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German Pages 354 [371] Year 1890
Lessings Werke. Fünfter Band.
Stuttgart.
G. I. Göschen'sche Bcrlagshandlunq. 1890.
Druck der Hoffmcmn'schen Buchdruckerei in Stuttgart.
Inhalt. Seite
Einleitung. Lessing und die historische Forschuung ... Auswahl aus den Rezensionen in der „Merlinischen privilegierten (Possischen^ Zeitung". 174^9—1755. .
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5 Gottsched, gesammlete Reden. 174*.*......................................................5 Gottsched, neueste Gedichte auf verschiedene Morfälle. 1749 6 [Oifenfelber] Tie Weiberstipendien. Ter FFaule und die Vormünder. 1751......................................................................................8 ['Krnaub] La mort du marechal comte de Saxe. 1751. 9 Hofmann, dritte und letzte Anzeige derer .^H erreich utisch en Grundirrtümer. 1751.............................................................................. 10 Gottsched, Gedichte, zweite Auslage. 1751........................................12 Rambach, Abhandlungen ausländischer Gottesgelckehrten. 1751. 14 Gellert, Briefe. 1751............................................................................. 16 Brücker, Anfangsgründe der philosophischenGeieschichte. 1751. 18 Naumann, Empfindungen für die Tugend. 17751.................. 19 Fenelon, Kunst glücklich zu regieren. 1751...................................... 20 Le cousin de Mahomet. 1751..............................................................22 sHagedorn) Horaz. 1751........................................................................ 23 Guevara, das vergnügte Land-und beschwerliche Hoofleben. 1751. 24 Dien meriterait-il etc. 1751.................................................................. 25 sConsbruch) Versuche in westfälischen Gedichtcten. 1751. . 26 Amüsements d’un prisonnier. 1751................................................... 28 Madame de P***, les caracteres. 1751. . . . . . . 29 Schaubert, Anweisung zur Abfassung deutscher - Briefe. 1751. 30 [2 e f f i n g] Kleinigkeiten. 1751.............................................................. 31 Klopstock, Ode an Gott. 1751............................................................. 32 Duclos, memoires pour servir a l’histoirc des ] moeurs. 1751. 33 C ervantes, satirische und lehrreiche ErzählllNtMN. 1752. . . 34 Voltaire, Amalie. 1752.................................................................. 35 Erebillon, Jdomeneus. 1752 36 L’esprit des nations. 1753................................................................ 37 Klopstock) Drei Gebete. 1753......................................................... 39 Drey er) Drei Gebete. 1753........................................................... 40 Wieland) Erzählungen. 1753........................................................ 40 Le Bossu, Abhandlung vom Heldengedichte. 11753. ... 41 Aristoteles, Dichtkunst. 1753.......................................................... 42 Lessing, Schriften. Erster und zweiter Teil. 1753. ... 43 sWieland) Briefe von Verstorbenen. 1753.................................. 44 Lange, Schreiben an den Verfasser der gelehrrten Artikel in dem Hamburgischen Korrespondenten. 1753................................... 45 Lessing, Vademecum. 1754 ........................................................... 46 Die Advokaten. 1754............................................................................ 47 Hog arth, Zergliederung der Schönheit. 1754............................. 48 Der herumirrende Ritter Don Felix. 1754.................................... 50 sSchönai ch) Tie ganze Ästhetik in einer Rutz. 1754. . . 50
IV
Inhalt. [Schönaich] Possen im Taschenformate. 1754......................... Richardson, Grandison. 1754.......................................... [Schönaich] Possen. 1754.........................................
52 53 54
Ragout ä la mode. 1751............................................................... 55 [Zachariä] Gedicht, dem Gedächtnisse des verrn von Hage dorn gewidmet. 1755.................................................................... Wer ist der große Duns? 1755..................................................... [U 3] Lyrische und andere Gedichte. 1755.................................. [Schönaich] Versuche in der tragischen Dichtkunst. 1755. . Lessing, Schriften. Fünfter und sechster Teil. 1755. . Zimmermann, Leben Hallers. 1755....................................... Edward Grandisons Geschichte in Görlitz. 1755....................... Kästner, vermischte Schriften. 1755...........................................
57 59 59 61 62 63 64 65
Rousseau, discours sur Forigine et les fondements de Finegalite parmi les hommes. 1755...................................
67
Mendelssohns Über die Empfindungen. [Wieland] Ankündigung einer Dunciade.
68 71
1755...................... 1755. ...
Aus der Monatsschrift: Das Neueste aus dem Reiche des Witzes. 1751.................................................................... 73 Monat April 1751......................................................................................73 Monat Mai 1751.................................................... .... 88
Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften". 1753 .............................................................................................95 Vorrede zürn dritten und vierten Teile der „Schriften". 1754 ........................................................................................... loi Briefe. (Aus dem zweiten Teile der „Schriften".) 1753. [1784. 1785.]...................................................... 107 1.—8. Brief. Rettung des Lemnius............................................109 9. Brief. Über Rousseaus gekrönte Rede von der Schädlichkeit der Wissenschaften .........................................................................135 10. Brief. Über eine deutsche Übersetzung von Virgils Georgica 136 11. Brief. Von einem Gedichte über die Mehrheit der Welten 137 12. Brief. Über die Nicolinische Pantomime................................. 141 13. Brief. Triumph der väterlichen Liebe, oder Jakob Tomms 142 14. Brief. Über den Reim................................................................... 145 15. —19. Brief. Über Klopstocks Messias....................................... 147 20. Brief. Über Diderots Schreiben über die Tauben und Stummen............................................................................... 170 21. Brief. Über den Tod eines Freundes......................... 171 22. 23. Brief. Über ein Trauerspiel Samuel Henzi . . . 173 24. Brief. Über Pastor Langes Übersetzung derOden des .voraz ................................................................................................200 25. Brief. Über Jöchers Gelehrten lexikon.......................................205
Ein Vademecum für den Herrn Samuel Gotthold Lange, Pastor in Laublingen. 1754. [1785.]............................... 225 Einleitung............................................................................................... 227
Rettungen des Horaz. 1754. [1784.]...........................275 Rettung des Hieronymus Cardanus. 1754. [1784.]. 321
Einleitung. Lessing und die historische Forschung. Anteilnahme Lessings an den spröderen historischen Wissenschaften hat von jeher geringeres Interesse beim größeren Publikum er
regt, als seine poetische Thätigkeit, als seine ästhetischen Untersuchungen, ja als seine theologischen Streitigkeiten.
Und doch ist ein Lessing ohne
diese Seite seiner Thätigkeit, wie zufällig das Einzelne darin auch sein mag, nicht denkbar. Ja, diese Studien und Forschungen bilden die eigent liche Grundlage seines
litterarischen Charakters.
Er würde auf seine
Zeitgenossen wie auf die Nachlebenden unstreitig eine unmittelbar aus gedehntere Wirkung geübt haben, wenn er zwar nicht weniger gelehrt
gewesen wäre, aber doch es weniger zu sein geschienen hätte.
Er stammte
aus einer Periode, wo eine gewisse polyhistorische Gelehrsamkeit die herr schende Macht in der Geisterwelt bildete, wo selbst die Poesie eine Art
von Gelehrsamkeit war.
Ohne eine ansehnliche Summe von historischen,
litterarischen, mythologischen und dergleichen Kenntnissen ließ sich weder ein Gedicht verfassen noch auffassen; man mußte schon eine gewisse Ver
trautheit mit den Dichtern des Altertums, Englands und Frankreichs mitbringen, wenn man sich unter den deutschen Dichtern zurechtfinden und
ihre Formen begreifen wollte.
Ein Beurteiler, der weder Milton noch
Flaccus, weder Corneille noch Anakreon und Pindar anführen oder sich auf den Theokrit und Tyrtäus berufen konnte, würde nicht viel Eindruck
gemacht haben.
Um wie viel mehr war es nötig, wenn man den Ge
lehrten, die zum Teil noch lateinisch schrieben und dichteten, beikommen
wollte, derselben Mittel Herr zu sein, deren sie sich bedienten, um zu wirken.
Eine gewisse encyklopädische und philologisch geschulte Bildung
gehörte dazu, wenn man ihre Aufmerksamkeit fesseln und ihre Meinungen
bestimmen wollte.
Lessing, der dies Ziel hatte, mußte ihnen auf allen
Gebieten, die er betrat, ebenbürtig und wo möglich besser ausgerüstet als
sie selbst entgegentreten.
Denn nur die Gelehrten konnte er bei seinen
Arbeiten im Auge haben; ein Publikum außerhalb dieses Kreises, auf
das ein Engländer oder Franzose rechnen durfte, hatte er in Deutschland Lessing, Werke. V. 1
2
Einleitung.
noch nicht zu erwarten, kaum bei poetischen Werken, deren höherer oder
geringerer Wert nicht an dem
Beifall der Menge,
sondern an der
Schätzung und dem Urteile der Gelehrten gemessen sein wollte, da nur
diese über die Erfüllung der Regeln, worin eigentlich die Dichtung da
maliger Zeit bestand, zu urteilen imstande
waren, weshalb denn die
Dichtung auch kaum über die Kreise der Gelehrten hinausdrang und das
Volk sich teilnahmslos dagegen verhielt, wenn es nicht, wie etwa in Gellerts Fabeln, durch den faßlichen Stoff und die scheinbar kunstlose
Behandlung gewonnen wurde.
Der Weg, auch diese Bildungsschichten
zur Teilnahme zu veranlassen, schien ein weiter und gewundener, auf den man nicht anders gelangen konnte, als wenn man die vermeinten
höheren Bildungsschichten reformiert und aus ihrer empirischen Gelehr samkeit
zum schöpferischen Denken
und zur verständlichen Form ge
führt hatte. Abgesehen von dem allgemeinen Charakter des Zeitalters ward auch
Lessings
eigentümliche Verfassung der encyklopädistischen Gelehrsamkeit
geneigt.
Er hielt kein Feld des Wissens, wofür ihn seine Anlagen über
haupt befähigten, für zu unfruchtbar oder zu abgelegen, um sich nicht darauf zu versuchen.
Ein hohes Vorbild war ihm Bayle, dessen Lexikon
ihm eine Fülle von Kenntnissen erschloß und dessen Art ihm durchaus
zusagen mußte.
Bei seinem vielseitigen und rastlosen Lernen konnte es
nicht fehlen, daß er sich bei den abgeleiteten Darstellungen nicht befrie
digt, sondern auf die Quellen selbst zurückgewiesen sah.
Nachprüfungen
offenbarten sich ihm dann
Und bei diesen
leicht Irrtümer
oder doch
zweifelhafte Auffassungen, die seinen Widerspruch reizten und ihn zur weitern Untersuchung aufforderten.
An die Mißverständnisse andrer an
knüpfend, war er bemüht die Wahrheit zu verteidigen und zur Geltung zu bringen.
Das eine führte ihn zum andern, und wo er anfänglich
nur eine Kleinigkeit berichtigen wollte, holte er weiter aus und machte eine große Entdeckung.
Die Größe derselben blieb freilich immerhin re
lativ, aber Wahrheit blieb Wahrheit und auf die Tragweite konnte es nicht ankommen.
Der größere Gewinn, als die Berichtigung eines wenn
auch noch so schweren Irrtums, beruhte aber darin, daß die selbstzufriedne
Gelehrsamkeit beunruhigt und zum Forschen und Denken angetrieben wurde.
Und dazu mußte
Lessing bediente.
sie schon die Methode drängen, deren sich
Nicht der Gewinn, sondern die Art des Erwerbs ist
Lessings Verdienst, der an seinen Forschungen den Leser fortdauernd An teil nehmen läßt, ihn stets beschäftigt und munter erhält.
So macht er
seine Arbeiten, indem er seine volle Individualität darin ausspricht, erst recht eigentlich zu den seinigen.
Seine dialektische Natur, die allen mög
lichen Einwänden schon von fern entgegensieht, sie herantreten läßt, sich
Einleitung.
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mit ihnen verständigt, sie abweist oder zu Ausgangspunkten neuer Unter
suchungen macht, giebt seinen Abhandlungen einen dramatisch lebendigen Charakter und damit eine weit größere Eindringlichkeit, als wenn er systematisch lehrend zu Werke gegangen wäre. Das Einzelne ist ihm
stets von untergeordneter Bedeutung und das Forschen selbst, das heißt das Wegräumen der Hindernisse, um zum gesuchten Ziele zu gelangen, so sehr die Hauptsache, daß er offen bekannte, nicht die Wahrheit, in
deren Besitz irgend ein Mensch sei oder zu sein vermeine, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt habe, hinter die Wahrheit zu kommen,
mache den Wert des Menschen, der nicht durch den Besitz, sondern durch die Nachforschung der Wahrheit seine Kräfte erweitere, worin allein seine
immer wachsende Vollkommenheit bestehe.
So offen dies Bekenntnis ist,
so sehr ist es auch geeignet, in der Annahme Lessingscher Sätze, von
seinem subjektiven, wie vom objektiven Standpunkte genommen, eine ge wisse Behutsamkeit zu empfehlen, da er teils zu bescheiden ist, um etwas,
das er gefunden oder gesagt hat, als allgemein gültige Wahrheit aus zugeben, teils viel zu rastlos vorwärts strebend, um bei einem Satze,
der vielleicht nur Ergebnis eines Durchgangspunktes war, ein für alle mal stehen zu bleiben.
Erst wenn sich aus seiner gesamten Wirksamkeit
ergiebt, daß ein Satz von ihm selbst unbezweifelt oder ohne Widerspruch gelassen ist, darf man annehmen, daß er sich dabei beruhigt habe und
es dabei sein Bewenden haben solle.
Und in der verhältnismäßig zwar
kurzen, aber immerhin doch mehr als dreißigjährigen litterarischen Wirk
samkeit findet sich bei ihm, von erweiterten Gesichtspunkten abgesehen,
kaum ein Widerspruch mit sich selbst.
Keineswegs berechtigt aber der
Umstand, daß Lessing einen oder alle seine Sätze ohne Widerspruch ge
lassen hat, zu der Annahme, daß sie die absolute Wahrheit enthalten und unwidersprechlich seien.
Vieles hat nur der Debatte wegen seine Stelle
gefunden, manches ist längst und bündig widerlegt, anderes wieder wird nie allgemein angenommen werden, wie allgemein es auch schon vor ihm
angenommen war. Doch diese auf ausgedehnten Widerspruch stoßenden Dinge sind nicht gerade die, welche hier zunächst liegen, die historischen, sondern die philosophisch-theologischen, von denen zum Schlüsse zu han
deln ist.
Hier soll nur noch in der Kürze daran erinnert werden, auf
welchen Gebieten sich die Lessingschen historischen Forschungen bewegten.
Sie sind der Litteratur- oder, wenn man will, der Gelehrtengeschichte gewidmet.
Denn außer den ästhetischen und den dahin einschlagenden
Untersuchungen über das Epigramm und die Fabel, den antiquarischen Briefen und kleineren Aufsätzen beziehen sich die übrigbleibenden meistens
auf einzelne gelehrte Namen, wie die Rettungen, die Beiträge zu Jöchers
Lexikon, oder auf ältere Dichter, von denen er eine ganze Reihe, den
4
Einleitung.
Logau, Scultetus, die Nachtigall, den Bonerius und andre der Vergessen
heit wiederum entzog.
Besonders lebhaft wurde sein Spürgeist angeregt,
als ihm die Wolfenbüttler Bibliothek zur Verfügung stand, in deren
Handschriften und alten Drucken noch so manches unentdeckte wichtige Werk oder Kuriosum auf den Finder harrte und zum Teil noch harrt.
Sein ganzes schriftstellerisches Leben hindurch zogen ihn die Fabeldichter an.
Seine Untersuchungen über die Fabeln des Romulus, über den
Anonymus, den Nevelet zuerst herausgegeben, und über den Ranuntius
waren besonders eindringend, obwohl auf diesen dunkeln Gebieten mit dem bloßen Spüren sichre Resultate nicht zu erreichen waren.
Da wo
ihm alte Drucke zur Hand lagen, wie sie Hunderten vor ihm zu Gebote gestanden, wußte er dieselben geschickt zu nutzen und diese Kuriosa, die
man ihrer Seltenheit wegen sammelte, um sie zu besitzen, nicht um sie zu benutzen, ftuchtbringend und in seiner anziehenden Art zu erschließen. Vor ihm dachte eigentlich niemand daran, daß diese Denkmäler über-
wundner Perioden auch zu den Belegen der Geschichte des menschlichen
Geistes gehörten und daß ihnen dieselbe Aufmerksamkeit gebühre, wie
andern litterarischen Denkmälern.
Erst mit ihm — Bodmer etwa aus
genommen — begann die quellenmäßige Erforschung der Litteratur aller Perioden; wie er denn recht eigentlich der Schöpfer einer vergleichenden
Litteraturbetrachtung geworden ist, wofür die Beiträge zur Historie und
Aufnahme des Theaters, die Theatralische Bibliothek und, besonders wiederum als Höhepunkt, die Hamburgische Dramaturgie die Belege ent
halten.
Vor ihm war es niemand eingefallen, die Behandlungen, welche
ein und derselbe Stoff zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Völkern erfahren hatte, zu vergleichen. Lessings Vergleichungen fanden indessen noch nach Anleitung der „Regeln" statt; zu dem Standpunkte,
aus den
verschiedenen Behandlungsweisen
die
verschiedenartigen Be
dingungen der Zeiten, Völker oder Dichter-Individualitäten kennen zu lernen, konnte er, der sich von den Einflüssen der Zeit selbst für frei
hielt, nicht vordringen.
Ihm galten die Schöpfungen der Dichter noch
wie unabhängige, nur in sich selbst und dem Willen ihrer Erzeuger be ruhende, während diese selbst doch nichts anderes sind als die Repräsen
tanten ihrer Zeit, zwar nicht beherrscht, aber bedingt von dem Geiste des Volkes, in dem und für das sie schaffen.
Ist doch Lessing selbst ein
solcher Repräsentant, freilich ein so hochstehender, daß sein Blick weit über dieselbe hinausreichte, besonders in seinen theologischen Schriften.
A. Vordrke.
Auswahl aus den
Recensionen in der „Lerlinischen privilegierten (Vossischen) Leitung". 1749—1755.
(5. Juni 1749.)
Leipzig.
Herrn Johann Christoph
Gottscheds P. P. der Königl. Preußischen und Bononi-
schen Akademie
sammlete
der
Reden in
Wissenschaften Mitgliedes,
dreien
ge-
Abteilungen, nochmals
von ihm selbst übersehen und verbessert. Mit Königl. Poln.
und
Kurfürst!.
Sachs,
allergnäd.
Freiheit.
Leipzig, verlegt's Bernhard Christoph Breitkopf, 1749.
1M2 Alphabet in groß Oktav. Dian muß es dem Herrn Professor Gottsched zum Ruhme nachsagen, daß er sich in Kammlung
aller seiner Werke, Werkchen, Schriften und Schriftchen, zu seinem Vergnügen, und derer Nutzen, welche so wollen schreiben lernen, als wie er, sehr sorgfältig erzeiget.
Seine Gedichte
hat er der Welt nicht lange mißgegönnet, seine Weltweisheit ist schon zum drittenmal aufgelegt worden, da er eben zum dritten
mal Rektor war: seine Reden fehlten noch; hier sind sie; und welch eine Lücke füllen sie nicht unter seinen Schriften aus.
Er hatte diesen Mangel schon längst in seiner Bibliothek be
merket, und Herr Breitkopf ließ sich endlich erbitten, selben durch seinen Beistand abzuhelfen.
dem
Nun stehn sie da,
und wer sie auch in seinem Büchersaale will stehen sehen, der
kann sie überall, zum Exempel in den Vossischen Buchläden,
6
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
für 20 Groschen haben.
Noch eins. Diese Redensammlung be
steht aus drei Abteilungen, aus Lob- und Gedächtnisreden,
Leichenreden und Trostschriften, und vermischten Reden. Die meisten sind schon sonst gedruckt gewesen, und den Wert
der unbekannten kann
man aus dem Werte der bekannten
leicht schätzen. Herr Gottsched hat diese Reden Seiner Majestät,
dein Könige in Dänemark, in einem Gedichte zugeeignet, welches, wenn die Würzhändler einmal eine neue Auflage von dessen
Gedichten verlangen sollten, ohne Zweifel, wegen der ganz sanften, platten, natürlichen Schreibart, unter die poetischen
Sendschreiben zu stehen kommen wird. (18. November 1749.)
Regensburg.
In der Gebrüder
Zunkel Verlag sind unlängst herausgekommen: Herrn Pro fessor
Gottscheds
neueste
Gedichte auf verschiedene
Vorfälle. In Quart, 6 Bogen.
Nachdem endlich der Herr
Professor Gottsched in seinem fnnfzigsten Jahre, nach den unzähligen Kritiken, welche seine Gedichte haben ausstehen müssen, eingesehen, daß seine bisherigen Verse nichts taugen, er aber
gleichwohl, man weiß nicht, durch was für eine Erscheinung, bei sich völlig überzeugt ist, daß er in der großen Kette der
wirklichen Dinge ein poetisches Glied zu sein bestimmt worden:
so hat er hin und her gesonnen, was doch die Ursache davon sein möchte, daß sich seine poetischen Begriffe bisher noch nicht haben entwickeln wollen.
Endlich hat er sich besonnen, daß
er seine bisherigen Gedichte meistens ;n Hause, zwischen vier
Wänden, verfertigt, und daß also wohl nichts fehle, als sein Heil auf Reisen zu versuchen, und zu sehen, ob es ihm ge-
lingen möchte, noch mit der Zeit ein anderer Fleming zu
werden.
Gedacht, beschlossen, gethan.
Er reifete verwichnen
Sommer mit seiner Frau Liebsten in das fruchtbarmachende Karlsbad, von da nach Regensburg, rind dann weiter zu Wasser
auf der Donau nach Wien.
Dieser poetischen Reise haben
wir gegenwärtige neueste Gedichte des Herrn Professor Gott-
7
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
scheds zu danken; und wir sehen daraus, daß seine poetische Stunde noch nicht koinmen ist.
Das erste ist kurz vor dieser
Reise gemacht, und ist nur zur Vermehrung der Blätter in
diese Sammlung kommen.
Es heißt: Ode an die Durch
lauchtigste Armelinda Talea, bei ihrer Aufnahme in
die Akademie der Arkadier zu Rom.
gewissen Ursachen,
Wir wollen, aus
von diesem Gedichte mit deir drei qner
Finger breiten Versen nichts sagen.
Das zweite heißt: Das
Karlsbad, in einer Ode besungen.
Wir wollen nun die
jenige Strophe daraus anführen, aus welcher wir sehen, daß
er seinen englischen Newtonianischen Elbingischen Tubus für zwanzig Thaler mit auf die Reise genommen.
Der Himmel ist mir halb verstecket. Ein dicht umzogner Vorhang decket Mir fast der Sterne größte Zahl. Bei Nacht, wenn ich mit Newtons Nähren, Den Ring Saturns, den Mars will ehren. Verbergen sie sich auf einmal.
Man merke wohl die astronomisch-poetische Redensart: Die
Sterne mit Sehröhren ehren, anstatt sie durch Seh röhre
betrachten.
Das dritte Gedicht heißt: Schreiben
an einen Vornehmen von Adel in Wien, aus dem Karls
bade abgelassen.
Es hat folgenden erhabenen Eingang:
Gepricsner Freund! mein *, dem Phöbus und die Neune Von Herzen günstig sind; vernimm was hier der Deine, Der noch kein Blatt an Dich in Reimen ausgeheckt. Am kleinen Töpelfluß für ein Vergnügen schmeckt u. s. w. Man sagt, der vornehme Freund in Wien habe an diesen vier Zeilen völlig zur Genüge gehabt.
Die Oberpfalz,
Das vierte Gedicht ist:
in einem Gesänge entworfen.
Wir
haben unlängst unter einem Artikel von Regensburg von dem
traurigen und würdigen Schicksale dieses Gedichts Nachricht gegeben.
Wir schellen uns, die merkwürdigsten Stellen daraus
herzllsetzen, und wollen nur deir Anfang anführen:
8
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Gehab' dich wohl, du rauhes Pfälzerland! Deiir felsenreicher Grund ist mir nunmehr bekannt: Bekannt, doch auch verhaßt. Bon deinen harten Steinen Komm' ich, Gott Lob! diesmal dennoch mit ganzen Beinen, Du, hohler Wege Schlund; du, kalter Berge Strauß, Der du beständig scheinst dem Sommer Trotz zu bieten. Der Himmel wird vor euch mich künftig wohl behüten. Das
letzte Gedicht heißt:
Die Donau.
Wir können
bei
unserer kritischen Ehre versichern, daß sowohl dieses Gedicht als auch die übrigen den angeführten Stellen vollkommen ähn
lich siild. Sie sind in den Vossischen Buchläden für 4 Groschen zu haben, und wahrhaftig recht lustig zu lesen.
(6. März 1751.) Frankfurt und Leipzig. Die Weiber
stipendien, oder die wohlfeile Miete der Studenten.
Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Frankfurt und Leipzig 1751. In Oktav.
6 >/2 Bogen. Desgleichen: Der Faule und
die Vormünder, ein Lustspiel in drei Aufzügen. Ebenda
in eben dem Jahr.
6 Bogen.
Wir nehmen diese zwei
Stücke zusammen, weil wir zuverlässig wissen, daß sie von
einem Verfasser sind.
Mancher, der das eine lesen sollte, wird
vielleicht am Ende sagen: Das Lustspiel möchte ich sehen,
welches erbärmlicher sein könnte!
Wenn es sein rechter
Ernst ist, so darf er nur das andere vor sich nehmen.
Es
gilt aber gleich viel, welches er zuerst oder zuletzt liefet, genug
dasjenige, welches er zuletzt liefet, wird ihm allezeit nichts würdiger scheinen, weil der Ekel, welchen das erste erweckt hat,
durch die Fortdaurung in dem andern endlich in einen Ab scheu ausschlagen muß; ob wir gleich sonst gestehen müssen,
daß beide, ihrem innerlichen Wert nach, gleich nichtswürdig sind.
Plan, Knoten,
Auflösung, Charakter, Moral, Satire,
natürliche Unterredungen; alles Dinge, welche dem Verfasser
böhmische Dörfer sind.
Wenn er bei dem ersten anstatt Lust
spiel Studentenspiel gesetzt hätte, so wäre er einigermaßen ent-
9
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
schuldiget.
Bei dem ander» wenigstens droht er den Lesern
gleich auf dem Titel, daß sie vermöge der komischen Sympathie einschlafen werden; und kann man von einem Verfasser mehr
begehren, als daß er dasjenige erfüllet, was er auf dein Titel verspricht?
Der gegenwärtige hat sogar noch mehr geleistet.
Wie viel Lob verdient er nicht!
Doch, ernstlich zu reden, so
versichern wir den Leser, daß er unser Urteil gegründet finden
wird, und daß wir uns, wenn es nur ein klein wenig vor
teilhaft hätte ausfallen können, ein Vergnügen würden gemacht
haben ihm zu sagen, daß ein gewißer Herr O. in D . . der
Verfasser dieser schönen Lustspiele sei.
Videor mihi meo jure
facturus si judicium hoc versibus clusero. Mart.
Ein elend jämmerliches Spiel rc. [f. Band I, S. 33.]
(13. März 1751.) Dresden. La Mort da Marechal Comte de Sa.re. Poeme. Veritati et Virtuti. A Dresde.
auf 3 Bogen.
In Ouart
Der Verfasser dieses Gedichts ist Herr Arnaud,
welcher sich jetzo in Dresden aufhält.
Man kennt seine Muse
schon aus andern Probestücken, und weiß, daß sie sich selten
über das Mittelmäßige erhebt.
Eine prächtige Versifikation,
die dem bloßen Ohre sehr wohl gefällt,
und die er seinem
Meister, dem Herrn v. Voltaire, sehr glücklich abgelernt hat,
ist ihm eigen. Das ist es auch alles, was ein fähiger Kopf, der
aber nicht zum Dichter erschaffen ist, erlernen kann.
Der
poetische Geist wird ihm allezeit fehlen; denn den zu erlangen, ist Übung und Fleiß umsonst. Hat er ein gutes Gedächtnis, so
wird man in seinen Versen zwar hier und da einen nlalrischen
Gedanken, einen poetischen Zug antreffen; doch schade, daß ein ander gutes Gedächtnis sich ohne Mühe besinnet, wem diese
geborgten Schönheiten eigentümlich zugehöreu.
Der Plan des
gegenwärtigen Gedichts ist dieser: der Verfasser beschreibt die Annehmlichkeit des Friedens; der Marschall Graf von Sachsen
genoß sie, ohne seinen Mut dadurch weichlich zu machen; der
Neid geriet darüber in Wut, und ruft den Tod um Hilfe an;
10
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
der Tempel des Todes wird entworfen;
die Verschwörung
wider den Helden gelingt; sein Tod erfolgt, und auf seinen Tod folgt die Vergötterung. Zu Malereien hat dieser Plan Gelegenheit genug gegeben; die uns noch am besten geraten
zu sein scheinet, ist die Beschreibung der Aufführung des Mar schalls in: Frieden.
(Je n’etait plus ce Mars, ce fier dieu des batailles, Qui, tralnant apres soi Vhorreur des funerailles, Ministre redoute des arrets du destin, Dans des ruisseaux de sang plonge ses bras d’airain, Court porter Vepozivante aux villes alarmees, Et dJun souffle ranime, ou confond les armees. CJetait Mars e aresse par la belle Cypris, Sur son terrible front se jouait le souris, De plaisirs innocens une troupe agreable Disputait ä ses vnains le glaive formidable, Pres de lui voltigeaient le folätres Amours, L’un le parait de fleurs qui renaissaient toujours, L’autre dans un tableau digne de son courage De champs de Fontenay lui presentait Vimage, Celui-ci demandait que sur ce front guerrier Son bandeau succedät au casque trop altier, Celui-lä qu’excitait une en fonline audace, Voulait que son flambeau du glaive prit la place. Ist in den Vossischen Buchläden für 2 Groschen zu haben.
(23. März 1751.) Wittenberg und Zerbst. Dritte und letzte gegründete Anzeige derer Herrenhutischen
Grundirrtümer in der Lehre von der heiligen Schrift, Rechtfertigung,
Sakramenten
und
letzten
Dingen;
denen evangelischen Kirchen zur nötigen Warnung ans Licht gestellet von D. Karl Gottlob Hofmann, General
superintendent. Nebst einem Register über sämtliche drei
Teile. Wittenberg und Zerbst, verlegt's Sam. Gottf. Zimmermann. 1751. In Oktav. 8 Bogen. Dieses ist der
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
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Beschluß desjenigen Werks, wodurch sich der Herr Generalsuperintendent den Herrenhutern keinen geringen Schaden zu
gefügt zu haben rühmt; nicht etwa, weil er ihre Irrtümer
dadurch gedämpft, sondern weil er sie, wie inan deutlich sieht, verhindert hat, gewisse zeitliche Vorteile zu erlangen, die man, menschlich zu handeln, auch seinen irreitbe» Brüdern gönnen muß.
Wir hoffen, daß die Leser schon wissen, was der Herr
Verfasser Grundirrtiimer der Herrenhuter heißt; näinlich die jenigen Stellen, ivo sie nicht die Sprache der symbolischen Bücher führen.
Diese Erklärung angenommen, müsien wir
die Ausführung durchgängig loben; man wollte denn wünschen,
daß sie mit etwas weniger Spötterei, die oft die feinste nicht ist, und mit etwas minder zweideutigen Absichten angefüllet sei.
Der Kopf eines Herrenhuters, voll Enthusiasterei, ist zu nichts weniger als zu systematischen Begriffen und abgeinessnen Aus
drückungen geschickt. Warum macht man ihm die Schwäche seines
Verstandes zu Verbrechen seines Willens?
Warum folgert
man aus gewissen Orten, wo er von Sachen, über welche die
Scham einen geheimnisvollen Vorhang zieht, etwas zu frei,
zu ekel, zu schwärmerisch geschrieben hat. Thaten der sträflichsten Nur zum Beweise der Verleumdung, und mehr zum Ärgernisse als zur Erbauung, schreibt man aufgedeckte
Unzucht?
Bosheiten der Herrenhuter, so lange noch keiner von ihnen
der Verbrechen, welche man ihnen schuld giebt, und welche die schärfste Ahndung verdienten, vor der weltlichen Obrigkeit
überführet worden ist.
Man weiß es aber schon, daß man
mit diesen unbarmherzigen Beschuldigungen vor Gerichte nicht fortkonnnen kann, und daß, am Ende, jeder billiger Richter kein ander Urtel von den Herrenhutern zu fällen weiß, als das,
was Plinius, obgleich in einer ganz verschiednen Sache, fällte: nihil aliud inveni modicam.
qum Superstition em pravam et im-
Wäre es also nicht gut, wenn die Herren Theo
logen die Wahrmachung eines Ausspruches des Cicero, opinionum commenta delet dies, ruhig erwarteten?
Sie haben
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Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
einen Ausspruch in der Bibel, der eben dieses sagt, und es
ist zu verwundern, daß ihnen noch niemand des Gamaliels
iacait aiiovc zugerufen hat.
Könnten sie ihrem Charakter
gemäßer handeln, als wenn sie wie dieser Pharisäer gedächten:
Ist der Rat oder das Werk aus den Menschen, so wird's untergehen, ist's aber aus Gott, so können wir nichts
dämpfen rc.? Ein gewisser Christian Philaleth hatte der ersten Anzeige des Herm D. Hofmanns hllndert Fragen entgegengesetzt,
und in der Vorrede zu dieser dritten Anzeige sagt uns der
Verfasser, warum er auf diese Fragen zur Zeit noch nicht geantwortet habe. Die vornehmste Ursache ist, well sich dieser Gegner nur unter einem falschen Namen genennt, und der Herr Doktor durchaus denjenigen erst persönlich kennen will, welchen
er widerlegen soll.
Die Wahrheit zu gestehen, wir sehen das
Schließende dieser Ursache nicht ein.
Kann ein Schriftsteller
unter erborgtem Namen keine Wahrheit sagen?
Oder kann
man niemanden widerlegen, wenn man nicht Persönlichkeiten
in die Widerlegung mischt?
Herr
Generalsuperintendent,
In eben der Vorrede meldet der
daß
allem
Ansehen
Heilandskasse bald Bankerott machen werde.
nach
die
Vielleicht zieht
der Umsturz ihres ökonomischen Systems den Untergang der ganzen Gemeine nach sich.
Ist in beit Vossischen Buchläden
hier und in Potsdam für 3 Groschen zu haben. (27. März 1751.)
Leipzig.
Allen nach Standesgebtthr
höchst und hochzuehrenden Liebhabern, Gönnern und Beförderern
einer echten deutschen Poeterei kündigen und preisen wir folgendes Werk an.
Herrn Johann Christoph Gottscheds, der
Weltweisheit und Dichtkunst öffentlichen Lehrers in Leipzig, Gedichte, bei der jetzigen zweiten Auflage über sehen und mit dem zweiten Teile vermehrt, nebst einer Vorrede
ans
Licht
gestellet von
M. Joh.
Joachim
Schwaben. Leipzig, verlegt's B. Chr. Breitkopf. 1751. In groß Oktav. Das Äußerliche dieser Gedichte ist so vor-
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
13
trefflich, daß sie, wie wir hoffen, den Buchläden große Ehre
machen werden, und, wie wir ivünschen, lange Zeit machen mögen.
Von dem Innerlichen aber einen zureichenden Ent
wurf zu geben, das übersteigt unsre Kräfte.
Der erste Teil
ist alt, und ilur die Ordnung ist neu, welche der schärfsten
Hofetikette Ehre machen würde. Wenn der Verfasser den Einfall dazu nicht in Wien bekommen hat, so hat er ihn wenigstens
nicht bei dem Horaz gelernt, dein er sonst ein sehr wichtiges
Kunststück abgestohlen hat, das große Kunststück nmnlich, seine Jubeloden allzeit fein zum Schluffe der Abteilung von den Oden zu setzm.
Der andre Teil ist größtenteils neu, und mit
eben der Rangordnung ausgeschmückt, welche bei denr erstell
so vorzüglich angebracht ist; so daß nämlich alle Gedichte auf
hohe Häupter und fürstliche Personen in das erste Buch, die
auf gräfliche, adelige und solche, die ihnen gewiffermaßen gleich kommen,
ins zweite,
alle freundschaftliche Lieder aber
dritte Buch gekommen sind.
ins
Uns ist die Ode auf den Herrn
von Leibniz sogleich in die Augen gefallen.
Der größte Teil
derselben beschäftiget sich mit dem Lobe der Stadt Leipzig. Das
ist Pindarisch!
Wann dieser erhabne Sänger das Lob eines
olympischen Siegers vergöttern sollte, von dem er auf der Gotteswelt nichts Rühmlichers zu sagen hatte, als etwa die Geschwindigkeit seiner Füße, oder die Stärke seiner Fäuste, so geschah es dann und wann, daß er statt seiner seine Vater
stadt lobte. O wahrhaftig! das heißt die Alten mit Überlegung
nachahmen, wenn es anders der Herr Profeffor Gottsched zur
Nachahmung der Alten gethan hat.
Wer kann übrigens ernst
haft bleiben, wenn er das Lob dieses Weltweisen auf die
Erfilldung verschiedner Kleinigkeiten stützt, wie zum Exempel seine Dyadik ist, welche er zu erfinden eben «richt Leibniz hätte sein dürfen.
Doch die Dyadik ist für den Herrn Profeffor
vielleicht ein ebenso unbegreifliches Ding, als ihm die Analysis
infinitorum zu sein scheint, die er, mit vieler Einsicht, die
Rechenkunst in den unendlich Kleinen nennt.
Dein poettschen
14
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Geiste des Herrn Professors das völligste Recht widerfahret!
zu lasten, dürften mir nur eine Stelle aus einem Schreiben an den Herrn von Scheyb anführen,
wo er sein zu ent
behrendes Urteil über den Messias fällt; allein wir wollen es
immer in einem Buche lasten, in welchem es nur bei denen
einen Eindruck machen wird, welche gestraft genug sind, dieses
große Gedicht nicht zu verstehen.
Gesetzt, es hat einige Flecken,
so bleibt es doch allezeit ein Stück, durch welches unser Vater land kann.
die Ehre
schöpferische
Geister zu
besitzen
verteidigen
Eine Anmerklmg aber müssen wir aus angeführtem
Schreiben hersetzen: „Herr Bodmer, sagt der Herr Profestor
„Gottsched, hat an den Herrn Schuch, Prinzipal einer deutschen „Schauspielergesellschaft, nach Basel geschrieben, und ihn ein-
„geladen nach Zürch
zu kommen, nicht etwa tragische und
„komische Schauspiele daselbst aufzuführen, sondern durch seine „geschicktesten Personen beiderlei Geschlechts den Messias auf „öffentlicher Bühne hersagen zu lasten.
„handen."
Der Brief ist vor-
Die Wahrheit dieser Anekdote vorausgesetzt, so ist
sie eben so gar lächerlich nicht, als sie dein Herrn Professor scheinet. Wäre es nicht sehr gut, wenn man auch unsre Schau
plätze zu den Vorlesungen verschiedner Arten von Gedichten an wendete, wie es in der That bei den Römern üblich war.
Hat er vergessen, daß Virgil selbst sein Heldengedicht auf öffentlichem Theater dem Volke vorgelesen hat?
Diese Ge
dichte kosten in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 2 Thaler 4 Groschen.
Mit 2 Thaler bezahlt man das Lächer
liche, und mit 4 Groschen ungefähr das Nützliche.
(30. März 1751.) Leipzig und Greifswalde. Sammlung
auserlesener Abhandlungen ausländischer Gottes gelehrten zur Unterweisung des Verstandes und Besserung des Herzens; zusammengetragen von Friedr. Eberh. Rambach, Pastor zum heiligen Geist in Magde
burg. Leipzig und Greifswalde. 1750. In Oktav. 1 Alpha-
15
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
bet.
16 Bogen.
Schriften,
deren
ausgedrückt ist.
Dieses ist der Anfang einer Sammlung von
Beschaffenheit
genugsam
auf
dem
Titel
In der Borrede bestimmt der Herr Pastor
Nambach ihren Zweck aber noch näher, und sagt, daß es Ab
handlungen sein sollen, welche vermögend sind, deil mit Bor
urteilen, Unwissenheit und Zweifeln verhinderten menschlichen Verstand zu unterweisen und ihm ein Licht vorzuhalten, nach
welchem er sich in schweren Fällen, audj wohl int Stande
empfindlicher Anfechtungen richten kann; Abhandlungen, die uns zeigen, wie heilig, gerecht und gut die Forderungen und
Norschristen des Evangelii Jesu Christi sind; Abhandlungen, die gewisse besondre Verheißungen des Evangelii betreffen, die
Kraft, das Leben und den göttlichen Nachdruck derselbeit vor
Augen legen, sonderlich aber sollen es solche Abhandlungen
fein, die auf den wichtigen Punkt der geistlichen Sittenlehre, nämlich auf beit Unterschied der Natur und Gnade, gerichtet sind.
Alle diese Eigenschaften wird der Leser an denjeitigen
Stücken finden, die in diesem ersten Teile befindlich sind.
Es
sind namentlich folgende: 1) John Flavels, ehemaligen Predigers zu Dortmouth in England, Betrachtungen über die menschliche
Furcht.
Das Leben dieses Mannes, welches für eine gewisse
Art Leser sehr erbaulich sein wird, macht den größten Teil der Vorrede aus.
2) Tillotsons Betrachtung über die gerechte
Forderung Jesu: Gott mehr zu fürchten, als die Menschen. 3) Wilhelnt Salden!, weiland berühmten Predigers in Delft, Prüfmtg menschlicher Urteile, atis dem Holländischen übersetzt.
Es ist ein Glück, daß iwdj hier und da ein Gottesgelehrter auf
das Praktische des Christentunts gedenkt, zu einer Zeit, da sich die allenneisten in unfruchtbaren Streitigkeiten verlieren; bald einen einfältigen Herrnhtiter verdammen, bald einem noch einfältigern Religionsspötter durch ihre sogenannte Widerlegungen
neuen Stoff zum Spotten geben; bald über untnögliche Vereinigtingen sich zanken, ehe sie den Grund dazu durch die Reinigting der Herzen von Bitterkeit, Zanksucht, Verleumdung,
16
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Unterdrückung, und durch die Ausbreitung derjenigen Liebe, welche allein das wesentliche Kennzeichen eines Christen aus
macht, gelegt haben.
Eine einzige Religion zusammenflicken,
ehe man bedacht ist, die Menschen zur einmütigen Ausübung ihrer Pflichten zu bringen, ist ein leerer Einfall.
Macht man
zwei böse Hunde gut, wenn man sie in eine Hütte sperret? Nicht die Übereinstimmung in den Meinungen, sondern die
Übereinstimmung in tugendhaften Handlungen ist es, welche
die Welt ruhig und glücklich macht.
Ist in den Vossischen
Buchläden hier und in Potsdam für 12 Groschen zu haben. (8. Mai 1751.) Leipzig. Briefe, nebst einer praktischen
Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen, von C. F. Gellert.
Bei Johann Wendlern.
1751.
In
Oktav. 20 Bogen. Was abgeschmackte Junkers und aberwitzige
Neukirchs
so
unglücklich,
und nur
zur
Aufhaltung
des
guten Geschmacks unternommen haben, wird in diesem Werke auf die vortrefflichste Art geleistet.
Der Herr Verfaffer hat
sich das Recht längst erworben, daß die Welt auf alles, was
aus seiner Feder fließt, aufmerksam sein muß; und wer ist
geschickter als er, die Natur überall in ihre alten Vorrechte unter uns wieder einzusetzen? Den besten Briefsteller zu machen, wird nichts erfordert als zu beweisen, daß man keinen Brief
steller braucht, und die ganze Kunst schöne Briefe zu schreiben ist die, daß man sie ohne Kunst schreiben lernt.
Allein wie viel
seltne Eigenschaften setzt diese Vermeidung der Kunst voraus? Gesunde Ordnung im Denken, lebhafter Witz, Kenntnis der Welt, ein empfindliches Herze, Leichtigkeit des Ausdrucks sind Dinge,
die den Deutschen weniger fehlen würden, wenn man sie in Schulen lernen könnte.
Die meisten Lehrer haben sie selbst
nicht; was Wunder also, daß sie ihre Schüler anführen, sich mit methodischen Leitfäden, topischen Einfällen, studierten Eni-
psindungen, staubichten Realien und künstlichen Perioden zu
behelfen?
Wie unbeschreiblich würde der Nutzen sein, wenn
17
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
die praktische Abhandlung des Herrn Gellerts alle wohl insorwierte Briefsteller und alle die gelehrten Männer auf us de conscribendis epistolis aus den Klassen vertreiben könnte?
Dian würde die Briefe des Cicero und Plinius besser nutzen
lernen, und einige lateinische Brocken würden das wenigste
sein, was man ihnen zu danken hätte.
Ist es zu hoffen?...
Die Briese des Herrn Gellerts selbst sind durchgängig Meister stücke, die man ebensowenig als seine Fabeln zu lesen auf-
höreir wird.
Die schöne Natur herrscht überall, alle Zeilen
sind mit dem süßesten Gefühle, mit den rühmlichsten Gesinnungen belebt; und die Überzeugung, daß sie der Verfasser an wirkliche Personen geschrieben hat, rnacht das Anteil, welches die Leser
daran nehmen, ungleich größer. sind sie die Beweise!
Von was für einem Herzen
Wie liebenswert hat sich der Verfasser
selbst, ihm unbewußt, darin geschildert!
welche Aufrichtigkeit, welche Liebe!
Welche Freundschaft,
Mit rvas für einer philo
sophischen Gleichgültigkeit sind zwei Briefe abgefaßt, wobei ivenigstens seine Leser nicht gleichgültig bleiben rverden.
Ver
dienet ein Mann, welcher das Vergniigen Deutschlands ist, kein
Amt zur Belohnung, wenn anders ein Amt eine Belohnung sein kann? . . . Herr Gellert scheint beit vornehmsten Inhalt
seiner Abhandlung in eine Erzählung, die er auf der 83. Seite einschaltet, gebracht zu haben.
Können wir den Platz schöner
anwenden, als wenn wir sie einrücken? Ein junger Mensch, der, wenn er Briefe schrieb, Die Sachen kunstreich übertrieb.
Und wenig gern mit stolzen Formeln sagte. Las einem klugen Mann ein Trauerschrciben vor. Darin er einen Freund beklagte. Der seine Frau durch frühen Tod verlor. Und ihm mit vielem Schulwitz sagte, Daß nichts gewisser wär', als daß er ihn beklagte. Ihr Brief, fiel ihm der Kenner ein. Scheint mir zu schwer und zu studiert zu sein. Lessing, Werke. V.
2
18
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Was haben Sie denn sagen wollen? „Daß mich der Fall des guten Freunds betrübt, „Daß er ein Weib verlor, die er mit Recht geliebt, „Und meinem Wunsche nach stets hätte haben sollen; „Daß ich von Lieb' und 'DZitkib voll „Nicht weiß, wie ich ihn trösten soll. „Dies ungefähr, dies hab' ich sagen wollen." Mein Herr, fiel ihm der Kenner wieder ein. Warum sind Sie sich denn durch Ihre Kunst zuwider? O schreiben Sie doch nur, was Sie mir sagten, nieder: So wird Ihr Brief natürlich sein. Kostet in den Bossischeil Buchhandlungen hier und in Potsdam 12 Groschen.
(29. Juni
1751.) Ulm.
Erste Anfangsgründe der
philosophischen Geschichte, als ein Auszug seiner größer» Werke
herausgegeben
von Jakob Brücker.
Zweite Ausgabe. Bei Daniel Bartholomäi und Sohn.
Jil Oktav. 1 Alphabet. 15 Bogen. Diese Anfangsgründe kamen das erstemal im Jahre 1736 heraus, als der Herr Verfasser
die kurzen Fragen aus der philosophischen Historie geendiget
hatte.
Seine Absicht war, den Anfängern an diesem, in dem
Zirkel der Wissenschaften unentbehrlichen, Teile einen Geschmack beizubriitgeil, und sie zll den Fragen selbst vorzubereiten. Die
Ausarbeitung des größern lateinischen Werks aber hat ihm in der Folge Gelegenheit gegeben, die Lücken lind Unzuläng-
lichkeiten dieses Auszuges, besser als jeder andre, wahrzunehmen. Er hat also in dieser neuen Auflage nicht geringe Veränderungen
gemacht; er hat ganz neue Hauptstücke, zum Exempel von der
orientalischen Philosophie, von den Schicksalen der griechischen Philosophie außer Griechenland und andre, eingeschaltet; er
hat die Vorstellungen der Lehrsätze ergänzt, und ihren Zusammen hang deutlicher vor Augen gelegt, als worauf in der Geschichte der Weltiveisheit offenbar das Hauptwerk beruhet. Übrigens
ist die Einteilung
des Werks selbst so eingerichtet worden.
19
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
daß sie mit dem lateinischen Werke übereintrifft. preisung wird sehr unnötig sein.
Unsre An
Wenn es aber wahr ist,
das; niemand in einer Wissenschaft ein gründliches Kompendium abfassen kann, als der, welcher diese Wiffenschaft in dem weit-
lällstigsten Unlfange übersieht, so mu|; das gegenwärtige gewiß das gründlichste sein.
unerfahrnes Kind.
Ohne die (beschichte bleibt man ein
Und ohne die (beschichte der Weltweisheit
insbesondere, welche nichts als die Geschichte des Irrtums und der Wahrheit ist, wirb man die Stärke des menschlichen Ver standes nimmerinehr schätzeil lernen; man wird ewig ein auf-
geblasner
der, in seine Grillen verliebt,
Sophiste bleiben,
der Gewißheit im Schoße zu sitzen glaubt; man wird stünd lich der Gefahr
ausgesetzt sein, von unwissenden Prahlen;
hintergangen zu werden, welche nicht selten das neue Ent deckungen nennen, was man schon vor etliche tausend Jahren Kostet in den Vossischen Buch
geivußt und geglaubt hat rc.
läden hier und in Potsdam 10 Groschen.
(20. Juli 1751.) Frankfurt am Main. Empfindungen für die Tugend in satirischen Gedichten von C. N.
Naumann.
Verlegt's D. Chr. Hechtet. 1752. Es ist zu
wenig, wenn man Schriften, ivelche lächerliche freie Handlungen der Menschen als lächerliche schildern, unter gewiffen Umständen
erlaubte Schriften nennet.
Man muß sie unter die nützlichsten
zählen, welche oft mehr als eine mit Fluch und Hölle belästigte Predigt das Reich der Tugend
erweitern.
Man weiß, daß
die Meister derselben verschiedne Wege gegangen sind.
Man
weiß, worin die Satiren eines Horaz von den Satiren eines
Juvenals und Persius unterschieden sind.
Man weiß, daß
allzustrenge Kunstrichter, welche sich vielleicht
zu genau an
willkürliche Erklärungen gebunden haben, den letztern den Namen
der Satirenschreiber absprechen.
Sie donnern anstatt zu spotten.
Sie führen Laster auf anstatt Ungereimtheiten. mehr verhaßt als beschämt.
Sie machen
Ihr Lachen ist voller Galle; ihre
20
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Scherze ftnb Gift.
ihn unter
Herr Naumann selbst giebt uns das Recht,
die Nachfolger dieser allzuernsthasten Rächer der Was sind seine Empfindungen
Tugend zu setzen.
für die
Tugend anders als das, was sein Wiufter indignatio nennet? Diese allein wurde ihn zu einem Dichter gemacht haben, wenn
er es nicht wäre.
Wir wünschten also, daß er ein einziges
Wort auf dem Titel geändert, und anstatt in satirischen
Gedichten gesetzt hätte in Strafgedichten. nicht niehr als zwei.
Es sind deren
Die erste beschreibt eine wollüstige nnb
verderbte Stadt, und ist voller wohlgetroffnen Bilder, ivelche aber alle mehr die häßlichen als lächerlichen Seiten vorstellen. Die zweite ist wider die Weichlichkeit der Sitten.
Alis dem
Anfänge mag man auf den Rest schließen.
Komm wieder Juvenal und strafe diese Stadt, Die dein verhurtes Rom längst übertroffen hat. Und greif' die Thoren an, der Republik Geschwüre, Und zürn' und mach' auf sie die feurigste Satire. Aus der ersten wollen wir noch folgende Stelle, in ivelcher ein besondres Feuer herrscht, hersetzen. Wo wohnt Religion? Wo find' ich Menschenliebe ? Wer hört den Unsinn nicht auf Kaffeehäusern schrei», Wo jeder Wüstling glaubt ein Edelmann zu sein. Wo Knaben ohne Bart sich frech zusammenrotten. Mit jungem Teufelswitz Gott und der Schrift zu spotten.
Hier, wo der Atheist, der ludermäßig starb, Beim schöngeputzten Schöps noch Beifall sich erwarb; Daß einst sein Flattergeist auch in der Luft verschwände. Wünscht er aus Duinmheit sich und kloppet in die Hände; Und ruft, daß es sogar die Straße hören kann: Fürwahr ein großer Geist! Fürwahr ein braver Mann! Kostet in
den Rassischen Buchläden
hier
und
in Potsdam
2 Groschen 6 Pfennig. (29. Juli 1751.)
Mim.
Herrn Franz Salignac de
la Motte Fenelon, Erzbischofs zu Cümmerich, Kunst
21
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
glücklich zu regieren; mit nützlichen Lehren zur klugen Einrichtung und Verwa ltnng eines Staats. 1751. Auf
Kosten Joh. Friedrich Gaums.
In Oktav.
8 Bogen.
Diesen Aussatz hat Fenelon zum (Gebrauch des damaligen ver
mutlichen französischen Thronfolgers, des Herzogs von Bourgogne, befielt Unterweisung ihm anvertrauet war, verfertigt. Er bestehet aus siebenunddreißig Prüfungen, wovon jede einen Punkt abhandelt, welcher einen notwendigen Einfluß auf das
Wohl des Staats hat.
In der ersten, zum Exempel, fragt
er seinen durchlauchtigen Schüler: Habt Ihr auch eine hin
längliche Erkenntnis von
allen
Wahrheiten der christlichen
Lehre? In der zweiten: Seid Ihr noch niemalen auf die Ge
danken geraten, daß die heilige Schrift nicht sowohl den Kö nigen, als den Unterthanen zur Regel und Vorschrift ihrer
Handlungen diene? In der dritten: Habt Ihr nicht unter Euren Ratgebern diejenigen besonders vorgezogen, tvelche am aller besten sich Euern ehrgeizigen, eiteln, hoffärtigen, wollüstigen und
schädlichen Abstchten zu fügen gewußt? Aus diesem wenigen wird man leicht schließen, daß diese Schrift eher heißen sollte:
Die Kunst untadelhaft zu regieren, als die Kunst glücklich zu regieren.
Man darf die Geschichte nur obenhin durchlaufen
haben, um von der Wahrheit überzeugt zu sein, daß die besten Könige selten die glücklichsten, und die glücklichsten noch seltner
die besten gewesen sind.
des Staats mar,
So nahe Fenelon auch dem Ruder
so wenig merkt man es doch aus seinen
Vorschriften, welche nichts deutlicher zeigen, als daß von der eigentlichen Kunst zu regieren keine können gegeben werden.
Alles, was Fenelon hier sagt, würde ein jeder Schullehrer von
gutem Verstände auch haben sagen können.
Es sind lauter
allgemeine Sätze, welche aus einem Prinzen zur Rot einen
ehrlichen und vorsichtigen Mann, nichts weniger aber als einen großen König machen können. Die deutsche Übersetzung ist leidlich, nur verrät sie hin und wieder ihren Geburtsort.
Der
Übersetzer nennet sich in der Zueignungsschrift T. E. Ger-
22
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
h ardi.
Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Pots-
dani 3 Groschen. (5. Auglist 1751.)
Konstantinopel.
Unter diesem Orte
sieht mau seit klirzen Le < ’ohsIh de Medioniet, in zwei Teilen in Duodez, wovon der erste 204 Seiten und der zweite 247 Seiten
stark ist. Erinnern.
Der Titel kündigt einen Roman an, auch ohne unser
Er enthält die Abenteuer eines Franzosen, welcher
sehr jung aus seinem Vaterlailde nach Konstantinopel floh,
aus Unerfahrenheit Sklave ward, lind in seiner Sklaverei ge meiniglich seineil Fralien redlicher als seinen Herren diente.
Sein gutes Glück verhalf ihm zu nianchen tausend Schlägen,
unter welchen jeder andrer, als ein Romanenheld, würde haben
erliegen müssen.
Doch was sind diese liild alle die Lebens-
gefahren, in welchen er gewesen ist, gegen die Ehre in die
Schwägerschaft des Mahomets gekommen zu sein? Alis dieser mllß nian beit Titel erklären.
Ohne zu untersuchen, ob die
Tugend dieses Werk, ohne zu erröten, lesen könne, müssen wir
gestehen, daß der Verfasier eine besondre Geschicklichkeit besitzt von allen Sachen die lächerliche Seite zu entdecken, und seinen
Gedanken durch einen kurzen und sinnreichen Ausdruck
gehörigen Schwung zu geben.
den
Die beigefügte» Noten können
diesen Roman sogar einigermaßen nützlich machen, weil man darin häufige Erklärungen verschiedner
türkischen Gebräuche
findet, welche allerdings aus eigner Erfahruilg aufgesetzt zu
sein scheinen.
Der Franzose leuchtet überall hervor, und wer
weiß, ob alle von seiner Nation, welche jemals in türk'scher Gefangenschaft geweseil sind, so viel (Gunstbezeigungen von ma-
hometanischen Schönen erhalten haben, als er auf seine eigne Rechnung schreibet.
Wenn ein frommer Muselmann ihn lesen
sollte, er würde auf allen Seiten ausrufen müssen: welche
Gotteslästerungen! Und diese Gotteslästerungen sind es gleich wohl, welche manchen ehrlichen Christen ergötzen roerbeit.
Kostet
in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 20 Groschen.
23
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
(12. August 1751.)
Karl Bohn.
1751.
Hamburg.
Horaz.
Bei Johanu
In Großguart auf 2 Bogen.
Dieses
Gedichte beschreibt die Anmut des Landlebens, und den Horaz als den würdigsten
Genießer
desselben.
Deutschland kennt
ih>t ungenannt, ihn
cui liquidum pater Vocem cum cithara dedit . . . Qui persaepe cava testudine flevit amorcm, . . elaboratum ad pedem. Nach dem Beispiel des Horaz rührt er nicht immer entzückende Saiten, und tönet Lieder bann, belebt.
sind
welche jene mens divinior
Dieses, und die meisten seiner moralischen Gedichte,
solche, welche sein Muster sennoni
propiora nennt.
Starke Gedanken, wohlgetroffene Bilder, Ausdrücke quos reddidit junctura novos verraten überall den Dichter, welcher sich zwinget, anstatt seines ganzen Feuers, nur Funken sehen zu
laffen.
Wir wollen nichts mehr davon sagen, und uns be
gnügen, folgmde vortreffliche Stelle herzusetzen. Arell, der Filz, des Wuchers blasser Knecht Zieht auf das Land, vergnügt sich; aber schlecht. So wie ein Sklav, den Furcht und Kette lähmen. Mehr kriecht, als geht, wann wir sie von ihm nehmen.
Was sichtbar ist, sei nur dem Pöbel schön! Die Geisterwelt entzücket den Menen. Wie Demokrit, vertieft er sich in Träume,
Sitzt in dem Wald, und sucht im Walde Bäume.
Nasidien, der Komus unsrer Zeit, Rollt durch das Thor in stolzer Herrlichkeit, Erreicht sein Gut, mit neunundzwanzig Gästen, Wie in der Stadt sich stundenlang zu mästen. Es eilt Quadrat, er, seines Glioms Tribun, Zu Gärten hin, wie seine "Nachbarn thun. Der Blüten Duft, der Blumen Reiz zu fühlen?
Wein: ungestört, und vorteilhaft zu spielen.
24
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Hephästion verläßt die Majestät, Besucht sein Lehn, wo er das Schloß erhöht, Guckt in sein Feld; das Feld ergötzt ihn wenig. Allein warum? Dort sieht er keinen König. hier
und in Potsdam
(21. August 1751.) Hildburgshausrn.
Das vergnügte
Kostet in den Vossischen Buchläden
2 Groschen.
Land- und beschwerliche Hofleben, worin sowohl die
Anmutigkeiten des einen, als auch die Mühseligkeiten des andern auf das artigste abgebildet werden; vor
mals beschrieben in spanischer Sprache von Antonio de Guevara, Bischöfe zu Mondoguedo, Rat, Beicht
vater
und
Kaiser
Historiographo
Karls V.,
jetzo
aber seiner schönen Moralien halber von neuem ins
Verlegt's
Deutsche übersetzt.
1751.
In
Oktav.
11
Bogen.
Joh.
Gotts.
Hauisch.
Unter hundert Dichtern,
welche die Wut des stürmenden Meeres beschreiben, ist vielleicht
kaum einer, welcher sie aus eigner Erfahrung kennt. Hose geht es nicht anders.
Dem
Aus dem Innersten seiner Studier-
stube zieht oft ein Mann wider ihn los, der, ungeschickt sich an demselben zu zeigen, ihn nur mit fremden Augen sieht, und die Meirschen nur aus Büchern kennt, worin sie fast alle
zeit abscheulicher geschildert werden, als sie sind.
Dieser Vor
wurf ist dein Antonio von Guevara zwar nicht zu machen. Er war über achtzehn Jahr an dem Hofe Karls V., wo er
ansehnlichen Bedienungen vorstand, und lernte auf seinen Reisen andre Höfe sowohl als den seinigen kennen.
Allein Guevara
mar ein Geistlicher, und diese Art Leute hat Vergrößrungs gläser, welche auf dem schönsten Gesichte unmerkliche Poros
zu den abscheulichsten Löchern machen. mieren war ihm
eigen.
Und
Die Kunst zu dekla-
welchem Spanier ist sie es
nicht? Eine Kunst, welche durch sinnreiche Gedanken, durch
den Schwung, den sie ihnen zu geben weiß, durch übertriebne
25
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Anwendungen kleiner Geschichten, den Verstand oft so blendet, daß er überzeugt zu sein glaubet.
Die Menschen sind am
Hofe, in der Stadt und auf dem Lande Menschen; Geschöpfe, bei welchen das Gute und Böse einander
die Wage
hält.
Schwachheiten und Laster zu fliehen, muß inan nicht den Hof,
sondern das Leben verlassen.
Beide sind an dem Hofe, wegen
des allgemeinen Einflusses, den sie aus andre Stände haben, mir gefährlicher, aber nicht größer. Von der Übersetzung dieses kleinen Werks können wir nichts sagen, als daß es uns scheint,
es sei dem Guevara darin gegangen, wie es ihm in den Übersetzungen seiner Epistolas familiäres, seines libro aureo de Marco Aurelio, Emperador etc. ergangen ist. elend diese sind, weiß man.
Und wie
Unterdessen wird man sie ver
mutlich wegen der eingestreuten
Gelehrsamkeit,
womit
der
Spanier nicht weniger zu prahlen gewohnt ist, als der Deutsche,
nicht ohne Vergnügen lesen.
Sie kostet
in den Bossischen
Buchläden hier und in Potsdam 4 Groschen. (28. August 1751.) Hannover. Dien meriterait-il bien qu’un komme ent pottr lui des eyards et du respect et qu’il lui en ofsrtt un hommaye publie.? Traduit de /’Alleinund pur une Westphedieune. A Isunnorre aux depens de Jean Christ.. Richter. 1751. In Oktav 12'/« Bogen. Die
Urschrift dieses Werks ist bekannt.
Sie hat sich mit Recht
eine Stelle unter der kleinen Anzahl solcher Bücher erworben,
welche ohne prahlende Gelehrsamkeit die Pflichten der Religion den Herzen mehr einzuflößen, als dem Verstände aufzudringen suchen.
Man hat eine Art des Vortrags dazu gewählt, worin
uns die Alten so viel Meisterstücke geliefert haben, und welchen die Steuern ganz verlassen zu haben schienen; den dialogischen. Alle Schönheiten desselben, die Sprache der Gesellschaft, die Verschiedenheit der Charaktere und Stellungen, die ungezwungnen
Zwischenfälle, die angenehme Unordnung, welche ebenso weit
von der Methode als von der Verwirrung entfernt ist, die
26
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Übergänge, wovon man das Muster iit der Natur der täglichen
Unterredungen findet, sind glücklich erreicht worden.
Die wesent-
lichern Schönheiten des Inhalts werden Lesern von Gefühl
nicht entgehen.
Dem Menschen ist alles eher angenehm zu
macheil, als seine Pflicht, und die Kunst, das Joch der Religion
als ein sanftes Joch vorzustellen, ist zu schwer, als daß sie jeder Gottesgelehrte haben sollte.
Daher kommt es, daß man
gegen ein Werk, von der Art wie das gegenwärtige ist, zwanzig findet, worin man die Theologie als eine Sophisterei treibet,
welche nichts weniger als einen Einfluß auf das Leben hat.
Der Seelenschlaf, das jüngste Gericht, das tausendjährige Reich,
die verklärtm Körper werden noch jetzt in ganzen Alphabeten abgehandelt.
Vortreffliche Gegenstände, welche wenigstens den
Witz der Spötter thätig zu erhalten geschickt sind.
Diesen aber
dlirch ein Leben, welches der Geist der Religioil beherrscht,
lind durch Lehrsätze zu entwaffnen, die durch eine erhabne Ein falt von ihrem göttlichen Ursprünge zeugeil, ist ein Werk, wo-
niit man sich nur uilgerne vermengt, weil es den Herrenhutern eingekonlmen ist, sich damit abzugebeil.
Wir erfreuen uns,
daß man gleichwohl ein Blich voll dieser Gattuilg allgelneilier
zu machen gesucht hat, und zwar in einer Sprache, welche
jetzo den Zoteil und Gotteslästerungen gewidinet zu fein scheinet. Es hat die Übersetzllng vor huildert Streitschriften verdieilt, welche zu nichts dienen, als den Haß zwischen den verschiednen
Sekten zu erhalteil.
Westfalen hat einen guten französischen
Dichter, es hätte also ganz leicht auch eine gute französische Übersetzerin haben können. Kostet in den Vossischen Buchläden
hier und in Potsdam 8 Groschen. (19. Oktober
fälischen
1751.)
Frankfurt.
Gedichten von E. C.
Versuche in west Saepe stylwm vertan,
Herum quae digna legi sunt scripturus.
furt bei Joh. 9 Bogen.
Friedr.
Fleischer.
Horatius. 1751.
In
Frank Oktav.
Es war eine Zeit, da ein schweizerischer Dichter
27
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
ein Widerspruch zu sein schien.
Ter einzige Haller hob ihn.
Warum soll man nicht glauben, das; Haller, als er über den
bei sich eins geworden, ihren ganzen Wert empfunden, und nur aus flberzeugung dieses Titel feiner ewigen Gedichte
Werts sein Vaterland zum Mitgenossen seines Ruhms gemacht
habe?
Von dem Verfaffer der Versuche in westfälischen Ge-
dichteir eben das zu sagen, würde von einer Satire ebenso wenig unterschieden sein, als er von dein Verfasser der poe tischen Erzählungen, die vor einem Jahre herauskainen, unter
schieden ist.
Seine Arbeit ist nicht die schlechteste; man wird
Stellen darin finden, die ein Genie verraten, welches sich das Mechanische der Poesie eigen gemacht hat.
Landsleute zum Model
des
möchten, daran zweifeln wir.
Ob ihn aber seine
westfälischen
Witzes
annehmen
Die Ode auf die Musik hat
man schon in den Nacheiferungeir in den zierlichen Wiffen-
schaften gelesen.
Warum aber der Verfaffer dort F. A. Cons-
bruch und hier E. Consbruch heißt, das missen wir nicht.
Das
letzte Gedicht in diesen Versuchen ist an sein Vaterland über schrieben.
Es soll eine Widerlegung des Verfaffers der Epitres
diverses sein, welcher vielleicht alle Tugenden, nur die Liebe
des Vaterlandes nicht besitzet, wenn sie anders eine ist.
Die
Wahrheit zu gestehen; wenn wir entweder auf unser Vaterland
sinnreich lästern, oder es elend verteidigen sollten, mir wählten das erste.
Neugierigen Lesern zum Anbiß wollen mir folgende
Erzählung von der 118. Seite hierher setzen.
Harpagon. Als Harpagon, der sich zum reichen Mann gelogen, Sein einzig Kind dem alten Veit versprach.
Ward Agnes nicht zu Rat gezogen;
Denn Veit ließ ihm den Brautschatz nach. Man führt das arine Kind mit Thränen zum Altare,
Wo Veit sein Jawort keuchend sagt: Ein Wort, das mancher viele Jahre Mit Schmerz bezahlt und oft beklagt.
28
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Tie Und Ach, Bon
schweigt bestürzt und weint, der Priester neigt sich hin. fragt: Erkläret Euch; Ihr wollt den Bräut'gam doch? spricht sie, guter Freund! Ihr seid der erste noch, dem ich dieserhalb um Nat gcfraget bin!
Sonst nennt man die Erzählungen nach der Hauptperson, und
hier ist sie wenigstens nicht Harpagon.
Kostet in den Vossi-
schen Bnchläden hier und in Potsdam 6 Groschen. (2. November 1751.) Paris. Amuseniens d’un prisoiinier. Par re, nee incideo, sine nie Uber ibis in urbem; llett mihi! (jiuxl domino non lieet ire tun! l rechtfertigen braucht. Wir wollen zum Lobe desselben weiter nichts sagen, als daß es denjenigen, welche nur einigermaßen
von der allervollkommensten Art der Gedichte kunstmäßig reden wollen, unentbehrlich ist. Der Herr Übersetzer hat es ihnen durch verschiedene Anmerkungen, welche größtenteils nichts als
kleine Anwendungen auf einige unserer neusten deutschen Hel dendichter enthalten,
noch brauchbarer geinacht.
Sein Ver-
fahren scheint uns übrigens sehr klug, daß er keinen tadelt als die Verfasser des Messias und Noah,
Empfindlichkeit der
und sich für die
andern so viel möglich in
acht nimmt.
Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 18 Groschen. (23. August
1753.)
Deutsche übersetzt,
Aristoteles'
Dichtkunst
Anmerkungen und
mit
ins
beson
dern Abhandlungen versehen von Michael Konrad Curtius,
Göttingen
der
deutschen
Königl.
Mitgliede.
Gesellschaft
in
verlegt's
Joh.
Chr. Richter 1753. In Oktav. 1 Alphabet 5 Bogen.
Unter
Hannover,
allen Schriften des Aristoteles sind seine Dichtkunst und Rede-
klinst
beinahe die
einzigen, welche bis auf unsre Zeiten ihr
Ansehen nicht nur behalten haben,
sondern noch fast täglich
einen neuen Anwachs desselben gewinnen. Ihr Verfasser muß notwendig ein großer Geist gewesen sein; man überlege nur
dieses: kaum hörte seine Herrschaft in dem Reiche der Welt
weisheit auf, als man durch diesen erloschenen Glanz einen
andern in ihm entdeckte, den kein Araber, und kein Scholastiker wahrgenommen
hatte.
Man
erkannte ihn als den tiefsten
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
43
Kunstrichter, und seit der Zeit herrscht er in dein Reiche des (Ge
schmacks unter den Dichtem und Rednern ebenso unumschränkt, als ehedem unter seinen Peripatetikern.
Leine Dichtkunst, oder
vielmehr das Fraginent derselben, ist der Quell, aus welchem
alle Horaze, alle Boileaus, alle Hedelins, alle Bodmers, bis sogar auf die Gottscheds, ihre Fluren bewässert haben. Dieser hat uns schon seit vielen Jahren auf eine deutsche Übersetzung derselben warten lassen; und warum er sich endlich doch einen alldem damit hat zuvorkommen lassen, können wir nicht sagen,
es müßte denn die griechische Sprache und seine eigne Dicht kunst, welche keine weder über sich noch neben sich leiden will,
daran schuld sein.
Herr Curtius
besitzt alle Eigenschaften,
welche zu Unternehmung einer solchen Arbeit erfordert wurden;
Kenntnis der Sprache, Kritik, Litteratur und Geschmack. Seine Übersetzung ist getreu und rein; seine Anmerkungen sind ge lehrt, und erläutern den Text hinlänglich; und seine eigne Ab
handlungen
sehr viele schöne Gedanken von beut
enthalten
Wesen und dem wahren Begriffe der Dichtkunst; von den Personen und Handlungen eines Heldengedichts, von der Ab
sicht des Trauerspiels, von den Persoiten und Vorwürfen der Komödie,
der Alten.
von der Wahrscheinlichkeit, und von dem Theater
Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in
Potsdam 16 Groschen.
G. E. Lessings Schriften.
(13. November 1753.)
Erster und zweiter Teil. Berlin bei Christ. Fr. Voß. 1753. In Duodez. 1 Alphabet 3 Bogen. Der erste Teil dieser Schriften enthält zwei Bücher Lieder, Fabeln, Siitltschriften und
Fragmente ernsthafter Gedichte.
Diese letzteren hat der Ver
fasser seinen Lesern nicht ganz mitteilen wollen, vielleicht ihiten
den Ekel ztt ersparen, den er selbst etnpfttnden hat, wenn er,
um einige wenige schöne Stellen gelesen zu haben,
nicht wenig schlechte,
und
sehr viel mittelmäßige
zugleich
hat lesen
müssen. Der zweite Teil bestehet aus Briefen, die man, wenn
44
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
man will, freundschaftliche Briefe eines Pedanten nennen kann.
Wenn es übrigens wahr ist,
daß verschiedene von
den in
dieser Sammlung enthaltenen Stücken den Beifall der Kenner,
gedruckt oder geschrieben, schon erhalten haben, so kann inan
vielleicht vermuten, daß ihnen die Sainmlung selbst nicht znivider sein wird. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 16 Groschen. (25. Dezember
Briefe ton Verstorbenen an Zürich bei Orell. MDt'CLJlI.
1753.)
hinterlassene Freunde. In Quart.
16 Bogen.
Dieses ist eitles vo>l den Meisterstücken,
mit welchen uns in vergangener Messe die Schweiz beschenken wollen, die sich lange genug mit trocknen Regeln beschäftiget
hat, und nunmehr auch die Muster dazu geben will.
Es ist
aus der Feder des Herrn Wielands, eines so fruchtbaren Geistes,
daß die Vielheit seiner poetischen (Geburten beinahe
ein Vorurteil wider ihren innern Wert sein könnte, wenn ihm der Gott der Kritik nicht stets zur Rechten stünde,
durch sein cave faxis te quidquam indignum!
gleicher Stärke zu erhalten weiß. Reiche der Toten sind,
der ihn
immer bei
Daß es Briefe aus dem
sieht man aus dem Titel; und daß
diese Einkleidung keine Ersinduilg des Herrn Wielands ist,
werben diejenigen wissen, welche die Briefe der Frau Rowe
und andre dieser Art kennen.
Es stirb deren nenne, welche
alle voller Seligkeiten, Tugend und Freundschaft sind, so daß
uns schon der Inhalt mit aller Achtung davon zu reden be wegen muß. Überall herrscht darin das Feinste der feinsten Empfindungen; und die Nachrichten, die uns von dem Himmel
mitgeteilt werbe«,
sind
neu und kurios.
Wein die Briefe
selbst ein wenig zu lang Vorkommen sollten, der mag über
legen, daß die (Gelegenheiten aus jenem in dieses Leben jetziger Zeit sehr rar sind,
und
man also den Mangel des öfter«
Schreibens durch das viel Schreiben ersetzen muß. Sonst aber
haben wir durch eine neuere Nachricht von dorther erfahren.
45
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
daß man eine scharfe Untersuchung
angestellt,
die
wahren
Wanten dieser Korrespondenten, eines Innins, einer Lncinde, eines TeanorS, und wie sie alle heißen, zu entdecken, um es
ihnen ernstlichen zu verweisen, daß sie sich unterstanden haben,
wider das: Sie haben Mosen und
zu handeln.
die Propheten 2c.
Kostet in bett Vosfischen Buchläden hier und in
Potsdam 10 Groschen.
Gleich
(•27. Dezember 1753.)
jetzo
erhalte
ich
zwei
Bogen in Oktav, welche in Halle bei Gebauern unter folgender
Aufschrift
gedruckt
sind:
Samuel
Gotthold
Laugens
Schreiben an den Verfasser der gelehrten Artikel
in dem Hamburgischen Korrespondenten wegen der im 178. und 179. Stücke eingedruckten Beurteilung der Übersetzung des Horaz. Der Herr Pastor Lange hat mir
darin
die
Ehre
angethan,
auf
meine Kritik
zu
antworten; uitd sich die Schande, es auf eine so abgeschmackte
Art ztt thun, daß ttichts darüber geht. Indem er seine Fehler etttschuldigen will, macht er neue, einen über den andern. Sie
scheitien mir unter sich zu wetteifern, welche ihn ant lächer lichsten machen können; und es gelingt ihnen so gut, daß ich
einige Tage Bedenkzeit haben muß, wenn ich bett Ausspruch thun soll. Eitt einziger Punkt ist es, über welchen ich ntich nicht
zeitig genug erklären sann. Was ich mir nie von einem vernünftigeit Manne,
geschweige
von
Geistlichen
einem
ver
mutet hätte, muß ich von ihm erfahren, von ihm, der meine Vermutung nicht das erste Mal übertrifft.
Er greift meinen
moralischen Charakter an, auf welchen es bei graiimtatikalischett
Streitigkeiten, sollte ich meinen, nicht anfätne.
Er giebt mir
auf der 25. Seite einen recht abscheulichen Anstrich; er macht
mich
zu
einem kritischen Breteur,
welcher
die
Schriftsteller
herausfordert, damit sie ihm die Ausforderttitg abkaufett sollen.
Ich weiß hierattf nichts ztt antworten als dieses: daß ich hier vor aller Welt den Herrn Prediger Lange für den boshafte-
46
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
sten Verleuinder erkläre, wenn er mir die auf der angeführten
Seite gemachte Beschuldigung nicht beweiset.
Ich lege ihm
eine Unmöglichkeit ans; mir aber ist das Gegenteil zu erhär ten eine Kleinigkeit; und zwar durch das schriftliche Zeugnis
eben des dritten Mannes,
auf welchen er sich beruft.
Ich
will es in meiner Antwort der Welt vorlegen, lind man wird
daralls erkennen,
daß mir die angemutete Niederträchtigkeit
nie in den Sinn gekommen
ist.
Ich
bin
bis dahin sein
Diener. Gotthold Ephraim Lessing.
(17.
Januar
1754).
Ein
I\uk-
»uvum
für
den
Herrn Sam. Gotth. Lange, Pastor in Täublingen, in diesem Taschenformate angefertiget von G. E.
Lessing.
Berlin 1754.
Auf 4 Bogen in Duodez.
Wenn
es wahr ist, daß die Werke des Horaz eine Hauptquelle des Geschmacks sind, und daß man nur aus seinen Oden, was
Oden sind, lernen kann; wenn es wahr ist, daß man gegen
die deutschen Übersetzungen aller klassischen Schriftsteller über
haupt, nicht scharf genug sein kann, weil sie die vornehmsteil Verführer sind, daß sich die Jugend die Originale nur oben
hin zu verstehen begnügen läßt; wenn es wahr ist, daß die Fehler solcher Männer, die ohne eine tiefe kritische Kenntnis der alten Dichter, würdige Nachahmer derselben heißen wollen,
ansteckender als andrer sind: so wird man hoffentlich die kleine Streitigkeit, die man dem Herrn Pastor Lange wegen seines
verdeutschten Horaz erregt hat, nicht unter die allergering schätzigsteil, sondern wenigstens unter diejenigen Kleinigkeiten
rechnen, die nach dem Aussprüche des Horaz ernsthafte Folgen haben; hae nugae seria ducent.
Herr Lange hätte nichts
Unglücklichers für sich thun sönnen, als daß er auf die Lessingsche Kritik mit so vielem Lärmen geantwortet hat.
Wenn er
sich dieselbe in der Stille zu nutze gemacht hätte, so würden vielleicht noch manche in den Gedanken geblieben fein, daß die
47
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
darin getadelten Stellen die einzigen tadelswürdigen wären.
Ans diesen Gedanken
aber werden hoffentlich auch seine ge
schworensten Frennde durch dieses Vade meeuin gebracht wer den, welches seinen Namen aus der abgeschmackten Langenschen Spötterei
über
das
unschuldige
Schriften erhalten hat.
Format
der
Lessingschen
Der Verfasser zeigt ihm darin un-
widersprechlich, daß er weder Kenntnis der Sprache noch Kritik,
weder Altertümer noch Geschichtskunde, weder Wissenschaft der
Erde noch des Himmels, kurz, keine einzige von den Eigen schaften besitze, die zu einem Übersetzer des Horaz erfordert werden.
Wir würden einige kleine Proben davon anführen,
wenn es nicht beinahe zu viel wäre, daß der Herr Pastor seine Beschämung air mehr als einem Orte finden sollte.
Kostet
in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 4 Groschen.
(26. Februar 1754.) Hamburg 1753.
Die Advokaten, ein Lustspiel.
In Oktav 4 Bogen.
Nichts kann unbilliger
sein, als die Verspottung eines ganzen Standes in der Person
eines einzigen, in welcher man die Laster aller Mitglieder zusammenhäust.
Gemeiniglich beschäftigen sich nur mittelmäßige
Köpfe damit, die den Gegenstand ihrer Satire, so zu reden,
von der öffentlichen Straße nehmen müssen, und sonst nichts
Lächerliches zri entdecken wissen, als was der Pöbel schon aus gepfiffen hat.
Solchen Schriftstellern haben wir die Geist
lichen auf dem Lande, die Ärzte, und andre Stücke zu danken,
mit welchen das gegenwärtige, die Advokaten, sehr viel Gleiches hat.
Es
ist ebenso giftig,
und ebenso unregelmäßig:
der
Verfasser hat ebensowenig die wahren Schranken der Satire
gekannt, und das Komische ebensowenig von dem Poffenhaften
zu unterscheiden gewußt.
Man wird uns nicht zumute», in
unserm Tadel diesesmal bestimmter zu gehen, und die fehler
haften Stellen näher anzuzeigen, weil mit einzelnen kleinen Verbefferungen einem Stücke nicht geholfen wird, das sich nicht
anders als mit einem Striche durch alle vier Bogen gut machen
48
läßt.
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Kostet in den Vossischen Buchlädcn hier und in Pots
dam 2 Groschen.
(3o. Mai 1754.)
schwankenden
Zergliederung der Schönheit, die
Begriffe
von
dem
Geschmacke
setzen, geschrieben von Wilhelm Hogarth.
Englischen übersetzt von C. Mylius.
Linde 1754.
Kupfertafeln.
festzu
Aus dem
London bei And.
In Quart auf 20 Bogen nebst zwei großen
Herr Hogarth ist unstreitig einer der größten
Dialer, welche England jemals gehabt hat. berühmt gemacht, ist dieses, daß
er
Was ihn besonders
in alle seine Gemälde
eine Art von satirischer Moral zu bringen gemußt, die das
Herz
an dem
Natur,
Leben
teilzunehmen
Vergnügen der Augen
und
Reiz
hat
nötiget.
man durchgängig darin be-
wulldert, und diese bei ihm für die Wirkungen eines glück
lichen Genies gehalten, bis er in dem gegenwärtigen Werke zeigte, daß auch ei» tiefes Nachdenken über die Gegenstände
seiner Kunst damit verbunden gewesen.
Und diesem Nach
denken eben haben wir eine Menge neuer Ideen zu danken,
die in der ganzen Materie von der Schönheit ein Licht an zünden, das man nur von einem Manne erwarten konnte, dem
auf der Seite des Gelehrten ebensowenig, als auf der Seite des
Künstlers
fehlte.
Hauptstücke abgeteilt.
Er
hat
seine
Schrift in
siebenzehn
In den ersten sechsen handelt er von
den schon bekannten Gründen, von welchen man durchgängig zrigesteht, daß sie, wenn sie wohl vermischt werden, allen Arten von Zusammensetzungen Annehmlichkeit und Schönheit geben.
Diese Gründe sind: die Nichtigkeit, die Mannigfaltigkeit, die Gleichförmigkeit, die Einfachheit, die Verwicklung und die Größe,
welche alle bei Hervorbringung der Schönheit zusammenwirken, indem sie einander gelegentlich verbessern und einschränken.
In
dein siebenten Haliptstücke wendet er sich zu den Linien, in
welche alle Formen eingeschlossen sein müssen, und findet, daß die wellenförmige Linie die wahre Linie der Schönheit, und
49
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
die Schlangenlinie die wahre Linie des Reizes sei.
Ans der
Betrachtung dieser beiden Linien beruht das ganze Hogarthsche System von der Schönheit.
Er zeigt nämlich, wie aus ihrer
Zusammensetzung alle angenehme Formen entstehen, und ivie
wunderbar sie besonders in dem Meister-stücke aller sinnlichen
Schönheit, in beut menschlichen Körper, angebracht sind.
Auch
in den übrigen Hauptstücken, wo er von den Verhältnissen, von dein Lichte und Schatten, und von den Farben redet, zeigt er ihren Einfluß, welcher sich besonders in dem 16.
Hauptstücke von der Stellung am meisteir äußert.
Alan darf
nicht glauben, daß bloß Maler und Bildhauer oder Kenner dieser beiden Künste das Hogarthsche Werk mit Nutzen leseit
können.
Auch Tanzmeister, Redner und Schauspieler wer
den die vortrefflichsten Anmerkungen darin finden, und noch mehrere durch kleine Anwendungen selbst daraus ziehen können. Ja sogar Dichter und Tonkünstler werden, vermöge der Ver bindung, welche alle schönen Künste und Wissenschaften unter
einander haben, ähnliche Gründe der Schönheit in den Werken
des
Geistes
und
der
Töne
darin
entdecken,
und
ihren
schwankenden Geschmack auf feste und unwandelbare Begriffe
zurückbringeit lernen.
Die
zwei
dabei befindlichen Kupfer-
tafeln sind von der eignen Hand des Herrn Hogarths, die ihnen mit Fleiß nicht mehr Schönheit gegeben hat, als sie zum Unterrichten nötig haben. Von der Güte der Übersetzung
dürfen wir hoffentlich nicht viel Worte machen, da sie sich
voit einem Manne herschreibt, der selbst mit bem Schönen in der Natur und Kunst bekannt war, und den wir zu beider
Ausbreitung viel zu zeitig verloren haben.
Sein Attsenthalt
in Londoit verschaffte ihm Gelegenheit, den Herrn Hogarth selbst bei der Übersetzung zu Rate zu ziehen, welches er auch so oft gethan zu haben versichert, daß matt seiner Übersetzung
Kostet in
dadurch eine Art von Authenticität beilegen kann.
der Vossischen Btichhandlttng hier und in Potsdam 5 Reichs
thaler. Lessing, 26erke. V.
1
50
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
(4. Juli 1754.) Der mit seiner Donna Charmante
herumirrende Ritter Don Felix. zig 1754.
In Oktav.
Frankfurt und Leip
1 Alphabet 10 Bogen.
Wenn dieser
Titel nicht scholl eilten elenden Roman verriete, so dürften wir nur sagen, daß es ungefähr eine Nachahmung der bekannten
Felsenburg sein solle.
Sie ist, welches wir zugestehen müssen,
unendlich elender als das Original; aber eben deswegen, wenn
wir uns nicht irren, weit lesbarer.
Was wir sagen, ist leicht
zu begreifen, wenn man nur erwägen will, daß in den Werken
des Witzes nichts ekelhafter als das Mittelmäßige ist; und daß hingegen das ganz Schlechte,
wenn es einen gewissen
Grad der Tiefe erlangt hat, eben deswegen, weil man es sich schwerlich schlechter einbilden kann, eine Art von Belustigung
bei sich führt.
Man fängt nämlich alsdann an, sich an der
Armut des Schriftstellers, an den Martern, die er seiner Ein bildungskraft hat anthun müssen, an den gestohlnen Blüm chen, und an dem Wirrwarre seines Ausdrucks zu ergötze«;
man urteilt, wie sehr er selbst seine Einfälle möge bewundert haben; man ist im Geiste bei ihm, und genießt mit ihm das
Vergnügen, durch ganze Alphabete nicht die geringste Spur eines gesunden Verstandes zu finden; und endlich verläßt man
ihn mit einem wahren
Erstaunen,
welches in Satire und
Galle ausbrechen würde, rocntt sich nicht die Barmherzigkeit
für ihn ins Mittel schlüge.
Aus diesen Gründen also wagen
wir es, auch Lesern von Geschmack die Donna Charmaule an
zupreisen; sie kostet
ein weniges,
Appetit nach etwas Bessern.
und
erweckt ganz
gewiß
In den Vossischen Buchläden hier
und in Potsdam 10 Groschen.
(15. August
1754.)
Die ganze Ästhetik in einer
Ruß, oder Reolvgisches Wörterbuch; als ein sichrer Kunstgriff, in 24 Stunden ein geistvoller Dichter und
Redner zu werden, und sich über alle schale und hirn
lose Reimer zu schwingen.
Alles aus den Accenten
51
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
der heiligen Männer und Barden des jetzigen über
reichlich begeisterten Jahrhunderts zusainmengetragen,
und den größten Wortschöpfern unter denselben aus
dunkler Ferne geheiliget von einigen demütigen Ver ehrern der sehraffischen Dichtkunst 1754.
1 Alphabet 10 Bogen.
In Oktav.
Dieser Titel ist hoffentlich lang und
närrisch genug, um einen hinlänglichen Begriff von dem Buche
selbst zu machen.
Wenn man es eine Nachahmung des fran
zösischen Dictionnaire neologique nennen will, so vergesse inan nur nicht, es eine elende Nachahmung zu nennen, so wie
man sie von einem geschwornen Gottschedianer erwarten konnte.
Wir machen uns Hoffnung, diese Scharteke in dem nächsten Stücke des Neuesten aus der anmutigen Gelehrsam
keit, etwa folgendermaßen angepriesen zu finden:
„Endlich
„einmal ist ein Patriot unter uns aufgestanden, welcher den
„deutschen Sprachverderbern den Tert gelesen, und zu Rettung „meiner Ehre bewiesen hat, daß alle diejenigen Ochsen sein
„müssen, welche an Hallern, Bodmern und Klopstocken einen
„Geschmack finden.
Man kann ihm für seinen rühmlichen
„Eifer, meine Sprachkunst den Dichtern als das einzige an„zupreisen, wider welches sie nicht sündigen dürfen, nicht genug „danken.
Ein grammatikalischer Fehler, und wenn er auch
„oft nur auf einen Druckfehler hinauslaufen sollte, ist ihm,
„ivie billig, ein Schandfleck, der alle Schönheit des Gedanken „vernichtet, von welcher ich längst gesagt habe, daß sie einzig „und allein auf die richtigen,
fließenden und gewöhnlichen
„Ausdrücke ankomme, wie ich sie in meinen Werken habe,
„die in jeder Art, ohne Ruhm zu melden, Muster sein können. „Mit dem Geiste der Satire ist unser Verfaffer vortrefflich
„ausgerüstet; er schreibt in Tag hinein, er schimpft, er macht „Zoten, welches ich alles denjenigen, kraft meiner Diktatur,
„erlaube, die sich meiner gerechten Sache annehmen.
Nun-
„mehr habe ich, Gott sei Dank, noch Hoffnung, daß unser
„Hermann über den Messias, meine Gedichte über Hallers,
52
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
„Grimms Tragödien über Schlegels, Lichtwers Fabeln
„über Gellerts, meine Atalanta über Rofts Schäfergedichte, „und alle Geburten meiner getreuen Schüler über alle Werke
„derjenigen, die meinen Namen nicht anbeten, siegen werden. „Ich wünsche dieses herzlich zur Ehre des gesamten Vater„landes, und will in guter Hoffnung auch diese Monatschrift „mit einigen Artikeln aus angezognem Buche bereichem."-------Das mag er thun; wir wollen weiter davon nichts sagen, als
daß es 12 Groschen kostet, und in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam zu haben ist.
(17. September 1754.)
Leipzig.
Allda sind vor kurzem
drei Bogen in Duodez auf Schreibpapier unter dem Titel: Possen im Taschenformate, gedruckt worden.
Ihr Ver-
faffer, oder wenigstens ein guter Freund von ihm, hat die
Vorsicht gehabt, uns folgende Recension davon zuzuschicken. „Wir sind für das Feine und für das Muntere in der Satire „viel zu stark eingenommen, als daß wir gegenwärtigen Bogen „nicht ihr gebührendes Recht sollten widerfahren kaffen.
Der
„Herr Verfaffer hat seine Poffen in lauter kleine Kapitel ge„teilet, in deren jedem er ein gewisses Etwas abhandelt.
Als
„z. E. etwas Moralisches, etwas Poetisches, etwas Historisches, „etwas Kritisches u. s. w.
Die Herren Kunstrichter bekommen
„hier ebensowohl ihren Teil, als die strengen Philosophen,
„die jede sonnenklare Wahrheit auf das abstrakteste demon-
„strieren wollen.
Der Verfaffer hat dem Frauenzimmer ebenso
„lachend die Wahrheit gesagt,
als den finstern Altertums-
„forschern.
5 Handlungen ist
Ein Lustspiel von
„5 Duodezseiten zu sehen.
hier auf
Es hat alle erforderlichen Eigen-
„schaften eines Lustspiels, und der Leser wird über dieses eben„sogut lachen müssen, als er über eines von 4 Stunden lacht.
„Die Handlung des gegenwärtigen dauert 6 Stunden.
Die
„Beschreibung von Utopien ist sehr lehrreich, und die ver„schiednen Arten der Waffen sind voller Witz; kurz diese drei
53
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
„Böge« enthalten so viel, als nianche Satire von drei Alpha-
„beten."-------- Daß wir diese Lobsprüche unverändert mit teilen,
kann man aus dem
142.
Blatte der Hallischen
Zeitung erkennen, wo man ebendasselbe Formular, nur mit
einem etwas veränderten Anfänge, finden wird. nämlich daselbst:
Es heißt
„Es ist bekannt, bei was für Gelegenheit
„diese Art kleiner Schriften jüngst Mode zu werden angefangen
Man versteht Sie, mein Herr Panegyrist!
„hat."
Und da-
mit Sie auch alle und jede verstehen mögen, so wollen wir es nur gerade heraussagen, daß diese Possen, welche
— — — — — — ipse Non sani esse hominis, non sanus juret Orestes, eine Satire auf das Format und die zufällige Einrichtung der
Lessingschen Schriften, allem Ansehen nach, sein sollen. Sie kosten drei Groschen; aber auch drei Groschen giebt man
Was war also zu thun, damit sie
nicht für Possen hin.
gleichwohl bekannt würden?
Ohne Zweifel hat der Verleger
dieser Blätter den besten Einfall gehabt, den man in dieser Absicht nur haben kann.
ist
und
entschlossen
Er hat sie nämlich nachdrucken lassen,
sie für ihreil innerlichen Wert zu ver
kaufen, das ist, sie umsonst auszugeben.
Sie stehen in den
Vossischen Buchläden hier und in Potsdam den Liebhabern ju Dienste. (8. Oktober 1754.)
sons.
Geschichte Herrn Karl Grandi-
In Briefen entworfen von dem Verfasser der
Pamela und der Clarissa. setzt.
III. Band.
Handlung 1754.
Leipzig
In Oktav.
Aus dem Englischen über
in der Weidemannischen
1 Alphabet.
16 Bogen.
Man
muß die ersten Teile dieser Geschichte nicht gelesen haben, wenn mail auf die Fortsetzung derselben nicht äußerst begierig ist. Und es wird ohne Zweifel eilt kleiner Strich sein, den man
der deutschen Neugierde spielt, daß sie jetzt mir einen Teil da von erhält, anstatt auf zwei gehofft zu haben.
Das Meister-
54
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
stück des Richardson sollte billig allen andern Büchern dieser Art die Leser entziehen; und wir hoffen auch, daß es ge schehen werde, wenn anders die in allen ihren Reizungen ge
schilderte Tugend noch fähig ist, die Menschen für sich einzu nehmen.
Kostet in den Vossischeit Bnchläden hier und in Pots
dam 14 Groschen.
(24. Oktober 1754.)
Das Publikum hatte vor einigen
Wochen die Gütigkeit, ein paar Bogen Makulatlir, unter der
Aufschrift, Possen, in den Vossischen Buchläden abzuholen;
aber doch nicht so häufig, als man wohl wünschen mögen: denn so wohlfeil der Verleger auch diese seilte Auflage geinacht
hatte, so wäre sie ihm doch wenigstens zur Hälfte auf dein Halse geblieben, rocnit er sich nicht kurz und gut eittschlossen hätte, noch in jeden Vutterkeller ein Dutzend Exemplare ztl schicken, um sie deit Lesern mit Gewalt aufztldringen.
Gleich
wohl hat mait in Leipzig noch eine dritte Auflage veranstaltet,
tiitd was das Soitderbarsle dabei ist, so verspricht man sich
ausdrücklich auf dem Titel
davon,
daß man sie loszu-
werden hoffe, ohne sie gratis auszugeben.
Diese Hoff
nung kann sich unmöglich auf etwas anders, als auf die dazu gekommenen Vermehrungen grüitden, welche wir notwendig an
zeigen müffen, damit die Liebhaber selbst urteilen können, ob
sie ivichtig genug sind, nm dasjenige noch einmal für 3 Gro schen zu kaufen, was sie bereits umsonst bekommen haben.
Die erste Vermehrung also ist ein sauberes Stöckchen, welches
das Titelblatt zieret.
Es stellet einen Satyr vor, der mit
einer Keule uni) einem Schwerte bewaffnet ist, unb neben sich,
man kann nicht eigentlich erkennen, ob einen Hund, oder eilte
Katze, oder gar einen Bär stehen hat. vorstelle, wollen wir gleich sagen.
Wen dieses Bildchen
Der Verfaffer der Possen,
oder kürzer der Poffenreißer, wollte sich anfangs gar nicht nennen, ohne Zweifel, weil er ganz in der Stille den Beifall
der Welt abzuwarten gedachte.
Nunmehr aber, da er sieht.
55
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
daß dieser Beifall so außerordentlich gewesen ist, so ist sein Ehrgeiz auf einmal aufgewacht.
borgnen
hervorzutreten,
und
Er fängt an aus dem Ver schickt deswegen
feilt Bildnis
voraus, ehe er uns durch seinen Namen überraschen will.
Erst
war er ein Anonymus; jetzt ist er ein Pseudonymus, denn über das
gedachte
hat er
Stöckchen
den
Namen
Toelpel
schneiden lassen, von welchem er aber leicht hätte voraussehen
können, daß er ihn gar zu deutlich verraten würde.
Die
zweite Vertnehrung bestehet in einer Erklärung hinter der Titel
seite, und welche dieses Inhalts ist, daß der Verfasser mit seinen Possen nicht nur einen Narren, d. i. nicht sich nur selbst, sondern noch hundert Narren zugleich, d. i. alle seine
Bewunderer, wenn deren anders hundert sein können, habe
lächerlich machen wollen.-------- Weiter finden wir nichts ver
ändert noch hinzugesetzt, welches sich auch nicht wohl würde haben thun lasten, weil diese sogenannte dritte Auslage bloß
aus einem umgedruckten Titelbogen entstanden ist.
Sollte man
nun also durchaus nicht 3 Groschen dafür bezahlen wollen, so könnte doch wohl noch dazu Rat werden, daß man auch eine
vierte Auflage «ach dieser dritten, für eben den Preis, als die
zweite, machte.
Allein diejenigen, welche ein Exemplar davon
verlangten, würden die Gütigkeit haben müssen, vorher darauf zu subskribieren, damit man ganz gewiß sein könnte, daß sie
es auch hernach umsonst nehmen würden.
Wer sich mit zwei
Exemplaren belästigen will, soll das zuvorbeschriebene Bildnis
des Verfassers, nach vergrößertem Maßstabe gleichfalls in Holz geschnitten, obenein bekommen.
Es wird mit dem wahren
Namen desselben prangen, welchen wir eben jetzt erfahren haben. Ein sehr berühmter Name;
wahrhaftig!
Und der noch be
rühmter werden soll! (9. November 1754.)
llagout ä la mode oder des
Neologischen Wörterbuchs erste Zugabe von mir selbst 1755. In Oktav 1 */« Bogen.
Wenn das Neologische Wörter-
56
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
buch, oder, es bei beut abgeschmacktem Titel zu nennen, wenn die Ästhetik in einer Nuß nur den geringsten Schaden ange
richtet oder auch nur Leser geftiuden hätte,
so würden wir
nicht ermangeln, dieses Ragout als ein vortreffliches Gegen gift anzupreisen.
Da sie aber in einem Augenblicke erschien
und vergeffen ward, so befürchten wir fast, daß ein gleiches Schicksal auch ihre Zugabe, unschuldigerweise, treffen werde.
Unterdessen ist es doch recht gut, daß man den Narren nach ihrer Starrheit antworte, und ihnen keine Gegenrede schuldig bleibe, damit sie es auch selbst erfahren, daß sie Narren sind.
Das Ragvllt bestehet anS einer Unterredung zwischen einem
Schüler unb seinem Lehrmeister.
Man hat diese katechetische
Methode ohne Zweifel wegen der Deutlichkeit gewählt, um es fein einem jeden begreiflich zn machen, daß nicht allein der
Verfaffer des Wörterbuchs ein seichter Kopf und förmlicher Pasquillant sei, sondern auch, daß der Herr Professor Gott
sched mit mehrerm Rechte als Bodmer und Klop stock unter die neologischen Schriftsteller gehöre; es müßte ihm denn etwa
dieses zur Eutschuldiglmg dienen, daß er bloß aus kriechender Armut, und gar nicht aus Begierde etwas Kühnes und Uner
wartetes zu sagen, ueologisiere.
Die Beweise hiervon kann
man in der Zugabe selbst nachsehen.
Wir wollen uns nicht
länger dabei aufhalten, sondern dem Leser nur noch eine Sinn
schrift mitteile», die der Träumer eines gewissen Traumes als das von uns verlangte Recepisse ansehen kann.
Man wird
sich der vortrefflichen vier Zeilen des Herrn von Hallers er
innern :
Kurzsichtiger! Du siehst die Mach' deinen Den nicht zu
dein Gram hat dein Gesicht vergället, Dinge schwarz, gebrochen und verstellet: Raupenstand und deinen Tropfen Zeit, deinem Zweck, die nicht zur Ewigkeit.
Weil diese Zeilen den poetischen Maulwürfen von jeher ein
mächtiger Anstoß gewesen sind, so machen wir uns ein Ver gnügen daraus, ihnen eine Parodie daraus mitzuteilen, die
57
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
wir von guter Hand bekommen Ijaben.
Sie ist an den Ver
fasser des Wörterbuchs gerichtet, und lautet also: Kurzsichtiger! der 9ieib hat dein Besicht vergället. Du siehest Hallern schwarz, gebrochen und verstellet: Mach' deinen matten Witz, dein wenig Wissen, Flegel, Dies nicht zur Deutlichkeit, den nicht zur Schreibartregel.
Wenn er, oder diejenigen Herren Gottschedianer, die an dem das Flegel zu hart finden sollten,
Wörterbuche teilhaben,
so möge« sie überlegen, daß man des Reimes wegen vielmal etwas sagen muß, was man außer dem Reime nicht gesagt
hätte.
Doch man hat es nicht einmal nötig, ihnen diese Eut-
schtildigling zu machen, weil sie weit größere Grobheiten wider andre Leute, als sie sind, ausgestoßen haben.--------- Das
Ragout kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Pots dam 2 Groschen.
Gedicht, dem Gedächtnisse des
(9. Januar 1755.)
Herrn von Hagedorn gewidmet.
Schröders Erben.
Braunschweig, bei
In Quart 2'/r Bogen.
Man wird es
bereits aus andern öffentlichen Blättern wisien, daß der Herr Zachariä der Verfasser dieses Gedichts ist.
Wir wiederholen
seinen Namen hier um desto lieber, weil er uns der formellen Lobsprüche überhebt, die das Publiklim in Ansehung der vor züglichen Geschicklichkeit würden.
dieses
Dichters
nichts Neues lehren
in seinen scherzhaften Epopöen, als
Hat man ihn
in seiner Sphäre bewundert, so wird man Hut auch hier nicht
außer derselben finden; so wenig auch die Gabe scherzhafter Einfälle und die Gabe
zärtlicher
gemein zu haben scheinen.
Empfindungen miteinander
Auch in das Lob desjenigen un
sterblichen Dichters wollen wir lins nicht einlassen, deffen Tod
Herr Zachariä, und mit ihm Germanien, beweinet.
Er war
zugleich der rechtschaffenste und großmütigste Mann, und we nigstens hiervon einen kleinen Beweis einzurücken, können wir uns
58
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
unmöglich enthalten.
Auf der 15. Seite läßt Herr Zachariä
die Dichtkunst sagen: Ihr sahet ihn so oft, in dem geheimern Leben, Verdiensten ihren Rang, sein Lob der Tugend geben;
Ihr saht ihn immer groß, und freundschaftlich und frei. Der wahren Weisheit Freund und Feind der Heuchelei. Mich dünkt, ich höre noch die edle Menschenliebe, Die sanft, voll Wohlthun spricht; die jeder Großmut Triebe Für dich, o Fuchs, erregt; und aus der Dürftigkeit Mit britt'schem Edelmut verkannten Witz befteit. Zu diesen letzten Zeilen macht der Verfasser folgende Anmer
kung: „Herr Gottlieb Fuchs, der seit einigen Jahren Pre„diger in Sachsen ist, und sich unter dem Namen des Bauern-
„sohnes durch verschiedene glückliche Gedichte bekannt gemacht „hat,
kam
ohne
Geld
und
nach
Gönner
Leipzig,
seine
„Studien daselbst fortzusetzen. Er fiel allda einem unserer „größten
Dunse
in die Hände,
der
durch
seine markt-
„schreierische Art, mit seinen Verdiensten um Deutschland zu „prahlen, und durch die kleinen niedrigen Mittel jemanden zu „seiner Partei zu ziehen, genug bezeichnet ist.
Dieser Btann,
„der wohl eher versucht hatte, mit einem alten Rocke Leute
„zu bestechen, für ihn zu schreiben, dieser Mann war klein „genug,
Herr
Fuchsen
monatlich
eine
solche Kleinigkeit zu
„geben, die man sich schämt hier auszudrücken, und die er „kaum dem geringsten Bettler
hätte
geben können.
Sobald
„er indessen erfuhr, daß Herr Fuchs in die Bekanntschaft mit „einigen andern rechtschaffenen Leuten gekommen war, die er „nicht zu seiner Partei zählen konnte, so war er noch nieder-
„trächtiger, und nahm Herr Fuchsen
„ihm bisher gegeben.
die Kleinigkeit, die er
Herr Fuchs wurde sogleich von den-
„jenigen mehr als schadlos gehalten, durch die er um dieses „erniedrigende Almosen gekommen war. „Hagedorn,
dem diese
Der selige Herr von
Geschichte bekannt wurde,
brachte
„durch seine edelmütige Vorsprache bei vielen Standespersonen,
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
59
„Hamburgern, einigen Engelländern, und besonders bei dein Col„legio Carolino zu Braunschweig eine so ansehnliche Summe
„zusammen, daß Herr Fuchs kiinstig vor dem Mangel gesichert,
„seine»! Studien auf eine anständige Art obliegen konnte."-------Denjenigen Fremdlingen in dem Reiche des Witzes, welche
vielleicht fragen sollten: wer ist der große Duns? wollen wir nächstens diese Frage beantworten.--------- Kostet in den Vossi-
schen Buchläden hier und in Potsdam 3 Groschen. (11. Januar 1755.)
Antwort auf die Frage: wer ist
der große Duns?
Der Mann in-------- , welchen Gott Nicht schuf zum Dichter und Kunstrichter, Der, dümmer als ein Hottentot, Sagt, er und ©*** wären Dichter; Der Philipp Zesen unsrer Zeit; Der Büttel der Sprachreinigkeit In Ober- und in Niedersachsen, Der alle Worte Lands verweist. Die nicht auf deutschem Boden wachsen; Der große Mann, der stark von Leib Ein kleines artigs freundlichs Weib Kalt, wie er denkt und schreibt, umarmt, Das aber seiner sich erbarmt, Und gleicher Meinung ist und bleibt. Und wider ihn nicht denkt, nicht schreibt, Weil es den Zank der Ehe scheut. Und lieber aus Gefälligkeit Sich an des Manns Gedanken bindet; Der Mann, der unter uns Viel große Geister findet, Der ist der große Duns!
(21. Januar 1755.) Lyrische und andere Gedichte. Neue und
um
die
Hälfte vermehrte Auflage.
allergnädigsten Freiheiten.
Mit
Ansbach, zu finde» bei
60
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Jakob Christoph Posch 1755.
In Oktav 12 Bogen.
Die
erste Ausgabe dieser Gedichte ist bereits vor fünf Jahren er
schienen, und von Kennern wohl ausgenommen worden.
Man
erkannte ihren Verfasser, welches der Herr Negierungssekretär
Uz in Ansbach
ist,
sogleich für einen wahren Schüler des
Horaz, der von dem Feuer feines Musters beseelt werde, und etwas mehr gelernt habe, als ihm hier eine Gedanke und da
eine Wendung, nicht sowohl abzuborgen, als abzustehlen.
Die
Vermehnmgen, welche er jetzo hinzugethan, sind so beträchtlich, daß er die Oden in vier Bücher hat abteilen können.
ersten zwei enthalten die bereits gedruckten
Stücke;
Die
aber so,
wie sie sich der verbessernden Hand eines Verfassers, der aller
Welt eher, als sich ein Genüge thun kann, entreißen dürfen. Er hat überall verändert und auch saft überall glücklich ver ändert.
Wir sagen fast, unb hoffen, daß er es denjenigen
nicht übel ausdeuten wird, die fick, vielleicht aus einer Art von Prädilektion hier und da seiner erstem Gedanken gegen die letztem annehmen.
Unter den neuen Oden, welche das
dritte und vierte Buch ausmachen, wird man verschiedne von
dem erhabensten Inhalte finden, und einen philosophischen Kopf wird die, welche er Theodicee überschrieben hat, nichts anders
als entzücken können.
Sie sind überhaupt alle vortrefflich, ob
gleich nicht alle von einerlei Fluge.
Und auch dieses hat er
mit dem Horaz gemein, welcher sich oft in die niedre Sphäre
des Scherzes und angenehmer Empfindungen herab läßt, und and) da die geringsten Gegenstände zu veredeln weiß. 9iur an den schmutzigen Bildern hat unser deutscher Horaz eine gleiche Kunst
zu zeigen, verweigert.
Die Anständigkeit ist das strenge Ge
setz, welches seine Muse auch in den Entzückungen des Weines
und der Liebe nie verletzet.--------- Die übrigen Vermehrungen bestehen in dem Sieg des Liebesgottes, welches scherzhafte
Heldengedichte man auch bereits kennet, und in einigen poe tischen prosaischen Briefen, welche teils freundschaftlichen, teils
kritischen Inhalts sind.
Ter vierte ist besonders merkwürdig.
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Kostet
in
den
Vossischen
61
Blichlädeii hier lind in Potsdam
16 Groschen. (22. Februar 1755.)
Versuche
in
tragischen
der
Dichtkunst, bestehend in vier Trauerspielen, nämlich
Zayde, Mariamne, Thnsnelde und Zarine.
verl.
Karl
16 Bogen.
Gottfried
Meyer
Wenn wir sagen,
daß
1754.
Breslan
In groß Oktav.
der Herr
von
Baron
Schönaich, der Skribent des Hermaims, Verfasser von diesen Versuchen ist, so werden wir hoffentlich auf einmal das voll
ständigste Urteil davon gefällt haben, das man davon fällen kann.
Es folgt nicht notwendig, daß ein guter Heldendichter
auch ein guter tragischer Dichter sein müffe; aber das folgt
notwendig, daß der, welcher schlechte Epopöen schreibt, auch nicht anders als schlechte Trauerspiele schreiben werde.
Der
Herr Baron hat es der Welt schon gewiesen, daß er so ziem lich die mechanischen Regeln alle beobachten, und, trotz dieser Beobachtung,
dennoch Gedichte,
die nichts taugen,
machen
könne; und wir sind viel zu billig, als daß wir ihm dieses
Lob nicht auch hier erteilen sollten.
Wir erinnern uns seiner
und seines Lehrmeisters allzeit mit Dankbarkeit, so ost wir
die Anmerkung eines französischen Kunstrichters, daß etwas ganz anders die Kunst, und etwas gary anders das Raffine
Den
ment der Kunst sei, mit Beispielen bestärken wollen.
Mangel dieses Raffinements könnte man dem Herrn Baroil
ganz gern vergeben; allein er hat noch einen andern Fehler,
den ihm gesittete Leser unmöglich verzeihen können, und von dem wir gar nicht einsehen, wie er dazu gekommen ist.
Er
ist ein Kavalier, dem es an Kenntnis der großen Welt und der feinern Sprache, die darin üblich ist, nicht fehlen sollte:
wie kömmt es aber gleichwohl, daß er seine tragischen Per sonen so kriechend, so pöbelhaft, so ekel sprechen läßt?
Seine
Prinzessinnen, z. E., haben Liebsten (S. 3), sind verliebt (S. 13), sind brünstig (S. 11), sind geil (S. 59).
Seine
62
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Helden
schimpfen
(S. 43).
einander Hunde (S.
10) und
Buben
Wenn sie überlegen, so kommt ihnen was ein,
(S. 12), und wenn sie sagen sollen, ich meinte, oder ich glaubte, so sagen sie ich dachte (S. 3).
Einer spricht zu dem andern
du leugst (S. 14) und erbost sich
ergrimmen sollte.
(S. 105),
wenn
er
Ein Gemahl hat eine Frau (S. 42), und
wohl noch dazu eine schwangre Frau (S. 126), und eine Gemahlin hat einen Mairn (S. 66).
Die Feldherrn geben
Schlappen
Die Diener sind ge
Feinde
dem
(S.
112).
schwind wie der Wind (S. 58).
Königinnen mein Licht
Die Könige heißen die
(S. 81), mein Leben (S. 82).
Wer etwas zeigen will, ruft Schau! und wer sich verwundern
will, schreit Ei! 2c. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 8 Groschen.
1755.)
(3. Mai
G. Ephr. Lessings
fünfter und sechster Teil.
1755.
Schriften,
Berlin bei Chr. Fr. Voß
1 Alphabet 2 Bogen. Der Verfasser hat
In Duodez.
diese Teile ohne Vorrede in die Welt geschickt.
Es wird da
her feilt Wunder sein, wenn wir in der Geschwindigkeit nicht viel mehr davon werden sagen können, als er selbst hat sagen wollen.
enthalten beide Schauspiele;
Sie
und
zwar jeder
Teil ein großes Stück in fünf Aufzügen, und ein kleines in einem Aufzuge.
Das große Stück im fünften Teile heißt der
Freigeist. Diesen Charakter auf die Bühne zu bringen, kann
so leicht nicht gewesen sein, und es wirb auf das Urteil der
Kenner ankommen, ob die Schwierigkeiten glücklich genug über wunden worden.
Wer nicht zu lachen genug darin findet,
mag sich an dem darauf folgenden Nachspiele der Schatz er
holen.
Wir
wollen
nicht
entdecken, was
es
für eine Be
wandtnis mit diesem Schatze habe, damit gewisse Kunstrichter
desto zuversichtlicher sagen kömten, das Komische desselben falle nicht selten in das Possenhafte. einem
bürgerlichen Trauerspiele
Der sechste Teil fängt mit
an,
welches
Miß
Sara
63
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Sampson heißt. — Ein bürgerlichem Trauerspiel! Mein Gott! Findet man in Gottscheds kritischer Dichtkunst ein Wort von so einem Dinge? Dieser berühmte Lehrer hat nun länger als
lieben Deutschland die drei Einheiten
zwanzig Jahr seinem
vorgeprediget, und dennoch wagt man es auch hier, die Einheit
des Orts recht mit Willen zu übertreten.
Was soll daraus
werden? — Das kleine Stück, welches den sechsten Teil be schließt, heißt der Misogyn. Der Verfasser hätte wohl können
sagen der Weiberfeind.
Denn
ist
es
nicht
abgeschmackt
seinen Sohn Theophilus zu nennen, wenn man ihn Gott
lieb nennen samt? Kostet in den Vossischen Buchläden hier
und in Potsdam 16 Groschen. (17. Mai 1755.)
Das Leben des Herrn von Haller,
von D. Johann Georg Zimmermann, Stadtphysikus in Brugg. Zürich bei Heidegger und Kompagnie 1755. In Oktav.
1 Alphabet 7 Bogen.
Der Herr von Haller
gehört unter die glücklichen Gelehrten, welche schon bei ihrem
Lebeit eines ausgebreitetem Ruhms genießen, als nur wenige erst nach ihrem Tode teilhaft werden.
Dieses Vorzugs hat
er sich unwidersprechlich durch überwiegende Verdienste würdig gemacht, die ihn auch noch bei der spätesten Nachwelt ebenso groß
erhalteit
werden,
als
er jetzt in unparteiischen Augen
scheinen tnuß. Sein Leben beschreiben heißt nicht, einen bloßen
Dichter,
oder
einen
bloßen Zergliedrer,
oder einen bloßeit
Kräuterktmdigen, sondern einen Mann zum Muster attfstellen,
— — — — — wliose mind Contains a world, and seems for all things fram’d. Man ist daher dem Herrn D. Zimmermann alle Erkenntlichkeit
schuldig, daß er uns die nähere Nachrichten nicht vorenthalten wollen,
die er,
als ein vertrattter Schüler des Herrn von
Haller, am zuverlässigsten von ihm haben konnte.
Alle die,
welche überzeugt sind, daß die Ehre des deutschen Namens
am weiften ans der Ehre der deutschen Geister beruhe, werden
64
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
ihn mit Vergnügen
lesen, und nur diejenigen werden eine
höhnische Miene machen, welchen alle Ehrenbezeiglingen inv nütz verschwendet zu sein scheinen, die ihnen nicht widerfahren. Ein Auszug aus dieser Lebensbeschreibung würde uns leichter
fallen, als er dem Leser vielleicht in der Kürze, welche wir dabei beobachten müßten, angenehm sein wiirde.
Der Herr
D. Zimmermann ist keiner von den trocknen Biographen,
die ihr Augenmerk auf nichts HöherS
als auf kleine chrono
logische Ulnstände richten, lind uns einen Gelehrten genugsam bekannt zu machen glauben, wenn sie die Jahre seiner Geburt, seiner Beförderungen, seiner ehelichen Verbinduilgen und der
gleichen angeben.
Er folgt seinem Helden ilicht
nur
durch
alle die merkwürdigsten Veränderungen seines Lebens, sondern auch durch alle die Wissenschaften, iit denen er sich gezeigt,
und durch alle die Anstalten, die er zur Aufnahme derselben an mehr als einem Orte gemacht hat.
Dabei erhebt er sich
zwar über den Ton eines kalten Geschichtschreibers; allein von
der Hitze eines schwärmerischen Panegyristen bleibt er doch noch weit genug entfernt, als daß man bei seiner Erzählung freund
schaftliche Verblendungen besorgen dürste.
Kostet in den Vossi-
schen Buchläden hier und in Potsdam auf Druckpapier 16 Gro schen und auf Schreibpapier einen Neichsthaler.
(29. Mai 1755.) in Görlitz.
Edward Grandisons Geschichte
Berlin bei Chr. Friedrich Voß 1755.
Oktav. 8 Bogen.
In
Wir wollen es nur gleich sagen, daß diese
Schrift etwas ganz anders enthält, als der Titel zu versprechen
scheinet. lassen,
Der Name Grandison wird an eine Geschichte denken
in welcher die Kunst ihre größte Stärke angewandt
Herz auf allen
Seiten zu rühren, um
es durch diese Rührungen zu bessern.
Wenn nun der Leser
hat, das menschliche
so etwas erwartet, wider Vermuten aber eine kleine Geschichte des Geschmacks unter den Deutschen findet, so wird er sich zwar anfangs getäuscht glauben, allein am Ende wird er diese
65
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Täuschung doch ganz gerne zufrieden sein.
Wir haben dieses
zu vermuten, um so viel mehr Grund, je lebhafter wir über-
zerigt sind, daß die jetzt herrschenden Streitigkeiten
in
dem
Reiche des deutschen Witzes nirgends so kurz, so deutlich, so bescheiden, als in diesen wenigen Bogen, vorgetragen wordeil.
Die Verfasser sind dabei in ihrer Unparteilichkeit so weit ge
gangen, daß sie einem Gottsched und einem Schönaich weit beilegen, weit mehr
Einsicht
mehr
Gründe
in den Mund
geben, als sie jemals gezeigt haben, und sie ihre schlechte Sache
weit besser verteidigen lasien, als es von ihnen selbst zu er
Ein wie viel leichters Spiel würden sie ihren
warten steht.
Widerlegungen und ihrer Satire inachen können, wenn sie die
Einfalt des einen in allem ihren diktatorischen Stolze, und die Possenreißerei des andern in aller ihrer wendischen Grobheit aufgeführet hätten.
Doch sie wollten ihre Leser mehr über
zeugen, als betäuben; und der Beitritt eines einzigen, den sie durch Gründe erzwingen, wird ihnen angenehmer sein, als das
jauchzende
Geschrei
ganzer Klaffen, wo
Knaben aus Furcht der Rute
bekennen
es gutherzige
müssen, daß Gott
sched ein großer Mann und Schönaich ein deutscher Virgil
sei. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam
3 Groschen. (21.
Junius
1755.)
Vermischte
Schriften von
Abraham Gotthelf Kästner. Altenburg in der Richteri
schen Buchhandlung 1755.
In Oktav.
18 Bogen.
Selten
werden sich der Gelehrte und der Philosoph, noch seltner der Philosoph und der Meßkünstler, am allerseltensten der Meß
künstler lind finden.
der
schöne Geist
in
einer Person beisammen
Alle vier Titel aber ju vereinen, kömmt nur dem
wahrhafteu Genie zu, das sich für die menschliche Erkenntnis
überhaupt, und nicht bloß für einzle Teile derselben, geschaffen zu
sein fühlet.
Der Herr Professor Kästner — Doch die
formellen Lobsprüche sind ekelhaft, und ohne Zweifel haben Lessing, Werke. V. 5
66
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
die meiste» unsrer Leser schon längst von selbst die Anmerkung
gemacht, daß sich auch noch mehrere, als ihrer vier, in die Verdienste dieses Mannes ganz reichlich teilen könnten. Gegen wärtige vermischte
Schriften
allein könnten auch dem besten
unsrer witzigen Köpfe einen Namen machen, desien er sich nicht
zu schämen hätte, und den er, mehr erschlichen als verdient zu haben, sich nicht vorwerfen dürste.
davon
Mehr wollen wir nicht
sagen, sondern nur noch überhaupt melden, daß sie
aus prosaischen Abhandlungen, aus Lehrgedichten, aus Oden,
aus Elegien, aus Fabeln, aus Sinngedichten, aus Parodien, aus lateinischen Gedichten, und aus Briefen bestehen. man sie
lesen wird, daß man sie, auch
häufig lesen wird, ist gewiß.
Daß
ohne Anpreisung,
Die wenigen Sinngedichte also,
die wir daraus hersetzen wollen, sollen mehr zu unserm eignen
Vergnügen, als zu einer unnötigen Probe, angeführt sein.
Charakter des Herrn de la Mettrie nach dem Entwürfe
des Herrn von Maupertuis. Ein gutes Herz, verwirrte Phantasie,
Das heißt auf Deutsch: ein Narr war la Mettrie. An einen Freimäurer. Der Brüderschaft Geheimnis zu ergründen. Plagt dich, Neran, mein kühner Vorwitz nicht; Von einem nur wünscht' ich mir Unterricht: Was ist an dir Ehrwürdiges zu finden? Das Totenopfer an
den
Herrn Baron von Kroneck
nach Neapolis. Mein Kroneck, Maros Geist schwebt noch um seine Gruft, Wenn du dort Lorbeer» brichst, so hör' auch, was er ruft: Zu Ehren hat mir sonst ein Martial gelodert. Von dir, o Teutscher, wird ein Schönaich jetzt gefedert. Eines Sachsen Wunsch auf Karl XII. Held, der uns so gepreßt, dein eifriges Bestreben War: spät im eitel» Hauch der letzten Welt zu leben ;
67
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Doch wird mein Wunsch erfüllt (die Rache giebt ihn ein), 3o soll einst dein Homer ein zweiter Schönaich fein.
Wir müssen
erinnern,
das;
in den zwei letzten Sinn
schristen, anstatt des Namens Schönaich, welches ein gewisser
Poet in der 'Niederlausitz ist, bloß ein leerer Platz gelassen worden, ihn nach Belieben mit einem von den zweisilbigen '.Nanten unserer Heldendichter zu füllen.
auf
genannten Herrn
Baron
von
Unser Belieben fiel
Schönaich,
neuesten Schriften wir nächstens reden wollen.
von dessen
Kostet in den
Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 12 Groschen.
Discours siir l’origiite et les fondements de V inegalite parmi les hont nies, par Jean Jaques llousseau, citoyen de Geulte. A Amsterdam cltez Marc Michel Hey 1755. In Oktav. 1 Alphabet. Dieses ist eine ganz neue (10. Juli 1755.)
Schrift desjenigen Gelehrten, ivelcher Philosoph genug war, den Künsten und Wissenschaften keinen größer» Einfluß aus
die Sitten der Menschen einzuräumen, als sie wirklich haben, und darüber eine Streitigkeit erregte, die sehr lehrreich hätte werden
können,
ivenn
kleine Geister damit
sich
in Frankreich
nicht fast ebenso
abgegeben hätten, als in Deutschland,
n>o ein gewisser Schulmeister seine gutherzige Knaben davon deklamieren ließ.
Man hat es abermals einer Aufgabe der
Akademie von Dijon zu
danken,
daß
uns Herr Rousseau
seine Meinung von dem Ursprung und den Ursachen der Un gleichheit unter den Menschen mitteilet; und wir können keinen
kürzern Begriff davon machen, als wenn wir sagen, daß diese
Ausführung
der
erstem,
welche der akademischen Krönung
vollkommen würdig gewesen war, in mehrern und wesentlichern
Stücken, als in der Art des Vortrages, ähnlich geraten sei.
Die jetzt unter den Menschen übliche Ungleichheit scheinet näm
lich an ihm keinen größern Gönner gefunden zu haben,
als
die Gelehrsamkeit au ihm sand, insofern sie den Menschen
tugendhafter wollte gemacht haben.
Er ist noch überall der
68
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
kühne Weltweise, welcher keine Vorurteile, wenn sie auch noch
so allgemein gebilliget wären, ansiehet, sondern graben Weges auf die Wahrheit zugehet, ohne sich um die Scheinwahrheiten, die er ihr bei jedem Tritte aufopfern muß, zu bekümmern. Sein Herz hat dabei an allen seinen spekulativischen Betrach tungen Anteil genommen, und er spricht folglich aus einem
ganz andern Tone, als ein feiler Sophist zu sprechen pflegt,
welchen Eigennutz oder Prahlerei zum Lehrer gemacht haben.
der
Weisheit
Da diese Eigenschaften alles, was er schreibt,
auch da noch lesenswürdig machen müssen, wenn man seiner
Meinung nicht beitreten kann; so wird es hoffentlich dein deutschen Publiko angenehm sein, wenn wir ihm eine Über setzung dieses neuen Rouffeauischen Werks voraus anküudigen.
Es ist ein Mann von Einsicht und Geschmack, welcher sie unter nommen hat, und wir sind gewiß, daß er beides bei einer
Arbeit zeigen wird, bei welcher die meisten nur Kenntnis der Sprachen zu zeigen gewohnt sind.
Sie wird in den Vossischen
Buchläden an das Licht treten, wo jetzt die französische Urschrift für 22 Groschen zu haben ist.
(4. September 1755.) Über die Empfindungen. Ber lin bei Chr. Fried. Voß 1755.
Ter
Verfasser
In Oktav.
philosophischen Gespräche schuldig sind. mit Beifall ausgenommen worden. daß
man
14 Bogen.
dieser Schrift ist eben der, welchem wir die
diesen
Sie sind durchgängig
Wir wünschten aber sehr,
Beifall mehr auf den Inhalt, als auf die
Art des Vortrags Hütte gründen wollen.
Waren denn ab
strakte Gedanken in einer schönen Einkleidung eine so gar neue Erscheinung unter uns, daß man bei der Anmut der letzter»
die Gründlichkeit
der erster» übersehen durfte? Wären sie in
den barbarischsten Ausdrücken einer lateinisch scheinenden Sprache
vorgetragen worden, so würde stritten haben.
sie
man sie untersucht und be
Warum unterblieb beides, da sie deutsch, da
schön abgefaßt waren?
Ist der Deutsche, wenn er ein
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
69
gründlicher Kopf ist, so gar düster und allen Grazien so gar
feind; oder ist der Deutsche, wenn er ein schöner Geist ist, so
gar
seicht,
daß jener nicht will, und dieser nicht kann?
Unglück alsdann für den, der beides zugleich, ein gründlicher
Kopf und schöner Geist, ist!
Er wird sich teilen müssen, um
immer von feinen kompetenten Richtern
gelesen jn werden.
Er wird es, wenn er denken will, vergessen müssen, daß er schön schreiben kann; und wenn er schön schreiben will, ver
gessen müssen, daß er denken kann.-------- Diese Betrachtung
sollte uns fast bewegen, von der Einkleidung des gegenwärtigen Werks gar nichts zu sagen. Kaum dieses, daß es aus Briefen bestehe, in welchen überall der einmal angenommene Charakter
des Schreibenden behauptet und die ganze Materie so knnstreich verteilet worden, daß man sehr unaufmerksam sein müßte, wenn sich nicht am Ende, ohne das Trockne der Methode em
pfunden zu haben, ein ganzes System in dem Kopfe zusammen finden sollte.
Ein System der Empfindungen aber wird den
jenigen gewiß eine sehr angenehme Neuigkeit sein, welchen es
nicht ganz unbekannt ist, wie finster und leer es in diesem Felde der Psychologie, der Bemühungen einiger neuen Schrift
steller ungeachtet, noch bisher gewesen. Mair hat es ungefähr geivußt, daß alle angenehme und unangenehme Empfindungen aus
dunkeln
Begriffen
entstehen;
aber
warum sie nur aus
diesen entstehen, davon hat man nirgends den Grund angegegeben.
Wolff selbst weiß weiter nichts zu sagen, als dieses:
weil sie keine deutliche Begriffe voraussetzen.
Man hat es
ungefähr gewußt, daß sich alles Vergnügen auf die Vorstellung einer Vollkommenheit gründe; man hat es ungefähr gewußt, daß Vollkommenheit die Übereinstimmung des Mannigfaltigen
sei: allein man hat diese Übereinstimmung mit der Einheit im
Mannigfaltigen verwechselt; man
hat Schönheit und Voll
kommenheit vermengt, und die Leichtigkeit, womit wir uns
das Mannigfaltige in jenem vorstellen, auch bis auf die sinn lichen Lüste ausdehnen wolle».
Alles dieses aber setzt unser
70
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
Verfasser auf das deutlichste auseinander.
Vergnügen,
Er zeigt, daß das
welches aus der Schönheit entspringet,
auf der
Einschränkung unsrer Seelenkräfte beruhe, und also Gott nicht
beigelegt werden könne; daß ihm aber dasjenige, welches aus der Vollkommenheit entstehet, und sich bei uns auf die positive
Kraft unsrer Seele gründet, im höchsten Grade zukomme.
Von
den sinnlichen Lüsten beweiset er, daß sie der Seele eine dunkle Vorstellung von der Vollkommenheit des Körpers gewähren;
und da in der organischen Natur alle Begebenheiten, die mit einander verknüpft sind, wechselsweise eine aus der andern entstehen können, so erklärt er daher den Ursprung des an
genehmen Affekts, und zeiget, wie der Körper durch die sinn
liche Lust
den Abgang an Vergnügen
ersetze, den er durch
die Verdunklung der Begriffe anrichtet.-------- Alles dieses ist nur ein kleiner Blick in die neue Theorie unsers Verfassers, welcher zugleich bei aller Gelegenheit seine philosophische Ein
sicht in diejenigen Künste und Wissenschaften zeigt, die unsre angenehme Empfindungen zum Gegenstände haben; in die Dicht
kunst, in die Malrei, in die Musik, in die musikalische Malrei
des Farbenklaviers, bis sogar in die noch unerfundenen Har monien derjenigen Sinne, welchen noch keine besondern Künste
vorgesetzet sind.
Eines aber
müffen wir hauptsächlich
nicht
vergessen; daß nämlich der Verfasser die Lehre vom Selbst morde mit eingeflochten, rind diese schwierige Materie auf eine Art abgehandelt habe, worden.
wie sie
gewiß
noch
nie abgehandelt
Er beweiset nicht nur, daß den Gläubigen die Ne-
ligion, und den Ungläubigen sein eignes System der Zernichtung nach dem Tode von dem Selbstmorde abhalten müsse;
sondern beweiset auch, und dieses war ohne Zweifel das Wich tigste, daß ihn sogar der Weltweise sich untersagen
müsse,
welcher den Tod nicht als eine Zernichtung, sondern als einen Übergang in eine andere und vielleicht glücklichere Art von Fortdauer betrachtet.
Kostet in den Vossischen Buchlüden hier
und in Potsdam 8 Groschen.
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
71
(14. Oktober 1755.) Ankündigung einer Dunciade Nebst dem verbesserten Hermann.
für die Deutschen.
Sero .sapiunt Phryges. Frankfurt und Leipzig 1755. In
Oktav auf 6'/» Bogen.
Die Welt scheint zu verlangen, daß
die Streitigkeiten im Reiche des Witzes nur immer mit den
Waffen der lachenden Satire geführet würden. aber mehr als einmal geduldet
Wenn sie es
hat, daß man sich auch der
schimpflichen Waffen der Schmähsucht und Possenreißerei da bei
bedienen
dürfen;
so
wird
sie es hoffentlich nicht übel
dellten, wenn sie nunmehr einen Patrioten zu scharfem greifen siehet, die
der Ernst
ebenso
weit über
die Satire erhebt,
als die Niederträchtigkeit jene unter die Satire erniedriget hatte.
Und aus diesem Grunde versprechen wir der gegenwärttgen
Ankündigung
einer
Dunciade für die
Deutschen am Ende,
wenn man alle Umstände wird überlegt haben, eine gütigere
Aufnahme, als sie einigen zu sehr nachsehenden Weisen, wegen der durchgehends darin herrschenden Strenge, bei dem ersten Anblicke verdient zu haben scheinen möchte.
Es ist wahr;
„die Erscheinung, wie unser Verfaffer sagt, ist unglaublich, „daß eine ganze Nation, in bereit Schoß die Wissenschaften „und die Freiheit zu denken blühen sollten, die fast von allen
„Seiten mit gesitteten und geistreichen Nationen umgeben ist, „die sich eines Leibniz rühmen kann, — — sich von einem
„kleinen Haufen Idioten ohne Talente, ohne Einsichten, ohne „Geschmack so sehr hat betrügen lassen können, daß sie den
„willkürlichen und verdorbenen Geschmack dieser Leute, die in
„Frankreich
oder England nicht einmal unter den Dunsen
„einigen Rang bekommen hätten, blindlings angenommen und
„zltr Regel geillacht; daß sie diese schwachen und unfähigen „Köpfe für große Geister, und ihre blöden, unförmlichen, und
„vernlinftlosen Werke für ausgemachte Meisterstücke gehalten, „fleißig gelesen, gelobt und nachgeahmet; daß sie diesen Leuten „ein Ansehen, eine Diktatur zugestanden, die ihnen Macht ge-
„geben, eine ganze Reihe von Jahren, dem Sens-commun Hohn
72
Recensionen in der Berlinischen Zeitung.
„zu sprechen, die Jugend zu verführen, und den Geschmack
„an geistlosen unwitzigen und unnützlichen Schriften, die weder „den Verstand
aufklären, noch
das Herz rühren, noch die
„Sitten bilden, fast allgemein zu machen." — —
Es ist
wahr, diese Erscheinung ist unglaublich; aber wie, wenn sie
sich auch niemals ereignet hätte? Wie, wenn es nicht wahr
wäre, daß Gottsched und seine Anhänger jemals in einem so allgemeinen Ansehen gestanden hätteil?
dem großem Teile der Nation, welcher
Wie, wenn man ein
zeitiges
Still
schweigen beobachtet hat, und sich deswegen öffentlich wider
niemanden erklären wollte, weil er sich noch für niemanden erklären konnte, mit solchen allgemeinen Beschuldigungen un recht thäte? bekennen wir
Alles dieses könnte leicht sein; gleichwohl aber ganz
gern,
daß man
auch
auf
der andern
Seite Grund habe, an dem Dasein eines Dinges zu zweifeln, das sich noch durch keine Wirkungen gezeigt hat. Wir wollen also nur wünschen, daß diese Wirkungen nun wenigstens nicht
länger ausbleiben möge«; und wenn wir und in unsern Ver mutungen nicht trügen, so werden sie sich vielleicht, über lang
oder kurz, an derjenigen zweiten Klasse äußem, von welcher auf der 12. Seite ziemlich verächtlich gesprochen wird.--------Mehr wollen wir hier von einer Schrift nicht sagen, der es ohnedem an Lesern nicht fehlen wird.
Kostet in den Vossischen
Buchläden hier und in Potsdam Groschen.
Aus der Monatsschrift:
Das Neueste ans dem Reiche des Witzes, als rine Beilage ;n Len Scrlinischen Staats- und gelehrten Zeitungen. Monat April 17 5 1. Dem Neuesten aus dem Reiche
monatliche Blatt gewidmet sein.
ihrer Karte nicht finden.
des Witzes soll dieses
Ein Reich, welches viele auf
Wenigstens diejenigen Gelehrten nicht,
es verdrießt uns, daß wir sie so nennen sollen, welche die Wissenschaften längst in ein Handwerk verwandelt hätten, wenn
nicht ihr Stolz dafür bäte.
Aufs höchste haben sie es in die
äußerste Ecke derselben verwiesen, und unbekannte Länder
darauf geschrieben, weil sie ihnen nicht eher zu Gesichte kom men, als wenn sie von einem unglücklichen Sturme dahin ver
schlagen
werden, und
an ihren felsichten Ufern
schimpflich
Diesen Herren also würden wir sehr unverständlich
scheitern.
sein, wenn wir ihnen von seinem Umfange und seinen Grenzen
vieles vorsagten; die andern aber, für die wir eigentlich schreiben, würden wir durch diese unnötige Einleitung beleidigen. könnten
wir ihr durch
eine Menge
ästhetischer
Zwar
aneinander
Hangender Grillen, fein bunfet, aber doch nach der Diode, ein
zureichendes Ansehen der Gründlichkeit geben, allein was würde es helfen?
Die genaueste Erklärung des Witzes muß einem.
74
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
der keinen hat, ebenso unbegreiflich sein, als einem Blinden
die hinlänglichste Erklämng der Farben ist. Glaubt dieser, daß die verschiedene Brechung verschiedener Sonnenstrahlen ungefähr etwas sei, welches dem Schalle verschiedner Instrumente gleich
komme, so wird jener gewiß glauben, daß die Fertigkeit die Übereinstimmungen der Dinge gewahr zu werdeit, ein Teil
der Rechenkunst sein müsse.
Ist er furchtsam, so stellt er sich
wohl gar ein Stücke von der Algebra darunter vor.
Genug
roeitn man weiß, daß die schönen Wissenschaften und freien
Künste das Reich des Witzes ausmachen.
Diese sind es, welche der menschlichen Gesellschaft An nehmlichkeiten mitteilen, ohne die sie nichts, als die unerträg lichste
Sklaverei,
sein
würde.
Sie machen den
Menscheil
empfindlich und entkleiden ihn von der Rauhigkeit, welche ihn:
die weiseste Natur mit Bedacht gab, damit er sich selbst durch ihre
mühsame Ablegung einen Teil seines Vorzuges für unedlere Tiere zu danken haben möge.
Zeugen die ernsthaften Wissenschaften,
welche man im engern Verstände die Gelehrsamkeit nennet, von nichts als von dem Elende und Verderben der Menschen, von
der Mühseligkeit ihres Lebens, diese beweinenswürdigen Stützen
der Gesellschaft, so sind es allein die schönen Wissenschaften, welche durch bezaubernde Reize die ursprüngliche Empfindung
der Freiheit in uns ersticken, und unsre schimpflichen Ketten mit Bftlmenkränzen
umwinden.
Die
Höflichkeit,
das
ein
nehmende Betragen, der zärtliche Geschmack, alle untrügliche Kennzeichen gesitteter Völker, sind ihre Früchte.
Sie sind die
Erfinderinnen von tausend Bequemlichkeiten, Ergötzungen, und
eingebildeten Notwendigkeiten, durch welche einzig kluge Mo narchen ihre Throne unerschüttert zu erhalten wissen. . .. Auch
die Tugend wird durch sie menschlicher, rmd die großen Thaten, welche bei Barbaren fest eingeprägte Vorurteile oder ihre un gezähmte Wildheit zum Grunde haben, fließen bei gesitteten
Völkern aus viel reinern Quellen.
Aller dieser prächtigen Lobsprüche ungeachtet wollen wir
75
Das Neueste aus dein Reiche des Witzes.
dem Leser einen Mann bekannt machen, welcher die Wissen schaften überhaupt, und besonders die schönen Wissenschaften nebst den freien Künsten auf einer ganz andern Seite be
trachtet.
Dieses ist der Verfasser derjenigen Rede, welche im
vorigen Jahre bei der Akademie zu Dijon den Preis erhalten hat.
Sie betrifft die vorgelegte Frage, ob die Wiederher
stellung der Wissenschaften
nnd Künste zur Reini
gung der Sitten etwas beigetragen habe?
Man wird
schwerlich vorausgesehen haben, daß man denjenigen krönen würde, welcher diese Frage mit Nein beantwortet.
Unterdeffen
ist es geschehen; und Herr Rousseau, welches der Name des
Verfaffers ist, hat so erhabene Gesinnungen mit einer
so
männlichen Beredsamkeit zu verbinden gewußt, daß seine Rede ein Meisterstück sein würde, wenn sie auch von keiner Aka
Wir teilen einen umständ
demie dafür wäre erkannt worden.
lichen Auszug derselben um so viel lieber mit, je weniger sie noch bis jetzo in Deutschland bekannt worden ist. Er hat sie in zwei Teile geteilt.
In dem erstem zeiget
er durch unverwerfliche Beispiele der Geschichte, daß die Ver-
derbung der Sitten und der aus ihr fließende Verfall des
Staats allezeit mit dem Aufnehmen der Künste und Wissen schaften sei verbunden gewesen.
In dem andern beweiset er
aus den Gegenständen und den Wirkungen der Künste und Wissenschaften selbst, daß sie notwendig diese Folgen nach sich
ziehen müssen. Europa, sagt er, war in die Barbarei der ersten Zeiten
zurückgesallen.
Die Völker dieses jetzt so erleuchteten Weltteils
lebten vor einigen Jahrhunderten in einem Stande, welcher weit elender,
als die Unwiffenheit,
war.
Ich weiß nicht,
welche scientifische Wäscherei, hatte sich den Namen der Wissen
schaft angemaßt, nnd setzte ihrer Zurückkunft ein beinahe un überwindliches Hindernis entgegen.
Es war eine allgemeine
Umkehrung nötig, die Menschen wieder zu ihrem gesunden Ver
stände zu verhelfen; und endlich kam sie von der Seite, von
76
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
welcher man sie am wenigsten erwartet hatte. Muselmann,
Der dumme
die ewige Geißel der Gelehrsamkeit, war es,
welche sie uns wiederherstellte. Der Umsturz des orienta lischen Thrones brachte die Überbleibsel des alten Griechen
landes nach Italien.
reich
von
Bald drauf bereicherte sich auch Frank
dieser kostbaren
Auf die freien Künste
Beute.
folgten endlich die Wissenschaften, und die Kunst zu denken
verband sich mit der Kunst zu reden; eine Stufensteigung, welche seltsam scheint, gleichwohl natürlich ist.
Man fing an,
den vornehmsten Vorteil des Umganges mit den Musen zu empfinden; nämlich diesen, daß er die Menschen gesellschaft
licher macht, indem er ihnen die Begierde einander durch ihres
geineinschaftlichen Beifalls würdige Werke zu flößt . ..
gefallen, ein
Ihr ward man die Anmut der Gemütsarten, die
Verbindlichkeit dec Sitten, welche den Umgang ungezwungen
und
wünschenswert
Tugenden,
macht,
und
kurz,
den
Schein
aller
ohne eine einzige davon zu haben, schuldig...
Ehe die Kunst unser Betragen gebildet, und die Leidenschaften eine
erborgte Sprache
bäurisch, aber natürlich.
gelehrt
hatte,
waren
unsre
Sitten
Der Unterscheid der Aufführung ver
riet sogleich den Unterscheid der Gemütsarten.
Die mensch
liche Natur war deswegen nicht besser; die Leichtigkeit aber,
einander zu erforschen, ersparte den Menschen unzählige Laster. Jetzo, da ein feinerer Geschmack die
Kunst zu gefallen in
Regeln gebracht hat, herrscht in unsern Sitten eine schimpf
liche und betrügliche Gleichheit.
Immer befiehlt die Höflich
keit; stets regiert uns die Wohlanständigkeit; ohne Unterlaß folget man den Gebräuchen, und niemals seinen eignen Em
pfindungen.
Kein Mensch weiß mehr, mit wem er es jit thun
hat. .. Welche Begleitung von Lastern hat diese Ungewißheit
bei sich!
Verdacht, Argwohn, Furcht, Kaltsinnigkeit, Zurück
haltung, Haß, Verräterei; und alle verstecken sich unter der Larve der Höflichkeit.
Man entheiliget nicht mehr den Namen
des Höchsten durch Schwüre, aber man spricht ihm Hohn durch
77
DaS Neueste auS dein Reiche des Witzes.
lästerliche Meinungen, ohne daß unser Ohr dadurch beleidiget wird.
Man rühmt nicht mehr seine eignen Verdienste, man
verkleinert aber die fremden.
Man beschimpft seinen Feind
nicht gröblich, sondern man verleumdet ihn mit Kunst. Nationalhaß erlöscht,
Der
aber mit der Liebe des Vaterlandes.
An die Stelle der verachteten Unwissenheit ist eine gefährliche Zweifelsucht gekommen.
Man erkennt gewisse Ausschweifungen
für schimpflich, gewisse Laster für entehrend, andre aber zieret
man mit dem Namen der Tugenden.
Man muß sie haben,
oder man «ruß sich wenigstens stellen, als ob man sie habe.. . Auf die Art sind wir gesittete Völker geworden, und größten
teils haben wir den Wissenschaften und Künsten diese heilsame Veränderung zu danken.... Je stärker sich ihr Licht an unserm Horizonte ausgebreitet, je weiter ist die Tugend von uns ge
flohen; und eben diese Erscheinung hat man zu allen Zeiten und aii allen Orten bemerkt. . . Ägypten war die Mutter der Weltweisheit und der freien Künste geworden, und bald drauf ward sie ein Raub des Kambyses, der Griechen, der Römer, der Araber, und endlich der Türken ... Als Griechen
land auf den Ruhm des Witzes und der Gelehrsamkeit am
stolzesten sein konnte, mußte es sich in das macedonische Joch schmiegen . . . Rom, das von Hirten erbaute, und durch Ackers
leute berühmt gemachte Rom, fing schon zu den Zeiten des Ennius und Terentius an auszuarten.
Nach den Zeiten eines
Ovids, eines Catulls, eines Martials aber ward es, sonst der
Tempel der Tugend, ein Schauplatz der Laster, der Abscheu
aller Völker
und der Raub der Barbaren...
In Asien ist
ein Land, wo man durch die gepriesenen Wissenschaften zu den erhabensten Ämtern des Staats steigen kann. Gleichwohl ist kein Laster zu nennen, welches nicht daselbst herrscht; keine Schandthat, die ihnen nicht geläufig ist.
Alle ihre Weisheit
hat sie von dem Joche des unwissenden Tartars nicht be
freien können. . .
Die Perser, ein besonders Volk, bei wel
chem man die Tugend lernte, wie man bei uns die Wissen-
78
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
schasten lernt, die Scythen, die alten Deutschen sind die Be weise des Gegenteils.
Alle die lebten ohne Wissenschaften;
öfters Überwinder, niemals überwunden . .. Sparta selbst, im
Schoße Griechenlands, überzeugt uns, wie tugendhaft man sein
könne, ohne gelehrt zu sein; wie fest und blühend ein Staat ohne Künste, ohne Wissenschaften bestehe...
O Fabricius,
was würde deine große Seele gedacht haben, wenn du, 51t
deinem Unglücke, wieder aufgestanden wärest, und die blen dende Pracht des durch deinen Arm erretteten Noms, welches
dein Name mehr, als alle seine Eroberungen, berühmt machte,
gesehen hättest.
„Götter! würdest du gesagt haben, wo sind
„die strohern Hütten, worunter ehemals Mäßigkeit und Tugend
„wohnten?
Welche verderbliche Pracht hat mit der römischen
„Einfalt abgewechselt? Was ist das für eine fremde Sprache? „Was sind das für weibische Sitten?
Was bedeuten diese
„Bildsäulen? diese Gemälde? diese Gebäude? Unsinnige! was
„habt ihr gethan? Ihr, ihr Herren der Welt, ihr habt euch
„zu Sklaven nichtiger von euch überwundener Leute gemacht. „Rhetors sind es, die euch beherrschen?
Habt ihr deswegen
„Asien und Griechenland mit eurem Blute befeuchtet, um Bau
meister, Maler und Bildhauer reich zu machen? „Raub Karthagens
einem Flötenspieler
Wird der
preisgegebeu?
Auf,
„ihr Römer! reißet eure Schauplätze uugesäumt nieder; zer„schmettert diese Marmor; verbrennet diese Bilder; verjaget
„diese Sklaven, welche euch unter dem Joche halten, und „deren unselige Künste ench verderben.
Laßt fremde Hände
„durch eitle Geschicklichkeit berühmt werden; die einzige den
„Römeril anständige Geschicklichkeiten ist die Welt
zu
„winden, uni) die Tugend daselbst herrschen zu lassen.
„Cineas unsern
Rat
für
überAls
eine Versammlung von Königen
„hielt, so ward er weder von eiteler Pomp noch von ausge-
„suchter Zierlichkeit verblendet.
Er hörte nichts daselbst von
„der kindischen Beredsamkeit, nichts von den leeren Künsten „dieser nichtigen Leute.
Was schien denn nun also dem Cineas
79
Daü Neueste aus den» Reiche des Witzes.
„so majestätisch? O ihr Bürger! Ein Anblick rührte ihn, wel-
„chen
euch
nimmermehr
weder eure Reichtümer noch
eure
„Künste verschaffen werden; der schönste Anblick, welcher je-
„mals unter der Sonne gewesen ist; die Versammlung von „zweihundert tugendhaften Männern, welche alle in Nom zu
„befehlen und die Welt zu beherrschen verdienten" . ..
Seht,
fährt der Verfasser fort, so sind allezeit Verschwendung und
ungezähmte Sitten die Strafe der hochnitttigen Bemühungen, uns der glücklichen Unwiffenheit, in welche uns die ewige Weis heit versetzt hatte, zu entreißen, gewesen.
Sie hatte uns zu
nichts weniger, als zu eiteln Untersuchungen, bestimmt. einmal.
Sterbliche,
uns versteckt hat;
daß
die Natur
Lernt
alle Wiffenschaften für
so wie eine sorgfältige Mutter aus den
Händen ihres Kindes ein gefährliches Gewehr windet.
Die
Menschen sind verderbt; sie würden noch weit verderbter sein,
wenn sie das Unglück
gehabt
hätten,
gelehrt
geboren zu
werden.
Er kömmt hierauf zu dein zweiten Teile, und zeigt, daß
die Künste und Wissenschaften unsre Laster zur Quelle haben; er zeigt, daß sie uns ohne die Laster und Verschwendung nichts
nutzen ivürden, und daß mit der Bemühung, die einige Wahr heit zu erkennen, eine tausendfache Gefahr, in Irrtümer zu
fallen, verbunden sei.
Er beweiset ferner, daß ihre Wirkungen
noch weit verderblicher sind.
lust der Zeit.
Hierunter rechnet er den Ver
Nichts Gutes thun, sagt er, heißt Böses thun.
Ihr nun, ihr stolzen Weltweisen, die ihr uns die Geheimnisie
des Himmels verraten, und die Wunder der Natur aufgedeckt
habt, antwortet; wenn ihr uns alles das nicht gelehrt hättet,
würden wir weniger zahlreich, weniger wohlregieret, weniger furchtbar, weniger blühend oder mehr verderbt sein?
Doch,
was ist der Verlust der Zeit gegen andre Übel, welche den
Künsten und Wiffenschaften folgen?
schwendung. Staats.
Das größte ist die Ver-
Man behauptet, in dieser bestehe die Blüte des
Ein Paradoxon, welches sich nur zu unsern Zeiten
80
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
hat sönnen denken lassen.
So sind gute Sitten zur Dauer
eines Staats nicht notig? Ist es besser, daß ein Reich glän zend und augenblicklich, oder daß es tugendhaft und beständig
ist? Mit Gelde kann man alles haben, mir Sitten und Bürger nicht. Ein neues Übel, welches die Verschwendung nach sich zieht, ist die Verderbung des Geschmacks. . .
Sage uns, be
rühmter Arouet, wie viel männliche und starke Schönheiten hast
du unsrer falschen Zärtlichkeit aufopfern müssen; und
wie viel Großes hat ihm der
buhlende Geist zu
gefallen,
welcher an Kleinigkeiten so fruchtbar ist, gekostet? . . . Doch verderblichern Übeln weichen kleinere Schaden. Indessen, da sich die Bequemlichkeiten des Lebens vermehren, die Künste
steigen und die Verschwendung überhand nimmt, wird der wahre Mut entkräftet, und die kriegerischen Tugenden ver Die Geschichte bestärkt es durchgängig.
schwinden.
hebung des Hauses Medicis
Künste verlöschte von neuem,
Die Er
und die Wiederherstellung der und vielleicht auf ewig,
den
kriegerischen Ruhm, welchen Italien vor einigen Jahrhunderten wieder erhalten zu haben schien. . .
Nicht allein den martia
lischen, sondern auch den sittlichen Vollkommenheiten sind die
Wissenschaften
nachteilig.
Man
sieht überall
unermeßliche
Stiftungen, wo die Jugend alles mit großen Unkosten lernt, nur ihre Pflicht nicht. .. Unsre Gärten sind mit Bildsäulen
und unsre Galerien mit Bildern ausgeziert.
sie vor?
Und was stellen
Die Verteidiger des Vaterlands? oder die noch er
habenem Männer, die es durch ihre Tugenden bereichert haben? Abbildungen aller Ausschweifungen des Herzens und der Ver
nunft sind es, so wie man sie sorgfältig aus der alten Fabel lehre gezogen hat; ohne Zweifel, damit den Kindern, noch
eher, als sie lesen können, Muster von sträflichen Handlungen vor Augen gestellet würden... Die Geschicklichkeiten werden vorgezogen,
und
die
Tugend
wird
verachtet.
Der schone
Kopf erhält Belohnungen, und der ehrliche Mann bleibt im
Dunkeln.
Es giebt hundert Preise für schöne Reden, keinen
81
Tas Neueste aus dem Reiche deS Witzes.
einzigen für schöne Handlungen . . . Wir haben Naturforscher,
Erdmesser, Chymisten, Sternseher, Dichter, Donkünstler, Maler; nur Bürger haben wir nicht. . .
Was enthalten denn die
Schriften der bekanntesten Philosophen? Welches sind denn die
Lehren dieser Freunde der Weisheit?
Wenn man sie hört,
sollte man sie für einen Haufen Marktschreier halten, wovon jeder auf öffentlichem Platze ruft:
allein
werdet
Schriften haben kunst wird
kommt zu mir!
ihr nicht betrogen. . .
Was
unsre Zeiten ausgeheckt.
sie als
Die Buchdrucker
unwidersprechliche Beweise
derbens auf die Nachwelt
von mir
für ungeheure unsres Ver
bringen und unsre vielleicht ge
witzigten Nachkommen werden die Hände gen Himmel strecken
und beten.
„Allmächtiger Gott! der du alle Geister in deiner
„Hand trägst, Befreie uns von den Einsichten und den ver
derblichen Künsten unsrer Väter; und schenke uns wieder Un„wissenheit, Unschuld und Armut; die einzigen Güter, welche
„unser Glück befördern, und vor dir angenehm sind" .. . Was soll man von denen sagen, welche die Thüren zu dem Heilig
tum« der Gelehrsamkeit erbrochen, und den Pöbel hereingelaffen haben?
Wie viele sind durch sie zu den Wiffenschaften
verführt worden, welche sich auf Künste, die der Gesellschaft heilsamer sind, würden gelegt haben.
Nur diejenigen sollte
man dazu lassen, welche was Außerordentliches zu leisten im
stande sind.
Diese aber müßte man auf die mächtigste Art
ermuntern.
Nichts müßte für ihre Hoffnung zu hoch sein.
Große Gelegenheiten machen große Geister...
O Tugend!
schließt er endlich; erhabne Wisienschast einfältiger Seelen, so viel Mühe, so viel Anstalten sind nötig, dich zu kennen?
Sind deine Lehren nicht in unser Herz gegraben? Ist es nicht genug, daß man in sich selbst geht, wenn man deine Gesetze
lernen will, und daß man die Stimme seines Gewissens höret, wenn die Leidenschaften schweigen? Dieses ist die wahre Welt
weisheit; daran wollen wir uns begnügen lernen.
Ohne die
berühmten Leute, welche sich in der gelehrten Welt unsterbLessing, Werke. V. 6
82
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
lich machen, zu beneiden, wollen wir uns bestreben, zwischen ihnen und uns den rühmlichen Unterscheid zu machen, welchen
man ehedem zwischen zwei großen Völkern bemerkte; das eine
wußte wohl zu reden, das andre wohl zu handeln. Mit solchen Waffen bestürmet Nouffeau die Wiffenschaften und Künste.
Ich weiß nicht, was nmn für eine heimliche
Ehrfurcht für eilten Mann empfindet, welcher der Tugend gegen
alle gebilligte Vorurteile das Wort redet; auch sogar alsdann, wenn er zu weit geht.
Wir könnten Verschiednes einwenden.
Wir könnten sagen, daß die Aufnahme der Wiffenschaften und
der Verfall der Sitten und des Staats zwo Sachen sind,
welche einander begleiten, ohne die Ursache und Wirkung von einander zu sein.
ptmkt.
Alles hat in der Welt seinen gewissen Zeit-
Ein Staat wächst, bis er diesen erreicht hat; und so
lange er wächst, wachsen auch Künste und Wiffenschaften mit ihm.
Stützt er also, so stürzt er nicht deswegen, weil ihn
diese untergraben, sondern weil nichts auf der Welt eines immerwährenden Wachstums fähig ist, und weil er eben nun mehr den Gipfel erreicht hatte, von welchem er mit einer un
gleich größern Geschwindigkeit wieder abnehmen soll, als er
gestiegen war.
Alle große Gebäude verfallen mit der Zeit,
sie mögen mit Kunst und Zieraten, oder ohne Kunst und Zieraten gebauet sein.
Es ist wahr, das witzige Athen ist
hin, aber hat das tugendhafte Sparta viel länger geblühet? . .
Ferner könnten wir sagen, wenn die kriegerischen Eigenschaften
durch die Gemeinmachung der Wissenschaften verschwinden, so
ist es noch die Frage, ob wir es für ein Glück oder für ein Unglück zu halten haben? Sind wir deswegen auf der Welt, daß wir uns untereinander umbringen sollen?
Und wenn ja
den strengen Sitten die Künste und Wiffenschaften nachteilig sind, so sind sie es nicht durch sich selbst, sondern durch die
jenigen, welche sie mißbrauchen.
Ist die Malerei deswegen
zu verwerfen, weil sie der und jener Meister zu verführerischen Gegenständen braucht? Ist die Dichtkunst deswegen nicht hoch-
83
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
zuachten, weil einige Dichter ihre Harmonien durch Unkeusch heiten entheiligen?
Beide können der Tugend dieuen.
Künste sind das, zu was wir sie machen wollen.
Die
Es liegt
nur an uns, wenn sie uns schädlich sind.
Wie glücklich wäre übrigens Frankreich, wenn es viele dergleichen Prediger hätte.
Welcher Damm wird die Laster,
die bei ihnen zu Artigkeiten werden, aufhalten?
Welches sind
die Meisterstücke, die uns ihr berüchtigter Witz liefert? sind
zu zählen.
untergraben,
Die
Schriften
aber,
Sie
welche die Religion
und unter lockenden Bildern
die schimpflichste
Wollllst in das Herz flößen, sind bei ihnen unzählbar.
Eine
philosophierende Therese wird die Predigerin der Un zucht, und ein unseliger Grabstichel hilft der Einbildungskraft derjenigen nach, welche ohne seine Schilderungen das Ärgernis nur halb treffen würde.
Man sagt, daß der Marquis d'A * *
Verfasser dieses eben so unwitzig als ekel geschriebnen Buchs
sei.
Wir zweifeln
aber.
Der Urheber der jüdischen Briefe
hat sich zwar oft genug als einen Feind der Religion erklärt, niemals aber als einen Feind der Tugend.
Therese verrät
allzusehr die Schule eines unsinnigen Demetrius.
Was ist
sie anders als ein Frauenzimmer, welches seine Grundsätze des
glücklichen Lebens in Ausübung bringt?
Was hat der Ver
fasser mehr gebraucht, sie zu schreiben, als eine Stirne, welche zur Scham zu eisern ist? Der einzige Vorzug, mit dem er in
allen seinen Schriften stolz thut.
Bei dieser Gelegenheit kön
nen wir den Lesern sagen, daß sich der Marquis d'Argens,
nachdem er Berlin verlaffen hat, bei dem Fürsten von Monaco aufhält. Wer kennt alle die übrigen Schriften, wo das Gift un-
merklicher, aber desto gefährlicher, ist? Wenn man der Wollust ihre größte Würze, das Geheimnisvolle, entzieht, so wird sie
weit weniger
verführen,
als wenn
ein leichter
Witz
einen
dünnen Rebel über sie bläset, durch welchen man nur das
Ganze und nie alle Teile gewahr werden kann.
Von dieser
84
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
Art ist ein kleiner Roman, unter dem Titel: Vergnügen,
die
oder
Das
Venus
der
Liebe
wahre
und
des
Adonis.
Er kömmt aus dem Schoße Frankreichs, ob uns
gleich
Aufschrift Staub in die Augen
die
streuet.
Es ist
eigentlich eine Nachahmung des achten Gesangs des italienischen Gedichts Adonis von dem Marino.
Der Franzose aber
hat dem Inhalte Folgen und Verbindungen gegeben, welche
man vergebens in dem Originale sucht.
von seinen eignen Ideen eingeschaltet.
Er hat auch einige
Die Vergleichtlng hat
uns gelehrt, daß man, diese zu erkennen, nur die Stellen beobachten darf, wo man am meisten rot wird.
Wir können
nicht leugnen, daß Schönheiten barin verschwendet sind, wel
chen wir einen würdigern Gegenstand wünschen wollten.
Die
Leichtigkeit, die alte Fabellehre glücklich anzuwenden, und ihren Erdichtungen einige neue beizufügen, welche mit den bekannten vollkommen übereinstimmen; die Kunst zu verhüllen, und der
Neugierde nur dann und wann einen Durchblick zu gönnen, verraten keinen Stümper.
Wann wird man anfangen, die
Tugend so reizend zu schildern,
als man jetzo
das Laster
malt? Durch
allen
welch
geschieht
Verhängnis
witzigen Köpfen Frankreichs,
von
es, daß man fast
dieser Seite, einen
schimpflichen Vorwurf zu machen hat ? Welcher von ihnen hat
nicht etwas geschrieben, dessen er sich vor Tugendhaften schämen
Von dem großen Corneille an bis zu einem Piron
muß?
haben alle ihren Witz beschimpft.
Es ist ihnen
gleich, ob
sie die göttlichen Harmonien eines Davids wagen, oder ob sie
Sinnschriften verfertigen, Priapus ekel sein würden. Art
ist
Rousseau;
witzigen Köpfen
ein
die
auch an der
Bildsäule
eines
Einer der bekanntesten von dieser
Mann,
der
vielleicht unter
allen
die meisten Verfolgungen wegen des Miß
brauchs seiner Muse erlitten hat.
Wir wollen nicht entschei
den, ob er eben dessen, was man ihm eigentlich zur Last legte,
schuld gewesen ist.
Das wenigstens, was man von ihm nach
85
Das Neueste aus dein Reiche des Witzes.
feinem
Tode gesehen hat, malt uns ihn als einen Mann,
welcher durch seine tugendhafte Aufsührnng int reifern Alter,
tind durch seine großmütige Ertragtuig des Unglücks die Aus
seiner Jugend aus die rühmlichste Art ausge-
schweifungen löscht hat.
Wir haben im vorigen Jahre seine Briefe erhalten,
welche voller lesenswürdigen Anekdoten sind.
In diesem aber
hat man uns eine Sammlung von noch ungedruckten kleinen Stücken, die teils ihn zum Verfasser haben, teils von andern
verfertigt, von ihm
nebst Der
seinen
Titel
aber
Werken
dieser
erkannt
für wert
Sammlung ist:
Rousseaus in zwei Teilen.
worden
werden,
zu
aufbehalten
sind,
geliefert.
Schreibetafel I.
B.
Der Dichter selbst schenkte
sie einige Zeit vor seinem Tode an beit Herrn L. D., wel cher sie nunmehr, die Ausgabe seiner Werke von 1734 voll
ständig zu machen, der Welt mitteilet.
Sie enthält Oden,
Briefe, Kantaten, Allegorien, Stählungen, zwei theatralische Stücke und eine Menge Sinngedichte.
Man weiß, was Rous
seau für ein Meister in diesen letztem war.
Er wußte das
Beißende mit dem Scherze so zu verbinden, daß in keinem
der Einfall ohne Satire, oder die Satire ohne Einfall ist.
Wir haben eines zu übersetzen gewagt.
Hier ist es.
Als Zeus Europen lieb gewann, x. ss. Band I., Seite 7.J
Die zwei theatralischen Stücke heißen der Hypochondrist,
oder die
Frau,
wöhnische.
welche nicht redet,
Beide sind in Versen.
und
der Arg
Das erste besteht aus
fünf Aufzügen, und der Stoff ist aus dem Englischen genom men; das letztre nur aus neun Auftritten, und ist nichts, als ein kleiner Entwurf eines vollständigen Stücks, welcher aber
wert ist, daß ihn eine Meisterhand cmszuführen wagte.
Die
übrigen Aufsätze sind fast alle voller Galle wider seine Feinde. Die Nachwelt
wird erstaunen, das;
Männer sich so tödlich
haben hassen können, wovon ihre Hochachtung der eine sowohl, als der andre verdient.
Über ihre kleinen Zänkereien hinweg
sehend, wird sie einen Voltaire ebensowohl als einen Rousseau
in die Reihe der Dichter setzen, welche die Ehre dieses Jahr hunderts gewesen sind. Wird sie es mit den witzigen Köpfen Deutschlands auch so halten? Wird sie einen Gottsched und einen Bodmer, einen Scheyb und einen Klopstock in eine Klasse bringen? Gewiß nicht. Wann es einmal heißen wird des verstorbnen Herrn von Scheyb längst verstorbene Theresiade, so wird man den Messias immer noch ein ewiges Gedichte nennen. Man wartet mit Verlangen ans den Rest, zu welchem man die instehende Messe Hoffnung gemacht hat. Das Präservativ, welches der Herr Professor Gottsched in seinen Gedichten gütigst dagegen hat mitteilen wollen, wird hoffentlich nur bei seinen Schülern anschlagen. Wie erfreut würden wir sein, wenn er einmal die undankbare Dichtkunst verlassen wollte, und der Welt keine Gelegenheit zu geben suchte, ihn ans seiner schwächsten Seite zu betrachten, da er sich auf so vielen andern zeigen kann, welche ihm alle Hochachtung erwerben. Hätte der Herr Pro fessor, anstatt den Messias zu tadeln, diejenigen steifen Witz linge angefallen, welche sich durch ihre unglücklichen Nach ahmungen dieser erhabnen Dichtnngsart lächerlich machen, so würden wir ihm mit Vergnügen beigetreten sein. Es giebt nur allzuviele, welche glauben, ein hinkendes heroisches Silben maß, einige lateinische Wortfügungen, die Vermeidung des Reims wären zulänglich, sie aus dem Pöbel der Dichter zu ziehen. Unbekannt mit demjenigen Geiste, welcher die erhitzte Einbildungskraft über diese Kleinigkeiten zu den großen Schön heiten der Vorstellung und Empfindung reißt, bemühen sie sich, anstatt erhaben dunkel, anstatt neu verwegen, anstatt rührend romanenhaft zu schreiben. Kann was lächerlicher sein, als wenn hier einer in einem verliebten Liede mit seiner Schönen von Seraphinen spricht, und dort ein andrer in einem Helden gedichte von artigen Mädchens, deren Beschreibung kaum dem niedrigern Schäfergedichte gerecht wäre? Gleichwohl finden diese Herrn ihre Bewundrer; und sie haben, große Dichter zu
87
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
heißen, nichts nötig, als mit gewissen witzigen Geistern, welche sich den Ton in allem, was schön ist, anzugeben unterfangen,
in Verbindung zu stehen.
Sie bringen übrigens durch die
ausschweifenden Lobeserhebungen, welche sie dem Messias auf
eine Weise erteilen, die genugsam zn verstehen giebt, daß sie nicht einmal die wahren Schönheiten an demselben empfinden,
dmjenigen, welche dieses große Gedicht noch nicht hinlänglich
kennen, eine Art eines widrigen Vorurteils dagegen bei.
Fol
gende Sinnschrift mag es beweisen, die wir vor einiger Zeit
von guter Hand erhalten haben.
Ihm singen so viel mäß'ge Dichter, x. [f. Band I, S. 21.].
Die wenigsten von ihnen verstehen das Erhabne, und halten also alles, was sie nicht verstehen, für erhaben.
Was ihnen
einmal außer dem Gesicht ist, ist für sie gleich hoch.
Solche
Richter müssen auch diejenigen suchen, welche ihre erbärmlichen Versuche
dem
Messias an die Seite gesetzt wissen möchten.
Wären sie nicht der Fabel entwachsen, so würden wir ihnen
folgende erzählen. Zur Feldmaus sprach ein Spatz: rc. [f. Band I, S. 167.] Der Reim ist es, gegen welchen diese Herren am unerbitt lichsten sind. Sie wollen sich vielleicht rächen, daß er ihnen nie-
mals hat zu Willen sein wollen.
Ein kindisches Geklimper
nennen sie ihn mit einer verächtlichen Miene.
Gleich, als ob
der kitzelnde wiederkommende Schall das einzige wäre, warum man ihn beibehalten solle.
Rechnen sie das Vergnügen, wel
ches aus der Betrachtung der glücklich überstiegnen Schwierig keit entsteht, für nichts?
Ist es kein Verdienst, sich von dem
Reime nicht fortreißen zu lassen, sondern ihm, als ein geschickter
Spieler den unglücklichen Würfen, durch geschickte Wendungen
eine so notwendige Stelle anzuweisen, daß man glauben muß, unmöglich könne ein ander Wort anstatt seiner stehen? Zweifelt
man aber an der Möglichkeit dieser Anwendung, so verrät utctit nichts als seine Schwäche in der Sprache und die Armut an
glücklichen Veränderungen.
Haller, Hagedorn, Gellert, Uz,
88
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
Oesen zeigen gnugsam, wie man über den Reim herrschen,
nnd ihm das vollkommne Ansehen der Natur geben können. Die Schwierigkeit ist mehr sein Lob, als ein Grund ihn ab zuschaffen.
Und die von unsern neuern Dichtern, welche ihn
verachten,
was für Freiheit haben sie einem ungebundenen
Geiste verschafft, wenn sie anstatt eines schweren Reimes eine noch weit schwerere Harmonie einführen wollen?
Ein Wahn hat sie berauschet Der nicht die Feffeln flieht, die Feffeln nur vertauschet. Die Ketten von dem Fuß sich an die Hände legt, Und glaubt, er trägt sie nicht, weil sie der Fuß nicht trägt.
Man nennt die Verse seichter Dichter, welche reimen, gereimte Prose, wie aber soll man das Gewäsche gleich seichter Dichter nennen, welche nicht reimen?
Wird man nicht sagen müffen:
Ein schlechter Dichter Spahr? Ein schlechter Dichter? Nein. Denn der muß wenigstens ein guter Reimer sein?
Daß aber ein Heldendichter und eilt dramatischer Poet die Reime wegläßt, ist sehr billig; denn da verursacht der Übel klang eines fast immer gleichen Abschnitts einen größern Ver druß, als das Vergnügen sein kann, welches jene schön über-
wundenen Hindernisse envecken.
Monat Mai 1751.
Wann ein kühner Geist,
voller Vertrauen
auf eigene
Stärke, in den Tempel des Geschmacks durch einen neuen Ein
gang dringet, so siild hundert nachahinende Geister hinter ihm her, die sich durch diese Öffnung mit einzustehlen hoffen. Doch
umsonst;
mit
eben
der Stärke, mit welcher
Thor gesprengt, schlägt er es hinter sich zu.
er
das
Sein erstaunt
Gefolge sieht sich ausgeschloffen, und plötzlich verwandelt sich
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes. die Ewigkeit, die
es
sich
träumte,
in
89
ein spöttisches Ge
lächter. Endlich hat die Welt den ersten Band des Messias
erhalten, worin zu den drei bekannten Gesängen der vierte
Er ist dem Könige von Däne-
und fünfte gekommen sind.
inark in einer Ode zugeschrieben.
Es versteht sich; wenn der
Versasier des Messias eine Ode macht, so wird es in der That
eine Ode sein.
Sie erhebt den König, welcher ein Menschen-
freund ist. . .
„Ihn ersähe Gott mit einweihendem Blicke,
„als er geboren ward, zum Vater des Vaterlandes .. Umsonst
„winkt ihm der schimmernde Ruhm in das eiserne Feld, wo „die Unsterblichkeit viel zu teuer durchs Blut blühender Jüng-
„linge, durch die nächtlichen Thränen der Mutter und Braut „erkauft wird..
Für ihn war der Eroberer zu klein, sobald
„er zu fühlen begann.
Nie weint er bei dessen Bilde, seines-
„gleichen zu sein .. Nach dem Ruhme nur weint er, geliebt
„zu sein vom
glückseligen
Volke,
Gott nachznahmen,
der
„Schöpfer des Glücks vieler Tausend zu werden .. Er ist ein „Christ!.. Er belohnt redliche Thaten, und belohnt sich zuerst.. „Lächelnd schaut er alsdann auf die Muse, welche das Herz „tugendhafter und edler macht. . Er winft dem stummen Ver-
„dienst, das in der Ferne steht." .... Seht da, die zerstreu
Jeder Satz ist eine Schilderung,
ten Glieder des Dichters!
und jedes Wort ein Bild.
Betrachtet sie stückweise.
Eine
Schönheit wird die andre hervorbringen, und jede bleibt groß
genug, unzählige anfangs unbemerkte in sich zu enthalten, wenn ihr mit der Zergliederung fortfahret.
So wird unter dem
Schnitte des neugierigen Naturforschers jeder Teil des Polypns
ein neuer, unb erwartet nur die wiederholte Trennung, auch aus seineil Teilen vollständige Ganze dem verwuildernden Ange
darzustellen. . . Die Versart, welche der Dichter gewählt hat, ist eine Horazische, voller majestätischen Wohlklangs, und un-
gemein geschickt, die Gedanken so rund zu machen, als möglich.
Die drei
ersten
Zeilen
siild
Asklepiadeisch
und
die
vierte
90
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
ist Glykonisch.
Überall ist der Wert der Silben lind der Ab
schnitt genau beobachtet worden, welches man um so viel mehr
bewundern muß, je ungewohnter bisher die delltsche Sprache
der römischen Fesseln gewesen ist.
Diese Genauigkeit scheint
unumgänglich, wenn ein bardisches Ohr die kunstreiche Har
monie eines Flaccus fühlen soll.
Wir wollen die erste Strophe
bezeichnet hersetzen, in Hoffnung, daß mir einigen Lesern damit einen Gefallen erweisen. Welchen I König der Gott I über die Kö1 nige
Mit ein l weihenden Blick | als er gebo I ren ward. Vom O | lympus her sah, | der wird ein Men | schenfreund, Und des | Vaterlands Va I ter sein. Sogar in dem Vorberichte zu der Ode herrscht eine ge wisse ungezwtmgne Hoheit, welche an der Spitze eines Gedichts,
wie der Alessias ist,
sehr wohl läßt.
„Der König der
„Dänen, heißt es, hat dem Verfaffer des Messias, der ein „Deutscher ist, diejenige Muse gegeben, die ihm
„endung
seines Gedichts nötig war." . .
zu Voll-
Ein vortreffliches
Zeugnis für unsre Zeiten, welches gewiß auf die Nachwelt kommen wird.
Wir wissen nicht, ob alle Leute so viel Satire
darin sehen, als wir. enthalten.
Wir wollen uns also aller Auslegung
Vielleicht daß wir mehr sehen, als wir sehen soll
ten. .. Nur eine kleine Anmerkling von der nördlichen Ver pflanzung der witzigen Köpfe. . . Doch auch diese wollen wir
unterdrückeir. Der vierte Gesang enthält die Beratschlagung des jüdischen
Synedriums, die Verräterei des Judas, das letzte Abendmahl der Jünger mit Jesu, seinen Gang nach dem Ölberge. . Kaiphas hatte einen Traum vom Satan gehabt; voller Angst
lag er auf dem Lager, und warf sich ungestüm, rind voll Ge
danken herum. Wie tief in der Feldschlacht Sterbend ein Gottesleugner sich wälzt; der kommende Sieger,
91
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
Und das bäumende Roß, der rauschenden Panzer Getöse, Und das Geschrei, und der Tötenden Wut, und der donnernde Himmel
Stürmt über ihm; er liegt und sinkt mit gespaltenem Haupte Dumm und gedankenlos unter die Toten, und glaubt zu vergehen. Drauf erhebt er sich wieder, und ist noch, und denkt noch, und fluchet. Daß er noch ist, und spritzt mit bleichen sterbenden Händen Blut gen Himmel, Gott flucht er, und wollte ihn gerne noch leugnen. Also betäubt sprang Kaiphas auf, und ließ die Versammlung Aller Priester und Ältsten im Volke schnell zu sich berufen, rc.
Wie vortrefflich ist dieses Gleichnis ausgemalt!
Es ist
eines von denen, welches der Dichter mehr als einmal braucht,
und immer auf einer neuen Seite schildert; so wie Virgil den Löwen .. Es würde eine Beleidigung gegen unsern Leser sein,
wenn wir mehr Stellen ausziehen wollten.
Wir würden zu
glauben scheinen, ein Mensch von Geschmack könne sich mit
abgerissnen Stücken begnügen. Der fünfte Gesang enthält die Leiden Jesu auf dem Öl berge.
Die Wahrheit zu gestehen, diese war eine von den
Stellen, wo wir den Dichter erwarteten. nung, er hat sich selbst übertroffen.
Er hat unsre Hoff
Einen einzigen Ort wollen
wir bemerken, wo er einen Kunstgriff anwendet, den man bei
dein Virgil für eine Unvollkommenheit ansieht..
Gott war
auf Tabor herabgestiegen, mit dem Messias ins Gerichte zll gehen, und die Sünden alle hatten sich vor ihm versammelt.
Aber Gott dachte sich selbst, die Geisterwelt, die ihm getreu blieb; Und den Sünder, das Menschengeschlecht. Da ergrimmt' er, und stand jetzt Hoch auf Tabor und hielt den tief erzitternden Erdkreis, Daß er nicht vor ihm verging. Hier
bricht
er den
Vers
ab;
und
dieser
Ruhepunft läßt
dem Leser Zeit, sich von der Last dieses schwängern Gedankens,
den der Dichter selbst nicht bis an das Ende der Zeile fort zuwälzen gewagt hat, zu erholen.
Wann alle die halben Verse
92
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes.
bei dem Virgil, welche seine Ausleger Stützen (tibicines) nennen, von gleicher Beschaffenheit wären, wie es einige in der That sind, so würden die Kunstrichter sehr auszulachen sein, die sich die Mühe gegeben haben, sie auf Geratewohl zu
erfüllen.
Unser
Dichter hat sich nunmehr seinem erhabnen Be-
lohner genähert.
Er befindet sich in Kopenhagen, und ohne
Zweifel in derjenigen glücklichen Ruhe, woran die Aufmerksam-
keit der Welt teilnimmt, und welche allezeit die Mutter der
ewigsten Werke gewesen ist.
Ein belohnter Dichter ist zu un
sern Zeitelr keine geringe Seltenheit.
Diese Seltenheit aber
wird noch weit größer, wenn der Dichter ein Deutscher ist, und wenn
seine Gesänge nichts
als Religion und Tugend
atmen...
Wir haben mit einer Anmerkung angefangen, wovon der Leser vielleicht schon die Anwendung geinacht hat.
Er mag
sie aber gemacht haben, wie er will, so mttffen wir doch ge stehen, daß wir nichts damit suchen, als diejenigen abzuschrecken, welche ihre Schultern einem Werke unterziehen, dem sie nicht gewachsen sind.
Hierher gehört der Verfasser eines Gedichts
in drei Gesängen: Jakob und Joseph.
Es ist nichts als
eine ausgedehnte Erzählung dessen, was man von der zweiten Reise der Söhne Jakobs nach Ägypten, bis auf den Zug des ganzen Geschlechts dahin, in der Bibel findet. Die Erfindungs kraft hat wenig dabei gearbeitet; obgleich die Geschichte einer epischen Fabel weit ähnlicher hätte können gemacht werden.
Doch vielleicht ist es wider den Sinn des Verfassers selbst,
sein Werk auf dieser Seite betrachten
zu lassen, und er ist
zufrieden
unter
einen
Poeten zu finden.
beträchtlichen
Platz
den
historischen
Diesen kann man ihm nicht versagen.
ist eine Stelle zur Probe.
Hier
Es sind die Worte des Jakobs,
da er seinen Sohn das erstemal wieder umarmet.
93
Das Neueste aus de>» Reiche des Witzes.
Und o, sprach der Erzvater, mit Freuden wollt' ich jetzt sterben. Da ich noch einmal dein Antlitz gesehn, dich noch lebend gesehen! Welche gräßliche Lücke mit eingestürzetem Rande, Wie der gähnende Schlund des Pardels, mit Zähnen umzäunet, Brach in mein Leben ein von jenem mühseligen Tag an, Da du von Dothan nicht wiederkamst, und die Brüder mir sagten, Joseph hätt' ein Raubtier zerfleischt, und den streifichten Rock mir Brachten und fragten: Sieh, Vater, ob's wohl des Josephs Gewand sei; Bis zu dem fröhlichen Tag, da Juda die bessere Nachricht, Kauni geglaubte, nicht glaubliche Nachricht, nach Mamre gebracht hat, Joseph lebt, und Joseph regiert, auch gab ihm Gott
Erben. Alle die Längen von Jahren, die zwischen die Tage getreten. Hielt die Trauer mich fest und löschte den männlichen Mut aus. Wehmut streut' auf das Grau der Haare mir Wolken von Asche.
Aber dies lange Weh ersetzt die vollkommenste Freude, Diese gesegnete Blicke, wohl wert, sie so zu erkaufen. Ein gewisser Kunstrichter hat den Rat gegeben, diejenigen Werke mit lateinischen Buchstaben drucken zu lasten, welche
verdienten, von den Ausländern gelesen zu werden.
Bei dem
Jakob und Joseph hätte man die gotischen Buchstaben also immer noch behalten können.
Mit weit andern Augen muß man die zwei ersten Ge
sänge des Gedichts, der Sündflut betrachten. Der Ver fasser hat nichts Geringes gewagt.
Dem Dichter des Noah
entgegen zu arbeiten, heißt, wie er selbst sagt, nach einem
Ulyssesbogen
greifen,
von nöten sind.
den
zu
spannen
Blut
und
Sehiten
„Doch, fährt er fort, der Verlust selbst in
„diesem Kampfe ist geringer als die Ehre des Unternehmens. „Es ist schon ein vornehmer Ruhm, der andere oder der dritte „nach dem Sieger zu sein.
Hier sind ansehnliche Gewinnste
„auch für die nächsten nach ihm aufgesetzet.
Oft ist es sehr
„schwer, unter zweien, deren jeder seine starke Ansprache an
94
Das Neueste aus dem Reiche des Witzes,
„den Sieg hat, zu entscheiden."
Dieses ist gewiß, und eine
Vergleichung dieser zwei wetteifernden Gedichte wird es am
besten lehren.
Der Raum nötiget uns, sie auf das künftige
Stück zu versparen. .. Wie stolz wird Deutschland sein kön
nen, wenn alle diese Werke so glücklich zustande kommen, als sie angefangen sind.
Drei Heldendichter zu gleicher Zeit in
Deutschland? Zu viel Gutes, zu viel auf einmal!
znm ersten und zweiten Teile -er „Schriften". 1753. sind die Schriftsteller. Das Publikum giebt ihnen einen 3^ Finger, und sie nehmen die Hand.
Meine Freunde-------- es versteht sich, daß meine Eigen
liebe mit darunter gehört — — wollen mich bereden, daß einige Bogen von mir den Beifall der Kenner erlangt hätten.
Daß ich es glaube, weil ich meine Rechnung dabei finde, ist natürlich.
Und daß ich mich jetzt der Gefahr aussetze, das
jenige alphabetweise zu verlieren, was ich bogenweise gewonnen habe, ist zwar auch natürlich, ob es aber eben so gar klug
sei, das ist eine andere Frage.
Wenn der Hund, der in der
Fabel nach dem Schatten schnappt, auch zu meinem Vorbilde wird, so mag ich es haben. Die Bogen, deren ich jetzt gedacht, sind eine Sammlung
kleiner Lieder.
Sie erschienen vor zwei Jahren unter dem
Titel Kleinigkeiten.
Man darf nicht glauben, daß ich sie
eben deswegen so nennte, damit ich der unerbittlichen Kritik mit Höflichkeit den Dolch aus den Händen winden möchte. Ich erklärte schon damals, daß ich der erste sein wolle, das
jenige mit zu verdammen, was sie verdammt; sie, der zum
Verdruß ich wohl einige mittelmäßige Stücke könnte gemacht haben; der zum Trotze ich aber nie diese mittelmäßige Stücke
für schön erkennen würde.
Ich griff ihr sogar vor, und bat
meine Leser gewiffe Blätter zu überschlagen, die ich damit
96
Vorrede zum ersten und ^weiten Teile der „Schriften".
entschuldigte, daß die Handschrift schon seit drei Jahren nicht mehr in meiner Gewalt gewesen sei.
Ob diese Versicherung unter die Autorstreiche gehörte, wird man jetzt aus dem zweiten Drucke sehen.
Ich habe geändert;
ich habe weggeworfen, und bin so strenge gewesen, als es nur Es ist wahr, ich
immer meine Einsicht hat zulassen wollen.
hätte noch strenger sein können; wenn ich nämlich alles durch gestrichen, oder wenigstens alles, ohne mich jemals zu entdecken,
so wie es war, gelaßen hätte: denn das Elende streicht sich selbst durch, und schlechte Verse, die niemand liefet, sind so
gut, als wären sie nicht gemacht worden.
Doch es mag drum
sein; ich bekenne es, daß ich gegen die kleinen Denkmäler meiner Arbeit nicht ganz ohne Zärtlichkeit bin; und daß sich
diese Zärtlichkeit doppelt fühlen läßt, wenn ich sie namenlos ein Raub des erste» des besten werden sehe. Aber überlege ich es auch? Diese Lieder enthalten nichts, als Wein und Liebe, nichts als Freude und Genuß; und ich
wage es, ihnen vor den Augen der ernsthaften Welt meinen
Namen zu geben? Was wird man von mir denken? — — Was man will.
Man nenne sie jugendliche
Aufwallungen
einer leichtsinnigen Moral, oder man nenne sie poetische Nach
bildungen niemals gefühlter Regungen; man sage, ich habe
meine Ausschweifungen darin verewigen wollen, oder man sage, ich rühme mich darin solcher Ausschweifungen, zu welchen
ich nicht einmal geschickt sei; man gebe ihnen entweder einen
allzuwahren Grund, oder man gebe ihnen gar keinen: alles
wird mir einerlei sein.
Genug, sie sind da, und ich glaube,
daß man sich dieser Art von Gedichten, so wenig als einer
andern, zu schämen hat. Ich weiß, daß auch andre so denken, und wenigstens bin
ich es von einem
gewissen Herrn H * * überzeugt.
Dieser
Herr hat meine Kleinigkeiten mit dem alleraußerordentlichsten Beifalle beehrt, indem er sie für seine Arbeit ausgegeben.
Und
wenn es nicht darauf ankäme, daß entweder er oder ich ein
Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften".
97
Lügner sein müßte, so würde ich mir ein Vergnügen daraus gemacht haben, ihm niemals zu widersprechen: denn die Ehre,
die ihm daraus hätte zufließen können, wäre ohne Zweifel so
klein gewesen, daß sie meinen Neid nicht würde erweckt haben. Dainit ich ihn aber nicht durch diese Erklärung gänzlich zu
schandeir mache, so will ich ihm dasjenige, was er sich wider mein Wissen angemaßt hat, hier vor den Augen der ganzen Welt schenken.
Ich würde dieses am besten in einer Zueig
nungsschrift haben thun können, und würde es auch wirklich gethan haben, wenn ich von dem Zueignen nicht ein allzuab gesagter Feind wäre.
Diese Schenkung, wenn es ihm beliebt,
kann er auch auf alles das übrige erstrecken, und ich will gar nicht böse werden, wenn ich höre, daß auch meine Oden, meine
Fabeln, meine Sinnschriften, und meine Briefe ein andrer gemacht hat.
Doch ich eile von diesem allen meinen Lesern nur einige Worte zu sagen.
Wenn durch das Ausstreichen in den Liedern
keilte Lücken entstanden wären, und wenn ich diese Lücken zu erfüllen nicht meinen gaitzen poetischen Vorrat hätte durch laufen müssen, so würde ich vielleicht an eine Sammlung aller
meiner Versuche noch lange nicht gedacht haben; und sie würden noch lange zerstreut und verstümmelt in der Irre und
im
Vergessen geblieben sein.
ein
Doch so geht's;
wenn
Schriftsteller werden soll, so muß sich alles schicken.
man
Die väter
liche Liebe ward auf einmal bei mir rege, und ich wünschte
Ich weiß nicht, was
meine Geburten beisammen zu sehen.
es für ein Geschicke ist, daß solche Wünsche immer am ersten erfüllt werden; das aber weiß ich, daß wir oft durch die Er
füllung unsrer Wünsche gestraft werden.
Ob mir es auch so
gehen soll, wird die Aufnahme dieser zwei Teile entscheiden,
von welchen ich dem Publiko ganz im Vertrauen eröffne, daß sie nichts als ein paar verwegne Kundschafter sind.
Der erste enthält dasjenige, was ich in den Meinen Gat tungen von Gedichten versucht habe. Lessing, Werke. V.
Der Lieder habe ich schon 7
98
Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften".
gedacht, und die verschiedenen neuen Stücke, welche dazu ge kommen sind, haben mich genötiget, sie in zwei Büchern ab zuteilen.
Für diese bin ich am wenigsten besorgt, weil sie
größtenteils das Licht schon kennen, und bei diesen! Abdrucke
mehr gewonnen, als verloren haben. Den wenigen Oden, welche darauf folgen, gebe ich nur
mit Zittern diesen Namen.
Sie sind zwar von einem stärkern
Geiste als die Lieder, und haben ernsthaftere Gegenstände;
allein ich kenne die Muster in dieser Art gar zu gut, als daß ich nicht einsehen sollte, wie tief mein Flug unter dem ihrigen ist.
Und wenn zum Unglücke gar etwa nur das Oden sein
sollten,
was ich, der schmalen Zeilen ungeachtet, für Lehr
gedichte halte, die man anstatt der Paragraphen in Strophen eingeteilet hat; so werde ich vollends Ursache mich zu schämen
habm. Die Fabeln, die ich gemacht habe, sind von verschiedener Art, und ich begreife unter diesem Namen auch die Erzählungen, weil ich finde, daß sie selbst Phädrus mit darunter begriffen
hat.
Andere mögen dem Beispiele des Fontaine folgen, welcher
freilich Ursache hatte, seine Erzählungen von den Fabeln, die
der Unterweisung gewidmet sind, zu unterscheiden.
Die ganze
Sache ist eine Kleinigkeit. In Ansehung der Erfindung, glaube
ich, werden sie größtenteils neu sein, und ich will es andern überlaffen, dasjenige noch besser zu erzählen, was hundert andere schon gut erzählt haben.
Was wird man aber von
dem Ausdrucke sagen? Ich hätte der Art des nur gedachten
französischen Dichters folgen müssen, wenn ich die Mode hätte mitmachen wollen.
Allein ich fand, daß unzählige, weil sie
ihm ohne Geschicklichkeit nachgeahmet haben, so läppisch ge worden sind, das; man sie eher für alte Weiber, als für Sitten
lehrer halten könnte; ich sahe, daß es nur einem Gellert gegeben sei, in seine Fußstapfen glücklich zu treten.
Ich band
mich also lieber an nichts; und schrieb sie so auf, wie es mir
jedesmal am besten gefiel.
Daher kommt es, daß einige niedrig
Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften".
genug sind; andere aber eilt wenig zu poetisch.
99
Daher kommt
es sogar, daß ich verschiedene lieber in Prosa habe erzählen wollen, als in Versen, zu welchen ich vielleicht damals nicht aufgelegt war. Ich komme auf die Sinngedichte.
Ich habe hierin keinen
andern Lehrmeister als den Martial gehabt, und erkenne
atich keinen andern, es müßten beim die sein, die er für die seinigen erkannt hat,
und von welchen uns die Anthologie
einen so vortrefflichen Schatz derselben aufbehalten.
Aus ihm
also und aus dieser Sammlung wird man verschiedene über setzt, und sehr viele nachgeahmt finden.
Daß ich zu beißend
und zu frei darin bin, wird man mir wohl nicht vorwerfen können; ob ich gleich beinahe in der Meinung stehe, daß man beides in Sinnschristen nicht genug sein kann.
Ich habe bei
den wenigsten gewisie Personen im Sinne gehabt, und ich verbitte also im voraus alle Erklärungen. Den Schluß in dem solche Stücke nämlich,
ersten Teile machen Fragmente;
die ich entweder nicht ganz zustande
gebracht habe, oder die ich dem Leser nicht ganz mitzuteilen
für gut befinde.
Ich hätte sie also wohl ganz und gar zurück
behalten können? Vielleicht; und es kömmt darauf an, ob man nicht etwas darunter findet, welches gleichwohl der Erhaltung nicht unwert ist. Anfangs war ich willens einige kleine Stücke durch ein
Zeichen merklich zu machen.
Diejenigen nämlich, die ich mir
nicht ganz zuschreiben kann, und wovon ich die Anlage aus dein oder jenem französischen Dichter geborgt zu haben, mir
nicht verbergen kann.
Doch da dieser Zeichen nur sehr wenige
geworden wären, und ich außerdem überlegte, daß es dein Leser sehr gleichgültig sei, wem er eigentlich einen Einfall zu
danken hat, wenn der Einfall ihn: nur Vergnügen macht; so habe ich es gar unterlaßen.
Ich werde ohnedem der Gefahr
nicht ausgesetzt sein, daß man auch aus meinen Poesien, zur
Ehre des deutschen Witzes, Proben ins Französische übersetzt.
Vorrede zum ersten und zweiten Teile der „Schriften",
100
unb zum Unglücke gleich auf solche fällt, bie von einem Fran
zosen entlehnt finb. Der zweite Teil enthält Briefe.
galante Briefe vermuten. noch
Man wirb ohne Zweifel
Allein ich muß bekennen, baß ich
bis jetzt keine Gelegenheit gehabt habe, bergleichen zu
schreiben.
Mir Korrespondentinnen zu erbichten, unb au Schön
heiten zu schreiben, bie nicht existieren, schien mir in Prosa ein
wenig zu poetisch zu sein.
Es sinb also nichts als Briefe an
Freunbe, unb zwar an solche, an bie ich etwas mehr als Kom
plimente zu schreiben gewohnt bin.
Ich schmeichle mir sogar,
baß in beit meisten etwas enthalten ist, was bie Mühe sie zu
lesen belohnt.
Wenn man an Freunbe schreibt, so schreibt
man ohne ängstlichen Zwang, unb ohne Zurückhaltung.
Beides
wirb man auch in meinen Briefen sinben, unb ich will lieber
ein wenig nachlässig unb frei scheinen, als ihnen biese Merk male abwischen, welche sie von erbichteten Briefen unterscheiben
müssen.
Ich habe ihrer einen ziemlichen Vorrat, unb bie,
welche ich hier ohne Wahl, so wie sie mir in bie Hände ge
raten, mitgeteilt, sind bie wenigsten.
Es wirb mir angenehm
sein, wenn meine Freunbe nicht bie einzigen finb, die etwas
barin zu sinben glauben. Ich habe gesagt, daß diese beiden Teile nichts als Kund
schafter finb.
Einige ernsthafte Abhandlungen und verschiedene
größre Poesien, wozu ich bie dramatischen Stücke vornehmlich rechne, möchten ihnen gerne folgen.
Unter den letzten sind
einige, welche schon die Probe der öffentlichen Vorstellung aus
gehalten, unb wenn ich sie selbst rühmen darf, auch Beifall gefunden haben.
Die Probe des Drucks ist die letzte und
wichtigste. Ich kann hier meine Vorrede beschließen, und muß den
Leser um Verzeihung bitten, daß ich von nichts als von mir
geredet habe.
Borrede zum dritten «nd vierten Teite der „Schriften". 1754. '3fdj bin eitel genug, mich des kleinen Beifalls zu rühmen, welchen die zwei ersten Teile meiner Schriften, hier und da,
erhalten haben.
Ich würde dem Publiko ein sehr abgeschmacktes
Kompliment machen, wenn ich ihn ganz und gar nicht verdient
ju haben, bekennen wollte.
Eine solche Erniedrigung schimpft
seine Einsicht, und man sagt ihm eine Grobheit, anstatt eine
Höflichkeit zu sagen.
Es sei aber auch ferne von mir, seine
schonende Nachsicht zu verkennen, und die Aufmunterung, die
es einem Schriftsteller widerfahren läßt, welcher zu seinem Vergnügen etwas beizutragen flicht, für ein schuldiges Opfer
anzusehen.
Ob mir nun also der erste Schritt schon nicht mißlungen ist; so bin ich doch darum nicht weniger furchtsam, den zweiten zu wagen.
Oft lockt man einen nur darum mit Schmeicheleien
aus der Scene hervor, um ihn mit einem desto spöttischer» Gelächter wieder hineiilzutreiben. Ich nennte es einen zweiten Schritt; aber ich irrte mich:
es ist ebensowohl ein erster, als jener.
Ein zweiter würde es
sein, wenn ich die Bahn nicht verändert hätte.
Aber,
wie
sehr habe ich diese verändert! Anstatt Reime, die sich durch ihre Leichtigkeit und durch einen Witz empfehlen, der deswegen keine Neider erweckt, weil jeder Leser ihn ebensogut als der
Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".
102
Poet zu haben glaubt, anstatt solcher Reime bringe ich lange
prosaische
Allfsätze,
die zum Teil noch
dazu eine gelehrte
Miene inachen wollen. Da ich mir also nicht einmal eben dieselben Leser wieder
versprechen kann, wie sollte ich mir eben denselben Beisall ver
sprechen können? Doch er erfolge, oder erfolge nicht; ich will wenigstens auf meiner Seite nichts versäumen, ihn ztl erhaschen.
Das ist, ich will rnich des Rechts der Vorrede bedienen, und
mit den höflichsten Wendungen, so nachdrücklich als möglich, zu verstehen geben, von welcher Seite ich gerne wollte, daß man dasjenige, was man nun bald wahrscheinlicherweise lesen, noch
mahrscheinlichererweise aber nicht lesen wird, betrachten möge. Ich sage also, daß ich den drittelt Teil mit einem Misch
masch von Kritik und Litteratur angesüllt habe, der sonst einen
Autor detltscher Nation nicht übel zu kleiden pflegte.
Es ist
schade, daß ich mit diesem Bändchen nicht einige zwanzig Jahr vor meiner Geburt in
lateinischer Sprache habe
erscheinen
können! Die weltigen Abhandlungen desselben sind alle Ret
tungen überschrieben. darin gerettet habe?
nicht danken können.
Und wen glaubt man wohl, daß ich
Lauter verstorbne Männer, die mir es Und gegen wen?
Fast
gegen
lauter
Lebendige, die mir vielleicht ein sauer Gesichte dafür machen
werden.
Wenn das klug ist, so weiß ich nicht, was unbe
sonnen sein soll. — — Man erlaube mir, daß ich nicht ein Wort mehr hinzusetzen darf.
Ich komme vielmehr sogleich auf den vierten Teil, von
befielt Inhalte sich mehr sagen läßt, weil er niemanden, oder welches einerlei ist, weil er alle und jede angeht.
Er enthält
Lustspiele. Ich muß es, der Gefahr belacht zu werden ungeachtet,
gestehen, daß unter allen Werken des Witzes die Komödie das jenige ist, an welches ich mich am ersten gewagt habe.
Schon
in Jahren, da ich nur die Menschen aus Büchern kannte —
— beneidenswürdig ist der, der sie niemals näher kennen lernt!
Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".
103
— — beschäftigten mich die Nachbildungen von Thoren, an
deren Dasein mir nichts gelegen ivar.
Theophrast, Plautus
und Tererrz waren meine Welt, die ich in dem engen Bezirke einer klostermäßigen Schule mit aller Bequemlichkeit ftubierte —
Wie gerne wünschte ich mir diese Jahre zurück; die
einzigen, in welchen ich glücklich gelebt habe.
Von diesen ersten Verslichen schreibt sich, zum Teil, der
junge Gelehrte her, den ich, als ich ernstlicher auszuarbeiten,
nach Leipzig kam,
mir die Mühe gab.
Diese Mühe
ward mir durch das dasige Theater, welches in sehr blühenden Umständen war, ungemein versüßt.
Auch ungemein erleichtert,
muß ich sagen, weil ich vor demselben hundert wichtige Kleinig keiten lernte, die ein dramatischer Dichter lernen muß, und
aus der bloßen Lesung seiner Muster nimmermehr lernen kann. Ich glaubte etwas zustande gebracht zu haben, und zeigte
meine Arbeit einem Gelehrten, dessen Unterricht ich in wichtigern Dingen zu genießen das Glück hatte.
Wird man sich nicht
wundern, als den Kunstrichter eines Lustspiels einen tieffinnigen Weltweisen und Meßkünstler genennt zu finden?
Vielleicht,
wenn es ein andrer, als der Herr Profeffor Kästner wäre. Er würdigte mich einer Beurteilung, die mein Stück zu einem Meisterstücke würde gemacht haben, wenn ich die Kräfte gehabt
hätte, ihr durchgängig zu folgen. Mit so vielen Verbesierungen unterdeffen, als ich nur
immer hatte anbringen können, kam mein junger Gelehrte in die Hände der Frau Neuberin.
Auch ihr Urteil verlangte
ich; aber anstatt des Urteils erwies sie mir die Ehre, die sie sonst einem angehenden Komödienschreiber nicht leicht zu er
weisen pflegte; sie ließ ihn aufführen.
Wenn nach dem Ge
lächter der Zuschauer und ihrem Händeklatschen die Güte eines Lustspiels abzumessen ist, so hatte ich hinlängliche Ursache das meinige für keines von den schlechtesten zu halten.
Wenn es
aber ungewiß ist, ob diese Zeichen des Beifalls mehr für den
Schauspieler, oder für deu Verfasser gehören; wenn es wahr
Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".
lf*4
ist, daß der Pöbel ohne Geschmack am lautesten lacht, daß er
oft da lacht, wo Kenner weinen möchten: so will ich gerne nichts aus einem Erfolge schließen, aus welchem sich nichts
schließen läßt. Dieses aber glaube ich, daß mein Stück sich aus dem Theater gewiß würde erhalten haben, wenn es nicht mit in den
Ruin der Frau Neuberin wäre verwickelt worden.
Es ver
schwand mit ihr aus Leipzig, imb folglich gleich aus demjenigen
Orte, wo es sich, ohne Widerrede, in ganz Deutschland am besten ausnehmen kann. Ich wollte hieralls mit ihm den Weg des Drucks ver
suchen.
Aber was liegt dem Leser an der Ursache, warum sich
dieser bis jetzt verzögert hat?
Ich werde beschämt genug sein,
wenn er finden sollte, daß ich gleichwohl noch zu zeitig damit
hervorrückte. Das war doch noch einmal eine Wendung, wie sie sich für einen bescheidnen Schriftsteller schickt!
Aber
man
gebe
acht, ob ich nicht gleich wieder alles verderben werde! —
-
Man nenne mir doch diejenigen Geister, aus welche die komische
Muse Deutschlands stolz sein könnte! Was herrscht aus unsern gereinigten Theatern? Ist es nicht lauter ausländischer Witz,
der, so ost wir ihn bewundern, eine Satire über den unsrigen macht? Aber wie kommt es, daß nur hier die deutsche Nacheiserung zurttckbleibt?
Sollte wohl die Art selbst, wie man
unsre Bühne hat verbesiern wollen, daran schuld sein?
Sollte
wohl die Menge von Meisterstücken, die man aus einmal, be
sonders den Franzosen abborgte, unsre ursprünglichen Dichter niedergeschlagen haben?
Man zeigte ihnen aus einmal, so zu
reden, alles erschöpft, und setzte sie auf einmal in die Not wendigkeit, nicht bloß etwas Gutes, sondern etwas Besiers zn machen.
Dieser Sprung war ohne Zweifel zu arg; die Herren
Kunstrichter konnten ihn wohl befehlen, aber die, die ihn wagen
sollten, blieben aus.
Was soll aber diese Anmerkung?
Vielleicht meine Leser
Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".
zu einer
gelindem
105
Beurteilting bewegen? —--------- Gewiß
nicht; sie können es halten wie sie wollen.
Sie mögen mich
gegen meine Landsleute, oder gegen Ausländer aufwägen; ich
Aber das werden sie doch
habe ihnen nichts vorzuschreiben.
wohl nicht vergessen, wenn die Kritik den jungen Gelehr ten insbesondere angeht, ihn nur immer gegen solche Stücke
zu halten, an welchen die Verfasser ihre Kräfte versucht haben? Ich glaube, die Wahl des Gegeilstaudes hat viel dazu
beigetragen, daß ich nicht ganz damit verunglückt bin.
Ein
junger Gelehrte war die einzige Art von Narren, die mir
Unter
auch damals schon unmöglich unbekannt sein konnte.
diesem Ungeziefer ausgewachsen, war es ein Wunder, daß ich
meine ersten satirischen Waffen wider dasselbe wandte?
Das zweite Lustspiel, welches man in dem vierten Teile finden wird, heißt die Juden.
Es war das Resultat einer
sehr ernsthaften Betrachtung über die schinipsliche Unterdrü ckung, in welcher ein Volk seufzeil muß, das ein Christ, sollte
ich meinen, nicht ohne eine Art von Ehrerbietung betrachten Aus ihm, dachte ich, sind ehedem so viel Helden und
kann.
Propheten aufgestanden, und jetzo zweifelt man, ob ein ehr
licher Mann unter ihm anzntreffen sei?
Meine Lust
zum
Theater war damals so groß, daß sich alles, was mir in den
Kopf kam, in eine Komödie verwandelte.
Ich bekam also gar
bald den Einfall, zu versuchen, was es für eine Wirkung auf
der Bühne haben werde, wenn man dem Volke die Tugend da zeigte, wo es sie ganz und gar nicht vermutet.
Ich bin
begierig mein Urteil zu hören.
Noch begieriger aber bin ich, zu erfahren, ob diese zwei Proben
einige Begierde nach meinen
Arbeiten erwecken werden.
aus,
übrigen dramatischen
Ich schließe davon alle diejenigen
welche hier und da unglücklicherweise schon das Licht
gesehen haben.
Ein bessrer Vorrat, bei
welchem ich mehr
Kräfte und Einsicht habe anwenden können, erwartet nichts als die Anlegung der letzten Hand.
Diese aber wird lediglich
106
Vorrede zum dritten und vierten Teile der „Schriften".
von meinen Umständen abhangen.
Ein ehrlicher Mann, der
nur einigermaßen gelernt hat, sich von dem Äußerlichen nicht
unterdrücken zu lassen, kann zwar fast immer aufgelegt sein,
etwas Erilsthaftes zu arbeiten, besonders wenn mehr Anstren gung des Fleißes, als des Genies dazu erfordert wird; aber nicht immer etwas Witziges, welches eine gewisse Heiterkeit des
Geistes verlangt, die oft in einer ganz andern Gewalt, als in
der unsrigen stehet-------- Es rufen mir ohnedem fast versäumte wichtigere Wissenschaften zu:
Safis est potuisse videri!
Erster Brief. An den Herrn P.
^Lchon seit vierzehn Tagen hätte ich Ihnen Ihren Aufsatz 75' von den unglücklichen Dichtern wieder zurückschicken können, weil ich ihn gleich in den ersten Abenden durchgelesen
hatte.
Allein ich glaubte, diese Eilfertigkeit würde nicht gelehrt
genug lassen; wenigstens nicht freundschaftlich genug.
Denn
nicht wahr, entweder Sie hätten gedacht: null wahrhaftig, der muß sehr viel müßige Stunden haben, daß er sich sogleich hat darüber machen können! oder: ja, in der kurzen Zeit mag er auch viel gelesen haben; über alles läuft er doch weg, wie
der Hahn über die Kohlen!
Tie eine Vermutung sowohl als
die andre war mir ungelegen; mir, der ich so gerne immer beschäftiget scheinen will; mir, der ich aus nichts aufmerksamer
bin, als auf die Geburten meiner Freunde.
Ich würde also
ganz geiviß Ihr Werk wenigstens noch acht Tage auf meinem Tische haben rasten lasten; doch Sie fordern es selbst zurück,
und hier ist es.
Nun? aber ohne Beurteilung werden Sie
sageir? Als wenn Sie es nicht schon müßten, daß ich durchaus
über nichts urteilen will.
Wollen Sie aber mit so etwas zu
frieden sein, das aufs höchste einer Meinung ähnlich sieht, so
bin ich zu Ihren Diensten.
Sie zeigen eine sehr weitläuftige
Belesenheit, die ich sehr hoch schätze, wenn es Ihnen anders
nicht viel Mühe gekostet hat, sie zu zeigen.
Gott weiß, wo
Sie alle die unglücklichen Dichter aufgetrieben haben! für tragische Scenen ziehen Sie Ihren Lesern auf!
Was
Hier sitzt
110
Briefe.
einer in einer ewigen Finsternis,
und sieht das Licht nicht,
welches gleich ihm alles belebet; dort schmachtet einer auf einem
Lager, das er seit Jahren nicht verlassen.
Jener stirbt, fern
von seinem Vaterlande und seinen Freunden, unter Barbaren, zil welchen ihn die Empfindlichkeit eines Großen verwieseir; dieser in seiner Vaterstadt, mitten unter den Bewundrern seiner
Muse, im Hospitale.
Dort sehe ich einen-------- welche Er
niedrigung für euch, ihr Musen!-------- am Galgen; und hier
einen, gegen welches der Galgen noch ein Kinderspiel ist, mit
einem Teufel vom Weibe verheiratet.
Die moralischen Züge,
welche Sie mit unterstreuen, sind gut; ich hätte aber gewünscht,
daß sie häufiger wären, daß sie aus Ihren Erzählungen un gezwungener flößen, und in einem minder schulmäßigen Tone
dahertönten.
Auch das gefällt mir nicht, daß Sie keine Klassen
unter den unglücklichen Dichtern machen.
Diejenigen, welche
so zu reden die Natur unglücklich gemacht hat, als die Blin
den, gehören eigentlich gar nicht darunter, weil sie unglücklich würden gewesen sein, wenn sie auch keine Dichter geworden
wären.
Andre haben ihre
Übeln
Eigenschaften
unglücklich
gemacht, und auch diese sind nicht als unglückliche Dichter, sondern als Bösewichter, oder wenigstens als Thoren anzusehen.
Die einzigen,
die diesen Namen verdienen, sind diejenigen,
welche eine unschuldige Ausübung der Dichtkunst, oder eine
allzueisrige Beschäftigung mit derselben, die uns gemeiniglich zu allen andern Verrichtungen ungeschickt läßt, ihr Glück zu machen verhindert hat. zahl sehr klein.
Und in diesem Verstände ist ihre An
Ja sie wird noch kleiner, wenn man ihr vor
gebliches Unglück in der Nähe mit gesunden Augen, und nicht
in einer ungewissen Ferne, durch das Vergrößerungsglas ihrer
eigenen, mit allen Figuren ungefüllten Klagen betrachtet.
Ist
es nicht ärgerlich, wenn man einen Saint Amant, einen Neu-
kirch, einen Günther so bitter, so ausschweifend, so verzweifelnd über ihre, in Vergleichung andrer, noch sehr erträgliche Armut wimmern hört?
Und sie, die Annut, ist sie denn etwa nur
111
Briefe.
das Schicksal der Dichter, und nicht vielmehr auch aller an Gelehrten?
dern
So viel
Sie
mir
arme
Dichter
nennen
können, eben so viel will ich Ihnen arme Weltweise, arme
Ärzte, arme Sternkundige 2c. nennen.
Aus diesem Gesichts
punkte also, mein Herr, betrachten Sie, wenn ich Ihnen raten soll, Ihre Materie etwas aufinerksamer, und vielleicht finden
Sie zuletzt, daß Sie ganz unrecht gethan haben, ich weiß nicht
lvas für einen gewißen Stern zu erdichten, der sich ein Ver gnügen daraus macht, die Säuglinge der Musen zu tyranni sieren. -------------- Sind Sie meiner Erinnerungen bald
Doch, noch eine.
satt?
Ich finde, daß Sie in Ihrem Verzeichnis
einen Mann ausgelasien haben, der vor zwanzig andern eine
Stelle darin verdienet; den armen Simon Lemnius.
kennen ihn doch wohl?
Sie
Ich bin rc.
Zweiter Lrief. An ebendenselben. Wahrhaftig, ich bewundre Sie!
Ein Beiwort, an befielt
Nachdruck ich nicht einmal gedacht hatte, legen Sie mir in
allem Ernste zur Last?
Ich fürchte, ich fürchte, wir werden
über den armen Simon Lemnius in einen kleinen Zank
Und da sehen Sie es, daß ich das Herz habe, ihn
geraten.
noch einmal so zu nennen, ob Sie ihn gleich den verleum derischen, den boshaften,
heißen.
den meineidigen,
den unzüchtigen
Aber sagen Sie mir doch, geben Sie ihm diese Be
nennungen, weil Sie seine Aufführung untersucht haben, oder weil sie ihm von andern gegeben werden?
Ich befürchte das
letztere, und muß also den armen Lemnius doppelt be
klagen. muß
War es nicht genug, daß ihn Luther verfolgte, und
sein
werden?
Andenken
auch noch von der Nachwelt befeindet
Aber Sie erstaunen; Luther und verfolgen, scheinen
Ihnen zwei Begriffe zu fein, die sich widersprechen.
Geduld!
Wenn Sie wollen, so will ich Ihnen alles erzählen; und als-
111
Briefe.
das Schicksal der Dichter, und nicht vielmehr auch aller an Gelehrten?
dern
So viel
Sie
mir
arme
Dichter
nennen
können, eben so viel will ich Ihnen arme Weltweise, arme
Ärzte, arme Sternkundige 2c. nennen.
Aus diesem Gesichts
punkte also, mein Herr, betrachten Sie, wenn ich Ihnen raten soll, Ihre Materie etwas aufinerksamer, und vielleicht finden
Sie zuletzt, daß Sie ganz unrecht gethan haben, ich weiß nicht
lvas für einen gewißen Stern zu erdichten, der sich ein Ver gnügen daraus macht, die Säuglinge der Musen zu tyranni sieren. -------------- Sind Sie meiner Erinnerungen bald
Doch, noch eine.
satt?
Ich finde, daß Sie in Ihrem Verzeichnis
einen Mann ausgelasien haben, der vor zwanzig andern eine
Stelle darin verdienet; den armen Simon Lemnius.
kennen ihn doch wohl?
Sie
Ich bin rc.
Zweiter Lrief. An ebendenselben. Wahrhaftig, ich bewundre Sie!
Ein Beiwort, an befielt
Nachdruck ich nicht einmal gedacht hatte, legen Sie mir in
allem Ernste zur Last?
Ich fürchte, ich fürchte, wir werden
über den armen Simon Lemnius in einen kleinen Zank
Und da sehen Sie es, daß ich das Herz habe, ihn
geraten.
noch einmal so zu nennen, ob Sie ihn gleich den verleum derischen, den boshaften,
heißen.
den meineidigen,
den unzüchtigen
Aber sagen Sie mir doch, geben Sie ihm diese Be
nennungen, weil Sie seine Aufführung untersucht haben, oder weil sie ihm von andern gegeben werden?
Ich befürchte das
letztere, und muß also den armen Lemnius doppelt be
klagen. muß
War es nicht genug, daß ihn Luther verfolgte, und
sein
werden?
Andenken
auch noch von der Nachwelt befeindet
Aber Sie erstaunen; Luther und verfolgen, scheinen
Ihnen zwei Begriffe zu fein, die sich widersprechen.
Geduld!
Wenn Sie wollen, so will ich Ihnen alles erzählen; und als-
112
Briefe.
dann urteilen Sie.
Vorher aber muß ich Sie um alles was
heilig ist bitten, mich nicht für einen elenden Feind eines der größten Männer, die jemals die Welt gesehen hat, zu halten.
Luther stehet bei mir in einer solchen Verehrung,
daß es
mir, alles wohl überlegt, recht lieb ist, einige kleine Mängel
an ihm entdeckt zu haben, weil ich in der That der Gefahr
Die Spuren der Mensch
sonst nahe war, ihn zu vergöttern.
heit, die ich an ihm finde, sind mir so kostbar, als die blen
dendste seiner Vollkommenheiten.
Sie sind
sogar
für mich
lehrreicher, als alle diese zusammengenommen; und ich werde mir ein Verdienst daraus machen, sie Ihnen zu zeigen*). — — Zur Sache also!
Lemnius,
oder wie er auf deutsch
heißt, L em ich en, lag den Wissenschaften in Wittenberg ob, eben als das Werk der Reformation ain feurigsten getrieben
ward.
Sein Genie trieb ihn zur römischen Dichtkunst, und
mit einer ziemlich beträchtlichen Stärke darin verband er eine gute Kenntnis der griechischen Sprache, welches damals noch etwas
Seltnes war.
Sein muntrer Kopf und seine Wissenschafteir
erwarben ihm die Freundschaft des Melanchthons, welcher ihn mit Wohlthateil überhäufte.
Sabinus, der Schwieger
sohn des Melanchthons, befand sich damals auch in Witten berg.
Zwei gleiche Köpfe auf einer hohen Schule werden sich
leicht finden, und Freunde werden.
Sabinus und Lem
nius wurden es auf die ausnehmendste Weise, und ich finde, *) So muß der sprechen, der aus Überzeugung und nicht aus Heu chelei lobt.
Aus dieser letztern Quelle sind leider ein großer Teil der
uneingeschränkten Lobsprüche geflossen, die Luthern von unsern Theologen beigelegt werden.
Denn loben ihn nicht auch diejenigen, deren ganzem,
losen Geize und Ehrgeize man es nur allzuwohl anmerkt, daß sie int Grunde ihres Herzens nichts weniger als mit Luthern zufrieden sind? die ihn heimlich verwünschen, daß er sich auf Unkosten seiner Amtsbrüder
groß gemacht, daß er die Gewalt und den Reichtum der Kirche den Re genten in die Hände gespielt, und den geistlichen Stand dem weltlichen
preisgegeben, da doch dieser so manche Jahrhunderte jenes Sklave ge wesen?
113
Briefe.
daß auch die darauf folgendcu Händel ihre Freundschaft nicht
Im
geendet haben.
Jahre 1538 kam es dem Lemnius
ein, zwei Bücher lateinischer Sinnschriften drucken zu lassen.
Er ließ sie also unter seinem Namen drucken; er ließ sie in
Wittenberg drucken, und brachte sie vorher, wie ich es höchst
wahrscheinlich urteilung.
zeigen
dem
kann,
Melanchthon
zur
Be
Diese drei Umstände, mein Herr, erwägen Sie
wohl; sie beweisen schon so viel, daß Lemnius ein gut Ge
wissen muß gehabt haben. stößiges darin,
Melanchthon fand nichts An
dem Drucker versicherte.
wie es Sabinus
Nunmehr wurden sie bekannt gemacht; aber kaum waren sie einige Tage in den Händen der Leser gewesen, als Luther
auf einmal ein entsetzliches Ungewitter wider sie, und ihren Verfasser erregte.
Und warum? Fand er etwa jene lascivam
verborum licentiam darin?
schuldigen gewesen,
Witzes,
Diese wäre vielleicht zu
ent
weil sie der Meister in dieser Art des
Martial, Epigrammaton
linguam
nennt.
Oder
fand er, daß sie giftige Verleumdungen enthielten, die Ehre
eines unschuldigen Nächsten zu brandmalen? Oder fand er gar
seine eigene Person darin beleidigt?
Nein; alles das, wes
wegen Sinnschriften mißfallen können, mißfiel Luth ern nicht, weil es nicht darin anzutreffen war; sondern das mißfiel ihm,
was wahrhaftig an den Sinnschriften das Anstößige sonst nicht ist: einige Lobeserhebungen.
Unter den damaligen Beförderern
der Gelehrsamkeit war der Kurfürst
einer der vornehmsten.
von Mainz Albrecht
Lemnius hatte Wohlthaten von ihm
empfangen, und mit was kann sich ein Dichter sonst erkennt lich erzeigen, als mit seinen Versen?
Er machte also deren
eine ziemliche Menge jit seinem Ruhme; er lobte ihn als einen gelehrten Prinzen, und als einen guten Regenten.
Er nahm
sich aber wohl in acht, es nicht auf Luthers Unkosten zu thun, welcher an dem Albrecht
einen Gegner
hatte.
Er
gedachte seines Eifers für die Religion nicht mit einem Worte,
und begnügte sich, seine Dankbarkeit mit ganz allgemeinen, Lessing, Werke. V.