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German Pages 220 [222] Year 2023
Gabriel Siemoneit
Leon Battista Alberti Descriptio urbis Romae Überlegungen zu Modernität und Entstehungskontexten, nebst lateinisch-deutscher Edition
STUDIA ALBERTIANA VINDOBONENSIA Neulateinische Studien zu Leon Battista Alberti | 3 Geschichte Franz Steiner Verlag Franz Steiner Verlag
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contubernium Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte
Studia Albertiana Vindobonensia Neulateinische Studien zu Leon Battista Alberti Herausgegeben von Hartmut Wulfram Wissenschaftlicher Beirat Reinhold Glei, Timothy Kircher, Martin Korenjak, David Marsh, Gernot Michael Müller, Candida Syndikus Band 3
Leon Battista Alberti Descriptio urbis Romae Überlegungen zu Modernität und Entstehungskontexten, nebst lateinisch-deutscher Edition
Gabriel Siemoneit Lateinischer Text von Jean-Yves Boriaud und Francesco Furlan
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Fassadendetail der Basilika Santa Maria Novella, Florenz, entworfen von Leon Battista Alberti (1404–1472). Toskana, Italien. © akg-images / New Picture Library / De Agostini Picture Lib. / G. Berengo Gardin Lateinischer Text, Apparat und Übersetzung der Praefatio mit freundlicher Genehmigung der Societé Internationale Leon Battista Alberti (S.I.L.B.A.), Paris, Francesco Furlan Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2023 www.steiner-verlag.de Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13249-7 (Print) ISBN 978-3-515-13251-0 (E-Book) https://doi.org/10.25162/9783515132510
uxori filiisque
VORWORT An der Entstehung dieses Bändchens waren viele Menschen direkt oder indirekt beteiligt. Namentlich Dank sagen möchte ich Herrn Prof. Dr. Hartmut Wulfram. Er hat mein Interesse für Leon Battista Alberti und die Descriptio urbis Romae geweckt, mir Gelegenheit gegeben, meine Thesen extra ordinem vor Fachpublikum zur Diskussion zu stellen, das Bändchen in allen Phasen seiner Entstehung wohlwollend und förderlich materiell wie immateriell begleitet und es in die Reihe Studia Albertiana Vindobonensia aufgenommen. Besonderer Dank sei ihm für die gründliche Lektüre des Manuskripts ausgesprochen sowie für zahlreiche Korrekturen und Anregungen, die es um ein Beträchtliches verbessert und mich nicht zuletzt vor so mancher Peinlichkeit bewahrt haben. Danken möchte ich Frau Prof. Dr. Petra Wagner, die in ihrer damaligen Funktion als Dekanin der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld meine Forschungen unterstützt und den Rahmen dafür geschaffen hat, diese überhaupt durchführen zu können. Frau Prof. Dr. Gudrun Oevel danke ich für das immense Vertrauen, das sie in mich gesetzt hat. Sie war es, die die Fertigstellung des Bändchens ermöglicht hat. Frau Mag.a Doris Vickers danke ich dafür, dass sie mich an ihrer profunden Kenntnis historischer Astronomie hat teilhaben lassen und ich einige zentrale Fragen mit ihr diskutieren durfte. Frau Dr. Elisabeth Schwab danke ich für die Gelegenheit, einige Thesen im Rahmen ihres Alberti-Seminars vorstellen zu dürfen. Den Gutachterinnen und Gutachtern des Peer Review-Verfahrens danke ich für die gewissenhafte Lektüre des Manuskripts und die ebenso kritischen wie wertvollen Anregungen, die es abermals erheblich verbessert haben. Dem Franz Steiner Verlag, namentlich Frau Katharina Stüdemann und Frau Amelie Schwemm, danke ich für die unkomplizierte, freundliche und professionelle Zusammenarbeit sowie für die beachtliche Geduld, die die Entstehung des Bändchens erheblich erleichtert haben. Gedankt sei schließlich I. R., ohne deren Unterstützung es auch dieses Opusculum nicht gegeben hätte. Das Manuskript ist während der Corona-Pandemie entstanden. Wer keine betreuungspflichtigen Kleinkinder hat, kann nicht ermessen, welche Herausforderungen dabei zu überwinden waren. Paderborn/Bielefeld, im Juni 2023
G. S.
INHALTSVERZEICHNIS I
INTERPRETIERENDE UNTERSUCHUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 1.1 1.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streiflichter der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 16 18
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3
Entstehungskontexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanisten und die Mathematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albertis interdisziplinäre Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alberti als Mathematiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu einigen Vorbildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Astrolabium und Sternkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kartographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rombeschreibungen und -darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Ermittelung der Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Begriff der lineamenta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die (neu-)platonische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die aristotelische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konvergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 25 29 34 45 45 50 54 59 67 69 74 76
3 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.5
Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus? . . . . 80 Zu Albertis (scheinbarer?) Modernität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Zum Algorithmusbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Zu einigen Problemen der Anleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Punkte einzeichnen und verbinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Das proximus punctus-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Die auges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Zusatzannahmen für eine korrekte Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Beobachtungen in den Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
4
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
II
LEON BATTISTA ALBERTI, Descriptio urbis Romae . . . . . . . . . . . 127
5 5.1 5.1.1 5.1.2
Philologische Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handschriften und Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129 129 129 131
10 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.3
Inhaltsverzeichnis
Bewertung der Handschriften und Überlieferungsgeschichte . . . . . . . . Der Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur vorliegenden Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135 135 136 138 145 151
6 Text und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index auctorum et operum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index nominum et rerum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186 187 213 216
TEIL I INTERPRETIERENDE UNTERSUCHUNG
1 EINLEITUNG Leon Battista Albertis Descriptio urbis Romae (ca. 1443/46) ist ein ebenso kurzer wie schillernder Text. Er besteht aus einer Anleitung von rund siebenhundert Wörtern und sechzehn Tabellen mit insgesamt 175 Koordinaten.1 Mithilfe von Anleitung und Koordinaten, so der Autor, solle selbst ein mittelmäßig begabter Zeichner (mediocri ingenio praeditus) in die Lage versetzt werden, einen ichnographischen Plan des zeitgenössischen Rom in beliebiger Größe anzufertigen.2 Das Verfahren ist schnell erklärt: Die Koordinaten sind eine Vorform moderner Polarkoordinaten und bestehen, in heutiger Terminologie ausgedrückt, aus einem Drehwinkel und einem Abstand. Der Drehwinkel wird auf einem Kreis beliebiger Größe, dem horizon, mithilfe einer Art drehbaren Lineals, des radius, eingestellt und sodann der Abstand vom Mittelpunkt aus abgetragen. Sind alle Punkte auf diese Weise eingezeichnet, werden sie durch Linien miteinander verbunden. Abbildung 1.1 zeigt eine Idealrekonstruktion dieses Plans nach der von Jean-Yves Boriaud und Francesco Furlan besorgten Edition.3 Die vorliegende Interpretation nimmt eine philologisch-ideengeschichtliche Perspektive auf den Text ein. Sie hat einführenden Charakter, legt den Schwerpunkt aber auf eine konkrete Fragestellung und versteht sich allenfalls als Ergänzung, keineswegs als Ersatz für existierende Einführungen und Überblicke. Im Anschluss an die Einleitung will Kapitel 2 einige Entstehungskontexte der Descriptio urbis Romae beleuchten und zwei Aspekte vertiefen, die sich als hilfreich für ihre Interpretation erweisen können, nämlich Albertis Rolle als Mathematiker im Spannungsfeld von Humanismus und Quadrivium einerseits und seine eklektizistische Arbeitsweise andererseits. Das Thema macht es dabei erforderlich, etwas weiter auszuholen und Beobachtungen anzustellen, die sich über die Descriptio hinaus auf andere Schriften des mathematisch-technischen Korpus übertragen ließen.4 1 2
3 4
Zu San Giacomo al Gianicolo (Tabelle XVI, Punkt 25) sind keine Koordinaten überliefert. Vgl. Alberti, Desc. 1. Wenn die auf Basis von Albertis Anleitung herstellbare Zeichnung im Folgenden als „(ichnographischer) Plan“ oder „(Stadt)Karte“ bezeichnet wird, dann wegen der suggestiven Kraft dieser anachronistischen und in der Sache fragwürdigen Bezeichnungen. Zwar findet sich das Wort ichnographia schon bei Vitruv (Vitr. 1,2,2), doch bilden moderne Stadtpläne und -karten die gesamte Stadt ab, haben einen festgelegten Maßstab und eine Orientierung (vgl. Carpo 1998, 122–123; Pinto 1976). Siehe Kapitel 5.3. Die strukturelle Dichotomie des albertianischen Œuvres in humanistische und mathematischnaturwissenschaftliche Schriften bespricht Wulfram 2021a, bes. 7–9. Zu letzterem zählen u. a. De equo animante (1441), wohl De igne (vlt. um 1455 oder kurz danach; siehe das jüngst in Bacchelli 2020 publizierte Fragment), die verlorenen Schriften De motibus ponderis (vgl. Res aed. 6,6 Orlandi/Portoghesi 1966, 477,2–3; 6,8 Orlandi/Portoghesi 1966, 497,21–22; Profug. 3 Ponte 1988, 115,15–18; Biermann 1997, 178 Anm. 24; Grayson 1960b, 161 Anm. 38; Gadol 1969, 204) und Navis (vlt. 1446/47, Pfisterer 2003, 538; vgl. Res aed. 5,12 Orlandi/Portoghesi 1966, 389,21–22) sowie die folgenden, im Rahmen der vorliegenden
14
1 Einleitung
47
48
1
2
46
3
45
4 5
44
6
43
7
42 Populi La Donna 41
8
Salaria Pincia
9
40 Thermae 39
38
Sub Palatio
In colle
37
Ad Castellum Castellum Meta
10 Columna Antonini
Laurentii
Vitalis Fastigium Constantini
Mariae maioris Maxima Petri basilica Rotunda: Pantheon Spiritus Panispernae Sub Iano Sancti Spiritus Mensa Neronis Capaquae Parioni turris Columna Adriani seu Caritarium turris Postica ad convallem Militiae Petri in Vincula Horologii in campo Florae
11
Maior 12
Ara Coeli Capitolium
Honofrii in monte
13
36 Crucis
Sub Iano 35 Pancratii
Ioannis Apostoli
Crisogoni Mariae trans Tyberim Petri in monte
14 Ioannis et Pauli
Laterani
Stephani rotundi 15
34 Priscae 33
Balbinae
Pancratii
Ioannis ad Latinam Sabae
Portuensis
16 Latina
Appia
32
17
Pauli Meta Pauli
31
18 19
30 20
29 21
28 22
27 26
25
24
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Abbildung 1.1: Interpretation von Albertis Romkarte nach der Edition von Boriaud/Furlan
Aufgrund des einführend-kompilierenden Charakters der Interpretation handelt es sich um erwartbare Prolegomena – Forscherinnen und Forscher, die bereits mit Alberti vertraut sind, werden schwerlich Neues finden.5
5
Interpretation als „mathematisch-technisch“ bezeichneten Schriften: De pictura / Della pittura (1435/1436), Elementa picturae / Elementi di pittura (wohl 1435/1436), De statua (um 1445), Ludi rerum mathematicarum (vor 1450/52), De re aedificatoria (1452 dem Papst vorgelegt), De cifris (1466/67); zu einigen Datierungen siehe Kapitel 1.2. Unsicher in der Zuschreibung ist die Schrift De lunularum quadratura (siehe S. 38). Die Schriften Historia numeri et linearum (vgl. Res aed. prol. Orlandi/Portoghesi 1966, 17,4–5; Wolff 1936, 356) und Commentarii rerum mathematicarum (vgl. Res aed. 3,2 Orlandi/Portoghesi 1966, 177,14; Grayson 1960b, 161 Anm. 38, Wolff 1936, 356) gelten als verloren. Anicio Bonucci nennt einen Algorismus (Bonucci 1850, 375), dessen Zuschreibung an Alberti allerdings fraglich ist. Der Trattato dei Pondi, Leve e Tirari stammt wohl ebenso wenig von Alberti (Grayson 1973, 431). Ein Gesamtbild ist nicht angestrebt. Die Schriften des mathematisch-technischen Korpus wer-
1 Einleitung
15
Kapitel 3 setzt sich mit der Diagnose auseinander, dass die Descriptio urbis Romae, aber auch andere von Albertis mathematisch-technischen Schriften, in dem Sinne modern seien, dass sie moderne Algorithmen und digitale Techniken vorweggenommen hätten. Äußerer Anlass für diese Themenstellung ist die simple Beobachtung, dass Albertis Zeichenanleitung trotz des ostentativ präzisen und kleinschrittigen Duktus gar nicht das gewünschte Ergebnis liefert, wenn man sie ohne Zusatzannahmen umsetzt! Ein solcher Befund würde der Rede vom Algorithmus zuwiderlaufen, da die moderne Intuition, dass eine Zeichenanleitung hinreichend ausführlich und vollständig sein sollte, immer zum gleichen Ergebnis führen muss und nicht von unbekannten Voraussetzungen abhängen darf, sich durch den modernen Algorithmusbegriff formalisieren lässt. Zumindest prima facie wäre damit auch Albertis Vorhaben gescheitert, selbst einen unbegabten Zeichner zur Herstellung des Planes zu befähigen. Auf Basis eines Computerprogramms, das das automatische Zeichnen des Planes gemäß der bekannten Handschriften ermöglicht,6 soll dafür argumentiert werden, dass die Descriptio urbis Romae bei Anwendung der modernen Definition keinen Algorithmus beschreibt und Albertis Erfindungen höchstens auf hinreichend abstrakter Ebene Ähnlichkeiten mit ihren modernen Pendants aufweisen. Die Interpretation möchte als Plädoyer dafür verstanden werden, nicht unbewusst ins Fahrwasser der Burckhardtschen Rede vom „uomo universale“ zu geraten und Albertis Erfindungen als hypermoderne, die eigene Gegenwart transzendierende Vorahnungen einer fernen Zukunft zu werten,7 sondern als kreative Auseinandersetzung mit und Abgrenzung von einem vitalen geistigen und kulturellen Umfeld, das sich noch nicht vollständig von der mittelalterlichen Tradition gelöst hatte. Ein umfassendes Bild der bekannten Handschriften und Editionen von Albertis Descriptio urbis Romae sowie der spezifischen Probleme, die sich bei der Konstitution des Textes ergeben, bietet die „Notice philologique“ der Herausgeber Jean-Yves Boriaud und Francesco Furlan, die in Kapitel 5 in deutscher Sprache vorgelegt wird. Kapitel 6 schließlich bietet den von Boriaud/Furlan konstituierten Text samt kritischem Apparat und deutscher Übersetzung.
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den stichprobenartig und unsystematisch einbezogen, die humanistischen Schriften bleiben weitgehend unberücksichtigt. Für ein umfassendes Gesamtbild müsste außerdem auf Rhetorik, Moralphilosophie, Hermetik und soziale, ökonomische oder historische Kontexte eingegangen werden, so z. B. auf die Stellung der Descriptio in der Geschichte der Landvermessung. Wenn nicht anders angegeben, sind die Übersetzungen die des Autors. Die Open-Source-Software steht unter https://github.com/qlat/Descriptio-urbis-Romae [Letzter Zugriff: 22.06.2023] kostenfrei zur Verfügung. Da sie lediglich dazu dient, die empirische Datenbasis zu vergrößern, ist ihr Verhältnis zur vorliegenden Interpretation – wie auch das der meisten Abbildungen – ähnlich dem Verhältnis von erklärender Zeichnung und Text bei Alberti: Es handelt sich um eine Dreingabe, auf die ohne Verlust für das Verständnis verzichtet werden kann (vgl. Carpo/Furlan 2007, bes. 22). In jüngerer Zeit werden häufiger digitale Methoden eingesetzt, um Albertis Werk zu erforschen; siehe z. B. Valenti/Romor 2019; sowie die Beiträge in Moniz / Duarte / Krüger 2014. Burckhardt 2018, 96–99. Der Kulturmythos des uomo universale geht auf die Alberti zugeschriebene Vita zurück; siehe dazu Wulfram 2016, 12–14; Enenkel 2008, 189–228.
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1 Einleitung
Zunächst sei jedoch kurz darauf eingegangen, wie die moderne Forschung Albertis Descriptio rezipiert (Kapitel 1.1) und wie sich diese annäherungsweise datieren lässt (Kapitel 1.2).
1.1 STREIFLICHTER DER FORSCHUNG Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Forschung ein verstärktes Interesse an der Descriptio urbis Romae gezeigt. Ediert und mit einer kurzen Einleitung versehen wurde der Text bereits im Codice topografico della città di Roma von Roberto Valentini und Giuseppe Zucchetti,8 doch sind es vor allem die detaillierten, reich illustrierten Studien von Luigi Vagnetti, die unter anderem eine Überlagerung von rekonstruiertem und modernem Plan bieten, und die mit Erläuterungen und einer italienischen Übersetzung versehene Edition von Giovanni Orlandi, auf die sich die Forschung bis heute bezieht.9 Weitere Verdienste um die Erschließung der Descriptio hat sich Joan Gadol erworben.10 In ihrer (nicht unproblematischen) Monographie Leon Battista Alberti. Universal Man of the Early Renaissance sucht sie nach grundlegenden Prinzipien in Albertis Denken, die die innere Logik seines facettenreichen Œuvres aufdecken und es somit erklärbar machen.11 Kapitel 4 widmet sich der Rationalisierung bzw. Mathematisierung der Erfahrungswelt und geht ausführlicher auf die Descriptio urbis Romae ein, die als eine der frühesten bekannten Methoden der Landvermessung und Kartographierung gewertet wird.12 In der Einleitung zu ihrer Edition der Descriptio geht Martine Furno auf die Sprache, Fachterminologie und das Verhältnis des Textes zu zeitgenössischen, humanistischen Rombeschreibungen ein.13 Furno erkennt sprachliche Parallelen zu Jacobus Angelus’ lateinischer Übersetzung von Ptolemaios’ Geographie, die den Text in deren kartographische Tradition stellen könnten. Gleichzeitig jedoch mische Alberti das Vokabular der Werkstätten und der Astronomie ein, bisweilen in neuer Definition, sodass der Text auch auf sprachlicher Ebene eine Überblendung von Handwerk und Wissenschaft darstelle. Eine weitere Vermischung, nämlich die von Zahlensystemen, liege bei der Grad- und Minuteneinteilung von horizon und radius vor.14 Furno sieht klare Bezüge von Albertis Descriptio zu Flavio Biondos Roma 8
9 10 11
12 13 14
Valentini/Zucchetti 1953, 209–222; zu dieser und früheren Editionen sowie älteren Arbeiten, deren systematische Auswertung nicht angestrebt ist, siehe Morolli 1972 und Kapitel 5.1.2. Einen Überblick über die Drucke von Albertis sämtlichen Schriften vom späten 15. bis ins frühe 21. Jahrhundert bietet Cartei 2017 (Ergänzungen in Wulfram 2021a, 9 Anm. 3). Vagnetti 1974; Vagnetti 1968; Orlandi 1968 (mit kleinen Änderungen nachgedruckt in Orlandi 1974b); siehe auch Kapitel 5.1.2. Offenbar hatte Gadol keine Kenntnis von Vagnettis Studie und Orlandis Edition. Gadol 1969, 19. Dass die den studia humanitatis zuzurechnenden Schriften nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit finden, verunmöglicht die Skizzierung des angestrebten Gesamtbildes (vgl. Grayson 1971). Siehe z. B. Gadol 1969, 174. Furno 2000b. Vgl. Furno 2000b, 99–106.
1.1 Streiflichter der Forschung
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instaurata, Poggio Bracciolinis De varietate fortunae und zum Lemma Rhoma in Giovanni Tortellis De orthographia, drei zeitgenössischen Rombeschreibungen, die zwar oberflächliche Ähnlichkeiten zur mittelalterliche Mirabilia-Tradition aufweisen, jedoch als moderne Reaktionen auf das unter anderem durch humanistische Handschriftenfunde entfachte antiquarische Interesse für die antike Vergangenheit der Stadt zu verstehen seien.15 Mario Carpo hebt in mehreren Aufsätzen und Büchern die Modernität der Konzepte hervor, die Alberti in seinen mathematisch-technischen Schriften niedergelegt habe.16 Er stellt die Koordinatenmethode der Descriptio urbis Romae in die geographische Tradition von Strabon und Ptolemaios und wertet sie als Bemühen um identische Reproduktion von Abbildungen durch Digitalisierung, also der Kodierung visueller Informationen durch Zahlen.17 Albertis „digitale Maschinen“ seien von modernen Computern im Wesentlichen durch die fehlende Stromzufuhr unterschieden,18 sodass der Humanist gewissermaßen den digital turn des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts vorweggenommen habe. Akzeptiert man diesen Rahmen, lässt sich zu Recht fragen, ob der im Aufblühen begriffene Buchdruck eine alternative Lösung für Albertis Reproduktionsproblem bereitgestellt hätte.19 Francesco Furlan thematisiert in der Einleitung zu seiner zusammen mit JeanYves Boriaud erarbeiteten Edition der Descriptio urbis Romae Albertis Abneigung gegenüber Abbildungen.20 Obwohl lediglich zwei schnell angefertigte Skizzen überliefert seien, die zweifelsfrei von Albertis eigener Hand stammen, sei ohne Frage davon auszugehen, dass Alberti zahlreiche Zeichnungen zumindest für den privaten Gebrauch angefertigt habe. Die Gründe für diese Diskrepanz von Produktion und Publikation sieht Furlan in Albertis Misstrauen den Kopisten gegenüber sowie in der Überzeugung, dass Abbildungen unnötig, nutzlos oder sogar unangemessen seien. Eine Ausnahme liege im Falle sehr einfacher, rudimentärer Zeichnungen vor, die keinen Mehrwert an Information böten, oder wenn die Illustration ein informelles Schriftstück wie einen Brief begleitet. Die in der Descriptio urbis Romae vorgestellte Technik zur Kodierung geometrischer Zeichnungen in Zahlen müsse, so Furlans Fazit, in Anbetracht der Überlieferungslage als voller Erfolg gewertet werden. In Rome Measured and Imagined bietet Jessica Maier einen Überblick über die Kartographierung Roms vom Quattrocento bis ins 18. Jahrhundert.21 Maier sieht Albertis Descriptio mit ihrer „prophetic technique“ als „founding moment in urban cartography“.22 Im Gegensatz zu den spätmittelalterlichen Romansichten, die den 15 16
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Vgl. Furno 2000b, 106–118. Zu den Texten von Biondo und Bracciolini siehe Kapitel 2.4.3. Siehe Carpo 2011a (dt. Übs.: Carpo 2012); Carpo 2011b; Carpo 2009; Carpo 2008; Carpo/ Furlan 2007, 3–17; Carpo 2005; Carpo 2004; Carpo 2001a; Carpo 2001b; Carpo 2000; Carpo 1998; und weitere. Siehe dazu ausführlicher die Kapitel 3.1 und 3.2. Carpo 2009, 57. Vgl. z. B. Carpo 2009, 60–63. Zu den Indizien dafür, dass Alberti die neue Technik des Buchdrucks kannte, siehe Anm. 28 auf S. 88. Siehe Boriaud / Furlan u. a. 2003; sowie die Übersetzungen in Carpo/Furlan 2018, 23–34; Carpo/Furlan 2007, 19–27; Boriaud / Furlan u. a. 2005, 24–32. Maier 2015. Maier 2015, 25.
18
1 Einleitung
Fokus eher auf die Symbolik als auf eine realistische Wiedergabe der Topographie legten, sei erstmals seit der Antike ein auf gemessenen Größen basierender Stadtplan zu greifen.23 Ein Kapitel von Elisabeth Schwabs Antike begreifen untersucht „den Einfluss des Kartenstudiums auf die Textproduktion von Rombeschreibungen“ vom 14. bis zum 16. Jahrhundert.24 In der „Ablösung von einer frontalen Ansicht der Stadt oder gar der Froschperspektive eines Spaziergängers“ erkennt Schwab „eine elegante Lösung, um Einzelelemente ohne Überlappungen zu ordnen und zu lokalisieren“.25 Einen neuen Impuls bringt ihre Bewertung der Descriptio als „Form der kreativen Bewältigung der unmittelbaren Stadt-Erfahrung mit Hilfe des Karten-Mediums“.26 Beim Text selber handele es sich um einen „Anleitungstext“ bzw. eine „Bastel- und Zeichenanleitung“.27 Hervorzuheben ist, dass sich Schwab bis auf die Textebene mit der Descriptio auseinandersetzt und sie einer inhaltlichen und stilistischen Analyse unterzieht. Close reading im übertragenen Sinne bieten Graziano Mario Valenti und Jessica Romor, die anhand von Experimenten, historischen Abbildungen und Computersimulationen den Ablauf von Albertis Stadtvermessung rekonstruieren wollen.28
1.2 DATIERUNG Explizite Anhaltspunkte für eine Datierung der Descriptio urbis Romae gibt es nicht. Das wichtigste Indiz für die Bestimmung wenigstens eines Abfassungszeitraumes ist die inhaltliche Ähnlichkeit zu Albertis anderen mathematisch-technischen Schriften, die im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts entstanden sind und sein in dieser Zeit gewachsenes Interesse an Malerei und Geometrie dokumentieren. Wahrscheinlich ist außerdem, dass zumindest die Fertigstellung der Descriptio im Zusammenhang mit Albertis zweitem Romaufenthalt ab 1443 und dem Pontifikat Nikolaus’ V. (1447–1455) steht, der ein umfangreiches Sanierungsprogramm für die Ewige Stadt anstrebte.29 Gemeinhin geht man von einer Fertigstellung in den 1440er Jahren oder um 1450 aus, genannt werden etwa die Jahre zwischen 1448 und 1455, die sowohl mit Albertis erneutem Romaufenthalt (1443–1455) als auch mit dem genannten Pontifikat zusammenfallen würden.30 Erwogen wird auch, dass es eine frühere Fassung der Schrift gab, die während Albertis erstem Romaufenthalt entstanden sein könnte,
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Maier 2015, 25. Schwab 2019, 340. Schwab 2019, 340. Schwab 2019, 365. Schwab 2019, 340, 365. Valenti/Romor 2019. In der Forschung ist umstritten, ob es eine Zusammenarbeit zwischen Nikolaus V. und Alberti gegeben hat und wie diese ggf. ausgesehen haben könnte (vgl. Cassani 2020; Ravagnati 2005). So Bortolozzi 2019, 122 Anm. 17; Schwab 2019, 364; Saiber 2017, 21 (ebd., 40: „1447“); Maier 2015, 25; Little 2013, 51 Anm. 16; Carpo 2001a, 122; Vagnetti 1974, 77; Gadol 1969, 71; Vagnetti 1968, 27.
1.2 Datierung
19
sodass zumindest der Beginn der Arbeit an der Datenerfassung oder am Text auf die Jahre zwischen 1431 und 1434 zurückzudatieren wäre.31 Wenn überhaupt scheint die Descriptio nur relativ zu Albertis anderen mathematisch-technischen Schriften datierbar zu sein. Deren Datierungen allerdings basieren ebenfalls auf Indizien und sind dementsprechend umstritten. Im Bewusstsein der Aporien und ohne definitiven Anspruch sollen im Folgenden die Überlegungen von Ulrich Pfisterer angedeutet werden, aus denen sich eine Datierung der Descriptio in die Jahre zwischen 1443 und 1446/48 ergibt.32 Sie gehen von einem ehrgeizigen Alberti aus, der auf die Bekanntmachung seiner Werke und die Korrektheit der vermittelten archäologisch-antiquarischen Informationen erpicht war. De pictura / Della pittura ist wohl 1435/36 entstanden:33 In Albertis Handschrift von Ciceros Brutus findet sich die Bemerkung, dass das opus de Pictura am 26. August 1435 fertiggestellt worden sei. Es fehlt jedoch ein Hinweis auf die Sprache, in der es verfasst wurde.34 Die italienische Version ist Filippo Brunelleschi gewidmet, die älteste Abschrift in lateinischer Sprache auf den 17. Juli 1436 datiert.35 Während die frühere Forschung noch davon ausging, dass der lateinische Text zuerst entstanden sei, mehren sich in jüngerer Zeit die Stimmen für eine Priorisierung der Volgarefassung.36 Die Fertigstellung von De statua kann mit mehreren argumenta e silentio und in Abhängigkeit von der Datierung anderer Werke um das Jahr 1445 angesetzt werden.37 In der wohl 1437/38 wahrscheinlich von Alberti selbst verfassten Vita anonima werden nur die libellos De pictura, nicht bereits De statua erwähnt.38 In De pictura wiederum fällt bei der Abhandlung der menschlichen Proportionen kein Wort über De statua, obwohl Alberti normalerweise gerne auf weitere (zukünftige) Werke aus eigener Feder verweist.39 Dass De statua zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich 31 32 33 34
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Dies halten für plausibel: Grafton 2001, 247; Locher 1999, 77 Anm. 6; Michel 1971, 20; Gadol 1969, 71; Valentini/Zucchetti 1953, 210. Pfisterer 2003, 534–539. Im Folgenden wird De pictura nach der lateinischen Version zitiert, wenngleich die Unterschiede zur Volgare-Fassung für die Ziele der vorliegenden Interpretation unerheblich sind. Bätschmann/Schäublin 2011, 30. Der Eintrag lautet: Die veneris ora XX 3/4, quae fuit dies 26 augusti complevi opus de pictura Florentie. B[aptista] („Am Freitag um die 20. Stunde und 3/4, es war der 26. August, habe ich das Werk De pictura in Florenz fertiggestellt“, Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Cod. Lat. XI, 67; Bätschmann/Schäublin 2011, 120). Bätschmann/Schäublin 2011, 30. Der Vermerk am Ende der Schrift lautet: Finis. Laus Deo. Die XVII mensis iulii Mcccc36 („Ende. Lob sei Gott. Am 17. Juli 1436“; Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale, Cod. II. IV. 38; zitiert nach Bätschmann/Schäublin 2011, 120; vgl. Grayson 1960a, 367–368). Siehe Roccasecca 2016, 11–15; Sinisgalli 2011, 3–14; Bertolini 2000; Picchio Simonelli 1971; vgl. aber Grayson 1953, 61. Zu den Gründen für die Priorisierung der einen oder der anderen Fassung siehe Bätschmann/Schäublin 2011, 30. Das Folgende basiert auf Pfisterer 2003, 534–539; zur Datierung siehe auch Bätschmann 1999, bes. 111–113; Aiken 1980, 95–96. In der Vita 35 heißt es: Scripsit libellos De pictura („Er hat kleine Bücher Über die Malerei geschrieben“). Siehe z. B. Alberti, Pict. lat. 1,19: Cuius rem rationem explicabimus, siquando de his demonstrationibus picturae conscribemus, quas a nobis factas amici dum admirarentur miracula picturae nuncuparunt („Den Grund für diesen Sachverhalt werde ich entwickeln, sollte ich
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1 Einleitung
noch nicht geschrieben war, wird durch die Beobachtung gestützt, dass Alberti in den Profugiorum ab aerumna libri von 1441/42 bei der aktualisierten Aufzählung bereits vollendeter Werke den Text immer noch nicht erwähnt. Ebenfalls in den Profugiorum ab aerumna libri berichtet Alberti davon, Gefallen an der Malerei und am Modellieren gefunden zu haben,40 um im dritten Buch ein Loblied auf Mathematik und Geometrie anzustimmen, derer er sich, dokumentiert durch De pictura, die Elementa picturae / Elementi di pittura und die (nicht erhaltene) Schrift De motibus ponderis, in herausragender Weise angenommen habe.41 Dass er die exakt in diesen Zusammenhang passende Schrift De Statua nicht erwähnt haben soll, obwohl sie schon verfasst oder wenigstens angedacht gewesen war, scheint „nun aber ganz unwahrscheinlich“.42 Da jedoch spätestens im Jahr 1452 eine frühe Version von De re aedificatoria fertiggestellt war, die einen Verweis auf De statua enthält, engt sich der Zeitraum für die Abfassung der Schrift auf die Jahre 1443 bis 1452 ein. Geht man erstens davon aus, dass Alberti in der Passage, in der er auf die Schiffsbauer zu sprechen kommt,43 die während seiner archäologischen Untersuchung römischer Schiffe im Lago di Nemi im Jahr 1446/47 entstandene Schrift Navis hätte erwähnen müssen, wenn sie bereits verfasst oder wenigstens geplant gewesen wäre,44 und dass zweitens das finitorium eine Weiterentwicklung des in der Descriptio beschriebenen horizon ist, dann ergibt sich für De statua ein Abfassungsdatum um 1445.45
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jemals über die ‚Maldemonstrationen‘ schreiben, deren Durchführung meine Freunde so sehr in Erstaunen versetzt hat, dass sie von ‚Wundern der Malkunst‘ sprachen“; Text und Übs. Bätschmann/Schäublin 2011). „Io non potrei dipingere né fingere di cera un Ercole, un fauno, una ninfa, perché non sono esercitato in questi artifici. Potrebbe questo forse qui Battista quale se ne diletta e scrissene“ („Ich könnte einen Herkules, Faun oder eine Nymphe weder malen noch in Wachs nachbilden, weil ich in diesen Fertigkeiten nicht geübt bin. Battista hier könnte es vielleicht, der sich daran vergnügt und darüber geschrieben hat“; Alberti, Profug. 1 Ponte 1988, 20,8–11; Übs. Gründler/Lorini 2022, 46). „E sopra tutto, quanto io provai, nulla più in questo mi satisfa, nulla tutto tanto mi compreende e adopera, quanto le investigazioni e dimostrazioni matematice, massime quando io studii ridurle a qualche utile pratica in vita; come fece qui Battista, qual cavò e suoi rudimenti di pittura e anche e suoi elementi pur da’ matematici, e cavonne quelle incredibili preposizioni de motibus ponderis“ („Und so vieles ich auch ausprobiert habe, befriedigt mich doch nichts mehr, packt und fordert mich nichts so sehr wie die mathematischen Untersuchungen und Beweisführungen, besonders wenn ich versuche, aus ihnen einen praktischen Nutzen für das Leben abzuleiten, wie es Battista hier getan hat, der seine Prinzipien der Malerei wie auch seine Elemente [der Malerei] aus der Mathematik bezog und daraus jene unglaublichen Hypothesen über die motibus ponderis [die Bewegungen der Lasten] schöpfte“; Alberti, Profug. 3 Ponte 1988, 115,12–18; Übs. Gründler/Lorini 2022, 121 [Hervorhebungen und Zusätze i. O.]). Pfisterer 2003, 536. Alberti, Stat. 10. Siehe dazu Pontari 2007. Pfisterer 2003, 538 f. Gegen dieses Datum ist eingewandt worden, dass die auf Diodor zurückgehende Episode von den Ägyptern, die eine Statue des Pythischen Apoll an zwei getrennten Orten herstellen und nahtlos zusammenfügen (Diod. 1,98,5–9), Alberti noch nicht bekannt gewesen sei, da Poggio Bracciolini (1380–1459) seine lateinische Übersetzung der Bücher 1 bis 5 erst im Jahr 1449 vollendet habe (Vagnetti 1974, 139). Allerdings befand sich ein griechisches Manuskript bereits seit dem Jahr 1423 in Florenz (Bätschmann/Schäublin 2011, 27) und außerdem ist es nicht unwahrscheinlich, dass Alberti aus anderer Quelle schöpfte, da er in De
1.2 Datierung
21
De re aedificatoria ist mit einiger Sicherheit nach der Descriptio und De statua entstanden, da Alberti bei der Beschreibung eines Vermessungsgerätes in Buch 10 mit sed de his alibi sehr wahrscheinlich auf die Descriptio verweist und in Buch 7 mit einem ebenso knappen sed de statuis alibi auf De statua.46 Einen derart verkürzten Wortlaut verwendete er in der Regel nur bei bereits erschienenen Werken.47 Angekündigt hatte Alberti De re aedificatoria bereits in den Profugiorum ab aerumna libri von 1441/42,48 die Vorarbeiten begannen wohl im Jahr 1444, im Jahr 1452 wurde das Werk Papst Nikolaus V. präsentiert.49 Die Ludi rerum mathematicarum sind Meliaduse d’Este (ca. 1400–1452), dem Halbbruder von Albertis Patron Leonello d’Este, gewidmet.50 Alberti hatte wohl bereits im Jahr 1438 bei einem Aufenthalt in Ferrara versprochen, eine solche Sammlung mathematisch-technischer Probleme zu verfassen, war dann aber zu beschäftigt, um den Text zeitnah fertigzustellen.51 Ein terminus ante quem lässt sich aufgrund zweier Sterbedaten postulieren: Der Widmungsnehmer Meliaduse verstarb im Januar 1452, Leonello d’Este bereits im Oktober 1450.52 Eine Stelle in Aufgabe Nr. 13 der Ludi kann man aber so verstehen, dass Letzterer noch lebte, sodass die Arbeit am Text sehr wahrscheinlich schon vor Oktober 1450 beendet gewesen sein dürfte.53 Andererseits nimmt Alberti bereits auf die Descriptio Bezug, sodass die Ludi wohl zeitnah zu datieren sind, sei es kurz davor oder kurz danach.54 Einen ersten terminus post quem für die Descriptio urbis Romae markiert das Publikationsdatum der Vita anonima, also das Jahr 1437/38, da diese sich auch zur Descriptio ausschweigt. Der Zeitpunkt kann sogar noch etwas vorverlegt werden, da der Bau der in Tabelle XVI verzeichneten Kirche Sant’Onofrio al Gianicolo (XVI 26)
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statua, anders als später in De re aedificatoria, keinen Autor und die falschen Inseln und Orte nennt (Paros und Luni in Stat. 6, Samos und Ephesos in Res aed. 7,16 und Diod. 1,98,6). Alberti, Res aed. 10,7 Orlandi/Portoghesi 1966, 925,8.; Res aed. 7,10 Orlandi/Portoghesi 1966, 611,29. „Als Regel gefaßt: Verkürzte Satzkonstruktionen ohne Verb verweisen auf bereits existierende Werke. Dagegen verwendet Alberti bei Erwähnung von Schriften, die er nachweislich erst noch zu schreiben gedenkt, explizit ein Futur“ (Pfisterer 2003, 535). Pfisterer 2003, 536. Wulfram 2001, 13 f. Vorgeschlagen wird diese Datierung in Grayson 1960b. Alberti hat wohl bis zu seinem Lebensende Ergänzungen an dem Werk vorgenommen. Über Meliaduse, das zweite der illegitimen Kinder des Markgrafen Niccolò III. d’Este, ist nicht viel bekannt (Vagnetti 1972, 175). Vagnetti 1972, 176. Grayson 1973, 358. „[. . . ] vedrete que’ miei libri de architectura, quale io scrissi richiesto dallo Illustrissimo vostro fratello, mio signore, messer Leonello“ („[. . . ] ihr werdet meine Bücher Über die Architektur sehen, die ich auf Wunsch eures erlauchten Bruders, meines Herrn, Meister Leonello geschrieben habe“, Alberti, Ludi 13 Grayson 1973, 156,32–34). Siehe Kapitel 2.5. Luigi Vagnetti datiert die Descriptio nach den Ludi, da in der Descriptio die Vermessungsmethode als bekannt vorausgesetzt werde und es sich beim radius um eine Weiterentwicklung handele, von der in den Ludi noch keine Rede sei (Vagnetti 1974, 97, 100; Vagnetti 1968, 39–40). Allerdings kann man die Descriptio auch so verstehen, dass gar nicht der Anspruch erhoben wird, zusätzlich zur zeichnerischen Darstellung Informationen zur Erfassung der Daten zu bieten. Betrachtet man weiterhin die Ähnlichkeit des horizon-radius-Instruments mit dem Astrolabium (vgl. Kapitel 2.4.1), lassen sich diese Argumente relativieren.
22
1 Einleitung
erst im Jahr 1434 begonnen wurde, und Alberti, der wahrscheinlich Ende 1433 aus Rom abreiste, von ihr erst 1443, dem Jahr seiner Rückkehr, Kenntnis erhalten haben kann; der eigentliche Kult wurde wohl erst im Jahr 1446 aufgenommen.55 Der endgültige terminus post quem ist somit das Jahr 1443. Als terminus ante quem wurde bereits die Publikation von De re aedificatoria im Jahr 1452 genannt, doch kann dieser Zeitpunkt zurückverlegt werden mit dem Argument, dass die falsche Bezeichnung der Cestius-Pyramide (XVI 32) als Meta Pauli „nach der endgültigen Publikation von Poggio Bracciolinis und Flavio Biondos Rom-Traktaten (1447/48 bzw. 1446/48), die sicherlich zu den von Alberti in der Einleitung genannten ‚amici litterati‘ zählten, kaum mehr vorstellbar“ ist.56 Folgt man diesen Überlegungen, so ergibt sich für die Abfassung der Descriptio urbis Romae ein Zeitfenster in den Jahren von 1443 bis 1446/48.
55 56
Armellini 1891, 658; Caterbi 1858, 12; vgl. Pfisterer 2003, 534 Anm. 11. Pfisterer 2003, 535 Anm. 11. Zu diesen Romtraktaten siehe Kapitel 2.4.3.
2 ENTSTEHUNGSKONTEXTE Ein Charakteristikum von Albertis humanistischen Schriften ist ihr eigenwilliger Eklektizismus, der nicht nur weitgehend auf die Offenlegung von Quellen verzichtet,1 sondern diese in verhüllender Absicht zu einem intrikaten Amalgam synthetisiert, das bisweilen mit einem ironischen Unterton unterlegt ist und so die zweifelsfreie Identifikation sowohl konkreter Vorbilder als auch persönlicher Überzeugungen des historischen Autors Alberti erheblich erschwert.2 Mutatis mutandis liegt dieser Sachverhalt ebenso bei den mathematisch-technischen Schriften vor. Selbstverständlich hat die Forschung die obligatorische Suche nach Quellen und Vorbildern auch im Falle der Descriptio urbis Romae aufgenommen und ein Konglomerat an Einflussgrößen und Inspirationskeimen zutage gefördert, von denen einige in diesem Kapitel angedeutet werden sollen. Naturgemäß kann weder ein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden noch darauf, dass es genau diese Personen, Texte und Traditionen sind, die für die Entstehung der Descriptio maßgeblich waren. Erkenntnisleitend ist die Feststellung, dass Albertis literarisches Œuvre nach heutigen Maßstäben als interdisziplinär bezeichnet werden muss, da es sich, wie erwähnt, in triviale und quadriviale Schriften teilt: Der Autor einer allegorischen Komödie (Philodoxeos fabula), eines „mythologisch-philosophischen ‚Schelmenromans‘“3 (Momus) und verschiedener anderer moralphilosophischer Schriften (z. B. 1
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Leonardo Dati (1407–1472), ein Freund Albertis, hatte diese Praxis noch als verurteilenswerte Nachlässigkeit eingestuft. In einem auf den 6. Juni 1443 datierten Brief an Alberti schrieb er: Alterum vero erratum, et id quidem non mediocre esse videtur, cum sententias atque exempla quorumdam adducis nec eos nominas, sed omittis intervallo, ac si vel ignores vel aliquid ipsemet confingas. Et sane potueras aptius id effugere, quemadmodum et Cicero frequenter facit. Quippe cum quid desiderat, quod in mentem haud redit, tunc ita verba profert, ut neque negligentia neque inscitia praetermittere nomina videatur, sed quasi rem notissimam refricare nolit, quo legentem liberet ea molestia („Der zweite Fehler aber – und der gilt gewiss nicht als geringfügig – besteht darin, dass du die Meinungen und Beispiele irgendwelcher Leute anführst, sie aber nicht beim Namen nennst, sondern übergehst, als ob sie dir nicht bekannt seien oder du sogar etwas erfindest. Das hättest du ganz geschickt vermeiden können, wie es auch Cicero häufig macht: Wenn er etwas sucht, was ihm nicht in den Sinn kommt, dann trägt er die Worte so vor, dass es nicht so aussieht, als ob er die Namen aus Nachlässigkeit oder Unwissenheit übergeht, sondern als wolle er nichts allseits Bekanntes wiederkäuen, um den Leser nicht zu belästigen“; Text Mehus 1743, 19 f.). Albertis Eklektizismus ist nicht auf das Medium Text beschränkt, sondern setzt sich bei seinen Bauwerken fort (Weller 2014, 149). Albertis Praxis der simulatio/dissimulatio, die von seiner Weltsicht beeinflusst gewesen sein mag, hat seit einigen Jahren verstärkt das Interesse der Forschung auf sich gezogen, siehe z. B. Paoli 2020; McClure 2018, 34–81; Guérin 2012; Pearson 2011; Jarzombek 1999; Gosebruch 1957. Der Beginn von Buch 3 der Profugiorum ab aerumna libri wurde als Schlüssel zu diesem schriftstellerischen Programm gedeutet, mit welchem Alberti vor allem gebildete Zeitgenossen angesprochen haben dürfte (vgl. bes. Profug. 3 Ponte 1988, 82,10–83,16; siehe dazu Cardini 1990, bes. 4–5). Wulfram 2021a, 8.
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2 Entstehungskontexte
De familia, Deifira, De iure) legte ebenso Arbeiten auf dem Gebiet der Kryptographie (De cifris), Kunsttheorie (Elementa picturae, De pictura) und Kartographie (Descriptio urbis Romae) vor. Zeitgenössische Urteile würdigen Alberti explizit als Mathematiker.4 Die Spezialisierung der Wissenschaften war im frühen Quattrocento freilich noch nicht so weit fortgeschritten, dass sich die Senken zwischen geistes- und naturwissenschaftlichen Fächern bereits zu klaffenden Schluchten vertieft hätten,5 und es gab auch zuvor, in der Epoche, die man gemeinhin als Scholastik bezeichnet, durchaus Gelehrte, die sie mühelos zu überwinden schienen: Hugo von St. Viktor (ca. 1097–1141), ein aus Sachsen stammender Philosoph und Theologe, verfasste Schriften über weltliche Lehrinhalte, darunter die Practica geometriae (ca. 1125), eine kenntnisreiche Einführung in elementargeometrische und astronomische Grundlagen. Robert Grosseteste (vor 1170–1253), Bischof von Lincoln, war Experte für die Beobachtung und mathematische Beschreibung von Naturphänomenen, z. B. die Ausbreitung des Lichts, und kombinierte beides in seiner Lichtmetaphysik. John Peckham (ca. 1220/25–1292), ab 1279 Erzbischof von Canterbury, legte die Perspectiva communis (ca. 1278) vor, das Standardwerk der Optik, mit dem auch Alberti vertraut gewesen sein dürfte. Nikolaus von Oresme (vor 1330–1382), ab 1377 Bischof von Lisieux, gilt als einer der bedeutendsten Naturforscher des 14. Jahrhunderts, unter anderem weil er qualitative Änderungen von Naturerscheinungen erstmals mit dem mathematischen Konzept der Koordinaten zu erfassen suchte.6 Noch Nikolaus von Kues (1401–1464), studierter Jurist, stützte seine philosophischtheologischen Argumentationen wiederholt auf mathematische Analogien. Diese exemplarisch genannten Denker allerdings haben traditionelle, prähumanistische Bildungsgänge durchlaufen, die weitgehend kompatibel mit der mathematischen Denkweise und überdies Voraussetzung für eine wissenschaftliche Laufbahn gewesen sein dürften, nämlich die Jurisprudenz und die logikgesättigte Philosophie der Scholastik. Der Humanismus wiederum mit seiner spezifischen Betonung der sprachlich-geisteswissenschaftlichen Fächer sprach ein dazu tendenziell inkongruentes Interessens- und Fähigkeitenprofil an. Aus humanistischer Sicht dürfte die Grenze zum Quadrivium zu Albertis Zeit keinesfalls mühelos zu überwinden ge4
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Exemplarisch seien folgende bekannte Urteile genannt: Flavio Biondo berichtet in seiner Italia illustrata von 1474 davon, dass Leo Baptista Albertus, geometra nostri temporis egregius („Leon Battista Alberti, ein herausragender Mathematiker unserer Zeit“; Italia illustrata 2,128; Text Pontari 2014, 262), mit der Bergung zweier Schiffe im Nemisee beauftragt worden sei. Im Proemio al commento Dantesco von 1481 schrieb Cristoforo Landino: „Ma quale spezie di matematica gli fu incognita? Lui geometra, lui aritmetico, lui astrologo, lui musico e nella prospettiva maraviglioso più che uomo di molti secoli“ („Aber welches Teilgebiet der Mathematik war ihm unbekannt? Er war Geometer, Arithmetiker, Astrologe, Musiker und in der Perspektive bewundernswerter als Menschen vieler Jahrhunderte“; Text Cardini 1974, Bd. 1, 117, Z. 19–24. Dies war nicht die einzige Hommage Landinos, siehe Wulfram 2016). Ugolino Verino (1438–1516) dichtete im zweiten Buch von De illustratione urbis Florentiae (wohl um 1507: Lazzari 1897, 188): Nec minor Euclide est Albertus: vincit et ipsum / Vitruvium [. . . ] („Nicht kleiner als Euklid ist Alberti; er hat sogar Vitruv besiegt“; Text Audebert 1583, fol. 14v ). Vgl. z. B. die Diagnose der „two cultures“ durch C. P. Snow (Snow 1993; dazu Schroeer 1972). Siehe dazu Hischer 2021, 157–160; Schneider 1993.
2.1 Humanisten und die Mathematik
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wesen sein, zumindest dann nicht, wenn mehr als eine ambitionslose Gelegenheitsbeschäftigung angestrebt war. Umso wichtiger ist es, die Position des Humanisten Alberti in dem Spannungsfeld von Humanismus und Mathematik zu bestimmen. War er, nach heutigem Verständnis, ein Geisteswissenschaftler, der Ausflüge ins Reich der Mathematik unternahm, ohne dort wirklich ‚heimisch‘ zu sein und Schriften zu publizieren, die zur Weiterentwicklung der Disziplin geeignet waren, oder befand er sich in beiden Bereichen auf einem Level mit der jeweiligen wissenschaftlichen Elite? Immerhin lag die mathematische Begabung in der Familie,7 und Alberti stand dem Humanismus nicht unkritisch gegenüber.8 Für die folgende grobe Skizze sollen zunächst einige (vermeintliche?) Spannungen zwischen den quadrivialen Fächern und dem Humanismus angedeutet (Kapitel 2.1), sodann die höchst fragmentarischen Informationen zu Albertis Ausbildung und seiner Freundschaft mit dem Mathematiker Toscanelli zusammengetragen (Kapitel 2.2) und schließlich einige Beobachtungen zu seinem Verhältnis zur Mathematik angestellt werden (Kapitel 2.3).
2.1 HUMANISTEN UND DIE MATHEMATIK Mit seinem interdisziplinären Werk hatte sich Alberti prima facie in das Spannungsfeld von Naturwissenschaft und Humanismus begeben. Die mathematisch-technischen Schriften verarbeiteten arithmetische und vor allem geometrische Erkenntnisse, fußten also auf dem Quadrivium, das als Teil des überkommenen Wissenschaftssystems von der humanistischen Kritik unter heftigen Beschuss genommen wurde.9 Erklärtes Ziel der Humanisten war die Schaffung bzw. Stärkung eines geisteswissenschaftlichen Schwerpunktes im Bildungssystem, der die Grammatik und Rhetorik aus dem Trivium übernahm, ihnen zu altem Recht verhalf und zusammen mit den zuvor stark unterrepräsentierten Disziplinen Poetik, Geschichte und Ethik die studia humanitatis bildete.10 Und in der Tat kann beim Blick auf die moderne For7 8 9 10
Arrighi 1974, 155. Pearson 2022, 41. Zur humanistischen Kritik siehe z. B. Rubeis 2016; Buck 1996, 7–11; Bergdolt 1992, passim. Einen Überblick über das Quadrivium an mittelalterlichen Universitäten bietet North 1993. „An der Universität Bologna paßte man Grammatik und Rhetorik den Bedürfnissen der Jurisprudenz und Medizin an, so daß die ‚ars dictaminis‘ nicht mehr an die ‚auctores‘ gebunden war, welche allerdings weiterhin ‚im Untergrund‘ gelesen wurden“ (Buck 1996, 11). Beispielsweise zählen im wohl um 1125 entstandenen Didascalion Hugos von St. Viktor (ca. 1100–1141) Dichter und Historiker nur zum Anhang der Wissenschaften: Duo sint genera scripturarum. Primum genus est earum quae propriae artes appellantur. Secundum est earum quae sunt appendicia artium. [. . . ] Huiusmodi sunt omnia poetarum carmina, ut sunt tragoediae, comoediae, satirae, heroica quoque et lyrica, et iambica, et didascalica quaedam, fabulae quoque et historiae („Es gibt zwei Arten von Schriften. Die erste Art umfaßt das, was man im engeren Sinne Wissenschaften nennt; die zweite aber das, was als Anhang zu den Wissenschaften gilt. [. . . ] Von dieser Art sind alle Werke der Dichtung, wie etwa Tragödien, Komödien, Satiren, Heldendichtungen und Lyrik, jambische Gedichte, gewisse didaktische Werke, auch Fabeln und Geschichtserzählungen“; Hugo von St. Viktor, Didascalion de studio legendi 3,4; Text und Übs. Offergeld 1997; zum Text siehe ebd., 40–100; Harkins 2016; Lischewski 2009). Zu den
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2 Entstehungskontexte
schung bisweilen der Eindruck entstehen, als habe der Feldzug der „humanistischen Protagonisten“ nicht den artes liberales und den höheren Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, Medizin) in ihren scholastischen Erscheinungsformen – oder sogar nur den jeweiligen Fachvertretern –, sondern den (nicht selten auf die Antike zurückgehenden) Inhalten der beteiligten Fächer überhaupt gegolten, insbesondere also den ‚altehrwürdigen‘ Grundlagenwissenschaften Arithmetik und Geometrie.11 Eine Fundamentalopposition von (frühem) Humanismus und Mathematik allerdings hat keineswegs bestanden.12 Zwar waren mathematische Methoden und Ergebnisse tief in etablierte Wissenschaften wie etwa die Naturphilosophie oder die Astronomie/-logie eingelassen, doch gab es allenthalben Berührungspunkte auf vergleichsweise neutralem, weil im antiken Einflussbereich gelegenen Terrain. Genannt werden könnten etwa der prominent von Cicero – und seit seiner vollständigen Wiederzugänglichmachung im Jahr 1416 auch von Quintilian – vorgetragene Universalitätsanspruch der Rhetorik13 oder die maßgeblich von humanistischen Kreisen geförderte Erschließung antiker (griechischer) Wissenschaftstexte, die im Kontext einer sich im 15. Jh. vollziehenden Annäherung und gegenseitigen Befruchtung von Trivium und Quadrivium stand.14 Zu bedenken ist ferner die traditionell starke Verankerung der Mathematik in christlich-neuplatonischen Systementwürfen – und, davon abhängig, in der Renaissancekunst: Gemäß einer Traditionslinie, die sich von Platons Timaios über Augustinus, Pseudo-Dionysius Areopagita und die Scholastik bis in Albertis Gegenwart erstreckte, galt diese Wissenschaft als Konvergenzpunkt
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studia humanitatis siehe z. B. Lebek 2001; Buck 1996, 11–19; Buck 1984. So z. B. Bergdolt 2006: „Es überrascht, wie vehement die humanistischen Protagonisten bis etwa 1450 fast ausnahmslos gegen die naturwissenschaftliche oder medizinische Forschung ankämpften. [. . . ] Für den schon erwähnten Bruni war es schlicht non satis decorum, sich mit den Fächern des Quadriviums ut geometria et aritmetica zu beschäftigen“ (ebd., 112, Hervorhebungen im Original). Diese Feststellung dürfte auf einem Missverständnis beruhen; siehe unten Anm. 19 auf S. 28. Siehe die Positivurteile namhafter Humanisten in Rose 1976, 5–25; Rose 1973, 49–53; darauf basiert das Folgende. Siehe auch Feingold 2021 mit dem Fokus auf späteren Jahrhunderten in England. Freilich ließen sich die Fronten in Richtung Jurisprudenz, Medizin und den Naturwissenschaften in der Praxis auch nicht beliebig verhärten (vgl. Vollmann/Čizmić 2003, bes. 110–112): „Wer eine Erbschaftsauseinandersetzung hatte, brauchte einen juristischen Beistand, und wer krank war, einen Arzt und Apotheker, gleichgültig, was Petrarca, Salutati, Piccolomini und Valla gegen diese Berufsstände vorgebracht hatten“ (ebd., 110). Vgl. z. B. die folgende Stelle aus Ciceros De oratore: Ac mea quidem sententia nemo poterit esse omni laude cumulatus orator, nisi erit omnium rerum magnarum atque artium scientiam consecutus. Etenim ex rerum cognitione efflorescat et redundet oportet oratio; quae nisi subest res ab oratore percepta et cognita, inanem quandam habet elocutionem et paene puerilem („Und nach meiner Meinung wenigstens kann niemand ein mit allem Ruhm überhäufter Redner sein, ohne sich Kenntnisse von allen bedeutenden Gegenständen und Wissenschaften angeeignet zu haben. Aus der Kenntnis der Gegenstände muss ja auch die Rede erblühen und sich ergießen; liegt nicht ein vom Redner voll erfasster und erkannter Gegenstand zugrunde, so beherrscht er nur leeres und beinahe kindisches Geschwätz“; Cic. De orat. 1,20; Text und Übs. Nüßlein 2007). Vgl. Quint. Inst. 1,10,34–49. Zu Poggios Darstellung seiner Entdeckung des gesamten Quintilian im Kloster St. Gallen siehe Wulfram 2019, 254–259. Siehe Grössing 1983, bes. 40–52; Rose 1976, 26–75.
2.1 Humanisten und die Mathematik
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von göttlichem Plan und menschlicher Erkenntnisfähigkeit, sodass sie es war, die die Ergründung der Welt jenseits des für die Augen Sichtbaren ermöglichte.15 Über diese allgemeinen und unspezifischen Beispiele hinaus lassen sich explizite Stellungnahmen früher Humanisten anführen, die nahelegen, dass selbst wer der praktischen Beschäftigung mit der Mathematik oder ihrer Vereinnahmung durch die Scholastik ablehnend gegenüberstand, dennoch willens war, der immer noch zu großen Teilen auf antikem Wissen basierenden Disziplin einen schützenswerten Sonderstatus zuzugestehen. Zu den wiederholt zitierten Einlassungen gehört Francesco Petrarcas (1304–1374) Klage über die curiositas vana matheseos. Diese allerdings steht im Kontext seines erbitterten Kampfes gegen eine als Ratgeberin in ethischen und medizinischen Fragen missbrauchte Astrologie und ist keineswegs mit einer pauschalen Ablehnung der Mathematik gleichzusetzen.16 Coluccio Salutati (1331–1406) stieß zwar in dasselbe astrologiekritische Horn, erklärte aber Trivium und Quadrivium zu einer wesentlichen Voraussetzung für Dichter und Humanisten;17 später konterte er sogar den vom Dominikanermönch Giovanni Dominici (1356–1419) vorgebrachten Vorwurf, die humanistischen Studien seien heidnisch und jugendgefährdend, mit der bemerkenswerten Behauptung, dass erst derjenige, der über Kenntnisse in Geometrie verfüge, wichtige theologische Einsichten erlangen und fundiert argumentieren könne.18 Salutatis Protegé Leonardo Bruni (1369–1444) 15 16
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Siehe z. B. Nikolaus von Kues, De docta ignorantia 1,11; Quinlan-McGrath 2013, bes. 9–24; sowie, mit Fokus auf Alberti, Stowell 2015, 71–117; Koenigsberger 1979, bes. 7–55. Quid torquetur astrologus? Quid insudat curiositas vana matheseos? („Was quält sich der Astrologe? Warum plagt sich die eitle Neugierde der Astrologie?“, Petrarca, Sen. 1,7,21; Text Rizzo 2006); siehe dazu Rose 1976, 9; Rose 1973, 50. In diesem Fall dürfte das Nomen mathesis nicht die Mathematik (wie z. B. in Cassiod. Var. 1,45,5), sondern die Astrologie mitsamt der magischen Praktiken bezeichnen (so auch Rose 1976, 20 Anm. 29; vgl. z. B. Iul. Val. 1,4). Zu Petrarcas Astrologiekritik siehe außerdem Bergdolt 2005. Salutati, De laboribus Herculis 1,3–4, z. B. 1,3,11: Et quoniam versus est poete proprium instrumentum, quem suis partibus, hoc est pedibus, mensuramus atque componimus et non omnibus sed certis numeris alligamus, ex quibus resultat et queritur musica melodia, clarum est poeticam narrationem ex trivio quadruvioque componi („Da ja das eigentümliche Mittel des Dichters der Vers ist, den wir nach seinen Teilen, d. h. Versfüßen, messen und abfassen und nicht mit allen, sondern bestimmten Zahlen in Verbindung bringen, aus denen der musikalische Wohlklang hervorgeht und gesucht wird, ist es klar, dass die dichterische Erzählweise sich aus dem Trivium und dem Quadrivium gestaltet“; Text Ullman 1951; Übs. Stoeckel 2008); siehe dazu Rose 1976, 12–13; Rose 1973, 51; Ullman 1963, 68–69. Aus dem Verteidigungsbrief an Dominici: Hec quidem et alia plura, que ad divinitatem spectant, occurrent neophito qui geometria curaverit erudiri, quibusque cum in contemplationem divinitatis venerit, noticia rerum istarum poterit consolari, nec solum esse doctior, sed certior atque paratior se opponentibus respondere („Dies und anderes mehr, was sich auf die Göttlichkeit bezieht, wird dem neubekehrten Christen begegnen, der sich um Kenntnisse in Geometrie bemüht hat, und wenn er damit zur Betrachtung der Göttlichkeit kommt, wird er sich durch die Kenntnis dieser Dinge ermutigen können, nicht nur gelehrter zu sein, sondern denen, die Einwände bringen, glaubwürdiger und entschlossener zu antworten“; Novati 1905, 229). Zu Dominici, seiner Humanismuskritik und dem Streit mit Salutati siehe Neugebauer-Wölk 2019, 152–158; Mésoniat 1984; Denley 1981; Rose 1973, 51. Nikolaus von Kues beginnt seine Schrift De circuli quadratura mit dem Hinweis, dass die Ausführungen zur Kreisquadratur als Propädeutikum der Theologie geeignet seien. Die theologische Dimension geometrischer Texte des Mittelalters leuchtet Zaitsev 1999 aus.
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vertrat in De studiis et litteris (1405/29), einem Bildungsratgeber für die begabte Frau aus gehobenem Stande, immerhin eine Art Mesoteslehre, derzufolge das zeitaufwendige Vordringen zu den letzten Feinheiten der Geometrie und Arithmetik nequaquam gloriosum, völlige Unbildung in diesen Bereichen allerdings non satis decorum sei.19 Dass sich mangelhafte Kenntnisse folgerichtig in einen ernstzunehmenden Vorwurf münzen ließen, bezeugt seine Invektive gegen Niccolò Niccoli aus dem Jahr 1424.20 Erwähnt sei schließlich Pier Paolo Vergerio (il Vecchio, 1370–1444), dessen Schrift De ingenuis moribus (ca. 1400/2) vom Glauben an eine tiefgreifende Interdependenz der geistes- und naturwissenschaftlichen Fächer getragen ist und zum einflussreichsten Erziehungsratgeber des Renaissance-Humanismus avancierte.21 Ganz in der universalen Bildungstradition Paduas stehend, betrachtete Vergerio nicht nur das Studium der Fächer des Triviums samt der von den Humanisten supplementierten Disziplinen Poetik, Geschichte und Ethik als eines gebildeten Menschen würdig, sondern eben auch die Beschäftigung mit Geometrie, Arithmetik und Astronomie bzw. Astrologie.22 19
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Sunt enim disciplinarum quaedam, in quibus ut rudem omnino esse non satis decorum, sic etiam ad cacumina illarum evadere nequaquam gloriosum; ut geometria et arithmetica, in quibus, si multum temporis consumere pergat et subtilitates omnes obscuritatesque rimari, retraham manu atque divellam („Es gibt nämlich bestimmte Fächer, in denen es zwar nicht eben schicklich ist, völlig ungebildet zu sein, in die Tiefe aber vorzudringen, keineswegs ruhmreich. Bei der Geometrie und Arithmetik beispielsweise würde ich sie ergreifen und wegreißen, wenn sie anfängt, viel Zeit darauf zu verwenden und alle Feinheiten und Probleme zu untersuchen“; De studiis et litteris 13; Text Kallendorf 2002, 104; Übs. Baron 1928, 11 Z. 13–17; siehe dazu Rose 1976, 13). Bruni hat die Beschäftigung mit diesen Fächern also weder grundsätzlich kritisiert noch abgelehnt (pace Bergdolt 2006, 112 [siehe oben Anm. 11 auf S. 26]; Rose 1973, 52). Die anders lautende Behauptung dürfte zurückgehen auf die (kürzende und interpretierende) Übersetzung von William Harrison Woodward, der die Stelle wie folgt wiedergibt: „Thus there are certain subjects in which, whilst a modest proficiency is on all accounts to be desired, a minute knowledge and excessive devotion seem to be a vain display. For instance, subtleties of Arithmetic and Geometry are not worthy to absord a cultivated mind [. . . ]“; Woodward 1996, 126). Zu De studiis et litteris siehe z. B. Cox 2009; Buck 1993. Siehe Zippel 1979, 128–141, bes. 136. Eine zuverlässige Edition, die alle verfügbaren Handschriften berücksichtigen würde, existiert nicht; einen Lesetext samt englischer Übersetzung bietet Kallendorf 2002, 2–91. Zur Bedeutung von De ingenuis moribus siehe Böhm 2009; Kallendorf 2002, vii–xv; Grendler 1989, 117–119. Zu Vergerios Biographie siehe Venier 2020; McManamon 1996. Wohl ganz in Albertis Sinne war außerdem Vergerios Aufwertung der Malerei (pace Horton 2010, 462–463): Zwar befreite er sie nicht restlos vom Makel eines prestigelosen Handwerks, musste unter dem Eindruck von Aristoteles’ Politeia aber immerhin gewisse Berührungspunkte mit einer ars konzedieren und brandmarkte sie nicht von vornherein als minderwertig: Erstens erkannte Vergerio die graphisch-künstlerische Dimension manuellen Schreibens an, zweitens hätten die alten Griechen durch Kenntnisse in der Malerei ihr Urteilsvermögen geschärft und so etwa beim Kauf von Kunstgegenständen oder in Gesprächen gebildet und ehrenhaft auftreten können (Vergerio, De ingenuis moribus 41 [Kallendorf 2002, 48–50], nach Aristot. Pol. 8,3,1337b23–1338b8); vgl. Alberti, Pict. lat. 2,28, bes.: nam est pingendi ars profecto liberalibus ingeniis et nobilissimis animis dignissima („[. . . ] denn die Malkunst bedarf durchaus freier Begabungen und edelster Herzen“; Text und Übs. Bätschmann/Schäublin 2011); siehe auch Siemoneit 2023. Zur Tradition universalen Wissens siehe Leinkauf 2017, 211–221.
2.2 Albertis interdisziplinäre Studien
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Selbst wenn also aus Sicht der frühen (und späteren) Humanisten die Grenze zu den naturwissenschaftlichen Fächern keineswegs leicht zu überwinden und eine auf Leidenschaft gründende Vertrautheit mit beiden Wissenssphären alles andere als selbstverständlich gewesen sein dürfte, so ist es selbst angesichts dieser wenigen Schlaglichter unplausibel, dass Pauschalverurteilungen der Mathematik zu einem Massenphänomen in humanistischen Kreisen avanciert sein sollten. Alberti durfte also zu Recht davon ausgehen, dass seine mathematisch inspirierten Schriften, freilich unter Einhaltung eines gewissen Niveaus an Allgemeinverständlichkeit, Anklang bei humanistisch interessierten Gönnern finden würden.
2.2 ALBERTIS INTERDISZIPLINÄRE STUDIEN Gesicherte Erkenntnisse dazu, mit welchen Lehrern und Inhalten Alberti während seiner Ausbildung in Kontakt kam, gibt es nur verhältnismäßig wenige.23 Nachdem in Genua und Venedig wohl erster Elementarunterricht stattgefunden hatte, wurde er in den 1410er Jahren von Gasparino Barzizza (ca. 1360 – ca. 1431) unterrichtet.24 Dieser bereits zu Lebzeiten weithin bekannte und geschätzte Lehrer wirkte an der Universität Padua und an einer von ihm selbst gegründeten Privatschule, wo er sowohl den Stoff der Elementarschulen als auch den der Universitäten anbot.25 Bar23
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Neuere Überblicke zu Albertis Biographie bieten Pearson 2022; Paoli 2004; Grayson 1998; inhaltlich und methodisch teilweise immer noch nicht überholt ist Mancini 1882. Die Interpretationen speziell der englischsprachigen Forschung referiert Woodhouse 2008. Viele Nachrichten zu Albertis Biographie basieren auf verstreuten Hinweisen in seinen Schriften, wie z. B. literarische Figuren, hinter denen der historische Autor vermutet wird, und auf einer anonymen, wahrscheinlich von Alberti selbst verfassten Vita (ediert in Cardini / Regoliosi / Bracciali Magnini 2010; siehe dazu Enenkel 2008, 189–228; Grafton 2001, 17–29; Watkins 1989; Fubini/Gallorini 1972). Vorsicht ist geboten, da Alberti nicht selten ein literarisch überformtes alter ego seiner Person konstruierte; zu diesen und ähnlichen Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion der Biographie siehe Boschetto 2008. Wenn in dieser Interpretation auf derartiges Material zurückgegriffen wird, dann in der Annahme, dass in den relevanten Kontexten die Person des historischen Autors und seine literarische persona im Regelfall nicht derart polar voneinander getrennt waren, wie man es aufgrund moderner Rezeptionsgewohnheiten annehmen könnte (vgl. Siemoneit 2020, 80–85). Ein wichtiges Indiz für die Rekonstruktion der Unterrichtsdauer ist ein Briefwechsel zwischen Barzizza und Albertis Vater Lorenzo, der auf die Jahre 1415–1421 hindeutet (siehe dazu Norbedo 2008; Vestri 2007). In der Forschung werden auch andere, leicht abweichende Zeiträume angegeben (vgl. Bätschmann/Schäublin 2011, 9; Collodo 2008, 317; Lorenz/Naredi-Rainer 1992, 85; Grafton 2001, 6; Vickers 1999, 23; Grayson 1998, 420; Gadol 1969, 4). Die maßgebliche Studie zu Barzizzas Lehre ist Mercer 1979; siehe außerdem Weller 2014, 95–132; Scholz 2008; Vickers 1999, 21–24; Grendler 1989, 126. Details zu den Unterrichtseinheiten und ihrer Reihenfolge lassen sich nicht mehr rekonstruieren (Weller 2014, 104). Zu Barzizzas Biographie siehe Martellotti 1965. Zum Einfluss Paduas auf Albertis Leben und Werk siehe Collodo 2008. Zum Bildungsgang in Elementarschule und Universität und seiner Transformation durch den Humanismus siehe Roccasecca 2016, 18–21; Grendler 1989; Mercer 1979, 7–23; siehe auch Grafton/Jardine 1986. Zu den Voraussetzungen und der Entwicklung des Humanismus in Padua und anderen italienischen Städten siehe Witt 2012; Witt 2000, bes. 81–116; Holmes 1992.
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2 Entstehungskontexte
zizza war nicht nur „der führende Erforscher und Lehrer der ciceronischen Rhetorik in all ihren Aspekten“,26 sondern auch mit Seneca und Quintilian bestens vertraut – Autoren, die auf Alberti großen Einfluss ausüben sollten.27 Außerdem öffnete er den Lehrplan in verschiedene Richtungen, ließ sein reges Interesse an den materiellen Hinterlassenschaften der Antike einfließen – Alberti könnte Giovanni Dondis Iter Romanum hier gelesen haben28 – und erteilte Unterricht auch in Geographie, Epigraphie und Numismatik. Erwähnenswert im Zusammenhang mit der Descriptio urbis Romae ist die Schrift De imitatione, die Barzizza wohl zwischen 1413 und 1417 für den internen Gebrauch seiner Privatschule verfasste und zu Lebzeiten nicht publizierte.29 In diesem kurzen, etwas sorglos zusammengestellten Lehrbuch propagierte er „eklektische und variierende Nachahmung klassischer Autoren, um mit vergleichsweise geringem Aufwand etwas zu schaffen, das es so noch nicht gab, das sich gleichwohl an dem Niveau der vorbildlichen Alten orientiert“.30 Ziel war also nicht die wörtliche Übernahme einer Textpassage – die ja ohnehin einen Plagiatsverdacht nach sich gezogen hätte – sondern deren raffinierte, die Quelle verschleiernde Umarbeitung, sodass diese allenfalls noch dem Connaisseur zugänglich war. Einiges spricht dafür, dass Alberti in dieser Zeit nicht nur mit humanistischen Inhalten im engeren Sinne, sondern auch mit einer aristotelisch geprägten naturwissenschaftlichen Methodik und euklidischer Geometrie in Berührung gekommen ist.31 Letztere wurde allerdings wohl nicht von Barzizza, sondern von dessen Freund Vittorino da Feltre (1378–1446) unterrichtet, einem der berühmtesten Lehrer seiner Zeit.32 Dieser lehrte Astronomie, machte die Geometrie für Malerei und Vermessung fruchtbar und ließ wissenschaftlich-technische Inhalte, die sich auf griechische und arabische Schriften der Antike und des Mittelalters stützten, in den Lehrplan einfließen.33 Besucht haben könnte Alberti auch die Vorlesungen, die Prosdocimus de Beldemandis (ca. 1370/80–1428) in Padua etwa zum Gebrauch des Astrolabiums hielt.34 Albertis inhaltliche Interessen und seine Fähigkeit, durch Überschreiten 26
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Scholz 2008, 13. Zu Barzizzas Bemühungen um die Nachahmung von Ciceros rhetorischem Stil, die ihm das Prädikat „il vero apostolo del ciceronianismo“ (Sabbadini 1885, 13) einbringen sollte, siehe Revest 2016. Beispielsweise schrieb Guarino da Verona, der sich zuvor einige Jahre in Venedig und hin und wieder wohl auch in Padua aufgehalten hatte, Bezug nehmend auf eine neu aufgefundene Cicero-Handschrift im Jahr 1422 an Barzizza: Quem enim potius quam te Cicero ipse deligeret, cuius ductu atque auspiciis amatur legitur et per Italorum gymnasia summa cum gloria volitat? („Wen nämlich würde Cicero seinerseits eher erwählen als dich, durch dessen Führung und Geleit er geliebt und gelesen wird und sich mit größtem Ruhm in den Schulen Italiens verbreitet?“; Sabbadini 1915, 345, Nr. 214). Mercer 1979, 106–117. So Weller 2014, 142. Zum Text siehe unten Kapitel 2.4.3. Ediert ist der Text in Pigman 1982. Zur Datierung siehe ebd., 345. Scholz 2008, 12. Barzizzas Nähe zu aristotelisch-scholastischen Inhalten und Methoden betont Mercer 1979, 83–85 (siehe aber Vickers 1999, 21 Anm. 34); siehe auch Di Stefano 2000, 143 Anm. 34. Zu Albertis Kenntnis antiker Wissenschaftstexte siehe Mastrorosa 2005. Weller 2014, 129–133. Wright 2010, 162; Woodward 1996, 42 f. Gadol 1969, 168–169. Zu Prosdocimus siehe Herlinger 2004; Monterosso Vacchelli 1965.
2.2 Albertis interdisziplinäre Studien
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konventioneller Fächergrenzen zwar prinzipiell bekannte, aber separate Inhalte zu etwas Neuem zu verbinden, könnte maßgeblich in dieser Zeit ausgeprägt worden sein.35 Anfang der 1420er Jahre verließ Alberti Padua und wechselte zum Studium des Kirchenrechts nach Bologna. Was seine Interessen und Fähigkeiten angeht, dürften diese Jahre keine entscheidend neuen Akzente mehr gesetzt haben.36 Er verfolgte das Studium nur halbherzig und brachte es 1428 zum Abschluss. Von institutioneller Seite kam er wohl nicht mit humanistischen Inhalten in Berührung, da die dortige Universität eine juristisch-medizinische Ausrichtung hatte und zumindest in diesen Jahren gar keinen spezifisch humanistischen Bildungsgang anbot.37 Die dem Studium des Rechts entzogenen Ressourcen setzte Alberti für die weitergehende Beschäftigung mit der Philosophie und Mathematik ein, womöglich im Rahmen der vorrangig als Propädeutikum für das Medizinstudium zugeschnittenen artes-Kurse.38 Dementsprechend wurde die Mathematik in Bologna nicht um ihrer selbst willen gelehrt, sondern gehörte, zumindest laut den Statuten des Jahres 1405, zur Ausbildung in Astronomie/-logie.39 Diese aus heutiger Sicht inadäquate Verquickung von Medizin, Astronomie/-logie und Mathematik ist ein Indiz für den universell-holistischen Charakter, der die quadrivialen Wissenschaften – insbesondere solche, die wie die Astronomie auf der Geometrie basierten – damals auszeichnete, und auch für den daraus abgeleiteten Geltungsanspruch.40 Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte Alberti nicht nur mit einschlägigen Texten wie etwa Euklids Elementen oder Ptolemaios’ Almagest bekannt gewesen, sondern auch mit 35 36 37 38
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So auch Weller 2014, 99. Edward Wright erkennt im Unterricht Barzizzas eine „versione aggiornata“ von Vergerios Bildungsprogramm (Wright 2010, 163; vgl. S. 28). Zu Albertis Studienzeit in Bologna, über die nicht viel bekannt ist, siehe Weller 2014, 192–195; Lines 2008; Guerra 2007. Weller 2014, 195. Die anonyme Vita berichtet davon, dass Alberti aufgrund des kräftezehrenden Jurastudiums im Alter von 24 Jahren in eine physische und psychische Krise geraten sei, von der er sich nicht zuletzt dank der mathematica artes wieder erholt habe (Alberti, Vita 9–10). Aus den Statuten: In astrologia in primo anno primo legantur algorismi de minutis et integris, quibus lectis, legatur primus geumetrie Euclidis cum commento Campani. Quo lecto, legantur tabule Alfonsi cum canonibus. Quibus lectis, legatur theorica planetarum. In secundo anno primo legatur tractatus de sphera, quo lecto, legatur secundus geumetrie Euclidis, quo lecto legantur canones super tabulis de linerijs. Quibus lectis, legatur tractatus astrolabij Mes[sa]chale („In Astrologie sollen im ersten Jahr die Algorismi zu Bruch- und Ganzzahlen gelesen werden; wenn diese gelesen sind, soll das erste Buch von Euklids Geometrie mit dem Kommentar von Campano [da Novara] gelesen werden. Ist dieser gelesen, sollen die Alfonsinischen Tafeln mit den Canones [von Johannes de Saxonia?] gelesen werden, dann die Theorica planetarum. Im zweiten Jahr soll zuerst der Tractatus de Sphaera [von Johannes de Sacrobosco] gelesen werden, dann das zweite Buch von Euklids Geometrie, dann die Canones super tabulis von [Johannes] de Lineriis. Sind diese gelesen, soll der Tractatus astrolabii von M¯asch¯a’all¯ah gelesen werden“; Rubrica 78, Malagola 1888, 276; siehe dazu Rutkin 2019, bes. 388–391, 401–407; Federici Vescovini 1998a). Zur damaligen Stellung der Astronomie/-logie innerhalb der universitären Ausbildung siehe Rutkin 2019, bes. 385–421; speziell zur Universität in Bologna siehe Bortolotti 1947. Den Stellenwert innerhalb der Medizinausbildung beleuchten z. B. North 1993; Siraisi 1993, passim; Bergdolt 1992, 29–32. Vgl. Massalin 2005, bes. 235–237.
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2 Entstehungskontexte
der Überzeugung konfrontiert worden sein, dass große Teile der Naturforschung und Welterkenntnis auf dem Fundament der Geometrie ruhen.41 Nach der Ausbildung hatte Alberti verschiedentlich Kontakt zu Mathematikern, Künstlern und Philosophen, die sich mathematischer Methoden bedienten und per se bereits ein interdisziplinäres Umfeld geschaffen hatten. Unter dem Eindruck praktischer Nutzanwendungen in Optik, Astronomie/-logie und Kunst setzte er seine Studien der quadrivialen Disziplinen an der Seite und im Fahrwasser wirkmächtiger Pioniere fort.42 Von großer Bedeutung war die Freundschaft mit Paolo dal Pozzo Toscanelli (1397–1482).43 Toscanelli war Mathematiker, Astronom und Kartograph und galt bereits zu Lebzeiten als herausragender Wissenschaftler. Er wurde von Filippo Brunelleschi, Nikolaus von Kues und Regiomontanus konsultiert, letzterer war einer der bedeutendsten Astronomen des 15. Jahrhunderts.44 Durch die Bekanntschaft mit Kardinal Bessarion stand Toscanelli an einer fruchtbaren Schnittstelle von Mathematik und Humanismus: Als Platoniker zeigte Bessarion ein reges Interesse an der Mathematik, baute ein umfangreiches Korpus griechischer mathematischer Texte in Italien auf und beförderte die Annäherung späterer Humanisten an die Mathematik maßgeblich.45 Zu ersten Kontakten zwischen Toscanelli und Alberti könnte es bereits in Padua gekommen sein, als Toscanelli dort von ca. 1417 bis 1424 Mathematik und Medizin studierte.46 Eine Freundschaft dürfte sich spätestens ab 1434 entwickelt haben, als Alberti Papst Eugen IV. ins Exil nach Florenz begleitete.47 Was Art und Umfang 41
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Lines 2008, 387–389. Die Elemente Euklids lagen Alberti in der Übersetzung von Campano da Novara (ca. 1220–1296) vor (siehe Massalin/Mitrović 2008; eine Beschreibung von Albertis Euklid-Codex bieten Marsico/Tanganelli 2005). Ein Panoptikum der Zirkel, in denen Alberti nach seiner Ausbildung verkehrte, bieten Grafton 2001, 71–109; Boschetto 2000; siehe auch Cardini 2007. Zur Mathematik der Renaissance und ihrem Verhältnis zur Kunst siehe z. B. Wade 2017; Scriba/Schreiber 2010, 243–320; Wußing 2008, 299–376; Field 2005; Rose 1976, Edgerton 1975. Zu Toscanellis Biographie siehe Truffa 2014; Böhlandt 2008; Mahn-Lot 1986; sowie die ältere, immer noch lehrreiche Studie Uzielli 1894. Zeitgenössische Würdigungen Toscanellis bietet Uzielli 1894, 194–235. Zur Biographie und modernen Einschätzung seiner Leistungen, zu denen unter anderem die Erstellung der ersten bekannten Karte eines Kometen gehört (Herlihy 2007, 119–120), siehe Truffa 2014; Böhlandt 2008. Regiomontanus (eig. Johann Müller, 1436–1476) war neben seinem Lehrer Georg von Peuerbach (1423–1467) der wohl wichtigste Vertreter der sogenannten Wiener astronomischen Schule, die die kopernikanische Wende vorbereitete (Binder 1996; Vogel 1973); zu Leben und Wirken siehe Shank 2017; Scriba/Schreiber 2010, 253–258; Mett 1996. Geanakoplos 1989, 22–23; Rose 1976, 26–75, bes. 44–46. Zum Kontakt zwischen Toscanelli und Bessarion – und womöglich Alberti – siehe Chen-Morris/Feldhay 2017, 133. Truffa 2014, 2169. Mahn-Lot 1986 zufolge nahm Toscanelli das Studium bereits im Jahr 1415 auf. Er aber studierte an der Universität, Alberti an Barzizzas Privatschule (s. o. S. 29). Dokumentiert ist die Freundschaft etwa durch die Widmung des ersten Intercenales-Buches an Toscanelli (z. B. Int. 1 pr. 11: Tu igitur, mi Paule, Leonem Baptistam tuum amabis, ut facis, nostrumque libellum, cum a ceteris tuis maioribus studiis vacabis, perleges proque nostra vetere amicitia dabis operam, ut per te quam emendatior fiat, „Nun aber, mein guter Paolo, liebe weiterhin deinen Leon Battista, wie du es tust. Und wenn du nichts Wichtigeres mehr zu tun hast, lies mein Büchlein und sieh zu, um unserer alten Freundschaft willen, dass du es korrigierst“;
2.2 Albertis interdisziplinäre Studien
33
der wissenschaftlichen Zusammenarbeit angeht, scheint man sich mit dem indirekten Hinweis in Giorgio Vasaris Brunelleschi-Vita begnügen zu müssen, Toscanelli habe Filippo Brunelleschi (1377–1446) – und wohl auch Alberti – in Geometrie unterrichtet,48 sowie mit einer kurzen Bemerkung von Regiomontanus, Toscanelli und Alberti hätten astronomische Beobachtungen durchgeführt, um die Schiefe der Ekliptik zu bestimmen, und nie einen größeren Winkel als 23° 30′ ermitteln können.49 Eher der Vollständigkeit halber sei auch Nikolaus von Kues (1401–1464) in diesem Zusammenhang erwähnt. Ob Alberti und Nikolaus miteinander bekannt waren, ist ein notorisches Rätsel. Handfeste Beweise existieren zwar nicht, dafür aber eine Reihe von Indizien, die das völlige Ausbleiben persönlicher Kontakte – ebenso wie eine Freundschaft – unwahrscheinlich machen.50 Beide verband das Interesse für Mathematik, Ästhetik und Naturphilosophie, gemeinsame Freundschaften und die Beschäftigung mit ähnlichen Themen.51 Gegenseitige Erwähnungen finden sich keine, Nikolaus besaß allerdings eine Abschrift der Elementa picturae.52
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Cardini 2010, 223). Die anonyme Vita erwähnt darüber hinaus Briefe Albertis an Toscanelli (Vita 77). Voraussetzung für Albertis Aufenthalt in Florenz war, dass die Stadt den gegen seine Familie ausgesprochenen Bann im Jahr 1428 aufgehoben hatte (Pearson 2022, 15). „Eines Abends fand sich Messer Paolo dal Pozzo Toscanelli auf dem Rückweg von der Universität zum Abendessen bei Freunden in einem Garten ein und lud Filippo [sc. Brunelleschi] hinzu. Als der ihn über die mathematischen Wissenschaften reden hörte, schloß er sich ihm in einer Weise an, daß er von ihm die Geometrie erlernte“ (Burioni/Lorini 2012, 18; ital. Original in Milanesi 1878, 333); siehe dazu Scholz 2008; Edgerton 1975, 62. Zu weiteren Hinweisen auf eine Verbindung zwischen den beiden siehe Edgerton 1975, 172 Anm. 9. In einem undatierten, aber „sicher aus 1464“ (Curtze 1902, 188) stammenden Brief an Giovanni Bianchini (1410 – ca. 1469) schreibt Regiomontanus: M. Paulum Florentinum et D. Baptistam de Albertis sepe audivi dicentes, se diligenter observasse et non reperisse maiorem [sc. declinationem solis] g° 23 m´ 30 („Ich habe den Florentiner Paolo und Battista Alberti oft sagen gehört, sie hätten sorgfältig beobachtet und keine größere Sonnendeklination als 23° 30′ gefunden“; Text Curtze 1902, 264; zum Briefwechsel siehe Zinner 1968, 95–110). Der Verweis auf Toscanelli und Alberti dürfte dazu gedient haben, die von Regiomontanus gefundenen Werte zu beglaubigen, die deutlich von mittelalterlichen Prognosen abwichen (Schwab 2023, 25–26). Nach Bohnert/Müller 2011. Neben der Bekanntschaft mit Toscanelli wären auch Tomas Parentucelli (1397–1455), der spätere Papst Nikolaus V., und Enea Silvio Piccolomini (1405–1464), der spätere Papst Pius II., zu nennen (Bohnert/Müller 2011, 289); siehe auch die einschlägige Studie Müller 2010b, bes. 15–34. Hinsichtlich gemeinsamer Themen weist die Forschung auf Ähnlichkeiten zwischen den Ludi rerum mathematicarum und Nikolaus’ Idiota de staticis experimentis (1450) hin (Bohnert/ Müller 2011, 292). Auch in De statua ist der Hang zu Quantisierungen und Verhältnisbildung erkennbar (Bätschmann/Schäublin 2011, 50–59; Aiken 1980). Wenn die Zuschreibung der kurzen Schrift De lunularum quadratura an Alberti korrekt sein sollte (Williams / March / Wassell 2010, 209; siehe dagegen Raynaud 2006), dann hätte er sich, genau wie Nikolaus (De circuli quadratura, 1450; Quadratura circuli, 1450; Dialogus de circuli quadratura, 1457; De caesarea circuli quadratura, 1457), mit dem Problem der Kreisquadratur beschäftigt; siehe dazu Müller 2005, bes. 43–47; Böhlandt 2002. Gegenseitige Beeinflussung auf spirituelltheologischem Gebiet postuliert Carman 2014 (siehe aber die Rezension Marsh 2016). Zu den thematischen Überschneidungen im Werk beider siehe auch zahlreiche Arbeiten von Elena Filippi, z. B. Filippi 2023; Filippi 2019; Filippi 2018; Filippi 2017; Filippi 2011; Filippi 2008. Bohnert/Müller 2011, 290; ebd. eine Edition der Abschrift.
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2 Entstehungskontexte
Die Schriften der beiden offenbaren trotz des vermeintlich verbindenden Elements der Mathematik fundamentale Unterschiede in Bezug auf Inhalt und Intention.53 Bei Alberti dienen die mathematischen Methoden der „Durchdringung und Beschreibung empirischer Verhältnisse“54 in einer den Sinnen zugänglichen, durch Gesetze wahrheitsgemäß beschreibbaren Wirklichkeit. Nikolaus hingegen stellte, ganz in der neuplatonisch-christlichen Tradition stehend, die Mathematik in den Dienst einer spekulativen Theologie, indem er beispielsweise geometrische Analoga zur Erläuterung theologischer Aussagen einsetzte.55 Außerdem hegte er grundsätzliche erkenntnistheoretische Einwände gegen den Wert der sinnlichen Wahrnehmung und betonte die „Differenz zwischen menschlicher Beschreibung der Welt und der Wahrheit an sich“.56 Vor diesem Hintergrund erscheint die Suche nach Gemeinsamkeiten, die zumeist auf zeittypische Sujets oder allenfalls diffuse Beeinflussungen zurückzuführen wären, wenig zielführend.
2.3 ALBERTI ALS MATHEMATIKER Die in Kapitel 2.2 zusammengetragenen Nachrichten zu Albertis Ausbildung und der Zusammenarbeit mit Toscanelli sind ebenso vielzitiert wie wenig erschöpfend. Immerhin aber lassen sie den Rückschluss zu, dass Alberti im Austausch mit erstklassigen Fachvertretern an der Speerspitze wissenschaftlicher Forschung stand, sodass er mit der Gedankenwelt ‚gelernter‘ Mathematiker und Astronomen ebenso vertraut gewesen sein dürfte wie mit deren Diskursen und Methoden. Insbesondere teilte Alberti Toscanellis Leidenschaft für Astronomie,57 wird sich also mit den gängigen Beobachtungs- und Darstellungsinstrumenten, wie z. B. Astrolabium und Sternkarten, bestens ausgekannt haben.58 Dass er sein mathematisches Wissen auf diesem 53 54 55
56 57
58
Siehe Agosta 2013. Dagegen machen Cuozzo 2010 und Cuozzo 2005 Gemeinsamkeiten aus. Agosta 2013, 210. Zu Nikolaus’ Mathematikverständnis siehe Nickel 2021; Nickel 2019; Rusconi 2012; Nickel 2005; sowie die Beiträge in Pukelsheim/Schwaetzer 2005. Vgl. z. B. die Überschrift von De docta ign. 1,11: Quod mathematica nos iuvet plurimum in diversorum divinorum apprehensione („Die Leistung der Mathematik beim Erfassen der innergöttlichen Relationen“; Text und Übs. Wilpert/Senger 1970). Agosta 2013, 210. Astronomie und Astrologie dürften für Alberti und Toscanelli noch eng verwoben gewesen sein, da sich beide Disziplinen trotz distinkter Schwerpunkte erst im konfessionellen Zeitalter deutlicher voneinander zu trennen begannen (North 2013; Stuckrad 2003, bes. 242–252; zu Ptolemaios’ Unterscheidung von Astronomie und Astrologie siehe Feke 2018, 168–200; zur Beliebtheit in Mittelalter und Humanismus siehe Leinkauf 2017, 1481–1498; Blume 2000). Albertis Verhältnis zur Astronomie/-logie beleuchten Cardini 2005; Massalin 2005; Pfisterer 2003, 543 f.; Panza 1994, 61–67; Beck 1989; Dezzi Bardeschi 1974. Siehe auch Aufgabe Nr. 11 der Ludi rerum mathematicarum (Ludi 11 Grayson 1973, 150,6–151,13); Intercenales 8,1 (Fatum et pater infelix) und die laut der anonymen Vita an Toscanelli verschickten Briefe mit astrologischen Prophezeiungen (Alberti, Vita 77). Auch am Hof der Este in Ferrara, mit dem Alberti Kontakte unterhielt (Pearson 2022, 157–170), stand die Astrologie hoch im Kurs (siehe z. B. Barbieri 2008; Dezzi Bardeschi 1974, 39). Beide dürften Modell für die Descriptio gestanden haben (siehe Kapitel 2.4.1).
2.3 Alberti als Mathematiker
35
Boden kultivieren und vermutlich auf ein konkurrenzfähiges Niveau heben konnte, legen Zeitgenossen nahe, deren Urteile ihm einen gleichberechtigten Platz in der Riege anerkannter Astronomen/Geometer zuweisen.59 Für eine bessere Charakterisierung und Kontextualisierung der Descriptio urbis Romae sollen im Folgenden einige Aspekte von Albertis Tätigkeit als Mathematiker skizziert werden, insofern diese über seine erhaltenen Schriften zugänglich sind.60 Zunächst sei auf das (gelegentlich vermischte) Nebeneinander von metaphorisch-symbolischer und konkreter Mathematik hingewiesen, wie die Forschung es auch für Nikolaus von Kues konstatiert hat.61 In einem metaphorisch-symbolischen Sinne ist die Mathematik für Alberti das Grundprinzip der Wirklichkeit, das sich unter anderem dadurch manifestiert, dass der empirisch wahrnehmbaren Natur geometrische Strukturen zugrunde liegen und ihre Teile in einem arithmetischen Verhältnis zueinander stehen. Auf fundamentaler Ebene kann sie deshalb nur mit den geistigen Methoden der Mathematik, nicht durch bloße Beobachtung erforscht werden.62 Exemplarisch sei diese Überzeugung anhand einer pythagoreisch-platonisch inspirierten Bemerkung aus De re aedificatoria illustriert, die die Bedeutung der ungeraden Zahlen 3, 5 und 7 im Zusammenhang mit der Konzeption der Schönheit erläutert:63 Etenim naturam quidem ternario constare principio philosophantes omnes asseverant. Et quinarium cum, tam multa tamque varia tamque admirabilia pensito, quae aut in se quinarium observent aut a quinarium habentibus, quale sunt hominum manus, prodierint, non iniuria divinum et merito diis artium Mercurioque in primis dicatum assentior. Et septennario constat summum rerum opificem Deum maiorem in modum delectari, qui septem posuerit caelo vagantes stellas, et quem suas esse delitias voluerit hominem ita moderetur, ut et concipi et perfici et adolescere et confirmari et huiusmodi omnia ad hunc ipsum redegerit numerum septennarium. (Und zwar beruht die Natur, wie alle Philosophen behaupten, auf dem Prinzip der Dreizahl. Und wenn ich so vieles, so Mannigfaches und so Wunderbares erwäge, das entweder die Fünfzahl an sich trägt, oder von Trägern der Fünfzahl, wie es die Menschenhände sind, hervorgegangen ist, so pflichte ich bei, dass die Fünfzahl nicht mit Unrecht den Göttern der Künste und vor allem dem
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61
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63
Siehe Anm. 4 auf S. 24. Verschiedene Aspekte von Albertis Verhältnis zur Mathematik und angrenzenden naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen beleuchten Siemoneit 2023; Williams / March / Wassell 2010; Massalin/Mitrović 2008; Camerota 2006; Müller 2005; Mastrorosa 2005; Souffrin 1998; Di Pasquale 1992; Maccagni 1987; Arrighi 1974. Siehe Nickel 2019, bes. 178–179; Aiken 1980, 70. Für beide Zweige wurden weitere Begriffe vorgeschlagen, z. B. deduktive/induktive Mathematik (Müller 2005), qualitative Mathematik, mystische Mathematik u. a. (Federici Vescovini 2002). Eine vergleichbare Überzeugung ist in Nikolaus’ Idiota de staticis experimentis greifbar. Zum Verhältnis von (metaphorisch-symbolischer) Mathematik und Erfahrungswelt bei Alberti siehe Karvouni 1994; Koenigsberger 1979, 7–55. Die theologisch-religiöse Dimension mittelalterlicher Abhandlungen zur Geometrie untersucht Zaitsev 1999. Metaphorische Mathematik scheint, wenngleich selten religiös motiviert, gelegentlich auch in der Moderne anzutreffen zu sein, z. B. wenn ein Satz wie der Gödelsche Unvollständigkeitssatz (in einer seiner beiden Versionen) aus dem konkreten, genau definierten mathematischen Kontext genommen und als allgemeine Aussage mit geisteswissenschaftlicher Qualität gelesen wird. Alberti, Res aed. 9,5 Orlandi/Portoghesi 1966, 819,14–24; Übs. nach Theuer 1975, 494. Zur Zahlensymbolik in De re aedificatoria siehe Karvouni 1994; Naredi-Rainer 1977.
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2 Entstehungskontexte
Merkur geweiht ist. Und dass an der Siebenzahl Gott, der höchste Werkmeister, ein besonderes Gefallen finde, ist sicher, hat er doch sieben unstete Sterne an den Himmel gesetzt und den Menschen, den er sich zur Freude schaffen wollte, so gemacht, dass sich seine Zeugung, seine Geburt, seine Jugend, seine Reife und alles dergleichen auf die Siebenzahl selbst zurückführen lässt.)
Die zweite bei Alberti anzutreffende Form von Mathematik ist die konkrete „Mathematik des menschlichen Geistes, nämlich die klassische [. . . ] Mathematik der arithmetischen Zahlen und geometrischen Figuren“.64 Nur diese, nicht die metaphorisch-symbolische Form ist es, auf die man heutzutage gemeinhin Bezug nimmt, wenn von Mathematik die Rede ist. Im Folgenden soll hauptsächlich auf die Geometrie eingegangen werden, da sich Albertis erhaltene Schriften überwiegend mit geometrischen Themen beschäftigen – ob die als nicht überliefert geltende Historia numeri et linearum oder die Commentarii rerum mathematicarum die Arithmetik behandelt haben könnten, ist ungewiss.65 Bereits die zeitgenössische Wissenschaftstheorie hielt Beschreibungskategorien bereit: Spätestens mit der Practica geometriae (ca. 1125) Hugos von St. Viktor (ca. 1097–1141) hatte es sich eingebürgert, die Geometrie unter inhaltlichen Gesichtspunkten in einen theoretischen und einen praktischen Zweig zu untergliedern.66 Die theoretische Geometrie (geometria speculativa) umfasst in Hugos Schema ausschließlich die rein geistige Beschäftigung mit abstrakten, idealisierten Größen, wohingegen die praktische Geometrie (geometria practica) darum bemüht ist, unbekannte Höhen (altimetria), Flächen (planimetria) und astronomisch-geodätische Kenngrößen, wie z. B. den Erdumfang (cosmimetria), zu bestimmen, und zwar ausgehend von Größen, die mit Messinstrumenten erfasst werden können.67 64 65 66
67
Nickel 2019, 179. Zu den erhaltenen und verlorenen mathematisch-technischen Schriften siehe Anm. 4 auf S. 13. Courtenay 1997, 33. Eine Edition bietet Baron 1966, eine englische Übersetzung Homann 1991. Der Text ist zwar zusammen mit anderen Texten Hugos überliefert (Baron 1966, 6–9), seine Autorschaft aber keineswegs gesichert (Homann 1991, 1); zu Leben und Werk siehe Rorem 2009; zur Practica geometriae siehe ebd., 42–45. Hugos Einteilung ist auch für Albertis Zeit relevant, denn obwohl die Renaissancemathematik aufgrund ihrer Hinwendung zur Praxis und der maßgeblich von Amateuren – wie Alberti – vorangetriebenen Weiterentwicklung einen singulären Status innerhalb der Mathematikgeschichte einnimmt (Scriba/Schreiber 2010, 244–245), hat sie, wie es bei der akkumulativen Wissenschaft schlechthin kaum anders zu erwarten ist, keineswegs mit der antiken oder scholastischen Tradition gebrochen. Considerandum est quod omnis geometrica disciplina aut theorica est, id est speculatiua, aut practica, id est actiua. Theorica siquidem est que spacia et interualla dimensionum rationabilium sola rationis speculatione uestigat, practica uero est que quibusdam instrumentis agitur et ex aliis alia proportionaliter coniciendo diiudicat. Huic practice tria uidentur genera attributa, hoc est altimetria, planimetria, cosmimetria („Es ist zu beachten, dass insgesamt die Disziplin der Geometrie entweder theoretisch ist, also spekulativ, oder praktisch, also aktiv. Theoretisch ist sie, insofern sie Längen und Abstände gedachter Größen allein durch geistige Betrachtung herausfindet; praktisch hingegen ist sie, wenn mit bestimmten Instrumenten hantiert wird und sie durch proportionalen Vergleich des einen mit dem anderen urteilt. Diesem praktischen Teil lassen sich offenbar drei Gattungen zuordnen, nämlich Höhen-, Flächen- und Kreismessung“, Hugo von St. Viktor [?], Practica geometriae, praenotanda 2, Text Baron 1966). Zum Verhältnis von Theorie und Praxis in der praktischen Geometrie des Mittelalters siehe Gautier Dalché/ Querrien 2015; zur praktischen Geometrie in der Zeit davor siehe Jacquemard 1997.
2.3 Alberti als Mathematiker
37
Die neuere Forschung schlägt zur Kategorisierung der Renaissancemathematik eine stärker wissenssoziologisch orientierte Einteilung in einen sub-wissenschaftlichen und einen wissenschaftlichen Typ vor.68 Beide Typen unterscheiden sich nicht primär durch Inhalt oder Schwierigkeitsgrad, sondern vor allem durch Kontext und Zielsetzung der mathematischen Betätigung. Kennzeichnend für den sub-wissenschaftlichen Typ ist spezialisiertes Fachwissen, das in Hinblick auf die praktische Anwendung erworben und weitergegeben wird. Greifbar wird es beispielsweise in der volkssprachlichen Abacus-Tradition, also zum einen in den Abacus-Schulen, die ab dem 13. Jahrhundert als Reaktion auf den Bedarf an mathematischer Grundbildung im Bank- und Handelswesen entstanden sind, und zum anderen in den Abacus-Traktaten, die Aufgabenstellungen mit bedingungslosem Praxisbezug und Lösungen ohne theoretischen Anspruch präsentieren, also insbesondere ohne Beweisführung oder Verallgemeinerung der zugrunde liegenden Prinzipien.69 Obwohl das Gros der Aufgaben arithmetischer Natur war, finden sich auch geometrische Problemstellungen, so etwa zur traditionsreichen Landvermessung, aufgrund derer man es gewohnt war, der Realität gedachte geometrische Strukturen aufzuprägen.70 Im Gegensatz dazu wurde die wissenschaftliche Mathematik ohne unmittelbaren Verwendungszwang um ihrer selbst willen betrieben, und zwar in der Regel im Rahmen des (in lateinischer Sprache unterrichteten) Quadriviums an den Universitäten. Zu den zentralen Texten dieser Tradition gehörten Euklids Elemente und Ptolemaios’ Almagest.71 Ihre Nützlichkeit erwuchs daraus, dass sie, etwa in Verbindung mit der Astronomie, die Funktionsweise der Welt entschlüsselte und erklärte.72 Die Problemstellungen, die es zu lösen galt, waren nicht notwendigerweise schwieriger oder komplexer – was angesichts des jugendlichen Alters der Studenten den Lernerfolg ohnehin gefährdet hätte –, sondern von anderer Art. Vor dem Hintergrund moderner Gewohnheiten ist bemerkenswert, dass offenbar weder eine Hierarchie noch ein eindeutiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem sub-wissenschaftlichen und dem wissenschaftlichen Typ bestand, sondern es sich um autonome Strömungen handelte. Weder war die wissenschaftliche Mathematik der Universitäten die ‚richtige‘ Mathematik, die des ‚Höhenkamms‘, die für die Anwendung in der Praxis auf ein niedrigeres Niveau hätte gebracht werden müssen, noch darf die sub-wissenschaftliche Mathematik mit Allgemeinwissen oder einer epistemisch minderwertigeren Wissensform gleichgesetzt werden.73 Dies ist auch der Grund, warum zeitgenössische und moderne Einteilungen zwar Schnittmengen aufweisen – man denke etwa an die Landvermessung –, weder aber die geometria 68
69 70 71 72 73
Diese Einteilung wurde von Jens Høyrup vorgeschlagen und ausgearbeitet, siehe z. B. Høyrup 2017; Høyrup 1990; Høyrup 1987. In einer jüngeren Arbeit schlägt Høyrup einen dritten Idealtyp, den „Schulungs-Typ“, vor, um die Unterrichtstätigkeit von Lehrern zu erfassen, die die vermittelten Inhalte selbst nicht praktisch anwandten (Høyrup 2017, 215–216). Die Übergänge zwischen den Typen sind fließend, Mischformen nicht selten (ebd.). Zu den Abacus-Schulen und -Traktaten und deren Inhalten siehe Høyrup 2018a; Folkerts/ Hughes 2016, 207–216; Field 2005, 11–31; Radford 2003; Field 1997. Vgl. Field 2005, 24–31. Høyrup 1987, 285. Field 2005, 31–32. Høyrup 1990, 63.
38
2 Entstehungskontexte
A √
𝜋 C
E
𝑟 = 1 B
Abbildung 2.1: Kreis und flächengleiches Quadrat (links) – Möndchen (rechts)
speculativa und der wissenschaftliche Typ noch die geometria practica und der sub-wissenschaftliche Typ bedeutungsgleich sind. Eine wichtige Ausnahme ist die Astronomie, zu deren Ausübung man sich zwar der Beobachtungsinstrumente bediente, die aber einen festen Platz im Quadrivium behauptete, wo sie ein besseres Verständnis der Welt ermöglichen sollte oder in den Dienst der Medizin gestellt wurde und nur einen indirekt praktischen Nutzen entfaltete. Mit welchem dieser Etiketten Albertis mathematisch-technische Schriften und die Descriptio urbis Romae zu versehen wären, ist, wie so oft bei Alberti, nicht mit einem Satz zu beantworten. Schwierigkeiten bereitet schon die Überlieferungssituation: Als theoretisch im zeitgenössischen Sinne ließe sich, soweit der Inhalt der Schriften heutzutage überhaupt bekannt ist, wohl nur De lunularum quadratura bezeichnen. Der kurze Text behandelt die Quadratur eines Möndchens, also die Konstruktion eines Quadrates mit dem gleichen Flächeninhalt wie eine von zwei Kreisen begrenzte Fläche (Abb. 2.1, rechts).74 Allerdings ist umstritten, ob er tatsächlich von Alberti stammt.75 Die singuläre Stellung innerhalb des Korpus der mathematisch-technischen Schriften spricht eher dagegen, thematisieren die übrigen erhaltenen Texte doch die Anwendung materieller Apparaturen, sodass sie der praktischen Geometrie zuzuordnen wären.76 Der Fokus auf die praktische Anwendbarkeit ist es denn auch, der das Korpus mitsamt der Descriptio urbis Romae in die Nähe von geometria practica und subwissenschaftlichem Typ rückt. Dieser Eindruck wird beim Blick auf die Sprache der Zeichenanleitung sofort bestätigt, die sich eines für die Tradition der praktischen Geometrie und der Abacustradition typisch unliterarisch-technischen, kolloquialen Tones bedient und gelegentlich die wünschenswerte Systematik bei der Begriffsver74
75 76
Die (geometrisch mögliche) Quadratur des Möndchens geht ins 5. vorchristliche Jahrhundert zurück und steht im Zusammenhang mit der (geometrisch unmöglichen) Quadratur des Kreises, also der Konstruktion eines zu einem Vollkreis flächengleichen Quadrats (Abb. 2.1, links). Siehe Anm. 51 auf S. 33. Gleichwohl besaß Alberti einen Kodex mit Ramón Llulls De quadratura et triangulatura circuli, einer Schrift, die auch Nikolaus von Kues beeinflusst haben könnte (siehe Flori 2005; Hofmann 1942). Zur praktischen Geometrie in den Ludi siehe Souffrin 1998.
2.3 Alberti als Mathematiker
39
wendung vermissen lässt.77 Ansonsten bietet die Descriptio sogar auffallend wenig explizite Mathematik, etwa weil sie im Gegensatz zu den Elementa picturae oder De pictura keine euklidischen Definitionen verwendet oder im Gegensatz zu De statua und De re aedificatoria mit keinem Wort auf Proportionen oder Proportionalität eingeht. Seinen mathematischen Ruf verdankt der Text somit einzig der mutmaßlich geometrischen Vermessungsmethode und dem radialen Koordinatensystem, zwei Komponenten also, die aufgrund ihrer Parallelen zu Astrolabium bzw. Sternkarten subtile Bezüge zur wissenschaftlichen Astronomie/-logie herstellen.78 Weitet man den Blick über die publizierten Schriften hinaus auf die wenigen gesicherten Zeugnisse von Albertis sonstiger mathematischer Betätigung – die Annotationen seiner Euklid-Handschrift und die astronomischen Beobachtungen mit Toscanelli –,79 so kommt man ebenfalls nicht umhin, eine Nähe zur Wissenschaft zu konstatieren. Im Folgenden soll ausführlicher auf ein Merkmal eingegangen werden, das Albertis Schriften deutlich von zeitgenössischen wissenschaftlichen und sub-wissenschaftlichen Texten unterscheidet: Sie entsprechen in der Regel nicht den inhaltlichen und formalen Standards, der durch letztere vorgegeben wird, weisen also einen niedrigeren Grad an Detailliertheit und argumentativer Strenge auf.80 Zur Illustration dieses auch für die Bewertung der Zeichenanleitung der Descriptio wichtigen Sachverhaltes sei Aufgabe Nr. 2 der Ludi rerum mathematicarum betrachtet, die darin besteht, die Höhe eines Turmes allein anhand seines Abstandes zum Betrachter zu ermitteln (Abb. 2.2).81 Ausgenutzt wird eine elementargeometrische Eigenschaft von Dreiecken: Wenn in zwei Dreiecken jeweils zwei Winkel (und damit alle drei Winkel) gleich groß sind, dann stehen die zugehörigen Seiten im gleichen Verhältnis zueinander. Solche Dreiecke werden als ‚ähnlich‘ bezeichnet. Beteiligt sind also vier Seiten: Zwei Seiten im ersten Dreieck, deren Verhältnis zueinander gleich groß ist wie das Verhältnis zweier Seiten im zweiten Dreieck. Von diesen vier Seiten müssen jedoch nur drei bekannt sein, um die vierte Seite, nämlich die unbekannte Höhe des Turmes, zu berechnen:82 77
78 79 80
81
82
Z. B. insulae capita statt insulae anguli o. ä. in Tabelle XI. Zu den von Concetta Carotenuto herausgearbeiteten Charakteristika von Fibonaccis Liber abaci, die auch in Albertis Descriptio anzutreffen sind, gehören beispielsweise der präskriptiv-exhortative Konjunktiv in erster und dritter Person und das Präfix per- bei Verben (vgl. Carotenuto 2014; zur Practica geometrie Fibonaccis siehe Rozza 2019). Die Erforschung der Sprache in mittelalterlichen Mathematiktraktaten steht erst am Anfang; Biffi 2007 vergleicht Albertis lateinische und volkssprachliche Traktate in dieser Hinsicht. Siehe Kapitel 2.4. Siehe Kapitel 2.2. Albertis wiederholter Hinweis, nicht als Mathematiker zu schreiben, dürfte auch in diese Richtung zu verstehen sein (siehe z. B. Pict. lat. 1,1: Sed in omni nostra oratione spectari illud vehementer peto non me ut mathematicum sed veluti pictorem hisce de rebus loqui; „Doch ersuche ich mit Nachdruck darum, bei allen meinen Erörterungen im Auge zu behalten, dass ich mich nicht als Mathematiker, sondern als Maler über diese Dinge äußere“; Text und Übs. Bätschmann/Schäublin 2011). Zu den Quellen für diese Aufgabe dürfte der Ähnlichkeitssatz über Dreiecke gehören, wie er sich etwa in Eucl. El. 6,4 oder in Fibonaccis De practica geometrie findet (Hughes 2008, 346; Boncompagni 1862, 202). Alberti kannte beide Texte (siehe Anm. 83 auf S. 41). Alberti, Ludi 2 Grayson 1973, 136,8–137,4.
40
2 Entstehungskontexte
A
C D
B
Abbildung 2.2: Bestimmung der Höhe eines Turmes in Aufgabe Nr. 2 der „Ludi rerum mathematicarum“
Misurate in questo modo l’altezza d’una torre della quale niuna parte a voi sarà nota, ma ben potete andare sino al piè della torre. Ficcate in terra come di sopra dissi un dardo, e scostatevi da questo dardo quanto vi pare, e ponete l’occhio giù basso alla terra, e indi mirate la cima della torre, dirizzando il vedere vostro per mezzo la dirittura del dardo, e lì dove il vedere taglia el dardo ponete una cera, e chiamasi la cima del dardo A e il piè B, questa cera postavi C, e l’occhio vostro D, come qui vedete figurato. Dico che la parte del dardo quale sta fra C e B, entra tante volte nella distanza quale sta fra B e D, cioè fra l’occhio vostro e il piè del dardo, quante volte l’altezza della torre entra nella distanza quale è fra l’occhio vostro e il piè della torre. (Die Höhe eines Turmes, von dem dir nichts weiter bekannt ist, den du aber leicht zu Fuß erreichen kannst, miss auf diese Weise. Stecke, wie oben beschrieben, einen Pfeil in die Erde, entferne dich von diesem Pfeil soweit du willst und bring dein Auge nach unten auf den Boden. Blicke von dort auf die Spitze des Turmes, wobei du deinen Blick durch den geraden Pfeil lenkst. Dort, wo der Blick den Pfeil schneidet, bringe etwas Wachs an. Das obere Ende des Pfeiles heißt A, der Fuß B, das angebrachte Wachs C und dein Auge D, so wie du es hier siehst. Ich sage, dass der Teil des Pfeiles zwischen C und B so oft in den Abstand zwischen B und D, also zwischen deinem Auge und dem Fuß des Pfeils, hineingeht wie die Höhe des Turmes in den Abstand zwischen deinem Auge und dem Fuß des Turmes.)
Albertis Darstellung folgt einer typischen Gliederung: Zu Beginn steht die Problembeschreibung („Misurate in questo modo [. . . ] al piè della torre“), gefolgt von der Bestimmung der gesuchten Größe („Ficcate in terra [. . . ] ponete una cera“), der Übertragung des Problems in mathematische Terminologie („e chiamasi la cima [. . . ] vedete figurato“) und seiner anschließenden Lösung („Dico che [. . . ] della torre“).
2.3 Alberti als Mathematiker
41
Inhaltliches und formales Vorbild für dieses Verfahren könnte das siebte Kapitel von Fibonaccis De practica geometrie gewesen sein.83 Dort heißt es:84 Si vis metiri aliquam altitudinem: Erige astam in plano et fac eam stare orthogonaliter super ipsum planum. Et elonga te ab ipsa asta et ab altitudine metienda. Et pones oculum in terra prospiciens per summitatem astae. Et si visus tuus transibit ad punctum summitatis metiendae altitudinis, signa punctum in terra in locum ubi erit oculus. Et si linea egrediens ab oculo tuo per summitatem astae non venerit ad punctum summitatis altitudinis ipsius, muta te retro vel ante, donec linea progrediens ab oculo tuo per summitatem astae ascendat recte ad summitatem altitudinis predictae. Et tunc erit proportio plani, quod est inter oculum et rem elevatam, ad ipsam rem elevatam quam vis metiri, sicut planum, quod est inter oculum et astam, ad ipsam astam. (Wenn du eine Höhe messen willst: Stelle einen Stab auf dem Boden auf und sorge dafür, dass er senkrecht auf dem Boden steht. Entferne dich vom Stab und der Höhe, die du messen willst. Beuge dich mit dem Auge bis auf den Boden, wo es die Spitze des Stabes sehen kann. Und wenn dein Blick bis zum höchsten Punkt der zu messenden Höhe reicht, markiere den Punkt, wo das Auge ist. Wenn aber die Linie, die von deinem Auge durch die Spitze des Stabes geht, nicht den höchsten Punkt der Höhe trifft, dann bewege dich vor oder zurück, bis die von deinem Auge ausgehende Linie durch die Spitze des Stabes genau bis zum höchsten Punkt der genannten Höhe reicht. Dann ist das Verhältnis des Abstandes, der zwischen deinem Auge und dem hohen Objekt liegt, und der Höhe des Objektes, das du messen willst, genau gleich wie der Abstand, der zwischen Auge und Stab liegt, und der Länge des Stabes.)
Beide Texte sind auf die gleiche Weise gegliedert, unterscheiden sich ansonsten jedoch spürbar. Ungeachtet des aus mathematischer Sicht unerheblichen Umstandes, dass die Sichtlinie zur Turmspitze bei Alberti auf dem Stab markiert werden soll, bei Fibonacci jedoch durch dessen Spitze verläuft, ist Fibonacci ausführlicher in der Darstellung, präziser in der Terminologie und allgemeiner hinsichtlich der Anwendbarkeit. In der Problembeschreibung verspricht er ein Rechenrezept für die Bestimmung der Höhe eines beliebigen Objekts (si vis metiri aliquam altitudinem), wohingegen das Verfahren bei Alberti von Beginn an mit dem konkreten Einsatzszenario der Turmhöhenbestimmung verschmolzen ist („misurate in questo modo [. . . ] della torre“). Fibonacci legt sogar Wert auf die scheinbar selbstverständlichen Details, dass der Stab senkrecht im Boden zu befestigen sei (fac eam stare orthogonaliter super ipsum planum), man sich in einer Linie vom Stab und dem zu messenden Objekt zu entfernen habe (elonga te ab ipsa asta et ab altitudine metien83
84
Williams / March / Wassell 2010, 83. Zugänglich ist der Text in Boncompagni 1862, der eine Transkription des in der Biblioteca Apostolica Vaticana befindlichen Codex Urb. lat. 292 bietet. Eine englische Übersetzung mit Kommentar findet sich in Hughes 2008. Eine kritische Edition der ersten drei Kapitel mit italienischer Übersetzung und Kommentar bietet Rozza 2014. Fibonacci (eig. Leonardo da Pisa, ca. 1170–nach 1240) ist einer der Mathematiker, auf die Alberti sich in den Ludi namentlich bezieht: „Ma torniamo a quanto mi chiedesti, e diciamo delle ragioni di misurare e’ campi. Gli scrittori antichi, presertim Columella, Savazorda, e altri commensuratori, e Leonardo pisano fra’ moderni, molto s’estese in questa materia“ („Aber lass uns zu deiner Frage zurückkehren und über die Methoden der Feldvermessung sprechen. Die antiken Schriftsteller, vor allem Columella, Savasorda und andere Vermesser, und Leonardo da Pisa unter den modernen, haben dieses Thema intensiv behandelt“; Ludi 12 Grayson 1973, 151,14–17; Hervorhebung im Original). Einführungen in Fibonaccis Leben und Werk bieten Hughes 2008, xviii–xxvi; Franci 2002, 293–307. Boncompagni 1862, 202.
42
2 Entstehungskontexte
a
30
e 5 c
5
d
30
b
Abbildung 2.3: Ähnliche Dreiecke in Fibonaccis „De practica geometrie“
da) und der Punkt auf dem Boden, wo sich das Auge befand, markiert werden soll (signa punctum in terra), um ihn später wiederzufinden. Von alldem kein Wort bei Alberti. Bei der Schilderung des ‚Versuchsaufbaus‘ geht Fibonacci ebenfalls minutiös vor und lässt nicht einmal die Möglichkeit einer geringfügigen Ortsveränderung unerwähnt, sollten Stab- und Turmspitze noch nicht zur Deckung gelangt sein (muta te retro vel ante). Während Alberti das Problem innerhalb weniger Zeilen in mathematische Terminologie überträgt und löst („e chiamasi la cima [. . . ] il piè della torre“), benötigt Fibonacci diesen Raum allein für die Beschreibung des Aufbaus. Sodann legt Fibonacci eine mathematische Formalisierung vor, die schon für sich genommen länger ist als die gesamte Darstellung bei Alberti (siehe Abb. 2.3):85 Verbi gratia. Sit altitudo ab, que sit erecta super planum, in quo sit linea bc. Quare angulus abc erit rectus. Et in ipso plano et super rectam bc orthogonaliter erigatur asta de. Et punctus c sit oculus tuus, a quo transeat linea ac ascendens per summitatem astae, quae est punctus e. Et erit trigonum abc ex summitate ab et lineae bc existens in plano et ex linea ac, quam facit oculus tuus. Et trigonum edc erit ex asta ed et ad planum dc et linea ce. Trigona quidem abc et edc sibi invicem sunt similia, quia sunt equiangula. Est enim uterque angulorum abc et edc rectus et angulus qui ad c utrique triangulo est comunis. Reliquus qui ad a reliquo qui sub ced est equalis. Equiangula ergo sunt trigona abc et dec quare et similia. Similia enim trigona circa equales angulos habent latera proportionalia. Est enim sicut cd ad de ita cb ad ba. Unde si cd et de, scilicet spatium quod est inter oculum et astam et ipsa asta de fuerint nota, erit nota linea cb, erit utique nota et altitudo ab. (Zum Beispiel: Sei ab die Höhe, die auf der Ebene errichtet ist, in der die Linie bc liegt. Deshalb ist der Winkel abc ein rechter Winkel. Auf dieser Ebene und über der geraden Linie bc sei der Stab de senkrecht errichtet. Punkt c sei dein Auge, von wo aus die Linie ac durch die Spitze des Stabes verläuft, wo der Punkt e ist. Also besteht das Dreieck abc aus der Höhe ab und der Linie bc in der Ebene und die Linie ac, die dein Auge macht. Das Dreieck edc besteht aus dem Stab ed, der Linie dc in der Ebene und der Linie ce. Die Dreiecke abc und edc sind ähnlich, weil sie die gleichen Winkel haben. Beide Winkel abc und edc sind nämlich rechte Winkel und der Winkel in c ist in beiden Dreiecken. Der dritte Winkel in a ist gleich dem dritten Winkel ced. Also haben die Dreiecke abc und dec die gleichen Winkel und sind deshalb ähnlich. Ähnliche Dreiecke haben proportionale Seiten an den Winkeln: cd verhält sich zu de wie cb zu ba. Wenn nun cd und de
85
Boncompagni 1862, 202–203.
2.3 Alberti als Mathematiker
43
bekannt sind, also der Abstand zwischen Auge und Stab und die Länge des Stabes de, und die Linie cb bekannt ist, dann ist insbesondere die Höhe ab bekannt.)
Es folgen zwei weitere, etwa ebenso lange Abschnitte, die die bisher noch abstrakt gehaltene Aussage mit Zahlenmaterial unterfüttern und auf einen konkreten Anwendungsfall übertragen, nämlich auf die Bestimmung der Höhe eines Baumes, der im Schiffsbau eingesetzt werden soll. Sogar bei flüchtiger Lektüre ist offensichtlich, dass Fibonacci viel kleinschrittiger und präziser vorgeht als Alberti, benennt er doch jede Strecke (z. B. ab), jeden Winkel (z. B. abc) und jedes Dreieck (z. B. edc), bedient sich mathematischer Terminologie (z. B. trigona similia, equiangula), zitiert mathematische Sätze (z. B. Similia enim trigona circa equales angulos habent latera proportionalia) und benennt abschließend die Lösung für das zu Beginn ausgegebene Problem (erit utique nota et altitudo ab). Alberti hingegen bezeichnet lediglich die Punkte A, B, C und D, nicht aber die Strecken, Winkel oder Dreiecke. Seine Lösung entbehrt sowohl einer expliziten mathematischen Fundierung als auch eines Beweises, ist somit nicht nachprüfbar und lagert die gesamte Last der Glaubhaftmachung auf die Autorität des allwissenden Lehrmeisters aus, der sich mit einem apodiktischen dico gleichsam beschwörend zu Wort meldet.86 Ob nun Fibonaccis Anleitung Modell gestanden hat für Aufgabe Nr. 2 der Ludi rerum mathematicarum oder Savasordas Liber embadorum,87 der als eine der Hauptquellen für De practica geometrie gilt, oder ein ganz anderer Text, ist letztlich unerheblich. Der Eindruck, dass die Ludi nicht dieselbe Strenge an den Tag legen wie genuin mathematische Texte, ließe sich ebenso gut anhand des Liber embadorum oder Euklids Elementen bestätigen. Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus diesen Beobachtungen für Albertis Verhältnis zur zeitgenössischen Mathematik und das Verständnis der Descriptio urbis Romae ziehen? Soweit wir wissen, hat Alberti weder Texte verfasst, die zur Erschließung oder Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Mathematik hätten beitragen können, noch sich auf andere Weise an diesem Projekt beteiligt, etwa durch die Anfertigung von Übersetzungen.88 Tatsächlich sind es weder die Themen noch die Systematik eines im (scholastischen) Wissenschaftsbetrieb verankerten Mathematikers, die 86
87
88
Mit dico/λέγω wurde gewöhnlich die Aussage eines mathematischen Satzes eingeleitet (vgl. z. B. Eucl. El. 6,4 in der Übersetzung von Campano da Novara: Dico [im gr. Orig.: λέγω] quod proportio d e ad a b et d f ad a c est sicut e f ad b c (Text Busard 2005, 206). Da Alberti den jüdischen Mathematiker und Astronomen Savasorda (1070–1136; auch Abraham Judaeus, eig. Abraham bar H.iyya ha-Nasi) zu den „commensuratori“ zählte (s. o. Anm. 83), dürfte er dessen Liber embadorum gekannt haben, der sich hauptsächlich mit der Berechnung von Flächen in geometrischen Figuren beschäftigt (siehe Lévy 2001). Eine Edition der lateinischen Übersetzung von Platon von Tivoli, über die der Text in der lateinischen Welt bekannt wurde (Saiber 2017, 33; Williams / March / Wassell 2010, 102), samt deutscher Übersetzung bietet Curtze 1902, 1–183. Zu Savasordas Leben und Werk siehe Langermann 2014; Lévy 2016; Sacerdote / Guttmann / Kohler 1901. Allgemein zur Vermittlung arabisch-islamischen Wissens durch jüdische Gelehrte siehe Zonta 2006. Übersetzungen z. B. von mathematischen Texten in griechischer Sprache, einer Sprache, in der Alberti zumindest Lesefähigkeiten erlangt zu haben scheint (Pearson 2022, 39–40).
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2 Entstehungskontexte
seine ab den 1430er Jahren entstandenen mathematisch-technischen Schriften auszeichnen. Obwohl er wahrscheinlich über gediegene Kenntnisse verfügte, war er dennoch kein ‚herkömmlicher‘ wissenschaftlicher Mathematiker und wollte auch gar nicht als solcher missverstanden werden. Inhaltlich waren es am ehesten die Aufgaben und Methoden der praktischen Geometrie bzw. deren Weiterentwicklung, die der Leser präsentiert bekam. Albertis Präsentation allerdings konnte es nicht mit den mutmaßlichen Vorbildern aufnehmen. Systematik, terminologische Sorgfalt und Verständlichkeit waren vor allem dann einem suggestiven und von rhetorischen Elementen durchsetzten Darstellungsmodus gewichen, wenn Alberti die ausgetretenen Pfade überschaubarer und konventioneller Problemstellungen verließ und ein Verfahren aus der Taufe hob, das sich nicht auf etablierte Vorgänger stützte.89 Es besteht also eine gewisse Spannung zwischen Albertis (sub-)wissenschaftlichen Kenntnissen und überaus innovativen Methoden einerseits und deren unausgereifter, bisweilen unzulänglicher Präsentation andererseits. Folgende Überlegungen könnten diese Spannung lösen helfen. Die Triebfeder für Albertis mathematische Betätigung ist im präzisen und zuverlässigen Erfassen der empirisch zugänglichen Welt zu suchen. Die Mathematik und insbesondere die Geometrie galt ihm als geeignetes Werkzeug, um in den Besitz einer certa ratio zu gelangen.90 Die Suche nach dem Aufdecken neuer oder seiner Meinung nach bisher nur unzureichend entwickelter Prinzipien war dabei so dominant, dass das vollständige oder systematische Durchdenken der Präsentation in den Hintergrund geriet. Ob er eine zielgruppenadäquate Darstellung anstrebte, etwa um potenzielle Gönner nicht mit mathematischem Ballast zu überfrachten, oder eine Ausarbeitung schlichtweg für unnötig hielt, sei dahingestellt. Dass die dadurch hervorgerufene Interpretationsbedürftigkeit einen nicht unerheblichen Spielraum für Missverständnisse schuf, sei es dass sich Zeitgenossen an der Kontamination von inner- und außermathematischer Terminologie stießen, sei es dass Albertis mathematisch-technische Verfahren aus heutiger Sicht ein Maß an Systematik und Präzision für sich zu reklamieren scheinen, das sie gar nicht aufbieten, könnte Alberti immerhin vermutet haben.91
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90 91
Abgesehen von der Descriptio urbis Romae, die, zumindest aus heutiger Sicht, Erwartungen schürt, die sie nicht einzulösen vermag (vgl. Kapitel 3), könnte in diesem Zusammenhang auch De pictura erwähnt werden, wo Alberti sorglos und ohne Not die mathematische und die malerische Definition des Punktes vermischt, oder bei der Beschreibung der Sehpyramide nicht an die neutrale Präzision von John Peckhams Perspectiva communis, einem Standardtext der Optik, heranreichte (vgl. etwa Peckham, Perspectiva communis, 1,4–7 und Pict. lat. 1,6–8, 12–13, 15–16.). Vgl. die bekannte Stelle Profug. 3 Ponte 1988, 115,12–18 (siehe Anm. 41 auf S. 20). Zum Vorwurf, Alberti missachte die etablierte geometrische Terminologie und mache den eigentlich unsichtbaren punctus sichtbar, siehe Siemoneit 2023.
2.4 Zu einigen Vorbildern
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2.4 ZU EINIGEN VORBILDERN 2.4.1 Astrolabium und Sternkarten Das aus horizon und radius bestehende Zeicheninstrument von Albertis Descriptio urbis Romae mitsamt der fertigen Stadtkarte wirkt wie ein Hybridinstrument aus Astrolabium und Sternkarte.92
Abbildung 2.4: Aufbau eines typischen Astrolabiums (links) – Georg Hartmanns Astrolabium von 1537 (Mitte) – Abbildung eines Seeastrolabiums aus dem 17. Jahrhundert (rechts)
Das (planisphärische) Astrolabium war bis ins 18. Jahrhundert ein beliebtes Instrument für astronomische und astrologische Berechnungen sowie zur Zeitbestimmung und Landvermessung. Heutzutage fristet es sein Dasein in Kreisen mit historischen, astronomischen oder sonstigen Spezialinteressen.93 Erfunden wahrscheinlich zwi92
93
Auf die Verbindung zu Astrolabium und Sternkarten wurde häufiger hingewiesen, siehe z. B. Schwab 2023; Schwab 2019, 369; Maier 2015, 28; Grafton 2001, 245–248; Gadol 1969, 171. Deren Vorbildcharakter erscheint nicht zuletzt aufgrund der von Alberti verwendeten astronomischen Begrifflichkeiten plausibel (vgl. Kapitel 3.3.3). Die Forschung betont auch die Ähnlichkeit mit Seeastrolabien, die im Vergleich zu astronomischen Astrolabien deutlich einfacher ausgeführt waren und nicht selten nur aus dem Äquivalent zu horizon und radius bestanden (Aiken 1980, 75; vgl. Abb. 2.4, rechts; zu Seeastrolabien siehe Stimson 1988). Eine Vorbildfunktion von Seeastrolabien ist zwar nicht unplausibel, doch ist die Überprüfung aufgrund der dürftigen Indizienlage schwierig (im Jahr 2019 galt ein auf ca. 1496/1501 datiertes Seeastrolabium als das älteste bekannte; siehe Mearns / Warnett / Williams 2019). Eine Passage in Ludi 16 dürfte von der Seefahrt immerhin inspiriert gewesen sein (Grafton 2001, 243): „cioè che se da quella torre prima sino a qui una nave avesse a navicare, verrebbe per quel medesimo vento segnato 20.2, o 32.0, e simile“ („Wenn also von diesem ersten Turm ein Schiff hierher navigieren müsste, würde es mit demselben Wind bei Markierung 22° 2′ oder 32° 0′ usw. kommen“; Alberti, Ludi 16 Grayson 1973, 164,9–11). Einführungen zum Astrolabium (zu gr. ἀστρολάβος, „Sternennehmer“ von ἄστρον, „Stern“, und λαμβάνειν, „nehmen“) finden sich z. B. in Kern 2010, 204–214; Brunold 2001; Stautz
46
2 Entstehungskontexte
schen dem vierten und zweiten vorchristlichen Jahrhundert, war das Gerät längere Zeit vor allem im arabisch-persischen und griechischen Raum in Gebrauch und wurde ab dem 11. Jahrhundert im lateinischen Europa bekannt.94 Typischerweise besteht es aus einem runden, flachen Behälter (Mater, Nr. 4 in Abb. 2.4, links), in den hinein eine an die jeweilige Breitengradregion angepasste Planisphäre (Tympanon, Nr. 3), also das Koordinatennetz des auf eine Scheibe projizierten Himmelsgewölbes (z. B. mit Horizont-, Äquator-, Wende- und Polarkreisen), und eine runde Netzstruktur mit Sternsymbolen und der Ekliptik gelegt werden (Rete, Nr. 2). Weitere Standardkomponenten sind ein einfacher Zeiger (Ostensor, Nr. 1) oder ein Doppelzeiger (Alhidade, Nr. 5), je nach Ausführung auch beide zusammen auf Vorder- bzw. Rückseite. Einlegescheiben und Zeiger sind drehbar. Wenn man beispielsweise mit dem Ostensor das aktuelle Datum auf der Ekliptik einstellt und Rete und Ostensor gemeinsam dreht, bis der Ostensor die Sonnenzeit auf dem mit einer Zeitskala versehenen Rand (Limbus) der Mater anzeigt, dann liegen die momentan am Himmel sichtbaren Sterne innerhalb des Horizontkreises. Die konkreten Ausführungen und Einsatzszenarien des Astrolabiums sind so vielgestaltig, dass diesbezüglich auf einschlägige Forschungsliteratur verwiesen werden muss.95 Somit könnte Alberti dem Leser seiner Descriptio urbis Romae die Anleitung für ein rudimentäres Astrolabium an die Hand gegeben haben.96 Das Wissen um dessen Herstellung und Funktionsweise wurde innerhalb einer recht eigenständigen Traktattradition weitergegeben, sodass die Descriptio auch in dieser Hinsicht nicht ohne Vorbilder wäre.97 Erhärtet wird diese Annahme dadurch, dass Alberti in den zeitnah erschienenen Schriften De statua und Ludi rerum mathematicarum im Prinzip dieselben Instrumente beschreibt, deren Rand, wie er in De statua ausdrücklich sagt,98 genau wie das Astrolabium in gleich große Abschnitte zu unterteilen ist. In diesen Schriften dient das Gerät der Ermittlung von Messwerten: Der horizon der Ludi soll eine Triangulation ermöglichen, das finitorium aus De statua das dreidimensionale
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98
1999, 99–122; North 1974. Zu Planisphären als Illustrationen in frühen Fachtexten siehe Stückelberger 1994, 34–46. Zur Landvermessung in der Renaissance siehe Lindgren 2007. Brunold 2001, 19. Siehe z. B. die Beiträge in Rodríguez-Arribas / Burnett u. a. 2019 und Dunn / Ackermann / Strano 2018; Stautz 1999; Borst 1989; Bergmann 1985; Gunther 1976. Darauf deuten auch die astronomischen Begrifflichkeiten bei der Beschreibung des horizon hin (Desc. 5: in orientali numerus adsit 12, occidentali vero aequinoctio 36). Die früheste bekannte Schrift zur Konstruktion eines Astrolabiums ist Philoponos’ De usu astrolabii eiusque constructione (6. Jh.; Text und dt. Übs. in Stückelberger 2015). Das von Ptolemaios in Alm. 5,1 geschilderte Instrument ist nach heutigem Verständnis kein planisphärisches Astrolabium, sondern eine Armillarsphäre (Toomer 1998, 217); jedoch finden sich in der Konstruktionsanweisung zum Teil wörtliche Parallelen zu Albertis Descriptio (Schwab 2023). Die Kenntnisse des Mittelalters fußten hauptsächlich auf der wohl um 1045 verfassten, arabische Quellen verarbeitenden Schrift De mensura astrolabii Hermanns von Reichenau (eine Edition bietet Drecker 1931; zum Text siehe Juste 2016; Bergmann 1980). Ambitum circuli istius extremamque circuitionem in partes divido coaequales, similes partibus, quas in astrolabio inscribunt astronomi („Den Umfang des Kreises, das heißt seinen Rand, teile ich zuäußerst in gleich große Abschnitte ein, ähnlich den Abschnitten, welche die Astronomen auf einem Astrolabium eintragen“; Alberti, Stat. 12; Bätschmann/Schäublin 2011, 160 f.).
2.4 Zu einigen Vorbildern
47
Abbildung 2.5: Albertis finitorium in späterer Darstellung (Cosimo Bartoli [ed.]: Opuscoli morali di Leon Batista Alberti gentil’huomo firentino, Venedig 1568, Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur: 4 Ph.pr. 5, S. 299)
Abtasten einer Statue (Abb. 2.5).99 Bei letzterem reicht der radius deutlich über den horizon hinaus und wurde um zwei Lote erweitert. Auf dem höchsten Punkt einer Statue positioniert, lässt sich so theoretisch für jeden beliebigen Punkt auf deren Oberfläche ein horizon- und radius-Wert sowie der Abstand zum radius ermitteln. Es handelt sich also gewissermaßen um eine dreidimensionale Variante der Descriptio urbis Romae. Die mögliche Vorbildfunktion des Astrolabiums kann allerdings nicht unmittelbar die Eintragung von Punkten innerhalb des horizon erklären, da eine Veränderung der Tympana durch den Benutzer nicht intendiert gewesen sein dürfte. An dieser Stelle kommen die Sternkarten ins Spiel. Aus dem frühen 15. Jahrhundert ist ein Korpus von Karten überliefert, das sich durch wissenschaftlichen Anspruch und das Bemühen um eine mathematisch fundierte Darstellung auszeichnet.100 Selbst bei flüchtiger Durchmusterung des Materials bleibt der auf Albertis Descriptio urbis Romae geeichte Blick etwa bei den Wiener Sternkarten von 1435 hängen, Illustrationen einer Version des Tractatus de sphaera solida, deren Schöpfer zwar keine Mauern, Tore oder Gebäude, dafür aber Sterne und Sternbilder in eine Art (imaginiertes) Polarkoordinatensystem eingetragen und somit ein potenzielles Vorbild
99
Ob diese Instrumente untereinander als Vorläufer oder Weiterentwicklung anzusehen sind, ist aufgrund der unsicheren Datierung nicht sicher festzustellen (siehe Kapitel 1.2). Luigi Vagnetti erblickt im Instrument der Descriptio eine Weiterentwicklung und datiert die Ludi folglich früher (Vagnetti 1968, 39). Nicht unwahrscheinlich ist jedoch, dass Alberti an mehreren Schriften bzw. Konzepten parallel gearbeitet hat. Zur Triangulation siehe Kapitel 2.5. 100 Siehe Durand 1952, wo das Korpus für die moderne Forschung erstmals erschlossen wurde, sowie Roland 2016; Dekker 2013, 357–387; Herlihy 2007. In der Forschung wird erwogen, Alberti könnte diese frühen Karten gekannt haben (Grafton 2001, 247).
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2 Entstehungskontexte
Abbildung 2.6: Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. 5415, fol. 168r (Ausschnitt)
Abbildung 2.7: Die Himmelskarte Konrads von Dyffenbach (Pal. lat. 1368, fol. 63v –64r , Ausschnitt, © 2023 Biblioteca Apostolica Vaticana)
2.4 Zu einigen Vorbildern
49
für Albertis Stadtkarte geschaffen hat (Abb. 2.6).101 Der Mittelpunkt des die Sterne umfassenden Kreises – also der Punkt, wo bei Albertis horizon das Kapitol angesetzt ist – bezeichnet den Nordpol der Ekliptik.102 Die Himmelskarte Konrads von Dyffenbach (wohl um 1426, Abb. 2.7) wiederum demonstriert, dass es sich keineswegs um ein singuläres Darstellungsprinzip handelte. Sieht man von der abweichenden Einteilung des horizon ab,103 könnte man tatsächlich meinen, ihr Zeichner hätte die Zeichenfläche gemäß Albertis Anleitung präpariert.104 Eine weitere Parallele zur Descriptio besteht darin, dass viele der am Nachthimmel mit bloßem Auge sichtbaren Sterne genau wie die Punkte in Albertis Descriptio in Tabellenform vorlagen, etwa im Sternenkatalog von Ptolemaios’ Almagest.105 Die folgende Tabelle bietet die ersten fünf Sterne des Sternbilds Löwe in der lateinischen Übersetzung Gerhards von Cremona (ca. 1114–1187). Eine wenigstens oberflächliche Ähnlichkeit mit Albertis Tabellen lässt sich ebenso wenig leugnen wie die erheblichen Unterschiede im Detail, angefangen bei der Tatsache, dass für die Positionsbestimmung auf der gedachten Himmelskugel zwei Winkelangaben benötigt werden.106 Tabelle 2.1 zeigt einen Ausschnitt aus dem Sternbild Löwe.
101 Zu diesen Karten siehe Roland 2016; Dekker 2013, 367–378. 102 Dekker 2013, 371. Zur Annahme, Albertis auges seien die am weitesten vom Kapitol entfernten Punkte auf der Stadtkarte, siehe Kapitel 3.3.3. 103 Zu dieser Karte siehe Roland 2016, 17; Dekker 2013, 357–367; Herlihy 2007, 107–109; Durand 1952, 114–122. Genau wie in De statua unterteilt Alberti den horizon in 48 gradus (1 gradus =ˆ 7,5°) – und bis heute ist der Grund dafür unbekannt (vgl. Schwab 2023, 14). Die für Astrolabien ungewöhnliche Einteilung findet sich auch im Tympanon der von Alberti gestalteten Fassade von Santa Maria Novella in Florenz (siehe dazu March 2010, bes. 192); die Kodierscheibe in De cifris ist in die Hälfte davon, nämlich in 24 gradus (1 gradus =ˆ 15°) unterteilt. Verbindungen lassen sich zu den 48 klassischen Sternbildern bei Ptolemaios (Kanas 2019, 120–122) oder astronomischen Winkelmaßeinheiten herstellen, nämlich Tierkreiszeichen (12 Unterteilungen des Vollkreises zu je 30°), βαθμός (24 zu 15°), μέρος (48 zu 7,5°); siehe dazu Lelgemann 2011, 81; Neugebauer 1975, 278, 652, 669–674. Dass Alberti symbolische Gehalte transportieren wollte, ist nicht unwahrscheinlich (vgl. March 2010; Dezzi Bardeschi 1974; pace Pinto 1976, 35). Als vielversprechend könnte sich die Betrachtung von Faktorisierungen der Zahl 48 erweisen; beispielsweise kursierten in der Antike die Zahlen 4, 8, 12 und 24 für die Anzahl der Winde (vgl. Plin. Nat. 2,119; Nat. 18,333–339; Vitr. 1,6; sowie Hünemörder/Phillips 2002). In den Diagrammen des Kartenmachers Opicinus de Canistris (1296 – ca. 1352) spielen die Faktoren 6, 24 und 48 ebenfalls eine Rolle (vgl. Griffin 2022; Jacks 1993, 103–104). Interessanterweise finden sich in den Handschriften der Descriptio Einteilungen des horizon, die von den im Text geforderten 48° abweichen (vgl. Kapitel 5.2.2). 104 Obwohl beide Kartentypen auf der mittabstandstreuen Azimutalprojektion basieren, betont Elly Dekker die Unterschiede in der Umsetzung (Dekker 2013, 358, 371). 105 Ptol. Alm. 7,5 bietet die Sterne bzw. Sternbilder der nördlichen, Alm. 8,1 die der südlichen Hemisphäre. Die Werte waren wohl von Anfang an in Tabellen angeordnet (vgl. Alm. 7,4). 106 Kunitzsch 1990, 100; vgl. die Tabellen der Descriptio urbis Romae (Kapitel 6).
50
2 Entstehungskontexte
Tabelle 2.1: Stellatio leonis (Ausschnitt)
Minuta
Magnitudo
20
12
0
3
10
9
30
3
Cnc Cnc
18 21
20 10
Cnc
24
Cnc
24
Pars
4 4
Minuta
0 30
Gradus
10 7
Signa
Forme et stelle
Que est super extremitatem naris Que est in apertione oris Septentrionalis duarum que sunt in capite Meridionalis earum
Latitudo Gradus
Longitudo
+
2.4.2 Kartographie Die Blaupause par excellence für eine geometriebasierte Kartographierung im beginnenden Quattrocento war die unlängst in lateinischer Übersetzung zugänglich gewordene Geographie (ca. 150) des Klaudios Ptolemaios (ca. 100 – ca. 180).107 Nachdem der byzantinische Diplomat Manuel Chrysoloras (ca. 1350–1415) im Jahr 1397 eine (heute verlorene) Handschrift nach Florenz gebracht hatte,108 begann er um 1400 selbst mit einer Übersetzung, die wohl von seinem Schüler Jacobus Angelus im Jahr 1406 oder 1409/10 fertiggestellt wurde.109 Unter dem Titel Cosmographia fand der Text rasch Verbreitung und initiierte eine umfassende gelehrte Beschäftigung.110 107 Eine Edition mit deutscher Übersetzung, Einleitung und inhaltlicher Erschließung bieten Stückelberger/Mittenhuber 2009 und Stückelberger/Graßhoff 2006; eine Einführung bietet auch Dilke 1987; zur Rezeption vom 14. bis zum 16. Jh. siehe Gautier Dalché 2007. Ptolemaios’ Lebenszeit muss aus impliziten Hinweisen und wenigen externen Quellen erschlossen werden (Stückelberger/Graßhoff 2006, 9–11; Toomer 1975; Boll 1894, 53–66): Von 125 n. Chr. bis 141 n. Chr. sind astronomische Beobachtungen belegt (Stückelberger/Graßhoff 2006, 9; vgl. Ptol. Alm. 4,9 bzw. 9,7). Einem griechischen Scholion zufolge sei er unter Kaiser Marcus Aurelius (161–180 n. Chr.) verstorben (Boll 1894, 53), und zwar „in seinem 78. Jahr“, wie eine arabische Quelle weiß (Boll 1894, 58). 108 Geus 2009, 356; Stückelberger 2009, 332. Bevor Maximos Planudes (ca. 1255–1305), ein Mönch aus Konstantinopel, die Geographie wiederentdeckte, sind nur wenige Rezeptionsspuren auszumachen (Stückelberger 2009, 320–324, 329–330; Stückelberger 1996, 204). Vielleicht war sie bereits im Jahr 1376/78 in Italien bekannt, da ein Fresko von Giusto de’ Menabuoi im Baptisterium von Padua „kaum ohne Ptolemaios zu erklären“ sei (Stückelberger 2009, 332). In der islamischen Welt zirkulierte sie bereits ab dem 9. Jh. (Mittenhuber/Şengör 2009). Zu Chrysoloras siehe z. B. Kapriev 2019; Thorn-Wickert 2006; zur Rezeption seiner Person in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts siehe Wulfram 2012b. 109 Über Jacobus Angelus ist kaum etwas bekannt; vielleicht ist er identisch mit Jacopo di Angelo da Scarperia (Geus 2009, 356 mit Anm. 5). Die Datierung lässt sich anhand der Widmung erschließen, wobei nicht gesichert ist, ob Alexander V. Widmungsnehmer war, der von 1409 bis 1410 als Gegenpapst zu Gregor XII. fungierte, oder bereits Papst Gregor XII. im Jahr 1406. 110 Geus 2009, 356. Der wohl authentische Titel lautet: γεωγραφικὴ ὑφήγησις („Einführung in die [darstellende] Erdkunde“, Geog. 8,1,1). Zur Änderung des Titels siehe ebd., 357–358; Tessicini 2011. Die editio princeps des lateinischen Textes wurde im Jahr 1475 von Angelus Vadius und Barnabas Picardus in Vicenza herausgegeben, die griechische Erstausgabe von
51
2.4 Zu einigen Vorbildern
Ist Albertis Stadtkarte also einfach ein ‚verkleinerter Ptolemäus‘?111 Auf den ersten Blick meint man tatsächlich, Alberti könnte das Verfahren der Geographie für seine Descriptio urbis Romae übernommen haben: Über die damals bekannte Oikumene legte Ptolemaios ein Netz von Längen- und Breitengraden, die ihrerseits in Minuten unterteilt waren, sodass die Position jedes Ortes anhand seiner Gradund Minutenwerte für Länge und Breite identifiziert werden konnte. Enthalten ist eine Liste von rund 8 000 Toponymen, von denen knapp 80 % mit diesen Angaben ausgestattet sind.112 Illustriert sei dies anhand der Koordinaten einiger italienischer Städte (Tabelle 2.2).113 Tabelle 2.2: Italienische Städte in der „Geographie“
Padua Bologna Florenz Rom
32° 50′ 33° 30′ 33° 50′ 36° 40′
44° 30′ 43° 30′ 43° 41° 40′
Zwar waren der Geographie ursprünglich wohl auch Karten beigegeben,114 doch lassen die ausführlichen Anleitungen und theoretischen Erörterungen vermuten, dass ein wesentliches Ziel darin bestand, den Leser zur Herstellung eigener Karten zu befähigen.115 Vorgesehen sind 26 Einzelkarten von Teilen der Erdoberfläche, die, wie Ptolemaios ausdrücklich betont, aufgrund der bei kleinen Ausschnitten zu vernachlässigenden Verzerrungen ohne Projektion in ein rechtwinkliges Koordinatensystem eingetragen werden können. Die Größe sei beliebig und so zu wählen, dass der gewünschte Grad an Detailliertheit erreicht wird.116 Im Detail allerdings erweisen sich die Gemeinsamkeiten von Geographie und Descriptio als eher unspezifisch bzw. die Unterschiede als so signifikant, dass man allenfalls von einer Inspirationsquelle wird sprechen können.117 Die Einzelkarten – z. B. eine Karte von Italien118 – werden, wie gesagt, in ein rechtwinkliges Koordinatensystem eingetragen. Damit die Abbildung der gesamten Oikumene auf eine zweidimensionale Zeichenoberfläche hinreichende Ähnlichkeit mit einer Kugel hat, die Distanzen in der Zeichnung also weitgehend proportional zu den tatsächlichen Erasmus im Jahr 1533 in Basel (ebd., 380–381; zu Erasmus’ Anteil siehe Burri 2013, 63). 111 Die Forschung stellt regelmäßig Bezüge zur Geographie her oder suggeriert ihre unmittelbare Vorbildwirkung, so z. B. explizit Maier 2015, 28: „Alberti’s innovation was the application of that system to a much smaller subject – a city – that Ptolemy himself would have placed in the realm of chorography. In a sense Alberti’s task was simpler, for unlike Ptolemy he did not need to account for the curvature of the earth“; vgl. auch Carpo 1998; Gadol 1969, 175. 112 Ptol. Geog. 2,1–7,4. Zur Verteilung auf Ortsnamen, Völker- und Landschaftsbezeichnungen sowie Länder und Meere siehe Stückelberger/Graßhoff 2006, 23. 113 Padua: Ptol. Geog. 3,1,30; Bologna: 3,1,46; Florenz: 3,1,48; Rom: 3,1,61. 114 Siehe Geog. 8,2,1; Stückelberger/Graßhoff 2006, Bd. 1, 25; Stückelberger 1996, 198. 115 Siehe vor allem Geog. 1,18–24; 7,6; vgl. Stückelberger 1996, 197 f. Geog. 1,22 behandelt sogar die Erstellung eines Globus. 116 Siehe Geog. 8,1,6. 117 So auch Gadol 1969, 174 Anm. 46. 118 Ptol. Geog. 8,8.
52
2 Entstehungskontexte
Abbildung 2.8: 1. und 2. Ptolemäische Projektion, aus: H. Froben/N. Episcopius (Drucker): Claudii Ptolemaei Alexandrini philosophi cum primis eruditi, De Geographia libri octo, Basel 1533 (Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur: 4 L.impr.c.n.mss. 44, links: S. 53, rechts: S. 61)
Distanzen sind, führte Ptolemaios Kegelprojektionen ein, die die bei den bis dahin bei Weltkarten gebräuchlichen rechteckigen, geradlinigen Kartenrastern auftretenden Verzerrungen ausgleichen sollten.119 Für die Konzeption der Projektionen waren profunde Kenntnisse in sphärischer Trigonometrie erforderlich, etwa weil, modern gesprochen, die Verkürzung der Länge der Längengrade vom Äquator zum Pol nach einer Cosinusfunktion verläuft oder das Zentrum der konzentrischen Kreise im kegelförmigen Kartennetz so gewählt werden muss, dass „das Verhältnis der Kreisbögen bzw. der Radien des Thule-Parallelkreises zum Äquator dem tatsächlichen Verhältnis, nämlich dem cos(63°)=0.4540 entspricht“.120 Das berechnete Kartennetz der 1. Projektion bzw. die abgewickelte Mantelfläche des Kegels zeigt einen Kreissektor, die gekrümmten Meridiane der 2. Projektion deuten eine Kugeloberfläche an (Abb. 2.8). Zu bedenken ist außerdem, dass Ptolemaios keineswegs die gesamte Erdoberfläche abgebildet hat, sondern nur den bekannten Teil, wobei die Gradangaben in West-Ost-Richtung von 0° bis 180° und in Nord-Süd-Richtung von 90° N bis 90° S variieren.121
119 Die beiden Kegelprojektionen werden in Geog. 1,18–24 erläutert. In Geog. 7,6 entwickelt Ptolemaios eine dritte Projektion, die die Weltkarte in einer Armillarsphäre darstellt. Rekonstruktionen aller drei Projektionen finden sich in Stückelberger/Graßhoff 2006, 748–751, 765; siehe auch Snyder 1993, 10–14. Wie die dafür notwendigen Berechnungen mit zeitgenössischen Mitteln durchführbar waren, erläutern Stückelberger/Rohner 2012. Allgemein zu Kartenprojektionen in der Renaissance siehe Snyder 2007. Eine moderne Einführung in die Kartographie bieten z. B. Hake / Grünreich / Meng 2002. 120 Stückelberger/Rohner 2012, 41. 121 Die zu Ptolemaios’ Zeit bekannte Oikumene reichte von den μακάρων νῆσοι/insulae fortunatae im Westen (Geog. 4,6,34; wohl die Kanarischen Inseln: Käppel/Olshausen 1999) bis zu den Städten Sarata und Sinai im Osten Chinas (Geog. 7,3,6; vgl. Stückelberger/Graßhoff 2006, 25) und vom ἀντικείμενος τῷ διὰ Μερόης καὶ νοτιώτατος („Gegenbreite zu Meroë und südlichster [Parallelkreis]“; Geog. 1,24,4) im Süden bis zur sagenhaften Insel Thule im Norden (Geog. 2,3,32; vlt. die Shetland-Inseln oder ein Teil Skandinaviens, den man für eine Insel hielt: Stückelberger/Graßhoff 2006, 157).
2.4 Zu einigen Vorbildern
53
Albertis Beschreibung von Rom bedient sich des bekannten und verbreiteten runden Kartentyps,122 benutzt also einen Vollkreis für die Darstellung, was sie von den durch Kegelprojektion entstandenen Karten Ptolemaios’ deutlich unterscheidet. Trotzdem ist sie plan, benutzt also weder für die Erfassung noch die Einzeichnung der Punkte eine Projektion oder sonstige trigonometrische Berechnungen, da keine Übertragung der Kugeloberfläche auf eine zweidimensionale Zeichenfläche unternommen wird.123 Dass die Erdoberfläche gekrümmt ist, war natürlich bekannt, aber selbst Ptolemaios hatte, wie angedeutet, nicht einmal auf einer Karte, die ganz Italien abbildet, die Notwendigkeit einer ausgleichenden Projektion gesehen. Anders gewendet: Führt man die Genese von Albertis Stadtkarte auf Astrolabium und Sternkarten zurück, dann tun sich zumindest in Hinblick auf die konkrete technische Umsetzung keine signifikanten Erklärungslücken auf, die durch Ptolemaios’ Geographie geschlossen werden müssten.124 Gewiss, Ptolemaios kannte den Darstellungsmodus der Chorographie, also die Kartographierung kleinerer Gebiete mit künstlerisch-ästhetischem Anspruch, die ohne eine Ausbildung in der Malkunst gar nicht zu bewältigen sei.125 Man könnte Alberti also unterstellen, er habe diese Aufgabe auf innovative Weise mit mathematischen Methoden lösen wollen, und das im Widerspruch zu Ptolemaios, der beteuert, dass es eben dieses Rüstzeugs gar nicht bedürfe.126 Sucht man nach Ähnlichkeiten auf konzeptioneller Ebene, so könnte man allerdings mit gleichem Recht auf die Vorbildfunktion von Portolankarten hinweisen, zumal Alberti in der einschlägigen Aufgabe Nr. 16 der Ludi rerum mathematicarum eine Analogie aus der Seefahrt bringt.127 122 Vgl. z. B. Jacks 1993, bes. 99–110; sowie Anm. 147 auf S. 59. 123 Das Kartennetz von Karten mit mittabstandstreuer Azimutalprojektion kann optisch ununterscheidbar von Albertis Karte sein, wenn man die Radien und konzentrischen Kreise einzeichnet. Diese Gemeinsamkeit ist jedoch nur oberflächlich, da letztere keine Projektion benutzt. 124 Vgl. Kapitel 2.4.1. Der einzige explizite Hinweis darauf, dass Alberti die Geographie überhaupt gekannt hat, findet sich in der Musca, wo er die Flügel der Fliege mit den Karten der Erde vergleicht: Beryllo enim adamanteque contextis alis muscarum geometre omnium dimensionum conscriptiones adinvenere; quin et mundi picturam Ptolomeum mathematicum illinc aiunt desumpsisse: namque ferunt alis muscarum Gangem, Histrum, Nilum et eiusmodi, quibus a montibus in mare perfluant quasve inundent gentes pulchre expictas exstare („Den Fliegenflügeln, die mit Beryll und Diamant besetzt sind, haben die Geometer die Formen aller Figuren nachgebildet. Ja man sagt sogar, von ihnen habe der Astronom Ptolemäus auch seine Weltkarte abgeleitet; denn auf ihren Flügeln sollen in den leuchtendsten Farben dargestellt sein, in welchen Bergen der Ganges, die Donau, der Nil sowie andere Flüsse entspringen, um sich ins Meer zu ergießen, und welche Länder sie bewässern“; Alberti, Musca 34; Text Coppini/Bracciali Magnini 2010; Übs. nach Billerbeck/Zubler 2000); vgl. Grafton 2001, 244. Zu Albertis paradoxem Enkomion auf die Fliege siehe Wulfram 2020; McLaughlin 2015; Billerbeck/ Zubler 2000, bes. 49–53. Angemerkt sei, dass Albertis Interesse am Buchdruck gemeinhin als eher gering eingeschätzt wird, da – genau wie bei der Musca – nur ein einziger expliziter Hinweis bekannt ist (vgl. aber Anm. 28 auf S. 88). 125 Ptol. Geog. 1,1; siehe dazu Schwab 2023. 126 Διὰ ταῦτα ἐκείνῃ μὲν οὐ δεῖ μεθόδου μαθηματικῆς, ἐνταῦθα δὲ τοῦτο μάλιστα προηγεῖται τὸ μέρος („Deswegen braucht auch die Chorographie keine mathematisch-astronomischen Methoden, während in der Geographie diese Disziplin eine hervorragende Bedeutung hat“; Geog. 1,1,7; Text und Übs. Stückelberger/Graßhoff 2006). 127 Alberti, Ludi 16 Grayson 1973, 164,9–11 (siehe Anm. 92 auf S. 45). Dass die Zeichnung
54
2 Entstehungskontexte
2.4.3 Rombeschreibungen und -darstellungen Fasst man den Begriff der Rombeschreibung sehr weit und versteht darunter ganz allgemein jede Art von textgebundener Beschreibung der Stadt Rom oder einzelner Aspekte davon, dann lässt sich der Terminus auf eine Vielzahl von Texten und Textpassagen in Prosa und Dichtung seit der Antike anwenden.128 Zur Identifizierung möglicher Vorbilder für Albertis Descriptio urbis Romae bietet sich eine Verengung des Begriffs auf solche Prosatexte an, die eine größere Anzahl markanter Topographika nach Kategorien sortiert auflisten und deren Eigenschaften detaillierter beschreiben. Allerdings ist das Spektrum der dadurch herausgegriffenen Texte immer noch so heterogen, dass man unter formalen Gesichtspunkten lediglich dieses Ordnungsprinzip als auffälligste Gemeinsamkeit wird benennen können. Zur Einordnung und Abgrenzung sei dies anhand der Stadttore in Trastevere illustriert, die Alberti in Tabelle VIII anführt (Tabelle ): Tabelle 2.3: PORTAE IN MVRIS TRANS TYBERIM (Desc. Tab. VIII) NOMINA PORTARVM
3
Portuensis Pancratii Sub Iano
HORIZON
RADIVS
27 32 34
3 3 0
26 29 20
2 2 2
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Bereits die unter dem Namen Publius Victor überlieferte Descriptio urbis Romae (auch De regionibus urbis Romae) aus dem 4. Jahrhundert listet markante Topographika für jede der vierzehn regiones auf und fasst einige davon in den Kategorien Brücken, Hügel, campi, Foren, Basiliken, Thermen, Aquädukte und Straßen zusammen.129 Einige offenbar als weniger markant empfundenen Bauwerke werden nicht namentlich erwähnt, sondern lediglich durchgezählt. Von den Stadttoren sind nur die porta Capena für die regio I, die porta Trigemina für die regio XI und gegen Ende des Textes pauschal portae XXXVII erwähnt.130 Gekannt haben könnte Alberti die seit etwa 1140 anonym überlieferten, ebenso beliebten wie legendarischen Mirabilia urbis Romae. Diese wissen von immerhin fünfzehn Toren, deren Namen und Namensvarianten im Anschluss an die allgemeine Beschreibung der Stadtmauer im zweiten Abschnitt des Textes geboten werden:131
128 129 130
131
der Descriptio an Portolankarten erinnert, wird z. B. von Anthony Grafton betont (Grafton 2001, 242–243); eine Einführung in das umkämpfte Forschungsfeld bietet Campbell 1987. Eine auf ähnlichen Dreiecken basierende Konstruktionsmethode dieser Karten wird neuerdings in Mesenburg 2021 vorgeschlagen. Siehe die Texte in Valentini/Zucchetti 1940; sowie die Überblicke in Nuti 2008b; Nuti 2008a; Bauer 2004, 9–25; Classen 1986. Zum Städtelob im Mittelalter siehe Oldfield 2019. Den Text bietet Migne 1848, 437–456. Ein ähnliches Bild bietet sich in der wohl ebenfalls in das 4. Jahrhundert zu datierenden Notitia urbis Romae sowie dem nahezu identischen Curiosum urbis Romae (ediert in Jordan 1871, 539–574); siehe dazu Bauer 2004, 9–11. Text und Übs. Huber-Rebenich / Wallraff u. a. 2014, 50–52; siehe dazu Schwab 2019, 274–
2.4 Zu einigen Vorbildern
55
Heae [sic!] sunt portae Romanae: [. . . ] Portae Transtiberim III: porta Septimiana (septem Naiades iunctae Iano); porta Aurelia vel Aurea; porta Portuensis. (Dies sind die Tore Roms: [. . . ] Drei Tore jenseits des Tiber: die Porta Settimiana (sieben dem Janus verbundene Naiaden); die Porta Aurelia oder ‚Goldenes Tor‘; die Porta Portese.)
Von Giovanni Dondis (ca. 1330 – ca. 1388) Iter Romanum wird erwogen, es könnte Albertis Interesse für Rom geweckt und Inspiration für die Descriptio geboten haben, da der literarisch ambitionslose Text ein offenkundig antiquarisches Interesse artikuliert und der Darstellung von Quantitäten und Dimensionen breiten Raum gibt.132 Zur Größe von St. Peter etwa will Dondi Folgendes ermittelt haben:133 Latitudo corporis medii eclesiae est passus 36, latitudo vero alarum ex utroque latere est passus 29, quare tota eclesiae latitudo est passus 94, longitudo vero eius est passus centum sesaginta quatuor. (Die Breite des Mittelschiffs der Kirche beträgt 36 Schritt, die Breite aber der Flügel auf jeder Seite beträgt 29 Schritt, weshalb die gesamte Breite der Kirche 94 Schritt beträgt, ihre Länge aber beträgt 164 Schritt.)
Diese exemplarisch ausgewählte Stelle illustriert, dass der Text stellenweise tatsächlich viel technischer anmutet als eine rein literarische Beschreibung, doch vermag allein die wiederholte Erwähnung von Größenangaben Dondis Text noch nicht in den Rang eines unzweifelhaften Vorbildes für das quantitative Element der Descriptio zu erheben, zumal sich die Darstellung in dieser Hinsicht noch deutlich steigern ließe und die absoluten Angaben bei Alberti ohnehin wie Fremdkörper wirken.134 Die Descriptio urbis Romae eiusque excellentiae (vor 1431) von Nicolò Signorili ist in zeitlicher Nähe zu Albertis Text entstanden und kann als frühhumanistischer Propagandatext für Papst Martin V. gelesen werden.135 Die Beschreibung der Topographie beginnt mit dem Umfang der Stadtmauer, den Regionen und Hügeln und
132
133 134
135
290. Nine Miedema zufolge erwägen Valentini/Zucchetti, Albertis Descriptio könnte eine Bearbeitung der Mirabilia sein, ein konkreter Literaturverweis allerdings fehlt (Miedema 1996, 477). Neben den ‚eigentlichen‘ Mirabilia urbis Romae, die „lediglich die antiken Sehenswürdigkeiten Roms [. . . ] ohne jeden Hinweis auf die Heilserwerbung“ verzeichnen, wird eine weitere Textgruppe als Mirabilia Romae bezeichnet, die als Historia et descriptio urbis Romae überliefert ist und die Mirabilia urbis Romae mit den Indulgentiae urbis Romae, einem Verzeichnis der sieben Hauptkirchen und der dort zu erhaltenden Ablässe, kombiniert (Miedema 1988). Zu dieser Textgruppe siehe Miedema 2003; Miedema 1996. Den Text bieten Valentini/Zucchetti 1953, 68–73; siehe dazu Schwab 2019, 237–240; Zweifel an Dondis Autorschaft meldet Perucchi 2016 an. Biographisches zu Dondi, der heutzutage vor allem als Astronom bekannt ist, bietet Pesenti 1992. Da Dondi in Padua wirkte und dort bekannt war, könnte Alberti während des Unterrichts bei Gasparino Barzizza mit dem Iter Romanum in Berührung gekommen sein (Weller 2014, 141–142). Valentini/Zucchetti 1953, 69, Z. 6–8. Die einzigen absoluten Maßangaben sind der Umfang der Stadtmauer (Desc. 1), die weiteste Entfernung eines Tores vom Kapitol (ebd.) sowie die Breite des Tiber (Desc. Tab. XI); siehe dazu Kapitel 2.5. Vgl. etwa Giovanni Villanis (ca. 1280–1348) Beschreibung der Stadtmauer von Florenz (Nuova cronica 10, 256–257); siehe dazu Pomierny-Wąsińska 2019, 13–23. Die topographischen Abschnitte des Textes bieten Valentini/Zucchetti 1953, 162–208; die Reliquienliste ist transkribiert in Bauch 2016. Zum Text siehe McCahill 2013, 20–44. Für die Datierung lässt sich nur ein terminus ante quem erschließen: Der Widmungsnehmer Martin V. ist im Februar 1431 verstorben, Signorili, dessen Lebensdaten nicht gesichert sind, wohl kurz
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2 Entstehungskontexte
lässt nach einem kurzen Exkurs die Stadttore folgen, die namentlich genannt und mit kurzen Informationsschnipseln versehen werden. Zu den Toren in Trastevere liest man:136 In Transtyberim vero sunt tres portae, videlicet: Porta Portuensis per quam ad Portum acceditur. Porta Sancti Pancratii, in monte Ianiculo. Porta Septignana, currupto vocabulo, quae debet dici porta subtus Ianum. (In Trastevere nun gibt es drei Tore, nämlich: Die Porta Portuensis, durch die man zum Portus gelangt. Die Porta Sancti Pancratii auf dem Gianicolo. Die Porta Septignana, eine verderbte Bezeichnung, die Porta subtus Ianum heißen muss.)
Poggio Bracciolini (1380–1459), mit dem Alberti eine ambivalente Freundschaft verband,137 beschreibt im ersten Buch von De varietate fortunae (ca. 1448) einen Spaziergang mit Antonio Loschi, der vom Kapitol über das Forum Romanum in Richtung Aventin führt, und widmet den Stadttoren einen eigenen Abschnitt, zu denen er sich, der einstigen Größe Roms hinterhertrauernd, wehmütig äußert:138 Portas triginta septem fuisse Plinius testis est, hodie tredecim tantum usus seruauit; quarum pars transtiberina tres continet, Portuensem, Aureliam, et Cassiam. [. . . ] (Plinius zufolge gab es 37 Tore, heute hat der Gebrauch nur 13 erhalten. Drei davon befinden sich in Trastevere, die Porta Portuensis, die Porta Aurelia und die Porta Cassia.)
Flavio Biondo (1392–1463) schließlich, ebenfalls ein Bekannter Albertis,139 wollte mit seiner antiquarisch ausgerichteten Roma instaurata (fertiggestellt 1446) Papst Eugen IV. historische Vorbilder für die Erneuerung Roms und dessen Wiederaufwertung zum caput mundi an die Hand gehen.140 Er geht noch ausführlicher als Poggio auf die Stadttore ein, darunter die in Trastevere:141 xxiv. tres portae ianiculi in genere. Ea regio tres habet portas, quarum quae ad occidentem solem Tiberi est propinqua, nunc dicta Portuensis, olim quae fuerit ignoramus; alia, quae edito in loco nunc Sancti Brancatii, prius Aurelia; tertia, in Vaticanum dimittens et nunc subtus Ianum dicta, a priscis Fontinalis appellata. xxv. de porta portuensi. [. . . ]
davor (De Blasi 2018; siehe auch Valentini/Zucchetti 1953, 151–158). 136 Valentini/Zucchetti 1953, 168. 137 Zu Poggio Bracciolini und Alberti siehe z. B. Marsh 2020; Pittaluga 2007. 138 Poggio, De varietate fortunae 1,8 (Boriaud/Coarelli 2019, 43, Z. 8–10; vgl. Plin. Nat. 3,66); zu den Toren siehe Boriaud/Coarelli 2019, 86 Anm. 4. Eine Edition aller vier Bücher bietet Merisalo 1993; zur Datierung siehe ebd., LXI. Der Text könnte eine Reaktion auf Flavio Biondos Roma instaurata gewesen sein (Boriaud/Coarelli 2019, XLVII). 139 Siehe z. B. Grafton 2001, 240. 140 Eine Edition des Textes bietet die zweisprachige Ausgabe (lat./fr.) von Anne Raffarin-Dupuis (Raffarin-Dupuis 2012; Raffarin-Dupuis 2005) sowie die noch unvollständige Ausgabe der Edizione nazionale delle opere di Biondo Flavio (Band 1: Della Schiava 2020). Zum Text siehe McCahill 2013, 170–181; zu Flavio Biondo siehe Laureys 2012. 141 Biondo, Roma instaurata 1,79–80; Text Della Schiava 2020.
2.4 Zu einigen Vorbildern
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(24. Die Tore des Gianicolo im Überblick. Diese Region hat drei Tore. Wie das Tor im Westen nahe dem Tiber, das nun Porta Portuensis genannt wird, früher hieß, weiß ich nicht. Das andere auf der Anhöhe, früher Porta Aurelia, ist nun die Porta Sancti Brancatii. Das dritte, das zum vatikanischen Hügel führt und nun Porta subtus Ianum heißt, wurde von den Alten Porta Fontinalis genannt. 25. Über die Porta Portuensis. [. . . ])
Während die frühen Rombeschreibungen vornehmlich Pilger angesprochen und eine gewisse Sensationslust befriedigt haben dürften, stehen die drei zuletzt genannten Texte im Zusammenhang mit dem Ende des avignonesischen Papsttums bzw. des abendländischen Schismas und den in der Folge einsetzenden Renovierungsbestrebungen, die die antiquarische Erforschung der Stadt in besonderer Weise forcierten. Obschon sich das kategoriale Ordnungssystem bis ins Quattrocento erhalten hatte, lassen der Grad an literarischer Ausgestaltung, der vermehrte Rückgriff auf antike Quellen und die bisweilen politische Instrumentalisierung kaum noch Erinnerungen an die spätantiken und mittelalterlichen Vorläufer aufkommen. Die Gemeinsamkeiten der prähumanistischen Rombeschreibungen mit Albertis Descriptio sind kaum zu leugnen und gleichzeitig, da sie sich in der Listenform erschöpfen, viel zu diffus und unspezifisch, um ein direktes Abhängigkeitsverhältnis zu postulieren. Ob Alberti die erwähnten Texte gekannt und sich ggf. daran orientiert hat, ist nicht zuletzt aufgrund der unsicheren Datierungen nur schwer nachweisbar. Entscheidend ist etwas anderes: Einerseits stellte er seine Descriptio durch die Wahl von Titel, Thema und kategorisierten Listen unmissverständlich in die Tradition der Rombeschreibungen, vor allem der zeitgenössischen, die das gegenwärtige, nicht das idealisierte Rom einer fernen Vergangenheit beschreiben, andererseits setzte er sich erkennbar davon ab. Sein Alleinstellungsmerkmal ist der innovative mathematisch-technische Ansatz mit der bis dato unerreichten Präzision und, damit einhergehend, der Verzicht auf Zitate antiker Texte, das Fehlen sprachlicher Betrachtungen, etwa zu Namen oder Namensvarianten, und eine eindeutig zu identifizierende politische Botschaft.142 Die Beweislast dürfte also bei denen liegen, die Alberti jede Ambition absprechen wollen, sich im zeitgenössischen Romdiskurs zu positionieren, und dies womöglich in Unkenntnis der Tradition oder etwaiger ‚Konkurrenzprodukte‘.143 142 Gleichwohl ist es auffällig, dass die Liste der Tempel und öffentlichen Gebäude in Tabelle XVI mit der Petersbasilika beginnt und mit Kapitol und Santa Maria in Aracoeli endet, wobei der horizon auf das Kapitol zentriert ist. Letzteres dürfte kaum zufällig geschehen sein, ist doch das Verhältnis von Zentrum und Rand ein wiederkehrendes Motiv bei Alberti: „Speaking more broadly, a marked concern with centres and margins can be found in Alberti’s aesthetic theories, and, by extension, in all of his thought“ (Pearson 2022, 91). 143 So auch Furno 2000b, 106–118, z. B.: „[La] reconstitution de la topographie ancienne de la Ville devient le centre d’un débat méthodologique animé au milieu du XVe siècle, querelles que la Descriptio Vrbis Romæ n’a pu ignorer“ (Furno 2000b, 107). Hinreichende Gemeinsamkeiten haben schon Roberto Valentini und Giuseppe Zucchetti gesehen, nahmen sie die Descriptio doch in den Codice topografico della città di Roma auf (Valentini/Zucchetti 1953, 212–222). Tatsächlich waren Albertis (kunsttheoretische) Schriften stark in zeitgenössischen Diskursen verankert (Pfisterer 2003, 542). Die Besprechung der Proportionen in De statua beispielsweise könnte eine Reaktion auf den kurz zuvor von Michele Savognarola eingeführten Kanon von Proportionen gewesen sein (Pfisterer 2003, 541–542). Im Zuge der Besprechung zeitgenössischer Rombeschreibungen wird bisweilen auch der Artikel „Rhoma“ in Giovanni Tortellis
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2 Entstehungskontexte
Das Ziel von Albertis Descriptio urbis Romae jedoch ist nicht erreicht, wenn der Text gelesen, sondern wenn die Karte gezeichnet ist. Dieser hybride Charakter regt dazu an, einen wenigstens flüchtigen Blick auf ein wichtiges Charakteristikum zeitgenössischer Romansichten zu werfen.144
Abbildung 2.9: Gebrüder Limburg, Plan der Stadt Rom, Miniaturmalerei aus den „Très Riches Heures du Duc de Berry“, um 1415/16, Musée Condé, Chantilly, Ms. 65, fol. 141v
Im Quattrocento ist wiederholt ein rudimentär perspektivischer Darstellungsmodus anzutreffen, für den exemplarisch auf den Romplan der Gebrüder Limbourg verwiesen sei (Abb. 2.9).145 Er hatte sich von den symbolischen Darstellungen des Mittelalters, die fast ausschließlich der Vermittlung politischer und ideologischer Botschaften dienten, merklich gelöst und die topographische Realität in den Vordergrund gestellt, war insbesondere um eine realitätsnahe Positionierung der Gebäude bemüht.146 Gleichwohl sind bei der durch die Rahmung unterstützten, nahezu (ca. 1400–1466) vielleicht 1448/53 vollendetem Werk De orthographia genannt (Jenson 1471; siehe dazu Tomè 2012; Donati 2006; Günther 1999, 177). Tortelli zielte auf eine Erneuerung der Sprache und stellte Etymologien, Schreibweisen und die Verknüpfung mit antiken Quellen in den Vordergrund, wobei er ebenfalls dem bewährten Schema folgte und die Ausdehnung und die Tore Roms behandelte, gefolgt von einer Besprechung des Vatikans, der Hügel, des Marsfelds und der Subura (Jenson 1471, fol. 246v –258v ). 144 Einen Überblick über historische Darstellungen Roms von der Forma Urbis Romae (2. Jh.) bis in die Gegenwart bietet das bis heute unübertroffene Standardwerk Frutaz 1962. 145 Genannt werden könnte auch ein Fresko von Taddeo di Bartolo im Palazzo Pubblico in Siena (ca. 1413/14; Pianta LXXVII in Frutaz 1962) oder eine Miniatur von Maestro di Orosio (ca. 1418/20), die sich in einem Sallust-Kodex findet (Pianta LXXVIII in Frutaz 1962). Diese Darstellungen werden häufiger als Beispiele für zeitgenössische Romansichten herangezogen, so z. B. in Ponzi/Maddalo 2012; Cantatore 2005. Der perspektivische Darstellungsmodus kann auch als markanter Unterschied zu Albertis Stadtkarte gewertet werden (Pinto 1976, 35). 146 Diesen Weg hatte bereits Paolino Minorita (ca. 1270–1344) mit dem Romplan seiner Chrono-
2.5 Zur Ermittelung der Koordinaten
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kreisrunden Formgebung der Stadtmauern immer noch konstruierende Eingriffe zu verzeichnen, die symbolische Gehalte transportieren.147 Bei Alberti ist lediglich der rahmende horizon rund, die Mauern nicht. Noch weniger als bei den schriftlichen Rombeschreibungen kann oder soll suggeriert werden, Alberti habe sich an genau diesem Bildtypus orientiert. Festhalten lässt sich immerhin, dass die anvisierte Romkarte bei den Zeitgenossen kaum Befremden ausgelöst haben wird, sondern an bekannte Darstellungen anknüpfte.
2.5 ZUR ERMITTELUNG DER KOORDINATEN Wie könnte Alberti eigentlich die Positionen der Mauern, Stadttore und Gebäude ermittelt haben? Die Descriptio erteilt diesbezüglich keinerlei Auskünfte – einmal abgesehen von dem implizit artikulierten Credo, für eine solche Aufgabe bedürfe es eines erheblichen Maßes an ingenium.148 Die für die Klärung der Frage wohl wichtigste Parallele in Albertis mathematisch-technischen Schriften ist Aufgabe Nr. 16 der Ludi rerum mathematicarum, die eine Technik für die Vermessung einer Stadt und deren proportional verkleinerte Übertragung auf eine Zeichenfläche beschreibt. Dies ist exakt die Aufgabenstellung der Descriptio, und Alberti nimmt offenbar explizit Bezug darauf:149 logia magna beschritten (siehe Pianta LXXII in Frutaz 1962; sowie Marcon 2019; Schwab 2019, 357–364; Michalsky 2015; Maddalo 1990, 45–52. Zu Leben und Werk Paolinos siehe Fontana 2014; sowie die Beiträge in Morosini/Ciccuto 2019). 147 Rad- bzw. TO-Karten der Welt oder einzelner Städte waren im Mittelalter ein allgegenwärtiges Medium für Weltanschauungen und Heilsbotschaften; überhaupt wurden Städte nicht selten als rund gedacht (siehe z. B. Mauntel 2021; Pomierny-Wąsińska 2019, 18, 20; Lilley 2009; Edson 2007; Morse 2007; Edson / Savage-Smith / Brincken 2005; Englisch 2002; Harvey 1987; speziell zu Rom siehe Jacks 1993, 175–204). In De re aedificatoria empfiehlt Alberti das Anlegen von kreisrunden Zwischenmauern, um den Sitz des Herrschers gegen die Untertanen zu schützen: Muro interducto commodissime dividetur [sc. urbs]. Ducendum puto non quasi diametrum transversam per aream, sed veluti circulo circulum includas („Durch die Aufführung einer zwischenliegenden Mauer kann sie [sc. die Stadt] sehr bequem geteilt werden. Ich meine, man soll sie nicht wie einen Durchmesser mitten durch die Fläche ziehen, sondern gleichsam Kreis mit Kreis umschließen“; Res aed. 5,1 Orlandi/Portoghesi 1966, 335,21–23; Übs. Theuer 1975, 221). Die Vorstellung von runden Mauern kommt auch bei der Lage der Burg in Res aed. 5,4 zum Ausdruck; siehe dazu Ravagnati 2005. 148 Siehe dazu auch Kapitel 2.6. 149 Alberti, Ludi 16 Grayson 1973, 163,8–15. Ein weiterer Hinweis findet sich in De re aedificatoria: Nos circuli istius adminiculo ad urbium provinciarumque descriptionem annotandam atque pingendam, ad cuniculos etiam subterraneos producendos bellissime utimur. Sed de his alibi („Ich bediene mich dieses Kreises als eines ausgezeichneten Hilfsmittels für die Aufzeichnung und Herstellung von Plänen ganzer Städte und Provinzen, ebenso für die Anlage unterirdischer Gänge. Doch hierüber an anderer Stelle“; Alberti, Res aed. 10,7 Orlandi/Portoghesi 1966, 925,5–8; Übs. Theuer 1975, 557). Erwähnt werden Albertis Vermessungen außerdem von Bernardo Rucellai (1448–1514): Verum de situ ipso moenium ac mensura urbis Baptista Albertus scite admodum disseruit, ut qui eam machinis mathematicis summo studio prosecutus sit („Über die genaue Lage der Mauern und die Größe der Stadt hat Battista Alberti sehr kundig gehandelt und sie mit mathematischen Werkzeugen und größtem Eifer beschrieben“; Bernardo Rucellai,
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2 Entstehungskontexte
„Voglio alle cose dette di sopra aggiugnere certo instrumento atto, come per voi consider〈er〉ete, molto a questi bisogni, e massime a chi aoperassi il trabocco e simili macchine bellice. Ma io l’aopero a cose molto delettevoli, come a commensurare il sito d’un paese, o la pittura d’una terra, come feci quando ritrassi Roma. Adunque insieme vi darò questa practica. Misurate il sito e ambito d’una terra e di sue vie e cose in questo modo. [. . . ]“ (Ich möchte den oben gesagten Dingen ein bestimmtes Instrument hinzufügen, das, wie ihr selbst meinen werdet, sehr nützlich für diese Bedürfnisse ist, vor allem für die, die das Trebuchet und ähnliche Kriegsmaschinen benutzen. Ich aber werde sie für sehr unterhaltsame Dinge verwenden, wie zur Vermessung des Geländes eines Ortes oder zum Zeichnen eines Gebiets, wie ich es tat, als ich Rom abgebildet habe. Deshalb werde ich euch zugleich diese Technik darlegen. Man misst das Gelände und den Umfang eines Gebiets und seiner Straßen und Dinge auf diese Weise. [. . . ])
Wer nach dieser verheißungsvollen Einleitung ein Komplement zur Descriptio erwartet, das die dort zu kurz gekommenen, praktischen Aspekte der Geländevermessung in den Blick nimmt, wird nicht enttäuscht. Alberti beschreibt den gleichen horizon, der ebenfalls in 48 gradus zu je 4 minuta zu unterteilen ist.150 Eingesetzt wird er wie folgt: Man platziert ihn an einer Stelle mit guter Aussicht, wie etwa auf einem Glocken- oder Festungsturm, und visiert alle zu verzeichnenden Objekte so an, dass die Sichtlinie durch den Mittelpunkt des horizon und einen Grad- und Minutenwert auf der äußeren Skala verläuft. Der so ermittelte Winkel wird notiert. Nun verlegt man das Instrument zu einem der gerade anvisierten Objekte und wiederholt die gesamte Prozedur, bei der diesmal auch der Standort der ersten Messung zu verzeichnen ist. Als Ergebnis erhält man zwei Listen mit Topographika, denen (jeweils unterschiedliche) Winkel zugeordnet sind.151 Die Übertragung auf eine Zeichenfläche erfolgt analog dazu: Man fertigt eine Miniaturversion des horizon an und platziert sie dort, wo der erste Standort, zum Beispiel der castello, auf der Zeichenfläche erscheinen soll (Abb. 2.10). Von dort aus zieht man für alle Objekte Linien in Richtung der Winkel auf der ersten Liste. Wo genau die Objekte auf diesen Linien zu platzieren sind, letztlich also den Maßstab der gesamten Karte, legt die nun zu wählende Position des zweiten horizon auf der Linie vom castello zum secondo ponto fest. Wählt man sie nahe am castello, wird die Karte klein, eine größere Entfernung liefert eine entsprechend größere Karte. Nachdem der horizon so ausgerichtet wurde, dass der castello unter dem für ihn auf der zweiten Liste vermerkten Winkel erscheint, zeichnet man die Linien für die restlichen Objekte auf der zweiten Liste von dort aus ein. Wo sich die Linien vom ersten und vom zweiten horizon schneiden, sind die Objekte schließlich einzuzeichnen. De urbe Roma, Text Becucci 1770, 315; siehe dazu Vagnetti 1974, 73–74). 150 Zur dieser Einteilung siehe Anm. 103 auf S. 49. 151 Wohl zur Vermeidung unnötiger Fehler besteht Alberti auf der theoretisch nicht notwendigen Forderung, dass der horizon am zweiten Standort so ausgerichtet wird, dass die Gradund Minutenwerte, unter denen dieser vom ersten Standort aus gemessen wurde, mit denen übereinstimmen, unter denen der erste Standort vom zweiten aus gesehen wird. Als weitere Vorsichtsmaßnahme empfiehlt er eine dritte, theoretisch ebenfalls entbehrliche Messung von einem weiteren Beobachtungspunkt aus (Alberti, Ludi 16 Grayson 1973, 165,3–4; 166,16–21; siehe dazu Wassell 2010, 125–126).
61
2.5 Zur Ermittelung der Koordinaten
48
secondo ponto
36
12
24
Santo
β
22° 2′
γ
Santo Domenico
o enic Dom
Santo Dome nico
α ′
22° 2
24
12
castello
36
48
Abbildung 2.10: Interpretation der Triangulationsmethode aus Aufgabe Nr. 16 der „Ludi rerum mathematicarum“
Tatsächlich erhält man auf diese Weise die korrekten relativen Positionen von Santo Domenico, castello und dem secondo ponto: Auf der Zeichenfläche bilden diese drei Punkte ein Dreieck, das dieselben Winkel aufweist wie das viel größere Dreieck in der Realität: Die Winkel 𝛼 und 𝛽 sind durch die Triangulation vorgegeben, der Winkel 𝛾 ergibt sich aus der Differenz zu 180°. Beide Dreiecke sind somit ähnlich und haben bis auf die Länge der Seiten genau die gleichen Eigenschaften, insbesondere also die Positionen der Eckpunkte relativ zueinander. Wählt man bei der Übertragung auf die Zeichenfläche einen anderen Abstand zwischen dem castello und dem secondo ponto, so ändern sich die Längen aller beteiligten Strecken maßstabsgetreu.152 Wenngleich Alberti also dankenswerterweise in den Ludi zu erklären scheint, wie er die Koordinaten der Descriptio gefunden hat, so ist es die unterschiedliche Intention der Texte, die, verbunden mit kleinen Inkongruenzen, dafür sorgt, dass die Details seines Vorgehens eher verschleiert als erhellt werden. Nimmt man nämlich an, er habe als ersten Beobachtungspunkt das Kapitol gewählt, den horizon entlang der Nord-Süd-Achse ausgerichtet und die Winkel zu allen Topographika bestimmt – wie hätte er dann die zugehörigen radius-Werte ermittelt, also den maßstabsgetreu verkleinerten Abstand zum Kapitol? Vorgeschlagen wurden im Wesentlichen drei Verfahren. Erstens könnte Alberti die absoluten Distanzen der Topographika zum Kapitol durch ein Hodometer bzw. durch Ablaufen gemessen und entsprechend verkleinert haben.153 Für diese These sprechen die absoluten Längenangaben der Descriptio zum Abstand der Tore vom Zentrum und zum Umfang der Stadtmauern, die anhand der fertigen Zeichnung nach-
152 Dies entspricht Albertis Definition in Pict. lat. 1,14; zum Akzidenz der Größe vgl. 1,18. 153 So Maier 2015, 26, und wohl auch Tavernor 2010, ix.
62
2 Entstehungskontexte
vollziehbar sein sollen.154 An Plausibilität gewinnt sie außerdem dann, wenn man die Descriptio (deutlich) vor den Ludi ansetzt und eine zwischenzeitliche Weiterentwicklung der Methode postuliert.155 Gegen die These allerdings spricht erstens, dass Alberti die Vermessung, auch in der Wahrnehmung Anderer, ausdrücklich ex mathematicis instrumentis vorgenommen hat,156 deren Präzision zweitens nicht durch die höchst fehleranfällige – und oftmals unmögliche – Bestimmung und Zusammensetzung realer Längen zu erreichen gewesen sein dürfte und Albertis mathematisches Denken drittens auf die Erfassung von Proportionen, nicht von absoluten Längen geeicht war.157 Gemäß der zweiten These hätte Alberti die Topographika von jeweils zwei nahe beieinander gelegenen Standorten aus angepeilt, deren Abstand sich leicht bestimmen ließ. Diese Methode beschreibt er am Schluss von Aufgabe Nr. 16:158 Um die Entfernung (Luftlinie) der Torre dello Asinello vom castello zu ermitteln, soll der Turm von zwei Standorten im castello aus angepeilt werden, deren Abstand sich leicht ermitteln lässt, zum Beispiel von den beiden Enden eines Flures. In diesem großen, ‚realen‘ Dreieck sind zwei – und damit alle – Winkel bekannt, sodass man ein verkleinertes Dreieck mit denselben Winkeln aufzeichnen und darin die Seitenlänge messen kann, die dem gesuchten Abstand von castello und Turm entspricht. Diese ist nun so zu vergrößern, wie die dem Flur entsprechende Seitenlänge zu vergrößern wäre, um dessen tatsächliche Länge zu erreichen. Demnach hätte Alberti den gesuchten radius-Wert durch eine Rechnung gefunden oder, bei Wahl eines geeigneten Maßstabs, direkt am kleinen Dreieck abgemessen.159 Die dritte These schließlich geht davon aus, dass Alberti, genau wie in Aufgabe Nr. 16 der Ludi beschrieben, ganz einfach einen zweiten horizon benutzt, die Schnittpunkte ermittelt und deren Abstände zum Mittelpunkt des ersten horizon mit dem radius ausgemessen hat.160 Beide letztgenannten Thesen erscheinen plausibel.161 Müsste man sich auf eine davon festlegen, so fiele die Wahl wohl auf die dritte These, da die Methode am we154 Tum a centro urbis, hoc est a Capitolio, portam distare nullam plus cubitos vixcl et murorum ambitum adstructorum stadia non excedere lxxv. Haec ita esse ex partium dimensione atque ex ipsa pictura apparebit („Dass dies so ist, wird anhand der Ausdehnung der Teile und der Zeichnung selbst ersichtlich werden“; Alberti, Desc. 2). In Tabelle XI ist zwar auch die Tiberbreite angegeben, doch gibt Alberti nur die Mittellinie des Flusses an, sodass dieser Wert für die Zeichnung nicht verwendbar ist. 155 Zu den Datierungen beider Texte siehe Kapitel 1.2. 156 Siehe Alberti, Desc. 1; sowie Anm. 149 auf S. 59. 157 Auch in De pictura macht Alberti keine relevanten Vorgaben zu absoluten Größen, die im Prozess der perspektivischen Darstellung zu beachten wären. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass er ein hybrides Verfahren angewandt hat und die abschnittsweisen Fehler (s. u.) auf zumindest teilweises Abschreiten der Stadt zurückzuführen sind. 158 Alberti, Ludi 16 Grayson 1973, 166,30–167,21. Passender wäre diese Methode wohl der Aufgabe Nr. 17 zugeordnet, die die Ermittlung einer längeren Distanz behandelt. 159 Schwab 2019, 376; Di Teodoro 2005, 178. Dass so ein Maßstab existiert haben könnte, lassen die absoluten Längenabgaben vermuten (siehe Anm. 154 auf S. 62). 160 So Valenti/Romor 2019, 111; Di Teodoro 2005, 178. 161 Alle drei Thesen dürften kompatibel mit dem Befund der womöglich von Alberti selbst vertauschten Spalten in Tabelle XVI sein (vgl. Kapitel 5.2.4).
2.5 Zur Ermittelung der Koordinaten
63
nigsten Schritte benötigt und somit am wenigsten fehleranfällig ist.162 Unabhängig davon allerdings, wie Alberti die radius-Werte ermittelt hat, dürfte er mit dem Problem konfrontiert gewesen sein, dass gar nicht alle der zu erfassenden Topographika vom Kapitol aus sichtbar waren. Dies ist verschiedentlich vermutet worden und soll im Folgenden durch eine einfache theoretische Beobachtung erhärtet werden.163
Abbildung 2.11: Sichtbarkeit der Topographika vom Kapitol (oben links, helle Bereiche) – Orte mit guter Aussicht auf die Stadt (oben rechts, dunkle Bereiche) – Sichtbarkeit der Topographika vom Kapitol und San Saba (unten links) – Zwei Bereiche mit ähnlichen Fehlern in der Genauigkeit der Koordinaten (unten rechts)
Für die folgenden Berechnungen wurden 63 Punkte aus allen Kategorien (Mauern, Tore, Tiber, Gebäude) ausgewählt, deren Positionen auf einer modernen Karte mit 162 Denkbar wäre auch, zwei horizontes zu benutzen und auf einem dritten horizon so zu platzieren, dass das Kapitol auf diesem auf den Koordinaten 0/0/0/0 zu liegen kommt. 163 Vgl. Valenti/Romor 2019, bes. 113; Vagnetti 1974, 90–91.
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2 Entstehungskontexte
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Abbildung 2.12: Darstellung der Hauptkomponenten- und Clusteranalyse (Affinity-Propagation) der Fehler, die bei einigen Punkten der Descriptio im Vergleich mit einer modernen Karte auftreten
hinreichender Sicherheit identifizierbar sind.164 Zugrunde liegt die Annahme, dass sich Alberti bei seiner vom Kapitol aus durchgeführten Anpeilung in einer Höhe von 15 m über dem Boden, also beispielsweise auf einem Turm, befand und die von ihm beobachteten Objekte eine Höhe von maximal 10 m aufwiesen. Berücksichtigt man das Höhenprofil der Stadt, dann ergibt eine Sichtfeldanalyse, dass einige der Topographika im Süden und Südwesten unter diesen Bedingungen gar nicht sichtbar waren, da sie von Erhebungen des Geländes dazwischen verdeckt wurden (dunkle Bereiche in Abb. 2.11, o. l.).165 Demzufolge hätte Alberti mindestens einen weiteren Standort aufsuchen müssen, von dem aus auch diese Bereiche gut zu überblicken waren. Orientiert man sich am Sichtbarkeitsindex des Geländes, der Standorte mit guter Aussicht auf die Umgebung hervorhebt (dunkle Bereiche in Abb. 2.11, o. r.), dann könnte die Wahl auf die Kirche San Saba bzw. den Kleinen Aventin gefallen sein. Von beiden Standorten aus, vom Kapitol und San Saba, dürften fast alle relevanten Bereiche der Stadt sichtbar gewesen sein, wie die kombinierte Sichtfeldanalyse nahelegt (Abb. 2.11, u. l.). Auf die Einteilung in einen nördlichen und einen südlichen Bereich stößt man auch durch eine statistische Betrachtung. Moderne Rekonstruktionen zeigen, dass Albertis Karte, obschon sie erstaunlich präzise ist, niemals ganz, sondern immer nur abschnittsweise mit einer modernen Karte übereinstimmt.166 Wenn man sie so ver164 Die Koordinaten der korrespondierenden Punkte wurden mit MapAnalyst (Jenny/Hurni 2011) auf Basis von OpenStreetMap (https://www.openstreetmap.org [Letzter Zugriff: 22.06.2023]) ermittelt. 165 Für die Berechnungen zur Sichtbarkeit und die entsprechenden Darstellungen wurde QGIS (https://www.qgis.org [Letzter Zugriff: 22.06.2023]) mit dem Plugin QGIS Visibility Analysis (Čučković 2016) benutzt. Das digitale Höhenmodell (Gitterweite 10 m) stammt von TINITALY (Tarquini / Isola u. a. 2007). 166 Siehe die Rekonstruktion von Luigi Vagnetti (Abb. 5.3 auf S. 154).
2.5 Zur Ermittelung der Koordinaten
65
schiebt, dreht, vergrößert oder verkleinert, dass eine Übereinstimmung an wenigstens drei Punkten gegeben ist – z. B. am Kapitol und zwei von dort aus gut sichtbaren Punkten –, dann lässt sich berechnen, wie weit und in welche Richtung die übrigen Topographika auf Albertis Karte fälschlicherweise verschoben sind. Führt man eine Clusteranalyse der Verschiebungsvektoren mit dem Affinity-Propagation-Verfahren durch, dann werden diese in zwei Gruppen geteilt, die jeweils ähnliche Verschiebungen, also einen ähnlichen Fehler aufweisen (Abb. 2.12), und ungefähr mit der nördlichen bzw. südlichen Hälfte der Stadtkarte übereinstimmen (Abb. 2.11, u. r.).167 Dies könnte darauf hindeuten, dass Alberti die Anpeilung von zwei Standorten aus vorgenommen hat und es jeweils zu spezifischen Ungenauigkeiten gekommen ist, die sich auf die von dort erfassten Punkte übertragen haben. Diese Beobachtungen scheinen die Vermutung zu erhärten, dass das Kapitol nicht alleiniger Beobachtungsstandort gewesen sein kann und dass generell ein einziger Standort innerhalb der Mauern bzw. in Stadtnähe nicht ausgereicht haben dürfte, um das gesamte Stadtgebiet abzudecken. Von wie vielen Standorten aus Alberti die Vermessung vorgenommen hat und wo diese genau lagen, wird sich vermutlich nur in einer gründlichen Feldstudie vor Ort und, soweit möglich, unter Berücksichtigung der historischen Bebauung klären lassen.168 Abschließend soll eine Frage behandelt werden, die bereits angeklungen ist und die mit der Bestimmung der Koordinaten in Verbindung steht, nämlich wie groß der horizon auf der Zeichenfläche angelegt werden sollte bzw. in welchem Größenbereich sich der von Alberti bei der Vermessung benutzte horizon bewegt haben könnte. Alberti weist zu Recht darauf hin, dass es diesbezüglich keine prinzipiellen Beschränkungen gibt und der die Zeichnung umfassende Rand eine beliebige Größe aufweisen könne.169 In den Ludi rerum mathematicarum allerdings empfiehlt er für das zur Anpeilung der Topographika benutzte Gerät eine Mindestgröße von einem braccio, womit er sich auf den Durchmesser bezogen haben muss.170 Legt man antike Längenmaße zugrunde, dann entspricht dies 44,4 cm, bei zeitgenössischen Maßen je nach Region einer Länge im Bereich von ungefähr 60 cm bis 70 cm, für
167 Die Verschiebungsvektoren wurden standardisiert und anhand der Hauptkomponentenanalyse transformiert (siehe z. B. Backhaus / Erichson u. a. 2021, 436–441). Der Vorteil des AffinityPropagation-Verfahrens (siehe Frey/Dueck 2007) besteht darin, dass die Anzahl der Cluster nicht im Voraus festgelegt werden muss und die Cluster unterschiedlich groß und beliebig geformt sein können. Es gibt eine Vielzahl weiterer Analyseverfahren, die zu abweichenden Ergebnissen führen können (vgl. Xu/Tian 2015). Für Berechnungen und Darstellung wurde Python mit den Paketen adjustText (https://github.com/Phlya/adjustText [Letzter Zugriff: 22.06.2023]), Matplotlib (Hunter 2007), NumPy (Harris / Millman u. a. 2020) und scikit-learn (Pedregosa / Varoquaux u. a. 2011) benutzt. 168 Eine solche Studie wurde teilweise durchgeführt in Valenti/Romor 2019. 169 Alberti, Desc. 3: Principio quantam fore operis aream velis constituito atque ad eius amplitudinem horizontem perscribito („Lege zuerst fest, wie groß die Fläche des Werkes sein soll und zeichne den Horizont gemäß dieser Abmessung ein“). 170 „Fate un circulo su una tavola larga almeno un braccio“ („Mache einen Kreis auf einem Brett, das mindestens einen braccio breit ist“; Alberti, Ludi 16 Grayson 1973, 163,15–16).
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2 Entstehungskontexte
46° 3′ XVI 10 47°
d
4°
3° 1°
47° 1′
2°
2′ Abbildung 2.13: Albertis Punkt XVI 10 in schematischer Darstellung
Florenz beispielsweise 58 cm.171 Einige absolute Zahlenangaben in der Descriptio deuten auf die Verwendung dieser zeitgenössischen Maße hin.172 Eine solche Größe mag zwar für das Triangulationsverfahren ausreichend gewesen sein, jedoch stellen sich beim Einzeichnen der Punkte andere Herausforderungen. Auffällig ist, dass Alberti des Öfteren Bruchteile der minuta beim horizon-Winkel – und nur dort – vorschreibt. An diesen Stellen, so kann vermutet werden, war die Granularität des Koordinatennetzes nicht fein genug, lagen die Grad- und Minutenwerte infolge eines zu großen horizon also zu weit auseinander, um die Position eines Objektes mit ganzzahligen Winkelangaben beschreiben zu können. Eine praktikable Mindestgröße des horizon auf der Zeichenfläche kann durch den Punkt XVI 10 (Columna Adriani seu Caritarium turris) abgeschätzt werden. Mit einem radius-Wert von 3° 2′ ist dies der Punkt, der sich am dichtesten am Zentrum befindet. Obwohl Grad- und Minutenlinien hier ohnehin schon nahe beieinander liegen, verlangt der horizon-Wert 47° 13 ′ dennoch eine Drittelung des Minutenwinkels. Dies jedoch ist nur möglich, wenn der Abstand zwischen 47° und 47° 1′ an dieser Stelle der Zeichenfläche noch groß genug ist, um die Drittelung überhaupt vorzunehmen. Wählt man für die minuta des radius beispielsweise eine Länge von 2 mm, dann läge unser Punkt 28 mm vom Zentrum entfernt, wo der geradlinige Abstand 𝑑 zwischen zwei Minutenlinien des horizon einen knappen Millimeter beträgt (Abb. 171 Folgende Werte stellte Eduard Döring für ausgesuchte Städte zusammen: Ein braccio in Bologna entspricht 64 cm (Döring 1854, 138), ein braccio da panno (Tuchelle) in Florenz entspricht 58 cm (ebd., 182), ein braccio da panno in Padua entspricht 68,1 cm, ein braccio da seta (Seidenelle) ebendort 63 cm (ebd., 373), ein braccio da mercante (Kaufmannselle) in Rom entspricht 67 cm, ein braccio per le tele (Leinwandelle) ebendort 63,5 cm (ebd., 424). 172 In Desc. 2 heißt es, keines der Stadttore sei weiter als 6 140 Ellen vom Kapitol entfernt. Das am weitesten entfernte Tor ist laut Tabelle das Tor In colle (IX 3) mit dem radius-Wert 44° 2′ . Die Entfernung Luftlinie beträgt ungefähr 3 100 m, was eine Ellenlänge von rund 50 cm ergibt. Allerdings gibt Alberti die Breite des Tiber, die heutzutage im relevanten Abschnitt laut einer mit OpenStreetMap durchgeführten Messung ungefähr 60 m bis 100 m beträgt, bei Tabelle X mit 171 (nach einigen Handschriften auch: 181) Ellen an, woraus sich eine Ellenlänge von etwa 35 cm bis 58 cm (bzw.: 33 cm bis 55 cm) ergibt.
2.6 Zum Begriff der lineamenta
67
2.13).173 Diesen zu dritteln, sollte bei Benutzung eines feinen Zeichengerätes gerade noch gelingen. Der horizon hätte somit einen Durchmesser von 80 cm und wäre wohl etwas größer als der von Alberti für das Triangulationsgerät vorgeschlagene Mindestdurchmesser von einem braccio. Viel kleiner sollte er nicht ausfallen, um das Einzeichnen von Topographika nahe des Zentrums nicht zu verunmöglichen – bei einer Ellenlänge von 58 cm würde der zu drittelnde Abstand 𝑑 nur noch ungefähr 0,64 mm betragen. Obwohl es sich beim horizon der Ludi und der Descriptio zweifellos um das gleiche oder zumindest ein sehr ähnliches Instrument handelt, dürfte nach obiger Überlegung für das Einzeichnen der Punkte eine größere Ausführung erforderlich gewesen sein als für das Anpeilen. Die stiefmütterliche Behandlung absoluter Zahlenwerte in der Descriptio deutet überdies einmal mehr darauf hin, dass Alberti das Wesen seiner Methode im Erfassen relativer Verhältnisse gesehen hat.
2.6 ZUM BEGRIFF DER LINEAMENTA Dieses Kapitel nimmt Albertis lineamenta-Begriff in den Blick, der für die Interpretation der Descriptio urbis Romae unerlässlich ist, dessen Bedeutung allerdings kontrovers diskutiert wird.174 Gleich im ersten Satz des Textes zählt Alberti all jene Topographika auf, die er erfasst und für die Übertragung auf die Karte vorgesehen haben will. Unter anderem sind dies die lineamenta der Stadtmauern, des Tiber und der Straßen:175 Murorum urbis Romae et fluminis et viarum ductus et lineamenta [. . . ] annotavi. (Den Verlauf und die geometrische Linienführung der Mauern, des Flusses und der Straßen der Stadt Rom [. . . ] habe ich aufgezeichnet.)
Die Forschung gibt den Begriff der lineamenta durch verschiedene moderne Konzepte wieder, beispielsweise durch „Risse“, „Zeichnungen“,176 „(ground-)plan“,177 „shape“178 oder „disegno“179 . Belegt ist das Wort zwar bereits bei Cicero, wo es im Singular zur Bezeichnung einer (geometrischen) Linie und im Plural für eine Ansammlung von Linien, also für eine Zeichnung oder ein Design, verwendet wird, doch verlieh Alberti dem Begriff 173 Dieser Wert berechnet sich nach der Formel für die Länge der Kreissehne: 𝑑 = 2𝑟 · sin 𝛼2 . Mit 𝑟 = 28 mm und dem Minutenwinkel 𝛼 = 1,875◦ ergibt sich 𝑑 ≈ 0,92 mm. 174 In den Worten von Branko Mitrović: „[. . . T]he debate about the nature of lineamenta has been a major battlefield of Albertian scholarship for centuries“ (Mitrović 2005, 31). Zur Forschungsdebatte siehe Samsa 2012, bes. 68–70; Hendrix 2011; Samsa 2011; Terzoglou 2010; Hubert 2008; Mitrović 2005, 29–47; Di Stefano 2000, 118–128. Ältere Literatur ist verzeichnet in Samsa 2012, 68 Anm. 27; Wulfram 2001, 127 Anm. 8. 175 Alberti, Desc. 1. 176 Theuer 1975, 14, 19. 177 Lang 1965, 332 f. 178 Mitrović 2005, 177. 179 Vagnetti 1974, 113.
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2 Entstehungskontexte
eine neue semantische Prägung.180 Dass er ihn auch in anderen mathematisch-technischen Schriften benutzte, wird im Folgenden nicht als zufällige, oberflächliche Parallele in der Terminologie, sondern als bewusste Bezugnahme auf das gleiche (oder ein ähnliches) Konzept interpretiert. Eine besonders prominente Rolle hat Alberti den lineamenta in seinem Architekturtraktat De re aedificatoria zugewiesen, dessen gesamtes erstes Buch mit De lineamentis überschrieben ist. Hier konzipiert er sie als Ergebnis eines geistig-geometrischen Konstruktions- bzw. Abstraktionsprozesses, der sowohl von der Ausführung des Baus (structura) als auch von der konkreten Materie getrennt ist. Die lineamenta sind durch geometrische Linien (lineae) und Winkel (anguli) determiniert und geben durch ihre spezifische Komposition den Ort und die Form eines Gebäudes oder Gebäudeteils vor:181 Tota res aedificatoria lineamentis et structura constituta est. Lineamentorum omnis vis et ratio consumiter, ut recta absolutaque habeatur via coaptandi iungendique lineas et angulos, quibus aedificii facies comprehendatur atque concludatur. Atqui est quidem lineamenti munus et officium praescribere aedificiis et partibus aedificiorum aptum locum et certum numerum dignumque modum et gratum ordinem, ut iam tota aedificii forma et figura ipsis in lineamentis conquiescat. (Die ganze Baukunst setzt sich aus den lineamenta und der Ausführung zusammen. Bedeutung und Zweck der lineamenta ist, den richtigen und klaren Weg zu zeigen, die Linien und Winkel aneinanderzupassen und zu verbinden, in welchen die Erscheinung des Bauwerkes inbegriffen und eingeschlossen ist. Ferner ist es die Aufgabe und Bestimmung der lineamenta, den Gebäuden und deren Teilen den geeigneten Platz und die bestimmte Anzahl, das richtige Maß und die angemessene Ordnung vorzuschreiben, so dass schon die ganze Form und Figur des Gebäudes auf den lineamenta beruht.)
Lineamenta sind unabhängig von ihrer materiellen Umsetzung und gehen ihr sogar voraus, sodass mehrere Bauwerke auf denselben lineamenta basieren können:182 Neque habet lineamentum in se, ut materiam sequatur, sed est huiusmodi, ut eadem plurimis in aedificiis esse lineamenta sentiamus, ubi una atque eadem in illis spectetur forma, hoc est, ubi eorum partes et partium singularum situs atque ordines inter se conveniant totis angulis totisque lineis.
180 Non quaero ex his illa initia mathematicorum, quibus non concessis digitum progredi non possunt, punctum esse quod magnitudinem nullam habeat, [. . . ] liniamentum ⟨longitudinem⟩ sine ulla latitudine ** carentem (Cic. Ac. 2,116, ed. Plasberg); Omnia fere, quae sunt conclusa nunc artibus, despersa et dissipata quondam fuerunt; ut [. . . ] in geometria lineamenta, formae, intervalla, magnitudines (De orat. 1,187); Tu videlicet solus vasis Corinthiis delectaris, tu illius aeris temperationem, tu operum liniamenta sollertissime perspicis! (Verr. II 4,98). In Nat. 34,55 gebraucht Plinius d. Ä. den Begriff in der Fügung lineamenta artis übertragen als „Grundregeln/Prinzipien der Kunst“. Zu weiteren Belegstellen siehe den Thesaurus linguae Latinae s. v. lineamentum. Susan Lang hält es für wahrscheinlich, dass Alberti von Cicero inspiriert wurde (Lang 1965, 335). Er könnte den Begriff mit Lorenzo Ghiberti (ca. 1378–1455) erörtert haben, wobei unsicher sei, wer von beiden ihn erfunden hat (ebd.). 181 Alberti, Res aed. 1,1 Orlandi/Portoghesi 1966, 19,12–19; Übs. nach Theuer 1975, 19. Eine italienische Übersetzung des Prologes mit Einleitung bietet Di Stefano 2012. 182 Alberti, Res aed. 1,1 Orlandi/Portoghesi 1966, 19,19–21,5; Übs. nach Theuer 1975, 19–20.
2.6 Zum Begriff der lineamenta
69
(Auch ist ein lineamentum nicht an die Materie gebunden, sondern ist derart, dass dieselben lineamenta, wie wir sehen, einer großen Zahl von Gebäuden zugrunde liegen, an denen wir ein und dieselbe Form erblicken. Das ist dort der Fall, wo deren Teile, die Lage der einzelnen Teile und die Reihenfolge untereinander in allen Winkeln und allen Linien übereinstimmen.)
Die äußere Form eines Bauwerkes geht also auf ein geistiges Produkt zurück, nämlich entweder auf die Abstraktion von einem bestehenden Bauwerk oder einen kognitivkreativen Akt für ein noch zu errichtendes Bauwerk. Allerdings, das stellt Alberti klar, entsteht ein lineamentum nicht im Geiste eines jeden Menschen, sondern nur in dem eines gebildeten:183 Et licebit integras formas praescribere animo et mente seclusa omni materia, quam rem assequemur adnotando et praefiniendo angulos et lineas certa directione et connexione. Haec cum ita sint, erit ergo lineamentum certa constansque perscriptio concepta animo, facta lineis et angulis perfectaque animo et ingenio erudito. (Man kann also die Formen ganz allein nach Belieben im Geiste vorzeichnen ohne Rücksicht auf das Material. Dies tun wir, wenn wir die Winkel und Linien in bestimmter Richtung und Verknüpfung auftragen und begrenzen. Daraus ergibt sich, dass ein lineamentum eine bestimmte bestehende Zeichnung ist, die, im Geiste konzipiert, mittels Linien und Winkeln aufgetragen wurde, ausgeführt von einem an Herz und Geist gebildeten Menschen.)
Trotz seiner prominenten Rolle in De re aedificatoria ist Albertis lineamenta-Begriff semantisch unterbestimmt und somit interpretationsbedürftig.184 Klarheit verspricht die Suche nach philosophischen Vorbildern, die allerdings bisher, wie so häufig bei Alberti, keine eindeutigen Ergebnisse zutage gefördert hat. Vorgeschlagen wurden (neu-)platonische und aristotelische Interpretationen, die, ohne in die Tiefen der Diskussion hinabzusteigen, im Folgenden kurz skizziert seien.
2.6.1 Die (neu-)platonische Interpretation Die (neu-)platonische Interpretation der lineamenta ist angeregt durch die Dichotomie des geistig Intelligiblen, dem Eigenschaften wie Schönheit oder Perfektion zugeschrieben werden, und des materiell verwirklichten Abbildes davon, das nie mehr sein kann als eine unvollkommene Annäherung.185 Ein gängiges Paradigma für dieses Spannungsverhältnis war der geistige Entwurf (bzw. die geistige Erfassung) eines Bauwerkes durch den Architekten einerseits und die materielle Ausführung dieses Entwurfes andererseits. Eine entsprechende Analogie findet sich in Platons Timaios und Plotins Enneaden, aber auch in zeitgenössisch-humanistischen Schriften. Im Timaios ist es der göttliche Demiurg, der die materielle Welt als das Abbild eines nie gewordenen, immer schon bestehenden, ewig-unvergänglichen Musters erschafft. Dieses Muster ist nicht durch die Sinne, sondern nur durch Vernunft und 183 Alberti, Res aed. 1,1 Orlandi/Portoghesi 1966, 21,5–9; Übs. nach Theuer 1975, 20. 184 Zu den Konnotationen des Begriffs bei Alberti siehe Mitrović 2005, 177–183. 185 Zu dieser Interpretation siehe Hendrix 2011; Moore 2010; Terzoglou 2010; Hendrix 2004, bes. 99–148; Federici Vescovini 1998b; Borsi 1996, 329–332. Einwände gegen derartige Einflüsse führt Di Stefano 2000, 143 Anm. 33 an, geht dabei aber kaum in die Tiefe.
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Denken zugänglich. Die Wahrnehmung des Abbildes, also der Welt um uns herum, vollzieht sich über die Sinne, erfordert keine Denkleistung und bekommt lediglich den Status eines fehleranfälligen Meinens zugesprochen. In Calcidius’ Version des Timaios, über die Alberti den Text rezipiert haben könnte,186 heißt es:187 Alterum intellectu perceptibile ductu et investigatione rationis, semper idem, porro alterum opinione cum inrationabili sensu opinabile proptereaque incertum [. . . ]. item mundus fueritne semper citra exordium temporis an sit originem sortitus ex tempore, considerandum. Factus est, utpote corporeus et qui videatur atque tangatur [. . . ]. Certe dubium non est ad cuius modi exemplum animadverterit mundani operis fundamenta constituens, utrum ad immutabile perpetuamque obtinens proprietatem an ad factum et elaboratum. Nam si est (ut quidem est) pulchritudine incomparabili mundus, opifexque et fabricator eius optimus, perspicuum est quod iuxta sincerae atque immutabilis proprietatis exemplum mundi sit instituta molitio. (Das eine ist durch den Intellekt erfassbar mittels Untersuchung und vernünftiger Überlegung und bleibt immer dasselbe, wohingegen das andere aufgrund einer Meinung und einer unbegründeten Sinneswahrnehmung vermutet wird und deshalb unsicher ist [. . . ]. Ebenso müssen wir prüfen, ob es die Welt immer schon gab, unabhängig vom Beginn der Zeit, oder ob sie ihren Ursprung in der Zeit genommen hat. Sie wurde erschaffen, weil sie nämlich körperlich ist, da man sie sehen und berühren kann [. . . ]. Es gibt überhaupt keinen Zweifel, welche Art von Vorbild er bei der Grundlegung der Welt im Blick hatte, ein unveränderliches mit ewigen Eigenschaften oder ein geschaffenes und bearbeitetes. Wenn die Welt nämlich von unvergleichlicher Schönheit ist – was sie freilich ist – und sie den besten Schöpfer und Erbauer hat, dann ist offensichtlich, dass sie gemäß einem Vorbild mit reinen und unveränderlichen Eigenschaften ins Werk gesetzt wurde.)
Analog dazu beruht die Wahrnehmung der Schönheit eines Gebäudes bei Alberti nicht auf bloßer Meinung, sondern auf angeborenen Verstandesfähigkeiten.188 In Über das Schöne (Plot. 1,6) zieht Plotin Parallelen zur Arbeit eines Architekten und unterscheidet zwischen der im Geiste erschaffenen und der materiell verwirklichten Form eines Hauses. Ähnlich wie Alberti, der die äußere Form von 186 Indizien dafür, dass Alberti den Timaios in der Übersetzung des Calcidius gekannt hat, sammeln Filippi 2008; Tortelli 2005, 420. 187 Calcidius, Timaios 28a–29a; Text Magee 2016; vgl. Plat. Rp. 6,509d–511c, wo ein ähnlicher Gegensatz zwischen Denkbarem und Sichtbarem aufgemacht wird. Für Platon ist die Sinneswahrnehmung „eine von Kunst und Wissen zu unterscheidende bloße Kenntnis der Tatsachen ohne Erkenntnis ihrer Gründe und Ursachen“ (Elm 2008, 129). 188 Siehe z. B. die folgenden Passagen aus De re aedificatoria: Sed sunt quibus ista non probentur, dicantque solutam et vagam esse quandam opinionem, qua de pulchritudine atque omni aedificatione iudicemus, et pro cuiusque libidine variam et mutabilem esse formam aedificiorum, nullis artium praeceptis adstringendam. Commune hoc ignorantiae vitium est: quae nescias, nequicquam esse profiteri („Doch manche stimmen dem nicht zu und sagen, es sei eine haltlose und wage Meinung, die wir von der Schönheit und der ganzen Baukunst hätten: Je nach Geschmack des Einzelnen sei die Form des Bauwerkes verschieden und veränderlich und durch keinerlei künstlerische Vorschriften einzuschränken. Das ist der gewöhnliche Fehler der Unwissenheit, die behauptet, was sie nicht kennt, existiere auch nicht“; Alberti, Res aed. 6,2 Orlandi/ Portoghesi 1966, 449,23–451,1; Übs. Theuer 1975, 294). Ut vero de pulchritudine iudices, non opinio, verum animis innata quaedam ratio efficiet („Dass du aber über die Schönheit urteilst, das bewirkt nicht eine Vermutung, sondern eine gewisse innere angeborene Einsicht“, Alberti, Res aed. 9,5 Orlandi/Portoghesi 1966, 813,13–14; Übs. nach Theuer 1975, 491). Zu Albertis Schönheitsbegriff siehe Fischer 2021, 88–93; Filippi 2008; Leinkauf 2007, bes. 92–95; Schmitt 2007; Strohmayer 2001.
2.6 Zum Begriff der lineamenta
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den geistigen lineamenta abhängig macht, wird die materiell verwirklichte Form des zu errichtenden Hauses bei Plotin der Form im Geiste des Architekten angenähert:189 Πῶς δὲ τὴν ἔξω οἰκίαν τῷ ἔνδον οἰκίας εἴδει ὁ οἰκοδομικὸς συναρμόσας καλὴν εἶναι λέγει; ἢ ὅτι ἐστὶ τὸ ἔξω, εἰ χωρίσειας τοὺς λίθους, τὸ ἔνδον εἶδος μερισθὲν τῷ ἔξω ὕλης ὄγκῳ, ἀμερὲς ὂν ἐν πολλοῖς φανταζόμενον. (Und wie kann der Baumeister das Haus draußen, welches er nach der Idee des Hauses in seinem Innern abgestimmt hat, schön nennen? Nun, weil das äußere Haus, wenn man von den Steinen als Masse abstrahiert, eine Teilung (Individuation) der inneren Idee vermöge der äußeren Masse der Materie bedeutet, eine Sichtbarwerdung des Unteilbaren in der Vielheit.)
Im zweiten Kapitel von Idiota de mente (1450) behandelt Nikolaus von Kues (1401–1464) die auf Platons Kratylos zurückgehende Frage, ob die Namen, die die Menschen den Dingen gegeben haben, das Wesen dieser Dinge von Natur aus richtig bezeichnen (Naturalismus) oder völlig zufällige Lautkombinationen darstellen, auf die man sich lediglich geeinigt hat, die aber auch ganz anders hätten sein können (Konventionalismus).190 Im Zuge der Argumentation bringt Nikolaus das Beispiel des Löffelschnitzers, der dem von ihm zu bearbeitenden Rohmaterial eine empirisch wahrnehmbare Form gibt, die er der reinen Form in seinem Geiste annähert, ohne dieses perfekte, sinnlich nicht wahrnehmbare Urbild jemals erreichen zu können:191 Esto igitur, quod artem explicare et formam coclearitatis, per quam coclear constituitur, sensibilem facere velim. Quae cum in sua natura nullo sensu sit attingibilis, [. . . ] conabor tamen eam modo, quo fieri potest, sensibilem facere. Unde materiam, puta lignum, per instrumentorum meorum, quae applico, varium motum dolo et cavo, quousque in eo proportio debita oriatur, in qua forma coclearitatis convenienter resplendeat. Sic vides formam coclearitatis simplicem et insensibilem in figurali proportione huius ligni quasi in imagine eius resplendere. (Angenommen also, ich wollte die Kunst entfalten und die Form des Löffelseins, die einen Löffel zum Löffel macht, sinnenfällig machen. Obwohl diese in ihrer Natur mit keinem Sinn erreichbar ist, [. . . ] so werde ich dennoch versuchen, sie in der Weise, in der es möglich ist, sinnenfällig zu machen. Daher bearbeite und höhle ich eine Materie, nämlich das Holz, durch die verschiedene Bewegung meiner Werkzeuge, die ich anwende, so lange, bis in ihr die gebührende Proportion entsteht, in der die Form des Löffelseins angemessen widerstrahlt. So siehst du die einfache und mit den Sinnen nicht wahrnehmbare Form des Löffelseins im Gestaltverhältnis dieses Holzes gleichsam in ihrem Abbild widerstrahlen.)
189 Plot. 1,6,3; Text Henry/Schwyzer 1964; Übs. Harder 1930, Hervorhebung/Einschub im Original. Vgl. auch Plot. 5,8,3, wo das geistig Intelligible der sichtbaren Form vorausgeht, und Plot. 5,8,1, wo die Kunst nicht das empirisch Sichtbare nachahmt, sondern die rationalen Formen, aus denen die Natur entstanden ist. Alberti könnte die bis dahin nur in Fragmenten erhaltenen Enneaden durch die Begegnung mit Georgios Gemistos Plethon und Nikolaus von Kues kennengelernt haben (Hendrix 2011). 190 Einen Überblick über zentrale Forschungsfragen im Zusammenhang mit dem zweiten Kapitel von Idiota de mente geben Führer 2021; Kny 2021. 191 De mente c. 2, n. 63; Text und Übs. Steiger 1995; siehe dazu Kny 2021, bes. 33.
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Da Nikolaus geometrische Objekte wie Punkte, Linien und Flächen als rein geistig konzipiert, bieten sich Albertis ebenfalls geometrisch definierte lineamenta als ebendiese Urbilder an, die der Künstler von den empirischen Gegenständen abstrahiert.192 Marsilio Ficino (1433–1499), der vielleicht mit Alberti bekannt war, hat die Architektenanalogie etwas später ebenfalls aufgegriffen. In De amore (1468/69), einem Kommentar zu Platons Symposion, führte der Florentiner Neuplatoniker aus, in welchem Sinne geistige und körperliche Formen einander ähnlich sein können: Ein Architekt entwerfe zunächst eine unkörperliche Idee (idea incorporea) des Bauwerks im Geiste und führe diese anschließend mit Baumaterial aus. Die Idee bzw. der geistige Plan seien der eigentliche Grund für die Ähnlichkeit, nicht etwa körperliche Dinge wie das verwendete Baumaterial. Entferne man dieses in Gedanken vollständig, sodass vom Bauwerk nichts Materielles mehr übrig sei, bleibe der geistige Plan dennoch unverändert bestehen:193 Principio architectus aedificii rationem et quasi ideam animo concipit. Deinde qualem excogitavit domum, talem pro viribus fabricat. [. . . ] Age igitur materiam subtrahe si potes, potes autem cogitatione subtrahere, ordinem vero relinque. Nihil tibi restabit corporis, nihil materie. Immo vero idem erit penitus qui ab opifice provenit ordo et qui remanet in opifice. ([Der Baumeister] entwirft zunächst den Grundriß, gleichsam die Idee des Bauwerkes in seiner Seele; dann führt er das Gebäude, nach Maßgabe der äußeren Möglichkeit, so wie er es in Gedanken angelegt hatte, auf. [. . . ] Versuche einmal den Stoff zu entfernen, wenn du kannst! In Gedanken kannst du es. Wohlan, nimm von dem Gebäude den Stoff hinweg und laß den Plan bestehen! Dann wird dir von dem materiellen Körper keine Spur übrig bleiben. Hingegen wird der Plan, welcher von dem Meister herstammt, ein und derselbe sein, wie der noch in ihm verbliebene.)
Obwohl man Alberti und Ficino Unterhaltungen etwa über die Architektur und die Rolle des Architekten unterstellen möchte und die lineamenta kurzerhand mit der „unkörperlichen Idee“ Ficinos gleichzusetzen geneigt ist, könnten die Parallelen ebenso gut von Ficinos Studium der Enneaden herrühren, mit dem er bereits lange vor der Veröffentlichung von De amore begonnen hatte194 – immerhin betont die Forschung neben den Gemeinsamkeiten auch die Unterschiede im Denken der beiden.195 Erwähnt sei schließlich der einflussreiche, einem gewissen Francesco Colonna zugeschriebene Roman Hypnerotomachia Poliphili.196 Zwar wurde dieser erstmals 192 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob und inwieweit Kreativität möglich ist, der Künstler die Urbilder also selber erschaffen kann; zu dieser Forschungsdiskussion siehe Kny 2021, 41–44; siehe auch Schnarr 1978, bes. 189–192. Bei dem Beispiel des Löffelschnitzers handelt es sich um eine Spezialisierung des Architektengleichnisses, das sich an anderer Stelle auch bei Nikolaus findet (Müller 2011, 125–126). 193 Ficino, De amore 5,5; Text und Übs. Hasse/Blum 1984. 194 Im Jahr 1484 begann Ficino mit der Übersetzung der Enneaden, die er nach Überarbeitung und Kommentierung im Jahr 1492 publizierte (Hasse/Blum 1984, XXXV). Der Beginn der Arbeit am Text reichte zu diesem Zeitpunkt jedoch schon Jahrzehnte zurück (Förstel 2020). 195 Siehe z. B. Gadol 1969, 232–234; Hersey 1976, 35; Tatarkiewicz 1974, 106. Die Gemeinsamkeiten betonen Hendrix 2012; Hendrix 2011. 196 Eine Edition mit Kommentar bietet Pozzi/Ciapponi 1980, eine ital. Übs. mit ausführlichem Kommentar bieten Ariani/Gabriele 1998, eine dt. Übs. findet sich in Reiser 2014.
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im Jahr 1499 – also 27 Jahre nach Albertis Tod – in Venedig gedruckt und dürfte nicht als Inspirationsquelle fungiert haben,197 doch verknüpft er die Architektenanalogie explizit mit der Geometrie und führt sie literarisch aus, sodass er zumindest als Zeugnis für die (maßgeblich durch Alberti konsolidierte?) Geläufigkeit und Beliebtheit dieser (neu-)platonischen Denkfigur gelten kann.198 Der Roman, eine gelehrte Traumerzählung, enthält mehrere Ekphraseis von fiktiven, architektonisch raffinierten Bauwerken, die profunde Kenntnisse aufseiten des Autors vermuten lassen. Mehrfach etwa bestaunt Poliphilo, der Protagonist, das Eingangsportal, und versucht, nachdem er die Ausführung der Steinmetzarbeiten aus der Nähe in Augenschein genommen hat, den geometrischen Gestaltungsprinzipien des Architekten auf die Spur zu kommen:199 Per le quale tutte cose, essendo io studioso et di voluptate infiammato di intendere il fetoso intellecto et la pervestigatione acre dil perspicace architecto, dilla sua dimensione et circa il liniamento et la prattica, perscrutandola subtilmente cusì io feci: [. . . ] (Da ich all jene Dinge eifrig studieren wollte, und von Begierde entflammt war, den fruchtbarlichen Verstand und das scharfe Vorausdenken des vorrausschauenden Architekten zu verstehen, tat ich, um mir seine Berechnungen sowohl bezüglich der Besonderheit des Entwurfs [i. Orig.: „liniamento“, G.S.] als auch der Ausführung feinsinnig vor Augen zu führen, also: [. . . ])
Es folgt eine elaborierte Konstruktionsbeschreibung, die genaue Auskunft über Größe und Position der einzelnen Bestandteile gibt, wobei dem, was Alberti wahrscheinlich als lineamenta bezeichnet hätte, nämlich dem zweidimensionalen geometrischen Grundriss, zentrale Bedeutung zukommt. Auch später, beim Tempel der Venus Physizoa (Abb. 2.14, links), gelingt es Poliphilo sofort, die vom Architekten angewandten geometrischen Konstruktionsprinzipien im Geiste zu erfassen:200 Questo sacro templo dunque, per architectonica arte rotundo constructo et dentro della quadrangulare figura nella aequata area solertemente exacto et quanta trovasse la diametrale linea tanta rende la sua celsitudine et nel circulo nell’area contento notase una qudratura; da una pleura della quale sopra la diametrale linea verso la circunferentia, tale spatio divise in cinque partitione et verso el centro suppliva una sexta. Dalla quale havendo poscia circinato un’altra circulare figura, el docto architecto questa egregia structura et superbo aedificio havea levato [. . . ]. (Dieser heilige Tempel war nach architektonischer Kunst rund ausgeführt und auf dem ebenen Bezirk sorgfältig innerhalb einer quadratischen Figur ausgeführt. Und soweit, wie sich deren Querlinie abnehmen ließe, soweit ergibt sich seine Höhe. Und im in dessen Fläche enthaltenen Kreise ist ein Quadrat eingezeichnet. Von einer Seitenlinie von jenem, auf der Linie des Kreisdurchmessers hin zum Umfang, war die sich ergebende Strecke in fünf Abschnitte geteilt, und gegen den
197 Gelegentlich wird erwogen, Alberti sei der Autor dieses Romans gewesen (Kessler 2021, 208; March 2015; Goebel 2006; Lefaivre 1997). Die vorgebrachten Argumente allerdings, die nicht selten Zahlenmystik stärker gewichten als literaturwissenschaftliche Überlegungen, sind nicht zwingend. Vor allem hinsichtlich der verwendeten Sprache und Terminologie gibt es ernstzunehmende Einwände gegen eine Autorschaft Albertis (Burioni 2013, 361, 371; Nuovo 2007; Tönnesmann 2006; Curran/Grafton 2000; Stewering 2000, 19–21). 198 Siehe dazu Moore 2010. 199 Colonna, Hypnerotomachia Poliphili c 1v , Pozzi/Ciapponi 1980, 34; Übs. nach Reiser 2014. 200 Colonna, Hypnerotomachia Poliphili m 6v , Pozzi/Ciapponi 1980, 191; Übs. Reiser 2014.
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Abbildung 2.14: Aldus Manutius (Drucker): Hypnerotomachia Poliphili, Venedig 1499, Staatsbibliothek zu Berlin – PK, 4° Inc 4508a, Tempel der Venus Physizoa (fol. 103r , links) – Grundriss der Insel Kythera (fol. 156r , rechts)
Mittelpunkt hin war ein sechster ergänzt. Von jenem aus war alsdann eine andere kreisrunde Figur eingezeichnet. Der gelehrte Architekt hatte, was die Hauptteile betraf, darauf dieses erhabene Bauwerk und vortreffliche Gebäude emporgezogen [. . . ].)
Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang noch auf den Grundriss der Insel Kythera (Abb. 2.14, rechts), dem große Ähnlichkeit mit Albertis Stadtkarte bescheinigt wurde, um dessen Autorschaft am Text zu stützen.201 Zwingend allerdings ist dies nicht, da kreisförmige Diagramme dieser Art seit Langem in der Astronomie und (symbolischen) Kartographie genutzt wurden und der Grundriss der Insel außerdem in 20 radiale Segmente, nicht in 48 eingeteilt ist.202
2.6.2 Die aristotelische Interpretation Eine aristotelische Interpretation des lineamenta-Begriffs wurde maßgeblich von Branko Mitrović entworfen.203 Ausgangspunkt ist ebenfalls der Beginn von De re aedificatoria sowie die Beobachtung, dass die Begriffspaare lineamenta et structura und forma et figura aristotelische Konzepte aufrufen. Zwar war es für Alberti naheliegend, sich eines konventionellen Bezugsrahmens zu bedienen, jedoch sei dieser zu eng geworden, um die für sein Denken so zentrale Dimension des Visuellen adäquat zu erfassen. Albertis Neuerung sei es gewesen, in Abkehr vom orthodoxen
201 Kessler 2021, 208. 202 Siehe Kapitel 2.4.1. Wenn die Überlegungen in Anm. 103 auf S. 49 stichhaltig sind, dann müsste bei der Faktorisierung der 20=4·5 Segmente vor allem der Faktor 5 erklärt werden. 203 Massalin/Mitrović 2008, bes. 173–178; Mitrović 2005. Darauf basiert das Folgende.
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Aristotelismus eine Neubesetzung der ‚Form‘ im Begriffspaar Form–Materie und somit dessen Rekonfiguration für die Architektur vorzunehmen. Mithilfe der Begriffe Form (εἶδος, μορφή) und Materie (auch: Stoff, ὕλη) analysiert Aristoteles die Zusammensetzung und Veränderung von natürlichen Organismen und der vom Menschen hergestellten Gegenstände.204 Illustriert werden diese Konzepte unter anderem anhand eines Bettes aus Holz: Dieses besteht aus einer bestimmten äußeren Form, nämlich einer länglichen Fläche, die zum Daraufliegen geeignet ist und ggf. auf Stützen ruht, und einem Material, dem Holz. Das Wesen des Bettes, sein τί ἦν εἶναι,205 also das, was das Bett zu einem Bett macht, ist aber nicht das Material, aus dem es besteht – das Bett könnte ebenso gut aus Metall oder Stein gefertigt sein und wäre immer noch ein Bett. Das Wesen eines Bettes ist vielmehr bestimmt durch seine äußere Form, in diesem Fall die längliche Fläche, die geeignet ist, sich daraufzulegen. Wäre diese Form nicht gegeben, das Holz also beispielsweise unbearbeitet geblieben, hätte man sich nicht darauflegen können und würde nicht von einem Bett sprechen. In diesem Beispiel bezeichnet ‚Form‘ die äußerlich-physische, empirisch wahrnehmbare Formgebung eines Gegenstandes, doch wird der Ausdruck von Aristoteles im Allgemeinen in einem viel weiteren Sinne gebraucht, sodass so gut wie jede Eigenschaft darunter fällt, die erworben und verloren werden kann. Die Form des menschlichen Körpers beispielsweise ist die Seele.206 Alberti nun habe konstatieren wollen, dass das Wesen eines Bauwerkes durch die visuell-formale Eigenschaft der äußeren Form (im umgangssprachlichen Sinne) bestimmt sei. Die aristotelischen Termini allerdings waren durch die mittelalterliche Übersetzungstätigkeit semantisch unscharf geworden: Zwar wäre σχῆμα am ehesten geeignet gewesen, um sich auf die äußere, geometrische Form zu beziehen, doch wurde dieser Begriff von den Aristoteles-Übersetzern nicht selten gleichgesetzt mit μορφή oder εἶδος, was dazu führte, dass sie σχῆμα, μορφή und εἶδος nahezu ohne Bedeutungsunterschied bald durch forma, bald durch figura wiedergaben.207 Um terminologische Klarheit herzustellen und einen semantisch trennscharfen Begriff zur Bezeichnung der äußeren Form eines Bauwerkes zu verwenden, musste Alberti also sowohl forma als auch figura vermeiden. Stattdessen führte er die lineamenta ein. Im Anschluss an dieses quasi-aristotelische Konzept kann er dann ganz aristotelisch feststellen, dass forma und figura eines Bauwerkes, also sein Wesen, auf den lineamenta beruhen und von ihnen (im Idealfall) verwirklicht werden.208 Interessant ist, dass Alberti die lineamenta unter diesen Bedingungen in die Nähe aristotelischer Universalien rückt. Als Universalien gelten bekanntlich Eigenschaften, die nicht nur einem einzigen, sondern mehreren Einzeldingen zukommen, 204 Zum Konzept von Form und Materie bei Aristoteles (und in der antiken Philosophie) siehe Beere 2021; Gasser 2015; Bordt 2008; Bormann / Franzen u. a. 1972. 205 Vgl. Aristot. Metaph. 7,7,1032b2–14. Zu diesem vieldiskutierten Begriff siehe Liske 2008; Sonderegger 2001; Hühn 1998; Weidemann 1996. 206 Vgl. Aristot. An. 2,1,412a19–21. 207 Mitrović 2005, 54–56. Gleichwohl wurde σχῆμα häufiger durch figura wiedergegeben (Mitrović 2005, 55). Den Begriff μορφή gebraucht Aristoteles im Vergleich zu εἶδος eher blass und bisweilen synonym zu σχῆμα (Hübner 2008, 289). 208 Mitrović 2005, 110; vgl. ebd., 103 Anm. 279.
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z. B. die Eigenschaft, ein Mensch zu sein.209 Aristoteles zufolge kann theoretisches Wissen nur von Universalien, nicht von Einzeldingen erlangt werden.210 Ein Bauwerk ist demnach nur dann ‚theoriefähig‘, wenn es mindestens eine Eigenschaft aufweist, die auch anderen Bauwerken zukommen kann. Eine solche Eigenschaft bietet Alberti mit seinen lineamenta explizit an.211 Obwohl er im Gegensatz zu Vitruv die Begriffe ars und scientia sorgsam vermeidet, befreit er die Architektur also keineswegs von einem theoretisch-wissenschaftlichen Anspruch.
2.6.3 Konvergenzen Marsilio Ficino wäre wohl nicht verwundert darüber gewesen, dass die moderne Forschung sowohl eine platonische als auch eine aristotelische Deutung des lineamenta-Begriffs vorgeschlagen hat, bezeichnete er Alberti doch als vertraut mit beiden Disziplinen.212 Alberti rezipierte nachweislich (neu-)platonische Texte und Konzepte, was etwa bei seinem Verständnis von Schönheit offenkundig wird,213 und verkehrte in (neu-) platonischen Kreisen: Neben Ficino und (wahrscheinlich) Nikolaus von Kues hatte er Kontakte zur Platonischen Akademie in Florenz.214 Andererseits demonstriert Alberti in seinen Schriften wiederholt, dass er wie selbstverständlich in aristotelischen Bahnen zu denken gewohnt war – nicht zuletzt die Nachwirkung seiner Ausbildung in Padua und Bologna, zwei Hochburgen des Aristotelismus.215 Beide Deutungen berühren sich in der Gegenüberstellung von Sichtbarem und Unsichtbarem sowie in der Betonung des Geistigen, das „‚ästhetisch‘ oder künstlerisch produktiv ist“ und bewirkt, dass der Mensch „als ein die natura naturans abbildender ‚Schöpfer‘ oder ‚kleiner/anderer‘ Gott nobilitiert werden“ kann.216 Im Detail allerdings überwiegen die Unterschiede. Hingewiesen sei etwa auf eine ge209 Aristot. Int. 7,17a38–17b1; Metaph. 6,13,1038b11 f. 210 Aristot. APo. 31,87b38 f.; An. 2,5,417b22 f.; Metaph. 11,1,1059b25 f.; 11,2,1060b20; 13,9,1086b5 f.; 1086b33; E.N. 6,6,1140b31; 10,10,1180b15 f. 211 Mitrović 2005, 52. Dem damaligen Verständnis zufolge werden Universalien über Materie individuiert (ebd.), was die Einteilung in lineamenta und structura folgerichtig erscheinen lässt. 212 Aus Ficinos Timaios-Kommentar: Petrum Leonem Spoletinum novimus, mathematicorum maxime beneficio non Aristotelicos tantum, verumetiam Platonicos iam sensus penetravisse. Florentiae vero Baptistam Leonem Albertum ab eisdem disciplinis exorsum, opus in architectura pulcherrimum edidisse („Mir ist bekannt, dass Pierleone da Spoleto vor allem mit Hilfe der Mathematik nicht nur aristotelische, sondern auch platonische Gedanken durchdrungen hat; dass in Florenz Battista Leon Alberti von denselben Lehren ausgehend ein sehr schönes Werk über Architektur herausgegeben hat“, Petri 1576, Bd. 2, 1464r ); siehe dazu Hersey 1976, 34–35. 213 Siehe Anm. 188 auf S. 70. 214 Zur Platonischen Akademie in Florenz siehe Field 1988; Kristeller 1961; sowie die ältere Studie Della Torre 1902; zu Alberti bes. ebd., 577–579. 215 Siehe z. B. Blum 2010, 99; Mastrorosa 2005, 135; Mastrorosa 2004; Carpo 2001a, 119– 120; Jarzombek 1990; Roccasecca 2016, 87–126; Edgerton 1969. Zu Albertis Ausbildung siehe oben Kapitel 2.2. 216 Leinkauf 2007, 86 (Hervorhebung im Original). Leinkauf benennt dies als charakteristische Gemeinsamkeit von platonischer und aristotelischer Strömung.
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nerelle Inkompatibilität: Das εἶδος beantwortet zwar sowohl bei Platon als auch bei Aristoteles die Definitionsfrage und bezieht sich nicht ausschließlich auf die äußere Form,217 doch während es bei Platon nur über das Denken erfassbar und ewig seiend ist, ist es bei Aristoteles den Sinnen zugänglich und nur so lange existent, wie es in einem konkreten Gegenstand instanziiert ist. Nach Platon werden die lineamenta eines Bauwerkes also entdeckt, nach Aristoteles werden sie erschaffen und hören in dem Moment auf zu existieren, wenn es kein Bauwerk mehr gibt, das auf ihnen basiert.218 Konkret spricht gegen eine rein platonische Deutung, dass Alberti für die lineamenta, genau wie Aristoteles für die Geometrie, nie eine vom Stoff unabhängige Existenz postuliert hat, sondern sie eher wie Abstraktionsprodukte behandelt.219 Eine rein aristotelische Deutung scheitert daran, dass Alberti das Wesen eines Bauwerkes über die äußere Form definiert. Anders als noch im Mittelalter ist diese zwar mit mathematischen Mitteln beschreibbar geworden,220 doch wird das Wesen einer Sache bei Aristoteles verbal bestimmt, nämlich als Antwort auf die τί ἐστιν-Frage.221 Des Weiteren haben die von der Natur geschaffenen Dinge ein Wesen, das durch die Herstellung eines Artefaktes nicht geändert werden kann. Würde man das erwähnte Holzbett in der Erde verscharren und käme ein neuer Trieb hervor, so Aristoteles’ Gedankenexperiment, dann würde ein neuer Baum wachsen, kein neues Holzbett.222 Ein von Menschenhand hergestelltes Haus etwa hat sehr wohl ein Wesen, das Aristoteles aber nicht in der äußeren Form, sondern in dessen Funktion sieht (z. B. Schutz, Lagerraum).223 Wie stark Alberti von der aristotelischen Orthodoxie abweicht, macht ein Vergleich mit dem mehrere Jahrzehnte später erschienenen Vitruv-Kommentar Daniele Barbaros (1513–1570) deutlich.224 Diese Befunde decken sich mit der Beobachtung, dass zu Albertis Zeit ohnehin kein „unvermitteltes Nebeneinander zwischen platonisch-neuplatonischer und 217 Bordt 2008, 119 f. 218 Nach Mitrović 2005, 30. 219 „Alberti was not a Platonist and he never postulated that lineaments could somehow exist separately from the material objects in which they are instantiated“ (Mitrović 2005, 52). Dennoch meint man, bei den Ausführungen von Mitrović die oben zitierte Stelle aus Ficinos De amore wiederzuerkennen: „The entity conceived in the architect’s mind and the building, executed on the basis of that idea, must have some properties in common. Alberti’s lineaments, lineamenta, are thus the properties which constitute the architecturally relevant similarity between a building as a material, three-dimensional, spatial object and that same building as conceived in the mind of the architect“ (Mitrović 2005, 31). 220 Weisheipl 1978, 478. 221 In letzter Konsequenz sind Aristoteles und die euklidische Geometrie inkompatibel, unter anderem da geometrische Objekte an physikalische Objekte gebunden sind und die für die Beweise benötigten Linien, die mitunter sehr klein werden können, nicht ohne Weiteres existieren (Felgner 2020, 41–42, 97–103). 222 Aristot. Phys. 2,1,193a12–17. 223 Aristot. Metaph. 8,2,1043a14–19. Bei Alberti heißt es hingegen: Cumque aedificiorum varii essent usus, pervestigandum fuit an eadem lineamentorum finitio quibusque operibus conveniret („Da jedoch die Gebäude verschiedenen Bedürfnissen dienen, so war dem nachzuforschen, ob dieselbe Austeilung der Zeichnungen für alle Bauwerke passe“, Res aed. prol. Orlandi/ Portoghesi 1966, 15,21–22; Übs. Theuer 1975, 14). 224 Siehe dazu Mitrović 2005, 58–61.
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2 Entstehungskontexte
aristotelisch-lateinischer Tradition“ anzutreffen war, sondern eher „eine gewisse Durchdringung und gegenseitige Befruchtung beider Strömungen“, zumal in der Kunst.225 Man wird Alberti schwerlich als Platoniker oder Aristoteliker strenger Observanz apostrophieren können, schon gar nicht allein aufgrund der Beobachtungen dieses Kapitels, doch ist sein grundsätzliches Interesse für philosophische Themen offenkundig.226 Im Lichte dieser Beobachtungen scheint die Betonung der geistigen Leistung des Künstlers das Hauptanliegen von Albertis lineamenta-Begriff zu sein, der somit im Kontext seiner Bemühungen um die Aufwertung der handwerklich-künstlerisch arbeitenden Berufe steht.227 Dieses Ansinnen äußert er explizit und implizit an mehreren Stellen, etwa in De pictura228 oder im Momus:229 Referam quae non a philosopho – nam vestra omnis ratio nisi in argutiis et verborum captiunculis versatur – sed a pictore quodam memini audivisse. Is quidem lineamentis contemplandis plus vidit solus quam vos omnes philosophi caelo commensurando et disquirendo. (Ich will dir etwas erzählen, das ich nicht von einem Philosophen gehört habe [denn eure ganze Weisheit besteht nur aus Spitzfindigkeiten und Wortverdrehungen], sondern von einem Maler, woran ich mich noch gut erinnere. Der sieht nämlich, wenn er sich in die Umrisse [lineamenta] der Dinge vertieft, viel mehr als all ihr Philosophen zusammen mit euren Abmessungen und Untersuchungen über den Himmel.)
Ob es zielführend oder überhaupt möglich ist, genau ein exklusives Vorbild für Albertis lineamenta zu ermitteln, darf bezweifelt werden. Viel eher dürfte er sich pragmatisch und ‚ergebnisorientiert‘ – eben zur Aufwertung des Künstlers – im vorhandenen Begriffsangebot bedient haben, ohne von genuin philosophischem Interesse geleitet gewesen zu sein oder sich auf allzu weitreichende Implikationen innerhalb eines bestimmten Theoriegebäudes verpflichten zu wollen. Dieser Befund ist symptomatisch für Albertis eklektische Arbeitsweise. Im Zusammenhang mit der Descriptio urbis Romae bietet sich folgende Deutung an: Die Aufgabe, die lineamenta von Bauwerken, Mauer- und Flussverläufen zu ermitteln, ist anspruchsvoll und nur mit dem entsprechenden ingenium überhaupt zu bewältigen, ein Vermögen, das Alberti implizit natürlich für sich in Anspruch 225 Leinkauf 2007, 85–86; vgl. Stowell 2015, 74; siehe auch Senger 1986. Im Quattrocento gab es die von Cicero bzw. Boethius angeregte Bestrebung, Platon und Aristoteles zu harmonisieren (Flasch 2020, 59–61). 226 Die ältere Annahme, Alberti habe sich in keiner Weise für Philosophie interessiert, erscheint nicht mehr haltbar (vgl. z. B. Władysław Tatarkiewicz: „He also knew Plato, but did not make use of his philosophy, for philosophy did not interest him, and the Platonic style of thinking was foreign to him“; Tatarkiewicz 1974, 80); siehe z. B. Vasoli 2007. Dass Alberti, etwa im Momus, Kritik am zeitgenössischen Philosophiebetrieb übt, steht dazu nicht im Widerspruch. 227 So auch Di Stefano 2000, 118–128, die für platonisch gefärbte Einflüsse Ciceros argumentiert. Zum Verhältnis von Hand und ingenium bei Alberti siehe Bätschmann/Schäublin 2011, 72– 77; zu Pier Paolo Vergerios Aufwertung des Künstlers siehe Anm. 22 auf S. 28. 228 Siehe auch den Ausblick auf das zweite Buch: Sequitur ut pictorem instituamus quemadmodum quae mente conceperit ea manu imitari queat („Im Folgenden indes soll meine Unterrichtung der Frage gelten, wie der Maler das, was er in seinem Sinn entworfen hat, mit der Hand nachzuahmen vermag“, Pict. lat. 1,24; Text und Übs. Bätschmann/Schäublin 2011). 229 Alberti, Mom. 4,42; Text D’Alessandro / Furlan / Laurens 2019, Übs. Boenke 1993.
2.6 Zum Begriff der lineamenta
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nimmt.230 Ihm ist es gelungen, die äußere Form der vermessenen Objekte unter Absehung von der Materie mit Geraden und Winkeln zu erfassen. Durch die schriftliche Fixierung hat er darüber hinaus die Möglichkeit geschaffen, diese Informationen an Dritte weiterzugeben,231 sodass selbst ein Maler mit mittelmäßigem ingenium (mediocri ingenio praeditus) in der Lage ist, das für die künstlerische Darstellung relevante ‚Wesen‘ der Stadt, also den Verlauf bzw. die Position der Mauern, des Tiber und der Gebäude realitätsgetreu wiederzugeben.232 Die gezeichnete Karte wäre demnach nicht das Endprodukt, sondern lediglich der Ausgangspunkt etwa zur Ausführung eines Gemäldes.233 Nimmt man die rein geistige Komponente, die Verankerung in Albertis Architekturtheorie und das Konzept der schriftlichen Fixierung zur Weitergabe an Dritte zusammen, so kann man, zumindest im Falle der Descriptio, überdies zu dem Schluss kommen, dass die lineamenta notwendigerweise geometrisch sind.234
230 Das ingenium ist bei Alberti eine verschieden stark ausgeprägte, in Grenzen trainierbare geistige Fähigkeit einer Person, die in erster Linie dazu befähigt, etwas Neues zu erfinden. Sie kann sich in Kunst- oder Bauwerken niederschlagen und so von außen sichtbar werden (Horton 2010, 443–454). 231 Die Interpretationen des lineamenta-Begriffs haben zu unterschiedlichen Auffassungen in der Frage geführt, ob es sich um ein rein geistiges Konzept handelt oder ob ausschließlich der materialisierte, gezeichnete Entwurf gemeint ist. Derzeit scheint eine mittlere Position Zuspruch zu finden, derzufolge es sich zwar um etwas im Geiste Produziertes handelt, das jedoch bei Bedarf auf Papier übertragen werden kann (Terzoglou 2010; Mitrović 2005, 39–47). 232 In den Worten von Caspar Pearson: „The Descriptio does not rely on perspective but presents an alternative method of systematizing spatial relations, not as they appear from a realistic point of view but as they ‚actually are‘“ (Pearson 2011, 88); vgl. auch die Darstellung des Tempels der Venus Physizoa in der Hypnerotomachia Poliphili (siehe S. 72). In der Architektur erfüllen die lineamenta die Funktion des vorab erstellten, stets zu befolgenden Bauplans – eine für das zeitgenössische Italien keineswegs selbstverständliche Forderung (Horton 2010, 470–477) –, sollen also in gewissem Sinne die identische Reproduktion des Entwurfs sicherstellen. 233 In den Worten von Leonard Barkan: „ [. . . ] it acted as a sort of prolegomenon to a map of Rome [. . . ]“ (Barkan 1999, 31); vgl. die Beobachtungen zur modernen Vektorgraphik in Kapitel 3.1. 234 Aus diesem Grund wird der lineamenta-Begriff in der in Kapitel 6 vorgelegten deutschen Übersetzung der Descriptio paraphrasierend durch „geometrische Linienführung“ wiedergegeben.
3 BESCHREIBT ALBERTIS DESCRIPTIO URBIS ROMAE EINEN ALGORITHMUS? 3.1 ZU ALBERTIS (SCHEINBARER?) MODERNITÄT Innerhalb der Alberti-Forschung gibt es die Tendenz, weitreichende Parallelen zwischen den von Alberti in seinen mathematisch-technischen Schriften beschriebenen Verfahren und moderner Digitaltechnologie zu ziehen. In Burckhardt’schem Geiste wird der Humanist als prophetischer Archeget moderner Technologien vereinnahmt, die erst Jahrhunderte nach seinem Tod (wieder)entdeckt wurden und Marktreife erlangten.1 So sieht man in seinem Schaffen den „koordinative[n] Nullpunkt für eine [. . . ] kartographische Orientierung“ mithilfe von mobilen Navigationssystemen2 oder die Geburtsstunde der digitalen Darstellungstechnik.3 Sogar Algorithmen soll Alberti beschrieben haben:4 Die „signifikante Differenz zwischen Albertis digitalen Maschinen und unseren heutigen“ bestehe „einzig darin, dass unsere Maschinen mit Strom betrieben werden“.5 Zentrale Probleme, die Alberti in den mathematisch-technischen Schriften umgetrieben haben, sind scheinbar dieselben, die sich in der modernen, immer stärker digitalisierten Gesellschaft in bis dahin nicht gekannter Dringlichkeit gestellt haben und nach wie vor stellen, nämlich die identische Reproduzierbarkeit und die fehlerfreie, sichere Übertragung von Informationen. Beide Probleme hängen eng zusammen und tauchen in verschiedenen Kontexten auf: Eine Textnachricht beispielsweise muss den Empfänger genau so erreichen, wie der Sender sie abgeschickt hat, zumal wenn es sich um einen Vertrag, eine Kündigung oder einen anderwei1
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Der prominenteste Vertreter dieser Strömung ist Mario Carpo (vgl. S. 17). Da im Folgenden weder eine Polemik noch eine detaillierte Auseinandersetzung mit seinen Thesen angestrebt sind, werden die einschlägigen Arbeiten lediglich exemplarisch für eine anachronistische Lesart von Albertis Schriften herangezogen. Thielmann 2010, 235 f. Zinsmeister 2007, 261. Siehe z. B. Carpo 2011a, 105 f.: „But the transition from identical to differential reproduction also revives some aspects of a pre-Albertian technocultural environment, [. . . ] while at the same time evoking a neo-Scholastic frame of mind, based on algorithmically defined, fixed genera and endlessly drifting visual species“; Carpo 2009, 61: „Denn wie wir heute wissen, sind die Algorithmen, die Alberti für die identische Reproduktion einsetzte, in Wirklichkeit geeigneter, um Mutationen der Reproduktion des Gleichen zu erzeugen [. . . ]“; Carpo 2001a, 123: „The replacement of ecphrasis by algorithms might have seemed somewhat strange to Alberti’s contemporaries, who indeed did not embrace his technique – one that would have incited the enthusiasm of computer programmers twenty years ago“. Carpo 2009, 57. Vgl. Carpo 2008, 52: „The only significant difference between Alberti’s digital processes and ours is that the huge amount of numerical data generated by digitization are now automatically processed by electric machines, whereas Alberti’s hand-operated machines would have been, we may assume, somewhat slower.“
3.1 Zu Albertis (scheinbarer?) Modernität
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tig juristisch relevanten Inhalt handelt. Weder durch Störungen in der Übertragung noch durch Fehler bei der Darstellung dürfen Wörter hinzugefügt, verändert oder gelöscht werden. Ähnliches gilt mutatis mutandis für Sprach- und Videonachrichten, aber auch für Abbildungen und Graphiken: Die Karte in einem Navigationsgerät darf keine übertragungsbedingten oder gar in böswilliger Absicht herbeigeführten Fehler aufweisen, um die (sichere) Navigation vom Start- an den Zielort nicht zu gefährden. In diesem Kapitel soll einerseits plausibel gemacht werden, dass wenn man von den Spezifika der technologischen Realisierung abstrahiert und die Probleme auf konzeptueller Ebene betrachtet, sich in Albertis Lösungsansätzen tatsächlich ähnliche Prinzipien wiedererkennen lassen, die moderner Technologie zugrunde liegen. Andererseits aber sollen Gründe dafür vorgebracht werden, ihn trotz dieses Befundes nicht vorschnell zum Pionier der Digitaltechnik zu erklären. Dass Kopisten bei der Abschrift einer Vorlage Fehler unterlaufen, ist ein seit jeher bekanntes Problem, das zwar leidig, aber außerhalb von Philologenkreisen normalerweise kaum dazu geeignet ist, für Furore oder Kopfzerbrechen zu sorgen. Wenn jedoch, wie im Fall von Albertis De re aedificatoria, das Aussehen oder gar die Stabilität eines Gebäudes von korrekten Zahlenangaben abhängt, dann müssen diese unter allen Umständen korrekt reproduziert werden, zumal sie sich nur selten aus dem Kontext erschließen und korrigieren lassen. Römische Zahlen allerdings sind, genau wie arabische, aufgrund ihrer Kürze besonders leicht zu entstellen, sei es durch Haplographie (z. B. xx → x), Dittographie (z. B. x → xx) oder Umstellung von Buchstaben (z. B. lx → xl). Dieses Problem konnte Alberti zwar nicht aus der Welt schaffen, dafür aber immerhin einen Reproduktionsmodus verlangen, der die nachträgliche Fehlerkorrektur ermöglicht. Zweimal wandte er sich direkt an den Kopisten des Textes mit der eindringlichen Bitte, die verwendeten Zahlen nicht durch römische Zahlzeichen wiederzugeben, sondern als Wörter auszuschreiben.6 Modern gesprochen hat er den Kopisten damit angewiesen, die Zahlen nicht so sparsam wie möglich zu schreiben, sondern Redundanz hinzuzufügen. Die Zahl vierzig beispielsweise soll nicht durch „xl“, sondern mit über dreieinhalbmal mehr Zeichen geschrieben werden, nämlich durch die elf Zeichen des Zahlwortes „quadraginta“. Dieses ist viel stärker gegen die erwähnten Fehler gefeit: Quadragita, quadranginta oder quardaginta lassen sich mühelos zu quadraginta korrigieren. Durch den Überschuss an Information wird also eine Fehlertoleranz erkauft. 6
Hic peto ab his, qui hoc nostrum opus exscribant, numeros, qui recensebuntur, non figuris, sed nominibus Latinis litteris referant, ut sic: duodecim viginti quadraginta et eiusmodi, non xii xx xl („Hierbei erbitte ich von jenen, welche dieses mein Werk abschreiben, die Zahlen, welche ich angebe, nicht mit Ziffern, sondern mit Worten in lateinischen Buchstaben wiederzugeben, z. B. zwölf, zwanzig, vierzig u. dgl., nicht xii, xx, xl“, Alberti, Res aed. 7,6 Orlandi/Portoghesi 1966, 565,5–8; Übs. Theuer 1975, 360); Hic iterum peto ab his, qui haec exscribent, et id iterum atque iterum peto, ut numeros, qui recensebuntur, non figuris, sed suis integris nominibus explicent, quominus vitientur erroribus („Hier ersuche ich wieder die, welche dies abschreiben, und bitte sie wieder und immer wieder, daß sie die Zahlen, welche hier angegeben werden, nicht mit Ziffern sondern, mit ihren ganzen Worten erklären, um weniger Irrtümer zu begehen“, Res aed. 7,9 Orlandi/Portoghesi 1966, 587,26–591,2; Übs. Theuer 1975, 372). Zur Interpretation dieser Stellen siehe Wulfram 2012a.
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3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
Das Grundprinzip ist vergleichbar mit der Zyklischen Redundanzprüfung (Abk. CRC für eng. Cyclic Redundancy Check), einem in den 1960er Jahren entwickelten Verfahren zur Fehlererkennung in Datenübertragungen, das unter anderem bei der Kompression von ZIP- und PNG-Dateien oder beim Funkstandard Bluetooth zum Einsatz kommt.7 Hierbei wird das zu übertragende Datenpaket um einen Prüfwert erweitert, der die Erkennung einer fehlerhaften Übertragung durch den Empfänger ermöglicht. Das CRC-Verfahren allerdings ist auf beliebige Daten anwendbar und wird für die gesamte Übertragung bzw. Datei eingesetzt, während Alberti vor allem an den Zahlzeichen interessiert war. Jedes einzelne Wort des Textes mit Redundanz abzusichern, beispielsweise durch simple Verdopplung des Wortes oder seiner Buchstaben (z. B. aedificatoriaaedificatoria oder aaeeddiiffiiccaattoorriiaa), war nicht angestrebt und hätte sowohl einen ästhetisch unzumutbaren Text als auch einen im Handschriftenzeitalter unverhältnismäßigen Mehraufwand bedeutet. Zusätzliche Datenmengen dieser Größenordnung fallen heutzutage längst nicht mehr ins Gewicht, zumal die Redundanz allein der Verarbeitung dient und gar nicht am Bildschirm dargestellt wird. Alberti dachte auch über die Verschlüsselung von Texten nach, also darüber, wie der Inhalt nicht für jedermann, sondern nur für eingeweihte, berechtigte Personen zu entziffern sei. Aus der Antike waren zwar Verfahren überliefert, doch erwiesen sich diese in einem entscheidenden Punkt als anfällig: Polybios beschreibt eine Verschlüsselung, bei der jedem Buchstaben des Alphabets eine Kombination aus zwei Ziffern zugewiesen wird, die jeweils von 1 bis 5 laufen (z. B. quadraginta → 41 45 11 14 42 11 22 24 33 44 11).8 Iulius Caesar soll sensible Botschaften für Uneingeweihte unleserlich gemacht haben, indem er jeden Buchstaben durch den überübernächsten Buchstaben im Alphabet ersetzte, also um drei Buchstaben verschob (z. B. quadraginta → txdgudjlqwd).9 Die Schwäche beider Verfahren besteht darin, dass sich die verschlüsselte Botschaft sogar ohne Kenntnis des Schlüssels (Polybios-Quadrat bzw. Anzahl verschobener Buchstaben) mit vertretbarem Aufwand rekonstruieren lässt. Alberti war nämlich aufgefallen, dass Buchstaben und Buchstabenkombinationen unterschiedlich häufig in einer Sprache benutzt werden. Im Lateinischen beispielsweise sind rund 43 % der Buchstaben Vokale, wobei das E am häufigsten vorkommt, dicht gefolgt von A und I; O und U sind nur etwa halb so häufig anzutreffen wie die anderen Vokale.10 Egal durch welches arbiträre Zeichen die Buchstaben der zu verschlüsselnden Botschaft ersetzt werden, so führt Alberti in De cifris scharfsinnig aus, bleiben diese sprachlichen Grundstrukturen unversehrt 7 8
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Die Originalpublikation ist Peterson/Brown 1961; eine neuere Darstellung bieten Bruen/ Forcinito 2005, 379–388. Eine Beschreibung des Verschlüsselungsverfahrens und seiner praktischen Benutzung bietet Polyb. 10,45,6–46,13. Die Zuweisung von Zahlen und Buchstaben erfolgt über ein handliches Quadrat, das sogenannte Polybios-Quadrat. Überliefert ist die sogenannte Caesar-Chiffre in Suetons Kaiserviten (Iul. 56,6); siehe dazu z. B. Beutelspacher 2015, 5–10; Bruen/Forcinito 2005, 18 f.; Churchhouse 2004, 13–27. In den frühen Tagen des Internet wurde ROT13, eine Verschiebung um 13 Buchstaben, eingesetzt, um das unbeabsichtigte Lesen potenziell anstößiger Texte zu erschweren. Die Angaben basieren auf den von Bernard Ycart anhand eines Korpus von Dichtern und Rednern ermittelten Werten (Ycart 2014, 259).
3.1 Zu Albertis (scheinbarer?) Modernität
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erhalten und geben findigen Geistern Anhaltspunkte für die Entschlüsselung.11 Die von ihm vorgeschlagene Lösung besteht darin, die Buchstaben der Botschaft nicht immer durch die gleichen, sondern durch ständig wechselnde Buchstaben zu ersetzen.12 Somit lässt sich von der Häufigkeit eines Buchstabens in der verschlüsselten Botschaft nicht mehr auf die Häufigkeit dieses Buchstabens in der ursprünglichen Botschaft schließen. Albertis Beobachtung ist höchst bemerkenswert, und die daraus abgeleitete Verschlüsselungstechnik, die polyalphabetische Verschlüsselung, wird zu Recht als wichtiger Meilenstein der Kryptographie gewertet. Die Moderne allerdings muss sich neuen Herausforderungen stellen. Obwohl Albertis Verfahren wohl selbst nach heutigen Maßstäben hinreichend sicher wären,13 hat die explosionsartige Zunahme an Kommunikationsverbindungen zwei Probleme geschaffen, die es inzwischen unbrauchbar machen würden: Erstens ist die Verschlüsselung symmetrisch, Sender und Empfänger verwenden also denselben Schlüssel (die anfängliche Vertauschung der Buchstaben), der ebenfalls verschlüsselt übertragen oder aber persönlich (bzw. per Boten) überbracht werden müsste. Ersteres würde ad infinitum neue Schlüssel erforderlich machen, letzteres viel zu lange dauern (oder wäre zu unsicher). Zweitens ist für jeden Kommunikationspartner ein eigener Schüssel erforderlich, was bei der Vielzahl an genutzten Verbindungen zu unpraktikabel vielen Schlüsseln führen würde.14 Erst in den 1970er Jahren – als die Menschheit bereits seit rund 4 000 Jahren Nachrichten verschlüsselt hatte – wurden asymmetrische Verfahren entwickelt, die eine Verschlüsselung erlauben, ohne zuvor einen geheimen Schlüssel ausgetauscht zu haben. Die grundlegende Neuerung bestand darin, dass jeder Kommunikationspartner zwei (mathematisch zusammenhängende) Schlüssel verwendet, einen öffentlichen, den jeder kennen darf, und einen geheimen, der niemandem sonst zugänglich ist. Beim sogenannten Diffie-Hellman-Schlüsselaustausch generieren beide Kommunikationspartner auf Basis ihres eigenen geheimen Schlüssels und des öffentlichen Schlüssels des jeweils anderen getrennt voneinander denselben neuen, geheimen Schlüssel, der für die weitere Kommunikation verwendet werden kann.15 Beim RSA-Verfahren hingegen wird eine Nachricht nur mit dem öffentlichen Schlüssel des Empfängers verschlüsselt, woraufhin nur noch dieser mithilfe seines geheimen
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Alberti, Cifr. 9. Ediert ist der Text in Buonafalce 1998, eine englische Übersetzung mit Anmerkungen bieten Williams/March 2010, 169–200, eine französische Übersetzung findet sich in Furno 2000a. Besprochen wird De cifris z. B. in DuPont 2017; Saiber 2017, 21–48; Ycart 2014; Ycart 2013; Galimberti 2010; siehe auch Grafton 2008. Zur Geschichte der Kryptographie siehe z. B. Glei 2023; Mollin 2005; Churchhouse 2004; Kahn 1996. Alberti, Cifr. 10, 13–18. Siehe Glei 2023. Für ein Netzwerk aus nur 1 000 Geräten, von denen jedes mit jedem kommunizieren soll, wären Schlüssel bei 𝑛 Geräten). Käme bereits 499 500 Schlüssel auszutauschen (allgemein: 𝑛(𝑛−1) 2 nur ein weiteres Gerät hinzu, wüchse die Zahl um zusätzliche 1 000 Schlüssel an. Die Originalpublikation ist Diffie/Hellman 1976. Beeinflusst waren Whitfield Diffie und Martin Hellman von einer 1974 entstandenen, aber erst 1978 veröffentlichten Arbeit von Ralph Merkle (Merkle 1978).
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Schlüssels die Entschlüsselung vornehmen kann.16 Beide Verfahren werden heutzutage in der Internetkommunikation eingesetzt und gelten als hinreichend sicher, sind also wahrscheinlich nicht mit vertretbarem Aufwand zu entschlüsseln. Ohne die Möglichkeiten des Buchdrucks mindestens ebenso herausfordernd wie die fehlerfreie Vervielfältigung von Texten war das Kopieren von Zeichnungen und Abbildungen, da, in linguistischen Kategorien gesprochen, das Signifikat stark an die ästhetischen Qualitäten des Signifikanten gekoppelt sein kann.17 Während nämlich eine Handschrift normalerweise zeitliche, regionale und die individuellen Charakteristika des Kopisten aufweist, die den Textinhalt nicht beeinflussen, und selbst eine unachtsame Ausführung die Identifizierung einzelner Buchstaben erschweren mag, ohne in jedem Fall gleich die Lektüre des ganzen Wortes zu verunmöglichen, hängt die Qualität der kopierten Zeichnung maßgeblich von den Fähigkeiten und der Sorgfalt des Kopisten ab. Gerade bei Illustrationen im wissenschaftlich-technischen Bereich ist die exakte Darstellung – oder zumindest Kenntlichmachung – von Position, Größe, Proportionen und sonstigen Eigenschaften unabdingbar. Entsprechende Bedenken wurden bereits in der Antike geäußert, beispielsweise von Plinius d. Ä., der in seiner Naturalis historia auf die Überlegenheit des Wortes bei der Beschreibung von Pflanzen hinwies.18 Der Humanist Alberti stellte sich ostentativ in diese bildskeptische, allein auf die Kraft des Wortes vertrauende Tradition. Zu Beginn von De re aedificatoria 3,2 lehnt er eine die Darstellung illustrierende Zeichnung kategorisch ab, allerdings um den Preis, dass sich seine weiteren Ausführungen unter Umständen nur einem mit ingenium begabten Leser erschließen werden:19 16
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Die Originalpublikation ist Rivest / Shamir / Adleman 1978; die Abkürzung RSA ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen der Autoren. Bereits im Jahr 1973 soll das Verfahren vom britischen Mathematiker Clifford Cocks entdeckt worden sein, der es aber nicht veröffentlichte, weil sein Arbeitgeber die Entdeckung als Verschlusssache einstufte. Illustrationen konnte man wohl von Beginn an in wissenschaftlichen Büchern antreffen; Otto Mazal nennt als ältestes bekanntes Beispiel einen Papyrus mit einer astronomischen Schrift des Eudoxos von Knidos aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert (Mazal 1999, 295). Zu Abbildungen in Fachtexten siehe ebd., 293–377; Stückelberger 1994. Pinxere [sc. Graeci auctores] namque effigies herbarum atque ita subscripsere effectus. verum et pictura fallax est coloribus tam numerosis, praesertim in aemulationem naturae, multumque degenerat transcribentium socordia. Praeterea parum est singulas earum aetates pingi, cum quadripertitis varietatibus anni faciem mutent. Quare ceteri sermone eas tradidere („Sie haben nämlich die Pflanzen in Bildern dargestellt und ihre Wirkung darunter geschrieben. Aber auch die Malerei trügt bei so zahlreichen Farben, zumal wenn man die Natur nachzuahmen trachtet, und auch die Fahrlässigkeit der Kopisten verdirbt viel. Außerdem hat es wenig Sinn, die Pflanzen nur in einer einzigen Altersstufe abzubilden, da sie in den vier verschiedenen Jahreszeiten ihr Aussehen verändern. Die übrigen Autoren haben die Pflanzen deshalb mit Worten beschrieben“, Plin. Nat. 25,8–9; Text und Übs. König / Hopp / Glöckner 1996). Ebenfalls gegen die Abbildung von Pflanzen richtete sich die Kritik Galens (Carpo 2001a, 147 Anm. 18). Alberti, Res aed. 3,2 Orlandi/Portoghesi 1966, 177,11–17; Übs. nach Theuer 1975, 120. In Res aed. 6,7 Orlandi/Portoghesi 1966, 481,24–483,1 mutmaßt Alberti, dass Merkur vor allem deshalb für einen Gott gehalten wurde, weil er ohne die Zuhilfenahme von Gesten nur anhand seiner Worte verstanden wurde (zu dieser Merkurstelle in Res aed. siehe Lücke 2003, 295). Zu Albertis Bildskepsis siehe die in Kapitel 1.1 erwähnten Beiträge von Francesco Furlan. Zum Status der technischen Illustration von der Antike bis in Albertis Zeit siehe auch Wright
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Abbildung 3.1: Die Mauer in Latium bis Punkt I 15 als Vektorgraphik im SVG-Format
Anguli ipsi quo pacto annotentur, esset non facile examussim prosequi verbis solis, quod sit eorum captandorum ratio ex mathematicis ducta et linearum exemplo indigeat; res ab instituto aliena [. . . ]. Tentabo tamen atque enitar, quantum hic conferat, ita loqui, ut, qui ingenio valeas, facile intelligas multa, unde totam rem postea ex te consequaris. (Wie man die Winkel anzeichnet, das wäre nicht leicht so ohne weiteres mit Worten auseinanderzusetzen, da die Regeln ihrer Bestimmung von der Mathematik hergenommen sind und eines Linienbeispiels bedürfen, was unserem Vorhaben fremd ist. [. . . ] Dennoch will ich es versuchen und mich bemühen, soviel als hier gut erscheint derart zu sprechen, dass Du, wenn Du nur etwas ingenium hast, leicht so viel verstehen kannst, um hieraus nachher alles Weitere ableiten zu können.)
Mit der Descriptio urbis Romae nun präsentierte Alberti tatsächlich ein Verfahren, um einfache geometrische Zeichnungen exakt und verlustfrei zu übertragen und selbst von einem mit mittelmäßigem ingenium begabten Zeichner zeichnen zu lassen.20 Dafür adaptierte er ein Prinzip, das bereits der antiken Wissenschaft wohlvertraut war: Übertragen wird nicht (nur) das eigentliche Bild, sondern dessen Beschreibung in Worten oder Zahlen, sodass der Rezipient es eigenhändig (nach)zeichnen kann. Als Beispiele wären die geometrischen Objekte in Euklids Elementen zu nennen, für deren Beschreibung Worte in der Regel genügen, oder die Erd- und Sternkarten, die sich auf Basis von Ptolemaios’ Geographie und Almagest anfertigen lassen.21 Nicht anders funktioniert moderne Vektorgraphik.22 Der in Abbildung 3.1 dargestellte Mauerverlauf beispielsweise lässt sich im verbreiteten SVG-Format (Scalable Vector Graphics) wie folgt kodieren:
Ebenso besteht die Karte auf dem Display eines Navigationsgerätes aus etlichen mathematisch beschriebenen Punkten und Linien, die je nach aktueller Position neu berechnet und auf dem Bildschirm angezeigt werden. Wollte man die Analogie noch weitertreiben, könnte man sogar postulieren, dass Alberti das Prinzip in De statua in die dritte Dimension übertragen und einen Vorläufer moderner 3D-Drucker geschaffen hätte. Allerdings sieht man sich auch hier mit Einwänden konfrontiert. Erstens war Alberti nicht der erste, der ein Koordinatensystem zur Lokalisation von Punkten auf einer Oberfläche benutzte.23 Zweitens gibt es trotz aller Gemeinsamkeiten auch gewichtige Unterschiede zwischen seinen Polarkoordinaten und ihren modernen Pendants. Um einen Punkt 𝑃 in modernen Polarkoordinaten zu beschreiben, werden ein Radius 𝜌, also die Entfernung von 𝑃 zum Pol, und ein Winkel 𝜙 benötigt, um den 𝑃 um den Pol gedreht ist (Abb. 3.2). Grundsätzlich entsprechen 𝜌 und 𝜙 Albertis Zahlenpaaren für radius und horizon, jedoch sind für erstere in der Regel reelle Zahlen zugelassen, während Alberti nur rationale Zahlen zur Verfügung standen. Die Mächtigkeit der reellen Zahlen ist größer als die der rationalen Zahlen, sodass Alberti in seinem Koordinatensystem weder dieselbe Anzahl an Punkten auszeichnen noch dieselbe Geometrie betreiben konnte wie die Moderne in modernen Systemen.24 Da der horizon immerhin die Auszeichnung von 48·4·50·4=38 400 Punkten erlaubte und Alberti ohnehin kein Interesse an den theoretischen Spitzfindigkeiten der Ma23 24
Siehe Kapitel 2.4.2; vgl. Merzbach/Boyer 2011, 127–141, 240. Pace Müller 2010a, 223, der wohl so zu verstehen ist, dass man mit reellen Zahlen in Albertis Koordinatensystem dieselbe Geometrie betreiben kann wie in modernen Koordinatensystemen; zur Entwicklung der reellen Zahlen siehe z. B. Spalt 2015, bes. 447–580. Im Überschwang gesagt worden sein dürfte auch, dass Alberti bereits analytische Geometrie betrieben und deshalb als „Vorläufer von Descartes“ zu gelten habe (Wolff 1936, 357).
3.1 Zu Albertis (scheinbarer?) Modernität
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thematik hatte,25 wäre der Unterschied zumindest für ihn nicht relevant gewesen, muss aber aus moderner Sicht angemerkt werden. Nach gängiger Meinung hat die Entwicklung moderner Polarkoordinaten im 17. Jahrhundert begonnen, wobei Grégoire de Saint-Vincent (1584–1667) und Bonaventura Cavalieri (1598–1647) als die Pioniere gelten, auf deren Arbeiten so bedeutende Mathematiker wie Blaise Pascal (1623–1662), Isaac Newton (1642–1727) und Jakob Bernoulli (1655–1705) aufbauten. Ihnen ging es jedoch nicht in erster Linie um die Markierung von Punkten in der Ebene, sondern um die Lösung mathematischer Probleme wie etwa die Bestimmung der Fläche in der Archimedischen Spirale.26 Abgesehen davon unterscheidet sich die Art und Weise, wie die entstandene Abbildung zu Albertis Zeit rezipiert worden sein mag, ganz erheblich von modernen Gewohnheiten: Die mithilfe geometrischer Grundformen zusammengesetzten Bilder stellten normalerweise nicht das für die Betrachtung bestimmte Endprodukt, sondern allenfalls ein frühes Stadium der Konzeptions- und Kompositionsphase dar. Da diese Grundformen zugleich als (latente) Grundstrukturen der Wirklichkeit galten, waren sie weniger Botschaft als vielmehr ‚Trägermedium‘, das nicht um seiner selbst willen als Kunstwerk betrachtet wurde, sondern die Grundlage für ein komplexeres Kunstwerk darstellte. Überdies könnte man grundsätzlich anmerken, dass die genannten Verfahren in der von Alberti beschriebenen Form nicht wesentlich über Vorarbeiten oder Machbarkeitsstudien hinausgehen, die, um für digitale Geräte und Kommunikation von Nutzen zu sein, zu einem Gesamtkonzept hätten verbunden werden müssen, das sichere und fehlerfreie Übertragung zugleich ermöglicht. Alberti hätte das Redundanzprinzip problemlos auf beliebige Wörter anwenden und so die Fehlerfreiheit des Schlüssels garantieren können, ohne die dieser schließlich nutzlos ist. Weiterhin erlaubt die Koordinatenmethode der Descriptio zwar die identische Reproduktion einer geometrischen Zeichnung, allerdings nur, wie edierende Philologinnen und Philologen leidvoll erfahren mussten, unter der Bedingung, dass die arabischen Zahlzeichen, die Alberti hier eben noch nicht durch Wörter ersetzte, den Empfänger fehlerfrei erreichen. Hätte Alberti identische Reproduzierbarkeit, fehlerfreie Übertragung und Verschlüsselung zusammengedacht, wäre er einen entscheidenden Schritt in Richtung moderner digitaler Kommunikation gegangen.27 Beachtet werden muss bei alldem, dass Schlagworte wie ‚identische Reproduktion‘ einen modernen Interpretationsrahmen festlegen, in den sich womöglich gar nicht alle Befunde konsistent eingliedern lassen, und vermeidbare Verständnisschwierigkeiten programmiert sind. Dass Alberti beispielsweise von den neuen Möglichkeiten des Buchdrucks, der das Problem der fehlerfreien Übertragung von 25 26 27
Vgl. Kapitel 2.3. Siehe Merzbach/Boyer 2011, 368–369, 392–393; Coolidge 1952; Boyer 1949. Eine Pointe der modernen Digitaltechnik ist ja gerade, dass identische Reproduzierbarkeit nicht mehr erwünscht ist oder gar nicht mehr erreicht werden kann: Einerseits ermöglicht sie die individuelle Umgestaltung eines Produktes ohne Mehraufwand (Carpo 2011a, 81–120; Carpo 2009), andererseits sind Berechnungen, die auf modernen Hochleistungsrechnern durchgeführt werden, nicht mehr ohne Weiteres reproduzierbar, da die verwendeten Programme auf hohe Ausführungsgeschwindigkeit optimiert sind, dadurch aber unter Umständen nicht mehr deterministisch ablaufen (Ludwig/Geyer 2019).
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3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
Abbildungen mit einem Schlag gelöst hätte, eher am Rande Notiz genommen zu haben scheint, wird vor allem dann zum Problem, wenn man ihm das konsequente Streben nach (modern verstandener) identischer Reproduktion in allen Bereichen unterstellt.28 Nicht unproblematisch ist bereits der diachron variable Begriff der Gleichheit, die das Original und seine identische Reproduktion auszeichnen soll. Die Ununterscheidbarkeit in wesentlichen empirisch wahrnehmbaren Eigenschaften jedenfalls musste nicht zwangsläufig damit gemeint sein, wie das von Richard Krautheimer vorgebrachte Beispiel der Grabeskirche in Jerusalem illustriert: Deren zumeist mittelalterliche Nachbauten, die nach heutigen Maßstäben nicht selten als höchstens ‚ähnlich‘ gelten können, wurden von den Zeitgenossen als überaus gelungene Kopien bezeichnet.29 Selbst einem gedruckten Buch, zumal einem aus den frühen Tagen des Buchdrucks, wird man des Öfteren erst nach einer gewissen Abstrahierung bzw. der Absehung von als unwesentlich empfundenen Unterschieden – man denke etwa an drucktechnisch bedingte Unsauberkeiten, Verschreibungen oder abweichendes Seitenlayout – Gleichheit mit der Vorlage bescheinigen. Wenngleich Albertis Bemühen um die identische Vervielfältigung von Wörtern auch nach modernem Verständnis gut nachvollzogen werden kann, ist die Lage bei seinen kunsttheoretischen Schriften nicht mehr so eindeutig. In De statua beispielsweise spricht er lediglich von Ähnlichkeit im Sinne der imitatio;30 ferner ist es nicht das Ziel von De pictura, eine Technik zur Vervielfältigung eines bereits existierenden Gemäldes zur Verfügung zu stellen, und auch bei der Descriptio urbis Romae steht nicht so sehr die Vervielfältigung einer vorhandenen Stadtkarte im Vordergrund, sondern das Herstellen einer neuen auf Basis von Albertis Daten, also eigentlich die Geometrisierung der Erfahrungswelt bzw. allgemeiner die Aussage, dass sich die erkennbare Wirklichkeit mit mathematischen Prinzipien erfassen lässt.31 Im Lichte der angedeuteten Beispiele erscheint es fraglich, ob Alberti wirklich als protos heuretes die Moderne vorweggenommen hat, indem er Konzepte erfand oder beschrieb, die bis auf einige unwesentliche, zu seiner Zeit noch nicht umsetzbare technische Finessen in ansonsten unveränderter Form heutige Probleme lösen würden. Auf hinreichend abstrakter Ebene ähneln sie sich zweifellos, doch wären sie dann eher als Denkfiguren oder heuristische Instrumente aufzufassen, die jede 28
29 30 31
Bei Alberti findet sich nur ein einziger expliziter Hinweis auf das beginnende Druckzeitalter (Cifr. 2; vgl. Carpo 2001a, 119); sein Brief an Giovanni Andrea Bussi (nach 1468; Dokument Nr. 5 in Bätschmann/Schäublin 2011, 368–369) jedoch wird so gedeutet, dass Alberti durchaus Interesse am Druck seiner Schriften hatte, von denen zwei wohl noch zu Lebzeiten (und ohne sein Wissen) im Druck erschienen waren (ebd., 23–35). Im Jahr 1467 erschien das erste gedruckte Buch mit Abbildungen in Italien, bereits zwischen 1457 und 1461 in Deutschland (Carpo 2001a, 121). Das Phänomen der Kopie indes beschäftigt auch die Gegenwartsphilosophie, siehe z. B Bahr 2022. Siehe Krautheimer 1988; vgl. Carpo 2004, bes. 51–52. Vgl. Alberti, Stat. 1–5. Vgl. dazu die Beobachtungen zur metaphorischen Mathematik in Kapitel 2.3. Die mathematische Erfassung der Welt dürfte auch Ptolemaios’ Movens beim Verfassen von Geographie und Almagest gewesen sein; Plinius und Galen hingegen (s. o.) haben sich auf Botanisches bezogen, das völlig unberührt von derartigen Überlegungen war. Im Übrigen verwundert es nicht, dass das Verb pingere in Descriptio und De pictura im Allgemeinen nicht bedeutungsgleich ist.
3.2 Zum Algorithmusbegriff
89
Zeit individuell ausfüllt und anwendet. Eine vergleichbare Situation scheint etwa bei der Atomtheorie vorzuliegen. Als heuristisches Instrument hat sie seit über 2 500 Jahren zu etlichen Hypothesen und Entdeckungen in der Frage geführt, ob Materie bzw. allgemein die Welt um uns herum kontinuierlich oder aus kleinsten, unteilbaren Teilchen aufgebaut ist. Als Begründer des Atomismus gelten gemeinhin Leukipp und Demokrit. Bemüht um eine Harmonisierung der gegensätzlichen Positionen Parmenides’ und Heraklits, denen zufolge Unveränderlichkeit bzw. Veränderlichkeit das Grundprinzip der Wirklichkeit seien, haben sie aus logischen Gründen das spekulative, metaphysische Postulat formuliert, dass kleinste, unsichtbare, unveränderliche Bausteine existierten, aus deren Kombinationen die Veränderungen der Welt erklärbar seien. Obwohl sie damit eine in struktureller Hinsicht bedeutsame, im Wesentlichen bis heute akzeptierte Hypothese aufgestellt haben, wird man nicht so weit gehen, den beiden Vorsokratikern – oder ihren Rezipienten bis weit in die frühe Neuzeit hinein – einen signifikanten Anteil an der Entwicklung des modernen Standardmodells der Teilchenphysik zuzuschreiben.32 Dieses ist eine Quantenfeldtheorie, die die bekannten Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen nach gegenwärtigem Kenntnisstand der Wissenschaft beschreibt. Sie geht auf die zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten Feldtheorien zurück und kann ihre Vorhersagen grundsätzlich anhand von Experimenten überprüfen lassen. Als Begründer eines solchen Paradigmas gilt John Dalton (1766–1844), der aus den Vorarbeiten vor allem des 18. Jahrhunderts eine von metaphorischen Anteilen weitgehend bereinigte, mit konkreten, naturwissenschaftlichen Eigenschaften versehene Atomtheorie entwickelt hat.33 Nachdem die Beispiele dieses Kapitels nur kursorisch behandelt wurden, sollen die folgenden Kapitel 3.2 bis 3.5 etwas genauer auf ein weiteres Konzept eingehen, dessen Erfindung Alberti bisweilen zu Unrecht zugeschrieben wird, nämlich das moderne Konzept des Algorithmus.
3.2 ZUM ALGORITHMUSBEGRIFF Alberti die Beschreibung eines Algorithmus zuzuschreiben, ist zunächst einmal nicht anachronistisch. Versteht man unter einem Algorithmus irgendeine Art von 32
33
„Es ist beachtenswert, daß beide Momente, Unveränderlichkeit und Veränderlichkeit, noch heute die Grundlage der naturwissenschaftlichen Auffassung der Materie bilden. Dies bezeugt die naturwissenschaftliche Methode. Denn ohne Veränderlichkeit ist kein Experiment möglich, und ohne Unveränderlichkeit kann kein Gesetz aufgestellt werden, das die experimentellen Ergebnisse zusammenfaßt. So haben die griechischen Naturphilosophen das Fundament für eine rationale Sicht der Wirklichkeit gelegt, in deren Rahmen die Naturwissenschaft möglich werden sollte“ (Van Melsen 1971, 607). Van Melsen unterscheidet eine „philosophische Phase“ (bis etwa zum 17. Jh.) und eine „naturwissenschaftliche Phase“ (ab etwa dem 17. Jh.; Van Melsen 1971). Zur Geschichte des Atombegriffs siehe auch Van Melsen 1957, zu John Dalton bes. 190–197. Bei der Atomtheorie wird also besonders augenfällig, wie stark der wissenschaftliche Fund bisweilen durch Fragestellung und Erwartung determiniert sein kann.
90
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
systematischem Verfahren, bei dem zumindest die Durchführung einiger Teilschritte auf einem festen Regelwerk beruht, so könnte man bereits die Rechentechniken der Babylonier, etwa solche für das Ziehen von Quadratwurzeln, oder Errungenschaften der griechischen Mathematik in hellenistischer Zeit, wie etwa den Euklidischen Algorithmus zur Bestimmung des größten gemeinsamen Teilers oder den Archimedischen Algorithmus zur Approximation der Kreiszahl π, als Algorithmen bezeichnen.34 Obwohl es sich ursprünglich um einen arithmetischen Begriff handelte,35 ist er gleichermaßen auf geometrische Verfahren wie beispielsweise die Flächenverdopplung eines Quadrates in Platons Menon36 oder die Konstruktion des goldenen Schnittes anwendbar.37 Beschreibt die Descriptio urbis Romae nun aber einen Algorithmus, und inwiefern könnte es berechtigt sein, Alberti aufgrund dieses Textes als Wegbereiter moderner digitaler Darstellungstechnik zu apostrophieren? Das vorliegende Kapitel will auf den modernen Algorithmusbegriff eingehen und dafür argumentieren, dass die digitale Darstellungstechnik allein über Quantisierung, fehlerfreie Übertragung und identische Reproduktion nur unzureichend bestimmt ist. Diese Konzepte, die bei Alberti zweifellos anzutreffend sind, existieren, wenigstens in Ansätzen, seit der Antike. Hinzutreten muss der moderne, wissenschaftliche Algorithmusbegriff, ohne den die Digitalisierung, wie wir sie heute kennen, nicht möglich gewesen wäre. Nachdem dessen Genese im vorliegenden Kapitel in Umrissen angedeutet worden ist, wird das folgende Kapitel 3.3 plausibel zu machen versuchen, dass dieses Konzept eine Grenze zu neuzeitlichem Denken markiert, die Alberti allen Innovationen zum Trotz noch nicht überschritten hat. Die Geschichte des modernen, digitalen Computers ist unübersichtlich, von parallelen Entwicklungen gekennzeichnet und hinsichtlich ihrer Details bis heute nicht zufriedenstellend geklärt.38 Nimmt man die rein geistesgeschichtliche Dimension in den Blick, mit der Alberti sich auch ohne den technischen Fortschritt hätte befassen können, dann fällt ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung des modernen Digitalcomputers und der Philosophie der Mathematik im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert auf, die in den 1930er Jahren zur Präzisierung des Algorithmusbegriffs führte.39 34 35
36 37 38 39
Siehe dazu Ziegenbalg / Ziegenbalg / Ziegenbalg 2016, 34, 60–85. Der Begriff des Algorithmus geht auf den persischen Mathematiker und Astronomen Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi (ca. 780 – ca. 850) bzw. auf eine im 12. Jahrhundert angefertigte lateinische Übersetzung seiner Schrift Über die indischen Ziffern (825) zurück. Das Incipit der ältesten Fassung latinisiert die Nisba „al-Chwarizmi“ („der Choresmier“) und lautet: Dixit Algorismi (Folkerts 1997; zu al-Chwarizmi siehe Brentjes 2014; Toomer 1973). Nahezu zeitgleich ging das Wort in die Volkssprachen über, wo es in enger Verbindung mit dem Konzept des Rechenverfahrens stand: Bis in die frühe Neuzeit hinein nannte man ein Rechenbuch, das das schriftliche Rechnen, die indisch-arabischen Ziffern und den Gebrauch der Zahl Null lehrt, einen „Algorismus“ (vgl. Gärtner 2000, bes. 12–45). Vgl. Plat. Men. 82b–85b. Vgl. Eucl. El. 2,11. Siehe das opulente zweibändige Werk Meilensteine der Rechentechnik (Bruderer 2020a; Bruderer 2020b). Siehe Davis 2018, auf dem das Folgende basiert; ähnlich argumentiert Gillies 2002.
91
3.2 Zum Algorithmusbegriff
75°
90° 90°
Abbildung 3.3: Ein sphärisches Dreieck mit einer Winkelsumme von 255°
Während dieser Phase, für die sich der Name Grundlagenkrise der Mathematik etabliert hat, war man auf der Suche nach einem sicheren Fundament, auf dem die gesamte Mathematik widerspruchsfrei aufgebaut werden konnte.40 Das Bewusstsein dafür, das Mathematik nicht ‚einfach so‘, sondern immer in Bezug auf ein System von als gesichert geglaubten Axiomen betrieben wird, entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter dem Eindruck der Entdeckung nicht-euklidischer Geometrien, also von Systemen von Sätzen über den dreidimensionalen Raum, in denen Euklids Parallelenaxiom nicht gilt.41 Dieses besagt in moderner Formulierung, dass es zu jeder Geraden und jedem Punkt außerhalb dieser Geraden genau eine weitere Gerade gibt, die durch diesen Punkt verläuft und parallel zur ersten Geraden ist. Aufgrund seiner Länge und komplizierten Formulierung hat man sich seit der Antike an diesem Axiom gestört und versucht, es mithilfe anderer Sätze zu beweisen, es letztlich also überflüssig zu machen.42 Erst Carl Friedrich Gauß (1777–1855) erkannte, dass einerseits dieser Beweis unmöglich ist, das Axiom andererseits aber gar nicht notwendig. Ohne die Gültigkeit der anderen Axiome zu tangieren, könnte es etwa durch die Formulierung ersetzt werden, dass es zu der genannten Geraden gar keine (elliptische Geometrie) oder mindestens zwei (hyperbolische Geometrie) 40 41 42
Die historischen Hintergründe der Krise beleuchten z. B. Centrone / Kant / Sarikaya 2019, vii–xiii. Zur Tradierung von Euklids Axiomen bis in die frühe Neuzeit siehe De Risi 2016. Fragmenten und Spuren nicht-euklidischer Geometrie bei Aristoteles geht Tóth 2010 nach. Der originale Wortlaut ist etwas komplizierter, vgl. die Euklid-Übersetzung/-Bearbeitung von Campano da Novara, die Alberti vorgelegen hat (Massalin/Mitrović 2008): Si linea recta super duas lineas rectas ceciderit duoque anguli ex una parte duobus angulis rectis minores fuerint, illas duas lineas in eandem partem protractas procul dubio coniunctum iri („Wenn eine gerade Linie zwei gerade Linien schneidet und zwei Winkel auf einer Seite kleiner als zwei rechte Winkel sind, werden diese beiden Linien bei Verlängerung auf derselben Seite ohne Zweifel zusammenlaufen“, Petitio 4, Text Busard 2005; nach Eucl. El. 1, post. 5).
92
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
Parallelen gibt. Die Oberfläche einer Kugel kann als Veranschaulichung eines einfachen Modells der elliptischen Ebene aufgefasst werden, wobei Dreiecke – anders als in der euklidischen Geometrie – immer eine Winkelsumme von über 180° aufweisen (Abb. 3.3). Auslöser der Grundlagenkrise war die von Bertrand Russell (1872–1970) im Jahr 1903 publizierte Entdeckung, dass die naive Mengenlehre inkonsistent und ein mengentheoretisches Axiomensystem deshalb nicht als Fundament für die Mathematik geeignet war. Im Zuge der daraufhin einsetzenden Suche nach einer tragfesten Grundlage formulierten David Hilbert (1862–1943) und Wilhelm Ackermann (1896–1962) im Jahr 1928 das sogenannte Entscheidungsproblem. Dabei handelt es sich „um das Problem, zu einer gegebenen deduktiven Theorie ein allgemeines Verfahren anzugeben, das uns die Entscheidung darüber gestattet, ob ein vorgegebener, in den Begriffen der Theorie formulierter Satz innerhalb der Theorie bewiesen werden kann oder nicht“.43 Im Jahr 1937 konnte Alan Turing (1912–1954) zeigen, dass es ein solches Verfahren prinzipiell nicht geben kann.44 Für die Frage, ob Alberti mit der Descriptio urbis Romae einen Algorithmus beschrieben hat, ist dieses Ergebnis deshalb relevant, weil Turing zum ersten Mal alle elementaren Grundoperationen beschrieben hat, aus denen Algorithmen bestehen. Dies sind, vereinfacht gesprochen, das Lesen, Schreiben und Löschen von Zeichen in einem Speicher und die Zustandsänderung aufgrund des gelesenen Zeichens. Mit dieser Turingmaschine hat Turing den Computer zwar nicht erfunden,45 aber einen Beitrag dazu geleistet, dass Algorithmen präzise beschrieben und ohne Eingriffe durch den Menschen selbstständig von einer Maschine ausgeführt werden konnten. Fast allen heutigen Rechnerarchitekturen liegt die Idee einer programmierbaren universellen Turingmaschine zugrunde. Definieren nun lässt sich ein Algorithmus als eine Problemlösungsvorschrift, die sich mit einer Turingmaschine umsetzen lässt. Eine informelle Arbeitsversion dieser Definition könnte wie folgt lauten:46 Ein Algorithmus ist eine endliche Folge von eindeutig bestimmten Elementaranweisungen, die den Lösungsweg eines Problems exakt und vollständig beschreiben.
Für die Zeichenanleitung von Albertis Descriptio urbis Romae ergibt sich daraus der folgende Anforderungskatalog:
43
44 45
46
Tarski 1977, 145. Schon Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) träumte von einer Maschine, die mathematische Rechnungen durchführen und den Wahrheitswert von Aussagen ermitteln kann (Bruderer 2020a, 396–405; Davis 2018, 1–14). Die Originalpublikation ist Turing 1937. Der österreichische Mathematiker Kurt Gödel (1906–1978) war bereits einige Jahre zuvor zum gleichen Ergebnis gekommen. Im Wettbewerb um den Titel ‚erster Computer‘ treten freilich noch weitere, zum Teil deutlich ältere Kandidaten an. Definitiv darüber zu entscheiden, wem der Titel rechtmäßig gebührt, ist allerdings ein Ding der Unmöglichkeit (vgl. Bruderer 2020b, 1–111). Unerheblich für das Argument ist ebenfalls, dass die meisten der heute bekannten Computer auf der Von-NeumannArchitektur basieren, die nach dem österreichisch-ungarischen Mathematiker John von Neumann (1903–1957) benannt ist. Ziegenbalg / Ziegenbalg / Ziegenbalg 2016, 26.
3.3 Zu einigen Problemen der Anleitung
93
(1) Das Verfahren zur Anfertigung der Zeichnung darf nur endlich viele Schritte benötigen, die Zeichnung muss also irgendwann fertig sein. (2) Jeder Schritt des Verfahrens muss durchführbar sowie genau und vollständig beschrieben sein. (3) Der Schritt, der als nächster auszuführen ist, muss zu jedem Zeitpunkt bekannt sein. (4) Das Verfahren muss bei denselben Voraussetzungen immer das gleiche, korrekte Ergebnis liefern. Speziell für die Descriptio gilt, dass es unabhängig von der Wahl der Tabelle oder des Startpunktes der Zeichnung immer das gleiche Ergebnis liefern muss.
Die moderne Intuition, dass eine Anleitung vollständig, hinreichend ausführlich und korrekt sein soll, lässt sich also über den Algorithmusbegriff formalisieren. Dass Albertis Anleitung Anforderung (1) erfüllt, ist intuitiv plausibel: Warum sollten Computer, die zu weitaus raffinierteren graphischen Darstellungen in der Lage sind, nicht wenigstens prinzipiell ein triviales Konglomerat aus Punkten und Linien, wie es bei der Descriptio vorliegt, zeichnen können?47 Zu klären wäre demnach, ob auch die Anforderungen (2) bis (4) erfüllt sind, ob sich also eine solche Zeichnung auf Basis der Zeichenanleitung herstellen lässt. Albertis Behauptung jedenfalls, selbst einen mit mittelmäßigem ingenium begabten Zeichner in genau diese Lage zu versetzen, schürt eine solche Erwartung.
3.3 ZU EINIGEN PROBLEMEN DER ANLEITUNG Tatsächlich stellt sich die Annahme, Albertis Descriptio urbis Romae würde einen Algorithmus nach modernem Verständnis beschreiben, der sich von einem Computer umsetzen ließe, schnell als unhaltbar heraus. In der Praxis ergeben sich nämlich kleinere und größere Probleme und Fehler, die nur mit speziellen Zusatzannahmen, etwa mit Kenntnis der realen Topographie, zu beheben sind (vgl. Abb. 3.4). Solche Ausnahmen dürfen nicht auftreten, wenn es sich um die Beschreibung eines Algorithmus handeln würde. Die folgenden Kapitel geben einen Überblick über drei der wichtigsten Bereiche, in denen Alberti so große Leerstellen gelassen hat, dass sich bei exakter Umsetzung der Zeichenanleitung ernsthafte Probleme ergeben: Die Reihenfolge für das Einzeichnen und Verbinden der Punkte (Kapitel 3.3.1), das proximus punctus47
Eine unabhängig von der Schnelligkeit des Computers oder den zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht lösbares arithmetisches Problem wäre beispielsweise das Auffinden der größten Primzahl, da spätestens seit Euklid bekannt ist, dass es unendlich viele davon gibt (Eucl. El. 9,20). Die Frage, was Algorithmen prinzipiell zu leisten imstande sind, ob insbesondere Denken und Bewusstsein algorithmisch sind, sodass Computer eines Tages Bewusstsein nicht nur vortäuschen, sondern tatsächlich darüber verfügen (und die Macht über die Menschen übernehmen), ist nicht erst seit der Veröffentlichung von „ChatGPT“ im November 2022 Gegenstand einer kontroversen Diskussion (siehe z. B. Abiteboul/Dowek 2020; Penrose 1994). Der Begriff des Algorithmus wird dabei immer häufiger gleichgesetzt mit dem Begriff der Black Box, also eines (möglicherweise sehr komplexen) Systems, dessen innere Struktur unzugänglich ist und rätselhaft erscheint und das nur über sein äußeres Verhalten untersuchbar ist.
94
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
47
48
1
2
46
3
45
4
44
5
43
6 Populi
42
7 Salaria La Donna
41
8 Pincia
40
9 Thermae
39
Ad Castellum Castellum
Sub Palatio
10
Meta Maxima Petri basilica In colle Spiritus Sub Iano Sancti Spiritus
38
Laurentii
Mariae maioris
11
Panispernae Mensa Neronis Capaquae Columna Adriani seu Caritarium turris Militiae Petri in Vincula Horologii in campo Florae Ara Coeli Capitolium
Maior
Parioni turris
Postica ad convallem
37
Columna Antonini Fastigium Constantini Vitalis Rotunda: Pantheon
Honofrii in monte
12
36
35 Pancratii
13
Crucis
Sub Iano Crisogoni Mariae trans Tyberim Petri in monte
Ioannis Apostoli Laterani Stephani rotundi
14
Ioannis et Pauli
34
15
Priscae Balbinae Pancratii
33
Ioannis ad Latinam Latina
Sabae
Portuensis
Appia
32 Pauli Meta Pauli
31
16
17 18
30
19 29
20 28
21 27
22 26
25
24
23
Abbildung 3.4: Die Karte der „Descriptio urbis Romae“ nach der Edition von Boriaud/Furlan mit beliebigem Startpunkt
Kriterium zur Auswahl des als nächstes zu verbindenden Punktes (Kapitel 3.3.2) und die Frage, wie die gebogenen Linien durch die auges auszuführen seien (Kapitel 3.3.3).
3.3.1 Punkte einzeichnen und verbinden Das erste Problem betrifft das Einzeichnen der Punkte und das anschließende Verbinden durch gerade oder gebogene Linien. In Paragraph VI erklärt Alberti anhand der ersten beiden Koordinaten der ersten Tabelle, wie diese mithilfe von horizon und radius auf die Zeichenfläche aufzutragen seien. Die unmittelbar folgende Anweisung jedoch ist sehr pauschal gehalten und deshalb interpretationsbedürftig:48 Et quod in primis numeris feci, in his atque reliquis prosequor, quoad coeptae istius tabulae adnotationes peregerim. Positis punctis in superficie pingenda, [. . . ].
48
Alberti, Desc. 6.
3.3 Zu einigen Problemen der Anleitung
95
Abbildung 3.5: Die Koordinaten der Tabellen separat eingezeichnet und verbunden
(Und was ich bei den ersten Zahlen gemacht habe, setze ich bei diesen und den übrigen fort, bis ich die Angaben der Tabelle durchgegangen bin, mit der ich begonnen habe. Sind die Punkte auf der Zeichenfläche aufgetragen, [. . . ].)
Mit in primis numeris spielt Alberti unzweifelhaft auf die Koordinaten I 1 und I 2 an, anhand derer er soeben die Funktionsweise von horizon und radius illustriert hat. Welche Koordinaten aber sind mit in his atque reliquis gemeint? Naheliegend wäre, die Wendung auf die restlichen Koordinaten der ersten und die aller übrigen Tabellen zu beziehen, doch scheint der Nebensatz quoad coeptae istius tabulae adnotationes peregerim die Betrachtung auf die Koordinaten der beispielhaft ausgewählten ersten Tabelle (istius tabulae) einzuschränken. Der folgende Ablativus absolutus positis punctis in superficie pingenda jedenfalls setzt voraus, dass das Eintragen der Punkte beendet ist und mit ihrer Verbindung begonnen werden kann. Zur Wahl stehen also die beiden Optionen, die Punkte entweder für jede Tabelle separat einzuzeichnen und zu verbinden, oder erst die Punkte sämtlicher Tabellen einzuzeichnen und sie anschließend in einem einzigen Schritt zu verbinden. Beide Wege führen zu Problemen. Zeichnet und verbindet man die Punkte für alle Tabellen separat, dann müssen für die Mauern drei getrennte Verbindungslinien eingezeichnet werden, da sie sich aus Punkten der Kategorien angulus, aux und portae zusammensetzen (Abb. 3.5).49 Für den Verlauf des Tiber werden immerhin noch zwei Verbindungslinien benötigt, da der Fluss natürlich keine portae besitzt. Zeichnet man zuerst die Punkte sämtlicher Tabellen und verbindet sie anschließend, führt dies zu den in Kapitel 3.3.2 beschriebenen Problemen, so beispielsweise zur Vermischung der topographischen Kategorien. Es gibt eine dritte Interpretation dieser Stelle, die sich zwar vom Text entfernt, dafür aber am ehesten Albertis Intentionen und dem intuitiven Vorgehen eines Zeichners entsprochen haben dürfte: Man geht nach topographischen Kategorien vor und fasst alle Tabellen zusammen, die zu einem bestimmten Topographikum gehören. Für die Mauer in Latium zeichnet man alle Punkte aus den Tabellen I (anguli), II (auges) und VII (portae) ein und verbindet sie anschließend. Analog wird mit der Mauer in Trastevere (Tab. III, IV und VIII), der Leoninischen Mauer (Tab. V, VI und IX), dem Tiber (X, XIII, XIV und XV) und der Insel (XI und XII) verfahren. Die Bauwerke der Tabelle XVI werden, wie bei den anderen Interpretationen auch, zwar eingezeichnet, nicht aber durch Linien verbunden. Tatsächlich kann mit 49
Zum klassisch nicht belegten Wort aux bzw. der entsprechenden Kategorie in der Descriptio siehe unten Kapitel 3.3.3.
96
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
Abbildung 3.6: Fehler rund um die Tiberinsel bei Gruppierung der Tabellen nach topographischen Kategorien
dieser Vorgehensweise eine Karte hergestellt werden, die lediglich im Bereich der Tiberinsel Fehler aufweist (Abb. 3.6). Diese resultieren aus der proximus punctusRegel (Kapitel 3.3.2), der Teilung des Tiber in zwei Ströme um die Insel herum und dem Problem, dass vom Endpunkt der Insel eine zusätzliche Linie zum Startpunkt gezeichnet werden müsste.
3.3.2 Das proximus punctus-Kriterium Die Mauerzüge bestehen aus drei (anguli, auges, portae), der Tiber und die Tiberinsel aus zwei (anguli, auges) verschiedenen Kategorien von Punkten, die miteinander verbunden werden müssen, um die topographischen Gegebenheiten korrekt wiederzugeben. Sind die Punkte auf der Zeichenfläche aufgetragen, schreibt Albertis Zeichenanleitung ein Kriterium vor, mithilfe dessen der nächste zu verbindende Punkt ausgewählt werden soll:50 Positis punctis in superficie pingenda, ab eorum quolibet ad proximum alterum punctum lineam duco rectam, praeterquam ad punctum cuius in tabula titulus est ascriptus: „Aux“; namque ad punctum quidem hunc non recta sed sinuosa accedendum est linea [. . . ]. (Sind die Punkte auf der Zeichenfläche aufgetragen, ziehe ich von irgendeinem davon eine gerade Linie zum nächstgelegenen Punkt, außer zu einem Punkt, dessen Tabellenüberschrift „Aux“ lautet; denn zu diesem Punkt musst du keine gerade, sondern eine gebogene Linie zeichnen [. . . ].)
Alberti lässt seinen Zeichner den Zeichenstift also bei einem beliebigen der soeben eingezeichneten Punkte ansetzen und eine gerade oder gebogene Linie zum jeweils nächstgelegenen Punkt zeichnen.51
50 51
Alberti, Desc. 6. Zu den interpretatorischen Schwierigkeiten dieser Stelle siehe Kapitel 3.3.1. Albertis säuberliche Sortierung der Koordinaten von Mauern und Tiber im Uhrzeigersinn bzw. in Nord-Süd-Richtung macht schnell vergessen, dass die Punkte streng genommen nicht der Reihenfolge nach, sondern anhand dieses Kriteriums zu verbinden sind. Hierbei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob eine durchgezogene Linie ohne Absetzen gezeichnet wird oder der Stift nach jedem Verbinden zweier Punkte abgesetzt und bei einem bisher noch nicht berücksichtigten Punkt erneut angesetzt wird (siehe aber Anm. 79 auf S. 108). Zur Kategorie der auges siehe Kapitel 3.3.3.
3.3 Zu einigen Problemen der Anleitung
97
Damit diese Vorschrift, mithin das Herzstück von Albertis Zeichenanleitung, die Anforderungen an einen Algorithmus erfüllt, muss sie unter allen Umständen das gleiche, korrekte Ergebnis liefern. Beispielsweise darf es nicht von der Wahl des Startpunktes abhängen, ob der Verlauf wie erwartet auf der Zeichenfläche erscheint. Tatsächlich aber lässt sich die Karte allein auf Basis dieses Kriteriums in der Regel nicht korrekt erstellen, wobei der Schweregrad der auftretenden Fehler zumeist direkt von der Qualität des Textzeugen abhängig ist. Zweifellos erscheint das Kriterium prima facie sinnvoll, da Mauern und Tiber aus Punkten mehrerer Kategorien zusammengesetzt sind und es nicht genügen würde, die Punkte irgendeiner der beteiligten Tabellen der Reihenfolge nach zu verbinden.52 Jedoch liegen sie so nahe beieinander, dass der endgültige Verlauf bereits gut angedeutet wird und es intuitiv offensichtlich ist, dass benachbarte Punkte verbunden werden müssen. Die prinzipiellen Probleme des Kriteriums treten vor allem dort zutage, wo der Tiber die Mauern passiert bzw. die Tiberinsel umfließt. Illustriert sei dies anhand der Konfiguration, dass alle Punkte gemäß der Edition von Boriaud/Furlan aufgetragen werden, der Zeichenprozess die topographischen Kategorien unberücksichtigt lässt – also die Punkte des Tiber und der Mauern ohne Unterschied behandelt – und bei Punkt I 1, dem ersten Punkt der Mauer in Latium, startet (vgl. Abb. 3.7). Der von dort aus nächstgelegene Punkt ist X 2, der zum Tiber gehört. Es muss also eine Linie von I 1 nach X 2 und weiter nach I 2 (Mauer in Latium), dem von X 2 aus nächstgelegenen Punkt, gezeichnet werden.53 Damit ist aber X 2 ‚verbraucht‘ und kann später nicht mehr für den eigentlich korrekten Verlauf des Tiber durch X 1, X 2 und X 3 verwendet werden. Ab da lässt sich die Mauer in Latium mit Albertis Kriterium korrekt einzeichnen, aber nur so lange, bis im Anschluss an die Porta Pauli vom Mauerzug auf den Tiber gewechselt werden muss, dessen Verlauf man mit einer kurzen Unterbrechung bei der Porta Portuensis bis zur Tiberinsel folgt. Die Tiberinsel und der sie umfließende Abschnitt des Tiber sind bis zur Unkenntlichkeit verfälscht (Abb. 3.8):54 Von Süden her über den Tiberpunkt XV 1 bei XIII 4 angekommen, darf man den rechtsseitigen Umlauf um die Insel nicht, wie es geographisch korrekt wäre, nach XIV 2 fortsetzen, sondern muss nach XI 2 zeichnen, einem Punkt der Tiberinsel. Von dort sind zwei Punkte des linken Tiberarms zu verbinden, bevor nach XIV 4 wieder auf die Tiberinsel überzugehen ist. Sodann werden der letzte Punkt der Insel und die restlichen Punkte des rechts- und linksseitigen Umlaufs erfasst, bis man bei X 18 an der Gabelung angekommen ist. Nun allerdings darf nicht, wie es korrekt wäre, direkt zum Tiberpunkt X 17 gezeichnet werden, sondern erst zu III 7, einem Punkt der Mauer von Trastevere (Abb. 3.7). Der nächste größere Fehler ereignet sich wenig später, nach Tiberpunkt X 13, wenn der Flussverlauf nicht wie erwartet über X 12 fortgesetzt werden darf, sondern 52 53
54
Siehe dazu auch Kapitel 3.3.1. Obwohl es nicht ganz so aussieht, ist die Entfernung von X 2 zu X 3 um rund 23% größer als die Entfernung von X 2 zu I 2. Außerdem liegen die Punkte I 1, X 2 und I 2 nahezu in einer Linie, sodass die Verbindung von I 1 nach X 2 nicht sichtbar ist. Ohne den Zeichenstift abzusetzen, lässt sich die Tiberinsel und der sie umgebende Abschnitt des Tiber nicht einmal theoretisch fehlerfrei einzeichnen.
98
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
X1 Populi
I2 I1
X2
X3
Castellum Ad Castellum
V 13 X 10
Meta
X9
X 11 Spiritus
X 12
Rotunda: Pantheon
X 13
Parioni turris
V1
Horologii in campo Florae
X 17 X 18 III 7 VIII 3 Sub Iano
Abbildung 3.7: Fehler infolge des proximus punctus-Kriteriums (ohne Tiberinsel)
XIV 4 XI 2
X 18
XIV 2 XIII 4 XV 1
Abbildung 3.8: Die Tiberinsel nach dem proximus punctus-Kriterium (korrekter Verlauf gestrichelt)
99
3.3 Zu einigen Problemen der Anleitung
P1 A
r1
α M
d
P2 r2
Abbildung 3.9: Berechnung des Abstandes zwischen zwei exemplarischen Punkten
V 1, ein Punkt der Leoninischen Mauer, aufgrund dessen unmittelbarer Nachbarschaft angesteuert werden muss. Nun ist weiter entlang der Leoninischen Mauer zu zeichnen und, bei X 10 angekommen, über X 11 und X 12 ein Stück in Fließrichtung des Tiber, bis beginnend bei X 9 die restlichen Flusspunkte im Norden angesteuert werden. Nachdem der Punkt X 2 ausgespart werden muss, da er bereits zu Beginn fälschlicherweise ‚verbraucht‘ wurde, entsteht von X 1 eine mit Sicherheit nicht beabsichtigte Verbindung über einen Großteil der Karte bis zu VIII 3, einem bisher noch nicht verwendeten Punkt der Mauer in Trastevere. Die gerade beschriebene Konfiguration ist nur eine von vielen. Durch die Wahl eines anderen Startpunktes für die Zeichnung oder einer anderen Handschrift können sich weitere, zum Teil deutlich schwerwiegendere und vor allem zahlreichere Fehler ergeben. Dieses Kapitel beschließen soll eine kurze Überlegung, wie Alberti seinen Zeichner den jeweils nächstgelegenen Punkt überhaupt hätte bestimmen lassen können. Fast immer freilich ist dieser ohne Hilfsmittel eindeutig zu identifizieren und eine Verbindungslinie dorthin im Einklang mit den topographischen Gegebenheiten. Allerdings gibt es, wie gesehen, einige Zweifelsfälle, die bei Wahl eines falschen Punktes schwerwiegende Konsequenzen für die Korrektheit der Karte nach sich ziehen. Es bieten sich im Wesentlichen zwei Möglichkeiten an: Der Vergleich zweier Entfernungen auf der Zeichenfläche mit einem Hilfsmittel, etwa mit einem Faden, oder die Berechnung anhand der gegebenen Koordinaten. Da Alberti das erst im 17. Jahrhundert entwickelte Paradigma der analytischen Geometrie bzw. der Koordinatengeometrie noch nicht zur Verfügung stand, auf Basis dessen die Abstandsbestimmung heutzutage zu einer Standardaufgabe geworden ist,55 hätte er die seit 55
Erste Ansätze gab es zwar schon zuvor, doch gelten René Descartes (1596–1650) und Pierre de Fermat (1607–1665) als Begründer der analytischen Geometrie, welche die rechnerische
100
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
der Antike bekannten Sätze über Dreiecke verwenden können. In moderner Terminologie und Symbolsprache lässt sich die Aufgabe wie folgt beschreiben (vgl. Abb. 3.9): Gesucht ist der Abstand 𝑑 zweier Punkte 𝑃1 und 𝑃2 , die auf konzentrischen Kreisen mit Mittelpunkt 𝑀 liegen. Die Radien 𝑟 1 und 𝑟 2 dieser Kreise sind bekannt und entsprechen den radius-Werten beider Punkte; der Winkel 𝛼 berechnet sich aus der Differenz der jeweiligen horizon-Winkel. Zur Lösung des Problems gelangt man in mehreren Schritten. Zunächst wird mit der Sinusfunktion die Länge der Strecke 𝑃2 𝐴 – also der Höhe im Dreieck △𝑀 𝑃2 𝑃1 – berechnet, mit der Kosinusfunktion die Länge der Strecke 𝑀 𝐴: 𝑃2 𝐴 = sin (𝛼) · 𝑟 2 , 𝑀 𝐴 = cos (𝛼) · 𝑟 2 . Die Strecke 𝑃1 𝐴 ergibt sich nun als Differenz aus 𝑟 1 und 𝑀 𝐴. Im rechtwinkligen Dreieck △𝑃1 𝑃2 𝐴 sind somit die Strecken 𝑃2 𝐴 und 𝑃1 𝐴 bekannt, sodass sich die gesuchte Strecke 𝑑 mit dem Satz des Pythagoras berechnen lässt:56 √︃ 2 2 𝑃1 𝐴 + 𝑃2 𝐴 𝑑 = √︃ (𝑟 1 − cos (𝛼) 𝑟 2 ) 2 + (sin (𝛼) 𝑟 2 ) 2 = √︂ 𝑟 12 − 2𝑟 1 𝑟 2 cos (𝛼) + 𝑟 22 cos2 (𝛼) + sin2 (𝛼) = √︃ = 𝑟 12 − 2𝑟 1 𝑟 2 cos (𝛼) + 𝑟 22 Eine rechnerische Methode zur Bestimmung des Abstandes zweier Punkte wurde von Alberti weder ‚mitgeliefert‘ noch erwähnt. Ihn auf die beschriebene oder eine ähnliche Art und Weise zu berechnen, wäre ohne Weiteres möglich gewesen, hätte aber Kenntnisse in Geometrie vorausgesetzt. Die Überprüfung mit einem Lineal wäre zweifellos deutlich schneller vonstattengegangen und auch praktikabler gewesen. Fraglich ist allerdings, ob das proximus punctus-Kriterium nicht ohnehin nur als grober Hinweis für den Zeichner gedacht war, der wohl nie auf die Idee gekommen wäre, die Abstände zwischen den Punkten auf seiner Zeichenfläche so exakt zu be-
56
Behandlung geometrischer Objekte mithilfe von Koordinaten erlaubt (siehe z. B. Merzbach/ Boyer 2011, 309–320). Einführungen in das praktische Rechnen bieten z. B. Albrecht 2020; Filler 2011, 49–84. Vgl. z. B. Theorem 49 im einige Zeit später erschienenen Werk De triangulis omnimodis, mit dem Regiomontanus (1436–1476) die seit der Antike gewonnenen mathematischen Erkenntnisse zu Dreiecken erstmals systematisch und losgelöst aus der Abhängigkeit von astronomischen Fragestellungen präsentierte (Si duo latera trianguli data notum ambiant angulum, reliquos angulos residuumque latus dimetiri; „Wenn zwei Seiten eines Dreiecks gegeben sind und der Winkel, den sie einschließen, bekannt ist, können die übrigen Winkel und die verbliebene Seite ermittelt werden“; Petreius 1533, 41–42. Ein Faksimile dieses Drucks mit englischer Übersetzung und Einleitung bietet Hughes 1967). Die Schrift ist ein guter Beleg dafür, dass sich die Astronomie als überaus förderlich für die mathematische Theoriebildung erwies.
3.3 Zu einigen Problemen der Anleitung
101
stimmen, sondern sich im Zweifelsfall an seine topographischen Vorkenntnisse oder die Wahrscheinlichkeit gehalten hätte.
3.3.3 Die auges Sind die Punkte auf der Zeichenfläche aufgetragen, müssen diejenigen davon, die zum Tiber und zu den Mauern gehören, miteinander verbunden werden. Die bereits vom proximus punctus-Kriterium bekannte Passage der Anleitung lautet:57 Positis punctis in superficie pingenda, ab eorum quolibet ad proximum alterum punctum lineam duco rectam, praeterquam ad punctum cuius in tabula titulus est ascriptus: „Avx“; namque ad punctum quidem hunc non recta sed sinuosa accedendum est linea, et itidem sinuosa recedendum est linea, ita ut istarum ductu arcum ad eam illic positam flexionis adnotationem efficias. (Sind die Punkte auf der Zeichenfläche aufgetragen, ziehe ich von irgendeinem davon eine gerade Linie zum nächstgelegenen Punkt, außer zu einem Punkt, dessen Tabellenüberschrift „Aux“ lautet; denn zu diesem Punkt musst du keine gerade, sondern eine gebogene Linie zeichnen, und auch eine gebogene Linie von dort weg, sodass du durch deren Verlauf einen Bogen gemäß der dort platzierten Biegungsangabe erzeugst.)
Durch die Punkte der mit avx oder avges überschriebenen Tabellen II, IV, VI, XII und XIV, die zu den Mauern, der Tiberinsel und dem Flusslauf um die Insel gehören, sollen also im Gegensatz zu den anguli keine geraden, sondern gebogene Verbindungslinien gezogen werden.58 Inwieweit durch gebogene Linien die realen Gegebenheiten abgebildet werden – oder ob sie dafür überhaupt erforderlich waren –,59 müsste im Einzelfall geprüft werden. Für die Umsetzung der Anleitung als Algorithmus ist entscheidend, was Alberti unter einer aux verstanden haben mag und wie die gebogene Linie konkret auszuführen ist. Bei dem klassisch nicht belegten Wort aux, augis f handelt es sich um einen astronomischen Fachterminus: Latinisiert aus arabisch auğ, ist aux die Entsprechung des griechischen ἀπόγειον, des Apogäums, das den von der Erde aus gesehen entferntesten Punkt auf der Umlaufbahn eines Himmelskörpers bezeichnet (Abb. 3.10).60 Erdfernste Punkte ergaben sich im zeitgenössischen Modell der Planetenbewegung, das auf Ptolemaios basierte und von kreisförmigen Umlaufbahnen ausging, nur deshalb, weil die Erde nicht im Zentrum des Deferenten (Trägerkreises) gedacht 57 58
59
60
Alberti, Desc. 6; vgl. Kapitel 3.3.2. Der angulus wird in Desc. 5 definiert: Angulum appello eam perscriptionem quae fiat lineis seu rectis, seu altera recta altera flexa, sese muto secantibus („Einen ‚Eckpunkt‘ nenne ich eine Markierung, die entsteht, wenn sich zwei gerade Linien oder eine gerade und eine gebogene Linie schneiden“). Die Definition in Pict. lat. 1,3 ist zwar auf Oberflächen bezogen, aber praktisch identisch. Betrachtet man den gebogenen Verlauf des Tiber, wie er durch die Punkte der Tabellen X und XV, also mit geraden Verbindungslinien, realisiert wurde, stellt sich die Frage, ob Alberti die dortigen Krümmungen nicht ebenso gut mit (einer geringeren Anzahl von) auges-Punkten hätte erzielen können. Siehe Humperdinck 1967; vgl. Ptol. Alm. 3,3–5 sowie Alm. 10–12 zu den Planeten. Zur astronomischen Terminologie siehe auch Furno 2000b, 102–104.
102
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
Deferent
Planet Erde
¨ Aquant Apog¨aum
Abbildung 3.10: Vereinfachte, schematische Darstellung des ptolemäischen Modells der Planetenbewegung
wurde und außerdem Epizykeln angenommen werden mussten, um die retrograde Planetenbewegung erklären zu können. Albertis eigene Definition einer aux im Paragraphen zuvor lässt vermuten, dass er ein von der Astronomie inspiriertes Konzept im Sinn hatte:61 Augem appello summam curvitatem et recessum a directione quam flexa effecerit linea. (Einen ‚Scheitelpunkt‘ nenne ich den obersten Punkt der Krümmung und die Abweichung von der Geradheit, die eine gebogene Linie bewirkt.)
Das klassisch nicht belegte curvitas, -atis f lässt sich durch „Krümmung“ oder „Biegung“ wiedergeben.62 Antikem Sprachgebrauch folgend, dürfte die (bis dahin offenbar ungebräuchliche) Junktur summa curvitas eine bestimmte Position auf der gebogenen Linie bezeichnen, nämlich den höchstgelegenen Punkt.63 61 62
63
Alberti, Desc. 5. Hellmuth 1999. Der früheste Beleg findet sich offenbar in Macr. Somn. 1,15,7. Unter anderem wurde der Begriff benutzt, um eine gebogene Linie von einer Geraden abzugrenzen, so z. B. von Boethius: Non enim in eo quod linea est, curva linea rectae lineae contraria est, sed in eo quod curva est, et in his non lineae videntur esse contrariae, sed ipsa rectitudo et curvitas. („Denn nicht darin, dass es eine Linie ist, ist die gekrümmte Linie der geraden Linie entgegengesetzt, sondern darin, dass sie gekrümmt ist, und diesbezüglich scheinen die Linien nicht gegensätzlich zu sein, sondern in der Geradheit und Krümmung“, Boethius, In categorias Aristotelis 2,211B, Text Migne 1847). Das superlativische, attributive Adjektiv summa dürfte nicht „das Verhältnis zu anderen gleichartigen Gegenständen, sondern zu den Teilen desselben Substantivs“ bezeichnen (Rubenbauer / Hofmann / Heine 1995, § 110); vgl. die französischen, italienischen und englischen Übersetzungen der Descriptio urbis Romae von Jean-Yves Boriaud, Carmela Colombo bzw. Peter Hicks (Boriaud / Furlan u. a. 2005, 91, 105, 119). Nikolaus von Oresme (vor 1330–1382) hatte bereits rund hundert Jahre zuvor, im ca. 1350 verfassten Tractatus de configurationibus qualitatum
3.3 Zu einigen Problemen der Anleitung
103
Als Ergebnis der Zeichenbewegung soll also eine flexa linea entstehen. Während Alberti diese in De pictura eher unspezifisch in Abgrenzung zu einer geraden Linie einführt und ihr Verhältnis zum Kreis nicht spezifiziert, definiert er sie in den Elementa picturae präziser, und zwar als Kreis bzw. Kreisbogen:64 Flexilinea65 est quae a puncto ad punctum adducta pars quota sit circuli; nam cocleas quidem et columnarum conicarumque sectionum lineas pictor non habet qui imitetur nisi flexarum rationibus et adminiculis. (Eine ‚Gebogene‘ ist ein Strich, der von einem Punkt zum andern als bestimmter Teil eines Kreises verläuft. Schnecken zum Beispiel und die Linien von Säulen- und Zylinderschnitten kann ein Maler nur nachahmen, wenn er Gebogene zu berechnen vermag und zu Hilfe nimmt.)
Alberti schließt die Definition eines circulus an, der aus mehreren lineae flexae bestehen soll:66 Circulus apud nos erit limbus constans pluribus lineis flexis, quarum capita ita inter se iuncta sint, ut altera nusquam alteram percidat. (Als ‚Kreis‘ gilt mir ein Saum, der zusammengefügt ist aus mehreren Gebogenen; deren Enden wiederum sind so miteinander verbunden, dass keine eine andere irgendwo schneidet.)
Unter diesen Bedingungen kann man annehmen, dass Alberti zumindest die Inspiration für die gebogenen Linien, die durch seine auges-Punkte zu zeichnen sind, aus der Astronomie/-logie bzw. von Kreis(bahn)en bezogen hat. Andere Optionen für deren präzise und zugleich verständliche Beschreibung standen praktisch nicht zur Verfügung, da das mathematische Konzept der (beliebig geformten) Kurve bestenfalls in den Kinderschuhen steckte und man im Wesentlichen auf den Kreis und die zwar seit der Antike bekannten, aber zu dieser Zeit wohl eher vernachlässigten Kegelschnitte zurückgeworfen war.67 Wenngleich Alberti seine gebogene Linie
64 65
66
67
et motuum, über die Mathematisierung der Kurve nachgedacht (siehe dazu Serrano/Suceavă 2015; Gericke 1992, 152 f.; Clagett 1968, 14–49). Die Definitionen von curvitas als Abweichung von der Geraden (De configurationibus 1,20) oder als Inverses des Kreisradius (1,21) haben zwar Ähnlichkeit mit ihren modernen Gegenstücken (vgl. z. B. Walter 2002, 171–174), wären aber in dieser Form für Albertis Descriptio unbrauchbar gewesen, da sie die Krümmung nicht mit Punkten in Verbindung bringen. Obgleich Nikolaus bisweilen als Erfinder der Koordinatengeometrie vereinnahmt wird, ist er die entscheidenden Schritte hin zu deren Ausarbeitung noch nicht gegangen (vgl. Grössing 1983, 61–62). Alberti, Elem. lat. D.8; Text und Übs. Bätschmann/Schäublin 2011. Die Handschriften O2 und P bieten flexa linea (Bätschmann/Schäublin 2011, 342). In D.7 ist ebenfalls die Rede von einer flexilinea, allerdings bieten die Handschriften in diesem Fall keine alternative Lesart (ebd.). Alberti, Elem. lat. D.9; Text und Übs. Bätschmann/Schäublin 2011. Der Agrimensor Balbus (wohl 1./2. Jahrhundert) bezeichnet mit flexuosus jede irgendwie gekrümmte Linie (Folkerts 2014, 133) „Although this [sc. Johannes Werner, Libellus super vigintiduobus elementis conicis, Nürnberg 1522] cannot be favorably compared with the Conics of Apollonius, which was almost entirely unknown in Werner’s day, it marks the renewal of interest in the curves for almost the first time since Pappus“ (Merzbach/Boyer 2011, 265). Julian Coolidge zufolge artikuliert sich das erneute Interesse an den Kegelschnitten zum ersten Mal in Kapitel 13,3 von Giorgio Vallas (ca. 1447–1499) De expetendis et fugiendis rebus (Venedig 1501); vgl. Coolidge 1945, 26. Zur
104
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
Abbildung 3.11: Realisierung der gebogenen Linie durch Kreis, Ellipse (gepunktet), Parabel (gestrichelt) und Catmull-Rom-Spline (grau)
theoretisch also mithilfe von Ellipse oder Parabel hätte definieren können, so wäre aus künstlerischer Sicht wohl keine nennenswerte Verbesserung erzielt worden und der zusätzliche Aufwand in der Beschreibung kaum zur rechtfertigen gewesen: Abbildung 3.11 illustriert, dass Kreis, Ellipse und Parabel für den vorliegenden Zweck hinreichend ähnliche Krümmungseigenschaften aufweisen und es bei den geringen Ausmaßen der Zeichenfläche nahezu unerheblich ist, wodurch die gebogene Linie realisiert wird. Es ist also denkbar, dass Alberti nur deshalb auf den Kreis als gängiges Paradigma zur Beschreibung nicht-gerader Linien zurückgegriffen hat, weil er einen Anhaltspunkt geben und die Ausführung nicht völlig ins Belieben des Zeichners stellen wollte.68 Betrachtet man die auges nämlich stichprobenartig und im Detail, so wird schnell deutlich, dass die astronomische Analogie nicht allzu weit trägt und wohl wirklich als Hilfskonstruktion angesehen werden muss. Erstens nämlich besteht die Gefahr, dass ein aux-Punkt nicht mittig genug zwischen zwei angulus- oder porta-Punkten liegt oder zu weit von deren direkter Verbindungslinie entfernt, was den Kreis stark vom eigentlichen Mauer- oder Flussverlauf nach außen wölben und zu einem unrealistischen Ergebnis führen würde. Tatsächlich hat Alberti, wenn man von der Edition von Boriaud/Furlan ausgeht, die auges immer im Wechsel mit anderen Punkten gesetzt und fast immer auf halber Strecke oder in gerader Linie, sodass sich ästhetisch befriedigende und topographisch realistische Rundungen ergeben.69 Eine Ausnahme ist Punkt VI 3 in der Leoninischen Mauer: Er liegt nahe an V 11 und so weit von der direkten Verbindungslinie zwischen V 11 und V 12 entfernt, dass ein Kreis durch alle drei Punkte eine unrealistische Wölbung im Mauerverlauf erzeugen würde (gestrichelt in Abb. 3.13, links). Interessant in diesem Zusammenhang ist die aux II 14 der Mauer in Latium. Handschrift O bietet eine von den übrigen Handschriften abweichende Lesart, die
68
69
Geschichte der Kurve siehe Boyer 1945 sowie Anm. 63 auf S. 102. Albertis Vorliebe für Kreise zeigt sich z. B. in Aufgabe 12 der Ludi rerum mathematicarum, wo er die Vermessung von Feldern thematisiert und wie selbstverständlich davon ausgeht, dass sie durch (mitunter sehr komplexe) Kombinationen aus geraden und kreisförmigen Linien begrenzt sind (Ludi 12 Grayson 1973, 151,14–156,25). Vgl. die Punkte VI 1, VI 2 und VI 4 der Leoninischen Mauer in Abb. 3.13 (links).
105
3.3 Zu einigen Problemen der Anleitung
I 34
I 35
II 14O II 14
Abbildung 3.12: Die aux II 14 in der Handschrift O im Vergleich zur Edition von Boriaud/Furlan VI 2 VI 3 VI 4 VI 2
VI 1
VI 1
Abbildung 3.13: Einige auges der Leoninischen Mauer (nach Boriaud/Furlan)
den Punkt mittiger zwischen I 34 und I 35 platziert, sodass ein Kreis durch diese Punkte ein natürlicheres Ergebnis liefert (II 14O in Abb. 3.12). Ob es sich hierbei um die authentische Lesart oder bereits eine frühe Korrektur handelt, lässt sich nicht entscheiden. Anzumerken bleibt schließlich eine wichtige Inkonsistenz mit dem astronomischen terminus technicus: Anders als man gemäß dem zeitgenössischen Modell der Planetenbewegung erwarten würde, sind Albertis auges im Allgemeinen weder lokal noch global am weitesten von irgendetwas entfernt!70 Betrachtet man nur die kleinen Kreise, die aus einem aux-Punkt und seinen beiden Nachbarn gebildet werden, dann liegen letztere definitionsgemäß gleich weit von ihrem gemeinsamen virtuellen Zentrum entfernt (Abb. 3.13, rechts). Nimmt man das Kapitol als Zentrum an und betrachtet dessen direkte Verbindungslinien zu den auges, so ist man ebenfalls gezwungen, diesen keinen Sonderstatus zuzugestehen. Zwar gibt es, vor allem bei der Mauer in Latium, einige auges, die weiter vom Kapitol entfernt liegen als ihre beiden Nachbarpunkte, im Allgemeinen jedoch findet sich mindestens einer, der weiter entfernt ist als die aux.71 Abgesehen davon sind es, nach der Edition von Boriaud/Furlan, keine auges, die am weitesten von allen Punkten vom Kapitol
70 71
Pace Grafton 2001, 244–245. Die Verbindungen zum Kapitol sind in Abbildung 3.13 (rechts) gestrichelt dargestellt.
106
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
XIII 8 X 19
XIII 6
Sub Palatio Ad Castellum
Castellum
Meta
V 13
V 11
XVI 1
Maxima Petri basilica In colle
IX 2
XIII 1
V4
Spiritus
V1
XIII 5
Sub Iano Sancti Spiritus Postica ad convallem
Abbildung 3.14: Schematische Darstellung der Tiberinsel (links) – Zeichnung der Leoninischen Mauer mit Startpunkt V 11 (rechts)
entfernt liegen, sondern die anguli V 6 und V 7 der Leoninischen Mauer mit einem radius-Wert von 46/0. Selbst wenn sich also, zumindest aus heutiger Sicht, nicht mit Sicherheit rekonstruieren lässt, wie eine linea sinuosa/flexa genau ausgeführt werden soll, so dürfte Alberti aller Wahrscheinlichkeit nach eine gebogene Linie von der Art eines Kreisbogens vor Augen gehabt haben, wobei er damit nur einen Anhaltspunkt geben und seinen Zeichner keineswegs auf die Einhaltung der perfekten Kreisform verpflichten wollte, was unpraktikabel und in einigen Fällen ästhetisch und topographisch fragwürdig gewesen wäre.72
3.4 ZUSATZANNAHMEN FÜR EINE KORREKTE KARTE Durch die Leerstellen, die Alberti in der Zeichenanleitung für seine Stadtkarte gelassen hat, ergeben sich gewisse Freiheitsgrade für die Umsetzung. Im Folgenden sei eine minimale Menge von Zusatzannahmen angeführt, die man auf konzeptioneller Ebene treffen muss, um eine korrekte Karte herzustellen, also eine Karte, die die topographische Realität korrekt wiedergibt.73 Dies entspricht ihren modernen Interpretationen und dürfte ganz in Albertis Sinne gewesen sein. Realistisch platzierte Punkte vorausgesetzt, ist Folgendes zu beachten: 1. Die Punkte müssen nach topographisch-thematischen Kategorien zusammengefasst, eingezeichnet und verbunden werden: Die Punkte der Tabellen I, II und VII für die Mauer in Latium, die Tabellen III, IV und VIII für die Mauer in Trastevere, die Tabellen V, VI und IX für die Leoninische Mauer, die Tabellen X und XV für den Tiber. Die Tiberinsel und der Flussumlauf 72
73
Die webbasierte Umsetzung der Descriptio urbis Romae (siehe Anm. 6 auf S. 6) interpretiert die Angaben Albertis ebenfalls etwas freier und verwendet für die gebogenen Linien CatmullRom-Splines, die der Kreisform hinreichend ähnlich sind, in den erwähnten schwierigeren Situationen aber ein ästhetisch ansprechenderes Ergebnis liefern (vgl. Abb. 3.11 und 3.13). Zu Catmull-Rom-Splines siehe die Originalpublikation Catmull/Rom 1974 sowie die neuere Darstellung in Salomon 2006, 161–164. Das gleiche Ergebnis ist (mit größerem Aufwand) natürlich auch auf anderen Wegen erreichbar.
3.4 Zusatzannahmen für eine korrekte Karte
107
müssen händisch bearbeitet werden (s. u. Zusatzannahme 4), die Punkte der Tabelle XVI (öffentliche Gebäude und Tempel) werden von der Bearbeitung ausgenommen. Diese Zusatzannahme löst die in Kapitel 3.3.1 angesprochenen Probleme.74 2. Jeder Punkt darf nur einmal für eine Verbindungslinie benutzt werden. Wurde also eine Linie zu einem bestimmten Punkt gezeichnet, muss von dort ein neuer, bisher noch unverbundener Punkt aufgesucht werden. Insbesondere kann es somit nicht passieren, dass ein zweites Mal über eine bereits bestehende Verbindungslinie gezeichnet wird. Ansonsten nämlich kann die Situation eintreten, dass nach dem proximus punctus-Kriterium endlos zwischen zwei eng benachbarten Punkten hin- und hergezeichnet werden muss, das Verfahren nie abbräche und man deshalb nicht von einem Algorithmus sprechen dürfte:75 Ist man beispielsweise von links bei Punkt IX 2 der Leoninischen Mauer angekommen (Abb. 3.14, rechts), so muss von dort zu V 4 gezeichnet werden. Da nun aber der von V 4 aus gesehen nächste Punkt wieder IX 2 ist, wäre man in einer Endlosschleife gefangen, wenn man ihn erneut benutzen dürfte. Diese Beschränkung schafft ein Problem rund um die Tiberinsel, das durch Zusatzannahme 4 behoben wird. 3. Bei jeder Kategorie von Punkten (siehe Zusatzannahme 1) muss der Startpunkt für deren Verbindung so gewählt werden, dass er am Anfang oder Ende des Mauer- bzw. Tiberverlaufs liegt, der normalerweise mit dem ersten oder letzten Punkt einer der beteiligten Tabellen übereinstimmt. Wird bei der Leoninischen Mauer beispielsweise nicht V 1 oder V 13, sondern V 11 als Startpunkt gewählt, ergibt sich eine Situation wie in Abbildung 3.14 (rechts), die nicht beabsichtigt gewesen sein kann. 4. Die Punkte der Tiberinsel (Tabellen XI und XII) und des sie umgebenden Flusslaufes (Tabellen XIII und XIV) müssen ohne Regel und händisch verbunden werden. Durch die Zusatzannahme 2 ergeben sich nämlich zwei Probleme: Erstens wäre die Tiberinsel mit dem Fluss zu verbinden,76 zweitens kann die Teilung des Tiber vor und das Zusammenfließen hinter der Insel prinzipiell nicht korrekt gezeichnet werden. Abbildung 3.14 (links) zeigt beispielhaft und schematisch die beiden paradigmatischen Optionen: Entweder man zeichnet nur eine Seite des Tiber und die andere nicht,77 oder
74
75 76
77
Zusätzlich muss angenommen werden, dass alle Punkte, die nicht ausdrücklich als auges, portae oder aedificia bezeichnet werden, anguli sind, also die insulae capita in Tabelle XI, die latera fluminis in Tabelle XIII oder die Punkte ohne Bezeichnung in den Tabellen X und XV. Vgl. den Anforderungskatalog auf S. 92. Nach der Edition von Boriaud/Furlan liegt Punkt XI 1 der Tiberinsel so zwischen den Punkten XIII 2 und XIII 3 des Tiberverlaufs, dass dieser darüber hinweg gezeichnet werden muss. Das beschriebene Problem wird dadurch freilich nicht gelöst. Z. B. von XVI 1 über XIII 5, XIII 1 und X 19 (Abb. 3.14, links, grauer Pfad).
108
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
man zeichnet beide Seiten und riskiert einen unrealistischen Flussverlauf.78 In der Praxis ergibt sich eine Mischung beider Probleme (vgl. Abb. 3.8).79 5. Durch die auges kann ein Kreisbogen oder, wenn das Ergebnis natürlicher ausfallen soll, z. B. ein interpolierender Spline gezeichnet werden (siehe Kapitel 3.3.3).
3.5 BEOBACHTUNGEN IN DEN HANDSCHRIFTEN Die auf Basis von Albertis Descriptio urbis Romae herstellbare Stadtkarte könnte man als ‚korrekt‘ bezeichnen, wenn alle Punkte so positioniert sind, dass die Topographie hinreichend realistisch wiedergegeben ist und das exakte Befolgen der Zeichenanleitung die richtigen Verbindungslinien zwischen ihnen produziert. Letzteres ist auch ohne Kenntnis der Verhältnisse vor Ort allein anhand der Koordinaten überprüfbar und wesentlich für die erkenntnisleitende Frage, ob Albertis Anleitung einen Algorithmus beschreibt. Zur Beantwortung müsste man idealerweise zum authentischen Text durchdringen, doch ist erstens kein Autograph bekannt und zweitens die Qualität der Handschriften so durchwachsen, dass sich dieses Desiderat nicht wird erfüllen lassen. Somit rücken die Handschriften als einige der wenigen expliziten Rezeptionszeugnisse in den Fokus des Interesses, wobei eine Analyse der Varianten das Verständnis des Textes zu verbessern verspricht: Dass Alberti mit der Descriptio urbis Romae die topographische Realität erklärtermaßen präzise erfasst und ihre zuverlässige Abbildung ermöglicht habe, könnte ein interessierter Kopist, der willens und in der Lage war, den Text nicht nur mechanisch zu übertragen, sondern sich mit ihm auseinanderzusetzen und die beschriebene Technik nachzuvollziehen, als Aufforderung verstanden haben, die Stadtkarte eigenhändig anzufertigen und im Falle offensichtlicher Ungereimtheiten korrigierend in den Text bzw. in die Koordinaten einzugreifen. Natürlich kann normalerweise nicht von der Rezeption eines Textes auf die Intentionen seines Autors geschlossen werden, doch gelten für einen Fachtext wie die Descriptio eigene Gesetze: Algorithmen, verstanden als präzise, vollständige und funktionierende Anleitungen zur Lösung konkreter Probleme, waren keine Erfindung Albertis, sondern seit der Antike bekannt und verbreitet. Wenn sich die Zeichenanleitung als defizitär herausgestellt hätte, weil diese Kriterien – selbst nach vormodernem Verständnis – nicht erfüllt waren, könnte man sich zu Eingriffen veranlasst gesehen haben. Wie in den vorangegangenen Kapiteln gesehen, liefert die Anleitung ohne die Mitwirkung eines denkenden Zeichners, der die Leerstellen mithilfe seiner topographischen Kenntnisse und bestimmter Vorannahmen aufzufüllen in der Lage ist, nicht das gewünschte Ergebnis.80 Die in den Handschriften anzutreffenden Varianten, dies 78 79 80
Z. B. von XVI 1 über XIII 5, XIII 1, XIII 8, XIII 6 und X 19 (Abb. 3.14, links, gepunkteter Pfad). Dieses Problem wäre auch dadurch lösbar, keine durchgezogene Linie zu zeichnen, sondern nach jeder Verbindung abzusetzen und zwei neue Punkte zu verbinden (vgl. Anm. 51 auf S. 96). Hinsichtlich der für die Zeichnung relevanten Anweisungen ist die Anleitung in allen bekannten
3.5 Beobachtungen in den Handschriften
109
sei vorweggenommen, bieten zum Teil so fehlerhafte Koordinaten, dass sich die Situation weiter verschlechtert und man sich zu der Annahme gezwungen sieht, einige Kopisten seien bestenfalls desinteressiert an ihrer Vorlage gewesen, vielleicht sogar damit überfordert.81 Im Folgenden soll auf einige interessante Fehler und Korrekturen eingegangen werden, die sich in den bekannten Handschriften finden. Da ihre Qualität nicht allein durch das Studium des kritischen Apparates, das vor allem die Identifikation banaler Fehler ermöglicht (z. B. 8 statt 3 oder 22 statt 2), sondern erst auf Grundlage der graphischen Darstellung beurteilt werden kann, wurde Albertis Stadtkarte nach dem Befund jeder Handschrift gezeichnet.82 Wenn beispielsweise erkennbar ist, dass eine Korrektur keinem erkennbaren Schema folgt, die Karte aber merklich verbessert, so liegt die Vermutung nahe, der Kopist habe diese (wenigstens abschnittsweise) eigenhändig gezeichnet und die Zahlen dahingehend korrigiert, dass die topographische Realität besser abgebildet wird. Vielleicht hat er sogar Albertis Verfahren durchschaut und die Koordinaten so adaptiert, dass die Anweisungen der Anleitung ein besseres Ergebnis liefern. Beobachtungen in A, A1 , A2 Die Handschrift A stammt aus dem 16. Jahrhundert. Genau wie in B sind die Tabellen mit den Stadttoren (Tab. VII bis IX), dem Tiber ab der Insel (Tab. XI bis XV) und den Gebäuden und Tempeln (Tab. XVI) doppelt vorhanden. Die zweite Redaktion der Tabellen wird mit A1 bezeichnet, die Korrekturen von zweiter Hand mit A2 . Als Quelle dieser Korrekturen kommt M in Betracht.83 Über den Grund für die Verdopplung der Tabellen, die bereits im Antigraphen ω von A und B vorzuliegen scheint, lässt sich nur spekulieren.84 Auffällig ist, dass es sich zumindest bei den Stadttoren und den Gebäuden und Tempeln um markante Topographika handelt, deren genaue Verortung beispielsweise für das Anfertigen von Stadtansichten von Interesse gewesen sein dürfte. Verdopplung und Korrektur könnten also das Bemühen um eine verlässliche Datenbasis spiegeln. Dass sich die Stadtkarte jedoch sogar auf Basis von A2 nicht annähernd korrekt zeichnen lässt, demonstriert Abbildung 3.15. Die 29 Änderungen, die A1 gegenüber A vorgenommen hat, geben kaum Anlass, an eine intensivere Beschäftigung mit Albertis Karte aufseiten des Kopisten zu glauben (vgl. Abb. 3.16). Abgesehen davon, dass einige ganz offensichtlich falsche 81
82 83 84
Handschriften identisch. Damit mag zusammenhängen, dass der Prozentsatz an Varianten relativ hoch ist: Bei fast jedem zweiten Punkt stimmen die Handschriften nicht überein. Aufgrund der größtenteils schematischen und gut nachvollziehbaren Verschreibungen kommt Francesco Furlan dennoch zu dem Schluss, dass die von Alberti ersonnene Technik zur fehlerfreien Übertragung von Zeichnungen ein Erfolg war (Carpo/Furlan 2007, 25). Alle Angaben zu den Varianten der Handschriften basieren auf dem kritischen Apparat der Edition von Boriaud/Furlan. Siehe Anm. 6 auf S. 15. Siehe die Beschreibung der Handschrift auf S. 129. Vgl. unten S. 140.
110
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
48
47
1
2 3
46
4
45
5
44 Sub Palatio
6Mensa Neronis
43 Populi
42
7 Ad Castellum
41
La Donna 8
Salaria Pincia
Laurentii 9
40
39
10
Maxima Petri basilica Columna Antonini
38
11
In colle Sub Iano Sancti Spiritus Crucis Postica ad convallem
37
Maior
Militiae Ara Coeli Fastigium Constantini CapitoliumPetri in Vincula Vitalis Panispernae
Sub Iano Ioannis ad Latinam
12
36
13 Capaquae Pancratii
35
Thermae
Pancratii
Rotunda: Pant
Mariae maioris
Crisogoni
34
14
Laterani
Ioannis et Pauli Priscae
Ioannis Apostoli
15
Stephani rotundi Meta Pauli Honofrii in monte
Balbinae
33
Horologii in campo 16 Florae Latina Parioni turris 17 Appia
Sabae Portuensis 32 31
Pauli Petri in monte
Meta
Mariae trans Tyberim 18
Castellum
30
19 Spiritus
29 28
20 21
27 26
25
22 23 24Columna Adriani seu Caritarium turris
Abbildung 3.15: Albertis Stadtkarte nach der Handschrift A2 (topographische Kategorisierung; Startpunkte sind die jeweils ersten Punkte der Mauerverläufe und des Flusses)
Positionen nicht korrigiert wurden,85 sind bei den Stadttoren sogar fast ausschließlich Verschlechterungen festzustellen: – Bei Sub Iano (VIII 3), einem Tor der Mauer von Trastevere, werden die Minuten des radius von 0 auf den – prinzipiell gar nicht vorgesehenen – Wert 9 geändert, das Tor somit über den Tiber hinweg in Richtung des VII. Rione verschoben. – Postica ad convallem (IX 2), ein Tor der Leoninischen Mauer, befindet sich in A fälschlicherweise im V. Rione, in A1 immerhin schon auf der richtigen Tiberseite, müsste aber noch erheblich weiter nach außen verschoben werden, um korrekt platziert zu sein. Die falsche Position unterscheidet sich von der richtigen nur durch den Gradwert des radius: A bietet 25, A1 korrigiert zu 27, korrekt wären 37.
85
So beispielsweise die Punkte V 10 (Leoninische Mauer), X 6 (Tiberverlauf vor der Insel), X 8 (ein Punkt des Tiber; ein horizon-Minutenwert von 21 ist nicht vorgesehen). Außerdem befinden sich die Punkte V 2 und IX 5 (nicht in der Abbildung), die beide zur Leoninischen Mauer gehören, im oberen Abschnitt der Mauer in Latium.
111
3.5 Beobachtungen in den Handschriften
X6
XVI 1
IX 4
Sub Palatio
V 10 XVI 17
Crucis
IX 2 Postica ad convallem
XVI 26
X8
Honofrii in monte
XVI 15 Ioannis ad Latinam
XVI 21 Capaquae
XI 2
VIII 3 Sub Iano
XVI 29
Crisogoni
Mariae trans Tyberim
XVI 30 Pancratii
VIII 2
Ioannis Apostoli
XVI 16
Abbildung 3.16: Einige Änderungen von A1 gegenüber A
– Bei Sub Palatio (IX 4), einem Tor in der Leoninischen Mauer, wird der Gradwert des horizon von 38 nach 48 geändert, wodurch sich eine erkennbar fehlerhafte Position weit außerhalb der Mauer in Latium ergibt. – Einzig die Koordinaten der Porta Pancratii (VIII 2) entsprechen der Lesart der Edition von Boriaud/Furlan und sind, trotz der eigentümlichen Biegung der Mauer von Trastevere, möglicherweise authentisch. Weiterhin wurde die Position etlicher Gebäude geändert: – Bei der Petersbasilika (XVI 1) wird der Gradwert des radius von prinzipiell nicht vorgesehenen 88 zu 38 korrigiert und das Heiligtum somit zwar von weit außerhalb des horizon wieder in Richtung der Leoninischen Mauer verschoben, jedoch befindet es sich immer noch außerhalb davon und nicht, wie es korrekt wäre, in deren Zentrum. – Bei Ioannis ad Latinam (XVI 15) wird der Gradwert des radius von 13 nach 17 geändert und die Kirche somit etwas vom Kapitol weggeschoben. Allerdings sind beide Positionen völlig falsch: Tatsächlich befindet sie sich nicht oberhalb der
112
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
Tiberinsel, sondern im Südosten nahe der Porta Latina. Ursache des Fehlers ist die Vertauschung der Spalten von horizon- und radius-Werten.86 – Bei Ioannis Apostoli (XVI 16) wird der Gradwert des radius von 16 nach 14 geändert, das Gebäude somit leicht in Richtung Zentrum der Karte verschoben. Damit ergeben sich zwar die von Boriaud/Furlan gelesenen Zahlen, doch sind abermals die Spalten von horizon und radius vertauscht. – Bei Crucis (XVI 17) wird der Gradwert des radius von 17 nach 13 geändert. Ansonsten liegt die gleiche Situation wie bei Ioannis Apostoli (XVI 16) vor. – Bei Capaquae (XVI 21) werden die Koordinaten 32/2/6/0 zu 33/2/10/0 geändert; Boriaud/Furlan ändern den Gradwert des horizon zu 23 und vertauschen abermals die Spalten von horizon und radius. – Bei Honofrii in monte (XVI 26) werden die Koordinaten 36/1 21 /31/2 zu 31/2/35/1 21 geändert, also 36 zu 35 korrigiert und gezielt die Spalten von horizon und radius vertauscht, dieses Mal allerdings fälschlicherweise: Boriaud/Furlan halten an den Koordinaten von A fest. – Bei Mariae trans Tyberim (XVI 29) wurden die Spalten von horizon und radius vertauscht; Boriaud/Furlan machen die Vertauschung rückgängig und halten an den Koordinaten von A fest. – Bei Crisogoni (XVI 30) wurden, wie auch bei Mariae trans Tyberim (XVI 29), die Spalten von horizon und radius vertauscht; auch hier halten Boriaud/Furlan an der von A gebotenen Anordnung fest. Es gibt einige weitere Änderungen, die wegen ihrer Geringfügigkeit absichtsvoll vorgenommen worden sein könnten, für die Zeichnung aber nicht relevant sind.87 A2 nimmt weitere 7 Änderungen gegenüber A1 vor (vgl. Abb. 3.17): – Bei IV 3 wurde der Gradwert des radius geringfügig von 26 auf 25 geändert, der Punkt also leicht in Richtung des Zentrums der Karte verschoben. – Bei V 2 wurde der Minutenwert des horizon von 37 zu 2 12 geändert, wodurch der Punkt aus der Mauer in Latium in die Leoninische Mauer verschoben wird, wo er korrekt platziert ist. Als Grund für den ursprünglichen Fehler kann eine simple Verschreibung vermutet werden: In Tabelle V haben die ersten fünf Punkte einen horizon-Gradwert von 37, die der Kopist von A irrtümlicherweise in den horizon-Minutenwert des Punktes V 2 übernommen haben könnte.
86 87
A1 bietet die Koordinaten 36/0/17/0, Boriaud/Furlan lesen 17/0/36/0. Zu dieser Fehlerart siehe Kapitel 5.2.3. Beispielsweise wurde beim Punkt XI 2 (Tiberinsel) der Minutenwert des horizon von 2 21 nach 2 13 geändert.
113
3.5 Beobachtungen in den Handschriften
X 10 V 10 V2
Capaquae
XVI 21
XIV 1 IV 3
XVI 30
Crisogoni
Abbildung 3.17: Einige Änderungen von A2 gegenüber A1
– Bei V 10, einem Punkt der Leoninischen Mauer, wurde der Minutenwert des horizon von 21 nach 2 12 geändert. Damit rückt der Mauerpunkt aus der Nähe der Petersbasilika in die Nähe der übrigen Mauerpunkte, was die topographischen Gegebenheiten korrekter widerspiegelt. Als Grund für den ursprünglichen Fehler kann auch hier eine simple Verschreibung angenommen werden. – Bei X 10, einem Punkt des Tiberverlaufs, wurde der Gradwert des horizon von 30 nach 39 geändert. Durch diese Maßnahme wird der Punkt aus der Mauer in Trastevere an seine korrekte Position in der Leoninischen Mauer verschoben. Begründen lässt sich der Fehler durch die leichte Verwechslungsgefahr bei den Ziffern 0 und 9. – Bei XIV 1, einem Punkt des Tiberumlaufs um die Tiberinsel, wurde der Minutenwert des horizon von 3 nach 2 geändert, wodurch sich keine nennenswerte Verbesserung ergibt. – Bei Capaquae (XVI 21) wurde der Gradwert des horizon von 33 nach 32 geändert. Damit jedoch hat der Punkt dieselben Koordinaten wie der Punkt XII 1 der Tiberinsel. Deshalb ist es mehr als fraglich, ob die Korrektur anhand einer Zeichnung überprüft wurde. – Bei Crisogoni (XVI 30) wurden die Werte von horizon und radius ausgetauscht, wodurch die topographischen Gegebenheiten korrekt wiedergegeben sind.
114
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
Die Änderungen in Handschrift A wurden ausführlicher besprochen, da sich bereits hier sämtliche der charakteristischen Eingriffe zeigen, die so oder ähnlich auch in den übrigen Handschriften anzutreffen sind. Beobachtungen in B, B1 Die Handschrift B stammt aus dem 17. Jahrhundert. Genau wie in A sind die Tabellen VII bis IX und XI bis XVI in zweifacher Ausführung vorhanden. Die zweite dieser beiden Redaktionen wird traditionell mit B1 bezeichnet. Auf die enge Verwandtschaft von A und B deuten diverse Bindefehler hin, die ebenso wenig wiederholt werden sollen wie die fehlerhafte Vertauschung der Koordinatenspalten oder die Verschreibung aufgrund von ähnlichen Ziffern.88 Ein Alleinstellungsmerkmal von B allerdings ist der völlig unrealistische Tiberverlauf. Vor allem zwischen der Leoninischen Mauer und der Tiberinsel wurde bei fast allen Punkten der Minutenwert des horizon um einen, zwei oder drei Werte erhöht oder verringert, wodurch die entsprechenden Punkte von ihrer korrekten Position entfernt wurden (vgl. Abb. 3.18). Weiterhin sind die Punkte X 7 und X 8 offensichtlich falsch positioniert. Es fällt schwer zu glauben, dass der Kopist von B (oder von B1 , wo dieselben Fehler auftreten) die Karte auf Basis dieser Werte gezeichnet haben könnte und trotz des offensichtlichen Befundes nicht korrigierend eingegriffen hätte. Beobachtungen in Nac , Npc Die Handschrift N ist Ende des 15. Jahrhunderts entstanden.89 Eingriffe in den Text lassen sich durch den Vergleich von Nac und Npc erkennen, die sich in insgesamt 8 Koordinaten unterscheiden. Anhand der sechs Änderungen, die die Leoninische Mauer betreffen, sei exemplarisch demonstriert, dass wohl auch hier schematisch vorgegangen wurde, ohne die Karte zu zeichnen (vgl. Abb. 3.19). Bei V 1, dem ersten Punkt der Leoninischen Mauer, wurde der Gradwert des horizon von 37 auf 36 verringert und der Minutenwert des radius von 1 auf 2 erhöht. Dadurch wird der Punkt gegen den Uhrzeigersinn um das Zentrum gedreht und etwas davon entfernt, was ihn an eine unrealistische Position versetzt. Die Änderungen bei V 2 und V 4 sind minimal und für die Zeichentechnik irrelevant: Die Minutenwerte des radius wurden um 1 erhöht bzw. verringert, sodass die Punkte etwas weiter außen bzw. innen platziert sind. Die Koordinaten der Punkte V 8 und V 12 wurden sinnvoll korrigiert und sorgen für einen realistischen Verlauf der Mauer. Die Petersbasilika 88
89
Siehe die Beschreibung der Handschrift auf S. 130. Einige Beispiele: A1 und B1 bieten dieselben falschen Positionen für Sub Iano (VIII 3), Sub Palatio (IX 4) und Honofrii in monte (XVI 26). Vertauschung der Spalten von horizon und radius von B nach B1 liegt beispielsweise vor bei: Pancratii (XVI 27), Mariae trans Tyberim (XVI 29) und Meta Pauli (XVI 32). Bei Petri in Vincula (XVI 33) wurden die Koordinatenspalten vertauscht und 9 als Gradwert des gradus zu 6 als Gradwert des radius geändert. Siehe die Beschreibung der Handschrift auf S. 129.
115
3.5 Beobachtungen in den Handschriften
X7
X8
Abbildung 3.18: Der Tiberverlauf zwischen Leoninischer Mauer und Tiberinsel nach der Handschrift B (falsch platzierte Punkte durch Pfeile markiert)
(XVI 1) wiederum liegt nach wie vor außerhalb der Leoninischen Mauer, was beim Zeichnen der Karte sofort aufgefallen und höchstwahrscheinlich korrigiert worden wäre.
Beobachtungen in M Da die Abstammung von M unsicher ist und keine Eingriffe durch Kopisten direkt nachweisbar sind, wird dieser Textzeuge nicht in die Betrachtung einbezogen.90 Beobachtungen in Cac , Cpc Die Handschrift C datiert vom Anfang des 16. Jahrhunderts.91 Auffällig ist die hohe Zahl von 32 Änderungen, die Cpc gegenüber Cac vorgenommen hat. Zwölf davon betreffen die bereits bekannte Vertauschung der Koordinatenspalten in Tabelle XVI.92 In acht Fällen wurden diese zusätzlich zur Vertauschung geändert, um banale 90 91 92
Vgl. die Beschreibung der Handschrift auf S. 131 und das Stemma auf S. 150. Siehe die Beschreibung der Handschrift auf S. 130. Vorgeschlagen wurde auch eine spätere Datierung in die Mitte des 16. Jh. (Carpo / Furlan u. a. 2007, 42). Dies betrifft die Punkte XVI 1, 4, 5, 6, 15, 16, 18, 20, 22, 24, 29 und 30. Durch die Vertauschung wird beispielsweise die außerhalb der Leoninischen Mauer evidenterweise falsch positionierte Petersbasilika (XVI 1) an einen realistischen Ort verschoben.
116
3 Beschreibt Albertis Descriptio urbis Romae einen Algorithmus?
V8 XVI 1 Maxima Petri basilica
V 12
V4
V2
V1 Abbildung 3.19: Vergleich einiger Punkte nach Nac und Npc (gestrichelte Linie: Mauer- und Flussverlauf gemäß der Edition von Boriaud/Furlan)
Fehler wie Zahlendreher oder Verschreibungen zu korrigieren.93 Bei den verbleibenden zwölf Änderungen ist interessanterweise keine einheitliche Systematik mehr erkennbar, jedoch führen sie eine deutliche Verbesserung der Positionierung herbei: – Die Koordinaten der Porta ad castellum (IX 5) wurden von 47/3 21 /27/2 nach 40/0/27/2 korrigiert. Als Folge davon befindet sich das Tor nicht mehr an der offensichtlich falschen Position in der Nähe der Porta Pincia, sondern korrekterweise in der Leoninischen Mauer. – Die letzten beiden Punkte des Tiber (XV 9 und XV 10) wurden von 26/1/25/0 nach 26/1/35/0 bzw. von 26/ 12 /28/0 nach 26/ 21 /38/1 geändert, der Gradwert des radius also jeweils um 10 erhöht. Diese scheinbar geringfügige Maßnahme, die nur in Cpc anzutreffen ist, verschiebt die Punkte ein gutes Stück vom Zentrum der Karte nach außen und hat die – sehr wahrscheinlich beabsichtigte – Wirkung, dass der Tiber einen deutlich realistischeren Verlauf nimmt und korrekt mit der Mauer in Latium abschließt (vgl. Abb. 3.20).
93
Dies betrifft folgende fünf Punkte aus Tabelle XVI: 3 (26/3/40/0 → 40/3/26/0), 21 (32/2/10/0 → 10/0/23/2), 26 (31/2/35/1 12 → 36/1 12 /31/2), 27 (31/0/34/0 → 34/2/31/2), 28 (13/2/22/3 → 24/3/16/2). Zwei kleine Korrekturen ohne Vertauschung von Spalten wurden bei I 7 und X 8 vorgenommen, wo der Gradwert des horizon von 22 zu 2 bzw. der Minutenwert des horizon von 21 zu 1 geändert wurde, was die Punkte deutlich besser positioniert. Die geringe Änderung beim Minutenwert des horizon bei XI 2 von 2 23 nach 2 31 ist angesichts der Nähe zum Zentrum der Karte nicht relevant.
3.5 Beobachtungen in den Handschriften
117
Meta Pauli
V9 V 10
Abbildung 3.20: Einige Änderungen von Cpc gegenüber Cac (Ausschnitt)
– Auf ähnliche Weise wurden folgende Gebäude aus Tabelle XVI korrigiert, deren Position nun zum Teil erheblich verbessert ist: Meta (XVI 2), Rotunda: Pantheon (XVI 7), Mensa Neronis (XVI 9), Crucis (XVI 17), Ioannis et Pauli (XVI 19), Panispernae (XVI 23), Vitalis (XVI 31), Meta Pauli (XVI 32), Petri in Vincula (XVI 33).94 Beobachtungen in Oac , Opc Opc nimmt drei Änderungen gegenüber Oac vor. Bei II 13, einem Punkt in der südlichen Mauer in Latium, wird der Gradwert des horizon von 18 nach 19 geändert und damit von seiner unrealistischen Position inmitten der Rundung entfernt (Abb. 3.12). Bei V 1, dem ersten Punkt der Leoninischen Mauer, wurde der Gradwert des radius von 25 nach 28 geändert und dadurch auf die korrekte Tiberseite verschoben. Die Änderung bei V 2, dem zweiten Punkt der Leoninischen Mauer, ist gering – der Minutenwert des radius wurde von 2 nach 1 geändert – und für die Zeichnung nicht relevant.
94
Betrachtet man die Korrekturen im Detail, so ist nur in Einzelfällen eine Systematik zu erkennen: XVI 2: 28/3/39/1 21 → 38/3/29/1 12 ; XVI 7: 13/1/14/0 → 43/1/14/0; XVI 9: 5/2/47/ 21 → 45/2/17/ 12 ; XVI 17: 39/2/13/0 → 11/2/36/0; XVI 19: 17/0/17/0 → 17/0/20/0; XVI 23: 12/1/6/3 32 → 6/3 23 /14/3 32 ; XVI 31: 12/2/3/1 13 → 4/2/17/1 31 ; XVI 32: 29/2/24/0 → 25/1/30/0; XVI 33: 12/1/6/3 → 12/1/15/0.
4 FAZIT Das Konzept des von einer Turingmaschine umsetzbaren Algorithmus markiert eine Grenze zu modernem Denken, die Alberti trotz seiner modernen Vereinnahmung für moderne Technologien noch nicht überschritten hat (vgl. Kapitel 3.1). Die stichprobenartigen Analysen des Kapitels 3.3 haben gezeigt, dass die Descriptio urbis Romae keinen Algorithmus nach modernem Verständnis beschreibt, weil Alberti viele Schritte nicht explizierte, die entweder aus seiner Sicht keiner Explikation bedurften oder für menschliche Zeichnerinnen und Zeichner ohnehin intuitiv evident sind. Setzt man das Verfahren mit einem Computer um, ohne die in Kapitel 3.4 erwähnten Zusatzannahmen zu treffen und dadurch die Leerstellen der Anleitung zu füllen, so erhält man weder das gewünschte, geschweige denn immer das gleiche Ergebnis. Bei den modernen, ‚korrekten‘ Darstellungen von Albertis Stadtkarte handelt es sich demnach lediglich um Interpretationen, da sie nicht durch exaktes Befolgen der Anleitung entstanden sein können.1 Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die moderne Digitaltechnik und insbesondere die digitale Graphik war dem Humanisten also noch völlig fremd. Letztere ist – wodurch sich seine Distanz zur Moderne noch weiter vergrößert – nicht nur vom modernen Algorithmusbegriff, sondern auch von weiteren Voraussetzungen abhängig, die zu Albertis Zeit einfach noch nicht gegeben waren.2 Genannt seien etwa die reellen Zahlen, die Infinitesimalund Integralrechnung oder die ab dem 17. Jahrhundert entwickelte analytische Geometrie mit ihrer Verschmelzung von Geometrie und Arithmetik, ohne die die uns umgebenden digitalen Graphiken und Simulationen gar nicht möglich wären.3 Theoretisch wäre es für Alberti ein Leichtes gewesen, die einfachen geometrischen Algorithmen, die seit der Antike bekannt waren, in ihrer Komplexität deutlich zu steigern und auf die Beschreibung einer Stadtkarte zu übertragen. Eine angesichts der für eine korrekte Karte notwendigen Zusatzannahmen sinnvoll erscheinende Komplexitätssteigerung hätte etwa in der Einführung von Kontrollanweisungen bestehen können, von Anweisungen also, die die Reihenfolge und Häufigkeit festlegen, in der die einzelnen Schritte des Algorithmus auszuführen sind. Der Gebrauch von Kontrollanweisungen gilt als charakteristischer Unterschied zwischen modernen und antiken Algorithmen.4 1 2 3
4
Explizit von „Interpretation“ spricht z. B. Plahte Tschudi 2019, 95. Nikolaus von Kues wird gelegentlich ebenfalls ‚Opfer‘ einer zu euphorischen, anachronistischen Interpretation; vgl. Hoff 2013, 2; sowie die Beiträge in Müller/Vollet 2013. Siehe Anm. 55 auf S. 99. Ähnlich gelagert war der gegen die „Gipfelwanderungen der traditionellen Ideengeschichte“ (Bödeker 2002, 10) gerichtete Einwand, dass die Annahme überzeitlicher, von ihren sozialen und sprachlichen Kontexten losgelösten Ideen problematisch sei (ebd.). Schon der zeitliche Abstand von über 500 Jahren sollte also zu besonderer Vorsicht bei der Verwendung scheinbar synonymer Begrifflichkeiten mahnen. Siehe Høyrup 2018b, bes. 10–15; Knuth 1972. Donald Knuth scheute zwar nicht vor Anachronismen zurück (etwa: „Babylonian ‚Programming‘“, Knuth 1972, 672), doch ging es ihm
4 Fazit
119
Allerdings darf man zu Recht fragen, welche Gründe Alberti für eine solche Komplexitätssteigerung gehabt haben könnte. Maschinen, die das Verfahren ohne menschlichen Eingriff hätten umsetzen müssen, gab es noch nicht, und die Tatsache, dass selbst die modernen Interpretationen von Albertis Stadtkarte ‚korrekt‘ und wohl ganz im Sinne Albertis ausfallen, beweist, dass Anleitung und Koordinaten die erforderliche Mindestqualität aufweisen. Der Begriff der Methode, den man in gewisser Hinsicht als Vorläufer des modernen Algorithmusbegriffs bezeichnen könnte, war im Quattrocento noch zu sehr auf die Rhetorik und die Gewinnung von Wissen verengt und besaß noch nicht die Autonomie, die ihm in späteren Jahrhunderten zuteilwurde, als dass er auf ein ganz anders geartetes Problem wie Albertis Stadtkarte übertragen und bei dessen Lösung als Wert an sich eingestuft worden wäre.5 Im Zuge der Analyse ist denn auch deutlich geworden, dass es sich etwa bei den zur Abstandsmessung oder der Ausführung der gebogenen Linien angestellten Überlegungen um rein theoretische Spielereien handelt, die an der damaligen Realität völlig vorbeigehen dürften.6 Dies bezeugen nicht zuletzt die Kopisten der Handschriften, die, wenn sie überhaupt an dem Text interessiert waren, im Regelfall schematisch vorgegangen sind und leicht nachvollziehbare Vertauschungen von Ziffern oder banale Verwechslungen korrigiert haben.7 Es ist nicht erkennbar, dass sie mit dem Ansinnen eingegriffen hätten, das proximus punctus-Kriterium praxistauglich zu machen oder die Anleitung in einen Algorithmus zu überführen. Allenfalls der Schreiber von C könnte die Karte gezeichnet haben, um sich der Korrektheit der Koordinaten zu vergewissern. Dennoch muss Albertis Descriptio urbis Romae natürlich als überaus innovativ bezeichnet werden, da sie Bekanntes zu etwas Neuem kombiniert, Probleme anders und besser löst und neue Sichtweisen eröffnet. Die Triangulationsmethode zur Stadtvermessung wird zu Recht als wichtiger Meilenstein gewertet, der sich mit der Zeit offenbar verselbstständigte und zum dehistorisierten und anonymisierten Allgemeingut wurde, ein Schicksal, das sie mit so manchem Fachtext teilt.8 Sieht man einmal von den bekannten Handschriften ab, sind denn auch bis heute auch keine unzweifelhaften und gleichzeitig gehaltvollen Rezeptionsspuren entdeckt worden.9 Angenommen wird beispielsweise, dass die Karte von Imola (1502, Abb. 4.1, links)10 von Leonardo da Vinci (1452–1519) und die im Jahr 1533 publizierte Vermessungsmethode von Gemma Frisius (1508–1555) von Albertis Descriptio inspiriert waren.11 Dass der Text Modell gestanden haben könnte für Pietro del Mas-
5 6 7 8 9 10 11
darum, die Anfang der 1970er-Jahre noch junge universitäre Disziplin der Informatik unter Rückgriff auf antike Vorbilder zu legitimieren und zu nobilitieren. Zum algorithmischen Denken von 1200 bis 1500 siehe Høyrup 2018b. Zum Begriff der Methode siehe Zantwijk 2012; Ritter / Hager u. a. 1980. Vgl. vor allem Kapitel 3.3.2 und 3.3.3. Siehe Kapitel 3.5. Zu Albertis Plan als Vorläufer ichnographischer Karten siehe Pinto 1976. So schon Gadol 1969, 180. Zu einigen Wirren der Überlieferung der Descriptio siehe Di Teodoro 2007. Maier 2015, 29. Siehe dazu Friedman 2010; Gadol 1969, 180–182. Pinto 1976, 45; Gadol 1969, 178. Interessanterweise haben auch die Mondkarten von Thomas
120
4 Fazit
Abbildung 4.1: Leonardo da Vinci, Pianta di Imola (ca. 1502, links) – Pietro del Massaio, Mappa di Roma (1469, rechts, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Lat. 5699, fol. 127r )
saios (1420 – ca. 1480) Pianta di Roma (Abb. 4.1, rechts), wird ebenfalls erwogen,12 ist aber genauso schwer nachzuweisen: Die Romkarte, die der florentinische Maler erstmals im Jahr 1469 einer italienischen Übersetzung von Ptolemaios’ Geographie beigab, ist nur eine von mehreren Karten italienischer Städte, die allesamt einen gängigen, rudimentär perspektivischen Darstellungsmodus sowie einen ähnlichen Detailgrad aufweisen und nicht zuletzt aufgrund des stilisierten, sich der Kreisform annähernden Mauerverlaufs kaum auf den ersten Blick einer konkreten Stadt zuzuordnen sind.13 Die durchwachsene Qualität der Handschriften, die im Durchschnitt bei jedem zweiten Koordinatenwert Varianten aufweisen, und das Fehlen eindeutiger Rezeptionszeugnisse könnte andererseits darauf hindeuten, dass die Descriptio längere Zeit unverstanden blieb oder zumindest auf verhaltenes Interesse gestoßen ist. Nützlich könnte sie für Maler gewesen sein, die mit dem Anfertigen einer Stadtansicht von Rom beauftragt wurden, denen aber die Möglichkeit einer Autopsie verwehrt blieb, etwa weil sie sich fernab der Stadt aufhielten. Anders als bereits ausgeführte Stadtansichten, die als Vorlage hätten dienen können, war man bei Albertis Karte nicht auf einen bestimmten Standpunkt festgelegt, sondern konnte durch Drehen des horizon jeden beliebigen (virtuellen) Blick auf die Stadt einnehmen. Erwogen wurde, dass eine Miniatur im Codex Vat. Lat. 2224, einer im Jahr 1457 fertiggestellten Euklid-Handschrift, unter Zuhilfenahme von Albertis Stadtkarte entstanden sein
12 13
Harriot (1560–1621) eine gewisse Ähnlichkeit mit Albertis Stadtkarte (siehe Chapman 2009; Pumfrey 2009; Bloom 1978). Für diesen Hinweis sei Frau Mag.a Doris Vickers herzlich gedankt. Siehe Maddalo 1990, 77; Gadol 1969, 183–184. Vgl. z. B. die Karten von Mailand (fol. 125v ) und Konstantinopel (fol. 127v ). Zu diesem Darstellungsmodus siehe auch Kapitel 2.4.3.
4 Fazit
121
könnte.14 Die auffällige Vernachlässigung des Mauer- und Tiberverlaufs durch die Kopisten bzw. das Bemühen um korrekte Positionierung vor allem der öffentlichen und privaten Gebäude könnte ein Indiz für einen solchen Einsatzzweck sein. Wenn Albertis Descriptio urbis Romae nicht guten Gewissens als Beschreibung eines Algorithmus oder als Grundlegung moderner Vektorgraphik bezeichnet werden kann, welche Zugänge zur Interpretation des Textes bieten sich ansonsten an? Eine erste Lehre aus der diffizilen, bis heute andauernden Suche nach Vorbildern könnte darin bestehen, der Descriptio dasselbe Privileg einzuräumen, in dessen Genuss die Schriften von Albertis humanistischem Korpus längst gekommen sind: Auch die Descriptio ist ein Konglomerat unterschiedlichster Einflüsse, das nicht auf ein exklusives Vorbild zurückgeführt werden kann.15 Dieser Mischcharakter offenbart sich bereits auf Textebene, bezeichnet Alberti doch die beiden Hauptbestandteile seines Zeicheninstruments, den horizon und den radius, nicht einheitlich, sondern mit einem griechischen bzw. einem lateinischen Wort, und legt deren Einteilung überdies verschiedene Skalen zugrunde (48 bzw. 50 Grad).16 Eine Interpretation der Descriptio wird aus mehreren Gründen erschwert. Nicht nur bedient sie keine der etablierten Gattungen, sie hinterlässt auch einen bisweilen unfertigen oder zumindest überarbeitungsbedürftigen Eindruck: Die Denkmäler und Begrenzungen der Hügel und Wohngegenden beispielsweise, die im ersten Paragraphen angekündigt werden, sucht man in den Tabellen vergebens. Bedenkt man den Reichtum anderer Descriptiones, so wären weitere Kategorien wie ‚Theater‘, ‚Statuen‘ oder ‚Brücken‘ zu erwarten gewesen. Tatsächlich ist die für ein unrühmliches Urteil über den Text hinreichende Anzahl an Kritikpunkten schnell zusammengetragen: Albertis Descriptio ist kein eigenständiges Werk, sondern eng verknüpft mit Aufgabe 16 der ohnehin schon recht konventionellen Ludi rerum mathematicarum,17 da sie die dort beschriebene Vermessungstechnik plakativ und öffentlichkeitswirksam anhand der Stadt Rom durchexerziert.18 Sie wirkt allenthalben sorglos zusammengestellt, unvollständig und unvollendet. Genau wie bei De pictura und De statua hat Alberti eher kompiliert als neu erfunden,19 eine ohne beträchtliche Zusatzannahmen nicht funktionierende 14 15 16
17 18 19
Siehe Maddalo 1990, 191–199. Hat nicht auch ein Spinnennetz eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Koordinatennetz von Albertis Stadtkarte? Vgl. Furno 2000b, 104–106. In der lateinischen Version von De pictura bevorzugt Alberti den lateinischen Begriff: Una quidem quae per extremum illum ambitum quo superficies clauditur notescat, quem quidem ambitum nonnulli horizontem nuncupant; nos, si liceat, latino vocabulo similitudine quadam appellamus oram aut, dum ita libeat, fimbriam („Die eine ist gekennzeichnet durch jenen äußersten Umfang, der eine Fläche abschließt. Einige nennen diesen Umfang ‚Horizont‘ [‚Begrenzungslinie‘]; ich brauche, mit Verlaub, ein lateinisches Wort (ora) und heiße ihn – gleichsam bildlich – ‚Küste‘ (‚Rand‘) oder, wenn es so beliebt, ‚Saum‘, Pict. lat. 1,2; Text und Übs. Bätschmann/Schäublin 2011, Auszeichnungen im Original). Zumindest indirekte Einflüsse dürften aus der arabisch-islamischen Kultur zu verzeichnen sein, wo das Denken in geometrischen Objekten viel verbreiteter war (vgl. Belting 2012). Zum Charakter der Aufgaben in den Ludi siehe Souffrin 1998. Wahrscheinlich sind die Ludi zeitnah zur Descriptio entstanden, wobei unsicher ist, ob davor oder danach (vgl. Kapitel 1.2). Maier 2015, 28. So wurde der Malereitraktat denn auch als „alter Wein in neuen Schläuchen“
122
4 Fazit
Anleitung vorgelegt und sich wenig um die praktische Umsetzbarkeit geschert.20 Demzufolge wäre der Text ein aus Sicht des römischen Jubiläumsjahres 1450 konzipiertes, auf maximalen Effekt berechnetes Stück technischer Trivialliteratur, das als Profilierungsschrift Albertis Literatenfreunde sowie mathematisch unbedarfte Gönner beeindrucken sollte.21 Doch Alberti macht es uns wie immer nicht so leicht. Berücksichtigt werden muss, dass er mit der Descriptio, ebenso wie mit De pictura und De statua, ein sub-wissenschaftliches Genre bediente, das euklidische Geometrie, experimentelle Wissenschaft und ein mathematisiertes, spekulativ-metaphorisch aufgeladenes Welt- und Kunstverständnis miteinander verband.22 Gerade hier hatten geometrische Beweisführungen, wenn sie nicht ohnehin aus heutiger Sicht als mangelhaft bezeichnet werden müssen, weder denselben Stellenwert noch dieselbe Präzision, wie man sie bei Euklid vorfand oder in einem zeitgenössischen wissenschaftlichen Mathematiktraktat erwarten durfte.23 In der Descriptio urbis Romae greift Alberti gar nicht auf geometrische Sätze zurück,24 in De pictura immerhin auf einige basale, wobei er gleichzeitig auf Distanz zur strengen Wissenschaft geht, indem er den Unterschied zwischen sichtbaren Objekten und der daraus abstrahierten Geometrie ostentativ ignoriert.25 Ein modernes Analogon wäre etwa in der Darstellenden oder Angewandten Geometrie zu suchen.26 Anschauung und Praxis behielten stets den Primat, die angewandte Mathematik sprang in Einzelfällen ein, Unzulänglichkeiten in der Methodik mussten durch den ‚gesunden Menschenverstand‘ kompensiert werden. Was die Vermessungsmethode als solche angeht, scheint der Erfolg ihm allerdings Recht zu geben. Außerdem ist Alberti als Literat, Wissenschaftler und Künstler notorisch schwer fassbar. Im Laufe der Analyse hat sich der Eindruck gefestigt, dass Humanismus und quadriviale Wissenschaften für ihn keine Gegensätze, sondern zwei verschiedene Perspektiven auf die eine zu entschlüsselnde – und zu gestaltende – Wirklichkeit darstellten.27 Diesbezüglich war Alberti ein Pionier,28 und vielleicht wirkt sein Werk
20
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bezeichnet (Carpo 2001a, 119 f.). Vgl. z. B. Richardson 2015; Bätschmann/Schäublin 2011, 67; Pfisterer 2003, 543; Field 1997, bes. 68; Aiken 1980, bes. 77. Es scheint keinen expliziten Beleg dafür zu geben, dass Albertis finitorium jemals ernsthaft zur Anwendung kam. Vgl. Borsi 1996, 33. Während es durchaus ein Anliegen von De pictura gewesen sein könnte, dass Patrone etwas über die Arbeitsweise der von ihnen beauftragten Handwerker erfuhren (vgl. Field 2005, 11), ist dies im Falle der Descriptio aufgrund der Neuartigkeit des Verfahrens eher unwahrscheinlich. Zum Begriff der „sub-scientific mathematics“ siehe Høyrup 1990. Siehe z. B. Elkins 1994, z. B. 114–116, 121–133, wo der experimentelle Charakter perspektivischer Konstruktionen betont wird: „Perspective is rarely good mathematics; more often it is something else, a kind of experimentation in the ruins of mathematics“ (ebd., 116). Der jeweils nächstgelegene und somit zu verbindende Punkt hätte mit geometrischen Sätzen ermittelt werden können, wenngleich mehr als fraglich ist, ob Alberti diese Vorgehensweise beabsichtigt hatte (vgl. Kapitel 3.3.2). Siehe dazu Siemoneit 2023. Siehe z. B. Aichholzer/Jüttler 2014. Vgl. Gadol 1969, 19. Helmuth Grössing zufolge ereignete sich Mitte des 15. Jahrhunderts eine Fusion von Quadrivium
4 Fazit
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gerade deshalb so modern, weil es die fundamentale Relativität des Standpunktes von Wirklichkeitsbeschreibungen betont. Obwohl Alberti über breite und fundierte Kenntnisse der Geometrie verfügt haben muss, die wohl zu Recht die Anerkennung sowohl der Zeitgenossen als auch der Moderne gefunden haben,29 zeichnet seine mathematisch-technischen Schriften eben nicht die strenge Systematik eines im herkömmlichen, scholastischen Wissenschaftsbetrieb verankerten Mathematikers aus. Alberti hat die Mathematik nicht um ihrer selbst willen betrieben und sah sich, zumindest in seinen mathematisch-technischen Schriften, selbst nicht als Mathematiker.30 Die Neuartigkeit eines Konzepts und die Übertragung auf ein Problem, das bisher gar nicht oder nur unzureichend mit mathematischen Methoden behandelt worden war, hatte offenbar Vorrang vor seiner vollständigen und systematischen Präsentation.31 Ohne sich allzu sehr an etablierten Denkschulen auszurichten, destillierte Alberti das für ihn Nützliche aus diversen Vorbildern heraus, sodass er beispielsweise nicht auf genau eine philosophische Richtung festgelegt werden kann. Vielleicht vermittelt die Zeichenanleitung einfach deshalb einen so unfertigen und unpräzisen Eindruck, weil Alberti den Text noch überarbeiten wollte oder viele Dinge für ihn so selbstverständlich waren, dass er keine weitere Anstrengung auf deren Erläuterung verwandt hat. Im Gegensatz etwa zu seinem Zeitgenossen Piero della Francesca (ca. 1415–1492) hat Alberti denn auch keine eigenständigen, im engeren Sinne mathematischen Werke hinterlassen oder sich, etwa durch die Übersetzung mathematischer Texte, an der Erschließung und Weiterentwicklung der Disziplin beteiligt.32 Insgesamt betrachtet wird man jedenfalls geneigt sein, Albertis (sicherlich topisch gefärbter) Selbsteinschätzung zuzustimmen und ihn nicht primär als Mathematiker, sondern als vielseitig, insbesondere mathematisch begabten Humanisten zu klassifizieren. Welche Motive könnten Alberti bei der Abfassung der Descriptio geleitet haben? Ähnlich wie bei seinen anderen mathematisch-technischen Schriften wäre an die Geometrisierung der Erfahrungswelt, die identische Reproduktion und die fehlerfreie Übertragung, jeweils in ihren vormodernen Erscheinungsformen, zu denken. Nicht außer acht gelassen werden sollte die Gewinnung von Ruhm und neuen Förderern: Alberti konnte ingenium demonstrieren und auf die Überbietung impliziter Vorgänger verweisen, sei es auf Petrarca, dem – bzw. dessen persona – es nicht gelungen war, ganz Rom auf einem Stück Papier zu beschreiben,33 oder auf die An-
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31 32 33
und Trivium/Humanismus zur „Humanistischen Naturwissenschaft“, die im 16. Jahrhundert zum „Integralen Humanismus“ wurde und sich danach wieder aufspaltete und differenzierte (vgl. Grössing 1983, bes. 45). Siehe Anm. 4 auf S. 24. Vgl. z. B. Pict. lat. 1,1. Über welche geometrischen Kenntnisse er dennoch verfügte, belegen etwa seine Anmerkungen zu Euklid (Massalin/Mitrović 2008; eine Beschreibung von Albertis Euklid-Codex bieten Marsico/Tanganelli 2005). Siehe die bekannte Stelle Profug. 3 Ponte 1988, 115,12–18 (Anm. 41 auf S. 20). Zu Piero und seiner Verbindung von Kunst und Mathematik siehe Field 2005; sowie einige Arbeiten von Francesco Paolo Di Teodoro, z. B. Di Teodoro 2018; Di Teodoro 2015. Sed quo pergo? possum ne tibi in hac parva papiro Romam designare? profecto, si possim, non oportet („Doch wohin gerate ich? Kann ich Dir auf diesem kleinen Fetzen Papier Rom vielleicht schildern? In der Tat, selbst wenn ich es könnte, wäre es widersinnig“; Petrarca, Fam. 6,2,14;
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tike, hatte Alberti doch in De statua eine Diodor zufolge aus Ägypten stammende, den Griechen unbekannte Technik zur identischen Reproduktion von Statuen vorgelegt.34 Mit dem geometrischen Zeichenverfahren der Descriptio, genau wie mit De statua, entzog er sich und seine Leser den stellaren Einflüssen, da die beschriebenen Instrumente zumindest prinzipiell die (noch im 13. und 14. Jahrhundert von einigen für unmöglich gehaltene) Herstellung zweier identischer Kunstwerke innerhalb eines Großen Jahres erlaubten, innerhalb einer Zeitspanne also, die für die Rückkehr aller Gestirne an ihren ursprünglichen Ausgangspunkt benötigt wird, sodass sie von da an wieder die exakt selben Einflüsse auf den Menschen ausüben.35 Was auch immer die Motive für die Abfassung der Descriptio urbis Romae gewesen sein mögen, jedenfalls entsprangen sie Albertis Denken und Weltsicht, die sich, darauf hat die Forschung mehrfach hingewiesen, noch nicht vollständig von der mittelalterlichen Tradition gelöst hatten. Alberti las und entschlüsselte die Welt auf Basis von Schemata, die von scholastischen Themen und Methoden geprägt waren.36 Der empirisch wahrnehmbaren Welt, davon muss Alberti überzeugt gewesen sein, liegen geometrische Strukturen zugrunde, und ihre Teile stehen in einem arithmetischen Verhältnis zueinander.37 Somit ist die Mathematik das Grundprinzip der Wirklichkeit und diese deshalb auf fundamentaler Ebene nur mit den geistigen Methoden der Mathematik beschreib- und erforschbar.38 An die Adresse des Künstlers, der ja immerhin mit der Darstellung der empirisch zugänglichen Welt befasst war, ließen sich daraus gewisse Forderungen hinsichtlich des Bildungsgrades ableiten. Ohne fundierte Kenntnisse in den quadrivialen Disziplinen, so wird explizit oder implizit schon bei Augustinus, aber auch in den humanistischen Bildungstraktaten und nicht zuletzt in Albertis kunsttheoretischen Schriften De pictura und De statua beteuert, bleibe die Imitation der Natur ein planloses Unterfangen, das höchstens zufällig die Schönheit der von Gott geschaffenen Welt erfasst.39 Quantifizierungen dienten der Aufdeckung von Zusammenhängen, die den Augen verschlossen bleiben, letztlich also der Welterkenntnis und nicht dem Prozessieren oder Übertragen von Daten. Dass viele der oftmals mathematisch gewandeten Aussagen und Verfahren aus heutiger Sicht als Metaphorik oder Spekulation bezeichnet werden müssen,40 ändert nichts an der Tiefenstruktur der Überzeugung und ist angesichts der Tatsache, dass die sogenannte naturwissenschaftliche Revolution in Europa erst rund hundert Jahre später einsetzte, kaum verwunderlich. Ob die angewandten Techniken verständlich beschrieben oder überhaupt anwendbar sind, war zweitrangig. Man kann
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Text Rossi 1934; Übs. Widmer 2005; siehe dazu Schwab 2019, 234–237). Siehe dazu Anm. 45 auf S. 20. Pfisterer 2003, 545; vgl. Alberti, Stat. 6. Zum Großen Jahr (auch: Weltjahr, -zyklus) vgl. Cic. Fin. 2,102; Nat. deor. 2,51; Rep. 6,24. Vgl. Flasch 2020, 635–641; Carpo 2001a, 119; Vickers 1999, 14; Aiken 1980, passim. Beispielsweise war die Suche nach idealen Proportionen von Buchstaben ein beliebtes Problem im 15. und 16. Jahrhundert, an dem sich auch Alberti versucht hat (Saiber 2017, 37, 49–107; Mardersteig 1960). Zur Dominanz von Proportionen in der mittelalterlichen Kunst und bei Alberti siehe z. B. Hendrix 2017; Vickers 1999, 15 f.; Naredi-Rainer 1977. Rose 1976, 6; siehe auch Anm. 62 auf S. 35. Siehe Stowell 2015, bes. 94–98; sowie die Kapitel 2.1 und 2.2 der vorliegenden Interpretation. Vgl. z. B. Filippi 2017; Panza 1994, bes. 61–76.
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die betreffenden Schriften auch als Statement lesen, dass die Wirklichkeit aus mathematischen Prinzipien aufgebaut ist und deshalb mithilfe mathematischer Methoden erfasst werden kann.41 Die Descriptio urbis Romae ist ein Musterbeispiel dafür, wie eine solche Weltsicht zu einem konkreten Anwendungsfall für abstrakte Geometrie mit dem für Alberti typischen Eklektizismus gerinnen kann. Charakteristisch ist beispielsweise die Fokussierung auf Proportionen: Zwar bieten die Tabellen absolute Koordinatenangaben, doch fehlt, sieht man von drei schlecht verwertbaren Angaben ab,42 jede Verknüpfung mit realen Dimensionen und Abmessungen, die Rückschlüsse von der fertigen Karte auf die Verhältnisse vor Ort zulassen würden. Für administrative Aufgaben, bei denen diese exakt erfasst werden müssen – man denke etwa an die Berechnung der Steuerschuld auf Basis des Landbesitzes –, wäre Albertis Vermessungstechnik völlig nutzlos gewesen. Dass die Größe des horizon ins Belieben des Zeichners gestellt ist, kann vor dem Hintergrund einer Stelle in De pictura so gedeutet werden, dass dessen tatsächliche Größe ein Akzidens ist, das nichts zum Wesen des Gezeichneten beiträgt:43 Denique his omnibus addenda illa philosophorum opinio est qua affirmant, si coelum, sidera, maria, montes, animantiaque ipsa atque deinceps corpora omnia dimidio quam sint minora, superis ita volentibus, redderentur, fore ut nobis quaeque videantur nulla ex parte ac nunc sint diminuta apparerent. Nam magnum, parvum, longum, breve, altum, infimum, latum, arctum, clarum, obscurum, , tenebrosum et huiusmodi omnia, quae cum possint rebus adesse et non adesse, ea philosophi accidentia nuncuparunt, huiusmodi sunt ut omnis earum cognitio fiat comparatione. (Schließlich müssen wir dies alles noch mit einer bestimmten Meinung der Philosophen ergänzen, derzufolge gilt: wenn – nach dem Willen der Götter – Himmel, Gestirne, Meere, Berge, die Lebewesen selbst und am Ende überhaupt alle Körper um die Hälfte ihrer jetzigen Größe kleiner gemacht würden, wäre es trotzdem so, dass uns alles, was wir sähen, gegenüber dem jetzigen Zustand um keinen Bruchteil verkleinert vorkäme. Denn Groß, Klein, Lang, Kurz, Hoch, Tief, Breit, Schmal, Hell, Dunkel, [Beleuchtet], Verfinstert und sämtliche Eigenschaften dieser Art (die Philosophen haben sie, da sie die Gegenstände begleiten können oder auch nicht, ‚Akzidentien‘ genannt): alle diese Eigenschaften also sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Feststellung jedesmal auf einem Vergleich beruht.)
Ein solcher Relativismus muss keineswegs als Ausdruck von Beliebigkeit oder einer indifferenten Grundhaltung gewertet werden. Dies zeigt der Vergleich mit dem ersten Buch von De docta ignorantia, wo Nikolaus von Kues die Vorstellung des Göttlichen als des absolut Größten und Einen entwickelt, das sich jedem Vergleich, und damit unserer Kenntnis, entzieht. Kennen können wir nur das Vergleichbare:44 41
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Vgl. das Fazit von Pierre Souffrin: „En fait [. . . ] il ne s’agit pas, pour Alberti, de permettre à qui que ce soit de faire des mesures ; il s’agit de montrer théoriquement la capacité singulière des mathématiques, et de la géométrie en particulier, de permettre en principe un large éventail de mesures avec le minimum d’outillage, qu’il s’agisse d’instruments ou de tables numériques“ (Souffrin 1998, 102–103; Hervorhebungen im Original). Siehe Kapitel 2.5. Alberti, Pict. lat. 1,18; Text und Übs. Bätschmann/Schäublin 2011. Zu dieser Stelle siehe auch Harries 2001, 66–68; Greenstein 1997, 682. Nikolaus von Kues, De docta ignorantia 1,1,3; Text und Übs. Wilpert/Senger 1970. Alberti und Nikolaus erwähnen in ihren Schriften den sogenannten Homo-Mensura-Satz des Sophisten
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Omnis igitur inquisitio in comparativa proportione facili vel difficili exsistit. Propter quod infinitum ut infinitum, cum omnem proportionem aufugiat, ignotum est. Proportio vero cum convenientiam in aliquo uno simul et alteritatem dicat, absque numero intelligi nequit. Numerus ergo omnia proportionabilia includit. [. . . ] Hinc forte omnia Pythagoras per numerorum vim constitui et intelligi iudicabat. (Alle Forschung besteht also im Setzen von Beziehungen und Vergleichen, mag dies einmal leichter, ein andermal schwerer sein. Das Unendliche als Unendliches ist deshalb unerkennbar, da es sich aller Vergleichbarkeit entzieht. Jede proportionale Beziehung bedeutet Übereinstimmung in einem Punkt und zugleich Verschiedenheit. Sie läßt sich deshalb ohne Zahlenverhältnis nicht denken. Die Zahl umschließt also alles, was zueinander in proportionale Beziehung gebracht werden kann. [. . . ] Das war wohl der Grund, der Pythagoras veranlasst, in der Kraft der Zahlen das Konstitutions- und Erkenntnisprinzip von allem zu sehen.)
Proportionalität ist, wie die Beobachtungen in Kapitel 2.6 gezeigt haben, auch tief in Albertis lineamenta-Begriff eingelassen: Die durch lineamenta beschriebenen geometrischen Grundfiguren sind zwangsläufig dergestalt, dass sie im Kopf des Architekten oder Zeichners, der sie entwirft bzw. abstrahiert, gewissermaßen viel kleiner existieren als an einem Objekt in der Realität, wo sie vorgefunden werden oder dessen Verwirklichung auf ihnen beruht. Was stets gleich bleibt, ist das Verhältnis der Kreise, Dreiecke und Linien zueinander. Es muss also gar nicht Albertis bewusste Entscheidung oder Absicht gewesen sein, den Zeichner über die Größe der Stadtkarte entscheiden zu lassen, da sich eine solche Möglichkeit unmittelbar aus dem proportionalen Charakter der lineamenta ergibt.45
45
Protagoras wohlwollend bis zustimmend (Alberti, Pict. lat. 1,18; Nikolaus von Kues, De beryllo 6). Zu dieser in der Renaissance vielfach rezipierten Denkfigur siehe Blank 2006, 14–40; Trinkaus 1976; zu Alberti ebd., 195–198, zu Nikolaus ebd., 195–205. Dass aus praktischen Gründen dennoch nicht jede beliebige Größe realisiert werden kann, ist ein Ergebnis von Kapitel 2.5.
TEIL II LEON BATTISTA ALBERTI, DESCRIPTIO URBIS ROMAE
Philologische Anmerkungen und kritische Edition von Jean-Yves Boriaud und Francesco Furlan
übersetzt von Gabriel Siemoneit
HINWEIS Das folgende Kapitel 5 bietet eine deutsche Übersetzung folgender Publikation: Jean-Yves Boriaud, Francesco Furlan: „Notice philologique“, in: Francesco Furlan (Hg.): Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae, Leo S. Olschki Editore, Firenze 2005, 41–72, 3 Tafeln.
5 PHILOLOGISCHE ANMERKUNGEN 5.1 HANDSCHRIFTEN UND EDITIONEN 5.1.1 Handschriften 1. Chicago, Newberry Library, ms. 102 (= N) Papier, 28 fol., Ende 15. Jh. Die Descriptio urbis Romae findet sich auf fol. 25r –28v , nach dem Namen des Autors (Leonis Bap. alberti), jedoch ohne Angabe des Titels. Die Handschrift enthält auf fol. 1r –24v außerdem Albertis De commodis litterarum atque incommodis in einer Fassung, die „Autorvarianten“ aufweist und auf eine Redaktionsstufe vor dem Text der Inkunabel und nach dem Text der ms. G iv 29 in der Biblioteca Universitaria di Genova zurückgeht (vgl. die unten zitierte Edition von Goggi Carotti, S. 24 ff.). Zur Beschreibung siehe vor allem das Supplement to the Census of Medieval and Renaissance Manuscripts in the United States and Canada, originated by C. U. Faye, continued and edited by W. H. Bond, New York, The Bibliographical Society of America, 1962, S. 154; Leon Battista Alberti, De commodis litterarum atque incommodis, A cura di Laura Goggi Carotti, Florenz, Olschki, 1976, S. 19 f.; Paul Henry Saenger, A Catalogue of the Pre-1500 Western Manuscript Books at the Newberry Library, Chicago und London, The University of Chicago Press, 1989–1990, S. 192; Paul Oskar Kristeller, Iter Italicum, vol. 5, London, The Warburg Institute und Leiden, Brill, 1990, S. 246a. 2. Mailand, Veneranda Biblioteca Ambrosiana, ms. O 80 sup. (= A) Papier, 16. Jh. Auf fol. 73r –78v : Leonis Bap.tae Alberti Descriptio Vrbis Romae. Am Text der Descriptio und an den Tabellen wurden einige Korrekturen von einer zweiten Hand vorgenommen, die Orlandi in seiner Edition (siehe unten) teilweise berücksichtigt hat. Außerdem sind die Tabellen VII bis IX und XI bis XVI in dieser Handschrift doppelt vorhanden. Der Edition von Orlandi folgend, soll die zweite der beiden Redaktionen dieser Tabellen mit A1 bezeichnet werden, die Korrekturen von zweiter Hand mit A2 . Die Handschrift enthält auch Albertis De pictura (fol. 1r –52r ), die Elementa picturae (fol. 53r –60r ) und De statua (62r –70v ). Beschrieben wurde sie von Giovanni Orlandi, „Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae di L. B. Alberti“, in Convegno internazionale indetto nel V centenario di Leon Battista Alberti (Roma–Mantova–Firenze, 25–29 aprile 1972), Rom, Accademia Nazionale dei Lincei, 1974, S. 129–137, hier 131. Vgl. auch P. O. Kristeller, Iter Italicum, cit., vol. 1 (1965), S. 304b; Cecil Grayson, „Nota sul testo“, in Leon Battista Alberti, Opere volgari, a cura di C. G., vol. III: Trattati d’arte, Ludi rerum mathematicarum, Grammatica della lingua toscana, Opuscoli amatori, Lettere, Bari, Laterza, 1973, S. 302 und 343.
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5 Philologische Anmerkungen
3. Oxford, Bodleian Library, ms. Can. Misc. 172 (= O) Papier, II + 239 fol. (die Nummerierung erweist sich trotz gelegentlicher Korrekturen bisweilen als irreführend), eine zweite Hand beginnt ab fol. 221r , eine dritte ab fol. 238v . Auf fol. 218r , im Anschluss an die Abschrift der Anuli, ist die Handschrift auf den 30. Juli 1487 datiert. Auf fol. 233r –237r befindet sich die Descriptio urbis Romae, ohne Angabe des Titels oder des Autors. Die Handschrift enthält außerdem die folgenden Werke Albertis: Canis (fol. 2r–8r), Apologi C (fol. 8r –14v ), Musca (fol. 14v –20v ), De equo animante (fol. 20v –28v ), Amator (fol. 29r –38r ), De iure (fol. 38r –45r ), Trivia (fol. 45r –48v ), Epistolae VII Epimenidis. . . (fol. 48v –49v ), Intercenales (von der Widmung des ersten Buches bis zum Defunctus, fol. 50r –94v ), Pontifex (fol. 94v –117v ), Psalmi precationum (fol. 117v –119v – allerdings wird fol. 119 als fol. 120 gezählt), Momus (fol. 121r –211r ), Anuli (fol. 211r –218r ), Leonis ad Cratem philosophum epistola (fol. 218r ), Elementa picturae (fol. 221r –225r , nur in der lateinischen Fassung), De statua (fol. 225v –232v ). Zur Geschichte und Beschreibung dieser Handschrift, die für die Herausgabe von Albertis lateinischen Werken oft genutzt wird, siehe „Operette di Iacopo Morelli bibliotecario di S. Marco. . . “ (s. u. Edition Nr. 1), vol. II, S. 252–272; Opuscoli inediti di Leon Battista Alberti: „Musca“, „Vita S. Potiti“, a cura di Cecil Grayson, Florenz, Olschki, 1954, S. 6–7 und 10 ff. Die Handschrift wurde außerdem beschrieben von Alessandro Perosa, „Considerazioni su testo e lingua del Momus dell’Alberti“, in The Languages of Literature in Renaissance Italy, Edited by Peter Hainsworth et alii, Oxford, Clarendon Press, 1988, S. 45–62, hier 46 f. 4. Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Barb. Lat. 6525 (= B) Papier, 17. Jh., Sammelhandschrift. Auf fol. 21r –24v : Leonis Bap. Alberti Descriptio urbis Romae. In dieser Handschrift sind die Tabellen VII bis IX und XI bis XVI doppelt vorhanden. Der Edition von Orlandi folgend (s. u.), soll die zweite der beiden Redaktionen mit B1 bezeichnet werden. Die Angabe „exempl · Mcccccij · vi · Iđ · Junij a nate D.N. Jesu Christi“ unterhalb der dritten Tabellenspalte auf fol. 24r (nicht am Schluss der Descriptio, sondern nach der zweiten Redaktion der Tabelle XIV) bezieht sich, wie Orlandi vorschlägt, sehr wahrscheinlich auf eine subscriptio im Antigraphen dieser Handschrift, die vom Kopisten unverändert übernommen wurde. Zusätzlich zur Beschreibung von Orlandi („Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae. . . “, cit., S. 131 f.) siehe L[ucia] B[ertolini], „[Scheda Nr. 23]“ in Leon Battista Alberti [Catalogo della mostra: Mantova, Palazzo Te, 1994], a cura di Joseph Rykwert e Anne Engel, Ivrea, Olivetti, und Mailand, Electa, 1994, S. 431. Siehe auch P. O. Kristeller, Iter Italicum, cit., vol. 2, 1967, S. 456a. 5. Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Chig. M vii 149 (= C) Papier, iii + 49 + i fol., vom Anfang des 16. Jh. Die Descriptio urbis Romae befindet sich ohne Angabe des Titels auf fol. 3r –8v (jedoch hat eine spätere Hand auf fol. 1r , also auf dem ursprünglichen Deckblatt, Romae Imago per Leonem Baptistam Alberti Florentini [sic!] geschrieben); der Autor ist angegeben als le. bapt. alberti. Beschrieben wurde die Handschrift von G. Orlandi, „Nota sul testo della Descriptio
5.1 Handschriften und Editionen
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Urbis Romae. . . “, cit., S. 129 f. und L[ucia] B[ertolini], „[Scheda Nr.] 22“, in Leon Battista Alberti [Catalogo della mostra: Mantova, Palazzo Te, 1994], cit., S. 431. 6. Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Ital. [Zen.] XI 67 (=7351) (= M) Papier, v + 208 + i fol., Sammelhandschrift des 15. –17. Jh. Die Abschrift der Descriptio (Leonis baptistae alberti descriptio vrbis romae, fol. 122r –127r ) datiert aus der zweiten Hälfte des 15. Jh. Enthalten ist außerdem ein Fragment von Albertis Ex ludis rerum mathematicarum (fol. 130r –141r ). Beschrieben wurde die Handschrift von G. Orlandi, „Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae. . . “, cit., S. 130 f.; C. Grayson, „Nota sul testo“, in L. B. Alberti, Opere volgari, vol. III, cit., S. 355; L[ucia] B[ertolini], „[Scheda Nr.] 21“, in Leon Battista Alberti [Catalogo della mostra: Mantova, Palazzo Te, 1994], cit., S. 430 f. (siehe auch ead., „[Scheda Nr.] 22“, ibid., S. 431b). Vgl. auch Operette di Iacopo Morelli bibliotecario di S. Marco. . . (s. u. Edition Nr. 1), vol. II, S. 270; P. O. Kristeller, Iter Italicum, cit., vol. 2, S. 278a.
5.1.2 Editionen 1. „[Leonis Baptistae Alberti] Descriptio urbis Romae“, in Operette di Iacopo Morelli bibliotecario di S. Marco ora insieme raccolte con opuscoli di antichi scrittori, Venedig, Tipografia di Alvisopoli, 1820, vol. II, V: De Leonis Baptistae Alberti Intercaenalibus eiusque scriptis quibusdam aliis, vel ineditis, vel nondum satis cognitis [. . . ], S. 252–272: 268–270. Diese Edition publiziert die Paragraphen 1–2 der Descriptio nach der Handschrift O1 und bietet Zusammenfassungen der anderen Handschriften. Sodann macht sie zutreffend darauf aufmerksam, dass es sich beim horizon der Descriptio um genau dasselbe Instrument handelt, das Alberti in Aufgabe Nr. 16 von Ex ludis rerum mathematicarum2 beschreibt, und weist auf die Existenz der Handschrift M hin, deren Herstellung Morelli im 16. Jh. ansetzt. 2. „Leonis Baptistae Alberti Descriptio Urbis Romae“, in Piante icnografiche e prospettiche di Roma anteriori al secolo XVI, raccolte e dichiarate da Gio[vanni] Battista De Rossi [. . . ], Rom, Salviucci, 1879, 131–138 (siehe auch 97 f., 110 f. und 130). Diese Edition stützt sich ausschließlich auf die Handschrift M, wobei sie ihr Lesarten unterstellt, die sie nicht bietet.3 3. „[Leonis Baptistae Alberti] Descriptio urbis Romae“, in Leonis Baptistae Alberti opera inedita et pauca separatim impressa, Hieronymus Mancini curante, Florenz, 1 2 3
Jedoch mit induxerunt statt induxere in § 1. Vgl. unten Anm. 24. Z. B. regnostio statt aequinoctio in § III (genauer gesagt neigt der Kopist von M dazu, das c auf eine vertikale Linie zu reduzieren und mit dem folgenden t zu verbinden, und schreibt -ct- fast ´ wie - t-; vgl. pictura et peractis in § IV bzw. § V), graduum istorum statt gradu istorum und a quisquam statt quisque in § IV, pariter statt parili in § V, praeterque statt praeterquam (Pręterq3, mit hochgestelltem und auf eine schräge Linie reduziertem a) und positum statt positam in § VI.
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5 Philologische Anmerkungen
Sansoni, 1890, 36–46. Die Edition stützt sich auf die Handschriften A und C sowie auf die Edition von M von G. B. De Rossi. 4. Leon Battista Alberti, „Descriptio urbis Romae“, in Codice topografico della città di Roma, Bd. 4, A cura di Roberto Valentini e Giuseppe Zucchetti, Rom, Tipografia del Senato, 1953, 209–222 und Tafel II. Die Edition stützt sich auf die Handschriften A, C und M. 5. „Leonis Baptistae Alberti Descriptio Urbis Romae“ [kritische Edition mit italienischer Übersetzung von Giovanni Orlandi], in: „Università degli studi di Genova – Facoltà di Architettura – Istituto di Elementi di Architettura e Rilievo dei Monumenti: Quaderno n. 1“, Oktober 1968, 60–88 (Text und ital. Übersetzung auf S. 60–79). Erste Veröffentlichung von Nr. 6 unten – enthalten sind jedoch, anders als dort, unter anderem die beiden Zeichnungen bzw. Abbildungen der vier Handschriften ABCM, auf die sich die Edition stützt (die einzigen, die Orlandi seinerzeit bekannt waren). 6. „Testo latino della ‚Descriptio Urbis Romae‘ [di Leon Battista Alberti] e traduzione italiana di G[iovanni] Orlandi“, in Convegno internazionale indetto nel V centenario di Leon Battista Alberti (Roma–Mantova–Firenze, 25–29 aprile 1972), Rom, Accademia Nazionale dei Lincei, 1974, 111–137. Nachdruck von Nr. 5 oben, mit einigen Anpassungen und kleineren Änderungen. Die Edition stützt sich auf A, B, C und M. Auf S. 137 Anm. 44 wird die Notwendigkeit angedeutet, für eine Edition „che aspiri a completezza“ („die Vollständigkeit anstrebt“) auch die Handschriften O und N einzubeziehen.4 7. Leon Battista Alberti, Descriptio urbis Romae, Édition critique, traduction et commentaire par Martine Furno et Mario Carpo, Genf, Droz, 2000. Tatsächlich beschränkt sich der Beitrag von M. Carpo zu dieser Publikation auf einen bereits zuvor auf italienisch veröffentlichten Aufsatz („Descriptio urbis Romae: ekfrasis geografica e culturale visuale all’alba della rivoluzione tipografica“, Albertiana 1, 1998, 121–142), der hier in französischer Übersetzung vorliegt (65–96). Die Herausgeberin wertet alle bekannten Handschriften aus, also auch N und O, die Orlandi zwar erwähnt, aber nicht benutzt hat. Sie gibt an, dem Text von N „à une lettre près“ („buchstabengetreu“) zu folgen (S. 21); der textkritische Apparat erfasst einen Teil der Varianten der sechs Handschriften, deren Beschreibungen jedoch nicht frei von Fehlern sind.5 4
5
Vor allem bei der Lesart von drei Wörtern in Handschrift B, die bisweilen schwer zu entziffern ist, konnten wir Orlandi nicht folgen: Es handelt sich um collegerim haec in § II, wo er collegerim hoc liest, obwohl der Diphthong ae deutlich sichtbar ist; um semidiametris in § IV, wo er semidiametri liest, ohne den vertikalen Balken zu beachten, mit dem der Kopist das Schluss-S wiedergibt; und schließlich um Adriana in Z. 9 der Tabelle XVI (in der Redaktion B1 ), wo er Adriani liest, ohne zu erkennen, dass der Kopist zuerst Adriai geschrieben hat, dann das zweite i zu a korrigiert und in der nächsten Zeile (unter Kennzeichnung dieses Zusatzes durch ein ad hoc-Zeichen) das n hinzugefügt hat. Zu weiteren Ungenauigkeiten und Auslassungen von Orlandis Edition siehe unseren Apparat unten. Darunter schwerwiegende. So erklärt die Herausgeberin bei der Beschreibung der „tables nu-
5.1 Handschriften und Editionen
133
Die Edition rekonstruiert die Bezüge der Textzeugen untereinander nicht und bietet folglich kein Stemma: Für die Herausgeberin sind die Fehler in den verfügbaren Handschriften „trop diverses“ („zu verschieden“) und die Gemeinsamkeiten „trop minces pour qu’on puisse sûrement lier tel manuscrit à tel autre“ („zu unbedeutend, als dass man mit Gewissheit eine Handschrift mit einer anderen verbinden könnte“, S. 19). Allerdings sind einige ihrer Aussagen fragwürdig, mehrere Lesarten erweisen sich als fehlerhaft. Beispielsweise bieten N und O, genau wie A, B und M dividis (§ III), nicht divides, eine Lesart, die tatsächlich nur C bietet. Man kann der Argumentation der Herausgeberin, die sie auf ihre Lesart des Wortes gründet, also nicht folgen (S. 19–20), zumal sie sich im weiteren Verlauf insbesondere auf das Vorhandensein oder Fehlen – was schon für sich genommen wenig aussagekräftig ist – des etc. nach der Aufzählung der Ziffern (1, 2, 3, 4, 5 in § III und 1, 2, 3, 4 in § IV) stützt und darauf, dass das von ihr in § IV angegebene etc. nach der zweiten Aufzählung in M fehlt (was sie eine Nähe von M und einem „Block NOC“ vermuten lässt).6 Außerdem bietet N in § I nicht den Ausdruck ac montium finitiones – entgegen dem, was man im Text und in dem von M. Furno hergestellten Apparat lesen kann. Während der Apparat mehrere Fehler und Auslassungen aufweist, vor
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mériques“ („Zahlentabellen“) von AB beispielsweise, dass in diesen beiden Handschriften „les tables donnant les coordinées des portes [sc. die Tabellen 7, 8, und 9 der vorliegenden Edition] et des édifices publics [sc. die Tabelle 16] sont répétées, en fin de texte, une seconde fois“ („die Tabellen mit den Koordinaten der Tore und der öffentlichen Gebäude am Schluss des Textes ein zweites Mal verdoppelt sind“, S. 18), und korrigiert diese Behauptung nirgendwo – was es dem Leser nicht nur verunmöglicht, sich ein genaues Bild von der Präsentation der fraglichen Tabellen in AB zu machen (wie wir sehen werden, geht die Verdopplung der Tabellen VII, VIII und IX in beiden Fällen der Tabelle X voraus), sondern ihn vor allem nicht darüber in Kenntnis setzt, dass sowohl in A als auch in B die Tabellen XI, XII, XIII, XIV und XV ebenfalls verdoppelt sind. Tatsächlich fehlt es auch in N; hier ist der Punkt auf mittlerer Höhe, der die Aufzählung am Ende der Zeile abschließt, durch einen Federstrich verlängert, der einem f oder einem geschwungenen Balken ähnelt, und dessen einziger Zweck darin besteht, die Aufzählung abzuschließen. Die Überzeugungen von M. Furno bezüglich bestimmter Aspekte der Überlieferung beruhen häufig auf Verlesungen des Textes in einer oder mehreren Handschriften. Vgl. zum Beispiel ihre Betonung der Notwendigkeit (vgl. S. 23 und den Apparat auf S. 41), sich an der „réalité imposée par le terrain“ („durch das Gelände vorgegebenen Realität“) zu orientieren und bei den Koordinaten der Tabelle XVI die Lesarten von C gelegentlich zu verwerfen. Dies tut sie angeblich auch in den Z. 1–2 bei den Minuten des horizon; allerdings bietet C an diesen Stellen dieselbe 0 und 3 wie alle anderen Textzeugen (und nicht 10 und 13, wie die Herausgeberin liest).
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5 Philologische Anmerkungen
allem in Bezug auf O,7 so sind es letztlich die Editionsprinzipien selbst, die größte Vorbehalte aufkommen lassen.8 7
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Zum Beispiel werden folgende Auslassungen nicht erwähnt; im Text: dixi in O (§ III), talis in C (§ V) im Ausdruck secundae tabulae titulus talis est (eine Auslassung, auf die schon Orlandi hingewiesen hat), mihi und mobile in C (§ VI; Auslassungen, auf die Orlandi ebenfalls hingewiesen hat). Die auffälligsten Auslassungen in den Tabellen, die Orlandi im Gegensatz zu M. Furno alle erwähnt hat, betreffen zehn nomina der Tabelle VII, drei Namen der Tabelle VIII und fünf Namen der Tabelle IX in A1 B1 . Ebenfalls nicht erwähnt oder nicht bemerkt wurden unter anderem die folgenden Lesarten oder Fehler: praeditus ingenio (statt ingenio praeditus) und induxere (statt induxerunt) in § 1 in O; a primo in § III in C statt a principio (eine von Orlandi erwähnte Variante); semidiametris (statt semidiameter) in B und astringat (statt attingat) in § IV in M (diese Lesart wurde bereits von Orlandi erwähnt); in § V ein vor altera flexa hinzugefügtes et in C und ein von zweiter Hand interlinear zu adnotandi korrigiertes adnotati in A (Zusatz und Korrektur wurden ebenfalls von Orlandi erwähnt); gradus xliiii (statt gradus 43) in § VI in O; ebenfalls in § VI: pingendi in O statt pingenda (erstes Auftauchen, wo Furno pigenda druckt); Brancatij (statt Pancratii) in Tabelle VIII in O; a ponte im Titel von Tabelle XV in O; ´23 statt 13 in Z. 10 von Tabelle XVI in A1 (eine bereits von Orlandi erwähnte Lesart); m¯o (d. h. monte) in Z. 24 derselben Tabelle in O und, in der darauffolgenden Zeile, Nomina locorum sub Iano in A1 B1 (eine lediglich als Zusatz von M bezeichnete Lesart). Zumindest die folgenden Angaben gehen auf Verlesungen zurück: Der Hinweis, dass das a des Diphthongs von coaequales in § III in O interlinear hinzugefügt worden sei, wobei diese Handschrift coequales ohne Diphthong bietet (sondern mit einer Abkürzung der vorletzten Silbe zu qa); ebenfalls in § III: quibuscumque (statt quibusque) in B und quemcumque (statt quemque, aber quenque in N) in C, die tatsächlich quibuscunque und quencumque bieten, wie von Orlandi erwähnt; immer noch in § III: die Bemerkung „cf. add. post posui N“, wobei N in Wahrheit zwei Punkte hinzugefügt, gefolgt von einem Punkt auf mittlerer Höhe (mit unbedeutenden Federstrichen oder den üblichen Schnörkeln), mit denen viele Paragraphen in sämtlichen Handschriften beendet werden; et (statt etiam) in § IV in O, die in Wirklichkeit die Lesart et´ bietet (d. h. etiam); ebenfalls in § IV: hereat in C, die eigentlich heraeat bietet (wobei hereat die Lesart von ABO ist und der Diphthong ae nach dem h implizit nur in M auftaucht, in Form eines e mit Cedille, und explizit in N); inchoans in § VI in AO, wobei beide Handschriften dieselbe Lesart incohans wie BC bieten; ebenfalls in § VI: hic (statt hunc) in O, die eigentlich híc bietet, also hinc; quam im Anschluss an Tabelle X in O, die eigentlich q´ bietet, also quae (auch die Lesart von ABCMN); bei den Koordinaten der [Porta] Laterani in Tabelle VII liest man „14: 6 B“ und „0: 1 B“, wobei B die üblichen Koordinaten 14 und 0 bietet (6 und 1 sind die Koordinaten von Laurentii in denselben Spalten); redeat (statt redeant) im Anschluss an Tabelle X in C, die tatsächlich rede¯at bietet, mit einem deutlichen Abkürzungszeichen über dem a; 26 0 in Z. 9 der Tabelle XV in M, die aber die gleichen Zahlen wie die anderen Textzeugen bietet, nämlich 26 1; schließlich in Tabelle XVI: Adriani statt Adriana in Z. 9 in B1 (mit Orlandi gemeinsamer Fehler, vgl. oben Anm. 4); Mensa Neronis Caritarium turris in Z. 10 in O, die, im Gegensatz zu A1 M, die beiden nomina mit atque verbindet; Crisogoni in Z. 30 in O, wo genauer Crisogonij zu lesen ist, und 21/3 in C, die in Wirklichkeit zu 2 korrigierte 3½ bietet (die übernommene und C zugeschriebene Lesart ist also nirgends belegt); 0 in Z. 35 in A1 , die in Wirklichkeit, genau wie B1 MO, 1 bietet. Hinzukommen mehrere verwirrende Angaben, wie z. B. in § III, wo ascribito (fälschlicherweise) als Lesart von O ausgegeben wird („ascri- O“), direkt vor dem (korrekten) Hinweis „ascribito om. O“, oder in § VI bei der Lesart 44 minuta, die C interlinear bieten soll (in der Form „xliiij m. ta“), was offensichtlich falsch ist, da es sich allenfalls um eine gebräuchliche Abkürzung handelt (mta statt minuta), oder wieder bei Grisogoni in Z. 30 der Tabelle XVI, was zunächst (zu Recht) als Lesart von AB bezeichnet wird, dann als Lesart, die in AB fehlt („uac. AB“). Durch diese Häufung von Fehlern bietet der Apparat von Furnos Edition ein bisweilen recht unzuverlässiges Bild der Überlieferung (vgl. etwa Furnos ebenso fehlerhaften wie unvollständigen kritischen Apparat zu den Überschriften der Tabellen VIII, IX und X). Wenn die Herausgeberin betont, „dans les tables 1 à 6 et 10 à 15“ („in den Tabellen 1 bis 6
5.2 Bewertung der Handschriften und Überlieferungsgeschichte
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5.2 BEWERTUNG DER HANDSCHRIFTEN UND ÜBERLIEFERUNGSGESCHICHTE 5.2.1 Der Text Sieht man im Text einmal von den orthographischen Abweichungen ab, die hier für die Aufnahme in den kritischen Apparat zwar erwähnt werden, die aus wissenschaftlicher Sicht aber unbedeutend sind, da sie bekanntermaßen von den Gewohnheiten des jeweiligen Kopisten abhängen (apello statt appello, adnotaui statt annotaui, ascribo statt adscribo, istic statt isthic, secuntur statt sequuntur, Tyberim statt Tiberim, incohans statt inchoans), so sind vor allem zwei Stellen von Interesse, insofern die sie trennenden Lesarten unzweideutig sind. Es handelt sich um die Wortgruppe ac (oder atque etiam) montium finitiones (§ I), die in vier von sechs Handschriften vorhanden ist (ABMO) und in den zwei anderen fehlt (CN), und um die Lesart a principio (§ III), die in vier Handschriften (ABMN) statt dem a primo der beiden anderen erscheint (CO).9 Ansonsten nähert sich M in zwei Punkten A an: In § VI bieten beide die Lesart collato, die in M auf dem Rand „korrigiert“ ist (zu vel collocato), und beide haben eine wichtige lacuna (accedendum est linea et itidem sinuosa), die auf einen Augensprung zurückzuführen ist und ebenfalls auf dem Rand von M korrigiert wird. Und sie nähert sich in einem Detail N an, nämlich in § II: Obwohl M wie ABCO lxxv hat, trägt der Rand einen Zusatz (aliter 80), der auf die Lesart von N verweist (lxxx). Welcher Wert diesen (partiellen) Übereinstimmungen auch beizumessen sein mag, es besteht kein Zweifel, dass Korrekturen aus der Kollation mit mindestens einer anderen Handschrift in M eingeflossen sind;10 dies wird im Folgenden noch deutlicher werden. Was die eigentümlichen Lesarten und charakteristischen Fehler der einzelnen Textzeugen angeht, so muss man sagen, dass einige in ABCO anzutreffen sind,
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und 10 bis 15“) den Zahlen in den Handschriften stets den Vorzug gegeben zu haben, „quand les écarts ne dépassaient pas cinq minutes“ („wenn die Abweichungen fünf Minuten nicht überschreiten“, S. 23), drängt sich der Eindruck auf, dass sie vergessen hat, dass die Minuten in den von Alberti hier konzipierten Instrumenten notwendigerweise zwischen 0 und 4 liegen. Angesichts von Behauptungen wie der, dass „l’erreur commune à tous les témoins devient par là même imputable à l’archétype, qui ne saurait être corrigé“ („der allen Textzeugen gemeinsame Fehler demnach dem Archetyp zuzurechnen ist, der nicht korrigiert werden kann“, S. 24), kann man also nur ratlos und ein wenig misstrauisch werden. Diese letzte Aufteilung in zwei klar getrennte Gruppen spiegelt sich auch in § I bei den (grammatikalisch gleichwertigen) Lesarten induxerunt in ABMN und induxere in CO wieder. G. Orlandi („Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae. . . “, cit., S. 133) bringt zwei plausible Hypothesen vor, die die Korrekturen im Marcianus erklären könnten (Orlandi 1974a, 133): „M, cioè, può essere il risultato di una leggera e saltuaria correzione in base a qualche codice indipendente dallo stesso archetipo x, forse ad opera di Bernardo Alberti; ovvero (ma è molto meno probabile) può derivare da un antigrafo contenente sporadiche correzioni d’autore“ („M könnte also das Ergebnis einer leichten und gelegentlichen Korrektur auf Basis einer unabhängigen Handschrift desselben Archetyps sein, vielleicht von Bernardo Alberti, oder aber (was viel unwahrscheinlicher ist) von einem Antigraphen abstammen, der sporadische Korrekturen des Autors enthält“).
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5 Philologische Anmerkungen
während sich M und N kaum durch charakteristische Fehler auszeichnen. Im Detail: A zeichnet sich aus durch die Auslassung von praeditus in § 1 und durch die Fehler collegerem statt collegerim in § II, Ex gradibus statt Et gradius sowie habeant statt habeat in § III, a horizontis statt ad horizontis in § IV, tertio statt tertiae und adnotati statt adnotandi in § V, ad nationes statt adnotationes und senuosa statt sinuosa (erstes Auftreten) in § VI, wobei die Auslassung von praeditus sowie die Fehler collegerem, adnotati und ad nationes von zweiter Hand (A2 ) durch erneutes Schreiben der Buchstaben und interlineare Zusätze korrigiert sind. Unbedeutend hingegen ist die Umstellung linea est (statt est linea) in § VI. Alleinstellungsmerkmal von B wiederum sind Fehler wie fuit statt sit in § I, circumducatur statt circumcludatur und quibuscunque statt quibusque in § III, semidiametris statt semidiameter sowie ex gradum statt et gradum in § IV, die ansonsten nirgends anzutreffen sind. Was C betrifft, so ist es die einzige Handschrift, die divides statt dividis bietet, das in allen anderen Handschriften in § III erscheint (einschließlich N und O), sowie recta et altera in § V und huiusmodi statt eiusmodi in § VI. Sie hebt sich außerdem durch eine Umstellung hervor (secuntur tabularum tituli qui statt qui sequuntur tabularum tituli in § V), eine bedeutende lacuna aufgrund eines Homoioteleutons (in § IV: in centro alterum eiusdem lateris caput), einige Auslassungen (talis in § V, mihi und mobile in § VI), davon eine mit Leerraum (eam in § VI), und einige andere fehlerhafte Lesarten, die ansonsten nicht belegt sind (circumdatur statt circumcludatur und quencumque statt quemque in § III, sui statt suis in § IV, affecerit und affecisti statt effecerit bzw. effecisti in § V, recedum statt recedendum in § VI). Die wenigen Fehler, die man ausschließlich M zurechnen kann (numerus statt numerum in § III, astringat statt attingat in § IV), sind paläographischen Ursprungs oder könnten es zumindest sein und erscheinen deshalb eher unbedeutsam. Noch weniger signifikant erscheinen die seltenen eigentümlichen Lesarten (ut statt uti in § VI). N wiederum ist nur wegen der bereits erwähnten Lesart lxxx (statt lxxv) in § II auffällig. Charakteristisch für O hingegen sind mehrere Auslassungen (quam in § I, ascribito und dixi in § III, itidem in § IV, quaesitum in § VI) und bietet einige eigentümliche Lesarten (praeditus ingenio statt ingenio praeditus in § I, sub ascriptas statt subscriptas in § V), darunter eindeutig falsche (quantum statt quantam in § III, gradus xliiii statt gradus 43 und pingendi statt pingenda in § VI). 5.2.2 Die Abbildungen In jeder der Handschriften ist der Text von zwei Abbildungen unterbrochen, wobei die erste Albertis Apparatur mit dem horizon und dem radius entweder vollständig ausgearbeitet oder zumindest als schematische Veranschaulichung zeigt (mit Ausnahme allerdings von C, die getreu Albertis Text nur den horizon abbildet) und sich die andere auf eine schematische Darstellung des radius beschränkt (vgl. Abb. I–II).
5.2 Bewertung der Handschriften und Überlieferungsgeschichte
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In N ist die Apparatur im Innern eines rechteckigen Kastens abgebildet (tatsächlich handelt es sich um ein aufgeklebtes Papier) und entlang einer vertikalen Nord-Süd-Achse (Septentrio-Auster) ausgerichtet mit Norden unten und einer horizontalen Ost-West-Achse (Oriens-Occidens) mit Osten links. Die Ziffern der horizon-Gradwerte – das Wort horizon ist unterhalb der inneren Linie des oberen linken Quadranten zu lesen – stehen alle auf dem äußeren Kreis, und die Minuten, dargestellt jeweils durch einen Strich, auf dem inneren Kreis. Der Mittelpunkt des Kreises ist mit centrum bezeichnet und der radius (A im ersten der sechs Abschnitte und B im letzten, der den Kreis der Minuten berührt) ist in Ostrichtung eingezeichnet. Die gleiche Art der Darstellung findet sich in A (vertikale Achse SeptentrioAuster von unten nach oben und horizontale Achse Oriens-Occidens von links nach rechts). Der radius (AB) ist in der gleichen Position wie in N abgebildet (die Bezeichnung centrum fehlt) und in vierzehn Abschnitte eingeteilt, deren letzter an den äußeren Kreis heranreicht. Auf dem inneren Kreis, wo die Minuten nicht markiert sind, sind die Gradwerte nur im linken unteren Quadranten eingetragen (von 1 bis 7, von Septentrio bis Oriens), mit Ausnahme der Angabe 48, die oberhalb der letzten Unterteilung (bei insgesamt zweiunddreißig verwirklichten Unterteilungen, was nicht den Angaben des Textes entspricht) im Zwischenraum zwischen den beiden Kreisen eingetragen ist. Unterhalb von Oriens findet man die Angabe xij und, unterhalb von Occidens, xxxvi. Das Wort horizon steht unter dem inneren Kreis, unterhalb der Beschriftung Auster. Die gleiche Ausrichtung (horizontale Achse oriens xii–occidens xxxvi, vertikale Achse Septentrio–Auster) und Anordnung (der radius AB ist bis zum äußeren Kreis in zwölf Abschnitte eingeteilt und zeigt nach Osten, das Wort horizon steht unterhalb von Auster im Inneren der zwei Kreise) liegt bei M vor. Hier ist der horizon im linken unteren Quadranten in die Grade 1 bis 10 eingeteilt; unterhalb von Auster steht 24, 36 auf der Horizontalen vor occidens und 46, 47, 48 oberhalb von Septentrio. Die Form des radius ist in M und A gleich, wobei insbesondere das Ende in der Mitte als Dreiviertelkreis gestaltet ist. Dieselbe Ausführung (radius AB zeigt nach Osten) und Ausrichtung liegt auch in B vor, hier detailliert auch mit den Zahlen xii unter Oriens und xxxvi unter occidens. Der Zwischenraum zwischen den beiden äußeren und den beiden inneren Kreisen ist, wie vom Text gefordert, in achtundvierzig Abschnitte eingeteilt, die Grade jeweils in drei. In ähnlicher Weise ausgerichtet, bietet O eine vollständige Nummerierung in Grad auf dem äußeren Rand des Kreises. Unterhalb dieses Randes, im Inneren des Kreises auf Höhe des oberen linken Quadranten, steht horizon. Auch hier zeigt der radius AB nach Osten. Rechts des Kreises unter xxxvi steht Occidens, unterhalb des Kreismittelpunktes centrum und schließlich links, oberhalb von Oriens, xii. Die Apparatur ist im unteren Bereich des Blattes gezeichnet, dessen unterer Teil (ungefähr ein Sechstel der Zeichnung) verloren gegangen ist, als der Kodex beschnitten wurde. Man kann also unmöglich sagen, ob der Zeichner eine weitere Beschriftung – insbesondere Septentrio – eingetragen hat oder nicht. Die Anordnung in C ist ganz anders: Die Nord-Süd-Achse (septentrio–Meridies) ist horizontal und die Ost-West-Achse (Oriens–[nicht angegeben]) vertikal. Der
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radius ist nicht abgebildet, und die Worte centrum und horizon fehlen. Die Zeichnung besteht aus drei konzentrischen Kreisen. Unterhalb des äußeren Kreises (bestehend aus zwei Kreislinien) befindet sich die vollständige Nummerierung der Grade des horizon; die Minuten sind durch aneinandergereihte Striche auf dem zweiten Kreis markiert; der dritte Kreis (ebenfalls aus zwei Kreislinien bestehend) hat keinerlei Beschriftung oder Kennzeichnung. Bei dieser Abbildung I ist eine gewisse Nähe von ABMNO festzustellen – eine größere Nähe von ABM einerseits und von NO (die beiden einzigen aus der Gruppe, die eine vollständige Nummerierung der Grade haben) andererseits –, wohingegen C einen erkennbar eigenen Weg einschlägt. Was den radius betrifft, so zeigt er stets von rechts (A) nach links (B) und ist in zehn Abschnitte eingeteilt, die von 5 bis 50 nummeriert sind. In C und O ist jeder dieser Abschnitte an der oberen Kante wiederum in sechs (der ganz rechte in fünf) bzw. fünf Unterabschnitte geteilt. Diese letzte Unterteilung erscheint nicht in N, aber man kann sie an der unteren Kante in B (bei recht ungleichmäßiger Unterteilung) sowie an der unteren Kante in A und M erkennen (realisiert durch drei schräge bzw. vertikale Striche unter jedem Kästchen). In ABN ist dieser radius ein einfaches Lineal mit Skala. Zusätzliches Bemühen um Realismus ist in M zu erkennen, wo der Mittelpunkt als Punkt mit Kreis dargestellt ist, sowie in C, wo die äußere rechte Seite abgerundet, der Drehpunkt (mit der vertikalen Beschriftung centrum), um den der radius rotiert, dargestellt und das Ende nach links hin abgeschrägt ist. In der Skizze in O befinden sich am linken Ende eine angedeutete Schräge und rechts die Markierung des zentralen Kreises (identisch mit dem in M). Am linken Rand der Abbildung steht der Hinweis caput quod attingit numeros orizontis (in C) oder horizontis (in ABMN), caput radii quod attingit numeros orizontis (in O); und am rechten Rand der Hinweis caput quod attingit centrum (in M), caput quod ad centrum (in CNO), quod attingit centrum (in AB, wo caput fehlt).11 Bei der Abbildung II entfernt N sich von ABM genauso wie von CO bei der Darstellung der Unterteilungen, während O bei der Beschriftung auf der linken Seite durch den Zusatz radii einzigartig ist und ABM hinsichtlich der Beschriftung auf der rechten Seite gegen CNO stehen (wobei sich AB von M unterscheiden).
5.2.3 Die Tabellen Bei der Bewertung der Textzeugen stehen uns auch einigermaßen objektive Anhaltspunkte zur Verfügung, die mit der Darstellung der Tabellen in Verbindung stehen. So bieten die Handschriften A und B in zwei Passagen eine komplexe Gestaltung. In B auf fol. 23r befindet sich nach den drei mit 7. Nomina portarum (die nur die Namen und Koordinaten der Tore in Latium enthält), 8. Nomina portarum transtiberim und 9. Nomina portarum in muris Leonine überschriebenen Tabellen und unterhalb von 11
In A und B sind die beiden Formulierungen Caput quod attingit numeros horizontis und quod attingit centrum nur durch ein Interpunktionszeichen getrennt (ein Komma in A, ein Punkt in B), wobei das Wort caput offenbar jedes Mal vom Kopisten stillschweigend mitgedacht ist (aus Platzgründen?).
5.2 Bewertung der Handschriften und Überlieferungsgeschichte
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Ad castellum, also unter der letzten Tabelle und außerhalb des Rahmens (ohne Nummerierung), oben auf fol. 23v der Vermerk Portarum in Latio, der eine neue Version der Liste von Polarkoordinaten für diese Tore ankündigt. Darauf folgen eine neue Tabelle 8 (Portae in murum transtiberim) und eine neue Tabelle 9 (Portae in muris Leonine) ohne Namen der Tore. Dann geht die normale Reihenfolge der Tabellen weiter bis zur äußersten rechten Spalte auf diesem Blatt. In dieser Spalte steht zuerst (fol. 23v ) unten rechts eine erste Tabelle 17 der Nomina locorum, dann Maxima Petri basilica bis zum Eintrag Balbine Io. ad Latinam, und im Anschluss, also oben links auf fol. 24r , die Koordinaten dieser beiden Stätten (davor der Hinweis 17. Templa et publica urbis aedificia). Darunter geht die Aufzählung der Stätten weiter (18. Nomina locorum: von Ioannis ad Latinam bis Thermae). In der zweiten Spalte, direkt gegenüber den Koordinaten der Liste von Maxima Petri basilica bis Balbine, stehen die restlichen Namen der Stätten (gezählt als 19; Patris perne bis Ara coeli), und darunter, also gegenüber der Liste von Ioannis ad Latinam bis Thermae, insgesamt zehn Zeilen mit Koordinaten (gezählt als 18), die den Koordinaten dieser letzten Liste von acht Stätten entsprechen (Ioannis ad Latinam bis Thermae) und außerdem die Koordinaten von Patris perne und Petri in montibus. Eine solche Anordnung lässt keinen Platz mehr für die Koordinaten der restlichen Stätten (Iacobi sub Iano bis Ara coeli), zumal oben auf dem zweiten Teil des Blattes eine neue Serie nicht nummerierter Tabellen beginnt (in der Reihenfolge: Insulae capita, Insule Auges, Latera fluminis, Auges lateris fluminis, Iterum mediana linea fluminis a ponte infra), die die Tabellen 12, 13, 14, 15 und 16 von fol. 23v wiederholt. Auf diese Tabellen folgt eine neue Version der letzten Liste (Templa et publica urbis aedificia), die zwar nicht nummeriert, aber dieses Mal vollständig ist (von Maxima Petri basilica bis Balbinae auf fol. 24r und von Ioannis ad Latinam bis Ara coeli auf der Versoseite) und eine einfache Gestaltung aufweist, mit den Koordinaten links und den Namen der Stätten rechts auf fol. 24r und anders herum auf fol. 24v . Die gleiche Anordnung liegt in A vor: Unten rechts auf fol. 76r , unter Ad castellum und nach den Tabellen (Namen der Stadttore und Koordinaten) mit den Überschriften 7. nomina portarum in Latio, 8. Nomina portarum transtyberim und 9. Nomina portarum in muris Leoninae, befindet sich nur die Erwähnung 7. Portarum In Latio, die (wie in B) die Liste mit den Koordinaten der Tore in Latium oben links auf dem nächsten Blatt ankündigt (fol. 76v ), gefolgt von der erneuten Darbietung der Koordinaten der Tore in Trastevere (8. Portae in muris trans tyberim) und der der Leoninischen Mauer (9. Portae in muris Leoninae), die dort, wie sonst auch, der Tabelle 10 und den weiteren Tabellen vorangehen.12 Auf fol. 77r gibt es unten rechts eine erste Liste (gezählt als 17) mit dreizehn Stätten (von Maxima Petri Basylica bis zu einer Zeile Balbine Io.: ad Latinam) in zwölf Zeilen (tatsächlich befindet sich in der elften Zeile Militiae Sabae, aber der Eintrag Io. ad Latinam neben Balbine in der letzten Zeile steht nur dort, um auf die folgende Liste hinzuweisen) unter der Über12
In A1 und B1 ist die Spalte mit den Koordinaten der mit Latera fluminis überschriebenen Tabelle nach der vierten Zeile durch die Zeile Gra. Mi. Gra. Mi. unterbrochen, die sachlogisch am Ende der Spalte platziert sein müsste – was das Layout hier freilich nicht erzwingt. Diese zusätzliche Zeile spiegelt also nur die Anordnung der Tabellen, wie sie in der Vorlage dieser zweiten Version erschien. Keine unserer Handschriften bietet eine vergleichbare Anordnung.
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schrift Nomina locorum und, auf der Versoseite dieses Blattes, unter der Überschrift 17. Templa et publica vrbis edificia, die Koordinaten der ersten dreizehn Stätten. Darunter befindet sich, abermals unter der Überschrift Nomina locorum, eine Liste (gezählt als 18) von acht Stätten (von Io.: ad Latinam bis Therme). In der zweiten Spalte dieses Blattes befinden sich gegenüber den Koordinaten der ersten Stätten die Liste (gezählt als 19) der übrigen (von Patris pernae bis Ara coeli) und darunter die Koordinaten von zehn Stätten (Ioannis ad Latinam bis Petri in Montibus), von denen die ersten acht ihnen gegenüberstehen (von Io.: ad Latinam bis Therme); hinzu kommen die Koordinaten der zwei ersten Namen der letzten Liste (Patris pernae und Petri in montibus). Auch hier ist kein Platz mehr für die Koordinaten der restlichen Stätten (Iacobi sub Jano bis Ara coeli), zumal sich auf dem folgenden Blatt (fol. 78r ) eine zweite Version der Tabellen 12 bis 16 (hier nicht gezählt) dieser Handschrift befindet (Insulae capita, Insule Auges, Latera fluminis, Auges lateris fluminis, Iterum mediana linea fluminis a ponte infra), und schließlich abermals Templa et publica vrbis edificia (von Maxima Petri Basylica bis Balbine unten in der rechten Spalte auf fol. 78r und der zweite Teil, von Io. ad Latinam bis Ara coeli, auf fol. 78v ). Wie in Handschrift B besteht diese letzte Tabelle aus zwei Spalten mit den Namen der Stätten auf der einen und den Koordinaten auf der anderen Seite; und, genau wie in B, wird sie nach Petri in monte durch den Vermerk Nomina locorum sub Iano in der Spalte der Zahlen unterbrochen,13 ohne Zweifel ein Hinweis auf die Fortführung der Tabelle oben auf dem Blatt in einem Antigraphen dieser Handschrift (vgl. unten, den Fall von M). Angeordnet genau wie in B, befinden sich die Namen auf fol. 78r rechts von den Koordinaten und auf fol. 78v links davon. Bei dieser Verdopplung scheint es sich umso weniger um einen zufälligen Fehler der Kopisten von A und B zu handeln, als der Hinweis Portarum in Latio in beiden Handschriften (fol. 76r in A, fol. 23r in B), wie gesagt, die Liste mit den Koordinaten dieser Tore für das folgende Blatt ankündigt, und da A unten auf fol. 77v , wo die erste Redaktion der letzten Tabelle endet, den Hinweis Insulae trägt, der die Überschrift der zweiten Redaktion von Tabelle 12 oben auf fol. 78r ankündigt (Insulae capita). Stützt man sich auf die Auswertung der Tabellen, so stammen A und B von einem Antigraphen ab, der seinerseits diese sonderbare Verdopplung bot – vielleicht das Ergebnis von Verlesungsfehlern oder eher von der Aktivität des Kopisten einer Handschrift wie N, die die Listen zweimal halbiert. Tatsächlich sind auf fol. 27r drei Tabellen jeweils mit Nomina Portarum überschrieben und als 7, 8, und 9 gezählt: Sie bieten die Namen der Tore in Latium, Trastevere und der Leoninischen Mauer, allerdings ohne die zugehörigen Koordinaten. Es folgen drei Spalten, gezählt als 10 (fol. 27r ), 11, 12 (fol. 27v ) und überschrieben mit Portarum in Latio, Portae in muris 13
Die Auswertung von N und O kann die Existenz der Wendung Nomina sub Iano nicht anders erklären, als es G. Orlandi getan hat („Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae. . . “, cit., S. 136): „Probabilmente sub Iano non è che un duplicazione [sic!] di parte della riga seguente“ („Wahrscheinlich handelt es sich bei sub Iano lediglich um die Verdopplung eines Teils der folgenden Zeile“), nämlich der Zeile Iacobi sub Iano, die wiederum keine Koordinaten hat, sei es aufgrund einer Art von trascuratezza („Nachlässigkeit“), von der es weitere Beispiele bei Alberti gibt, vgl. ebd., S. 137 und Anm. 42), sei es wegen einer Auslassung, die auf den Archetyp zurückgeht. Tatsächlich liest man in O (fol. 237r ) „nomina locorum“ und unmittelbar darunter den Eintrag Iacobi sub Iano ohne Polarkoordinaten.
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transtyberim, Portae in muris Leoninae, wo die Koordinaten dieser Tore verzeichnet sind, nicht aber ihre Namen. Die Namen der Tore und die Koordinaten befinden sich also in zwei verschiedenen Tabellen, was nahelegt, dass ein Kopist (ohne Zweifel der des gemeinsamen Antigraphen von A und B) diese Verteilung zwar beibehalten, dabei aber sozusagen die Lücken aufgefüllt hat, die Koordinaten also gegenüber den Namen und die Namen gegenüber den Koordinaten eingetragen hat. Im weiteren Verlauf findet man in Handschrift N (fol. 28r ), genau wie in A und B, unter der Überschrift Nomina Locorum eine erster Liste (gezählt als 20) von dreizehn Stätten ohne Zahlen (von Maxima petri basilica bis Balbinae). Darunter (unten in der ersten Spalte auf fol. 28r und oben in der zweiten) befinden sich die Koordinaten dieser Stätten, genau wie in A und B überschrieben mit Templa et publica urbis aedificia (mit der Nummer 21). Es folgt (22. Nomina locorum) der Rest der Liste mit Stätten (von Ioannis ad Latinam bis Ara coeli) und, auf fol. 28v , nur die Koordinaten dieser letzten Stätten. Zweifellos hat eine falsche Interpretation dieser beiden Passagen den Kopisten des Antigraphen veranlasst, die Struktur zu übernehmen (Namen und Koordinaten auf zwei Tabellen verteilt), was bei ihm zu einer simplen (und außerdem unvollständigen) Wiederholung der fraglichen Tabellen führte (wobei die Aufteilung, die er übernommen hatte, rein physisch verhindert hat, sämtliche Koordinaten der beiden Listen von Stätten einzutragen). N kann deshalb nur A und B nahestehen und muss demselben Überlieferungsast angehören, zumal N, A und B als einzige Handschriften eine bedeutsame lacuna aufweisen, nämlich die Koordinaten 22/2/20/0, die in den anderen Handschriften (einschließlich M) diejenigen von Balbinae sind, und die einzigen, die an fünfter Stelle der Liste Parium Turris (und nicht Parioni Turris) und an achter Stelle Columna Antonini alias Mensa Neronis haben. Bei der Analyse der Tabellen von M verstärkt sich der am Text gewonnene Eindruck, dass sich der Kopist veranlasst sah, seine Vorlage durch Lesarten anderer Handschriften zu korrigieren. Ein Beleg dafür ist die Marginalie, die er auf Höhe von Zeile 9 (Columna Adriana) in der letzten Tabelle anbringt: alibi vacat: loco eius mensa Neronis – wobei die Bezeichnung alibi nur explizit auf abweichende Textzeugen verweisen kann.14 Die Tabellen VII, VIII und IX (fol. 125v ) enthalten einfach die Nomina links und zwei Spalten mit ‚Polarkoordinaten‘ rechts. Was die 14
Natürlich ist es schwer, sich ein genaues Bild dieser Textzeugen zu machen. Dennoch sei auf eine weitere Marginalie von M in Z. 10 der Tabelle XV hingewiesen, wo vel 1 (die Lesart von A1 B1 O) zu lesen ist statt der vom Text dieser Handschrift gebotenen 0 (ebenso die Lesart von ABCN). Die gegenüber von Columna Adriana platzierte Glosse alibi vacat: loco eius mensa Neronis spielt vielleicht auf Handschriften vom Typ ABN, vielleicht auch C an, die als einzige Columna Adriana nicht erwähnen. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass sie auf die Lesart eines Textzeugen zurückgeht, der nicht zu der uns bekannten Überlieferung der Descriptio gehört, ein Textzeuge, dessen Textgestalt auf den ersten Blick mehrdeutig, wenn nicht sogar in Teilen unverständlich erschienen sein muss. Tatsächlich bietet nicht nur keine der Handschriften in unserem Besitz Mensa Neronis statt Columna Adriana oder Adriani, sondern der Kopist von M hat bei der Kollationierung seiner ersten Vorlage mit einem zweiten Textzeugen offenkundig gezögert, als er mit einer Situation konfrontiert war, die er nicht sofort verstand: Also hat er zuerst alibi uacat / et loco eius auf zwei Zeilen geschrieben, dann innegehalten und die letzten drei Wörter ohne weiteren Hinweis durchgestrichen (et loco eius, noch gut lesbar). Schließlich hat er sich im uns bekannten Sinne entschieden und mit lo nach uacat in der ersten Zeile seiner
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5 Philologische Anmerkungen
Templa et publica urbis aedificia betrifft, so werden sie in drei Spalten präsentiert (die erste auf fol. 126v und die beiden anderen auf fol. 127r ), die Nomina ebenfalls links und die Koordinaten rechts. Der erste Abschnitt der Liste (gezählt als 17) geht von Maxima Petri basilica bis Balbinae, dann (nach der Wiederholung der Nr. 17 und der Überschrift) von Io. ad Latinam bis Petri in monte; der zweite Abschnitt (gezählt als 18, mit der Überschrift Nomina locorum sub Iano), geht von Iacobi sub Iano bis Mariae transtyberinae, geht dann weiter (von Grysogoni bis Ara coeli) und endet oben auf der Seite (ebenfalls unter Nr. 18). Handschrift O schließlich bietet links auf fol. 235v die Spalte mit den Namen der Tore, verteilt auf drei jeweils mit nomina portarum überschriebene Abschnitte, und rechts eine Spalte mit den vier Koordinaten. Diese Vierfachspalte ist ihrerseits in drei Abschnitte unterteilt, die mit portarvm in latio, portae in mvris transtiberim und Portae in muris Leoninae überschrieben sind. Die Templa et publica urbis aedificia (fol. 236v –237r ) werden in zwei Spalten präsentiert, mit den nomina locorvm links und der Vierfachspalte mit den Koordinaten rechts. Diese Nomina locorum gehen auf fol. 236v von Maxima Petri basilica bis Petri in Monte und auf fol. 237r (nach Wiederholung der Überschrift nomina locorvm) von Iacobi sub Iano bis Ara coeli. Dies entspricht sowohl der von A1 B1 M als auch von C übernommenen Anordnung (wo der Hinweis Nomina locorum nicht wiederholt wird), wohingegen ABN diese Liste bei Balbinae trennen.15 Deshalb ist anzunehmen, dass diese beiden Anordnungen der letzten Tabelle denjenigen zweier Hyparchetypen oder auch eines Archetyps und eines Hyparchetyps entsprechen, und dass der Kopist des gemeinsamen Antigraphen von A und B (durch den diese abweichende Präsentation der Tabellen vermittelt ist) für seine zweite Version der letzten Tabelle auch eine Abschrift vorliegen hatte, die die Tabellen nach dem Vorbild von CMO präsentiert. Die Textgestalt von O legt eine Erklärung für die Überlieferung sowohl der Überschriften der Tabellen VII, VIII und IX als auch der letzten Tabelle (mit den öffentlichen Gebäuden) nahe. N bietet, wie gesehen, in 7, 8 und 9 (über den Namen der Tore) Nomina portarum, in 10 dann Portarum in Latio (ohne dass dieser Genitiv anders als durch die ‚Erinnerung‘ an ein verschwundenes Nomina gerechtfertigt wäre), und dann, ganz ‚normal‘, Portae in muris transtyberim in 11 und Portae in muris Leoninae in 12. Diese letzten Lesarten (Portarum und zweimal Portae) finden sich auch in A1 , B1 und O. A und M bieten für 7, 8 und 9 (als Hauptüberschrift) Nomina portarum in Latio, Nomina portarum transtyberim und Nomina portarum in muris Leoninae. Das gleiche Bild in B bei 8 und 9, aber 7 hat nur Nomina portarum. In O dagegen liest man eine Hauptüberschrift (portarum in latio, aber portae in mvris transtiberim und Portae in muris Leoninae) und dann, links darunter, über den Namen der Tore, nomina portarum und, rechts über den Polarkoordinaten, orizon und radius. Die Überschriften Nomina Portarum (in Latio), Nomina Portarum transtiberim, Nomina Portarum in muris Leoninae wären demnach das Resultat einer Kontamination der Hauptüberschrift mit dem Untertitel links. Diese Überlegung 15
Glosse fortgesetzt, und weiter in den Zeilen 3 und 4 mit co eius mensa / neronis. Tatsächlich wird die Trennung hinter Balbinae durch das Layout in A1 B1 M erzwungen, nicht aber in ABN; die Trennung hinter Petri in monte ist durch das Layout in O erzwungen, nicht aber in A1 B1 C und M (zweite Trennung).
5.2 Bewertung der Handschriften und Überlieferungsgeschichte
143
scheint durch die von C gebotenen Hauptüberschriften gestützt zu werden (Nomina Portarum in Latio, Portae in muris trans tyberim und Portae in muris leoninis). Man findet eine Verwechslung gleichen Typs bei der letzten Tabelle, zumal es in A, B und N, wie oben beschrieben, außerdem den Untertitel Nomina locorum gibt, gefolgt von einigen Namen vor der Hauptüberschrift (Templa et publica vrbis aedificia) und über einer Reihe von Koordinaten, wohingegen A1 , B1 und M zuerst die Hauptüberschrift bieten und dann, direkt im Anschluss und ohne Untertitel, die Tabelle. In O hingegen stehen die Hauptüberschrift und links darunter der Untertitel nomina locorvm und, auf gleicher Höhe rechts über den Koordinaten, Orizon und radivs, was logischerweise mit den ursprünglichen Angaben übereinstimmen müsste. Bei der Zählung der Tabellen (die in O nicht gezählt sind, während in A1 B1 nur die ersten drei gezählt sind, nämlich 7, 8 und 9) gibt es auch keine Einheitlichkeit: In N geht die Zählung von 1 bis 22 , in A und B von 1 bis 19, in M von 1 bis 18 und in C von Prima bis xa .16 Weiterhin kann man feststellen, dass einerseits die Spalten mit den Namen und den Zahlen, mit denen es die Kopisten in den Tabellen insgesamt zu tun hatten, nicht immer eine klare Bedeutung für sie gehabt zu haben scheinen: So bietet der Kopist von A in Tabelle XVI Militiae und Sabae in einer einzigen Zeile (fol. 77r ), was in dieser Spalte nur noch zwölf Zeilen für dreizehn Koordinaten übriglässt (fol. 77v ); der Kopist von B überlagert in Zeile 6 der Tabelle X (Tyberis fluvii linea mediana, fol. 23v ) die Minutenwerte des horizon aus den Zeilen 6 und 7 zu 1/2 und bietet deshalb im Folgenden systematisch falsche Koordinaten, usw. Andererseits ist es ziemlich offensichtlich, dass mehrere Kopisten die vom Autor konzipierte Karte wenigstens abschnittsweise selbst angefertigt und damit die Daten empirisch überprüft haben müssen, vor allem die Koordinaten, die sie gerade übertragen haben. Wahrscheinlich dürften viele der Fälle, wo eine oder zwei Handschriften eine im Vergleich zu den anderen Textzeugen nur geringfügig geänderte Zahl bieten, oder die Korrekturen der Tabelle XVI in C, deren bloße Anzahl bereits eine genauere Betrachtung rechtfertigt, gar nicht anders zu erklären sein. Während C vor der Korrektur nämlich in gleichem oder ähnlichem Umfang dieselben Koordinaten wie die anderen Textzeugen bietet, genauer in 30 von 35 Zeilen dieser Tabelle, so greift der Kopist dennoch ein, um seinen eigenen Text in 23 dieser 30 Zeilen zu korrigieren, wobei er in 3 Zeilen zuvor Ziffern geschrieben hatte, die nirgendwo sonst belegt sind. Insgesamt gibt es nach der Korrektur 22 16
In C erscheint die Zählung der Tabellen entweder direkt nach der Überschrift (bei der ersten Tabelle: Prima), nach der Überschrift auf dem Rand (bei der zweiten Tabelle: Secunda bzw. ija ), oder nur auf dem Rand (bei den letzten acht Tabellen: iija bis xa ). Jeweils ist die Angabe Tabula mitzudenken. Nicht gezählt sind die Tabellen IV (Auges murorum Trans Tyberim), VI (Auges murorum ad Leoninam), VIII (Portae in muris Trans Tyberim), IX (Portae in muris Leoninis), XII (Insulae Auges), XIII (Latera fluminis) und XIV (Auges Lateris fluminis), deren Überschriften dem Kopisten bei der Zählung wahrscheinlich entgangen sind, da sie im Inneren des Gitters platziert sind, das für die weiteren Koordinaten gedacht war. Die letzte Tabelle hingegen ist in zwei Abschnitte zu 24 Zeilen (fol. 8r ) bzw. 10 Zeilen (fol. 8v ) aufgeteilt und wird deshalb doppelt gezählt (ixa und xa ).
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5 Philologische Anmerkungen
Fälle von Inversion oder Pseudoinversion17 der Koordinaten von radius und horizon (davon 5 ausschließlich bei den Graden, 12 auch bei den Minuten und 5, bei denen diese Unterscheidung nicht greift, da die Zahlen für die Minuten des horizon und des radius dieselben sind), 4 Fälle (in den Zeilen 9, 11, 19 und 33), in denen die endgültigen Werte deutlich von denen der anderen Handschriften abweichen, 8 Fälle (in den Zeilen 8, 10, 12, 13, 14, 25, 34 und 35), die im Gegensatz dazu sehr ähnlich bzw. identisch sind; und schließlich ein Fall (Pancratii in Z. 27), wo nach einer Inversion der Koordinaten des horizon und des radius (31/0/34/0 vor Korrektur) Werte wiederhergestellt werden, die denen der anderen Textzeugen ähnlich sind (34/2/31/0 in C nach Korrektur statt 34/0/31/0 in allen anderen Handschriften). Es ist also unmöglich, für die Korrektur dieser Handschrift und ihre endgültigen Zahlenwerte ein anderes Prinzip auszumachen als die Suche nach akzeptablen Koordinaten. Wie bereits von Orlandi festgestellt, gelingt es C auf diese Weise, für die fraglichen Gebäude Standorte anzugeben, die deutlich besser der topographischen Realität entsprechen als die, die aus den überlieferten Koordinaten resultieren. Diese erweisen sich oftmals als unwahrscheinlich oder als untereinander widersprüchlich,18 wenngleich die in den fünfzehn vorangegangenen Tabellen gebotenen Koordinaten realistisch sind und das Ergebnis ihrer Übertragung auf Papier ohne Frage „beachtlich“.19 Um die Dinge sozusagen wieder in Ordnung zu bringen und vergleichsweise realistische Koordinaten zu erhalten, hat Orlandi angenommen, dass auf der Stufe des Archetyps eine Inversion der (doppelten) Koordinatenspalten des horizon und des radius stattgefunden habe und man demnach für die Herstellung des authentischen Textes diese Inversion korrigieren und die wenigen Koordinaten, die immer noch nicht realistisch sind, emendieren müsse.20 Abgesehen davon, dass sie unserer Meinung nach genauer spezifiziert werden müsste und eine derartige Inversion nur schwerlich auf den Archetyp zurückgehen kann, erscheint uns diese Hypothese insgesamt betrachtet als einzige geeignet zu sein, den Zustand der verschiedenen Textzeugen zu erklären, wobei sich die Handschriften N und O bei der letzten Tabelle in dieser Hinsicht nicht von den vier Handschriften unterscheiden, die Orlandi untersucht hat.
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In Wirklichkeit ist die Inversion aufgrund der Korrektur in 10 von 22 Fällen nicht streng durchgeführt, wobei die endgültigen Koordinaten in C denen der anderen Handschriften mehr oder weniger nahekommen, ohne jemals mit ihnen identisch zu sein. Beispielsweise wenn durch die Koordinaten die Torre di Parione (Z. 5), die damals auf der heutigen Piazza dell’Orologio stand, nicht nur auf der gleichen Seite der Stadt platziert wird wie die Kirche Santi Giovanni e Paolo (Z. 19), sondern fast auf der Verlängerung der Achse, die sie mit dem Kapitol (Z. 34) verbindet. Vgl. Luigi Vagnetti, „Lo studio di Roma negli scritti albertiani“, in Convegno internazionale indetto nel V centenario di Leon Battista Alberti (Roma–Mantova–Firenze, 25–29 aprile 1972), cit., 73–110, hier 85, der den „grafico ricostruibile con le coordinate della Descriptio“ („die mit den Koordinaten der Descriptio herstellbare Abbildung“) als „sorprendente conclusione della nostra ricerca“ („überraschendes Ergebnis unserer Forschung“) bezeichnet und die „straordinaria anticipazione albertiana“ („außergewöhnliche albertische Vorwegnahme“), die er in seinen Augen darstellt, als „sorprendente scoperta“ („überraschende Entdeckung“). Vgl. „Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae. . . “, cit., S. 134 f.
5.2 Bewertung der Handschriften und Überlieferungsgeschichte
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5.2.4 Schlussfolgerungen 1. Sieht man zunächst einmal von den Koordinaten der letzten Tabelle ab, dann kann man einen Archetyp oder wenigstens ein vielleicht ‚nicht perfektes‘, aber dennoch einzigartiges Original, von dem alle erhaltenen Textzeugen abstammen würden, auf Basis von vier Passagen der zweiten Hälfte der Descriptio postulieren, in denen die Überlieferung allgemein verderbt oder von lacunae gekennzeichnet zu sein scheint, seien sie nun markiert oder nicht. Der Reihenfolge nach handelt es sich um die Überschriften und Untertitel der Tabellen mit den Toren, insbesondere die der Tabelle VII, den Abschnitt Hic fluvius dividitur in duas et diffunditur [. . . ] im Anschluss an Tabelle X, die nomina der Zeilen 8, 9 und 10 der Tabelle XVI und die Koordinaten von Iacobi sub Iano in Zeile 25 derselben Tabelle.21 Im ersten und im dritten Fall haben wir es mit einer komplexen Situation zu tun, die ohne Zweifel auf eine uneindeutige Darstellung der Daten im Archetyp oder in der Vorlage zurückzuführen ist, die aber ebenso auf einen Fehler im Archetyp hinweist, den die verschiedenen Textzeugen (oder ihre Antigraphen) versucht haben könnten ‚auszubügeln‘ oder sogar zu korrigieren. Im zweiten und im vierten Fall wiederum ist klar, dass wir es mit ursprünglichen lacunae zu tun haben, die eventuell beide auf den Autor zurückgehen könnten (dann wären sie unbeabsichtigt), von denen wenigstens die erste aber wahrscheinlicher dem Archetyp zuzuschreiben ist, auf den die sechs auf uns gekommenen Handschriften zurückgehen. Bei den Tabellen VII bis IX bringen die verfügbaren Anhaltspunkte eine ‚Kontamination‘ oder Konfusion der Hauptüberschriften (Portae in Latio, Portae in muris trans Tyberim, Portae in muris Leoninae) und des Untertitels (Nomina portarum) ans Licht, der in allen drei Tabellen über der linken Spalte mit den Namen stehen müsste. Im Unterschied zu den anderen Textzeugen haben N und O diese Konfusion nur bei Tabelle VII; dennoch ist es vor allem der Zustand von O, der aller Wahrscheinlichkeit nach das Layout des Archetyps oder des Originals wiedergibt und sich in dieser Hinsicht als maßgeblich erweist. Was die Zeilen 8, 9 und 10 der Tabelle XVI betrifft, so ist außerdem klar, dass man es von Beginn an mit vier Namen von Stätten für drei Gruppen von Koordinaten zu tun hat, die Kopisten also zwei Bauwerke (Columna Antonini alias Mensa Neronis in ABN, Mensa Neronis [atque] Caritarium turris in A1 MO) zusammengefasst oder eines davon ‚entfernt‘ haben (die Columna Adriana in ABN und C, die Caritarium turris in B1 ) und ABN sogar so weit gegangen sind, beide ‚Lösungen‘ gleichzeitig umzusetzen und als Ergebnis folglich zwei Namenszeilen für drei Koordinatenzeilen zu erhalten. Wie bereits Orlandi festgestellt hat,22 zwingt andererseits die von ABCNO im Abschnitt Hic fluvius [. . . ] hinter Tabelle X gebotene Lesart dividitur in duas (von M, deren Aktivität charakteristisch ist, kurzerhand zu dividitur in duo korrigiert) dazu, an die Auslassung eines Wortes wie partes zu denken, die eher dem Archetyp als dem Autor zuzuschreiben ist. Ebenso kann die Auslassung der Koordinaten in Zeile 25 (Iacobi sub Iano) der Tabelle XVI in allen Handschriften, die C dazu bringt, 21 22
Zu den Lesarten a primo und a principio in § III in CO bzw. ABMN, die in die gleiche Richtung gehen könnten, siehe unten S. 150 f. Vgl. „Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae. . . “, cit., S. 134.
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5 Philologische Anmerkungen
sogar das nomen (und damit die ganze Zeile) zu übergehen, nur an den Anfang der bekannten Überlieferung zurückreichen, sei es aufgrund einer Nachlässigkeit des Autors, wie Orlandi vermutet, oder aufgrund eines Fehlers im Archetyp, was unseres Erachtens ebenfalls nicht überzeugend ist.23 Allerdings muss diese letzte Auslassung notwendigerweise den gleichen Ursprung haben wie die Inversion der Koordinaten des horizon und des radius in Tabelle XVI, die in allen Handschriften anzutreffen ist. Da nämlich die vier Zahlen, aus denen die Koordinaten eines ‚Ortes‘ bestehen, gewissermaßen untrennbar sind und ihre lineare Anordnung (erst Grade und Minuten des horizon, dann Grade und Minuten des radius) für Kopisten und Leser, die sich irgendeine Tabelle der Descriptio vornehmen, klar ersichtlich ist, erscheint es gelinde gesagt unwahrscheinlich, dass ein solcher Fehler von einem Kopisten begangen worden sein könnte, auch nicht von dem des Archetyps. Weiterhin geben die auf uns gekommenen Handschriften, die, wie gesehen, öfters die Koordinaten vertikal vertauschen und die Liste mit Namen von den zugehörigen Koordinaten trennen, keinen Anlass, eine ähnliche Aufteilung innerhalb der Überlieferung anzunehmen, auch nicht zu Beginn. Also muss diese unbeabsichtigte Inversion auf den Autor zurückgehen: Da er bei der Anpeilung der Stätten dieser Tabelle natürlich darauf bedacht war, die Koordinaten des horizon (die der Richtung entsprechen, in der eben diese Stätten zu sehen sind) von denen des radius (die den Abstand der Stätten zum Kapitol als Bezugspunkt bezeichnen) zu unterscheiden, konnte nur er selbst sie physisch trennen, indem er sie beispielsweise auf verschiedenen Blättern notierte,24 sodass nur er in der Folge dafür verantwortlich zu machen ist, sie falsch zusammengesetzt zu haben, indem er aus Versehen die Grade und Minuten des radius vor denen des horizon notierte. 2. Die enge Verwandtschaft der Handschriften A und B und folglich ihre Abstammung von einem einzigen Antigraphen ω resultiert klarerweise aus der fälschlichen Verdopplung der Tabellen, die ausschließlich in diesen beiden Handschriften vorliegt. Sie manifestiert sich außerdem an anderen Stellen, zum Beispiel in der Bildunterschrift von Abbildung II (Auslassung von caput).25 23
24
25
Vgl. oben Anm. 13. Die Hypothese einer Nachlässigkeit des Autors könnte bei einem so kurzen Text wie der Descriptio wenig überzeugend erscheinen. Was aus unserer Sicht allerdings dafürspricht sind weitere Anzeichen einer gewissen Nachlässigkeit in der Überlieferung der Schrift – angefangen bei dem etwas rätselhaften Ausdruck montium finitiones in § I (vgl. unten) und der Inversion der Koordinaten des horizon und des radius in Tabelle XVI. In Aufgabe XVI von Ex ludis rerum mathematicarum zur „Vermessung der Lage und der Grenzen einer Stadt, ihrer Straßen und Stätten“ verlangt Alberti nicht zufällig, die Ergebnisse der „horizontalen“ Sichtungen zweier aufeinanderfolgender Stationen auf zwei verschiedenen Blättern einzutragen, von denen die zweite implizit dazu dient, die radiale Distanz zwischen diesen Beobachtungsstationen zu bestimmen. Vgl. L. B. Alberti, Ludi rerum mathematicarum, in Id., Opere volgari, a cura di C. Grayson, vol. III, cit., S. 131–173, hier 163–167, bes. S. 163 f. („fate memoria su qualche vostra carta di per sé [. . . ]: porta di sopra venti gradi e due minuti“, etc.; „Mache dir eine Notiz auf einem eigenen Stück Papier [. . . ]: Oberes Tor: Zwanzig Grad und zwei Minuten“) und S. 165 („noterete dintorno e farete di tutto memoria su un’altra cartuccia“; „Vermiss die Umgebung und notiere alles auf einem anderen Stück Papier“); franz. Übs. in Id., Divertissements mathématiques, Texte introduit, annoté et traduit de l’italien par Pierre Souffrin, Paris, Seuil, 2002, S. 64–69, hier 66. Die Abbildungen in A und B sind, wie gesehen, sehr ähnlich, wobei die in A wie eine schlechtere
5.2 Bewertung der Handschriften und Überlieferungsgeschichte
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Selbst ohne Berücksichtigung der charakteristischen Fehler von A und B, die sämtlich erwähnt wurden, ist die subscriptio von B auf fol. 24r (exempl · Mcccccij · vi · Iđ · Junij a nate D.N. Jesu Christi), die sich nicht in A findet, ausreichend für die Zurückweisung der Hypothese, die eine Handschrift könne ein descriptus der anderen sein, zumal in Anbetracht ihrer jeweiligen Datierung. 3. Die Verwandtschaft von A, B und N, und folglich die Abstammung von N und ω von einem gemeinsamen Antigraphen Y1 , zeigt sich deutlich bei der Präsentation der Tabellen VII, VIII, IX und XVI sowie bei Bindefehlern wie der gemeinsamen Auslassung der Koordinaten 22/2/20/0 von Balbinae in Zeile 14, dem Vermerk Columna Antonini alias Mensa Neronis in Zeile 8 und der Reduzierung (die sich zum Teil daraus ergibt) auf zwei Gruppen von Namen in den Zeilen 8, 9 und 10 der letzten Tabelle. Ohne Zweifel spiegelt sie sich auch in Z. 5 und Z. 24 derselben Tabelle in (falschen) Lesarten wie Parium turris statt Parioni turris wieder, die nur diese drei Handschriften bieten, deren Ursprung aber eindeutig paläographisch und deren Korrektur leicht ist, und montibus statt monte, die sich ohne Zweifel als falsche Interpretation einer Abkürzung erklären lässt. Die Unabhängigkeit der Handschrift N von ω folgt vor allem aus der Auslassung von ac (oder atque etiam) montium finitiones in § I, dem Fehler lxxx (statt lxxv) in § II sowie der Eigentümlichkeit der Abbildung II und ihrer Bildunterschrift in N. Man muss jedoch auch die ungewöhnlich hohe Anzahl von Fällen berücksichtigen, wo die in den Tabellen gebotenen Koordinaten die Handschrift N von allen anderen Handschriften abheben (insgesamt 13, davon sechs vor und einer nach Korrektur, aber nicht weniger als sechs ohne Korrektur).26 4. Die Kontamination von Y1 mit ω durch Textzeugen, die nicht diesem Ast der Überlieferung angehören, ist am Layout von Tabelle XVI zu erkennen, das A1 B1 mit CMO gemeinsam haben, nicht jedoch ABN. Sie zeigt sich in dieser Tabelle insbesondere am Anfang bei der Auslassung des Untertitels Nomina locorum und nach Z. 24 beim Einschub des falschen Titels Nomina locorum sub Iano für die übrigen elf Zeilen mit Namen und zehn Zeilen mit Koordinaten; Auslassung und Einschub haben A1 B1 mit M gemeinsam. Diese Kontamination liegt auch in Tabelle X vor, die von AB nicht verdoppelt wird, die ω aber nicht von seiner ersten Vorlage übernommen haben kann: Angesichts der von ABM gebotenen Lesart bei der Breite des Flusses (171 in AB und 171 uel 181 in M) und der Einfügung der diese enthaltenden 181 Marginalie nach Z. 5 in diesen drei Handschriften kann ω die Tabelle X nur von einer Handschrift kopiert haben, mit der sie den Text von Y1 kontaminiert hat. Diese Kontamination zeigt sich außerdem dort, wo A1 und B1 mit M und O die korrekte Lesart bieten (ponte statt porta in Tabelle XV), manchmal sogar zusammen
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Version der Vorlage wirken (in Abb. I gibt es in A zweiunddreißig Unterteilungen, was keine Entsprechung im Text hat, aber achtundvierzig in B; in Abb. II findet man in B das Bemühen um eine ‚realistische‘ Darstellung der Minuten auf der unteren Kante, in A nur drei schräge Striche). Zum Vergleich sei auf die entsprechenden Werte von C verwiesen. Von dieser Handschrift ist seit der Edition von Orlandi bekannt, dass sie empirische Überprüfungen und zahlreiche Korrekturen der überkommenen Koordinaten vorgenommen hat: Diesen Werten zufolge erweist sich C in 34 Fällen als eigenständig, davon 29 nach Korrektur und nur 5 ohne jede Korrektur.
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5 Philologische Anmerkungen
mit CMO (Parioni statt Parium in der letzten Tabelle); schließlich ist sie bei den Koordinaten der Tabellen von A1 B1 zu greifen sowie beispielsweise in Z. 10 von Tabelle XV, wo A1 B1 O 1 bieten, nicht 0 wie ABCN und M (letztere allerdings bietet vel 1 auf dem Rand). Im Lichte dieser stimmigen und unumstößlichen Gegebenheiten muss man annehmen, dass ω für die zweite Version der Tabellen XV und XVI sowie für die Tabelle X aus M geschöpft hat (aber offenbar nicht für die zweite Version der anderen Tabellen, wo es kein signifikantes Anzeichen für eine mögliche Kontamination gibt). Weiterhin ist es nicht ausgeschlossen, dass ω bei der Abschrift von M punktuell auch Y1 kollationiert hat; dies jedenfalls könnte die Überschrift von Tabelle XV angeregt haben (wo A1 B1 mit allen anderen Handschriften mediana statt das media von M bieten). 5. Die Verwandtschaft von ABMN und damit die Abstammung von M und Y1 von einem gemeinsamen Antigraphen Y, dessen Textgestalt sich in induxerunt statt induxere in § 1, a principio statt a primo in § III, der Angabe Auster statt Meridies in Abbildung I und primo statt prius im Abschnitt nach Tabelle X widerspiegeln, wird von einer gewissen Anzahl Details nahegelegt (z. B. in § VI die Übernahme der arabischen Ziffern 31 und 44 statt xxxi und xliv in CO), die ABMN gemeinsam haben, sowie durch die übereinstimmenden Lesarten (gegen CO) in der ein oder anderen Tabelle (angefangen bei 22 statt 2 in CO in Zeile 7 der ersten Tabelle). Nahegelegt wird sie außerdem von einer abweichenden Lesart dieser vier Handschriften an einer Stelle der Tabelle VII: Die Lesarten von AM, B und N in Z. 4 dieser Tabelle nämlich (Laodoana, Laodana bzw. Ladoana statt La Donna) gehen ohne Zweifel auf eine falsche oder schwer zu entziffernde Lesart in Y zurück. Auch wenn klar ist, dass diese Koinzidenzen und ihre Anzahl bei einem so kurzen Werk wie der Descriptio keineswegs vernachlässigbar sind, so kann die Existenz von Y dennoch nicht durch die signifikanten und charakteristischen Fehler bewiesen werden, die ABMN teilen. Die Unabhängigkeit der Handschrift M von ABN (= Y1 ), die von ihren eigentümlichen Lesarten nahegelegt wird, zeigt sich anhand einer Reihe von Fehlern, die nur sie hat, wobei es sich bei mindestens einem davon um einen echten Trennfehler handelt (die Auslassung von in muris in der Überschrift von Tabelle IX). Da wir die Fehler im Text, die ihr zugerechnet werden müssen, bereits erwähnt haben, beschränken wir uns hier darauf, zur Erinnerung die eigentümlichen Lesarten anzuführen, die charakteristisch für die Tabellen von M sind. Es handelt sich um 3½ statt 32/3 in Z. 13 der Tabelle V, um media statt mediana in der Überschrift der Tabelle XV sowie um Antoniana statt Antonina und transtyberinae statt trans Tyberim in den Z. 8 und 29 von Tabelle XVI. 6. Bei M hingegen ist die Lage am komplexesten. Selbst wenn man die Korrektur der lacuna accedendum est linea et itidem sinuosa am Rand in § VI sowie dieselbe lacuna durch Homoioteleuton und die falsche Lesart Laodoana statt La Donna in Tabelle VII – lacuna und Lesart, deren Ursprung (im letzteren Fall paläographisch) ohne Zweifel banal ist, hat diese Handschrift mit A gemeinsam – als nicht signifikant einstufen will, sollten vier Marginalien unsere Aufmerksamkeit erregen: Es handelt sich, der Reihenfolge nach, um aliter 80 (in § II), vel collocato (das, wie gesagt, das ebenfalls in A vorhandene collato in § VI des Textes ‚korrigiert‘), vel 1 (in
5.2 Bewertung der Handschriften und Überlieferungsgeschichte
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Z. 10 der Tabelle XV), alibi vacat: loco eius mensa Neronis (in Z. 9 der letzten Tabelle). Obwohl jede der ersten drei Lesarten für sich genommen anders erklärt werden könnte, scheinen diese Angaben von der Lektüre einer anderen Handschrift (oder mehrerer anderer Handschriften) als der direkten Vorlage von M zu stammen. Die erste entspricht einer Lesart in N, die zweite einer gemeinsamen Lesart von BCNO, die dritte einer Lesart von A1 B1 O. Die letzte – sie steht gegenüber von Columna Adriana – kann höchstens als Anspielung auf Handschriften vom Typ ABN verstanden werden, wo Columna Adriana nicht auftaucht und man gewissermaßen stattdessen (also zwischen Columna Antonini, mit der die drei Handschriften sie dennoch durch alias verbinden, und Caritarium turris) Mensa Neronis findet.27 Es ist also nicht möglich, die zusätzliche(n) Vorlage(n) zu M zu identifizieren, mit der/denen der Kopist seinen Antigraphen kontaminiert hat. Jedenfalls aber kann man annehmen, dass diese nicht zur bekannten Überlieferung gehören.28 7. O hat einen Fehler mit A gemeinsam (constituto statt constituito in § III) und bietet, genau wie N, für die Breite des Flusses die Zahl von 171 (Ellen). In der letzten Tabelle gibt sie als ‚Stätten‘, die der zehnten Koordinatenzeile entsprechen, Mensa Neronis atque Caritarium turris, genau wie M und A1 . Jedoch unterscheidet sie sich durch mehrere Auslassungen, eigentümliche Lesarten und diverse Fehler von den anderen Handschriften. Zu denen im Text, die bereits erwähnt wurden, seien an dieser Stelle die Auslassung der Angabe Meridies (oder Auster) in Abbildung I hinzugefügt, die Simplifizierung von Pancratii zu Brancatij in Z. 2 der Tabelle VIII sowie die eigentümlichen Lesarten, die die Zahlen der Tabellen auszeichnen: 1 statt 0 in Z. 36 der Tabelle I, 22 statt 21 in Z. 14 der Tabelle II und 37 statt 36 in Z. 1 der Tabelle V. In der Mehrzahl der Fälle bleiben diese abweichenden Lesarten ohne Konsequenzen und die Auslassungen beeinträchtigen den Sinn nicht, sie können also als spezifische ‚Redaktionsvarianten‘ dieser Oxforder Handschrift gelten, deren Bedeutung für die Herausgabe von Albertis Werken bekannt ist. Dennoch verhindert die Auslassung von adscribito und dixi in § III die Konstruktion der Sätze, zu denen diese Wörter gehören; es handelt sich also um Trennfehler von O gegen ABCMN. 8. Was die Handschrift C angeht, so kann aufgrund der Eigenheiten des Textes und der Tabellen (sowie der Abb. I) nur angenommen werden, dass sie der einzige Vertreter ihres Überlieferungsastes ist, wobei die Analyse von N und O keine entscheidenden Hinweise liefert. Schließlich erlaubt die Analyse der Handschriften N und O eine Verfeinerung des von Orlandi vorgeschlagenen Stemmas, ohne es völlig umzustrukturieren: N bietet einen Zustand, der ähnlich (aber weniger verderbt) ist wie A und B und vom gleichen Antigraphen Y1 abstammt wie ω, die Vorlage von AB. Zum selben Ast wie Y1 muss, da vom selben Hyparchetyp Y abstammend, auch M gehören, allerdings mit Korrekturen auf Basis einer oder mehrerer Handschriften, die uns unbekannt sind. Diese Handschrift ist es außerdem, derer sich ω sehr wahrscheinlich bei der Kontamination von Y1 bedient hat. O und C bleiben die einzigen Repräsentanten ihrer jeweiligen Äste. 27 28
Vgl. aber oben Anm. 14. Vgl. G. Orlandi, „Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae. . . “, cit., S. 130–131 und 133.
150
5 Philologische Anmerkungen
Als Synthese der Untersuchung des Textes, der Abbildungen und der Tabellen wäre demnach das folgende Stemma vorzuschlagen:
X C
? Y?
O
M
Y1 ω
N A
B
Abbildung 5.1: Stemma der Überlieferung der „Descriptio urbis Romae“
Zudem kann man etwas mehr zu der Überlieferung anderer Passagen des Textes sagen, angefangen bei der Bildunterschrift rechts in Abbildung II, wo die Lesart von CNO (caput quod ad centrum), offenbar eine lectio facilior, als Simplifizierung der von M gebotenen Lesart (caput quod attingit centrum) zu erklären sein dürfte, deutlich erkennbar in AB (die quod attingit centrum bieten und caput auslassen), und womöglich auf Unkenntnis der Abkürzung att. zurückzuführen ist – daher ad statt attingit. Analog dazu scheinen sich in § III bei den beiden Lesarten a primo und a principio von CO bzw. ABMN die unterschiedlichen Interpretationen der Kopisten von C, O und Y hinsichtlich einer eigentümlichen Abkürzung im Archetyp oder im Original niederzuschlagen; zum Beispiel kann pi o (also primo) in seiner händischen Ausführung leicht wie pi n (eine Mitte des 15. Jh. gebräuchliche Abkürzung für principio) aussehen.29 Ebenso lässt sich eine plausible Erklärung dafür skizzieren, dass man die Wörter ac (oder atque etiam) montium finitiones weder in N noch in C, dafür aber in ABM und O liest. Tatsächlich ist die Angabe an sich schon problematisch: Die montium finitiones sind nirgendwo in den Tabellen aufgeführt, und man könnte sich fragen, ob Alberti den Text in fortgeschrittenem Stadium nicht noch selbst korrigiert und entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben den Verweis auf die „Umrisse der Hügel“ herausgenommen hat, für die er im zweiten Teil des Werkes ja keinerlei Koordinaten angibt. Wenn dem so wäre, hätte es von seiner Seite wenigstens zwei punktuelle Eingriffe in die Überlieferung gegeben, einen im Archetyp (oder im Original), als die Kopisten von Y und von O ihre Arbeit bereits beendet hatten, und einen in Y1 , als die Abschrift ω, von der A und B abstammen, bereits angefertigt war. Nun kann 29
Zu diesen beiden Abkürzungen siehe Lexicon abbreviaturarum: Dizionario di abbreviature latine ed italiane [. . . ] per cura di Adriano Cappelli, Mailand, Hoepli, 6 1985, S. 276b und 280a.
5.3 Zur vorliegenden Edition
151
eine solche Hypothese nicht von vornherein zurückgewiesen werden, wenn man den Einfluss bedenkt, den Alberti bekanntermaßen auf die Überlieferung seiner Schriften ausübte, von den Büchern De familia bis zum Momus und von De commodis bis zu den Rime, der Musca und darüber hinaus.30 Und dennoch ist keineswegs auszuschließen, dass die Abwesenheit der fraglichen Wörter sowohl in C als auch in N durch die (unabhängigen) Initiativen der Kopisten erklärt werden können, die den Zusatz, der keine Entsprechung in den Tabellen hat, für unpassend hielten oder sich einfach getäuscht haben; und man kann es umso weniger ausschließen als einerseits in einem vergleichbaren Fall ein beinahe definitiver Beweis für die Aktivität von C vorliegt (wo in Zeile 25 der letzten Tabelle angesichts der Auslassung der zugehörigen Koordinaten in der Vorlage die Worte Iacobi sub Iano getilgt werden) und es andererseits völlig offensichtlich ist, dass insbesondere die Lesart von O (atque etiam montes finitiones: atque etiam [. . . ]) jeden Kopisten gewissermaßen zu einem Augensprung drängte (atque etiam [. . . ] atque etiam), der ebenso unvermeidbar wie trivialerweise zur Auslassung genau der fraglichen Wörter führte. Wie problematisch oder, wenn man so will, höchst unwahrscheinlich die Annahme eines späten Eingriffs durch den Autor auch erscheinen mag, in diesem Fall ist sie alles andere als eine rein akademische These.31
5.3 ZUR VORLIEGENDEN EDITION Wir haben uns hier bemüht, die authentischen Lesarten auf Basis der Übereinstimmungen von O und Y zu rekonstruieren. In § III haben wir deshalb dividis beibehalten, das man in ABMN ebenso findet wie in O, und das nur von C gebotene divides abgelehnt, ungeachtet der Meinung von G. Orlandi, für den divides „sembra preferibile in conformità con lo stile didascalico dell’Alberti cosí come si presenta anche in altre opere“ („vorzuziehen zu sein scheint wegen der Übereinstimmung mit Albertis didaktischem Stil, wie er sich auch in anderen Werken zeigt“).32 Folgerichtig und trotz der Zweifel, die hinsichtlich Y bestehen bleiben mögen, haben wir die drei seltenen, aber völlig akzeptablen Lesarten von O beibehalten, wo diese Handschrift gegen Y steht, aber sich in Übereinstimmung mit C befindet: induxere in § I, primo in § III (diese Lesart erscheint uns in jedem Fall befriedigender, für sich genommen und aufgrund der parallelen Passage in § IV), 2 in Z. 7 der Tabelle I (wo die von ABMN gebotene 22 den offensichtlichen Anstieg der Zahlen unterbricht) und prius im Abschnitt nach Tabelle X. Wir haben auch die von B1 O und (unter Berücksichtigung der Inversion der Koordinaten) von Cpc in Z. 21 der Tabelle XVI 30
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Siehe besonders Francesco Furlan, Nota al testo, in Leon Battista Alberti, I libri della famiglia, A cura di Ruggiero Romano e Alberto Tenenti, Nuova edizione a cura di F. F., Turin, Einaudi, 1994, S. 429–478, bes. S. 442 f. und 454 Anm. 35. Und das umso mehr, als es sich nicht um das einzige nicht eingelöste Versprechen des in § I der Descriptio angekündigten Programms handelt: Weder der „Verlauf und die geometrische Linienführung der Straßen“ (viarum ductus et lineamenta) noch der „mit Wohngebäuden bedeckte Bereich“ (area [. . . ] tecto ad habitandum operta) werden in den Tabellen behandelt. Siehe dazu auch L. Vagnetti, Lo studio di Roma negli scritti albertiani, cit., S. 86 f. „Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae. . . “, cit., S. 129.
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5 Philologische Anmerkungen
Abbildung 5.2: Vasilij P. Zubov, Karte von Rom, Rekonstruktion auf Basis des von Girolamo Mancini (1890) konstituierten Textes von Albertis Descriptio urbis Romae. Norden ist unten und Osten ist links. Aus Leon Battista Alberti, Desât’ knig o zodčestve [De re aedificatoria libri decem], Moskau, Izdatel’stvo Vsesoûznoj Akademii Arhitektury, vol. II: Materialy i kommentarii, 1937, S. 129
gebotene 23 beibehalten, wo die Topographie sowohl die 33 von A1 als auch die 32 der anderen Textzeugen auszuschließen scheint. Da ein Charakteristikum von Y die Verdopplung (in AB) oder die Halbierung (in N) oder die Konfusion/Kontamination der Überschriften und der Einträge (in M) ist, sind wir bei den Tabellen VII, VIII, IX und der letzten Tabelle dem Vorbild von O gefolgt. In Tabelle XVI (Templa et publica urbis aedificia) allerdings haben wir die auf Grundlage des Stemmas und der genannten Prinzipien hergestellten Koordinaten von radius und horizon vertauscht, um die vom Autor beabsichtigte
5.3 Zur vorliegenden Edition
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Textgestalt trotz seiner Unachtsamkeit wiederherzustellen.33 Für die in den Zeilen 8, 9 und 10 genannten Bauwerke kann die Herstellung des Originaltextes sich nur auf die Überzeugung stützen, dass sowohl die Columna Adriana als auch die Caritarium turris sehr wahrscheinlich mit der Trajanssäule zu identifizieren sind und dass das eine dieser beiden nomina in gewisser Weise die Glosse des anderen ist (ursprünglich vielleicht auf dem Rand), wobei ihre Reihenfolge notwendigerweise durch die Koordinaten dieser drei Zeilen festgelegt ist.34 Insgesamt haben wir bei den Tabellen (einschließlich der letzten) nur sehr selten eingegriffen, um die ein oder andere Koordinate zu emendieren, wenn sie dem Fortgang der Vermessung zuwidergelaufen oder sogar die Zeichnung beeinträchtigt hätte, weil sie sich zu weit von der topographischen Realität entfernt. Deshalb haben wir die von einer oder mehreren Handschriften bezeugte seltenere Lesart beibehalten, wenn es sie gab und sie höchstwahrscheinlich der des Originals entsprach: Die von CN gebotenen 2½ statt den sonst gebotenen ½ (die den offensichtlichen Anstieg der Zahlen unterbrechen und die erste Ziffer aufgrund eines Homoioteleuton auszulassen scheinen, auf die sofort die 2 folgt, die alle Handschriften für den Gradwert des horizon bieten) und die von ABM gebotene 36 statt der von CNO gebotenen 26 (die zu einer unwahrscheinlichen Einbuchtung in der Mauer von Latium führen würde) in den Zeilen 9 bzw. 31 der Tabelle I; die nur von O gebotene 37 statt 36 (ausgeschlossen wegen des von Tabelle X konstruierten Flusslaufs, des realen Verlaufs der Leoninischen Mauer und der Positionen ihrer Tore in Tabelle IX) in Z. 1 der Tabelle V; schließlich in Z. 8 der Tabelle X die nur von Cpc gebotenen 1/21 statt 2/1 in B (die den Tiber über die heutige Piazza Venezia fließen lassen würden), statt 21/1 in ABMN und 21/21 in Cac (die sich durch ihre Absurdität selbst ausschließen, da es sich bei der ersten Zahl um die Minuten des horizon handelt). In den übrigen Fällen schien uns die von Orlandi vorgeschlagene Lösung die insgesamt ausgewogenste zu sein, und dementsprechend haben wir sie übernommen. Es handelt sich, der Reihenfolge nach, um 9 statt 6 in Z. 5 der Tabelle VII, eine Korrektur, die sich angesichts des Verlaufs der Mauer in Latium in den Tabellen I und II gleichsam von selbst ergibt; um 37/2 statt 27/2 sowie 39 statt 47 in den Zeilen 2 bzw. 5 der Tabelle IX, zwei Korrekturen, die das Bemühen um Stimmigkeit im Zeichnungsfortschritt ebenso diktiert wie der Verlauf der Leoninischen Mauer in den Tabellen V bis VI; und schließlich um 3 statt 13 in Z. 10 der Tabelle XVI sowie um 36 (im Übrigen die Lesart von Cpc ) statt 35 und um 9 statt 6 in den Zeilen 26 bzw. 33 derselben Tabelle. Angesichts der Vereinfachungen und Inkohärenzen in O sind wir bei der Orthographie M gefolgt (wobei wir trotzdem zwischen kleinem u und kleinem v unterscheiden), also dem neben O ältesten Textzeugen der Gruppe. Mit Ausnahme der in § II genannten Distanzen haben wir uns dazu entschlossen, die Kardinalzahlen stets in arabischen Ziffern anzugeben, um nicht durch die Verwendung von römischen Ziffern im Text (die in allen Handschriften mit Ausnahme von M die Regel sind) 33
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Eine Ausnahme jedoch wurde in der letzten Zeile gemacht, wo die von A1 B1 MO für die Kirche Santa Maria in Ara coeli gebotenen Koordinaten 0/0/0/1, bei denen es sich vielleicht um das Ergebnis einer Konjektur in M und in O handelt, akzeptiert werden müssen, wie sie sind, da hier der Abstand wichtiger ist als die Richtung. Vgl. G. Orlandi, „Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae. . . “, cit., S. 135 Anm. 39.
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5 Philologische Anmerkungen
Abbildung 5.3: Luigi Vagnetti, Karte von Rom ca. 1450, rekonstruiert (in schwarz) nach dem von Giovanni Orlandi (1968) konstituierten Text der Descriptio urbis Romae, im Vergleich mit dem ‚realen‘ Verlauf (in grau) der Mauern und des Flusses sowie mit den Standorten der von Alberti erwähnten Bauwerke, wie sie aus dem Plan des italienischen Istituto Geografico Militare (Maßstab 1:20 000) hervorgehen (Ausgabe von 1950). Aus Luigi Vagnetti, Lo studio die Roma negli scritti albertiani, in Convegno internazionale indetto nel V centenario di Leon Battista Alberti (Roma–Mantova–Firenze, 25–29 aprile 1972), Rom, Accademia Nazionale dei Lincei, 1974, S. 73–110: fig. 6bis
auf die Koordinaten der Tabellen (wo in allen Handschriften arabische Ziffern die Regel sind) oder auf die Abbildungen zu verweisen. Bei der Einteilung des Textes in Paragraphen sind wir leicht von Orlandis Edition abgewichen, um die unserer Ansicht nach einfachste zu wählen;35 die Paragraphen 35
Die Einteilung des Textes in Paragraphen, wie sie die Textzeugen vornehmen, scheint wenig Bedeutung zu haben. Stets wird der Text von den beiden Abbildungen unterbrochen, das erste Mal nach posui und ein zweites Mal nach censui. Varianten indes gibt es bei der Formulierung Picturam sic facies: In C bricht der Kopist nach pictura apparebit die Zeile um, und Picturam sic facies erscheint mit dem Gedankengang verknüpft, der mit Principio beginnt; in B steht apparebit am Ende von Zeile 18 (wo allerdings noch ungefähr 1 cm Platz ist) und Zeile 19
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haben wir entsprechend nummeriert. Ebenso haben wir uns bei den Tabellen nicht an die oftmals unsinnige Zählung in den Handschriften gehalten, sondern das sehr einfache Kriterium der arithmetischen Abfolge angewandt. Die letzte Tabelle, die in der Regel auf mehrere Nummern verteilt ist (17, 18 und 19 in A und B; ixa und xa in C; 17 und 18 in M; 20, 21 und 22 in N), hat hier einfach die Nr. XVI bekommen.36 Im Übrigen wurde der Abschnitt Hic fluvius [. . . ] redeant, der nur in B (als 11) und in N (als 14) nummeriert ist, von der Zählung ausgenommen. Die Abbildungen wurden nach den Anweisungen des Textes und unter unserer Aufsicht von Édith Boriaud neu angefertigt.37 Die Ausrichtung von Abbildung I mit Osten links und Norden unten spiegelt die gängige Praxis dieser Epoche wider und stützt sich auf das übereinstimmende Zeugnis von O und ABMN; die Ausrichtung von Abbildung II (der radius verläuft von rechts nach links) findet sich zudem auch in C. Albertis Ergebnisse wurden verschiedentlich dargestellt, so durch die von Vasilij P. Zubov im Jahr 1937 nach dem von G. Mancini konstituierten Text der Descriptio angefertigte Karte von Rom (Abb. 5.2) und durch die von Luigi Vagnetti auf Basis von G. Orlandis Edition zuerst im Jahr 1968, dann im Jahr 1974 erneut publizierte Karte (Abb. 5.3).38 Letztere vergleicht die Koordinaten der von Alberti beschriebenen Gebäude mit denen, die aus einem Plan des italienischen Istituto Geografico Militare im Maßstab 1:20 000 hervorgehen sowie mit dem ‚realen‘ Verlauf der Mauern und des Flusses und vermittelt eine gute Vorstellung des Stadtplans, der dem hier konstituierten Text zugrunde liegt.
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beginnt mit Picturam sic facies: principio; in A gibt es keinen Zeilenumbruch nach apparebit (hier steht direkt dahinter: Picturam sic facies. Principio); in O erfolgt der Zeilenumbruch nicht nach apparebit, sondern nach Picturam sic facies, und Principio ist das erste Wort des folgenden Paragraphen; in N gibt es gar keinen Zeilenumbruch (hier steht: apparebit: Picturam sic facies: Principio); in M steht facies am Ende von Zeile 20 und Principio am Anfang von Zeile 21, aber nichts deutet darauf hin, dass der Kopist die Intention gehabt hätte, hier einen neuen Paragraphen zu beginnen (vor allem da der Text von M kompakt ist und nur von den beiden Abbildungen unterbrochen wird). Dennoch sei darauf hingewiesen, dass dies nur aus ‚pragmatischer‘ Perspektive gerechtfertigt ist, um die Identifizierung einer Lesart oder die Zitierung des Textes zu erleichtern; bereits Orlandi hat darauf hingewiesen („Nota sul testo della Descriptio Urbis Romae di L. B. Alberti“, cit., S. 135 f. und Anm. 41), dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass Alberti selbst die einzelnen Paragraphen des Textes oder die Tabellen nummeriert hat. A. d. Ü.: Für die vorliegende Ausgabe wurden die Zeichnungen digital reproduziert. Wir danken Dimitri Bayuk dafür, dass er uns freundlicherweise eine Reproduktion des Plans von V. P. Zubov zur Verfügung gestellt hat.
HINWEIS Das folgende Kapitel 6 bietet die Edition der Descriptio urbis Romae von Jean-Yves Boriaud und Francesco Furlan. Diese wurde bisher an folgenden Stellen publiziert: Leonis Baptistæ Alberti Descriptio urbis Romæ, Édition critique et introduction par Jean-Yves Boriaud et Francesco Furlan, Trad. fr. par J.-Y. Boriaud, Trad. it. di C. Colombo, Engl. tr. by P. Hicks, Postface by Mario Carpo, Testi raccolti da Francesco Furlan, in Albertiana, VI, 2003, 125–215, 3 Tafeln. Leonis Baptistæ Alberti Descriptio vrbis Romæ, Ouvrage coordonné par Francesco Furlan, Introduzione di Mario Carpo & Francesco Furlan, Édition critique par JeanYves Boriaud et Francesco Furlan, Trad. fr. par J.-Y. Boriaud, Trad. it. di C. Colombo, Engl. tr. by P. Hicks, Russkij Perevod D. Baûka, Paris, S.I.L.B.A. & Firenze, Olschki, mmv. Leon Battista Alberti’s Delineation of the city of Rome (Descriptio vrbis Romæ), Edited by Mario Carpo & Francesco Furlan, Critical edition by Jean-Yves Boriaud et Francesco Furlan, English translation by Peter Hicks, Tempe (Ar.), A.C.M.R.S.M.R.T.S., 2007. [Anm. d. Übs.: Siehe bes. den Hinweis zur späteren Datierung der Handschrift C auf S. 42.] Leonis Baptistæ Alberti Descriptio vrbis Romæ / Representação da citade de Roma, in Na gênese das racionalidades modernas: Em torno de Leon Battista Alberti, Org.: Carlos A. L. Brandão – Pierre Caye – Francesco Furlan – Mauricio A. Loureiro, Belo Horizonte, Editora U.F.M.G., 2013, 23–49 und 82–122. Hvmanistica, XIII (n. s. VII), 2018·1 (sed 2019): Leonis Baptistæ Alberti Descriptio vrbis Romæ (Plano de la ciudad de Roma), Número especial editado por Francesco Furlan & Mariano Pérez Carrasco, Traducción al castellano de Patricia E. Patti.
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Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
Ediderunt Jean-Yves Boriaud et Francesco Furlan.
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I. Murorum urbis Romae et fluminis et viarum ductus et lineamenta, atque etiam templorum publicorumque operum et portarum et trophaeorum situs collocationemque, ac montium finitiones, atque etiam aream quae tecto ad habitandum operta sit, uti esse per nostra haec tempora cognovimus, ex mathematicis instrumentis quam diligentissime annotavi, eaque excogitavi quo pacto quivis vel mediocri ingenio praeditus bellissime et commodissime pingere, quantacumque voluerit in superficie, possit. Hoc ut facerem induxere amici litterati, quorum studiis favendum censui. II. Ex tota re quae collegerim haec sunt: murorum veterum nulla uspiam vestigia apparere; viarum etiam perpaucas haberi integras; tum a centro urbis, hoc est a Capitolio, portam distare nullam plus cubitos vicxl et murorum ambitum adstructorum stadia non excedere lxxv. Haec ita esse ex partium dimensione atque ex ipsa pictura apparebit. III. Picturam sic facies. Principio quantam fore operis aream velis constituito atque ad eius amplitudinem horizontem perscribito. Horizontem appello circulum quo urbis pictura, quam pingere instituisti, circumcludatur. Huius horizontis am-
Tit. Leonis Bap.tae Alberti Descriptio vrbis Romae A, Leonis Bap. Alberti Descriptio urbis Romae B, le. bapt. alberti C, leonis baptistae alberti descriptio vrbis romae M, Leonis Bap. alberti N, om. O 3 ac montium finitiones ABM: atque etiam montium finitiones O, om. CN 3 fuit pro sit habet B 4 quam om. O 5 annotavi ABMNO: adn- C 5 ingenio praeditus BCMN nec non A2 , qui praeditus s.l. add.: ingenio A, praeditus ingenio O 7 induxere CO: induxerunt ABMN 8 collegerim BCMNO nec non A2 : -em A 10 Capitolium Vrbis centrum habet l. 11 mg. C 10 vicxl O: vi cxl ABM, sex et centum quadraginta C, vi cxl N 11 lxxv ABMO: septuaginta quinque C, lxxx N; aliter 80 habet mg. M 13 quantam ABCMN; -um O 13 constituito BCM nec non Npc , qui i s.l. habet: constituto ANac O 14 oriz- pro horiz- habent passim B, ubique CO 14 appello ABCMO nec non Npc , qui p s.l. habet: apello Nac 15 circumcludatur AMNO: circumducatur B, circumdatur C
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Leon Battista Albertis Beschreibung der Stadt Rom
Übersetzt von Gabriel Siemoneit.
I. Den Verlauf und die geometrische Linienführung der Mauern, des Flusses und der Straßen der Stadt Rom, ferner die Lage und Standorte der öffentlichen Tempel und Bauwerke, der Tore und Denkmäler, ebenso die Umrisse der Hügel und nicht zu vergessen den mit Wohngebäuden bedeckten Bereich, habe ich so, wie wir sie in unserer Zeit kennen, mit mathematischen Mitteln so sorgfältig wie möglich aufgezeichnet. Ebenso habe ich eine Methode erfunden, mit der jedermann, sogar jemand mit mittelmäßigem Intellekt, sehr schön und bequem auf einer beliebig großen Fläche zeichnen kann. Meine gelehrten Freunde hielten mich an, dies zu tun, und ich glaubte ihre Studien unterstützen zu müssen. II. Aus alledem habe ich folgende Schlussfolgerungen gezogen: Von den alten Mauern sind nirgendwo mehr Spuren sichtbar; auch von den Straßen sind sehr wenige erhalten; vom Zentrum der Stadt, also vom Kapitol, ist ferner kein Tor mehr als 6 140 Ellen entfernt, und der Umfang der errichteten Mauern überschreitet keine 75 Stadien. Dass dies so ist, wird anhand der Ausdehnung der Teile und der Zeichnung selbst ersichtlich werden. III. Folgendermaßen sollst du die Zeichnung anfertigen. Lege zuerst fest, wie groß die Fläche des Werkes sein soll und zeichne den Horizont gemäß dieser Abmessung ein. ‚Horizont‘ nenne ich den Kreis, der die Zeichnung der Stadt einschließt,
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bitum in partes dividis coaequales ut numero sint octo et quadraginta, quas partes gradus appellabimus. Et gradibus istiusmodi a primo incipiens, quibusque deinceps numerum ascribito hunc in modum, ordine 1, 2, 3, 4, 5, etc. usque in 48, ita ut sit horizontis istius gradus primus incipiens a septentrione, meridionalis vero numerum habeat 24, in orientali numerus adsit 12, occidentali vero aequinoctio 36. Rursus gradum quemque istorum subdivido in partes quatuor, quae minuta nuncupantur. Brevitatis gratia atque etiam commoditatis, istorum quae dixi exemplar hic posui. IV. Conscripto horizonte radium efficio. Est enim radius recta regula, sive lignea sive ex aere, tenuis, cuius alterum lateris caput in centro, alterum eiusdem lateris caput per horizontis ambitum et numeros circumducatur. Istius igitur radii longitudo erit quanta horizontis ipsius semidiameter. Hunc radium divido in partes quinquaginta coaequales, quas etiam gradus appello; et gradum quemque itidem quatuor subdivido in minuta. Et a gradu qui ad horizontis centrum haereat incipiens, suis suum singulis ascribo numerum: 1, 2, 3, 4, etc. Erit igitur ultimo in gradu istorum qui horizontem attingat numerus ascriptus 50. Istorum quisque gradus in pictura pedes dabit proportionalis. Radii quoque istius exemplar hic ponendum censui. V. His peractis, observo ex tabulis quas hic subscripsimus quinam sint earum tituli; observo etiam numeros. Nam, uti vides, titulis distinctae sunt. Primae quidem tabulae titulus talis est: ‚Murorum anguli in Latio‘. Angulum appello eam perscriptionem quae fiat lineis seu rectis, seu altera recta altera flexa, sese mutuo secantibus. Secundae tabulae titulus talis est: ‚Murorum aux in Latio‘. Augem appello summam curvitatem et recessum a directione quam flexa effecerit linea. Tertiae vero tabulae titulus: ‚Murorum anguli trans Tyberim‘. Et demum istiusmodi qui sequuntur tabularum tituli adnotandi sunt. Atque una advertendum: nam ad singulas tabulas videbis subscriptas numerorum columnas geminas suis notatas
16 dividis ABMNO: -es C 16 coequales pro coaequales habent AO 17 Et gradibus BCMNO: Ex grad- A 17 primo CO: principio ABMN 17 quibusque ACMNO: quibuscunque B 18 ascribito BMN: adscr- AC, om. O 18 V pro 5 habet O 18 post 5 om. etc. ABM 18 octo et quadraginta pro 48 habet O 19 numerum ABCNO: -us M 20 habeat BCMNO: -ant A 20 xxiiii pro 24 habet O 20 xii pro 12 habet O 20 aequinotio pro aequinoctio habet C 20 xxxvi pro 36 habet O 21 quemque ABMO: quencumque C, quenque N 21 subdivido ACMNO nec non Bpc , qui sub s.l. habet: divido Bac 21 pro quatuor habent quattuor C, iiii O 22 dixi om. O 24 in centro, alterum eiusdem lateris caput om. C 26 semidiameter ACMNO: semidiametris B 27 apello pro appello habet N 27 et gradum ACMNO: ex grad- B 27 itidem om. O 28 quattuor pro quatuor habet C 28 ad BCMNO: a A 28 haereat MN: hereat ABO, heraeat C 29 suis ABMNO: sui C 29 post 4 om. etc. ABMN 30 attingat ABCNO: astringat M 30 adscr- pro ascr- habet C 30 l pro 50 habet O 31 habebit ante dabit scrip. et postea eras. M 33 observo – observo ABac CMO: obstruo – obstruo Bpc N 35 Angulus habet ll. 3–4 mg. O 36 recta altera ABMNO: recta et altera C 37 talis om. C 37 Aux habet ll. 5–6 mg. O 38 apello pro appello habet N 38 effecerit ABMNO: af- C 39 Tertiae BCMNO: -tio A 39 Tiber- pro Tyber- habent BM 40 qui post sequuntur tabularum tituli transp. C 40 secuntur pro sequuntur (at sequntur Bac MO) habet C 40 adnotandi BCMNO nec non A2 , qui ndi s.l. scrip.: adnotati A 41 subscriptas ABCMN: sub ascriptas O
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die du dir vorgenommen hast zu zeichnen. Den Umfang dieses Horizonts unterteilst du in gleich große Abschnitte, 48 an der Zahl, die wir ‚Grad‘ nennen wollen. Füge diesen Graden, beginnend beim ersten, auf diese Weise Zahlen hinzu: Der Reihenfolge nach 1, 2, 3, 4, 5 usw. bis 48, sodass das erste Grad des Horizonts im Norden beginnt, das südliche die Zahl 24 trägt, am östlichen Äquinoktium die Zahl 12 steht und am westlichen 36. Jedes dieser Grade wiederum unterteile ich in vier Teile, die ‚Minuten‘ genannt werden. Um der Kürze willen und zur Erleichterung habe ich ein Muster dessen, was ich erklärt habe, hier platziert [Abb. I]. IV. Ist der Horizont eingezeichnet, erstelle ich den Radius. Der ‚Radius‘ ist ein dünnes, gerades Lineal entweder aus Holz oder aus Kupfer, wobei sich das eine Ende im Zentrum befindet und das andere Ende am Rand des Horizonts und den Zahlen entlangzudrehen ist. Die Länge des Radius soll also so groß sein wie der halbe Durchmesser des Horizonts. Den Radius unterteile ich in fünfzig gleich große Abschnitte, die ich auch ‚Grad‘ nenne, und unterteile jedes Grad ebenfalls in vier Minuten. Und angefangen bei dem Grad, das sich im Zentrum des Horizonts befindet, füge ich jedem einzelnen seine Zahl dazu: 1, 2, 3, 4 usw. Beim letzten Grad, demjenigen, das den Horizont berührt, soll also die Zahl 50 stehen. Jedes dieser Grade wird in der Zeichnung dem Verhältnis entsprechend die Distanz einiger Schritte ergeben. Ich war der Ansicht, dass auch ein Muster des Radius hier zu platzieren sei [Abb. II]. V. Ist dies erledigt, schaue ich bei den Tabellen, die ich unten aufgeschrieben habe, welche Überschriften sie haben; ebenso schaue ich auf die Zahlen. Denn, wie man sieht, sind die Überschriften verschieden. Und zwar lautet die Überschrift der ersten Tabelle so: „Eckpunkte der Mauern in Latium“. Einen ‚Eckpunkt‘ nenne ich eine Markierung, die entsteht, wenn sich zwei gerade Linien oder eine gerade und eine gebogene Linie schneiden. Die Überschrift der zweiten Tabelle lautet so: „Scheitelpunkt der Mauern in Latium“. Einen ‚Scheitelpunkt‘ nenne ich den obersten Punkt der Krümmung und die Abweichung von der Geradheit, die eine gebogene Linie bewirkt. Die Überschrift der dritten Tabelle lautet: „Eckpunkte der Mauern
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titulis. Ad primam titulus: ‚Horizon‘; id inditio est tales numeros in eo quem conscripsisti operis horizonte quaerendos esse. Altera vero adiuncta et parili in columna ascribitur titulo: ‚Radius‘; id monstrat scriptos istic de columna numeros in radio quem tibi ex regula effecisti quaerendos esse. VI. Itaque, his paratis et constitutis, picturam inchoans incipio a qua velim tabularum, exempli gratia a prima cui titulus: ‚Murorum anguli in Latio‘. Illic prima in columna, ubi titulus: ‚Horizon‘, primos numeros inscriptos vides gradus 43, minuta 2; hunc mihi numerum in picto horizonte conquiro atque illic mobile radii caput colloco; quo collocato, specto ex tabula eodem parili in versu, secunda in columna numerorum, cui titulus: ‚Radius‘. Illic habeo gradus 31, minuta 1/2; hunc numerum quaesitum in radio picturae mobili adnoto. Perscriptione puncti facta in superficie pingenda, pari deinceps prosequor ratione ex tabula ad numeros secundos uti in primis feci. Sunt autem hi sub horizonte gradus 44, minuta 1, ad quos in picto nostro horizonte radii caput colloco inque radio ipso ex tabulis adnoto numerum columnae secundae huic parilem in eodem versu. Et quod in primis numeris feci, in his atque reliquis prosequor, quoad coeptae istius tabulae adnotationes peregerim. Positis punctis in superficie pingenda, ab eorum quolibet ad proximum alterum punctum lineam duco rectam, praeterquam ad punctum cuius in tabula titulus est ascriptus: ‚Aux‘; namque ad punctum quidem hunc non recta sed sinuosa accedendum est linea, et itidem sinuosa recedendum est linea, ita ut istarum ductu arcum ad eam illic positam flexionis adnotationem efficias. Illud moneo: nam quod in tabulis interdum invenies 1/3, 1/4 et eiusmodi, id feci brevitatis causa.
44 isthic pro istic habent BNO 45 radios pro radio habet Nac 45 effecisti ABMNO: af- C 46 incohans pro inchoans habent ABCO 49 43 M: xliii ABCN, xliiii O 49 II pro 2 habet ABCNO 49 hunc CM: hinc ABNO 49 mihi om. C 49 mobile om. C 50 collocato BCNO: collato A nec non M, qui uel collocato habet mg. 50 eadem pro eodem habet Oac 51 xxxi pro 31 habent CO 52 quaesitum om. O 53 pingenda ABCMN: pingendi O 54 uti ABCNO: ut M 54 xliiii pro 44 habent CO 56 ex quod pro Et quod habet Bac 57 ipsius pro istius habet Bac 58 adnotationes BCMNO nec non A2 , qui ta s.l. habet: ad nationes A 61 senuosa pro pr. sinuosa habet A 61 recedendum pro accedendum habet Nac 61 accedendum – sinuosa habet mg. M, om. A 61 recedendum ABMNO: recedum C 61 est post linea transp. A 62 eam om. C, sed dim. spatium 63 etc post 1/4 habet C 63 eiusmodi ABMNO: huiusmodi C 63 sub ult. l. Verte pro sequenti tabula add. C
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
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in Trastevere“. Nun sind auch die folgenden Tabellenüberschriften zur Kenntnis zu nehmen. Und dabei muss etwas beachtet werden: Tatsächlich wirst du darunter bei jeder Tabelle Doppelspalten von Zahlen mit eigenen Überschriften sehen. Bei der ersten steht die Überschrift: „Horizont“. Das bedeutet, dass du diese Zahlen auf dem Horizont suchen musst, den du für die Zeichnung eingetragen hast. Die andere Spalte befindet sich daneben, ist genau gleich und trägt die Überschrift: „Radius“. Das zeigt an, dass du die Zahlen, die in dieser Spalte stehen, auf dem Radius suchen musst, den du dir mithilfe des Lineals hergestellt hast. VI. Wenn alles fertig vorbereitet ist, beginne ich mit der Zeichnung, indem ich bei einer beliebigen Tabelle anfange, zum Beispiel bei der ersten, deren Überschrift lautet: „Eckpunkte der Mauern in Latium“. Dort siehst du in der ersten Spalte, wo die Überschrift „Horizont“ steht, als erste Zahlen 43 Grad, 2 Minuten. Diese Zahl suche ich mir auf dem eingezeichneten Horizont und positioniere dort das bewegliche Ende des Radius. Ist dieses platziert, schaue ich in der Tabelle in die gleiche Zeile, aber in die zweite Zahlenspalte, deren Überschrift „Radius“ lautet. Dort habe ich: 31 Grad, 1/2 Minute. Die ermittelte Zahl suche ich auf dem beweglichen Radius der Zeichnung. Habe ich den Punkt auf der Zeichenfläche markiert, fahre ich in der Tabelle nach dem gleichen Prinzip bei den nächsten Zahlen fort, wie ich es bei den ersten gemacht habe. Hier nun steht in der Horizontspalte 44 Grad, 1 Minute. Dorthin platziere ich das Ende des Radius in unserem gezeichneten Horizont, und auf dem Radius selbst suche ich aus der Tabelle die Zahl in der zweiten Spalte der gleichen Zeile. Und was ich bei den ersten Zahlen gemacht habe, setze ich bei diesen und den übrigen fort, bis ich die Angaben der Tabelle durchgegangen bin, mit der ich begonnen habe. Sind die Punkte auf der Zeichenfläche aufgetragen, ziehe ich von irgendeinem davon eine gerade Linie zum nächstgelegenen Punkt, außer zu einem Punkt, dessen Tabellenüberschrift „Aux“ lautet; denn zu diesem Punkt musst du keine gerade, sondern eine gebogene Linie zeichnen, und auch eine gebogene Linie von dort weg, sodass du durch deren Verlauf einen Bogen gemäß der dort platzierten Biegungsangabe erzeugst. Eine Anmerkung noch: Dass du in den Tabellen manchmal 1/3, 1/4 und dergleichen finden wirst, habe ich der Kürze wegen gemacht.
164
21
23
24
25
26
27
20
28
19
29
18
30
HORIZON
17
31
16
32
15
33
14
34
13
ORIENS
35
12
36
11
37
10
OCCIDENS
38 39 40
8 7
41 6
42 5
43 4
44 3
2
1
48
47
46
45
SEPTENTRIO
Abbildung Ia
RADIVS
9
CAPVT QVOD ATTINGIT CENTRUM CAPVT QVOD ATTINGIT NVMEROS HORIZONTIS
MERIDIES 22
49 48 47 46 45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
6 Text und Übersetzung
Abbildung IIa
Abb. I Horizon om. C Meridies C: Auster ABMN, om. O Occidens om. C centrum add. NO
Septentrio om. O, fort. quia recisum
Abb. II caput quod attingit numeros horizontis ABMN: caput – orizontis C, caput radii quod – orizontis O caput quod attingit centrum M: quod attingit centrum AB, caput quod ad centrum CNO
21
Osten
3 22
17
2
23
1
24
20
48
25
47
S¨uden
Abbildung Ib 46
27
19 28
18 29
Horizont 30
16 31
15 32
14 33
13 34 35
12 36
11 37
10 9 8 7 41 40
6 5 43 42
4 45 44
Westen
39 38
Das Ende, das die Zahlen des Horizonts ber¨uhrt
9
8
7
6
5
4
3
2
1
Das Ende, das den Mittelpunkt ber¨uhrt
49 48 47 46 45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10
Norden
26
Radius
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
165
Abbildung IIb
166
6 Text und Übersetzung
Tab. I ANGVLI MVRORUM IN LATIO HORIZON
3
6
9
12
15
18
21
24
27
30
33
43 44 47 47 48 1 2 2 2 4 5 5 6 6 7 9 10 10 11 11 12 12 13 13 13 14 14 15 16 17 18 19 20
RADIVS
2 1 0 1/2 2 2 1/2 2 21/2 3 1 2 31/2 3 3 0 1 2 0 1 1/3 3 0 11/2 2 0 2 2 21/2 1 2 1 1
31 32 30 21 25 25 28 28 28 32 32 37 35 32 31 32 33 35 36 36 39 42 40 38 36 33 31 28 27 36 36 34 30
1/2
3 3 2 1/2 3 0 11/2 3 2 0 1 3 0 1/2 0 3 0 2 0 3 3 2 2 2 1 0 0 0 0 3 0 0
Tab. I angvli post mvrorvm transp. C nec non in tit. iterat. super alt. tab. col. O Orizon super utrasque gradd. coll. et Radius super utrasque minutt. coll. habet C Θ Θ Θ Θ in novam post tertiam lineam habet O 7 2 Cpc O: 22 ABCac MN 9 21/2 CN: 1/2 ABMO 13 31/2 ABMO: 31/3 CN 21 33 pro 39 habet Bac 24 38 ABCMNO: 48 B 31 36 ABM: 26 CNO
167
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
Tab. 1 Die Eckpunkte der Mauern in Latium Horizont
3
6
9
12
15
18
21
24
27
30
33
43 44 47 47 48 1 2 2 2 4 5 5 6 6 7 9 10 10 11 11 12 12 13 13 13 14 14 15 16 17 18 19 20
Radius
2 1 0 1/2 2 2 1/2 2 21/2 3 1 2 31/2 3 3 0 1 2 0 1 1/3 3 0 11/2 2 0 2 2 21/2 1 2 1 1
31 32 30 21 25 25 28 28 28 32 32 37 35 32 31 32 33 35 36 36 39 42 40 38 36 33 31 28 27 36 36 34 30
½ 3 3 2 1/2 3 0 11/2 3 2 0 1 3 0 1/2 0 3 0 2 0 3 3 2 2 2 1 0 0 0 0 3 0 0
168
6 Text und Übersetzung
36
20 23 26
3 2 0
26 29 37
3 0 2
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. II AVX MVRORVM IN LATIO HORIZON
3
6
9
12
RADIVS
46 48 3 8 9 10 13 13 14 15 16 17 19 21
3 0 3 1 3 2 11/2 3 11/2 3 3 3 2 1
25 24 31 32 33 34 39 35 32 28 32 37 33 29
2 0 1 0 2 3 3 1 1 0 0 1 0 1
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. III ANGVLI MVRORVM TRANS TYBERIM HORIZON
3
6
RADIVS
27 27 28 31 32 33 35
12/3 3 2 0 0 0 1/2
26 26 26 27 31 30 18
2 3 0 0 1 1 3
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
36 0 ABCMN: 1 O
sequitur aux murorum in Latio infra habet mg A.
Tab. II 7 13 ABCMO: 12 N 10 38 pro 28 habet Bac ABCMN: 22 O 29 1 ABMO: 29 0 CN Tab. III
1 12/3 ABMNO: 11/3 C
13 19 CNOpc : 18 ABMOac
14 21
5 1 BCNO: 11 AM 7 1/2 BCMNO: 11/2 A 18 ACMNO: 38 B
169
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
36
20 23 26
3 2 0
26 29 37
3 0 2
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Tab. 2 Die Scheitelpunkte der Mauern in Latium Horizont
3
6
9
12
Radius
46 48 3 8 9 10 13 13 14 15 16 17 19 21
3 0 3 1 3 2 11/2 3 11/2 3 3 3 2 1
25 24 31 32 33 34 39 35 32 28 32 37 33 29
2 0 1 0 2 3 3 1 1 0 0 1 0 1
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Tab. 3 Die Scheitelpunkte der Mauern in Trastevere Horizont
3
6
Radius
27 27 28 31 32 33 35
12/3 3 2 0 0 0 1/2
26 26 26 27 31 30 18
2 3 0 0 1 1 3
Grad
Minuten
Grad
Minuten
170
6 Text und Übersetzung
Tab. IV AVGES MVRORVM TRANS TYBERIM HORIZON
3
RADIVS
30 32 33
0 2 2
24 31 23
3 1 0
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. V ANGULI MVRORVM AD LEONINAM HORIZON
3
6
9
12
RADIVS
37 37 37 37 37 38 38 39 38 38 38 39 39
3 21/2 12/3 1 1/2 2/3 2 0 3 21/2 3 1 32/3
28 31 34 36 43 46 46 43 41 40 37 31 26
1 1 2 2 3 0 0 3 0 0 0 1 1
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. VI AVGES MVRORVM AD LEONINAM HORIZON
3
RADIVS
37 38 39 39
11/2 3 0 2
32 45 36 30
2 2 1 0
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. IV 3 23 BCMNO: 26 A, 25 A2 Tab. V 1 mvrorvm s.l. habet O 37 O: 36 ABCMN 25 pro 28 habet Oac 1 ABCMNac O: 2 Npc 2 21/2 BCMNO nec non A2 : 37 A 1 ABCM nec non Nac Opc : 2 Npc Oac 3 37 ABMO: 32 CN 3 pro 2 habet Nac 4 1 ABCMO: 11/2 N 3 pro 2 habet Nac 5 1/2 BCMNO: 11/2 A 43 ABCMO: 48 N 9 pro 3 habet Nac 6 38 ABMO: 28 CN 2/3 BCMNO nec non A2 : num. qui legi non poss. habet A 8 8 pro 3 habet Nac 10 38 ABMO: 28 CN 21/2 BCMO nec non A2 Npc : 1/2 dub. A, 31/2 Nac 12 31 pro 1 habet Nac 12 31 ACMNO: 36 B 13 32/3 ABCNO: 31/2 M 1 om. N
171
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
Tab. 4 Die Scheitelpunkte der Mauern in Trastevere Horizont
3
Radius
30 32 33
0 2 2
24 31 23
3 1 0
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Tab. 5 Die Scheitelpunkte der Leoninischen Mauer Horizont
3
6
9
12
Radius
37 37 37 37 37 38 38 39 38 38 38 39 39
3 21/2 12/3 1 1/2 2/3 2 0 3 21/2 3 1 32/3
28 31 34 36 43 46 46 43 41 40 37 31 26
1 1 2 2 3 0 0 3 0 0 0 1 1
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Tab. 6 Die Scheitelpunkte der Leoninischen Mauer Horizont
3
Radius
37 38 39 39
11/2 3 0 2
32 45 36 30
2 2 1 0
Grad
Minuten
Grad
Minuten
172
6 Text und Übersetzung
Tab. VII PORTAE IN LATIO NOMINA PORTARVM
3
6
9
Populi Pincia Salaria La Donna Laurentii Maior Laterani Latina Appia Pauli
HORIZON
RADIVS
45 0 3 4 9 11 14 17 18 23
12/3 2 2 12/3 1/3 0 21/3 2/3 12/3 31/4
32 25 30 32 32 36 30 36 37 29
0 1 2 0 1 2 0 0 0 0
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. VIII PORTAE IN MVRIS TRANS TYBERIM NOMINA PORTARVM
3
Portuensis Pancratii Sub Iano
HORIZON
RADIVS
27 32 34
3 3 0
26 29 20
2 2 2
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. VII Portae in latio / nomina portarvm nos: Nomina portarum in Latio ACM, Portarum in Latio A1 B1 , Nomina portarum B, Nomina portarum (ad nomin. ser.) nec non Portarum in Latio (ad num. ser., infra) N, portarvm in latio / nomina portarvm O 1 Populi om. A1 B1 2 Pincia C: Pincenna AM, Pincena BN, Picena O, om. A1 B1 3 Salaria ABCMO: Saloria N, om. A1 B1 4 La Donna CO: Laodoana AM, Laodana B, Ladoana N, om. A1 B1 5 Laurentii om. A1 B1 9 con. Orlandi: 6 codd. 6 Maior om. A1 B1 7 Laterani om. A1 B1 21/3 AA1 BCMNO: 22/3 B1 8 Latina om. A1 B1 9 Appia ABCMN: Apia O, om. A1 B1 12/3 ABCMO: 11/3 A1 B1 N 10 Pauli om. A1 B1 Tab. VIII Portae in mvris transtiberim / nomina portarvm O: Nomina portarum transtyberim seu transtiberim ABM, Portae in muris trans Tyberim A1 , Portae in murum transtiberim B1 , Portae in muris Trans Tyberim C, Nomina Portarum (ad nomin. ser.) nec non Portae in muris transtyberim (ad num. ser., infra) N 1 Portuensis om. A1 B1 2 Pancratii ABCMN: Brancatij O, om. A1 B1 29 A1 BB1 CMNO nec non A2 : 26 A 3 Sub Iano CM: Subiano seu Subjano ANO, Sublano B, om. A1 B1 0 ABCMO: 9 A1 B1 N
173
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
Tab. 7 Die Tore in Latium Die Namen der Tore
3
6
9
Horizont
Porta del Popolo Porta Pinciana Porta Salaria Porta La Donna1 Porta San Lorenzo Porta Maggiore Porta del Laterano2 Porta Latina Porta Appia Porta San Paolo3
Radius
45 0 3 4 9 11 14 17 18 23
12/3 2 2 12/3 1/3 0 21/3 2/3 12/3 31/4
32 25 30 32 32 36 30 36 37 29
0 1 2 0 1 2 0 0 0 0
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Tab. 8 Die Tore in Trastevere Die Namen der Tore
3
1 2 3 4 5
Porta Portuensis Porta San Pancrazio4 Porta Gianicolense5
Horizont
Radius
27 32 34
3 3 0
26 29 20
2 2 2
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Die Porta Nomentana. Die Porta Asinaria. Die antike Porta Ostiensis. In der Antike auch Porta Aurelia genannt. Heute Porta Settimiana.
174
6 Text und Übersetzung
Tab. IX PORTAE IN MVRIS LEONINAE NOMINA PORTARVM
HORIZON
Sub Iano Sancti Spiritus Postica ad convallem In colle Sub Palatio Ad Castellum
3
RADIVS
37 37 37 38 39
3 1/3 2 31/3 31/2
29 37 44 38 27
2 2 2 3 2
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. X TYBERIS FLVVII LINEA MEDIANA Fluminis latitudo: cubiti 171 HORIZON
3
6
9
12
43 43 43 43 42 42 41 41 40 39 39 38 37
RADIVS
0 11/2 12/3 1 3 1 2 1 2 3 0 2 3
40 31 26 22 21 20 20 21 22 25 27 27 27
0 0 0 3 1 2 2 1 2 3 1 3 3
Tab. IX Portae in mvris leoninae / nomina portarvm O: Nomina portarum in muris Leoninae AB, Portae in muris Leoninae seu leonine A1 B1 , Portae in muris Leoninis C, Nomina portarum leoninae M, Nomina Portarum (ad nomin. ser.) nec non Porte in muris Leoninae (ad num. ser., infra) N 1 Sub Iano Sancti spiritus CM: Subians – A, Subeano – B, Subiano seu Subjano – NO, om. A1 B1 2 Postica ad convallem BCac MNO: – conualem A, Torriona s.l. Cpc (qui eras. Postica ad convallem), om. A1 B1 37 2 con. Orlandi: 27 2 A1 BB1 CMNO nec non A2 , 25 2 A 3 In colle BCMNO: Incole A, om. A1 B1 4 Sub Palatio BCNO: sub pallatio AM, om. A1 B1 38 31/3 ACMO: 48 31/3 A1 B1 N, 38 32/3 B 5 Ad Castellum om. A1 B1 39 31/2 con. Orlandi: 47 31/2 ABB1 MNO nec non Cac , 47 31/3 A1 , 40 0 Cpc Tab. X Fluminis latitudo: cubiti 171 mg. N nec non O, qui clxxi pro 171 habet: Fluminis latitudo cubiti 171 post l. 5 AB, Fluminis latitudo cubitorum cLxxxj mg. C, Fluminis latitudo cubiti 171 uel 181 181 post l. 5 M 6 1 ACMNO: 1/2 B 2 BCMNO: 24 A 7 2 ACMNO: 21 B 8 1 21 Cpc : 21 1 AMNO, 2 1 B, 2 1 B, 21 21 Cac 9 40 2 ACMNO nec non Bac : 40 3 Bpc 10 39 3 CMNO nec non A2 : 30 3 A, 39 0 B 11 0 ACMNO: 2 B 12 2 ACMNO: 3 B 13 3 ACMNO: 1 B
175
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
Tab. 9 Die Tore der Leoninischen Mauer Die Namen der Tore
Horizont
Porta Santo Spirito al Gianicolo Das hintere Tor zum Tal6 Tor auf dem Hügel7 Tor unterhalb des Palastes8 Tor an der Burg9
3
Radius
37
3
29
2
37 37 38
1/3
2 31/3
37 44 38
2 2 3
39
31/2
27
2
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Tab. 10 Die Mittellinie des Tiber Breite des Flusses: 171 Ellen Horizont
3
6
9
12
6 7 8 9
43 43 43 43 42 42 41 41 40 39 39 38 37
Radius
0 11/2 12/3 1 3 1 2 1 2 3 0 2 3
40 31 26 22 21 20 20 21 22 25 27 27 27
0 0 0 3 1 2 2 1 2 3 1 3 3
Vielleicht die Porta Torriona (vgl. Carpo / Furlan u. a. 2007, 104; Furno/Carpo 2000, 55). Eventuell die Porta Pertusa (vgl. Carpo / Furlan u. a. 2007, 104; Furno/Carpo 2000, 55). Möglicherweise die Porta Viridaria/Palatina (Carpo / Furlan u. a. 2007, 104; Furno/Carpo 2000, 56). Wohl die Porta Sant’Angelo.
176
6 Text und Übersetzung
15
18
37 36 36 35 35 34
1 2 0 2 0 3
26 25 23 19 17 15
3 1 1 3 0 0
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
∗ Hic fluvius dividitur in duas 〈partes〉 et diffunditur; ergo describemus prius insulam quae intercipitur, postea dabimus latera fluminis usque ubi in unum redeant.
Tab. XI INSVLAE CAPITA HORIZON
RADIVS
33 29
1 21/3
12 6
1 3
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. XII INSVLAE AVGES HORIZON
RADIVS
32 33
2 2
10 8
0 2
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. XIII LATERA FLVMINIS HORIZON
3
34 33 32
RADIVS
2 3 2
15 13 11
1 0 0
14 1 ACMNO: 2 B 15 2 ACMNO: 0 B 16 0 ACMNO: 2 B 17 2 ACMNO: 0 B 18 0 ACMO: 3 BN 19 3 ACMO: 1, B, 2 N * duas ABCNO: duo M partes con. Orlandi diffunditur BCO: difon- A, diffin- MN prius CO: primo ABMN Tab. XI Tyberinae post insvlae habet C 21/2 A, 22/3 dub. Cac
1 33 AA1 BB1 MNO: 31 C
2 21/3 A1 BB1 Cpc MNO:
Tab. XII insvlae post avges transp. ABMN Tab. XIII A1 B1
1 34 ABB1 CMN: 24 A1 O Gra. Mi. Gra. Mi. in novam post quartam lineam habent
177
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
15
18
37 36 36 35 35 34
1 2 0 2 0 3
26 25 23 19 17 15
3 1 1 3 0 0
Grad
Minuten
Grad
Minuten
∗ Hier teilt sich der Fluss in zwei Teile und wird breiter. Ich werde nun zuerst die Insel beschreiben, die von ihnen aufgenommen wird, und dann die Flussarme angeben bis dorthin, wo sie sich wieder vereinen. Tab. 11 Die Enden der Insel Horizont
Radius
33 29
1 21/3
12 6
1 3
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Tab. 12 Die Scheitelpunkte der Insel Horizont
Radius
32 33
2 2
10 8
0 2
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Tab. 13 Die Flussarme Horizont
3
34 33 32
Radius
2 3 2
15 13 11
1 0 0
178
6 Text und Übersetzung
6
29 28 27 34 34
3 2 2 3 31/2
7 8 7 11 14
3 0 0 2 2
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. XIV AVGES LATERIS FLVMINIS HORIZON
3
33 32 29 32 35
RADIVS
3 1 3 0
13 10 7 6 13
3 2 3 2 0
Minuta
Gradus
Minuta
1/2
Gradus
Tab. XV ITERVM MEDIANA LINEA FLVMINIS A PONTE INFRA HORIZON
3
6
9
RADIVS
27 27 27 28 28 27 27 26 26 26
1 0 2 0 1 31/3 2 2 1 1/2
9 11 14 16 20 22 25 30 25 28
0 0 0 2 0 2 0 0 0 1
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
Tab. XIV 1 33 3 AA1 BB1 CMNO: 33 2 A2 Tab. XV mediana AA1 BB1 CNO: media M ponte A1 B1 MO: porta ABCN 9 25 AA1 BB1 MNO nec non Cac : 35 Cpc 10 28 AA1 BB1 MNO nec non Cac : 38 Cpc 1 A1 B1 O: 0 ABCN nec non M, qui uel 1 habet mg.
179
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
6
29 28 27 34 34
3 2 2 3 31/2
7 8 7 11 14
3 0 0 2 2
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Tab. 14 Die Scheitelpunkte der Flussarme Horizont
3
33 32 29 32 35
Radius
3 1 3 0
13 10 7 6 13
3 2 3 2 0
Minuten
Grad
Minuten
1/2
Grad
Tab. 15 Abermals die Mittelline des Flusses, ab der Brücke stromabwärts Horizont
3
6
9
Radius
27 27 27 28 28 27 27 26 26 26
1 0 2 0 1 31/3 2 2 1 1/2
9 11 14 16 20 22 25 30 25 28
0 0 0 2 0 2 0 0 0 1
Grad
Minuten
Grad
Minuten
180
6 Text und Übersetzung
Tab. XVI TEMPLA ET PVBLICA VRBIS AEDIFICIA NOMINA LOCORVM
3
6
9
12
Maxima Petri basilica Meta Castellum Spiritus Parioni turris Horologii in campo Florae Rotunda: Pantheon Columna Antonini Mensa Neronis Columna Adriani seu Caritarium turris Fastigium Constantini Militiae Sabae Balbinae
HORIZON
RADIVS
38 39 40 38 38 37 42 45 47 47
0 1/2 0 1 3 0 0 2/3 1/2 1/3
39 28 26 29 17 16 13 14 5 3
0 3 3 2 1 2 1 2 2 2
1 4 22 20
1/2
10 5 24 22
3 0 2 2
2 1/2 0
Tab. XVI templa et pvblicis vrbis aedificia post nominum part. ser. transp. ABN Nomina locorvm post pr. nominum ser. et pr. num. ser. duplicant ABN, om. A1 B1 M qui in novam post xxiv lineam Nomina locorum sub Iano add. 1 Basilyca pro basilica habent AA1 38 0 39 0 Cpc : 39 0 88 0 A, 39 0 38 0 A1 BB1 MNO nec non A2 Cac 2 pro 39 11/2 28 3 habent 28 3 39 11/2 AA1 BB1 Cac MNO et 38 3 29 11/2 Cpc 3 pro 40 0 26 3 habent 26 3 40 0 AA1 BB1 MNO nec non dub. Cac , et 40 3 26 0 dub. Cpc 4 38 1 29 2 Cpc : 29 2 38 1 ABB1 NO nec non Cac , 23 2 38 1 A1 M 5 Parioni A1 B1 CMO: Parium ABN 38 3 17 1 Cpc : 17 1 38 3 AA1 BB1 MNO nec non Cac 6 Horologii in campo Florae AA1 MN: Horlogii – Flore BB1 , Horologium – florae C, Orilogij – florae O 37 0 16 2 Cpc : 16 2 37 0 AA1 BB1 MNO nec non Cac 7 Rotonda pro Rotunda habent AA1 Panthaeon pro Pantheon habet B pro 42 0 13 1 habent 13 1 14 0 AB nec non dub. Cac N, 13 1 42 0 A1 B1 MO et 43 1 14 0 Cpc 8 Columna Antonini A1 B1 O: Columna Antonini alias mensa neonis A, Columna Antonini alias mensa neronis BN nec non A2 qui r s.l. add., Casa Nerronis C qui Columna Antoniana l. 9 infra habet, Columna Antoniana M 14 2 45 2/3 pro 45 2/3 14 2 habent codd. 9 Mensa Neronis con. Orlandi: Claritarium seu Caritarium turris ABN (sed vide l. 8 supra), Columna Adriani A1 O (sed vide l. 10 infra), Columna Adriai B1ac , Columna Adriana B1pc nec non M qui alibi uacat loco eius mensa neronis habet mg. (sed vide et l. 10 infra), Columna Antoniana C qui Casa Nerronis l. 8 supra habet pro 47 1/2 5 2 habent 5 2 47 1/2 AA1 BB1 Cac MNO et 45 2 17 1/2 Cpc 10 Columna Adriani seu Caritarium turris nos: Mensa Neronis Caritarium turris A1 M qui Columna Adriani seu Adriana l. 9 supra habent, Mensa neronis B1 qui Columna Adriana l. 9 supra habet, Caritarium Turris C, Mensa Neronis atque Caritarium turris O qui Columna Adriani l. 9 supra habet; hanc nominum lineam om. ABN 47 1/3 3 2 con. Orlandi: 13 2 47 1/3 ABB1 CMNO, 23 2 47 1/3 A1 11 (sc. 10 nominum ABN). pro 1 1/2 10 3 habent 10 3 1 1/2 AA1 BB1 MNO et 48 3 11 1/2 C 12 (sc. 11 nominum ABN). Militiae A1 BB1 CMNO: Militiae Sabae A 5 0 4 2 pro 4 2 5 0 habent codd. 13 (sc. 12 nominum BN). hanc nominum lineam om. A, qui Sabae post Militiae l. 12 supra transp. 24 2 22 1/2 pro 22 1/2 24 2 habent codd. 14 (sc. 12 nominum A, 13 nominum BN). Balbine pro Balbinae habent AA1 B Io. ad Latinam post Balbinae add. AB 22 2 20 0 pro 20 0 22 2 habent A1 B1 CMO; hanc num. lineam om. ABN
181
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
Tab. 16 Die Tempel und öffentlichen Gebäude der Stadt Die Namen der Stätten
3
6
9
12
10
11 12
13 14
15 16 17 18
Die große Basilika Sankt Peter im Vatikan Pyramide (des Romulus)10 Engelsburg11 Santo Spirito in Sassia12 Torre di Parione13 Uhr auf dem Campo de’ Fiori14 Rotunde / Pantheon15 Antoninus-Pius-Säule Mensa Neronis16 Säule des Hadrian oder Caritarium turris17 Giebel des Konstantin18 Torre delle Milizie San Saba Santa Balbina all’Aventino
Horizont
Radius
38
0
39
0
39 40 38 38 37
1/2
28 26 29 17 16
3 3 2 1 2
13 14 5 3
1 2 2 2
10 5 24 22
3 0 2 2
42 45 47 47 1 4 22 20
0 1 3 0 0 2/3 1/2 1/3 1/2
2 1/2 0
Meta Romuli („Pyramide des Romulus“), offenbar zum ersten Mal erwähnt von Pseudo-Acron Hor. Epod. 9,25). Eine Grabpyramide im ägyptischen Stil, die im Mittelalter irrtümlich für das Grabmal des Romulus gehalten wurde. Den Namen meta bekam sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Wendemarken (metae) im Circus. Um 1500 von Papst Alexander VI. für den Bau der Via Alessandrina (heute Borgo Nuovo) teilweise zerstört, später vollständig entfernt für den Bau der Kirche Santa Maria in Traspontina (Petacco 2016; Alfano 1991, bes. 10–11). Ital.: Castel Sant’Angelo oder Mausoleo di Adriano. Zum Hospiz siehe Keyvanian 2015, 339–383. Vielleicht ist auch die Kirche Santa Maria in Sassia gemeint, die Ende 15. Jh. Santo Spirito genannt wurde (Boriaud / Furlan u. a. 2005, 113). Wohl ein Turm in Parione, dem VI. Rione Roms (vgl. Vagnetti 1974, 127). Wohl die Torre dell’Arpacata (auch dell’Orologio) im Palazzo Orsini, die um 1450 von Kardinal Francesco Condulmer erbaut wurde. Die Orisini, denen der Palazzo übergeben wurde, restaurierten den Turm und statteten ihn mit einer Uhr aus (Boriaud / Furlan u. a. 2005, 98 Anm. 2; siehe Gnoli 1984, 320; Pericoli Ridolfini 1980, 150–154; Quercioli 1985, 147). Offizieller Name der christlichen Kirche: Santa Maria ad Martyres (im Mittelalter auch: Sancta Maria Rotunda); siehe Thunø 2015. Wohl die im Jahr 1625 zerstörte Torre Mesa (Hicks 2018, 242; vgl. Biondo, Roma instaurata 1,100). Wohl Trajanssäule und vielleicht Turris cartularia (Hicks 2018; vgl. aber oben S. 153). Nicht zu identifizieren. Vorgeschlagen wurden der Konstantinsbogen (Boriaud / Furlan u. a. 2005, 99) oder die Ruinen der Konstantinsbasilika (Carpo / Furlan u. a. 2007, 107; Boriaud / Furlan u. a. 2005, 113, 127).
182
6 Text und Übersetzung
15
18
21
24
27
30
Ioannis ad Latinam Ioannis Apostoli Crucis Stephani rotundi Ioannis et Pauli Mariae maioris Capaquae Thermae Panispernae Petri in monte Iacobi sub Iano Honofrii in monte Pancratii Priscae Mariae trans Tyberim Crisogoni Vitalis
17 14 13 16 17 8 10 4 6 32 – 36 31 22 32 31 3
0 2 0 2 0 0 0 3 32/3 1 – 11/2 0 3 1/2 31/2 11/3
36 28 39 22 17 22 23 21 12 24 – 31 34 16 20 16 12
0 2 2 0 0 0 2 2 1 1 – 2 0 2 0 2 2
15 (sc. 13 nominum et 14 num. A, 14 nominum numerorumque BN). 17 0 36 0 Cpc : 36 0 13 0 A, 36 0 17 0 A1 BB1 MNO nec non A2 Cac 16 (sc. 14 nominum et 15 num. A, 15 BN). 14 2 28 2 Cpc : 28 2 16 2 A, 28 2 14 2 A1 BB1 MNO nec non A2 Cac 17 (sc. 15 nominum et 16 num. A, 16 BN). Crucis AA1 BB1 MNO: Sanctae Crucis C pro 13 0 39 2 habent 39 2 17 0 A, 39 2 13 0 A1 BB1 MNO nec non A2 Cac , et 11 2 36 0 Cpc 18 (sc. 16 nominum et 17 num. A, 17 BN). Stefani pro Stephani habet B1 Rotondi pro rotundi habet A1 16 2 22 0 Cpc : 22 0 8 2 A, 22 0 16 2 A1 BB1 MNO nec non A2 Cac 19 (sc. 17 nominum et 18 num. A, 18 BN). 0 17 A1 BB1 MNO nec non A2 Cac : 0 10 A, 0 20 dub. Cpc 20 (sc. 18 nominum et 19 num. A, 19 BN). 8 0 22 0 Cpc : 22 0 4 0 A, 22 0 8 0 A1 BB1 MNO nec non A2 et dub. Cac 21 (sc. 19 nominum et 20 num. A, 20 BN). Capaquae AA1 BB1 MNO: Capocce C 10 0 23 2 Cpc : 32 2 6 0 A, 33 2 10 0 A1 , 23 2 10 0 B1 O, 32 2 10 0 BMN nec non A2 Cac 22 (sc. 20 nominum et 21 num. A, 21 BN). Thermae BB1 MNO nec non Cpc : Therme AA1 , Thermae dioclitianj Cac 4 3 21 2 Cpc : 21 2 4 3 AA1 BB1 MNO nec non dub. Cac 23 (sc. 21 nominum et 22 num. A, 22 BN). Panispernae A1 B1 MNO: Patris pernae seu perne AB, Palispernae C pro 6 32/3 12 1 habent 12 1 6 32/3 AA1 BB1 MNO nec noc Cac , et 6 32/3 14 32/3 Cpc 24 (sc. 22 nominum et 23 num. A, 23 BN). monte A1 B1 CMO: montibus ABN 32 1 24 1 Cpc : 24 1 32 1 AA1 BB1 MNO nec non Cac Nomina locorum sub Iano in novam post xxiv lineam habent A1 B1 M (vide supra, ad praes. tab. tit.) 25 (sc. 23 nominum A, 24 nominum B, 24 nominum numerorumque N). hanc lineam om. C Iano AA1 BB1 MO: sano N hanc et numerorum lineas seqq. om. AB, omnes numeros om. hic cett. codd. (sed spatium dim. omnes) 26 (sc. 24 nominum A, 25 nominum B, 25 nominum numerorumque CN). Honophrij pro Honofrii habet N 36 11/2 31 2 Cpc : 31 2 35 11/2 A1 B1 MNO nec non Cac 27 (sc. 25 nominum A, 26 nominum B, 26 CN). Pancratii ABCMN: Brancatij A1 O, Bracatij B1 31 0 34 0 Cac : 34 0 31 0 A1 B1 MNO, 34 2 31 0 Cpc 28 (sc. 26 nominum A, 27 nominum B, 27 CN). Priscae BCMN: Prisce A, Prisca A1 B1 O pro 22 3 16 2 habent 16 2 22 3 A1 B1 MNO, 13 2 22 3 Cac , 24 3 16 2 Cpc 29 (sc. 27 nominum A, 28 nominum B, 28 CN). trans Tyberim AA1 CNO: transtiberim BB1 , transtyberinae M 32 1/2 20 0 Cpc : 20 0 32 1/2 A1 B1 MNO nec non Cac 30 (sc. 28 nominum A, 29 nominum B, 29 CN). pro Grisogoni habent Ghrisogoni C, Grysogoni M, Crisogonij O pro 31 31/2 16 2 habent 16 2 31 31/3 A1ac N, 16 2 31 31/2 B1 MO nec non A1pc Cac , et 31 31/3 16 2 Cpc 31 (sc. 29 nominum A, 30 nominum B, 30 CN). pro 3 11/3 12 2 habent 12 2 3 11/3 A1 B1 MNO nec non Cac , et 04 2 17 11/3 Cpc
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Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
15
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21
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27
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19 20
San Giovanni a Porta Latina Lateranbasilika Santa Croce in Gerusalemme Santo Stefano Rotondo Santi Giovanni e Paolo Santa Maria Maggiore Torre dei Capocci19 Thermen20 San Lorenzo in Panisperna San Pietro in Montorio San Giacomo al Gianicolo Sant’Onofrio auf dem Hügel San Pancrazio Santa Prisca Santa Maria in Trastevere San Crisogono San Vitale
Zum Toponym siehe Bianchi 1998, 43. Die Diokletiansthermen.
17 14 13
0 2 0
36 28 39
0 2 2
16 17 8 10 4 6 32 – 36
2 0 0 0 3 32/3 1 – 11/2
22 17 22 23 21 12 24 – 31
0 0 0 2 2 1 1 – 2
31 22 32 31 3
0 3 1/2 31/2 11/3
34 16 20 16 12
0 2 0 2 2
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6 Text und Übersetzung
33
Meta Pauli Petri in Vincula Capitolium Ara Coeli
24 9 0 0
0 3 0 0
29 12 0 0
2 1 0 1
Gradus
Minuta
Gradus
Minuta
32 (sc. 30 nominum A, 31 nominum B, 31 CN). pro 24 0 29 2 habent 29 2 24 0 A1 B1 MNO nec non Cac , et 25 1 30 2 Cpc 33 (sc. 31 nominum A, 32 nominum B, 32 CN). in uincula A1 B1 MNO: ad Vincula ABC 9 3 12 1 con. Orlandi: 12 1 6 3 A1 B1 MO nec non Cac , 12 1 15 0 Cpc , 12 1 6 0 N 35 (sc. 33 nominum A, 34 nominum B, 34 CN). celi pro Coeli habet O 1 A1 B1 MO: 0 CN
185
Leonis Baptistae Alberti Descriptio urbis Romae
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Pyramide des Paulus21 San Pietro in Vincoli Kapitol Santa Maria in Aracoeli
24 9 0 0
0 3 0 0
29 12 0 0
2 1 0 1
Grad
Minuten
Grad
Minuten
Die Pyramide des Caius Cestius in der Nähe der Porta San Paolo.
BILDNACHWEIS S. 14, Abb. 1.1: Eigene Darstellung. S. 38, Abb. 2.1: Eigene Darstellung (rechts nach Williams 2010, 204). S. 40, Abb. 2.2: Eigene Darstellung (nach Williams / March / Wassell 2010, 12). S. 42, Abb. 2.3: Eigene Darstellung (nach Boncompagni 1862, 202). S. 45, Abb. 2.4: Links: Quelle: Brunold, Martin: Das Astrolabium, Cartographica Helvetica 23, 2001, 19–25, hier: 20. Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Mitte: „Hartman’s Planispheric Astrolabe“, National Museum of American History, Catalog Number 336117, Quelle: https://americanhistory.si.edu/collections/search/object/nmah_214167 [Letzter Zugriff: 22.06.2023]; Lizenz: CC0. Rechts: Quelle: Fifteenth Annual Report, 1910, of the American Scenic and Historic Preservation Society, Albany/NY 1910, 272. S. 47, Abb. 2.5: Quelle: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10166480 [Letzter Zugriff: 22.06.2023]. Verwendung mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Staatsbibliothek. S. 48, Abb. 2.7: Quelle: https://data.onb.ac.at/rep/BAG_13610568 [Letzter Zugriff: 22.06.2023], ÖNB Digital/Österreichische Nationalbibliothek. S. 48, Abb. 2.7: Quelle: https://doi. org/10.11588/diglit.9738#0175 [Letzter Zugriff: 22.06.2023]. Mit Genehmigung der Biblioteca Apostolica Vaticana. Alle Rechte vorbehalten. S. 52, Abb. 2.8: Quelle: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb00086441 [Letzter Zugriff: 22.06.2023]. Verwendung mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Staatsbibliothek. S. 58, Abb. 2.9: akg-images. S. 61, Abb. 2.10: Eigene Darstellung. S. 63, Abb. 2.11: Eigene Darstellung. S. 64, Abb. 2.12: Eigene Darstellung. S. 66, Abb. 2.13: Eigene Darstellung. S. 74, Abb. 2.14: Quelle: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0002017 900000000 [Letzter Zugriff: 22.06.2023]. Lizenz: Public Domain Mark 1.0. S. 85, Abb. 3.1: Eigene Darstellung. S. 86, Abb. 3.2: Eigene Darstellung. S. 91, Abb. 3.3: Eigene Darstellung. S. 94, Abb. 3.4: Eigene Darstellung. S. 95, Abb. 3.5: Eigene Darstellung. S. 96, Abb. 3.6: Eigene Darstellung. S. 98, Abb. 3.7: Eigene Darstellung. S. 98, Abb. 3.8: Eigene Darstellung. S. 99, Abb. 3.9: Eigene Darstellung. S. 102, Abb. 3.10: Eigene Darstellung. S. 104, Abb. 3.11: Eigene Darstellung. S. 105, Abb. 3.12: Eigene Darstellung. S. 105, Abb. 3.13: Eigene Darstellung. S. 106, Abb. 3.14: Eigene Darstellung. S. 110, Abb. 3.15: Eigene Darstellung. S. 111, Abb. 3.16: Eigene Darstellung. S. 113, Abb. 3.17: Eigene Darstellung. S. 115, Abb. 3.18: Eigene Darstellung. S. 116, Abb. 3.19: Eigene Darstellung. S. 117, Abb. 3.20: Eigene Darstellung. S. 120, Abb. 4.1: Links: Heritage-Images / The Print Collector / akg-images. Rechts: akg-images / De Agostini Picture Library. S. 150, Abb. 5.1: Eigene Reproduktion des Stemmas aus Boriaud/Furlan 2005, 65. S. 152, Abb. 5.2: Rekonstruktion, zur Verfügung gestellt von Francesco Furlan. S. 154, Abb. 5.3: Mit Genehmigung der Biblioteca dell’Accademia Nazionale dei Lincei e Corsiniana.
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INDEX AUCTORUM ET OPERUM Die Abkürzungen in diesem Register folgen der Abkürzungspraxis von Band 1 der Studia Albertiana Vindobonensia (Hartmut Wulfram [ed.]: Leon Battista Alberti. Intercenales, Eine neulateinische Kurzprosasammlung zwischen Antike und Moderne, Stuttgart 2021). Insbesondere werden die Schriften Albertis mit den dortigen Kurztiteln, Bücher-, Kapitel-, Paragraphen-, Seiten- und Zeilenangaben abgekürzt, antike lateinische Literatur nach dem Thesaurus linguae Latinae (Indexband, Leipzig 2 1990), antike griechische Literatur nach Franco Montanaris The Brill Dictionary of Ancient Greek (Leiden-Boston 2015). Alberti, Bernardo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Alberti, Leon Battista Amat. (Amator) . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Anuli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Apol. (Apologi centum) . . . . . . . . . . 130 Canis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Cifr. (De cifris, div. Buonafalce) . . . 14, 24, 49, 82 Cifr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Cifr. 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Cifr. 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Cifr. 13–18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Comm. litt. (De commodis litterarum atque incommodis) . . . . . . . . . . . 129 Commentarii rerum mathematicarum 14, 36 De igne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 De lunularum quadratura . . . 14, 33, 38 De motibus ponderis . . . . . . . . . . 13, 20 Deifr. (Deifira) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Desc. (Descriptio urbis Romae, div. Boriaud/Furlan) . . . . . . . . . . . . . 21–22 Desc. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 62, 67 Desc. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Desc. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 101–102 Desc. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94, 96, 101 Elem. (Elementa picturae, div. Grayson) 14, 20, 24, 33, 39, 129–130 Elem. lat. D.8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Elem. lat. D.9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Epist. Crat. (Epistulae ad Cratem) . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Epist. Diog. (Epistulae ad Diogenem) . . . . . . . . . . . . . . 130 Eq. an. (De equo animante) . . . 13, 130 Fam. (De familia) . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Historia numeri et linearum . . . . 14, 36
Int. (Intercenales, div. Cardini) . . . . 130 Int. 1 pr. 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Int. 8,1 (Fatum et pater infelix) . . . . . 34 Iur. (De iure) . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 130 Ludi (Ludi rerum mathematicarum, div. Bonucci, p.,l. Grayson) . . . 14, 21, 33, 43, 46, 62, 131 Ludi 2, p. 136,8–137,4 . . . . . . . . . . . . 39 Ludi 11, p. 150,6–151,13 . . . . . . . . . . 34 Ludi 12, p. 151,14–17 . . . . . . . . . . . . 41 Ludi 12, p. 151,14–156,25 . . . . . . . . 104 Ludi 13, p. 156,32–34 . . . . . . . . . . . . . 21 Ludi 16, p. 163,14–167,21 . . . . . . . 121, 131, 146 Ludi 16, p. 163,8–15 . . . . . . . . . . . . . . 59 Ludi 16, p. 163,15–16 . . . . . . . . . . . . . 65 Ludi 16, p. 164,9–11 . . . . . . . . . . 45, 53 Ludi 16, p. 165,3–4 . . . . . . . . . . . . . . . 60 Ludi 16, p. 166,16–21 . . . . . . . . . . . . 60 Mom. (Momus, div. Brown/Knight, D’Alessandro/Furlan) . . . . 23, 130 Mom. 4,42 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Musca (div. Coppini) . . . . . . . . . 53, 130 Musca 34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Navis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 20 Pict. (De pictura, div. Grayson) . . . . 14, 19–20, 24, 39, 103, 121–125, 129 Pict. lat. 1,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 123 Pict. lat. 1,2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Pict. lat. 1,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Pict. lat. 1,18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Pict. lat. 1,19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Pict. lat. 1,24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Pict. lat. 2,28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Pontif. (Pontifex) . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Profug. (Profugia ab aerumna, p.,l. Ponte) . . . . . . . . . . . 20–21, 23
214
Index auctorum et operum
Profug. 1 p. 20,8–11 . . . . . . . . . . . . . . 20 Profug. 3 p. 82,10–83,16 . . . . . . . . . . 23 Profug. 3 p. 115,15–18 . . . . . 13, 20, 44, 123 Ps. (Psalmi precationum) . . . . . . . . . 130 Res aed. (De re aedificatoria, div. Tory, p.,l. Orlandi) . . . . . . 14, 20–22, 39, 74, 81 Res aed. prol. p. 17,4–5 . . . . . . . . . . . 14 Res aed. 1,1 p. 19,12–19 . . . . . . . . . . 68 Res aed. 1,1 p. 19,19–21,5 . . . . . . . . . 68 Res aed. 1,1 p. 21,5–9 . . . . . . . . . . . . . 69 Res aed. 3,2 p. 177,14 . . . . . . . . . . . . . 14 Res aed. 3,2 p. 177,11–17 . . . . . . . . . 84 Res aed. 5,1 p. 335,21–23 . . . . . . . . . 59 Res aed. 5,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Res aed. 5,12 p. 389,21–22 . . . . . . . . 13 Res aed. 6,2 p. 449,23–451,1 . . . . . . 70 Res aed. 6,6 p. 477,2–3 . . . . . . . . . . . . 13 Res aed. 6,7 p. 481,24–483,1 . . . . . . 84 Res aed. 6,8 p. 497,21–22 . . . . . . . . . 13 Res aed. 7,6 p. 565,5–8 . . . . . . . . . . . . 81 Res aed. 7,9 p. 587,26–591,2 . . . . . . 81 Res aed. 7,10 p. 611,29 . . . . . . . . . . . . 21 Res aed. 7,16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Res aed. 9,5 p. 813,13–14 . . . . . . . . . 70 Res aed. 9,5 p. 819,14–24 . . . . . . . . . 35 Res aed. 10,7 p. 925,5–8 . . . . . . . . . . 59 Res aed. 10,7 p. 925,8 . . . . . . . . . . . . . 21 Stat. (De statua, div. Grayson) . . . . . 14, 19–21, 39, 46–49, 86, 121–124, 129–130 Stat. 1–5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Stat. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 124 Stat. 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Stat. 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Triv. sen. (Trivia senatoria) . . . . . . . 130 Vita (div. Cardini) . . . . . . . . . . . . . 15, 21 Vita 9–10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Vita 35 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Vita 77 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 34 Anonymus Mirabilia urbis Romae . . . . . . . . . 17, 54 Aristoteles An. 2,1,412a19–21 . . . . . . . . . . . . . . . 75 Int. 7,17a38–17b1 . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Metaph. 6,13,1038b11 f. . . . . . . . . . . 76 Metaph. 7,7,1032b2–14 . . . . . . . . . . . 75 Metaph. 8,2,1043a14–19 . . . . . . . . . . 77 Phys. 2,1,193a12–17 . . . . . . . . . . . . . . 77 Pol. 8,3,1337b23–1338b8 . . . . . . . . . 28 Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 124
Barbaro, Daniele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Barzizza, Gasparino . . . . . . . . . . . . 29–31, 55 De imitatione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Biondo, Flavio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Italia illustrata 2,128 . . . . . . . . . . . . . . 24 Roma instaurata . . . . . . . . . . . 16, 56–57 Roma instaurata 1,79–80 . . . . . . . . . . 56 Roma instaurata 1,100 . . . . . . . . . . . 181 Boethius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 In categ. comm. 2,211B . . . . . . . . . . 102 Bracciolini, Poggio . . . . . . . . . 20, 22, 26, 56 De varietate fortunae . . . . . . . . . . . . . . 17 De varietate fortunae 1,8 . . . . . . . . . . 56 Bruni, Leonardo De studiis et litteris . . . . . . . . . . . . . . . 28 De studiis et litteris 13 . . . . . . . . . . . . 28 Calcidius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Timaios 28a–29a . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Campano da Novara . . . . . . . . .31–32, 43, 91 El. 1, Pet. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Cassiodor Var. 1,45,5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Chrysoloras, Manuel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Cicero, Marcus Tullius . . . 26, 30, 67–68, 78 Ac. 2,116 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Brut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 De orat. 1,20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 De orat. 1,187 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Fin. 2,102 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Nat. deor. 2,51 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Rep. 6,24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Verr. II 4,98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Colonna, Francesco Hypnerotomachia Poliphili . . . . . 72–74 Cusanus . . . . . . . . . siehe Nikolaus von Kues Dati, Leonardo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Demokrit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Diodor, Bibliotheca historica Diod. 1,98,5–9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Diod. 1,98,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Dondi, Giovanni Iter Romanum . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 55 Erasmus von Rotterdam . . . . . . . . . . . . . . . 51 Euclides (Eucl.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 123 El. (Elementa) . . . . . . . . . 31, 37, 43, 85 El. 1, post. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 El. 2,11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 El. 6,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 43 El. 9,20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Index auctorum et operum
Fibonacci De practica geometrie . . . . . . . . . . . . . 39 De practica geometrie 7 . . . . . . . .39–43 Liber abaci . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Ficino, Marsilio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72, 76 De amore 5,5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 In Timaeum 1464r . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Gerhard von Cremona . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Grosseteste, Robert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 Guarino da Verona Epist. 214 (Sabbadini) . . . . . . . . . . . . 30 Heraklit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Hermann von Reichenau De mensura astrolabii . . . . . . . . . . . . . 46 Hugo von St. Viktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Didascalion 3,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Practica geometriae . . . . . . . . . . . . . . . 36 Iulius Valerius Iul. Val. 1,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Jacobus Angelus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 50 Johannes de Sacrobosco Theorica planetarum . . . . . . . . . . . . . . 31 Tractatus de sphaera solida . . . . . . . . 47 Landino, Cristoforo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Leonardo da Pisa . . . . . . . . . . siehe Fibonacci Leonardo da Vinci Karte von Imola . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Leukipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Llull, Ramón De quadratura et triangulatura circuli . . . . . . . . . . 38 Macrobius Somn. 1,15,7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Niccolò Niccoli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Nikolaus von Kues . . . . . 24, 32–35, 76, 118, 125 De beryllo 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 De docta ign. 1,1,3 . . . . . . . . . . . . . . 125 De docta ign. 1,11 . . . . . . . . . . . . . 27, 34 De mente (Idiota de mente) . . . . . . . . 71 De mente c. 2, n. 62 . . . . . . . . . . . . . . 71 De stat. exper. (Idiota de staticis experimentis) . . . . . . . . . . . . 33–35 Scripta math. . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 33 Nikolaus von Oresme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
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Tractatus de configurationibus qualitatum et motuum . . . . . . . . . . . . . 102 Parmenides . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Peckham, John . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Perspectiva communis 1,4–7 . . . . . . . 44 Petrarca, Francesco . . . . . . . . . . . . . . . 27, 123 Sen. 1,7,21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Philoponos De usu astrolabii . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Piero della Francesca . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Platon Kratylos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Men. 82b–85b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Rp. 6,509d–511c . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Timaios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 69 Plinius maior Nat. 2,119 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Nat. 3,66 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Nat. 18,333–339 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Nat. 25,8–9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Nat. 34,55 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Plotin Plot. 1,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Plot. 1,6,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Plot. 5,8,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Plot. 5,8,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Poggio Bracciolini De varietate fortunae . . . . . . . . . . . . . . 56 Polybios Pol. 10,45,6–46,13 . . . . . . . . . . . . . . . .82 Ptolemaios Alm. (Almagest) . . . . . . . 31, 37, 85, 88 Alm. 3,3–5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Alm. 5,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Alm. 7,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Alm. 7,5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Alm. 8,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Alm. 10–12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Geog. (Geographie) . . . . 16, 50–53, 85, 88 Geog. 1,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Geog. 1,1,7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Geog. 1,18–24 . . . . . . . . . . . . . . . . 51–52 Geog. 1,22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Geog. 1,24,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Geog. 2,1–7,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Geog. 2,3,32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Geog. 3,1,30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Geog. 3,1,46 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Geog. 3,1,48 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Geog. 3,1,61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
216
Index auctorum et operum
Geog. 4,6,34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Geog. 7,3,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Geog. 7,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51–52 Geog. 8,1,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Geog. 8,1,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Geog. 8,2,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Geog. 8,8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Publius Victor Descriptio urbis Romae . . . . . . . . . . . 54
Seneca minor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Signorili, Nicolò Descriptio urbis Romae eiusque excellentiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Sueton Iul. 56,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Quintilian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 30 Inst. 1,10,34–39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Ugolino Verino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Regiomontanus (Johann Müller) Brief an Bianchini . . . . . . . . . . . . . . . . 33 De triangulis omnimodis . . . . . . . . . 100 Rucellai, Bernardo De urbe Roma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59 Salutati, Coluccio De laboribus Herculis 1,3–4 . . . . . . . 27 Savasorda Liber embadorum . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Tortelli, Giovanni De orthographia . . . . . . . . . . . . . . 17, 58
Valla, Giorgio De expetendis et fugiendis rebus . . . 103 Vasari, Giorgio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Vergerio, Pier Paolo (il Vecchio) De ingenuis moribus 41 . . . . . . . . . . . 28 Villani, Giovanni Nuova cronica 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Vitruv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 76, 77 Vitr. 1,2,2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Vitr. 1,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Vittorino da Feltre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
INDEX RERUM 3D-Drucker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Albertis Interesse am . . . . . . 17, 53, 87
Abacus -schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 -tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 -traktate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Abbildungen Reproduktion von . . . . . . . . . . . . . 84–85 aemulatio der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . 123–124 Alfonsinische Tafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Algorithmus Archimedischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92–93 Euklidischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 93 anguli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Apogäum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Architekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70–72 Aristotelismus . . . . . . . . . . . . . . 69, 74–76, 78 Arithmetik . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 28, 36, 90 Armillarsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 52 Artes liberales Quadrivium . . . . . . . . 23–25, 27, 31–32 Trivium . . . . . . . . . . . . . . . 23, 25, 27–28 Astrolabium . . . . . . . . . 34, 39, 45–47, 49, 53 Alhidade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Limbus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Mater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ostensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Rete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Tympanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Astronomie/-logie . . . 16, 26, 28, 30–32, 34, 39, 103 Albertis Vorliebe für . . . . . . . . . . . . . . 34 Atome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101–106, 108 am weitesten vom Kapitol entfernt . . . . . . . . 105–106
Caesar-Chiffre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Capaquae (XVI 21) . . . . . . . . . . . . . . 112–113 Catmull-Rom-Splines . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Chorographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Columna Adriani seu Caritarium turris (XVI 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 CRC (Cyclic Redundancy Check) . . . . . . . 82 Crisogoni (XVI 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Crucis (XVI 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 curvitas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Bildskepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84–85 Bluetooth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Bologna Albertis Studium in . . . . . . . . . . . 31, 76 braccio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Buchdruck
Dreiecke ähnliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 61 Eklektizismus . . . . . . . . . . . . . 13, 23, 78, 125 Ekliptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 46–49 Entscheidungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Epizykeltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Fehlerkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Ferrara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Florenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50, 76 Form materiell verwirklichte . . . . . . . . . . . . 70 äußere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 75 Form (Aristoteles) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Forum Romanum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 28, 36, 90 analytische . . . . . . . . . . . . . . . 86, 99, 118 elliptische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 euklidische . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 122 Koordinaten- . . . . . . . . . . . . . . . . 99, 103 nicht-euklidische . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 praktische . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 38, 44 theoretische . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 37 Goldener Schnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Griechischkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Großes Jahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Handschriften Chicago, Newberry Library 102 (=N) . . . . . . . . . . . . 114–115, 129 Florenz, BML
218
Index rerum
Cod. II. IV. 38 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Mailand, Biblioteca Ambrosiana O 80 sup. (=A) . . . . . . 109–114, 129 Oxford, Bodleian Library Can. Misc. 172 (=O) . . . . . . 117, 130 Vatikan, BAV Barb. Lat. 6525 (=B) . . . . . . 114, 130 Chig. M VII 149 (=C) . . . . 115–117, 130–131 Pal. lat. 1368 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Vat. lat. 2224 . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Venedig, BNM Cod. Lat. XI, 67 . . . . . . . . . . . . . . . .19 Ital. [Zen.] XI 67 (=7351) (=M) 115, 131 Wien, ÖNB Cod. 5415 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Honofrii in monte (XVI 26) . . . . . . . . . . . 112 horizon absolute Größe . . . . . . . . . . . . . . . 65–67 Einteilung in 48° . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45–49 ingenium . . . . . . . 13, 59, 78, 79, 84, 93, 123 Ioannis ad Latinam (XVI 15) . . . . . . . . . . 111 Ioannis Apostoli (XVI 16) . . . . . . . . . . . . 112 Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kanarische Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Kapitol . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 66, 105, 146 im Zentrum der Karte . . . . . . . . . 49, 57 Kegelschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Kleiner Aventin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Kloster St. Gallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Konstantinopel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Koordinaten -geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99, 103 -system . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 51, 86 Polar- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Kopisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 81, 84, 109 Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103–104 -bogen . . . . . . . . . . . . . . . . 103, 106, 108 -zahl Pi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Quadratur des -es . . . . . . . . . . . . . 33, 38 Kurve (Mathematik) . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Kythera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Künstler Aufwertung des -s . . . . . . . . . . . . . 78–79 Lago di Nemi . . . . . . . . . . . . . . siehe Nemisee Landvermessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 lineamenta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67–79
Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86, 93 gebogene . . . . . . . 94, 96, 101, 103, 106 gerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Malerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 30 Mariae trans Tyberim (XVI 29) . . . . . . . . 112 Materie (Aristoteles) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Mathematik Grundlagenkrise der . . . . . . . . . . . . . . 91 metaphorische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 sub-wissenschaftliche . . . . . 37–38, 122 wissenschaftliche . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Mauer in Latium . . . . . . . . . . . . . . . . 95, 97, 106 in Trastevere . . . . . 95, 97, 99, 106, 110 Leoninische . . . . . 95, 99, 104, 106–107 Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 31 Meta Pauli (Cestius-Pyramide) . . . . . . . . . 22 Navigationsgerät, digitales . . . . . . 80, 81, 86 Nemisee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 24 Neuplatonismus . . . . . . . . siehe Platonismus Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Padua . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Albertis Studium in . . . . . . . . . . . 29, 76 Baptisterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Parallelenaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 Petersbasilika (XVI 1) . . . . . . . . .55, 57, 111, 114–115 Planetenmodell des Ptolemaios . . . . . . . . . . . . . 101, 105 Platonische Akademie (Florenz) . . . . . . . . 76 Platonismus . . . . . . . . . . . . . . . . 69–74, 76, 77 Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86–87 -system . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 86 Abstand zweier . . . . . . . . . . . . . . 99–101 Erfinder der . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Polybios-Quadrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Porta ad castellum (IX 5) . . . . . . . . . . . . . . 116 Aurelia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 57 Cassia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Fontinalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Pancratii (VIII 2) . . . . . . . . . 56–57, 111 Pauli (VII 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Portuensis (VIII 1) . . . . . . . . . 56–57, 97 Septignana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Sub Iano (VIII 3) . . . . . . . . . . . . . . 56–57 Portolankarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Postica ad convallem (IX 2) . . . . . . . . . . . 110
Index rerum
Projektion Kegel- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 mittabstandstreue Azimutal- . . . . 49, 53 Proportionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Quadrat Flächenverdopplung . . . . . . . . . . . . . . 90 Quadratur des Kreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 des Möndchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 Redundanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81–82, 87 Reproduktion identische . . . . . 17, 79–80, 84, 87, 123 von Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . 84–85 von Statuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 San Giacomo al Gianicolo (XVI 25) . . . . 13 San Saba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Santa Maria in Aracoeli (XVI 35) . . . . . . . 57 Santa Maria Novella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Sant’Onofrio al Gianicolo (XVI 26) . . . . . 21 Sarata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Satz des Pythagoras . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Schönheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 69–70, 76 Seeastrolabium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Sehpyramide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Shetland-Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Sinai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Standardmodell der Teilchenphysik . . . . . 89 Statuen Reproduktion von . . . . . . . . . . . . . . . 124 Sternkarten . . . . . . 34, 39, 45, 47–49, 53, 85 Wiener ~ von 1435 . . . . . . . . . . . . . . . 47 Sub Iano (VIII 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Sub Palatio (IX 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
219
SVG (Scalable Vector Graphics) . . . . . . . . 85 Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Thule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Tiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95–97, 99 Tiberinsel . . . . . . . . . . . . . . . . 95–98, 106–107 Triangulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 61 Turingmaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92, 118 Tympanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Übertragung fehlerfreie . . . . . . . . . . . . . . . 80, 87, 123 sichere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Universalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75–76 uomo universale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Vektorgraphik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85, 121 Venus Physizoa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73–74 Verschlüsselung . . . . . . . . . . . . . . . . 82–84, 87 asymmetrische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Diffie-HellmanSchlüsselaustausch . . . . . . . . . . . 83 polyalphabetische . . . . . . . . . . . . . . . . 83 RSA-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 symmetrische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Von-Neumann-Architektur . . . . . . . . . . . . . 92 Wesen (Aristoteles) . . . . . . . . . . . . . . . . 75–79 Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Zahlen arabische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81, 87 rationale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 reelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86, 118 römische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 ungerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Die Descriptio urbis Romae (um 1450) des italienischen Humanisten Leon Battista Alberti (1404–1472) ist eine ungewöhnliche Rombeschreibung. Im Gegensatz zu anderen Vertretern der Gattung besteht sie aus 16 Tabellen mit 175 vormodernen Polarkoordinaten und einer Zeichenanleitung, die selbst einen mittelmäßig begabten Zeichner zur Herstellung einer Karte des zeitgenössischen Rom befähigen sollte. Die scheinbare Modernität von Albertis Stadtkartierung hat zu dem euphorischen Urteil geführt, der Humanist habe wesentliche Konzepte digitaler Darstellungstechnik erfunden – und das rund
ISBN 978-3-515-13249-7
9 783515 132497
500 Jahre vor ihrer Marktreife. Insbesondere ist die Rede von Algorithmen, die mangels technischer Möglichkeiten nur analog, mit Stift und Papier umsetzbar gewesen seien. Gabriel Siemoneit nimmt einen deutlich pessimistischeren Standpunkt ein und argumentiert dafür, dass Albertis Descriptio urbis Romae keinen Algorithmus nach modernem Verständnis beschreibt. Anders als zu erwarten, liefert das exakte Befolgen der Zeichenanleitung nicht das gewünschte, geschweige denn immer das gleiche Ergebnis.
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