Lessing’s Werke: Band 5 [Reprint 2020 ed.]
 9783112345023, 9783112345016

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Lessings Werke. Fünfter Band.

Stuttgart.

G. I. Göschen'sche Bcrlagshandlunq. 1890.

Druck der Hoffmcmn'schen Buchdruckerei in Stuttgart.

Inhalt. Seite

Einleitung. Lessing und die historische Forschuung ... Auswahl aus den Rezensionen in der „Merlinischen privilegierten (Possischen^ Zeitung". 174^9—1755. .

1

5 Gottsched, gesammlete Reden. 174*.*......................................................5 Gottsched, neueste Gedichte auf verschiedene Morfälle. 1749 6 [Oifenfelber] Tie Weiberstipendien. Ter FFaule und die Vormünder. 1751......................................................................................8 ['Krnaub] La mort du marechal comte de Saxe. 1751. 9 Hofmann, dritte und letzte Anzeige derer .^H erreich utisch en Grundirrtümer. 1751.............................................................................. 10 Gottsched, Gedichte, zweite Auslage. 1751........................................12 Rambach, Abhandlungen ausländischer Gottesgelckehrten. 1751. 14 Gellert, Briefe. 1751............................................................................. 16 Brücker, Anfangsgründe der philosophischenGeieschichte. 1751. 18 Naumann, Empfindungen für die Tugend. 17751.................. 19 Fenelon, Kunst glücklich zu regieren. 1751...................................... 20 Le cousin de Mahomet. 1751..............................................................22 sHagedorn) Horaz. 1751........................................................................ 23 Guevara, das vergnügte Land-und beschwerliche Hoofleben. 1751. 24 Dien meriterait-il etc. 1751.................................................................. 25 sConsbruch) Versuche in westfälischen Gedichtcten. 1751. . 26 Amüsements d’un prisonnier. 1751................................................... 28 Madame de P***, les caracteres. 1751. . . . . . . 29 Schaubert, Anweisung zur Abfassung deutscher - Briefe. 1751. 30 [2 e f f i n g] Kleinigkeiten. 1751.............................................................. 31 Klopstock, Ode an Gott. 1751............................................................. 32 Duclos, memoires pour servir a l’histoirc des ] moeurs. 1751. 33 C ervantes, satirische und lehrreiche ErzählllNtMN. 1752. . . 34 Voltaire, Amalie. 1752.................................................................. 35 Erebillon, Jdomeneus. 1752 36 L’esprit des nations. 1753................................................................ 37 Klopstock) Drei Gebete. 1753......................................................... 39 Drey er) Drei Gebete. 1753........................................................... 40 Wieland) Erzählungen. 1753........................................................ 40 Le Bossu, Abhandlung vom Heldengedichte. 11753. ... 41 Aristoteles, Dichtkunst. 1753.......................................................... 42 Lessing, Schriften. Erster und zweiter Teil. 1753. ... 43 sWieland) Briefe von Verstorbenen. 1753.................................. 44 Lange, Schreiben an den Verfasser der gelehrrten Artikel in dem Hamburgischen Korrespondenten. 1753................................... 45 Lessing, Vademecum. 1754 ........................................................... 46 Die Advokaten. 1754............................................................................ 47 Hog arth, Zergliederung der Schönheit. 1754............................. 48 Der herumirrende Ritter Don Felix. 1754.................................... 50 sSchönai ch) Tie ganze Ästhetik in einer Rutz. 1754. . . 50

IV

Inhalt. [Schönaich] Possen im Taschenformate. 1754......................... Richardson, Grandison. 1754.......................................... [Schönaich] Possen. 1754.........................................

52 53 54

Ragout ä la mode. 1751............................................................... 55 [Zachariä] Gedicht, dem Gedächtnisse des verrn von Hage­ dorn gewidmet. 1755.................................................................... Wer ist der große Duns? 1755..................................................... [U 3] Lyrische und andere Gedichte. 1755.................................. [Schönaich] Versuche in der tragischen Dichtkunst. 1755. . Lessing, Schriften. Fünfter und sechster Teil. 1755. . Zimmermann, Leben Hallers. 1755....................................... Edward Grandisons Geschichte in Görlitz. 1755....................... Kästner, vermischte Schriften. 1755...........................................

57 59 59 61 62 63 64 65

Rousseau, discours sur Forigine et les fondements de Finegalite parmi les hommes. 1755...................................

67

Mendelssohns Über die Empfindungen. [Wieland] Ankündigung einer Dunciade.

68 71

1755...................... 1755. ...

Aus der Monatsschrift: Das Neueste aus dem Reiche des Witzes. 1751.................................................................... 73 Monat April 1751......................................................................................73 Monat Mai 1751.................................................... .... 88

Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften". 1753 .............................................................................................95 Vorrede zürn dritten und vierten Teile der „Schriften". 1754 ........................................................................................... loi Briefe. (Aus dem zweiten Teile der „Schriften".) 1753. [1784. 1785.]...................................................... 107 1.—8. Brief. Rettung des Lemnius............................................109 9. Brief. Über Rousseaus gekrönte Rede von der Schädlichkeit der Wissenschaften .........................................................................135 10. Brief. Über eine deutsche Übersetzung von Virgils Georgica 136 11. Brief. Von einem Gedichte über die Mehrheit der Welten 137 12. Brief. Über die Nicolinische Pantomime................................. 141 13. Brief. Triumph der väterlichen Liebe, oder Jakob Tomms 142 14. Brief. Über den Reim................................................................... 145 15. —19. Brief. Über Klopstocks Messias....................................... 147 20. Brief. Über Diderots Schreiben über die Tauben und Stummen............................................................................... 170 21. Brief. Über den Tod eines Freundes......................... 171 22. 23. Brief. Über ein Trauerspiel Samuel Henzi . . . 173 24. Brief. Über Pastor Langes Übersetzung derOden des .voraz ................................................................................................200 25. Brief. Über Jöchers Gelehrten lexikon.......................................205

Ein Vademecum für den Herrn Samuel Gotthold Lange, Pastor in Laublingen. 1754. [1785.]............................... 225 Einleitung............................................................................................... 227

Rettungen des Horaz. 1754. [1784.]...........................275 Rettung des Hieronymus Cardanus. 1754. [1784.]. 321

Einleitung. Lessing und die historische Forschung. Anteilnahme Lessings an den spröderen historischen Wissenschaften hat von jeher geringeres Interesse beim größeren Publikum er­

regt, als seine poetische Thätigkeit, als seine ästhetischen Untersuchungen, ja als seine theologischen Streitigkeiten.

Und doch ist ein Lessing ohne

diese Seite seiner Thätigkeit, wie zufällig das Einzelne darin auch sein mag, nicht denkbar. Ja, diese Studien und Forschungen bilden die eigent­ liche Grundlage seines

litterarischen Charakters.

Er würde auf seine

Zeitgenossen wie auf die Nachlebenden unstreitig eine unmittelbar aus­ gedehntere Wirkung geübt haben, wenn er zwar nicht weniger gelehrt

gewesen wäre, aber doch es weniger zu sein geschienen hätte.

Er stammte

aus einer Periode, wo eine gewisse polyhistorische Gelehrsamkeit die herr­ schende Macht in der Geisterwelt bildete, wo selbst die Poesie eine Art

von Gelehrsamkeit war.

Ohne eine ansehnliche Summe von historischen,

litterarischen, mythologischen und dergleichen Kenntnissen ließ sich weder ein Gedicht verfassen noch auffassen; man mußte schon eine gewisse Ver­

trautheit mit den Dichtern des Altertums, Englands und Frankreichs mitbringen, wenn man sich unter den deutschen Dichtern zurechtfinden und

ihre Formen begreifen wollte.

Ein Beurteiler, der weder Milton noch

Flaccus, weder Corneille noch Anakreon und Pindar anführen oder sich auf den Theokrit und Tyrtäus berufen konnte, würde nicht viel Eindruck

gemacht haben.

Um wie viel mehr war es nötig, wenn man den Ge­

lehrten, die zum Teil noch lateinisch schrieben und dichteten, beikommen

wollte, derselben Mittel Herr zu sein, deren sie sich bedienten, um zu wirken.

Eine gewisse encyklopädische und philologisch geschulte Bildung

gehörte dazu, wenn man ihre Aufmerksamkeit fesseln und ihre Meinungen

bestimmen wollte.

Lessing, der dies Ziel hatte, mußte ihnen auf allen

Gebieten, die er betrat, ebenbürtig und wo möglich besser ausgerüstet als

sie selbst entgegentreten.

Denn nur die Gelehrten konnte er bei seinen

Arbeiten im Auge haben; ein Publikum außerhalb dieses Kreises, auf

das ein Engländer oder Franzose rechnen durfte, hatte er in Deutschland Lessing, Werke. V. 1

2

Einleitung.

noch nicht zu erwarten, kaum bei poetischen Werken, deren höherer oder

geringerer Wert nicht an dem

Beifall der Menge,

sondern an der

Schätzung und dem Urteile der Gelehrten gemessen sein wollte, da nur

diese über die Erfüllung der Regeln, worin eigentlich die Dichtung da­

maliger Zeit bestand, zu urteilen imstande

waren, weshalb denn die

Dichtung auch kaum über die Kreise der Gelehrten hinausdrang und das

Volk sich teilnahmslos dagegen verhielt, wenn es nicht, wie etwa in Gellerts Fabeln, durch den faßlichen Stoff und die scheinbar kunstlose

Behandlung gewonnen wurde.

Der Weg, auch diese Bildungsschichten

zur Teilnahme zu veranlassen, schien ein weiter und gewundener, auf den man nicht anders gelangen konnte, als wenn man die vermeinten

höheren Bildungsschichten reformiert und aus ihrer empirischen Gelehr­ samkeit

zum schöpferischen Denken

und zur verständlichen Form ge­

führt hatte. Abgesehen von dem allgemeinen Charakter des Zeitalters ward auch

Lessings

eigentümliche Verfassung der encyklopädistischen Gelehrsamkeit

geneigt.

Er hielt kein Feld des Wissens, wofür ihn seine Anlagen über­

haupt befähigten, für zu unfruchtbar oder zu abgelegen, um sich nicht darauf zu versuchen.

Ein hohes Vorbild war ihm Bayle, dessen Lexikon

ihm eine Fülle von Kenntnissen erschloß und dessen Art ihm durchaus

zusagen mußte.

Bei seinem vielseitigen und rastlosen Lernen konnte es

nicht fehlen, daß er sich bei den abgeleiteten Darstellungen nicht befrie­

digt, sondern auf die Quellen selbst zurückgewiesen sah.

Nachprüfungen

offenbarten sich ihm dann

Und bei diesen

leicht Irrtümer

oder doch

zweifelhafte Auffassungen, die seinen Widerspruch reizten und ihn zur weitern Untersuchung aufforderten.

An die Mißverständnisse andrer an­

knüpfend, war er bemüht die Wahrheit zu verteidigen und zur Geltung zu bringen.

Das eine führte ihn zum andern, und wo er anfänglich

nur eine Kleinigkeit berichtigen wollte, holte er weiter aus und machte eine große Entdeckung.

Die Größe derselben blieb freilich immerhin re­

lativ, aber Wahrheit blieb Wahrheit und auf die Tragweite konnte es nicht ankommen.

Der größere Gewinn, als die Berichtigung eines wenn

auch noch so schweren Irrtums, beruhte aber darin, daß die selbstzufriedne

Gelehrsamkeit beunruhigt und zum Forschen und Denken angetrieben wurde.

Und dazu mußte

Lessing bediente.

sie schon die Methode drängen, deren sich

Nicht der Gewinn, sondern die Art des Erwerbs ist

Lessings Verdienst, der an seinen Forschungen den Leser fortdauernd An­ teil nehmen läßt, ihn stets beschäftigt und munter erhält.

So macht er

seine Arbeiten, indem er seine volle Individualität darin ausspricht, erst recht eigentlich zu den seinigen.

Seine dialektische Natur, die allen mög­

lichen Einwänden schon von fern entgegensieht, sie herantreten läßt, sich

Einleitung.

3

mit ihnen verständigt, sie abweist oder zu Ausgangspunkten neuer Unter­

suchungen macht, giebt seinen Abhandlungen einen dramatisch lebendigen Charakter und damit eine weit größere Eindringlichkeit, als wenn er systematisch lehrend zu Werke gegangen wäre. Das Einzelne ist ihm

stets von untergeordneter Bedeutung und das Forschen selbst, das heißt das Wegräumen der Hindernisse, um zum gesuchten Ziele zu gelangen, so sehr die Hauptsache, daß er offen bekannte, nicht die Wahrheit, in

deren Besitz irgend ein Mensch sei oder zu sein vermeine, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt habe, hinter die Wahrheit zu kommen,

mache den Wert des Menschen, der nicht durch den Besitz, sondern durch die Nachforschung der Wahrheit seine Kräfte erweitere, worin allein seine

immer wachsende Vollkommenheit bestehe.

So offen dies Bekenntnis ist,

so sehr ist es auch geeignet, in der Annahme Lessingscher Sätze, von

seinem subjektiven, wie vom objektiven Standpunkte genommen, eine ge­ wisse Behutsamkeit zu empfehlen, da er teils zu bescheiden ist, um etwas,

das er gefunden oder gesagt hat, als allgemein gültige Wahrheit aus­ zugeben, teils viel zu rastlos vorwärts strebend, um bei einem Satze,

der vielleicht nur Ergebnis eines Durchgangspunktes war, ein für alle­ mal stehen zu bleiben.

Erst wenn sich aus seiner gesamten Wirksamkeit

ergiebt, daß ein Satz von ihm selbst unbezweifelt oder ohne Widerspruch gelassen ist, darf man annehmen, daß er sich dabei beruhigt habe und

es dabei sein Bewenden haben solle.

Und in der verhältnismäßig zwar

kurzen, aber immerhin doch mehr als dreißigjährigen litterarischen Wirk­

samkeit findet sich bei ihm, von erweiterten Gesichtspunkten abgesehen,

kaum ein Widerspruch mit sich selbst.

Keineswegs berechtigt aber der

Umstand, daß Lessing einen oder alle seine Sätze ohne Widerspruch ge­

lassen hat, zu der Annahme, daß sie die absolute Wahrheit enthalten und unwidersprechlich seien.

Vieles hat nur der Debatte wegen seine Stelle

gefunden, manches ist längst und bündig widerlegt, anderes wieder wird nie allgemein angenommen werden, wie allgemein es auch schon vor ihm

angenommen war. Doch diese auf ausgedehnten Widerspruch stoßenden Dinge sind nicht gerade die, welche hier zunächst liegen, die historischen, sondern die philosophisch-theologischen, von denen zum Schlüsse zu han­

deln ist.

Hier soll nur noch in der Kürze daran erinnert werden, auf

welchen Gebieten sich die Lessingschen historischen Forschungen bewegten.

Sie sind der Litteratur- oder, wenn man will, der Gelehrtengeschichte gewidmet.

Denn außer den ästhetischen und den dahin einschlagenden

Untersuchungen über das Epigramm und die Fabel, den antiquarischen Briefen und kleineren Aufsätzen beziehen sich die übrigbleibenden meistens

auf einzelne gelehrte Namen, wie die Rettungen, die Beiträge zu Jöchers

Lexikon, oder auf ältere Dichter, von denen er eine ganze Reihe, den

4

Einleitung.

Logau, Scultetus, die Nachtigall, den Bonerius und andre der Vergessen­

heit wiederum entzog.

Besonders lebhaft wurde sein Spürgeist angeregt,

als ihm die Wolfenbüttler Bibliothek zur Verfügung stand, in deren

Handschriften und alten Drucken noch so manches unentdeckte wichtige Werk oder Kuriosum auf den Finder harrte und zum Teil noch harrt.

Sein ganzes schriftstellerisches Leben hindurch zogen ihn die Fabeldichter an.

Seine Untersuchungen über die Fabeln des Romulus, über den

Anonymus, den Nevelet zuerst herausgegeben, und über den Ranuntius

waren besonders eindringend, obwohl auf diesen dunkeln Gebieten mit dem bloßen Spüren sichre Resultate nicht zu erreichen waren.

Da wo

ihm alte Drucke zur Hand lagen, wie sie Hunderten vor ihm zu Gebote gestanden, wußte er dieselben geschickt zu nutzen und diese Kuriosa, die

man ihrer Seltenheit wegen sammelte, um sie zu besitzen, nicht um sie zu benutzen, ftuchtbringend und in seiner anziehenden Art zu erschließen. Vor ihm dachte eigentlich niemand daran, daß diese Denkmäler über-

wundner Perioden auch zu den Belegen der Geschichte des menschlichen

Geistes gehörten und daß ihnen dieselbe Aufmerksamkeit gebühre, wie

andern litterarischen Denkmälern.

Erst mit ihm — Bodmer etwa aus­

genommen — begann die quellenmäßige Erforschung der Litteratur aller Perioden; wie er denn recht eigentlich der Schöpfer einer vergleichenden

Litteraturbetrachtung geworden ist, wofür die Beiträge zur Historie und

Aufnahme des Theaters, die Theatralische Bibliothek und, besonders wiederum als Höhepunkt, die Hamburgische Dramaturgie die Belege ent­

halten.

Vor ihm war es niemand eingefallen, die Behandlungen, welche

ein und derselbe Stoff zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Völkern erfahren hatte, zu vergleichen. Lessings Vergleichungen fanden indessen noch nach Anleitung der „Regeln" statt; zu dem Standpunkte,

aus den

verschiedenen Behandlungsweisen

die

verschiedenartigen Be­

dingungen der Zeiten, Völker oder Dichter-Individualitäten kennen zu lernen, konnte er, der sich von den Einflüssen der Zeit selbst für frei

hielt, nicht vordringen.

Ihm galten die Schöpfungen der Dichter noch

wie unabhängige, nur in sich selbst und dem Willen ihrer Erzeuger be­ ruhende, während diese selbst doch nichts anderes sind als die Repräsen­

tanten ihrer Zeit, zwar nicht beherrscht, aber bedingt von dem Geiste des Volkes, in dem und für das sie schaffen.

Ist doch Lessing selbst ein

solcher Repräsentant, freilich ein so hochstehender, daß sein Blick weit über dieselbe hinausreichte, besonders in seinen theologischen Schriften.

A. Vordrke.

Auswahl aus den

Recensionen in der „Lerlinischen privilegierten (Vossischen) Leitung". 1749—1755.

(5. Juni 1749.)

Leipzig.

Herrn Johann Christoph

Gottscheds P. P. der Königl. Preußischen und Bononi-

schen Akademie

sammlete

der

Reden in

Wissenschaften Mitgliedes,

dreien

ge-

Abteilungen, nochmals

von ihm selbst übersehen und verbessert. Mit Königl. Poln.

und

Kurfürst!.

Sachs,

allergnäd.

Freiheit.

Leipzig, verlegt's Bernhard Christoph Breitkopf, 1749.

1M2 Alphabet in groß Oktav. Dian muß es dem Herrn Professor Gottsched zum Ruhme nachsagen, daß er sich in Kammlung

aller seiner Werke, Werkchen, Schriften und Schriftchen, zu seinem Vergnügen, und derer Nutzen, welche so wollen schreiben lernen, als wie er, sehr sorgfältig erzeiget.

Seine Gedichte

hat er der Welt nicht lange mißgegönnet, seine Weltweisheit ist schon zum drittenmal aufgelegt worden, da er eben zum dritten­

mal Rektor war: seine Reden fehlten noch; hier sind sie; und welch eine Lücke füllen sie nicht unter seinen Schriften aus.

Er hatte diesen Mangel schon längst in seiner Bibliothek be­

merket, und Herr Breitkopf ließ sich endlich erbitten, selben durch seinen Beistand abzuhelfen.

dem­

Nun stehn sie da,

und wer sie auch in seinem Büchersaale will stehen sehen, der

kann sie überall, zum Exempel in den Vossischen Buchläden,

6

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

für 20 Groschen haben.

Noch eins. Diese Redensammlung be­

steht aus drei Abteilungen, aus Lob- und Gedächtnisreden,

Leichenreden und Trostschriften, und vermischten Reden. Die meisten sind schon sonst gedruckt gewesen, und den Wert

der unbekannten kann

man aus dem Werte der bekannten

leicht schätzen. Herr Gottsched hat diese Reden Seiner Majestät,

dein Könige in Dänemark, in einem Gedichte zugeeignet, welches, wenn die Würzhändler einmal eine neue Auflage von dessen

Gedichten verlangen sollten, ohne Zweifel, wegen der ganz sanften, platten, natürlichen Schreibart, unter die poetischen

Sendschreiben zu stehen kommen wird. (18. November 1749.)

Regensburg.

In der Gebrüder

Zunkel Verlag sind unlängst herausgekommen: Herrn Pro­ fessor

Gottscheds

neueste

Gedichte auf verschiedene

Vorfälle. In Quart, 6 Bogen.

Nachdem endlich der Herr

Professor Gottsched in seinem fnnfzigsten Jahre, nach den unzähligen Kritiken, welche seine Gedichte haben ausstehen müssen, eingesehen, daß seine bisherigen Verse nichts taugen, er aber

gleichwohl, man weiß nicht, durch was für eine Erscheinung, bei sich völlig überzeugt ist, daß er in der großen Kette der

wirklichen Dinge ein poetisches Glied zu sein bestimmt worden:

so hat er hin und her gesonnen, was doch die Ursache davon sein möchte, daß sich seine poetischen Begriffe bisher noch nicht haben entwickeln wollen.

Endlich hat er sich besonnen, daß

er seine bisherigen Gedichte meistens ;n Hause, zwischen vier

Wänden, verfertigt, und daß also wohl nichts fehle, als sein Heil auf Reisen zu versuchen, und zu sehen, ob es ihm ge-

lingen möchte, noch mit der Zeit ein anderer Fleming zu

werden.

Gedacht, beschlossen, gethan.

Er reifete verwichnen

Sommer mit seiner Frau Liebsten in das fruchtbarmachende Karlsbad, von da nach Regensburg, rind dann weiter zu Wasser

auf der Donau nach Wien.

Dieser poetischen Reise haben

wir gegenwärtige neueste Gedichte des Herrn Professor Gott-

7

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

scheds zu danken; und wir sehen daraus, daß seine poetische Stunde noch nicht koinmen ist.

Das erste ist kurz vor dieser

Reise gemacht, und ist nur zur Vermehrung der Blätter in

diese Sammlung kommen.

Es heißt: Ode an die Durch­

lauchtigste Armelinda Talea, bei ihrer Aufnahme in

die Akademie der Arkadier zu Rom.

gewissen Ursachen,

Wir wollen, aus

von diesem Gedichte mit deir drei qner

Finger breiten Versen nichts sagen.

Das zweite heißt: Das

Karlsbad, in einer Ode besungen.

Wir wollen nun die­

jenige Strophe daraus anführen, aus welcher wir sehen, daß

er seinen englischen Newtonianischen Elbingischen Tubus für zwanzig Thaler mit auf die Reise genommen.

Der Himmel ist mir halb verstecket. Ein dicht umzogner Vorhang decket Mir fast der Sterne größte Zahl. Bei Nacht, wenn ich mit Newtons Nähren, Den Ring Saturns, den Mars will ehren. Verbergen sie sich auf einmal.

Man merke wohl die astronomisch-poetische Redensart: Die

Sterne mit Sehröhren ehren, anstatt sie durch Seh­ röhre

betrachten.

Das dritte Gedicht heißt: Schreiben

an einen Vornehmen von Adel in Wien, aus dem Karls­

bade abgelassen.

Es hat folgenden erhabenen Eingang:

Gepricsner Freund! mein *, dem Phöbus und die Neune Von Herzen günstig sind; vernimm was hier der Deine, Der noch kein Blatt an Dich in Reimen ausgeheckt. Am kleinen Töpelfluß für ein Vergnügen schmeckt u. s. w. Man sagt, der vornehme Freund in Wien habe an diesen vier Zeilen völlig zur Genüge gehabt.

Die Oberpfalz,

Das vierte Gedicht ist:

in einem Gesänge entworfen.

Wir

haben unlängst unter einem Artikel von Regensburg von dem

traurigen und würdigen Schicksale dieses Gedichts Nachricht gegeben.

Wir schellen uns, die merkwürdigsten Stellen daraus

herzllsetzen, und wollen nur deir Anfang anführen:

8

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Gehab' dich wohl, du rauhes Pfälzerland! Deiir felsenreicher Grund ist mir nunmehr bekannt: Bekannt, doch auch verhaßt. Bon deinen harten Steinen Komm' ich, Gott Lob! diesmal dennoch mit ganzen Beinen, Du, hohler Wege Schlund; du, kalter Berge Strauß, Der du beständig scheinst dem Sommer Trotz zu bieten. Der Himmel wird vor euch mich künftig wohl behüten. Das

letzte Gedicht heißt:

Die Donau.

Wir können

bei

unserer kritischen Ehre versichern, daß sowohl dieses Gedicht als auch die übrigen den angeführten Stellen vollkommen ähn­

lich siild. Sie sind in den Vossischen Buchläden für 4 Groschen zu haben, und wahrhaftig recht lustig zu lesen.

(6. März 1751.) Frankfurt und Leipzig. Die Weiber­

stipendien, oder die wohlfeile Miete der Studenten.

Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Frankfurt und Leipzig 1751. In Oktav.

6 >/2 Bogen. Desgleichen: Der Faule und

die Vormünder, ein Lustspiel in drei Aufzügen. Ebenda

in eben dem Jahr.

6 Bogen.

Wir nehmen diese zwei

Stücke zusammen, weil wir zuverlässig wissen, daß sie von

einem Verfasser sind.

Mancher, der das eine lesen sollte, wird

vielleicht am Ende sagen: Das Lustspiel möchte ich sehen,

welches erbärmlicher sein könnte!

Wenn es sein rechter

Ernst ist, so darf er nur das andere vor sich nehmen.

Es

gilt aber gleich viel, welches er zuerst oder zuletzt liefet, genug

dasjenige, welches er zuletzt liefet, wird ihm allezeit nichts­ würdiger scheinen, weil der Ekel, welchen das erste erweckt hat,

durch die Fortdaurung in dem andern endlich in einen Ab­ scheu ausschlagen muß; ob wir gleich sonst gestehen müssen,

daß beide, ihrem innerlichen Wert nach, gleich nichtswürdig sind.

Plan, Knoten,

Auflösung, Charakter, Moral, Satire,

natürliche Unterredungen; alles Dinge, welche dem Verfasser

böhmische Dörfer sind.

Wenn er bei dem ersten anstatt Lust­

spiel Studentenspiel gesetzt hätte, so wäre er einigermaßen ent-

9

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

schuldiget.

Bei dem ander» wenigstens droht er den Lesern

gleich auf dem Titel, daß sie vermöge der komischen Sympathie einschlafen werden; und kann man von einem Verfasser mehr

begehren, als daß er dasjenige erfüllet, was er auf dein Titel verspricht?

Der gegenwärtige hat sogar noch mehr geleistet.

Wie viel Lob verdient er nicht!

Doch, ernstlich zu reden, so

versichern wir den Leser, daß er unser Urteil gegründet finden

wird, und daß wir uns, wenn es nur ein klein wenig vor­

teilhaft hätte ausfallen können, ein Vergnügen würden gemacht

haben ihm zu sagen, daß ein gewißer Herr O. in D . . der

Verfasser dieser schönen Lustspiele sei.

Videor mihi meo jure

facturus si judicium hoc versibus clusero. Mart.

Ein elend jämmerliches Spiel rc. [f. Band I, S. 33.]

(13. März 1751.) Dresden. La Mort da Marechal Comte de Sa.re. Poeme. Veritati et Virtuti. A Dresde.

auf 3 Bogen.

In Ouart

Der Verfasser dieses Gedichts ist Herr Arnaud,

welcher sich jetzo in Dresden aufhält.

Man kennt seine Muse

schon aus andern Probestücken, und weiß, daß sie sich selten

über das Mittelmäßige erhebt.

Eine prächtige Versifikation,

die dem bloßen Ohre sehr wohl gefällt,

und die er seinem

Meister, dem Herrn v. Voltaire, sehr glücklich abgelernt hat,

ist ihm eigen. Das ist es auch alles, was ein fähiger Kopf, der

aber nicht zum Dichter erschaffen ist, erlernen kann.

Der

poetische Geist wird ihm allezeit fehlen; denn den zu erlangen, ist Übung und Fleiß umsonst. Hat er ein gutes Gedächtnis, so

wird man in seinen Versen zwar hier und da einen nlalrischen

Gedanken, einen poetischen Zug antreffen; doch schade, daß ein ander gutes Gedächtnis sich ohne Mühe besinnet, wem diese

geborgten Schönheiten eigentümlich zugehöreu.

Der Plan des

gegenwärtigen Gedichts ist dieser: der Verfasser beschreibt die Annehmlichkeit des Friedens; der Marschall Graf von Sachsen

genoß sie, ohne seinen Mut dadurch weichlich zu machen; der

Neid geriet darüber in Wut, und ruft den Tod um Hilfe an;

10

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

der Tempel des Todes wird entworfen;

die Verschwörung

wider den Helden gelingt; sein Tod erfolgt, und auf seinen Tod folgt die Vergötterung. Zu Malereien hat dieser Plan Gelegenheit genug gegeben; die uns noch am besten geraten

zu sein scheinet, ist die Beschreibung der Aufführung des Mar­ schalls in: Frieden.

(Je n’etait plus ce Mars, ce fier dieu des batailles, Qui, tralnant apres soi Vhorreur des funerailles, Ministre redoute des arrets du destin, Dans des ruisseaux de sang plonge ses bras d’airain, Court porter Vepozivante aux villes alarmees, Et dJun souffle ranime, ou confond les armees. CJetait Mars e aresse par la belle Cypris, Sur son terrible front se jouait le souris, De plaisirs innocens une troupe agreable Disputait ä ses vnains le glaive formidable, Pres de lui voltigeaient le folätres Amours, L’un le parait de fleurs qui renaissaient toujours, L’autre dans un tableau digne de son courage De champs de Fontenay lui presentait Vimage, Celui-ci demandait que sur ce front guerrier Son bandeau succedät au casque trop altier, Celui-lä qu’excitait une en fonline audace, Voulait que son flambeau du glaive prit la place. Ist in den Vossischen Buchläden für 2 Groschen zu haben.

(23. März 1751.) Wittenberg und Zerbst. Dritte und letzte gegründete Anzeige derer Herrenhutischen

Grundirrtümer in der Lehre von der heiligen Schrift, Rechtfertigung,

Sakramenten

und

letzten

Dingen;

denen evangelischen Kirchen zur nötigen Warnung ans Licht gestellet von D. Karl Gottlob Hofmann, General­

superintendent. Nebst einem Register über sämtliche drei

Teile. Wittenberg und Zerbst, verlegt's Sam. Gottf. Zimmermann. 1751. In Oktav. 8 Bogen. Dieses ist der

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

11

Beschluß desjenigen Werks, wodurch sich der Herr Generalsuperintendent den Herrenhutern keinen geringen Schaden zu­

gefügt zu haben rühmt; nicht etwa, weil er ihre Irrtümer

dadurch gedämpft, sondern weil er sie, wie inan deutlich sieht, verhindert hat, gewisse zeitliche Vorteile zu erlangen, die man, menschlich zu handeln, auch seinen irreitbe» Brüdern gönnen muß.

Wir hoffen, daß die Leser schon wissen, was der Herr

Verfasser Grundirrtiimer der Herrenhuter heißt; näinlich die­ jenigen Stellen, ivo sie nicht die Sprache der symbolischen Bücher führen.

Diese Erklärung angenommen, müsien wir

die Ausführung durchgängig loben; man wollte denn wünschen,

daß sie mit etwas weniger Spötterei, die oft die feinste nicht ist, und mit etwas minder zweideutigen Absichten angefüllet sei.

Der Kopf eines Herrenhuters, voll Enthusiasterei, ist zu nichts weniger als zu systematischen Begriffen und abgeinessnen Aus­

drückungen geschickt. Warum macht man ihm die Schwäche seines

Verstandes zu Verbrechen seines Willens?

Warum folgert

man aus gewissen Orten, wo er von Sachen, über welche die

Scham einen geheimnisvollen Vorhang zieht, etwas zu frei,

zu ekel, zu schwärmerisch geschrieben hat. Thaten der sträflichsten Nur zum Beweise der Verleumdung, und mehr zum Ärgernisse als zur Erbauung, schreibt man aufgedeckte

Unzucht?

Bosheiten der Herrenhuter, so lange noch keiner von ihnen

der Verbrechen, welche man ihnen schuld giebt, und welche die schärfste Ahndung verdienten, vor der weltlichen Obrigkeit

überführet worden ist.

Man weiß es aber schon, daß man

mit diesen unbarmherzigen Beschuldigungen vor Gerichte nicht fortkonnnen kann, und daß, am Ende, jeder billiger Richter kein ander Urtel von den Herrenhutern zu fällen weiß, als das,

was Plinius, obgleich in einer ganz verschiednen Sache, fällte: nihil aliud inveni modicam.

qum Superstition em pravam et im-

Wäre es also nicht gut, wenn die Herren Theo­

logen die Wahrmachung eines Ausspruches des Cicero, opinionum commenta delet dies, ruhig erwarteten?

Sie haben

12

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

einen Ausspruch in der Bibel, der eben dieses sagt, und es

ist zu verwundern, daß ihnen noch niemand des Gamaliels

iacait aiiovc zugerufen hat.

Könnten sie ihrem Charakter

gemäßer handeln, als wenn sie wie dieser Pharisäer gedächten:

Ist der Rat oder das Werk aus den Menschen, so wird's untergehen, ist's aber aus Gott, so können wir nichts

dämpfen rc.? Ein gewisser Christian Philaleth hatte der ersten Anzeige des Herm D. Hofmanns hllndert Fragen entgegengesetzt,

und in der Vorrede zu dieser dritten Anzeige sagt uns der

Verfasser, warum er auf diese Fragen zur Zeit noch nicht geantwortet habe. Die vornehmste Ursache ist, well sich dieser Gegner nur unter einem falschen Namen genennt, und der Herr Doktor durchaus denjenigen erst persönlich kennen will, welchen

er widerlegen soll.

Die Wahrheit zu gestehen, wir sehen das

Schließende dieser Ursache nicht ein.

Kann ein Schriftsteller

unter erborgtem Namen keine Wahrheit sagen?

Oder kann

man niemanden widerlegen, wenn man nicht Persönlichkeiten

in die Widerlegung mischt?

Herr

Generalsuperintendent,

In eben der Vorrede meldet der

daß

allem

Ansehen

Heilandskasse bald Bankerott machen werde.

nach

die

Vielleicht zieht

der Umsturz ihres ökonomischen Systems den Untergang der ganzen Gemeine nach sich.

Ist in beit Vossischen Buchläden

hier und in Potsdam für 3 Groschen zu haben. (27. März 1751.)

Leipzig.

Allen nach Standesgebtthr

höchst und hochzuehrenden Liebhabern, Gönnern und Beförderern

einer echten deutschen Poeterei kündigen und preisen wir folgendes Werk an.

Herrn Johann Christoph Gottscheds, der

Weltweisheit und Dichtkunst öffentlichen Lehrers in Leipzig, Gedichte, bei der jetzigen zweiten Auflage über­ sehen und mit dem zweiten Teile vermehrt, nebst einer Vorrede

ans

Licht

gestellet von

M. Joh.

Joachim

Schwaben. Leipzig, verlegt's B. Chr. Breitkopf. 1751. In groß Oktav. Das Äußerliche dieser Gedichte ist so vor-

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

13

trefflich, daß sie, wie wir hoffen, den Buchläden große Ehre

machen werden, und, wie wir ivünschen, lange Zeit machen mögen.

Von dem Innerlichen aber einen zureichenden Ent­

wurf zu geben, das übersteigt unsre Kräfte.

Der erste Teil

ist alt, und ilur die Ordnung ist neu, welche der schärfsten

Hofetikette Ehre machen würde. Wenn der Verfasser den Einfall dazu nicht in Wien bekommen hat, so hat er ihn wenigstens

nicht bei dem Horaz gelernt, dein er sonst ein sehr wichtiges

Kunststück abgestohlen hat, das große Kunststück nmnlich, seine Jubeloden allzeit fein zum Schluffe der Abteilung von den Oden zu setzm.

Der andre Teil ist größtenteils neu, und mit

eben der Rangordnung ausgeschmückt, welche bei denr erstell

so vorzüglich angebracht ist; so daß nämlich alle Gedichte auf

hohe Häupter und fürstliche Personen in das erste Buch, die

auf gräfliche, adelige und solche, die ihnen gewiffermaßen gleich kommen,

ins zweite,

alle freundschaftliche Lieder aber

dritte Buch gekommen sind.

ins

Uns ist die Ode auf den Herrn

von Leibniz sogleich in die Augen gefallen.

Der größte Teil

derselben beschäftiget sich mit dem Lobe der Stadt Leipzig. Das

ist Pindarisch!

Wann dieser erhabne Sänger das Lob eines

olympischen Siegers vergöttern sollte, von dem er auf der Gotteswelt nichts Rühmlichers zu sagen hatte, als etwa die Geschwindigkeit seiner Füße, oder die Stärke seiner Fäuste, so geschah es dann und wann, daß er statt seiner seine Vater­

stadt lobte. O wahrhaftig! das heißt die Alten mit Überlegung

nachahmen, wenn es anders der Herr Profeffor Gottsched zur

Nachahmung der Alten gethan hat.

Wer kann übrigens ernst­

haft bleiben, wenn er das Lob dieses Weltweisen auf die

Erfilldung verschiedner Kleinigkeiten stützt, wie zum Exempel seine Dyadik ist, welche er zu erfinden eben «richt Leibniz hätte sein dürfen.

Doch die Dyadik ist für den Herrn Profeffor

vielleicht ein ebenso unbegreifliches Ding, als ihm die Analysis

infinitorum zu sein scheint, die er, mit vieler Einsicht, die

Rechenkunst in den unendlich Kleinen nennt.

Dein poettschen

14

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Geiste des Herrn Professors das völligste Recht widerfahret!

zu lasten, dürften mir nur eine Stelle aus einem Schreiben an den Herrn von Scheyb anführen,

wo er sein zu ent­

behrendes Urteil über den Messias fällt; allein wir wollen es

immer in einem Buche lasten, in welchem es nur bei denen

einen Eindruck machen wird, welche gestraft genug sind, dieses

große Gedicht nicht zu verstehen.

Gesetzt, es hat einige Flecken,

so bleibt es doch allezeit ein Stück, durch welches unser Vater­ land kann.

die Ehre

schöpferische

Geister zu

besitzen

verteidigen

Eine Anmerklmg aber müssen wir aus angeführtem

Schreiben hersetzen: „Herr Bodmer, sagt der Herr Profestor

„Gottsched, hat an den Herrn Schuch, Prinzipal einer deutschen „Schauspielergesellschaft, nach Basel geschrieben, und ihn ein-

„geladen nach Zürch

zu kommen, nicht etwa tragische und

„komische Schauspiele daselbst aufzuführen, sondern durch seine „geschicktesten Personen beiderlei Geschlechts den Messias auf „öffentlicher Bühne hersagen zu lasten.

„handen."

Der Brief ist vor-

Die Wahrheit dieser Anekdote vorausgesetzt, so ist

sie eben so gar lächerlich nicht, als sie dein Herrn Professor scheinet. Wäre es nicht sehr gut, wenn man auch unsre Schau­

plätze zu den Vorlesungen verschiedner Arten von Gedichten an­ wendete, wie es in der That bei den Römern üblich war.

Hat er vergessen, daß Virgil selbst sein Heldengedicht auf öffentlichem Theater dem Volke vorgelesen hat?

Diese Ge­

dichte kosten in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 2 Thaler 4 Groschen.

Mit 2 Thaler bezahlt man das Lächer­

liche, und mit 4 Groschen ungefähr das Nützliche.

(30. März 1751.) Leipzig und Greifswalde. Sammlung

auserlesener Abhandlungen ausländischer Gottes­ gelehrten zur Unterweisung des Verstandes und Besserung des Herzens; zusammengetragen von Friedr. Eberh. Rambach, Pastor zum heiligen Geist in Magde­

burg. Leipzig und Greifswalde. 1750. In Oktav. 1 Alpha-

15

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

bet.

16 Bogen.

Schriften,

deren

ausgedrückt ist.

Dieses ist der Anfang einer Sammlung von

Beschaffenheit

genugsam

auf

dem

Titel

In der Borrede bestimmt der Herr Pastor

Nambach ihren Zweck aber noch näher, und sagt, daß es Ab­

handlungen sein sollen, welche vermögend sind, deil mit Bor­

urteilen, Unwissenheit und Zweifeln verhinderten menschlichen Verstand zu unterweisen und ihm ein Licht vorzuhalten, nach

welchem er sich in schweren Fällen, audj wohl int Stande

empfindlicher Anfechtungen richten kann; Abhandlungen, die uns zeigen, wie heilig, gerecht und gut die Forderungen und

Norschristen des Evangelii Jesu Christi sind; Abhandlungen, die gewisse besondre Verheißungen des Evangelii betreffen, die

Kraft, das Leben und den göttlichen Nachdruck derselbeit vor

Augen legen, sonderlich aber sollen es solche Abhandlungen

fein, die auf den wichtigen Punkt der geistlichen Sittenlehre, nämlich auf beit Unterschied der Natur und Gnade, gerichtet sind.

Alle diese Eigenschaften wird der Leser an denjeitigen

Stücken finden, die in diesem ersten Teile befindlich sind.

Es

sind namentlich folgende: 1) John Flavels, ehemaligen Predigers zu Dortmouth in England, Betrachtungen über die menschliche

Furcht.

Das Leben dieses Mannes, welches für eine gewisse

Art Leser sehr erbaulich sein wird, macht den größten Teil der Vorrede aus.

2) Tillotsons Betrachtung über die gerechte

Forderung Jesu: Gott mehr zu fürchten, als die Menschen. 3) Wilhelnt Salden!, weiland berühmten Predigers in Delft, Prüfmtg menschlicher Urteile, atis dem Holländischen übersetzt.

Es ist ein Glück, daß iwdj hier und da ein Gottesgelehrter auf

das Praktische des Christentunts gedenkt, zu einer Zeit, da sich die allenneisten in unfruchtbaren Streitigkeiten verlieren; bald einen einfältigen Herrnhtiter verdammen, bald einem noch einfältigern Religionsspötter durch ihre sogenannte Widerlegungen

neuen Stoff zum Spotten geben; bald über untnögliche Vereinigtingen sich zanken, ehe sie den Grund dazu durch die Reinigting der Herzen von Bitterkeit, Zanksucht, Verleumdung,

16

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Unterdrückung, und durch die Ausbreitung derjenigen Liebe, welche allein das wesentliche Kennzeichen eines Christen aus­

macht, gelegt haben.

Eine einzige Religion zusammenflicken,

ehe man bedacht ist, die Menschen zur einmütigen Ausübung ihrer Pflichten zu bringen, ist ein leerer Einfall.

Macht man

zwei böse Hunde gut, wenn man sie in eine Hütte sperret? Nicht die Übereinstimmung in den Meinungen, sondern die

Übereinstimmung in tugendhaften Handlungen ist es, welche

die Welt ruhig und glücklich macht.

Ist in den Vossischen

Buchläden hier und in Potsdam für 12 Groschen zu haben. (8. Mai 1751.) Leipzig. Briefe, nebst einer praktischen

Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen, von C. F. Gellert.

Bei Johann Wendlern.

1751.

In

Oktav. 20 Bogen. Was abgeschmackte Junkers und aberwitzige

Neukirchs

so

unglücklich,

und nur

zur

Aufhaltung

des

guten Geschmacks unternommen haben, wird in diesem Werke auf die vortrefflichste Art geleistet.

Der Herr Verfaffer hat

sich das Recht längst erworben, daß die Welt auf alles, was

aus seiner Feder fließt, aufmerksam sein muß; und wer ist

geschickter als er, die Natur überall in ihre alten Vorrechte unter uns wieder einzusetzen? Den besten Briefsteller zu machen, wird nichts erfordert als zu beweisen, daß man keinen Brief­

steller braucht, und die ganze Kunst schöne Briefe zu schreiben ist die, daß man sie ohne Kunst schreiben lernt.

Allein wie viel

seltne Eigenschaften setzt diese Vermeidung der Kunst voraus? Gesunde Ordnung im Denken, lebhafter Witz, Kenntnis der Welt, ein empfindliches Herze, Leichtigkeit des Ausdrucks sind Dinge,

die den Deutschen weniger fehlen würden, wenn man sie in Schulen lernen könnte.

Die meisten Lehrer haben sie selbst

nicht; was Wunder also, daß sie ihre Schüler anführen, sich mit methodischen Leitfäden, topischen Einfällen, studierten Eni-

psindungen, staubichten Realien und künstlichen Perioden zu

behelfen?

Wie unbeschreiblich würde der Nutzen sein, wenn

17

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

die praktische Abhandlung des Herrn Gellerts alle wohl insorwierte Briefsteller und alle die gelehrten Männer auf us de conscribendis epistolis aus den Klassen vertreiben könnte?

Dian würde die Briefe des Cicero und Plinius besser nutzen

lernen, und einige lateinische Brocken würden das wenigste

sein, was man ihnen zu danken hätte.

Ist es zu hoffen?...

Die Briese des Herrn Gellerts selbst sind durchgängig Meister­ stücke, die man ebensowenig als seine Fabeln zu lesen auf-

höreir wird.

Die schöne Natur herrscht überall, alle Zeilen

sind mit dem süßesten Gefühle, mit den rühmlichsten Gesinnungen belebt; und die Überzeugung, daß sie der Verfasser an wirkliche Personen geschrieben hat, rnacht das Anteil, welches die Leser

daran nehmen, ungleich größer. sind sie die Beweise!

Von was für einem Herzen

Wie liebenswert hat sich der Verfasser

selbst, ihm unbewußt, darin geschildert!

welche Aufrichtigkeit, welche Liebe!

Welche Freundschaft,

Mit rvas für einer philo­

sophischen Gleichgültigkeit sind zwei Briefe abgefaßt, wobei ivenigstens seine Leser nicht gleichgültig bleiben rverden.

Ver­

dienet ein Mann, welcher das Vergniigen Deutschlands ist, kein

Amt zur Belohnung, wenn anders ein Amt eine Belohnung sein kann? . . . Herr Gellert scheint beit vornehmsten Inhalt

seiner Abhandlung in eine Erzählung, die er auf der 83. Seite einschaltet, gebracht zu haben.

Können wir den Platz schöner

anwenden, als wenn wir sie einrücken? Ein junger Mensch, der, wenn er Briefe schrieb, Die Sachen kunstreich übertrieb.

Und wenig gern mit stolzen Formeln sagte. Las einem klugen Mann ein Trauerschrciben vor. Darin er einen Freund beklagte. Der seine Frau durch frühen Tod verlor. Und ihm mit vielem Schulwitz sagte, Daß nichts gewisser wär', als daß er ihn beklagte. Ihr Brief, fiel ihm der Kenner ein. Scheint mir zu schwer und zu studiert zu sein. Lessing, Werke. V.

2

18

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Was haben Sie denn sagen wollen? „Daß mich der Fall des guten Freunds betrübt, „Daß er ein Weib verlor, die er mit Recht geliebt, „Und meinem Wunsche nach stets hätte haben sollen; „Daß ich von Lieb' und 'DZitkib voll „Nicht weiß, wie ich ihn trösten soll. „Dies ungefähr, dies hab' ich sagen wollen." Mein Herr, fiel ihm der Kenner wieder ein. Warum sind Sie sich denn durch Ihre Kunst zuwider? O schreiben Sie doch nur, was Sie mir sagten, nieder: So wird Ihr Brief natürlich sein. Kostet in den Bossischeil Buchhandlungen hier und in Potsdam 12 Groschen.

(29. Juni

1751.) Ulm.

Erste Anfangsgründe der

philosophischen Geschichte, als ein Auszug seiner größer» Werke

herausgegeben

von Jakob Brücker.

Zweite Ausgabe. Bei Daniel Bartholomäi und Sohn.

Jil Oktav. 1 Alphabet. 15 Bogen. Diese Anfangsgründe kamen das erstemal im Jahre 1736 heraus, als der Herr Verfasser

die kurzen Fragen aus der philosophischen Historie geendiget

hatte.

Seine Absicht war, den Anfängern an diesem, in dem

Zirkel der Wissenschaften unentbehrlichen, Teile einen Geschmack beizubriitgeil, und sie zll den Fragen selbst vorzubereiten. Die

Ausarbeitung des größern lateinischen Werks aber hat ihm in der Folge Gelegenheit gegeben, die Lücken lind Unzuläng-

lichkeiten dieses Auszuges, besser als jeder andre, wahrzunehmen. Er hat also in dieser neuen Auflage nicht geringe Veränderungen

gemacht; er hat ganz neue Hauptstücke, zum Exempel von der

orientalischen Philosophie, von den Schicksalen der griechischen Philosophie außer Griechenland und andre, eingeschaltet; er

hat die Vorstellungen der Lehrsätze ergänzt, und ihren Zusammen­ hang deutlicher vor Augen gelegt, als worauf in der Geschichte der Weltiveisheit offenbar das Hauptwerk beruhet. Übrigens

ist die Einteilung

des Werks selbst so eingerichtet worden.

19

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

daß sie mit dem lateinischen Werke übereintrifft. preisung wird sehr unnötig sein.

Unsre An­

Wenn es aber wahr ist,

das; niemand in einer Wissenschaft ein gründliches Kompendium abfassen kann, als der, welcher diese Wiffenschaft in dem weit-

lällstigsten Unlfange übersieht, so mu|; das gegenwärtige gewiß das gründlichste sein.

unerfahrnes Kind.

Ohne die (beschichte bleibt man ein

Und ohne die (beschichte der Weltweisheit

insbesondere, welche nichts als die Geschichte des Irrtums und der Wahrheit ist, wirb man die Stärke des menschlichen Ver­ standes nimmerinehr schätzeil lernen; man wird ewig ein auf-

geblasner

der, in seine Grillen verliebt,

Sophiste bleiben,

der Gewißheit im Schoße zu sitzen glaubt; man wird stünd­ lich der Gefahr

ausgesetzt sein, von unwissenden Prahlen;

hintergangen zu werden, welche nicht selten das neue Ent­ deckungen nennen, was man schon vor etliche tausend Jahren Kostet in den Vossischen Buch­

geivußt und geglaubt hat rc.

läden hier und in Potsdam 10 Groschen.

(20. Juli 1751.) Frankfurt am Main. Empfindungen für die Tugend in satirischen Gedichten von C. N.

Naumann.

Verlegt's D. Chr. Hechtet. 1752. Es ist zu

wenig, wenn man Schriften, ivelche lächerliche freie Handlungen der Menschen als lächerliche schildern, unter gewiffen Umständen

erlaubte Schriften nennet.

Man muß sie unter die nützlichsten

zählen, welche oft mehr als eine mit Fluch und Hölle belästigte Predigt das Reich der Tugend

erweitern.

Man weiß, daß

die Meister derselben verschiedne Wege gegangen sind.

Man

weiß, worin die Satiren eines Horaz von den Satiren eines

Juvenals und Persius unterschieden sind.

Man weiß, daß

allzustrenge Kunstrichter, welche sich vielleicht

zu genau an

willkürliche Erklärungen gebunden haben, den letztern den Namen

der Satirenschreiber absprechen.

Sie donnern anstatt zu spotten.

Sie führen Laster auf anstatt Ungereimtheiten. mehr verhaßt als beschämt.

Sie machen

Ihr Lachen ist voller Galle; ihre

20

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Scherze ftnb Gift.

ihn unter

Herr Naumann selbst giebt uns das Recht,

die Nachfolger dieser allzuernsthasten Rächer der Was sind seine Empfindungen

Tugend zu setzen.

für die

Tugend anders als das, was sein Wiufter indignatio nennet? Diese allein wurde ihn zu einem Dichter gemacht haben, wenn

er es nicht wäre.

Wir wünschten also, daß er ein einziges

Wort auf dem Titel geändert, und anstatt in satirischen

Gedichten gesetzt hätte in Strafgedichten. nicht niehr als zwei.

Es sind deren

Die erste beschreibt eine wollüstige nnb

verderbte Stadt, und ist voller wohlgetroffnen Bilder, ivelche aber alle mehr die häßlichen als lächerlichen Seiten vorstellen. Die zweite ist wider die Weichlichkeit der Sitten.

Alis dem

Anfänge mag man auf den Rest schließen.

Komm wieder Juvenal und strafe diese Stadt, Die dein verhurtes Rom längst übertroffen hat. Und greif' die Thoren an, der Republik Geschwüre, Und zürn' und mach' auf sie die feurigste Satire. Aus der ersten wollen wir noch folgende Stelle, in ivelcher ein besondres Feuer herrscht, hersetzen. Wo wohnt Religion? Wo find' ich Menschenliebe ? Wer hört den Unsinn nicht auf Kaffeehäusern schrei», Wo jeder Wüstling glaubt ein Edelmann zu sein. Wo Knaben ohne Bart sich frech zusammenrotten. Mit jungem Teufelswitz Gott und der Schrift zu spotten.

Hier, wo der Atheist, der ludermäßig starb, Beim schöngeputzten Schöps noch Beifall sich erwarb; Daß einst sein Flattergeist auch in der Luft verschwände. Wünscht er aus Duinmheit sich und kloppet in die Hände; Und ruft, daß es sogar die Straße hören kann: Fürwahr ein großer Geist! Fürwahr ein braver Mann! Kostet in

den Rassischen Buchläden

hier

und

in Potsdam

2 Groschen 6 Pfennig. (29. Juli 1751.)

Mim.

Herrn Franz Salignac de

la Motte Fenelon, Erzbischofs zu Cümmerich, Kunst

21

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

glücklich zu regieren; mit nützlichen Lehren zur klugen Einrichtung und Verwa ltnng eines Staats. 1751. Auf

Kosten Joh. Friedrich Gaums.

In Oktav.

8 Bogen.

Diesen Aussatz hat Fenelon zum (Gebrauch des damaligen ver­

mutlichen französischen Thronfolgers, des Herzogs von Bourgogne, befielt Unterweisung ihm anvertrauet war, verfertigt. Er bestehet aus siebenunddreißig Prüfungen, wovon jede einen Punkt abhandelt, welcher einen notwendigen Einfluß auf das

Wohl des Staats hat.

In der ersten, zum Exempel, fragt

er seinen durchlauchtigen Schüler: Habt Ihr auch eine hin­

längliche Erkenntnis von

allen

Wahrheiten der christlichen

Lehre? In der zweiten: Seid Ihr noch niemalen auf die Ge­

danken geraten, daß die heilige Schrift nicht sowohl den Kö­ nigen, als den Unterthanen zur Regel und Vorschrift ihrer

Handlungen diene? In der dritten: Habt Ihr nicht unter Euren Ratgebern diejenigen besonders vorgezogen, tvelche am aller­ besten sich Euern ehrgeizigen, eiteln, hoffärtigen, wollüstigen und

schädlichen Abstchten zu fügen gewußt? Aus diesem wenigen wird man leicht schließen, daß diese Schrift eher heißen sollte:

Die Kunst untadelhaft zu regieren, als die Kunst glücklich zu regieren.

Man darf die Geschichte nur obenhin durchlaufen

haben, um von der Wahrheit überzeugt zu sein, daß die besten Könige selten die glücklichsten, und die glücklichsten noch seltner

die besten gewesen sind.

des Staats mar,

So nahe Fenelon auch dem Ruder

so wenig merkt man es doch aus seinen

Vorschriften, welche nichts deutlicher zeigen, als daß von der eigentlichen Kunst zu regieren keine können gegeben werden.

Alles, was Fenelon hier sagt, würde ein jeder Schullehrer von

gutem Verstände auch haben sagen können.

Es sind lauter

allgemeine Sätze, welche aus einem Prinzen zur Rot einen

ehrlichen und vorsichtigen Mann, nichts weniger aber als einen großen König machen können. Die deutsche Übersetzung ist leidlich, nur verrät sie hin und wieder ihren Geburtsort.

Der

Übersetzer nennet sich in der Zueignungsschrift T. E. Ger-

22

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

h ardi.

Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Pots-

dani 3 Groschen. (5. Auglist 1751.)

Konstantinopel.

Unter diesem Orte

sieht mau seit klirzen Le < ’ohsIh de Medioniet, in zwei Teilen in Duodez, wovon der erste 204 Seiten und der zweite 247 Seiten

stark ist. Erinnern.

Der Titel kündigt einen Roman an, auch ohne unser

Er enthält die Abenteuer eines Franzosen, welcher

sehr jung aus seinem Vaterlailde nach Konstantinopel floh,

aus Unerfahrenheit Sklave ward, lind in seiner Sklaverei ge­ meiniglich seineil Fralien redlicher als seinen Herren diente.

Sein gutes Glück verhalf ihm zu nianchen tausend Schlägen,

unter welchen jeder andrer, als ein Romanenheld, würde haben

erliegen müssen.

Doch was sind diese liild alle die Lebens-

gefahren, in welchen er gewesen ist, gegen die Ehre in die

Schwägerschaft des Mahomets gekommen zu sein? Alis dieser mllß nian beit Titel erklären.

Ohne zu untersuchen, ob die

Tugend dieses Werk, ohne zu erröten, lesen könne, müssen wir

gestehen, daß der Verfasier eine besondre Geschicklichkeit besitzt von allen Sachen die lächerliche Seite zu entdecken, und seinen

Gedanken durch einen kurzen und sinnreichen Ausdruck

gehörigen Schwung zu geben.

den

Die beigefügte» Noten können

diesen Roman sogar einigermaßen nützlich machen, weil man darin häufige Erklärungen verschiedner

türkischen Gebräuche

findet, welche allerdings aus eigner Erfahruilg aufgesetzt zu

sein scheinen.

Der Franzose leuchtet überall hervor, und wer

weiß, ob alle von seiner Nation, welche jemals in türk'scher Gefangenschaft geweseil sind, so viel (Gunstbezeigungen von ma-

hometanischen Schönen erhalten haben, als er auf seine eigne Rechnung schreibet.

Wenn ein frommer Muselmann ihn lesen

sollte, er würde auf allen Seiten ausrufen müssen: welche

Gotteslästerungen! Und diese Gotteslästerungen sind es gleich­ wohl, welche manchen ehrlichen Christen ergötzen roerbeit.

Kostet

in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 20 Groschen.

23

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

(12. August 1751.)

Karl Bohn.

1751.

Hamburg.

Horaz.

Bei Johanu

In Großguart auf 2 Bogen.

Dieses

Gedichte beschreibt die Anmut des Landlebens, und den Horaz als den würdigsten

Genießer

desselben.

Deutschland kennt

ih>t ungenannt, ihn

cui liquidum pater Vocem cum cithara dedit . . . Qui persaepe cava testudine flevit amorcm, . . elaboratum ad pedem. Nach dem Beispiel des Horaz rührt er nicht immer entzückende Saiten, und tönet Lieder bann, belebt.

sind

welche jene mens divinior

Dieses, und die meisten seiner moralischen Gedichte,

solche, welche sein Muster sennoni

propiora nennt.

Starke Gedanken, wohlgetroffene Bilder, Ausdrücke quos reddidit junctura novos verraten überall den Dichter, welcher sich zwinget, anstatt seines ganzen Feuers, nur Funken sehen zu

laffen.

Wir wollen nichts mehr davon sagen, und uns be­

gnügen, folgmde vortreffliche Stelle herzusetzen. Arell, der Filz, des Wuchers blasser Knecht Zieht auf das Land, vergnügt sich; aber schlecht. So wie ein Sklav, den Furcht und Kette lähmen. Mehr kriecht, als geht, wann wir sie von ihm nehmen.

Was sichtbar ist, sei nur dem Pöbel schön! Die Geisterwelt entzücket den Menen. Wie Demokrit, vertieft er sich in Träume,

Sitzt in dem Wald, und sucht im Walde Bäume.

Nasidien, der Komus unsrer Zeit, Rollt durch das Thor in stolzer Herrlichkeit, Erreicht sein Gut, mit neunundzwanzig Gästen, Wie in der Stadt sich stundenlang zu mästen. Es eilt Quadrat, er, seines Glioms Tribun, Zu Gärten hin, wie seine "Nachbarn thun. Der Blüten Duft, der Blumen Reiz zu fühlen?

Wein: ungestört, und vorteilhaft zu spielen.

24

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Hephästion verläßt die Majestät, Besucht sein Lehn, wo er das Schloß erhöht, Guckt in sein Feld; das Feld ergötzt ihn wenig. Allein warum? Dort sieht er keinen König. hier

und in Potsdam

(21. August 1751.) Hildburgshausrn.

Das vergnügte

Kostet in den Vossischen Buchläden

2 Groschen.

Land- und beschwerliche Hofleben, worin sowohl die

Anmutigkeiten des einen, als auch die Mühseligkeiten des andern auf das artigste abgebildet werden; vor­

mals beschrieben in spanischer Sprache von Antonio de Guevara, Bischöfe zu Mondoguedo, Rat, Beicht­

vater

und

Kaiser

Historiographo

Karls V.,

jetzo

aber seiner schönen Moralien halber von neuem ins

Verlegt's

Deutsche übersetzt.

1751.

In

Oktav.

11

Bogen.

Joh.

Gotts.

Hauisch.

Unter hundert Dichtern,

welche die Wut des stürmenden Meeres beschreiben, ist vielleicht

kaum einer, welcher sie aus eigner Erfahrung kennt. Hose geht es nicht anders.

Dem

Aus dem Innersten seiner Studier-

stube zieht oft ein Mann wider ihn los, der, ungeschickt sich an demselben zu zeigen, ihn nur mit fremden Augen sieht, und die Meirschen nur aus Büchern kennt, worin sie fast alle­

zeit abscheulicher geschildert werden, als sie sind.

Dieser Vor­

wurf ist dein Antonio von Guevara zwar nicht zu machen. Er war über achtzehn Jahr an dem Hofe Karls V., wo er

ansehnlichen Bedienungen vorstand, und lernte auf seinen Reisen andre Höfe sowohl als den seinigen kennen.

Allein Guevara

mar ein Geistlicher, und diese Art Leute hat Vergrößrungs­ gläser, welche auf dem schönsten Gesichte unmerkliche Poros

zu den abscheulichsten Löchern machen. mieren war ihm

eigen.

Und

Die Kunst zu dekla-

welchem Spanier ist sie es

nicht? Eine Kunst, welche durch sinnreiche Gedanken, durch

den Schwung, den sie ihnen zu geben weiß, durch übertriebne

25

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Anwendungen kleiner Geschichten, den Verstand oft so blendet, daß er überzeugt zu sein glaubet.

Die Menschen sind am

Hofe, in der Stadt und auf dem Lande Menschen; Geschöpfe, bei welchen das Gute und Böse einander

die Wage

hält.

Schwachheiten und Laster zu fliehen, muß inan nicht den Hof,

sondern das Leben verlassen.

Beide sind an dem Hofe, wegen

des allgemeinen Einflusses, den sie aus andre Stände haben, mir gefährlicher, aber nicht größer. Von der Übersetzung dieses kleinen Werks können wir nichts sagen, als daß es uns scheint,

es sei dem Guevara darin gegangen, wie es ihm in den Übersetzungen seiner Epistolas familiäres, seines libro aureo de Marco Aurelio, Emperador etc. ergangen ist. elend diese sind, weiß man.

Und wie

Unterdessen wird man sie ver­

mutlich wegen der eingestreuten

Gelehrsamkeit,

womit

der

Spanier nicht weniger zu prahlen gewohnt ist, als der Deutsche,

nicht ohne Vergnügen lesen.

Sie kostet

in den Bossischen

Buchläden hier und in Potsdam 4 Groschen. (28. August 1751.) Hannover. Dien meriterait-il bien qu’un komme ent pottr lui des eyards et du respect et qu’il lui en ofsrtt un hommaye publie.? Traduit de /’Alleinund pur une Westphedieune. A Isunnorre aux depens de Jean Christ.. Richter. 1751. In Oktav 12'/« Bogen. Die

Urschrift dieses Werks ist bekannt.

Sie hat sich mit Recht

eine Stelle unter der kleinen Anzahl solcher Bücher erworben,

welche ohne prahlende Gelehrsamkeit die Pflichten der Religion den Herzen mehr einzuflößen, als dem Verstände aufzudringen suchen.

Man hat eine Art des Vortrags dazu gewählt, worin

uns die Alten so viel Meisterstücke geliefert haben, und welchen die Steuern ganz verlassen zu haben schienen; den dialogischen. Alle Schönheiten desselben, die Sprache der Gesellschaft, die Verschiedenheit der Charaktere und Stellungen, die ungezwungnen

Zwischenfälle, die angenehme Unordnung, welche ebenso weit

von der Methode als von der Verwirrung entfernt ist, die

26

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Übergänge, wovon man das Muster iit der Natur der täglichen

Unterredungen findet, sind glücklich erreicht worden.

Die wesent-

lichern Schönheiten des Inhalts werden Lesern von Gefühl

nicht entgehen.

Dem Menschen ist alles eher angenehm zu

macheil, als seine Pflicht, und die Kunst, das Joch der Religion

als ein sanftes Joch vorzustellen, ist zu schwer, als daß sie jeder Gottesgelehrte haben sollte.

Daher kommt es, daß man

gegen ein Werk, von der Art wie das gegenwärtige ist, zwanzig findet, worin man die Theologie als eine Sophisterei treibet,

welche nichts weniger als einen Einfluß auf das Leben hat.

Der Seelenschlaf, das jüngste Gericht, das tausendjährige Reich,

die verklärtm Körper werden noch jetzt in ganzen Alphabeten abgehandelt.

Vortreffliche Gegenstände, welche wenigstens den

Witz der Spötter thätig zu erhalten geschickt sind.

Diesen aber

dlirch ein Leben, welches der Geist der Religioil beherrscht,

lind durch Lehrsätze zu entwaffnen, die durch eine erhabne Ein­ falt von ihrem göttlichen Ursprünge zeugeil, ist ein Werk, wo-

niit man sich nur uilgerne vermengt, weil es den Herrenhutern eingekonlmen ist, sich damit abzugebeil.

Wir erfreuen uns,

daß man gleichwohl ein Blich voll dieser Gattuilg allgelneilier

zu machen gesucht hat, und zwar in einer Sprache, welche

jetzo den Zoteil und Gotteslästerungen gewidinet zu fein scheinet. Es hat die Übersetzllng vor huildert Streitschriften verdieilt, welche zu nichts dienen, als den Haß zwischen den verschiednen

Sekten zu erhalteil.

Westfalen hat einen guten französischen

Dichter, es hätte also ganz leicht auch eine gute französische Übersetzerin haben können. Kostet in den Vossischen Buchläden

hier und in Potsdam 8 Groschen. (19. Oktober

fälischen

1751.)

Frankfurt.

Gedichten von E. C.

Versuche in west­ Saepe stylwm vertan,

Herum quae digna legi sunt scripturus.

furt bei Joh. 9 Bogen.

Friedr.

Fleischer.

Horatius. 1751.

In

Frank­ Oktav.

Es war eine Zeit, da ein schweizerischer Dichter

27

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

ein Widerspruch zu sein schien.

Ter einzige Haller hob ihn.

Warum soll man nicht glauben, das; Haller, als er über den

bei sich eins geworden, ihren ganzen Wert empfunden, und nur aus flberzeugung dieses Titel feiner ewigen Gedichte

Werts sein Vaterland zum Mitgenossen seines Ruhms gemacht

habe?

Von dem Verfaffer der Versuche in westfälischen Ge-

dichteir eben das zu sagen, würde von einer Satire ebenso wenig unterschieden sein, als er von dein Verfasser der poe­ tischen Erzählungen, die vor einem Jahre herauskainen, unter­

schieden ist.

Seine Arbeit ist nicht die schlechteste; man wird

Stellen darin finden, die ein Genie verraten, welches sich das Mechanische der Poesie eigen gemacht hat.

Landsleute zum Model

des

möchten, daran zweifeln wir.

Ob ihn aber seine

westfälischen

Witzes

annehmen

Die Ode auf die Musik hat

man schon in den Nacheiferungeir in den zierlichen Wiffen-

schaften gelesen.

Warum aber der Verfaffer dort F. A. Cons-

bruch und hier E. Consbruch heißt, das missen wir nicht.

Das

letzte Gedicht in diesen Versuchen ist an sein Vaterland über­ schrieben.

Es soll eine Widerlegung des Verfaffers der Epitres

diverses sein, welcher vielleicht alle Tugenden, nur die Liebe

des Vaterlandes nicht besitzet, wenn sie anders eine ist.

Die

Wahrheit zu gestehen; wenn wir entweder auf unser Vaterland

sinnreich lästern, oder es elend verteidigen sollten, mir wählten das erste.

Neugierigen Lesern zum Anbiß wollen mir folgende

Erzählung von der 118. Seite hierher setzen.

Harpagon. Als Harpagon, der sich zum reichen Mann gelogen, Sein einzig Kind dem alten Veit versprach.

Ward Agnes nicht zu Rat gezogen;

Denn Veit ließ ihm den Brautschatz nach. Man führt das arine Kind mit Thränen zum Altare,

Wo Veit sein Jawort keuchend sagt: Ein Wort, das mancher viele Jahre Mit Schmerz bezahlt und oft beklagt.

28

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Tie Und Ach, Bon

schweigt bestürzt und weint, der Priester neigt sich hin. fragt: Erkläret Euch; Ihr wollt den Bräut'gam doch? spricht sie, guter Freund! Ihr seid der erste noch, dem ich dieserhalb um Nat gcfraget bin!

Sonst nennt man die Erzählungen nach der Hauptperson, und

hier ist sie wenigstens nicht Harpagon.

Kostet in den Vossi-

schen Bnchläden hier und in Potsdam 6 Groschen. (2. November 1751.) Paris. Amuseniens d’un prisoiinier. Par re, nee incideo, sine nie Uber ibis in urbem; llett mihi! (jiuxl domino non lieet ire tun! l rechtfertigen braucht. Wir wollen zum Lobe desselben weiter nichts sagen, als daß es denjenigen, welche nur einigermaßen

von der allervollkommensten Art der Gedichte kunstmäßig reden wollen, unentbehrlich ist. Der Herr Übersetzer hat es ihnen durch verschiedene Anmerkungen, welche größtenteils nichts als

kleine Anwendungen auf einige unserer neusten deutschen Hel­ dendichter enthalten,

noch brauchbarer geinacht.

Sein Ver-

fahren scheint uns übrigens sehr klug, daß er keinen tadelt als die Verfasser des Messias und Noah,

Empfindlichkeit der

und sich für die

andern so viel möglich in

acht nimmt.

Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 18 Groschen. (23. August

1753.)

Deutsche übersetzt,

Aristoteles'

Dichtkunst

Anmerkungen und

mit

ins

beson­

dern Abhandlungen versehen von Michael Konrad Curtius,

Göttingen

der

deutschen

Königl.

Mitgliede.

Gesellschaft

in

verlegt's

Joh.

Chr. Richter 1753. In Oktav. 1 Alphabet 5 Bogen.

Unter

Hannover,

allen Schriften des Aristoteles sind seine Dichtkunst und Rede-

klinst

beinahe die

einzigen, welche bis auf unsre Zeiten ihr

Ansehen nicht nur behalten haben,

sondern noch fast täglich

einen neuen Anwachs desselben gewinnen. Ihr Verfasser muß notwendig ein großer Geist gewesen sein; man überlege nur

dieses: kaum hörte seine Herrschaft in dem Reiche der Welt­

weisheit auf, als man durch diesen erloschenen Glanz einen

andern in ihm entdeckte, den kein Araber, und kein Scholastiker wahrgenommen

hatte.

Man

erkannte ihn als den tiefsten

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

43

Kunstrichter, und seit der Zeit herrscht er in dein Reiche des (Ge­

schmacks unter den Dichtem und Rednern ebenso unumschränkt, als ehedem unter seinen Peripatetikern.

Leine Dichtkunst, oder

vielmehr das Fraginent derselben, ist der Quell, aus welchem

alle Horaze, alle Boileaus, alle Hedelins, alle Bodmers, bis sogar auf die Gottscheds, ihre Fluren bewässert haben. Dieser hat uns schon seit vielen Jahren auf eine deutsche Übersetzung derselben warten lassen; und warum er sich endlich doch einen alldem damit hat zuvorkommen lassen, können wir nicht sagen,

es müßte denn die griechische Sprache und seine eigne Dicht­ kunst, welche keine weder über sich noch neben sich leiden will,

daran schuld sein.

Herr Curtius

besitzt alle Eigenschaften,

welche zu Unternehmung einer solchen Arbeit erfordert wurden;

Kenntnis der Sprache, Kritik, Litteratur und Geschmack. Seine Übersetzung ist getreu und rein; seine Anmerkungen sind ge­ lehrt, und erläutern den Text hinlänglich; und seine eigne Ab­

handlungen

sehr viele schöne Gedanken von beut

enthalten

Wesen und dem wahren Begriffe der Dichtkunst; von den Personen und Handlungen eines Heldengedichts, von der Ab­

sicht des Trauerspiels, von den Persoiten und Vorwürfen der Komödie,

der Alten.

von der Wahrscheinlichkeit, und von dem Theater

Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in

Potsdam 16 Groschen.

G. E. Lessings Schriften.

(13. November 1753.)

Erster und zweiter Teil. Berlin bei Christ. Fr. Voß. 1753. In Duodez. 1 Alphabet 3 Bogen. Der erste Teil dieser Schriften enthält zwei Bücher Lieder, Fabeln, Siitltschriften und

Fragmente ernsthafter Gedichte.

Diese letzteren hat der Ver­

fasser seinen Lesern nicht ganz mitteilen wollen, vielleicht ihiten

den Ekel ztt ersparen, den er selbst etnpfttnden hat, wenn er,

um einige wenige schöne Stellen gelesen zu haben,

nicht wenig schlechte,

und

sehr viel mittelmäßige

zugleich

hat lesen

müssen. Der zweite Teil bestehet aus Briefen, die man, wenn

44

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

man will, freundschaftliche Briefe eines Pedanten nennen kann.

Wenn es übrigens wahr ist,

daß verschiedene von

den in

dieser Sammlung enthaltenen Stücken den Beifall der Kenner,

gedruckt oder geschrieben, schon erhalten haben, so kann inan

vielleicht vermuten, daß ihnen die Sainmlung selbst nicht znivider sein wird. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 16 Groschen. (25. Dezember

Briefe ton Verstorbenen an Zürich bei Orell. MDt'CLJlI.

1753.)

hinterlassene Freunde. In Quart.

16 Bogen.

Dieses ist eitles vo>l den Meisterstücken,

mit welchen uns in vergangener Messe die Schweiz beschenken wollen, die sich lange genug mit trocknen Regeln beschäftiget

hat, und nunmehr auch die Muster dazu geben will.

Es ist

aus der Feder des Herrn Wielands, eines so fruchtbaren Geistes,

daß die Vielheit seiner poetischen (Geburten beinahe

ein Vorurteil wider ihren innern Wert sein könnte, wenn ihm der Gott der Kritik nicht stets zur Rechten stünde,

durch sein cave faxis te quidquam indignum!

gleicher Stärke zu erhalten weiß. Reiche der Toten sind,

der ihn

immer bei

Daß es Briefe aus dem

sieht man aus dem Titel; und daß

diese Einkleidung keine Ersinduilg des Herrn Wielands ist,

werben diejenigen wissen, welche die Briefe der Frau Rowe

und andre dieser Art kennen.

Es stirb deren nenne, welche

alle voller Seligkeiten, Tugend und Freundschaft sind, so daß

uns schon der Inhalt mit aller Achtung davon zu reden be­ wegen muß. Überall herrscht darin das Feinste der feinsten Empfindungen; und die Nachrichten, die uns von dem Himmel

mitgeteilt werbe«,

sind

neu und kurios.

Wein die Briefe

selbst ein wenig zu lang Vorkommen sollten, der mag über­

legen, daß die (Gelegenheiten aus jenem in dieses Leben jetziger Zeit sehr rar sind,

und

man also den Mangel des öfter«

Schreibens durch das viel Schreiben ersetzen muß. Sonst aber

haben wir durch eine neuere Nachricht von dorther erfahren.

45

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

daß man eine scharfe Untersuchung

angestellt,

die

wahren

Wanten dieser Korrespondenten, eines Innins, einer Lncinde, eines TeanorS, und wie sie alle heißen, zu entdecken, um es

ihnen ernstlichen zu verweisen, daß sie sich unterstanden haben,

wider das: Sie haben Mosen und

zu handeln.

die Propheten 2c.

Kostet in bett Vosfischen Buchläden hier und in

Potsdam 10 Groschen.

Gleich

(•27. Dezember 1753.)

jetzo

erhalte

ich

zwei

Bogen in Oktav, welche in Halle bei Gebauern unter folgender

Aufschrift

gedruckt

sind:

Samuel

Gotthold

Laugens

Schreiben an den Verfasser der gelehrten Artikel

in dem Hamburgischen Korrespondenten wegen der im 178. und 179. Stücke eingedruckten Beurteilung der Übersetzung des Horaz. Der Herr Pastor Lange hat mir

darin

die

Ehre

angethan,

auf

meine Kritik

zu

antworten; uitd sich die Schande, es auf eine so abgeschmackte

Art ztt thun, daß ttichts darüber geht. Indem er seine Fehler etttschuldigen will, macht er neue, einen über den andern. Sie

scheitien mir unter sich zu wetteifern, welche ihn ant lächer­ lichsten machen können; und es gelingt ihnen so gut, daß ich

einige Tage Bedenkzeit haben muß, wenn ich bett Ausspruch thun soll. Eitt einziger Punkt ist es, über welchen ich ntich nicht

zeitig genug erklären sann. Was ich mir nie von einem vernünftigeit Manne,

geschweige

von

Geistlichen

einem

ver­

mutet hätte, muß ich von ihm erfahren, von ihm, der meine Vermutung nicht das erste Mal übertrifft.

Er greift meinen

moralischen Charakter an, auf welchen es bei graiimtatikalischett

Streitigkeiten, sollte ich meinen, nicht anfätne.

Er giebt mir

auf der 25. Seite einen recht abscheulichen Anstrich; er macht

mich

zu

einem kritischen Breteur,

welcher

die

Schriftsteller

herausfordert, damit sie ihm die Ausforderttitg abkaufett sollen.

Ich weiß hierattf nichts ztt antworten als dieses: daß ich hier vor aller Welt den Herrn Prediger Lange für den boshafte-

46

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

sten Verleuinder erkläre, wenn er mir die auf der angeführten

Seite gemachte Beschuldigung nicht beweiset.

Ich lege ihm

eine Unmöglichkeit ans; mir aber ist das Gegenteil zu erhär­ ten eine Kleinigkeit; und zwar durch das schriftliche Zeugnis

eben des dritten Mannes,

auf welchen er sich beruft.

Ich

will es in meiner Antwort der Welt vorlegen, lind man wird

daralls erkennen,

daß mir die angemutete Niederträchtigkeit

nie in den Sinn gekommen

ist.

Ich

bin

bis dahin sein

Diener. Gotthold Ephraim Lessing.

(17.

Januar

1754).

Ein

I\uk-

»uvum

für

den

Herrn Sam. Gotth. Lange, Pastor in Täublingen, in diesem Taschenformate angefertiget von G. E.

Lessing.

Berlin 1754.

Auf 4 Bogen in Duodez.

Wenn

es wahr ist, daß die Werke des Horaz eine Hauptquelle des Geschmacks sind, und daß man nur aus seinen Oden, was

Oden sind, lernen kann; wenn es wahr ist, daß man gegen

die deutschen Übersetzungen aller klassischen Schriftsteller über­

haupt, nicht scharf genug sein kann, weil sie die vornehmsteil Verführer sind, daß sich die Jugend die Originale nur oben­

hin zu verstehen begnügen läßt; wenn es wahr ist, daß die Fehler solcher Männer, die ohne eine tiefe kritische Kenntnis der alten Dichter, würdige Nachahmer derselben heißen wollen,

ansteckender als andrer sind: so wird man hoffentlich die kleine Streitigkeit, die man dem Herrn Pastor Lange wegen seines

verdeutschten Horaz erregt hat, nicht unter die allergering­ schätzigsteil, sondern wenigstens unter diejenigen Kleinigkeiten

rechnen, die nach dem Aussprüche des Horaz ernsthafte Folgen haben; hae nugae seria ducent.

Herr Lange hätte nichts

Unglücklichers für sich thun sönnen, als daß er auf die Lessingsche Kritik mit so vielem Lärmen geantwortet hat.

Wenn er

sich dieselbe in der Stille zu nutze gemacht hätte, so würden vielleicht noch manche in den Gedanken geblieben fein, daß die

47

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

darin getadelten Stellen die einzigen tadelswürdigen wären.

Ans diesen Gedanken

aber werden hoffentlich auch seine ge­

schworensten Frennde durch dieses Vade meeuin gebracht wer­ den, welches seinen Namen aus der abgeschmackten Langenschen Spötterei

über

das

unschuldige

Schriften erhalten hat.

Format

der

Lessingschen

Der Verfasser zeigt ihm darin un-

widersprechlich, daß er weder Kenntnis der Sprache noch Kritik,

weder Altertümer noch Geschichtskunde, weder Wissenschaft der

Erde noch des Himmels, kurz, keine einzige von den Eigen­ schaften besitze, die zu einem Übersetzer des Horaz erfordert werden.

Wir würden einige kleine Proben davon anführen,

wenn es nicht beinahe zu viel wäre, daß der Herr Pastor seine Beschämung air mehr als einem Orte finden sollte.

Kostet

in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 4 Groschen.

(26. Februar 1754.) Hamburg 1753.

Die Advokaten, ein Lustspiel.

In Oktav 4 Bogen.

Nichts kann unbilliger

sein, als die Verspottung eines ganzen Standes in der Person

eines einzigen, in welcher man die Laster aller Mitglieder zusammenhäust.

Gemeiniglich beschäftigen sich nur mittelmäßige

Köpfe damit, die den Gegenstand ihrer Satire, so zu reden,

von der öffentlichen Straße nehmen müssen, und sonst nichts

Lächerliches zri entdecken wissen, als was der Pöbel schon aus­ gepfiffen hat.

Solchen Schriftstellern haben wir die Geist­

lichen auf dem Lande, die Ärzte, und andre Stücke zu danken,

mit welchen das gegenwärtige, die Advokaten, sehr viel Gleiches hat.

Es

ist ebenso giftig,

und ebenso unregelmäßig:

der

Verfasser hat ebensowenig die wahren Schranken der Satire

gekannt, und das Komische ebensowenig von dem Poffenhaften

zu unterscheiden gewußt.

Man wird uns nicht zumute», in

unserm Tadel diesesmal bestimmter zu gehen, und die fehler­

haften Stellen näher anzuzeigen, weil mit einzelnen kleinen Verbefferungen einem Stücke nicht geholfen wird, das sich nicht

anders als mit einem Striche durch alle vier Bogen gut machen

48

läßt.

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Kostet in den Vossischen Buchlädcn hier und in Pots­

dam 2 Groschen.

(3o. Mai 1754.)

schwankenden

Zergliederung der Schönheit, die

Begriffe

von

dem

Geschmacke

setzen, geschrieben von Wilhelm Hogarth.

Englischen übersetzt von C. Mylius.

Linde 1754.

Kupfertafeln.

festzu­

Aus dem

London bei And.

In Quart auf 20 Bogen nebst zwei großen

Herr Hogarth ist unstreitig einer der größten

Dialer, welche England jemals gehabt hat. berühmt gemacht, ist dieses, daß

er

Was ihn besonders

in alle seine Gemälde

eine Art von satirischer Moral zu bringen gemußt, die das

Herz

an dem

Natur,

Leben

teilzunehmen

Vergnügen der Augen

und

Reiz

hat

nötiget.

man durchgängig darin be-

wulldert, und diese bei ihm für die Wirkungen eines glück­

lichen Genies gehalten, bis er in dem gegenwärtigen Werke zeigte, daß auch ei» tiefes Nachdenken über die Gegenstände

seiner Kunst damit verbunden gewesen.

Und diesem Nach­

denken eben haben wir eine Menge neuer Ideen zu danken,

die in der ganzen Materie von der Schönheit ein Licht an­ zünden, das man nur von einem Manne erwarten konnte, dem

auf der Seite des Gelehrten ebensowenig, als auf der Seite des

Künstlers

fehlte.

Hauptstücke abgeteilt.

Er

hat

seine

Schrift in

siebenzehn

In den ersten sechsen handelt er von

den schon bekannten Gründen, von welchen man durchgängig zrigesteht, daß sie, wenn sie wohl vermischt werden, allen Arten von Zusammensetzungen Annehmlichkeit und Schönheit geben.

Diese Gründe sind: die Nichtigkeit, die Mannigfaltigkeit, die Gleichförmigkeit, die Einfachheit, die Verwicklung und die Größe,

welche alle bei Hervorbringung der Schönheit zusammenwirken, indem sie einander gelegentlich verbessern und einschränken.

In

dein siebenten Haliptstücke wendet er sich zu den Linien, in

welche alle Formen eingeschlossen sein müssen, und findet, daß die wellenförmige Linie die wahre Linie der Schönheit, und

49

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

die Schlangenlinie die wahre Linie des Reizes sei.

Ans der

Betrachtung dieser beiden Linien beruht das ganze Hogarthsche System von der Schönheit.

Er zeigt nämlich, wie aus ihrer

Zusammensetzung alle angenehme Formen entstehen, und ivie

wunderbar sie besonders in dem Meister-stücke aller sinnlichen

Schönheit, in beut menschlichen Körper, angebracht sind.

Auch

in den übrigen Hauptstücken, wo er von den Verhältnissen, von dein Lichte und Schatten, und von den Farben redet, zeigt er ihren Einfluß, welcher sich besonders in dem 16.

Hauptstücke von der Stellung am meisteir äußert.

Alan darf

nicht glauben, daß bloß Maler und Bildhauer oder Kenner dieser beiden Künste das Hogarthsche Werk mit Nutzen leseit

können.

Auch Tanzmeister, Redner und Schauspieler wer­

den die vortrefflichsten Anmerkungen darin finden, und noch mehrere durch kleine Anwendungen selbst daraus ziehen können. Ja sogar Dichter und Tonkünstler werden, vermöge der Ver­ bindung, welche alle schönen Künste und Wissenschaften unter­

einander haben, ähnliche Gründe der Schönheit in den Werken

des

Geistes

und

der

Töne

darin

entdecken,

und

ihren

schwankenden Geschmack auf feste und unwandelbare Begriffe

zurückbringeit lernen.

Die

zwei

dabei befindlichen Kupfer-

tafeln sind von der eignen Hand des Herrn Hogarths, die ihnen mit Fleiß nicht mehr Schönheit gegeben hat, als sie zum Unterrichten nötig haben. Von der Güte der Übersetzung

dürfen wir hoffentlich nicht viel Worte machen, da sie sich

voit einem Manne herschreibt, der selbst mit bem Schönen in der Natur und Kunst bekannt war, und den wir zu beider

Ausbreitung viel zu zeitig verloren haben.

Sein Attsenthalt

in Londoit verschaffte ihm Gelegenheit, den Herrn Hogarth selbst bei der Übersetzung zu Rate zu ziehen, welches er auch so oft gethan zu haben versichert, daß matt seiner Übersetzung

Kostet in

dadurch eine Art von Authenticität beilegen kann.

der Vossischen Btichhandlttng hier und in Potsdam 5 Reichs­

thaler. Lessing, 26erke. V.

1

50

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

(4. Juli 1754.) Der mit seiner Donna Charmante

herumirrende Ritter Don Felix. zig 1754.

In Oktav.

Frankfurt und Leip­

1 Alphabet 10 Bogen.

Wenn dieser

Titel nicht scholl eilten elenden Roman verriete, so dürften wir nur sagen, daß es ungefähr eine Nachahmung der bekannten

Felsenburg sein solle.

Sie ist, welches wir zugestehen müssen,

unendlich elender als das Original; aber eben deswegen, wenn

wir uns nicht irren, weit lesbarer.

Was wir sagen, ist leicht

zu begreifen, wenn man nur erwägen will, daß in den Werken

des Witzes nichts ekelhafter als das Mittelmäßige ist; und daß hingegen das ganz Schlechte,

wenn es einen gewissen

Grad der Tiefe erlangt hat, eben deswegen, weil man es sich schwerlich schlechter einbilden kann, eine Art von Belustigung

bei sich führt.

Man fängt nämlich alsdann an, sich an der

Armut des Schriftstellers, an den Martern, die er seiner Ein­ bildungskraft hat anthun müssen, an den gestohlnen Blüm­ chen, und an dem Wirrwarre seines Ausdrucks zu ergötze«;

man urteilt, wie sehr er selbst seine Einfälle möge bewundert haben; man ist im Geiste bei ihm, und genießt mit ihm das

Vergnügen, durch ganze Alphabete nicht die geringste Spur eines gesunden Verstandes zu finden; und endlich verläßt man

ihn mit einem wahren

Erstaunen,

welches in Satire und

Galle ausbrechen würde, rocntt sich nicht die Barmherzigkeit

für ihn ins Mittel schlüge.

Aus diesen Gründen also wagen

wir es, auch Lesern von Geschmack die Donna Charmaule an­

zupreisen; sie kostet

ein weniges,

Appetit nach etwas Bessern.

und

erweckt ganz

gewiß

In den Vossischen Buchläden hier

und in Potsdam 10 Groschen.

(15. August

1754.)

Die ganze Ästhetik in einer

Ruß, oder Reolvgisches Wörterbuch; als ein sichrer Kunstgriff, in 24 Stunden ein geistvoller Dichter und

Redner zu werden, und sich über alle schale und hirn­

lose Reimer zu schwingen.

Alles aus den Accenten

51

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

der heiligen Männer und Barden des jetzigen über­

reichlich begeisterten Jahrhunderts zusainmengetragen,

und den größten Wortschöpfern unter denselben aus

dunkler Ferne geheiliget von einigen demütigen Ver­ ehrern der sehraffischen Dichtkunst 1754.

1 Alphabet 10 Bogen.

In Oktav.

Dieser Titel ist hoffentlich lang und

närrisch genug, um einen hinlänglichen Begriff von dem Buche

selbst zu machen.

Wenn man es eine Nachahmung des fran­

zösischen Dictionnaire neologique nennen will, so vergesse inan nur nicht, es eine elende Nachahmung zu nennen, so wie

man sie von einem geschwornen Gottschedianer erwarten konnte.

Wir machen uns Hoffnung, diese Scharteke in dem nächsten Stücke des Neuesten aus der anmutigen Gelehrsam­

keit, etwa folgendermaßen angepriesen zu finden:

„Endlich

„einmal ist ein Patriot unter uns aufgestanden, welcher den

„deutschen Sprachverderbern den Tert gelesen, und zu Rettung „meiner Ehre bewiesen hat, daß alle diejenigen Ochsen sein

„müssen, welche an Hallern, Bodmern und Klopstocken einen

„Geschmack finden.

Man kann ihm für seinen rühmlichen

„Eifer, meine Sprachkunst den Dichtern als das einzige an„zupreisen, wider welches sie nicht sündigen dürfen, nicht genug „danken.

Ein grammatikalischer Fehler, und wenn er auch

„oft nur auf einen Druckfehler hinauslaufen sollte, ist ihm,

„ivie billig, ein Schandfleck, der alle Schönheit des Gedanken „vernichtet, von welcher ich längst gesagt habe, daß sie einzig „und allein auf die richtigen,

fließenden und gewöhnlichen

„Ausdrücke ankomme, wie ich sie in meinen Werken habe,

„die in jeder Art, ohne Ruhm zu melden, Muster sein können. „Mit dem Geiste der Satire ist unser Verfaffer vortrefflich

„ausgerüstet; er schreibt in Tag hinein, er schimpft, er macht „Zoten, welches ich alles denjenigen, kraft meiner Diktatur,

„erlaube, die sich meiner gerechten Sache annehmen.

Nun-

„mehr habe ich, Gott sei Dank, noch Hoffnung, daß unser

„Hermann über den Messias, meine Gedichte über Hallers,

52

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

„Grimms Tragödien über Schlegels, Lichtwers Fabeln

„über Gellerts, meine Atalanta über Rofts Schäfergedichte, „und alle Geburten meiner getreuen Schüler über alle Werke

„derjenigen, die meinen Namen nicht anbeten, siegen werden. „Ich wünsche dieses herzlich zur Ehre des gesamten Vater„landes, und will in guter Hoffnung auch diese Monatschrift „mit einigen Artikeln aus angezognem Buche bereichem."-------Das mag er thun; wir wollen weiter davon nichts sagen, als

daß es 12 Groschen kostet, und in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam zu haben ist.

(17. September 1754.)

Leipzig.

Allda sind vor kurzem

drei Bogen in Duodez auf Schreibpapier unter dem Titel: Possen im Taschenformate, gedruckt worden.

Ihr Ver-

faffer, oder wenigstens ein guter Freund von ihm, hat die

Vorsicht gehabt, uns folgende Recension davon zuzuschicken. „Wir sind für das Feine und für das Muntere in der Satire „viel zu stark eingenommen, als daß wir gegenwärtigen Bogen „nicht ihr gebührendes Recht sollten widerfahren kaffen.

Der

„Herr Verfaffer hat seine Poffen in lauter kleine Kapitel ge„teilet, in deren jedem er ein gewisses Etwas abhandelt.

Als

„z. E. etwas Moralisches, etwas Poetisches, etwas Historisches, „etwas Kritisches u. s. w.

Die Herren Kunstrichter bekommen

„hier ebensowohl ihren Teil, als die strengen Philosophen,

„die jede sonnenklare Wahrheit auf das abstrakteste demon-

„strieren wollen.

Der Verfaffer hat dem Frauenzimmer ebenso

„lachend die Wahrheit gesagt,

als den finstern Altertums-

„forschern.

5 Handlungen ist

Ein Lustspiel von

„5 Duodezseiten zu sehen.

hier auf

Es hat alle erforderlichen Eigen-

„schaften eines Lustspiels, und der Leser wird über dieses eben„sogut lachen müssen, als er über eines von 4 Stunden lacht.

„Die Handlung des gegenwärtigen dauert 6 Stunden.

Die

„Beschreibung von Utopien ist sehr lehrreich, und die ver„schiednen Arten der Waffen sind voller Witz; kurz diese drei

53

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

„Böge« enthalten so viel, als nianche Satire von drei Alpha-

„beten."-------- Daß wir diese Lobsprüche unverändert mit­ teilen,

kann man aus dem

142.

Blatte der Hallischen

Zeitung erkennen, wo man ebendasselbe Formular, nur mit

einem etwas veränderten Anfänge, finden wird. nämlich daselbst:

Es heißt

„Es ist bekannt, bei was für Gelegenheit

„diese Art kleiner Schriften jüngst Mode zu werden angefangen

Man versteht Sie, mein Herr Panegyrist!

„hat."

Und da-

mit Sie auch alle und jede verstehen mögen, so wollen wir es nur gerade heraussagen, daß diese Possen, welche

— — — — — — ipse Non sani esse hominis, non sanus juret Orestes, eine Satire auf das Format und die zufällige Einrichtung der

Lessingschen Schriften, allem Ansehen nach, sein sollen. Sie kosten drei Groschen; aber auch drei Groschen giebt man

Was war also zu thun, damit sie

nicht für Possen hin.

gleichwohl bekannt würden?

Ohne Zweifel hat der Verleger

dieser Blätter den besten Einfall gehabt, den man in dieser Absicht nur haben kann.

ist

und

entschlossen

Er hat sie nämlich nachdrucken lassen,

sie für ihreil innerlichen Wert zu ver­

kaufen, das ist, sie umsonst auszugeben.

Sie stehen in den

Vossischen Buchläden hier und in Potsdam den Liebhabern ju Dienste. (8. Oktober 1754.)

sons.

Geschichte Herrn Karl Grandi-

In Briefen entworfen von dem Verfasser der

Pamela und der Clarissa. setzt.

III. Band.

Handlung 1754.

Leipzig

In Oktav.

Aus dem Englischen über­

in der Weidemannischen

1 Alphabet.

16 Bogen.

Man

muß die ersten Teile dieser Geschichte nicht gelesen haben, wenn mail auf die Fortsetzung derselben nicht äußerst begierig ist. Und es wird ohne Zweifel eilt kleiner Strich sein, den man

der deutschen Neugierde spielt, daß sie jetzt mir einen Teil da­ von erhält, anstatt auf zwei gehofft zu haben.

Das Meister-

54

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

stück des Richardson sollte billig allen andern Büchern dieser Art die Leser entziehen; und wir hoffen auch, daß es ge­ schehen werde, wenn anders die in allen ihren Reizungen ge­

schilderte Tugend noch fähig ist, die Menschen für sich einzu­ nehmen.

Kostet in den Vossischeit Bnchläden hier und in Pots­

dam 14 Groschen.

(24. Oktober 1754.)

Das Publikum hatte vor einigen

Wochen die Gütigkeit, ein paar Bogen Makulatlir, unter der

Aufschrift, Possen, in den Vossischen Buchläden abzuholen;

aber doch nicht so häufig, als man wohl wünschen mögen: denn so wohlfeil der Verleger auch diese seilte Auflage geinacht

hatte, so wäre sie ihm doch wenigstens zur Hälfte auf dein Halse geblieben, rocnit er sich nicht kurz und gut eittschlossen hätte, noch in jeden Vutterkeller ein Dutzend Exemplare ztl schicken, um sie deit Lesern mit Gewalt aufztldringen.

Gleich­

wohl hat mait in Leipzig noch eine dritte Auflage veranstaltet,

tiitd was das Soitderbarsle dabei ist, so verspricht man sich

ausdrücklich auf dem Titel

davon,

daß man sie loszu-

werden hoffe, ohne sie gratis auszugeben.

Diese Hoff­

nung kann sich unmöglich auf etwas anders, als auf die dazu gekommenen Vermehrungen grüitden, welche wir notwendig an­

zeigen müffen, damit die Liebhaber selbst urteilen können, ob

sie ivichtig genug sind, nm dasjenige noch einmal für 3 Gro­ schen zu kaufen, was sie bereits umsonst bekommen haben.

Die erste Vermehrung also ist ein sauberes Stöckchen, welches

das Titelblatt zieret.

Es stellet einen Satyr vor, der mit

einer Keule uni) einem Schwerte bewaffnet ist, unb neben sich,

man kann nicht eigentlich erkennen, ob einen Hund, oder eilte

Katze, oder gar einen Bär stehen hat. vorstelle, wollen wir gleich sagen.

Wen dieses Bildchen

Der Verfaffer der Possen,

oder kürzer der Poffenreißer, wollte sich anfangs gar nicht nennen, ohne Zweifel, weil er ganz in der Stille den Beifall

der Welt abzuwarten gedachte.

Nunmehr aber, da er sieht.

55

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

daß dieser Beifall so außerordentlich gewesen ist, so ist sein Ehrgeiz auf einmal aufgewacht.

borgnen

hervorzutreten,

und

Er fängt an aus dem Ver­ schickt deswegen

feilt Bildnis

voraus, ehe er uns durch seinen Namen überraschen will.

Erst

war er ein Anonymus; jetzt ist er ein Pseudonymus, denn über das

gedachte

hat er

Stöckchen

den

Namen

Toelpel

schneiden lassen, von welchem er aber leicht hätte voraussehen

können, daß er ihn gar zu deutlich verraten würde.

Die

zweite Vertnehrung bestehet in einer Erklärung hinter der Titel­

seite, und welche dieses Inhalts ist, daß der Verfasser mit seinen Possen nicht nur einen Narren, d. i. nicht sich nur selbst, sondern noch hundert Narren zugleich, d. i. alle seine

Bewunderer, wenn deren anders hundert sein können, habe

lächerlich machen wollen.-------- Weiter finden wir nichts ver­

ändert noch hinzugesetzt, welches sich auch nicht wohl würde haben thun lasten, weil diese sogenannte dritte Auslage bloß

aus einem umgedruckten Titelbogen entstanden ist.

Sollte man

nun also durchaus nicht 3 Groschen dafür bezahlen wollen, so könnte doch wohl noch dazu Rat werden, daß man auch eine

vierte Auflage «ach dieser dritten, für eben den Preis, als die

zweite, machte.

Allein diejenigen, welche ein Exemplar davon

verlangten, würden die Gütigkeit haben müssen, vorher darauf zu subskribieren, damit man ganz gewiß sein könnte, daß sie

es auch hernach umsonst nehmen würden.

Wer sich mit zwei

Exemplaren belästigen will, soll das zuvorbeschriebene Bildnis

des Verfassers, nach vergrößertem Maßstabe gleichfalls in Holz geschnitten, obenein bekommen.

Es wird mit dem wahren

Namen desselben prangen, welchen wir eben jetzt erfahren haben. Ein sehr berühmter Name;

wahrhaftig!

Und der noch be­

rühmter werden soll! (9. November 1754.)

llagout ä la mode oder des

Neologischen Wörterbuchs erste Zugabe von mir selbst 1755. In Oktav 1 */« Bogen.

Wenn das Neologische Wörter-

56

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

buch, oder, es bei beut abgeschmacktem Titel zu nennen, wenn die Ästhetik in einer Nuß nur den geringsten Schaden ange­

richtet oder auch nur Leser geftiuden hätte,

so würden wir

nicht ermangeln, dieses Ragout als ein vortreffliches Gegen­ gift anzupreisen.

Da sie aber in einem Augenblicke erschien

und vergeffen ward, so befürchten wir fast, daß ein gleiches Schicksal auch ihre Zugabe, unschuldigerweise, treffen werde.

Unterdessen ist es doch recht gut, daß man den Narren nach ihrer Starrheit antworte, und ihnen keine Gegenrede schuldig bleibe, damit sie es auch selbst erfahren, daß sie Narren sind.

Das Ragvllt bestehet anS einer Unterredung zwischen einem

Schüler unb seinem Lehrmeister.

Man hat diese katechetische

Methode ohne Zweifel wegen der Deutlichkeit gewählt, um es fein einem jeden begreiflich zn machen, daß nicht allein der

Verfaffer des Wörterbuchs ein seichter Kopf und förmlicher Pasquillant sei, sondern auch, daß der Herr Professor Gott­

sched mit mehrerm Rechte als Bodmer und Klop stock unter die neologischen Schriftsteller gehöre; es müßte ihm denn etwa

dieses zur Eutschuldiglmg dienen, daß er bloß aus kriechender Armut, und gar nicht aus Begierde etwas Kühnes und Uner­

wartetes zu sagen, ueologisiere.

Die Beweise hiervon kann

man in der Zugabe selbst nachsehen.

Wir wollen uns nicht

länger dabei aufhalten, sondern dem Leser nur noch eine Sinn­

schrift mitteile», die der Träumer eines gewissen Traumes als das von uns verlangte Recepisse ansehen kann.

Man wird

sich der vortrefflichen vier Zeilen des Herrn von Hallers er­

innern :

Kurzsichtiger! Du siehst die Mach' deinen Den nicht zu

dein Gram hat dein Gesicht vergället, Dinge schwarz, gebrochen und verstellet: Raupenstand und deinen Tropfen Zeit, deinem Zweck, die nicht zur Ewigkeit.

Weil diese Zeilen den poetischen Maulwürfen von jeher ein

mächtiger Anstoß gewesen sind, so machen wir uns ein Ver­ gnügen daraus, ihnen eine Parodie daraus mitzuteilen, die

57

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

wir von guter Hand bekommen Ijaben.

Sie ist an den Ver­

fasser des Wörterbuchs gerichtet, und lautet also: Kurzsichtiger! der 9ieib hat dein Besicht vergället. Du siehest Hallern schwarz, gebrochen und verstellet: Mach' deinen matten Witz, dein wenig Wissen, Flegel, Dies nicht zur Deutlichkeit, den nicht zur Schreibartregel.

Wenn er, oder diejenigen Herren Gottschedianer, die an dem das Flegel zu hart finden sollten,

Wörterbuche teilhaben,

so möge« sie überlegen, daß man des Reimes wegen vielmal etwas sagen muß, was man außer dem Reime nicht gesagt

hätte.

Doch man hat es nicht einmal nötig, ihnen diese Eut-

schtildigling zu machen, weil sie weit größere Grobheiten wider andre Leute, als sie sind, ausgestoßen haben.--------- Das

Ragout kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Pots­ dam 2 Groschen.

Gedicht, dem Gedächtnisse des

(9. Januar 1755.)

Herrn von Hagedorn gewidmet.

Schröders Erben.

Braunschweig, bei

In Quart 2'/r Bogen.

Man wird es

bereits aus andern öffentlichen Blättern wisien, daß der Herr Zachariä der Verfasser dieses Gedichts ist.

Wir wiederholen

seinen Namen hier um desto lieber, weil er uns der formellen Lobsprüche überhebt, die das Publiklim in Ansehung der vor­ züglichen Geschicklichkeit würden.

dieses

Dichters

nichts Neues lehren

in seinen scherzhaften Epopöen, als

Hat man ihn

in seiner Sphäre bewundert, so wird man Hut auch hier nicht

außer derselben finden; so wenig auch die Gabe scherzhafter Einfälle und die Gabe

zärtlicher

gemein zu haben scheinen.

Empfindungen miteinander

Auch in das Lob desjenigen un­

sterblichen Dichters wollen wir lins nicht einlassen, deffen Tod

Herr Zachariä, und mit ihm Germanien, beweinet.

Er war

zugleich der rechtschaffenste und großmütigste Mann, und we­ nigstens hiervon einen kleinen Beweis einzurücken, können wir uns

58

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

unmöglich enthalten.

Auf der 15. Seite läßt Herr Zachariä

die Dichtkunst sagen: Ihr sahet ihn so oft, in dem geheimern Leben, Verdiensten ihren Rang, sein Lob der Tugend geben;

Ihr saht ihn immer groß, und freundschaftlich und frei. Der wahren Weisheit Freund und Feind der Heuchelei. Mich dünkt, ich höre noch die edle Menschenliebe, Die sanft, voll Wohlthun spricht; die jeder Großmut Triebe Für dich, o Fuchs, erregt; und aus der Dürftigkeit Mit britt'schem Edelmut verkannten Witz befteit. Zu diesen letzten Zeilen macht der Verfasser folgende Anmer­

kung: „Herr Gottlieb Fuchs, der seit einigen Jahren Pre„diger in Sachsen ist, und sich unter dem Namen des Bauern-

„sohnes durch verschiedene glückliche Gedichte bekannt gemacht „hat,

kam

ohne

Geld

und

nach

Gönner

Leipzig,

seine

„Studien daselbst fortzusetzen. Er fiel allda einem unserer „größten

Dunse

in die Hände,

der

durch

seine markt-

„schreierische Art, mit seinen Verdiensten um Deutschland zu „prahlen, und durch die kleinen niedrigen Mittel jemanden zu „seiner Partei zu ziehen, genug bezeichnet ist.

Dieser Btann,

„der wohl eher versucht hatte, mit einem alten Rocke Leute

„zu bestechen, für ihn zu schreiben, dieser Mann war klein „genug,

Herr

Fuchsen

monatlich

eine

solche Kleinigkeit zu

„geben, die man sich schämt hier auszudrücken, und die er „kaum dem geringsten Bettler

hätte

geben können.

Sobald

„er indessen erfuhr, daß Herr Fuchs in die Bekanntschaft mit „einigen andern rechtschaffenen Leuten gekommen war, die er „nicht zu seiner Partei zählen konnte, so war er noch nieder-

„trächtiger, und nahm Herr Fuchsen

„ihm bisher gegeben.

die Kleinigkeit, die er

Herr Fuchs wurde sogleich von den-

„jenigen mehr als schadlos gehalten, durch die er um dieses „erniedrigende Almosen gekommen war. „Hagedorn,

dem diese

Der selige Herr von

Geschichte bekannt wurde,

brachte

„durch seine edelmütige Vorsprache bei vielen Standespersonen,

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

59

„Hamburgern, einigen Engelländern, und besonders bei dein Col„legio Carolino zu Braunschweig eine so ansehnliche Summe

„zusammen, daß Herr Fuchs kiinstig vor dem Mangel gesichert,

„seine»! Studien auf eine anständige Art obliegen konnte."-------Denjenigen Fremdlingen in dem Reiche des Witzes, welche

vielleicht fragen sollten: wer ist der große Duns? wollen wir nächstens diese Frage beantworten.--------- Kostet in den Vossi-

schen Buchläden hier und in Potsdam 3 Groschen. (11. Januar 1755.)

Antwort auf die Frage: wer ist

der große Duns?

Der Mann in-------- , welchen Gott Nicht schuf zum Dichter und Kunstrichter, Der, dümmer als ein Hottentot, Sagt, er und ©*** wären Dichter; Der Philipp Zesen unsrer Zeit; Der Büttel der Sprachreinigkeit In Ober- und in Niedersachsen, Der alle Worte Lands verweist. Die nicht auf deutschem Boden wachsen; Der große Mann, der stark von Leib Ein kleines artigs freundlichs Weib Kalt, wie er denkt und schreibt, umarmt, Das aber seiner sich erbarmt, Und gleicher Meinung ist und bleibt. Und wider ihn nicht denkt, nicht schreibt, Weil es den Zank der Ehe scheut. Und lieber aus Gefälligkeit Sich an des Manns Gedanken bindet; Der Mann, der unter uns Viel große Geister findet, Der ist der große Duns!

(21. Januar 1755.) Lyrische und andere Gedichte. Neue und

um

die

Hälfte vermehrte Auflage.

allergnädigsten Freiheiten.

Mit

Ansbach, zu finde» bei

60

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Jakob Christoph Posch 1755.

In Oktav 12 Bogen.

Die

erste Ausgabe dieser Gedichte ist bereits vor fünf Jahren er­

schienen, und von Kennern wohl ausgenommen worden.

Man

erkannte ihren Verfasser, welches der Herr Negierungssekretär

Uz in Ansbach

ist,

sogleich für einen wahren Schüler des

Horaz, der von dem Feuer feines Musters beseelt werde, und etwas mehr gelernt habe, als ihm hier eine Gedanke und da

eine Wendung, nicht sowohl abzuborgen, als abzustehlen.

Die

Vermehnmgen, welche er jetzo hinzugethan, sind so beträchtlich, daß er die Oden in vier Bücher hat abteilen können.

ersten zwei enthalten die bereits gedruckten

Stücke;

Die

aber so,

wie sie sich der verbessernden Hand eines Verfassers, der aller

Welt eher, als sich ein Genüge thun kann, entreißen dürfen. Er hat überall verändert und auch saft überall glücklich ver­ ändert.

Wir sagen fast, unb hoffen, daß er es denjenigen

nicht übel ausdeuten wird, die fick, vielleicht aus einer Art von Prädilektion hier und da seiner erstem Gedanken gegen die letztem annehmen.

Unter den neuen Oden, welche das

dritte und vierte Buch ausmachen, wird man verschiedne von

dem erhabensten Inhalte finden, und einen philosophischen Kopf wird die, welche er Theodicee überschrieben hat, nichts anders

als entzücken können.

Sie sind überhaupt alle vortrefflich, ob­

gleich nicht alle von einerlei Fluge.

Und auch dieses hat er

mit dem Horaz gemein, welcher sich oft in die niedre Sphäre

des Scherzes und angenehmer Empfindungen herab läßt, und and) da die geringsten Gegenstände zu veredeln weiß. 9iur an den schmutzigen Bildern hat unser deutscher Horaz eine gleiche Kunst

zu zeigen, verweigert.

Die Anständigkeit ist das strenge Ge­

setz, welches seine Muse auch in den Entzückungen des Weines

und der Liebe nie verletzet.--------- Die übrigen Vermehrungen bestehen in dem Sieg des Liebesgottes, welches scherzhafte

Heldengedichte man auch bereits kennet, und in einigen poe­ tischen prosaischen Briefen, welche teils freundschaftlichen, teils

kritischen Inhalts sind.

Ter vierte ist besonders merkwürdig.

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Kostet

in

den

Vossischen

61

Blichlädeii hier lind in Potsdam

16 Groschen. (22. Februar 1755.)

Versuche

in

tragischen

der

Dichtkunst, bestehend in vier Trauerspielen, nämlich

Zayde, Mariamne, Thnsnelde und Zarine.

verl.

Karl

16 Bogen.

Gottfried

Meyer

Wenn wir sagen,

daß

1754.

Breslan

In groß Oktav.

der Herr

von

Baron

Schönaich, der Skribent des Hermaims, Verfasser von diesen Versuchen ist, so werden wir hoffentlich auf einmal das voll­

ständigste Urteil davon gefällt haben, das man davon fällen kann.

Es folgt nicht notwendig, daß ein guter Heldendichter

auch ein guter tragischer Dichter sein müffe; aber das folgt

notwendig, daß der, welcher schlechte Epopöen schreibt, auch nicht anders als schlechte Trauerspiele schreiben werde.

Der

Herr Baron hat es der Welt schon gewiesen, daß er so ziem­ lich die mechanischen Regeln alle beobachten, und, trotz dieser Beobachtung,

dennoch Gedichte,

die nichts taugen,

machen

könne; und wir sind viel zu billig, als daß wir ihm dieses

Lob nicht auch hier erteilen sollten.

Wir erinnern uns seiner

und seines Lehrmeisters allzeit mit Dankbarkeit, so ost wir

die Anmerkung eines französischen Kunstrichters, daß etwas ganz anders die Kunst, und etwas gary anders das Raffine­

Den

ment der Kunst sei, mit Beispielen bestärken wollen.

Mangel dieses Raffinements könnte man dem Herrn Baroil

ganz gern vergeben; allein er hat noch einen andern Fehler,

den ihm gesittete Leser unmöglich verzeihen können, und von dem wir gar nicht einsehen, wie er dazu gekommen ist.

Er

ist ein Kavalier, dem es an Kenntnis der großen Welt und der feinern Sprache, die darin üblich ist, nicht fehlen sollte:

wie kömmt es aber gleichwohl, daß er seine tragischen Per­ sonen so kriechend, so pöbelhaft, so ekel sprechen läßt?

Seine

Prinzessinnen, z. E., haben Liebsten (S. 3), sind verliebt (S. 13), sind brünstig (S. 11), sind geil (S. 59).

Seine

62

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Helden

schimpfen

(S. 43).

einander Hunde (S.

10) und

Buben

Wenn sie überlegen, so kommt ihnen was ein,

(S. 12), und wenn sie sagen sollen, ich meinte, oder ich glaubte, so sagen sie ich dachte (S. 3).

Einer spricht zu dem andern

du leugst (S. 14) und erbost sich

ergrimmen sollte.

(S. 105),

wenn

er

Ein Gemahl hat eine Frau (S. 42), und

wohl noch dazu eine schwangre Frau (S. 126), und eine Gemahlin hat einen Mairn (S. 66).

Die Feldherrn geben

Schlappen

Die Diener sind ge­

Feinde

dem

(S.

112).

schwind wie der Wind (S. 58).

Königinnen mein Licht

Die Könige heißen die

(S. 81), mein Leben (S. 82).

Wer etwas zeigen will, ruft Schau! und wer sich verwundern

will, schreit Ei! 2c. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 8 Groschen.

1755.)

(3. Mai

G. Ephr. Lessings

fünfter und sechster Teil.

1755.

Schriften,

Berlin bei Chr. Fr. Voß

1 Alphabet 2 Bogen. Der Verfasser hat

In Duodez.

diese Teile ohne Vorrede in die Welt geschickt.

Es wird da­

her feilt Wunder sein, wenn wir in der Geschwindigkeit nicht viel mehr davon werden sagen können, als er selbst hat sagen wollen.

enthalten beide Schauspiele;

Sie

und

zwar jeder

Teil ein großes Stück in fünf Aufzügen, und ein kleines in einem Aufzuge.

Das große Stück im fünften Teile heißt der

Freigeist. Diesen Charakter auf die Bühne zu bringen, kann

so leicht nicht gewesen sein, und es wirb auf das Urteil der

Kenner ankommen, ob die Schwierigkeiten glücklich genug über­ wunden worden.

Wer nicht zu lachen genug darin findet,

mag sich an dem darauf folgenden Nachspiele der Schatz er­

holen.

Wir

wollen

nicht

entdecken, was

es

für eine Be­

wandtnis mit diesem Schatze habe, damit gewisse Kunstrichter

desto zuversichtlicher sagen kömten, das Komische desselben falle nicht selten in das Possenhafte. einem

bürgerlichen Trauerspiele

Der sechste Teil fängt mit

an,

welches

Miß

Sara

63

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Sampson heißt. — Ein bürgerlichem Trauerspiel! Mein Gott! Findet man in Gottscheds kritischer Dichtkunst ein Wort von so einem Dinge? Dieser berühmte Lehrer hat nun länger als

lieben Deutschland die drei Einheiten

zwanzig Jahr seinem

vorgeprediget, und dennoch wagt man es auch hier, die Einheit

des Orts recht mit Willen zu übertreten.

Was soll daraus

werden? — Das kleine Stück, welches den sechsten Teil be­ schließt, heißt der Misogyn. Der Verfasser hätte wohl können

sagen der Weiberfeind.

Denn

ist

es

nicht

abgeschmackt

seinen Sohn Theophilus zu nennen, wenn man ihn Gott­

lieb nennen samt? Kostet in den Vossischen Buchläden hier

und in Potsdam 16 Groschen. (17. Mai 1755.)

Das Leben des Herrn von Haller,

von D. Johann Georg Zimmermann, Stadtphysikus in Brugg. Zürich bei Heidegger und Kompagnie 1755. In Oktav.

1 Alphabet 7 Bogen.

Der Herr von Haller

gehört unter die glücklichen Gelehrten, welche schon bei ihrem

Lebeit eines ausgebreitetem Ruhms genießen, als nur wenige erst nach ihrem Tode teilhaft werden.

Dieses Vorzugs hat

er sich unwidersprechlich durch überwiegende Verdienste würdig gemacht, die ihn auch noch bei der spätesten Nachwelt ebenso groß

erhalteit

werden,

als

er jetzt in unparteiischen Augen

scheinen tnuß. Sein Leben beschreiben heißt nicht, einen bloßen

Dichter,

oder

einen

bloßen Zergliedrer,

oder einen bloßeit

Kräuterktmdigen, sondern einen Mann zum Muster attfstellen,

— — — — — wliose mind Contains a world, and seems for all things fram’d. Man ist daher dem Herrn D. Zimmermann alle Erkenntlichkeit

schuldig, daß er uns die nähere Nachrichten nicht vorenthalten wollen,

die er,

als ein vertrattter Schüler des Herrn von

Haller, am zuverlässigsten von ihm haben konnte.

Alle die,

welche überzeugt sind, daß die Ehre des deutschen Namens

am weiften ans der Ehre der deutschen Geister beruhe, werden

64

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

ihn mit Vergnügen

lesen, und nur diejenigen werden eine

höhnische Miene machen, welchen alle Ehrenbezeiglingen inv nütz verschwendet zu sein scheinen, die ihnen nicht widerfahren. Ein Auszug aus dieser Lebensbeschreibung würde uns leichter

fallen, als er dem Leser vielleicht in der Kürze, welche wir dabei beobachten müßten, angenehm sein wiirde.

Der Herr

D. Zimmermann ist keiner von den trocknen Biographen,

die ihr Augenmerk auf nichts HöherS

als auf kleine chrono­

logische Ulnstände richten, lind uns einen Gelehrten genugsam bekannt zu machen glauben, wenn sie die Jahre seiner Geburt, seiner Beförderungen, seiner ehelichen Verbinduilgen und der­

gleichen angeben.

Er folgt seinem Helden ilicht

nur

durch

alle die merkwürdigsten Veränderungen seines Lebens, sondern auch durch alle die Wissenschaften, iit denen er sich gezeigt,

und durch alle die Anstalten, die er zur Aufnahme derselben an mehr als einem Orte gemacht hat.

Dabei erhebt er sich

zwar über den Ton eines kalten Geschichtschreibers; allein von

der Hitze eines schwärmerischen Panegyristen bleibt er doch noch weit genug entfernt, als daß man bei seiner Erzählung freund­

schaftliche Verblendungen besorgen dürste.

Kostet in den Vossi-

schen Buchläden hier und in Potsdam auf Druckpapier 16 Gro­ schen und auf Schreibpapier einen Neichsthaler.

(29. Mai 1755.) in Görlitz.

Edward Grandisons Geschichte

Berlin bei Chr. Friedrich Voß 1755.

Oktav. 8 Bogen.

In

Wir wollen es nur gleich sagen, daß diese

Schrift etwas ganz anders enthält, als der Titel zu versprechen

scheinet. lassen,

Der Name Grandison wird an eine Geschichte denken

in welcher die Kunst ihre größte Stärke angewandt

Herz auf allen

Seiten zu rühren, um

es durch diese Rührungen zu bessern.

Wenn nun der Leser

hat, das menschliche

so etwas erwartet, wider Vermuten aber eine kleine Geschichte des Geschmacks unter den Deutschen findet, so wird er sich zwar anfangs getäuscht glauben, allein am Ende wird er diese

65

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Täuschung doch ganz gerne zufrieden sein.

Wir haben dieses

zu vermuten, um so viel mehr Grund, je lebhafter wir über-

zerigt sind, daß die jetzt herrschenden Streitigkeiten

in

dem

Reiche des deutschen Witzes nirgends so kurz, so deutlich, so bescheiden, als in diesen wenigen Bogen, vorgetragen wordeil.

Die Verfasser sind dabei in ihrer Unparteilichkeit so weit ge­

gangen, daß sie einem Gottsched und einem Schönaich weit beilegen, weit mehr

Einsicht

mehr

Gründe

in den Mund

geben, als sie jemals gezeigt haben, und sie ihre schlechte Sache

weit besser verteidigen lasien, als es von ihnen selbst zu er­

Ein wie viel leichters Spiel würden sie ihren

warten steht.

Widerlegungen und ihrer Satire inachen können, wenn sie die

Einfalt des einen in allem ihren diktatorischen Stolze, und die Possenreißerei des andern in aller ihrer wendischen Grobheit aufgeführet hätten.

Doch sie wollten ihre Leser mehr über­

zeugen, als betäuben; und der Beitritt eines einzigen, den sie durch Gründe erzwingen, wird ihnen angenehmer sein, als das

jauchzende

Geschrei

ganzer Klaffen, wo

Knaben aus Furcht der Rute

bekennen

es gutherzige

müssen, daß Gott­

sched ein großer Mann und Schönaich ein deutscher Virgil

sei. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam

3 Groschen. (21.

Junius

1755.)

Vermischte

Schriften von

Abraham Gotthelf Kästner. Altenburg in der Richteri­

schen Buchhandlung 1755.

In Oktav.

18 Bogen.

Selten

werden sich der Gelehrte und der Philosoph, noch seltner der Philosoph und der Meßkünstler, am allerseltensten der Meß­

künstler lind finden.

der

schöne Geist

in

einer Person beisammen

Alle vier Titel aber ju vereinen, kömmt nur dem

wahrhafteu Genie zu, das sich für die menschliche Erkenntnis

überhaupt, und nicht bloß für einzle Teile derselben, geschaffen zu

sein fühlet.

Der Herr Professor Kästner — Doch die

formellen Lobsprüche sind ekelhaft, und ohne Zweifel haben Lessing, Werke. V. 5

66

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

die meiste» unsrer Leser schon längst von selbst die Anmerkung

gemacht, daß sich auch noch mehrere, als ihrer vier, in die Verdienste dieses Mannes ganz reichlich teilen könnten. Gegen­ wärtige vermischte

Schriften

allein könnten auch dem besten

unsrer witzigen Köpfe einen Namen machen, desien er sich nicht

zu schämen hätte, und den er, mehr erschlichen als verdient zu haben, sich nicht vorwerfen dürste.

davon

Mehr wollen wir nicht

sagen, sondern nur noch überhaupt melden, daß sie

aus prosaischen Abhandlungen, aus Lehrgedichten, aus Oden,

aus Elegien, aus Fabeln, aus Sinngedichten, aus Parodien, aus lateinischen Gedichten, und aus Briefen bestehen. man sie

lesen wird, daß man sie, auch

häufig lesen wird, ist gewiß.

Daß

ohne Anpreisung,

Die wenigen Sinngedichte also,

die wir daraus hersetzen wollen, sollen mehr zu unserm eignen

Vergnügen, als zu einer unnötigen Probe, angeführt sein.

Charakter des Herrn de la Mettrie nach dem Entwürfe

des Herrn von Maupertuis. Ein gutes Herz, verwirrte Phantasie,

Das heißt auf Deutsch: ein Narr war la Mettrie. An einen Freimäurer. Der Brüderschaft Geheimnis zu ergründen. Plagt dich, Neran, mein kühner Vorwitz nicht; Von einem nur wünscht' ich mir Unterricht: Was ist an dir Ehrwürdiges zu finden? Das Totenopfer an

den

Herrn Baron von Kroneck

nach Neapolis. Mein Kroneck, Maros Geist schwebt noch um seine Gruft, Wenn du dort Lorbeer» brichst, so hör' auch, was er ruft: Zu Ehren hat mir sonst ein Martial gelodert. Von dir, o Teutscher, wird ein Schönaich jetzt gefedert. Eines Sachsen Wunsch auf Karl XII. Held, der uns so gepreßt, dein eifriges Bestreben War: spät im eitel» Hauch der letzten Welt zu leben ;

67

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Doch wird mein Wunsch erfüllt (die Rache giebt ihn ein), 3o soll einst dein Homer ein zweiter Schönaich fein.

Wir müssen

erinnern,

das;

in den zwei letzten Sinn­

schristen, anstatt des Namens Schönaich, welches ein gewisser

Poet in der 'Niederlausitz ist, bloß ein leerer Platz gelassen worden, ihn nach Belieben mit einem von den zweisilbigen '.Nanten unserer Heldendichter zu füllen.

auf

genannten Herrn

Baron

von

Unser Belieben fiel

Schönaich,

neuesten Schriften wir nächstens reden wollen.

von dessen

Kostet in den

Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 12 Groschen.

Discours siir l’origiite et les fondements de V inegalite parmi les hont nies, par Jean Jaques llousseau, citoyen de Geulte. A Amsterdam cltez Marc Michel Hey 1755. In Oktav. 1 Alphabet. Dieses ist eine ganz neue (10. Juli 1755.)

Schrift desjenigen Gelehrten, ivelcher Philosoph genug war, den Künsten und Wissenschaften keinen größer» Einfluß aus

die Sitten der Menschen einzuräumen, als sie wirklich haben, und darüber eine Streitigkeit erregte, die sehr lehrreich hätte werden

können,

ivenn

kleine Geister damit

sich

in Frankreich

nicht fast ebenso

abgegeben hätten, als in Deutschland,

n>o ein gewisser Schulmeister seine gutherzige Knaben davon deklamieren ließ.

Man hat es abermals einer Aufgabe der

Akademie von Dijon zu

danken,

daß

uns Herr Rousseau

seine Meinung von dem Ursprung und den Ursachen der Un­ gleichheit unter den Menschen mitteilet; und wir können keinen

kürzern Begriff davon machen, als wenn wir sagen, daß diese

Ausführung

der

erstem,

welche der akademischen Krönung

vollkommen würdig gewesen war, in mehrern und wesentlichern

Stücken, als in der Art des Vortrages, ähnlich geraten sei.

Die jetzt unter den Menschen übliche Ungleichheit scheinet näm­

lich an ihm keinen größern Gönner gefunden zu haben,

als

die Gelehrsamkeit au ihm sand, insofern sie den Menschen

tugendhafter wollte gemacht haben.

Er ist noch überall der

68

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

kühne Weltweise, welcher keine Vorurteile, wenn sie auch noch

so allgemein gebilliget wären, ansiehet, sondern graben Weges auf die Wahrheit zugehet, ohne sich um die Scheinwahrheiten, die er ihr bei jedem Tritte aufopfern muß, zu bekümmern. Sein Herz hat dabei an allen seinen spekulativischen Betrach­ tungen Anteil genommen, und er spricht folglich aus einem

ganz andern Tone, als ein feiler Sophist zu sprechen pflegt,

welchen Eigennutz oder Prahlerei zum Lehrer gemacht haben.

der

Weisheit

Da diese Eigenschaften alles, was er schreibt,

auch da noch lesenswürdig machen müssen, wenn man seiner

Meinung nicht beitreten kann; so wird es hoffentlich dein deutschen Publiko angenehm sein, wenn wir ihm eine Über­ setzung dieses neuen Rouffeauischen Werks voraus anküudigen.

Es ist ein Mann von Einsicht und Geschmack, welcher sie unter­ nommen hat, und wir sind gewiß, daß er beides bei einer

Arbeit zeigen wird, bei welcher die meisten nur Kenntnis der Sprachen zu zeigen gewohnt sind.

Sie wird in den Vossischen

Buchläden an das Licht treten, wo jetzt die französische Urschrift für 22 Groschen zu haben ist.

(4. September 1755.) Über die Empfindungen. Ber­ lin bei Chr. Fried. Voß 1755.

Ter

Verfasser

In Oktav.

philosophischen Gespräche schuldig sind. mit Beifall ausgenommen worden. daß

man

14 Bogen.

dieser Schrift ist eben der, welchem wir die

diesen

Sie sind durchgängig

Wir wünschten aber sehr,

Beifall mehr auf den Inhalt, als auf die

Art des Vortrags Hütte gründen wollen.

Waren denn ab­

strakte Gedanken in einer schönen Einkleidung eine so gar neue Erscheinung unter uns, daß man bei der Anmut der letzter»

die Gründlichkeit

der erster» übersehen durfte? Wären sie in

den barbarischsten Ausdrücken einer lateinisch scheinenden Sprache

vorgetragen worden, so würde stritten haben.

sie

man sie untersucht und be­

Warum unterblieb beides, da sie deutsch, da

schön abgefaßt waren?

Ist der Deutsche, wenn er ein

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

69

gründlicher Kopf ist, so gar düster und allen Grazien so gar

feind; oder ist der Deutsche, wenn er ein schöner Geist ist, so

gar

seicht,

daß jener nicht will, und dieser nicht kann?

Unglück alsdann für den, der beides zugleich, ein gründlicher

Kopf und schöner Geist, ist!

Er wird sich teilen müssen, um

immer von feinen kompetenten Richtern

gelesen jn werden.

Er wird es, wenn er denken will, vergessen müssen, daß er schön schreiben kann; und wenn er schön schreiben will, ver­

gessen müssen, daß er denken kann.-------- Diese Betrachtung

sollte uns fast bewegen, von der Einkleidung des gegenwärtigen Werks gar nichts zu sagen. Kaum dieses, daß es aus Briefen bestehe, in welchen überall der einmal angenommene Charakter

des Schreibenden behauptet und die ganze Materie so knnstreich verteilet worden, daß man sehr unaufmerksam sein müßte, wenn sich nicht am Ende, ohne das Trockne der Methode em­

pfunden zu haben, ein ganzes System in dem Kopfe zusammen finden sollte.

Ein System der Empfindungen aber wird den­

jenigen gewiß eine sehr angenehme Neuigkeit sein, welchen es

nicht ganz unbekannt ist, wie finster und leer es in diesem Felde der Psychologie, der Bemühungen einiger neuen Schrift­

steller ungeachtet, noch bisher gewesen. Mair hat es ungefähr geivußt, daß alle angenehme und unangenehme Empfindungen aus

dunkeln

Begriffen

entstehen;

aber

warum sie nur aus

diesen entstehen, davon hat man nirgends den Grund angegegeben.

Wolff selbst weiß weiter nichts zu sagen, als dieses:

weil sie keine deutliche Begriffe voraussetzen.

Man hat es

ungefähr gewußt, daß sich alles Vergnügen auf die Vorstellung einer Vollkommenheit gründe; man hat es ungefähr gewußt, daß Vollkommenheit die Übereinstimmung des Mannigfaltigen

sei: allein man hat diese Übereinstimmung mit der Einheit im

Mannigfaltigen verwechselt; man

hat Schönheit und Voll­

kommenheit vermengt, und die Leichtigkeit, womit wir uns

das Mannigfaltige in jenem vorstellen, auch bis auf die sinn­ lichen Lüste ausdehnen wolle».

Alles dieses aber setzt unser

70

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

Verfasser auf das deutlichste auseinander.

Vergnügen,

Er zeigt, daß das

welches aus der Schönheit entspringet,

auf der

Einschränkung unsrer Seelenkräfte beruhe, und also Gott nicht

beigelegt werden könne; daß ihm aber dasjenige, welches aus der Vollkommenheit entstehet, und sich bei uns auf die positive

Kraft unsrer Seele gründet, im höchsten Grade zukomme.

Von

den sinnlichen Lüsten beweiset er, daß sie der Seele eine dunkle Vorstellung von der Vollkommenheit des Körpers gewähren;

und da in der organischen Natur alle Begebenheiten, die mit­ einander verknüpft sind, wechselsweise eine aus der andern entstehen können, so erklärt er daher den Ursprung des an­

genehmen Affekts, und zeiget, wie der Körper durch die sinn­

liche Lust

den Abgang an Vergnügen

ersetze, den er durch

die Verdunklung der Begriffe anrichtet.-------- Alles dieses ist nur ein kleiner Blick in die neue Theorie unsers Verfassers, welcher zugleich bei aller Gelegenheit seine philosophische Ein­

sicht in diejenigen Künste und Wissenschaften zeigt, die unsre angenehme Empfindungen zum Gegenstände haben; in die Dicht­

kunst, in die Malrei, in die Musik, in die musikalische Malrei

des Farbenklaviers, bis sogar in die noch unerfundenen Har­ monien derjenigen Sinne, welchen noch keine besondern Künste

vorgesetzet sind.

Eines aber

müffen wir hauptsächlich

nicht

vergessen; daß nämlich der Verfasser die Lehre vom Selbst­ morde mit eingeflochten, rind diese schwierige Materie auf eine Art abgehandelt habe, worden.

wie sie

gewiß

noch

nie abgehandelt

Er beweiset nicht nur, daß den Gläubigen die Ne-

ligion, und den Ungläubigen sein eignes System der Zernichtung nach dem Tode von dem Selbstmorde abhalten müsse;

sondern beweiset auch, und dieses war ohne Zweifel das Wich­ tigste, daß ihn sogar der Weltweise sich untersagen

müsse,

welcher den Tod nicht als eine Zernichtung, sondern als einen Übergang in eine andere und vielleicht glücklichere Art von Fortdauer betrachtet.

Kostet in den Vossischen Buchlüden hier

und in Potsdam 8 Groschen.

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

71

(14. Oktober 1755.) Ankündigung einer Dunciade Nebst dem verbesserten Hermann.

für die Deutschen.

Sero .sapiunt Phryges. Frankfurt und Leipzig 1755. In

Oktav auf 6'/» Bogen.

Die Welt scheint zu verlangen, daß

die Streitigkeiten im Reiche des Witzes nur immer mit den

Waffen der lachenden Satire geführet würden. aber mehr als einmal geduldet

Wenn sie es

hat, daß man sich auch der

schimpflichen Waffen der Schmähsucht und Possenreißerei da­ bei

bedienen

dürfen;

so

wird

sie es hoffentlich nicht übel

dellten, wenn sie nunmehr einen Patrioten zu scharfem greifen siehet, die

der Ernst

ebenso

weit über

die Satire erhebt,

als die Niederträchtigkeit jene unter die Satire erniedriget hatte.

Und aus diesem Grunde versprechen wir der gegenwärttgen

Ankündigung

einer

Dunciade für die

Deutschen am Ende,

wenn man alle Umstände wird überlegt haben, eine gütigere

Aufnahme, als sie einigen zu sehr nachsehenden Weisen, wegen der durchgehends darin herrschenden Strenge, bei dem ersten Anblicke verdient zu haben scheinen möchte.

Es ist wahr;

„die Erscheinung, wie unser Verfaffer sagt, ist unglaublich, „daß eine ganze Nation, in bereit Schoß die Wissenschaften „und die Freiheit zu denken blühen sollten, die fast von allen

„Seiten mit gesitteten und geistreichen Nationen umgeben ist, „die sich eines Leibniz rühmen kann, — — sich von einem

„kleinen Haufen Idioten ohne Talente, ohne Einsichten, ohne „Geschmack so sehr hat betrügen lassen können, daß sie den

„willkürlichen und verdorbenen Geschmack dieser Leute, die in

„Frankreich

oder England nicht einmal unter den Dunsen

„einigen Rang bekommen hätten, blindlings angenommen und

„zltr Regel geillacht; daß sie diese schwachen und unfähigen „Köpfe für große Geister, und ihre blöden, unförmlichen, und

„vernlinftlosen Werke für ausgemachte Meisterstücke gehalten, „fleißig gelesen, gelobt und nachgeahmet; daß sie diesen Leuten „ein Ansehen, eine Diktatur zugestanden, die ihnen Macht ge-

„geben, eine ganze Reihe von Jahren, dem Sens-commun Hohn

72

Recensionen in der Berlinischen Zeitung.

„zu sprechen, die Jugend zu verführen, und den Geschmack

„an geistlosen unwitzigen und unnützlichen Schriften, die weder „den Verstand

aufklären, noch

das Herz rühren, noch die

„Sitten bilden, fast allgemein zu machen." — —

Es ist

wahr, diese Erscheinung ist unglaublich; aber wie, wenn sie

sich auch niemals ereignet hätte? Wie, wenn es nicht wahr

wäre, daß Gottsched und seine Anhänger jemals in einem so allgemeinen Ansehen gestanden hätteil?

dem großem Teile der Nation, welcher

Wie, wenn man ein

zeitiges

Still­

schweigen beobachtet hat, und sich deswegen öffentlich wider

niemanden erklären wollte, weil er sich noch für niemanden erklären konnte, mit solchen allgemeinen Beschuldigungen un­ recht thäte? bekennen wir

Alles dieses könnte leicht sein; gleichwohl aber ganz

gern,

daß man

auch

auf

der andern

Seite Grund habe, an dem Dasein eines Dinges zu zweifeln, das sich noch durch keine Wirkungen gezeigt hat. Wir wollen also nur wünschen, daß diese Wirkungen nun wenigstens nicht

länger ausbleiben möge«; und wenn wir und in unsern Ver­ mutungen nicht trügen, so werden sie sich vielleicht, über lang

oder kurz, an derjenigen zweiten Klasse äußem, von welcher auf der 12. Seite ziemlich verächtlich gesprochen wird.--------Mehr wollen wir hier von einer Schrift nicht sagen, der es ohnedem an Lesern nicht fehlen wird.

Kostet in den Vossischen

Buchläden hier und in Potsdam Groschen.

Aus der Monatsschrift:

Das Neueste ans dem Reiche des Witzes, als rine Beilage ;n Len Scrlinischen Staats- und gelehrten Zeitungen. Monat April 17 5 1. Dem Neuesten aus dem Reiche

monatliche Blatt gewidmet sein.

ihrer Karte nicht finden.

des Witzes soll dieses

Ein Reich, welches viele auf

Wenigstens diejenigen Gelehrten nicht,

es verdrießt uns, daß wir sie so nennen sollen, welche die Wissenschaften längst in ein Handwerk verwandelt hätten, wenn

nicht ihr Stolz dafür bäte.

Aufs höchste haben sie es in die

äußerste Ecke derselben verwiesen, und unbekannte Länder

darauf geschrieben, weil sie ihnen nicht eher zu Gesichte kom­ men, als wenn sie von einem unglücklichen Sturme dahin ver­

schlagen

werden, und

an ihren felsichten Ufern

schimpflich

Diesen Herren also würden wir sehr unverständlich

scheitern.

sein, wenn wir ihnen von seinem Umfange und seinen Grenzen

vieles vorsagten; die andern aber, für die wir eigentlich schreiben, würden wir durch diese unnötige Einleitung beleidigen. könnten

wir ihr durch

eine Menge

ästhetischer

Zwar

aneinander

Hangender Grillen, fein bunfet, aber doch nach der Diode, ein

zureichendes Ansehen der Gründlichkeit geben, allein was würde es helfen?

Die genaueste Erklärung des Witzes muß einem.

74

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

der keinen hat, ebenso unbegreiflich sein, als einem Blinden

die hinlänglichste Erklämng der Farben ist. Glaubt dieser, daß die verschiedene Brechung verschiedener Sonnenstrahlen ungefähr etwas sei, welches dem Schalle verschiedner Instrumente gleich­

komme, so wird jener gewiß glauben, daß die Fertigkeit die Übereinstimmungen der Dinge gewahr zu werdeit, ein Teil

der Rechenkunst sein müsse.

Ist er furchtsam, so stellt er sich

wohl gar ein Stücke von der Algebra darunter vor.

Genug

roeitn man weiß, daß die schönen Wissenschaften und freien

Künste das Reich des Witzes ausmachen.

Diese sind es, welche der menschlichen Gesellschaft An­ nehmlichkeiten mitteilen, ohne die sie nichts, als die unerträg­ lichste

Sklaverei,

sein

würde.

Sie machen den

Menscheil

empfindlich und entkleiden ihn von der Rauhigkeit, welche ihn:

die weiseste Natur mit Bedacht gab, damit er sich selbst durch ihre

mühsame Ablegung einen Teil seines Vorzuges für unedlere Tiere zu danken haben möge.

Zeugen die ernsthaften Wissenschaften,

welche man im engern Verstände die Gelehrsamkeit nennet, von nichts als von dem Elende und Verderben der Menschen, von

der Mühseligkeit ihres Lebens, diese beweinenswürdigen Stützen

der Gesellschaft, so sind es allein die schönen Wissenschaften, welche durch bezaubernde Reize die ursprüngliche Empfindung

der Freiheit in uns ersticken, und unsre schimpflichen Ketten mit Bftlmenkränzen

umwinden.

Die

Höflichkeit,

das

ein­

nehmende Betragen, der zärtliche Geschmack, alle untrügliche Kennzeichen gesitteter Völker, sind ihre Früchte.

Sie sind die

Erfinderinnen von tausend Bequemlichkeiten, Ergötzungen, und

eingebildeten Notwendigkeiten, durch welche einzig kluge Mo­ narchen ihre Throne unerschüttert zu erhalten wissen. . .. Auch

die Tugend wird durch sie menschlicher, rmd die großen Thaten, welche bei Barbaren fest eingeprägte Vorurteile oder ihre un­ gezähmte Wildheit zum Grunde haben, fließen bei gesitteten

Völkern aus viel reinern Quellen.

Aller dieser prächtigen Lobsprüche ungeachtet wollen wir

75

Das Neueste aus dein Reiche des Witzes.

dem Leser einen Mann bekannt machen, welcher die Wissen­ schaften überhaupt, und besonders die schönen Wissenschaften nebst den freien Künsten auf einer ganz andern Seite be­

trachtet.

Dieses ist der Verfasser derjenigen Rede, welche im

vorigen Jahre bei der Akademie zu Dijon den Preis erhalten hat.

Sie betrifft die vorgelegte Frage, ob die Wiederher­

stellung der Wissenschaften

nnd Künste zur Reini­

gung der Sitten etwas beigetragen habe?

Man wird

schwerlich vorausgesehen haben, daß man denjenigen krönen würde, welcher diese Frage mit Nein beantwortet.

Unterdeffen

ist es geschehen; und Herr Rousseau, welches der Name des

Verfaffers ist, hat so erhabene Gesinnungen mit einer

so

männlichen Beredsamkeit zu verbinden gewußt, daß seine Rede ein Meisterstück sein würde, wenn sie auch von keiner Aka­

Wir teilen einen umständ­

demie dafür wäre erkannt worden.

lichen Auszug derselben um so viel lieber mit, je weniger sie noch bis jetzo in Deutschland bekannt worden ist. Er hat sie in zwei Teile geteilt.

In dem erstem zeiget

er durch unverwerfliche Beispiele der Geschichte, daß die Ver-

derbung der Sitten und der aus ihr fließende Verfall des

Staats allezeit mit dem Aufnehmen der Künste und Wissen­ schaften sei verbunden gewesen.

In dem andern beweiset er

aus den Gegenständen und den Wirkungen der Künste und Wissenschaften selbst, daß sie notwendig diese Folgen nach sich

ziehen müssen. Europa, sagt er, war in die Barbarei der ersten Zeiten

zurückgesallen.

Die Völker dieses jetzt so erleuchteten Weltteils

lebten vor einigen Jahrhunderten in einem Stande, welcher weit elender,

als die Unwiffenheit,

war.

Ich weiß nicht,

welche scientifische Wäscherei, hatte sich den Namen der Wissen­

schaft angemaßt, nnd setzte ihrer Zurückkunft ein beinahe un­ überwindliches Hindernis entgegen.

Es war eine allgemeine

Umkehrung nötig, die Menschen wieder zu ihrem gesunden Ver­

stände zu verhelfen; und endlich kam sie von der Seite, von

76

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

welcher man sie am wenigsten erwartet hatte. Muselmann,

Der dumme

die ewige Geißel der Gelehrsamkeit, war es,

welche sie uns wiederherstellte. Der Umsturz des orienta­ lischen Thrones brachte die Überbleibsel des alten Griechen­

landes nach Italien.

reich

von

Bald drauf bereicherte sich auch Frank­

dieser kostbaren

Auf die freien Künste

Beute.

folgten endlich die Wissenschaften, und die Kunst zu denken

verband sich mit der Kunst zu reden; eine Stufensteigung, welche seltsam scheint, gleichwohl natürlich ist.

Man fing an,

den vornehmsten Vorteil des Umganges mit den Musen zu empfinden; nämlich diesen, daß er die Menschen gesellschaft­

licher macht, indem er ihnen die Begierde einander durch ihres

geineinschaftlichen Beifalls würdige Werke zu flößt . ..

gefallen, ein­

Ihr ward man die Anmut der Gemütsarten, die

Verbindlichkeit dec Sitten, welche den Umgang ungezwungen

und

wünschenswert

Tugenden,

macht,

und

kurz,

den

Schein

aller

ohne eine einzige davon zu haben, schuldig...

Ehe die Kunst unser Betragen gebildet, und die Leidenschaften eine

erborgte Sprache

bäurisch, aber natürlich.

gelehrt

hatte,

waren

unsre

Sitten

Der Unterscheid der Aufführung ver­

riet sogleich den Unterscheid der Gemütsarten.

Die mensch­

liche Natur war deswegen nicht besser; die Leichtigkeit aber,

einander zu erforschen, ersparte den Menschen unzählige Laster. Jetzo, da ein feinerer Geschmack die

Kunst zu gefallen in

Regeln gebracht hat, herrscht in unsern Sitten eine schimpf­

liche und betrügliche Gleichheit.

Immer befiehlt die Höflich­

keit; stets regiert uns die Wohlanständigkeit; ohne Unterlaß folget man den Gebräuchen, und niemals seinen eignen Em­

pfindungen.

Kein Mensch weiß mehr, mit wem er es jit thun

hat. .. Welche Begleitung von Lastern hat diese Ungewißheit

bei sich!

Verdacht, Argwohn, Furcht, Kaltsinnigkeit, Zurück­

haltung, Haß, Verräterei; und alle verstecken sich unter der Larve der Höflichkeit.

Man entheiliget nicht mehr den Namen

des Höchsten durch Schwüre, aber man spricht ihm Hohn durch

77

DaS Neueste auS dein Reiche des Witzes.

lästerliche Meinungen, ohne daß unser Ohr dadurch beleidiget wird.

Man rühmt nicht mehr seine eignen Verdienste, man

verkleinert aber die fremden.

Man beschimpft seinen Feind

nicht gröblich, sondern man verleumdet ihn mit Kunst. Nationalhaß erlöscht,

Der

aber mit der Liebe des Vaterlandes.

An die Stelle der verachteten Unwissenheit ist eine gefährliche Zweifelsucht gekommen.

Man erkennt gewisse Ausschweifungen

für schimpflich, gewisse Laster für entehrend, andre aber zieret

man mit dem Namen der Tugenden.

Man muß sie haben,

oder man «ruß sich wenigstens stellen, als ob man sie habe.. . Auf die Art sind wir gesittete Völker geworden, und größten­

teils haben wir den Wissenschaften und Künsten diese heilsame Veränderung zu danken.... Je stärker sich ihr Licht an unserm Horizonte ausgebreitet, je weiter ist die Tugend von uns ge­

flohen; und eben diese Erscheinung hat man zu allen Zeiten und aii allen Orten bemerkt. . . Ägypten war die Mutter der Weltweisheit und der freien Künste geworden, und bald drauf ward sie ein Raub des Kambyses, der Griechen, der Römer, der Araber, und endlich der Türken ... Als Griechen­

land auf den Ruhm des Witzes und der Gelehrsamkeit am

stolzesten sein konnte, mußte es sich in das macedonische Joch schmiegen . . . Rom, das von Hirten erbaute, und durch Ackers­

leute berühmt gemachte Rom, fing schon zu den Zeiten des Ennius und Terentius an auszuarten.

Nach den Zeiten eines

Ovids, eines Catulls, eines Martials aber ward es, sonst der

Tempel der Tugend, ein Schauplatz der Laster, der Abscheu

aller Völker

und der Raub der Barbaren...

In Asien ist

ein Land, wo man durch die gepriesenen Wissenschaften zu den erhabensten Ämtern des Staats steigen kann. Gleichwohl ist kein Laster zu nennen, welches nicht daselbst herrscht; keine Schandthat, die ihnen nicht geläufig ist.

Alle ihre Weisheit

hat sie von dem Joche des unwissenden Tartars nicht be­

freien können. . .

Die Perser, ein besonders Volk, bei wel­

chem man die Tugend lernte, wie man bei uns die Wissen-

78

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

schasten lernt, die Scythen, die alten Deutschen sind die Be­ weise des Gegenteils.

Alle die lebten ohne Wissenschaften;

öfters Überwinder, niemals überwunden . .. Sparta selbst, im

Schoße Griechenlands, überzeugt uns, wie tugendhaft man sein

könne, ohne gelehrt zu sein; wie fest und blühend ein Staat ohne Künste, ohne Wissenschaften bestehe...

O Fabricius,

was würde deine große Seele gedacht haben, wenn du, 51t

deinem Unglücke, wieder aufgestanden wärest, und die blen­ dende Pracht des durch deinen Arm erretteten Noms, welches

dein Name mehr, als alle seine Eroberungen, berühmt machte,

gesehen hättest.

„Götter! würdest du gesagt haben, wo sind

„die strohern Hütten, worunter ehemals Mäßigkeit und Tugend

„wohnten?

Welche verderbliche Pracht hat mit der römischen

„Einfalt abgewechselt? Was ist das für eine fremde Sprache? „Was sind das für weibische Sitten?

Was bedeuten diese

„Bildsäulen? diese Gemälde? diese Gebäude? Unsinnige! was

„habt ihr gethan? Ihr, ihr Herren der Welt, ihr habt euch

„zu Sklaven nichtiger von euch überwundener Leute gemacht. „Rhetors sind es, die euch beherrschen?

Habt ihr deswegen

„Asien und Griechenland mit eurem Blute befeuchtet, um Bau­

meister, Maler und Bildhauer reich zu machen? „Raub Karthagens

einem Flötenspieler

Wird der

preisgegebeu?

Auf,

„ihr Römer! reißet eure Schauplätze uugesäumt nieder; zer„schmettert diese Marmor; verbrennet diese Bilder; verjaget

„diese Sklaven, welche euch unter dem Joche halten, und „deren unselige Künste ench verderben.

Laßt fremde Hände

„durch eitle Geschicklichkeit berühmt werden; die einzige den

„Römeril anständige Geschicklichkeiten ist die Welt

zu

„winden, uni) die Tugend daselbst herrschen zu lassen.

„Cineas unsern

Rat

für

überAls

eine Versammlung von Königen

„hielt, so ward er weder von eiteler Pomp noch von ausge-

„suchter Zierlichkeit verblendet.

Er hörte nichts daselbst von

„der kindischen Beredsamkeit, nichts von den leeren Künsten „dieser nichtigen Leute.

Was schien denn nun also dem Cineas

79

Daü Neueste aus den» Reiche des Witzes.

„so majestätisch? O ihr Bürger! Ein Anblick rührte ihn, wel-

„chen

euch

nimmermehr

weder eure Reichtümer noch

eure

„Künste verschaffen werden; der schönste Anblick, welcher je-

„mals unter der Sonne gewesen ist; die Versammlung von „zweihundert tugendhaften Männern, welche alle in Nom zu

„befehlen und die Welt zu beherrschen verdienten" . ..

Seht,

fährt der Verfasser fort, so sind allezeit Verschwendung und

ungezähmte Sitten die Strafe der hochnitttigen Bemühungen, uns der glücklichen Unwiffenheit, in welche uns die ewige Weis­ heit versetzt hatte, zu entreißen, gewesen.

Sie hatte uns zu

nichts weniger, als zu eiteln Untersuchungen, bestimmt. einmal.

Sterbliche,

uns versteckt hat;

daß

die Natur

Lernt

alle Wiffenschaften für

so wie eine sorgfältige Mutter aus den

Händen ihres Kindes ein gefährliches Gewehr windet.

Die

Menschen sind verderbt; sie würden noch weit verderbter sein,

wenn sie das Unglück

gehabt

hätten,

gelehrt

geboren zu

werden.

Er kömmt hierauf zu dein zweiten Teile, und zeigt, daß

die Künste und Wissenschaften unsre Laster zur Quelle haben; er zeigt, daß sie uns ohne die Laster und Verschwendung nichts

nutzen ivürden, und daß mit der Bemühung, die einige Wahr­ heit zu erkennen, eine tausendfache Gefahr, in Irrtümer zu

fallen, verbunden sei.

Er beweiset ferner, daß ihre Wirkungen

noch weit verderblicher sind.

lust der Zeit.

Hierunter rechnet er den Ver­

Nichts Gutes thun, sagt er, heißt Böses thun.

Ihr nun, ihr stolzen Weltweisen, die ihr uns die Geheimnisie

des Himmels verraten, und die Wunder der Natur aufgedeckt

habt, antwortet; wenn ihr uns alles das nicht gelehrt hättet,

würden wir weniger zahlreich, weniger wohlregieret, weniger furchtbar, weniger blühend oder mehr verderbt sein?

Doch,

was ist der Verlust der Zeit gegen andre Übel, welche den

Künsten und Wiffenschaften folgen?

schwendung. Staats.

Das größte ist die Ver-

Man behauptet, in dieser bestehe die Blüte des

Ein Paradoxon, welches sich nur zu unsern Zeiten

80

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

hat sönnen denken lassen.

So sind gute Sitten zur Dauer

eines Staats nicht notig? Ist es besser, daß ein Reich glän­ zend und augenblicklich, oder daß es tugendhaft und beständig

ist? Mit Gelde kann man alles haben, mir Sitten und Bürger nicht. Ein neues Übel, welches die Verschwendung nach sich zieht, ist die Verderbung des Geschmacks. . .

Sage uns, be­

rühmter Arouet, wie viel männliche und starke Schönheiten hast

du unsrer falschen Zärtlichkeit aufopfern müssen; und

wie viel Großes hat ihm der

buhlende Geist zu

gefallen,

welcher an Kleinigkeiten so fruchtbar ist, gekostet? . . . Doch verderblichern Übeln weichen kleinere Schaden. Indessen, da sich die Bequemlichkeiten des Lebens vermehren, die Künste

steigen und die Verschwendung überhand nimmt, wird der wahre Mut entkräftet, und die kriegerischen Tugenden ver­ Die Geschichte bestärkt es durchgängig.

schwinden.

hebung des Hauses Medicis

Künste verlöschte von neuem,

Die Er­

und die Wiederherstellung der und vielleicht auf ewig,

den

kriegerischen Ruhm, welchen Italien vor einigen Jahrhunderten wieder erhalten zu haben schien. . .

Nicht allein den martia­

lischen, sondern auch den sittlichen Vollkommenheiten sind die

Wissenschaften

nachteilig.

Man

sieht überall

unermeßliche

Stiftungen, wo die Jugend alles mit großen Unkosten lernt, nur ihre Pflicht nicht. .. Unsre Gärten sind mit Bildsäulen

und unsre Galerien mit Bildern ausgeziert.

sie vor?

Und was stellen

Die Verteidiger des Vaterlands? oder die noch er­

habenem Männer, die es durch ihre Tugenden bereichert haben? Abbildungen aller Ausschweifungen des Herzens und der Ver­

nunft sind es, so wie man sie sorgfältig aus der alten Fabel­ lehre gezogen hat; ohne Zweifel, damit den Kindern, noch

eher, als sie lesen können, Muster von sträflichen Handlungen vor Augen gestellet würden... Die Geschicklichkeiten werden vorgezogen,

und

die

Tugend

wird

verachtet.

Der schone

Kopf erhält Belohnungen, und der ehrliche Mann bleibt im

Dunkeln.

Es giebt hundert Preise für schöne Reden, keinen

81

Tas Neueste aus dem Reiche deS Witzes.

einzigen für schöne Handlungen . . . Wir haben Naturforscher,

Erdmesser, Chymisten, Sternseher, Dichter, Donkünstler, Maler; nur Bürger haben wir nicht. . .

Was enthalten denn die

Schriften der bekanntesten Philosophen? Welches sind denn die

Lehren dieser Freunde der Weisheit?

Wenn man sie hört,

sollte man sie für einen Haufen Marktschreier halten, wovon jeder auf öffentlichem Platze ruft:

allein

werdet

Schriften haben kunst wird

kommt zu mir!

ihr nicht betrogen. . .

Was

unsre Zeiten ausgeheckt.

sie als

Die Buchdrucker­

unwidersprechliche Beweise

derbens auf die Nachwelt

von mir

für ungeheure unsres Ver­

bringen und unsre vielleicht ge­

witzigten Nachkommen werden die Hände gen Himmel strecken

und beten.

„Allmächtiger Gott! der du alle Geister in deiner

„Hand trägst, Befreie uns von den Einsichten und den ver­

derblichen Künsten unsrer Väter; und schenke uns wieder Un„wissenheit, Unschuld und Armut; die einzigen Güter, welche

„unser Glück befördern, und vor dir angenehm sind" .. . Was soll man von denen sagen, welche die Thüren zu dem Heilig­

tum« der Gelehrsamkeit erbrochen, und den Pöbel hereingelaffen haben?

Wie viele sind durch sie zu den Wiffenschaften

verführt worden, welche sich auf Künste, die der Gesellschaft heilsamer sind, würden gelegt haben.

Nur diejenigen sollte

man dazu lassen, welche was Außerordentliches zu leisten im­

stande sind.

Diese aber müßte man auf die mächtigste Art

ermuntern.

Nichts müßte für ihre Hoffnung zu hoch sein.

Große Gelegenheiten machen große Geister...

O Tugend!

schließt er endlich; erhabne Wisienschast einfältiger Seelen, so viel Mühe, so viel Anstalten sind nötig, dich zu kennen?

Sind deine Lehren nicht in unser Herz gegraben? Ist es nicht genug, daß man in sich selbst geht, wenn man deine Gesetze

lernen will, und daß man die Stimme seines Gewissens höret, wenn die Leidenschaften schweigen? Dieses ist die wahre Welt­

weisheit; daran wollen wir uns begnügen lernen.

Ohne die

berühmten Leute, welche sich in der gelehrten Welt unsterbLessing, Werke. V. 6

82

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

lich machen, zu beneiden, wollen wir uns bestreben, zwischen ihnen und uns den rühmlichen Unterscheid zu machen, welchen

man ehedem zwischen zwei großen Völkern bemerkte; das eine

wußte wohl zu reden, das andre wohl zu handeln. Mit solchen Waffen bestürmet Nouffeau die Wiffenschaften und Künste.

Ich weiß nicht, was nmn für eine heimliche

Ehrfurcht für eilten Mann empfindet, welcher der Tugend gegen

alle gebilligte Vorurteile das Wort redet; auch sogar alsdann, wenn er zu weit geht.

Wir könnten Verschiednes einwenden.

Wir könnten sagen, daß die Aufnahme der Wiffenschaften und

der Verfall der Sitten und des Staats zwo Sachen sind,

welche einander begleiten, ohne die Ursache und Wirkung von einander zu sein.

ptmkt.

Alles hat in der Welt seinen gewissen Zeit-

Ein Staat wächst, bis er diesen erreicht hat; und so­

lange er wächst, wachsen auch Künste und Wiffenschaften mit ihm.

Stützt er also, so stürzt er nicht deswegen, weil ihn

diese untergraben, sondern weil nichts auf der Welt eines immerwährenden Wachstums fähig ist, und weil er eben nun­ mehr den Gipfel erreicht hatte, von welchem er mit einer un­

gleich größern Geschwindigkeit wieder abnehmen soll, als er

gestiegen war.

Alle große Gebäude verfallen mit der Zeit,

sie mögen mit Kunst und Zieraten, oder ohne Kunst und Zieraten gebauet sein.

Es ist wahr, das witzige Athen ist

hin, aber hat das tugendhafte Sparta viel länger geblühet? . .

Ferner könnten wir sagen, wenn die kriegerischen Eigenschaften

durch die Gemeinmachung der Wissenschaften verschwinden, so

ist es noch die Frage, ob wir es für ein Glück oder für ein Unglück zu halten haben? Sind wir deswegen auf der Welt, daß wir uns untereinander umbringen sollen?

Und wenn ja

den strengen Sitten die Künste und Wiffenschaften nachteilig sind, so sind sie es nicht durch sich selbst, sondern durch die­

jenigen, welche sie mißbrauchen.

Ist die Malerei deswegen

zu verwerfen, weil sie der und jener Meister zu verführerischen Gegenständen braucht? Ist die Dichtkunst deswegen nicht hoch-

83

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

zuachten, weil einige Dichter ihre Harmonien durch Unkeusch­ heiten entheiligen?

Beide können der Tugend dieuen.

Künste sind das, zu was wir sie machen wollen.

Die

Es liegt

nur an uns, wenn sie uns schädlich sind.

Wie glücklich wäre übrigens Frankreich, wenn es viele dergleichen Prediger hätte.

Welcher Damm wird die Laster,

die bei ihnen zu Artigkeiten werden, aufhalten?

Welches sind

die Meisterstücke, die uns ihr berüchtigter Witz liefert? sind

zu zählen.

untergraben,

Die

Schriften

aber,

Sie

welche die Religion

und unter lockenden Bildern

die schimpflichste

Wollllst in das Herz flößen, sind bei ihnen unzählbar.

Eine

philosophierende Therese wird die Predigerin der Un­ zucht, und ein unseliger Grabstichel hilft der Einbildungskraft derjenigen nach, welche ohne seine Schilderungen das Ärgernis nur halb treffen würde.

Man sagt, daß der Marquis d'A * *

Verfasser dieses eben so unwitzig als ekel geschriebnen Buchs

sei.

Wir zweifeln

aber.

Der Urheber der jüdischen Briefe

hat sich zwar oft genug als einen Feind der Religion erklärt, niemals aber als einen Feind der Tugend.

Therese verrät

allzusehr die Schule eines unsinnigen Demetrius.

Was ist

sie anders als ein Frauenzimmer, welches seine Grundsätze des

glücklichen Lebens in Ausübung bringt?

Was hat der Ver­

fasser mehr gebraucht, sie zu schreiben, als eine Stirne, welche zur Scham zu eisern ist? Der einzige Vorzug, mit dem er in

allen seinen Schriften stolz thut.

Bei dieser Gelegenheit kön­

nen wir den Lesern sagen, daß sich der Marquis d'Argens,

nachdem er Berlin verlaffen hat, bei dem Fürsten von Monaco aufhält. Wer kennt alle die übrigen Schriften, wo das Gift un-

merklicher, aber desto gefährlicher, ist? Wenn man der Wollust ihre größte Würze, das Geheimnisvolle, entzieht, so wird sie

weit weniger

verführen,

als wenn

ein leichter

Witz

einen

dünnen Rebel über sie bläset, durch welchen man nur das

Ganze und nie alle Teile gewahr werden kann.

Von dieser

84

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

Art ist ein kleiner Roman, unter dem Titel: Vergnügen,

die

oder

Das

Venus

der

Liebe

wahre

und

des

Adonis.

Er kömmt aus dem Schoße Frankreichs, ob uns

gleich

Aufschrift Staub in die Augen

die

streuet.

Es ist

eigentlich eine Nachahmung des achten Gesangs des italienischen Gedichts Adonis von dem Marino.

Der Franzose aber

hat dem Inhalte Folgen und Verbindungen gegeben, welche

man vergebens in dem Originale sucht.

von seinen eignen Ideen eingeschaltet.

Er hat auch einige

Die Vergleichtlng hat

uns gelehrt, daß man, diese zu erkennen, nur die Stellen beobachten darf, wo man am meisten rot wird.

Wir können

nicht leugnen, daß Schönheiten barin verschwendet sind, wel­

chen wir einen würdigern Gegenstand wünschen wollten.

Die

Leichtigkeit, die alte Fabellehre glücklich anzuwenden, und ihren Erdichtungen einige neue beizufügen, welche mit den bekannten vollkommen übereinstimmen; die Kunst zu verhüllen, und der

Neugierde nur dann und wann einen Durchblick zu gönnen, verraten keinen Stümper.

Wann wird man anfangen, die

Tugend so reizend zu schildern,

als man jetzo

das Laster

malt? Durch

allen

welch

geschieht

Verhängnis

witzigen Köpfen Frankreichs,

von

es, daß man fast

dieser Seite, einen

schimpflichen Vorwurf zu machen hat ? Welcher von ihnen hat

nicht etwas geschrieben, dessen er sich vor Tugendhaften schämen

Von dem großen Corneille an bis zu einem Piron

muß?

haben alle ihren Witz beschimpft.

Es ist ihnen

gleich, ob

sie die göttlichen Harmonien eines Davids wagen, oder ob sie

Sinnschriften verfertigen, Priapus ekel sein würden. Art

ist

Rousseau;

witzigen Köpfen

ein

die

auch an der

Bildsäule

eines

Einer der bekanntesten von dieser

Mann,

der

vielleicht unter

allen

die meisten Verfolgungen wegen des Miß­

brauchs seiner Muse erlitten hat.

Wir wollen nicht entschei­

den, ob er eben dessen, was man ihm eigentlich zur Last legte,

schuld gewesen ist.

Das wenigstens, was man von ihm nach

85

Das Neueste aus dein Reiche des Witzes.

feinem

Tode gesehen hat, malt uns ihn als einen Mann,

welcher durch seine tugendhafte Aufsührnng int reifern Alter,

tind durch seine großmütige Ertragtuig des Unglücks die Aus­

seiner Jugend aus die rühmlichste Art ausge-

schweifungen löscht hat.

Wir haben im vorigen Jahre seine Briefe erhalten,

welche voller lesenswürdigen Anekdoten sind.

In diesem aber

hat man uns eine Sammlung von noch ungedruckten kleinen Stücken, die teils ihn zum Verfasser haben, teils von andern

verfertigt, von ihm

nebst Der

seinen

Titel

aber

Werken

dieser

erkannt

für wert

Sammlung ist:

Rousseaus in zwei Teilen.

worden

werden,

zu

aufbehalten

sind,

geliefert.

Schreibetafel I.

B.

Der Dichter selbst schenkte

sie einige Zeit vor seinem Tode an beit Herrn L. D., wel­ cher sie nunmehr, die Ausgabe seiner Werke von 1734 voll­

ständig zu machen, der Welt mitteilet.

Sie enthält Oden,

Briefe, Kantaten, Allegorien, Stählungen, zwei theatralische Stücke und eine Menge Sinngedichte.

Man weiß, was Rous­

seau für ein Meister in diesen letztem war.

Er wußte das

Beißende mit dem Scherze so zu verbinden, daß in keinem

der Einfall ohne Satire, oder die Satire ohne Einfall ist.

Wir haben eines zu übersetzen gewagt.

Hier ist es.

Als Zeus Europen lieb gewann, x. ss. Band I., Seite 7.J

Die zwei theatralischen Stücke heißen der Hypochondrist,

oder die

Frau,

wöhnische.

welche nicht redet,

Beide sind in Versen.

und

der Arg­

Das erste besteht aus

fünf Aufzügen, und der Stoff ist aus dem Englischen genom­ men; das letztre nur aus neun Auftritten, und ist nichts, als ein kleiner Entwurf eines vollständigen Stücks, welcher aber

wert ist, daß ihn eine Meisterhand cmszuführen wagte.

Die

übrigen Aufsätze sind fast alle voller Galle wider seine Feinde. Die Nachwelt

wird erstaunen, das;

Männer sich so tödlich

haben hassen können, wovon ihre Hochachtung der eine sowohl, als der andre verdient.

Über ihre kleinen Zänkereien hinweg­

sehend, wird sie einen Voltaire ebensowohl als einen Rousseau

in die Reihe der Dichter setzen, welche die Ehre dieses Jahr­ hunderts gewesen sind. Wird sie es mit den witzigen Köpfen Deutschlands auch so halten? Wird sie einen Gottsched und einen Bodmer, einen Scheyb und einen Klopstock in eine Klasse bringen? Gewiß nicht. Wann es einmal heißen wird des verstorbnen Herrn von Scheyb längst verstorbene Theresiade, so wird man den Messias immer noch ein ewiges Gedichte nennen. Man wartet mit Verlangen ans den Rest, zu welchem man die instehende Messe Hoffnung gemacht hat. Das Präservativ, welches der Herr Professor Gottsched in seinen Gedichten gütigst dagegen hat mitteilen wollen, wird hoffentlich nur bei seinen Schülern anschlagen. Wie erfreut würden wir sein, wenn er einmal die undankbare Dichtkunst verlassen wollte, und der Welt keine Gelegenheit zu geben suchte, ihn ans seiner schwächsten Seite zu betrachten, da er sich auf so vielen andern zeigen kann, welche ihm alle Hochachtung erwerben. Hätte der Herr Pro­ fessor, anstatt den Messias zu tadeln, diejenigen steifen Witz­ linge angefallen, welche sich durch ihre unglücklichen Nach­ ahmungen dieser erhabnen Dichtnngsart lächerlich machen, so würden wir ihm mit Vergnügen beigetreten sein. Es giebt nur allzuviele, welche glauben, ein hinkendes heroisches Silben­ maß, einige lateinische Wortfügungen, die Vermeidung des Reims wären zulänglich, sie aus dem Pöbel der Dichter zu ziehen. Unbekannt mit demjenigen Geiste, welcher die erhitzte Einbildungskraft über diese Kleinigkeiten zu den großen Schön­ heiten der Vorstellung und Empfindung reißt, bemühen sie sich, anstatt erhaben dunkel, anstatt neu verwegen, anstatt rührend romanenhaft zu schreiben. Kann was lächerlicher sein, als wenn hier einer in einem verliebten Liede mit seiner Schönen von Seraphinen spricht, und dort ein andrer in einem Helden­ gedichte von artigen Mädchens, deren Beschreibung kaum dem niedrigern Schäfergedichte gerecht wäre? Gleichwohl finden diese Herrn ihre Bewundrer; und sie haben, große Dichter zu

87

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

heißen, nichts nötig, als mit gewissen witzigen Geistern, welche sich den Ton in allem, was schön ist, anzugeben unterfangen,

in Verbindung zu stehen.

Sie bringen übrigens durch die

ausschweifenden Lobeserhebungen, welche sie dem Messias auf

eine Weise erteilen, die genugsam zn verstehen giebt, daß sie nicht einmal die wahren Schönheiten an demselben empfinden,

dmjenigen, welche dieses große Gedicht noch nicht hinlänglich

kennen, eine Art eines widrigen Vorurteils dagegen bei.

Fol­

gende Sinnschrift mag es beweisen, die wir vor einiger Zeit

von guter Hand erhalten haben.

Ihm singen so viel mäß'ge Dichter, x. [f. Band I, S. 21.].

Die wenigsten von ihnen verstehen das Erhabne, und halten also alles, was sie nicht verstehen, für erhaben.

Was ihnen

einmal außer dem Gesicht ist, ist für sie gleich hoch.

Solche

Richter müssen auch diejenigen suchen, welche ihre erbärmlichen Versuche

dem

Messias an die Seite gesetzt wissen möchten.

Wären sie nicht der Fabel entwachsen, so würden wir ihnen

folgende erzählen. Zur Feldmaus sprach ein Spatz: rc. [f. Band I, S. 167.] Der Reim ist es, gegen welchen diese Herren am unerbitt­ lichsten sind. Sie wollen sich vielleicht rächen, daß er ihnen nie-

mals hat zu Willen sein wollen.

Ein kindisches Geklimper

nennen sie ihn mit einer verächtlichen Miene.

Gleich, als ob

der kitzelnde wiederkommende Schall das einzige wäre, warum man ihn beibehalten solle.

Rechnen sie das Vergnügen, wel­

ches aus der Betrachtung der glücklich überstiegnen Schwierig­ keit entsteht, für nichts?

Ist es kein Verdienst, sich von dem

Reime nicht fortreißen zu lassen, sondern ihm, als ein geschickter

Spieler den unglücklichen Würfen, durch geschickte Wendungen

eine so notwendige Stelle anzuweisen, daß man glauben muß, unmöglich könne ein ander Wort anstatt seiner stehen? Zweifelt

man aber an der Möglichkeit dieser Anwendung, so verrät utctit nichts als seine Schwäche in der Sprache und die Armut an

glücklichen Veränderungen.

Haller, Hagedorn, Gellert, Uz,

88

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

Oesen zeigen gnugsam, wie man über den Reim herrschen,

nnd ihm das vollkommne Ansehen der Natur geben können. Die Schwierigkeit ist mehr sein Lob, als ein Grund ihn ab­ zuschaffen.

Und die von unsern neuern Dichtern, welche ihn

verachten,

was für Freiheit haben sie einem ungebundenen

Geiste verschafft, wenn sie anstatt eines schweren Reimes eine noch weit schwerere Harmonie einführen wollen?

Ein Wahn hat sie berauschet Der nicht die Feffeln flieht, die Feffeln nur vertauschet. Die Ketten von dem Fuß sich an die Hände legt, Und glaubt, er trägt sie nicht, weil sie der Fuß nicht trägt.

Man nennt die Verse seichter Dichter, welche reimen, gereimte Prose, wie aber soll man das Gewäsche gleich seichter Dichter nennen, welche nicht reimen?

Wird man nicht sagen müffen:

Ein schlechter Dichter Spahr? Ein schlechter Dichter? Nein. Denn der muß wenigstens ein guter Reimer sein?

Daß aber ein Heldendichter und eilt dramatischer Poet die Reime wegläßt, ist sehr billig; denn da verursacht der Übel­ klang eines fast immer gleichen Abschnitts einen größern Ver­ druß, als das Vergnügen sein kann, welches jene schön über-

wundenen Hindernisse envecken.

Monat Mai 1751.

Wann ein kühner Geist,

voller Vertrauen

auf eigene

Stärke, in den Tempel des Geschmacks durch einen neuen Ein­

gang dringet, so siild hundert nachahinende Geister hinter ihm her, die sich durch diese Öffnung mit einzustehlen hoffen. Doch

umsonst;

mit

eben

der Stärke, mit welcher

Thor gesprengt, schlägt er es hinter sich zu.

er

das

Sein erstaunt

Gefolge sieht sich ausgeschloffen, und plötzlich verwandelt sich

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes. die Ewigkeit, die

es

sich

träumte,

in

89

ein spöttisches Ge­

lächter. Endlich hat die Welt den ersten Band des Messias

erhalten, worin zu den drei bekannten Gesängen der vierte

Er ist dem Könige von Däne-

und fünfte gekommen sind.

inark in einer Ode zugeschrieben.

Es versteht sich; wenn der

Versasier des Messias eine Ode macht, so wird es in der That

eine Ode sein.

Sie erhebt den König, welcher ein Menschen-

freund ist. . .

„Ihn ersähe Gott mit einweihendem Blicke,

„als er geboren ward, zum Vater des Vaterlandes .. Umsonst

„winkt ihm der schimmernde Ruhm in das eiserne Feld, wo „die Unsterblichkeit viel zu teuer durchs Blut blühender Jüng-

„linge, durch die nächtlichen Thränen der Mutter und Braut „erkauft wird..

Für ihn war der Eroberer zu klein, sobald

„er zu fühlen begann.

Nie weint er bei dessen Bilde, seines-

„gleichen zu sein .. Nach dem Ruhme nur weint er, geliebt

„zu sein vom

glückseligen

Volke,

Gott nachznahmen,

der

„Schöpfer des Glücks vieler Tausend zu werden .. Er ist ein „Christ!.. Er belohnt redliche Thaten, und belohnt sich zuerst.. „Lächelnd schaut er alsdann auf die Muse, welche das Herz „tugendhafter und edler macht. . Er winft dem stummen Ver-

„dienst, das in der Ferne steht." .... Seht da, die zerstreu­

Jeder Satz ist eine Schilderung,

ten Glieder des Dichters!

und jedes Wort ein Bild.

Betrachtet sie stückweise.

Eine

Schönheit wird die andre hervorbringen, und jede bleibt groß

genug, unzählige anfangs unbemerkte in sich zu enthalten, wenn ihr mit der Zergliederung fortfahret.

So wird unter dem

Schnitte des neugierigen Naturforschers jeder Teil des Polypns

ein neuer, unb erwartet nur die wiederholte Trennung, auch aus seineil Teilen vollständige Ganze dem verwuildernden Ange

darzustellen. . . Die Versart, welche der Dichter gewählt hat, ist eine Horazische, voller majestätischen Wohlklangs, und un-

gemein geschickt, die Gedanken so rund zu machen, als möglich.

Die drei

ersten

Zeilen

siild

Asklepiadeisch

und

die

vierte

90

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

ist Glykonisch.

Überall ist der Wert der Silben lind der Ab­

schnitt genau beobachtet worden, welches man um so viel mehr

bewundern muß, je ungewohnter bisher die delltsche Sprache

der römischen Fesseln gewesen ist.

Diese Genauigkeit scheint

unumgänglich, wenn ein bardisches Ohr die kunstreiche Har­

monie eines Flaccus fühlen soll.

Wir wollen die erste Strophe

bezeichnet hersetzen, in Hoffnung, daß mir einigen Lesern damit einen Gefallen erweisen. Welchen I König der Gott I über die Kö1 nige

Mit ein l weihenden Blick | als er gebo I ren ward. Vom O | lympus her sah, | der wird ein Men | schenfreund, Und des | Vaterlands Va I ter sein. Sogar in dem Vorberichte zu der Ode herrscht eine ge­ wisse ungezwtmgne Hoheit, welche an der Spitze eines Gedichts,

wie der Alessias ist,

sehr wohl läßt.

„Der König der

„Dänen, heißt es, hat dem Verfaffer des Messias, der ein „Deutscher ist, diejenige Muse gegeben, die ihm

„endung

seines Gedichts nötig war." . .

zu Voll-

Ein vortreffliches

Zeugnis für unsre Zeiten, welches gewiß auf die Nachwelt kommen wird.

Wir wissen nicht, ob alle Leute so viel Satire

darin sehen, als wir. enthalten.

Wir wollen uns also aller Auslegung

Vielleicht daß wir mehr sehen, als wir sehen soll­

ten. .. Nur eine kleine Anmerkling von der nördlichen Ver­ pflanzung der witzigen Köpfe. . . Doch auch diese wollen wir

unterdrückeir. Der vierte Gesang enthält die Beratschlagung des jüdischen

Synedriums, die Verräterei des Judas, das letzte Abendmahl der Jünger mit Jesu, seinen Gang nach dem Ölberge. . Kaiphas hatte einen Traum vom Satan gehabt; voller Angst

lag er auf dem Lager, und warf sich ungestüm, rind voll Ge­

danken herum. Wie tief in der Feldschlacht Sterbend ein Gottesleugner sich wälzt; der kommende Sieger,

91

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

Und das bäumende Roß, der rauschenden Panzer Getöse, Und das Geschrei, und der Tötenden Wut, und der donnernde Himmel

Stürmt über ihm; er liegt und sinkt mit gespaltenem Haupte Dumm und gedankenlos unter die Toten, und glaubt zu vergehen. Drauf erhebt er sich wieder, und ist noch, und denkt noch, und fluchet. Daß er noch ist, und spritzt mit bleichen sterbenden Händen Blut gen Himmel, Gott flucht er, und wollte ihn gerne noch leugnen. Also betäubt sprang Kaiphas auf, und ließ die Versammlung Aller Priester und Ältsten im Volke schnell zu sich berufen, rc.

Wie vortrefflich ist dieses Gleichnis ausgemalt!

Es ist

eines von denen, welches der Dichter mehr als einmal braucht,

und immer auf einer neuen Seite schildert; so wie Virgil den Löwen .. Es würde eine Beleidigung gegen unsern Leser sein,

wenn wir mehr Stellen ausziehen wollten.

Wir würden zu

glauben scheinen, ein Mensch von Geschmack könne sich mit

abgerissnen Stücken begnügen. Der fünfte Gesang enthält die Leiden Jesu auf dem Öl­ berge.

Die Wahrheit zu gestehen, diese war eine von den

Stellen, wo wir den Dichter erwarteten. nung, er hat sich selbst übertroffen.

Er hat unsre Hoff­

Einen einzigen Ort wollen

wir bemerken, wo er einen Kunstgriff anwendet, den man bei

dein Virgil für eine Unvollkommenheit ansieht..

Gott war

auf Tabor herabgestiegen, mit dem Messias ins Gerichte zll gehen, und die Sünden alle hatten sich vor ihm versammelt.

Aber Gott dachte sich selbst, die Geisterwelt, die ihm getreu blieb; Und den Sünder, das Menschengeschlecht. Da ergrimmt' er, und stand jetzt Hoch auf Tabor und hielt den tief erzitternden Erdkreis, Daß er nicht vor ihm verging. Hier

bricht

er den

Vers

ab;

und

dieser

Ruhepunft läßt

dem Leser Zeit, sich von der Last dieses schwängern Gedankens,

den der Dichter selbst nicht bis an das Ende der Zeile fort­ zuwälzen gewagt hat, zu erholen.

Wann alle die halben Verse

92

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.

bei dem Virgil, welche seine Ausleger Stützen (tibicines) nennen, von gleicher Beschaffenheit wären, wie es einige in der That sind, so würden die Kunstrichter sehr auszulachen sein, die sich die Mühe gegeben haben, sie auf Geratewohl zu

erfüllen.

Unser

Dichter hat sich nunmehr seinem erhabnen Be-

lohner genähert.

Er befindet sich in Kopenhagen, und ohne

Zweifel in derjenigen glücklichen Ruhe, woran die Aufmerksam-

keit der Welt teilnimmt, und welche allezeit die Mutter der

ewigsten Werke gewesen ist.

Ein belohnter Dichter ist zu un­

sern Zeitelr keine geringe Seltenheit.

Diese Seltenheit aber

wird noch weit größer, wenn der Dichter ein Deutscher ist, und wenn

seine Gesänge nichts

als Religion und Tugend

atmen...

Wir haben mit einer Anmerkung angefangen, wovon der Leser vielleicht schon die Anwendung geinacht hat.

Er mag

sie aber gemacht haben, wie er will, so mttffen wir doch ge­ stehen, daß wir nichts damit suchen, als diejenigen abzuschrecken, welche ihre Schultern einem Werke unterziehen, dem sie nicht gewachsen sind.

Hierher gehört der Verfasser eines Gedichts

in drei Gesängen: Jakob und Joseph.

Es ist nichts als

eine ausgedehnte Erzählung dessen, was man von der zweiten Reise der Söhne Jakobs nach Ägypten, bis auf den Zug des ganzen Geschlechts dahin, in der Bibel findet. Die Erfindungs­ kraft hat wenig dabei gearbeitet; obgleich die Geschichte einer epischen Fabel weit ähnlicher hätte können gemacht werden.

Doch vielleicht ist es wider den Sinn des Verfassers selbst,

sein Werk auf dieser Seite betrachten

zu lassen, und er ist

zufrieden

unter

einen

Poeten zu finden.

beträchtlichen

Platz

den

historischen

Diesen kann man ihm nicht versagen.

ist eine Stelle zur Probe.

Hier

Es sind die Worte des Jakobs,

da er seinen Sohn das erstemal wieder umarmet.

93

Das Neueste aus de>» Reiche des Witzes.

Und o, sprach der Erzvater, mit Freuden wollt' ich jetzt sterben. Da ich noch einmal dein Antlitz gesehn, dich noch lebend gesehen! Welche gräßliche Lücke mit eingestürzetem Rande, Wie der gähnende Schlund des Pardels, mit Zähnen umzäunet, Brach in mein Leben ein von jenem mühseligen Tag an, Da du von Dothan nicht wiederkamst, und die Brüder mir sagten, Joseph hätt' ein Raubtier zerfleischt, und den streifichten Rock mir Brachten und fragten: Sieh, Vater, ob's wohl des Josephs Gewand sei; Bis zu dem fröhlichen Tag, da Juda die bessere Nachricht, Kauni geglaubte, nicht glaubliche Nachricht, nach Mamre gebracht hat, Joseph lebt, und Joseph regiert, auch gab ihm Gott

Erben. Alle die Längen von Jahren, die zwischen die Tage getreten. Hielt die Trauer mich fest und löschte den männlichen Mut aus. Wehmut streut' auf das Grau der Haare mir Wolken von Asche.

Aber dies lange Weh ersetzt die vollkommenste Freude, Diese gesegnete Blicke, wohl wert, sie so zu erkaufen. Ein gewisser Kunstrichter hat den Rat gegeben, diejenigen Werke mit lateinischen Buchstaben drucken zu lasten, welche

verdienten, von den Ausländern gelesen zu werden.

Bei dem

Jakob und Joseph hätte man die gotischen Buchstaben also immer noch behalten können.

Mit weit andern Augen muß man die zwei ersten Ge­

sänge des Gedichts, der Sündflut betrachten. Der Ver­ fasser hat nichts Geringes gewagt.

Dem Dichter des Noah

entgegen zu arbeiten, heißt, wie er selbst sagt, nach einem

Ulyssesbogen

greifen,

von nöten sind.

den

zu

spannen

Blut

und

Sehiten

„Doch, fährt er fort, der Verlust selbst in

„diesem Kampfe ist geringer als die Ehre des Unternehmens. „Es ist schon ein vornehmer Ruhm, der andere oder der dritte „nach dem Sieger zu sein.

Hier sind ansehnliche Gewinnste

„auch für die nächsten nach ihm aufgesetzet.

Oft ist es sehr

„schwer, unter zweien, deren jeder seine starke Ansprache an

94

Das Neueste aus dem Reiche des Witzes,

„den Sieg hat, zu entscheiden."

Dieses ist gewiß, und eine

Vergleichung dieser zwei wetteifernden Gedichte wird es am

besten lehren.

Der Raum nötiget uns, sie auf das künftige

Stück zu versparen. .. Wie stolz wird Deutschland sein kön­

nen, wenn alle diese Werke so glücklich zustande kommen, als sie angefangen sind.

Drei Heldendichter zu gleicher Zeit in

Deutschland? Zu viel Gutes, zu viel auf einmal!

znm ersten und zweiten Teile -er „Schriften". 1753. sind die Schriftsteller. Das Publikum giebt ihnen einen 3^ Finger, und sie nehmen die Hand.

Meine Freunde-------- es versteht sich, daß meine Eigen­

liebe mit darunter gehört — — wollen mich bereden, daß einige Bogen von mir den Beifall der Kenner erlangt hätten.

Daß ich es glaube, weil ich meine Rechnung dabei finde, ist natürlich.

Und daß ich mich jetzt der Gefahr aussetze, das­

jenige alphabetweise zu verlieren, was ich bogenweise gewonnen habe, ist zwar auch natürlich, ob es aber eben so gar klug

sei, das ist eine andere Frage.

Wenn der Hund, der in der

Fabel nach dem Schatten schnappt, auch zu meinem Vorbilde wird, so mag ich es haben. Die Bogen, deren ich jetzt gedacht, sind eine Sammlung

kleiner Lieder.

Sie erschienen vor zwei Jahren unter dem

Titel Kleinigkeiten.

Man darf nicht glauben, daß ich sie

eben deswegen so nennte, damit ich der unerbittlichen Kritik mit Höflichkeit den Dolch aus den Händen winden möchte. Ich erklärte schon damals, daß ich der erste sein wolle, das­

jenige mit zu verdammen, was sie verdammt; sie, der zum

Verdruß ich wohl einige mittelmäßige Stücke könnte gemacht haben; der zum Trotze ich aber nie diese mittelmäßige Stücke

für schön erkennen würde.

Ich griff ihr sogar vor, und bat

meine Leser gewiffe Blätter zu überschlagen, die ich damit

96

Vorrede zum ersten und ^weiten Teile der „Schriften".

entschuldigte, daß die Handschrift schon seit drei Jahren nicht mehr in meiner Gewalt gewesen sei.

Ob diese Versicherung unter die Autorstreiche gehörte, wird man jetzt aus dem zweiten Drucke sehen.

Ich habe geändert;

ich habe weggeworfen, und bin so strenge gewesen, als es nur Es ist wahr, ich

immer meine Einsicht hat zulassen wollen.

hätte noch strenger sein können; wenn ich nämlich alles durch­ gestrichen, oder wenigstens alles, ohne mich jemals zu entdecken,

so wie es war, gelaßen hätte: denn das Elende streicht sich selbst durch, und schlechte Verse, die niemand liefet, sind so

gut, als wären sie nicht gemacht worden.

Doch es mag drum

sein; ich bekenne es, daß ich gegen die kleinen Denkmäler meiner Arbeit nicht ganz ohne Zärtlichkeit bin; und daß sich

diese Zärtlichkeit doppelt fühlen läßt, wenn ich sie namenlos ein Raub des erste» des besten werden sehe. Aber überlege ich es auch? Diese Lieder enthalten nichts, als Wein und Liebe, nichts als Freude und Genuß; und ich

wage es, ihnen vor den Augen der ernsthaften Welt meinen

Namen zu geben? Was wird man von mir denken? — — Was man will.

Man nenne sie jugendliche

Aufwallungen

einer leichtsinnigen Moral, oder man nenne sie poetische Nach­

bildungen niemals gefühlter Regungen; man sage, ich habe

meine Ausschweifungen darin verewigen wollen, oder man sage, ich rühme mich darin solcher Ausschweifungen, zu welchen

ich nicht einmal geschickt sei; man gebe ihnen entweder einen

allzuwahren Grund, oder man gebe ihnen gar keinen: alles

wird mir einerlei sein.

Genug, sie sind da, und ich glaube,

daß man sich dieser Art von Gedichten, so wenig als einer

andern, zu schämen hat. Ich weiß, daß auch andre so denken, und wenigstens bin

ich es von einem

gewissen Herrn H * * überzeugt.

Dieser

Herr hat meine Kleinigkeiten mit dem alleraußerordentlichsten Beifalle beehrt, indem er sie für seine Arbeit ausgegeben.

Und

wenn es nicht darauf ankäme, daß entweder er oder ich ein

Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften".

97

Lügner sein müßte, so würde ich mir ein Vergnügen daraus gemacht haben, ihm niemals zu widersprechen: denn die Ehre,

die ihm daraus hätte zufließen können, wäre ohne Zweifel so

klein gewesen, daß sie meinen Neid nicht würde erweckt haben. Dainit ich ihn aber nicht durch diese Erklärung gänzlich zu

schandeir mache, so will ich ihm dasjenige, was er sich wider mein Wissen angemaßt hat, hier vor den Augen der ganzen Welt schenken.

Ich würde dieses am besten in einer Zueig­

nungsschrift haben thun können, und würde es auch wirklich gethan haben, wenn ich von dem Zueignen nicht ein allzuab­ gesagter Feind wäre.

Diese Schenkung, wenn es ihm beliebt,

kann er auch auf alles das übrige erstrecken, und ich will gar nicht böse werden, wenn ich höre, daß auch meine Oden, meine

Fabeln, meine Sinnschriften, und meine Briefe ein andrer gemacht hat.

Doch ich eile von diesem allen meinen Lesern nur einige Worte zu sagen.

Wenn durch das Ausstreichen in den Liedern

keilte Lücken entstanden wären, und wenn ich diese Lücken zu erfüllen nicht meinen gaitzen poetischen Vorrat hätte durch­ laufen müssen, so würde ich vielleicht an eine Sammlung aller

meiner Versuche noch lange nicht gedacht haben; und sie würden noch lange zerstreut und verstümmelt in der Irre und

im

Vergessen geblieben sein.

ein

Doch so geht's;

wenn

Schriftsteller werden soll, so muß sich alles schicken.

man

Die väter­

liche Liebe ward auf einmal bei mir rege, und ich wünschte

Ich weiß nicht, was

meine Geburten beisammen zu sehen.

es für ein Geschicke ist, daß solche Wünsche immer am ersten erfüllt werden; das aber weiß ich, daß wir oft durch die Er­

füllung unsrer Wünsche gestraft werden.

Ob mir es auch so

gehen soll, wird die Aufnahme dieser zwei Teile entscheiden,

von welchen ich dem Publiko ganz im Vertrauen eröffne, daß sie nichts als ein paar verwegne Kundschafter sind.

Der erste enthält dasjenige, was ich in den Meinen Gat­ tungen von Gedichten versucht habe. Lessing, Werke. V.

Der Lieder habe ich schon 7

98

Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften".

gedacht, und die verschiedenen neuen Stücke, welche dazu ge­ kommen sind, haben mich genötiget, sie in zwei Büchern ab­ zuteilen.

Für diese bin ich am wenigsten besorgt, weil sie

größtenteils das Licht schon kennen, und bei diesen! Abdrucke

mehr gewonnen, als verloren haben. Den wenigen Oden, welche darauf folgen, gebe ich nur

mit Zittern diesen Namen.

Sie sind zwar von einem stärkern

Geiste als die Lieder, und haben ernsthaftere Gegenstände;

allein ich kenne die Muster in dieser Art gar zu gut, als daß ich nicht einsehen sollte, wie tief mein Flug unter dem ihrigen ist.

Und wenn zum Unglücke gar etwa nur das Oden sein

sollten,

was ich, der schmalen Zeilen ungeachtet, für Lehr­

gedichte halte, die man anstatt der Paragraphen in Strophen eingeteilet hat; so werde ich vollends Ursache mich zu schämen

habm. Die Fabeln, die ich gemacht habe, sind von verschiedener Art, und ich begreife unter diesem Namen auch die Erzählungen, weil ich finde, daß sie selbst Phädrus mit darunter begriffen

hat.

Andere mögen dem Beispiele des Fontaine folgen, welcher

freilich Ursache hatte, seine Erzählungen von den Fabeln, die

der Unterweisung gewidmet sind, zu unterscheiden.

Die ganze

Sache ist eine Kleinigkeit. In Ansehung der Erfindung, glaube

ich, werden sie größtenteils neu sein, und ich will es andern überlaffen, dasjenige noch besser zu erzählen, was hundert andere schon gut erzählt haben.

Was wird man aber von

dem Ausdrucke sagen? Ich hätte der Art des nur gedachten

französischen Dichters folgen müssen, wenn ich die Mode hätte mitmachen wollen.

Allein ich fand, daß unzählige, weil sie

ihm ohne Geschicklichkeit nachgeahmet haben, so läppisch ge­ worden sind, das; man sie eher für alte Weiber, als für Sitten­

lehrer halten könnte; ich sahe, daß es nur einem Gellert gegeben sei, in seine Fußstapfen glücklich zu treten.

Ich band

mich also lieber an nichts; und schrieb sie so auf, wie es mir

jedesmal am besten gefiel.

Daher kommt es, daß einige niedrig

Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften".

genug sind; andere aber eilt wenig zu poetisch.

99

Daher kommt

es sogar, daß ich verschiedene lieber in Prosa habe erzählen wollen, als in Versen, zu welchen ich vielleicht damals nicht aufgelegt war. Ich komme auf die Sinngedichte.

Ich habe hierin keinen

andern Lehrmeister als den Martial gehabt, und erkenne

atich keinen andern, es müßten beim die sein, die er für die seinigen erkannt hat,

und von welchen uns die Anthologie

einen so vortrefflichen Schatz derselben aufbehalten.

Aus ihm

also und aus dieser Sammlung wird man verschiedene über­ setzt, und sehr viele nachgeahmt finden.

Daß ich zu beißend

und zu frei darin bin, wird man mir wohl nicht vorwerfen können; ob ich gleich beinahe in der Meinung stehe, daß man beides in Sinnschristen nicht genug sein kann.

Ich habe bei

den wenigsten gewisie Personen im Sinne gehabt, und ich verbitte also im voraus alle Erklärungen. Den Schluß in dem solche Stücke nämlich,

ersten Teile machen Fragmente;

die ich entweder nicht ganz zustande

gebracht habe, oder die ich dem Leser nicht ganz mitzuteilen

für gut befinde.

Ich hätte sie also wohl ganz und gar zurück

behalten können? Vielleicht; und es kömmt darauf an, ob man nicht etwas darunter findet, welches gleichwohl der Erhaltung nicht unwert ist. Anfangs war ich willens einige kleine Stücke durch ein

Zeichen merklich zu machen.

Diejenigen nämlich, die ich mir

nicht ganz zuschreiben kann, und wovon ich die Anlage aus dein oder jenem französischen Dichter geborgt zu haben, mir

nicht verbergen kann.

Doch da dieser Zeichen nur sehr wenige

geworden wären, und ich außerdem überlegte, daß es dein Leser sehr gleichgültig sei, wem er eigentlich einen Einfall zu

danken hat, wenn der Einfall ihn: nur Vergnügen macht; so habe ich es gar unterlaßen.

Ich werde ohnedem der Gefahr

nicht ausgesetzt sein, daß man auch aus meinen Poesien, zur

Ehre des deutschen Witzes, Proben ins Französische übersetzt.

Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften",

100

unb zum Unglücke gleich auf solche fällt, bie von einem Fran­

zosen entlehnt finb. Der zweite Teil enthält Briefe.

galante Briefe vermuten. noch

Man wirb ohne Zweifel

Allein ich muß bekennen, baß ich

bis jetzt keine Gelegenheit gehabt habe, bergleichen zu

schreiben.

Mir Korrespondentinnen zu erbichten, unb au Schön­

heiten zu schreiben, bie nicht existieren, schien mir in Prosa ein

wenig zu poetisch zu sein.

Es sinb also nichts als Briefe an

Freunbe, unb zwar an solche, an bie ich etwas mehr als Kom­

plimente zu schreiben gewohnt bin.

Ich schmeichle mir sogar,

baß in beit meisten etwas enthalten ist, was bie Mühe sie zu

lesen belohnt.

Wenn man an Freunbe schreibt, so schreibt

man ohne ängstlichen Zwang, unb ohne Zurückhaltung.

Beides

wirb man auch in meinen Briefen sinben, unb ich will lieber

ein wenig nachlässig unb frei scheinen, als ihnen biese Merk­ male abwischen, welche sie von erbichteten Briefen unterscheiben

müssen.

Ich habe ihrer einen ziemlichen Vorrat, unb bie,

welche ich hier ohne Wahl, so wie sie mir in bie Hände ge­

raten, mitgeteilt, sind bie wenigsten.

Es wirb mir angenehm

sein, wenn meine Freunbe nicht bie einzigen finb, die etwas

barin zu sinben glauben. Ich habe gesagt, daß diese beiden Teile nichts als Kund­

schafter finb.

Einige ernsthafte Abhandlungen und verschiedene

größre Poesien, wozu ich bie dramatischen Stücke vornehmlich rechne, möchten ihnen gerne folgen.

Unter den letzten sind

einige, welche schon die Probe der öffentlichen Vorstellung aus­

gehalten, unb wenn ich sie selbst rühmen darf, auch Beifall gefunden haben.

Die Probe des Drucks ist die letzte und

wichtigste. Ich kann hier meine Vorrede beschließen, und muß den

Leser um Verzeihung bitten, daß ich von nichts als von mir

geredet habe.

Borrede zum dritten «nd vierten Teite der „Schriften". 1754. '3fdj bin eitel genug, mich des kleinen Beifalls zu rühmen, welchen die zwei ersten Teile meiner Schriften, hier und da,

erhalten haben.

Ich würde dem Publiko ein sehr abgeschmacktes

Kompliment machen, wenn ich ihn ganz und gar nicht verdient

ju haben, bekennen wollte.

Eine solche Erniedrigung schimpft

seine Einsicht, und man sagt ihm eine Grobheit, anstatt eine

Höflichkeit zu sagen.

Es sei aber auch ferne von mir, seine

schonende Nachsicht zu verkennen, und die Aufmunterung, die

es einem Schriftsteller widerfahren läßt, welcher zu seinem Vergnügen etwas beizutragen flicht, für ein schuldiges Opfer

anzusehen.

Ob mir nun also der erste Schritt schon nicht mißlungen ist; so bin ich doch darum nicht weniger furchtsam, den zweiten zu wagen.

Oft lockt man einen nur darum mit Schmeicheleien

aus der Scene hervor, um ihn mit einem desto spöttischer» Gelächter wieder hineiilzutreiben. Ich nennte es einen zweiten Schritt; aber ich irrte mich:

es ist ebensowohl ein erster, als jener.

Ein zweiter würde es

sein, wenn ich die Bahn nicht verändert hätte.

Aber,

wie

sehr habe ich diese verändert! Anstatt Reime, die sich durch ihre Leichtigkeit und durch einen Witz empfehlen, der deswegen keine Neider erweckt, weil jeder Leser ihn ebensogut als der

Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".

102

Poet zu haben glaubt, anstatt solcher Reime bringe ich lange

prosaische

Allfsätze,

die zum Teil noch

dazu eine gelehrte

Miene inachen wollen. Da ich mir also nicht einmal eben dieselben Leser wieder

versprechen kann, wie sollte ich mir eben denselben Beisall ver­

sprechen können? Doch er erfolge, oder erfolge nicht; ich will wenigstens auf meiner Seite nichts versäumen, ihn ztl erhaschen.

Das ist, ich will rnich des Rechts der Vorrede bedienen, und

mit den höflichsten Wendungen, so nachdrücklich als möglich, zu verstehen geben, von welcher Seite ich gerne wollte, daß man dasjenige, was man nun bald wahrscheinlicherweise lesen, noch

mahrscheinlichererweise aber nicht lesen wird, betrachten möge. Ich sage also, daß ich den drittelt Teil mit einem Misch­

masch von Kritik und Litteratur angesüllt habe, der sonst einen

Autor detltscher Nation nicht übel zu kleiden pflegte.

Es ist

schade, daß ich mit diesem Bändchen nicht einige zwanzig Jahr vor meiner Geburt in

lateinischer Sprache habe

erscheinen

können! Die weltigen Abhandlungen desselben sind alle Ret­

tungen überschrieben. darin gerettet habe?

nicht danken können.

Und wen glaubt man wohl, daß ich

Lauter verstorbne Männer, die mir es Und gegen wen?

Fast

gegen

lauter

Lebendige, die mir vielleicht ein sauer Gesichte dafür machen

werden.

Wenn das klug ist, so weiß ich nicht, was unbe­

sonnen sein soll. — — Man erlaube mir, daß ich nicht ein Wort mehr hinzusetzen darf.

Ich komme vielmehr sogleich auf den vierten Teil, von

befielt Inhalte sich mehr sagen läßt, weil er niemanden, oder welches einerlei ist, weil er alle und jede angeht.

Er enthält

Lustspiele. Ich muß es, der Gefahr belacht zu werden ungeachtet,

gestehen, daß unter allen Werken des Witzes die Komödie das­ jenige ist, an welches ich mich am ersten gewagt habe.

Schon

in Jahren, da ich nur die Menschen aus Büchern kannte —

— beneidenswürdig ist der, der sie niemals näher kennen lernt!

Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".

103

— — beschäftigten mich die Nachbildungen von Thoren, an

deren Dasein mir nichts gelegen ivar.

Theophrast, Plautus

und Tererrz waren meine Welt, die ich in dem engen Bezirke einer klostermäßigen Schule mit aller Bequemlichkeit ftubierte —

Wie gerne wünschte ich mir diese Jahre zurück; die

einzigen, in welchen ich glücklich gelebt habe.

Von diesen ersten Verslichen schreibt sich, zum Teil, der

junge Gelehrte her, den ich, als ich ernstlicher auszuarbeiten,

nach Leipzig kam,

mir die Mühe gab.

Diese Mühe

ward mir durch das dasige Theater, welches in sehr blühenden Umständen war, ungemein versüßt.

Auch ungemein erleichtert,

muß ich sagen, weil ich vor demselben hundert wichtige Kleinig­ keiten lernte, die ein dramatischer Dichter lernen muß, und

aus der bloßen Lesung seiner Muster nimmermehr lernen kann. Ich glaubte etwas zustande gebracht zu haben, und zeigte

meine Arbeit einem Gelehrten, dessen Unterricht ich in wichtigern Dingen zu genießen das Glück hatte.

Wird man sich nicht

wundern, als den Kunstrichter eines Lustspiels einen tieffinnigen Weltweisen und Meßkünstler genennt zu finden?

Vielleicht,

wenn es ein andrer, als der Herr Profeffor Kästner wäre. Er würdigte mich einer Beurteilung, die mein Stück zu einem Meisterstücke würde gemacht haben, wenn ich die Kräfte gehabt

hätte, ihr durchgängig zu folgen. Mit so vielen Verbesierungen unterdeffen, als ich nur

immer hatte anbringen können, kam mein junger Gelehrte in die Hände der Frau Neuberin.

Auch ihr Urteil verlangte

ich; aber anstatt des Urteils erwies sie mir die Ehre, die sie sonst einem angehenden Komödienschreiber nicht leicht zu er­

weisen pflegte; sie ließ ihn aufführen.

Wenn nach dem Ge­

lächter der Zuschauer und ihrem Händeklatschen die Güte eines Lustspiels abzumessen ist, so hatte ich hinlängliche Ursache das meinige für keines von den schlechtesten zu halten.

Wenn es

aber ungewiß ist, ob diese Zeichen des Beifalls mehr für den

Schauspieler, oder für deu Verfasser gehören; wenn es wahr

Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".

lf*4

ist, daß der Pöbel ohne Geschmack am lautesten lacht, daß er

oft da lacht, wo Kenner weinen möchten: so will ich gerne nichts aus einem Erfolge schließen, aus welchem sich nichts

schließen läßt. Dieses aber glaube ich, daß mein Stück sich aus dem Theater gewiß würde erhalten haben, wenn es nicht mit in den

Ruin der Frau Neuberin wäre verwickelt worden.

Es ver­

schwand mit ihr aus Leipzig, imb folglich gleich aus demjenigen

Orte, wo es sich, ohne Widerrede, in ganz Deutschland am besten ausnehmen kann. Ich wollte hieralls mit ihm den Weg des Drucks ver­

suchen.

Aber was liegt dem Leser an der Ursache, warum sich

dieser bis jetzt verzögert hat?

Ich werde beschämt genug sein,

wenn er finden sollte, daß ich gleichwohl noch zu zeitig damit

hervorrückte. Das war doch noch einmal eine Wendung, wie sie sich für einen bescheidnen Schriftsteller schickt!

Aber

man

gebe

acht, ob ich nicht gleich wieder alles verderben werde! —

-

Man nenne mir doch diejenigen Geister, aus welche die komische

Muse Deutschlands stolz sein könnte! Was herrscht aus unsern gereinigten Theatern? Ist es nicht lauter ausländischer Witz,

der, so ost wir ihn bewundern, eine Satire über den unsrigen macht? Aber wie kommt es, daß nur hier die deutsche Nacheiserung zurttckbleibt?

Sollte wohl die Art selbst, wie man

unsre Bühne hat verbesiern wollen, daran schuld sein?

Sollte

wohl die Menge von Meisterstücken, die man aus einmal, be­

sonders den Franzosen abborgte, unsre ursprünglichen Dichter niedergeschlagen haben?

Man zeigte ihnen aus einmal, so zu

reden, alles erschöpft, und setzte sie auf einmal in die Not­ wendigkeit, nicht bloß etwas Gutes, sondern etwas Besiers zn machen.

Dieser Sprung war ohne Zweifel zu arg; die Herren

Kunstrichter konnten ihn wohl befehlen, aber die, die ihn wagen

sollten, blieben aus.

Was soll aber diese Anmerkung?

Vielleicht meine Leser

Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".

zu einer

gelindem

105

Beurteilting bewegen? —--------- Gewiß

nicht; sie können es halten wie sie wollen.

Sie mögen mich

gegen meine Landsleute, oder gegen Ausländer aufwägen; ich

Aber das werden sie doch

habe ihnen nichts vorzuschreiben.

wohl nicht vergessen, wenn die Kritik den jungen Gelehr­ ten insbesondere angeht, ihn nur immer gegen solche Stücke

zu halten, an welchen die Verfasser ihre Kräfte versucht haben? Ich glaube, die Wahl des Gegeilstaudes hat viel dazu

beigetragen, daß ich nicht ganz damit verunglückt bin.

Ein

junger Gelehrte war die einzige Art von Narren, die mir

Unter

auch damals schon unmöglich unbekannt sein konnte.

diesem Ungeziefer ausgewachsen, war es ein Wunder, daß ich

meine ersten satirischen Waffen wider dasselbe wandte?

Das zweite Lustspiel, welches man in dem vierten Teile finden wird, heißt die Juden.

Es war das Resultat einer

sehr ernsthaften Betrachtung über die schinipsliche Unterdrü­ ckung, in welcher ein Volk seufzeil muß, das ein Christ, sollte

ich meinen, nicht ohne eine Art von Ehrerbietung betrachten Aus ihm, dachte ich, sind ehedem so viel Helden und

kann.

Propheten aufgestanden, und jetzo zweifelt man, ob ein ehr­

licher Mann unter ihm anzntreffen sei?

Meine Lust

zum

Theater war damals so groß, daß sich alles, was mir in den

Kopf kam, in eine Komödie verwandelte.

Ich bekam also gar

bald den Einfall, zu versuchen, was es für eine Wirkung auf

der Bühne haben werde, wenn man dem Volke die Tugend da zeigte, wo es sie ganz und gar nicht vermutet.

Ich bin

begierig mein Urteil zu hören.

Noch begieriger aber bin ich, zu erfahren, ob diese zwei Proben

einige Begierde nach meinen

Arbeiten erwecken werden.

aus,

übrigen dramatischen

Ich schließe davon alle diejenigen

welche hier und da unglücklicherweise schon das Licht

gesehen haben.

Ein bessrer Vorrat, bei

welchem ich mehr

Kräfte und Einsicht habe anwenden können, erwartet nichts als die Anlegung der letzten Hand.

Diese aber wird lediglich

106

Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".

von meinen Umständen abhangen.

Ein ehrlicher Mann, der

nur einigermaßen gelernt hat, sich von dem Äußerlichen nicht

unterdrücken zu lassen, kann zwar fast immer aufgelegt sein,

etwas Erilsthaftes zu arbeiten, besonders wenn mehr Anstren­ gung des Fleißes, als des Genies dazu erfordert wird; aber nicht immer etwas Witziges, welches eine gewisse Heiterkeit des

Geistes verlangt, die oft in einer ganz andern Gewalt, als in

der unsrigen stehet-------- Es rufen mir ohnedem fast versäumte wichtigere Wissenschaften zu:

Safis est potuisse videri!

Erster Brief. An den Herrn P.

^Lchon seit vierzehn Tagen hätte ich Ihnen Ihren Aufsatz 75' von den unglücklichen Dichtern wieder zurückschicken können, weil ich ihn gleich in den ersten Abenden durchgelesen

hatte.

Allein ich glaubte, diese Eilfertigkeit würde nicht gelehrt

genug lassen; wenigstens nicht freundschaftlich genug.

Denn

nicht wahr, entweder Sie hätten gedacht: null wahrhaftig, der muß sehr viel müßige Stunden haben, daß er sich sogleich hat darüber machen können! oder: ja, in der kurzen Zeit mag er auch viel gelesen haben; über alles läuft er doch weg, wie

der Hahn über die Kohlen!

Tie eine Vermutung sowohl als

die andre war mir ungelegen; mir, der ich so gerne immer beschäftiget scheinen will; mir, der ich aus nichts aufmerksamer

bin, als auf die Geburten meiner Freunde.

Ich würde also

ganz geiviß Ihr Werk wenigstens noch acht Tage auf meinem Tische haben rasten lasten; doch Sie fordern es selbst zurück,

und hier ist es.

Nun? aber ohne Beurteilung werden Sie

sageir? Als wenn Sie es nicht schon müßten, daß ich durchaus

über nichts urteilen will.

Wollen Sie aber mit so etwas zu­

frieden sein, das aufs höchste einer Meinung ähnlich sieht, so

bin ich zu Ihren Diensten.

Sie zeigen eine sehr weitläuftige

Belesenheit, die ich sehr hoch schätze, wenn es Ihnen anders

nicht viel Mühe gekostet hat, sie zu zeigen.

Gott weiß, wo

Sie alle die unglücklichen Dichter aufgetrieben haben! für tragische Scenen ziehen Sie Ihren Lesern auf!

Was

Hier sitzt

110

Briefe.

einer in einer ewigen Finsternis,

und sieht das Licht nicht,

welches gleich ihm alles belebet; dort schmachtet einer auf einem

Lager, das er seit Jahren nicht verlassen.

Jener stirbt, fern

von seinem Vaterlande und seinen Freunden, unter Barbaren, zil welchen ihn die Empfindlichkeit eines Großen verwieseir; dieser in seiner Vaterstadt, mitten unter den Bewundrern seiner

Muse, im Hospitale.

Dort sehe ich einen-------- welche Er­

niedrigung für euch, ihr Musen!-------- am Galgen; und hier

einen, gegen welches der Galgen noch ein Kinderspiel ist, mit

einem Teufel vom Weibe verheiratet.

Die moralischen Züge,

welche Sie mit unterstreuen, sind gut; ich hätte aber gewünscht,

daß sie häufiger wären, daß sie aus Ihren Erzählungen un­ gezwungener flößen, und in einem minder schulmäßigen Tone

dahertönten.

Auch das gefällt mir nicht, daß Sie keine Klassen

unter den unglücklichen Dichtern machen.

Diejenigen, welche

so zu reden die Natur unglücklich gemacht hat, als die Blin­

den, gehören eigentlich gar nicht darunter, weil sie unglücklich würden gewesen sein, wenn sie auch keine Dichter geworden

wären.

Andre haben ihre

Übeln

Eigenschaften

unglücklich

gemacht, und auch diese sind nicht als unglückliche Dichter, sondern als Bösewichter, oder wenigstens als Thoren anzusehen.

Die einzigen,

die diesen Namen verdienen, sind diejenigen,

welche eine unschuldige Ausübung der Dichtkunst, oder eine

allzueisrige Beschäftigung mit derselben, die uns gemeiniglich zu allen andern Verrichtungen ungeschickt läßt, ihr Glück zu machen verhindert hat. zahl sehr klein.

Und in diesem Verstände ist ihre An­

Ja sie wird noch kleiner, wenn man ihr vor­

gebliches Unglück in der Nähe mit gesunden Augen, und nicht

in einer ungewissen Ferne, durch das Vergrößerungsglas ihrer

eigenen, mit allen Figuren ungefüllten Klagen betrachtet.

Ist

es nicht ärgerlich, wenn man einen Saint Amant, einen Neu-

kirch, einen Günther so bitter, so ausschweifend, so verzweifelnd über ihre, in Vergleichung andrer, noch sehr erträgliche Armut wimmern hört?

Und sie, die Annut, ist sie denn etwa nur

111

Briefe.

das Schicksal der Dichter, und nicht vielmehr auch aller an­ Gelehrten?

dern

So viel

Sie

mir

arme

Dichter

nennen

können, eben so viel will ich Ihnen arme Weltweise, arme

Ärzte, arme Sternkundige 2c. nennen.

Aus diesem Gesichts­

punkte also, mein Herr, betrachten Sie, wenn ich Ihnen raten soll, Ihre Materie etwas aufinerksamer, und vielleicht finden

Sie zuletzt, daß Sie ganz unrecht gethan haben, ich weiß nicht

lvas für einen gewißen Stern zu erdichten, der sich ein Ver­ gnügen daraus macht, die Säuglinge der Musen zu tyranni­ sieren. -------------- Sind Sie meiner Erinnerungen bald

Doch, noch eine.

satt?

Ich finde, daß Sie in Ihrem Verzeichnis

einen Mann ausgelasien haben, der vor zwanzig andern eine

Stelle darin verdienet; den armen Simon Lemnius.

kennen ihn doch wohl?

Sie

Ich bin rc.

Zweiter Lrief. An ebendenselben. Wahrhaftig, ich bewundre Sie!

Ein Beiwort, an befielt

Nachdruck ich nicht einmal gedacht hatte, legen Sie mir in

allem Ernste zur Last?

Ich fürchte, ich fürchte, wir werden

über den armen Simon Lemnius in einen kleinen Zank

Und da sehen Sie es, daß ich das Herz habe, ihn

geraten.

noch einmal so zu nennen, ob Sie ihn gleich den verleum­ derischen, den boshaften,

heißen.

den meineidigen,

den unzüchtigen

Aber sagen Sie mir doch, geben Sie ihm diese Be­

nennungen, weil Sie seine Aufführung untersucht haben, oder weil sie ihm von andern gegeben werden?

Ich befürchte das

letztere, und muß also den armen Lemnius doppelt be­

klagen. muß

War es nicht genug, daß ihn Luther verfolgte, und

sein

werden?

Andenken

auch noch von der Nachwelt befeindet

Aber Sie erstaunen; Luther und verfolgen, scheinen

Ihnen zwei Begriffe zu fein, die sich widersprechen.

Geduld!

Wenn Sie wollen, so will ich Ihnen alles erzählen; und als-

111

Briefe.

das Schicksal der Dichter, und nicht vielmehr auch aller an­ Gelehrten?

dern

So viel

Sie

mir

arme

Dichter

nennen

können, eben so viel will ich Ihnen arme Weltweise, arme

Ärzte, arme Sternkundige 2c. nennen.

Aus diesem Gesichts­

punkte also, mein Herr, betrachten Sie, wenn ich Ihnen raten soll, Ihre Materie etwas aufinerksamer, und vielleicht finden

Sie zuletzt, daß Sie ganz unrecht gethan haben, ich weiß nicht

lvas für einen gewißen Stern zu erdichten, der sich ein Ver­ gnügen daraus macht, die Säuglinge der Musen zu tyranni­ sieren. -------------- Sind Sie meiner Erinnerungen bald

Doch, noch eine.

satt?

Ich finde, daß Sie in Ihrem Verzeichnis

einen Mann ausgelasien haben, der vor zwanzig andern eine

Stelle darin verdienet; den armen Simon Lemnius.

kennen ihn doch wohl?

Sie

Ich bin rc.

Zweiter Lrief. An ebendenselben. Wahrhaftig, ich bewundre Sie!

Ein Beiwort, an befielt

Nachdruck ich nicht einmal gedacht hatte, legen Sie mir in

allem Ernste zur Last?

Ich fürchte, ich fürchte, wir werden

über den armen Simon Lemnius in einen kleinen Zank

Und da sehen Sie es, daß ich das Herz habe, ihn

geraten.

noch einmal so zu nennen, ob Sie ihn gleich den verleum­ derischen, den boshaften,

heißen.

den meineidigen,

den unzüchtigen

Aber sagen Sie mir doch, geben Sie ihm diese Be­

nennungen, weil Sie seine Aufführung untersucht haben, oder weil sie ihm von andern gegeben werden?

Ich befürchte das

letztere, und muß also den armen Lemnius doppelt be­

klagen. muß

War es nicht genug, daß ihn Luther verfolgte, und

sein

werden?

Andenken

auch noch von der Nachwelt befeindet

Aber Sie erstaunen; Luther und verfolgen, scheinen

Ihnen zwei Begriffe zu fein, die sich widersprechen.

Geduld!

Wenn Sie wollen, so will ich Ihnen alles erzählen; und als-

112

Briefe.

dann urteilen Sie.

Vorher aber muß ich Sie um alles was

heilig ist bitten, mich nicht für einen elenden Feind eines der größten Männer, die jemals die Welt gesehen hat, zu halten.

Luther stehet bei mir in einer solchen Verehrung,

daß es

mir, alles wohl überlegt, recht lieb ist, einige kleine Mängel

an ihm entdeckt zu haben, weil ich in der That der Gefahr

Die Spuren der Mensch­

sonst nahe war, ihn zu vergöttern.

heit, die ich an ihm finde, sind mir so kostbar, als die blen­

dendste seiner Vollkommenheiten.

Sie sind

sogar

für mich

lehrreicher, als alle diese zusammengenommen; und ich werde mir ein Verdienst daraus machen, sie Ihnen zu zeigen*). — — Zur Sache also!

Lemnius,

oder wie er auf deutsch

heißt, L em ich en, lag den Wissenschaften in Wittenberg ob, eben als das Werk der Reformation ain feurigsten getrieben

ward.

Sein Genie trieb ihn zur römischen Dichtkunst, und

mit einer ziemlich beträchtlichen Stärke darin verband er eine gute Kenntnis der griechischen Sprache, welches damals noch etwas

Seltnes war.

Sein muntrer Kopf und seine Wissenschafteir

erwarben ihm die Freundschaft des Melanchthons, welcher ihn mit Wohlthateil überhäufte.

Sabinus, der Schwieger­

sohn des Melanchthons, befand sich damals auch in Witten­ berg.

Zwei gleiche Köpfe auf einer hohen Schule werden sich

leicht finden, und Freunde werden.

Sabinus und Lem­

nius wurden es auf die ausnehmendste Weise, und ich finde, *) So muß der sprechen, der aus Überzeugung und nicht aus Heu­ chelei lobt.

Aus dieser letztern Quelle sind leider ein großer Teil der

uneingeschränkten Lobsprüche geflossen, die Luthern von unsern Theologen beigelegt werden.

Denn loben ihn nicht auch diejenigen, deren ganzem,

losen Geize und Ehrgeize man es nur allzuwohl anmerkt, daß sie int Grunde ihres Herzens nichts weniger als mit Luthern zufrieden sind? die ihn heimlich verwünschen, daß er sich auf Unkosten seiner Amtsbrüder

groß gemacht, daß er die Gewalt und den Reichtum der Kirche den Re­ genten in die Hände gespielt, und den geistlichen Stand dem weltlichen

preisgegeben, da doch dieser so manche Jahrhunderte jenes Sklave ge­ wesen?

113

Briefe.

daß auch die darauf folgendcu Händel ihre Freundschaft nicht

Im

geendet haben.

Jahre 1538 kam es dem Lemnius

ein, zwei Bücher lateinischer Sinnschriften drucken zu lassen.

Er ließ sie also unter seinem Namen drucken; er ließ sie in

Wittenberg drucken, und brachte sie vorher, wie ich es höchst

wahrscheinlich urteilung.

zeigen

dem

kann,

Melanchthon

zur

Be­

Diese drei Umstände, mein Herr, erwägen Sie

wohl; sie beweisen schon so viel, daß Lemnius ein gut Ge­

wissen muß gehabt haben. stößiges darin,

Melanchthon fand nichts An­

dem Drucker versicherte.

wie es Sabinus

Nunmehr wurden sie bekannt gemacht; aber kaum waren sie einige Tage in den Händen der Leser gewesen, als Luther

auf einmal ein entsetzliches Ungewitter wider sie, und ihren Verfasser erregte.

Und warum? Fand er etwa jene lascivam

verborum licentiam darin?

schuldigen gewesen,

Witzes,

Diese wäre vielleicht zu

ent­

weil sie der Meister in dieser Art des

Martial, Epigrammaton

linguam

nennt.

Oder

fand er, daß sie giftige Verleumdungen enthielten, die Ehre

eines unschuldigen Nächsten zu brandmalen? Oder fand er gar

seine eigene Person darin beleidigt?

Nein; alles das, wes­

wegen Sinnschriften mißfallen können, mißfiel Luth ern nicht, weil es nicht darin anzutreffen war; sondern das mißfiel ihm,

was wahrhaftig an den Sinnschriften das Anstößige sonst nicht ist: einige Lobeserhebungen.

Unter den damaligen Beförderern

der Gelehrsamkeit war der Kurfürst

einer der vornehmsten.

von Mainz Albrecht

Lemnius hatte Wohlthaten von ihm

empfangen, und mit was kann sich ein Dichter sonst erkennt­ lich erzeigen, als mit seinen Versen?

Er machte also deren

eine ziemliche Menge jit seinem Ruhme; er lobte ihn als einen gelehrten Prinzen, und als einen guten Regenten.

Er nahm

sich aber wohl in acht, es nicht auf Luthers Unkosten zu thun, welcher an dem Albrecht

einen Gegner

hatte.

Er

gedachte seines Eifers für die Religion nicht mit einem Worte,

und begnügte sich, seine Dankbarkeit mit ganz allgemeinen, Lessing, Werke. V.