, call it Oligarchy: So also, they which find themselves grieved under a Democracy, call it Anarchy, (which signifies want of Government) and yet I think no man believes, that want of Government, is any new kind of Government: nor by the same reason ought they to believe, that the Government is of one kind, when they like it, and another, when they mislike it, or are oppressed by the Governours. (ARNAULD / NICOLE [1662] 1992: 86) Mais, comme les hommes ne sont maîtres que de leur langage, et non pas de celui des autres, chacun a le droit de faire un dictionnaire pour soi; mais on n’a pas droit d’en faire pour les autres, ni d’expliquer leurs paroles par ces significations particulières qu’on aura attachées aux mots. C’est pourquoi, quand on n’a pas dessein, de faire connaître simplement en quel sens on prend un mot, mais qu’on prétend ex-
IV. Sprachverwendung pliquer celui auquel il est communément pris, les définitions qu’on en donne ne sont nullement arbitraires, mais elles sont liées et astreintes à représenter, non la vérité des choses, mais la vérité de l’usage; et on doit les estimer fausses, si elles n’expriment pas véritablement cet usage, c’est-à-dire si elles ne joignent pas aux sons les mêmes idées qui y sont jointes par l’usage ordinaire de ceux qui s’en servent; et c’est ce qui fait voir aussi que ces définitions ne sont nullement exemptes d’être contestées, puisque l’on dispute tous les jours de la signification que l’usage donne aux termes. (LOCKE [1690] 1894: III, V, 54): When it is considered what a pudder is made about essences, and how much all sorts of knowledge, discourse, and conversation are pestered and disordered by the careless and confused use and application of words, it will perhaps be thought worth while thoroughly to lay it open. And I shall be pardoned if I have dwelt long on an argument which I think, therefore, needs to be inculcated, because the faults men are usually guilty of in this kind, are not only the greatest hindrances of true knowledge, but are so well thought of as to pass for it. (LOCKE [1690] 1894: III, VI, 81): Most men, wanting either time, inclination, or industry enough for this, even to some tolerable degree, content themselves with some few obvious and outward appearances of things, thereby readily to distinguish and sort them for the common affairs of life: and so, without further examination, give them names, or take up the names already in use. Which, though in common conversation they pass well enough for the signs of some few obvious qualities co-existing, are yet far enough from comprehending, in a settled signification, a precise number of simple ideas, much less all those which are united in nature. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 122): Words are often employed without any, or without clear Ideas. First, In this kind the first and most palpable abuse is, the using of words without clear and distinct ideas; or, which is worse, signs without anything signified. Of these there are two sorts: I. Some words introduced without clear ideas annexed to them, even in their first original.
Missbrauch One may observe, in all languages, certain words that, if they be examined, will be found in their first original, and their appropriated use, not to stand for any clear and distinct ideas. These, for the most part, the several sects of philosophy and religion have introduced. For their authors or promoters, either affecting something singular, and out of the way of common apprehensions, or to support some strange opinions, or cover some weakness of their hypothesis, seldom fail to coin new words, and such as, when they come to be examined, may justly be called insignificant terms. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 123): Besides the imperfection that is naturally in language, and the obscurity and confusion that is so hard to be avoided in the use of words, there are several wilful faults and neglects which men are guilty of in this way of communication, whereby they render these signs less clear and distinct in their signification than naturally they need to be. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 123): Others there be who extend this abuse yet further, who take so little care to lay by words, which, in their primary notation have scarce any clear and distinct ideas which they are annexed to, that, by an unpardonable negligence, they familiarly use words which the propriety of language has affixed to very important ideas, without any distinct meaning at all. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 124): This occasioned by men learning Names before they have the Ideas the names belong to. Men having been accustomed from their cradles to learn words which are easily got and retained, before they knew or had framed the complex ideas to which they were annexed, or which were to be found in the things they were thought to stand for, they usually continue to do so all their lives; and without taking the pains necessary to settle in their minds determined ideas, they use their words for such unsteady and confused notions as they have, contenting themselves with the same words other people use; as if their very sound necessarily carried with it constantly the same meaning. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 125): Another great abuse of words is inconstancy in the use
1003 of them. It is hard to find a discourse written on any subject, especially of controversy, wherein one shall not observe, if he read with attention, the same words (and those commonly the most material in the discourse, and upon which the argument turns): used sometimes for one collection of simple ideas, and sometimes for another; which is a perfect abuse of language. Words being intended for signs of my ideas, to make them known to others, not by any natural signification, but by a voluntary imposition, it is plain cheat and abuse, when I make them stand sometimes for one thing and sometimes for another; the wilful doing whereof can be imputed to nothing but great folly, or greater dishonesty. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 126): Another abuse of language is an affected obscurity; by either applying old words to new and unusual significations; or introducing new and ambiguous terms, without defining either; or else putting them so together, as may confound their ordinary meaning. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 131): I say, that the use of words were made plain and direct; and that language, which was given us for the improvement of knowledge and bond of society, should not be employed to darken truth and unsettle people’s rights; to raise mists, and render unintelligible both morality and religion? (LOCKE [1690] 1894: III, X, 140): And therefore such application of names as would make them stand for ideas which we have not, must needs cause great disorder in discourses and reasonings about them, and be a great inconvenience in our communication by words. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 143): He that hath words of any language, without distinct ideas in his mind to which he applies them, does, so far as he uses them in discourse, only make a noise without any sense or signification; and how learned soever he may seem, by the use of hard words or learned terms, is not much more advanced thereby in knowledge, than he would be in learning, who had nothing in his study but the bare titles of books, without possessing the contents of them. For all such words, however put into discourse, according to the right construction
1004 of grammatical rules, or the harmony of wellturned periods, do yet amount to nothing but bare sounds, and nothing else. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 144): He that applies the words of any language to ideas different from those to which the common use of that country applies them, however his own understanding may be filled with truth and light, will not by such words be able to convey much of it to others, without defining his terms. For however the sounds are such as are familiarly known, and easily enter the ears of those who are accustomed to them; yet standing for other ideas than those they usually are annexed to, and are wont to excite in the mind of the hearers, they cannot make known the thoughts of him who thus uses them. (LOCKE [1690] 1894: III, X, 146): […] Language is often abused by Figurative Speech. Since wit and fancy find easier entertainment in the world than dry truth and real knowledge, figurative speeches and allusion in language will hardly be admitted as an imperfection or abuse of it. I confess, in discourses where we seek rather pleasure and delight than information and improvement, such ornaments as are borrowed from them can scarce pass for faults. But yet if we would speak of things as they are, we must allow that all the art of rhetoric, besides order and clearness; all the artificial and figurative application of words eloquence hath invented, are for nothing else but to insinuate wrong ideas, move the passions, and thereby mislead the judgment; and so indeed are perfect cheats: and therefore, however laudable or allowable oratory may render them in harangues and popular addresses, they are certainly, in all discourses that pretend to inform or instruct, wholly to be avoided; and where truth and knowledge are concerned, cannot but be thought a great fault, either of the language or person that makes use of them. (LOCKE [1690] 1894: III, XI, 149): For language being the great conduit, whereby men convey their discoveries, reasonings, and knowledge, from one to another, he that makes an ill use of it, though he does not corrupt the fountains of knowledge, which are in things themselves, yet he does, as much as in him lies, break or stop the pipes whereby it is dis-
IV. Sprachverwendung tributed to the public use and advantage of mankind. (STIELER [1695] 1969: 36): Es ist leider! dahin kommen / daß unsere Zeitungen lauter Bettlers-Mäntel seyn / also / daß wann man die bunte Franzöische / Spanische / Italiänische und Lateinische Flicklappen davon abschneiden solte / weder Verstand noch Bestand darvon übrig bleiben würde; Ist aber eine Krankheit / so kein Arzt heilen oder darwieder ein Pflaster auflegen kan. Unhindertreiblich ist es / daß alle dergleichen fremde Wörter auf gut Teutsch gegeben werden mögen: Weil jedoch der Misbrauch dergestalt eingerissen daß / man ihm zu steuren nicht mehr vermag; so muß man Fünfe gerade seyn lassen / mit den Wölfen heulen und ein Mittel ersinnen / denen ungereisten Teutschen der ausländischen Wörter Verstand unter der Hand bey zubringen […]. (LEIBNIZ [1697] 1908: 330–331): 11. Nun wäre zwar dieser Mangel bey denen Logischen und Metaphysischen Kunst-Wörtern noch in etwas zu verschmertzen, ja ich habe es zu Zeiten unser ansehnlichen Haupt-Sprache zum Lobe angezogen, dass sie nichts als rechtschaffene Dinge sage und ungegründete Grillen nicht einmahl nenne (ignorat inepta). Daher ich bey denen Italiänern und Frantzosen zu rühmen gepfleget: Wir Teutschen hätten einen sonderbahren Probierstein der Gedancken, der andern unbekandt; und wann sie denn begierig gewesen etwas davon zu wissen, so habe ich ihnen bedeutet, dass es unsere Sprache selbst sey, denn was sich darinn ohne entlehnte und ungebrauchliche Worte vernehmlich sagen lasse, das seye würcklich was Rechtschaffenes; aber leere Worte, da nichts hinter, und gleichsam nur ein leichter Schaum müssiger Gedancken, nehme die reine Teutsche Sprache nicht an. (CONDILLAC [1746] 1961: II, I, XI, 157– 158): L’usage des mots est devenu si familier, que nous ne doutons point qu’on ne doive saisir notre pensée, aussitôt que nous les prononçons; comme si les idées ne pouvoient qu’être les mêmes dans celui qui parle et dans celui qui écoute. Au lieu de remédier à ces abus, les philosophes ont euxmêmes affecté d’être obscurs. Chaque secte a été intéressée à imaginer des termes ambigus, ou vuides de sens.
Missbrauch (ALGAROTTI [1750b] 1969: 529): In somma la lingua francese si venne per tal modo a sformare. E fu in picciol tempo talmente pezzata e sparsa d’italicismi, che il famoso Arrigo Stefano non si poté tenere di non levarsi contro a quel morbo epidemico che, passate le Alpi, s’era diffuso nella patria sua; e credette debito di buon Francese l’opporsi egli solo con la penna a tutta la Toscana, e a un tanto e così universale disordine. (ROUSSEAU 1755: 66): Le premier qui, ayant enclos un terrain, s’avisa de dire, ceci est à moi, & trouva des gens assez simples pour le croire, fut le vrai fondateur de la société civile. Que de crimes, de guerres, de meurtres, que de misères et d’horreurs n’eût point épargnés au Genre–humain celui qui arrachant les pieux ou comblant le fossé, eût crié à ses semblables: Gardez-vous d’écouter cet imposteur […]. (HELVÉTIUS 1758: 31): DESCARTES avoit déjà dit, avant LOCKE, que les Péripatéticiens, retranchés derriere l’obscurité des mots, étoient assez semblables à des aveugles qui, pour rendre le combat égal, attireroient un homme clairvoyant dans une caverne obscure: que cet homme, ajoutoit il, sache donner du jour à la caverne, qu’il force les Péripatéticiens d’attacher des idées nettes aux mots dont ils se servent; son triomphe est assuré. D’après Descartes & Locke, je vais donc prouver qu’en métaphysique & en morale, l’abus des mots & l’ignorance de leur vraie signification est, si j’ose le dire, un labyrinthe où les plus grands génies se sont quelquefois égarés. (HELVÉTIUS 1758: 34): C’est à la fausse philosophie des siecles précédents qu’on doit principalement attribuer l’ignorance grossiere où nous sommes de la vraie signification des mots: cette philosophie consistoit presque entiérement dans l’art d’en abuser. Cet art, qui faisoit toute la science des scholastiques, confondoit toutes les idées; & l’obscurité qu’il jetoit sur toutes les expressions se répandoit généralement sur toutes les sciences & principalement sur la morale. (HELVÉTIUS 1758: 38): On voit quel germe éternel de disputes & de calamités renferme souvent l’ignorance de la vraie signification des mots. Sans parler du sang versé par les haines & les disputes théologiques, disputes presque toutes fondées sur un abus de mots,
1005 quels autres malheurs encore cette ignorance n’a-t-elle point produits, & dans quelles erreurs n’a-t-elle point jeté les nations? (HELVÉTIUS 1758: 39–40): Parmi les peuples, comme parmi les souverains, il n’en est aucun que l’abus des mots n’ait précipité dans quelque erreur grossiere. Pour échapper à ce piege, il faudroit, suivant le conseil de Leibnitz, composer une langue philosophique, dans laquelle on détermineroit la signification précise de chaque mot. Les hommes alors pourroient s’entendre, se transmettre exactement leurs idées; les disputes, qu’éternise l’abus des mots, se termineroient; & les hommes, dans toutes les sciences, seroient bien-tôt forcés d’adopter les mêmes principes. Mais l’exécution d’un projet si utile & si desirable est peut-être impossible. Ce n’est point aux philosophes, c’est au besoin qu’on doit l’invention des langues; & le besoin, en ce genre, n’est pas difficile à satisfaire. En conséquence, on a d’abord attaché quelques fausses idées à certains mots; ensuite on a combiné, comparé ces idées & ces mots entr’eux; chaque nouvelle combinaison a produit une nouvelle erreur; ces erreurs se sont multipliées, &, en se multipliant, se sont tellement compliquées qu’il seroit maintenant impossible, sans une peine & un travail infini, d’en suivre & d’en découvrir la source. (MICHAELIS 1760: 76–77): Ueberhaupt trifft der schädliche Einfluß der Sprachen mehr den Ungelehrten, den Halbgelehrten, den einfältigen Gelehrten, den, der zu gewissen Redens-Arten geschworen hat, oder außer Sprachen keine Weisheit kennet; als den wahren und vernünftigen Gelehrten: und was das erwünschteste ist, so bald wir seine Quellen entdeckt haben, sind wir im Stande uns vor ihm eben so gut, als vor einem andern Vorurtheil zu hüten. Die Academie hat daher das beste Mittel erwählet, den schädlichen Einfluß der Sprachen zu steuern, da sie befohlen hat, ihn zu beschreiben. (MICHAELIS 1762: 21): Il y a une sorte de terre de chaux, semblable à de la farine, dont la faim industrieuse a souvent fait usage dans des tems de disette; plusieurs l’ont regardée comme de la véritable farine, & comme un présent que la bonté céleste faisoit aux pauvres: cette erreur lui a fait donner un nom Allemand qui peut être traduit par la farine des
1006 Montagnes. Comme ce nom est par tout employé, & que les savans mêmes sont obligés de s’en servir s’ils veulent être compris, il aidera, à son tour à perpetuer l’erreur dont il est né; erreur qui peut-être a été & sera encore funeste à des milliers d’hommes. (MICHAELIS 1762: 121): II en est des phrases, comme de l’étymologie des mots; vraies dans leur origine où elles n’avoient qu’un sens figuré, elles ont été ensuite expliquées dans le sens propre, & par là elles sont devenues les erreurs de nations entières, & des erreurs qui dureront des milliers d’années. (MICHAELIS 1762: 142): Les influences nuisibles du langage ne le sont gueres pour le vrai savant; elles ne le sont généralement parlant que pour les ignorans, pour les demi-savans, pour les savans d’un esprit borné, pour ceux en un mot qui s’attachent opiniâtrement aux mêmes expressions, ou pour ceux dont les langues font toute la science. Et ce qu’il y a de mieux, c’est que les sources de ces erreurs ne nous sont pas plutôt connues que nous sommes en état de nous en préserver, comme de tous les autres préjugés. L’Académie ne pouvoit donc choisir un moyen plus convenable pour obvier aux influences nuisibles du langage qu’en proposant pour problème d’en faire rénumération. (Dictionnaire philosophique, Artikel Abus des mots, VOLTAIRE, [1764] 1878: I, 48): Les livres, comme les conversations, nous donnent rarement des idées précises. Rien n’est si commun que de lire et de converser inutilement. Il faut répéter ici ce que Locke a tant recommandé: Définissez les termes. Une dame a trop mangé et n’a point fait d’exercice, elle est malade; son médecin lui apprend qu’il y a dans elle une humeur peccante, des impuretés, des obstructions, des vapeurs, et lui prescrit une drogue qui purifiera son sang. Quelle idée nette peuvent donner tous ces mots? la malade et les parents qui écoutent ne les comprennent pas plus que le médecin. Autrefois on ordonnait une décoction de plantes chaudes ou froides au second, au troisième degré. (Dictionnaire philosophique, Artikel Abus des mots, VOLTAIRE, [1764] 1878: I, 48): Dans toutes les disputes sur la liberté un ar-
IV. Sprachverwendung gumentant entend presque toujours une chose, et son adversaire une autre. Un troisième survient qui n’entend ni le premier, ni le second, et qui n’en est pas entendu. Dans les disputes sur la liberté, l’un a dans la tête la puissance d’agir, l’autre la puissance de vouloir, le dernier le désir d’exécuter; ils courent tous trois, chacun dans son cercle, et ne se rencontrent jamais. (Dictionnaire philosophique, Artikel Abus des mots, VOLTAIRE, [1764] 1878: I, 50): Le plus singulier exemple de cet abus des mots, de ces équivoques volontaires, de ces malentendus qui ont causé tant de querelles, est le King-tien de la Chine. Des missionnaires d’Europe disputent entre eux violemment sur la signification de ce mot. La cour de Rome envoie un Français nommé Maigrot, qu’elle fait évêque imaginaire d’une province de la Chine, pour juger de ce différend. Ce Maigrot ne sait pas un mot de chinois; l’empereur daigne lui faire dire ce qu’il entend par KingTien; Maigrot ne veut pas l’en croire, et fait condamner à Rome l’empereur de la Chine. On ne tarit point sur cet abus des mots. En histoire, en morale, en jurisprudence, en médecine, mais surtout en théologie, gardezvous des équivoques. (DE BROSSES 1765: I, 47–48): Le langage, dit MICHAËLIS, de l’influence des opinions sur le langage, perpétue les erreurs comme les vérités: lorsqu’une fausse opinion s’est glissée, soit dans la dérivation d’un terme, soit dans une phrase entiere, elle s’enracine & passe à la postérité la plus reculée: elle devient un préjugé populaire; quelquefois un préjugé sçavant, pire que le préjugé populaire; & par malheur il y a des préjugés pires encore que les préjugés sçavans. (Encyclopédie, Artikel Langage, JAUCOURT, 1765: IX, 242): Mais si les hommes nés pour vivre en société trouverent à la fin l’art de se communiquer leurs pensées avec précision, avec finesse, avec énergie, ils ne surent pas moins les cacher ou les déguiser par de fausses expressions, ils abuserent du langage. (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: III, Chapitre X, De l’abus des mots, 340): §. I. PHILALETHE. Outre les imperfections naturelles du langage, il y en a de volontaires et qui viennent de negligence, et c’est abuser des mots
Missbrauch que de s’en servir si mal. Le premier et le plus visible abus, est (§. 2). qu’on n’y attache point d’idée claire. Quant à ces mots, il y en a de deux classes: les uns n’ont jamais eu d’idée determinée, ni dans leur origine, ni dans leur usage ordinaire. La plupart des Sectes de Philosophie et de Religion en ont introduit pour soutenir quelque opinion etrange, ou cacher quelque endroit foible de leur sisteme. […] THEOPHILE. Je crois qu’il n’y a pas tant de mots insignifians, qu’on pense, et qu’avec un peu de soin et de bonne volonté on pourroit y remplir le vuide, ou fixer l’indetermination. La Sagesse ne paroit être autre chose, que la science de la felicité. (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: III, Chapitre X, De l’abus des mots, 340–341): §. 4. PHILALETHE. Je ne veux point examiner maintenant s’il y a quelque chose à dire à ces definitions; pour remarquer plutot les causes des abus des mots. Premierement on aprend les mots avant que d’aprendre les idées, qui leur apartiennent, et les enfans accoutumés à cela dés le berceau en usent de meme pendant toute leur vie. […] Les hommes prennent les mots qu’ils trouvent en usage chez leur voisins, pour ne pas paroitre ignorer ce qu’ils signifient, et ils les employent avec confiance sans leur donner un sens certain: et comme dans ces sortes de discours il leur arrive rarement d’avoir raison, ils sont aussi rarement convaincus d’avoir tort, et les vouloir tirer d’erreur, c’est vouloir deposseder un vagabond. THEOPHILE. En effet on prend si rarement la peine qu’il faudroit se donner, pour avoir l’intelligence des termes, ou mots, que je me suis etonné plus d’une fois, que les enfans peuvent apprendre si tôt les langues, et que les hommes parlent encor si juste; veu qu’on s’attache si peu à instruire les enfans dans leur langue maternelle, et que les autres pensent si peu à aquérir des definitions nettes. […] Au reste j’avoue qu’il arrive assés aux hommes d’avoir tort lors meme qu’ils disputent serieusement, et parlent suivant leur sentiment; cependant j’ai remarqué aussi assés souvent que dans leurs disputes de speculation, sur des matieres qui sont du ressort de leur esprit, ils ont tous raison des deux côtés, excepté dans les oppositions qu’ils font les
1007 uns aux autres, où ils prennent mal le sentiment d’autruy: ce qui vient du mauvais usage des termes et quelques fois aussi d’un esprit de contradiction et d’une affectation de superiorité. (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: III, Chapitre X, De l’abus des mots, 341): §. 5. PHILALETHE. En second lieu l’usage des mots est quelquefois inconstant: cela ne se pratique que trop parmi les savans. […] THEOPHILE. Cet abus étant si commun non seulement parmi les savans mais encore dans le grand monde; je crois que c’est plutôt mauvaise coutume et inadvertance, que malice qui le fait commettre. Ordinairement les significations diverses du même mot ont quelque affinité; cela fait passer l’une pour l’autre et on ne se donne pas le tems de considerer ce qu’on dit avec toute l’exactitude qui seroit à souhaiter. On est accoutumé aux Tropes, et aux figures, et quelque elegance ou faux brillant nous impose aisement. (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: III, Chapitre X, De l’abus des mots, 342–343): §. 6. PHILALETHE. Le troisieme abus est une obscurité affectée, soit en donnant à des termes d’usage des significations inusitées, soit en introduisant des termes nouveaux, sans les expliquer. […] §. 7. La Logique ou l’art de disputer, qu’on a tant estimé, a servi à entretenir l’obscurité. […] §. 12. Le mal est, que cet art d’obscurcir les mots a embrouillé les deux grandes regles des actions de l’homme: la Religion et la Justice. THEOPHILE. […] Une certaine obscurité pourroit étre permise: cependant il faut qu’elle cache quelque chose, qui merite d’être devinée et que l’enigme soit dechifrable. Mais la Religion et la Justice demandent des idées claires. Il semble que le peu d’ordre, qu’on y a apporté en les enseignant, en a rendu la doctrine embrouillée; et l’indetermination des termes y a peut être plus nuï que l’obscurité. Or comme la Logique est l’art, qui enseigne l’ordre et la liaison des pensées, je ne vois point le sujet de la blâmer. Au contraire c’est [plustost] faute de Logique que les hommes se trompent.
1008 (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: III, Chapitre X, De l’abus des mots, 343): §. 14. PHILALETHE. Le quatrième abus est qu’on prend les mots pour des choses, c’est à dire qu’on croit que les termes repondent à l’Essence réelle des substances. […] THEOPHILE. Ce n’est pas proprement prendre les mots pour les choses, mais c’est croire vrai ce qui ne l’est point. (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: III, Chapitre X, De l’abus des mots, 345): §. 17. PHILALETHE. Le cinquieme abus est de mettre les mots à la place des choses. (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: III, Chapitre X, De l’abus des mots, 348): §. 22. PHILALETHE. Passons au sixieme abus. […] Cet abus general mais peu remarqué, c’est que les hommes ayant attaché certaines idées à certains mots par un long usage, s’imaginent que cette connexion est manifeste et que tout le monde en convient. […] Souvent les savans de differens partis dans les raisonnemens qu’ils etalent les uns contre les autres ne font que parler differens langages, et pensent la même chose, quoique peut etre leurs interêts soient differens. (LEIBNIZ [1765/1962] 1990: III, Chapitre X, De l’abus des mots, 349): §. 23. PHILALETHE. Pour conclurre, les mots servent (1) pour faire entendre nos pensées, (2) pour le faire facilement, et (3) pour donner entrée dans la connaissance des choses. On manque au premier point, lors qu’on n’a point d’idée determinée et constante des mots, ni receuë ou entenduë par les autres. §. [24]. On manque à la facilité, quand on a des idées fort complexes, sans avoir des noms distincts; c’est souvent la faute des langues mêmes, qui n’ont point des noms. […] §. [25]. Mais lorsque les idées signifiées par les mots ne s’accordent pas avec ce qui est réel, on manque au troisième point. (ROUSSEAU [1781] 1968: 199): Il y a des langues favorables à la liberté, ce sont les langues sonores, prosodiques, harmonieuses, dont on distingue le discours de fort loin. Les nôtres sont faites pour le bourdonement des Divans. Nos prédicateurs se tourmentent, se mettent en sueur dans les Temples, sans qu’on sache rien de ce qu’ils ont dit. Après
IV. Sprachverwendung s’être épuisés à crier pendant une heure, il sortent de la chaire à demi morts. Assurément ce n’était pas la peine de prendre tant de fatigue. (FORNER 1782: 76): Se propuso en él manifestar las fuentes del buen gusto en el uso de la lengua castellana, declarando la guerra a sus corruptores antiguos y modernos; […] hace alarde y reseña de los escritores más famosos que han cultivado o pervertido nuestra lengua; descubre las raíces del mal; mete la tienta en la llaga; corta y trincha despiadadamente; y nada escapa de su pluma sin elogio si lo cree bueno, y sin rechifla si lo cree malo. (DOMERGUE 1791–1795: II, 389): Le jour de la liberté a lui; toutes les erreurs vont s’évanouir […] Mais des diverses erreurs qui font le malheur de l’homme, la plus funeste peutêtre est l’abus des mots. Qui nous trompe sur les choses. (CADALSO 1793: LXXVII): Es sensible que aún permanezca semejante abuso en nuestro siglo en España, cuando ya se ha desterrado de todo lo restante del mundo, y más cuando en España misma se ha hecho por varios autores tan repetida y graciosa crítica de ello, y más severa que en parte alguna de Europa, respecto de que el genio español, en las materias de entendimiento, es como la gruesa artillería, que es difícil de transportarse, manejarse o mudar de dirección, pero mudada una vez, hace más efecto dondequiera que la apuntan (CONDORCET [1794] 1822: 53): Rien ne favorisa plus l’établissement de cette double doctrine, que les changemens dans les langues, qui furent l’ouvrage du temps, de la communication et du mélange des peuples. Les hommes à double doctrine, en conservant pour eux l’ancienne langue, ou celle d’un autre peuple, s’assurèrent aussi l’avantage de posséder un langage entendu par eux seuls. La première écriture qui désignoit les choses par une peinture plus ou moins exacte, soit de la chose même, soit d’un objet analogue, faisant place à une écriture plus simple, où la ressemblance de ces objets étoit presque effacée, où l’on n’employoit que des signes déjà en quelque sorte de pure convention, la doctrine secrète eut son écriture, comme elle avoit déjà son langage. Dans l’origine des langues, presque chaque mot est une métaphore,
Missbrauch et chaque phrase une allégorie. L’esprit saisit à-la-fois le sens figuré et le sens propre; le mot offre en-même-temps que l’idée, l’image analogue par laquelle on l’avoit exprimée. Mais par l’habitude d’employer un mot dans un sens figuré, l’esprit finit par s’y arrêter uniquement, par faire abstraction du premier sens; et ce sens, d’abord figuré, devient peuà-peu le sens ordinaire et propre du même mot.
III. 1. England: Empiristische Sprachkritik bei BACON, HOBBES und LOCKE Seit PLATONs Kratylos kommt dem Problem des Gegensatzes zwischen Wörtern und Dingen eine zentrale Stellung in sprachtheoretischen und sprachkritischen Diskussionen zu. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich insbesondere im Europa des 17. Jahrhunderts eine verstärkte Beschäftigung mit dem Thema des Sprachmissbrauchs, wobei vor allem die wissenschaftlichen und politischen Implikationen des Problemfeldes betont wurden, wie sich etwa an den Schriften von BACON und HOBBES nachweisen lässt. Im 17. Jahrhundert wird der Sprachmissbrauch zu einem bedeutsamen Thema insbesondere durch das Werk BACONs, der mit der Einführung des Empirismus und seinem induktiv-experimentellen Charakter im Gegensatz zu den axiomatisch gesetzten Doktrinen der Scholastik das wissenschaftliche Denken der Neuzeit in seinem Novum Organon (1620) begründet. Für BACON ist Wissen Macht (power is knowledge), aber eben nur solches Wissen, welches anhand von Experimenten, die der unmittelbaren Beobachtung zugänglich sind, gewonnen werden kann. Damit wendet sich BACON gegen das bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich tradierte Wissen der Scholastik, deren Rekurs auf vorgebliche Autoritäten er ablehnt. Vor dem Hintergrund dieser für seine Zeit neuartigen wissenschaftlichen Orientierung ist auch BACONs Einstellung zur Sprache zu betrachten, der er mit einem fundamentalen Kritizismus entgegentritt. Sprache ist für BACON ein Hindernis für den menschlichen Erkenntnisprozess. Der Syllogismus als das scholastische Schlussverfahren schlechthin versperrt nach Ansicht BACONs den Weg zur Erkenntnis der wahren Natur
1009 der Dinge, die nur durch Induktion möglich ist. Das Problem des Syllogismus besteht nach BACONs Auffassung darin, dass er sich quasi zwischen die Erkenntnis und die Dinge schiebt, so dass es zu Verwechslungen von Wörtern und Begriffen und von Wörtern und Dingen kommt. Damit greift BACON die schon im Mittelalter im Zusammenhang mit dem Universalienstreit geführte Diskussion um die Relation zwischen Wort und Ding auf. Sprache ist neben anderen Erscheinungen für BACON im Wesentlichen eine Vermittlerin von Trugbildern (idola), die das wahre Wesen der Dinge verschleiert und somit a priori zum Missbrauch einlädt. Am gefährlichsten sind für BACON die idola fori, die Trugbilder des Marktes, d. h. konkret die Trugbilder, die uns die Sprache durch die wechselseitige Kommunikation vermittelt. Diese Trugbilder entstehen nach BACON aus der fälschlichen Annahme, dass der Geist über die Sprache gebiete. In Wirklichkeit könnte jedoch auch die Sprache sich gegen den Verstand wenden. Die Worte könnten als unvollständiges Mittel der Erkenntnis mit dem Verstand nicht Schritt halten, wodurch sich insbesondere dann ein Missverhältnis ergibt, wenn Gelehrte versuchen, den → Gebrauch zu verändern, aber das “gemeine Volk” diese Innovationen nicht versteht. Worte dienen dazu, die Dinge genau zu charakterisieren, sie voneinander zu unterscheiden und zu trennen (verba res secant). Wer aber diese Trennlinien verändern will, riskiert, nicht mehr verstanden zu werden, oder löst in Gelehrtenkreisen fruchtlose Diskussionen über Worte aus. Da Worte die Wirklichkeit aber nur unvollkommen wiedergeben können, sind sie ihrem Wesen nach für missbräuchliche Verwendungsweisen prädestiniert. Im Zusammenhang der idola fori ist wesentlich, dass BACON kein vorsätzliches Täuschungsmanöver als Grundlage des unexakten Sprachgebrauchs ansieht, sondern ein mangelndes Bewusstsein der Sprecher. Der Sprachmissbrauch erfolgt somit nicht-intentional, nicht-reflektiert. Während BACON die Sprache insbesondere vor einem erkenntnistheoretischen Hintergrund als Quelle des Missbrauchs ansieht, wendet sich HOBBES, der ebenfalls ein Anhänger von BACONs Empirismus ist, dem
1010 Sprachmissbrauch vor allem im Hinblick auf die politischen Implikationen des Themas zu. In Anlehnung an BACON fordert auch HOBBES in seinem Leviathan einen bewussten Umgang mit Sprache. Wissenschaft kann nur unter Verwendung von richtigen Definitionen (the right Definition of Names) praktiziert werden. Ohne die Verwendung von Definitionen oder im Falle der Verwendung falscher Definitionen entsteht abuse, also Missbrauch der Sprache. Grundlagen der wahren Wissenschaft sind für HOBBES ebenso wie zuvor für BACON korrekte Definitionen, die jedoch nicht anhand der Lektüre von Werken vorgeblicher (scholastischer) Autoritäten gewonnen werden können. Vielmehr bedarf eine korrekte Definition der Verifizierung durch selbständiges Denken, durch eigene Meditation. Falsche Definitionen versperren nur den Weg zur wahren Wissenschaft (true science) und sind Vermittlerinnen von Ignoranz. HOBBES’ Überlegungen zum Sprachmissbrauch sind im Leviathan eingewoben in seine Untersuchungen verschiedener Staats- und Regierungsformen. Der Leviathan ist ja primär ein gesellschaftstheoretisches Traktakt, in dem HOBBES die absolute Monarchie als einzige Herrschaftsform zur erfolgreichen Bekämpfung des natürlichen Kriegszustandes aller gegen alle (bellum omnium contra omnes) verteidigt. HOBBES zeigt im 19. Kapitel dieses Werkes aber auch, wie gerade in der politischen Terminologie Wörter irreführend gebraucht werden können. So würden diejenigen, denen die drei klassischen Herrschaftsformen der Monarchie, Aristokratie und Demokratie nicht gefielen, diese in ihrer Unzufriedenheit als Tyrannis, Oligarchie und Anarchie bezeichnen. Allerdings darf das Gefallen oder Nicht-Gefallen