Leon Battista Alberti, De pictura lat.): Kunsttheorie – Rhetorik – Narrative 3515132503, 9783515132503

Leon Battista Albertis Abhandlung über die Malerei De pictura, gegliedert in drei 'Bücher', markiert ungeachte

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German Pages 392 Year 2023

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Hartmut Wulfram / Gregor Schöffberger: Einleitung
Günther Fischer: Die Funktion der natura im Malereikonzept Albertis
Gabriel Siemoneit: Sichtbarer Euklid? Zur Geometrisierung des Bildes in De pictura
Anja Wolkenhauer: Naturkunde und Kunstgeschichte. Plinius’ Naturalis historia in Albertis De pictura
Hartmut Wulfram: Vergilius refert. Die Aeneis und Albertis De pictura
Alberto Giorgio Cassani: Ut pictura architectura. Tangenze tra De pictura (redazione latina) e De re aedificatoria
Elisabetta Di Stefano: Alberti e il concetto di decorum Da categoria artistica a misura etico-estetica del vivere
Hana Gründler: Vom Exzess zur Wohltemperiertheit? Überlegungen zu De pictura und Della tranquillità dell’animo
Elena Filippi: De Narcisso omnis fabula. Note sul ruolo dell’osservatore in Leon Battista Alberti e in Cusano
Stefan Feddern / Andreas Kablitz: Zu den medienspezifischen Differenzen des Mimesis-Begriffs im Kontext der Renaissance
Arwed Arnulf: Herbeigewünschte Bezüge, sedimentierte Interpretationstopik und Fragen um Intention, Funktion und Rezeption von Albertis De pictura
Tobias Dänzer: Der ästhetische Blick des Quattrocento. Albertis Quintilian-Rezeption in De pictura und ihr Einfluss auf die Dichtungstheorien Landinos und Polizianos
Gregor Schöffberger: Copia et varietas. Albertis instruktives Binärsystem
Lucia Bertolini: Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura
Oskar Bätschmann: Leon Battista Alberti: Maler, Gelehrte, Publikum
Ulrich Pfisterer: Ekphrasis und Hieroglyphe von Alberti bis Alberici
Reinhold F. Glei: Passwort vergessen? Leon Battista Albertis Chiffriermethode
Snezana Rajic: Risere Naiades. Oder: der frühe Antiklassizismus in Leon Battista Albertis Intercenales
Index auctorum et operum
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Leon Battista Alberti, De pictura lat.): Kunsttheorie – Rhetorik – Narrative
 3515132503, 9783515132503

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Leon Battista Alberti De pictura (lat.) Kunsttheorie – Rhetorik – Narrative

Herausgegeben von Hartmut Wulfram und Gregor Schöffberger

STUDIA ALBERTIANA VINDOBONENSIA Neulateinische Studien zu Leon Battista Alberti | 2 Franz Steiner Verlag

Studia Albertiana Vindobonensia Neulateinische Studien zu Leon Battista Alberti Herausgegeben von Hartmut Wulfram Wissenschaftlicher Beirat Reinhold Glei, Timothy Kircher, Martin Korenjak, David Marsh, Gernot Michael Müller, Candida Syndikus Band 2

Leon Battista Alberti De pictura (lat.) Kunsttheorie – Rhetorik – Narrative Teoria dell’arte – retorica – narrative Herausgegeben von Hartmut Wulfram und Gregor Schöffberger Unter redaktioneller Mitarbeit von Matthias Baltas und Katharina Gerhold

Franz Steiner Verlag

Die Beiträge dieses Bandes durchliefen ein Peer-Review-Verfahren.

Umschlagabbildung: Fassadendetail der Basilika Santa Maria Novella, Florenz, entworfen von Leon Battista Alberti (1404–1472). Toskana, Italien. © akg-images / New Picture Library / De Agostini Picture Lib. / G. Berengo Gardin Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2023 www.steiner-verlag.de Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13250-3 (Print) ISBN 978-3-515-13252-7 (E-Book) https://doi.org/10.25162/9783515132527

Inhaltsverzeichnis Hartmut Wulfram / Gregor Schöffberger Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Günther Fischer Die Funktion der natura im Malereikonzept Albertis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Gabriel Siemoneit Sichtbarer Euklid? Zur Geometrisierung des Bildes in De pictura. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Anja Wolkenhauer Naturkunde und Kunstgeschichte Plinius’ Naturalis historia in Albertis De pictura. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Hartmut Wulfram Vergilius refert Die Aeneis und Albertis De pictura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Alberto Giorgio Cassani Ut pictura architectura Tangenze tra De pictura (redazione latina) e De re aedificatoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Elisabetta Di Stefano Alberti e il concetto di decorum Da categoria artistica a misura etico-estetica del vivere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Hana Gründler Vom Exzess zur Wohltemperiertheit? Überlegungen zu De pictura und Della tranquillità dell’animo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

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Inhaltsverzeichnis

Elena Filippi De Narcisso omnis fabula Note sul ruolo dell’osservatore in Leon Battista Alberti e in Cusano. . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Stefan Feddern / Andreas Kablitz Zu den medienspezifischen Differenzen des Mimesis-Begriffs im Kontext der Renaissance. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Arwed Arnulf Herbeigewünschte Bezüge, sedimentierte Interpretationstopik und Fragen um Intention, Funktion und Rezeption von Albertis De pictura. . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Tobias Dänzer Der ästhetische Blick des Quattrocento Albertis Quintilian-Rezeption in De pictura und ihr Einfluss auf die Dichtungstheorien Landinos und Polizianos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Gregor Schöffberger Copia et varietas Albertis instruktives Binärsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Lucia Bertolini Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Oskar Bätschmann Leon Battista Alberti: Maler, Gelehrte, Publikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Ulrich Pfisterer Ekphrasis und Hieroglyphe von Alberti bis Alberici. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Reinhold F. Glei Passwort vergessen? Leon Battista Albertis Chiffriermethode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Snezana Rajic Risere Naiades. Oder: der frühe Antiklassizismus in Leon Battista Albertis Intercenales. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Index auctorum et operum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

Einleitung Hartmut Wulfram / Gregor Schöffberger Innerhalb des großen literarischen Œuvres Leon Battista Albertis (1404–1472) befinden sich die dem Quadrivium entwachsenen, im weiteren Sinne mathematisch-naturwissenschaftlichen Schriften zwar in der Minderheit, andererseits sind gerade sie es, auf denen bis heute der fächerübergreifende Nachruhm des Humanisten als Wegbereiter der Moderne hauptsächlich beruht.1 Eine prominente Rolle fällt dabei Albertis Abhandlung über Malerei De pictura zu, in der – neben vielen anderen Dingen – die wenige Jahre zuvor von Filippo Brunelleschi entdeckte geometrisch konstruierte Zentralperspektive erstmals beschrieben wird. Die zwei auktorialen Varianten dieses artigraphischen ‚Traktats‘, verfasst im toskanischen Volgare bzw. humanistischen Latein, unterscheiden sich nicht unerheblich voneinander, ein Befund, der für die Forschung vielgestaltige philologische und interpretatorische Fragen aufgeworfen hat. Wenngleich bis heute Meinungsverschiedenheiten über die Stufen der Textgenese und ihre exakte Datierung bestehen, dürfte inzwischen Einigkeit darüber herrschen, dass die überlieferte lateinische Version, anzusetzen auf die Jahre 1435–1436 bzw. 1439–1444, die umfangreichere, ausgearbeitetere und ‚reifere‘ der zwei Fassungen darstellt. Diese lateinische, auf eine gebildete Leserschaft berechnete ‚Schlussredaktion‘ von De pictura ist es denn auch, die im Mittelpunkt des hier einzuleitenden Sammelbandes steht, des ersten, der, soweit wir sehen, Albertis Malereitraktat gewidmet worden ist. Die folgenden fünfzehn, den facettenreichen Reichtum des Werkes spiegelnden Beiträge wurden allesamt zuvor auf einer interdisziplinären Tagung gehalten, die am 7. und 8. Oktober 2021 an der Universität Wien – aufgrund der Covid-19-Epidemie in Präsenz und online – stattgefunden hat. Ergänzt werden sie durch eine nachträglich hinzuge-

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Zu den permeablen Werkhälften Albertis und Ungleichgewichten der Rezeption s. Hartmut Wulfram: Einleitung, in: Ders. (Hg.): Leon Battista Alberti, Intercenales. Eine neulateinische Kurzprosasammlung zwischen Antike und Moderne / Una silloge di brevi prose latine del Rinascimento / A collection of short Neo-Latin prose works between Antiquity and Modernity (Studia Albertiana Vindobonensia. Neulateinische Studien zu Leon Battista Alberti 1), Stuttgart 2021, S. 7–18: 7–10.

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Hartmut Wulfram / Gregor Schöffberger

kommene Appendix, die aus zwei Aufsätzen besteht, die Albertis Schriften De cifris und Intercenales behandeln. Die somit insgesamt siebzehn Studien sollen nun im Anschluss zur besseren Orientierung des Lesers kurz vorgestellt und resümiert werden. Als Architekt, der er u. a. ist, nähert sich Günther Fischer (Erfurt) dem Thema zunächst mit einem unverstellt-pragmatischen Zugang, indem er aus konkret-anwendungsbezogener Perspektive herausarbeitet, wie der Humanist mit seinem Traktat versucht, die Lücke zwischen Gelehrsamkeitskultur und Handwerk zu schließen. Anhand der mangelnden Stringenz der Darstellung, der zu allgemein und abstrakt gehaltenen Regularien und nicht zuletzt der für die Praxis der Malerei ungeeigneten Ratschläge, die das eigentliche zeitgenössische Vorgehen zu einer beiläufigen Bemerkung am Ende der Schrift marginalisieren, wird deutlich, wie strategisch Alberti in seinem Bestreben vorgeht, der Malerei mittels objektiver Kriterien althergebrachter und daher anerkannter Wissenschaften eine Neubewertung als ars liberalis zu ermöglichen. Gabriel Siemoneit (Wien/Bielefeld) untersucht De pictura auf ihre geometrischen Grundlagen hin und macht sichtbar, wie Alberti sich des euklidischen Definitionsmodus bedient, ohne dabei im eigentlich geometrischen Sinn zu kategorisieren. Anhand dieser eingeschränkten und von Alberti uneinheitlich gebrauchten Terminologie lässt sich nachvollziehen, wie die Etablierung der Malerei als Wissenschaft im Sinne einer scientia media, wie Thomas von Aquin die zwischen abstrakten und konkreten Feldern liegenden Fachbereiche bezeichnet hatte, scheitern muss und De pictura in Folge ein nur vordergründig wissenschaftliches Werk bleibt, dessen Rhetorik und gleichwohl innovativer Ansatz eine Lücke lediglich unter den humanistischen Literaten, nicht aber unter Mathematikern oder Malern zu schließen vermag. Albertis Verhältnis zu Plinius’ Naturkunde wird von Anja Wolkenhauer (Tübingen) seziert. Alberti hatte womöglich eine Separathandschrift mit Buch 35 der Naturalis historia vor sich, das auf die Malerei als eminenten Aspekt angewandter Mineralogie eingeht und damals oft unter dem falschen Titel honos picturae zirkulierte. Von dem zum alleinigen Muster eines Malereitraktats transformierten Enzyklopädiker distanziert sich der Humanist, indem er ihn bei der einzigen Erwähnung zum bloßen Historiker degradiert, dem er die eigene, völlig neuartige Grundlagenforschung entgegensetzt. Wenn Alberti dennoch in Pict. lat. 2 und 3 keinen anderen Autor so massiv für Mikronarrative und Sachinformationen verwertet wie Plinius, ersetzt er dessen Autorität durch die der beschriebenen Künstler oder versteckt ihn hinter unpersönlichen Referenzen. Hartmut Wulfram (Wien) beleuchtet Albertis intertextuelle Bezugnahmen auf Vergils Aeneis und demonstriert, dass diesem innerhalb von De pictura am häufigsten mit Namen genannten Autor auch inhaltlich eine besondere Rolle zukommt. Zum einen finden sich ‚offensichtliche‘ Zitate, mit denen Alberti Vergil als Autorität aufruft, die für seine die Malerei betreffenden Regularien relevant ist, und ihn in paraphrasierender, modifizierender und zweckorientiert rekontextualisierender Manier wiedergibt. Zum anderen lassen sich diskursive Analogien zum antiken Epiker hinsichtlich der

Einleitung

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Arbeitsweise des Malers, dem Umgang mit Kritikern und der Bitte zur Verewigung in künftigen Gemälden beobachten, die in ihrer Subtilität einmal mehr die hohen literarischen Anforderungen an Albertis intendierten Leser unterstreichen. In Form einer kommentierten Anthologie wird von Alberto Giorgio Cassani (Venezia/Bologna) ein systematischer Vergleich zwischen De pictura und dem in späteren Jahren entstandendenen Architekturtraktat De re aedificatoria angestellt. Obwohl die beiden konkurrierenden artes je spezifische Aufgaben erfüllen und Albertis rein geistig arbeitender Architekt nicht selbst Hand ans Werk legt, während sein Maler mit entwerfendem ingenium und ausführender manus zugleich agiert, trotz unterschiedlicher Quellenlage, Struktur und Umfang lässt sich eine so frappierend große Zahl an Berührungspunkten auf kunsttheoretischem, motivisch-literarischem und terminologisch-lexikalischem Gebiet ausmachen, dass die Rekonstruktion eines textübergreifend köhärenten Gedankengebäudes möglich scheint. Elisabetta di Stefano (Palermo) schließt gewissermaßen mikroskopisch an dieses Unterfangen an, indem sie die Erscheinungsformen isoliert, die das der Renaissance von der antiken Rhetorik und Philosophie – zumal von dem beides aktiv betreibenden Cicero – vermittelte Konzept der ‚Angemessenheit‘ (τὸ πρέπον, aptum, decorum) in verschiedenen Schriften unseres Humanisten annimmt. Wie der Vergleich mit Albertis Dialogen De familia und De iciarchia untermauert, kommt dem decorum in De pictura und De re aedificatoria nicht nur eine grundlegende ästhetische Funktion zu, die die natürliche Harmonie aller für eine Komposition nötigen Einzelteile gewährleistet, sondern verfügt auch über eine ethisch-soziale Dimension, die auf die gesellschaftliche Stellung, Alter und Geschlecht der Abgebildeten bzw. die Zweckbestimmung der Gebäude achtet. Hana Gründler (Florenz) schlägt mit ihrem Beitrag den Bogen von De pictura zu Albertis philosophischem Dialog Profugiorum ab erumna und untersucht die beiden Texte auf ihre unterschiedlichen ethisch-ästhetischen Wege zur virtus hin. Beide Werke loten das Verhältnis vom Ethos zur Sichtbarkeit aus, ersteres auf deskriptiv-präskriptive Weise, letzteres indem der Leser von einer Gesprächsfigur persönlich emotionalisiert wird. Das wechselseitige Verhältnis von Kunst und Moral wird so über die jeweiligen bildkünstlerischen Leerstellen auf den beschriebenen Darstellungen von Agamemnon und Thetis, die sich vor Trauer verhüllen, sichtbar gemacht. Das Ausfüllen dieser Leerstellen seitens des betrachtenden Publikums wird einerseits als gelungener Effekt des Malers fassbar, andererseits als seelenbildendes, die Tugend förderndes exercitium. Die Studie von Elena Filippi (Rom/Zürich) legt in ihrem ersten Teil die profunden Implikationen frei, die dem berühmten Mythos von Narziss in De pictura abgewonnen werden, erhebt Alberti doch überraschend den sich zufällig im Wasser spiegelnden Jüngling zum Entdecker der Malerei, welcher über verschiedene kognitive Stufen hinweg (Sehen-Kennen-Erkennen-Lieben) sich selbst betrachtet bzw. von sich selbst betrachtet wird (andere Aspekte des Mythos bleiben ausgeblendet). In einem zweiten Schritt zeigt sie konzeptionelle Parallelen zum Denken von Nicolaus von Kues auf, mit

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Hartmut Wulfram / Gregor Schöffberger

dem Alberti womöglich persönlich in Kontakt stand. In De visione Dei thematisiert der Theologe die coincidentia oppositorum von Sehen und Gesehenwerden mittels einer Ikone des ‚Allsehers‘, die den Betrachter mit ihrem Blick verfolgt, und räsoniert über die Subjektivität visueller Sinneswahrnehmung. Stefan Feddern und Andreas Kablitz (Kiel/Köln) zeichnen den Bedeutungswandel nach, den der Mimesis-Begriff von Platon über Aristoteles und das Mittelalter bis hin zur frühen Neuzeit und Alberti durchgemacht hat. Das Konzept entwickelt sich von der performativen Nachahmung jedweder Tätigkeit zu einer semiotischen Kategorie, die die dargestellten Gegenstände zu ihren außerkünstlerischen Referenzpunkten in Bezug setzt. Mit dem Imitationsvorgang der Malerei geht, wie Albertis Ausführungen, zumal sein Konzept der historia verdeutlicht, stets ein Erkenntnisprozess einher, der das Publikum im Bild erkennen lässt, was der Maler zuvor selbst erkannt hat. Albertis Betonung doppelter Erkenntnis fußt möglicherweise auf einer etymologischen Interpretation des historia-Begriffs nach Isidor von Sevilla und soll der wissenschaftlichen Aufwertung der Malerei dienen. Die (vornehmlich) kunsthistorische De-pictura-Forschung der letzten acht Jahrzehnte unterzieht Arwed Arnulf (Göttingen/FU Berlin) einer kritischen Bestandsaufnahme. Der oft postulierte Einfluss der Rhetoriktheorie, insbesondere die Vorstellung, Alberti habe sich bei der Komposition seines Opusculums aufs Engste an die Struktur der ungleich längeren Institutio oratoria Quintilians angelehnt, wird entschieden in die Schranken gewiesen. Ebenso erfahren allzu idealistische Deutungen, die von dem Geniestreich eines mit verborgenem Tiefsinn operierenden Alleskönners ausgehen, ihre Erdung, indem die Schrift mehr ‚literatursoziologisch‘ als eher dilettantisch-populärwissenschaftlicher, thematisch letztlich beliebiger Versuch eines jungen Humanisten auf der Suche nach neuen Gönnern gewertet wird. Ein Stück weit eine Gegenposition nimmt Tobias Dänzer (Würzburg) ein, wenn er mit Fokus auf das rhetorische Stilmittel der Anschaulichkeit (ἐνάργεια) die Bedeutung der Quintilianrezeption für De pictura betont. Im Zentrum des Interesses steht die gefühlsmäßige Einbindung der Hörer, die mit dieser verbal erzeugten Visualität verbunden ist, eine Wirkungsabsicht, die Alberti zurücklenkt auf die Betrachter von Bilderzählungen (historiae). Während Cennino Cennini („Malerei als Gottesdienst“) und Cristoforo Landino (allegorische Dichterinterpretation) traditionellen ästhetischen Vorgaben folgen, lässt sich der Dichter und Philologe Angelo Poliziano von Albertis Bildtheorie inspirieren und übernimmt aus ihr, eine erneute intermediale Volte vollziehend, nicht zuletzt die Idee eines empathischen Rezipienten, der einen von der Kunst nur angedeuteten Affekt vervollständigt. Gregor Schöffberger (Wien) wendet sich der häufigen Verwendung von Zwillingsformeln (i. a. R . Nomina oder Adjektive) in der auf Persuasion zielenden, stark ciceronisch geprägten Prosa von De pictura zu. Nach einer statistischen Erfassung des Bestandes – der nicht zufällig ein starkes Übergewicht in dem den künstlerischen Prinzipien der Malerei gewidmeten Buch II aufweist (23 von insgesamt 30 Wortpaa-

Einleitung

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ren), wohingegen die mathematischen Grundlagen in Buch I nahezu leer ausgehen – wird in eingehenden Lektüren deutlich gemacht, was eine strikte, wegen der breiten Semantik lateinischer Vokabeln von Fall zu Fall neu zu verhandelnde terminologische Differenzierung zwischen mnemotechnischer Tautologie (weitgehende Synonymie) und Hendiadyoin (attributive, näher spezifizierende Unterordnung eines Bestandteils) für die Interpretation zu leisten vermag. Angefangen bei den inhaltlich-funktional so unterschiedlichen Widmungsschreiben an den Markgrafen von Mantua Giovanni Francesco Gonzaga (lat.) und den großen Florentiner Architekten Filippo Brunelleschi (volg.) vergleicht Lucia Bertolini (Novedrate-Como) auf Basis minutiöser statistischer Erhebungen Lexik und Syntax der beiden Fassungen von De pictura. Unter Beachtung der linguistischen, rhetorischen und historischen Kontexte – eine Jahrhunderte alte Wissenschaftssprache hier, eine erst zu etablierende Fachterminologie dort – lassen sich Erkenntnisse über die von Alberti jeweils rezipierten Quellen und seine auktoriale Sprechhaltung gewinnen. Beispielsweise wird in der volkssprachigen Version durch den häufigeren Gebrauch von Pronomina der 1. Person Singular und Plural sowie, im prologus, durch deiktische Zeit- und Ortsadverbien eine stärkere emotionale Anteilnahme suggeriert. Oskar Bätschmann (Bern) widmet sich dem quasi eigenständigen literarischen Genus des ‚Künstlerrats‘ in Buch 3 von De pictura, insbesondere dem Umstand, dass Alberti stets von einem vielköpfigen Publikum spricht, das für die Konzeption wie Rezeption der Malerei eine gewichtige Rolle spielt. Einerseits vorab durch ein kritisches, die Entstehung des Kunstwerks beförderndes Urteil, andererseits durch die Situation beim Betrachten des fertigen Bildes, die Alberti explizit mit der bei einem Schauspiel gleichsetzt. Die Analogie wird durch eine Person verstärkt, die bildintern auf den dargestellten Sachverhalt hinweist. Spuren dieser Ideen lassen sich in zeitgenössischen Gemälden ausmachen. Die Annahme einer dem gemeinen Volk innewohnenden Urteilsfähigkeit taucht darüberhinaus selbst im Kunstdiskurs nachfolgender Jahrhunderte auf. Ulrich Pfisterer (München) arbeitet heraus, wie sich im Kunstdiskurs der Renaissance eine Bewegung von Alberti weg beobachten lässt, die verdeutlicht, dass De pictura damals trotz aller späteren Strahlkraft nicht als das maßgebliche theoretische Werk galt. Während sich aus Albertis knappen Bemerkungen zu den ägyptischen Hieroglyphen und aus den Interpretamenten fiktiver bildkünstlerischer Werke in anderen seiner Schriften das Konzept einer hieroglyphischen Universalsprache ergibt, deren Sinn von Wissenden stets vollkommen erkannt werden könne, vertritt im frühen 16. Jahrhundert die Exegese der Tabula Cebetis von Federico Alberici die Auffassung, dass hieroglyphisch kodiertes Wissen unerschöpflich sei. Dank seiner visuellen Form gehe dieses stets über das Medium des Texts hinaus und könne rückwirkend nicht mehr vollständig erschlossen werden. Zur Abrundung und Kontextualisierung der erzielten Ergebnisse werden abschließend zwei weitere Schriften Albertis von dem oben bereits erwähnten Anhang in den Blick genommen.

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Hartmut Wulfram / Gregor Schöffberger

Zunächst zeigt Reinhold Glei (Bochum), wie der Humanist drei Jahrzehnte später in De cifris erneut eine Aufgabenstellung angewandter Mathematik auf innovative Weise zu lösen versteht. Die Studie überprüft die in dem Dialog entworfene Verschlüsselungsmethode mittels Codier- bzw. Dechiffrierscheibe auf ihre Stichhaltigkeit. Albertis Pionierleistung besteht darin, von einer monoalphabetischen Verschiebung – wie sie in der durch Julius Caesar bekannt gewordenen Kodierung zur Anwendung kommt und bei der Buchstaben durch ihre einmalig festgelegten Folgebuchstaben ersetzt werden – zu einer polyalphabetischen überzugehen, bei der dieser Vorgang mehrfach wiederholt wird. Die aus zwei drehbaren Ringen mit Buchstaben- und Zahlenfeldern bestehende Scheibe ermöglicht eine Verschlüsselungsmethode, mit der auch die Rechenleistung moderner Quantencomputer herausgefordert wird, die für die Entschlüsselung eines einfachen Satzes mehrere Jahrzehnte benötigen würden. Snezana Rajic (Wien) wendet sich zu guter Letzt der etwa zeitgleich mit De pictura entstandenen Kurzprosasammlung Intercenales zu, die (schon gattungsbedingt) eine lateinische Stilauffassung vertritt, die mit der vornehmlich ciceronischen des Malereitraktats kontrastiert. Eine eingehende Analyse der mit fabulösen Passagen angereicherten Intercenales-Proömien illustriert, wie sich Alberti gegen literarische Starre und ideologische Bemessungsgrundlagen für die Güte von Literatur wehrt, die er im erwachenden einseitigen ‚Ciceronianismus‘ einiger seiner Zeitgenossen begründet sah, wobei er gleichzeitig die wechselseitige Zerfleischung der Literaten anprangert, die ein Florieren literarischer Produktion verunmögliche. Demgegenüber wird wiederholt eine Lanze für kollegiale Solidärität und Unterstützung gebrochen, unabhängig von Umfang, Stilniveau oder Tradition des literarischen Unterfangens. Gemäß den Gepflogenheiten der neuen Reihe der „Studia Albertiana Vindobonensia. Neulateinische Studien zu Leon Battista Alberti“, deren zweiter Band hiermit vorliegt, ist den einzelnen Beiträgen ein separates Literaturverzeichnis beigegeben, in dem die zunächst nur mit Kurztiteln erfasste Forschungsliteratur bibliographisch aufgeschlüsselt wird. Zudem wurde wieder auf ein weitgehend einheitliches Abkürzungsund Zitiersystem für die Schriften Albertis und überhaupt vormoderne Werke von der Antike bis zur frühen Neuzeit Wert gelegt. Auf dieser Basis konnte der gemeinsame Autoren- und Stellenindex am Schluss des Buches erstellt werden. Für die tatkräftige Mithilfe bei der Redaktion und Indizierung sei Matthias Baltas und Katharina Gerhold herzlich gedankt. Ebenso danken wir der Forschungsplattform zur frühen Neuzeit „Judgment“ (Leitung Universität Klagenfurt) und der Kulturabteilung der Stadt Wien für die großzügig gewährte finanzielle Unterstützung. Wenige Jahre vor De pictura macht Alberti in seiner rhetorisch-ironischen Schrift De commodis litterarum atque incommodis „Über die Vor- und Nachteile des Literaturstudiums“, in einer Passage, in der sich der Sprecher direkt an die Studenten oder solche, die es werden wollen, richtet, einen Gegensatz zwischen Malerei und Wissenschaft auf (Comm. litt. 3,27):

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Einleitung

Nonne […], si ingenia, picturam, formas exquiras, inquient disciplinae: ‚Hac tu nos occupatione defraudas, te nos maximarum rerum cognitione privabimus.‘ (Werden denn nicht, wenn dir der Sinn nach Kunstwerken, Gemälden, Zeichnungen steht, die Wissenschaften einwenden: ‚Durch diese Beschäftigung wirst du uns untreu, wir werden dir die Erkenntnis der bedeutendsten Dinge vorenthalten.‘)

Die im vorliegenden Sammelband vereinten, philologisch-literaturwissenschaftlichen wie kunsthistorisch-philosophischen Aufsätze mögen nicht zuletzt verdeutlichen, dass sich in De pictura die vermeintliche Dissonanz von Kunst, Wissenschaft und Literatur in Harmonie aufgelöst hat. Wien, im Juni 2022.

Die Funktion der natura im Malereikonzept Albertis Günther Fischer Natura ist einer der zentralen Begriffe in Albertis Traktat De pictura.1 Er taucht dort ca. dreißigmal auf und fast immer an prominenter Stelle. Wie bei allen zentralen Begriffen in lateinischen Texten muss aber auch das Wort natura dabei ein sehr komplexes Wort- und Begriffsfeld abdecken. Es steht zum einen für die Anschauung, Beschaffenheit und optische Wahrnehmung a) der uns umgebenden Umwelt, b) des menschlichen Körpers und

Abb. 1 Das Wortfeld „natura“. Quelle: Autor 1

Alle folgenden Zitate und Anmerkungen mit Buch-, Kapitel- und Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe von De pictura in: Bätschmann/Schäublin 2000.

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Günther Fischer

c) der angeborenen Eigenschaften. Zum anderen steht natura für die Schöpfung selbst, also a) für die Natur als Grundstoff des Universums, b) für die Natur selbst als Schöpferin und c) für die Naturgesetze insgesamt. Von daher ist es wenig hilfreich, wenn natura in der deutschen Übersetzung von Christoph Schäublin stereotyp mit dem Wort „Natur“ gleichgesetzt wird. Denn diese Nivellierung der unterschiedlichen Bedeutungen hat zur Folge, dass die tatsächliche Funktion und Stellung der natura in Albertis Behandlung der Malkunst eher unklar oder gar verborgen bleibt. Um diese Beobachtung zu untermauern, müssen wir allerdings etwas ausholen und an den Ausgangspunkt des Traktats zurückgehen. 1. Als der junge, gerade einmal 30-jährige Alberti 1434 im Gefolge des aus Rom vertriebenen Papstes Eugen IV. nach Florenz zurückkehrt, registriert er mit seiner schnellen Auffassungsgabe schon bald die Aufbruchstimmung, die die bildenden Künste durch Protagonisten wie Masaccio, Ghiberti, Brunelleschi und Donatello erfasst hat. Daher versucht er – immer auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern – schon bald, in irgendeiner Form in diesen illustren Kreis aufgenommen und als einer der ihren behandelt zu werden. Bemerkenswert ist, dass diese fast durchgängig seiner Vätergeneration angehörten (Brunelleschi war 57, Ghiberti 56, Donatello 48 Jahre alt), vor allem aber, dass Alberti durch seine Bekanntschaft mit der Florentiner Kunstszene die scharf gezogene Grenzlinie zwischen der akademischen Welt der Humanisten und der Welt der Handwerkszünfte, zu denen als Goldschmiede, Maler und Steinmetze auch seine neuen Bekannten gehörten, überschritt. Dazu passt, dass er in der Widmung von Della Pittura an Brunelleschi „Maler, Bildhauer, Architekten, Musiker, Geometer, Rhetoriker, Wahrsager und ähnliche sehr edle und bewundernswerte Gebildete“2 in einem Atemzug nannte – auch dies eine unerhörte, den konventionellen, aus der Antike überlieferten Fächerkanon der artes liberales sprengende Zusammenstellung.3 Aber wie konnte er in den Kreis dieser berühmten Künstler aufgenommen werden? Er selbst war kein Maler, hatte keine langjährige Ausbildung in einer Werkstatt durchlaufen, keine nennenswerten Bilder geschaffen – bestenfalls war er auf dem Gebiet der Malerei ein Dilettant, der sich – wie er selbst schreibt – in seiner Freizeit gern mit dem Malen beschäftigte. Allerdings tat sich mit der aufkommenden (Wieder-)Entdeckung der Perspektive eine Lücke auf, die gerade er – und vielleicht sogar nur er – mit seinen spezifischen

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Bätschmann/Gianfreda 2014, 63. Entnommen aus: Fischer 2012, 41.

Die Funktion der natura im Malereikonzept Albertis

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Kenntnissen sowohl als Literat wie auch als mathematisch Gebildeter schließen konnte: die Möglichkeit, die erste schriftliche Darstellung der neu entdeckten Gesetze der Per­ spektive zu verfassen. Von dieser Grundlage ausgehend sah er auf einmal die Chance, mit einem Traktat über die Malerei den Abgrund zwischen der akademischen Welt der Humanisten, Literaten und Mathematiker und der Sphäre der Gilden und Zünfte zu überbrücken und eine ‚wissenschaftliche‘ Lehre über ein Handwerksfach zu begründen. Es lockte die Aussicht, „die Kunst selbst in einem völlig neuen Ansatz“4 darzustellen oder – wie er gleich im dritten Satz von De pictura schreibt – die Malkunst aus den ureigensten Prinzipien der Natur (picturam ab ipsis naturae principiis)5 zu entwickeln, d. h., eine auf geometrische, optische und naturwissenschaftliche Gesetze gegründete Malerei zu präsentieren. Deshalb konnte er auch in seinen Augen mit Fug und Recht behaupten, das erste Buch über dieses Thema verfasst zu haben, und sah keinen Grund, den Libro del arte von Cennino Cennini – auch wenn er ihn später durchaus benutzt – zu erwähnen. Es gab noch weitere Gründe, die ihn in seinen Augen für die Abfassung eines neuartigen Malereitraktats prädestinierten. Zum einen die Überzeugung (die er als Wunsch gleich an den Anfang des 3. Buches setzt), dass ein Maler vor allem anderen „ein guter Mann […] und wohl unterrichtet in den schönen Künsten“6 sein müsse – eine Formel aus der Rhetorik, die er sicherlich für seine Person in Anspruch nahm –, zum anderen seine ureigenste berufliche Ausbildung als Humanist und Rhetoriker, der jene umfassenden Kenntnisse in der antiken Literatur besaß, die seiner Meinung nach für den Maler in zweifacher Hinsicht unverzichtbar waren: zum einen durch die zahlreichen Ratschläge und Hinweise zur Malerei, die dort versammelt waren (und die er immer wieder ausgiebig zitiert), zum anderen als unerschöpfliche Quelle für die vielfältigen Erzählungen, Mythologien und Allegorien, die als Grundlage einer historia dienen konnten. Also solle sich „der Maler […] voller Hingabe den Dichtern, den Rednern und den sonstigen Sachverständigen in Fragen der Literatur zuwenden“.7 Als solcherart „Sachverständiger“, der noch dazu in Geometrie und Optik geschult und in allen artes liberales ausgebildet war, sah sich Alberti in der Lage, die Malerei mit seinem Traktat nicht nur als Wissenschaft zu begründen, (also aus dem Handwerkerstatus herauszuführen), sondern sie gleichzeitig als normales Ausbildungsfach für die gebildete Jugend zu etablieren. In seinem Lob der Malerei am Anfang des 2. Buches schreibt er, diese sei „freier Menschen würdig“8 und die „lernbegierige Jugend“9 solle sich – wie schon Kaiser, Philosophen, Gelehrte und die Söhne der römischen Aristokratie in der Antike (oder wie zu Albertis Zeiten die Schüler des berühmten Humanis-

4 Pict. lat. 2,26, S. 239. 5 Pict. lat. 1,1, S. 194. 6 Pict. lat. 3,52, S. 293. 7 Pict. lat. 3,54, S. 297. 8 Pict. lat. 2,29, S. 245. 9 Ebenda.

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ten Vittorino da Feltre in Mantua) – der Malkunst zuwenden. Weniger „würdig“ waren in diesem Kontext die eigentlich notwendigen, aber nur durch jahrelange Mühen zu erlangenden Kenntnisse über Farbherstellung, Untergründe, Maltechniken oder Malwerkzeuge (die durchschnittliche Lehre in den Malerwerkstätten dauerte neun Jahre), und deshalb lässt er sie in seinem Traktat einfach unter den Tisch fallen. Die Malerei also als intellektuelles Lehrfach innerhalb der artes liberales mit den Schwerpunkten Geometrie, Optik und (antike) Literatur: Wer diese Fächer beherrsche, sei schon fast am Ziel – und den Rest könne man allein durch die „Anleitung der Natur“10, den „Blick auf die Natur“11 und die „Nachahmung der Natur“12 lernen. Das war die Botschaft. 2. Im Aufbau des Traktats findet sich allerdings diese Stringenz der Botschaft nicht wieder. Das zeigt sich schon daran, dass der Titel De pictura gleich doppelt auftaucht: zunächst als Gesamtüberschrift und dann noch einmal als Überschrift des 2. Buches, in dem er ebenfalls „die ganze Malkunst“ darstellt, die „sich aus diesen drei Elementen zusammensetzt: der Umschreibung, der Komposition und dem Lichteinfall.“13 Die Ausführungen über die Perspektive, also über die zentralen mathematischen Grundlagen, sind hier auf einmal nicht mehr Bestandteil der pictura, sondern werden in Form der rudimenta vor die eigentliche Abhandlung gezogen und führen ein merkwürdiges, nicht weiter integriertes Eigenleben.

Abb. 2 Die Gliederung des Traktats. Quelle: Autor. (Seitenzahl und Beschriftung gemäß Bätschmann 2000, S. 195–315.)

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Pict. lat. 2,33, S. 253. Pict. lat. 3,56, S. 301. Pict. lat. 2,35, S. 257. Pict. lat. 2,50, S. 291.

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Das gilt auch für das 3. Buch, in dem jene grundlegenden Aspekte wie Aufgabe, Ziel, Qualifikation und methodisches Vorgehen des Malers behandelt werden, die man gerne am Anfang eines Buches über die Malkunst gesehen hätte, die hier aber wie angehängte Reste erscheinen, die auch noch erwähnt werden müssen. Man wundert sich generell, dass sich Alberti als versierter Rhetoriker nicht zumindest bei der Binnengliederung des 2. Buches an die Arbeitsgänge der Rede aus der klassischen Rhetorik, also inventio, dispositio, elocutio, memoria und actio, gehalten hat, deren erste drei Punkte: Erfindung – Gliederung/Konzeption – Ausgestaltung/stilistische Durcharbeitung – sich durchaus auch für ein Buch über die Malerei geeignet hätten. Die inventio taucht aber erst – und lediglich dreimal – im 3. Buch auf, obwohl es schwer nachvollziehbar ist, als Einstieg in den Malprozess und die Erstellung eines Bildes gleich mit der präzisen Umrisszeichnung (bei Alberti: Umschreibung) zu beginnen, ohne vorher ein Konzept, eine Erfindung oder einen Entwurf bzw. eine Komposition entwickelt zu haben. Über die Komposition schreibt Alberti aber erst im 2. Teil, d. h., er macht mit der Umschreibung den eigentlich zweiten Schritt vor dem notwendigen ersten, der Komposition und der Klärung des gesamten Bildaufbaus. Aufbau und Gliederung des Traktats lassen also viele Fragen offen, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen, um auf diesem Wege schließlich zur Funktion der natura in Albertis Malereikonzept zurückzukehren. 3. Fast unmittelbar – oder unvermittelt – beginnt Alberti also seinen Traktat mit dem Einstieg in die mathematischen Grundlagen der Perspektive (nachdem er vorab nur noch kurz auf den Spagat eingeht, den sein geplanter Brückenbau zwischen Wissenschaft und Handwerk zwangsläufig mit sich bringt, sodass er im Folgenden als Maler und nicht als Mathematiker sprechen wird). Anscheinend wollte er sofort mit dem spektakulärsten Aspekt beginnen oder ihn besonders hervorheben, indem er ihm nicht nur die erste Stelle, sondern gleich das ganze 1. Buch einräumt und dafür in Kauf nimmt, dass keine Integration in den Gesamtaufbau erfolgt. Zu dieser Eile würde passen, dass er in dem Bestreben, die ‚Akademisierung‘ der Malerei voranzutreiben, mit den rudimenta (Anfangsgründen) weit über das notwendige Maß hinausschießt, sodass ihm zwischenzeitlich selbst Zweifel kommen, „was für einen Nutzen eine so umständliche Untersuchung dem Maler beim Malen eigentlich verschafft.“14 Denn der in siebzehn Kapiteln15 ausgebreitete Grundkurs in Geometrie und Optik mündet schließlich lediglich in einer „Methode, einen Fußboden einzu-

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Pict. lat. 1,12, S. 215. Pict. lat. 1,2–18.

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teilen“,16 die wenig mit diesem Vorlauf zu tun hat und auch ohne ihn funktionieren würde, außerdem in ihren einzelnen Schritten und Annahmen eher pragmatisch als wissenschaftlich begründet ist. Bätschmann schreibt dazu: „Albertis Beschreibung des Vorgehens ist nicht von ausreichender Klarheit. Verschiedene Voraussetzungen bleiben ungenannt, […] die Höhe des Horizonts und die Teilung der Grundlinie in relative braccia sind nicht begründet, und das Verfahren ist nicht unbeschwerlich.“17 Tatsächlich wurde es bald durch einfachere Methoden ersetzt. Trotzdem bleibt die erstmalig in dieser Form zusammengefasste sprachliche Formulierung der Darstellenden Geometrie und der Gesetze der Perspektive mit Zentralstrahl, Horizont, Fluchtpunkt, Verkürzung und Proportionalität für die damalige Zeit eine große, weit über die einfache Schilderung geometrischer und optischer Grundlagen hinausgehende intellektuelle Leistung. Außerdem ist die Definition des Gemäldes als „Schnittfläche einer Sehpyramide“18 und der anschauliche und berühmt gewordene Vergleich mit einem offen stehenden Fenster19 fester Bestandteil der entsprechenden Kunstliteratur geworden. 4. Dieser Vergleich leitet direkt zum 1. Teil des 2. Buches über, in dem es um die Umschreibung geht. Deren Aufgabe sei es, „den Verlauf der Säume in einem Bild mit Linien festzulegen“,20 also die Umrisse von Flächen, Gliedern, Körpern und sonstigen Gegenständen zu fixieren. Und das zu diesem Zweck eigens von Alberti entworfene velum, (so jedenfalls seine Behauptung zumindest in der lateinischen Fassung des Traktats), knüpft nun lückenlos an das Bild des offen stehenden Fensters an. Vielleicht liegt darin auch die Erklärung, warum Alberti gegen alle Logik die Umschreibung noch vor der Komposition abhandelt. Ein aus dünnen Fäden bestehendes, ansonsten durchsichtiges Quadratrasternetz wird in das ‚offene Fenster‘, also zwischen das Motiv und das Auge des Betrachters gespannt, sodass die Größen und Anordnungen sämtlicher durch das Netz gesehenen Gegenstände exakt auf einen ebenfalls quadrierten Maluntergrund übertragen werden können. Albrecht Dürer hat diese Anordnung später (um 1525) in einem bekannten Stich dargestellt. Wie schon bei der Perspektive ersetzt Alberti also die mühselige und nur durch langjährige Übung zu erreichende zeichnerische Wiedergabe des Bildmotivs (Freihand-

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Pict. lat. 1,21, S. 231. Bätschmann/Schäublin 2000, 67. Pict. lat. 1,12, S. 215/217. Pict. lat. 1,19, S. 225. Pict. lat. 2,31, S. 247.

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Abb. 3 Albrecht Dürer (1471–1528), Zeichner mit Akt (um 1525), Holzschnitt, Nürnberg, akg-images

zeichnen) durch ein mathematisch exaktes, ‚wissenschaftliches‘ Verfahren, das diesen zentralen, bisher durch Ungenauigkeit und diverse Fehlermöglichkeiten bedrohten Arbeitsschritt der Malerei auf eine neue Stufe zu heben vermag. „Wenn ich nämlich recht sehe, fordern wir vom Maler nicht unendliche Mühe, sondern ein Gemälde, das ein Höchstmaß an Plastizität aufweist und den vorgegebenen Körpern durchaus ähnlich sieht. Wie aber, möchte ich wissen, wird man sich diesem Ziel jemals auch nur halbwegs nähern ohne das Hilfsmittel des Tuches?“21 All dies gilt zumindest für kleinere Flächen, deren „Maße sich trefflich mit Hilfe des Tuches bestimmen lassen.“22 Für sehr große Flächen wie etwa Hauswände oder für die Darstellung kreisförmiger Flächen knüpft Alberti dann noch einmal an seine perspektivischen Erläuterungen im 1. Buch an, sodass damit alle Ausführungen zur Umschreibung vollständig in einem mathematisch-wissenschaftlichen Kontext verbleiben. Er dehnt dieses Verfahren der Umschreibung mittels des velum sogar noch auf den 1. Abschnitt des 2. Kapitels aus, wo es um die Komposition geht. Bei der Komposition der Flächen müssten wir „größtes Vergnügen finden am Gebrauch des Tuches, von dem ich gesprochen habe.“23 5. Nun liefert der Einsatz des velum zweifellos eine perfekte Methode für die exakte Wiedergabe eines zu porträtierenden Gesichts, einer Menschengruppe oder einer ganzen Landschaft, darüber hinaus für diverse Kopiervorgänge, Vergrößerungen oder Verkleinerungen. Die Methode hat nur einen einzigen, allerdings entscheidenden Nachteil: Es muss schon etwas vorhanden sein, das man durch ein velum betrachten und dann 21 22 23

Pict. lat. 2,32, S. 251. Pict. lat. 2,33, S. 253. Pict. lat. 2,35, S. 259.

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nachzeichnen könnte! Die Fläche vor dem offenen Fenster darf nicht leer sein! Genau das ist aber in der Malerei mit der weißen Leinwand oder mit der glatt verputzten Mauer der Fall – wenn man die Porträt- und die Landschaftsmalerei ausschließt, die Alberti ausdrücklich nicht zu den Sujets einer historia zählt.24 Allein wenn man bedenkt, dass zu Albertis Zeiten die überwiegende Zahl der Aufträge für Maler immer noch aus dem sakralen Bereich stammte, es also meist um imaginäre Darstellungen von Jesus Christus oder Maria, von Engeln, Teufeln und Dämonen ging, um Kreuzigung, Grablegung, Auferstehung und vieles andere mehr, was sich unmöglich vor ein velum platzieren ließ, wird die Absurdität der von Alberti als einzige Möglichkeit präsentierten Methode der zeichnerischen Wiedergabe evident. Aber auch weltliche Motive oder Erzählungen aus der Bibel wie das Navicella-Mosaik von Giotto oder der Zinsgroschen von Masaccio, oder profane Themen wie die Wiedergabe von Schlachtenszenen mit sich aufbäumenden Pferden und sterbenden Soldaten ließen sich schwerlich im Atelier arrangieren, um dann mittels eines velum umschrieben zu werden. Bei den meisten Aufträgen der Maler ging es also immer noch um das, was Cennino Cennini bereits auf der ersten Seite seines Libro del arte als Aufgabe der Malerei formuliert hatte: „[…] nie gesehene Dinge zu erfinden (verborgen unter der Hülle natürlicher Objekte) und sie mit der Hand festzuhalten, indem als wirklich vorzustellen ist, was nicht vorhanden [ist]“.25 Genau dabei konnte jedoch das velum nicht helfen. Den frappierendsten Einwand gegen Albertis Vorgehen, für die zeichnerische Fixierung des Bildmotivs ausschließlich das velum vorzusehen oder zumindest unter dem Stichwort Umschreibung nur diese Methode zu thematisieren, liefert allerdings die Tatsache, dass die konsequente Anwendung dieses Hilfsmittels seine gesamten Ausführungen zur Perspektive im 1. Buch überflüssig machen würde. Denn alle per­ spektivischen Verzerrungen, Verkürzungen und Überschneidungen von Personen oder umgebenden Wänden, Fußböden und Gebäuden im dreidimensionalen Raum, die sonst mühsam perspektivisch konstruiert werden müssten, lassen sich durch das velum als zweidimensionale Schnittfläche exakt auf die ebenfalls zweidimensionale Fläche der Leinwand übertragen. Das velum ersetzt die perspektivische Konstruk­ tion –, aber natürlich nur, wenn auch ein reales Motiv vor dem velum vorhanden ist. 6. Dass Albertis Propagierung des velum allerdings nicht nur auf dem Wunsch beruht, den mühseligen Vorgang des freihändigen Zeichnens zu verwissenschaftlichen, sondern einer grundsätzlichen Disposition oder unbewussten Grundeinstellung gegen-

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Bätschmann/Schäublin 2000, 89–90. Eitelberger von Edelberg 1871, 4.

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über dem Wesen der Malerei entspringt, lässt sich an einigen anderen Passagen erkennen. Als er – im Rahmen seines Lobes der Malerei – kurz und eher beiläufig einige Theorien über die Entstehung der Malerei erwähnt („Doch kommt nicht viel darauf an, die ersten Maler oder die Erfinder der Malkunst zu kennen“26), führt er unter anderem die Sage von Narziss an, die „genau wie auf eben diesen Gegenstand zugeschnitten [sei]: Geht es schließlich beim Malen um etwas anderes als darum, mit Kunst jene Oberfläche des Quellteichs zu umarmen?“27 Die spiegelnde Wasseroberfläche ist hier für ihn – wie an anderer Stelle das velum, das offene Fenster oder die Schnittfläche durch die Sehpyramide – das perfekte Beispiel für das Prinzip des Malens als Reduktion einer dreidimensionalen Realität auf ihr zweidimensionales Abbild, das es dann nur noch „mit Kunst“ zu „umarmen“, also zu umschreiben gelte. In die gleiche Richtung deuten weitere, allerdings eher unauffälligere Formulierungen. Als er im 3. Buch gleich an erster, also zentraler Stelle noch einmal die Aufgabe des Malers definiert, schreibt er: „Die Aufgabe des Malers besteht darin, beliebige gegebene Körper [data corpora] so auf einer Fläche mit Linien und Farben zu zeichnen und zu malen, dass – aus einem bestimmten Abstand und bei einer bestimmten, im voraus zugewiesenen Stellung des Zentralstrahls – alles, was man gemalt sieht, plastisch und den gegebenen Körpern [datis corporibus] vollkommen ähnlich erscheint.“28 – Kurz gefasst geht es also um die perspektivisch korrekte und vollkommen ähnliche Darstellung eines sichtbar vorhandenen, gegebenen Körpers. Zweimal taucht in dieser Definition das Adjektiv datum (gegeben) auf, dessen bewusste Hinzufügung zum Substantiv corpus nur dann einen Sinn ergibt, wenn es gar nicht um das Malen, sondern eigentlich um das ‚Abmalen‘ eines „gegebenen“ Körpers geht („einen Gegenstand malend richtig nachzuahmen“29). Alberti benutzt hier exakt die gleiche Wortwahl wie im schon zitierten Abschnitt, in dem es um seine Forderung nach Verwendung des velum für ein Gemälde ging, das den „vorgegebenen Körpern“30 (datis corporibus) durchaus ähnlich sehen soll. Aber auch schon zwei Abschnitte vorher, als er nach dem ausführlichen Lob der Malerei zum „eigentlichen Gegenstand“31 zurückkehrt, schreibt er: „Da nämlich die Malerei bestrebt ist, gesehene Dinge [res visas] darzustellen, wollen wir festhalten, auf welche Weise die Dinge selbst [res ipsae] in unseren Blick geraten.“32

26 27 28 29 30 31 32

Pict. lat. 2,26, S. 239. Pict. lat. 2,26, S. 237. Pict. lat. 3,52, S. 293 (der in der deutschen Übersetzung von corpora und corporibus bei Schäublin verwendete Singular wurde korrigiert). Pict. lat. 2,31, S. 249. Pict. lat. 2,32, S. 251. Pict. lat. 2,29, S. 247. Pict. lat. 2,30, S. 247.

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7. Mittels dieser Herangehensweise definiert Alberti im Anschluss nicht nur die Umschreibung, sondern auch die Komposition. Bei näherer Betrachtung könne man erkennen, „wie mehrere Flächen eines in den Blick genommenen Körpers gegenseitig aneinanderstoßen; und diese Verbindungen von Flächen wird der Künstler […] Komposition heißen“.33 Diese Definition beruht immer noch auf dem Blick durch das velum, das die „in den Blick genommenen Körper“ auf aneinanderstoßende Flächen reduziert. Drei Kapitel weiter ergänzt er: „Komposition heißt beim Malen das kunstgerechte Verfahren, wodurch die Teile zu einem Werk der Malerei zusammengefügt werden“.34 Diese Teile sind jetzt allerdings nicht mehr nur Flächen, sondern auch Glieder und Körper, und das Gesamtergebnis der Zusammenfügung aller Teile ist die historia. (Nur am Rande sei bemerkt, dass die Deutung der historia in der Übersetzung von Christoph Schäublin eher überzogen erscheint: Im Kontext einer Abfolge vom Kleinsten zum Größten kann man ultimum illud quidem et absolutum pictoris opus35 auch weniger spektakulär mit „das endgültige und vollständige Werk eines Malers“ übersetzen, der erst die Flächen, dann die Glieder und dann die Körper zu einer Gesamtdarstellung, einer historia zusammengesetzt hat. Von dem „letzten und eigentlich vollkommenen Werk“ in Schäublins Übersetzung ist an dieser Stelle eher nicht die Rede. Auch in der zwei Kapitel vorher schon vorweggenommenen Definition amplissimum pictoris opus historia36 muss amplissimum nicht zwangsläufig mit „bedeutendstes“ übersetzt werden, sondern kann auch einfach „umfassendstes, umfangreichstes“ meinen.) Unabhängig davon fällt bei jener Definition qua Aufzählung sofort auf, dass unter den Bestandteilen der historia – Flächen, Glieder, Körper – etwas Entscheidendes fehlt: die Umgebung. Die Körper oder Personen erscheinen wie ausgeschnitten aus einer nicht näher definierten Szenerie. Genau das, was nach unserem heutigen Verständnis das Wesen der Komposition eines Gemäldes ausmacht, nämlich die Art und Weise der Einbettung der Personen und Gegenstände in einen wie auch immer gearteten Bildraum, gehört bei Alberti nicht zu den im Rahmen der Komposition im 2. Buch behandelten Themen. Die bauliche Umgebung und das gesamte sonstige Umfeld wurde von ihm stattdessen bereits im Vorfeld, im Rahmen der Grundlagen der Perspektive im 1. Buch – zumindest kurz – angesprochen. „Diese ganze Methode, einen Fußboden einzuteilen, hat insbesondere mit demjenigen Teil der Malkunst zu tun, den wir – im gegebenen Zusammenhang – Komposition nennen werden.“37 Alberti bezieht sich hier auf seine Beobachtung, dass man „kaum irgendeinen Vorgang der ‚Alten‘ finden

33 Ebenda. 34 Pict. lat. 2,33, S. 253. 35 Pict. lat. 2,35, S. 256. 36 Pict. lat. 2,33, S. 252. 37 Pict. lat. 1,21, S. 231.

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[könne], der richtig ‚komponiert‘ wäre“,38 bei dem also der gesamte Bildaufbau per­ spektivisch richtig konstruiert sei. Auf den angedeuteten „gegebenen Zusammenhang“ kommt er dann im 2. Buch bei der Behandlung der Umschreibung zurück. „Da von den [zu umschreibenden] Flächen die einen klein sind (wie die von Lebewesen), die anderen mächtig (wie die von Gebäuden und von Riesengestalten), […] gilt es ein neues Verfahren zu finden.“39 Dieses Verfahren ist dann die Darstellung der perspektivischen Konstruktion von Mauern, Fassaden oder auch überdachten Innenräumen auf einer sich in die Tiefe erstreckenden, quadrierten Grundfläche (die er bereits im 1. Buch behandelt hatte). Gebäude und Umgebung sind also Angelegenheit der Perspektive, die Darstellung kleiner Flächen (Lebewesen) ist es nicht, dafür ist, zumindest an dieser Stelle, immer noch das velum zuständig. Insofern ist der Gesamtaufbau des Gemäldes bei Alberti zweigeteilt: im Hintergrund der perspektivisch konstruierte Bild- oder Bühnenraum, im Vordergrund die „anmutig und schmuckreich“40 arrangierten Personengruppen der historia, die nicht mehr unter räumlich-perspektivischen Gesichtspunkten der Überdeckung, Verkürzung oder Verzerrung diskutiert werden, sondern meist nur anhand ihrer Übereinstimmung mit allgemeinen physischen oder anatomischen Gesetzen, aber auch mit ästhetischen und gesellschaftlichen Normen. 8. Bei der Komposition der Glieder geht es beispielsweise, (nachdem Alberti für die Komposition der Flächen, die jetzt im wesentlichen auf Gesichtsflächen reduziert sind, immer noch das velum postuliert), um die anatomisch richtige Größe, Lage und Proportion: Wichtig sei, „beim Ablesen der symmetrie der Glieder“ […] „irgendein Glied des betreffenden Lebewesens zu nehmen und damit die übrigen auszumessen“.41 Symmetrie wird hier im Sinne Vitruvs, den er auch (allerdings eher kritisch) erwähnt, als modulare Abstimmung der Glieder untereinander verstanden. Aber nicht nur Maße und Proportionen, sondern auch die Funktion der Glieder (officium bei Alberti, „Dienst“42 bei Schäublin) sowie das Aussehen, die Farben und die Würde der dargestellten Personen müssen sich bei der Komposition der Glieder nach der natura (der realen Wahrnehmungswelt) richten: ein kämpfender Soldat muss anschließend erschöpft aussehen, ein Toter wirklich tot, Helenas Hände nicht wie die einer alten Bäuerin, Jupiter oder Mars nicht nach Frauenart gekleidet sein etc. Mit Komposition im herkömmlichen Sinn hat das wenig zu tun.

38 Ebenda. 39 Pict. lat. 2,33, S. 253. 40 Pict. lat. 2,40, S. 265. 41 Pict. lat. 2,36, S. 259/261. 42 Pict. lat. 2,37, S. 261.

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Auch bei der Behandlung der historia dominieren dann eher abstrakte Hinweise und Bedingungen: Sie muss sich „so anmutig und schmuckreich darbieten, dass sie die Augen eines gelehrten ebenso wie die eines ungelehrten Betrachters für längere Zeit fesselt, unter Vermittlung einer besonderen Lust und inneren Bewegung“43 – eine rhetorische Leerformel. Da wird abstrakt – nach Mannigfaltigkeit und Fülle verlangt – aber auch nicht zuviel davon; – nach Abwechslung in der Stellung und Bewegung der Körper – aber immer taktvoll und sittsam; – nach dem Ausdruck von Seelenregungen, zum einen in den Gesichtern, zum anderen durch alle sieben Formen der Bewegung von Körpern, die alle auf einem Bild vorhanden sein müssen; – schließlich nach allgemeinen Bewegungsabläufen sowohl von belebten Körpern als auch von unbelebten Objekten wie Haaren, Zweigen oder gefalteten Tüchern. Viele seiner zahlreichen, aus realen Beobachtungen abgeleiteten Hinweise auf Stellungen, Bewegungen und Gefühlsausdrücke handelnder Personen liegen allerdings – wie er selbst einräumt – „so unmittelbar zur Hand, dass sie überflüssig erscheinen könnten“44. Aber es gäbe genügend schlechte Gemälde mit übertriebenen oder unnatürlichen Personendarstellungen, die solche Hinweise dennoch erforderlich machten. Insgesamt scheint es, dass Alberti bei der Behandlung der Komposition – vergleichbar dem Vorgehen bei der Umschreibung – immer noch bereits vorhandene oder ihm bekannte Gemälde vor Augen hat (res visas), anhand derer er dann gute oder schlechte, gelungene oder misslungene Lösungen lobt oder anprangert. 9. Diese Sichtweise hilft jedoch dem Maler bei neuen Aufträgen, vor allem aber der „lernbegierigen Jugend“ bei Sujets, Bilderzählungen oder Kompositionen, für die es noch kein Vorbild gibt, nicht weiter. Deshalb – und weil dem angehenden Maler in dieser Situation das velum als mechanisches, ‚wissenschaftliches‘ Hilfsmittel nicht mehr zur Verfügung steht, bringt Alberti gleich am Anfang seiner Ausführungen zur Komposition die natura als neue ‚wissenschaftliche‘ Kategorie gegen das rational nur schwer zu fassende Vorstellungsvermögen des Malers in Stellung: Was vorher das velum leistete, muss nun die natura übernehmen. Es gelte also, „die Natur selbst ins Auge zu fassen“,45

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Pict. lat. 2,40, S. 265. Pict. lat. 2,44, S. 277. Pict. lat. 2,35, S. 257.

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mit ganzer Sorgfalt „bei der Nachahmung der Natur“46 zu verweilen und alle Größen, Maße und Proportionen „von der Natur“47 abzulesen, z. B. durch das Studium der Anatomie. Schöpferische Phantasie sei für die Entwicklung einer Komposition nicht nötig, denn in der Natur sei ja alles schon vorhanden: die schönsten Gesichter, die schönsten Körper, die schönsten Bewegungen, die vielfältigsten Ausdrücke und Körperhaltungen – in allem sei die Natur die Meisterin und vor allem: Der Maler könne all das durch das Studium der Natur problemlos erlernen! Eigene Erfindungskraft sei da eher hinderlich, sie könne auf keinen Fall besser sein als die Natur selbst. Deshalb taucht das Wort ingenium zwar vielfach in seinem Text auf, aber in den meisten Fällen lediglich als „Begabung“ auf verschiedensten Gebieten – oder eher negativ, als „Erfindungskraft“, auf die sich der Maler eben nicht verlassen soll. Alberti polemisiert sogar an mehreren Stellen gegen Maler, die Ruhm und Erfolg „allein aus sich selbst erringen“48 wollen, die also, „wie fast alle Maler seiner Zeit, unbedacht, d. h. im Vertrauen auf die eigene Erfindungskraft zu Werke“49 gehen und so „zu schlechtem Malverhalten abgleiten“.50 Auch in den Kapiteln über den Lichteinfall, dem 3. Teil der „ganzen Malkunst“,51 tauchen mehrere Verweise auf die natura auf: Einerseits unterrichte uns „die Natur und die Gegenstände“52 über Licht- und Schatteneffekte (Abtönung), andererseits berichtet Alberti, was er selbst zu diesem Thema „aus der Natur geschöpft habe“53 und was uns „die Natur selbst“54 tagtäglich lehrt. Allerdings gibt er in diesen Kapiteln auch nützliche Hinweise auf die Erzeugung von Plastizität mittels Licht und Schatteneffekten, auf die Darstellung von konvex und konkav gekrümmten Flächen und auf die möglichst sparsame Verwendung von Weiß, insgesamt also zu Techniken, die auch bei Cennini ausführlich behandelt werden. Im Kapitel 47 spricht Alberti z. B. davon, dass sich eine Farbe durch mehrfaches Schattieren „allmählich wie Rauch in Richtung auf die benachbarten Bereiche auflöst (tum idem deinceps color quasi fumus in contiguas partes diluatur)“.55 Bei Cennini heißt es zum gleichen Thema: el ti viene le tue ombre a modo di un fummo bene sfumate.56 Schließlich, als es dann im 3. Buch um die Frage geht, „wie beim Lernen vorzugehen sei“,57 fordert er auch hier noch einmal und vor allem anderen, „dass man beim Lernen 46 Ebenda. 47 Pict. lat. 2,35, S. 259. 48 Pict. lat. 3,56, S. 301. 49 Ebenda. 50 Ebenda. 51 Pict. lat. 2,50, S. 291. 52 Pict. lat. 2,46, S. 283. 53 Pict. lat. 2,46, S. 285. 54 Pict. lat. 2,47, S. 287. 55 Pict. lat. 2,47, S. 284/285. 56 Milanesi/Milanesi 1859, 86. 57 Pict. lat. 3,55, S. 297.

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sämtliche Schritte der Natur selbst abgewinnen“58 und dass, „wer nach der Malkunst strebt, [alles] der Natur selbst entnehmen“59 müsse. 10. Bei Alberti ersetzt also die Anschauung der Natur, das Vorbild der Natur und die Nachahmung der Natur die schöpferische Phantasie des Malers. Deshalb tauchen Kreativität, Intuition und Inspiration, die man gemeinhin mit jeder anspruchsvollen künstlerischen Tätigkeit verbindet, als zentrale Kategorien an keiner Stelle des Traktats auf, vor allem dort nicht, wo man es nach heutigem Verständnis auf jeden Fall erwartet hätte: bei der Komposition. Darauf weist auch Bätschmann in seiner Einleitung hin: „Die fantasia wird in Albertis Schriften über die Künste ignoriert, und die verwandte imaginatio […] wird nicht erwähnt“.60 Aber Ziel und Zweck seines Traktats war eben auch gar nicht die vollständige Darstellung der Malkunst mit all ihren technischen und auch kreativen Grundlagen, sondern die Errichtung eines abstrakten, theoretischen Lehrgebäudes, wie es für die Aufnahme der Malerei in den Kreis der artes liberales zwingend erforderlich war. Er wollte eine neue Sichtweise auf die Malerei etablieren, die diese sowohl auf die grundlegenden wissenschaftlichen Disziplinen der Mathematik, Optik und Rhetorik zurückführte, wie auch auf die Gesetze der Anatomie, der Ästhetik und der Formgebung insgesamt, wie sie durch die natura als Schöpferin aller Dinge, durch die Naturgesetze also, vorgegeben waren. Und in einer solchen, ‚wissenschaftlichen‘ Trias aus Mathematik, Rhetorik und Naturgesetzen hatten individuelle Kreativität, unkalkulierbare Inspiration und jahrelange Plackerei in den Werkstätten keinen Platz. 11. Nun hat allerdings auch der Rekurs auf die natura als Ersatz für die künstlerische Inspiration – ähnlich wie beim velum – eine Kehrseite: Die Natur ist keineswegs immer das anzustrebende Vorbild für den Maler! So wie es schöne Gesichter, schöne Körper, anmutige Stellungen und Bewegungen gibt, finden sich in der Natur (Realität) gleichermaßen auch hässliche Gesichter, unproportionierte Körper und groteske Stellungen oder Bewegungen, kurz: in der realen Wahrnehmungswelt ist immer das gesamte Spektrum von schön bis hässlich vorhanden, wobei das Mittelmaß bei wei-

58 Ebenda. 59 Pict. lat. 3,55, S. 299. 60 Bätschmann/Schäublin 2000, 98.

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tem überwiegt und wahre Schönheit sogar „nur spärlich […] und verstreut“61 auftritt. Da es Alberti aber bei der Malerei „in erster Linie [darauf ankommt], Zierde und Schönheit (gratia et pulchritudo)“62 zu erreichen, muss er bei jeder Anrufung der natura jeweils die Mahnung an den Maler hinzufügen, „darauf zu achten, wie eben die Natur, die wunderbare Bildnerin der Dinge, auf den schönsten Gliedern die Flächen zusammengefügt hat“.63 Keineswegs sei die gesamte natura das Vorbild, sondern es gelte, ausschließlich „von den schönsten Körpern alle diejenigen Teile auszulesen, denen Lob gezollt wird. Und dementsprechend muss man in erster Linie sein Streben und seinen Fleiß darauf richten, Schönheit wahrzunehmen, festzuhalten und wiederzugeben“.64 Wie dies allerdings geschehen soll, wann etwas schön ist, wie Schönheit entsteht und wie man sie erkennt, sagt er nicht! Er liefert keine Kriterien, geschweige denn eine Theorie der Schönheit, sondern beruft sich nur allgemein auf „jene Idee der Schönheit, welche selbst die Kenntnisreichsten kaum deutlich zu unterscheiden vermögen.“65 Woran aber soll sich dann die „lernbegierige Jugend“ oder der Maler im Atelier orientieren? Sollten sie, wie etwa Zeuxis, auf Notlösungen zurückgreifen und – weil sich das Gesuchte (die Darstellung des Liebreizes) „nicht einmal, mit Blick auf die Natur, an einem einzigen Körper finden lasse“,66 fünf verschiedene Mädchen aus der Jugend der Stadt auswählen, „um auf dem Gemälde wiederzugeben, was an weiblicher Schönheit bei jedem der Mädchen am meisten Lob zu verdienen schien“?67 Für die Praxis in den Werkstätten – und erst recht für die lernbegierige Jugend – kann das kaum ein ernst zu nehmender Vorschlag gewesen sein, aber weitere Hinweise gibt Alberti nicht. Es kommt aber noch ein Weiteres hinzu: Ganz unabhängig von der ästhetischen Frage bleibt die naturgetreue Darstellung von Menschen, Ereignissen und Landschaften in der Kunst, wie sie Alberti fordert und wie sie dann gerade die Maler der Renaissance zu erstaunlicher Blüte geführt haben, natürlich ein hohes und erstrebenswertes Ziel der damaligen Zeit. Aber schon, wenn man sich etwa die extremen Unterschiede in den beiden bekanntesten Bilderzählungen der Narcissus-Legende von Caravaggio und J. W. Waterhouse vor Augen führt – beide gleichermaßen in exzellenter „naturalistischer“ Manier ausgeführt (Abb. 4–5) –, wird klar, dass Albertis allgemeine und abstrakte Forderung nach naturgetreuer Darstellung nicht die geringste Hilfestellung bei der Entwicklung solcher ganz konkreten und im Ergebnis dann gänzlich unterschiedlichen

61 Pict. lat. 3,55, S. 299. 62 Pict. lat. 2,35, S. 256/257. 63 Pict. lat. 2,35, S. 257. 64 Pict. lat. 3,55, S. 299. 65 Pict. lat. 3,56, S. 301. 66 Ebenda. 67 Ebenda.

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Abb. 4 Caravaggio (1571–1610), Narcissus (um 1597). Galleria Nazionale d’Arte Antica, Rom, Eric Vandeville / akg-images

Abb. 5 John William Waterhouse (1849–1917), Echo and Narcissus (1903). Walker Art Gallery, Liverpool (Ausschnitt), akg-images

Bilderfindungen geben kann. So bleibt auch hier genau jene von Alberti gleich im Anschluss an das Zeuxis-Beispiel noch einmal geschmähte „Erfindungskraft“68 (ingenium) unerlässlich, um die jeweils individuelle künstlerische Interpretation des Stoffes umzusetzen, die sich nicht in der Darstellung realer Personen oder Ereignisse „nach der Natur“ erschöpft, sondern sich aus der ureigensten Intuition des Malers speist. Wieder führt der von Alberti propagierte Versuch, die bildliche Vorstellungskraft des Malers zu ersetzen – diesmal nicht durch den Rekurs auf das velum, sondern auf die natura –, letztlich in die Sackgasse. 12. Allerdings konnte selbst Alberti die zentrale Qualifikation eines jeden nennenswerten Malers, also Phantasie, Kreativität und bildliche Vorstellungskraft, nicht gänzlich unter den Tisch fallen lassen. Nachdem er also das 2. Buch beendet hat, in dem er – nach seinen Worten – bereits „die ganze Malkunst“69 dargestellt hat, tauchen im 3. Buch auf einmal zwei Beispiele für eine inventio auf: die Verleumdung und die Großmut, aller-

68 Ebenda. 69 Pict. lat. 2,50, S. 291.

Die Funktion der natura im Malereikonzept Albertis

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dings immer noch nicht vorrangig als Beispiele für Erfindungen der Maler, sondern für Sujets der Dichter und Redner, die dem Maler „hinsichtlich derjenigen Erfindungen behilflich sein [können], die ihm beim Malen erstrangigen Ruhm verschaffen.“70 Anlässlich des Zeuxis-Beispiels fällt er wenig später sogar noch einmal in seine alte Argumentation zurück und polemisiert erneut gegen jene Maler, die „danach trachten, ohne ein Modell, dass sie nachahmen könnten, d. h. allein mit Hilfe ihrer Erfindungskraft (ingenium) die Ruhmestitel der Schönheit zu erhaschen.“71 Und selbst drei Kapitel nach diesem Beispiel beharrt er immer noch auf seiner Forderung, „dass man sich stets ein erlesenes und einzigartiges Modell vornimmt. Dieses gilt es dann zu betrachten und nachzuahmen.“72 Aber direkt im nächsten Satz folgt dann – zum ersten Mal und nur wenige Kapitel vor dem Schluss des gesamten Traktats – ein für seinen Argumentationsgang erstaunlicher Satz: Der Maler solle „niemals mit Pinsel oder Stift zu Werke gehen, ohne zuvor in seinem Sinn [lat. mente] aufs Beste geplant zu haben, was er schaffen und wie er das Betreffende zur Vollendung bringen will.“73 Am Ende der Seite lesen wir sogar: „Nur dann, wenn der Geist [diesmal ingenium im Sinne von Vorstellungskraft] zuvor den Weg erkundet hat, […] darf man die Hand an ein Kunstwerk legen.“74 Und schließlich, nur wenige Seiten vor dem Schluss, schildert Alberti dann ganz beiläufig die tatsächliche Arbeitsweise des Malers bei der Erstellung eines Gemäldes: Stehen wir nun vor der Aufgabe, einen Vorgang zu malen, so werden wir zunächst ziemlich lange darüber nachdenken, in welcher Ordnung und auf welche Weise wir ihn gestalten müssen, um größtmögliche Schönheit zu erzielen. Dabei werden wir auf Papier kleine Skizzen entwerfen und bald den ganzen Vorgang, bald dessen einzelne Teile versuchsweise festhalten; […] Als Krönung unserer Mühe wird schließlich alles so umfassend vorbedacht [!] sein, dass es im Hinblick auf das geplante Werk nichts geben kann, von dem wir nicht genau wüssten, an welche Stelle es gehört.75

Und erst, wenn der gesamte Entwurf abgeschlossen sei, „nehmen wir die Hilfe [eines Netzes] von Parallelen in Anspruch“,76 um die Skizzen auf das endgültige Werk zu übertragen und damit jenen Kopiervorgang auszuführen, wie er im Kapitel über die Umschreibung als erster, nicht als vorletzter Schritt auf dem Weg zu einem fertigen Gemälde beschrieben wurde und wie er jetzt auch Sinn macht, weil mit dem Entwurf

70 Pict. lat. 3,54, S. 297. 71 Pict. lat. 3,56, S. 301. 72 Pict. lat. 3,59, S. 305. 73 Ebenda. 74 Ebenda. 75 Pict. lat. 3,61, S. 309. 76 Ebenda.

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und den Skizzen etwas vorhanden ist, was man dann auch kopieren oder vergrößern, kurz: umschreiben könnte. 13. Die Beiläufigkeit, mit der Alberti ganz zum Schluss schließlich doch noch die allgemein geläufige Arbeitsweise der Maler einführt, die allerdings derjenigen, welche er bisher in seinem Traktat propagiert hatte, diametral entgegengesetzt ist – oder mit der er eine Kategorie (den Entwurf) einführt, die er im größten Teil seiner Abhandlung noch nicht der Erwähnung für würdig befunden hatte –, ist verblüffend und die entsprechenden Passagen können auch leicht überlesen werden. Sie entspricht aber der bewährten rhetorischen Praxis, gewisse unliebsame Bezüge zu verschleiern oder zu marginalisieren, indem diese nur nebenbei und unter vielen anderen Punkten erst ganz am Ende des Traktats erwähnt werden. Der Grund für dieses Vorgehen ist, dass es Alberti mit seiner Art und Weise, „die Kunst selbst in einem völlig neuen Ansatz“77 darzustellen, gerade nicht darum ging, „der Malkunst zu ihrer letzten Vollkommenheit [zu] verhelfen“,78 sondern dezidiert darum, objektive Kategorien in das Theoriegerüst der Malerei einzubauen – die Mathematik mit Perspektive und velum auf der einen, die natura und die Naturgesetze auf der anderen Seite – und dadurch ein allein auf die anerkannten Wissenschaften gegründetes Fundament zu schaffen, das in der Lage war, die Malerei aus der Sphäre des schnöden Handwerks endgültig auf die Ebene der artes liberales zu heben und damit für seine Humanistenkollegen, für die Fürstenhöfe und für die zukünftigen Malergenerationen die Basis für ein höheres gesellschaftliches Ansehen der Maler zu schaffen. Von daher sollte Albertis De pictura in Zukunft allerdings weniger als zentrale kunsttheoretische Schrift über das Wesen der Malerei gelesen werden (zu dem sie nur wenig beizutragen vermag), sondern eher als strategischer Traktat, der in der aufblühenden Renaissance den theoretischen Grundstein für eine neue Bewertung der Bildenden Künste legte und genau als solcher von den Zeitgenossen (Künstlern, Humanisten und Fürstenhäusern) auch verstanden wurde.

77 78

Pict. lat. 2,26, S. 239. Pict. lat. 3,63, S. 315.

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Literaturverzeichnis Bätschmann/Schäublin 2000: Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin (ed./com./trans.): Leon Battista Alberti: De statua, De pictura, Elementa picturae / Das Standbild, die Malkunst, Grundlagen der Malerei, Darmstadt 2000. Bätschmann/Gianfreda 2014: Oskar Bätschmann, Sandra Gianfreda (ed./com./trans.): Leon Battista Alberti: Della Pittura – Über die Malkunst, Darmstadt 42014. Eitelberger von Edelberg 1871: Rudolf Eitelberger von Edelberg (trans.): Cennino Cennini, Das Buch von der Kunst (Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance 1), Wien 1871. Fischer 2012: Günther Fischer: Leon Battista Alberti. Sein Leben und seine Architekturtheorie, Darmstadt 2012. Milanesi/Milanesi 1859: Gaetano Milanesi, Carlo Milanesi (ed.): Cennini, Cennino, Il Libro dell’arte, o Trattato della pittura, Florenz 1859.

Sichtbarer Euklid? Zur Geometrisierung des Bildes in De pictura Gabriel Siemoneit Bei all den Rätseln, die Leon Battista Alberti modernen Interpretinnen und Interpreten mit De pictura aufgegeben hat, scheint zumindest das Grundanliegen der Schrift offenkundig zu sein: Alberti wollte die Malerei vom Makel eines prestigelosen Handwerks befreien und in den Rang einer Wissenschaft bzw. einer mit wissenschaftlichem Anspruch betriebenen ars liberalis erheben.1 Benötigt wurde dafür die nobilitierende Abhängigkeit von einer anerkannten Wissenschaft. Alberti wählte die altehrwürdige Geometrie, da diese mit denselben graphischen Objekten zu hantieren schien wie der Maler und seit Euklid auf einem axiomatischen Fundament ruhte.2 Ausgehend vom Punkt als dem elementaren Objekt würde sich die Malerei analog zur Geometrie systematisch bis zum vollendeten Bild aufbauen lassen. Aber ist es Alberti überhaupt gelungen, diesen Anspruch einzulösen? In welchem Sinne genau sollen die geometrischen Objekte Punkt, Linie usw., die er gleich zu Beginn des ersten Buches von De pictura in Anlehnung an das erste Buch von Euklids Elementen definiert, als Grundlage für die Malerei dienen und inwiefern wäre diese

1

2

Siehe z. B. Stowell 2015, 106; Bätschmann/Schäublin 2011, 104; Kessler 2008, 48; Field 1997, 70; Westfall 1969, bes. 493–494. Text und Übersetzung von De pictura werden im Folgenden zitiert nach Bätschmann/Schäublin 2011. Aus der Widmung der lateinischen Fassung an Gianfrancesco I. Gonzaga: Hos de pictura libros, princeps illustrissime, dono ad te deferri iussi intelligebam te maximum in modum in his ingenuis artibus delectari […]; Pict. lat. 2,28: nam est pingendi ars profecto liberalibus ingeniis et nobilissimis animis dignissima; Pict. lat. 3,52: Sed cupio pictorem, quo haec possit omnia pulchre tenere, in primis esse virum et bonum et doctum bonarum artium; siehe auch Pict. lat. 2,26. Bereits Pier Paolo Vergerio (il Vecchio, 1370–1444) musste der Malerei unter Rückgriff auf Aristoteles Berührungspunkte mit einer ars konzedieren (De ingenuis moribus 41, Kallendorf 2002, 48–50; vgl. Aristot. Pol. 8,3; siehe auch das Lob der Malerei bei Plinius d. Ä., Nat. 35,1–14, bes. 2: primumque dicemus, quae restant de pictura, arte quondam nobili). Der Vita zufolge könnte Alberti auf Basis einer „versione aggiornata“ von Vergerios Programm ausgebildet worden sein (Wright 2010, 163). Eine Annäherung an die artes liberales erfolgte auch dadurch, dass Malerei und Dichtung, Alberti zufolge, gemeinsame Ziele und Methoden haben (Westfall 1969, bes. 500–507).

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dadurch verwissenschaftlicht worden? Immerhin scheint Albertis Neukonzeption in der Fachwelt nicht uneingeschränkte Euphorie ausgelöst zu haben. Die kurze Schrift De punctis et lineis apud pictores deutet einen mutmaßlich vonseiten der Mathematiker vorgetragenen Kritikpunkt an, gegen den er sich bereits in De pictura zur Wehr gesetzt hatte: Albertis Punkte und Linien sind sichtbar und konkret – wenngleich winzig klein –, die Punkte und Linien der Mathematiker unsichtbar und abstrakt. Anscheinend wurde dies als unzulässige Kategorienkonfusion gewertet, die Alberti mit dem schlichten Hinweis legitimierte, er schreibe eben als Maler, nicht als Mathematiker, und beschränke sich deshalb auf das Sichtbare.3 Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, dieser Kritik aus der Perspektive einer aristotelisch-scholastisch geprägten Wissenschaftskonzeption nachzugehen. Dafür sollen die Unsichtbarkeit geometrischer Objekte und die angestrebte Verwissenschaftlichung der Malerei in Beziehung gesetzt und anschließend geprüft werden, ob der Malerei unter diesen Bedingungen überhaupt ein vergleichbarer Status wie etwa der Optik hätte zukommen können. Im ersten Abschnitt („Zur Unsichtbarkeit geometrischer Objekte“) wird auf das Problem der Unsichtbarkeit geometrischer Objekte eingegangen. Der zweite Abschnitt („Geometrie und die scientiae mediae“) skizziert die in diesem Zusammenhang relevanten Grundlinien einer aristotelisch-scholastischen Wissenschaftskonzeption. Der dritte Abschnitt („Die Malerei als scientia media?“) prüft anhand exemplarisch ausgewählter Stellen von De pictura, inwiefern der Text anschlussfähig an eine solche Art von Wissenschaft gewesen wäre. Der vierte und letzte Abschnitt deutet einige Konsequenzen für das Verständnis von De pictura an.4 1. Zur Unsichtbarkeit geometrischer Objekte Ursprünglich war die Geometrie eine empirische Wissenschaft, die ihr Dasein konkreten Problemen in Wirtschaft und Verwaltung verdankte und die Korrektheit ihrer Methoden induktiv anhand von Erfahrungswerten erschloss. Bei den Ägyptern waren dies beispielsweise Verfahren zur Feldvermessung nach der Nilschwemme, zur Berechnung von Lohn und Material oder zur Bestimmung der Güte von Brot und Bier.5 Die Babylonier führten Berechnungen astronomischer Vorgänge durch und kannten den Satz des Pythagoras.6 Bei den hierbei auftretenden ‚Linien‘ handelte es sich etwa um die Begrenzungen von Feldern, bei den ‚Punkten‘ um die Endpunkte dieser Begrenzungen, also stets um räumlich ausgedehnte, sicht- und messbare Objekte.

3 4 5 6

Siehe Alberti, Pict. lat. 1,1 und Punct. lin. (Bätschmann/Schäublin 2011, 367). Da die volksprachliche Fassung von De pictura an den betrachteten Stellen keine signifikanten Unterschiede aufweist, lassen sich die Ergebnisse übertragen. Wussing 2008, 104–121. Wussing 2008, 122–142.

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Abb. 1 Kommensurabilität und Inkommensurabilität (eigene Darstellung)

Der Wandel hin zu unsichtbaren, abstrakten Punkten und Linien wurde wahrscheinlich von der frühen pythagoreischen Schule des 6. oder 5. vorchristlichen Jahrhunderts angestoßen. Ausschlaggebend war die Entdeckung inkommensurabler Längen, die man Hippasos von Metapont zuschreibt.7 Zwei Längen heißen kommensurabel, wenn sie ein gemeinsames Maß haben, wenn es also eine dritte Länge gibt, aus der sich beide Längen ohne Rest zusammensetzen lassen.8 Die Rechteckseiten AB und AD in Abbildung 1 (links) beispielsweise sind kommensurabel, da die Länge c genau 3-mal in AD und 2-mal in AB hineinpasst. Entsprechend heißen zwei Längen inkommensurabel, wenn es eine solches gemeinsames Maß nicht gibt. In der Arithmetik (der natürlichen Zahlen) ist dieses Phänomen übrigens völlig unbekannt, da sich jede natürliche Zahl aus Einsen zusammensetzen lässt.9 In der Geometrie jedoch tritt Inkommensurabilität bei ganz ‚alltäglichen‘ Figuren auf: In jedem Quadrat sind Seite und Diagonale inkommensurabel, in jedem regelmäßigen Pentagramm ebenso. Ob Hippasos die Inkommensurabilität am Quadrat oder am Pentagramm entdeckt hat, ist nicht abschließend geklärt; der Anschaulichkeit halber sei sie am Pentagramm illustriert. Die Bestimmung des gemeinsamen Maßes der Seite AB und der Diagonale EC im regelmäßigen Pentagramm (Abbildung 1, rechts) erfolgt mithilfe der sogenannten Wechselwegnahme (ἀνθυφαίρεσις).10 Dabei wird wiederholt die kleinere Länge von der größeren abgezogen. Wenn ein gemeinsames Maß existiert, werden irgendwann

7 8 9 10

Das Folgende nach Felgner 2020, 3–14; siehe auch Szabó 1969, bes. 263–287; von Fritz 1945. Die (In)Kommensurabilität von Längen ist definiert in Eucl. El. 10, def. 1. Siehe Eucl. El. 7,1 bzw. den sogenannten euklidischen Algorithmus zur Bestimmung des größten gemeinsamen Teilers zweier nicht teilerfremder Zahlen in Eucl. El. 7,2. Siehe Eucl. El. 10,2.

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zwei gleichgroße Längen voneinander abgezogen und das Verfahren endet. Zieht man nun beim Pentagramm die Seite AB von der Diagonalen EC ab, dann bleibt B′C als Rest übrig (AB ist genauso lang wie EB′). Die beiden neuen Längen sind EB′ und B′C. Zieht man B′C als kleinere Länge von der größeren Länge EB′ ab, dann bleibt A′B′ als Rest übrig (B′C ist genauso lang wie EA′). Es ergeben sich die beiden neuen Längen EA′ und A′B′. Macht man sich nun klar, dass EA′ genauso lang ist wie E′C′, dann erkennt man die Ausgangssituation wieder, nur verkleinert: A′B′ ist eine Seite des kleinen Pentagons, das sich im großen Pentagramm befindet, und E′C′ ist dessen Diagonale. Es muss also abermals ein gemeinsames Maß von Seite und Diagonale im Pentagramm gefunden werden, mit dem unerheblichen Unterschied, dass das neue Pentagramm kleiner ist als das erste. Diese Schritte können so lange wiederholt werden, bis das Zeichengerät nicht mehr klein genug ist, um noch kleinere, aber unterscheidbare Strecken einzuzeichnen. Dann allerdings steht immer noch nicht fest, ob es ein gemeinsames Maß gibt! Die entscheidende Neuerung war nun, dass die Pythagoreer diesen Befund ernst nahmen und sich von der Empirie abwandten.11 Wenn man die beteiligten Strecken nämlich in Gedanken ‚unendlich dünn‘ macht, erkennt man sofort, dass das Verfahren niemals abbrechen wird. Durch Sehen und Zeichnen allein lässt sich im Allgemeinen also nicht feststellen, ob eine geometrische Aussage wahr oder falsch ist. Geometrie kann sich demnach nur mit rein gedanklichen, abstrakten Objekten befassen. Es war in der Geschichte der Geometrie bis dahin noch nie nötig gewesen, die Frage zu stellen, wie breit geometrische Geraden sein dürfen, aber jetzt stellte sich diese Frage erstmals und die Antwort lautete, daß sie überhaupt keine Breite haben dürfen. Ganz genauso stellte sich die Frage, wie dick Punkte sein dürfen, und die Antwort lautete, daß sie keine Ausdehnung haben dürfen. […] Von solchen idealisierten Punkten, Geraden, Flächen und Körpern war in der älteren ägyptisch-babylonischen Geometrie und auch bei Thales […] nie die Rede gewesen.12

Ein vielzitiertes Zeugnis dieser Entwicklung ist der Beginn von Euklids Elementen. Im griechischen Original lautet er:13 α´. Σημεῖόν ἐστιν, οὗ μέρος οὐθέν. β´. Γραμμὴ δὲ μῆκος ἀπλατές. γ´. Γραμμῆς δὲ πέρατα σημεῖα.

11 12 13

Dabei dürften sie von den Eleaten beeinflusst gewesen sein, die der Empirie ebenfalls einen geringen Stellenwert einräumten (Szabó 1969, 289–294). Felgner 2020, 7–8. Heiberg 1883, 2.

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Alberti hat Euklid über die lateinische Übersetzung von Campano da Novara rezipiert, die die ersten drei Definitionen wie folgt wiedergibt:14 (i) Punctus est cuius pars non est. (ii) Linea est longitudo sine latitudine, (iii) cuius quidem extremitates duo puncta sunt. (1. Ein Punkt ist, was keine Teile hat, 2. eine Linie breitenlose Länge. 3. Die Enden einer Linie sind zwei Punkte.)

Die unsichtbaren Punkte und Geraden haben in der Folgezeit deutliche Rezeptionsspuren hinterlassen und werfen bis heute ontologische Probleme auf: Werden sie gefunden oder erfunden, gibt es sie also, oder werden sie konstruiert? In welchem Sinne könnten sie existieren bzw. welchen Wirklichkeitsbezug hat die Geometrie eigentlich? Immerhin scheint sich die Natur zumindest in Teilen nach geometrischen Prinzipien beschreiben zu lassen, man denke etwa an das Reflexionsgesetz.15 Welche Art von Wissenschaft – wenn überhaupt – war also beispielsweise die Optik? Eine Möglichkeit, auf diese Herausforderungen zu reagieren, ist Spott. In Lukians Hermotimus, der Alberti bekannt war, heißt es:16 οἷα καὶ ἡ θαυμαστὴ γεωμετρία ποιεῖ – κἀκείνη γὰρ τοὺς ἐν ἀρχῇ ἀλλόκοτά τινα αἰτήματα αἰτήσασα καὶ συγχωρηθῆναι αὐτῇ ἀξιώσασα οὐδὲ συστῆναι δυνάμενα – σημεῖά τινα ἀμερῆ καὶ γραμμὰς ἀπλατεῖς καὶ τὰ τοιαῦτα, ἐπὶ σαθροῖς τοῖς θεμελίοις τούτοις οἰκοδομεῖ τὰ λοιπὰ καὶ ἀξιοῖ εἰς ἀπόδειξιν ἀληθῆ λέγειν ἀπὸ ψευδοῦς τῆς ἀρχῆς ὁρμωμένη. (So macht es ja auch diese merkwürdige Geometrie. Die konfrontiert ja ebenfalls die Anfänger mit einigen sonderbaren Axiomen und verlangt, daß man sie akzeptiert, obwohl sie sich nicht begründen lassen, irgendwelche unteilbare Einheiten und zweidimensionale Linien und solches Zeugs, und auf diesem wackligen Fundament errichtet sie dann das Übrige und behauptet, dessen Wahrheit sei bewiesen, wo sie doch ihren Ausgang von derart windigen Prämissen genommen hat.)

14

Lat. Üs. Busard 2005, 55; dt. Üs. nach Thaer 1969, 1. Zu Albertis Euklid-Rezeption siehe z. B. Massalin/Mitrović 2008–2009. 15 Das Reflexionsgesetz besagt, dass Einfallswinkel und Ausfallswinkel gleich groß sind und mit dem Lot in einer Ebene liegen; s. u. den Abschnitt „Geometrie und die scientiae mediae“. 16 Luc. Herm. 74; Text und Üs. von Möllendorff 2000. Zu Albertis Lukian-Rezeption siehe z. B. D’Ascia 2018; Antonucci 2005. Zur Kritik an der Geometrie aus philosophischer Sicht siehe Sextus Empiricus, Adversus geometras (Sext. S. 3).

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2. Geometrie und die scientiae mediae Aristoteles hat sich dieser Probleme aus wissenschaftstheoretischer Sicht angenommen.17 Auf ihn geht mittelbar das Konzept der scientiae mediae zurück, das bis in die frühe Neuzeit einen der wichtigsten Bezugsrahmen für die naturwissenschaftliche Forschung bereitstellte und sich deshalb als Referenzpunkt auch für die Betrachtungen zur Wissenschaftlichkeit von De pictura eignet.18 Die relevanten Überlegungen, die Aristoteles im Wesentlichen in den Analytica posteriora und der Physik niedergelegt hat, wurden vom Aristoteles-Kommentator Robert Grosseteste (vor 1170–1253) speziell für die Naturwissenschaften ausgearbeitet.19 Im Kern laufen sie darauf hinaus, dass die Untersuchungsgegenstände einer Naturwissenschaft sowohl physikalisch-materielle als auch mathematisch-geometrische Eigenschaften haben, wobei Letztere durch Abstraktion gewonnen werden. Beide sind am Forschungsprozess beteiligt: Die Beobachtung der physikalisch-materiellen Natur liefert die Kenntnis eines bestimmten Sachverhaltes, also das ὅτι/quid. Erklären allerdings kann die Beobachtung den Sachverhalt nicht, sondern nur die abstrakte Geometrie. Sie kennt die Ursachen physikalischer Ereignisse, also das διότι/propter quid.20 Damit die Geometrie diese erklärende Rolle wahrnehmen kann, darf sie mit der zu erklärenden Wissenschaft, also zum Beispiel mit der Optik, nicht auf derselben Stufe stehen, sondern muss ihr übergeordnet sein. Die Übertragung von Beweisen in eine gleichrangige Wissenschaft ist nach Aristoteles nämlich unzulässig, in eine untergeordnete Wissenschaft dagegen problemlos möglich. Deshalb wird die Optik, ebenso wie die Astronomie und die Mechanik, der Geometrie untergeordnet. Zusammen mit der Musik, die der Arithmetik unterstellt ist, bilden diese vier Disziplinen eine Grup-

17

Zu den Elementaschriften, deren mit Abstand prominentester, aber nicht einziger Vertreter Euklid war, siehe Asper 2007, 95–212. 18 Im vorliegenden Beitrag werden die Begriffe „Naturwissenschaft(en)“ und „Optik“ unspezifisch im aristotelisch-scholastischen Sinne verwendet. Für die bescheidenen Ziele können die theoretischen Verzweigungen des damaligen Diskurses unberücksichtigt bleiben, so etwa die Kontroversen zwischen Empirismus und Rationalismus oder Nominalismus und Realismus, die Frage, ob Mathematik und Naturwissenschaften völlig voneinander zu trennen seien, der Zusammenhang von (Un)Teilbarkeit und Kontinuum oder die Tatsache, dass die platonisch geprägte euklidische Geometrie und die aristotelische Wissenschaft in letzter Konsequenz inkompatibel sind (dazu siehe Felgner 2020, 42; zu den Implikationen für die scholastische Wissenschaft siehe Sylla 1997; Lindberg 1982). 19 Aristot. APo. 1,7, 9, 13; Phys. 2,2; siehe auch Metaph. 13,3. Zur Rezeption durch Grosseteste siehe Laird 1987; Lindberg 1982, bes. 10–14; Crombie 1971, 91–127. Zu Aristoteles’ Konzeption mathematischer Gegenstände und seinem Wissenschaftsverständnis siehe z. B. Bronstein 2021; Detel 2021; Hasper 2021; sowie den Überblick in Mittelstrass 2004. 20 Siehe z. B. den Beginn von De iride: Et perspectivi et physici est speculatio de iride. Sed ipsum „quid“ physici est scire, „propter quid“ vero perspectivi. Propter hoc Aristoteles in libro meteorologicorum [3,4] non manifestavit „propter quid“, quod est perspectivi, sed ipsum „quid“ de iride, quod est physici, in brevem sermonem coarctavit (Baur 1912, 72 l. 12–16).

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pe, für die Thomas von Aquin den Begriff scientiae mediae prägte, da sie eine Mittelstellung einnehmen zwischen abstrakter Mathematik und konkreter Physik.21 In seinem Kommentar zur Zweiten Analytik übertrug Grosseteste diese Konzeption wie folgt auf das Reflexionsgesetz:22 Demonstratur in perspectiva quod omnes duo anguli quorum alterum constituit radius incidens cum speculo et reliquum radius reflexus sunt duo anguli radiosi equales, et hec conclusio probatur per istam geometrie: omnium duorum triangulorum quorum unus angulus unius est equalis uni angulo alterius et latera equales angulos continentia sunt proportionalia, reliqui anguli prout se respiciunt sunt equales. Et hec propositio […] abstrahit a triangulis et ab angulis et a lateribus radiosis et non radiosis, sed […] conclusionem predictam speculative appropriatur ad triangulos et angulos et latera radiosa hoc modo […]. (In der Optik wird bewiesen, dass zwei Winkel, von denen der einfallende Strahl mit dem Spiegel den einen bildet und der reflektierte Strahl den anderen, zwei gleiche strahlende Winkel sind. Und diese Schlussfolgerung wird aufgrund des folgenden [Satzes] der Geometrie gezogen: In zwei beliebigen Dreiecken, von denen ein Winkel in einem Dreieck gleich groß ist wie ein Winkel in dem anderen, und in denen die Seiten, die die gleichen Winkel einschließen, proportional sind, sind auch die übrigen sich entsprechenden Winkel gleich. Dieser Satz […] abstrahiert von den strahlenden und nicht-strahlenden Dreiecken, Winkeln und Seiten, aber […] die genannte Schlussfolgerung wird wie folgt auf strahlende Dreiecke, Winkel und Seiten übertragen […].)

Es schließen sich weitere Ausführungen an, in denen Grosseteste das anhand der Geometrie gewonnene Ergebnis auf den empirisch beobachtbaren Reflexionsvorgang zurücküberträgt. Das Entscheidende ist, dass Grosseteste Optik und Geometrie als zwei verschränkte Wissenschaften ansieht. Er bezieht sich auf physikalische Erscheinungen und benutzt zu deren Beschreibung geometrische Begriffe (angulus, triangulus, latus), die, das sagt er ausdrücklich dazu, als Abstraktionen aufzufassen sind. Die Erklärungsleistung wird von der Geometrie erbracht (hec conclusio probatur per istam geometrie), und die dort gewonnenen Erkenntnisse haben nach Rückübertragung in den Bereich der Empirie auch dort Gültigkeit.23

21

22 23

Siehe dazu Ribeiro do Nascimento 1974. Aus Thomas’ Kommentar zur aristotelischen Physik: Dicuntur autem scientiae mediae, quae accipiunt principia abstracta a scientiis pure mathematicis, et applicant ad materiam sensibilem; sicut perspectiva applicat ad lineam visualem ea quae demonstrantur a geometria circa lineam abstractam (lib. 2, l. 3, n. 8; Thomas Aquinas 1884, 63). Die Unterordnung der Physik unter die Mathematik fand allerdings nicht nur Zustimmung. Albertus Magnus beispielsweise wollte beide Disziplinen streng voneinander getrennt wissen (Lindberg 1982, 14–16). Robert Grosseteste, In posteriorum analyticorum libros 1,8 (Rossi 1981, 149 l. 66–76); eigene Üs. Grosseteste bezieht sich wohl auf Eucl. El. 6,6. Für die Praxis wäre es sogar unerheblich, ob man ein aristotelisches Modell zugrunde legt und

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Abseits der Wissenschaftstheorie und in der Praxis scheint dieser Modus implizit vorausgesetzt worden zu sein. Das folgende Zitat bietet dasselbe Reflexionsgesetz in John Peckhams (um 1220–1292) Perspectiva communis (um 1278), die so verbreitet war, dass Alberti sie aus eigener Anschauung gekannt haben dürfte:24 [Propositio] 6a. Angulos incidentie et reflexionis equales esse, radiumque incidentem et reflexum in eadem superficie esse cum linea erigibili a puncto reflexionis. […] Equalitas autem angulorum experimento colligitur et ratione utcunque probatur, quoniam si radius incidens transire posset in profundum speculi […] constitueret angulum equalem angulo incidentie, quia anguli contra se positi sunt equales secundum Euclidem [El. 1,15]. ([Satz] 6. Die Einfallswinkel und Ausfallswinkel sind gleich, und der einfallende und der zurückgeworfene Strahl liegen mit der vom Punkt der Reflexion aus zu errichtenden Linie in einer Ebene. […] Die Gleichheit der Winkel lässt sich aus der Erfahrung herleiten und durch Überlegung beweisen; wenn nämlich der einfallende Strahl in die Tiefe eines Spiegels vordringen könnte, […] würde er einen Winkel gleich dem Einfallswinkel bilden, weil gegenüberliegende Winkel nach Euklid gleich groß sind.)

Obwohl Peckhams Argumentation ebenfalls noch nicht abgeschlossen ist, zeigt sich schon jetzt, dass die Beschreibungsebenen nahtlos und ohne gesonderten Hinweis gewechselt bzw. geometrische und empirische Bedeutungen vermischt werden. Im selben Satz ist zuerst die Rede von einem physikalischen Phänomen (si radius incidens transire posset […] constitueret angulum equalem), gleich darauf von dessen abstrakt-geometrischer Begründung (anguli contra se positi sunt euqales secundum Euclidem). Somit oblag es dem Leser, beide Ebenen zu trennen und ein und denselben Begriff entweder auf etwas Sichtbares zu beziehen, das natürlich nicht unendlich klein sein kann, oder auf ein mentales Modell im Sinne Euklids, das nur der ratio zugänglich ist. 3. Die Malerei als scientia media? Wenn man die Malerei in den Rang einer Wissenschaft erheben will, scheint es vor diesem Hintergrund aussichtsreich, sie in die scientiae mediae einzugliedern, wo sie der Geometrie untergeordnet wäre. Welche Disziplinen man unter die „mittleren Wissenschaften“ subsummierte, war ohnehin eher eine Frage von Konvention oder Tra-

die Geometrie als reine Abstraktion auffasst, oder ein (neu-)platonisches Modell, demzufolge die geometrischen Objekte tatsächlich Elemente der Wirklichkeit sind. 24 Peckham, Perspectiva communis 2,6 (Lindberg 1970, 160); eigene Üs.

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dition als von prinzipiellen Beschränkungen.25 Man hätte auf eine etablierte Wissenschaftspraxis zurückgreifen können, die sich, wie im vorherigen Abschnitt angedeutet, insbesondere im sicheren Umgang mit der verwendeten Terminologie manifestierte. Dass Alberti mit aristotelischen Konzepten vertraut gewesen sein muss, zeigen etliche Rezeptionsspuren in De pictura und anderen Schriften.26 Hat Alberti diesen Weg gewählt? Tatsächlich beginnt das erste Buch von De pictura mit einer wichtigen Anforderung an eine so verstandene Wissenschaft, nämlich der Darlegung der ἀρχαί/principia, auf die sich die ἀποδείξεις/demonstrationes stützen werden.27 Sie sind unverkennbar von Euklid übernommen:28 (i) Itaque principio novisse oportet punctum esse signum, ut ita loquar, quod minime queat in partes dividi. Signum hoc loco appello quicquid in superficie ita insit ut possit oculo conspici. (ii) Erit itaque apud nos linea signum cuius longitudo sane in partes dividi possit, sed erit usque adeo latitudine tenuissima ut nusquam findi queat. (1. Zuallererst muss man wissen, dass ein ‚Punkt‘ ein Zeichen ist, das sich sozusagen überhaupt nicht in Teile zerlegen lässt. ‚Zeichen‘ nenne ich in diesem Zusammenhang alles, was sich so auf einer Fläche befindet, dass es mit dem Auge wahrgenommen werden kann. 2. Für uns ist also eine Linie ein Zeichen, dessen Länge zwar in Teile zerlegt werden kann, das aber eine so geringe Breite aufweist, dass eine Spaltung nirgends möglich ist.)

Der wichtigste Unterschied zu den Definitionen der Elemente aber ist, dass Alberti den Punkt, also das grundlegende Objekt, auf das die höherstufigen Objekte Linie, Winkel und Oberfläche zurückgeführt werden, nicht abstrakt definiert, sondern über das signum, einen terminus technicus scholastischer Epistemologie.29 Ein signum ist, grob ge-

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Die Malerei hätte wohl ihrerseits der Optik untergeordnet werden müssen, um auf deren Erklärungen zurückgreifen zu können. 26 Siehe z. B. Roccasecca 2016, 87–126; Massalin/Mitrović 2008–2009, bes. 173–178; Edgerton 1969. 27 Diese termini technici übernimmt Alberti aus der aristotelischen Logik (Wright 2010, 180; siehe auch Bronstein 2021). 28 Alberti, Pict. lat. 1,2, nummeriert analog zu den Elementen (s. o.). Dass geometrische Texte mit den euklidischen Definitionen beginnen, war nichts Ungewöhnliches, so z. B. Savasordas Liber embadorum (lat. Üs. 1145) oder, davon abhängig, Fibonaccis Practica geometriae (1220). 29 So Greenstein 1997, 687. Sowohl punctum (später auch punctus m, gr. στιγμή) als auch signum (gr. σημεῖον) waren als Übersetzung für das gr. σημεῖον in Gebrauch, wobei punctus/-um spätestens seit Martianus Capella deutlich überwiegt (zur Begriffsgeschichte siehe Tropfke 1940, 56–58; siehe auch Grebe 1999, 337–370; Kouskoff 1984). Eine Identifikation von punctum und signum ist, wohl ohne theoretische Implikationen, bereits im Martianus Capella-Kommentar des Remigius von Auxerre (ca. 841 – ca. 908) anzutreffen: Signum id est punctum, Grece simion dicitur (Lutz 1965, 163 l. 30–31); außerdem in der Geometria des Gerbert von Aurillac (ca. 950–1003, später Papst Silvester II.): punctum est parvissimum et indivisibile signum, quod graece symion dicitur (Bubnov 1899, 54 l. 4–5). Dass Bartolomeo Zamberti (ca. 1473 – nach 1543) in seiner Euklidübersetzung (Venedig 1505) wieder signum benutzt, ist offenbar eine Ausnahme.

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sprochen, eine visuelle Eigenschaft, anhand derer ein bestimmter Gegenstand als eben dieser Gegenstand identifiziert werden kann. Bei Alberti sind es die Oberflächen, die anhand ihrer signa, nämlich anhand von Punkten und Linien, erkannt werden sollen. Albertis Punkt ist also, wie er auch in De punctis et lineis apud pictores klarmacht, kein geometrisch-abstrakter Punkt. Für Alberti war diese Umdeutung der euklidischen Geometrie offenbar ebenso naheliegend wie unproblematisch. Den Maler interessieren eben nur die sichtbaren Dinge, weshalb die Definitionen der abstrakten Objekte durch Definitionen empirisch wahrnehmbarer Objekte ersetzt werden müssen. Legt man obige Überlegungen zugrunde, dann hätte Alberti sich durch diesen Zug allerdings sehr wohl Probleme eingehandelt, da sich seine Punkte und Linien nur auf das Bild anwenden lassen. Natürlich kann Alberti jetzt adäquat beschreiben, wie er zum Beispiel Linien im Bild zieht, um seine Konstruktionen herzustellen:30 Habeo areolam in qua describo lineam unam rectam. Hanc divido per eas partes in quas iacens linea quadranguli divisa est. Dehinc pono sursum ab hac linea punctum unicum ad alterum lineae caput perpendicularem tam alte quam est in quadrangulo centricus punctus a iacente divisa quadranguli linea distans […]. (Ich nehme eine kleine Fläche und zeichne darauf eine gerade Linie. Diese unterteile ich in die nämlichen Abschnitte, in welche die Grundlinie des Rechtecks unterteilt ist. Anschließend bringe ich einen einzigen Punkt über dieser Linie an: Er soll zum Ende der Linie eine Senkrechte bilden und sich in derselben Höhe befinden, die im Rechteck den Zentralpunkt von der unterteilten Grundlinie des Rechtecks trennt […].)

Für diesen Einsatzzweck sind Albertis Punkte und Linien definiert und leisten gute Dienste. Allerdings kommen sie in De pictura auch in physikalischen und mathematischen Zusammenhängen vor, so etwa bei der Beschreibung der Sehpyramide. In Pict. lat. 1,15 heißt es: Nosti ergo quemadmodum minor triangulus aliquis maiori proportionalis sit, et meministi ex triangulis pyramidem visivam construi. Ergo omnis noster sermo de triangulis habitus ad pyramidem traducatur. (Nun hast du also gelernt, unter welchen Bedingungen irgendein kleineres Dreieck zu einem größeren proportional ist; und du erinnerst dich gewiss auch daran, dass die Sehpyramide aus Dreiecken errichtet wird. Demzufolge gilt es jetzt, meine Ausführungen über die Dreiecke insgesamt auf die Pyramide zu übertragen.)

30 Alberti, Pict. lat. 1,20. Da sich die Ausführungen in den Elementa picturae ebenfalls auf das Bild beziehen, sind Albertis Definitionen auch für diese Schrift anwendbar.

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Alberti spricht von Dreiecken (trianguli), die er zuvor mithilfe von lineae, und damit indirekt auf Basis der puncti, definiert hat. Seine neuen signum-Definitionen allerdings sind für diese Beschreibung nicht geeignet, da die Seiten der Sehpyramide entweder als Strahlen, also als physikalische Phänomene, oder als Abstraktionen aufgefasst wurden, jedenfalls aber nicht in derselben Weise sichtbar waren wie die Punkte und Linien des Malers.31 Mehr noch: Alberti benutzt seine Punkte und Linien gelegentlich sogar für einen geometrischen Beweis, zum Beispiel in Pict. lat. 1,13: His […] addenda est illa mathematicorum [Eucl. El. 6,2] sententia ex qua illud probatur quod, si linea recta duo alicuius trianguli latera intersecet, sitque haec ipsa secans et novissime triangulum condens linea alterae lineae prioris trianguli aequedistans, erit tunc quidem is maior triangulus huic minori proportionalis. Haec mathematici. ([Diese Überlegungen] bedürfen einer Ergänzung, und zwar in Form eines mathematischen Satzes, aus dem folgendes hervorgeht: Wenn eine gerade Linie zwei Seiten irgendeines Dreiecks schneidet und wenn eben diese Linie, die als Sekante dient und ihrerseits wieder ein Dreieck gründet, einen gleichmäßigen Abstand zur anderen Linie (derjenigen des ersten Dreiecks) wahrt: unter dieser Bedingung ist das größere Dreieck proportional zum kleineren. So weit die Mathematiker.)

Eine solche Begründung allerdings ist nach den bisherigen Überlegungen nicht möglich, da sie, wenn sie geometrisch sein soll, für alle Dreiecke gelten muss, insbesondere für beliebig kleine. Dass dann die beteiligten Punkte und Linien ebenfalls beliebig klein sein müssen, ist eine Bedingung, die Albertis Punkte und Linien erklärtermaßen nicht erfüllen. Selbst wenn man ihm zugutehält, dass sich seine geometrischen Aussagen nur auf den sichtbaren Bereich beziehen, innerhalb dessen der Maler operiert, so beruft er sich dennoch explizit auf die Mathematiker, die unter diesen Bedingungen eben nicht das sagen, was er ihnen zuschreibt. Analog zu Euklid stellt Alberti seine Definitionen ostentativ an den Anfang von De pictura. Es ist schwer vorstellbar, dass sie für irgendetwas anderes als für die gesamte Schrift Geltung beanspruchen sollen. Somit definiert er aber die grundlegenden Objekte ohne erkennbare Not für einen zu kleinen Gegenstandsbereich, nämlich nur für das Bild, nicht für die Optik und auch nicht für die Geometrie. Trotzdem argumentiert er mit Erkenntnissen aus beiden Disziplinen.32 Eine naheliegende Lösung wäre gewesen, auf die kontextabhängigen Bedeutungen hinzuweisen und die neuen Definitionen

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Zu den Sehtheorien in Mittelalter und Renaissance siehe Lindberg 1976. Die Vermischung von Geometrie, Physik und Optik bei Alberti wurde bereits von Jack Greenstein angemerkt, der diese Spur allerdings nicht weiter verfolgt zu haben scheint (Greenstein 1997, 683). Selbst wenn Peckham einen ebenfalls etwas laxeren Umgang mit der Terminologie gepflegt haben sollte (s. o.), so hat er immerhin keine neuen Definitionen eingeführt.

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allein für das Bild zu reservieren. Bedenkt man, dass Alberti über seine Bekanntschaft mit Paolo dal Pozzo Toscanelli (1397–1482) mit zeitgenössischen mathematischen Diskursen vertraut gewesen sein dürfte, wo man sich bereits mehrfach die Frage vorgelegt hatte, welche Eigenschaften eigentlich einen Punkt auszeichnen, dann hätte eine solche Differenzierung durchaus im Bereich des Erwartbaren gelegen.33 4. Fazit Vielleicht war es eine derartige Kritik, gegen die Alberti sich in De pictura und De punctis et lineis apud pictores zur Wehr setzte. Folgt man obigen Überlegungen, dann hätte aber nicht sein Bestreben Anstoß erregt, der Malerei ein geometrisch-wissenschaftliches Fundament zu geben, sondern vor allem die eigenwillige definitorische Engführung. Allerdings wären auch mit einer sauberen terminologischen Trennung von Bild, Optik und Geometrie nicht alle Schwierigkeiten der neuen Malereiwissenschaft beseitigt gewesen – zumindest wenn man sie aristotelisch-scholastisch versteht.34 Man hätte beispielsweise fragen können, welches ihr Objektbereich bzw. was die wissenschaftsfähige Essenz der Malerei sein soll. Der Sehvorgang war ja bereits von der Optik abgedeckt, und außerdem hat die Übertragung des Sichtbaren auf die zweidimensionale Zeichenoberfläche, also der Malprozess, wie Alberti ihn beschreibt, weniger deskriptiven als vielmehr normativen Charakter. Welche (bislang unbekannten) Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge hätten aufgedeckt werden können? Wo genau hätte die Grenze zwischen ἐπιστήμη und τέχνη, also zwischen beweisbar-notwendigem Wissen und praktischem Erfahrungswissen verlaufen sollen? Dieser Befund bestätigt Bekanntes. Albertis ebenso innovative wie synkretistische Schriften entziehen sich einer zufriedenstellenden Kategorisierung, wobei sie jedenfalls auf Distanz zur aristotelisch-scholastischen Wissenschaft gehen. Diese war ohnehin immer weniger in der Lage, der erstarkenden empirischen Forschung eine adäquate Heimat zu bieten.35 Es würde wohl zu kurz greifen, De pictura als populär- bis pseudowissenschaftliches Machwerk zu lesen, geschrieben, um die Aufmerksamkeit potenzieller Gönner zu erheischen, die, bar jeder wissenschaftlichen Expertise, mit ehrfurchtgebietenden Ausführungen zur altehrwürdigen Geometrie leicht zu blenden

33 Siehe Federici-Vescovini 1965, 213–237. Ein anonymer, wohl um 1400 in Florenz entstandener Euklid-Kommentar trennt sauber zwischen den Bedeutungsebenen (Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale, Conv. Soppr. J.X.19; siehe dazu ebd. 225–228). 34 Ähnlich Wright 2010, 111. 35 Auch bei der Behandlung der Farben distanzierte sich Alberti von Aristoteles, ohne jedoch mit der Tradition zu brechen (Roccasecca 2016, 116). In ähnlicher Absicht könnte er die unsichtbare Geometrie für seine Zwecke modifiziert haben.

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waren. Dagegen sprechen schon Albertis intensive Beschäftigung mit Euklid und die Tatsache, dass er zumindest einigen Zeitgenossen als Mathematiker galt.36 Mit wohlwollenderer Grundhaltung wird man Alberti unterstellen müssen, dass die Neuartigkeit eines Konzepts für ihn Vorrang vor dessen systematischer Ausarbeitung hatte. Demnach wäre De pictura, ebenso wie andere seiner mathematisch-technischen Schriften,37 eher als Machbarkeitsstudie zu verstehen und stünde „subwissenschaftlichen“ Textsorten wie der Agrimensoren-Tradition oder aber der spekulativen mathematischen Theologie etwa eines Nikolaus von Kues nahe, die keine Ambitionen hegten, in den mathematischen Fachdiskurs einzugreifen.38 Der (in De pictura nur rudimentär ausgeführte) axiomatisch-deduktive Präsentationsmodus war nicht erst seit der Scholastik ein beliebtes Instrument, um die Gewinnung von unumstößlich sicherem Wissen zu suggerieren,39 und der Rückgriff auf die euklidische Geometrie rief philosophische Diskurse etwa zur Entstehung und Beschaffenheit der Welt auf, wie sie sich im erstarkenden christlichen Neuplatonimus entfalteten. Beides konnte zumindest als Metapher dafür begriffen werden, dass die Natur bzw. der Raum nach erkennbaren (naturwissenschaftlichen) Prinzipien aufgebaut ist.40 Ein Maler, der diese erkannt hatte, war in der Lage, die sichtbare Wirklichkeit objektiv richtig abzubilden. Für die Kommunikation einer solchen Botschaft war es nur folgerichtig, den Text zielgruppenadäquat zu gestalten, also (zumindest mit der lateinischen Fassung) eher den literarisch gebildeten Leser als den wissenschaftlich arbeitenden Mathematiker oder gar den praktizierenden Maler anzusprechen und von allzu voraussetzungsrei36 Siehe Massalin/Mitrović 2008–2009. Zum Urteil Cristoforo Landinos über Alberti siehe Wulfram 2016. 37 Eine unsystematische, nicht selten unvollständig anmutende Darstellung fällt auch bei anderen mathematisch-technischen Schriften Albertis auf: Die Zeichenanleitung der Descriptio urbis Romae beispielsweise liefert ein falsches Ergebnis, wenn man sie wortgetreu befolgt, und das 3D-Koordinatensystem von De statua versagt bereits bei so etwas Gewöhnlichem wie einem ausgestreckten Arm. 38 Judith Field kann bei Alberti keine höheren mathematischen Ambitionen erkennen: „Alberti’s interest in mathematics seems to refer almost exclusively to the so-called ‚practical mathematics‘ taught to prospective artisans and other in ‚Abacus Schools‘. [… T]his is not the kind of mathematics that (as far as we know) he could have come across as a student at the University of Bologna“ (Field 1997, 62). Vergleichbar wären die modernen Disziplinen der darstellenden und angewandten Geometrie. Zur Mathematik der Agrimensoren siehe Folkerts 2014; zur Kategorie „sub-scientific mathematics“ siehe Høyrup 1990. Zur spekulativen Dimension siehe Koenigsberger 1979, bes. 7–55. 39 Ebenfalls axiomatisch-deduktiv aufgebaut sind beispielsweise Proklos’ (412–485) Elemente der Theologie (siehe Wardhaugh 2021, 102–106), Thomas Bradwardines (ca. 1290–1349) De continuo oder später Baruch de Spinozas (1632–1677) Ethik (siehe dazu Wardhaugh 2021, 151–160). Auch diese Argumentationen halten einer logischen Überprüfung nicht stand und sind als Plausibilitätsüberlegungen zu verstehen. 40 Ebenfalls metaphorisch zu verstehen ist wohl Albertis Erwähnung der Atome in Punct. lin.: punctum est signum quod ipsum pictor sentiat veluti medium quoddam inter punctum mathematicum et quantitatem quae cadat sub numero, quales forte sunt atomi (Bätschmann/Schäublin 2011, 367; dazu Kessler 2008, 48).

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chen Spitzfindigkeiten abzusehen.41 Ungeachtet eventueller Unzulänglichkeiten in der Darstellung, die im praktischen Vollzug leicht erkannt und ad hoc behoben worden wären, konnte Alberti sich zurecht rühmen, eine Lücke in der humanistischen Traktatlandschaft geschlossen zu haben.42 Wenn sich seine Intentionen tatsächlich auf rhetorisch-metaphorischer Ebene bewegten, dann hätte er der Malerei allerdings nur einen wissenschaftlichen Anstrich gegeben, der hinsichtlich seiner philosophischen und mathematischen Dimension Fragen offenlässt, die sich wohl nicht werden beantworten lassen.43 Literaturverzeichnis Antonucci 2005: Eugenia Antonucci: [Scheda Nr.] 81. Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pluteo 53.21, in: Lucia Bertolini, Mariangela Regoliosi, Roberto Cardini (ed.): Leon Battista Alberti. La biblioteca di un umanista, Florenz 2005, 437–439. Asper 2007: Markus Asper: Griechische Wissenschaftstexte. Formen, Funktionen, Differenzierungsgeschichten, Stuttgart 2007. Bätschmann/Schäublin 2011: Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin (ed./com./trans.): Leon Battista Alberti: De statua, De pictura, Elementa picturae / Das Standbild, Die Malkunst, Grundlagen der Malerei, (2000) Darmstadt 22011. Baur 1912: Ludwig Baur (ed.): Die philosophischen Werke des Robert Grosseteste, Bischofs von Lincoln, Münster 1912. Bronstein 2021: David Bronstein: Demonstration, in: Rapp/Corcilius 2021, 210–214. Bubnov 1899: Nicolaus Bubnov (ed.): Gerberti postea Silvestri II papae Opera Mathematica (972–1003), Berlin 1899. Busard 2005: Hubertus L. L. Busard (ed./com.): Campanus of Novara and Euclid’s Elements, 2 Bd., Stuttgart 2005. Crombie 1971: Alistair C. Crombie: Robert Grosseteste and the Origins of Experimental Science 1100–1700, (1953) Oxford 1971 (Nachdr.). D’Ascia 2018: Luca D’Ascia: Echi lucianei nel Momus e nelle Intercenales, in: Italianistica 47(2), 2018, 49–65. Detel 2021: Wolfgang Detel: Wissenschaft, in: Rapp/Corcilius 2021, 458–462.

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Zur Annahme, dass De pictura weder für den (in Ausbildung befindlichen) Maler geschrieben worden sei noch diesen angesprochen haben dürfte, siehe z. B. Wardhaugh 2021, 214; Field 1997, 62–65; Westfall 1969, 493. Siehe Alberti, Pict. lat. 1,23, wo Alberti auf das Ziel der brevitas hinweist, und Pict. lat. 3,63, wo er den Pionierstatus für sich reklamiert. Hingewiesen sei auch auf Piero della Francesca (ca. 1412–1492), einen weiteren Exponenten dieser interdisziplinär-synkretistischen Strömung. Dessen Traktat De prospectiva pingendi (wohl vor 1482) wird den Punkt ebenfalls als sichtbar definieren, die mathematischen Aspekte aber viel detaillierter ausarbeiten (siehe dazu Wardhaugh 2021, 212–224; Field 1997, bes. 74–88). Wie ist beispielsweise der Hinweis zu verstehen, Alberti habe die Malerei von den elementa naturae her aufgebaut? Hielt er seinen signum-Punkt für einen Grundbaustein der Natur, die demzufolge (nur?) aus sichtbaren Elementen aufgebaut wäre?

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Naturkunde und Kunstgeschichte Plinius’ Naturalis historia in Albertis De pictura Anja Wolkenhauer Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Naturalis historia des Älteren Plinius. Das Werk ist in der Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts entstanden und gehört zu den wichtigsten antiken Referenzpunkten Albertis. Um nur eine Zahl zu nennen: Seit Hubert Janitscheks grundlegender Edition führen die Ausgaben von Albertis De pictura Plinius’ Naturgeschichte gut vierzig Mal als Referenz für Sachinformationen und Mikronarrative des zweiten und dritten Buches an, was ihn zum quantitativ bedeutendsten Bezugspunkt des Textes macht.1 Diese starke Präsenz ist in der Forschung schon vielfältig diskutiert worden; zu nennen sind die grundlegenden Studien von Mathilde Bert und Lucia Bertolini, aber auch das webportal „oltre Plinio“ von Eva Falaschi und Gianfranco Adornato, das die plinianische Naturalis historia in einem weiten kulturhistorischen Kontext neu positioniert.2 In Tübingen arbeiten wir im Rahmen des SFB 1391 daran, die Funktionen der Kunstbücher und ihrer Anekdoten innerhalb des plinianischen Werkes besser zu verstehen.3 Auf dieser Basis sollen hier einige Überlegungen und Thesen darüber formuliert werden, wie Alberti mit dem Pliniustext umging, wie die ihm vorliegende(n) Handschrift(en) beschaffen war(en) und in welcher Weise er die aus Plinius entlehnten Mikronarrative rekontextualisierte.

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Janitschek 1877, passim; nur geringfügig variiert bei Bätschmann/Schäublin 2011. Bertolini 2000 und 2019; Bert 2005, 2011 und 2014; http://www.oltreplinio.it (zuletzt aufgerufen am 10.11.2022); Adornato/Falaschi/Poggio 2019. https://uni-tuebingen.de/de/160768 (zuletzt aufgerufen am 10.11.2022). Die vorliegende Studie ist im Rahmen dieses Projekts entstanden. Es wird gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – SFB 1391 – Projektnr. 405662736.

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1. Plinius der Ältere und seine Naturalis historia C. Plinius Secundus wurde um 23 n. Chr. in Como in Norditalien geboren und starb im Jahr 79 n. Chr. während des Vesuvausbruchs, der auch die Städte Pompeji und Herculaneum auslöschte. Durch seine militärischen Aufgaben hatte er von den Nordseehalligen bis zum östlichen Mittelmeerraum viele Regionen des Imperiums kennengelernt, während er in den Mußestunden des frühmorgendlichen otium eine Vielzahl von Werken zur Geschichtsschreibung, zur Rhetorik und zur Naturkunde verfasste,4 von denen jedoch nur die enzyklopädische Naturalis historia erhalten ist: ein systematischer Wissensspeicher kosmologischen, geographischen, biologischen, medizinischen und mineralogischen Wissens. Die Naturalis historia ist mit 37 Büchern das umfangreichste vollständig überlieferte Werk der Antike. Sie entfaltete sowohl in der enzyklopädischen Literatur als auch in den behandelten Fachwissenschaften eine kontinuierliche und weitreichende Wirkung, ist in mehr als zweihundert mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handschriften überliefert und gehört zu den meistpublizierten Werken des frühen Buchdrucks. Ihr großer Umfang legte Rezeptionspraktiken wie Kürzung und Zusammenfassung, Separatausgaben und Exzerpte nahe, wie sie auch von anderen umfangreichen fachwissenschaftlichen Werken der klassischen lateinischen Literatur bekannt sind: Exemplarisch genannt seien hier nur Livius’ Geschichtswerk Ab urbe condita in ursprünglich 142 Büchern, von dem sowohl Teilausgaben als auch Kurzfassungen einzelner Bücher überliefert sind (Periochen, Epitomen); Pompeius Trogus’ Historiae Philippicae in 44 Büchern, die wir ebenfalls vor allem durch Justins Epitomen kennen, oder das monumentale sprachwissenschaftliche Lexikon des Verrius Flaccus De significatu verborum, das Pompeius Festus auf zwanzig Bücher kürzte und das der langobardische Gelehrte Paulus Diaconus noch einmal drastisch reduzierte.5 Während diese Nutzungspraktiken bei allen drei genannten Fachschriftstellern auf Kosten der Gesamtüberlieferung gingen, wurde Plinius’ Werk neben zahllosen Fragmentierungen weiterhin auch vollständig überliefert.6 Plinius bietet systematisch geordnete Wissensbestände aus allen Bereichen der Naturkunde. Dabei hat er seine römischen Leser stets fest im Blick und bemüht sich auch bei der Verarbeitung nichtlateinischer Prätexte darum, seine Informationen mit 4 5 6

Die wichtigsten antiken Quellen zur Biographie sind: Plin. Epist. 2,3; 3,5; 6,16; vgl. auch Plin. Nat. ad indicem. Zu Kürzungspraktiken grundlegend Horster/Reitz 2010; zu Livius auch Horster 2017; zu Verrius Flaccus und Festus s. Pieroni 2004 und Di Marco 2021, zu Florus und Iustinus Emberger 2019. Zur Textüberlieferung, Übersetzungen und Kommentaren s. Reeve 2007; Nauert 1980. Auf www.oltreplinio.it findet sich ein Überblick von Eliana Carrara und Nicoletta Mercelli sowie die Ankündigung einer Monographie „The manuscript tradition of the Naturalis historia: an introduction“ von Elisa Lonati. Borst 1994 widmet sich auch dem ‚fragmentierten‘ Plinius.

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Orten, Personen und Ereignissen des römischen Imperiums zu verknüpfen. Dies gilt besonders für die Bücher 33–37, die die Metalle, Gesteine, Erden und Edelsteine behandeln. Sie werden heute gelegentlich auch als ‚Kunstbücher‘ bezeichnet, da sie, ausgehend von den Materialien des Kunstschaffens, griechische und römische Künstler, Werke und Kunstsammlungen ins Zentrum der Betrachtung rücken.7 Plinius weist dieser Buchpentade im Gesamtaufbau keine Sonderstellung zu, und auch in ihrer Positionierung am Ende des Werkes scheint keine spezifische Auszeichnung zu liegen, da diese vor allem damit zu begründen ist, dass Plinius sein Werk skaliert aufgebaut hat, d. h. mit dem Größten, dem Weltall, beginnt und mit den kleinen Kostbarkeiten der Perlen und Edelsteine endet.8 In diesem Rahmen erscheinen die bildenden Künste als selbstverständlicher Ausdruck menschlicher Erfindungskraft und Naturaneignung, vergleichbar etwa mit der Medizin, der Landwirtschaft oder der Baukunst. Eine gewisse Präferenz des Autors lässt sich allerdings erahnen, wenn man die Präsenz der bildenden Künste etwa mit derjenigen der Musik vergleicht, die zwar ebenso der imitatio naturae verpflichtet ist wie die bildenden Künste, von Plinius aber nur ganz am Rande erwähnt wird. Da er zudem sein eigenes literarisches Handeln mit demjenigen bedeutender Künstler vergleicht (praef. 26–27) und als Augenzeuge über römische Kunstsammlungen und Künstler zu schreiben scheint, könnte man mit aller Vorsicht durchaus ein gewisses individuelles Interesse des Autors an den bildenden Künsten annehmen.9 In den Kunstbüchern bedient Plinius sich einer als ‚anekdotisch‘ zu bezeichnenden Erzählweise, wie wir sie z. B. auch aus antiken Biographien kennen: Zur fachwissenschaftlichen Beschreibung der jeweiligen Gegenstände treten pointierte Kurz­ erzählungen hinzu, die das jeweils als typisch oder herausragend Erachtete in den Blick rücken. Diese Mikronarrative, deren Umfang von wenigen Worten bis zu einer Seite reicht, entstammen, wie Plinius akribisch dokumentiert, in der Regel der älteren Fachliteratur, die uns jedoch nicht überliefert ist. Im Bereich der Künste nennt er explizit die Griechen Pasiteles, Apelles, Melanthios, Euphranor und Metrodor sowie

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Diese Konzeption sollte im Kontext des derzeitigen ‚material turn‘ zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für die Naturalis historia und ihre Konzeption der Künste führen. Dies erwägt schon Campbell 2019, 288–289: „While falling in line with the so-called material turn in art history, a model based on Pliny’s Natural history also gives us new ways of thinking about the relationship between materials and human agency.“ 8 Die vom Autor beigefügten indices lassen verschiedene Gliederungsebenen erkennen, indem sie Buchgruppen zusammenfassen, Einzelbüchern Überschriften geben oder Sinnabschnitte mit Untertiteln versehen. Ein Höhepunkt oder eine besondere Gewichtung einzelner Bücher lässt sich daraus nicht ableiten. 9 Plin. Nat. 35,17–28. Um die Relation zwischen den bildenden Künsten und der Musik zu verdeutlichen reicht ein Blick ins Plinius-Register von Bayer/Brodersen 2004, in dem auf 3 Seiten zur Musik 60 Seiten zu den bildenden Künsten folgen.

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die Römer Varro, Cornelius Nepos, Vitruv und Fabius Vestalis als fachliterarische Quellen.10 Im Umgang mit seinen Quellen unterscheidet Plinius sich, wie er betont, deutlich von anderen römischen Autoren und geht weit über die zeitüblichen Konventionen hinaus: Er biete seinen Lesern, so hält er in der Vorrede an den Kaiser fest, sowohl Inhaltsangaben, die es ermöglichten, innerhalb des Werkes rasch und zielgerichtet zu navigieren,11 als auch ein Verzeichnis der in den einzelnen Abschnitten verarbeiteten Fachliteratur.12 Beides ist überliefert; die Inhaltsangaben zeigen, dass auch unterhalb der Werkebene noch konzeptionelle Strukturierungen existierten, während die Autorenlisten erkennen lassen, dass Plinius dabei ungefähr zu gleichen Teilen römische Autoren und Texte aus anderen Kulturen des Mittelmeerraumes heranzog. Die so gewonnene neuartige Metastruktur ermöglichte nicht nur schnelles, sondern auch vertiefendes und schwerpunktsetzendes Lesen und bettete das Werk in den Kontext der internationalen Forschung ein. Plinius begründet die ungewöhnliche Anlage seines Werkes in der Vorrede sowohl mit textpragmatischen Erwägungen als auch damit, dass es „ein Zeichen einer unselbständigen Haltung und eines unfruchtbaren Geistes sei, lieber bei einem Diebstahl ertappt zu werden als das Geliehene zurückgeben zu wollen, besonders dann, wenn man aus dem Gebrauch Gewinn ziehe.“13 Der kritische Unterton lässt darauf schließen, dass in seinem Umfeld die wissenschaftliche Zitierpraxis kein unbekanntes Thema war. De facto unterscheidet Plinius sich in dieser sehr modern anmutenden Haltung deutlich von seinem späteren Leser Alberti, der sich bei Plinius Vieles borgt (um in der Begrifflichkeit zu bleiben), ohne aber für das Geliehene durch Quellenangaben die gebotenen Zinsen zu zahlen: In seinem lateinischen Text nennt Alberti Plinius nur ein einziges Mal beim Namen, und dort geht es eher um Abgrenzung und Kritik als um ‚wissenschaftliche Zinsen‘.14 Zuspitzend könnte man sagen: Durch die fehlenden 10

Eine wichtige und bislang wenig gesehene Rolle für die Materialsammlung spielen auch die eigenen Erfahrungen und Beobachtungen des Autors (s. etwa Plin. Nat. 2,150, 7,36; 7,162; 8,193; 10,120; 15,47, 35,17 u. ö.). 11 Plin. Nat. praef. 33: Quia occupationibus tuis publico bono parcendum erat, quid singulis contineretur libris, huic epistulae subiunxi summaque cura, ne legendos eos haberes, operam dedi. tu per hoc et aliis praestabis ne perlegant, sed, ut quisque desiderabit aliquid, id tantum quaerat et sciat quo loco inveniat. hoc ante me fecit in litteris nostris Valerius Soranus in libris, quos Ἐποπτίδων inscripsit. Zu Valerius Soranus siehe HLL 1 (2002) § 145; grundlegend zur praefatio Howe 1985; zu den Gliederungsverfahren Schröder 1999, 107–108. 12 Plin. Nat. praef. 21: Argumentum huius stomachi mei habebis, quod in his voluminibus auctorum nomina praetexui. 13 Plin. Nat. praef. 23: Obnoxii profecto animi et infelicis ingenii est deprehendi in furto malle quam mutuum reddere, cum praesertim sors fiat ex usura. 14 In der Volgareversion wird Plinius zweimal angeführt, da dort in Pict. volg. 2,3 Beispiele hoher Wertschätzung von Kunstwerken auf ihn zurückgeführt werden („Simile molte cose raccolse Plinio“), während die lateinische Version an gleicher Stelle (Pict. lat. 2,27) nur unspezifische scriptores anführt (multa praeterea huiusmodi a scriptoribus collecta sunt).

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Quellenangaben bzw. eine entsprechende Würdigung macht Alberti die auctoritas des Plinius nahezu unsichtbar und ersetzt sie durch die auctoritas der antiken Künstler, die er durch ihn kennengelernt hat, vor allem aber durch seine eigene.15 2. Albertis Pliniushandschrift Es steht außer Frage, dass Alberti mit Plinius’ Werk vertraut war, und dass diese Kenntnis sich nicht in dem oben genannten einmaligen Zitat erschöpfte. Um seinen Umgang mit der Naturalis historia zu analysieren, ist es also sinnvoll, den Begriff des ‚Kennens‘ – der inhaltlichen und sprachlichen Vertrautheit – genauer zu bestimmen. Alberti zitiert Plinius wiederholt im lateinischen Wortlaut, wie das folgende Beispiel exemplarisch zeigt: In seiner Geschichte der Malerei hält Plinius fest, dass die Ägypter nach eigener Auskunft die Malerei bereits 6000 Jahre lang betrieben hätten, bevor diese nach Griechenland gelangt sei; er benennt also, wie er es auch sonst zu tun pflegt, einen ersten Erfinder und den geographischen Weg der diskutierten Erfindung.16 Seine Feststellung findet sich mit demselben Vokabular, nahezu gleichem Satzbau und identischer Perspektivierung bei Alberti wieder, der lediglich die antike Entdeckertopik (inventam) in Richtung einer neuzeitlicheren Entwicklungsvorstellung (in usu fuisse) modifiziert und das logische Subjekt pictura aus dem vorangehenden Satz wiederholt.17 Derartige Übernahmen Albertis beziehen sich vor allem auf Sachin15

Ähnlich beobachtet bei Ghidini 2019, 24, der dabei aber den Unterschied zwischen Quintilian und Plinius fokussiert und die Selbstermächtigung Albertis, die auch Texteingriffe und Zitatvermeidung einschließt, nicht weiter berücksichtigt: „Se Plinio non è il modello preferito di Alberti, egli risulta, comunque, come uno dei suoi punti di riferimento privilegiati, sebbene spesso taciti. […] Se ci chiediamo perché eviti Alberti di citare il nome di Plinio, possiamo tornare a ippotizzare la risposta che abbiamo anticipato sopra […]: la mancanza di troppi riferimenti expliciti da parte dell’umanistà dimostrerebbe la sua volontà di distanziarsi dal proposito storico e aneddotico dell’enciclopedista, per seguire piuttosto l’opera prescrittiva della Institutio oratoria di Quintiliano.“ Cf. auch Bert 2014, 53 mit weiterer Literatur. 16 Zu der Tradition der Heurematakataloge in der lateinischen Literatur s. Wolkenhauer 2017 und 2020. 17 Plin. Nat. 35,15: Aegyptii sex milibus annorum apud ipsos inventam, priusquam in Graeciam transiret, adfirmant. Alb. Pict. lat. 2,26: Aegyptii affirmant sex milibus annorum apud se picturam in usu fuisse prius quam in Graeciam esset translata. Bätschmann/Schäublin weisen darauf hin, dass alternativ zu esset auch fuisset translata überliefert sei, was für die vorliegende Argumentation jedoch keinen Unterschied bedeutet. Auch die bei Alberti vorangehende Information über Philocles und Cleanthes (Sunt qui referant Phyloclem quendam Aegyptium et Cleantem nescio quem inter primos huius artis repertores fuisse) dürfte dieser aus Plinius entnommen haben, wo sie dem diskutierten Satz folgt. Eine vergleichbare Übernahme findet sich zwischen Plin. Nat. 34,77 (Euphranoris Alex­ander Paris est, in quo laudatur quod omnia simul intellegantur, iudex dearum, amator Helenae et tamen Achillis interfector) und Alb. Pict. lat. 2,41 (Laudatur Euphranor quod in Alexandro Paride et vultus et faciem effecerit, in qua illum et iudicem dearum et amatorem Helenae et una Achillis interfectorem possis agnoscere). Zu Albertis Nutzung von Plinius’ Text in der Passage Alb. Pict. lat. 2,25–29 s. Bert 2005.

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formationen und anekdotische Narrative, während er, wie Mathilde Bert betont hat, dem Fachvokabular keine besondere Aufmerksamkeit schenkt.18 Allerdings verteilen diese Passagen sich nicht gleichmäßig über beide Werke, sondern haben ihre Schwerpunkte bei Alberti im zweiten und dritten Buch, bei Plinius in der ersten Hälfte des 35. Buches. Solange man also nicht annehmen will, Alberti habe das 35. Buch auswendig gelernt, sollte man davon ausgehen, dass er von einem gewissen Moment der Arbeit an De pictura an eine (Teil-)Handschrift der Naturalis historia zur Verfügung hatte.19 Dies dürfte je nach Datierung der Schrift frühestens um 1435, spätestens um 1444 in Florenz, Ferrara oder Bologna, wo er sich Ende der 1430er Jahre aufhielt, gewesen sein.20 In Albertis Architekturtraktat De re aedificatoria, der zwischen 1443 und 1452 entstand, wird Plinius dann umfänglich genutzt. Die Überlieferung stellt dieser Annahme keine unüberwindlichen Hindernisse in den Weg, denn auch, wenn die überwältigende Pliniusrenaissance erst eine Generation später mit den ersten Drucken einsetzte,21 so waren für Alberti durchaus einige Handschriften in Reichweite, als er an seinem Text arbeitete. In Florenz bemühte sich damals Niccolò Niccoli intensiv um verschiedenste Handschriften, darunter auch die der Naturalis historia. Er hatte in den 1430er Jahren Zugang zu mindestens drei von ihnen, darunter eine, die ehemals im Besitz von Coluccio Salutati war, und der sogenannte Lübecker Plinius, den Niccoli für die Medici erwarb und der sich noch heute in Florenz befindet.22 In Ferrara hingegen entstand in jenen Jahren eine forschungsBert 2014, passim. Die Existenz zweier auktorialer Fassungen des Textes, in Volgare und in Latein, deren wechselseitige Abhängigkeit umstritten ist, erschwert die Datierung; ein Resümee dieser Diskussion findet sich bei Bert 2014, 56–58. Bertolini 2000, 198 und 206 argumentiert m. E. überzeugend, dass Alberti bei seiner Selbstübersetzung ins Lateinische ein zweites Mal auf die antiken Texte zugegriffen habe (überzeugend z. B. die Korrektur von Pelleo zu Perseus in Alb. Pict. volg. 2,2,13 zu Alb. Pict. lat. 2,26 unter Nutzung von Plin. Nat. 35,111). Unbestritten ist die wirkungsgeschichtliche Dominanz der lateinischen Version. Die obige Einschränkung auf das zweite und dritte Buch ergibt sich daraus, dass Alberti Plinius im ersten Buch nur an einer einzigen Stelle (Pict. lat. 1,18) verwendet hat, wo eine Plinius-Anekdote einen Gedankengang narrativ abrundet; hier könnte man an einen späteren Zusatz denken. 20 Bert 2014, 56–63. 21 Die ersten Drucke erfolgten in Venedig (1469) und in Rom (1470); der für Textkritik und Inhalt zentrale Kommentar von Ermolao Barbaro, Castigationes Plinianae, erschien erstmalig 1492/1493 in Rom (GW M34306, M34312, M03340). 22 Grundlegend Davies 1995. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts lässt sich in Italien eine ganze Reihe von Pliniushandschriften nachweisen bzw. sie entstanden dort, oft als Abschriften älterer nordalpiner codices. Unter ihnen ist eine aus Lübeck stammende, erst entliehene, dann nicht zurückgegebene Pliniushandschrift des 13. Jahrhunderts (Firenze, BML Plutei 82, 1–2; Bert 2014, 59–60 formuliert Unsicherheit darüber, wann genau in den 1430er Jahren die Handschrift nach Florenz gelangte). Niccolò Niccoli, der an diesen Handschriftengeschäften maßgeblich beteiligt war, hatte außerdem Zugang zu einer heute geteilten Handschrift des 12. Jahrhunderts (Bodleian MS Auct. T.1.27 mit Buch 7–15 und Paris, MS Lat 6798 mit Buch 16–37) sowie zu der karolingischen Handschrift Firenze, MS Ricc. 488, die die Bücher 1–13, 21, 22, 25–26 enthält; das letzte Buch nur fragmentarisch. Die erwähnte Ferrareser Handschrift wird heute in Mailand verwahrt (Mila-

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geschichtlich zentrale humanistische Pliniushandschrift, die Guarino da Verona und Guglielmo Capello 1433 vollendeten.23 Wenn der Eintrag in Albertis Testament tatsächlich – wie Bertolini mit Mancini liest – Plineum lautet, d. h. einen Plinius, und nicht pil[l]eum, einen Filzhut, dann ist Albertis Pliniushandschrift sogar dokumentarisch erfasst.24 Vollständige Handschriften der Naturalis historia sind allerdings sehr umfangreich, d. h. meist großformatig und/oder mehrbändig. Wie es bei einem so umfangreichen Werk kaum anders zu erwarten ist, gibt es nicht nur Textverluste, sondern auch eine unüberschaubare Vielzahl von Exzerpten, themenspezifischen Auszügen bzw. Separathandschriften einzelner Bücher, wie z. B. den sog. Bamberger Plinius, eine karolingische Handschrift, die nur die Pentade der Kunstbücher enthält bzw. von der nur dieser Teil erhalten ist.25 Später dann, in der Zeit des frühen Buchdrucks, findet man Einzeldrucke der Kosmologie oder der Anthropologie, von Plinius’ singulärem Erfinderkatalog und auch, was hier thematisch nähersteht, vom Buch der Edelsteine und Gemmen; auch spätere Teilhandschriften der ‚Kunstbücher‘ sind nachzuweisen, wie etwa jene der Bücher 34–36, die Vincenzo Borghini sich Mitte des 16. Jahrhunderts nach einem Kölner Frühdruck anfertigen ließ und ausgiebig kommentierte.26 Könnte es also sein, dass Alberti keinen vollständigen Plinius, sondern nur Auszüge daraus zur Hand hatte? Die in den modernen Editionen erschlossenen Zitate lassen (mit Ockhams Rasiermesser) den Schluss zu, dass Alberti zumindest Exzerpte des 34. und das gesamte 35. Buch der Naturalis historia vorlagen, als er an De pictura arbeitete, denn aus

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no, Bibl. Ambr., D 531 inf.). Erwähnt sei auch die um 1400 entstandene Handschrift Vat. Lat. 1531. Enea Silvio Piccolomini nutzt in der Mitte des 15. Jahrhunderts die letzte Pentade der Naturalis historia als archäologische Quelle (Borst 1994, 320). Die meisten der genannten Handschriften sind über die besitzenden Bibliotheken digital zugänglich. Übersichten der Pliniushandschriften bieten Labarre 1973, Borst 1994, Fera 1995, Reeve 2007; vgl. auch Nauert 1980. Bert 2014, 57–58 betont, dass nach ihren Beobachtungen im 15. Jahrhundert eher Cicero und Quintilian als Referenzpunkte gewählt wurden und dass es bis ins 14. Jahrhundert schwierig gewesen zu sein scheint, einen vollständigen Text zu erlangen, was ein Grund dafür sein könnte, weshalb Alberti Plinius so anders behandelte als die öffentlich präsenteren Autoren Cicero und Quintilian. Ich teile die Skepsis bezüglich der Zugänglichkeit zumindest für das 15. Jahrhundert nicht und verweise dazu neben dem oben Gesagten auf Nauert 1980, 304–306. Bertolini 2019 zu Albertis Bibliothek, die u. a. Handschriften von Aristoteles und Euklid, Cicero und Vitruv umfasste; s. auch ihre Anm. 11 zum Forschungsstand. Bertolini schließt v. a. aus der verschiedentlichen Nutzung des Pliniustextes durch Alberti darauf, dass im Testament an entscheidender Stelle Plineum und nicht, wie die letzten Herausgeber lesen, pileum zu lesen sei. Bert 2014, 59 formuliert hier zurückhaltender. Borst 1994, 208 und 360 mit weiteren Verweisen. Zu Einzelausgaben der Kosmologie s. exemplarisch VD16 P 3535, P 3537, P 3538, P 3541 u. ö.; zur Anthropologie VD16 P 3529; ZV 32647, zur besonderen Wirkungsgeschichte von Plinius’ Erfinderkatalog s. Wolkenhauer 2017 und 2020, bes. 37–40. Buch 37 erschien 1530 in Straßburg gemeinsam mit frühneuzeitlichen Texten zur Edelsteinkunde im Druck (VD16 P 3563). Zu Borghini s. die ausführliche Studie von Carrara 2000; handschriftliche Exzerpte sind im sogenannten Anonimo Magliabecchiano überliefert (Firenze, BNCF Magl. XII 17; dazu Carrara 2011).

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ihnen (und nur aus ihnen) zitiert er vielfach und teils wörtlich. Nach den materiellen Gegebenheiten, der Überlieferung und Zitierpraxis wäre es also möglich und sollte stets mitbedacht werden, dass Alberti möglicherweise nur einen Teil der Naturalis historia besaß und den Gesamtentwurf der plinianischen Naturkunde, ihre Konzeption vom Platz der Künste in der Natur, die programmatische Vorrede oder die forschungsgeschichtlich relevanten indices gar nicht unbedingt im Blick hatte. 3. Titel und Strukturbildner: Die Bedeutung der Plinianischen indices Tatsächlich gibt es ein bislang meines Wissens ungesehenes paratextuelles Indiz, das für die Verwendung einer Teilhandschrift spricht. Um dieses Indiz genauer zu bestimmen, ist ein Blick auf Plinius’ Umgang mit Titeln und textuellen Strukturbildnern hilfreich: Titel spielen in der Naturalis historia eine große Rolle. Plinius selbst hat sich in seiner Vorrede mit den Konsequenzen des ‚Framings‘ beschäftigt, die sich aus einer klugen Titelwahl ergaben, und darüber räsoniert, wie sein Werk am besten im römischen Wissenskosmos zu verorten sei. Er legt eine lange Liste potentieller Titel für das Gesamtwerk vor, um sich dann für die inhaltlich sehr weitreichende Option Naturalis historia zu entscheiden, die man mit ‚Auf Inaugenscheinnahme gegründete Darstellung der göttlichen Natur in ihrer ganzen Größe‘ paraphrasieren könnte.27 Dieser weitreichende Anspruch konkretisiert sich anschaulich am Anfang und am Ende des Textes, wo er eingangs sein Werk wie ein neugeborenes Kind (proxima fetura) dem Kaiser zueignet, während er am Ende, selbst Schöpfung und schöpferischer Autor, in Wiederaufnahme der Metapher Mutter Natur für ihre Gunst dankt:28 Libros Naturalis historiae, novicium Camenis Quiritium tuorum opus, natos apud me proxima fetura licentiore epistula narrare constitui tibi [am Ende:] Salve, parens rerum omnium Natura, teque nobis Quiritium solis celebratam esse numeris omnibus tuis fave. (Die Bücher der Naturkunde, ein neuartiges Werk für die Musen deiner Römer, gerade bei mir geboren als [mein] jüngster Nachwuchs, möchte ich Dir [mein Kaiser] nach meinem Beschluss in einem etwas lockereren Brief zueignen […]. Sei mir gegrüßt, Natur, Mutter aller Dinge, und bleibe mir gewogen, der ich dich als einziger der Römer in allen deinen Teilen gefeiert habe!)

27 Eine Analyse der Liste potentieller Titel findet sich bei Schröder 1999, 50–56. 28 Plin. Nat. praef. 1 und Plin. Nat. 37,204 (Schlusssatz des Werkes). Die biologische Metaphorik klingt auch dort an, wo Plinius Form und Inhalt verbindet (e. g. Plin. Nat. praef. 13, rerum natura, hoc est vita, narratur).

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So hymnisch endet die Naturalis historia. Da das Werk die Künste als Teile der großen Natur behandelt, kann ihre höchste Aufgabe und größte Vollkommenheit nur in der Naturnachahmung liegen – das ist der maßgebliche Grund dafür, dass nahezu alle Anekdoten in den plinianischen Kunstbüchern auf eine imitatio naturae zielen.29 An der einzigen Stelle, wo Alberti Plinius namentlich nennt, charakterisiert er dessen Werk als historia picturae.30 Ein derartiger Titel für das 35. Buch ist bei Plinius allerdings nicht angelegt; und auch dem ersten Satz des 35. Buches hat Plinius keine ‚Titelqualitäten‘ verliehen, wie er es andernorts getan hat und wie es in der antiken lateinischen Literatur sonst oft vorkommt.31 Erst mit dem Erstarken der frühneuzeitlichen Kunstgeschichtsschreibung und den Separatdrucken von Durand (1725) oder Falconet (1772) schien das 35. Buch den Sondertitel erhalten zu haben, der seiner anerkannten Bedeutung für die Geschichte der Kunstgeschichtsschreibung entsprach.32 Diese Annahme ist allerdings chronologisch zu präzisieren; zwei Beispiele können zeigen, wo dieser Sondertitel seinen Ursprung hat, und lassen die Vermutung zu, dass die Identifikation des 35. Buches als ‚antike Kunstgeschichte‘ bereits in der Handschriftenepoche angelegt war. Plinius hat, wie bereits erwähnt, jedem Buch indices beigegeben, die die inhaltliche Abfolge der Themen und die verwendete Literatur knapp darstellen. Auf inhaltlicher Seite gibt es dabei mindestens zwei Gliederungsebenen, man könnte von Ober- und Untertiteln sprechen, die einer gewissen Systematik folgen. Während in den geographischen Büchern (Plin. Nat. 3–6) stets Situs, gentes, maria etc. voransteht, erscheint der inhaltliche Schwerpunkt später oft als Genitivattribut zu natura (Nat. 9: aquatilium naturae, 10: volucrum naturae, 12: arborum naturae). Die medizinischen Bücher

29 Vgl. Campbell 2019, 284. 30 Alb. Pict. lat. 2,26: sed non multum interest aut primos pictores aut picturae inventores tenuisse, quando quidem non historiam picturae ut Plinius sed artem novissime recenseamus. Ich gehe weiter unten im Detail auf diese Passage ein. 31 Das Gesamtwerk beginnt titelsetzend mit Libros Naturalis historiae (Plin. Nat. praef. 1, s. o.); Buch 35 hingegen mit einem Rückverweis auf die Behandlung der Metalle (Metallorum, quibus opes con­ stant, adgnascentiumque his natura indicata propemodum est, Plin. Nat. 35,1). Plinius referiert zuerst kurz Buch 34, dann das Thema der folgenden Bücher als terrae genera lapidumque, also Steine und Erden, um erst an dritter Stelle darauf hinzuweisen, dass er mit dem beginnen wolle, was noch über die Malerei zu sagen wäre, einer einstmals großen, zu seiner Zeit aber in Rom gänzlich im Niedergang begriffenen Kunstform. 32 Dass Plinius ganz unabhängig von der Titelfrage von der frühen Kunstgeschichte ausgiebig benutzt wurde, steht nicht in Frage; exemplarisch erwähnt seien nur Vasaris Viten (Erstdruck 1550) und Junius’ De pictura veterum (1637 u. ö.; dazu Kurbjuhn 2014, 89–104). Die Separatdrucke der plinianischen Kunstbücher von Durand 1725 und Falconet 1772 (Plin. Nat. 34–36) behandelt grundlegend Oechslin 2006. Zur Bedeutung der plinianischen Kunstbeschreibungen für die Kunst der Renaissance im Allgemeinen und den Umgang mit den oft verlorenen antiken Kunstwerken s. McHam 2013; Bert 2011 (Schwerpunkt 16. Jh.) sowie am konkreten Beispiel Gall/ Wolkenhauer 2009.

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tragen häufig die medicinae explizit im Titel (Nat. 23, 24, 26–32).33 In der Pentade der Kunstbücher weisen Nat. 33 und 36 einen natura-Titel auf (metallorum naturae, naturae lapidum), Nat. 34, 35 und 37 tragen hingegen keinen vergleichbaren Obertitel. Würde man nun aber dort, um die Leerstelle zu füllen, das erste untergeordnete Stichwort des Index vom Unter- zum Obertitel befördern, bekäme Buch 34 den Titel aeris metalla, Buch 35 honos picturae, Buch 37 origo gemmarum. Es ist anzunehmen, dass ein derartiger Prozess stattgefunden hat und die Grundlage dafür bildete, dass das 35. Buch von einem bestimmten Zeitpunkt an, als diese Eigenschaft für das Publikum an Bedeutung gewann, tatsächlich als honos picturae betitelt wurde, während das Gesamtwerk der Naturalis historia zugleich stärker in den Hintergrund rückte. Eine genauere Datierung und topographische Verortung ist nach der aktuellen Forschungslage nicht möglich;34 die erreichbaren Beispiele zeigen aber, dass dies auf jeden Fall bereits vor Alberti der Fall war. Exemplarisch genannt seien eine Mailänder Handschrift des 14. Jahrhunderts, in der das 35. Buch als honos picturae eingeführt wird,35 sowie die bereits erwähnte humanistische Pliniushandschrift aus Ferrara (1433), die ebenso verfährt und die Alberti mit hoher Wahrscheinlichkeit zugänglich war.36 Die Identifikation des Sondertitels erweist sich damit als wichtiges Indiz bei der Rekonstruktion von Albertis Umgang mit dem Pliniustext und legt darüber hinaus weitere Untersuchungen im Handschriftenbestand nahe, um die Entstehungsgeschichte der frühneuzeitlichen Kunstliteratur genauer nachzuvollziehen. Dekontextualisierung und Rekontextualisierung durch aufmerksamkeitslenkende Titel und Paratexte waren stets charakteristische und machtvolle Verfahren im Umgang mit dem Erbe der

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Schröder 1999, 27 geht, wenn ich es richtig verstehe, davon aus, dass es sich bei diesen Obertiteln zugleich um die Rollentitel handelte, sie also möglicherweise an verschiedenen Stellen in der Buchrolle bzw. später im Kodex angebracht wurden. Um diese Frage genauer zu untersuchen, müssten, wie schon Schröder festhielt, die Indices, Incipit und Explicit, und, wie ich hinzufügen möchte, die Verwendung von Auszeichnungsschriften und Markierungen im Rahmen der handschriftlichen Pliniusüberlieferung besser erschlossen sein, als sie es derzeit sind. Die historisch variable Organisation von Texten wird in der Editionspraxis durchweg zu wenig beachtet. Campbell 2019, 291 spricht allgemein von einer „absence of overt theorization of Pliny’s Natural History in the context of the arts of 15th century Italy“. Milano, Ambr. E24 inf., datiert 1389, Beginn Buch 35, S. 669 Incipit liber XXXV[imus] in quo continetur honos picture. Auch der Miniator Pietro da Pavia erkennt diesem Buch seinen künstlerischen Sonderstatus zu, indem er sein Bildnis in die Eingangsinitiale setzt. In der illustrierten Pliniushandschrift für Gregorio Lolli Piccolomini (um 1460) wird das 35. Buch nicht durch einen Titel, sondern durch die Eingangsinitiale als ein liber de pictura identifiziert. Sie zeigt das Farbereiben, das Affreskieren einer Decke und die Arbeit an Cassoni (London, VAM MS.L. 1504–1896; dazu Whalley 1982). Milano, Ambr. D531inf, datiert 1433, Beginn Buch 35, S. 930: Incipit XXXVo in quo continetur honos picture. Zu Alberti und der Ferrareser Handschrift s. Bert 2014, passim. Der in Florenz verwahrte sog. Lübecker Plinius, den Alberti ebenfalls benutzt haben könnte, gibt dem 35. Buch keinen Sondertitel.

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klassischen Antike.37 Mit der Identifikation des 35. Buches als einer zunehmend unabhängigen Monographie de honore picturae gewann die Malerei ein eigenes, fachhistoriographisches Werk, verlor aber im Gegenzug die Einbettung und damit auch die Sinnstiftung durch den allumfassenden Naturbegriff der plinianischen Enzyklopädie. 4. Albertis implizite und explizite Urteile über Plinius in De pictura In der einführenden Passage von De pictura charakterisiert Alberti sein Projekt als etwas grundlegend Neues:38 Nos vero, quod sub aspectu rem positam esse volumus, pinguiore idcirco, ut aiunt, Minerva scribendo utemur. ac recte quidem esse nobiscum actum arbitrabimur si quoquo pacto in hac plane difficile et a nemine quod viderim alio tradita litteris materia, nos legentes intellexerint. (Ich aber werde mich beim Schreiben einer – wie man so sagt – ‚handfesteren Minerva‘39 bedienen, da ich will, dass die Sache vor Augen gestellt wird. Und ich werde glauben, dass mir dies gut gelungen ist, wenn die Leser mich irgendwie bei diesem ziemlich schwierigen und von keinem anderen, soweit ich sehe, zuvor schriftlich behandelten Thema verstehen.)

Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass dieser Anspruch auch bereits von demjenigen Werk erhoben wurde, das Albertis zentrale Grundlage bildete und das er hier nicht nennt: Plinius’ Naturalis historia, in deren Vorrede der Autor betont, dass sein Werk neuartig (novicium opus) sei, auf selten begangenen Wegen schreite (iter est non trita auctoribus via) und ohne Vorläufer in der griechisch-römischen Welt auskomme (nemo apud nos qui idem temptaverit).40 Natürlich ist ein derartiger Einstieg topisch und nicht auf die Goldwaage zu legen, und man könnte einwenden, dass Albertis Perspektive neuartig sei, die, wie er betont (Pict. lat. 1,1), diejenige eines Malers und nicht die eines Mathematikers sei.41 Doch er sah zumindest die Notwendigkeit, sich von diesem einen antiken Autor abzugrenzen, 37

Für römische Titel grundlegend Schröder 1999; narratologisch fundiert bei Tischer/Forst/ Gärtner 2018. 38 Alb. Pict. lat. 1,1. 39 Die Nutzung der sprichwörtlichen pinguis Minerva impliziert sowohl inhaltliche als auch sprachliche Klarheit und Anschaulichkeit; vgl. Erasm. Adag. 1,1,37. 40 Plin. Nat. praef. 1: Libros Naturalis historiae, novicium Camenis Quiritium tuorum opus, natos apud me proxima fetura licentiore epistula narrare constitui tibi. Plin. Nat. praef. 14: praeterea iter est non trita auctoribus via nec qua peregrinari animus expetat. Nemo apud nos qui idem temptaverit, nemo apud Graecos qui unus omnia ea tractaverit. Vgl. auch den oben zitierten Abschluss des Werkes (Nat. 37,204), wo seine Singularität noch einmal betont wird. 41 Alb. Pict. lat. 1,1: Peto igitur nostra non ut puro a mathematico sed veluti a pictore tantum scripta interpretentur.

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von dem ein Leser begründet hätte annehmen können, er wäre sein Vorgänger gewesen. Daher geht Alberti zu Beginn des zweiten Buches noch einmal auf das Thema von Vorbild und Nachfolge ein und klassifiziert Plinius als Historiker und als Nicht-Maler, womit er ihm (wie eingangs den namenlosen mathematici) zugleich den Rang des primus aberkennt, der demnach nicht in der Sache, sondern in der beruflichen Disposition des Autors begründet sein soll.42 Man könnte dies als Versuch definitorischer Abgrenzung und Emanzipation vom übermächtigen antiken Modell beschreiben:43 Sed non multum interest aut primos pictores aut picturae inventores tenuisse, quando quidem non historiam picturae ut Plinius sed artem novissime recenseamus. de qua hac aetate nulla scriptorum veterum monumenta quae ipse viderim extant, tametsi ferunt Euphranorem Isthmium nonnihil de symmetria et coloribus scripsisse, Antigonum et Xenocratem de picturis aliqua litteris mandasse, tum et Apellem ad Perseum de pictura conscripsisse. (Aber es ist nicht besonders wichtig, die ersten Maler oder Erfinder der Malerei festzuhalten, wenn wir nicht die Geschichte der Malerei, wie Plinius, sondern die Kunst [selbst] auf völlig neuartige Weise durchgehen wollen. Darüber existieren heute keine monumenta der alten Autoren mehr, die ich selbst gesehen hätte, auch wenn manche Leute sagen, dass Euphranor vom Isthmus etwas über die Symmetrie und über die Farben geschrieben hätte, dass Antigonos und Xenokrates etwas über die Malerei verfasst hätten und dass auch Apelles an Perseus etwas über die Malerei niedergeschrieben hätte.)

Die Erfinder (inventores) der Künste, deren Identifikation in den antiken Literaturen stets eine große Rolle spielt und die Plinius u. a. im 35. Buch herausarbeitet,44 seien, so Alberti, nicht von Bedeutung (non multum interest), wenn man, wie er, die künstlerischen Verfahren selbst (ars) untersuchen wolle.45 Plinius habe, im Gegensatz zu ihm, Alberti, die historia und nicht etwa die ars behandelt,46 so dass keine Vergleichbarkeit bzw. Abhängigkeit bestehen könne. Vorbilder für ihn hätten nur diejenigen antiken Autoren sein können, die (wie z. B. die erwähnten Euphranor, Antigonos, Xenokrates oder Apelles) als Künstler über Kunst geschrieben hätten; von diesen aber sei nichts erhalten. Damit käme ihm entweder das Verdienst der Wiedererweckung oder aber

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Bert 2014, 55 konstatiert: „L’analyse des emprunts laisse même entrevoir qu’Alberti évite parfois délibérément de citer Pline.“ Dem ist zuzustimmen; der Befund lässt aber noch weitergehende Schlüsse zu, die ich oben zu skizzieren versuche. 43 Alb. Pict. lat. 2,26; inhaltlich wieder aufgenommen in Alb. Pict. lat. 2,48, s. u. 44 Fachspezifisch angedeutet in Plin. Nat. 35,15–16; 35,56; 35,151–152; umfassend der große Erfinderkatalog im 7. Buch der Naturalis historia. 45 Zur Begrifflichkeit grundlegend Koch 2000. 46 Ars ist hier m. E. primär als τέχνη zu verstehen, wobei ein gewisser Doppelsinn mitklingt, da sie inhaltlich der Kategorie des ingenium gegenübersteht, als fachwissenschaftliche Textsorte hingegen der Kategorie der historia.

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das der Entdeckung zu, wie er ganz im Modus zeitgenössischer Entdeckerkonzepte anschaulich ausführt.47 Dass Plinius alle vier Autoren für das 35. Buch auswertete und damit die wichtigste Quelle für ihre Kenntnis bildete, worauf er sowohl im Text als auch in den Indices verweist, erwähnt Alberti nicht, sei es, um Plinius’ nicht unnötig hervorzuheben, sei es, weil er nur eine Teilhandschrift ohne Indices zur Verfügung hatte, die ihm diese Überlegung nahegelegt hätten (wobei er allerdings in Pict. lat. 2,41 Euphranor nach Plinius zitiert – er hätte es also wissen können). Alberti begründet seinen Erstlingsanspruch mit Hilfe einer thematischen Engführung und mit seiner Qualifikation als Autor, was in Erfinderdiskursen eher ungewöhnlich ist. Diesen Qualifikationsgedanken bringt er darüber hinaus gegen Plinius in Stellung, den er als Historiker und Nicht-Künstler aus dem Kreis der für ihn relevanten Autoren ausschließt.48 Dies hindert ihn aber nicht daran, Plinius im Folgenden für seine Schrift De pictura intensiv auszuwerten, aber eben konsequent ohne Namensnennung zu verwenden. In eine ähnliche Richtung weist die Beobachtung von Mathilde Bert, dass Alberti keinen Gebrauch von den künstlerischen Fachtermini macht, die Plinius bot: Plinius war zwar der einzig erreichbare Text zur antiken Kunst, als expliziter historischer Referenzpunkt aber offenbar aus Albertis Sicht nicht geeignet. 5. Albertis Rekontextualisierung der plinianischen Mikronarrative Albertis Umgang mit den Informationen und Anekdoten, die er aus der Naturalis historia entnahm, ist schon Gegenstand verschiedener Untersuchungen gewesen, denen ich einige Beobachtungen hinzufügen möchte.49 Eingangs habe ich ein Zitat Albertis aus Plinius als Indiz einer direkten, wörtlichen Zitierpraxis angeführt. Informationen aus Plinius, so kann man verallgemeinernd sa-

47 Alb. Pict. lat. 2,48: Ferunt Euphranorem priscum pictorem de coloribus nonnihil mandasse litteris. Ea scripta non extant hac tempestate. Nos autem qui hanc picturae artem seu ab aliis olim descriptam ab inferis repetitam in lucem restituimus, sive nunquam a quoquam tractatam a superis deduximus, nostro ut usque fecimus ingenio, pro instituto rem prosequamur. („Es heißt, dass Euphranor, ein alter Maler, etwas über die Farben geschrieben habe. Diese Schriften gibt es heutzutage nicht mehr. Ich jedoch, der ich diese Kunst der Malerei entweder als eine von anderen früher beschriebene aus der Unterwelt zurückgeholt und wieder ans Licht gebracht oder aber als eine niemals von jemandem behandelte von den Göttern herabgeholt habe, will, soweit ich es mit meinem Talent kann, das Thema nach Plan weiterverfolgen“). 48 Indem Alberti in der zitierten Passage historia als ‚Fachgeschichtsschreibung‘ und nicht, wie Plinius, in der älteren Wortbedeutung als ‚Auf Inaugenscheinnahme gegründete Darstellung‘ auffasst, erleichtert er sich selbst die Abgrenzung um den Preis eines reduzierenden neuen Framings für den plinianischen Text. 49 Ghidini 2019, bes. 19–24 zur Gesamtanlage des 2. Buches von Albertis De pictura in seinem Verhältnis zu Plinius; Beispiele v. a. zur kunstkritischen Begrifflichkeit bei Bert 2014, 68–93.

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gen, übernimmt Alberti in großem Umfang, aber ohne Quellenangabe; Plinius’ vergleichsweise skrupulöser Umgang mit den Prätexten ist kein Vorbild für ihn. Darüber hinausgehend gibt Alberti oft auch für Passagen, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus Plinius stammen, andere Autoren als Quelle an. So führt er im eingangs erwähnten Zitat über die Anfänge der Malerei die Aussage nicht auf Plinius, sondern direkt auf die literarisch ungreifbaren, aber mit Autorität und Anciennität versehenen Ägypter zurück (Aegyptii adfirmant), nennt Quintilian als Zeugen für eine Information, die er ebendort bei Plinius hätte finden können, wo er das Buch ja gerade aufgeschlagen hatte, ruft den allgemeinen Konsens an (in quo laudatur) und verweist auf eine namenlose Vielzahl unspezifischer Quellen (dicunt nostri, ferunt, referuntur, sunt qui referant).50 Diese Praxis des ausdrücklichen Verunklärens intertextueller Bezüge fällt auch deshalb besonders ins Auge, weil Alberti mit anderen antiken Autoren (e. g. Vergil, Vitruv, Quintilian, Lukian, Plutarch) ganz anders umgeht als mit Plinius.51 Albertis intertextuelle Praktiken lassen sich an einem weiteren Beispiel noch genauer beobachten: In einer Werkliste des Künstlers Euphranor weist Plinius knapp darauf hin, dass dieser einen Odysseus gemalt habe, bei dem man sowohl dessen Wahnsinn (insania) habe erkennen können als auch die Tatsache, dass dieser den Wahnsinn nur gespielt habe (simulata):52 Nobilis eius tabula Ephesi est, Ulixes simulata insania bovem cum equo iungens. (Berühmt ist ein Bild von ihm [d. i. Euphranor] in Ephesos, [das zeigt wie] Odysseus in vorgetäuschtem Wahnsinn ein Rind zusammen mit einem Pferd anschirrt.)

Alberti erwähnt dieses Gemälde im Zusammenhang mit der naturalistischen und der angemessenen Darstellung des Körpers und schreibt:53 Fuit et qui Ulixem pingeret ut in eo non veram sed fictam et simulatam insaniam agnoscas. (Es gab einen, der den Odysseus so malte, dass du an der Figur hättest erkennen können, dass es kein echter, sondern ein erfundener und vorgetäuschter Wahnsinn war.)

Er fokussiert bei der Übernahme des Mikronarrativs also die Wirkung des Werkes, indem er Plinius’ knappe Wendung simulata insania in mehrere Begriffe ausdifferenziert (non veram sed fictam et simulatam insaniam). Den Namen des Künstlers hingegen, den Plinius einige Zeilen zuvor genannt hatte und hier mit dem Pronomen in Erinnerung Alle Belege aus Alb. Pict. lat. 2,26; die Belege ließen sich beliebig vermehren. Dass Alberti sich dort, wo er mit hoher Wahrscheinlichkeit Plinius nutzt, eher auf Quintilian und die rhetorische Tradition beruft, haben Bert 2005 und Ghidini 2019 differenziert herausgearbeitet. 51 Bert 2014, 56 betont die implizite Hierarchisierung der antiken Autoren bei Alberti, die sich offensichtlich auch in der Zitierpraxis ausdrückt. 52 Plin. Nat. 35,129. 53 Alb. Pict. lat. 2,37. 50

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ruft, lässt Alberti fort, ebenso wie die Ortsangabe und die Bildbeschreibung. Damit verschiebt er den Fokus vom konkreten historischen Objekt zu den modi der künstlerischen Darstellung. Ein weiteres Mikronarrativ zeigt, wie Alberti mit der spezifisch römischen Ausrichtung von Plinius’ Naturalis historia verfuhr. Bei Plinius heißt es:54 Statuam Arvernorum cum [Zenodorus] faceret provinciae Duvio Avito praesidente, duo pocula Calamidis manu caelata, quae Cassio Salano avunculo eius, praeceptori suo, Germanicus Caesar adamata donaverat, aemulatus est, ut vix ulla differentia esset artis. (Als er das Standbild der Arverner machte – Duvius Avitus war damals Regierungschef in der Provinz –, bildete Zenodor zwei Becher von der Hand des Calamis nach, die Germanicus Caesar sehr geschätzt und seinem Lehrer Cassius Salanus, der wiederum der Onkel des Duvius gewesen war, geschenkt hatte; und [er bildete sie so nach], dass es kaum einen Unterschied in der Kunstfertigkeit gab.)

Man kann die von Plinius eher angedeutete als erzählte Geschichte so rekonstruieren: Germanicus Caesar, der vom Volk hochverehrte Thronfolger, hatte seinem Lehrer Cassius Salanus zwei von Calamis gearbeitete Becher geschenkt, die späterhin zum kostbaren Familienbesitz der Cassii gezählt wurden. Sie wurden von dem Bildhauer Zenodor nachgebildet; die gleichzeitige Erwähnung des Merkurstandbildes für die Averner und der Regierungszeit des Duvius Avitus scheint über die Datierung hinaus einen künstlerischen Zusammenhang zwischen beiden Werken (z. B. im Sinne einer Integration der Becherimitatio in das Werk für die Arverner) anzudeuten. Zenodors besondere Fähigkeiten (ars) sind nach Plinius sowohl in der Auswahl des relevanten Gegenstandes (ingenium) als auch in der handwerksgerechten aemulatio der Becher zu erkennen. Für Alberti hingegen waren die Informationen über die Akteure und den historischen Kontext so unwichtig, dass er die entsprechenden Informationen entweder wegließ oder unachtsam verwechselte. Er setzt die Anekdote folgendermaßen ein:55 Sunt qui aliorum pictorum opera aemulentur atque in ea re sibi laudem quaerant; quod Calamidem sculptorem fecisse ferunt, qui duo pocula caelavit in quibus Zenodorum ita aemulatus est ut nulla in operibus differentia agnosceretur. (Es gibt welche, die die Werke anderer Maler wetteifernd nachahmen und darin Ruhm zu gewinnen suchen. Dies soll der Bildhauer Calamis gemacht haben, der zwei Becher ziselierte, bei denen er Zenodorus derart nachahmte, dass kein Unterschied zwischen den Werken festgestellt werden konnte).

54 Plin. Nat. 34,47. 55 Alb. Pict. lat. 3,58.

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Alberti lässt den römischen Kontext und die konstitutive Verbindung von ars, historia und ingenium fort. Durch die Auslassung rückt das Thema der künstlerischen Nachahmung bzw. den unterschiedlichen Formen der Nachahmung in den Mittelpunkt; ein Gedanke, der bei Plinius wiederum keine Rolle spielt, für den die fachgerechte imitatio nur einen Teilaspekt der künstlerischen ars darstellt.56 Pointierend könnte man festhalten, dass Alberti in den diskutierten Passagen konsequent seinem Vorsatz folgt, nicht die historia, sondern die ars in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zu rücken, und dementsprechend die Historizität des Kunstwerks zugunsten seiner Machart, die Rezeption zugunsten der Produktion, den vielfältigen heterologen Raum zugunsten des autolog bestimmten Kunstdiskurses zurücktreten lässt. Dass er dabei Namen und Informationen weglässt, vertauscht oder auch falsch zuordnet ist in gewisser Hinsicht konsequent. Die Frage nach der Neuperspektivierung der Anekdoten soll ein letztes Beispiel noch weiter ausloten. Am Ende seiner Überlegungen über den Wert der Malerei greift Alberti die berühmte Anekdote über Zeuxis auf, der seine Bilder verschenkt haben soll, da er sie für unbezahlbar hielt:57 [Zeuxis] opes quoque tantas adquisivit, ut in ostentatione earum Olympiae aureis litteris in palliorum tesseris intextum nomen suum ostentaret. postea donare opera sua instituit, quod nullo pretio satis digno permutari posse diceret: sicuti Alcmenam Agragantinis, Pana Archelao. ([Zeuxis] habe so große finanzielle Mittel erlangt, dass er beim Vorführen dieses Reichtums in Olympia seinen Namen mit goldenen Buchstaben in die Vierecke des Mantels eingewebt ausstellte. Später beschloss er, seine Werke zu verschenken, weil er sagte, dass sie um keinen ausreichend angemessenen Preis verkauft werden könnten: so [verfuhr er mit] einer Alkmene für die Agrigentiner und einem Pan für Archelaos.)

Alberti folgt Plinius im narrativen Teil, schließt dann aber noch eine inhaltliche Deutung an:58

Zu einer vergleichbaren Beobachtung führt der Vergleich von Plin. Nat. 35,74 mit Alb. Pict. lat. 1,18: Die Satyrn, die im Bild des Timanthes den Daumen des Zyklopen mit ihrem Thyrsosstab messen, werden von Plinius als Beispiel des herausragenden ingenium vorgestellt, das „mehr erkennen lässt, als gemalt ist“ (intellegitur plus semper quam pingitur). Das Handeln der Satyrn macht die Größenverhältnisse anschaulich und bewahrt zugleich den spielerischen Aspekt der bildnerischen Kleinform. Plinius’ Lob mündet in die Feststellung, dass eines der Werke des Malers auch in Rom ausgestellt sei. Sowohl das künstlerische ingenium als auch der Rombezug sind für Alberti nachrangig; er lässt den Thyrsosstab und den spielerischen Charakter der inventio fort, während er sich auf die Größendifferenz konzentriert. Mathilde Bert hat weitere ähnliche Beispiele unter der Überschrift der ‚Denarrativierung‘ untersucht (Bert 2014, 66 f.). 57 Plin. Nat. 35,62: Dazu Emison 2004. 58 Alb. Pict. lat. 2.25. 56

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Zeuxis pictor suas res donare ceperat, quoniam, ut idem aiebat, pretio emi non possent. Nullum enim pretium existimabat inveniri quod satisfaceret huic qui fingendis aut pingendis animantibus quasi alterum sese inter mortales deum praestaret. (Der Maler Zeuxis hatte begonnen, seine Sachen zu verschenken, da die Leute sie ja mit Geld nicht bezahlen konnten, wie er selbst sagte. Er glaubte nämlich, dass kein Preis gefunden werden könne, der demjenigen gerecht würde, der durch das Nachbilden oder Malen von belebten Wesen sich gleichsam als zweiter Gott unter den Menschen erweise.)

Die Gottähnlichkeit des schaffenden Künstlers kommt in der plinianischen Anekdote nicht vor; dort bildet der ökonomische Wert des künstlerischen Handelns den Mittelpunkt. Alberti hingegen lenkt, ausgehend vom plinianischen Topos der schöpferisch tätigen, göttlichen Natur, d. h. deus vel natura artifex, den Blick auf den gottgleichen Künstler, artifex deus. Sein Leitgedanke ist die Gottähnlichkeit des Künstlers, dem er hier durch Umdeutung einer antiken Künstleranekdote Gewicht und Erinnerungsmacht verleiht.59 6. Resümee Plinius’ Naturalis historia stand in Albertis Handbibliothek – ob es nun eine Gesamthandschrift war oder aber, was mir durchaus plausibel erscheint, nur eine Teilhandschrift, die das 35. Buch bereits aus dem Gesamtwerk herausgelöst, als ‚Geschichte der Kunst in der Antike‘ etikettiert und durch einige Exzerpte aus den übrigen ‚Kunstbüchern‘ ergänzt hatte. Eine derartige Verselbständigung des 35. Buches lässt sich in den tituli und indices der Pliniushandschriften bereits deutlich vor Alberti nachweisen. Vermutlich auf dieser Basis bezeichnet er das 35. Buch als historia picturae und behandelt es als kunsthistorische Monographie, während er der ursprünglichen, kunsttheoretisch durchaus bedenkenswerten Einbettung in die antike Naturgeschichte keine Aufmerksamkeit schenkt – vielleicht (was nicht ausgeschlossen werden soll) nicht schenken kann, da er das Gesamtwerk zu diesem Zeitpunkt noch nicht studiert hat. Alberti grenzt sich in vielerlei Hinsicht von Plinius ab, der ihm als Historiker gilt, dem er nicht gleichen will, und auch von dessen Werk, dessen singuläres Potential er nicht würdigt. Davon unbeeinträchtigt trägt seine Schrift jedoch die plinianischen exempla und Anekdoten in die Literatur und in das Kunstwissen der Renaissance hinein, verbunden mit der Bekräftigung, dass Plinius eine Kunstgeschichte verfasst habe. Plinius wäre darüber wahrscheinlich erstaunt gewesen.

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Alberti ist der Gedanke so wichtig, dass er ihn am Beginn von Pict. lat. 2,26 gleich noch einmal wiederholt – die Maler hätten aus der erfahrenen Bewunderung auf ihre Gottesähnlichkeit geschlossen.

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Der intensiven Nutzung, die von wörtlichen Zitaten über Sachinformationen bis hin zur inhaltlichen Übernahme kurzer Narrative reicht, steht eine auffällige Distanzierung vom Autor Plinius gegenüber, der nur dort namentlich genannt wird, wo Alberti sein Werk als irrelevant für sein eigenes Schaffen charakterisiert. Diese weiterhin interpretationsbedürftige Ausblendung des plinianischen Prätextes führt mittelbar zu einer Verschiebung der auctoritas von Plinius zu den griechischen Künstlern sowie zur Konstruktion eines breiten, aber diffusen, da mehrheitlich ‚autorlosen‘ antiken Kunstdiskurses, auf den Alberti direkt zu reagieren vorgibt (sunt qui dicunt …). Beispiele zeigen, dass Albertis selektive Zitierpraxis vor allem Plinius betrifft, während er andere Autoren oft namentlich nennt; dass er spezifisch römische Kontexte bei der Übernahme aus Plinius ausblendete und den derart reduzierten Mikronarrativen neue Deutungen abgewann. Neue Schwerpunkte Albertis in den untersuchten Passagen waren z. B. die künstlerische aemulatio und das Konzept des artifex deus, den er dem deus artifex an die Seite stellt. Die Untersuchung der Spezifika dieses De- und Rekontextualisierungsprozesses, die nicht nur Einblicke in die Werkstatt des Humanisten Alberti geben, sondern auch einen zentralen Moment der frühneuzeitlichen Kunstgeschichtsschreibung erhellen könnte, ist eine noch lange nicht abgeschlossene Aufgabe. Literaturverzeichnis Adornato/Falaschi/Poggio 2019: Gianfranco Adornato, Eva Falaschi, Alessandro Poggio (ed.): Περὶ γραφικῆς. Pittori, Tecniche, Trattati, Contesti tra Testimonianze e Ricezione, Milano 2019. Bätschmann/Schäublin 2011: Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin (ed./trans./com.): Leon Battista Alberti, De statua, De pictura, Elementa picturae / Das Standbild, die Malkunst, Grundlagen der Malerei, Darmstadt 22011. Bayer/Brodersen 2004: Karl Bayer, Kai Brodersen (ed.): Plinius Naturkunde. Gesamtregister, Düsseldorf 2004. Bert 2005: Mathilde Bert: Alberti et Pline: L’éloge de la peinture, in: Albertiana 8, 2005, 227–238. Bert 2011: Mathilde Bert: Pline l’ancien et Dominique Lampson. Usages des propos de Pline sur la peinture dans la littérature artistique de la Renaissance, in: Archives internationales d’Histoire des Sciences 61, 2011, 383–403. Bert 2014: Mathilde Bert: Entre refus et émulation. Alberti face à l’Histoire naturelle de Pline dans le De pictura, in: Albertiana 17, 2014, 53–93. Bertolini 2000: Lucia Bertolini: Sulla precedenza della redazione volgare del De pictura di Leon Battista Alberti, in: Marco Santagata, Alfredo Stussi (edd.): Studi per Umberto Carpi. Un saluto da allievi e colleghi Pisani, Pisa 2000, 181–210. Bertolini 2019: Lucia Bertolini: Leon Battista Alberti da lettore ad architetto, in: Annali di architettura 31, 2019, 101–106. Borst 1994: Arno Borst: Das Buch der Naturgeschichte. Plinius und seine Leser im Zeitalter des Pergaments, Heidelberg 1994. Campbell 2019: C. Jean Campbell: Natural History as Model: Pliny’s Parerga and the Pictorial Arts of Fifteenth-Century Italy, in: I Tatti Studies 22/2, 2019, 283–293.

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Vergilius refert Die Aeneis und Albertis De pictura Hartmut Wulfram Der folgende Beitrag möchte den Stellenwert ausloten, der Vergils Aeneis in der lateinischen (End-)Version von Leon Battista Albertis De pictura zukommt (1435–1436 bzw. 1439–1444).1 Die erste Hälfte der Studie wendet sich den markierten Zitaten zu, wobei ein pragmatisches Verständnis von ‚Zitat‘ zur Anwendung kommt, das es – unter Berücksichtigung der kulturhistorischen Gegebenheiten – auf die Identifikation und Verifizierbarkeit seitens des zeitgenössischen Lesers anlegt.2 Die zweite Hälfte untersucht die ‚diskursiven Analogien‘, die Albertis Abhandlung zur Aeneis und deren Rezeptionsumfeld aufweist, ohne daß sich jeweils entscheiden ließe, ob diese in direkter Abhängigkeit stehen, lediglich diffus mitangeregt wurden oder unabhängig voneinander entstanden sind.3 1. Markierte Aeneis-Zitate in De pictura Wie Alberti selbst unterstreicht, war es Plinius der Ältere, der ihm mit Buch 35 seiner Naturalis historia (Nat. 35) e negativo den Anstoß zur Abfassung seines Malereitraktats (commentarii) gegeben hat (Pict. lat. 2,26).4 Das Unbehagen an der antiken Autorität Als weitere Texte Albertis, in denen Vergils Aeneis eine gewichtige Rolle spielt, lassen sich etwa Musca (vgl. Wulfram 2020b, 178–185), Profugia ab aerumna (Schöndube 2011, 132–137) und Momus (Wulfram 2013) anführen. Von der vexata quaestio, wie man De pictura exakt zu datieren habe – sowohl absolut als auch relativ zur volkssprachigen Version –, vermitteln Bätschmann/ Gianfreda 2002, 174–175; Bertolini 2000; Bertolini 2006, 33–35 und Furlan 2021a, 303, 306–307, 310–311 einen repräsentativen Eindruck. 2 Inwieweit der moderne Begriff ‚Zitat‘ für die antike Literatur anwendbar ist, erörtert Tischer 2010. 3 In dieselbe Richtung weist die terminologische Unterscheidung von ‚Intertextualität‘ und ‚Interdiskursivität‘, die Segre 1984, 103–118, bes. 110–111 vorgeschlagen hat und von Bertolini 2007, 544–545 auf Albertis De pictura angewendet worden ist. 4 […], quando quidem non historiam picturae ut Plinius, sed artem novissime recenseamus, „weil wir nicht wie Plinius eine Geschichte der Malerei schreiben, sondern erstmals ihre Prinzipien ergrün1

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Hartmut Wulfram

hielt ihn indes nicht davon ab, die naturkundliche Enzyklopädie stillschweigend und in großem, bisweilen dominantem Umfang für anekdotische Exempla und fachliche Details zu verwerten.5 Ohne sein Vorgehen eingehend zu begründen, hat der pragmatische Humanist die bei Plinius ausgemachten Theoriedefizite in Buch I mit Hilfe euklidisch-mittelalterlicher Geometrie und Optik, in Buch II und III durch den gelegentlichen Rekurs auf antike Rhetorik und Poetik wettzumachen gesucht.6 Die damit angedeutete Hierarchie literarischer Quellen bzw. deren Gipfel spiegelt sich jedoch in keinster Weise in der Anzahl namentlicher Autorerwähnungen wider. Eine solche Statistik wäre freilich für De pictura (wie für andere Werke Albertis) ohnehin nur sehr bedingt aussagekräftig, nicht zuletzt deshalb, weil sie alle übrigen, mehr indirekten Verweisformen außer acht läßt und keinerlei Aufschluß über Kontext und Funktion des jeweils Übernommenen zu geben vermag, d. h. „ob Alberti sich beispielsweise auf einen Autor als grundlegende Fundstelle für einen fachlichen Abschnitt beruft oder aber als Beleg für eine kurze Anekdote oder einen historischen Sachverhalt, die für die Substanz seiner Lehre belanglos bleiben.“7 Man darf vermuten, daß für einen humanistischen lector doctus, wie er dem anspruchsvollen ‚Neo-Latinisten‘ Alberti zweifellos vorschwebte, der einmalige, erst zu Anfang von Buch II gegebene Hinweis auf die Kontrastfolie Plinius vollkommen ausreichte.8 Im Zuge der Lektüre schälte sich ihm die mathematisch-rhetorische Fundierung, die der neuen, in den Rang einer ars liberalis zu erhebenden ars pingendi zuteil wurde, wie von selbst heraus. Mit De pictura halten wir mit anderen Worten keine moderne Wissenschaftsprosa in Händen, die über die von ihr benutzten Quellen minutiös Rechenschaft abzulegen hätte, sondern ein literarisches Kunstwerk, das intertextuelle Strategien verfolgt. Das Verschweigen gerade der wichtigsten Ideengeber und die disproportionale Frequenz, mit der die Identität der antiken Gewährsmänner enthüllt wird, gehören dazu (mittelalterliche Autoren, die Alberti hier und da sicher auch zurate gezogen hat, werden grundsätzlich nicht der Erwähnung für würdig befunden). Dennoch oder gerade deshalb muß für die vergleichsweise kurze Schrift der Befund verblüffen, daß es – über die generisch-äs-

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7 8

den wollen“ (Alberti, Pict. lat. 2,26, p. 47, l. 34–35 Grayson). Aufgrund von Separathandschriften und des Pseudo-Buchtitels honos picturae (eigentlich die Überschrift von Kapitel Nat. 35,1) konnte Plinius im Quattrocento noch markanter als der für Malerei zuständige antike Gewährsmann schlechthin wahrgenommen werden (mehr dazu im Beitrag von Wolkenhauer im vorliegenden Band). Bert 2005, 232–238; Koch 2013, 232–247 pass.; Ghidini 2019, 19–24 und Wolkenhauer in diesem Band (Kap. „Albertis Rekontextualisierung der plinianischen Mikronarrative“). Dazu aus jüngerer Zeit u. a. Sinisgalli 2007; Roccasecca 2016, 87–196 pass. und Bouvrande 2019, 34–36 (Pict. lat. 1) sowie Aurenhammer 2005, 28–32, 40–42; McLaughlin 2009, 87–89 und Bätschmann 2017 (Pict. lat. 2–3). Im vorliegenden Band s. bes. die Beiträge von Siemoneit bzw. Di Stefano; Feddern/Kablitz; Dänzer und Schöffberger. Wulfram 2001, 364; vgl. ebd. 363–379. In der volkssprachigen Version des Traktats wird Plinius dagegen ein zweites Mal genannt (Pict. volg. 2,3,6).

Vergilius refert

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thetische Grenze von gebundener und ungebundener Sprache hinweg – ausgerechnet der Name des römischen Dichters Publius Vergilius Maro ist, der mit drei Okkurrenzen die Spitzenposition einnimmt. Indirekte Referenzen beiseite, wird im ansonsten vorherrschenden Bereich der Prosa, der mit einem Dutzend Autorennamen vertreten ist, lediglich der Vielschreiber Plutarch ein zweites Mal explizit aufgerufen.9 Auf dem Gebiet der Dichtung widerfährt solch unverblümte Würdigung außer Vergil sonst nur den Griechen Homer (zweimal) und Hesiod (einmal), die beide jedoch offenkundig aus zweiter Hand, vermittelt über Paraphrasen bei römischen Autoren, rezipiert werden.10 Vergil dagegen, der (auch) im Quattrocento (wieder) das höhere (selbstredend lateinische) Schulcurriculum beherrschte,11 war Alberti und seinem gebildeten Zielpublikum zweifellos aus eigener Originallektüre bekannt. Da mithin der zitierte und der zitierende Text derselben Sprache Latein angehörten (für die volkssprachige Fassung des Malereitraktats gilt dies natürlich nicht), eröffneten sich dem aufnehmenden Autor zusätzliche Möglichkeiten organischer Bezugnahme. Alle drei der von ihm ins didaktische Kontinuum eingepflegten Vergilverweise entstammen der im kulturellen Diskurs der Renaissance stets besonders gegenwärtigen und prestigeträchtigen Aeneis12 und sind relativ gleichmäßig über die 63 Paragraphen der Schrift (nach Graysons kanonisch gewordener Einteilung) verteilt. So begegnen wir dem Epiker Vergil einmal in Buch 1 von De pictura (Pict. lat. 1,18) und zwei weitere Male in dem übermäßig langen, fast die Hälfte des gesamten Werks ausmachenden Buch 2 (2,37 und 2,49). Das erste dieser Zitate steht in einem Abschnitt, der die Sekundäreigenschaften sämtlicher potentiell malbarer Objekte von ihrer wechselseitigen Verhältnismäßigkeit abhängig macht (Pict. lat. 1,18).13 Die Bedingtheit dieser vorab als philosophisch gekennzeichneten, primär aristotelisch-scholastischen accidentia wird umgehend anhand der Körpergröße exemplifiziert, wobei Alberti übergangslos mit der Tür bzw. mit Vergil ins Haus fällt (p. 35, l. 12–13 Grayson): 9

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Pict. lat. 2,25 und 2,40. Außer Plinius und Plutarch werden in chronologischer Reihenfolge ihres Auftretens die folgenden Prosaiker, darunter auffallend viele Griechen, genannt: Gellius (Pict. lat. 1,14), Protagoras (1,18), Quintilian (2,26), Diogenes Laertios (2,26), Hermes Trismegistos (2,27), Xenophon (2,31), Varro (2,40), Vitruv (2,48), Lukian (3,53) und Galen (3,57). Platon und andere Philosophen firmieren lediglich als Maler (2,27). Ebenfalls außen vor stehen jene ‚Phantomautoren‘, von denen lediglich berichtet wird, daß sie etwas über Malerei geschrieben hätten (2,26). Eine genauere Analyse von Form und Funktion all dieser Bezugnahmen wäre lohnend, kann im Rahmen der vorliegenden Studie aber nicht geleistet werden. Pict. lat. 2,44 und 3,54; vgl. Quint. Inst. 12,10,5 sowie unten Anm. 55. Nach Bertolini 2005, 102 setzt Albertis Lektüre griechischsprachiger Originaltexte in nennenswertem Umfang um das Jahr 1441 ein, also erst gut fünf Jahre nach der Erstabfassung von De pictura. Bereits mit den späten dreißiger Jahren, und zwar mit Bezug auf den in Albertis Opusculum (Ex) Villa stark rezipierten Hesiod, rechnet Furlan 2021b, XIX–XX. Munk Olsen/Black/Kallendorf 2014. Vgl. etwa Buck 1976, 166–176; Houghton/Sgarbi 2018. Der Paragraph wird zusammenhängend von Brock 2005, 146–148 interpretiert; vgl. auch Brock 2015, 16–20.

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Hartmut Wulfram

Aeneam inquit Virgilius totis humeris supra homines extare, at is, si Polyphemo comparetur, pygmaeus videbitur. (Aeneas, so sagt Vergil, habe die Menschen um eine ganze Schulterhöhe überragt. Stellt man ihn aber neben Polyphem, wird er als Zwerg erscheinen.)

Der geschulte Leser erkennt freilich schnell, daß die Aeneis hier in indirekter Rede (AcI) nur approximativ wiedergegeben wird. Der von der Liebesgöttin Venus mit erotisierenden Reizen versehene Aeneas (Verg. Aen. 1,588–593) tritt der karthagischen Königin Dido als os umerosque deo similis, „an Gesicht und Schultern einem Gotte gleich“ (1,589), und ante alios pulcherrimus omnis, „im Vergleich zu allen anderen der schönste“ (4,141), gegenüber, zwei fokalisierende Überlappungen von Figuren- und Erzählerperspektive, die den hohen Wuchs des Bewunderten allenfalls implizieren. Mit der ersten Prädikation hat Albertis Junktur totis humeris supra homines extare immerhin die Fokussierung auf die Schultern, umeri, gemein (das prothetische h ist ein alter Hyperkorrektismus, der sich auch in mittelalterlichen Vergilhandschriften findet und Alberti die wirkungsvolle Anapher humeris/homines erlaubt), mit der zweiten Prädikation teilt sie die Übertrumpfung aller übrigen Menschen bzw. Männer (supra homines vs. ante alios omnis). Semantisch wie sprachlich deutlich engere Bezüge ergeben sich zu einer späteren Aeneis-Stelle, an der jedoch gar nicht von Aeneas die Rede ist, sondern von dem mythischen Sänger Musaeus, der im Elysium mit seinen hohen Schultern aus einer Gruppe seliger Dichter und Propheten herausragt, Musaeum […] umeris extantem […] altis (Aen. 6,667–668). Nicht nur das verwendete Verb extare und der fokussierte Körperteil sind identisch, die Schultern erscheinen auch im selben Kasus (instrumentaler Ablativ) samt attributiver Ergänzung (umeris totis vs. altis). Aeneas selbst wird von Vergil im Laufe des Epos zweimal mit dem schillernden Attribut ingens, ‚ungeheuer, gewaltig‘, belegt, wobei jeweils der Aspekt der Größe obwiegt:14 Der Heros wirkt riesig, als er in den primitiven Kahn des alten Charon steigt, der sonst nur die körperlosen Schatten der Toten über die Styx zu transportieren gewohnt ist (Aen. 6,413), und als er geradezu den Kopf einziehen muß, um in König Euanders bescheidenen Palast auf dem Palatin einzutreten (8,366–367). In letzterer Passage wandelt Aeneas ausdrücklich auf Herkules’ Spuren, der einst dieselbe Behausung besucht habe (Aen. 8,362–365), eine typologische Anlehnung, die im gegebenen Zusammenhang bedeutsam ist, weil Alberti im nicht allzu weiten Vorfeld unseres Zitats – Gellius’ Noctes Atticae bzw. eine verlorene Schrift des Plutarch aufgreifend (Gell. 1,1) – von der Übergröße des Herkules berichtet und diese eigenständig zu den Normalmaßen Euanders in Beziehung gesetzt hatte, der bei seinem Auftritt in Buch 8 der Aeneis (Aen. 8,102–305) gerade ein Kultfest für den Heroen feiert, das an die Bezwingung des gewalttätigen Riesen Cacus erinnert (Pict. lat. 1,14, p. 31, l. 16–19 Grayson):

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Gransden 1976, 85–86.

Vergilius refert

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Nam eadem fuit proportio palmi ad passum et pedis ad reliquas sui corporis partes in Euandro, quae fuit in Hercule, quem Gelius supra alios homines procerum et magnum fuisse coniectatur. (Denn egal, ob Euander oder Herkules, dem Gellius übermenschliche Dimensionen zuschreibt, überall herrschte dasselbe Größenverhältnis von der Handfläche zur Schrittbreite und vom Fuß zu den übrigen Teilen des Körpers.)15

Die Vorstellung, der Protagonist des vergilischen Epos habe in der Vertikalen menschliche Standards überschritten, wird in gewisser Weise auch durch das emblematische Bild des pius Aeneas bedient, der seinen Vater Anchises auf den eigenen Schultern aus dem brennenden Troja trägt (Aen. 2,717–725 und 804), oder wenn der zum Zweikampf mit Turnus aufbrechende Held mit drei Bergmassiven verglichen wird (Aen. 12,701– 703).16 Wenn außerdem sowohl Aeneas’ göttliche Mutter Venus (Aen. 2,591–592) als auch seine Geliebte Dido (im sog. Auftrittsgleichnis mit Diana in Aen. 1,501) durch ihre Körpergröße hervorragen, profitiert in genetisch-erotischer Automatik auch der Sohn bzw. Geliebte davon. Insgesamt läßt sich sagen, daß sich Albertis Aussage über die Größe des Trojaners nicht auf eine individuelle Passage der Aeneis bezieht, sondern diffuses Material prononciert zuspitzt. Wenn aber in dem Adversativsatz, der die vage Paraphrase abrundet, der doch so gewaltige Recke neben Polyphem plötzlich wie ein Zwerg aussieht, verbleibt die Weiterführung des Gedankens gleichwohl in der Sphäre der Aeneis. Im Rahmen seiner Irrfahrten begegnet Aeneas ja bekanntlich auch dem blinden Kyklopen und dessen Brüdern (Aen. 3,616–683), so daß der Leser, einerlei ob nun derjenige Vergils oder Albertis, sich die ungleiche Statur der beiden gut auszumalen vermag. Mit dem resultierenden quantitativen Dreischritt aus 1. normal­ sterblichen Menschen, 2. bestimmten Heroen wie Aeneas,17 3. Riesen wie Polyphem18 wird natürlich eher der Anfang, nicht das Ende des Prozesses skizziert: Theoretisch ginge es immer noch kleiner oder noch größer. Wie sehr der Humanist, als er über die Relativität der Akzidentien und ihre visuelle Umsetzung nachdenkt, in die Welt der Aeneis eingetaucht ist, zeigt der Umstand, daß auch der unmittelbar nachfolgende Satz aus ihr schöpft, mit dem Alberti von der körperlichen Größe zur körperlichen Schönheit übergeht (Pict. lat. 1,18, p. 35, l. 14–15 Grayson):

15 Vgl. Brock 2015, 10–13; Roccasecca 2016, 140–142. 16 Letztere Stelle bringt Sinisgalli 2006, 365–366 ins Spiel. Aeneas’ Gegner Turnus war dort kurz zuvor mit einem zu Tal rollenden Felsblock in eins gesetzt worden (Aen. 12,684–690). 17 Die Übergröße Achills, über die er schon bei Homer (Il. 18,192–193; 24,629–630) und später zumal in Quintus Smyrnaeus’ Posthomerica verfügt, stellt King 1987, 33–37 heraus. 18 Noch in De iciarchia, Albertis spätem volkssprachigen Dialog aus den sechziger Jahren, erscheint der vergilische Polyphem als Inbegriff leerer Größe (Ic. lib. 1, p. 189, l. 32 – p. 190, l. 24 Grayson mit Cassani 2014, 64–65).

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Hartmut Wulfram

Euryalum pulcherrimum fuisse tradunt, qui si Ganymedi a diis rapto comparetur, fortassis deformis videatur. (Man berichtet, Euryalus sei überaus schön gewesen. Wenn man ihn aber mit dem von den Göttern geraubten Ganymed vergleicht, dürfte er häßlich erscheinen.)

Im einleitenden Hauptsatz suggeriert zwar die unpersönliche Floskel tradunt, „man berichtet“, eine unbestimmte Vielzahl an Informanten, faktisch handelt es sich jedoch wie so oft bei Alberti um eine quasi antonomasische Referenz auf einen bestimmten Autor, hier auf den durch den Satz zuvor ohnehin schon im Raum stehenden Dichter Vergil.19 Die Figur des Euryalus gilt ja zurecht als Erfindung Vergils, ist sie doch in der antiken Literatur nicht vor bzw. unabhängig von der Aeneis greifbar, wo sie, paritätisch verteilt über beide Eposhälften, zusammen mit dem älteren Nisus in zwei prominenten Episoden auftaucht.20 Diese berichten von dem ambivalenten Sieg, den Euryalus mit Nisus’ Hilfe bei den Sizilischen Spielen im Wettlauf erringt (Aen. 5,286–361), sowie von dem tollkühnen ‚Heldentod‘ der unzertrennlichen Freunde (9,176–502). In beiden Episoden wird einleitend die ungewöhnliche Schönheit des Euryalus betont, wobei Vergil sich im zweiten Anlauf einer verkappt superlativischen Ausdrucksweise bedient, die Albertis elativisches Prädikatsnomen pulcherrimum vorwegnimmt: Euryalus, quo pulchrior alter / non fuit Aeneadum, „Euryalus, dem an Liebreiz keiner der Aeneaden das Wasser reichen konnte“ (Aen. 9,179–180; vgl. 5,295). Von Jupiters geliebtem Mundschenk Ganymed, der bei einem direkten Vergleich, wie Alberti im Nebensatz hinzufügt, Euryalus an Schönheit noch überbieten würde, berichten seit Homer zahlreiche antike Texte, nicht zuletzt die Aeneis.21 Bereits in deren Proömium werden Raub und olympische Ehrenstellung des jungen Hirten als einer der Gründe angeführt, die Junos unversöhnlichen Zorn auf Troja geschürt hätten, rapti Ganymedis honores (Aen. 1,28).22 Später wird die Ekphrasis eines kunstvoll mit Bildern bestickten Mantels die Entführung durch Jupiters Adler im Detail schildern (Aen. 5,250–257). Soweit ich sehe, sind Euryalus und Ganymed von keinem Autor der Antike in Parallele zueinander gesetzt worden, so daß Alberti für ihre Engführung allenfalls auf (bis19

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Eine ähnliche Entindividualisierung bietet z. B. die Berufung auf die poetarum sententia, mit der Alberti seine höchst eigenwillige Interpretation des ovidischen Narzißmythos bemäntelt (Pict. lat. 2,26 p. 47, l. 22 Grayson mit Bätschmann 2008, 39–42; Bouvrande 2019, 153–164), oder die Terenz meinende Floskel ut aiunt aus der weiter unten zitierten Passage Pict. lat. 2,37 p. 67, l. 15–16 Grayson. Besonders viele Fälle lassen sich mit Bezug auf die Hauptquelle Plinius ausmachen (dazu im vorliegenden Band Wolkenhauer bei Anm. 50–51); zum analogen Verfahren in De re aedificatoria (und überhaupt der neulateinischen Literatur) Wulfram 2001, 367. Bellincioni 1985; Reed/Thomas 2014. Neben Servius’ Interpretamenten kommen im Fahrwasser Vergils z. B. Hygin in Fab. 257,13 und 273,16 oder Ausonius in Epitaph. 10 und Epist. 23,20 Green auf Euryalus (und Nisus) zu sprechen. Bellandi 1965; Sölch 2008. Das Partizip rapti kann von einem Leser des Quattrocento prinzipiell doppeldeutig sowohl auf Ganymedis (= sein Raub) als auch honores (= seine Verführung) bezogen werden.

Vergilius refert

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her nicht eruierte) mittelalterliche oder frühhumanistische Vorgänger zurückgreifen konnte. Beide Jünglinge sind Trojaner und über den Ahnherren Tros nach mythographischer Fiktion von fern mit Aeneas verwandt (Aen. 9,284; Serv. 1,28; 5,252). Weit wichtiger mit Blick auf ihre exzeptionelle Wohlgestalt ist eine andere Gemeinsamkeit, die der Humanist, vielleicht gewarnt durch den Skandal, den Antonio Beccadellis freizügige Epigrammsammlung Hermaphroditus (ab 1425) ausgelöst hatte, nicht offen anspricht oder kaschiert,23 zweifellos aber suggeriert und als bekannt voraussetzt: sowohl Ganymed als auch Euryalus sind die jugendlichen Geliebten (ἐρώμενοι) in homoerotisch-päderastischen Beziehungen. Ganymeds größere Anmut kann so schon von seinem weit bedeutenderen Liebhaber (ἐραστής) abgeleitet werden. Jupiter, der oberste der Götter, duelliert sich mit Nisus, einem sterblichen Krieger unter vielen. Anders als im Falle von Aeneas’ viril-heroischer Schönheit, die, wie oben ausgeführt, die verwitwete Dido so beeindruckte,24 ist bei alledem keine das Normalmaß übersteigende Körpergröße impliziert, sondern eher im Gegenteil eine adoleszente Feingliedrigkeit, wie sie anderswo in De pictura just für die Darstellung Ganymeds im Kontrast zum kraftstrotzenden Ringkämpfer Milon von Kroton gefordert wird (Pict. lat. 2,37, p. 67, l. 10–14 Grayson): Nam perabsurdum esset, si […] viderentur […] Ganymedi frons rugosa, crura athletae, aut si Miloni omnium robustissimo latera levia et gracilia adderemus. (Denn es wäre denkbar deplaziert, wenn Ganymed über eine Stirn voller Falten und die Unterschenkel eines Athleten verfügte oder wir Milon, dem stärksten von allen, einen leichten und grazilen Oberkörper beilegten.)25

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Wie Homer, der gegen den Großteil der antiken Überlieferung davon spricht, daß die Götter im Kollektiv den schönen Ganymed geraubt hätten, freilich damit er Zeus den Wein einschenke (Il. 20,232–236), setzt Alberti den erotisch entschärfenden Plural a diis rapto bzw. ratto dalli iddii (Pict. volg. 1,18,5). Ein ähnliches Bemühen um Dezenz (aber auch um philologische Richtigkeit) könnte begründen, warum Euryalus’ Liebhaber Nisus in der lateinischen Endversion des Traktats fehlt, in der volkssprachigen Fassung aber noch neben Euryalus genannt wird, obwohl Vergil von einer besonderen Schönheit des Nisus nichts weiß: Niso e Heurialo furono bellissimi (Pict. volg. 1,18,5); zu dieser Variante vgl. Bertolini 2000, 205–206; Sinisgalli 2006, 366–367. Daß Alberti Beccadellis Hermaphroditus gekannt hat, ist schon dadurch gesichert, daß Herm. 1,21 an ihn adressiert ist. Daß später ein durch Liebe und Wohlleben an Didos Seite verweichlichter, in tyrischem Luxusmantel gewandeter Aeneas erst wieder von Merkur zur Erfüllung seiner heroischen Mission ermahnt werden muß (Verg. Aen. 4,259–264), steht auf einem anderen Blatt. Im Tenor ähnlich liegt Pict. lat. 2,44, p. 79, l. 9–10 Grayson: Sint in adolescente motus leviores, iocundi cum quadam significatione valentis animi et virium. Sint in viro motus firmiores et status celeri palaestra admodum ornati, „Jünglinge sollen mit leichteren und gefälligen Bewegungen gemalt werden, die tapferen Sinn und Kraft sacht andeuten, Männer mit festeren Bewegungen und Positionen, die ganz geprägt sind vom behenden Training“. Den weiteren Kontext solcher Wahrung von dignitas (oder äußerem aptum) skizziert Zöllner 1997, 27–28.

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Hartmut Wulfram

Rückblickend können wir somit festhalten, daß die namentliche Erwähnung Vergils in Pict. lat. 1,18 ein regelrechtes Netz impliziter Aeneis-Bezüge nach sich zieht. Das zweite explizite Aeneis-Zitat, von dem einleitend die Rede war, schließt direkt an den soeben bemühten Passus mit Ganymed und Milon an und führt das für Rhetorik wie Malerei grundlegende Gebot des ‚inneren aptum‘, der Abgestimmtheit aller Einzelteile zu einem harmonischen Ganzen,26 weiter aus (Pict. lat. 2,37, p. 67, l. 14–20 Grayson): Tum etiam in eo simulacro, in quo vultus sint solidi et succipleni, ut aiunt, turpe esset lacertos et manus macie absumptas agere. Contraque qui Achaemenidem ab Aenea in insula inventum pingeret facie, qua eum fuisse Virgilius refert, nec caetera faciei convenientia sequerentur, esset is quidem pictor perridiculus atque ineptus. Itaque specie omnia conveniant oportet. (Und in einer Abbildung, in der, wie man sagt, die Gesichter kompakt und voller Saft sind, wäre es unangebracht, Arme und Hände von Magerkeit verzehrt auszuführen. Wer andererseits Achaemenidis, den Aeneas auf einer Insel vorfand, mit jenem Gesicht malen wollte, das er Vergil zufolge zur Schau trug, und dann anschließend das übrige nicht mit diesem Gesicht übereinstimmte, jener wäre ein ganz und gar lächerlicher und unfähiger Maler. Das Erscheinungsbild aller Einzelteile muß also zusammenpassen.)

Aus rezeptionsgeschichtlicher Perspektive fällt an Albertis Ausführungen auf, daß das ausgemergelte Antlitz des Achaemenides, den nach Vergils Eingebung Odysseus und seine Gefährten achtlos in der Bucht der Kyklopen zurückgelassen hatten (Aen. 3,613– 618a), selbst gar nicht direkt beschrieben wird. Dessen erbarmungswürdiger Anblick wird vielmehr als durch Aeneis-Lektüre bekannt vorausgesetzt oder muß erst durch Umkehrschluß, contraque, aus dem Vordersatz deduziert werden, der dem Leser unter verklausulierter Übernahme einer Formulierung des Komödienschreibers Terenz, ut aiunt,27 proper üppige Gesichter vor Augen gestellt hatte (Eun. 318). Unter entgegengesetzten Vorzeichen gilt dasselbe für Achaemenides’ obere (und untere) Gliedmaßen, so daß der läppische Maler, den Alberti entwirft, den vergilischen Robinson Crusoe in unpassender Kombination mit eingefallenem Gesicht und kräftig-muskulösem Körperbau portraitiert. Schlägt man nun aber in der Aeneis selbst nach, so zeigt sich, daß die Personenekphrasis des römischen Dichters wieder nur ungenau aufgegriffen wird, insofern als Vergil von der Magerkeit, macies, der gesamten Achaemenides-Gestalt, forma, berichtet, nicht etwa wie Alberti speziell von der des Gesichts, facies, an dem der Epiker allenfalls den ungepflegt langen Bart hervorhebt (Aen. 3,590–594):

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Zum Begriff des inneren aptum bzw. decorum vgl. Ueding/Steinbrink 2011, 223–224; Grafton 2000, 118 und Wulfram 2021a, 24–26; zu Albertis Umgang mit Achaemenides kurz Aurenhammer 2014, 57. Zu dieser ‚Pluralisierung des Zitats‘ s. oben Anm. 19.

Vergilius refert

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cum subito e silvis macie confecta suprema ignoti nova forma viri miserandaque cultu procedit supplexque manus ad litora tendit. respicimus. dira inluvies immissaque barba, consertum tegimen spinis: at cetera Graius […] (da tritt plötzlich aus dem Wald, von äußerster Magerkeit erschöpft und bemitleidenswert verwahrlost, die kuriose Gestalt eines unbekannten Mannes hervor und streckt flehend seine Hände in Richtung Strand aus. Wir starren ihn an: scheußlicher Schmutz, herabhängender Bart, von Dornen zusammengehaltene Fetzen, ansonsten aber ein Grieche […].)

Daß Alberti nicht versehentlich, sondern mit Bedacht den Fokus vom Körper zum Gesicht verschoben hat, legt die Beobachtung nahe, daß auch das von ihm für das Gesicht in anonymer Form bemühte Hendiadyoin des Terenz auf den Leib als Ganzen gemünzt war: corpus solidum et suci plenum (Eun. 318). Das dritte Aeneis-Zitat schließlich nimmt eine markante Position gegen Ende der ‚Farbenlehre‘, luminum receptio (Pict. lat. 2,46–49), und damit überhaupt des zweiten Buches von De pictura ein. Pflegt Alberti allgemein gern einzuschärfen, daß gute Malerei – ähnlich wie später gute Architektur –28 nicht eo ipso auf kostbaren Materialien beruhe, sondern auf geistiger Planung (ingenium) und händischer Geschicklichkeit (manus),29 so macht er was speziell die Verwendung von Gold als Farbstoff anbelangt zusätzlich auch maltechnisch-ästhetische Defizite geltend: Blattgold erlaube keine der ihm so wichtigen Schattierungen, Helles gerate zu dunkel und Dunkles zu hell (Pict. lat. 2,49). Der Gedanke kulminiert in dem eindringlichen Rat, selbst das, was auf Ebene der Bilderzählung (historia) aus purem Gold sei, im Bilde selbst nicht mit demselben Element Gold zu kolorieren, was der Kunsttheoretiker anhand von Dido, der Protagonistin des vierten, seit jeher besonders bekannten und viel gelesenen Buches der Aeneis30 exemplarisch verdeutlicht (p. 89, l. 5–10 Grayson): Quin et si eam velim Didonem Virgilii expingere, cui pharetra ex auro, in aurumque crines nodabantur, aurea cui fibula vestem subnectebat aureisque frenis vehebatur, dehinc omnia splendebant auro, eam tamen aureorum radiorum copiam, quae undique oculos visentium perstringat, potius coloribus imitari enitar quam auro. ( Ja, auch wenn ich die berühmte Dido Vergils ausmalen wollte – ihr Köcher war aus Gold, in Gold [d. h. eine goldene Spange] wurden ihre Haare geknotet, eine goldene Brosche be28 29 30

Wulfram 2001, bes. 266–303 (zu De re aedificatoria); Wulfram 2013, bes. 32 (zum Momus). Grafton 2000, 115; Bätschmann/Schäublin 2011, 72–77. Zur geistigen Überhöhung, die die Hand als Spezifikum menschlicher dignitas gerade in der Renaissance – im Anschluß an Aristoteles und andere antike Philosophen – erfährt, vgl. Leinkauf 2017, 148–153. Theisohn 2008; Hamm 2008. Dido spielt daneben auch im weiteren Verlauf von Buch 1 eine wichtige Rolle und wird in Buch 6 von Aeneas in der Unterwelt angetroffen (Verg. Aen. 6,450– 476).

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festigte ihr Gewand und sie ritt mit goldenen Zügeln, kurzum alles glänzte vor Gold –, ich würde mich dennoch bemühen jenen Überfluß an goldenen Strahlen, der dem Betrachter von überall ins Auge schlägt, lieber mit Farben als mit Gold einzufangen.)31

Wie das lateinisch gebildete Publikum des Humanisten unschwer erkennt, wird hier der wohlinszenierte Auftritt der Königin von Karthago evoziert (Aen. 4,132–139), bevor sie zu jenem verhängnisvollen Jagdausflug aufbricht, der sie in eine leidenschaftliche Liaison mit Aeneas verwickeln, durch dessen spätere Abreise aber letztlich auch in den Selbstmord treiben sollte. Konzentrieren wir uns auf die goldenen Aspekte des Arrangements, so stellt uns Vergil ohne nähere Erläuterung oder Differenzierung als erstes die großflächige Decke und das Geschirr des wartenden, noch unbestiegenen Roßes vor Augen (134b–135): […] ostroque insignis et auro stat sonipes ac frena ferox spumantia mandit. (geschmückt mit Purpur und Gold steht ihr Roß da und kaut feurig auf den schäumenden Zügeln.)

Gleich darauf schreitet Dido selbst aus ihrem Palast, wobei nach zwei einleitenden Versen, die hier übersprungen werden können, die Aufmerksamkeit des Dichters ganz dem Edelmetall gilt (138–139): cui pharetra ex auro, crines nodantur in aurum aurea purpuream subnectit fibula vestem. (ihr Köcher ist aus Gold, ihre Haare sind in Gold [d. h. eine goldene Spange]32 geknotet, eine goldene Brosche befestigt ihr purpurnes Gewand.)

Vergleichen wir nun die beiden Darstellungen miteinander, zeichnen sich kleine, aber signifikante Unterschiede ab. Nachdem Alberti – vielleicht als mnemotechnisches Wiedererkennungszeichen (Hexameter wurden traditionell oft auswendig gelernt) – die erste Hälfte von Vers 138 bis zur Penthemimeres wörtlich zitiert hat, vertauscht er anschließend die Stellung der Satzteile crines und in aurum, fügt an die Präpositionalfügung die enklitische Konjunktion -que und moduliert das Tempus vom (historischen) 31 32

Eine gute, vornehmlich kunsthistorische Interpretation der Passage gibt Aurenhammer 2005, 32–36; vgl. auch Roccasecca 2016, 309–310 und Bouvrande 2019, 171–174. Der früher vereinzelt erwogene Bezug auf Didos blonde Haare (vgl. Verg. Aen. 4,590) scheint in doppelter Hinsicht abwegig. Zum einen waren die crines schon vor ihrer Bändigung golden, was sich nur schlecht mit dem Ausdruck in aurum nodari verbinden läßt, wenn damit auch die Haare gemeint sein sollen, zum anderen geht es im vorliegenden Kontext ja nicht zuletzt um die Zurschaustellung des sprichwörtlichen tyrisch-karthagischen Reichtums. Albertis Ausführungen drehen sich ohnehin um die Frage, wie das Material Gold am Besten von den Malern darzustellen ist.

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Präsens zum Imperfekt, wobei offenbleibt, ob mehr die Zeitstufe der epischen Erzählung oder die des Erzählers gemeint ist (da die erste Hälfte des Verses bis zur Zäsur aus einem kopulalosen Nominalsatz besteht, ist zudem nun eine Ellipse von erat statt est anzusetzen). Infolge all dieser Maßnahmen löst sich das Versmaß auf und es entsteht lupenreine Prosa.33 Auf inhaltlicher Ebene fällt der zweimal von Vergil genannte tyrische Prunkfarbstoff Purpur fort (ostro 134; pupuream 139), so daß schon allein dadurch bei Alberti das Gold sprachlich wie optisch noch dominanter hervorsticht. Überdies erfolgt die Beschreibung des Pferdes jetzt erst an zweiter Stelle, wohingegen sie bei Vergil derjenigen Didos voranging. Genauer besehen illustriert De pictura freilich weniger das Pferd, sondern – die vom Epiker hinterlassene Leerstelle auffüllend – wieder Dido selbst, wie sie majestätisch auf dem Tier einherreitet: Dido ist das grammatische Agens, das die goldenen Zügel (frena) fest in Händen hält, die in der Vorlage noch ohne spezielle Farbangabe von ihrem Roß gekaut wurden, während es dort unbestimmt Pferdedecke und Geschirr waren, die von Gold glänzten. Da Alberti zweimal eigenmächtig den visuellen Globaleindruck hinzufügt, den ringsum all das Gold beim textinternen Betrachter erzeugt habe (omnia splendebant, radiorum copia), triumphiert er mit sechs zu vier ‚Goldwörtern‘ über Vergil (Polyptoton von aurum, -i n. und aureus, -a, -um), und läßt so auch seine Leserschaft wie geblendet zurück. Obwohl mit mythologischem Epos und Malereitraktat (commentarii) die literarischen Gattungen denkbar weit auseinanderliegen, wird die Aeneis in allen drei von uns untersuchten Fällen von Alberti als affirmative Autorität für fachlich-didaktische Fragen genutzt (Relativität der accidentia, ‚inneres aptum‘, Primat der Ästhetik gegenüber dem Luxus). Der Humanist weist die betreffenden Zitate zwar namentlich als von Vergil stammend aus (die fehlende Werkangabe hat nicht viel zu bedeuten, Bücher oder gar Verse werden in Antike und Renaissance schon gar nicht spezifiziert), er präsentiert sie aber darstellerisch verfremdet in indirekter Rede (AcI) oder als eine Art von Redebericht, sofern man denn die Aeneis als lange Rede des Dichters aufzufassen geneigt ist. Der Ausgangstext wird jeweils mit großen Freiheiten und allenfalls partiell wörtlich wiedergegeben, sein Inhalt aus dem Zusammenhang gerissen und den aktuellen Argumentationszielen von De pictura geschmeidig angepaßt, wobei eine Konsequenz waltet, die philologische Versehen, etwa ungenaues Zitieren oder Paraphrasieren aus der Erinnerung, ausschließt. Alberti ist eben kein streng-musealer Philologe à la Lorenzo Valla, sondern ein kreativer Literat, zu dessen Kunst es gehört, die antiken Belege so zu amalgamieren und wenn nötig zu manipulieren, wie es ihm gerade in den

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Für Alberti maßgebliche römische Autoren wie Cicero und Seneca der Jüngere integrieren demgegenüber oft unverändert poetische Zitate in die Syntax der sie umgebenden Prosa, letzterer gerade auch Passagen aus Vergils Aeneis, welche nicht selten gewaltsam für die eigenen Zwecke instrumentalisiert werden (vgl. dazu Tischer 2017, 293–295 mit Anm. 15).

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Kram paßt.34 Auf beckmesserische Anfeindungen hätte er wohl achselzuckend und ein Bonmot seines 150 Jahre jüngeren Landsmannes Giordano Bruno vorwegnehmend geantwortet: Se non è vero è molto ben trovato.35 2. Diskursive Analogien Wir kommen zum zweiten Teil unserer Untersuchung: zu den diskursiven Analogien, die sich im einleitend definierten Sinne zwischen Albertis De pictura und Vergils Aeneis auftun. Wie im folgenden plausibel gemacht werden soll, erstrecken sie sich erstens auf die soziokulturellen Rahmenbedingungen von Kunst, zweitens auf die schon erwähnten Bilderzählungen (historiae) und schließlich drittens die intermedialen Grenzüberschreitungen zwischen Text und Bild. Insbesondere für den ersten, vorwiegend produktionsästhetischen Bereich scheint es geboten, daß wir die Perspektive eines historischen Lesers aus dem Italien des frühen 15. Jahrhunderts einnehmen, der Vergil regelmäßig im Lichte einer jahrhundertelangen, philologisch-exegetischen Tradition kennenlernte und verinnerlichte. Diese Vermengung von Text und Paratext manifestierte sich besonders augenfällig in den vielen Handschriften, die neben Scholien, zumal jenen des Servius, auch eine Vergilvita enthielten, in aller Regel die sog. Sueton-Donat-Vita (VSD) oder spätere Derivate davon (natürlich konnten solche peritextuellen Zusätze, die Vergils Status als abendländischen Schulautor spiegeln, auch epitextuell in separaten Schriftträgern zirkulieren).36 Zu dem, was in der Sueton-Donat-Vita über die Entstehung und zeitgenössisch-antike Rezeption der Aeneis gesagt wird,37 wohnen Albertis Malereitraktat auf wenigstens drei Feldern ausgeprägte diskursive Analogien inne. Gehen wir mit De pictura im Hinterkopf die Vergilbiographie chronologisch durch, sticht zunächst die intellektuelle und ethische Formung des Künstlers hervor. Vom Verfasser der Aeneis wird berichtet, daß er sich neben den übrigen Studienfächern auch mit Medizin und vor allem mit Mathematik (Astronomie) beschäftigt habe, inter cetera studia medicinae quoque ac maxime mathematicae operam dedit (VSD 15).38 Ver-

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„Alberti very often cited or responded to his texts in ways that fundamentally altered the apparent meaning of the ancient original“ (Grafton 1997, 73), „Alberti resembled a biochemist seeking genetic material to manipulate and reshape“ (ebd., 91). Giordano Bruno, De gli eroici furori, Seconda parte, dialogo terzo (Canone 1999,[1478], s. p.). Die Überlieferung der VSD in mittelalterlichen Vergilhandschriften dokumentieren Munk Olsen 1985, 701–824 pass. und Brugnoli/Stok 1997, VIII–XII (zugleich die grundlegende Textausgabe). Zu Einzelheiten s. den gründlichen Kommentar von Stachon 2021, 26–27, 46–57 und bes. 109– 204. Vermutlich liegt eine biographistische Interpretation einschlägiger Abschnitte aus Vergils Georgica zugrunde.

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gils angebliche Polymathie konnte sich im Zuge allegorischer Deutungen der Aeneis, die von der Spätantike (z. B. Servius, Fulgentius, Macrobius) bis ins Quattrocento (Salutati, Poggio, Landino) reichen, bis zu enzyklopädischer Allwissenheit steigern, wie sie nicht nur stilistisch von der berühmten rota Vergilii des Johannes de Garlandia aus dem 13. Jahrhundert symbolisiert wird.39 Ohne ein solch übertriebenes Anforderungsprofil im Sinn zu haben, imaginiert Alberti eine Malerpersönlichkeit, die vor allem ein guter Mann zu sein hat, der zugleich in den guten Künsten gelehrt ist, cupio pictorem […] in primis esse virum et bonum et doctum bonarum artium (Pict. lat. 3,52, p. 91, l. 13–15 Grayson). Wenig später präzisiert er, daß der ersehnte Künstlertypus wenn möglich in allen Freien Künsten geschult sein möge, über eine weitergehende Expertise aber in der Geometrie verfügen muß, doctum vero pictorem esse opto, quoad eius fieri possit, omnibus in artibus liberalibus, sed in eo praesertim geometriae peritiam desidero (3,53, p. 93, l. 1–3 Grayson), um dann nach einer kurzen Begründung an zweiter und nachgereihter Stelle auch noch literarische Kenntnisse aus dem Pool möglichen Wissens herauszugreifen, proxime non ab re erit se poetis atque rhetoribus delectabuntur (l. 11). Außerhalb der eigenen Domäne verfügt also der Beschriebene sowohl in der Vergilvita als auch in De pictura über Allgemeinbildung auf der einen Seite und speziellerer Kunde in zwei untereinander hierarchisch gestaffelten Disziplinen auf der anderen. Wenn Alberti noch vor dem geistigen Habitus auf die Rechtschaffenheit des Malers abhebt, virum et bonum et doctum, schließt er sich zwar primär dem rhetoriktheoretischen Ideal des vir bonus dicendi peritus an (Cato der Ältere, Cicero, Quintilian),40 darf sich aber in gewisser Weise auch durch Sueton-Donat bestätigt fühlen – implizit weil nach ciceronisch-frühhumanistischen Wunschvorstellungen ein umfassendes Wissen wie das Vergil zugeschriebene mit moralischer Integrität einhergeht (Einheit von richtigem Lesen, Denken, Sprechen und Handeln),41 explizit weil sie versichern, der Dichter habe sich nach Fertigstellung der Aeneis ganz der Philosophie verschreiben wollen, ut reliqua vita tantum philosophiae vacaret (VSD 35). Die nächstfolgende diskursive Analogie, die sich dem von De pictura herkommenden Zaungast bei linearer Lektüre der Vita aufdrängt, betrifft die sukzessive Arbeitsweise des jeweils portraitierten Künstlers. Wie Sueton-Donat mit viel Gespür fürs Detail ausführen, habe Vergil tagtäglich aus zahlreichen, morgens eilig hingeworfenen Versen durch beständige Überarbeitung und Feile bis zum Abend einige wenige kon-

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Ziolkowski/Putnam 2008, 463–468, 623–824; Wulfram 2010a, 4–6; Wulfram 2020a, 79– 90 (jeweils mit weiteren Literaturhinweisen). Scholz 2014, 37–46; Wulfram 2021a, 21–22 mit Anm. 41 (weitere Literaturhinweise). Im frühen Quattrocento erscheint des öfteren das traditionelle, aristotelisch-scholastische animal rationale durch drei weitere Eigenschaften erweitert als recte legens, eloquens [jeweils zu ergänzen: Latine] agensque; s. Buck 1996, 2, 50; Wulfram 2010b, bes. 58–59; Dreischmeier 2017, bes. 11–12, 198–236.

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densiert (VSD 22).42 Von der Aeneis sei weiters eine über zwölf Bücher verteilte Rohfassung in Prosa angefertigt worden, die der Dichter erst nach und nach, ohne erkennbare Systematik versifiziert habe (23). Um dem Schaffensrausch keine Zügel anlegen zu müssen, sei hierbei zunächst so manches wie durch provisorische Balken nur durch improvisierte Verse, tibicines, abgestützt worden, bevor die dauerhaft tragfähigen Säulen, solidae columnae, eintreffen würden (24). Vor einem nicht näher bestimmten Kreis an Zuhörern habe Vergil außerdem bisweilen aus seinem noch in Arbeit befindlichen Epos vorgetragen, und zwar, um deren Meinung darüber einzuholen, bevorzugt solche Stellen, von deren Qualität er selbst nicht ganz überzeugt gewesen sei, recitavit et pluribus, sed neque frequenter et ea fere, de quibus ambigebat, quo magis iudicium hominum experiretur (33–34). Die Unabgeschlossenheit der Aeneis, von der bis heute 58 unvollständig überlieferte Halbverse, hemistichia (41), zeugen, reflektiert das von Vergil betriebene, durch seinen Tod vorzeitig zum Stillstand gekommene work in progress. Ein durchaus vergleichbarer Prozeß schwebt auch Alberti in De pictura vor, wenn der Humanist dort für den Maler, verteilt über drei Stufen, nach einer sorgfältigen, mens und ingenium beanspruchenden Planungsphase (Pict. lat. 3,59), die zumal bei den komplexen ‚Ereignisbildern‘, historiae, unabdingbar sei (60), anschließend die zur visuellen Veranschaulichung dienende Anfertigung von Entwurfszeichnungen und schließlich, gleichsam als Probe aufs Exempel, die unerschrockene Vorabpräsentation unter Freunden, ja allen interessierten Passanten ansetzt (Pict. lat. 3,61–62, p. 103, l. 30–34; p. 105, l. 29–34; p. 107 l. 1–3 Grayson): Ceterum cum historiam picturi sumus, prius diutius excogitabimus, quonam ordine et quibus modis eam componere pulcherrimum sit. Modulosque in chartis conicientes tum totam historiam, tum singulas eiusdem historiae partes commentabimur amicosque omnes in ea re consulemus. […] amicique consulendi sunt, quin et in ipso opere exequendo omnes passim spectatores recipiendi et audiendi sunt. Pictoris enim opus multidudini gratum futurum est. Ergo multitudinis censuram et iudicium tum non aspernetur, cum adhuc satisfacere opinionibus liceat. […]. Nostros ergo pictores palam et audire saepius et rogare omnes, quid sentiant, volo, quandoquidem id cum ad caeteras res tum ad gratiam pictori aucupandam valet. (Wenn wir ein Ereignisbild malen wollen, werden wir vorab länger darüber nachdenken müssen, in welcher Ordnung und auf welche Art und Weise dieses am Besten zu komponieren ist. Alsdann Skizzen aufs Papier werfend, werden wir bald die ganze Bilderzählung, bald einzelne Teile davon andeuten und auf dieser Basis alle Freunde um Rat fragen. […]. Nicht nur Freunde sind um Rat zu fragen, jeder beliebige Betrachter sollte selbst noch bei der Ausführung des Werkes empfangen und angehört werden,43 will doch das Werk

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Daß sich diese Angabe an und für sich auf die Georgica bezieht, kann in unserem Zusammenhang vernachlässigt werden. Alberti denkt hier offenkundig an eine bottega des frühen Quattrocento, die mitunter, als quasi halböffentlicher Raum, die Funktionen von Malerwerkstatt und Verkaufsladen in sich vereinte.

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des Malers der Menge gefallen. Das kritische Urteil der Menge sollte daher solange wie möglich berücksichtigt werden […].44 Ich möchte also, daß unsere Maler ganz offen alle anhören und sie danach fragen, was sie denken, nicht zuletzt deshalb, weil das ihre Karriere befördern kann.)

Gerade das interaktive Moment, die Bereitschaft, das nahezu fertiggestellte Produkt der konstruktiven Kritik von Freunden und Laien zu unterziehen, haben der Vergil der biographischen Tradition45 und der von Alberti entworfene Maler miteinander gemein. Als von ganz anderem Kaliber erweisen sich demgegenüber die mißgünstigen ‚professionellen‘ Kritiker, die am einprägsamen Schluß der vergilischen Lebensbeschreibung – ähnlich wie im Fernsehen der Siebziger Jahre die beiden mürrischen Alten Waldorf und Statler aus der Muppetshow – aus Prinzip kein gutes Haar an dem lassen, was ihnen geboten wird, ganz unabhängig davon, wie gut es in Wirklichkeit ist. Mit souverän-fatalistischer Geste und unter Zuhilfenahme eines argumentum e fortiori wird dieses Künstlerlos von Sueton-Donat gleich einleitend zu einer anthropologischen Konstante erhoben (VSD 43): Obtrectatores Vergilio numquam defuerunt, nec mirum, nam nec Homero quidem. (An Verleumdern hat es Vergil nie gefehlt, kein Wunder, erging es doch auch Homer nicht besser.)

Um die aufgestellte Behauptung zu belegen, werden in der Folge mehrere Beispiele angeführt, namentlich auch solche, die wie die Aeneidomastix, ‚Aeneis-Peitsche‘, eines gewissen Carvillius Pictor oder die Ὁμοιότητες, ‚Übereinstimmungen‘ (mit Homer), des Q. Octavius Avitus, speziell das Epos Aeneis aufs Korn nehmen (44–46). Die Klage über derartige obtrectatores zieht sich freilich, fortan inspiriert von dieser grundlegenden Passage der Vergilvita (VSD 43–46), durch die lateinische Literaturgeschichte, von Antike und Spätantike über das gesamte Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit. Nicht selten in prophetisch-apotropäische Form gekleidet, wird sie dabei in aller Regel von den Autoren selbst, Dichtern wie Prosaikern, bezogen auf das eigene Werk vorgebracht.46

44 An der ausgelassenen Stelle flicht Alberti die berühmte Schuster-Anekdote vom antiken ‚Malerfürsten‘ Apelles ein, die er – wie so viele – Plinius dem Älteren (Nat. 35,84–85) verdankt. 45 Daß Vergil nicht nur vor einer unbestimmten Menge, sondern auch vor einem intimen Kreis von Freunden (im weiten antiken Sinne des Wortes) rezitiert hat, läßt sich aus VSD 27–29 und 32 entnehmen. 46 Die diachrone Geschichte des Topos ist noch nicht geschrieben; zu Vergils obtrectatores s. Görler 1987 und Farrel 2010. Für Alberti wären außerdem etwa Vitruv (Vitr. 7 praef. 8–9 über die Homeromastix Zoilos); Plinius der Ältere (Nat. praef. 28–32); Hieronymus (u. a. Hilar. 1,6–8; Vulg. Pent. prol. l. 4–7, 39–47 Weber; Epist. 49,6,1; 49,19,5) und Petrarca (u. a. Fam. 1,1,36; Epyst. 1,1,47–55; Sen. 2,1 pass.) von besonderer Wichtigkeit.

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In De pictura überträgt dann Alberti den rhetorischen Gemeinplatz – womöglich erstmalig? – auf eine nicht-verbale Kunst47 (Pict. lat. 3,62, p. 107, l. 5–8 Grayson): Tum minime verendum est, ne vituperatorum et invidorum iudicium laudibus pictoris quicquam possit decerpere. Perspicua enim ac celeberrima est pictoris laus dicacemque testem ipsum bene pictum opus habet. (Im übrigen besteht überhaupt gar kein Grund zu der Befürchtung, das Urteil von neidischen Tadlern könne auf irgendeine Weise dem Ansehen des Malers schaden. Das offenkundige Können eines Malers läßt sich nicht aus der Welt schaffen und verfügt mit dem gut gemalten Bild über einen beredten Fürsprecher.)

Mag hier Alberti dank seiner distanzierten Rolle als praeceptor artis pingendi auch ähnlich abgeklärt und emotionslos wirken wie die über ihrem Gegenstand stehenden Vergilbiographen Sueton und Donat, in vielen seiner frühen, mehr oder weniger autobiographischen Schriften steigert sich die Auseinandersetzung mit realen oder vermeintlichen obtrectatores und detrectatores, die integren und hoffnungsvollen jungen Literaten wie ihm aus Gehässigkeit am Zeug flicken wollten, zu einer regelrechten Obsession.48 Die zweite Oberkategorie diskursiver Analogien, die De pictura zu Vergils Aeneis aufweist, hängt mit dem für Albertis Theoriebildung zentralen Konzept der Ereignisbilder, historiae, zusammen.49 Wie der Humanist nachdrücklich unterstreicht, können Dichter und ‚Redner‘ (der Terminus rhetor deckt hier wie des öfteren in der Renaissance nicht nur die eigentliche Oratorik, sondern z. B. auch Geschichtsschreibung und Moralphilosophie ab)50 dem Maler in diesem vielschichtigsten und bedeutendsten Teilbereich seiner Kunst, amplissimum bzw. summum pictoris opus historia,51 d. h. bei der Stoffindung, inventio (der terminologische Anschluß an die Rhetoriktheorie liegt auf der Hand), unschätzbare Dienste leisten (Pict. lat. 3,53, p. 93, l. 11–15 und 3,54, p. 95, l. 7–16 Grayson):

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Wenig später, im Rahmen eines paradoxen Enkomions, auch auf die vorgeblich zu Unrecht diffamierten Fliegen (Musca 36–47). Aemulos, invidos, obtrectatores, quod genus hominum non rarissimum est, „Nachäffer, Neidhammel, Verleumder, solche Leute gibt’s wie Sand am Meer“ (Comm. litt. 3,18). Zahlreiche weitere Beispiele bei Pittaluga 2010, 143–146, 149 und Wulfram 2020b, 187 mit Anm. 54. Rund um den historia-Begriff gibt es eine ausgiebige kunsthistorische Diskussion, die in den letzten Jahrzehnten etwa von Grafton 2000, 127–136; Aurenhammer 2005, 36–38; Hope 2007 und Bätschmann/Schäublin 2011, 87–94 fortgeführt worden ist. Im vorliegenden Band s. den Beitrag von Feddern/Kablitz gegen Ende. Buck 1996, 17; Rüegg 1999, 164, 169. Pict. lat. 2,33, p. 59, l. 2; Pict. lat. 2,35, p. 61, l. 32–33; Pict. lat. 3,60, p. 103, l. 2 Grayson.

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Proxime non ab re erit se poetis atque rhetoribus delectabuntur. Nam hi quidem multa cum pictore habent ornamenta communia. Nam hi quidem multa cum pictore habent ornamenta communia. Neque parum illi quidem multarum rerum notitia copiosi litterati ad historiae compositionem pulchre constituendam iuvabunt, quae omnis laus praesertim in inventione consistit. […]. Idcirco sic consulo poetis atque rhetoribus ceterisque doctis litterarum sese pictor studiosus familiarem atque benivolum dedat, nam ab eiusmodi eruditis ingeniis cum ornamenta accipiet optima, tum in his profecto inventionibus iuvabitur, quae in pictura non ultimam sibi laudem vendicent. […]. Nostris sic arbitror nos etiam poetis legendis et copiosiores et emendatiores futuros, modo discendi studiosiores fuerimus quam lucri. (Als nächstes wird es nicht deplaziert sein, sich an Dichtern und Rednern zu erfreuen, die viele schmückende Details mit dem Maler gemein haben. Literaten, die voll Wissen über mannigfaltige Dinge sind, können ihm entscheidend dabei helfen, die Komposition einer Bilderzählung gehörig auf den Weg zu bringen, beruht doch deren Güte ganz auf der Stoffindung. […]. Deshalb rate ich dem Maler, er möge sich voll Engagement und Empathie mit Dichtern, Rednern und sonstigen Gelehrten vertraut machen, denn von gebildeten Köpfen dieses Schlages wird er bestens mit schmückenden Details versorgt, vor allem aber nachhaltig bei der Stoffindung unterstützt, die am Gelingen eines Bildes gewichtigen Anteil hat. […]. Ebenso glaube ich, daß auch wir durch die Lektüre unserer Dichter stofflich vielseitiger und besser werden, vorausgesetzt wir sind fleißiger darin zu lernen als Gewinne einzuheimsen.)

Die drei Beispiele, die in den ausgelassenen Passagen des obigen Zitats für solche von der Literatur vermittelte Bildsujets gegeben werden – die Verleumdung des Apelles nach Lukian, die drei Grazien nach Hesiod, Jupiters Majestät nach Homer (letzteres stellt für sich genommen noch keine historia dar) –,52 sind im Kollektiv dazu angetan, zweierlei zu unterstreichen. Zum einen denkt Alberti im vorliegenden Zusammenhang (Pict. lat. 3,53–54) ausschließlich an antike Werke,53 die sein zum vir doctus erhobener Maler aus eigener Lektüre zu kennen hat (die Kooperation mit zeitgenössischen Dichtern und Rednern ist dafür nicht zwingend erforderlich),54 wobei die drei genannten 52

Die Nennung gerade dieser drei „Bilderfindungen“ wird von Aurenhammer 2014, 58–75 einer ausgreifenden Interpretation unterzogen. 53 Giottos Navicula Petri ist überhaupt die einzige ‚zeitgenössische‘ historia, die in De pictura namentlich Erwähnung findet (Pict. lat. 2,42). 54 Anders die m. E. überzogene Deutung von Grafton 2000, 136–141, der hier zu sehr von der malerischen Praxis eines Botticelli oder Raffael auf den Theoretiker Alberti zurückzuschließen scheint. Daß Alberti vielmehr ausschließlich an antike Autoren denkt, unterstreicht der Umstand, daß er wenig später daran zweifelt, ob es zu seiner Zeit überhaupt Dichter und Redner gibt, die diesen Namen verdienen, rhetores et poetas, si qui nostra aetate aut rhetores aut poetae appellandi sunt (Pict. lat. 3,61 p. 105, l. 12–14 Grayson); vgl. auch die negative Charakterisierung der dezidiert zeitgenössischen Dichter und Redner in Albertis Cynicus (Int. 4,3,66–73). Übergreifende Überlegungen zum Profil des artifex doctus in Albertis kunsttheoretischen Schriften stellt Di Stefano 2000, 84–92 an.

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Musterfälle zwar ursprünglich der griechischen Literatur entstammen, in der ersten Hälfte des Quattrocento aber direkt oder indirekt in ‚Übersetzung‘ greifbar sind und insofern vollgültiger Teil der lateinischsprachigen frühhumanistischen Gelehrtenkultur.55 Zum anderen steht dem Verfasser in unserer Textstelle hauptsächlich die Poesie vor Augen, was auch sprachlich aus der zweimal identisch formulierten Reihenfolge aus erstens Dichtern, zweitens Prosaautoren, poetis atque rhetoribus, hervorgeht, die im abschließenden Resümee dann sogar auf ein bloßes nostris poetis verkürzt wird. An letzterer Wortverbindung gilt es überdies das Possessivpronomen zu beachten, das in petrarkisch-zeittypischer Manier ein Antike und Renaissance umspannendes Kontinuum römisch-italienischer (Hoch-)Kultur suggeriert56 und die Maler ‚von heute‘ dazu auffordert, es den Griechen gleichzutun, indem sie ihre Stoffe vornehmlich der eigenen klassischen Dichtung, also der lateinischen, entnehmen, wozu man sich freilich der Mühe des ausgiebigen Lesens und Lernens unterziehen müsse, anstatt auf schnellen Gelderwerb auszugehen (rhetorisch geschickt bezieht sich Alberti durch das verwendete nos – wenigstens vordergründig – selbst in die Ermahnung mitein). Ähnlich wie Ovids Metamorphosen, die wohl als einziges Werk der Antike von Malern und Bildhauern der Frühen Neuzeit noch intensiver rezipiert worden sind, bietet Vergils (vorwiegend) mythologisches Epos ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an historiae in Albertis Sinne. Die in der Aeneis enthaltenen Ekphrasen von Kunstwerken stellten darüberhinaus, sozusagen in actu, textintern-intermediale Vorbilder bereit, anhand derer man die Transformation von verbal-schriftlicher Überlieferung in narrative Bildkunst exemplarisch vorgeführt bekam, wenn auch notgedrungen nur in verfremdet-verschriftlichter Form. An Umfang und Detailreichtum stechen drei dieser Ekphrasen mit den folgenden Sujets deutlich hervor: erstens die Trojabilder im Junotempel von Karthago (Aen. 1,453–493), zweitens der kretische Portalfries am Apollotempel zu Cumae (Aen. 6,20–33) und drittens die künftige römische Geschichte auf dem Schild des Aeneas (Aen. 8,626–728). Wir haben horizontal, außerdem womöglich vertikal und, im dritten Fall, konzentrisch angeordnete ‚Tafelwerke‘ vor uns, die dem Betrachter bzw. Leser in ihren Einzelbestandteilen wie als übergreifende Kompositionen historiae erzählen.57 Daß es sich strenggenommen, wenigstens bei den 55

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Für die Calumnia (Luc. Cal. 4–5) standen die Übersetzungen Guarino da Veronas (ca. 1406–1408) und Lapo da Castiglionchios (1434–1438) zur Verfügung (Huss 2018, 68–74); die Drei Grazien (Hes. Theog. 907–909) als Bildsujet kannte man aus Seneca (Benef. 1,3,2–7) und von den erhabenen Gesichtszügen Jupiters, wie sie Phidias auf Basis dreier Homerverse dargestellt hat, berichtete damals zuvorderst Valerius Maximus (Val. Max. 3,7, ext. 4; dazu Aurenhammer 2001, 380–381 mit Anm. 89). Zum analogen Sprachgebrauch in anderen Schriften Albertis Grafton 1997, 87; Wulfram 2001, 33 mit Anm. 5; zu jenem bei Leonardo Bruni und Petrarca Wulfram 2012a, 102–103. Der Ekphrasis von Kunstwerken in der Aeneis hat Putnam 1998 eine einflußreiche Monographie gewidmet. Was Koch 2013, 235 über den Stellenwert ausführt, der in De pictura materiell einst real­ existierenden Bilderzählungen der Antike beigemessen wird, gilt im Prinzip auch für bloß erdichtete: „Das Bild eines antiken Meisters kann demgemäß auch in Form der Beschreibung, gleichsam

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letzten beiden von ihnen, um Erzeugnisse der Bildhauerei, nicht der Malerei handelt, ist angesichts der strukturell-intentionalen Gemeinsamkeiten als nebensächlich zu erachten. Überhaupt wird in De pictura immer dann, wenn es Albertis Argumentation gerade zupaß kommt, die enge Verwandtschaft der beiden Künste herausgestrichen (Pict. lat. 2,27, p. 51, l. 2–5 Grayson): Ea vero in urbe, in qua tantus fuerit sculptorum numerus, utrum et pictores non paucos fuisse arbitrabimur? Sunt quidem cognatae artes eodemque ingenio pictura et sculptura nutritae. (Werden wir glauben, daß es in einer Stadt mit vielen Bildhauern nicht auch viele Maler gegeben hat? Malerei und Bildhauerei sind ja blutsverwandt und vom selben Geist genährt.)58

Bezeichnenderweise wird auch der berühmte Phidias, der in den antiken Quellen praktisch ausschließlich als Bildhauer in Erscheinung tritt, von Alberti stillschweigend zu einem maßgeblichen Maler umfunktioniert, Phidias egregius pictor (Pict. lat. 3,54, p. 95, l. 12 Grayson).59 Der letzte Bereich markanter diskursiver Analogien, der uns beschäftigen soll, hat, wie eingangs angekündigt, bestimmte ‚dramatische‘ Grenzüberschreitungen zum Gegenstand, die sich in De pictura und Aeneis zwischen Text und Bild vollziehen. Gegen Ende seiner Fachschrift erlaubt sich Alberti eine für die Gattung kühne metatextuelle Pointe, mit der er sich vor den Augen der lateinischen Leserschaft formal an die faktisch eines gehobenen Lateins kaum je mächtigen Maler seiner Zeit wendet,60 vielleicht auch erst an spätere, die als ideale pictores docti eines Tages über derartige Sprachkenntnisse verfügen werden (Pict. lat. 3,63, p. 107, l. 11–16 Grayson): Haec habui, quae de pictura his commentariis referrem. Ea si eiusmodi sunt, ut pictoribus commodum atque utilitatem aliquam afferant, hoc potissimum laborum meorum premium exposco,

als in Worten gespeicherte inventio, nahezu dieselbe Wirkung auf den Rezipienten ausüben wie das gemalte Original. Was dem modernen Malereiforscher die digital erfaßte Bilddokumentation, ist dem Humanisten die Ekphrasis, die anschauliche Beschreibung.“ 58 Vgl. u. a. Pict. lat. 2,27, p. 49, l. 10–14 Grayson und Pict. lat. 3,58–59 pass. (eine Passage, die freilich zugleich gewichtige Unterschiede zwischen Malerei und Bildhauerei hervorhebt). 59 Die antiken Testimonien über Phidias werden ausführlich von Strocka 2004 diskutiert. Laut Plin. Nat. 35,54 soll er sich lediglich zu Beginn seiner Karriere mit Malerei beschäftgt haben. Vor Alberti wird Phidias auf dieser Basis u. a. von Francesco Petrarca und Lorenzo Ghiberti als Maler apostrophiert (Aurenhammer 2001, 385–395). In De pictura kommt der Bildhauer noch an drei weiteren Stellen namentlich zum Zuge, in Pict. lat. 2,25, p. 45, l. 19–20; ebd., p. 47, l. 1–3 und 3,60, p. 103, l. 20–21 Grayson. Der dabei zu beobachtenden Vereinnahmung als Maler geht Aurenhammer 2001 en Detail nach. 60 Die zwei weitgehend getrennten Ausbildungskulturen der italienischen Frührenaissance stellt Burke 1984, 60–73 in seiner klassischen Abhandlung heraus; vgl. auch Baxandall 1971, 126–129 und 133.

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ut faciem meam in suis historiis pingant, quo illos memores beneficii et gratos esse ac me artis studiosum fuisse posteris praedicent. (Das war’s, was ich in den vorliegenden Darlegungen über die Malerei zu sagen hatte. Wenn sich herausstellen sollte, daß die Maler davon profitieren können, mögen sie als würdigen Lohn für meine Mühen mein Gesicht in ihren Ereignisbildern unterbringen. So können sie der Nachwelt ihren ewigen Dank bekunden und mich als jemanden ausweisen, der etwas von ihrer Kunst verstand.)

Hyperrealistische Spekulationen darüber, auf welcher Basis Alberti sich hier die Anfertigung und Integration seines Portraits vorstellt – etwa indem Maler, die ihm nie begegnet sind, sich seiner im selben Zeitraum (1438 bzw. 1432–1434) entstandenen Bildplakette bedienen –, gehen am Kern der Sache vorbei.61 Der bemühte Passus kündet weit weniger von der Eitelkeit als von dem Witz unseres Autors, allein schon deshalb, weil überraschende metatextuelle Schlußvolten zu den Charakteristika der frühen albertianischen Prosa zählen. So findet sich noch in derselben Schrift De pictura nur wenige Sätze später eine Apostrophe an die potentiell erfolgreicheren Verfasser nachfolgender Malereitraktate (Pict. lat. 3,63, p. 107, l. 20–25 Grayson), obwohl eine derartige Bescheidenheitstopik, wie es z. B. Poggio Bracciolinis 1440 abgefaßter Dialog De vera nobilitate zeigt, eher vorab, in Dedikationsbriefen oder Praefationes, ihren Platz hätte.62 Ganz am Ende der zu De pictura supplementären Elementa picturae, deren ursprüngliche volgare-Fassung um 1435–1436 oder früher angesetzt wird,63 richtet sich Alberti dagegen plötzlich an die künftigen Kopisten der Schrift, um sie – quasi als Retourkutsche für die vielen Klagen, die sie zum Abschluß mittelalterlicher Handschriften über die Schwere ihres Handwerks anstimmen – zur sorgfältigen Arbeit anzuhalten (Elem. lat. p. 129, l. 28–29 Grayson).64 Albertis lukianisches Enkomion auf die Fliege schließlich – um noch ein drittes Beispiel aus einer ganz anderen literarischen Gattung anzuführen (datiert um 1441–1443) – kommt dadurch zum Stillstand, daß ein Fliegenschwarm, der sich zum dankbaren Applaus auf den Mund des paradoxen Laudators setzen will, jedes Weiterreden unmöglich macht (Musca 50).65 Doch kehren wir zurück zu der eklatanten Grenzüberschreitung zwischen Text und Bild im finalen Abschnitt von De pictura. Mit dieser Transgression wechselt Albertis didaktische persona unvermutet von ihrem deskriptiv-normativen Standardräsonne61 62 63 64 65

Roccasecca 2016, 357–361. Die Datierungsdiskussion bezüglich der Bildplakette fassen etwa Bätschmann/Schäublin 2011, 19–20 und Cassani 2014, 95 mit Fig. 20 zusammen. Poggio Bracciolini, De vera nobilitate 1–3 Canfora; zur Topik Janson 1964, 124–127, 145–149 und Curtius 1993, 93–99. Bätschmann/Schäublin 2011, 356–357; Bertolini 2011, 54–55. Zwei verwandte, wenn auch mitten im Text plazierte Apostrophen Albertis an die Kopisten von De re aedificatoria analysiert und kontextualisiert Wulfram 2012b. McLaughlin 2019 (Vergleich der albertianischen Musca mit der lukianischen Vorlage); Wulfram 2020b, 187–188 (zum Redeabbruch).

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ment zu einem persönlichen, sie selbst betreffenden Appell hinüber. Ungeachtet aller kategorialen Unterschiede ergeben sich dabei bemerkenswerte Anknüpfungspunkte zu einem berühmten, emotional berührenden Aufeinandertreffen von Text- und Bild­ ebene in der Aeneis. Gemeint ist die ‚narrative Metalepse‘, die eposimmanent entsteht,66 wenn Aeneas sich selbst auf dem oben erwähnten Bilderfries im Junotempel zu Karthago im Kampf gegen die Griechen abgebildet sieht, se quoque princibus permixtum adgnovit Achivis (Aen. 1,488). Vergils fiktiver Protagonist antizipiert damit in gewisser Weise jenen Moment visueller Selbsterkenntnis oder Autoanagnorisis beim Betrachten einer historia, der dem Autor Alberti hypothetisch bevorsteht, sollte sein Ansinnen, auf einem Ereignisbild dargestellt zu werden, zu Lebzeiten erhört werden (faktisch kann der Wunsch natürlich auch erst postum, ohne die Genugtuung dessen, der ihn geäußert hat, in Erfüllung gehen). Der von Alberti angedeutete Nachruhm, posteris praedicent (Pict. lat. 3,63, p. 107, l. 15–16 Grayson), der mit seiner Abbildung auf einer historia verbunden wäre, setzt die prosopographische Identifikation seitens des Betrachters voraus, wie sie dem epischen Aeneas für zahlreiche Helden des troianischen Krieges, darunter sich selbst, gelingt (Aen. 1,456–493). Potenziell, d. h. sofern dieses Wissen nicht im Laufe der Zeit verloren geht oder das Gemälde samt der Erinnerung daran zerstört wird, vermag sich solcher Nachruhm sogar bis zur ‚Unsterblichkeit durch Kunst‘ auszuweiten, wie sie in einer anderen prominenten Metalepse der Aeneis, der selbstbewußten Apostrophe des Dichters an die Freunde Nisus und Euryalus, den beiden von Vergil erfundenen Figuren versprochen wird (Aen. 9,446– 449).67 Würde dem Verfasser von De pictura wie gewünscht gedankt, dann erschiene sein Konterfei – wie das so mancher seiner Zeitgenossen (die Gepflogenheit wird in Pict. lat. 3,56, p. 99, l. 11–14 Grayson reflektiert) – ‚anachronistisch‘ versetzt in mythologischen, allegorischen, historischen oder biblisch-hagiographischen Kontexten bzw. historiae. In der interdisziplinären Alberti-Forschung hat es denn auch an Versuchen nicht gefehlt, gewisse auf Ereignisbildern der italienischen Renaissance figurierende Gestalten als Leon Battista Alberti zu identifizieren.68 Da dabei jedoch bis heute kein

66 Eine metaleptische Phänomenologie antiker Ekphrasen entwirft Baumann 2013, bes. 257–260 und 287–289. 67 Die epische Apostrophe wird von de Jong 2009, 93–97 als antike Spielart der Metalepse ins Feld geführt. Davon, daß Alberti das vergilische Freundespaar Nisus und Euryalus gut in Erinnerung geblieben ist, zeugt die in § 1 des vorliegenden Beitrags diskutierte Textstelle Pict. lat. 1,18, p. 35, l. 14–15 Grayson. 68 Vor nicht allzu langer Zeit spekulierte z. B. Roeck 2007, 143, daß Alberti auf Piero della Francescas Fresko ‚Die Begegnung Salomos mit der Königin von Saba‘ (Arezzo, San Francesco, um 1460) einer mittig frontal den Betrachter anblickenden Figur seine Züge geliehen hat. Ältere Identifikationen läßt Tavernor 1994, 64 Revue passieren. Zwar soll es Giorgio Vasari zufolge Alberti sein, den er als vierten von links etwas verdeckt im Rechtsprofil auf seinem Gemälde ‚Lorenzo il Magnifico umgeben von Philosophen und Gelehrten‘ untergebracht hat (Florenz, Palazzo Vecchio, um 1559, s. Paoli 2005, 88–89 mit Anm. 21), das ‚Kollektivportrait‘ stellt jedoch keine historia in Albertis Sinne dar: Zum einen ist der narrative Gehalt viel zu gering, zum anderen figuriert Alberti als er selbst.

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Ut pictura architectura Tangenze tra De pictura (redazione latina) e De re aedificatoria Alberto Giorgio Cassani

Habebit quidem haec disquisitio utilitatis tantum, ut ea ne pictores quidem venustatum exquisitissimi sectatores ullo pacto sibi carendum esse affirmaturi sint; habebit etiam iucunditatis, quoad (non dico plus) legisse non poenitet (Res aed. 7,1).1

1. Prologo. Quali lettori? Molte difformità, inevitabilmente, differenziano il De pictura e il De re aedificatoria albertiani.2 Il diverso periodo in cui sono stati redatti (1435–1436/post 1443), l’ineguale lunghezza dei due trattati – tre e dieci libri –, il dissimile oggetto della trattazione: la pittura e l’architettura; la disuguaglianza del tipo e del numero di parti in cui le due téchnai si caratterizzano: circumscriptio, compositio e luminum receptio,3 la prima; regio, area, partitio, paries, tectum, apertio,4 la seconda. Tra queste differenze, basterebbe forse citarne una, tra le più famose, tratta dal De re aedificatoria (Res aed. 2,1). L’architettura tratta di misure certe, la pittura ricorre a «illusorie parvenze»:

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«Questa trattazione sarà di così grande utilità, che perfino i pittori, raffinatissimi ricercatori di bellezze, la reputeranno d’importanza imprescindibile; avrà inoltre quel tanto di piacevolezza che permetta almeno di non pentirsi per averne intrapreso la lettura» (Orlandi/Portoghesi 1966, 529,6–10; trad. it. 528,7–10). 2 Edizioni Grayson 1980 rispettivamente Orlandi/Portoghesi 1966. 3 Pict. lat. 2,31. Sulla derivazione, o meno, da Plin. Nat. 35 passim, cfr. Wright 1984, 63, Bert 2014, 65 nota 46 (con altri rimandi bibliografici) e il contributo di Wolkenhauer in questo volume. 4 Res aed. 1,2, Orlandi/Portoghesi 1966, 23,12–13.

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Alberto Giorgio Cassani

Inter pictoris atque architecti perscriptionem hoc interest, quod ille prominentias ex tabula monstrare umbris et lineis et angulis comminutis elaborat, architectus spretis umbris prominentias istic ex fundamenti descriptione ponit, spatia vero et figuras frontis cuiusque et laterum alibi constantibus lineis atque veris angulis docet, uti qui sua velit non apparentibus putari visis, sed certis ratisque dimensionibus annotari.5

Tuttavia si possono riscontrare anche molte tangenze. Va subito detto che il lavoro che qui si presenta è un work in progress che, chi parla, si augura di approfondire ulteriormente, in un prossimo futuro. Vorremmo iniziare, con una sorta di prologus, con un tema che si ripresenta in entrambi i trattati albertiani e che mostra, appunto, al tempo stesso, dissomiglianze e vicinanze. Quello del tipo di scrittura utilizzato nell’esposizione dei due argomenti, la pittura e l’arte architettonica e, dunque, del pubblico di lettori cui l’Alberti si rivolge.6 Leon Battista lo dichiara in entrambi i casi all’inizio dell’opera (Pict. lat. 1,1): Sed in omni nostra oratione spectari illud vehementer peto non me ut mathematicum sed veluti pictorem hisce de rebus loqui. Illi enim solo ingenio, omni seiuncta materia, species et formas rerum metiuntur. Nos vero, quod sub aspectu rem positam esse volumus, pinguiore idcirco, ut aiunt, Minerva scribendo utemur.7

Appare immediatamente la scelta operata dall’Alberti: egli si presenta nei panni del pittore, dell’amatore «dilettante», nel senso di colui che si diletta.8 E immediatamente si deduce che l’interesse di Leon Battista va alle cose che si possono vedere con gli occhi, come conferma un brano del De re aedificatoria, che contrappone questioni di tipo filosofico e cose concrete visibili allo sguardo (Res aed. 10,3):

5 «Tra l’opera grafica del pittore e quella dell’architetto c’è questa differenza: quello si sforza di far risaltare sulla tavola oggetti in rilievo mediante le ombreggiature e il raccorciamento di linee ed angoli; l’architetto invece, evitando le ombreggiature, raffigura i rilievi mediante il disegno della pianta, e rappresenta in altri disegni la forma e l’estensione di ciascuna facciata e di ciascun lato servendosi di angoli reali e di linee non variabili: come chi vuole che l’opera sua non sia giudicata in base a illusorie parvenze, bensì valutata esattamente in base a misure controllabili» (Orlandi/ Portoghesi 1966, 99,12–18; trad. it. 98,13–21). 6 Su questo tema controverso si vedano le diverse opinioni di: Wright 1984, 69–70; Wright 2010, passim, Bertolini 2011, 35–58, Di Stefano 2011; Furlan 2014, 7 e Furlan 2021, 310–311. Si veda anche la recensione di Bouvrande 2011 su Wright 2010. 7 «Ma, in ogni nostra espressione, chiedo vivamente di tener presente che io parlo di queste cose non come matematico, ma come pittore. Quelli [i matematici], infatti, misurano le figure e le forme delle cose solo con la mente, facendo astrazione da ogni materialità dell’oggetto. Noi [pittori], invece, in quanto vogliamo che una cosa sia visibile, ci esprimeremo, nello scrivere, come si dice, secondo il comune buon senso» (Sinisgalli 2006, 93–94). Cfr. Vitr. 1,1,18. 8 Cfr. Res aed. 6,4: Sed dicta haec sint animi gratia («Ma questi sono aneddoti narrati a scopo di diletto») (Orlandi/Portoghesi 1966, 467,17–18; trad. it. 466,21); Res aed. 7,16: Haec animi gratia dicta sint («Tutte queste notizie sono state riferite per puro diletto») (ibid., 657,14; trad. it. 656,16).

Ut pictura architectura

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Non illa philosophantium hic prosequar, petantne aquae mare quasi quietis locum, radione fiat lunae, ut mare momentis augeatur vicissimque diminuatur; nihil enim ad rem nostram conferent. Illud non praetereundum est, quod ipsis oculis perspicimus.9

Ma, tornando al primo capoverso del De pictura – Sed in omni nostra oratione […] – ecco quanto si legge, mutatis mutandis, in un passo pressoché analogo nel De re aedificatoria (Res aed. 6,7): Mercurium ferunt vel maxime ob hanc rem divinum habitum, quod nullo signo manus, sed solis verbis, quae diceret ita diceret, ut plane intelligeretur. Id ego etsi verear posse ossequi, tamen pro viribus conabimur. Nam institui non ut mathematicus sed veluti faber de his rebus loqui non plus quam quod praetereundum non sit.10

Concetto ribadito, detto en passant, in Res aed. 6,1, dove il posto dei matematici è preso dai retori: Me tamen nequicquam poenitet mei, si quod omnino institueram assecutus sum, ut qui me legerint, esse me facilem dicendo maluisse statuant, quam videri eloquentem.11

Due passi, quelli del De pictura e del De re aedificatoria, dunque, apparentemente identici. Soltanto che, mentre il De pictura è stato redatto sia in volgare che in latino (qualunque sia la precedenza)12, il trattato sull’architettura è stato scritto soltanto in latino e, perciò, sembrerebbe non essere rivolto ad architetti, tecnici e fabri, ma soltanto a principi, letterati e amatori colti; anche se l’Alberti dichiara di volersi esprimere in un latino comprensibile (a differenza di Vitruvio) (Res aed. 6,13): Polliciti sumus velle me, quoad in me sit, Latine et omnino ita loqui, ut intelligar.13

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«Non ci rifaremo qui alle note questioni filosofiche: se l’acqua si diriga verso il mare quasi per riposarsi in esso; o se siano i raggi lunari la causa onde il mare alternativamente cresce e decresce – problemi che non toccano il presente assunto. Servirà piuttosto rammentare quelle proprietà che si possono constatare con i propri occhi» (Orlandi/Portoghesi 1966, 887,22–26; trad. it. 886,27–32). «Secondo la tradizione la divinità di Mercurio si manifestava soprattutto in ciò, che riusciva a farsi comprendere alla perfezione esprimendosi con le sole parole e senza far segni con le mani [come gli italiani]. La stessa cosa cercheremo di fare noi, pur dubitando di riuscire nell’intendo. Ci siamo infatti risolti a trattare questi argomenti, non come matematici, bensì come praticanti, e limitandoci allo stretto necessario» (Orlandi/Portoghesi 1966, 481,24–483,2; trad. it. 480,30–482,2). «Non di meno non avrò da rammaricarmi del mio lavoro, se avrò raggiunto ciò che mi proponevo, se cioè i miei lettori comprenderanno che ho preferito adottare un’esposizione piana piuttosto che sforzarmi di apparire eloquente» (Orlandi/Portoghesi 1966, 443,25–28; trad. it. 442,30–34). Su questa discussione si vedano: Bertolini 2000; Bertolini 2011, 35–58 e, di parere opposto, Furlan 2021, 310–311. «Abbiamo detto che avremmo fatto il possibile per esprimerci in un latino corretto e affatto comprensibile» (Orlandi/Portoghesi 1966, 525,3–4; trad. it. 524,3–4).

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Nel prologo del trattato, Leon Battista chiarisce che cosa si debba intendere per architetto: non la mano di un faber tignarius – «carpentiere» secondo il suo amato Cicerone (Brut. 257): Credo; sed Atheniensium quoque plus interfuit firma tecta in domiciliis habere quam Minervae signum ex ebore pulcherrimum; tamen ego me Phidiam esse mallem quam vel optumum fabrum tignarium. Qua re non quantum quisque prosit, sed quanti quisque sit ponderandum est; praesertim cum pauci pingere egregie possint aut fingere, operarii autem aut baiuli deesse non possint,14

che non è altro che semplice, anche se fondamentale, strumento dell’architetto, bensì un individuo versato nelle discipline optimae et dignissimae (Res aed. pr.): Sed antequam ultra progrediar, explicandum mihi censeo, quemnam haberi velim architectum. Non enim tignarium adducam fabrum, quem tu summis caeterarum disciplinarum viris compares: fabri enim manus architecto pro instrumento est. Architectum ego hunc fore constituam, qui certa admirabilique ratione et via tum mente animoque diffinire tum et opere absolvere didicerit, quaecunque ex ponderum motu corporumque compactione et coagmentatione dignissimis hominum usibus bellissime commodentur.15

E qui il parallelo con la figura del pictor è strettissima (Pict. lat. 2,26): Sed et hoc in primis honore a maioribus honestata pictura est ut, cum caeteri ferme omnes artifices fabri nuncuparentur, solus pictor in fabrorum numero non esset habitus.16

Passo che, detto per inciso, non è riscontrabile nel De pictura volgare. Subito dopo, però, l’Alberti conferisce altrettanta importanza alla figura del costruttore, l’artifex, e, si badi bene, vi si sottolinea sempre la questione della «mano» (Res aed., pr.):

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«Lo ammetto. Ma anche per gli Ateniesi era più utile avere tetti robusti nelle loro case che la bellissima statua eburnea di Minerva: tuttavia io preferirei essere un Fidia che il migliore dei falegnami. Bisogna quindi badare a ciò che uno realmente vale e non all’utilità che egli arreca, tanto più che i valenti pittori e scultori sono pochi, mentre gli operai e i facchini non mancano» (Norcio 1970, 739). «Ma, prima di procedere oltre, credo utile chiarire che cosa, secondo me, si debba intendere per architetto. Giacché non prenderò certo in considerazione un carpentiere, per paragonarlo ai più qualificati esponenti delle altre discipline: il lavoro del carpentiere infatti non è che strumentale rispetto a quello dell’architetto. Architetto chiamerò colui che con metodo sicuro e perfetto sappia progettare razionalmente e realizzare praticamente, attraverso lo spostamento dei pesi e mediante la riunione e la congiunzione dei corpi, opere che nel modo migliore si adattino ai più importanti bisogni dell’uomo» (Orlandi/Portoghesi 1966, 7,20–27; trad. it. 6,21–29). «Ma la pittura è stata onorata dagli antichi soprattutto con questa distinzione: che mentre quasi tutti gli altri artefici venivano chiamati artigiani, solo il pittore non veniva compreso nel numero degli artigiani» (Sinisgalli 2006, 161).

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Sed utrorumque [sc. lineamenta e materia], per se neutrum satis ad rem valere intelleximus, ni et periti artificis manus, quae lineamentis materiam conformaret, accesserit.17

Poco più avanti, Leon Battista sembra tornare a una rigida separazione tra la figura dell’architetto e quella del costruttore (Res aed. 1,1): Neque habet lineamentum in se, ut materiam sequatur, sed est huiusmodi, ut eadem plurimis in aedificiis esse lineamenta sentiamus, ubi una atque eadem in illis spectetur forma, hoc est, ubi eorum partes et partium singularum situs atque ordines inter se conveniant totis angulis totisque lineis. Et licebit integras formas praescribere animo et mente seclusa omni materia; quam rem assequemur adnotando et praefiniendo angulos et lineas certa directione et connexione. Haec cum ita sint, erit ergo lineamentum certa constansque perscriptio concepta animo, facta lineis et angulis perfectaque animo et ingenio erudito.18

E qui non possiamo non sottolineare l’assoluta vicinanza di questo passo con il primo, sopra citato, del De pictura (Pict. lat. 1,1): Illi enim solo ingenio, omni seiuncta materia, species et formas rerum metiuntur.

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«Ma abbiamo altresì appurato che né l’uno né l’altro [sc. disegno e materia], ciascuno per sé, rispondono allo scopo senza l’intervento della mano esperta dell’artefice che sia in grado di dar forma alla materia secondo il disegno» (Orlandi/Portoghesi 1966, 15,18–21; trad. it. 14,21–24). Un brano analogo ritorna nel Mom. 4,38: eum quidem qui principio quippiam facturus esset, mente et cogitatione sibi descripsisse quae facta cuperet hancque animo conceptam et consignatam speciem nuncupasse formam; proxime sibi comparasse, seu simplex illud fuerit seu mixtum coactumve partibus, quippiam cui aut formam adigeret et quasi obinvolveret aut quo formam ipsam compleret solidamque redderet: hoc vero postremum nuncupasse materiam. Sed ne potuisse opus nisi arte viaque adhibita perficere qua facile exque animi sententia materiate formam coniugaret et couniret, idque artificium appellasse motum («Colui che in principio si propose di fare una qualche cosa, si figurò nella mente col pensiero quello che desiderava di fare, e chiamò ‹forma› la figura che aveva concepito e definito dentro di sé; subito dopo si provvide, fosse esso semplice o misto e composto di varie parti, di qualcosa a cui applicare e quasi gettare tutt’intorno la forma o con cui riempire e rendere solida la forma: e quest’ultima cosa chiamò materia; non poteva però portare a compimento la sua opera se non gli si fosse offerto un qualche artifizio o una qualche strada per congiungere ed unire facilmente e secondo quello che aveva progettato la forma alla materia; questo artifizio chiamò, appunto, „moto“») (Furlan/d’Alessandro 2007, 288–289). Tondi nostri. «Né il disegno contiene in sé nulla che dipenda dal materiale; è bensì tale da potersi riconoscere come invariato in più edifici, nei quali si riscontri immutata un’unica forma, nei quali cioè le parti che li costituiscono, la collocazione e l’ordinamento di ciascuna di esse corrispondano esattamente tra loro nella totalità degli angoli e delle linee. Si potranno progettare mentalmente tali forme nella loro interezza prescindendo affatto dai materiali: basterà disegnare angoli e linee definendoli con esattezza di orientamento e di connessioni. Ciò premesso, il disegno sarà un tracciato preciso e uniforme, concepito nella mente, eseguito per mezzo di linee ed angoli, e condotto a compimento da persona dotata d’ingegno e di cultura» (Orlandi/Portoghesi 1966, 19,19– 21,9; trad. it. 18,23–20,11).

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Questo brano sembrerebbe istituire un diretto rapporto tra l’architectus e il mathematicus.19 Concetto, questo, ribadito in uno dei brani più celebri del trattato, quello sulle «qualità» che l’architectus deve possedere per essere all’altezza di quella magna res20 che è l’architettura (Res aed. 9,10): Praeterea facere, quae usui commoda videantur, et quae posse pro instituto et fortunae ope fieri non dubites, non magis architecti est quam operarii fabri; sed praecogitasse ac mente iuditioque statuisse, quod omni ex parte perfectum atque absolutum futurum sit, eius unius est ingenii, quale quaerimus.21

Dunque l’architectus è in sostanza un mathematicus meno «astratto». Ma, allora, come giustificare le parole dello stesso Alberti che afferma, come visto sopra, che parlerà da faber e non da mathematicus? L’analisi testuale del trattato sembra dunque riscontrare delle contraddizioni o meglio delle oscillazioni interne all’opera. Oscillazioni che ritornano anche in altri brani (Res aed. 2,8 e 2,11), in cui sembrano evocati, come lettori dell’opera, sia i fabri che gli studiosi curiosi di dedicarsi a cose degne: Itaque istiusmodi omnia, tametsi fortassis aliquid facerent ad rem exornandam, ea tamen praetermittam, remque ipsam aedificatoriam quasi inter fabros usu et arte probatos tractans liberius et solutius prosequar, quam exactissime philosophantes fortassis postulant;22 […] Neque hic non subiungam digna quaedam memoratu de rebus istiusmodi, quae nostra aetate visa sunt. Non enim haec scribimus solum fabris, verum et studiosis etiam rerum dignarum; qua de re iuvat intermiscere interdum, quae delectent, et ab re tamen atque instituto aliena non sint.23

Tornando di nuovo alla ferrea scissione tra architectus e faber, in un passo poco citato del trattato (Res aed. 9,11), Leon Battista sembra confessare che, in fin dei conti, que19 20 21

22

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Il riferimento ai mathematici ritorna qua e là nel De re aedificatoria: cfr. Res. aed. 7,9 (Orlandi/Portoghesi 1966, 603,24); in Res aed. 8,9 (Orlandi/Portoghesi 1966, 767,24) si parla dell’importanza, come ornamenti, dei mathematica instrumenta. Magna est res architectura, neque est omnium tantam rem aggredi («L’architettura è grande impresa, che non è da tutti poter affrontare») (Orlandi/Portoghesi 1966, 855,4–5; trad. it. 854,4–5). «Oltre a ciò, l’esecuzione di quelle operazioni che si reputano convenienti, e che senza dubbio si possono fare purché siano previste nel progetto e la spesa lo consenta, è opera non tanto dell’architetto quanto del manovale. Ma il pensare e lo stabilire in precedenza mediante il raziocinio ciò che dovrà essere compiuto e perfezionato in ogni parte dell’edificio, è opera che spetta soltanto a una mente dotata quale noi la esigiamo» (Orlandi/Portoghesi 1966, 855,13–17; trad. it. 854,15–21). «Disquisizioni di questo genere avrebbero forse un effetto gradevole dal punto di vista esornativo, ma preferisco saltarle tutte, volendo proseguire il mio discorso sull’architettura come se parlassi tra artefici forniti di abilità e di esperienza e perciò in modo più libero e spedito di quanto probabilmente richiederebbero dei teorici rigorosi» (Orlandi/Portoghesi 1966, 135,13–17; trad. it. 134,16–22). «Non tralascerò di menzionare qualche fatto memorabile che viene qui a proposito: fatti osservati ai nostri tempi. Giacché quest’opera non è scritta solo per chi è del mestiere, ma anche per chi ama occuparsi di argomenti nobili; mi piace quindi intercalare a volte narrazioni a scopo di diletto, che del resto non sono del tutto fuor di luogo» (Orlandi/Portoghesi 1966, 157,33–159,3; trad. it. 156,36–158,2).

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sta divisione di responsabilità torna assai utile all’architetto (e anche all’Alberti stesso come dimostrano i progetti da lui firmati a Rimini, Firenze e Mantova), essendo l’architettura un’arte allografica e non autografica: Quod si forte ad te susceperis, ut operis curator et finitor esse velis, vix erit ut vites, ne omna aliorum vitia erroreque, seu imperitia seu negligentia commissa sint, ad unum te ipsum referantur. Adstitoribus ista quidem solertibus circumspectis rigidis demandanda sunt, qui quae facto opus sint, diligentia studio assiduitate procurent.24

Insomma, Leon Battista sembra scaricare la responsabilità degli errori di esecuzione sui fabri, se si dimostreranno poco «solerti» e «circospetti». Difficoltà, quella della direzione lavori, ribadita poco dopo, sempre nello stesso libro e capitolo. Fare eseguire da altri ciò che si è concepito sola mente, è cosa assai laboriosa, così come dover spendere il denaro altrui, motivo di inevitabili contestazioni (Res aed. 9,11): Pensata digesta sint ad minumum omnia, quae in medium afferantur. Aliorum enim manu perficere, quae tuo proprio ingenio commentatus sis, laboriosa est res; et alienis velle uti pecuniis ad arbitrium, quis non intelligit quam nusquam futurum sit vacuum querimonia?25

Per questo l’Alberti evidenzia la necessità di scegliersi dei fabri all’altezza del difficile compito (Res aed. 2,4): Et in primis fabros minime imperitos, minime leves, minime inconstantes seligendos duco, quibus tu opus recte perscriptum sedulo faciundum mandes, atque commendes, ut probe perfiniant matureque absolvant.26

Anche se nel libro 9, capitolo 9, Leon Battista sembra non dare troppo peso ai possibili errores dei fabri: Fabriles autem errores non convenit repetere; sed curabit fabros, ut perpendiculis linea regula normauqe recte utantur.27

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«Se poi ti proponi di esser tu stesso direttore ed esecutore del lavoro, quasi sempre accadrà che tutti i difetti e gli errori in cui, o per inesperienza o per incuria, sono incorsi gli altri, siano attribuiti a te solo. Questi lavori devono essere affidati a maestranze abili, caute, rigorose, che sappiano eseguire ciò che è necessario con accuratezza, impegno e assiduità» (Orlandi/Portoghesi 1966, 863,24–865,2; trad. it. 862,29–864,2). «Tutto ciò che si vuole esporre al pubblico dev’essere soppesato e analizzato fin nei minimi particolari. Giacché il fare eseguire per opera d’altri quanto abbiamo concepito con l’intelletto nostro proprio, è cosa assai complessa; inoltre si comprenderà facilmente come il voler disporre a proprio arbitrio del denaro altrui dia origine inevitabilmente a contestazioni» (Orlandi/Portoghesi 1966, 865,18–22; trad. it. 864,22–27). «E soprattutto a mio parere bisogna scegliere operai esperti, seri, fidati, a cui affidare l’esecuzione accurata di lavori esattamente definiti, raccomandando loro di essere onesti e solleciti nel condurli a termine» (Orlandi/Portoghesi 1966, 109,21–24; trad. it. 108,23–26). «Non mette conto di soffermarsi qui sugli errori dei manovali. Bisognerà in ogni caso fare atten-

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Del resto, a più riprese, torna nel trattato un certo disprezzo per i fabri, come quando l’Alberti ricorda la vulgi ignobilitas e il fabrorum tumultus (Res aed. 5,6)28 e strepitus (Res aed. 5,8).29 Quid tum? Dopo questa disamina delle fluttuazioni dei destinatari del trattato sull’architettura, per tirare un po’ le fila, possiamo dire che una differenza ineliminabile separa la figura dell’architetto da quella del pittore: l’architetto concepisce sola mente ma non realizza mai, concretamente, la sua opera, a differenza del pittore in cui mente e mano appartengono alla stessa persona e agiscono insieme. Insomma, ingenium e manus sono separati nell’architettura (Res aed. 6,4),30 mentre sono strettamente uniti nella pratica della pittura. Anzi, scopo primario del De pictura è di educare la mente del pittore affinché la mano possa seguirla docilmente, abbandonando i non più accettabili insegnamenti di bottega (Pict. lat. 3,59): Nam redditur ad rem peragendam promptum, accinctum expeditumque ingenium id quod exercitatione agitatum calet, eaque manus velocissima sequitur, quam certa ingenii ratio duxerit.31

2. Pictura e architectura: due arti sorelle? Nel prologo del De re aedificatoria, Leon Battista suddivide le artes in tre categorie: quelle che sono esercitate per la loro necessitas (cfr. Res aed. pr. p. 7,7), quelle per la loro utilitas (cfr. ibid.), e quelle per la loro piacevolezza – res […] gratissima (ibid., 8). Se l’architettura, come subito dopo l’Alberti specifica (cfr. ibid., 12–19), è l’unica téchne che soddisfa tutte e tre le categorie, potremmo invece dire che la pittura appartiene soltanto all’ultima: di essa, infatti, e lo ribadirà secoli dopo un grande architetto austriaco, Adolf Loos, non c’è alcuna necessità e pratica utilità. O meglio, è l’utilità dell’inutile. Come lo è la bellezza – pulchritudo, venustas, amoenitas – per Leon Battista (Res aed. 6,2): Deos certe spectato caelo et mirificis eorum operibus miramur magis, quod pulchra illa quidem videmus, quam quod esse utillima sentiamus. Aut quid ista prosequar? Ipsa rerum natura, quod passim videre licet, nimia pulchritudinem voluptate sublascivire in dies non desistit, omitto caetera, et pingendis floribus.32

zione a che questi ultimi si servano correttamente del filo a piombo, della riga e della squadra» (Orlandi/Portoghesi 1966, 853,13–14; trad. it. 852,15–17). 28 Cfr. Orlandi/Portoghesi 1966, 357,22–23. 29 Cfr. Orlandi/Portoghesi 1966, 367,17. 30 Cfr. Orlandi/Portoghesi 1966, 459,2: Ingenii […]; manu […]. 31 «In effetti, l’ingegno pronto, preparato e risoluto, quello che arde animato dall’esercizio, si rende disponibile ad ultimare il lavoro; e di conseguenza la mano, che un preciso calcolo della mente avrà guidata, incalza velocissima» (Sinisgalli 2006, 262). 32 «Guardando il cielo e le sue meraviglie noi restiamo incantati dinanzi all’opera degli dei più per la bellezza che vi vediamo che per l’utilità che possiamo avvertirvi. Del resto è inutile dilungarsi su questo punto. In qualsiasi luogo è possibile constatare come giorno per giorno la natura non cessi

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A questo si riferiscono due passi, uno del De pictura (Pict. lat. 2,28), l’altro del De re aedificatoria (Res aed. 2,11), che parlano della natura come summa pingendi artifex: Neque facile quempiam invenies qui non maiorem in modum optet se in pictura profecisse. Ipsam denique naturam pingendo delectari manifestum est. Videmus enim naturam ut saepe in marmoribus hippocentauros regumque barbatas facies effigiet. Quin et aiunt in gemma Pyrrhi novem musas cum suis insignibus distincte a natura ipsa fuisse depictas.33

Anche se, nel secondo brano, la natura sembra creare questi mirabili artifici esclusivamente pro domo sua, del tutto incurante del fatto che gli uomini possano goderne: Ex agro Veronensi in dies colliguntur saxa caelo strata, signo quinquifolio certis et comparibus lineis aptissime perscripta atque bellissime imbricata naturae arte admirabili et perfinita, ut imitari subtilitatem operis possit prorsus mortalium nemo; et, quod magis mirere, nullum huiusmodi invenies lapidem nisi inversum impressamque signi formam obtegentem: quo facile putes naturam non admirationi hominum sed sibi effinxisse tantas delitias artificii sui.34

Ma, come spesso accade, l’Alberti è pronto a ironizzare su questo stesso tema, divertendosi a leggere, nel celebre lusus dedicato all’encomio della Musca, col suo acutissimo «occhio alato»,35 carte geografiche e poligoni sulle ali delle mosche (Musca 34): […] quin et mundi picturam Ptolomeum mathematicum illinc [sc. alae muscarum] aiunt desumpsisse: nam et ferunt alis muscarum Gangem, Histrum, Nilum et eiusmodi, quibus a montibus in mare perfluant quasve inundent gentes pulchre expictas exstare; sunt et qui affirment illic Egyptias pyramides Eleusinumque templum conspici: tantas me res fateor non illic satis recognovisse; Caspium mare Meotimque paludem atque Elicona, crispantibus sub radio undis, me interdum despectasse illic non inficior.36

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mai dallo sbizzarrirsi in una fantasmagoria di bellezze: tra i molti esempi basti ricordare le tinte dei fiori» (Orlandi/Portoghesi 1966, 445,24–29; trad. it. 444,27–33). «E neppure troverai facilmente qualcuno che non desideri avanzare in misura maggiore nella pittura. È manifesto, infine, che la natura stessa prova piacere nel dipingere. Vediamo infatti che spesso essa forma nei marmi degli ippocentauri e delle facce barbute di re. Anzi, dicono anche che una gemma di Pirro vi fossero dipinte distintamente, proprio dalla natura, le nove muse con le loro caratteristiche» (Sinisgalli 2006, 169–170). «[…] nella campagna veronese ogni giorno si raccolgono pietre, sparse all’aperto qua e là, che portano il disegno del cinquefoglie inciso con linee esatte e regolari e distribuite in modo perfetto e armonioso dalla natura, con arte tanto sicura e ammirevole che nessun uomo sarebbe in grado di imitarne l’accuratezza. E ciò che più meraviglia è il vedere come ogni sasso sia voltato in giù in modo da nasconder il disegno che porta impresso; dal che si può facilmente dedurre che la natura ha creato questi capolavori non per rendere gli uomini stupefatti, ma solo per se stessa» (Orlandi/Portoghesi 1966, 159,14–21; trad. it. 158,15–24). Sull’occhio alato, impresa dell’Alberti, ci sia consentito di rimandare a Cassani 2014, in particolare 7–135 e Cacciari 2014. «[…] ed anzi dicono che da esse [sc. le ali delle mosche] l’astronomo Tolomeo derivò il suo Atlan­ te; e raccontano che stanno bellamente dipinte sulle ali delle mosche il Gange, il Danubio, il Nilo, il Po e altri fiumi ed ancora da quali monti essi nascano per andare in mare e quali paesi essi attra-

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Di pittura si parla ancora in numerosi brani del De re aedificatoria. Eccone alcuni esempi. In Res. aed. 2,6 sono ricordati una serie di legni adatti alle tavole dei pittori: Neque signis et tabulis efficiundis aspernabantur populum albam et item nigram, et salicem et carpinum et sorbum, sambucum et ficum; quae arbores, cum siccitate et aequabilitate ad excipienda servandaque pictorum glutinamenta et illinimenta utiles sunt […];37

in Res aed. 3,2, sono rammentati i «raggi» che partono dagli occhi, protagonisti di molte pagine del De pictura: Neque erit non accommodatissimum radios visus locis supereminentibus terminare linea […];38

in Res aed. 6,9, parlando delle pitture murali ad affresco e a secco, viene ricordata, en passant, l’invenzione della pittura a olio: Novum inventum: oleo linaceo colores, quos velis inducere, contra omnes aeris et caeli iniurias aeternos, modo siccus et minime uliginosus sit paries, ubi inducatur;39

in Res aed. 5,18, si assegna il lato nord di una casa, per la sua luce uniforme, all’attività artistica: Si aequabili opus est lumine pictori scriptori scalptori et eiusmodi, septentrionem dato;40

in Res aed. 7,10, si sottolinea l’importanza dei dipinti all’interno del tempio: Quare percommoda erit intestina sub tectis crustatio ex marmore vitro aut contabulata aut circumexsecta; estimum vero pro more veterum probabitur crusta inducta calce sigillis aspera. In utrisque curabitur, ut signis tabulisque apta et decentissima loca et sedes contribuantur. Et praesertim in porticu monumenta rerum gestarum picturis bellissime commendabuntur. Intra in templo tabulas potius habere volo pictas quam picturas parietibus ipsis inductas; vel signis

versano. Alcuni sostengono che si possono scorgere su di esse le piramidi d’Egitto e il tempio di Eleusi. Devo ammettere che io non ho bene individuato così importanti soggetti. Non nascondo di aver talvolta scorto il mar Caspio e quello d’Azov e l’Elicona quando le onde si increspano sotto il raggio del sole» (Contarino 1984, 189); cfr. Wulfram 2020, 185–186. 37 «Parimente per fare statue e tavole per dipinti non si trascuravano il pioppo bianco e quello nero, il salice, il carpine, il sorbo, il sambuco, il fico. Il legno di questi alberi infatti è non soltanto ben secco ed uniforme, il che lo rende adatto a ricevere le colle e gl’impasti dei pittori […]» (Orlandi/ Portoghesi 1966, 129,5–8; trad. it. 128,7–11). 38 «Sarà pure assai conveniente delimitare i raggi che partono dall’occhio con una linea passante per luoghi sopraelevati […]» (Orlandi/Portoghesi 1966, 179,7–8; trad. it. 178,7–9). 39 «Recentemente si è scoperto che, mescolati ad olio di lino, i colori da applicarsi sui muri acquistano una resistenza illimitata contro le intemperie, a condizione che la parete su cui vengono stesi sia asciutta e priva di qualsiasi traccia di umidità» (Orlandi/Portoghesi 1966, 505,9–11; trad. it. 504,12–15). 40 «E poiché per dipingere, scrivere, intagliare e così via occorre una luce distribuita in modo uniforme, a tali incombenze si assegni il lato nord» (Orlandi/Portoghesi 1966, 437,20–22; trad. it. 436,27–29).

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potius quam tabulis delectabor, ni forte sint eiusmodi, quae Caesar dictator, ut aedem Veneris genitricis ornaret, duas talentis emit octoginta. Et picturam ego bonam – nam turpare quidem parietem est, non pingere, quod male pingas – non minore voluptate animi contemplabor, quam legero bonam historiam. Pictor uterque est: ille verbis pingit, hic penniculo docet rem; caetera utrisque paria et communia sunt. In utrisque et ingenio maximo et incredibili diligentia opus est;41

in Res aed. 7,17, si presenta l’opinione di coloro che sostengono l’importanza delle immagini dipinte degli dèi e dei benefattori dell’umanità per il culto, di contro a chi pensa invece che degli dèi si possa dare solo una definizione concettuale e non una rappresentazione visiva: Alii secus. Nanque speties quidem hominum collatas in des fuisse dicunt quodam optimo sapientique consilio, quo facilius a vitae pravitate imperitorum animi converterentur, ubi adessent simulacra, quae adeuntes deos adire se crederent. Alii effigies eorum, qui de genere hominum bene meriti essent, quosve in deorum numero memoria consecrandos censuissent, locis sacratis ponendos visendosque dedere, quo eos posteri venerantes ad virtutis imitationen studiis gloriae incenderentur;42

in Res aed. 9,4, analogamente, l’utilità di dipingere e scolpire imprese valorose nei porticati e triclini, seppure senza eccedere, perché «il troppo stroppia»:

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«Perciò il tipo più conveniente di rivestimento interno, in ambiente coperto, sarà di marmo o di vetro, a lastre o a tarsie. Per l’esterno sarà preferibile l’uso degli antichi di fare il rivestimento con calcina adorno di rilievi. Nell’un caso e nell’altro si farà in modo che riquadri e rilievi abbiano la collocazione più conveniente ed elegante. Soprattutto, la rappresentazione pittorica di gesta gloriose troverà la sua sistemazione migliore nel porticato. All’interno del tempio, piuttosto che affreschi sulle pareti sono preferibili pitture su tavola, a mio parere; anzi mi piacerebbero, ancor più di queste, dei rilievi; salvoché non si tratti di quadri paragonabili a quei due che Cesare, il dittatore, acquistò per ottanta talenti al fine di adornare il tempio di Venere genitrice. E indubbiamente la contemplazione della buona pittura (diversamente il dipinger male una parete equivale a deturparla) mi dà una soddisfazione spirituale non inferiore alla lettura di un bel racconto. Difatti nell’un caso e nell’altro si fa della pittura: il pittore narra col pennello, il narratore dipinge con la parola; per tutto il resto la situazione dei due è identica, e ad ambedue fa d’uopo molta acutezza d’ingegno e grandissima accuratezza» (Orlandi/Portoghesi 1966, 609,17–611,2; trad. it. 608,21–610,2). «Altri la pensano diversamente, sostenendo che a buona e giusta ragione talune categorie di uomini sono state elevate al rango degli dei, col fine di indurre più agevolmente le anime sviate a lasciare i cattivi costumi; ma ciò è possibile solo ove esistano delle immagini alla cui presenza costoro credano di trovarsi al cospetto degli dei medesimi. Altri reputarono bene di far collocare in luoghi sacri e bene in vista i ritratti di coloro che erano stati benefattori dell’umanità, o la cui memoria, a loro parere, meritava di essere venerata come una divinità, per far sì che i posteri, con questo culto, per sete di gloria bramassero di imitarne le virtù» (Orlandi/Portoghesi 1966, 659,11–18; trad. it. 658,13–22).

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Et certe suorum civium fortia et memoratu digna facta vultusque cum in porticibus tum in tricliniis aptissime pingentur atque applicabantur;43

ancora in Res aed. 9,4, vengono elencati i tre generi della pittura – le gesta memorabili dei grandi monarchi, i costumi dei semplici cittadini, la vita dei contadini – da usarsi, rispettivamente, negli edifici pubblici e nelle case dei personaggi più ragguardevoli, nelle case private e nei giardini;44 sempre in 9,4, a loro volta, i dipinti adatti all’alcova e quelli consigliati a chi è febbricitante (nell’ottica albertiana del «potere delle immagini»): Aquarum spectare fontes pictos et rivulos maiorem in modum febricitantibus conferet. Experiri hic licet: si quando per noctem somnus cubantem frustrabitur, tunc limpidissimas, quas uspiam videris, aquas fontium rivorum aut lacus ubi mente repetere institeris, illico vigiliarum illa siccitas humectatur irrepitque sopor, quoad dulcissime obdormiscas;45

in Res aed. 9,8, si sottolinea la necessità di lasciare spazio nelle pareti delle abitazioni a bei riquadri con pitture: Et vitium erit ita rem duxisse, ut, cum alioquin ex fundamentorum rationibus sese habeat non pessime, tamen ita sit, ut, cum ornamenta desideret, tamen excultiora reddi ornamentorum elegantia nullo pacto possit, veluti qui in parietibus nihil curarint, praeterquam ut tecta substinenat, nihil uspiam reliquerint, ubi apte atque distincte aut columnarum dignitatem aut statuarum decus aut tabularum et picturae venustatem aut crustationum lautitiem recte possis impartiri;46

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«Indubbiamente è cosa appropriata far dipingere o raffigurare in rilievo sia nei porticati che nei triclini imprese valorose memorabili dei propri concittadini» (Orlandi/Portoghesi 1966, 803,20–22; trad. it. 802,24–26). Per l’eccesso di immagini o statue, cfr. id. 803,25–805,1, trad. it. 802,29–33). 44 Cfr. Orlandi/Portoghesi 1966, 805,7–15, trad. it. 804,9–18 e Wulfram 2001, 288–289, specialmente nota 66. 45 «A chi ha febbre giova notevolmente l’avere davanti agli occhi pitture raffiguranti sorgenti e ruscelli. Si può fare il seguente esperimento: se talvolta durante la notte, in letto, il sonno si dilegua, proviamo a richiamare alla memoria le acque purissime di qualche sorgente, corso d’acqua o lago che abbiamo visto una volta; subito l’arsura della veglia si inumidisce, torna ad insinuarsi il sopore e infine placidamente ci addormentiamo» (Orlandi/Portoghesi 1966, 805,29–807,4; trad. it. 804,34–806,4). 46 «Del pari è sconsigliabile costruire in tal modo che, sebbene l’edificio non sia mal condotto quanto alle fondamenta, tuttavia non solo si senta in esso la mancanza degli ornamenti, ma neppure ci sia la minima possibilità di arricchirlo con tali ornamenti e renderlo più elegante. È il caso di chi, nella costruzione dei muri, di null’altro si preoccupa se non di far sì che reggano le coperture, senza prevedere la possibilità di apporvi, in modo opportuno e ordinato, nobili colonne, o splendide statue, o bei riquadri con pitture, o ricchi rivestimenti» (Orlandi/Portoghesi 1966, 843,18–25; trad. it. 842,21–29).

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così come, sempre in Res aed. 9,8, si raccomanda di realizzare per ultimi i dipinti ad affresco in modo da non rischiare che questi siano danneggiati dal cantiere, secondo il precetto che ultimum erit, ut ornes: Et vitium profecto grave est, quod ipsum apud nonnullos ineptos videmus, qui opera vixdum inchoata fuco picturae et sculpturae insignibus expoliunt atque explent; ex quo fit, ut caduca istaec prius deleantur, quam opus eductum sit. Nudum enim absolvisse oportet opus, antequam vestias; ultimum erit, ut ornes.47

Questo continuo interesse, all’interno del De re aedificatoria, per la pittura, può essere ben giustificato da quanto lo stesso Leon Battista afferma nel De pictura (Pict. lat. 2,26): l’architectus è debitore, dal pictor, dei principali architecturae elementa. Un’affermazione di un certo rilievo per un appassionato ed esperto di architettura come l’Alberti fu:48 Has ergo laudes habet pictura, ut ea instructi cum opera sua admirari videant, tum deo se paene simillimos esse intelligant. Quid, quod omnium artium vel magistra vel sane praecipuum pictura ornamentum est? Nam architectus quidem epistilia, capitula, bases, columnas fastigiaque et huiusmodi caeteras omnes aedificiorum laudes, ni fallor, ab ipso tantum pictore sumpsit.49

3. Tematiche comuni 3.1 Disinteresse dell’Alberti per la ricerca delle origini delle arti e delle invenzioni In due passi del De pictura (Pict. lat. 2,26 e 2,48), Leon Battista dimostra un evidente disinteresse per l’origine – inventori o scopritori – delle cose: Sed non multum interest aut primos pictores aut picturae inventores tenuisse, quando quidem non historiam picturae ut Plinius sed artem novissime recenseamus. […] Haec de albi et nigri

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«Difetto invero grave è quello nel quale incorrono taluni incompetenti. Costoro, ad opera appena iniziata, la ricoprono tutta di pitture e di rilievi esornativi; ne consegue che questi elementi di breve durata vanno in rovina prima ancora che l’opera sia condotta a compimento. Bisogna invece terminarla ancora spoglia, prima di poterla rivestire; l’ornamento deve venire per ultimo […]» (Orlandi/Portoghesi 1966, 845,21–25; trad. it. 844,26–31). Sulla diversità di scrittura determinata dalle fonti – pressoché solo Plinio e Cicerone nel De pictura e nessuna opera antica sopravvissuta, abbondantissime in quanto a testi antichi e testimonianze sopravvissute per il De re aedificatoria – si veda Bertolini 2019. Sulle fonti antiche del De pictura si veda Bertolini 2007. «La pittura possiede dunque questi meriti: che i ben preparati in essa non solo vedono ammirate le proprie opere, ma sanno anche di essere molto simili quasi ad un dio. Che dirò del fatto che essa è la maestra, ovvero l’ornamento, senza dubbio eccezionale, di tutte le arti? Solo proprio dal pittore, se non erro, l’architetto prese, infatti, gli architravi, i capitelli, le basi, le colonne, i festoni e tutti gli altri ornamenti simili degli edifici» (Sinisgalli 2006, 160–161).

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usu dicta hactenus. De colorum vero generibus etiam ratio quaedam adhibenda est. Sequitur ergo ut de colorum generibus nonnulla referamus, non id quidem quemadmodum Vitruvius architectus quo loco rubrica optima et probatissimi colores inveniantur, sed quonam pacto selecti et valde pertriti colores in pictura componendi sint.50

Nel De re aedificatoria, apparentemente, l’Alberti riconferma l’identica noncuranza per questioni di natura teorica, ma, in realtà, fa sfoggio, seppure en passant, di una perfetta conoscenza delle teorie scientifiche sull’argomento; semmai dichiara una sua indifferenza a prendere posizione a favore dell’una o dell’altra, interessato all’aspetto concreto del fenomeno per riuscire ad affrontarlo dal punto di vista costruttivo.51 Più volte questa «sprezzatura» albertiana ritorna nel trattato. A cominciare da Res. aed. 2,8: Neque istic insistam, ut physica illa de lapidum primordiis atque origine disputem: ex aquaene ac terrae commixtionibus viscosa illa principia in limum prius, subinde in lapidem duruerint; frigorisne an, quod de gemmis asserunt, caloris vi solisque radio densata concreverint, an potius, ut rerum aliarum, sic et lapidum itidem sint a rerum natura indita telluri semina; coloresne lapidibus ex rata terrenorum corpusculorum cum liquenti aqua confusione insint, an ex innata seminis ipsius vi, an ex concepta radii impressione adsint. Itaque istiusmodi omnia, tametsi fortassis aliquid facerent ad rem exornandam, ea tamen praetermittam, remque ipsam aedificatoriam quasi inter fabros usu et arte probatos tractans liberius et solutius prosequar, quam exactissime philosophantes fortassis postulant.52

In questo brano, però, emerge un altro paradosso: Leon Battista giustifica la non trattazione rigorosa del soggetto col fatto di rivolgersi a fabri, come se questi potessero leg50

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«Ma non interessa molto ricordare nè i primi pittori, nè gli inventori della pittura, dal momento che non stiamo esponendo, come Plinio, una storia della pittura, ma un’arte in modo del tutto nuovo. […] Bastino le cose sin qui dette sull’uso del bianco e del nero. Si deve, invece, aggiungere qualche riflessione anche sui generi dei colori. Rimane, dunque, da esporre alcune cose sui generi dei colori; non certamente come l’architetto Vitruvio, in qual luogo si trovino un’ottima argilla e degli eccellenti colori, ma in che maniera si debbano adoperare, in una pittura, i colori prescelti e i più comuni» (Sinisgalli 2006, 163, 236). Ci sia consentito di rimandare a Cassani 2020b, in particolare 72–74 e Cassani 2020c, in particolare 61–65 (per la traduzione portoghese: 87–89). «Non mi soffermerò a discutere le teorie naturalistiche sull’origine delle rocce: se l’originario materiale viscoso, derivante da mistura di acqua e terra, si sia dapprima condensato in fango, in seguito in blocchi di pietra; o se si siano costituite per addensamento di materia originato dalla violenza del gelo o del calore solare, come dicono sia avvenuto per le pietre preziose; o se invece la natura abbia provveduto a immettere nella terra il seme stesso della pietra, così come di tutte le altre cose. Né ci chiederemo se il colore delle diverse rocce derivi da determinate combinazioni di minute particelle del terreno con acqua, o da una proprietà innata del seme suddetto, o da un effetto particolare dovuto ai raggi del sole. Disquisizioni di questo genere avrebbero forse un effetto gradevole dal punto di vista esornativo, ma preferisco saltarle tutte, volendo proseguire il mio discorso sull’architettura come se parlassi tra artefici forniti di abilità e di esperienza e perciò in modo più libero e spedito di quanto probabilmente richiederebbero dei teorici rigorosi» (Orlandi/Portoghesi 1966, 135,5–17; trad. it. 134,6–22).

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gere il latino! Ma qui ritorniamo all’apparente contraddizione analizzata nel prologo. Anche altre volte (Res aed. 1,4) l’Alberti stigmatizza la vuota erudizione priva, per lui, così sembra, di ogni valenza scientifica: Plura possent de aquis dici, quae veteres historici adnotarunt, varia et admirabilia et ad hominum genus bene atque male habendum validissima; sed rara illa, et fortassis ad peritiam ostentandam quam ad rem edisserendam facerent.53

Leon Battista, ad esempio, risolve il problema dell’origine delle abitazioni in poche righe elencando le opinioni, tra loro contrastanti, degli antichi (Res aed. 2,4): Sunt qui dicant homines primum speluncis habitasse, ita ut pecus et domini communi clauderentur umbra. Hinc credunt, quod fertur apud Plinium, Gelium quendam Taxium imitatione naturae primum omnium luteum sibi astruxisse aedificium; deam Diodorus Vestam Saturni filiam ait primum habitacula adinvenisse; Eusebius Pamphilus elegans antiquitatum perscrutator ex veterum testimoniis Prothogenii nepotes excogitasse hominibus domicilia asseverat, quae ex foliis harundinum et papiro intexerentur.54

Sul tema si era già espresso nel libro 1 capitolo 2, liquidando in modo sbrigativo le fabulae che si raccontano sul primo inventore dell’abitazione dell’uomo: Itaque quicunque ille fuerit, seu Vesta dea Saturni filia, seu Heurialus Hiperbiusque fratres, seu Gellio aut Traso Cyclopsve Tiphinchius, qui ista [sc. aedificia] principio instituerit […].55

La formula che l’Alberti a volte usa per tornare ai temi che più gli interessano, dopo queste divagazioni, è oltremodo significativa (Res aed. 2,4): Sed nos redeamus ad rem.56

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«Si potrebbe parlare a lungo delle acque, e riferire le copiose notizie, spesso sorprendenti, che ne danno gli storici dell’antichità, a proposito del molto bene e del molto male che possono fare all’uomo; ma si tratta di casi rari, utili più a fare sfoggio di competenza che a una conveniente trattazione dell’argomento» (Orlandi/Portoghesi 1966, 39,19–22; trad. it. 38,20–24). «Alcuni affermano che da principio l’uomo abitava nelle caverne, riparandosi insieme, padroni e greggi, sotto la stessa ombra; e danno credito a quanto narra Plinio, che per primo un certo Gelio Tassio, imitando la natura, si costruì una casa con il fango. Diodoro scrive invece che inventrice delle abitazioni fu la dea Vesta, figlia di Saturno. Eusebio Panfilo, dotto indagatore di antichità, sostiene, in base ad antiche testimonianze, che furono i discendenti di Protogono che escogitarono le abitazioni per gli uomini, intrecciando foglie di canna palustre e papiro» (Orlandi/Portoghesi 1966, 111,22–29; trad. it. 110,23–31). «Non importa poi sapere chi sia stato che per primo lo concepì [sc. l’edificio primitivo], se la dea Vesta figlia di Saturno, o i fratelli Eurialo e Iperbio, o Gellione, o Trasone, o il ciclope Tifinchio […]» (Orlandi/Portoghesi 1966, 21,26–23,3; trad. it. 20,31–22,2). «Ma torniamo al nostro discorso» (Orlandi/Portoghesi 1966, 111,30; trad. it. 110,31).

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3.2 Le discipline necessarie al pittore e all’architetto Quattro, per quanto si legge nel De pictura (2,28), sono le discipline necessarie per una buona educazione dei giovani: Eoque processit res ut Paulus Aemilius caeterique non pauci Romani cives filios inter bonas artes ad bene beateque vivendum picturam edocerent. Qui mos optimus apud Graecos maxime observabatur, ut ingenui et libere educati adolescentes, una cum litteris, geometria et musica, pingendi quoque arte instruerentur.57

E ancora, in Pict. lat. 3,53, si ribadisce il precetto che Ars sine geometria nihil est: Doctum vero pictorem esse opto, quoad eius fieri possit, omnibus in artibus liberalibus, sed in eo praesertim geometriae peritiam desidero. Assentior quidem Pamphilo antiquissimo et nobilissimo pictori, a quo ingenui adolescentes primo picturam didicere. Nam erat eius sententia futurum neminem pictorem bonum qui geometriam ignorarit.58

E, in generale (Pict. lat. 3,52): […] cupio pictorem, quo haec possit omnia pulchre tenere, in primis esse virum et bonum et doctum bonarum artium.59

Vediamo ora qualche attinenza col De re aedificatoria. Dalla musica dipende la finitio (Res aed. 9,5 e 9,6):60 Armoniam esse dicimus vocum consonantiam suavem auribus. Vocum aliae graves, aliae acutae. Gravior vox a longiore nervo resonat, acuta a brevioribus. Ex vocum istarum varia disparitate variae habentur armoniae, quas ex cordarum consonantium mutua comparatione veteres ad certos numeros collegere.61

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«Si arrivò a tal punto che Paolo Emilio e, in genere, altri non pochi cittadini romani, facevano insegnare ai figli, fra le arti pregevoli, la pittura, al fine di un vivere piacevole e felice. Ottima usanza, che era tenuta in grandissima considerazione presso i Greci, di modo che gli adolescenti nati liberi ed educati nella libertà venivano istruiti insieme con le lettere, la geometria e la musica, anche nell’arte del dipingere» (Sinisgalli 2006, 168). 58 «Mi auguro, altresì, che il pittore sia esperto, nei limiti del possibile, in tutte le arti liberali, ma desidero soprattutto in lui la conoscenza della geometria. Sono d’accordo certamente con Panfilo, un pittore antichissimo e molto famoso, dal quale i giovani nobili impararono per la prima volta la pittura. La sua opinione, infatti, era che nessuno, ignorando la geometria, sarebbe stato un bravo pittore» (Sinisgalli 2006, 244–245). 59 «[…] desidero che il pittore, affinchè possa conseguire tutte queste cose in modo ottimale, sia in primo luogo un uomo non solo onesto ma anche istruito nelle arti pregevoli» (Sinisgalli 2006, 243). 60 Cfr. Orlandi/Portoghesi 1966, 825–835. 61 «Chiamiamo armonia un accordo di note gradevole all’udito. Le note possono essere gravi o acute. Tanto più una nota è grave quanto più lunga è la corda donde viene emessa; e tanto più acuta, quanto più corta è la corda. Dal variare di tali diverse note hanno origine determinati numeri che

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Musica e geometria, assieme all’aritmetica, determinano le proporzioni architettoniche in Res aed. 9,6: Etenim sunt quidem trium diametrorum in opus coaptendorum annotationes quaedam valde commode ductae cum a musicis tum a geometris tum etiam ab aritmetricis, quas iuvabit recognovisse.62

Detto en passant, quell’accenno alle litterae come necessarie alla buona educazione dei giovani, ritorna nella formazione del buon architetto in Res aed. 9,10: Caeterum sic gerat velim sese, uti in studiis litterarum faciunt. Nemo enim se satis dedisse operam litteris putabit, ni auctores omnes etiam non bonos legerit atque cognorit, qui quidem in ea facultate aliquid scripserint, quam sectentur.63

Come noto, poi, le due discipline di cui l’architetto deve essere espertissimo sono pic­ tura e mathematica, dove evidentemente, per pittura, Leon Battista intende il disegno, ma è significativo che usi questo termine e non il più tecnico lineamenta (Res aed. 9,10): Quae autem [disciplinae] conferant, immo quae sint architecto penitus necessaria ex artibus, haec sunt: pictura et mathematica. In caeteris doctusne sit, non laboro. Nam, qui architectum dixerit iuris consultum esse oportere, quod aquarum arcendarum, finium regundorum, operum nuntiandorum iura, et quae multa huiusmodi interdicto diffiniuntur, inter aedificandum tractentur, non auscultabo. Astrorum etiam in eo exactam peritiam non postulo ea re, quod ad boream bibliothecas, ad occiduum solem balneas posuisse conveniat. Ne musicum etiam esse oportere dixero ea re, quod in theatris vasa resonantia apponantur; aut rhetorem, quod quae acturus sit, praedocuisse redentorem iuvet. Satis enim rerum earum, de quibus dicturus sit, cogitatio peritia consilium diligentia praestabit, quod apte accommodateque ad rem et prudenter loquatur; quod ipsum in eloquentia primarum et praecipuum est. […]. Qui si tamen instructior fuerit, non recusabo. Verum pictura et mathematica non carere magis poterit, quam voce et syllabis poeta; atque haud scio, an sit ea satis vel mediocriter percepisse.64

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riflettono il rapporto tra le corde consonanti» (Orlandi/Portoghesi 1966, 823,10–14; trad. it. 822,11–16). «Vi sono dunque particolari rapporti che si stabiliscono tra le tre dimensioni di un’opera, i quali assai vantaggiosamente si ricavano vuoi dalla musica, vuoi dalla geometria, vuoi dall’aritmetica. Sarà bene prenderne visione» (Orlandi/Portoghesi 1966, 831,31–833,1; trad. it. 830,32–35). «Inoltre è auspicabile che l’architetto si regoli allo stesso modo di chi si dà agli studi letterari. Giacché nessuno, in questo campo, penserà di essersi adoperato a sufficienza finché non avrà letto e approfondito gli autori, e non soltanto i migliori, ma tutti quelli che su tali argomenti costituenti l’oggetto del proprio studio abbiano lasciato scritto qualcosa» (Orlandi/Portoghesi 1966, 855,27–857,2; trad. it. 854,33–856,3). «Tra le discipline, quelle che sono utili all’architetto, anzi strettamente necessarie, sono la pittura e la matematica; quanto alle altre, non ha molta importanza se ne sia dotto o no. Giacché non daremo certo ascolto a chi sostiene che l’architetto dev’essere giurisconsulto per dover egli trattare, nel corso dell’opera sua di costruttore, problemi giuridici concernenti la deviazione dei corsi d’acqua, la determinazione dei confini, l’annunzio delle costruzioni e molte altre cose del genere regolate

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Pensiero ribadito in Res aed. 9,11 (con la scomposizione della matematica in aritmetica e geometria): Sed ne Zeusim quidem esse pingendo aut Nichomacum numeris aut Archimedem angulis et lineis tractandis volo. Sat erit, si nostra quae scripsimus picturae elementa tenuerit; si eam etiam peritiam ex mathematicis adeptus sit, quae angulis una et numeris et lineis mixta ad usum est excogitata: qualia sunt, quae de ponderibus de superficiebus corporibusque metiendis traduntur, quae illi podismata embadaque nuncupant.65

4. Imitatio naturae Un tema comune che non poteva mancare a entrambe le opere albertiane è la via maestra di seguire gli insegnamenti della natura.66 Eccone alcuni passaggi, prima dal De pictura e poi dal De re aedificatoria. Occorre imitare la natura nella composizione della superficie delle cose (Pict. lat. 2,35): Ergo in hac superficierum compositione maxime gratia et pulchritudo perquirenda est. Quonam vero pacto id assequamur, nulla alia modo mihi visa est via certior quam ut naturam ipsam intueamur, diuque ac diligentissime spectemus quemadmodum natura, mira rerum artifex, in pulcherrimis membris superficies composuerit. In qua imitanda omni cogitatione et cura versari veloque quod diximus vehementer delectari oportet.67

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da prescrizioni di legge. Né si esigerà dall’architetto una perfetta cultura astronomica sol perché è conveniente sistemare le biblioteche rivolte a nord e i bagni ad occidente; e neppure diremo che debba essere esperto di musica sol perché si devono collocare nei teatri le anfore per la risonanza; o che debba esser retore sol perché gli serve illustrare al committente ciò che intende fare: poiché per poter parlare con competenza, opportunità e saggezza, è sufficiente che gli argomenti che si vogliono trattare siano stati meditati con cognizione, ponderatezza e diligenza – il che è elemento fondamentale dell’arte del dire. […] Ché se poi fosse più istruito, non mi lamenterò di certo. In ogni caso all’architetto sono indispensabili la pittura e la matematica tanto quanto lo è al poeta la conoscenza della voce e delle sillabe; e non so se possa bastargli una modesta conoscenza di queste discipline» (Orlandi/Portoghesi 1966, 861,3–16 e 21–24; trad. it. 860,3–19 e 26–30). «Non pretendo con ciò che l’architetto sia uno Zeusi nella pittura, un Nicomaco nell’aritmetica o un Archimede nella geometria; basterà che conosca bene quegli elementi di pittura che abbiamo trattato in una nostra opera, e che della matematica si faccia esperto per quella parte che è stata concepita a fini pratici, riunendo insieme nozioni su angoli, numeri e linee, come i metodi per la misurazione dei pesi, delle superfici, dei volumi, che si tramandano con i nomi di podismata e di embata» (Orlandi/Portoghesi 1966, 863,3–9; trad. it. 862,3–10). Per la formazione dell’architetto albertiano e il contrasto con Vitruvio si veda l’analisi dettagliata di Wulfram 2001, 311–321. Sul tema della natura nell’Alberti si veda Paoli 1999. «In questa composizione delle superfici, dunque, bisogna cercare soprattutto la grazia e la bellezza. Ma a quale condizione possiamo conseguire ciò, non mi sembra che ci sia alcuna via, nel senso più largo della parola, più sicura del contemplare la natura stessa e in genere dell’esaminare a lungo e con molta diligenza in qual modo la natura, straordinaria artefice delle cose, abbia disposto delle

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Insomma, la natura è magistra pictoris (Pict. lat. 3,55–56): Caput sit omnes discendi gradus ab ipsa natura esse petendos; […]. Haec igitur omnia picturae studiosus ab ipsa natura excipiet, ac secum ipse assiduo meditabitur quonam pacto quaeque extent, in eaque investigatione continuo oculis et mente persistet. […]. Quae res in picturis quam sit optanda videmus, nam in historia si adsit facies cogniti alicuius hominis, tametsi aliae nonnullae praestantioris artificii emineant, cognitus tamen vultus omnium spectantium oculos ad se rapit, tantam in se, quod sit a natura sumptum, et gratiam et vim habet. Ergo semper quae picturi sumus, ea a natura sumamus, semperque ex his quaeque pulcherrima et dignissima deligamus.68

Ed ecco una serie di passi analoghi tratti dal De re aedificatoria. La natura ci insegna a seguire la mediocritas (Res aed. 5,8): Sed palam est naturam in re omni gaudere temperamento; quin et sanitas ipsa haud aliud est quam complexi […]., ex quibus constet temperamentum; et mediocria semper delectant;69

è saggia magistra (Res aed. 5,17): Mirum quid moneat natura;70 è stata la fonte di tutte le arti inventate dai Greci (Res aed. 6,3): Coepitque [sc. Graecia] uti caeteras artes sic et hanc aedificatoriam ipso ex naturae gremio petere atque educere, totamque tractare, totamque pernoscere, sagaci solertia prospiciens perpendensque. Quid inter ea, quae probentur, aedificia intersit atque ea, quae minus probentur, ista in disquisitione nihil praetermisit. Omnia tentavit, naturae vestigia lustrans et repetens;71

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superfici su bellissime membra. Nell’imitarla bisogna usare ogni attenzione e cura e servirsi grandemente, come abbiamo detto, del velo» (Sinisgalli 2006, 190). «Il principio sia che tutti i livelli di apprendimento debbano essere reclamati dalla natura stessa. […] Lo studioso di pittura, dunque, prenderà tutte queste cose dalla natura stessa, e mediterà incessantemente fra se stesso, a quale condizione ciascuna venga fuori; e in questa ricerca persisterà di continuo con gli occhi e con la mente. […] Cosa che vediamo quanto sia auspicabile nei dipinti. Se in una historia, infatti, appare la figura di qualche persona nota, sebbene emergano alcune di grande abilità, tuttavia un volto conosciuto attira a sè gli occhi di tutti gli osservatori. Tanta grazia e forza ha in sè ciò che sia stato preso dalla natura. Prendiamo dunque sempre dalla natura le cose che vogliamo dipingere e da esse selezioniamo sempre le più belle e le più degne» (Sinisgalli 2006, 250, 252, 256–257). «Del resto è noto che la natura in tutte le sue manifestazioni preferisce il giusto mezzo: la buona salute stessa consiste nell’intreccio e nel contemperamento di fattori diversi, ove la via di mezzo è sempre la più gradita» (Orlandi/Portoghesi 1966, 369,24–27; trad. it. 368,27–30). «E certo la natura ci impartisce preziosi insegnamenti» (Orlandi/Portoghesi 1966, 433,4–5; trad. it. 432,5–6). «Cominciarono [sc. i Greci] dunque a desumere i fondamenti dell’architettura, come di tutte le altre arti, dal seno stesso della natura, e ad esaminare, meditare, soppesare ogni elemento con la massima diligenza e oculatezza. Non trascurarono di ricercare i canoni che distinguono quali edifici siano bene eseguiti e quali sbagliati. Fecero ogni sorta di esperimenti, seguendo le orme della natura» (Orlandi/Portoghesi 1966, 453,12–18; trad. it. 452,15–21).

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ogni edificio è un animal72 le cui misure vanno tratte dalla natura (Res aed. 9,5): A peritissimis veterum admonemur, et alibi diximus, esse veluti animal aedificium, in quo finiundo naturam imitari opus sit.73

La natura è il modello di ogni ars (Res aed. 9,5): Cuncta, quae hactenus diximus, cum ita esse ex ipsa rerum natura percepissent maiores nostri, nec dubitarent his neglectis se nihil assecuturos, quod ad operis laudem et decus faceret, non iniuria naturam optimam formarum artificem sibi fore imitandam indixere;74

occorre perciò seguirne i precetti (Res aed. 9,5): Natura idcirco moniti […];75 […] naturae operibus pensitatis […];76

le parti pari e dispari di un edificio sono state determinate dall’osservazione della natura (Res aed. 9,5): Ossa enim aedificii, naturam secuti, hoc est columnas et angulos et eiusmodi, numero nusquam posuere impari. Nullum enim dabis animal, quod pedibus aut stet aut moveatur imparibus. Tum et contra nusquam pari apertiones numero posuere; quod ipsum naturam observasse in promptu est, quando animantibus hinc atque hinc aures oculos nares compares quidem, sed medio loco unum et propatulum apposuit os;77

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Su questo tema ci sia permesso di rimandare a Cassani 2020a. «I migliori autori dell’antichità c’insegnano, e noi l’abbiamo detto altrove, che l’edificio è come un organismo animale, e che per delinearlo occorre imitare la natura» (Orlandi/Portoghesi 1966, 811,23–24; trad. it. 810,27–29). Cfr. Vitr. 3,1–9. 74 «Tutto quanto finora s’è detto, i nostri antenati l’avevano appreso dall’osservazione della natura medesima; e comprendendo che, trascurando tali dettami, senza dubbio non avrebbero conseguito nulla che potesse giovare al buon nome dell’opera propria, giustamente stabilirono che dovesse esser loro di modello la natura, creatrice delle forme migliori» (Orlandi/Portoghesi 1966, 817,8–12; trad. it. 816,9–14). 75 «Seguendo dunque la natura […]» (Orlandi/Portoghesi 1966, 817,21; trad. it. 816,25). 76 «[…] dopo avere studiato le opere della natura […]» (Orlandi/Portoghesi 1966, 817,30; trad. it. 816,34–35). 77 «Ad imitazione della natura, infatti, non fecero mai in numero dispari le ossature dell’edificio, ossia colonne, angoli etc.; poiché non esiste animale che si regga o si muova su un numero di piedi dispari. Viceversa le aperture non erano mai fatte in numero pari; e anche questo risponde alle norme della natura, come è verificabile dal fatto che negli animali sono bensì in numero pari orecchie, occhi e narici, posti ai lati, ma nel centro si trova la bocca, una e ben ampia» (Orlandi/ Portoghesi 1966, 819,3–9; trad. it. 818,3–10).

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occorre cercare i pregi nascosti nelle parti più nascoste della natura (Res aed. 9,10): Eoque pacto non dispersas modo et quasi disseminatas, verum etiam intimis penetralibus, ut ita loquar, naturae conditas laudes omnes ad se colliget animoque concipiet, quas in suis operibus cum mirifico laudis et gloriae fructu conferat;78

è sempre la natura il nostro modello (Res aed. 10,1; 10,1; 10,13): Posse tamen videmur multa ex parte naturam imitari […]79 Natura igitur admonemur, qui facto opus sit;80 […] sed, qualiacunque sint, [sc. conceptacula umbrarum] natura in eis imitanda est.81

Anche se, a volte, monito tutto albertiano contro ogni eccesso di «superomismo» degli omuncoli, non è per niente facile indagare le leggi della natura (Res aed. 10,3): Quae si ita sunt, profecto naturam nosse minime facile et valde obscurum est.82

5. Le proporzioni in pittura e architettura Indissolubilmente legato, e in parte sovrapposto, al tema della natura magistra è quello delle proporzioni. Queste, infatti, ci sono date dall’osservazione diretta della natura. Iniziamo, come sempre, elencando i diversi passi del De pictura. Un’unica legge proporzionale sta dietro ai corpi di Ercole e di Anteo (Pict. lat. 1,14): Neque tamen fuit alia in membris Herculis proportio quam fuit in Antaei gigantis corpore, siquidem utrisque manus ad cubitum et cubiti ad proprium caput et caeterorum membrorum symmetria pari inter se ordine congruebat;83

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«In tal modo tutti quei pregi che si trovano nascosti, per dir così, nelle intime viscere della natura, e non solo quelli che s’incontrano a caso qua e là, egli li andrà raccogliendo e riponendo nell’animo suo, per poi utilizzarli nelle sue opere e conseguire così splendida gloria» (Orlandi/Portoghesi 1966, 857,20–24; trad. it. 856,26–30). «Sembra tuttavia possibile, in misura ampia, imitare in ciò la natura […]» (Orlandi/Portoghesi 1966, 873,16; trad. it. 872,22–23). «Che cosa dunque occorra fare, ce lo indica la natura» (Orlandi/Portoghesi 1966, 881,5; trad. it. 880,5). «Ma, checché sia di ciò [sc. di come fossero i ricettacoli d’ombra], bisogna, nel farli, seguire l’esempio della natura» (Orlandi/Portoghesi 1966, 977,10–11; trad. it., 976,16–17). «Da tutto ciò s’inferisce che la conoscenza della natura è cosa davvero difficile ed estremamente incerta» (Orlandi/Portoghesi 1966, 891,30–31; trad. it. 890,35–36). «Mentre la proporzione nelle membra di Ercole non fu diversa da quella che [vi] sarebbe stata nel corpo del gigante Anteo; quando, infatti, in ciascuno dei due, la corrispondenza della mano rispetto al cubito e del cubito rispetto alla propria testa, e in genere di tutti gli altri membri, coincideva, a causa dell’uguale dimensionamento tra di loro» (Sinisgalli 2006, 133–134).

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il corpo umano si può dividere per tre (Pict. lat. 1,19): Huiusque ipsius hominis longitudinem in tres partes divido, quae quidem mihi partes sunt proportionales cum ea mensura quam vulgus brachium nuncupat. Nam ea trium brachiorum, ut ex symmetria membrorum hominis patet, admodum communis humani corporis longitudo est.84

La natura ci insegna a trovare un’unità di misura con cui determinare le proporzioni di un corpo. Per l’uomo, secondo l’Alberti, è la parte più nobile, la testa (Pict. lat. 2,36–37): At enim cum has omnes mensuras natura ipsa explicatas in medium exhibeat, tum in eisdem ab ipsa natura proprio labore recognoscendis utilitatem non modicam inveniet studiosus pictor. Idcirco laborem hunc studiosi suscipiant, ut quantum in symmetria membrorum recognoscenda studii et operae posuerint, tantum sibi ad eas res quas didicerint memoria firmandas profuisse intelligant. Unum tamen admoneo, ut in commensurando animante aliquod illius ipsius animantis membrum sumamus, quo caetera metiantur. Vitruvius architectus hominis longitudinem pedibus dinumerat. Ipse vero dignius arbitror si caetera ad quantitatem capitis referantur, tametsi hoc animadverti ferme commune esse in hominibus, ut eadem et pedis et quae est a mento ad cervicem capitis mensura intersit. Itaque uno suscepto membro, huic caetera accommodanda sunt ut nullum in toto animante membrum adsit longitudine aut latitudine caeteris non correspondens.85

Brano, questo, che collima quasi letteralmente con due passi del De re aedificatoria (Res aed. 1,9 e 7,5): Ac veluti in animante membra membris, ita in aedificio partes partibus respondeant condecet. […] Sed, quemadmodum in animante caput pes et qualecunque velis membrum ad caetera membra atque ad totum reliquum corpus referendum est, ita et in aedificio maximeque in templo

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«E divido l’altezza di questo stesso uomo in tre parti che per me sono certamente proporzionali alla misura che la gente chiama braccio. Quella delle tre braccia, infatti, come risulta dalla simmetria delle membra di un uomo, è, per l’appunto, l’altezza di un corpo umano normale» (Sinisgalli 2006, 143–144). «Inoltre, come la natura stessa mette a disposizione tutti questi rapporti bene ordinati, così il pittore diligente trarrà non poca utilità nell’esaminarli, mediante il proprio impegno, dalla natura stessa. Si accollino, perciò, gli studiosi questo compito, in modo che quanta attenzione e fatica essi avranno riposte nell’esaminare le proporzioni delle membra, tanto capiscano di essere stati utili a se [stessi], allo scopo di fissare a memoria le cose che avranno studiate. Una sola cosa debbo tuttavia ricordare: che nel dimensionare in qualche modo un essere vivente, scegliamo di quello stesso essere un membro, con il quale misuriamo tutti gli altri. L’architetto Vitruvio misura l’altezza dell’uomo mediante i piedi. Ma io ritengo [che sia] più conveniente se le rimanenti [membra] vengano riferite alla dimensione della testa, benchè abbia osservato questo: che è quasi comune fra gli uomini che fra il mento e la sommità della testa intercorra la medesima misura del piede. Scelto, pertanto, un solo membro, bisogna adattare i rimanenti a questo; in modo che non vi sia, in tutto l’essere vivente, alcun membro non proporzionato agli altri in lunghezza e larghezza» (Sinisgalli 2006, 193–194).

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conformandae universales partes corporis sunt, ut inter se omnes correspondeant, ut, quavis una illarum sumpta, eadem ipsa caeterae omnes partes apte dimetiantur.86

Il buon pittore deve conoscere tutte le armonie di un corpo per saperlo ben dipingere (Pict. lat. 3,55): Spectabit namque sedentis gremium et tibias ut dulce in proclivum labantur. Notabit stantis faciem totam atque habitudinem, denique nulla erit pars cuius officium et symmetriam, ut Graeci aiunt, ignoret.87

Le parti delle membra devono essere tra loro corrispondenti e rispondenti a logica per non creare monstra (Pict. lat. 2,36–37): Hactenus de superficierum compositione. Sequitur ut de compositione membrorum referamus. In membrorum compositione danda in primis opera est ut quaequae inter se membra pulchre conveniant. Ea quidem tunc convenire pulchre dicuntur, cum et magnitudine et officio et specie et coloribus et caeteris siquae sunt huiusmodi rebus ad venustatem et pulchritudinem correspondeant. Quod si in simulacro aliquo caput amplissimum, pectus pusillum, manus perampla, pes tumens, corpus turgidum adsit, haec sane compositio erit aspectu deformis. […] Tum speciem quoque diximus in componendis membris spectandam esse. Nam perabsurdum esset si Helenae aut Iphigeniae manus seniles et rusticanae viderentur, aut si Nestori pectus tenerum er cervix lenis, aut si Ganymedi frons rugosa, crura athletae, aut si Miloni omnium robustissimo latera levia et gracilia adderemus. Tum etiam in eo simulacro, in quo vultus sint solidi et succipleni, ut aiunt, turpe esset lacertos et manus macie absumptas agere. Contraque qui Achaemenidem ab Aenea in insula inventum pingeret facie qua eum fuisse Virgilius refert, nec caetera faciei convenientia sequerentur, esset is quidem pictor perridiculus atque ineptus. Itaque specie omnia conveniant oportet. Tum colore quoque inter se correspondeant velim. Nam quibus sint vultus rosei, venusti, nivei, his pectus ac caetera membra fusca et truculenta minime conveniunt.88

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«E come nell’organismo animale ogni membro si accorda con gli altri, così nell’edificio ogni parte deve accordarsi con le altre. […] D’altra parte, a quel modo stesso in cui nell’organismo animale la testa, i piedi e ogni altro membro sono strettamente connessi alle membra tutte e all’intero corpo nel suo complesso, del pari in ogni edificio, e soprattutto nel tempio, occorre conformare tutte le parti del suo corpo in modo che corrispondano interamente le une alle altre, al punto da poter agevolmente ricavare le dimensioni di tutte quante dalla misurazione di una sola di esse» (Orlandi/ Portoghesi 1966, 65,21–23, 559,20–25; trad. it. 64,22–24, 558,27–33). «Osserverà infatti il grembo di una persona, che sta seduta, e le gambe mentre si piegano inclinandosi dolcemente. Noterà l’intero aspetto e la conformazione di chi gli sta davanti. Non vi sarà parte alcuna infine di cui ignori il compito e la simmetria, come dicono i Greci» (Sinisgalli 2006, 252–253). «Sin qui [abbiamo parlato] della composizione delle superfici. Resta da riferire sulla composizione delle membra. Nella composizione delle membra bisogna innanzitutto adoperarsi a che ciascun [membro] si congiunga con gli altri. E certamente si dice che si uniscono a meraviglia quando rispetto alla grandezza, al compito, alla specie, ai colori e a tutte le altre cose, se vi sono alcune di questo tipo, [le membra] corrispondono sino alla grazia e alla bellezza. Ragion per cui, se in un

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Ed ecco i quasi analoghi, e assai più numerosi, passaggi sullo stesso tema, presenti nel De re aedificatoria (a cominciare da sei strettamente legati a quest’ultimo passo del De pictura): (Res. aed. 1,8) Laterum lineas ita esse oportet, ut e regione oppositae coaequales sint; et nusquam longissimae linea toto in opere brevissimis uno perductu adigentur, sed erit inter eas pro rata rerum iusta et condecens proportio.89 (Res aed. 1,9) Itaque cuique membro apta regio accommodatus situs, et contribuetur non amplior, quam rei usus exigat, non minor, quam dignitas postulet, non loco alieno et impertinenti, sed suo et ita proprio, ut alibi commodius esse nusquam potuerit.90 (Res aed. 1,9) Et cedant ea quidem inter se membra mutuo oportet ad communem totius operis laudem et gratiam constituendam vel componendam, nequid omni decoris conatu ‹una in parte› occupato alterae penitus neglectae relinquantur, sed inter se ita conveniant, ut inde unum integrum recteque constitutum corpus magis quam divulsa et dissipata esse membra videantur.91 (Res aed. 1,9) Modo id serves, quod saepe admoneo, ne in id vitium incidas, ut fecisse monstrum imparibus aut humeris aut lateribus videare.92

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qualche ritratto la testa si presenta grandissima, il petto piccolino, la mano molto larga, il piede gonfio, il corpo ingrossato, una tale composizione sarà certamente deforme d’aspetto. […] Abbiamo anche accennato poi che nel comporre le membra, bisogna prendere in considerazione la specie. Sarebbe molto inverosimile infatti se le mani di Elena o di Ifigenìa apparissero invecchiate e rozze; o se a Nestore assegnassimo un petto giovanile ed un collo delicato; o se a Ganimede una fronte rugosa e le gambe di un atleta; o se a Milone, il più gagliardo di tutti, dei fianchi sottili e gracili. E ancora, in una immagine, in cui i volti siano, come dicono, pieni e grassocci, sarebbe sconcio aggiungere braccia e mani secche per magrezza. Al contrario, chi dipingesse Achemenide, da Enea ritrovato in un’isola, con la faccia di cui Virgilio riferisce che avesse, e le rimanenti [membra] non fossero coerenti con essa, sarebbe un pittore molto ridicolo ed incapace. Bisogna pertanto che tutte [le membra] siano in armonia con la specie. Vorrei, allora, che corrispondano tra di loro anche nel colore. A coloro, infatti, che hanno dei visi rosei, belli e bianchi come la neve, molto poco si adattano i seni e le rimanenti membra, scuri e tetri» (Sinisgalli 2006, 191–192, 197–199). «Le linee costituenti i lati devono essere ciascuna uguale a quella corrispondente situata dalla parte opposta; né si devono mai congiungere in un sol tratto, nell’intera opera, linee lunghissime con linee cortissime; dev’esservi invece una giusta e conveniente proporzione tra di esse, da stabilirsi di volta in volta» (Orlandi/Portoghesi 1966, 57,23–26; trad. it. 56,26–30). «Quindi ciascun membro deve avere il luogo e la posizione più opportuni: non occuperà più spazio di quanto sia utile, né meno di quanto esiga il decoro; né sarà collocato in una posizione impropria o disdicevole, bensì in quella che precisamente gli appartiene, sì che non se ne possa trovare un’altra più conveniente» (Orlandi/Portoghesi 1966, 65,26–67,1; trad. it. 64,28–32). «Occorre che ogni membro dell’edificio si armonizzi con gli altri per contribuire alla buona riuscita dell’intera opera e alla sua leggiadria, di modo che non si esaurisca in una sola parte tutto l’impulso alla bellezza, trascurando affatto le altre parti, bensì tutte quante si accordino tra loro in modo da apparire come un sol corpo intero e bene articolato, anziché frammenti estranei e disparati» (Orlandi/Portoghesi 1966, 67,12–17; trad. it. 66,14–19). «In ogni caso è mio costume raccomandare di non cadere in quel difetto per cui l’edificio sembra un corpo deforme con le spalle o i fianchi sproporzionati» (Orlandi/Portoghesi 1966, 69,2–4; trad. it. 68,2–4).

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(Res aed. 9,7) Suo quidem positae loco partes etiam minimae, quae per opus sint, aspectu venustatem afferunt; alieno autem atque non se digno et condecenti loco positae vilescunt, si elegantes sunt, sin autem minus, vituperantur. Eccum et in operibus naturae illa quidem; et si forte catello asini auriculam fronti adpegerit, aut si pede prodibit quispiam praegrandi aut manu altera vastiore altera vero perpusilla, is quidem informis sit. Et oculo spectari altero cesio altero nigranti ipsis etiam iumentis non probatur: tam ex natura est, ut dextera sinistris omni parilitate correspondeant.93 (Res aed. 9,7) Quare in primis observabimus, ut ad libellam et lineam et numeros et formam et faciem etiam minutissima quaeque disponantur, ita ut mutuo dextera sinistris, summa infimis, proxima proximis, aequalia aequalibus aequatissime conveniant ad istius corporis ornamentum, cuius futurae partes sunt.94

Questi ultimi passi, del tutto in linea coi precedenti, si riferiscono, però, più specificamente, ai difetti di proportio dovuti al consilium e alla mens dell’architetto improvvido (Res aed. 9,8): Si aut nimium vasta aut nimis pusilla aut nimium patentia aut plus satis recondita aut nimis coniuncta aut nimis disseparata aut valde plura aut pauciora effeceris, quam res postulet. […] Caeterum, quae inter ornamentorum vitia in primis odisse oporteat, erunt, veluti in operibus naturae, siquid forte praeposterum mancum exuberans aut ulla ex parte informe intercesserit. Nam, si id quidem in natura improbatur atque monstro habetur, quid in architecto, qui usus sit partibus indecenter? Et sunt partes quidem, quibus circa formas utatur, lineae anguli extensio et talia. Ergo recte asseverant, qui dicunt reperiri vitium nullum deformitatis obscenius atque detestabilius, quam aut angulos aut lineas aut superficies numero magnitudine ac situ non diligenter examinateque inter se comparatas coaequatas atque compactas intermiscere. Et quis non vehementer redarguat eum, qui, ubi nulla cogat necessitas, ex aberrantis lumbrici imitatione ducat parietis lineas horsum istorsum incomposite inconsiderate alias oblongas alias minusculas

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«Le parti dell’opera, per piccole che siano, collocate al proprio posto, sono piacevoli a vedersi; qualora invece si trovino in una posizione non appropriata o a loro sconveniente, in tal caso, se sono riuscite eleganti, perdono il loro valore, e se no, sono oggetto di biasimo. Lo stesso avviene nei prodotti della natura. Se ad esempio un cagnolino avesse attaccato alla fronte un orecchio d’asino, o se qualcuno si mostrasse con un piede enorme, oppure con una mano grande e l’altra piccolissima, vi sarebbe deformità. E non è giusto neppure negli animali avere un occhio azzurro e l’altro nero, essendo legge naturale che la parte destra sia in ogni elemento uguale alla sinistra» (Orlandi/Portoghesi 1966, 837,28–839,4; trad. it. 836,31–838,5). «Pertanto si adoprerà ogni cura affinché anche i più insignificanti particolari riescano disposti ben allineati sul piano, avendo riguardo al numero, alla forma e all’aspetto, in modo tale che le parti di destra e quelle di sinistra, le parti alte e le basse, e così pure quelle tra loro vicine od uguali, si corrispondano reciprocamente con perfetta esattezza, in funzione di ornamento di quel corpo di cui devono far parte» (Orlandi/Portoghesi 1966, 839,5–9; trad. it. 838,6–12). Per le analogie di queste massime con l’Ars poetica di Orazio si veda Wulfram 2021, 24–27.

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angulis imparibus compactione informi, eademque praesertim in area istic obtusiore, ex adverso acutiore, confusa ratione, perturbato ordine, consilio non praecogitato et castigato?95

6. Meditare a lungo su modelli e consultarsi con tutti (docti e indocti) Un altro dei temi topici cari a Leon Battista unisce il De pictura e il De re aedificatoria. Si tratta del consiglio più volte vivamente suggerito dall’Alberti di meditare a lungo prima di intraprendere un’opera, che sia un dipinto o una costruzione architettonica e di chieder consiglio ad amici e a esperti (e non solo a quelli).96 Cominciamo, come sempre, dal De pictura. In questo passo (Pict. lat. 3,61) li troviamo tutti insieme. Meditare a lungo, fare dei modelli e consigliarci con gli amici: Caeterum cum historiam picturi sumus, prius diutius excogitabimus quonam ordine et quibus modis eam componere pulcherrimum sit. Modulosque in chartis conicientes, tum totam historiam, tum singulas eiusdem historiae partes commentabimur, amicosque omnes in ea re consulemus. Denique omnia apud nos ita praemeditata esse elaborabimus, ut nihil in opere futurum sit, quod non optime qua id sit parte locandum intelligamus.97

A seguire (Pict. lat. 3,61), immediatamente dopo, un altro brano in cui si condanna la leggerezza dell’artista che non pondera prima quello che si accinge a fare:

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«Il fare le parti dell’edificio troppo ampie o troppo ristrette, troppo in vista o troppo nascoste, troppo riunite o troppo separate, ovvero in numero maggiore o minore del dovuto. […] Passando ai difetti degli ornamenti, quelli che occorre evitare in speciale modo sono tali che se ne incontrano anche nelle opere della natura: la presenza cioè di qualche elemento a rovescio, o monco, o in eccesso, o in qualsiasi modo deforme. Giacché, se ciò viene biasimato perfino in natura e tenuto in conto di mostruoso, che cosa si deve pensare di un architetto che abbia disposto le parti in modo sconveniente? (intendendo per ‹parti› quelle di cui ci si serve per dar forma all’edificio, ossia linee, angoli, superficie, etc.). Hanno ragione, quindi, coloro che sostengono non esservi deformità più turpe né più detestabile che l’accozzare insieme angoli, linee o superfici, senza averli confrontati, proporzionati e fatti combaciare con la massima cura ed esattezza, tenendo conto del loro numero, della loro estensione e della loro collocazione. E tutti giudicherebbero con severità chi, senza alcuna ragione impellente, delineasse le pareti a guisa di serpeggiante lombrico rivolgentisi or qua or là senza ordine né logica, alcune lunghe, altre corte, collegate tra loro ad angoli disuguali in un complesso informe; peggio ancora se l’area è da un lato ottusa e dall’altro acuta, la disposizione risultandone confusa, l’ordine sconvolto e la concezione non meditata né curata» (Orlandi/ Portoghesi 1966, 841,15–18, 843,2–17; trad. it. 840,18–21, 842,2–20). Su ciò ci eravamo già soffermati in Cassani 2004, 24–25 e 33–34 nota 56. «Quanto al resto, quando vogliamo dipingere una historia, valuteremo anzitutto a lungo, secondo quale ordine e secondo quali norme, sia bellissimo il comporla. E illustreremo, predisponendo gli schemi su carte, da una parte l’intera historia, dall’altra le singole parti della medesima; e consulteremo su questo argomento tutti gli amici. In seguito faremo sì che per noi tutte le cose siano predisposte in modo tale che, in un’opera, nulla vi sia, di cui non capiamo in quale parte debba collocarsi in modo ottimale» (Sinisgalli 2006, 266).

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Vidi ego aliquos tum pictores atque sculptores, tum rhetores et poetas, si qui nostra aetate aut rhetores aut poetae appellandi sunt, flagranti studio aliquod opus aggredi, qui postea, dum ardor ille ingenii deferbuit, inchoatum ac rude opus deserunt, novaque cupiditate aliud agendi ad novissima sese conferunt. Quos ego homines profecto vitupero. Nam omnes qui sua posteris grata et accepta fore opera cupiunt, multo ante meditari opus oportet, quod multa diligentia perfectum reddant.98

Il prudente pittore, perciò, si serve di modelli, suddivisi in linee, come «privati commentarii» (Pict. lat. 3,61): Quove id certius teneamus, modulos in parallelos dividere iuvabit, ut in publico opere cuncta, veluti ex privatis commentariis ducta, suis sedibus collocentur.99

Ed ecco, come sempre, i corrispettivi brani nel De re aedificatoria. Occorre sempre prae­ cogitare in anticipo ogni aspetto dell’opera finita, per non doversene pentire quando sarebbe troppo tardi (Res aed. 2,1): Bene quidem consulti est omnia praecogitasse et praefinisse animo ac mente, ne in opere aut perficiundo aut iam absoluto dicendum sit: hoc noluissem; quam illud maluissem!100

Non bisogna mai stancarsi di pensitare ed examinare il progetto in ogni sua singola parte, con schizzi, disegni e modelli e ricorrendo anche al consiglio degli esperti (Res aed. 2,1): Idcirco vetus optime aedificantium mos mihi quidem semper probabitur, ut non perscriptione modo et pictura, verum etiam modulis exemplariisque factis asserula seu quavis re universum opus et singulae cunctarum partium dimensiones de consilio instructissimorum iterum atque iterum pensitemus atque examinentur, priusquam quid aliud aggrediare, quod impensam aut curam exigat. In modulis vero ducendis dabitur, ut regionis situm et areae ambitum et partium numerum atque ordinem et parietum faciem et tectorum firmitatem et omnium denique rerum, de quibus libro superiore transegimus, rationem et conformationem pulcherrime spectes atque

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«Ho visto alcuni, sia pittori che scultori, come anche retori e poeti – se vi sono taluni che bisogna chiamare con il nome di retori o di poeti ai nostri giorni – intraprendere qualche opera con grande zelo; i quali, successivamente, nel momento in cui venne a mancare quell’ardore dell’ingegno, lasciarono il lavoro incompiuto e grezzo e, con rinnovata avidità di fare un altro, si dedicano a cose nuovissime; senza dubbio, io biasimo queste persone. Tutti coloro, infatti, i quali desiderano che le loro opere siano gradite ed accette ai posteri, debbono riflettere molto tempo prima su un’opera, perchè la rendano, con grande diligenza, perfetta» (Sinisgalli 2006, 268). 99 «Oppure, allo scopo di ottenere ciò in modo più sicuro, gioverà suddividere gli schemi in paralleli, così che, in un’opera pubblica, tutte le cose, ad esempio tratte da schizzi personali, siano collocate ai posti appropriati» (Sinisgalli 2006, 266–267). 100 «Sarà compito degli esperti concepire e determinare in anticipo ogni cosa, per evitare che, quando l’opera fosse in costruzione o già terminata, si abbia a dire: questo non andava fatto, o: sarebbe stato meglio in altro modo» (Orlandi/Portoghesi 1966, 95,20–97,1; trad. it. 94,24–96,2).

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consideres. Et licebit istic impune addere diminuere commutare innovare ac penitus pervertere, quoad omnia recte conveniant et comprobentur.101

Stesso suggerimento, poco oltre (Res aed. 2,1): Itaque modulos huiusmodi fecisse oportet et eos ita diligentissime tecum ipso et una cum pluribus examinasse et iterum atque iterum recognovisse, ut nihil in opere vel minimum futurum sit, quod non et quid et quale ipsum sit et quas sedes et quantum spatii occupaturum sit et quos ad usus futurum sit, teneas.102

Prima di iniziare un’opera, occorre meditare a lungo se le nostre forze, anche economiche, saranno in grado di portarla a termine (Res aed. 2,13): Sed hic prius est, ut iterum admoneam pensanda esse tempora cum publica tum et privata nostra nostrorumque. Eiusmodi sint, nequid aggrediamur, in quo perturbatis rebus aut invidiam captes, si perseveres aedificando, aut dispendium, si deseras.103

E questo prudente consiglio era prassi praticata dagli antichi abitanti di Roma (Res aed. 5,10): Romani erat moris ita casibus singulis et fortunae et temporis providisse, ut nusquam sui poenitendum foret.104

101 «Non mi stancherò mai pertanto di raccomandare ciò che solevano fare i migliori architetti: meditare e rimeditare l’opera da intraprendere nel suo complesso e la misura delle sue singole parti, servendoci non solo di disegni e schizzi, ma anche di modelli fatti di assicelle o d’altro materiale, oltreché valendoci del consiglio di esperti; solo dopo tale esame potremo affrontare la spesa e la cura dell’impresa. L’uso di tali modelli permette di avere sotto gli occhi nel modo più chiaro la disposizione ordinata di tutti quegli elementi che abbiamo descritto nel libro precedente: la posizione rispetto all’ambiente, la delimitazione dell’area, il numero delle parti dell’edificio e la loro disposizione, la conformazione dei muri, la solidità delle coperture, etc. Inoltre sarà lecito qui senza perdita alcuna apportare aggiunte, diminuzioni, scambi di posizione, soluzioni nuove, anche sconvolgere l’assetto primitivo, fino a raggiungere la sistemazione che convenga e soddisfi completamente» (Orlandi/Portoghesi 1966, 97,14–26; trad. it. 96,18–32). 102 «È dunque opportuno costruire modelli del tipo suddetto, ed esaminarli e vagliarli a più riprese sia per conto proprio che con altri, finché non vi sia un solo particolare di cui non si sian determinate la natura, le caratteristiche, la collocazione, lo spazio che occuperà, le funzioni cui è destinato» (Orlandi/Portoghesi 1966, 99,18–23; trad. it. 98,21–26). 103 «Prima però conviene consigliare un’altra volta di meditare attentamente al momento scelto per l’impresa, sia in riferimento alla cosa pubblica che alla situazione nostra personale e della nostra famiglia, altrimenti, a causa delle difficoltà dei tempi, potremmo procurarci dei fastidi volendo proseguire l’opera, o fare una spesa inutile se la lasciamo in tronco» (Orlandi/Portoghesi 1966, 165,26–167,1; trad. it. 164,30–166,3). 104 «Quanto ai Romani, era loro costume prepararsi a tutte le eventualità del tempo e della sorte, in modo da non doversi pentire in nessun caso di quanto avevano fatto» (Orlandi/Portoghesi 1966, 377,22–23; trad. it. 376,30–32).

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Tutto ciò risponde alla necessità di porsi alcune domande fondamentali prima di accingersi a iniziare qualunque impresa architettonica, come riassume Leon Battista a chiusura del capitolo 2 del libro 2. Tra queste domande, la più importante, è il nosce te ipsum: Quae cum ita sint, officii erit ea spectasse, quae recensuimus, hoc est, quid sit, quod agas, et quid quo agas loco, et qui sis, qui id agas.105

Il brano più significativo, in tal senso, è forse Res aed. 9,8. In esso l’Alberti riassume tutto ciò che ritiene essenziale per un buon progetto: lungo studio, parere degli esperti, utilizzo dei modelli su cui meditare non una ma dieci volte, lasciando trascorrere intervalli di tempo, perché il tempo svela i difetti. Non è il metodo adottato da tutti i grandi architetti, Frank Gehry in primis? Haec igitur vitia ut vitentur, iterum atque iterum admoneo, priusquam opus aggrediare, totam rem et ipse tecum pensites et una peritos consulas, exemplaribus ad modulos diductis. Ex quibus velim bis ter quater septies decies cum intermissis tum resumptis temporibus omnes repetas futuri operis partes, quoad a radicibus imis ad summam usque tegulam nihil neque abditum neque propatulum neque magnum neque parvum toto sit in opere futurum, quod non tibi et diu et multum percogitatum perconstitutum destinatumque habeas, quibus rebus locis ordine numeroque locasse adiunxisse praefinisseque deceat aut praestet.106

Un ottimo ausilio per una buona progettazione, lo si è visto, è l’utilizzo di modelli. Ecco una serie di passi del De re aedificatoria che ne certificano ulteriormente, se ce ne fosse ancora bisogno, l’importanza fondamentale di essi per Leon Battista: (Res aed. 2,2) Modulos tibi recognituro haec inter pensandas rationes versentur necesse est.107 (Res aed. 2,3) Cum vero tota aedificii ratio ex singulis modulorum partibus ita erit apud te spectata et cognita, ut nihil non animadversum, nihil non adnotatum uspiam relinquatur […]108

105 «Concludendo, si dovranno tener presenti i punti finora illustrati, cioè: che cosa tu intenda fare, in quale luogo tu faccia ciò, e chi sei tu che lo fai» (Orlandi/Portoghesi 1966, 105,19–21; trad. it. 104,24–26). 106 «Per non incorrere in questi errori, non mi stancherò mai di raccomandare che, prima di dar inizio alla costruzione, si mediti attentamente per conto proprio su tutta l’impresa, e inoltre si richieda il giudizio degli esperti in materia. Si facciano altresì dei modelli in scala dell’opera, sulla base dei quali è consigliabile riesaminare ogni parte dell’edificio da costruirsi due, tre, quattro, sette, dieci volte, riprendendo l’esame a volta a volta dopo intervalli di tempo, finché nell’intera opera, dalla zona più bassa alla più alta tegola, non rimanga particolare, riposto o scoperto, grande o piccolo, che non sia stato da noi lungamente e intensamente soppesato e stabilito, e non si sia deciso con quali caratteristiche, in quale posizione e in che ordine sia decoroso o utile disporlo» (Orlandi/ Portoghesi 1966, 847,14–23; trad. it. 847,19–30). 107 «Nel riesame che farai del tuo modello, tra i vari elementi da meditare dovrai tener presenti i seguenti» (Orlandi/Portoghesi 1966, 101,18–19; trad. it. 100,20–21). 108 «Quando dunque avrai vagliato accuratamente la disposizione dell’intero edificio in base alle diverse parti del modello, di modo che non resti più nulla d’incerto o di non sceverato […]» (Orlandi/Portoghesi 1966, 107,23–25; trad. it. 106,25–27).

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(Res aed. 9,9) Itaque huiusmodi ex modulis excogitabuntur atque pensabuntur.109 (Res aed. 9,10) Postremo, eadem cum modulis exemplaribusque mandassem, nonunquam singula repetenti evenit, ut me etiam numerum fefellisse deprehenderim.110

Oltre ai modelli, l’Alberti però consiglia sempre, come ampiamente si è visto, di chiedere il parere ad amici ed esperti; ma quel che può apparire più sorprendente è che Leon Battista sollecita pittori e architetti a invocare il punto di vista anche delle persone comuni. Cominciamo dal De pictura. Oltre ai consueti temi cari all’Alberti – chiedere il consiglio di amici ed esperti – ricorda che anche l’opinio della multitudo non era per nulla disprezzata nemmeno dal grande Apelle (Pict. lat. 3,62): Ergo moderata diligentia rebus adhibenda est, amicique consulendi sunt, quin et in ipso opere exequendo omnes passim spectatores recipiendi et audiendi sunt. Pictoris enim opus multitudini gratum futurum est. Ergo multitudinis censuram et iudicium tum non aspernetur, cum adhuc satisfacere opinionibus liceat. Apellem aiunt post tabulam solitum latitare, quo et visentes liberius dicerent, et ipse honestius vitia sui operis recitantes audiret. Nostros ergo pictores palam et audire saepius et rogare omnes quid sentiant volo, quandoquidem id cum ad caeteras res tum ad gratiam pictori aucupandam valet. Nemo enim est qui non sibi decorum putet suam in alienis laboribus sententiam proferre. Tum minime verendum est ne vituperatorum et invidorum iudicium laudibus pictoris quicquam possit decerpere. Perspicua enim ac celeberrima est pictoris laus, dicacemque testem ipsum bene pictum opus habet. Ergo omnes audiat, secumque ipse rem prius pensitet atque emendet; deinde cum omnes audiverit, peritioribus pareat.111

109 «Per mezzo di modelli, dunque, si dovranno progettare gli edifici» (Orlandi/Portoghesi 1966, 853,5; trad. it. 852,6). 110 «Infine, avendone fabbricato i modelli, spesso, esaminandone partitamente gli elementi, mi accorgevo di essermi sbagliato anche sul numero» (Orlandi/Portoghesi 1966, 863,1–3; trad. it. 862,1–3). 111 «Bisogna, dunque, adoperare una moderata diligenza nelle cose ed è necessario consultare gli amici; anzi bisogna anche ricevere, da ogni parte, durante l’esecuzione dell’opera stessa, tutti gli osservatori ed ascoltarli. In questo modo, infatti, l’opera del pittore sarà accetta a un gran numero di persone. Non si respingerà dunque la critica e il giudizio di un gran numero di persone, quando è ancora possibile venire incontro ai suggerimenti. Dicono che Apelle fosse solito nascondersi dietro il quadro, sia perchè gli osservatori parlassero più liberamente, sia perché li udisse di persona mentre esponevano in modo più sincero i difetti della sua opera. Desidero, dunque, che i nostri pittori da una parte ascoltino più spesso liberamente, dall’altra chiedano a tutti cosa pensino, dal momento che ciò è di ausilio non solo per le altre cose, ma anche per captare il favore nei confronti del pittore. Non vi è nessuno, in realtà, che non ritenga per sè un onore esprimere il proprio parere sui lavori altrui. Non si deve temere, allora, minimamente che il giudizio dei detrattori e degli invidiosi possa togliere qualcosa alle lodi di un pittore. Palese, infatti, e celeberrima è la fama del pittore ed ha come loquace testimone proprio l’opera ben dipinta. Ascolti tutti, dunque, ed egli stesso vàluti prima da sè una cosa e la corregga. In seguito, dopo aver ascoltato tutti, segua i consigli dei più esperti» (Sinisgalli 2006, 270–271).

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Ed ecco, come sempre, gli analoghi passi del De re aedificatoria. Il parere di tutti non deve essere posposto a quello degli esperti (Res aed. 2,1; 2,3): Demum, cum tibi aliisque peritis tota operis facies et coniectatio perplacebit […]. Sed rerum istarum – iterum atque iterum admoneo – fac sit moderatrix peritorum prudentia et consilium eorum, qui spectaturi sint recto aliquo et sincero cum iudicio. […] Et conferet quosque audisse: nam interdum evenit, ut etiam istarum rerum imperiti ea dicant, quae minime aspernanda peritissimis videantur.112

Lo stesso consiglio, Leon Battista aveva rivolto all’amico Matteo de’ Pasti nella celebre lettera del 18 novembre 1454: «Tu preghoti examina, et odi molti, et referiscimi. Forse qual che sia dirà chosa da stimarla.»113 Il fatto di poter chiedere un’opinione a qualsiasi persona, nell’Alberti, deriva dalla convinzione dell’innata capacità di avvertire la bellezza comune a tutti, docti e indocti (Res aed. 2,1; 6,2; 6,2; 9,5, 9,5): Et patent quidem atque admodum in promptu extant laudes et vitia maxime publicorum operum, in quibus magis ad se despiciendum, nescio quo pacto, trahit, quod indecens est, quam ad se admirandum, quod pulchre perfectum et omni ex parte absolutum constet. Ac mirum quidem, quid ita sit, cur monente natura et docti et indocti omnes, in artibus et rationibus rerum quidnam insit aut recti aut pravi, confestim sentimus. Estque praesertim in rebus eiusmodi sensus oculorum unus omnium acerrimus; quo fit ut, siquid se obtulerit, in quo aliquid curtum claudicans redundans inane aut inconditum sit, illico commoveamur et lepidiora esse desideremus. Cur id accidat, non omnes intelligimus; tamen, si rogemur, emendari corrigique posse negabit nemo. At, qualis ea sit ratio exequendi, non erit omnium explicasse, sed solum in ea re bene consultorum;114 […] Etenim gratiam quidem atque amoenitatem non aliunde manare arbitrantur quam a pulchritudine atque ornamento, hinc ducti, quod neminem inveniri sentiant 112 «Quando finalmente ogni aspetto del tuo progetto sia stato pienamente approvato da te e dagli altri esperti […] Ma anche in questi problemi non mi stancherò mai di ammonire che si faccia ricorso al giudizio ponderato degli esperti, ascoltando i consigli di chi sa esaminare il tutto con animo onesto e imparziale. […] Sarà pure utile chiedere il parere di tutti: perché talvolta anche chi non s’intende di questa materia fa delle osservazioni che appaiono agli stessi competenti tutt’altro che trascurabili» (Orlandi/Portoghesi 1966, 101,7–8, 107,12–14 e 20–22; trad. it. 100,7–8, 106,12–14 e 21–24). 113 Grayson 1999, 254. 114 «Sono noti e visibili a tutti i pregi e i difetti in special modo degli edifici pubblici, nei quali, non si sa come, l’impressione negativa destata da ciò che è mal fatto supera in intensità l’ammirazione suscitata da ciò che è ben condotto ed eseguito in tutto a regola d’arte. Ed è davvero sorprendente come tutti, colti e ignoranti, guidati da un istinto naturale, avvertiamo subito quanto vi è di giusto o di erroneo nella concezione e nell’esecuzione di un’opera. In questo genere di giudizi la parte tenuta dall’occhio supera in acutezza quella di tutti gli altri sensi; onde avviene che, presentandosi alla vista un edificio in cui vi sia un particolare monco, o zoppicante, o superfluo, o inutile, o imperfetto, immediatamente ci colpisce in esso la mancanza di eleganza. Le ragioni di questa impressione non potranno essere comprese da tutti; tuttavia, alla domanda se vi sia qualcosa da aggiustare o rettificare, tutti risponderebbero affermativamente; ma in che modo ciò si possa fare, sarà ben più

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tam tristem et tardum, tam rudem et rusticanum, quin pulcherrimis rebus maiorem in modum afficiatur, ornatissima omnibus posthabitis prosequatur, turpibus offendatur, incompta omnia et neglecta explodat, et quantum cuivis rei deesse ornamenti sentiat, tantum deesse profiteatur, quod faciat ad gratiam atque dignitatem;115 […] Quod siqua in re ista desiderantur, profecto aedificium eiusmodi est, ut hisdem carere nullo pacto possit sine peritorum atque imperitorum offensione;116 […] Ut vero de pulchritudine iudices, non opinio, verum animis innata quaedam ratio efficiet. Id ita esse apparet, quandoquidem turpia informia obscena nemo est quin illico intuens offendatur atque oderit;117 Est enim in formis profecto et figuris aedificiorum aliquid excellens perfectumque natura[e], quod animum excitat evestigioque sentiatur.118

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difficile dire, e sarà compito esclusivo degli esperti in questa disciplina» (Orlandi/Portoghesi 1966, 95,6–19; trad. it. 94,8–23). «È opinione diffusa che l’impressione di leggiadria e di piacevolezza derivi esclusivamente dalla bellezza e dall’ornamento. Prova ne sia che non risulta esistere persona tanto disgraziata od ottusa, tanto rozza o incolta, che non si senta attratta in modo spiccato dalle cose più belle, preferisca le più adorne a tutte le altre, sia urtata dalle brutte, respinga tutte le imperfette o trasandate, e sia in grado di indicare, avvertendo difetti nell’ornamentazione di qualche elemento, ciò che occorre per conferire all’oggetto eleganza e decoro» (Orlandi/Portoghesi 1966, 445,9–16; trad. it. 444,10–17). La bellezza placa l’ira dei nemici contro le opere d’arte e d’architettura: cfr. Res aed. 6,2: Accedit quod haec una, de qua loquimur, commoditati atque etiam perennitati plurimum affert adiumenti. Qui enim non secum agi commodius affirmabit, ubi sese inter ornatos, quam si neglectos intra parietes receperit? Aut quid alioquin tam obfirmatum effici ulla hominum arte poterit, quod ab hominum iniuria satis munitum sit? («Inoltre la bellezza è qualità siffatta da contribuire in modo cospicuo alla comodità e perfino alla durata dell’edificio. Giacché nessuno potrà negare di sentirsi più a suo agio abitando tra pareti ornate che tra pareti spoglie; né l’arte umana può trovare mezzo più sicuro per proteggere i suoi prodotti dalle offese dell’uomo stesso») (Orlandi/Portoghesi 1966, 447,9–14; trad. it. 446,10–16); vedi anche Res aed. 8,3: Sed ornatus nimirum delectat: quo, ut alibi diximus, nihil ad conservandas res posteritatique commendandas commodius est. («Ma indubbiamente l’ornamentazione piace; e, come s’è detto altra volta, nulla più di essa concorre a salvare qualsiasi cosa dalla distruzione e a tramandarla ai posteri») (Orlandi/Portoghesi 1966, 681,10–12; trad. it. 680,11–14) e soprattutto Res aed. 10,1: Adde his hominum iniuria. Me superi! interdum nequeo non stomachari, cum videam aliquorum incuria (nequid odiosum dicerem: avaritia) ea deleri, quibus barbarus et furens hostis ob eorum eximiam dignitatem pepercisset, quaeve tempus pervicax rerum prosternator aeterna esse facile patiebatur. («Vi sono poi i danni provocati dagli uomini … Perdio! a volte non posso far a meno di ribellarmi al vedere come, a causa dell’incuria – per non usare un apprezzamento più crudo: avrei potuto dire avarizia – di taluni, vadano in rovina monumenti che per la loro eccellenza e lo splendore furono risparmiati perfino dal nemico barbaro e sfrenato; o tali che anche il tempo, tenace distruttore, li avrebbe agevolmente lasciati durare in eterno») (Orlandi/Portoghesi 1966, 869,23–871,2; trad. it. 868,31–870,3). «Se dunque v’è cosa alcuna che esige queste qualità, l’edificio è certo tale da non poterne in alcun modo far senza, se non urtando la sensibilità degli esperti come dei profani» (Orlandi/Portoghesi 1966, 447,1–3; trad. it. 446,1–3). «Ai giudizi in merito alla bellezza sovrintende non già l’opinione individuale, bensì una facoltà conoscitiva innata della mente. Che così sia risulta da ciò, che chiunque s’imbatta in qualcosa di brutto, di deforme, di disgustoso, al solo vederlo subito ne viene urtato e infastidito» (Orlandi/ Portoghesi 1966, 813,13–16; trad. it. 812,16–20). «Nella configurazione e nell’aspetto degli edifici si trova certamente un’eccellenza o perfezione di natura la quale stimola lo spirito ed è subito avvertita» (Orlandi/Portoghesi 1966, 813,18–20; trad. it. 812,23–25).

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Sarà forse anche per questo che (Pict. lat. 2,28): […] nulla ferme ars est in qua perdiscenda ac exercenda omnis aetas et peritorum et imperitorum tanta cum voluptate versetur,119

come la pittura. 7. Occorrenze di termini della teoria e della pratica architettonica nel De pictura L’ultima parte di questa nostra ricerca sulle tangenze fra i due trattati è la parte maggiormente in progress. Abbiamo tentato un primo spoglio, inevitabilmente ancora lacunoso, delle occorrenze di termini che ritornano in entrambe le opere, sia tecnici, sia tipici del linguaggio albertiano. Tra i vocaboli tecnici, ve ne sono riguardanti elementi costruttivi, così come attinenti la composizione architettonica. Tra i primi si riscontrano, in ordine via via decrescente: pavimentum,120 pyramis,121 columna,122 paries,123 fenestra,124 lacunaria,125 fistula.126 Alcuni di questi lemmi, però, riguardano specificatamente la costruzione prospettica, e sono appunto pavimentum, paries, pyramis, fenestra, termini che nel De re aedificatoria, al contrario, sono pertinenti a parti concrete di una costruzione.127 Più spesso, invece, ricorrono vocaboli, e corrispondenti aggettivi, legati all’«estetica» e alla composizione architettonica: pulchritudo,128 membrum,129 119 «[…] forse non vi è nessun’arte, nell’apprendere e in genere esercitare la quale, ogni generazione si applichi con tanto coinvolgimento di esperti e di profani» (Sinisgalli 2006, 170). 120 Pict. lat. 1,13; 1,19; 1,20; 1,21; 1,22. 121 Pict. lat. 1,5; 1,7; 1,12; 1,13; 1,15; 1,16; 1,19; 1,23; 2,31; 2,33. 122 Pict. lat. 1,4; 2,33; 2,43; 2,49. Il passo 2,43, in particolare, sembra essere l’analogo di uno del trattato sull’architettura: Tum si toto corpore idem in unum pedem institerit, semper is pes tamquam columnae basis est ad perpendiculum capiti subiectus, ac ferme semper eo stantis vultus porrectus est quo sit pes ipse directus. («Se ora il medesimo [uomo] si porrà sopra un solo piede con tutto il corpo, questo piede si dispone sempre, come la base di una colonna, verticalmente rispetto alla testa. Anzi il volto di chi sta in piedi si volge quasi sempre nella direzione verso cui è puntato il piede») (Sinisgalli 2006, 216–217); Res aed. 9,7: [sc. veteres] Hominem enim contemplati, columnas sibi ex illius similitudine faciundas censuere («Essi [sc. gli antichi] […] dall’osservazione del corpo umano stabilirono di foggiare le colonne a somiglianza di esso») (Orlandi/Portoghesi 1966, 835,19–20; trad. it. 834,19–21). 123 Pict. lat. 1,13; 2,31. 124 Pict. lat. 1,19. 125 Pict. lat. 1,11. Nella redazione volgare (Pict. volg. 1,11,5) i «lacunari» sono diventati «travi»: «I razzi interrotti o ritornano onde vennono, o s’adirizzano altrove: vedili adiritti altrove quando, aggiunti alla superficie de l’acqua, feriscono i travi della casa». Questi i due passi del De re aedificatoria sui lacunaria: Res aed. 1,11 p. 77,1–3; 7,11 p. 615,8–617,2. 126 Pict. lat. 1,4. 127 Cfr. rispettivamente: (pavimentum) Res aed. 3,16; 6,10; 9,4; 10,17; (paries) 3,6–8; 6,9–10; 7,2; (pyramis) 8,3; (fenestra) 1,12; 7,12. 128 Pict. lat. 1,10; 2,25; 2,26; 2,31; 2,32; 2,33; 2,35; 2,36; 2,41; 2,45; 2,46; 2,48; 3,52; 3,53; 3,55; 3,56; 3,60. 129 Pict. lat. 1,14; 1,19; 2,33; 2,35; 2,36; 2,37; 2,38; 2,39; 2,41; 2,43; 2,44; 2,45; 2,50; 3,55.

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compositio,130 gratia,131 locus,132 varietas,133 animal,134 venustas,135 terminus,136 ornamentum,137 concinnitas,138 ordo,139 collocatio,140 ossa,141 symmetria,142 situs,143 exemplaris,144 genus,145 lineamenta.146 Dando per ovvie le voci più legate all’«estetica», come pulchritudo, gratia, venustas, ornamentum – perché quasi scontate in due trattati sull’arte, si può sottolineare la frequenza dei termini – et verba analoga – membrum, compositio, animal, varietas e concinnitas, tutti concetti fondamentali nella teoria artistica albertiana. Ma per meglio chiarire queste «affinità elettive», per nomina et verba, occorrerà ritornarvi con più calma in futuro.

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Pict. lat. 1,4; 1,21; 2,31; 2,33; 2,34; 2,35; 2,36; 2,38; 2,39; 2,40; 2,45; 2,46; 2,47; 2,50; 3,52; 3,53. Pict. lat. 2,25; 2,35; 2,37; 2,40; 2,44; 2,45; 2,46; 2,47; 2,48; 3,52; 3,53; 3,56; 3,62. Pict. lat. 1,3; 1,9; 1,17; 1,19; 2,30; 2,33; 2,42; 2,47. Pict. lat. 1,7; 2,40; 2,46; 2,48; 3,60. Pict. lat. 1,7; 1,18; 2,25; 2,33; 2,36; 2,37; 2,45; 3,60. Pict. lat. 2,35; 2,36; 2,37; 2,44; 2,48; 3,56. Pict. lat. 1,20; 2,31; 2,32; 2,34; 2,35. Pict. lat. 2,26; 2,29; 2,49; 3,53; 3,54. Pict. lat. 1,8; 2,35; 2,42; 2,46. Ecco i celebri passi sulla concinnitas in Res aed.: 6,2 p. 447; 6,5 p. 469; 6,10 p. 507; 9,5 p. 815; 9,7 p. 835; 9,8 p. 845; 9,9 p. 849; per inconcinnus: 6,2 p. 447; 6,3 p. 453. Pict. lat. 1,2; 1,13; 1,14; 3,61. Pict. lat. 1,9; 2,31; 3,61. Ecco i passi sulla collocatio in Res aed.: 6,4 p. 459; 9,5 p. 815; 9,5 p. 817; 9,7 p. 837. Pict. lat. 2,36: particolarmente significativo il parallelo col De re aedificatoria, pur in quest’unica ricorrenza: Ergo quaedam circa magnitudinem membrorum ratio tenenda est, in qua sane commensuratione iuvat in animantibus pingendis primum ossa ingenio subterlocare, nam haec, quod minime inflectantur, semper certam aliquam sedem occupant. Tum oportet nervos et musculos suis locis inhaerere, denique extremum carne et cute ossa et musculos vestitos reddere. Sed (video) hoc in loco fortassis aderunt obiicientes quod supra dixerim nihil ad pictorem earum rerum spectare quae non videantur. Recte illi quidem, sed veluti in vestiendo prius nudum subsignare oportet quem postea vestibus obambiendo involuamus, sic in nudo pingendo prius ossa et musculi disponendi sunt, quos moderatis carnibus et cute ita operias, ut quo sint loco musculi non difficile intelligatur. («A proposito della grandezza, dunque, bisogna tener presente un certo rapporto; nel calcolare il quale è sicuramente utile, dipingendo gli esseri viventi, setacciare con ingegno in primo luogo le ossa. Queste, infatti, poichè si piegano pochissimo, occupano sempre una qualche determinata sede. Bisogna allora che i nervi e i muscoli aderiscano ai posti appropriati. E poi [bisogna], infine, trattare con la carne e con la pelle le ossa e i muscoli, una volta rivestiti. Ma a questo punto vi saranno forse certuni che contestano ciò che prima ho detto: per nulla interessano il pittore le cose che non si vedono. Senza dubbio, costoro [sono] nel giusto; ma come nel vestirsi bisogna prima conoscere il nudo, che dopo avvolgiamo con vesti circondandolo, così, nel dipingerlo, bisogna prima disporre le ossa e i muscoli, che corprirai moderatamente di carni e di pelle, in modo che non sia difficile intuire in quale posizione si trovino i muscoli») (Sinisgalli 2006, 192–193). Per i passi sull’ossatura nel trattato sull’architettura, si vedano: Res aed. 3,14 p. 247; 3,6 p. 195 e 197; 3,7 p. 203; 3,8 p. 207; 3,10 p. 215; 3,11 p. 225; 3,12 p. 227; 3,12 p. 233; 7,10 p. 605; 7,15 p. 645; 9,8 p. 841; 10,16 p. 987; 10,17 p. 995. Pict. lat. 1,14; 1,19; 2,26; 2,36; 3,55. Pict. lat. 1,5; 2,31. Pict. lat. 3,56. Pict. lat. 1,10. Pict. lat. 2,46.

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Alberti e il concetto di decorum Da categoria artistica a misura etico-estetica del vivere Elisabetta Di Stefano 1. Introduzione Nel corso del Novecento sono stati pubblicati numerosi studi che hanno messo in rilievo come la teoria dell’arte del Rinascimento sia stata elaborata mutuando strutture e concetti dalla poetica e dalla retorica antiche.1 In queste ricerche particolare attenzione è stata rivolta ai trattati di Leon Battista Alberti per il loro ruolo inaugurale rispetto alla trattatistica d’arte moderna. Nella cornice di tali indagini merita un ulteriore approfondimento il concetto di decorum poiché, sebbene non manchino studi che abbiano analizzato tale nozione nel De pictura o nel De re aedificatoria,2 non è stata sviluppata una riflessione complessiva del decorum nel pensiero albertiano. Per comprendere meglio il significato di questo concetto nella riflessione di Alberti, adotterò la metodologia introdotta dal filosofo polacco Władisław Tatarkiewicz3 che esamina la storia dei termini parallelamente alla storia delle idee estetiche, nel tentativo di dimostrare che l’idea di decorum (con le sue varianti terminologiche e concettuali) si configura come una categoria etico-estetica operante non solo nell’arte ma anche nella vita quotidiana. 2. Dal prepon al decorum Per cogliere la complessità semantica della nozione di decorum possiamo consultare il Dizionario etimologico della lingua latina di Ernout e Meillet alla voce decet («si addice»; «si conviene»).4 Dalla radice di questo verbo impersonale derivano alcuni termini che presentano leggere sfumature di senso: i due sostantivi decor e decus e l’aggettivo 1 2 3 4

Tra gli studi principali: Lee 1974; Spencer 1957; Baxandall 1994. Buchidid Lowen 2013; Bierman 1997; Bierman 2007; Baxandall 1994, 172. Tatarkiewicz 2011. Ernout-Meillet 2001, 166–167.

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dignus. Decus (in fr. «bienséance», in it. «decenza», «dignità») e dignus rimandano alla sfera etica dell’onore e del comportamento. Nell’Orator (Orat. 70) Cicerone collega il decorum al termine greco prepon («si addice, si conviene») e lo eleva a principio guida non solo nei discorsi ma della vita in generale: ut […] in vita sic in oratione nihil est difficilius quam quid deceat videre.5 Questo argomento viene ripreso e ulteriormente sviluppato nel De officiis (Off. 1,93), un trattato etico in cui Cicerone esamina i comportamenti giusti e corretti nelle diverse circostanze. Nella tarda antichità il termine decorum assume pure il significato di ornare, abbellire, da cui l’odierno «decorare», ma il valore etico si mantiene quando il verbo è utilizzato in senso onorifico. È evidente che il termine decorum e il sinonimo aptum, come il corrispondente greco prepon, includono una vasta area semantica. Come ha magistralmente dimostrato Max Pohlenz,6 la nozione di prepon viene formulata nella sfera filosofica, retorica e poetica. In ambito filosofico emerge la figura di Socrate, il cui pensiero ci è tramandato dagli scritti di Platone (Hip. Ma. 289d–290e) e Senofonte (Mem. 3,8,4; 3,10,9–13). Socrate elabora la nozione di «convenienza» (prepon) all’interno di una riflessione sul bello principalmente mirata agli oggetti d’uso (utensili, scudi, armature), per i quali la bellezza non è data dal pregio dei materiali o dalla manifattura raffinata, ma dall’adeguatezza allo scopo. Aristotele affronta il tema della convenienza in ambito sia retorico sia poetico. Egli definisce la giusta corrispondenza tra il linguaggio e il carattere dell’oratore (Rh. 3,7,1408a–b)7 e nella Poetica (Poet. 1454a) sottolinea come ogni personaggio debba adoperare parole e compiere azioni coerenti con il suo carattere, avviando una riflessione che sarà ulteriormente sviluppata dalla caratteriologia di Teofrasto. Su questa scia Orazio (Ars 157–178), instaurando un paragone tra il poeta e il pittore, afferma la necessità per entrambi di conferire ad ogni personaggio l’aspetto fisico, il gesto, il portamento e l’espressione adeguata nel rispetto della verosimiglianza alla natura. Come ha messo in evidenza Rensselaer Lee,8 le prescrizioni di Orazio e quelle analoghe ricorrenti in Quintiliano (Inst. 11,3,61 ss.), volgeranno la teoria aristotelica della convenienza verso esiti formalistici e didascalici e conferiranno un valore dogmatico alla nozione di decoro elaborata dalla poetica e dalla trattatistica d’arte del Cinquecento e del Seicento.9 Infine, tra i maggiori teorici

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Norcio 1976, 835: «In un discorso, come in ogni circostanza della vita, non c’è nulla di più difficile che saper vedere la cosa che si addice [quid deceat]. I Greci chiamano ciò πρέπον, noi potremmo chiamarlo decorum». Pohlenz 1997, 5–57. Già Aristotele (Rh. 3,2,1404b) riteneva che il discorso dovesse essere né pedestre, né troppo elevato, bensì «conveniente». Attraverso il suo discepolo Teofrasto – autore della classificazione dei genera dicendi in umile, medio e sublime – la formulazione aristotelica ha un enorme seguito e viene accolta dai retori latini. Lee 1974, 58–70. In questa direzione vanno sia La Poetica del Daniello sia il Dialogo della pittura (1557) di Ludovico Dolce che nel 1535 aveva pubblicato una traduzione dell’Ars poetica di Orazio (Lee 1974, 59).

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greci della nozione di prepon si annovera lo stoico Panezio, per il quale il prepon è un principio pratico che guida ciascuno a compiere la cosa giusta nel momento adatto.10 Da Panezio Cicerone mutuerà la nozione di decorum come un principio guida valido nella retorica, nelle arti e nella vita in generale.11 3. Il decorum nel De pictura Benché nel Rinascimento il termine decorum fosse noto grazie alla diffusione della letteratura retorica antica, le sue occorrenze nella trattatistica sono rare.12 Nei suoi scritti latini Alberti lo utilizza poche volte, preferendo il sinonimo aptum.13 Pertanto, analizzerò il De pictura soffermandomi dapprima sul termine latino decorum e sui suoi corrispettivi nella versione volgare, poi esaminerò altre parole o locuzioni che rimandano alla medesima sfera semantica. Nel De pictura latino si annoverano solo due occorrenze della parola decor/decorum: nel libro II (Pict. lat. 2,26) e nel libro III (Pict. lat. 3,62). Nel primo passo Alberti afferma che «qualunque bellezza» (quidquid decoris)14 si possa cogliere nelle arti «del disegno» deriva dal disegno (pittura) stesso. Se la prima occorrenza fa riferimento al pregio estetico della forma, e quindi alla sfera fenomenica di ciò che appare alla vista, la seconda esprime un significato etico connesso alla prassi del dipingere. Come attesta l’aneddoto di Apelle – che ascoltava i commenti sul suo dipinto nascosto dietro il quadro –, fin dall’antichità si reputava utile al fine di migliorare la qualità dell’opera, accogliere i consigli di amici e conoscenti. In linea con questa tradizione Alberti afferma che chiunque considererebbe un «onore» (sibi decorum putet) esprimere un giudizio sul lavoro altrui (Pict. lat. 3,62, p. 105–107 / volg. 3,12,1–6, tondi miei):15 […] amicique consulendi sunt, quin et in ipso opere exequendo omnes passim spectatores recipiendi et audiendi sunt. Pictoris enim opus multitudini gratum futurum est. Ergo multitudinis censuram et iudicium tum non aspernetur, cum adhuc satisfacere opinionibus liceat. Apellem aiunt post tabulam solitum latitare, quo et visentes liberius dicerent, et ipse honestius vitia sui operis recitantes audiret. Nostros ergo pictores palam et audire saepius et rogare omnes quid

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Cicu 2000, 136–137. Guérin 2009, 125. Payne (1992, 100–104) ha evidenziato le difficoltà di comprensione e traduzione del termine vitruviano decor nella letteratura artistica del Cinquecento. 13 Lücke 1975, s. v. decorum. 14 Alberti, Pict. lat. 2,26, p. 47: Denique nulla paene ars non penitus abiectissima reperietur quae picturam non spectet, ut in rebus quicquid ad sit decoris, id a pictura sumptum audeam dicere / Pict. volg. 2,2,4: né forse troverai arte alcuna non vilissima la quale non raguardi la pittura: tale che, qualunque truovi bellezza nelle cose, quella puoi dire nata dalla pittura (tondi miei). 15 Edizioni Grayson 1980; Bertolini 2011.

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sentiant volo, quandoquidem id cum ad caeteras res tum ad gratiam pictori aucupandam valet. Nemo enim est qui non sibi decorum putet suam in alienis laboribus sententiam proferre. E abbisi consiglio delli amici e, dipignendo, s’apra a chiunque viene e odasi a ciascuno. L’opera del pittore cerca essere grata a tutta la moltitudine: adunque non si spregi il giudicio e sentenza della moltitudine, quando ancora sia licito satisfare a loro oppenione. Dicono che Appelles, nascoso drieto alla tavola, acciò che ciascuno potesse più libero biasimarlo e lui più onesto udirlo, udiva quanto ciascuno biasimava o lodava; così io voglio i nostri pittori apertamente domandino o odano ciascuno quello che giudichi. E gioveralli questo ad acquistar grazia; niuno si truova il quale non estimi onore porre sua sentenzia nella fatica altrui.

In questo passo il termine decorum diviene il perno di una relazione all’interno di una collettività che condivide gli stessi valori, recuperando il significato etico e civico che Cicerone attribuisce al decorum nel De officiis (Off. 1,93). In quest’opera, infatti, il decorum rientra nella sfera dell’honestum e riguarda l’adeguatezza dei discorsi e delle azioni quotidiane all’interno della comunità in cui si vive. Dopo aver analizzato le uniche due occorrenze semantiche del termine decorum nel De pictura, possiamo individuare i passi in cui il concetto è espresso attraverso altre parole o locuzioni. L’idea di convenienza viene trattata nei paragrafi 36–40 del Libro II, dedicati alla composizione delle parti. Come ha messo in rilievo Baxandall, la compositio per Alberti indica una gerarchia di forme strutturata su quattro livelli (dipinto, corpo, membra, piano), così come per Cicerone indica la gerarchia delle parti del discorso (periodo clausola, frase, parola).16 Di conseguenza il principio del decorum viene trasferito dalla retorica alla pittura per regolare l’adeguatezza della composizione. Secondo Alberti per formare una bellezza unitaria e non scomposta occorre che la varietà delle parti si armonizzi in modo conveniente (convenire pulchre) rispetto alla loro grandezza, funzione, specie, colore (Pict. lat. 2,36, p. 63 / volg. 2,12,1–5, tondi miei): Hactenus de superficierum compositione. Sequitur ut de compositione membrorum referamus. In membrorum compositione danda in primis opera est ut quaequae inter se membra pulchre conveniant. Ea quidem tunc convenire pulchre dicuntur, cum et magnitudine et officio et specie et coloribus et caeteris siquae sunt huiusmodi rebus ad venustatem et pulchritudinem correspondeant. Quod si in simulacro aliquo caput amplissimum, pectus pusillum, manus perampla, pes tumens, corpus turgidum adsit, haec sane compositio erit aspectu deformis. Ergo quaedam circa magnitudinem membrorum ratio tenenda est, in qua sane commensuratione iuvat in animantibus pingendis primum ossa ingenio subterlocare, nam haec, quod minime inflectantur, semper certam aliquam sedem occupant. Tum oportet nervos et musculos suis locis inhaerere, denique extremum carne et cute ossa et musculos vestitos reddere.

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Baxandall 1994, 173–174.

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Sino a qui detto della composizione delle superficie, seguita de’ membri. Conviensi in prima dare opera che tutti i membri bene convengano. Converranno quando e di grandezza e d’offizio e di spezie e di colore e d’altre simili cose conresponderanno ad una bellezza: ché, se fusse in una dipintura il capo grandissimo e il petto piccolo, la mano ampia e il piè enfiato, il corpo gonfiato, questa composizione certo sarebbe brutta a vederla. Adunque conviensi tenere certa ragione circa alla grandezza de’ membri, in quale commensurazione gioverà prima allogare ciascuno osso dell’animale, poi apresso agiungere i suoi muscoli, di poi tutto vestirlo di sue carne.

Dei quattro ambiti in cui si esercita la funzione regolativa del principio della convenienza, la grandezza, la specie e il colore riguardano la sfera del visivo, mentre la funzione implica un modo di essere e di comportarsi e pertanto travalica nella sfera etica. Per quanto riguarda le dimensioni Alberti raccomanda di evitare che un capo grande corrisponda a una corporatura piccola, mentre in relazione alla specie e al colore afferma che la composizione delle forme e dei corpi deve essere conveniente all’età e al genere delle figure rappresentate. Tali prescrizioni sono volte a evitare rappresentazioni «assurde» e in contraddizione con i criteri di razionalità e aderenza al vero, secondo una linea coerente con il primo libro del De pictura che fornisce le regole della costruzione prospettica (Pict. lat. 2,37, p. 67 / volg. 2,13,12–19, tondi miei): Nam perabsurdum esset si Helenae aut Iphigeniae manus seniles et rusticanae viderentur, aut si Nestori pectus tenerum et cervix lenis, aut si Ganymedi frons rugosa, crura athletae, aut si Miloni omnium robustissimo latera levia et gracilia adderemus. Tum etiam in eo simulacro, in quo vultus sint solidi et succipleni, ut aiunt, turpe esset lacertos et manus macie absumptas agere. Contraque qui Achaemenidem ab Aenea in insula inventum pingeret facie qua eum fuisse Virgilius refert, nec caetera faciei convenientia sequerentur, esset is quidem pictor perridiculus atque ineptus. Itaque specie omnia conveniant oportet. Tum colore quoque inter se correspondeant velim. Nam quibus sint vultus rosei, venusti, nivei, his pectus ac caetera membra fusca et truculenta minime conveniunt. E sarebbe cosa assurda se le mani di Helena o di Efigenia fussero vecchizze e zotiche, o se in Nestor fusse il petto tenero e il collo dilicato, o se a Ganimede fusse la fronte crespa o le cosce d’un facchino, o se a Milone, fralli altri gagliardissimo, fusseno i fianchi magrolini e sottiluzzi. E ancora: in quella figura, in quale fusse il viso fresco e lattoso, sarebbe sozzo soggiungervi le braccia e le mani secche per magrezza; così chi dipignesse Acamenide, trovato da Henea in su quell’isola con quella faccia quale Virgilio il descrive, non seguendo li altri membri a tanta tisichezza sarebbe pittore da farsene beffe. Per tanto così conviene tutte le membra condicano ad una spezie. E ancora: voglio le membra corrispondano ad uno colore, però che a chi avesse il viso rosato, candido e venusto, a costui poco s’affarebbe il petto e l’altre membra brutte e sucide.

Tuttavia quando Alberti affronta il principio della convenienza delle parti in relazione all’«officio», ovvero al ruolo che il personaggio svolge nella narrazione pittorica, il ricorso al verbo decet tradisce anche lessicalmente la sfumatura etica che l’idea di decorum assume in questo contesto (Pict. lat. 2,37, p. 65 / volg. 2,12–13,2, tondi miei):

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Itaque uno suscepto membro, huic caetera accommodanda sunt ut nullum in toto animante membrum adsit longitudine aut latitudine caeteris non correspondens. Tum providendum est ut omnia membra suum ad id de quo agitur officium exequantur. Decet currentem manus non minus iactare quam pedes. At philosophum orantem malo in omni membro sui modestiam quam palaestram ostentet. Così adunque, preso uno membro, si accommodi ogni altro membro in modo che niuno di loro sia non conveniente a li altri in lunghezza e in larghezza. Poi si provegga che ciascuno membro segua, a quello che ivi si fa, al suo officio. Sta bene a chi corre non meno gittare le mani che i piedi, ma voglio un filosafo, mentre che favella, dimostri molto più modestia che arte di schermire.

Se al corridore si addice muovere in modo scomposto braccia e piedi nell’impeto della corsa, al filosofo si addice parlare controllando i gesti delle mani per non apparire piuttosto uno schermidore.17 L’attenzione per gli atteggiamenti appropriati appartiene alla sfera dell’actio retorica e si ritrova già nell’antico trattato Rhetorica ad Herennium. L’oratore deve adeguare i movimenti, il tono di voce, l’espressione del viso allo stile del discorso se vuole commuovere l’uditorio (Cic. De orat. 1,132). Nella sezione de apte dicendo dell’Institutio oratoria (Inst. 11,3,67), Quintiliano sottolinea l’importanza dell’eloquenza dei gesti in assenza di parola e Cicerone (Orat. 74) afferma la necessità di adeguare l’espressione delle emozioni alle circostanze e alle persone. In quest’ottica l’ecfrasis del dipinto di Timante, Il sacrificio di Ifigenia, che Alberti riporta nel De pictura (Pict. lat. 2,42), costituisce un’applicazione del principio del decorum, in linea con quanto aveva già affermato Cicerone (Orat. 74). Secondo un climax crescente che misura la manifestazione del dolore in modo conveniente al ruolo dei personaggi, il dipinto presenta Agamemnone col volto celato, per l’impossibilità di rappresentare l’immenso dolore di un padre costretto a sacrificare la propria figlia. Si delinea così una sorta di «estetica del comportamento» che prescrive le regole della convenienza non solo in relazione alla postura e ai movimenti del corpo, ma anche all’abbigliamento adeguato al rango sociale e al genere. Infatti, non si addice vestire una divinità con abiti servili o un uomo con abiti femminili (Pict. lat. 2,38, p. 67 / volg. 2,14, tondi miei): Ergo in compositione membrorum quae de magnitudine, officio, specie et coloribus diximus tenenda sunt. Tum et pro dignitate omnia subsequantur oportet. Nam Venerem aut Minervam saga indutam esse minime convenit. Iovem aut Martem veste muliebri indecenter vestires.

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Il riferimento agli «schermidori» presente nel De pictura volgare trova un interessante parallelo in un passo del De iciarchia (2,230,20–21 und 23–26), in cui si condanna l’atteggiamento di coloro che si muovono con certa affettata gravità e gonfiano il collo: stringano e’ labbri: aprono le ciglie: spandono le gomite; e ogni loro moto par fatto con arte di schermidore o di danzatore a molta ostentazione. Attraverso il medesimo esempio il decorum regola la coerenza della rappresentazione pittorica e stabilisce l’adeguatezza dei comportamenti nella vita quotidiana.

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Castorem et Pollucem prisci pictores pingendo curabant ut, cum gemelli viderentur, in altero tamen pugilem naturam, in altero agilitatem discerneres. Tum et Vulcano claudicandi vitium apparere sub vestibus volebant, tantum illis erat studium pro officio, specie et dignitate quod oportet exprimere. Adunque nella composizione de’ membri dobbiamo seguire quanto dissi della grandezza, officio, spezie e colori: poi a presso ogni cosa seguiti ad una dignità. Sarebbe cosa non conveniente vestire Venere o Minerva con uno capperone da saccomanno; simile sarebbe vestire Marte o Giove con una vesta di femmina. Curavano gli antiqui dipintori, dipignendo Castor e Poluce, fare che paressero fratelli, ma nell’uno apparesse natura pugnace, nell’altro agilità; facevano ancora che a Vulcano, sotto la vesta, parea il suo vizio di zopicare: tanto era in loro studio espriemere officio, spezie e dignità a qualunque cosa dipignessero.

Le prescrizioni di Alberti sulla convenienza delle vesti sono un’applicazione all’arte pittorica di un precetto retorico. La retorica adopera la metafora della veste per definire gli «ornamenta» verbali (Cic. De orat. 1,142; 3,155; Quint. Inst. 8 pr.) e condanna l’uso di figure ornamentali che si richiamano alla bellezza femminile (venustas) per quelle orazioni che dovrebbero avere la vemenza e la virilità della dignitas maschile. È interessante che per Alberti l’ammonizione a indossare un abbigliamento decoroso rispetto al genere, costituisca non solo un principio estetico utile alla rappresentazione pittorica, ma anche un criterio etico da osservare nella vita quotidiana: Piacerammi in un giovane l’abito giovanile, in quale appaia non venustà effeminata, ma dignità virile (Ic. 2,231,29–31). Questa accezione del decoro è molto diffusa nella teoria pittorica del Quattrocento. È significativo che persino Leonardo, di solito attento a cogliere la varietà della natura, nel passo del trattato dedicato al decoro assuma un atteggiamento più rigoristico18 e, in linea con la tradizione, ammonisca il pittore a rispettare la convenientia del atto, vesti, et sito (Leonardo, Trattato della pittura 3,373): Osserva il decoro, cioè la convenienza dell’atto, vesti, sito, e circonspetti della dignità o viltà delle cose che tu vuoi figurare; cioè che il re sia di barba, aria ed abito grave, ed il sito ornato, ed i circostanti stiano con riverenza, ammirazione ed abiti degni e convenienti alla gravità d’una corte reale, ed i vili disornati, infinti ed abietti, ed i loro circostanti abbiano similitudine con atti vili e presuntuosi, e tutte le membra corrispondano a tal componimento; e che gli atti d’un vecchio non sieno simili a quelli d’un giovane, e quelli d’una femmina a quelli d’un maschio, né quelli d’un uomo a quelli d’un fanciullo.

In linea con Orazio e Alberti, Leonardo sottolinea l’importanza che abiti e gesti siano appropriati al rango, all’età e al sesso, consolidando una tradizione che mirava a rappresentare gli aspetti tipici della vita nel rispetto della natura, evitando l’improbabile. Nel Cinquecento e nel Seicento tale prescrizione si trasformerà in una tipizzazione

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Lee 1974, 60–61.

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formalizzata, convenzionale e dogmatica, volta a condannare più gli aspetti immorali e irriverenti che quelli inverosimili. Al culmine di questo irrigidimento del principio del decoro si colloca la condanna che i critici della Controriforma rivolsero a Michelangelo per aver violato il principio della decenza con i nudi del Giudizio universale. Sebbene anche Alberti richiami il pittore al rispetto del pudore, la sua ammonizione è semplicemente una conseguenza delle connotazioni etiche insite nel principio del decorum. Nel suo trattato infatti il riferimento al pudore è appena accennato a conclusione di una più generale riflessione sulla varietà (De Pict. 2,40) quale ingrediente della bellezza e non ha ancora quel rigido moralismo che connoterà la critica dei secoli successivi (Pict. lat. 2,40, p. 69–71 / volg. 2,16–24, tondi miei): Sed hanc copiam velim cum varietate quadam esse ornatam, tum dignitate et verecundia gravem atque moderatam. Improbo quidem eos pictores, qui quo videri copiosi, quove nihil vacuum relictum volunt, eo nullam sequuntur compositionem sed confuse et dissolute omnia disseminant, ex quo non rem agere sed tumultuare historia videtur. Ac fortassis qui dignitatem in primis in historia cupiet, huic solitudo admodum tenenda erit. Ut enim in principe maiestatem affert verborum paucitas, modo sensa et iussa intelligantur, sic in historia competens corporum numerus adhibet dignitatem. Odi solitudinem in historia, tamen copiam minime laudo quae a dignitate abhorreat. Atque in historia id vehementer approbo quod a poetis tragicis atque comicis observatum video ut quam possint paucis personatis fabulam doceant. Meo quidem iudicio nulla erit usque adeo tanta rerum varietate referta historia, quam novem aut decem homines non possint condigne agere, ut illud Varronis huc pertinere arbitror, qui in convivio tumultum evitans non plus quam novem accubantes admittebat. Sed in omni historia cum varietas iocunda est, tamen in primis onmibus grata est pictura, in qua corporum status atque motus inter se multo dissimiles sint. Stent igitur alii toto vultu conspicui, manibus supinis et digitis micantibus, alterum in pedem innixi, aliis adversa sit facies et demissa bracchia, pedesque iniuncti, singulisque singuli flexus et actus extent; alii consideant, aut in flexo genu morentur, aut prope incumbant. Sintque nudi, si ita deceat, aliqui, nonnulli mixta ex utrisque arte partim velati partim nudi assistant. Sed pudori semper et verecundiae inserviamus. Obscoenae quidem corporis et hae omnes partes quae parum gratiae habent, panno aut frondibus aut manu operiantur. Apelles Antigoni imaginem ea tantum parte vultus pingebat qua oculi vitium non aderat. Periclem referunt habuisse caput oblongum et deforme; idcirco a pictoribus et sculptoribus, non ut caeteros inoperto capite, sed casside vestito eum formari solitum. Tum antiquos pictores refert Plutarchus solitos in pingendis regibus, si quid vitii aderat formae, non id praetermissum videri velle, sed quam maxime possent, servata similitudine, emendabant. Hanc ergo modestiam et verecundiam in universa historia observari cupio ut foeda aut praetereantur aut emendentur. Denique, ut dixi, studendum censeo ut in nullo ferme idem gestus aut status conspiciatur. Ma vorrei io questa copia essere, ornata di certa varietà, ancora moderata e grave di dignità e verecundia. Biasimo io quelli pittori quali, dove vogliono parere copiosi, nulla lassando vacuo, ivi non composizione, ma dissoluta confusione disseminano; per tanto non pare la storia facci qualche cosa degna, ma sia in tumulto aviluppata. E forse chi molto cercherà dignità in sua

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storia, a costui piacerà la solitudine. Suole a i prencipi la carestia delle parole tenere maestà, dove fanno intendere suoi precetti; così in istoria uno certo competente numero di corpi rende non poca dignità. Dispiacemi la solitudine in istoria, pure né però laudo copia alcuna quale sia sanza dignità. Ma in ogni storia la varietà sempre fu ioconda, e in prima sempre fu grata quella pittura in quale sieno i corpi con suoi posari molto dissimili. Ivi adunque stieno alcuni ritti e mostrino tutta la faccia, con le mani in alto e con le dita liete, fermi in su un piè; a li altri sia il viso contrario e le braccia remisse, co i piedi agiunti; e così a ciascuno sia suo atto e flessione di membra: altri segga, altri si posi su un ginocchio, altri giacciano. E se così ivi sia licito, sievi alcuno ignudo, e alcuni parte nudi e parte vestiti, ma sempre si serva alla vergogna e alla pudicizia: le parti brutte a vedere del corpo, e l’altre simili, quali porgono poca grazia, si cuoprano col panno, con qualche fronde o con la mano. Dipignevano gli antiqui l’immagine d’Antigono solo da quella parte del viso ove non era mancamento dell’occhio; e dicono che a Pericle era suo capo lungo e brutto, e per questo da i pittori e dalli scultori, non come li altri era col capo nudo, ma col capo armato ritratto; e dice Plutarco li antiqui pittori, dipignendo i re, se in loro era qualche vizio, non volerlo però essere non notato, ma quanto potevano, servando la similitudine, lo emendavano. Così adunque desidero in ogni storia servarsi, quanto dissi, modestia e verecundia, e così sforzarsi che in niuno sia un medesimo gesto o posamento che ne l’altro.

Nel paragrafo 40 del De pictura il termine dignitas diviene il perno della qualità estetica dell’opera e pertanto la sfumatura etica già presente nei paragrafi 37 e 38 dedicati all’officio giunge qui al suo culmine. Secondo Alberti l’elemento che rende l’opera piacevole alla vista è la varietà, ma anche in questo caso bisogna osservare il principio del decoro per evitare che degeneri in una disordinata e tumultuosa abbondanza; inoltre, la varietà deve sempre osservare la modestia e la verecondia, coprendo le parti sgraziate e non oltrepassando i limiti del pudore. Dal confronto tra il passo latino e quello volgare emerge che nel secondo manca il riferimento a Varrone il quale, per evitare la confusione, non ammetteva più di nove convitati ai suoi banchetti. Il paragone è significativo perché evidenzia come il principio del decoro operi in modo analogo nella pittura e nella vita quotidiana. Altra similitudine interessante è quella tra l’oratoria e la pittura: come il principe non ha bisogno di molte parole per manifestare la sua autorevolezza, così il pittore sarà in grado di mostrare la bellezza (dignitas) dell’opera attraverso una sapiente e misurata rappresentazione dei corpi. Ancora una volta, come ha dimostrato John R. Spencer,19 il modello di Alberti è la retorica latina piuttosto che l’Ars poetica oraziana, la quale assurgerà a paradigma dominante nel dibattito sulla poetica e sulla teoria pittorica del Cinquecento. Questo tuttavia non esclude che Alberti conoscesse il poeta latino20 e che possa 19 20

Spencer 1957. La distinzione del concetto di adeguatezza in un aspetto interno e uno esterno, menzionata da Fuhrmann 22003, 129 e da Wulfram 2021, 24–26, non mi pare trovi riscontro nelle fonti classiche e mi sembra una chiave interpretativa poco convincente poiché sottolinea la differenza tra

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aver trovato nell’Ars poetica una conferma delle sue posizioni teoriche. Infatti, Orazio riteneva che, se il poeta sa discernere ciò che è conveniente nel campo degli obblighi morali, saprà anche rappresentare in modo appropriato il carattere dei suoi personaggi (Ars 309–316), conferendo al principio dell’aptum/decorum il valore di una norma etica e di una misura estetica. 4. Il decorum nel De re aedificatoria Nel De re aedificatoria il decorum assume un ruolo cruciale in quanto la dignitas, insieme all’utilitas e alla voluptas,21 è un elemento che caratterizza l’architettura. Sottolineando l’identità sociale, la dignitas determina la misura della bellezza propria di ciascuna costruzione secondo la sua destinazione d’uso. Se nel De pictura Alberti riprende le riflessioni sull’aptum/decorum di Cicerone e di Orazio, nel De re aedificatoria fa anche un implicito riferimento al concettto di prepon elaborato da Socrate (Xen. Mem. 3,8,4–10 e 3,10,9–15). La condanna socratica degli scudi aurei, esteticamente lodevoli ma poco efficaci in battaglia, riecheggia nelle parole di Alberti quando critica portas […] vestitas auro ebore et signis, tam graves, ut turmis hominum reserarentur et strepitu terrorem incuterent (Res aed. 7,12).22 Al contrario quelle meno elaborate e più leggere, che mostrano facilitatem […] aperiendi claudendique (Res aed. 7,12),23 sono più apprezzabili perché più funzionali. La migrazione del concetto di decor/decorum all’arte del costruire, già avviata dalle numerose metafore architettoniche adoperate dagli oratori (Cic. De orat. 3,152 e Orat. 50), era stata sancita da Vitruvio (Vitr. 1,2,5). Per l’architetto latino il decor è il principio che determina l’adeguatezza degli ordini architettonici al tipo di divinità cui il tempio è dedicato: lo stile dorico, semplice e sobrio, si addice a Minerva, Marte ed Ercole, che esprimono forza e valore militare; lo stile corinzio a Venere, Flora e Proserpina, perché gli ornamenti delicati e i motivi floreali sembrano accentuare la grazia di queste divinità; lo stile ionico, intermedio tra la severità del dorico e la delicatezza del corinzio, è adeguato a divinità giuste ed equilibrate come Giove e Diana. Come abbiamo visto diverse sono le fonti da cui Alberti può avere mutuato questa nozione, ma la sfumatura etica che egli conferisce al decorum trova origine nella caratteriologia retorica. Analogamente a Cicerone (Orat. 70) e a Quintiliano (Inst. 11,1,8), nel De re

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la dimensione etica ed estetica che invece nel concetto di aptum/decorum sono strettamente congiunte. Alberti mutua le categorie di utilitas, dignitas e venustas da Cicerone (De orat. 3,178). Al retore si era già ispirato Vitruvio che aveva però sostituito alla dignitas la firmitas («solidità») perché più confacente alla prassi architettonica (Vitr. 1,3,2). «[…] porte rivestite d’oro, d’avorio, di sculture, così pesanti da poter essere aperte soltanto da molti uomini e da incutere spavento con il fragore» (Orlandi/Portoghesi 1966, 625,9–11; trad. it. 624,13–15). «[…] agevoli ad aprirsi e chiudersi» (Orlandi/Portoghesi 1966, 625,11–12; trad. it. 624,16).

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aedificatoria (Res aed. 9,10) Alberti dichiara che De re enim aedificatoria laus omnium prima est iudicare bene quid deceat (tondi miei).24 Ricollegandosi alla nozione di dignitas, il decorum esprime le qualità etiche ed estetiche peculiari degli individui in relazione al carattere e al ceto di appartenenza. Questo concetto, presente anche nel De pictura, diviene nel De re aedificatoria (Res aed. 8,3) il criterio che regola l’ornamentazione degli edifici in base al prestigio sociale degli abitanti (pro cuiusque dignitate25 – tondi miei). In tal modo il decorum, quale criterio etico-sociale volto a regolare l’adeguatezza degli ornamenti rispetto alle varie tipologie costruttive, diviene la faccia complementare della concinnitas, intesa come teoria delle proporzioni e ordine armonico della natura. La complementarità dei due concetti è evidente nell’analogia che sta alla base dell’estetica di Alberti: quella dell’«edificio-corpo» (Res aed. 9,5: veluti animal aedificium).26 Il senso della similitudine è quello di sottolineare l’organicità dell’edificio, le cui parti non hanno valore autonomo, ma acquistano senso nell’insieme, come le membra di un corpo vivente (Res aed. 1,9): Veluti in animante membra membris, ita in aedificio partes partibus respondeant condecet. […] Itaque cuique membro apta regio accommodatus situs, et contribuetur non amplior, quam rei usus exigat, non minor, quam dignitas postulet, non loco alieno et impertinenti, sed suo et ita proprio, ut alibi commodius esse nusquam potuerit.27

L’analogia dell’edificio-corpo chiarisce il modus operandi del principio di imitazione, che costituisce uno dei fondamenti della teoria dell’arte fin dall’antichità ma acquista particolare importanza nel Rinascimento. A differenza della pittura e della scultura, volte a riprodurre le forme esteriori, l’architettura imita i meccanismi di funzionamento della natura, attivi soltanto negli organismi viventi. Mutuando ancora una volta l’idea da Cicerone (De orat. 3,179), Alberti prende a modello di perfezione il corpo vivente dove ogni parte assolve a una precisa funzione in relazione a una data necessità. Di conseguenza, sia negli edifici sia negli organismi, forma e funzione si armonizzano in vista di una bellezza (concinnitas) che è anche convenienza pratica (decorum), come illustra l’esempio del cavallo (Res aed. 6,3):

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«La più grande gloria nell’arte di costruire è comprendere ciò che conviene» (Orlandi/Portoghesi 1966, 855,7–8). Orlandi/Portoghesi 1966, 681,25. Orlandi/Portoghesi 1966, 811,23–24. «Come nell’organismo animale ogni membro si accorda con gli altri, così nell’edificio ogni parte deve accordarsi con le altre. […] Quindi ciascun membro deve avere il luogo e la posizione più opportuni: non occuperà più spazio di quanto sia utile, né meno di quanto ne esiga il decoro; né sarà collocato in una posizione impropria e disdicevole, bensì in quella che precisamente gli appartiene, sì che non se ne possa trovare un’altra più conveniente» (Orlandi/Portoghesi 1966, 65,21–23, 65,26–29, 67,1; trad. it. 64,22–24, 64,28–32).

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[Nam,] puta in equo, [sentiebat illa quidem], ad quos usus eius figuram membrorum comprobes, raro fieri, quin eos ipsos ad usus id animans commodissimum sit; et gratiam formae proinde putabat ab expetita usus commoditate nusquam exclusam aut seiunctam inveniri.28

5. Il decorum come misura etico-estetica del vivere L’ideale estetico della convenienza trova espressione anche in altri testi albertiani, come il De familia e il De iciarchia.29 Seppur scritti a distanza di tempo, entrambi i trattati si collocano sulla linea dei dialoghi in volgare di stampo domestico e mirano a dare precetti tratti dall’esperienza e utili a bene e beato vivere (Fam. 3, l. 11–12; Ic. 2,232,28). La riflessione sul decorum sottende implicitamente entrambi i testi, riprendendo sul piano delle relazioni sociali e della vita di ogni giorno alcune considerazioni già espresse nel De pictura e nel De re aedificatoria. Emerge così la coerenza del pensiero albertiano che trova il suo fondamento teorico nel De officiis di Cicerone. Si può notare come, dal De familia al De iciarchia, Alberti rielabori il concetto ciceroniano di decorum per suggerire i comportamenti più adeguati all’interno della comunità in cui si vive, con un allargamento d’orizzonti che dalla famiglia si estende alla città e allo Stato. Cicerone (Off. 1,93) collega strettamente il conveniente (decorum) alla morale (honestum): quod decet honestum est et quod honestum est decet, e considera quella parte della morale che consiste nell’autocontrollo, nella temperanza e nella modestia, una sorta di «ornamento della vita». Secondo la chiave di lettura ciceroniana, il decorum è la manifestazione esterna dell’honestum. Essendo una misura etico-estetica che regola il comportamento appropriato alle circostanze, «appare alla vista» – in linea con l’antica accezione del greco prepon – conferendo grazia e bellezza alla persona, alle sue azioni e alla sua stessa esistenza. Su questa linea nel De familia Alberti definisce l’onestà della donna un ornamento della famiglia e considera le sue virtù morali superiori alla bellezza fisica (Fam. 3 l. 2418–2421). Inoltre, riconfermando quel principio che nel De re aedificatoria, attraverso l’esempio del cavallo, faceva convergere forma e funzionalità loda la donna formosa e atta a portare e produrti in copia bellissimi figliuoli (Fam. 2 l. 991–992). Sulla base del principio della convenienza la bellezza della figura umana non è un concetto estetico assoluto, ma varia secondo il sesso, l’età e le circostanze. La bellezza dell’uomo giovane ed essercitato nell’armi è ricondotta alla fierezza e alla forza fisica, quella di un uomo anziano alla prudenza e dalla saggezza (Fam. 2 l. 983–984); quella della donna alla mo-

28

«[Pensavano essi infatti che,] come ad esempio nel cavallo quelle membra che sono lodate per la loro forma, quasi sempre si adattano nel modo più perfetto alle funzioni loro proprie del corpo dell’animale, così la piacevolezza delle forme non va mai disgiunta dalla pratica che l’uso richiede» (Orlandi/Portoghesi 1966, 455,1–5; trad. it. 454,2–6). 29 Edizioni Romano/Tenenti/Furlan 1994 rispettivamente Grayson 1966.

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destia e alla virtù. Anche nel De iciarchia è affermata l’equivalenza tra bellezza e onestà. Delineando un climax che ascende dalla sfera individuale a quella della comunità in cui si vive, Alberti pone la virtù a fondamento della prosperità economica, del successo politico e del riconoscimento sociale: Dicono che dove abiti la onestà, ivi sta la bellezza, e dove sia la virtù, ivi non mancano ricchezze e potentato, e dove sono buoni costumi, sempre consequita buona grazia (Ic. 2,246,19–21). In linea con la filosofia greca che considerava la salute come il frutto dell’equilibrio tra quattro umori (sangue, bile nera, bile gialla, flegma) e la virtù come il bilanciamento tra i vari temperamenti, Alberti ritiene che l’armonia interiore si esprima nelle forme esteriori; così la buona salute si rivela nel bel colorito e la virtù si manifesta attraverso i buoni costumi, i quali sono quasi un ornamento che conferisce all’uomo buona grazia nella comunità in cui vive (È buon costumi forse sono corrispondenti alla virtù come alla sanità del corpo el buon colore, e sono quasi ornamento della virtù, e acquistano all’omo presso agli altri bona grazia, Ic. 2,220,23–26). Nella sfera sociale l’armonia si manifesta attraverso le apparenze, cioè gli abiti e i comportamenti appropriati. Per questo nel De iciarchia Alberti si sofferma sui gesti e abiti dell’omo civile e ben costumato (Ic. 2,229,30) e sviluppa una sorta di «proto-galateo», sulla scia del primo libro del De officiis (Off. 1,126–149).30 Secondo Alberti non solo bisogna indossare abiti adeguati, ma anche assumere comportamenti convenienti ad ogni luogo e ad ogni tempo (Fam. 2 l. 2967–2972). Ad esempio, si dovrà evitare di apparire arroganti e ostentatori oppure lascivi e voluttuosi, scegliendo sempre la giusta misura come guida verso una ben moderata ragion di vivere (Ic. 2,232,15). Sulla scorta di Cicerone (Off. 1,131) Alberti ritiene che l’autocontrollo degli istinti sia fondamentale per il successo sociale. Pertanto, se nella raffigurazione pittorica consigliava di mantenere il controllo razionale e scegliere poche figure per evitare scene confuse e disordinate, sul piano della rappresentazione sociale suggerisce di selezionare le occupazioni adeguate al proprio ceto e di svolgerle con compostezza al fine di vivere bene con se stesso e di ottenere l’apprezzamento degli altri (Ic. 2,230,9–18): Non fie senza biasimo in un omo civile vederlo continuo frettoloso, quasi come tratto da molte faccende. L’animo grande e generoso piglia faccende simili a sé, non vili e abiette, ma rare e preclare; e queste di sua natura non possono essere molte. E chi non apprese varie occupazioni, non li bisogna molto agitarsi, né molto essere frettoloso e precipitoso, massime nelle cose prima constituite da sé e diffinite con buon ordine e assegnata deliberazione. E a questa solo sarà curioso a quale e’ sia dedicato, cioè a farsi per sua virtù beato in sé e presso agli altri famoso e immortale.

Questa capacità selettiva che opera nella sfera dell’arte e della vita quotidiana nel Settecento prenderà il nome di «gusto». L’«honnête homme», l’intellettuale espressione del nuovo ceto borghese, grazie al buon gusto e al tatto saprà scegliere abiti, parole e

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Narducci 1984, 203.

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comportamenti adeguati al proprio ruolo sociale. Gli albori di queste categorie estetiche si intravedono nella nozione di discretione, cioè la capacità di saper scegliere ciò che è conveniente in ogni momento (Ic. 1,216,13 e 2,221,2). La discretione consente di cogliere la giusta misura secondo l’ideale classico della mediocritas ed è la chiave per diventare un uomo virtuoso sul modello di coloro che iusti, liberali, magnifichi, magnanimi, prudenti, constanti si fanno guidare nella vita dalla discrezione e ragione (Ic. 2,221,1–2). Conformemente ai precetti già enunciati nel De pictura, l’abito deve essere adeguato non solo al sesso, ma anche all’età (Non si condice a un giovane la toga, né agli omini maturi l’abito fanciullesco, Ic. 2,231, 32–33), e persino al paese in cui si vive, assecondandone le tradizioni per rispetto alla comunità in cui si vive (Ic. 2,231,33–2,232): Ricordano e’ savi, e parmi qui da non preterirlo, che tu imiti il vestire de’ paesani per più rispetti. In Perusia a’ nostri dì interlassorono l’abito de’ loro antiqui usitato in testa ben caldo. Per questo molti periron d’apoplesia; a un numero maggiore mancoron e’ denti. Non senza ragione ciascuna gente assuefece i suoi al proprio abito per essere difeso dalle offensioni quale ivi più nuoceno.

Questa attenzione per la varietà dei costumi e delle tradizioni locali rispecchia l’adesione a una concezione naturalistica presente anche nel De pictura dove la coerenza della rappresentazione era fondata sul principio di imitazione della realtà. Tuttavia, comincia già a riscontrarsi nel De iciarchia un’estetizzazione dei gesti finalizzata ad eliminare ogni disarmonia e a costruire un’immagine del sé in base all’impressione che si vuole suscitare.31 La precettistica sul volto e sugli sguardi, pur cercando la naturalezza, come nella riflessione ciceroniana, comincia ad essere indirizzata verso la necessità di nascondere lo sforzo: Ma vi bisogna soprattutto moderar e’ gesti e la fronte, e’ moti e la figura di tutta la persona con accuratissimo riguardo e con arte molto castigata al tutto, che nulla ivi paia fatto con escogitato artificio, ma creda chi le vede che questa laude in te sia dono innato dalla natura (Ic. 2,230,5–9). È l’albeggiare della nozione di «sprezzatura» una categoria concettuale che troverà piena maturazione con Baldassar Castiglione, nella nuova e diversa humus storica e intellettuale delle corti del primo Cinquecento. Sia nella teoria pittorica sia nella vita quotidiana, il decorum per Alberti si conferma un principio basato sulla razionalità e sulla naturalezza, invece dal Cortegiano di Castiglione ai successivi e numerosi galatei del XVI e XVII secolo, la precettistica comportamentale si irrigidirà nelle norme di un decoro prevalentemente esteriore32 in analogia con il valore dogmatico assunto dalla nozione di decoro nei coevi trattati d’arte e di poetica.

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Villa 2007, 84; Woodhouse 2001. Saccone 1992.

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Vom Exzess zur Wohltemperiertheit? Überlegungen zu De pictura und Della tranquillità dell’animo Hana Gründler

1. Von hellen Tränen Dritter Auftritt Agamemnons in Euripides’ Iphigenie in Aulis – die Zusammenkunft des Vaters mit der Tochter von Angesicht zu Angesicht, nach Monaten der Trennung: sie, noch unwissend beglückt von dem Wiedersehen, er, wissend erschüttert ob desselbigen, beide sehend und blind zugleich. „Iphigenie. Wehe mir! Was für ein kalter freudenleerer Blick, wenn du mich gerne siehst! Agamemnon. Mein Kind! Für einen König und Feldherrn gibt’s der Sorgen so gar viele! Iphigenie. Laß diese Sorgen jezt, und sei bei mir. Agamemnon. Bei dir bin ich und warlich nirgends anders! Iphigenie. O so entfalte deine Stirn’! Laß mich dein liebes Auge heiter sehen. Agamemnon. Ich entfalte meine Stirne. Sieh’! So lang’ ich dir ins Antlitz schaue bin ich froh. Iphigenie. Doch seh’ ich Thränen deine Augen wässern. Agamemnon. Weil wir auf lange von einander gehn.

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Iphigenie. Was sagst du? – Liebster Vater, ich verstehe dich nicht – ich soll es nicht verstehen! Agamemnon. So klug ist alles, was sie spricht! – Ach! das erbarmt mich desto mehr!“1

In wenigen Versen und mit konzis-emphatischen Worten fächert Euripides die ganze Fragilität und Widersprüchlichkeit des Sehens auf und sensibilisiert die Rezipierenden dafür, wie eng Augensinn und Emotionen miteinander verwoben sind. Zugleich verdeutlicht der antike Tragödiendichter eindrücklich, wie sehr das Sehen des Anderen – hier im starken Sinne der Alterität – eben gerade kein rein epistemischer (also ein erkennender und wiedererkennender) Akt ist, sondern vielmehr ein ethischer, ein anerkennender. Es greift wohl nicht zu weit zu sagen, dass Euripides hier und im Verlauf der Tragödie eine Phänomenologie des Blicks ante litteram entwirft, die in ihrer Nuanciertheit – vom kalten, freudenleeren Blick zur Freude des Sehens, von der Heiterkeit des lieben zum tränenfeuchten Auge – letztlich auch den Übergang vom Sehen zum Verstehen in sich birgt.2 Ein Verstehen, das jedoch stets ein schweres ist, wie Iphigenie selbst andeutet. Zentral gestaltet sich der Ausruf Agamemnons „Sieh! So lang’ ich dir ins Antlitz schaue bin ich froh.“3 Das flüchtige Glück – dies die Essenz – entsteht im gemeinsamen Akt des sich Erblickens. Es ist die sichtbare Präsenz des Antlitzes des geliebten Menschen, die das Wissen Agamemnons aufhebt und eine ‚Zwischenzeit‘ entstehen lässt – denn man erinnere sich daran, dass Agamemnon zu diesem Zeitpunkt bereits von der Opferung seiner Tochter auf dem Artemisaltar weiß. Dieser Aufschub deutet zugleich aber auch an, dass das Glück des Schauens, das keineswegs mit einer banalen Augenlust verwechselt werden darf, kaum vom Unglück des Nicht-mehr-schauen-könnens zu trennen ist. Dass die Grenzen des Sehens und, zumindest andeutungsweise, auch des Sichtbaren zu einem der zentralen Motive in Euripides’ Tragödie Iphigenie in Aulis gehören, und die Evidenz der Augenzeugenschaft angesichts des wundersamen Verschwindens Iphigenies durch die Intervention der Göttin Artemis in Frage gestellt wird, ist wohl-

1 Eur. I.A. 761–775 (Schiller 1788, 43–44). Die Übersetzung Friedrich Schillers erfasst die Vielschichtigkeit der verschiedenen Semantiken und Metaphern des Visuellen besser als die Übersetzung von Ernst Buschor, die in den folgenden Zitaten verwendet wird. 2 Der Begriff der Phänomenologie wird hier nicht im reduktionistischen Sinne der durch Edmund Husserl begründeten philosophischen Strömung verwendet. Vielmehr geht es darum, die Bedeutung der genauen Beobachtung der Erscheinungen sowie der damit einhergehenden sprachlichen Auffächerung von Möglichkeitsräumen herauszuarbeiten – also auf eine phänomenologische Vorgehensweise und Sensibilität hinzuweisen, die unabhängig vom historischen Kontext zur Anwendung kommen kann. 3 Eur. I.A. 768–769.

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bekannt. In der Tat gehören die Verse, in denen beschrieben wird, wie Agamemnon sein Antlitz mit einem schweren Tuch verhüllt, weil er den Anblick der Opferung der Tochter auf dem Altar nicht erträgt, zu den berühmtesten und im Laufe der Jahrtausende immer wieder literarisch verarbeiteten und adaptierten, dichtungs-, dramen- und kunsttheoretisch analysierten und ästhetisch-philosophisch kritisierten Passagen der westlichen Kulturgeschichte.4 Es ist der Bote, der Klytamnestra von der Opferung und Rettung Iphigenies berichtet und die Szene des väterlichen Schmerzes eindringlich darlegt: „Kaum erblickte nun / Agamemnon seine Tochter, wie heran sie schritt / Zu ihrer Opferung nach dem Hain, so seufzt er auf, / Bog weg das Haupt und brach in helle Tränen aus, / Die Augen mit dem Mantel deckend.“5 Wie lässt sich nun aber von der Tragödie des Euripides der Bogen zu der im Titel dieses Aufsatzes gestellten Frage „Vom Exzess zur Wohltemperiertheit?“ bei Leon Battista Alberti schlagen? Und inwiefern ist es in Zusammenhang mit einer euripidischen Tragödie überhaupt gerechtfertigt, von einer Phänomenologie des Blicks beziehungsweise einer Ethik des Sehens zu sprechen und dabei einen Horizont anzudeuten, der in einem ersten Moment weniger mit der Antike oder der Frühen Neuzeit als vielmehr mit Maurice Merleau-Ponty und Emmanuel Levinas zusammenhängt, die bekanntlich beide über die Gewalt des Blicks sowie die Möglichkeit einer ‚Ethik als Optik‘ nachgedacht haben? Im Verlaufe dieses Aufsatzes werde ich versuchen, beide Fragen und Themenkomplexe auszuloten. Wie sich zeigen wird, ist die Beantwortung der ersten Frage eindeutig leichter. Und dennoch sollte mein Nachdenken über eine Ethik des Sehens, die für die Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen des Sehens sensibilisiert, ein passives Nicht-Sehen problematisiert und vielleicht so etwas wie ein aktives ‚Absehen‘ ins Spiel bringt, nicht als gewollt provokatives, ahistorisches Element gedeutet werden. Im Gegenteil: das ‚Absehen‘ bildet den basso continuo dieses Aufsatzes, der im Verlauf der Argumentation mal stärker und mal schwächer zu greifen sein wird.6 Dabei wird es sowohl in Zusammenhang mit den Überlegungen zu Albertis Traktat De pictura als auch zu seinem Dialog Della tranquillità dell’animo wichtig sein, sich neben der wirkungsästhetischen Dimension insbesondere auf die Relation von Sehen und aktiver etho-ästhetischer Selbstarbeit zu konzentrieren. Wie gezeigt werden soll, ist letztere auf das Engste mit einer kritischen Problematisierung des visuellen und emotionalen Exzesses verbunden. Dass dabei auch das decorum eine Rolle spielt, welches eine ästhetische, rhetorische und ethische Dimension in sich birgt und etymologisch gesehen auf das griechische Verb prépei also „zu sehen sein“ zurückgeht, sei an dieser Stelle nur kurz angedeutet.

4 Vgl. hierzu etwa Hénin 2005. 5 Eur. I.A. Unechter Schluss 1547–1551 in der Übersetzung von Seeck/Buschor 1977, 379. 6 Für eine tiefgreifendere theoretische Konzeptionalisierung des ‚Absehens‘ siehe meine Ausführungen in Gründler 2019.

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2. Sichtbarkeit und Seelenregung Die Verse, in denen Euripides die Verhüllung Agamemnons wortgewaltig zur Sprache bringt, rufen Albertis berühmte Passage aus dem zweiten Buch von De pictura in Erinnerung. In seiner Schilderung des verlorenen Gemäldes des Timanthes, das den Höhepunkt der Opferung der Iphigenie dargestellt haben soll, greift Alberti bekanntlich insbesondere auf die Schilderungen in Plinius’ Naturalis historia sowie in Quintilians Institutio oratoria zurück.7 Die spätestens seit der Frühen Neuzeit verhandelte Frage, ob sich Timanthes für seine Darstellung an Euripides’ Tragödie orientiert hatte, kann bis heute nicht abschließend geklärt werden und ist für die vorliegenden Überlegungen nur von sekundärer Bedeutung. Fest steht, dass Euripides’ Insistenz auf die schmerzvollen Grenzen des Sehens, welches zugleich einen Augenblick der Hoffnung als auch das Wissen um das Ende in sich birgt, sowohl für die literarischen, theoretischen als auch bildnerischen Auseinandersetzungen und Weiterentwicklungen des Themas zutiefst prägend gewesen ist.8 Als Beispiel sei hier das römische Fresko aus dem Haus des tragischen Poeten in Pompeji genannt, in dem der Figur des verhüllten Agamemnon eine wichtige Rolle zukommt (Abb. 1).9 Die dramatische Szene ist dabei durch zwei gegensätzliche innerbildliche Bewegungen charakterisiert, die im Bereich des Irdischen durch eine schmale, durch einen Stein gekennzeichnete Leerstelle subtil voneinander abgesetzt sind. Während der Seher Kalchas die beiden Männer anleitet, Iphigenie fortzutragen, dreht sich Agamemnon von der Gruppe ab. Dabei hat er nicht nur den Mantel tief ins Gesicht gezogen, was sein kummerverzerrtes Antlitz vor den Betrachtenden verbirgt, sondern er verdeckt seine eigenen Augen auch mit der Hand. Die komplexen und für die Rezipierenden im wahrsten Sinne des Wortes offensichtlichen Blickführungen der rechten Szene werden hier komplett abgebrochen und die physische und psychische In-sich-Geschlossenheit des Agamemnon betont, was nicht zuletzt durch die architektonische Eingrenzung seiner Figur geschieht. Man kann in diesem Zusammenhang von einer doppelten Verhüllung des Blicks im dunklen Raum des schweren Mantels und der schützenden Handfläche sprechen – wobei das Auge ja bekanntlich gleichzeitig empfängt und ausstrahlt –, die bildnerisch zugleich als eine Verhüllung der Handlung, als stasis visualisiert wird; vor Schreck und von Trauer erstarrt durchlebt Agamemnon gleichsam einen Prozess des Erblindens (Abb. 2, Detail). Die Frage, was denn nun eigentlich vom Schmerz des Agamemnon sichtbar ist und wie dieser darstellbar sei, und wieviel hierbei auch, aber nicht nur, aus Gründen der

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Vgl. hierzu etwa die Ausführungen von Montagu 1994 und Heffernan 1996 sowie von Bätschmann/Schäublin 2011. Zur komplexen Ideen- und Motivgeschichte der ‚Opferung der Iphigenie‘ siehe Hénin 2005, zum Motiv des verhüllten Hauptes Deckers 2010. Deckers 2010, 36.

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Abb. 1 Opferung der Iphigenie, Fresko aus dem Haus des tragischen Poeten in Pompeji, 4. Stil. Neapel, Museo Archeologico Nazionale, akg-images / Nimatallah

Angemessenheit der Einbildungskraft der Rezipierenden überlassen sein soll, führt direkt ins Herz von Albertis Diskussion der berühmten Szene. Er schreibt in Buch II von De pictura: „So hat dem Timanthes aus Cythnus das Bild, mit dem er den Colotes aus Teus besiegt hat, besonderen Ruhm eingetragen: eine ‚Opferung der Iphigenie‘. Darauf hatte er den Calchas traurig dargestellt, noch trauriger den Odysseus, und schließlich in der Wiedergabe des gramgepeinigten Menelaus seine ganze Kunst und Begabung zur Geltung gebracht. Jetzt waren die Gefühlsregungen gewissermaßen aufgebraucht, und er sah nicht, auf welche

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Abb. 2 Opferung der Iphigenie, Fresko aus dem Haus des tragischen Poeten in Pompeji, 4. Stil (Detail), Neapel, Museo Archeologico Nazionale, akg-images / Nimatallah Weise er das Antlitz des von Trauer vollkommen überwältigten Vaters angemessen hätte wiedergeben sollen. Also verhüllte er dessen Haupt mit einem Tuch, um jedem Betrachter noch etwas übrig zu lassen, was er sich bezüglich des väterlichen Schmerzes ausdenken konnte – jenseits dessen, was er mit dem Blick wahrzunehmen vermochte.“10

Wie bereits angedeutet, war Alberti nicht nur mit Plinius und Quintilian, den er fast wort-wörtlich übernimmt, sondern auch mit einer Vielzahl an weiteren antiken Quellen wohlvertraut, die diese Szene aus je verschiedenen dichtungstheoretischen, rhetorischen und ästhetischen Perspektiven deuteten, aber auch mit zum Teil konträren

10 Alberti, Pict. lat. 2,42 (Bätschmann/Schäublin 2011, 273).

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ethischen Grundannahmen verbanden.11 An dieser Stelle wird keine neue Deutung dieser in der Alberti-Literatur so häufig diskutierten Stelle vorgeschlagen.12 Jedoch kurz in den Fokus gerückt werden soll die Frage, wie in dieser Passage die Relation von Sehen und Erahnen zu gewichten ist und was dies erstens über die emotionale Wirkung des Bildes auf die Betrachtenden, aber zweitens eben auch über deren Fähigkeit zur etho-ästhetischen Selbstgestaltung aussagt. Man kann festhalten, dass die – wie Oskar Bätschmann sie genannt hat – „Affektdarstellung“ der Iphigenie in Aulis für Alberti zunächst ein prägnantes Beispiel für einen klassischen Künstlerwettstreit ist.13 Zugleich stellt sie aber auch eine äußerst gelungene historia dar, die die Betrachtenden bekanntlich nicht nur zu belehren und erfreuen, sondern auch zu bewegen hat und sie in einem zweiten Schritt ferner zum eigenen weiteren Ausdenken und Nachdenken anregen soll.14 In Della pittura gibt es nun aber eine grundlegende Abweichung von der Stelle in De pictura, die für die hier verfolgte Argumentation von besonderem Interesse ist: „Man lobt Tymanthes aus Cythnus wegen der Tafel, mit der er Colotes besiegt hat: da er in der ‚Opferung der Iphiginie‘ den Calchas traurig dargestellt hat, den Odysseus noch trauriger und da er schon vor der Darstellung des tief betrübten Menelaus seine ganze Kunst aufgebraucht hatte und nun nicht wusste, auf welche Weise er die Traurigkeit des Vaters zeigen könnte, verhüllte er dessen Kopf mit einem Tuch, sodass seine äußerst bittere Trauer nicht zu sehen, sondern nur zu erahnen war.“15

Was bedeutet es also, wenn Alberti im De pictura betont, es gäbe etwas jenseits des Wahrnehmbaren, beziehungsweise im Della pittura, dass des Agamemnons äußerst bittere Trauer nicht zu sehen, sondern nur zu erahnen sei? Und dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Alberti gleich zu Beginn des ersten Buches von De pictura darauf hinweist, dass das Unsichtbare den Maler nichts angehe? „‚Zeichen‘ nenne ich in diesem Zusammenhang alles, was sich so auf einer Fläche befindet, dass es mit dem Auge wahrgenommen werden kann. Was aber dem Blick nicht zugänglich 11 12

Vgl. hierzu den Aufsatz von Tobias Dänzer im vorliegenden Band. Neben den bereits erwähnten Beiträgen von Montagu 1994 oder Heffernan 1996, die sich detailliert mit Albertis Aneignung des Timanthes-Motivs auseinandergesetzt haben, gibt es eine breite Literatur zum Thema der kritischen Auseinandersetzung und produktiven Transformation von Timanthes’ Opferung der Iphigenie an sich, wie etwa die kunsthistorische Studie von Deckers 2010 zur Testa velata und der vorzügliche, stärker ideengeschichtlich ausgerichtete Aufsatz von Hénin 2005 zeigen. 13 Bätschmann 2011. 14 „Ferner wird ein Vorgang die Seelen der Betrachter dann bewegen, wenn die gemalten Menschen, die auf dem Bild zu sehen sind, ihre eigene Seelenregung ganz deutlich zu erkennen geben. Die Natur nämlich, die in unvergleichlichem Maße an sich reißt, was ihr gleicht: die Natur also schafft es, dass wir mit den Trauernden mittrauern, dass wir die Lächelnden anlächeln, dass wir mit den Leidenden mitleiden“ (Alberti, Pict. lat. 2,41, Bätschmann/Schäublin 2011, 269). 15 Alberti, Pict. volg. 2,42 (Bätschmann/Gianfreda 2002, 135) [= Pict. volg. 2,18,11–12].

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ist, geht nach allgemeinem Einverständnis den Maler nichts an. Denn nur das bemüht sich der Maler nachzuahmen, was bei Lichte in Erscheinung tritt.“16

Es ist klar, dass Alberti diese strikte Aussage im Verlaufe von De pictura nicht nur zu revidieren hat, sondern dass das Verhältnis von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, das Nachdenken über die verschiedenen Grade des Sichtbaren und die Grenzen des Sehens für ihn sowohl ein innerkünstlerisches und ästhetisches als auch ein epistemologisches und nicht zuletzt ethisches Problem darstellen. Solange der Mensch seinen Augensinn auf das Anmutige, Harmonische und Gleichmäßige richtet, ist die Augenlust gemäß Alberti positiv konnotiert und löst Wohlgefallen aus. Doch wenn er – durch die verführenden Werke der Künstler – seinen Blick auf das Dunkle und Hemmungslose richtet, zu dem auch gewisse Gefühlsregungen zu zählen sind, überschreitet der Mensch die Grenzen des Angemessenen, wodurch nicht zuletzt seine seelische Ausgeglichenheit aufs Spiel gesetzt wird. Die Frage, wie und in welcher Form der Rezipient also vom Künstler bewegt wird und ob übersteigerte Darstellungsformen überhaupt legitim sind, kann somit kaum ohne einen kurzen Blick auf die beiden Konzepte von ethos und pathos auskommen, die wiederum auf das Engste mit Begriffen wie Disziplin und Mäßigung, Regellosigkeit und Exzess verknüpft sind. 3. Die Disziplinierung der Malerei Die Antithetik von ethos und pathos schwingt in den meisten von Alberti ‚bei Tage‘ geschriebenen Texten mit. Der Gegensatz zwischen der gefälligen und der übergewaltigen Rede geht auf die antike Rhetorik zurück, mit der Alberti bekanntlich wohlvertraut war. Für Quintilian etwa bedeutet commovere so viel wie movere vehementius, also heftige rhetorische Bewegung der Zuhörer, was er anhand von Ciceros außerordentlicher Eloquenz darlegt.17 Für unsere Belange ist es bedeutsam, dass Alberti in seinem De pictura zwar eine Wirkungsästhetik propagiert, es jedoch bevorzugt, wenn in der Malerei die Dimension des ethos stärker betont wird. Albertis Ideal der auf den Betrach16 Alberti, Pict. lat. 1,2 (Bätschmann/Schäublin 2011, 195). 17 Non enim ‚pluvias‘, ut ait Pindarus, ‚aquas colligit, sed vivo gurgite exundat‘, dono quodam providentiae genitus in quo totas vires suas eloquentia experiretur. Nam quis docere diligentius, movere vehementius potest, cui tanta umquam iucunditas adfuit? Ut ipsa illa quae extorquet impetrare eum credas, et cum transversum vi sua iudicem ferat, tamen ille non rapi videatur sed sequi (Quint. Inst. 10,1,109–110); „Denn ‚nicht Regenwasser sammelte er‘, um mit Pindar zu reden, sondern aus strudelndem Born strömt er über, ein Geschenk, das wir der Vorsehung verdanken, damit die Beredsamkeit es erfahre, welche Kräfte sie in sich birgt. Denn wer mag uns mit größerer Genauigkeit zu unterrichten, uns mit leidenschaftlicherem Schwung zu packen? Wer hat je soviel Charme besessen, so daß man meint, er bitte um das, was er entringt, und der Richter, wenn er ihn mit der unwiderstehlichen Gewalt, die er besitzt, schon querüber zu sich hinüberzieht, dennoch nicht glaubt, mitgerissen zu werden, sondern freiwillig zu folgen?“ (Rahn 1995, 477).

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ter überspringenden actio kommt in der berühmten Passage aus dem 41. Kapitel des zweiten Buches am besten zur Geltung: „Ferner wird eine historia die Seelen der Betrachter dann bewegen, wenn die gemalten Menschen, die auf dem Bild zu sehen sind, ihre eigenen Seelenregungen ganz deutlich zu erkennen geben.“18 Alberti beeilt sich allerdings hervorzuheben, dass es für die Malerei angemessener sei, das Entzückende und Harmonische zu zeigen und das Hässliche zu vermeiden oder zu verschönern. Diese Präferenz für die Darstellung harmonischer, gefälliger Gefühle, die letztlich zu einer moralischen Verbesserung des Betrachters führen sollen, ist auf das Engste mit Albertis Theorie des Schönen verwoben. Im Kunstwerk sollen nämlich die einzelnen Teile zu einem in sich harmonischen und nachvollziehbaren Ganzen zusammengefügt werden, so dass es durch seine Schönheit die Seele des Betrachters affiziert, Wohlgefallen, ja gar Liebe auslöst und ihn moralisch verfeinert.19 Die Relation zwischen ethos und der die Seele und die Vernunft vereinenden concinnitas, besteht unter anderem darin, dass das Schöne dazu anregt, eine innere Haltung zu entwickeln, die es ermöglicht, einen selbstbestimmten, vernünftigen Umgang mit den passiones zu praktizieren, ein Punkt, der insbesondere in Verbindung mit Della tranquillità dell’animo noch näher untersucht werden soll.20 Die Frage nach der ästhetischen Notwendigkeit und ethischen Angemessenheit der Darstellung von exzessiven seelischen Zuständen treibt Alberti in De pictura immer wieder um. Insbesondere die bereits erwähnte Timanthes-Passage, in der Alberti den Malern dazu rät, von tiefster Trauer und Schmerz gezeichnete Antlitze zu verhüllen, ist hier aussagekräftig. Die Steigerung der Trauerzustände – also von der Trauer des Kalchas zur äußerst bitteren Trauer des Vaters Agamemnon –, lädt dazu ein, Alberti so zu lesen, dass die Entscheidung, den absoluten Schmerz nicht sichtbar werden zu lassen, sondern nur als Andeutung zu belassen, die angemessene künstlerische Strategie ist, um mit überwältigenden Gefühlen umzugehen, zu denen auch tiefste Trauer gehört. Man sollte sich also durchaus kritisch fragen, inwiefern Alberti zumindest in De pictura, De re aedificatoria aber auch in Della tranquillità dell’animo für eine Unterbindung der Darstellung von zu starken oder unzähmbaren Affekten plädiert, da diese letztlich für den Einzelnen und die Gemeinschaft auch moralisch und politisch eine

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Die Autorin belässt den Begriff der historia als terminus technicus. Ansonsten verwendet sie die Übersetzung von Bätschmann/Schäublin 2011, S. 269. Noch immer grundlegend Mühlmann 1981 und Poeschke 1985, ferner Proietti 2011. Vgl. hierzu Albertis Überlegungen in Kapitel 9,5 von De re aedificatoria. Besonders aussagekräftig ist seine berühmte Definition der Schönheit: pulchritudinem esse quendam consensum et conspirationem partium in eo, cuius sunt, ad certum numerum finitionem collocationemque habitam, ita uti concinnitas, hoc est absoluta primariaque ratio naturae, postularit (ed. Orlandi/Portoghesi 1966, p. 817, l. 1–5); „Die Schönheit ist eine Art Übereinstimmung und ein Zusammenklang der Teile zu einem Ganzen, das nach einer bestimmten Zahl, einer besonderen Beziehung und Anordnung ausgeführt wurde, wie es das Ebenmaß, das heißt das vollkommenste und oberste Naturgesetz fordert“ (Theuer 1912, 492).

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Gefahr darstellen; nicht zuletzt, weil sie die von Alberti in allen Bereichen geforderte harmonia und concordia untergraben. Allgemein, und nicht nur auf Kunstpraktiken bezogen, ist diese moralisch begründete Zähmung des Exzessiven beziehungsweise die (Selbst-)Zensur stets mit der Macht der jeweils vorherrschenden (Blick-)Regime, mit Teilhabe an oder Ausgrenzung aus der Sichtbarkeit verbunden.21 Das gefährliche und exzessive ‚Andere‘ wird diszipliniert und den der Gesellschaft inhärenten Normen angepasst. Vor diesem Hintergrund erscheint es überzeugend, von einer präskriptiv und normativ besetzten Moralisierung oder Moral des Blicks zu sprechen: denn es ist der Künstler, der, gemäß Alberti, in seinen Werken die ‚richtige‘ Perspektive auf und den richtigen Umgang mit dem Exzessiven zu bestimmen und dann zu visualisieren hat.22 Zugleich legen es die vielzähligen Passagen, in denen Alberti einen sensiblen und differenzierten Umgang mit der ethischen Dimension des Ästhetischen praktiziert, nahe, diese Insistenz auf Ordnung und Harmonie jenseits eines strikt normativ-zensurierenden Momentes zu betrachten und Albertis Aussage, dass der Künstler seine „ganze Kunst aufgebraucht“23 habe, ernst zu nehmen. Denn die zeichenhaft unterdeterminierte und emotional überdeterminierte Leerstelle von Agamemnons Tuch ermöglicht es den Rezipienten gerade, diese Leerstelle mit ihrer Imagination und Erinnerung an das eigene Erleben zu füllen und, in der Betrachtung des Verdeckten, sich selbst – die eigenen Emotionen und Ängste – zu enthüllen. Albertis bewusster Verweis auf die Schwierigkeit, ja gar Unmöglichkeit der Darstellung des absoluten Schmerzes offenbart zugleich auch, dass er in der oben zitierten Passage die seit der Antike intensiv diskutierte Frage nach der Darstellbarkeit des Undarstellbaren zur Sprache bringt und für die Notwendigkeit eines ‚Absehens‘ plädiert, dem eine ästhetische und ethische Rolle zukommt.24 Dabei spielt das zu Beginn erwähnte decorum eine wichtige Rolle.25 An dieser Stelle seien lediglich drei Aspekte dieses vielschichtigen Konzeptes herausgegriffen, die für die Argumentation relevant sind: erstens die Tatsache, dass die im Griechischen prepon stets vorhandenen visuellen Konnotationen im Lateinischen Begriff des decorums komplett fehlen. Dadurch geht die Sensibilität dafür verloren, dass das prepon, die Angemessenheit als „zu sehen sein“ (prépei), stets im gemeinsamen Raum der anerkennenden Sichtbarkeit verortet ist. Damit zusammenhängend kann die Angemessenheit zweitens nicht vom ethos, im Sinne der Grundhaltung und des Charakters, losgelöst sein.26 Jen-

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Für eine Theoretisierung und Problematisierung der Blickregime siehe insbesondere Jacques Rancière, Die Aufteilung des Sinnlichen (Muhle/Leeb/Link 2006). 22 Zur Differenz zwischen einer Moral des Blicks und Ethiken des Sehens siehe Gründler 2022c. 23 Alberti, Pict. volg. 2,42 (Bätschmann/Gianfreda 2002, 135) [= Pict. volg. 2,18,11]. 24 Zur Frühgeschichte des Erhabenen siehe Gründler 2012 und insgesamt den Sammelband von van Eck 2012. 25 Zur Bedeutung des decorum bei Alberti siehe etwa den Aufsatz von Elisabetta di Stefano im vorliegenden Band. 26 Noch immer grundlegend Pohlenz 1933 und Labowsky 1934. Einen soliden Überblick zum Begriff des decorum bieten Rutherford/Mildner 1972 und Mühlmann 2018.

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seits des rhetorischen Horizonts des dem Gegenstand angemessenen Stils – wie etwa das genus sublime dicendi, das mit den erhabenen Themen korrespondiert –, geht es also, wie zum Beispiel Seneca in seinen Briefen an Lucilius (114) schreibt, um die Relation von Sprache und Charakter.27 Drittens stellt sich in Zusammenhang mit dem decorum auch die Frage nach der Notwendigkeit und den Grenzen von Regeln und Exerzitien. Cicero erläutert seine Vorstellung, dass das decorum nicht strikten Regeln unterworfen sein darf, sondern vielmehr als eine Form von praktischer Klugheit und scharfer Urteilskraft zu verstehen ist,28 bezeichnenderweise anhand von Timanthes Gemälde der Iphigenie und deutet an, dass es diesem gelungen sei, die Grenzen der Darstellbarkeit zu überschreiten und somit durch den taktvollen Regelbruch wahre Angemessenheit zu erlangen.29 27

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Hoc quod audire vulgo soles, quod apud Graecos in proverbium cessit: talis hominibus fuit oratio qualis vita. Qiiemadmodum autem uniuscuiusque actio generi dicendi similis est, sic genus dicendi aliquando imitatur publicos mores, si disciplina civitatis laboravit et se in delicias dedit. Argumentum est luxuriae publicae orationis lascivia, si modo non in uno aut in altero fuit, sed adprobata est et recepta. Non potest alius esse ingenio, alius animo color. Si ille sanus est, si compositus, gravis, temperans, ingenium quoque siccum ac sobrium est: illo vitiato hoc quoque adflatur (Sen. Epist. 114,1–3); „Hier trifft das zu, was Du im Allgemeinen zu hören pflegst und was bei den Griechen den Rang eines Sprichwortes bekommen hat: Die Sprache der Menschen war wie ihr Leben. Wie aber das Handeln eines jeden Menschen seiner Art zu sprechen ähnlich ist, so ahmt auch die Art zu sprechen manchmal die Gewohnheiten der Gesellschaft nach, wenn die innere Ordnung der Gesellschaft in Gefahr geriet und sich dem hemmungslosen Genuss hingab. Ein Beweis für das allgemeine Genussleben ist die Hemmungslosigkeit der Sprache, wenn sie nicht nur bei diesem oder jenem zu beobachten war, sondern allgemein anerkannt und gebilligt wurde. Der Geist kann keine andere Farbe als die Seele haben. Wenn die Seele gesund, geordnet, ernsthaft und maßvoll ist, dann ist auch der Geist maßvoll und nüchtern; wenn die Seele fehlerhaft ist, dann wird auch der Geist davon angesteckt“ (Fink 2009, 497). Vgl. hierzu Rutherford/Mildner 1972. Cum hoc decere – quod semper usurpamus in omnibus dictis et factis, minimis et maximi – cum hoc, inquam, decere dicimus, illud non decere, et id usquequaque quantum sit appareat in alioque ponatur aliudque totum sit, utrum decere an oportere dicas; oportere enim perfectionem declarat offici, quo et semper utendum est et omnibus, decere quasi aptum esse consentaneumque tempori et personae; quod cum in factis saepissime tum in dictis valet, in vultu denique et gestu et incessu, contraque item dedecere; quod si poeta fugit ut maximum vitium, qui peccat etiam, cum probi orationem adfingit improbo stultove sapientis; si denique pictor ille vidit, cum in immolanda Iphigenia tristis Calchas esset, tristior Vlixes, maereret Menelaus, obvolvendum caput Agamemnonis esse, quoniam summum illum luctum penicillo non posset imitari; si denique histrio quid deceat quaerit, quid faciendum oratori putemus? Sed cum hoc tantum sit, quid in causis earumque quasi membris faciat orator viderit: illud quidem perspicuum est, non modo partis orationis sed etiam causas totas alias alia forma dicendi esse tractandas (Cic. Orat. 73–74); „Wenn wir etwas ‚schicklich‘ nennen – und wir gebrauchen diesen Ausdruck für all unsere Worte und Taten, die geringsten wie die größten – wenn wir, sage ich, etwas schicklich nennen, etwas anderes ‚nicht schicklich‘, wenn die Bedeutsamkeit dieses Begriffes überall hervortritt, es jedoch in einen anderen Bezug gehört und überhaupt etwas ganz und gar anderes ist, ob wir etwas ‚schicklich‘ nennen oder ‚nötig‘ –‚nötig‘ bezeichnet nämlich die Unbedingtheit einer Verpflichtung, die immer und von allen zu erfüllen ist. ‚Schicklich‘ dagegen heißt etwas, das dem Zeiptunkt [sic] und der Person angemessen ist, das sehr oft in Taten wie auch in Worten von Wichtigkeit ist, im Mienenspiel, der Gestik, im Gang, und desgleichen auch andererseits, was ‚nicht schicklich‘ ist – wenn ein Dichter derartiges meidet als den schlimmsten Fehler und sich schon vergeht, wenn

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Sowohl die ursprüngliche Bedeutung des Sinnlich-Visuellen im decorum, die Verknüpfung von Sprache und Charakter als auch die Fähigkeit einer angemessenen Regelüberschreitung deuten eine etho-ästhetische Dimension an, die auf das Engste mit Praktiken der Selbstgestaltung und mit Formen der Selbstarbeit verbunden ist. Vor diesem Hintergrund ist es bedeutsam, dass Cicero in De officiis die Korrelation zwischen ethischer und ästhetischer Angemessenheit erkennen lässt, wenn er darauf beharrt, dass die harmonische Anordnung der Tugenden im Leben des Menschen nicht ohne decorum und temperantia auskomme und letztlich auch über die Sinne – hier zu allererst über den Augensinn – wahrnehmbar sei, denn es sei das, „was klar vor Augen lieg[e]“.30 Die Überwindung des Exzessiven, das Kontrollieren der Affekte und das Streben nach Angemessenheit und Wohltemperiertheit sind dabei sowohl auf einer individualethischen als auch einer intersubjektiven Ebene relevant. 4. Von der Erschütterung zur Wohltemperiertheit? Wie und in welcher Form ist nun aber die soeben erwähnte Selbstarbeit zu praktizieren? Welche Rolle spielt dabei auch die Arbeit am eigenen Sehen? Und welche Rolle kann und soll in diesem Zusammenhang der Kunst im weitesten Sinne des Wortes zukommen? An dieser Stelle muss zunächst eine allgemeine Beobachtung festgehalten werden: Für Alberti ist das Verhältnis von Moral und Kunst, von Ethik und Ästhetik stets ein wechselseitiges. Und dies ist auch der Grund, weshalb man nicht nur die kunst- und architekturtheoretischen Traktate vor dem Hintergrund der Texte mit moralphilosophischem und bürgerhumanistischem Inhalt lesen, sondern umgekehrt auch philosophische Dialoge wie etwa Über die Seelenruhe auf ihre ästhetische Prägnanz

er nur eine redliche Rede in den Mund eines Schurken legt oder eine kluge in den eines Toren; wenn endlich jener berühmte Maler sah, daß er auf seiner ‚Opferung der Iphigenie‘, wo Kalchas zwar traurig, Odysseus trauriger, Menelaos ganz schmerzerfüllt dastehen, das Haupt des Agamemnon verhüllen mußte, da jene tiefste Trauer mit dem Pinsel nicht nachgeahmt werden kann; wenn schließlich auch der Schauspieler fragt, was sich schickt: was soll unserer Meinung nach dann der Redner tun? Da also das Schickliche so wichtig ist, so sehe der Redner zu, was er in den Fällen und in ihren einzelnen Gliedern, um es einmal so auszudrücken, tut. So viel aber ist evident: nicht nur für die einzelnen Teile der Rede, sondern auch für die ganzen Rechtsfälle muß man in der Behandlung jeweils entsprechende andere Stilarten wählen“ (Kytzler 1998, 61 und 63). 30 Cic. Off. 1,95. Ähnlich wie die sinnliche Schönheit, „weckt dieses Schickliche, das im Leben hervorleuchtet, den Beifall derer, mit denen man lebt“: Ut enim pulchritudo corporis apta compositione membrorum movet oculos et delectat hoc ipso, quod inter se omnes partes cum quodam lepore consentiunt, sic hoc decorum, quod elucet in vita, movet adprobationem eorum, quibuscum vivitur, ordine et constantia et moderatione dictorum omnium atque factorum (Cic. Off. 1,98); „Wie nämlich die Schönheit des Körpers durch eine abgestimmte Ordnung der Glieder die Augen auf sich zieht und eben dadurch erfreut, daß alle Teile unter sich mit einer gewissen Anmut zusammenstimmen, so weckt dieses Schickliche, das im Leben hervorleuchtet, den Beifall derer, mit denen man lebt, durch Ordnung, Beständigkeit und Mäßigung aller Worte und Taten“ (Büchner 1994, 85).

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hin untersuchen sollte.31 Gerade letzteres zeichnet sich zum Beispiel durch eine zutiefst sinnlich und ästhetisch geprägte Begleitlandschaft aus, die durch ein großes Maß an Ordnung, Harmonie und Lieblichkeit besticht. Die Beschreibung des wohlgeordneten, kühlen Innenraumes von Santa Maria del Fiore in Florenz, aber auch die visuelle Evokation der grünen und lieblichen toskanischen Landschaft, die einem locus amoenus gleicht, versetzt die Leser in eine emotionale und intellektuelle Stimmung, die – dies zumindest Albertis Absicht – der Erlangung der Seelenruhe zuträglich sein soll.32 Die Frage, die letztlich das ganze Werk von Alberti eint, ist diejenige nach der guten Lebensführung. Allerdings darf ob dieses alles einenden Horizonts die Pluralität von Albertis Wegen und Methoden nicht aus den Augen verloren werden. Tatsächlich scheint die jeweils gewählte Textgattung auch mit je unterschiedliche ‚Praxeologien der Tugenderlangung‘ einherzugehen. So weist etwa De pictura aufgrund seiner traktathaften Form einen stärker präskriptiven und normativen Charakter auf, nicht zuletzt, weil es eines seiner ausgewiesenen Ziele ist, den Maler als einen gebildeten und tugendhaften Menschen, als einen vir bonus, in die Gesellschaft – in die civitas – einzubinden und somit seinen sozialen Status zu erhöhen.33 Der in der Mitte der 1440er Jahre in volgare, also in Volkssprache, verfasste Dialog Della tranquillità dell’animo (Profugia ab aerumna) wiederum, ist durch einen dialogischen Ton charakterisiert, der die Leser stellenweise anspricht, sie dadurch viel stärker in die Gedankengänge involviert und sie, qua exempla und Argumentation (persuasio), direkt und indirekt dazu anhält, Strategien der Selbstsorge und Tugendbildung im eigenen (Er-)leben zu reflektieren und anzuwenden.34 Alberti lotet dabei spielerisch die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen aus und denkt über das ausgeglichene Selbst nach, das nur durch konstante Pflege und Übung erreicht werden kann. Zugleich zeigt er, welch wichtige Rolle der sinnlichen Wahrnehmung, der ästhetisch-künstlerischen Erfahrung der Lebenswelt sowie dem gemeinsamen Erkenntnisstreben auf dem Weg zu einem ethischen und politischen Sein zukommt. Nicht zuletzt sucht er im Laufe des gesamten Textes nach praktischen Mitteln zur Vermeidung von Leid und fragt sich wiederholt, wie mit zerstörerischen Gefühlen des Zorns aber auch der Trauer und der alles zersetzenden Melancholie oder tristitia im Sinne einer passivischen objekt31 Zu Della tranquillità dell’animo siehe die folgenden grundlegenden Beiträge von Ponte 1988, Smith 1992, Boschetto 2007, Mönig 2008, Schöndube 2011 sowie Gründler 2022a und 2022b. 32 Vgl. hierzu Gründler 2022a. 33 Zu Alberti und dem vir bonus-Ideal siehe etwa Bätschmann 2011, 34. 34 Die Datierungsfrage wird weiterhin kontrovers diskutiert, wobei ein Entstehungszeitraum zwischen 1441 und den späten 1440er-Jahre als möglich erachtet wird. Die Autorin folgt dem Vorschlag des Historikers Luca Boschetto, der für einen längeren Entstehungszeitraum des Dialogs plädiert, der bis ins letzte Drittel der 1440er Jahre reicht. Boschetto legt in mehreren Aufsätzen überzeugend dar, dass sich Leon Battista Alberti in diesem Dialog auf einige zeitgenössische kulturelle und politische Ereignisse bezieht und die angeregte, aber auch zwiespältige Stimmung des Florenz der 1440er Jahre eindringlich einfängt; vgl. hierzu insbesondere Boschetto 2007.

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losen Traurigkeit umzugehen sei.35 Es ist eine längere Passage im dritten Buch, die in diesem Zusammenhang besonders sprechend ist und die auch in einen spannungsreichen Dialog mit der Timanthes-Stelle tritt. Niccola, einer der drei Gesprächspartner, betont zunächst, wie schwierig, ja gar unmöglich es sei, sich trauriger Erinnerungen und Gedanken zu erwehren und denkt dann über die Notwendigkeit des Weinens und die befreiende Wirkung der Tränen nach.36 Auf antike Vorbilder rekurrierend, führt er in einem zweiten Schritt aus, dass es eine Angemessenheit des Weinens gäbe, die zugleich mit einer Mäßigung der Gefühle einhergehe. Allerdings seien letztere nicht komplett zu unterdrücken, da dies den Menschen unmenschlich werden lasse. Das Weinen – und das ist wichtig – ist dabei sowohl auf der subjektiven als auch auf der intersubjektiven Ebene von Bedeutung – es ist Teil der persönlichen und gesellschaftlichen Psychohygiene, die zugleich eine Affektdisziplinierung ist.37 „Sieh, dass Priamos, dieser überaus kluge König, bei der Totenfeier für seinen Hektor, den Sohn mächtigster Stärke, befahl, neun ganze Tage lang um ihn zu weinen, ihn dann am zehnten Tag zu bestatten und das Trauermahl zu halten und ihm am elften Tag die ehrenvollste Grabstätte zu errichten. Und bei dieser Begräbniszeremonie gab es welche, die mit ihren jammervollen Weisen und Gesängen und Lauten in denen, die zuhörten und zuschauten, Traurigkeit erregten und ihnen Klageseufzer entlockten. Gleichermaßen loben sie Marcus Fabius, der nach dem Verlust des Bruders mit dem Ehrenkranz die ehrenvollste öffentliche Auszeichnung zurückwies. Wozu aber führen wir die Beispiele sterblicher Fürsten an? Woran lässt sich besser verstehen, was in diesem Punkt den Beifall der Gelehrten und hochberühmten Schriftsteller findet, als am Exempel der Göttin der Götter, die sich bei Homer in ihrem tiefen Gram und Herzeleid in einen schwarzen Schleier hüllte?“38

Alberti spielt hier auf die Stelle in der Ilias an, in der Thetis sich in das schwärzeste Gewand hüllte, das je gesehen ward: „Also sprach und nahm ihr Gewand die heilige Göttin, dunkelschwarz, noch keinen umhüllte schwärzere Kleidung“.39 Das schwarze Trauertuch der Thetis, das zugleich den Endpunkt von Niccolas Überlegungen zur überwältigenden Erfahrung von und dem angemessenen Umgang mit Verlust und Trauer darstellt, wird im Textgewebe zu einem starken visuellen Zeichen. Und bezeichnenderweise setzt Alberti in diesem Dialog nur an wenigen Stellen Farben ein, um dadurch eine Emotionalisierung der Leserschaft zu erzielen. Durch die symbolisch aufgeladene Nichtfarbe Schwarz über- und unterdeterminiert zugleich, scheint das Tuch ähnlich wie bei Timanthes eine Leerstelle anzuzeigen und deutet durch die

35 Vgl. hierzu Gründler 2022a. 36 Alberti, Profug. 3 Ponte 1988, 86,8–87,3; Lorini 2022, 100–101. 37 Dazu ausführlich Gründler 2022b, 217 Anm. 511. 38 Lorini 2022, 101 [= Alberti, Profug. 3 Ponte 1988, 86,17–87,3]. 39 Hom. Il. 24, 93–94.

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Figur der göttlichen Thetis zugleich über die menschliche Lebenswelt auf etwas Unsagbares hin.40 Auf einer intertextuellen Ebene scheint die Szene mit der in ihrer abgrundtiefen Trauer tiefschwarz verhüllten Thetis also auch ein Echo oder eine Spiegelung der berühmten, von Timanthes dargestellten Agamemnon-Szene zu sein. Während Alberti nun aber in De pictura eine fast wort-wörtliche Paraphrase von Quintilian vornimmt und die Passage insgesamt durch einen analytisch-deskriptiven und zugleich belehrenden Ton charakterisiert ist, werden die Leser durch Niccolas persönliche und berührende Erörterung seiner seelischen Schmerzen und quälenden Traurigkeit anders angesprochen und emotionalisiert.41 Die in De pictura von Alberti formulierte Überzeugung, dass Timanthes die Rezipienten durch die Darstellung der verschiedenen Stufen der Trauer auf höchst gelungene Art und Weise bewegt und es ihm durch die Verhüllung der bitteren Trauer ferner gelungen sei, absolute Trauer nur noch erahnen zu lassen und den Betrachter demzufolge zum eigenen Weiterdenken anzuregen, wird in Über die Seelenruhe einen sowohl ästhetisch als auch ethisch bedeutsamen Schritt weitergeführt.42 Denn im Gegensatz zur nüchternen Schulung des perfekten Künstlers, durchleben die Leser die Emotionen; das exemplum wird hier zu einem exercitium. Dazu zählt auch, dass die vielzähligen Zitate, Paraphrasen und intertextuellen Anspielungen im Text, der sich manchmal in direkter Rede an die Leser wendet und diese auffordert achtsam zu lesen und zu sein, ein lebendiges und spannungsreiches Gewebe entstehen lassen, das nicht passiv konsumiert, sondern aktiv nachvollzogen werden muss.43 In diesem Sinne sind das Lesen, das Schreiben, das sinnliche Wahrnehmen von Kunst und gestaltetem Stadtraum, und nicht zuletzt das aufmerksame Betrachten seiner selbst und der anderen, Teil einer etho-ästhetischen Arbeit am und Pflege des Selbst, die – dies die Hoffnung – zu einer effektiven Transformation des Individuums führen. Es handelt sich also um eine Selbstgestaltung im Vollzug – und in dieser hat eben auch das Darstellen und Durchleben schmerzhafter, gewaltvoller, kurz: exzessiver Zustände seine Berechtigung. Sie sind Teil einer Stärkung des Einzelnen, der den Widrigkeiten des Schicksals stets ausgesetzt ist. Dies bedeutet nun selbstverständlich nicht, dass der Alberti der Profugiorum libri den Exzess der Wohltemperiertheit vorziehen würde. Und es besagt auch nicht, dass die vielen gewaltvollen Szenen des Dialogs ein Zeichen für eine negative, unmäßige Augenlust Albertis sind. Gerade das schwärzeste Tuch der Thetis verdeutlicht vielmehr, dass er auch hier in letzter Instanz 40 Zur Farbe Schwarz noch immer grundlegend Raphael 1989, 30–31: „Das Schwarz hat die Weite der Unbestimmtheit, der Allbestimmtheit“. 41 Vgl. hierzu Gründler 2022b, 213–216 Anm. 494–502. 42 Vgl. hierzu Gründler 2022b, 215–216 Anm. 502 mit weiterführender Literatur. 43 So etwa folgende Passage gleich zu Beginn von Buch 3 [= Alberti, Profug. 3 Ponte 1988, 79,24–26]: „Lies mich, wie du es bis hierin tatest, mit Begierde und Aufmerksamkeit, und stell dir gleichsam vor, bei den Ausführungen unserer wahrhaft redlichen und klugen Agnolo der Vierte in unserem Bunde zu sein“ (Lorini 2022, 95).

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die moderatio und das decorum sucht und dem voyeuristischen Zuschauen eine Form des ethischen ‚Absehens‘ vorzieht. Aber der Dialog zeigt auf beeindruckende Weise, dass die aedificatio animi, also die Erbauung der Seele, ein unendlicher und somit nicht abzuschließender Prozess ist, der darin besteht, die dunklen Widrigkeiten zu ertragen und die helle Wohltemperiertheit anzustreben, ohne dabei das aus den Augen zu verlieren, was uns menschlich werden lässt. Und das ist nicht zuletzt die Fähigkeit, die Grenzen unseres Sehens angemessen und kritisch zu hinterfragen. Literaturverzeichnis Bätschmann 2011: Oskar Bätschmann: Einleitung. Leon Battista Alberti über das Standbild, die Malkunst und die Grundlagen der Malerei, in: ders., Christoph Schäublin (ed./com./ trans.): Leon Battista Alberti: De statua, De pictura, Elementa picturae / Das Standbild, Die Malkunst, Grundlagen der Malerei, Darmstadt 22011, 13–141. Bätschmann/Gianfreda 2002: Oskar Bätschmann, Sandra Gianfreda (ed./com./trans.): Leon Battista Alberti: Della pittura / Über die Malkunst, Darmstadt 42014. Bätschmann/Schäublin 2011: Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin (ed./com./trans.): Leon Battista Alberti: De Pictura / Die Malkunst, in: De statua, De pictura, Elementa picturae / Das Standbild, Die Malkunst, Grundlagen der Malerei, Darmstadt 22011, 194–315. Boschetto 2007: Luca Boschetto: Chi dubiterà appellare questo tempio nido delle delizie? Leon Battista Alberti e Santa Maria del Fiore, in: Medioevo e Rinascimento 18, 2007, 141–168. Büchner 1994: Karl Büchner (ed./trans.): Marcus Tullius Cicero: Vom rechten Handeln. Lateinisch und deutsch, Zürich 1994. Deckers 2010: Regina Deckers: Die ‚Testa velata‘ in der Barockplastik. Zur Bedeutung von Schleier und Verhüllung zwischen Trauer, Allegorie und Sinnlichkeit, München 2010. Fink 2009: Gerhard Fink (ed./trans.): Lucius Annaeus Seneca: Epistulae Morales ad Lucilium / Briefe an Lucilius, 2 Bde., Düsseldorf 2009. Gründler 2012: Hana Gründler: Orrore, terrore, timore. Vasari und das Erhabene, in: Caroline van Eck et al. (ed.): Translations of the Sublime. The Early Modern Reception and Dissemination of Longinus’ Peri Hupsous in Rhetoric, the Visual Arts, Architecture and the Theatre, Leiden 2012, 83–112. Gründler 2019: Hana Gründler: Die Dunkelheit der Episteme. Zur Kunst des aufmerksamen Sehens, Berlin 2019. Gründler 2022a: Hana Gründler: Vom Gleichgewicht der Seele in widrigen Zeiten. Einleitung, in: Hana Gründler (ed.): Leon Battista Alberti, Über die Seelenruhe oder Vom Vermeiden des Leidens in drei Büchern, Berlin 2022, 7–28. Gründler 2022b: Hana Gründler et al.: Kommentar, in: Hana Gründler (ed.): Leon Battista Alberti, Über die Seelenruhe oder Vom Vermeiden des Leidens in drei Büchern, Berlin 2022, 123–238. Gründler 2022c: Hana Gründler: Moral des Blicks oder Ethiken des Sehens?, in: Magdalena Nieslony (ed.): Ethische Wertschöpfung. Moralische Kriterien in der zeitgenössischen Kunst und Kritik, special issue 21: Inquiries Into Art, History, and the Visual. Beiträge zur Kunstgeschichte und visuellen Kultur 3, 2, 2022, 311–341.

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De Narcisso omnis fabula Note sul ruolo dell’osservatore in Leon Battista Alberti e in Cusano Elena Filippi

Più volte oggetto d’indagine, anche di recente, è stato il riferimento a Narciso quale inventore della pittura nel libro secondo del De pictura (Pict. lat. 2,26; volg. 2,2,1–7): Quid, quod omnium artium vel magistra vel sane praecipuum pictura ornamentum est? […] Quae cum ita sint, consuevi inter familiares dicere picturae inventorem fuisse, poetarum sententia, Narcissum ilium qui sit in florem versus, nam cum sit omnium artium flos pictura, tum de Narcisso omnis fabula pulchre ad rem ipsam perapta erit. Quid est enim aliud pingere quam arte superficiem illam fontis amplecti?1 (E chi dubita, qui a presso, la pittura essere maestra, o certo non picciolo ornamento a tutte le cose? […] Però usai di dire tra i miei amici, secondo la sententia de’ poeti, quel Narcisso convertito in fiore essere della pittura stato inventore: ché, già ove sia la pittura fiore d’ogni arte, ivi tutta la storia di Narcìs viene a proposito. Che dirai tu essere dipignere altra cosa che simile abracciare con arte quella ivi superficie del fonte?)2

Su questo celebre, ma singolare e controverso passo si sono addensate letture che lo commentano con approcci e ottiche differenti.3 C’è però un aspetto che a mio parere merita di essere approfondito ulteriormente, in quanto promette di dischiudere una migliore comprensione di ciò che l’Umanista voleva segnalare. Alberti afferma che tutta la storia di Narciso – de Narcisso omnis fabula – viene a proposito – perapta erit –, laddove si intenda chiarire l’origine e l’essenza della pittura. Se vogliamo cogliere adeguatamente il portato di tale indicazione, converrà considerare la vicenda ivi narrata 1 2 3

Grayson 1980, 47; Bätschmann/Schäublin 2011, 236–237; Sinisgalli 2006, 161–162. Bertolini 2011, 250–251. Wolf 1998; Barbieri 2000; Pfisterer 2001; Damisch 2010; Di Stefano 2007; Aurenhammer 2009; Bätschmann 2013; Carman 2014.

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come un tutto, evitando di enfatizzare, o peggio di astrarre, singoli aspetti che la costituiscono, come ad esempio l’amore non ricambiato del giovane per la sua immagine riflessa o la metamorfosi finale in un fiore. Detto altrimenti: dovremo ripercorrere tutta quanta la ‹fenomenologia› di Narciso, vale a dire l’insieme degli accadimenti che si susseguono nella sua storia.4 Questo mito, insomma, va pensato come un intero indivisibile, non come la somma dei momenti isolati, di cui pure esso consta, ma piuttosto come un colpo d’occhio istantaneo, alla stregua di una intuizione complessiva. È dunque il caso di esaminare come Narciso diventi davvero lo «scopritore dell’immagine».5 Se affrontiamo la questione interrogandoci sulle modalità, guadagniamo una prospettiva costituiva sul ruolo che l’osservatore svolge in Alberti,6 e di qui sulle ragioni che hanno consentito all’autore di promuovere il mito di Narciso quale generatore della pittura; per questa via si possono anche cogliere significativi elementi della prossimità culturale fra Alberti e Cusano, segnatamente circa il ruolo dell’osservatore e, più in generale, circa lo statuto della pittura nel novero delle arti.7 In questa sede mi sembra intanto opportuno provare a dire che cosa l’espressione de Narcisso omnis fabula non debba e non voglia significare: con essa Alberti non intende affatto riferirsi all’abbondante quantità di motivi riconducibili al mito, come ad esempio gli episodi che coinvolgono la ninfa Eco – di fatto, non se ne fa menzione alcuna nel De pictura; nemmeno sta pensando alle disparate varianti della narrazione del mito che ne hanno rinvigorito la tradizione. Non si tratta qui di esaminare le correlazioni fra le figure che intervengono nel mito o all’interno dell’ampia rete di suggestioni letterarie da cui è stato avvolto nel tempo.8 Prima di procedere oltre, è necessaria una precisazione terminologica: la redazione latina del trattato dice omnis fabula, mentre il testo volgare recita tutta la storia di Narcìs. I due termini, fabula e storia non sono normalmente sovrapponibili. A quel tempo era stato riscoperto il Brutus di Cicerone, nel quale si esortano gli oratori a usare il termine 4

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Vorrei chiarire fin da subito il mio uso della parola «fenomenologia», altrimenti anche terminus technicus di metodi d’indagine del tutto estranei alla tematica e all’epoca di cui qui si ragiona. Trattandosi di omnis fabula, intendo con fenomenologia un esame che rende ragione (logos) di ciò che via via si mostra (phainomenon) nei momenti nodali in cui l’intera vicenda si articola, così come essi appaiono, l’uno dopo l’altro, a chi ne fa esperienza (Narciso, e chi vi si immedesima), e a partire dal grado di consapevolezza che ciascuno di essi rende possibile – evitando, cioè, di interpretarli retrospettivamente dalla conclusione della fabula. Si tratta, insomma, di mettersi nei panni di Narciso e di ripercorrere tutta quanta la sua storia così come egli la vive, momento dopo momento. Seguo qui la proposta di Bätschmann 2013. A rigore, più opportuno sarebbe usare il termine ‹riguardante›, dal momento che la definizione di spettatore comporta implicazioni che non pertengono a questa disamina. Sull’idea albertiana di spectator e di quale pubblico per la pittura dell’età di Alberti rinvio a Bätschmann 2007 e con ulteriori riflessioni Bätschmann in questo stesso volume. Ringrazio Hartmut Wulfram per avermi sollecitata ad approfondire un percorso d’indagine su questo tema, i cui esiti parziali ho avuto modo di esporre in altre sedi: Filippi 2017; 2019a; 2019b; 2020. Vinge 1967; Bettini/Pellizer 2003.

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historia quando oggetto della narrazione sono storie vere e non miti, per i quali è da preferire fabula. Grafton osserva che Alberti conosceva il Brutus, lo cita anzi espressamente nel De pictura, ma fa notare come in alcuni casi ne prenda le distanze – con l’autonomia critica che gli è caratteristica –, ad esempio quando si riferisce alla Calunnia di Apelle come a una «historia» o «istoria» ideale, e in modo ancor più diretto quando descrive la storia della metamorfosi di Narciso in fiore, in latino come una «fabula» e in italiano come una «storia». In altre parole, una storia poteva essere una sorta di resa accurata dell’azione di certi individui, che gli umanisti amavano produrre in perfetto latino, ma poteva essere anche, per contro, un mito.9

Scheier chiosa, perciò, sulla stessa linea di Grafton, che Alberti «pone historia e fabula tendenzialmente alla pari».10 Nel caso di Narciso, si profila sì una vicenda mitica, che tuttavia possiede i caratteri di quella che comunemente, in latino, potremmo anche chiamare historia, per ragioni che emergeranno più avanti. Tutta la storia di Narciso si propone ai nostri occhi come l’immanente historia della sua personale esperienza dell’immagine, che egli invenit – scopre – e che fa propriamente di lui un inventor.11 È la nuova, originale idea che Alberti introduce, non mera formula poetica.12 In tutta la storia di Narciso come inventor della pittura spiccano due termini del lessico albertiano, historia e inventio, su cui insiste un’ampia discussione. Inopinatamente e a dispetto dell’usato omaggio agli autori antichi, Alberti volge in chiave positiva la vicenda di Narciso: essa non fa riferimento all’egocentrismo, né a una deriva viziosa. Ciò avviene contestualmente a una promozione dello specchio (ovvero della superficie translucida del fonte), non più solo immagine di vanitas, ma anzitutto strumento di ricerca del vero.13 Mentre in Ovidio (e tanto più nella tradizione medioevale di questo mito) Narciso soccombe alla potenza dell’immagine14 – dunque è prevalentemente passivo – nel racconto albertiano assurge a protagonista di una scoperta che ha una ripercussione epocale.15 Narciso ficca gli occhi curioso nello specchio d’acqua translucido, come se guardasse al mondo affacciandosi a una finestra (Pict. lat. 1,19);16 studiando il meccanismo della visione in Narciso, le modalità cioè con cui si affaccia e abbraccia quanto vede, Alberti può avanzare meglio nella definizione dei caratteri

9 Cit. da Grafton 1999, 55 (trad. it. E. F.). 10 Scheier 2011, 67–80 (trad. it. E. F.). 11 Barbieri 2000, 93–116. 12 Cfr. Bätschmann 2013, 86. 13 Pict. lat. 2,46. 14 Guthmüller 1981. 15 Sulla scoperta dell’immagine della natura all’origine delle arti plastiche nel De Statua, in analogia alla lode per la capacità di scoprire cose nuove nella dedica al Brunelleschi del trattato sulla pittura, si veda Bätschmann 2013, 87–88; sulla differenza fra faber e fictor nei ruoli spettanti a chi è impegnato in un’attività artistica Pfisterer 2002, 273. 16 Si soffermano su questo momento speciale Wolf 1998, 24; Blümle 2009, 108; Grave 2015, 38–41.

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peculiari dell’immagine.17 Narciso non vede acqua, ma coglie un’immagine, allo stesso modo per cui chi guarda un dipinto non vede il supporto (tavola, tela, muro), chiamato a ricoprire l’inapparente funzione mediale. Chi affonda lo sguardo nella finestra aperta, sgombra da imposte, non dovrebbe vedere il vetro, ma direttamente il panorama.18 Al pari del velum, albertianiamente inteso, anche lo specchio è mezzo del revelare, ausilio alla scoperta del mondo e di sé.19 Studiando il diafano in Aristotele, l’Umanista è in grado di proporre qui un elemento di riflessione, che rischia di pregiudicare, o comunque di complicare, quanto esposto nel paragrafo 19 del primo libro. Il velo dell’acqua, infatti, diventa nell’immagine di Narciso il luogo, ovvero il medio ontologico ed epistemologico fra visibile e invisibile, forma e informe, rivelazione e nascondimento. La stessa iconicità dell’immagine, la cui essenza è stata rimarcata come somiglianza tanto nella tradizione platonica quanto in quella cristiana, conosce a questo punto una nuova funzione. La pittura – così Alberti – è nata insieme alla religione e alla filosofia.20 Sul solco tracciato da Socrate e fatto proprio fra gli altri da Cicerone, chi muove alla conoscenza di se stesso sentirà di avere in sé qualcosa di divino e considererà il proprio ingegno come una sorta di immagine divina.21 In tal senso, l’immagine assume una funzione euristica centrale in tutta la storia di Narciso. Il giovanetto di cui narra Alberti agisce all’evidenza libero dal tabù scopico dell’antichità e si avvia a guadagnare quel dominio dello spazio, che diventerà carattere distintivo dell’età moderna.22 Con tutto ciò, però, egli non può essere scambiato per il soggetto distanziato di stampo cartesiano.23 Anzi, il Narciso albertiano si lascia coinvolgere fino in fondo nell’esperienza della visione: questo esprime l’amplecti o abbracciare, che ricopre un ruolo fondamentale in tutta la storia di Narciso.24 Ebbene, che cosa accade quando Narciso si specchia nel fonte? Di primo acchito egli vede un’immagine, la quale in seguito si rivela un viso: egli lo ri-conosce come tale.25 Ma come fa a capire che si tratta propriamente di un viso? Ciò accade perché si sente a sua volta visto. La parola visum nomina al tempo stesso il fatto che esso vede e, in veste di participio, ci dice che è veduto. Mentre guarda, Narciso si sente al contempo guardato. E là dove dapprima si distingueva solo un’entità – un bacino pieno d’acqua – si mostra quindi un alcunché di vivente, anzi di umano. Ciò desta in lui profondissima

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Kruse 1999, 105; Di Stefano 2020. Bätschmann/Schäublin 2011, 423–473; Blum 2010, 84 e nota 24 (con bibl.); Grave 2015, 38–44. 19 Carabell 1998, in specie 59–66; Didi-Huberman 1999; Aurenhammer 2009, 17–18; Filippi 2019b. 20 Pict. lat. 2,27. 21 Cic. Leg. 1,59. 22 Di Stefano 2007; Belting 2009, 250 (ed. it. 2010, 220). 23 Cfr. Scheier 2011. 24 Stoichita 2008, 38; Belting 2009, 246–248. 25 Bartsch 2000.

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sorpresa.26 Ciò che intanto percepiva con vaghezza, diventa alcunché di noto: il meramente visto si fa vero – qualcosa è noto come vero nella misura in cui la percezione è congruente con una rappresentazione, e in tale sovrapponibilità consta propriamente il vero. Ma seguiamo la vicenda di Narciso nei suoi sviluppi: a causa dell’esperienza fatta, la sua mimica facciale esprime sorpresa – e che cosa succede? Quel volto, che insieme vede ed è visto, comincia a comunicare un medesimo stato d’animo; quanto più meravigliato egli sarà nel fissarlo, altrettanta stupefatta ammirazione riceverà in contraccambio: così, «Narciso ride e piange insieme alla sua immagine riflessa».27 È in questo momento che il noto diventa riconosciuto: il vero si trasforma in possesso. Una cosa è, infatti, conoscere alcunché come vero, altra cosa è dirgli di sì, e con ciò appropriarsene. Quale amorevole unanimità ne scaturisce! Ne consegue una mimica amorosa e pure questa viene ricambiata. Il possesso diventa con ciò possessione: possesso è ancora autonomia rispetto al quid posseduto; possessione è insieme possedere ed essere posseduto, in reciprocità: amore. Con il tema dell’amore la storia di Narciso può dirsi conclusa. La si può abbracciare in un solo sguardo. In un’unica immagine ci si para davanti tutta quanta la storia di Narciso, secondo la declinazione albertiana: visto – noto – riconosciuto – amato. Chi si sente amato, è stimolato ad amare a sua volta ricambiando. Nel De amore Alberti afferma: non ti storrò da questo dovuto officio di amare chi ami te.28 In questa lunga lettera sull’amore Alberti depreca il falso amore, servo di altri scopi, e perciò impuro.29 Perciò in più occorrenze si dice favorevole all’amore di sé.30 L’amore è pura simmetria di intenti e nulla tollera all’infuori di sé. Amore è il contrario della subordinazione: totale e libera indipendenza nel legame. Narciso, che fa questa esperienza, si trasforma in un fiore.31 Sulla scorta di Plinio, infatti, soltanto i fiori possono essere ritenuti enti naturali fine a se stessi.32 Silesius dirà, a proposito dell’essenza del fiore: «la rosa è senza perché, fiorisce fiorendo. Non bada che a sé, non le interessa se la si vede».33 La pittura non è mera restituzione in immagine di una realtà immobile e immutabile, piuttosto è un processo performativo, mimetico, il farsi di una historia.34 Come

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Sull’importanza di questo fattore che muove una partecipazione affettiva in chi guarda vd. ultra. Cit. da Wolf 1998, 17 (trad. it. E. F.). Grayson 1973, p. 257, l. 3–4. La conformità (aptum) è per Alberti il criterio decisivo di ogni valutazione, sia essa di natura morale come pure estetica, cfr. Di Stefano 2000 e in questo volume. Non è questa la sede per un commento sulla misoginia di Alberti, che nel succitato scritto è peraltro tema prevalente, come del resto è presente in molte sue opere. Si vedano Imesch 1999; Catanorchi 2006; Furlan 2013; Van de Loo 2021. Occorre almeno segnalare una coesistenza di aspetti e motivi, non tutti riconducibili al tema omoerotico, su cui varrebbe la pena di approfondire le indagini. Su questo tema nell’arte del Rinascimento Pfisterer 2018. Carman 2014, 33–36. Pfisterer 2001, 321. Held 1952, 39 (trad. it. E. F.). Addis 2010, 160–161.

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osservato, per Alberti una historia deve soddisfare tutti i criteri che Orazio, nella sua poetica, richiede alla poesia: «è in sé conchiusa (una immagine), commuove l’animo e istruisce. […] La historia ideale, per Alberti deve dire di più e altro rispetto a ciò che essa mostra. […] sottende all’evento un senso».35 Pertanto, la historia albertiana «tratta sempre di una singola immagine»,36 cui è implicito un senso unitario. Per l’osservatore è necessario metterlo a fuoco. C’è un passo nel trattato che ricopre un significato programmatico, in quanto enuclea il senso della historia nella più piena accezione albertiana37 (Pict. lat. 2,40): Historia vero, quam merito possis et laudare et admirari, eiusmodi erit quae illecebris quibusdam sese ita amenam et ornatum exhibeat, ut oculos docti atque indocti spectatoris diutius quadam cum voluptate et animi motu detineat. («Ma una historia che tu possa, meritatamente, sia lodare che ammirare, sarà tale che essa mostri se stessa così piacevole e ricca di certi stimoli, da attrarre per lungo tempo gli occhi dello spettatore istruito, anzi illetterato, con un certo senso di piacere e di moto dell’animo»).38

Qui la historia rivela un proprio duplice compito, insieme di delectare e movere.39 Se vi aggiungiamo il docere, il delectare e il movere formano quei tre gradi della persuasione che la retorica ha comunemente qualificato come officia oratoris. Mentre il docere è di per sé riferito all’intelletto, delectare e movere possono essere considerati come quegli ingredienti che si rivolgono all’animo. E già in questa suddivisione potrebbe esserci un primo indizio del motivo per cui Alberti prescinde dal discutere del docere.40

Sono questi gli elementi che, come abbiamo osservato nel delinearne la fenomenologia, convergono a costituire l’interezza della storia di Narciso: la perturbatio cui mira il movere, la benevolentia, sortita dal delectare, e l’intellegere, obiettivo del docere. In primo grado Narciso ha intelligenza dello sguardo, lo afferra, nel secondo è turbato, nel terzo prova indulgenza. L’esperienza di questi passaggi permette che quella fabula – che è la sua historia – trasmetta effetti analoghi sullo spettatore, secondo il parallelismo fra la retorica e la pittura, che gli interpreti hanno riscontrato nel discorso albertiano. Infatti (Pict. lat. 2,41):

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Locher 1999, 103 (trad. it. E. F.). Ivi, 101 (trad. it. E. F.). Il concetto di historia in Alberti è tale da non poter essere definito in modo univoco, a tratti sfuggente e ambiguo, sicché ha consentito interpretazioni tra loro disparate. Si veda almeno Patz 1986; Grafton 1999; Bätschmann 2001; Aurenhammer 2005 e 2014. 38 Sinisgalli 2006, 201–202. 39 Zöllner 1997, 25–27. 40 Patz 1986, 277 (trad. it. E. F.).

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Animos deinde spectantium movebit historia, cum qui aderunt picti homines suum animum motum maxime prae se ferent. Fit nemque natura, qua nihil sui similium rapacius inveniri potest, ut lugentibus conlugeamus, ridentibus adrideamus, dolentibus condoleamus. («Una historia ecciterà poi gli animi degli osservatori quando gli uomini, che fossero inattivi, lasceranno scorgere al massimo grado la propria attività dello spirito. Dalla natura infatti deriva – niente si può trovare più di essa rapace di cose simili a se stessi – che piangiamo con quelli che piangono, ridiamo con quelli che ridono, ci addoloriamo con quelli che soffrono.»)41

I tre momenti interagenti nella fenomenologia di Narciso (noto – riconosciuto – amato) corrispondono a quelle che già Cicerone indicava come le tre intenzioni della retorica, ricordate nella seconda parte del suo Orator (69): probare, delectare, flectere. Nel primo di questi momenti la verità risiede nella adaequatio (fra ciò che si intende e la intentio), e ciò costituisce l’essenza del probare; nel secondo, la verità sta nella ricchezza (il vero non è più solo in sé e per sé, ma è anche per me. Ciò che si possiede è disponibile per il godimento); nel terzo, infine, la verità vige come amore (il vero non è solo qualcosa che possiedo, ma anche qualcosa che professo: non avere, ma essere; non solo disporre, ma anche disporvisi). Certo, come ha messo in evidenza Oskar Bätschmann, «historia è il concetto meno chiaro del De Pictura».42 Ma teniamo saldo l’intreccio essenziale che lo connota, ovvero l’andare insieme di probare, delectare, flectere.43 Che cosa ha a che vedere tutto ciò con Narciso inventore, o meglio, scopritore della pittura? Nella storia tutt’intera di Narciso è pienamente contenuta la fenomenologia della inventio e, insieme, della pittura come inventum:44 il pittore non viene solo attratto da ciò che dipinge, ma anche richiamato; si sente in dovere di dedicarvisi, come se rispondesse a una chiamata. Se così non fosse, si limiterebbe a imitare, senza creatività. Detto altrimenti, ciò che egli dipinge non gli è soltanto noto: al tempo stesso lo ha riconosciuto, a tal punto da sentirvisi consegnato. Egli vi si è riconosciuto: «Ogni dipintore dipinge sé».45 Se davvero si tratta di pittura in senso proprio, e non di pura e semplice riproduzione di qualcosa che esiste, allora abbiamo a che fare con una historia, ed essa concerne anzitutto il pittore stesso. Parallelamente, anche l’osservatore conosce analoga fenomenologia. Si sente attratto da quella historia, in quanto si riconosce in ciò che vi è raffigurato, vive un’analogia nel tono emotivo – proprio come Narciso al fonte – e s’innamora dell’immagine come

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Sinisgalli 2006, 207–208; cfr. Patz 1986, 282. Bätschmann/Schäublin 2011, 87 (trad. it. E. F.). Ivi, 90. Ivi, 87. Pfisterer 2001, 327 (trad. it. E. F.) (con bibl.); Aurenhammer 2009, 21; Carman 2014, 43–46 (anche in relazione a Cusano); Di Stefano 2007, 502.

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se nella sua vita non avesse bisogno che di lei … ovviamente, fintanto che perdura il godimento estetico dell’opera. Nell’immagine del fiore vi è un chiaro tratto di autoreferenzialità: il fiore non è in relazione con altro, se non con sé medesimo; è autonomo, senza finalità. Tale è anche l’arte, e in specie quell’arte che non si riferisce ad altro, ma unicamente a sé – come nel caso del nostro Narciso. Quello che Alberti esemplifica ai suoi lettori attraverso questa peculiare riproposizione del mito è – giusta Boehm – il topos del principio e dei princìpi distintivi della pittura, vale a dire, in che cosa consiste un’immagine: in una complessa sintesi non verbale in cui tutto il dicibile diventa visibilità, istantaneamente.46 *** Nella storia di Narciso che scopre l’immagine è presente il portato della gnoseologia degli Stoici. Che Alberti fosse sensibile al patrimonio di pensiero dello Stoicismo non ha bisogno di ulteriori prove.47 Evitando di ripercorrere qui gli aspetti salienti di questo portato, vorrei far emergere un tratto ulteriore, gnoseologico. Nella dottrina stoica della conoscenza (in Crisippo, ad esempio) gli organi di senso offrono una rappresentazione ancora del tutto ricettiva, quindi passiva. A questo primo momento della conoscenza, chiamato synkatàthesis, deve di necessità sopravvenire una seconda fase, vale a dire una libera, attiva, volontaria adesione, o katalèpsis.48 Di qui, poi, attraverso il contributo essenziale di Cicerone, oltre che di Quintiliano, viene fatto derivare il concetto di evidentia, gravido di ripercussioni anche per l’arte.49 I suddetti momenti corrispondono segnatamente all’esperienza fatta da Narciso: lì per lì, d’acchito, il giovane vede un alcunché di estraneo, che gli si presenta in modo da lasciarlo osservatore passivo; però poi viene attratto da questo, e per questa via diventa attivo, nel momento stesso in cui vi si identifica; infine se ne cura integralmente, in toto. Il pugno chiuso di Zenone, restando in ambito stoico, è come il Narciso trasformato in fiore: tutto è afferrato istantaneamente in un’unica intuizione, attraverso la ‹fantasia catalettica›.50 Questa sequenza di fasi, che per gli Stoici rappresenta il modello cui si ispira ogni vera conoscenza, calza in misura coerente per la pittura, e anzi offre la struttura di fondo di ogni arte. Per questo, secondo Alberti, la pittura non si limita a essere ‹una› fra le altre arti, ma è il principio di tutte le arti, proprio perché offre una theoría nel senso precipuo del termine. Il greco antico theoría raduna due differenti radici: thèa (visione) e oráō (guardare). Ciò che prima di tutto è stato visto in modo puramente 46 47 48 49 50

Boehm 2003, 50–51. Mönig 2008. Reale 1997, 328–329. Si faccia caso, fra l’altro, alla interscambiabilità con cui Cicerone fa uso di perspicuitas ed evidentia alla stregua di sinonimi. Sulle implicazioni di questo concetto per le teorie artistiche del Rinascimento von Rosen 2000; Wimböck/Leonhard/Friedrich 2007; Plett 2012. Cfr. Cic. Orat. 113; Quint. Inst. 2,20,7; Diog. Laert. 7,2.

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passivo, viene poi osservato con maggior partecipazione, messo a tema. Il modello della gnoseologia stoica risulta pertanto adeguato per descrivere quella condizione insieme di necessità e libertà che connota la creazione, come anche la fruizione dell’opera d’arte. Soltanto Kant, secoli più tardi, giungerà a formulare tale condizione in termini di «libera regolarità» o di «finalità senza scopo».51 In una simile situazione, quella che porta ad aderire liberamente a una necessità che si impone, si trovano tanto Narciso quanto il pittore e infine l’osservatore. Affinché lo spettatore possa essere totalmente assorbito nella rappresentazione,52 anche il pittore deve aver fatto la stessa esperienza: l’esperienza di Narciso. Torniamo a considerare nell’insieme quanto detto sin qui, al fine di enunciare una tesi chiara: nel mito di Narciso, per come ce lo presenta Alberti, si concentrano i tratti di una storia originaria, da cui trarranno spunto gli elementi di una qualsiasi historia, nozione che in Alberti è più ampia rispetto a quel genere che più tardi sarà denominato pittura di storia (Historienbild).53 La vicenda di Narciso contiene le condizioni di quanto definisce ogni historia della quale Alberti parla, sia pur con accenti differenti e difficilmente riconducibili a un denominatore comune, ovvero: docere, delectare, movere; e ciò al modo «che la historia deve costruire un sistema di relazioni interno all’immagine».54 Ebbene, quella historia che troviamo narrata in pittura, è la traduzione di una inventio,55 che consiste nel reperimento di quegli argomenti, i quali dovranno quindi essere opportunamente disposti (dispositio), formulati (elocutio), impressi (memoria) e presentati (actio). Ma la inventio così declinata – si badi, non c’è mai una definizione di che cosa sia propriamente la inventio –56 è a sua volta resa possibile da una inventio originaria, quella in cui Narciso scopre se stesso, e in tal modo identifica sé come scopritore della pittura, vale a dire della conditio sine qua non di ogni particolare inventio e di ogni singola historia in cui consta questo o quel dipinto. Narciso è il paradigma di quella storia e di quella inventio che generano pittura. Non è di fatto l’inventore della pittura: del resto, di lui non viene detto essere stato il primo fra i pittori; è invece colui la cui storia e la cui esperienza portano allo scoperto in che cosa consista quell’atto primario che può tradursi in pittura.57 A tal fine è opportuno notare che, nella dedica della redazione volgare del De Pictura a Brunelleschi, Alberti spiega che il secondo libro mette l’arte nella mano dell’artista, mentre il terzo istruisce

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Kant 1989, 87. Non è qui a tema la differenziazione fra osservatore e pubblico in Alberti, oggetto invece dell’indagine di Bätschmann 2007 e in questo stesso volume. 53 Bätschmann 2001, 112. 54 Ivi, 117 (trad. it. E. F.). 55 Alberti, Pict. lat. 3,53. 56 Bätschmann/Schäublin 2011, 82. 57 Essenziale è perciò la distinzione fra «Erfindung» (fr. invention) ed «Entdeckung» (fr. découverte) operata da Bätschmann 2013, 87 e nota 12.

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sulle necessarie conoscenze.58 Il riferimento a Narciso è posto all’inizio del secondo libro, dove si tratta del primo aspetto.59 Questa fabula/storia ha dunque il compito di mostrare il tipo di esperienza – di per sé non insegnabile – che fa dell’uomo un potenziale artista. Poiché si tratta di una attitudine che non può essere appresa da un prontuario sulla pittura, essa è destinata a restare confinata alla sfera del mito, a una dimensione di cui – a rigore – non si potrebbe nemmeno parlare pubblicamente, se non per cenni: si addice maggiormente a un ragionamento fatto inter familiares. Dipingere significa, con Alberti, abbracciare con arte la superficie del fonte. Però, per poterla abbracciare appieno in modo artistico – con dispositio, elocutio, memoria, actio – è fondamentale, prima ancora che con arte, intanto poterla abbracciare come un tutto, a colpo d’occhio, come Narciso. Tutta la storia di Narciso ci fa intuire in che cosa consista, al fondo, quella theoría che può eventualmente essere tradotta nella prassi pittorica, i cui elementi e criteri saranno indicati all’artista nel prosieguo del secondo libro, per descrivere quindi nel terzo le necessarie competenze. *** L’argomento della teoria – nel senso del greco antico theoría – ci conduce direttamente al ruolo dell’osservatore nel contemporaneo Nicola Cusano, che ci propone, sia pure in altro contesto, una fenomenologia sostanzialmente sovrapponibile a quella della fabula albertiana di Narciso. Sullo sfondo – comune denominatore fra i due – si profila una nuova antropologia, che si giova senz’altro di apporti provenienti anche dallo studio delle tecniche della visione e del dinamico rapporto fra percezione, vis imaginativa e sperimentazione tecnica.60 Se la concezione di Alberti discende almeno in parte dall’eredità dello Stoicismo e traduce in prassi la teoria con speciale riferimento all’arte pittorica, il Mosellano prende invece le mosse dalla prassi, dal modo in cui possiamo cogliere il Divino per congettura razionale o per via mistica, e spiega il senso di Theòs, Dio, derivandolo da théa, vista. Cusano ricorre spesso all’immagine dello specchio associandola a considerazioni sulla pittura.61 Lo specchio, come per Alberti, è generatore:62 in esso si riscopre Narciso, e con lui, il singolo individuo; in esso si anticipa la piramide visiva.63 Sia chiaro: non si tratta qui di provare che Alberti e Cusano si siano trovati a discutere insieme di teoria, di ottica e prospettiva. Ciò è possibile, ma non suffragato da prove

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Bätschmann 2001, 108–109. Roccasecca 2016, 229–230. Ambrosini 2008. Bocken/Schwaetzer 2005; Filippi/Schwaetzer 2012. Mandrella 2012. Lücke 2010, 75 e 83–84.

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inequivocabili.64 Non ci sono pervenuti documenti, lettere, riferimenti a vicende precise che coinvolgano i due direttamente, e nemmeno citazioni incrociate, tali da consentire di comprovare una volta per tutte quella che rimane una consistente probabilità per via indiziaria. Vorrei almeno segnalare qualche fatto degno di nota: in primis, è al famiglio e affezionato amico di Cusano, Giovanni Andrea Bussi (1417–1475),65 stimato interlocutore di Alberti, che quest’ultimo dedica il De Statua. Una lettera in risposta, fatta pervenire all’autore, ci conferma che come per lo scritto sulla scultura, l’Umanista aveva provveduto a far pervenire al Bussi copia del trattato sulla pittura e prima ancora degli Elementa.66 A questo si può ricondurre il ritrovamento del Codex Cusanus 112 presso la biblioteca privata di Cusano.67 Un altro dato, già peraltro noto alla critica, suggerisce quanto meno un’attenzione fra i due, se non una frequentazione, e riguarda la comune, salda amicizia con il fiorentino Paolo dal Pozzo Toscanelli (dedicatario delle Intercenales), impegnato, fin dagli studi patavini, insieme al giovane tedesco, nelle questioni di ottica, prospettiva e, più in là, di cartografia. La convergenza fra questi personaggi, in materia di ottica, fisica, geometria e matematica, si fa notabile soprattutto dopo il 1440 e diventa significativa a partire dalla metà del secolo.68 È indubbio che il primato degli studi sulla visione e la presentazione sistematica del modo prospettico di cogliere e restituire in immagine la realtà spetta ad Alberti. Ciò che qui intendo mostrare è come alcuni spunti del trattato sulla pittura siano stati recepiti perfino in ambito teologico, fornendo proficue sollecitazioni agli ambienti intellettuali in cui si è mosso Cusano (Ferrara, Firenze, Roma), tali da fornire elementi decisivi alla definizione di quell’antropologia di matrice umanistica, che riflette sullo statuto dell’individuo. Questo discende dall’esame delle loro posizioni relativamente al tema dello sguardo. La produttività dell’uomo come alter deus artifex, quasi uno iddio,69 in grado di trasformare il mondo, e di creare concetti, diventa progressivamente anche per Cusano momento essenziale delle sue riflessioni – pure recupera l’ermetica definizione di homo 64

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Flasch 1998, 234. Le posizioni della critica al riguardo mostrano estrema difformità; ricusa una possibile frequentazione Bätschmann/Schäublin 2011, 118 nota 53 («abbiamo poco più che congetture», trad. it. E. F.); indizi importanti riporta Müller 2005 e 2010; Bohnert/Müller 2011, in specie 289–292. Nel 1458 Bussi viene nominato segretario personale del Cardinale mosellano. La sua biblioteca a Roma è stata polo di riferimento per tutta una serie di progetti editoriali, che hanno visto il coinvolgimento di Cusano. Da alcune lettere del Filelfo apprendiamo che altre opere dello stesso Alberti, oltre al trattato sulla scultura, erano in predicato di essere stampate con la supervisione di Bussi, ma che non si arrivò alla fase finale. Molto stimata fu la competenza sui testi antichi del famiglio di Cusano, tanto che il cardinale Riario lo aveva incaricato di mettere insieme una raccolta di manoscritti latini e greci, un patrimonio che non poteva sfuggire alla voracità intellettuale di Alberti nei suoi anni romani. Su ciò Samek Ludovici 1964. Mancini 1890, 284–285. Bohnert/Müller 2011. Müller 2010, 153–190. Così nella redazione volgare: [il pittore] sentirà sé quasi giudicato un altro idio (Pict. volg. 2,1,13). Il

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secundus deus,70 specialmente a partire dagli anni Quaranta del Quattrocento, quando si dedica con rinnovata intensità allo studio dei meccanismi della visione.71 Un esempio desunto da uno degli opuscula di Cusano, il De filiatione Dei (1440), per corroborare tale suo interesse precipuo. Per differenziare la mente umana dal resto del creato egli pensa questa similitudine: immaginiamo che Dio risplenda in uno specchio. Questo sarà certo senza macchia, retto, infinito e perfetto. Tutte le creature, invece, si possono immaginare come specchi contratti e curvi, posti in circolo intorno a quell’unico specchio della verità (il Verbo). Tra questi specchi ve ne sono alcuni – le creature di natura intellettuale – più limpidi e retti degli altri, che si qualificano come specchi vivi, ovvero intellettualmente liberi, capaci di incurvarsi, rettificarsi e pulirsi da sé.72 Mentre tutti gli enti hanno una facoltà di manifestare le cose secondo una disposizione limitata e determinata assegnata dal Creatore stesso, gli specchi vivi e intellettuali, ossia le menti, in virtù delle loro facoltà intellettuali, sono libere di accrescere da sé la propria capacità di intuire e riflettere la verità.73 La riflessione del Teologo, che va approfondendo le novità e il potenziale della relazione fra visione-punto di vista-specchio e produttività della mente, si condensa principalmente in due brevi testi, il De visione dei (1453) e il De Beryllo (1458), entrambi connotati da un forte accento pedagogico. Un ruolo essenziale è in essi affidato al dato sperimentale. Caliamoci nella realtà concreta del tempo: in risposta a una richiesta della comunità benedettina di Tegernsee, che chiedeva all’allora vescovo di Bressanone una manuductio all’esperienza di Dio, Cusano risponde con una sorta di vademecum – il De visione dei – in cui li invita a fare un esperimento di natura innanzitutto ottica, servendosi di un quadretto accluso al suo scritto, che raffigura il sacro Volto nello stile dei pittori fiamminghi dell’ars nova, come Rogier van der Weyden (De vis., h VI, Praefatio 2): Inter humana opera non repperi imagine omnia videntis proposito nostro convenientiorem, ita quod facies subtili arte pictoria ita se habeat, quasi cuncta circumspiciat. Harum etsi multae reperiantur optime pictae uti illa sagittarii in foro Norimbergensi et Bruxellis Rogeri maximi pictoris in pretiosissima tabula, quae in praetorio habetur, et Confluentiae in capella mea Veronicae et Brixinae in castro angeli arma ecclesiae tenentis, et multae aliae undique, ne tamen deficiatis in praxi, quae sensibilem talem exigit figuram, quam habere potui, caritati vestrae mitto tabellam figuram cuncta videntis tenentem, quam eiconam dei appello.

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passo precede immediatamente il riferimento a Narciso. Sia Alberti sia Cusano ricorrono a Trismegisto per accreditare il potere dell’artefice. Nikolaus von Kues, De beryllo 7, 9 (Senger/Bormann 1988). Flasch 2001, 378; Wolf 1999. Nikolaus von Kues, De filiatione dei 3,65 (Wilpert 1959). Ivi, 65–66.

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(«Tra le opere dell’uomo, non ho trovato un’immagine più adatta al nostro scopo dell’immagine di un onniveggente, di una persona, cioè, il cui volto, in virtù di una fine arte pittorica, è dipinto in modo tale che esso sembra osservare tutto ciò che lo circonda. Di immagini di questo tipo se ne trovano molte, dipinte benissimo, ad esempio quella dell’arciere nel foro di Norimberga, quella conservata nel palazzo comunale a Bruxelles, dipinta dal grandissimo pittore Ruggero su una tavola preziosissima, quella della Veronica nella mia cappella di Coblenza, quella dell’angelo che stringe in mano gli emblemi della Chiesa nel castello di Bressanone, e molte altre altrove. Tuttavia, perché anche voi possiate farne diretta esperienza, è necessario che abbiate una di queste figure sensibili, per cui affido al vostro amore un quadretto, che mi sono procurato, sul quale è rappresentata una figura che vede tutte le cose, che chiamo ‹icona di Dio›.»)74

In che modo i monaci fanno esperienza della tabella che il Mosellano spedisce ai confratelli a corredo del proprio scritto? Diamo voce alla descrizione di Cusano (De vis., h VI, Praefatio 3): Hanc aliquo in loco, puta in septentrionali muro, affigetis circumstabitisque vos fratres parum distanter ab ipsa intuebitisque ipsam, et quisque vestrum experietur, ex quocumque loco eandem inspexerit, se quasi solum per eam videri, videbiturque fratri, qui in oriente positus fuerit, faciem illam orientaliter respicere, et qui in meridie meridionaliter, et qui in occidente occidentaliter. Primum igitur admirabimini, quomodo hoc fieri possit, quod omnes et singulos simul respiciat. Nam imaginatio stantis in oriente nequaquam capit visum eiconae ad aliam plagam versum, scilicet occasum vel meridiem. Deinde frater, qui fuit in oriente, se locet in occasu, et experietur visum in eo figi in occasu quemadmodum prius in oriente. Et quoniam scit eiconam fixam et immutatam, admirabitur mutationem immutabilis visus. Et si figendo obtutum in eiconam ambulabit de occasu ad orientem, comperiet continue visum eiconae secum pergere; et si de oriente revertetur ad occasum, similiter eum non deseret. Et admirabitur, quomodo immobiliter moveatur, neque poterit imaginatio capere, quod cum aliquo alio sibi contrario motu obviante similiter moveatur. Et dum hoc experiri volens fecerit confratrem intuendo eiconam transire de oriente ad occasum, quando ipse de occasu pergit ad orientem, et interrogaverit obviantem, si continue secum visus eiconae volvatur, et audierit similiter opposito modo moveri, credet ei, et nisi crederet, non caperet hoc possibile. Et ita revelatione relatoris perveniet, ut sciat faciem illam omnes etiam contrariis motibus incedentes non deserere. («Appendetelo da qualche parte, per esempio sulla parete settentrionale del convento; e voi fratelli disponetevi intorno ad esso, scostati di un poco, e guardatelo. Ciascuno di voi farà esperienza che, qualsiasi sia la direzione da cui starà guardando, quel volto abbia gli occhi rivolti soltanto su di lui. Al fratello che si sarà posto a oriente sembrerà che il

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Peroli 2017, 1025–1027 (testo latino: Riemann 2000); cfr. Koerner 1993; 127–133; Simon 2004, 58–67; Filippi 2014, 111–116; Grave 2015, 46–57, 294–295 (note).

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volto dell’immagine sia rivolto a oriente, a quello che si sarà messo a meridione che guardi a meridione, e a chi si sarà messo a occidente che guardi a occidente. Per prima cosa, dunque, rimarrete stupiti di come questo possa accadere, che cioè esso possa guardare contemporaneamente tutti e ciascuno. Il fratello che si trova a oriente, infatti, non riesce a cogliere con la sua immaginazione che lo sguardo dell’icona è rivolto anche altrove, ossia a occidente o a meridione. Poi, fratelli, chi si era messo a oriente, si posizioni a occidente, e sperimenterà che lo sguardo si fissa su di lui, verso occidente, allo stesso modo come prima in cui prima era rivolto a oriente. E sapendo che l’icona è fissa e non si è spostata, si stupirà del mutamento avvenuto in uno sguardo che è immutabile. E se, tenendo fisso lo sguardo sull’icona, camminerà da occidente a oriente, scoprirà che incessantemente lo sguardo dell’icona lo accompagna; e se poi tornerà da oriente a occidente, lo sguardo dell’icona non lo abbandonerà. E si meraviglierà di come quello sguardo si muova pur restando immobile.»)75

Proviamo a ripercorrere l’esperimento sopra descritto assumendo la prospettiva dell’osservatore/lettore. Quali dinamiche si innescano?76 Anzitutto, ciascuno dei monaci guarda una figura che gli appare come un volto, ma questo stesso diventa propriamente un visus quando incomincia a restituire lo sguardo: nel momento in cui il visus, quantunque si tratti del sacro Volto, si trasforma, con Cusano, nel viso dello spettatore (De vis., h VI, cap. 6,18): Omnis igitur facies, quae in tuam potest intueri faciem, nihil videt aliud aut diversum a se, quia videt veritatem suam. (Ogni volto, dunque, che si possa scorgere nel tuo volto, non vede nient’altro né niente di diverso da sé, poiché vede la propria verità.)77

Col ché, pur muovendo da una nozione quasi positivistica della verità come presa d’atto di uno stato di cose, attraverso l’experiri si passa a una verità fatta propria. Nel suddetto esperimento, che ha a che fare con una immagine archetipica (eicona),78 viene descritta un’esperienza analoga a quella del Narciso albertiano (De vis., h VI, cap. 6,19): Qui igitur amorosa facie te intuetur, non reperiet nisi faciem tuam se amorose intuentem, et quanto studebit te amorosius inspicere, tanto reperiet similiter faciem tuam talem.

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Peroli 2017, 1026–1029 (trad. lievemente modificata da E. F). Schemi esplicativi in De Certeau 1990, 342, ripresi da Ganz 2011, 10 (ill. 1–2). Contestualizza e rilancia la domanda sull’intera epoca Didi-Hubermann 1999. Gusmini 2014, p. 18, l. 99. Wolf 2002, 201–270.

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(«Chi, dunque, ti guarda con volto amoroso, non vede altro che il tuo volto che lo guarda con amore, e per quanto si darà da fare per guardarti con maggior amore, tanto più amoroso troverà il tuo volto.»)79

Così come Narciso ride e piange assieme alla propria immagine, similmente nell’esperimento descritto da Cusano la mimica dell’osservatore e dell’osservato risulta speculare (De vis., h VI, cap. 5,15): Moveris igitur mecum et non cessas umquam a motu, quamdiu moveor, «ti muovi, quindi, con me e non smetti mai di muoverti, fintantoché io mi muovo.»80 È notabile la coincidenza anche semantica, dato che il teologo connota siffatta identità dinamica ricorrendo al verbo amplecti;81 letteralmente (De vis., h VI, cap. 4,11): Quia tu me continua visione amplecteris […] Et quid est, domine, vita mea nisi amplexus ille, quo tua dulcedo dilectionis me adeo amorose amplectitur? («poiché tu mi abbracci continuamente con la tua continua visione […] E che cos’è, Signore, la mia vita, se non quell’abbraccio, nel quale la tua dolcezza d’amore così amorosamente mi avvolge?»)82

Con la scelta di questa immagine, Cusano pare proprio reagire a uno degli sviluppi più sintomatici della pittura del suo tempo. L’immagine dell’Onniveggente, restituendo lo sguardo dell’osservatore – e con ciò oltrepassando lo spazio assegnato alla superficie dipinta – attua una dinamica identitaria fra vedere ed esser visto, e in tal modo volge il tema stesso del dipinto: non più una raffigurazione, sia pur essa quella di Cristo, ma la visione come tale, la visibilità (Anschaulichkeit). Ciò che è visto si trasforma da oggetto passivo della visione a soggetto della medesima. È quel fenomeno che Blumenberg ha definito come uso della metafora in funzione di scardinamento (Sprengmetaphorik).83 Anche qui viene rimarcato il carattere attivo della pittura: il volto iconico, nel restituire

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Gusmini 2014, p. 19, l. 99. Questo processo è stato definito «la visione metamorfica del divino» da Cuozzo 2012, 126–129. Peroli 2017, 1041. Georges/Calonghi 1920–1921, ad vocem: il significato traslato del verbo amplector, amplecteris, amplexus sum, amplecti fa riferimento all’azione di cingere con le braccia, afferrare con piacere, accettare, accogliere, cogliere, prendere (cfr. Cic. Catil. 4,3); abbracciare con amore, onorare, coltivare: come tale, si ritrova in Cicerone e Orazio; ancora: prender viva parte a qualcosa, curarsi con particolare interesse di una cosa, interessarsi, riconoscere (Cic. artem, Cic. rem publicam); abbracciare e ritenere con l’animo, meditare, considerare, concepire, secondo l’uso che ne fa lo stesso Cicerone. Di qui, anche comprendere qualcosa, racchiudere in una cosa; dunque comprendere, intendere; racchiudere in sé, contenere: illae tabulae perpetuae existimationis fidem et religionem amplectuntur. Si veda anche Forcellini 1771, 144. Ringrazio Giuseppe Longo (Università di Verona), per avermi coadiuvato nella messa a punto di questa nota. Peroli 2017, 1036–1037. Blumenberg 2007, 576.

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lo sguardo, evolve da mero oggetto della visio a soggetto attivo.84 Nel dialogo di Cusano Idiota de mente troviamo un altro esempio che ci consente di cogliere altrimenti il tratto performativo85 in cui consta anche la storia di Narciso come picturae inventor (De mente, h/V)86: Quasi si pictor duas imagines faceret, quarum una mortua videretur actu sibi similior, alia autem minus similis viva, scilicet talis, quae se ipsam ex obiecto eius ad motum incitata conformiorem semper facere posset, nemo haesitat secundam perfectiorem quasi artem pictoris magis imitantem. («È come se un pittore facesse due immagini, delle quali una morta, ma che sembri effettivamente più simile a lui, e l’altra meno simile a lui ma viva, ossia tale che, stimolata dal suo esemplare a muoversi, sia capace di rendersi sempre più conforme ad esso: nessuno dubiterebbe che la seconda immagine è più perfetta, in quanto imita maggiormente l’arte del pittore.»)87

La semplice riproduzione, sia pure con maggiore somiglianza all’originale, appare morta – mortua videretur. Ciò che davvero rende tale e viva la pittura è il suo carattere dinamico, l’accadere di una historia, illustrato esemplarmente dalla progressiva approssimazione del pittore al proprio sé: ecco appunto quella fenomenologia che emerge ripercorrendo la fabula di Narciso. Nella teologia di Cusano, l’immagine svolge un ruolo peculiare. Essa si nutre degli impulsi nuovi del proprio tempo e pone la questione sostanziale: Che cosa significa vedere? Come può un modo di vedere far sorgere un mondo nuovo? Michel de Certeau vi coglie una nuova modalità d’accesso nel «nesso» ivi stabilito fra osservazione e intuizione. Questo modo di fare filosofia assegna una parte essenziale alla concettualizzazione di oggetti materiali che si trovano nel mondo, come lo specchio.88 Mi pare utile osservare, a questo punto, che il termine historia compare anche in Cusano, e con il medesimo significato tecnico che esso possiede in Alberti. Nel Sermo CCXXXIX – Sis hoc quod vis (1456) – è detto: Et considera consequenter quod pictor, dum vult aliquid depingere puta historiam aliquam, intuetur in conceptum rei pingendae et facit picturam ad similitudinem ideae, quam in se intuetur.

84 Cfr. Filippi 2014, 118–123; Ead. 2015. 85 Su questo tema Kabisch 2019. 86 Baur/Steiger 1983, 13 nota 149. 87 Peroli 2017, 962–963. 88 De Certeau 1990.

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(«E considera, di conseguenza, che quando il pittore vuole dipingere qualcosa, per esempio una storia, guarda al concetto della cosa da dipingere e fa un quadro a somiglianza di quell’idea, che vede in se stesso.»)89

Cusano si riferisce qui a historia in un contesto di tecnica pittorica. Tale uso rinvia a quella determinazione terminologica di questo concetto che Leon Battista Alberti aveva dato proprio nel De Pictura. Questo passo offre pertanto un ulteriore elemento per sostenere che Niccolò Cusano conoscesse da vicino il dibattito in corso. Per concludere: in entrambi i casi – quello di Narciso che si rispecchia, come pure quello dell’osservatore di una eicona Dei – ciò che da principio si presenta come alcunché di estraneo e di semplicemente rimirato si trasforma in una progressiva conoscenza di sé da parte del soggetto stesso. Questo fenomeno evoca un’esperienza che risale sino al momento generativo: da una parte, nell’opera albertiana, si fa i conti con l’origine della pittura; dall’altra, nel De visione dei, si manifesta la visione generatrice di Dio nel duplice senso del genitivo – genitivus subiectivus (Dio vede) e genitivus obiectivus (Dio è veduto). Cusano e Alberti sottolineano in modo corrispondente il tratto performativo del rispecchiamento come atto di diventare sé nel senso di una progressiva appropriazione di ciò che è proprio attraverso una praxis del vedere. In Cusano il testo diventa specchio del suo lettore;90 in Alberti la pittura consta – nel suo momento istitutivo – nella omnis fabula di un Narciso, il cui vedere e guardare diventa conoscenza di sé. In entrambi i casi videre et videri coincidunt;91 ne risulta con ciò la possibilità di interazione fra osservatore e immagine;92 in più, tale esperienza non ha carattere di esclusività: essa rimane comunicabile ad altri, vuoi da parte del pittore verso il suo pubblico, o dal religioso ai suoi confratelli. Quanto emerge dall’analisi della rivisitazione albertiana della vicenda di Narciso, come pure dall’esperimento cusaniano più sopra illustrato, è, in buona sostanza, il fatto che ogni individuo vede nel suo modo individuale; diventa perciò riflessione sulla soggettività del vedere,93 che fa tutt’uno con l’interesse per il punto di vista, di cui si nutriva il dibattito contemporaneo. Il dipinto comporta – nella sua genesi – una compartecipazione speculare ed emotiva con la superficie osservata: le due direzioni del raggio

Euler/Schwaetzer 2002, Sermo CCXXXIX (h XIX/3 nota 1) (trad. it. E. F.). Con la formula sis hoc quod vis questa predica offre un’apprezzabile descrizione dell’uomo come di un essere che – per legittimazione divina – plasma se stesso come imago dei. 90 Kabisch 2019, 169. 91 Cusanus, De theol. compl. (h X/2a) (Riemann/Bormann 1994). Per la questione del raggio centrico, e per come essa è correlata a questo tema, rinvio a Filippi 2019a. 92 Hoff 2013, 84–87 e 93–97. 93 Flasch 2001, 379. Il fenomeno viene studiato da Cusano a partire dagli anni Trenta del Quattrocento; trova quindi una prima esposizione nel De coniecturis (ca. 1442), e raggiunge l’acme nel De visione dei. 89

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centrico finiscono per coincidere, sanando il problema se la retta muova verso l’occhio o a partire da questo. Bisogna tenere presente, tuttavia, una differenza fondamentale: il Narciso di Alberti non vede che sé stesso, agisce seguendo il proprio punto di vista sulla realtà, mentre il monaco dell’esperimento cusaniano guarda all’immagine di Cristo e in questo modo si avvede anche del suo prossimo; Narciso rimane poi prigioniero dell’autoreferenzialità dell’io, il secondo tiene aperta la relazione con la trascendenza. Se il Rinascimento fu al contempo teoria della pittura e traduzione/trasfigurazione pittorica della teoria – e al centro del chiasmo emerge il paradigma di Narciso – allora questo mito non è affatto un mero ornamento retorico, ma un punto focale sul quale giova ancora confrontarsi.94 Ad un tempo si afferma la forza del linguaggio visivo e si scorge tutto il potenziale della medialità dell’immagine. Bibliografia Addis 2010: Anna Addis: Artificio e maschera nel pensiero di Leon Battista Alberti, PhDiss., Bologna 2010. Ambrosini: Alberto Ambrosini 2008: Immaginazione visiva e conoscenza: teoria della visione e pratica figurativa nei trattati di Leon Battista Alberti, Lorenzo Ghiberti, Leonardo da Vinci, Pisa 2008. Aurenhammer 2005: Hans Aurenhammer: Malerei im Horizont von Rhetorik und Poesie. Zu Leon Battista Albertis Theorie der historia, in: Wolfgang Brassat (ed.): Jahrbuch Rhetorik 24, 2005, 27–42. Aurenhammer 2009: Hans Aurenhammer: Narziss als Erfinder der Malerei. Spiegelungen im Werk Leon Battista Albertis, in: Jiří Kroupa, Michaela Šeferisová-Loudová, Lubomír Konečný (ed.): Orbis artium, Brno 2009, 17–31. Aurenhammer 2014: Hans Aurenhammer: Poetische Invention und Allegorie in Leon Battista Albertis De pictura, in: Ulrike Tarnow (ed.): Die Oberfläche der Zeichen, Paderborn 2014, 53–75. Barbieri 2000: Giuseppe Barbieri: L’invenzione della pittura. Leon Battista Alberti e il mito di Narciso, Vicenza 2000. Bartsch 2000: Shadi Bartsch: The philosopher as Narcissus, in: Robert S. Nelson (ed.): Visuality before and beyond the Renaissance: Seeing as others saw, Cambridge/MA 2000, 70–97. Bätschmann 2001: Oskar Bätschmann: Albertis historia, in: Hanna Baader, Ulrike Müller Hofstede, Kristine Patz, Nikola Suthor (ed.): Ars et scriptura. Festschrift für Rudolf Preimesberger zum 65. Geburtstag, Berlin 2001, 107–124. Bätschmann 2007: Oskar Bätschmann: Alberti’s Spectator, in: Arturo Calzona, Francesco Paolo Fiore, Alberto Tenenti, Cesare Vasoli (ed.): Leon Battista Alberti. Teorico delle arti e gli impegni civili del «De re aedificatoria», vol. 1, Firenze 2007, 235–247.

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A riprova, rinvio alla ricca serie di spunti offerta da Pinotti 2021: il fascino e al tempo stesso il problema di chiunque guardi un’immagine si gioca «sulla soglia» e ciascun spettatore è chiamato a ripetere l’esperienza di Narciso, in una via a doppio senso, con esiti diversi a seconda che prevalga in lui la componente «ingenua» o «consapevole», cfr. ivi, 3–26.

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Zu den medienspezifischen Differenzen des Mimesis-Begriffs im Kontext der Renaissance Stefan Feddern / Andreas Kablitz 1. Der Mimesis-Begriff in der Kunsttheorie. Seine Fundierung durch Platon und Aristoteles Die Karriere des Mimesis-Begriffs als einer kunsttheoretischen Kategorie gehört im Grunde zu den Merkwürdigkeiten dieser Theorie.1 Von Haus aus kaum geeignet, das Wesen dessen, was wir Kunst nennen, angemessen zu erfassen, hat er doch über lange Zeiten hinweg die Reflexion über Artefakte bestimmt, wo nicht beherrscht. Diese mangelnde Tauglichkeit des Nachahmungsbegriffs zur Charakteristik der Eigenheiten der Kunst besteht im Wesentlichen darin, daß die Konzeption einer Mimesis ihr Potential erheblich beschneidet. Denn Kunst ist ja keineswegs auf die Reproduktion des Gegebenen verpflichtet, nicht Wiederholung des Ähnlichen ist ihr dominantes Wirklichkeitsverhältnis, sondern die Gestaltung des Gegebenen. Am deutlichsten ist dies wohl in der Musik, die die Geräusche zu Tönen und Tonfolgen bildet. Nachahmung ist insofern nicht eine Konstitutionsbedingung der Kunst, sondern eine Erscheinungsform, sie gründet auf einer Gestaltung von Wirklichkeit, die sich dem Gegebenen ähnlich macht. Wenn die Nachahmung gleichwohl die theoretische Bedeutsamkeit gewonnen hat, die ihr zugefallen ist, dann verdankt sie dies dem Prestige des philosophischen Diskurses, innerhalb dessen sie ihre Karriere begonnen hat: der philosophischen Ontologie – und dies, obwohl sie zunächst – bei Platon – ja einer letztlich vernichtenden

1 Der Mimesis-Begriff bezeichnet die Herstellung von etwas Ähnlichem und beruht auf drei Komponenten, die variabel einander zugeordnet werden und somit semantische Variation erlauben, nämlich erstens die Tätigkeit einer Nachahmung, zweitens das Produkt dieser Praxis und drittens ein Wirklichkeitsbezug; vgl. Feddern/Kablitz 2020, 11 (in dem einleitenden Teil der Prolegomena zu einer Systematik der Geschichte des Mimesis-Begriffs, in denen Platons Politeia, Aristoteles’ Poetik und Horaz’ Ars poetica behandelt werden).

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metaphysischen Kritik anheimgefallen ist. Doch die aristotelische Apologie der Mimesis hat ihr schließlich eine auch ontologische Würde erobert, sie mit dem Prestige des Allgemeinen gegenüber dem kontingenten Einzelnen ausgestattet und sie so theoretisch hoffähig gemacht. Die Geschichte des Nachahmungsbegriffs aber bleibt von seiner ontologischen Herkunft bestimmt, und diese Herkunft ist vor allem auch eine medienspezifische. Und genau diese medienspezifische Prägung im Sprung von der antiken zur neuzeitlichen Konzeption der Mimesis zu rekonstruieren, ist das wesentliche Anliegen dieses Beitrags. Der Mimesis-Begriff bezeichnet eine Tätigkeit, die sich ihrerseits auf eine Tätigkeit bezieht: Man ahmt Personen nach, indem man ihr Verhalten imitiert. In metonymischer Begriffsverwendung läßt sich deshalb auch das Produkt einer Tätigkeit nachahmen: ein Gemälde, eine Vase oder ein Auto. Aber man würde kaum sagen, daß man einen Baum oder einen Berg ‚nachahmt‘. Der Mimesis-Begriff macht letztlich nicht die Beziehung zwischen einem Gemachten und einem Gegebenem namhaft, sondern zwischen etwas Gemachtem und etwas (Nach-)Gemachtem. Das Nachgeahmte ist etwas Nachgemachtes. Wie also konnte es zu der kunsttheoretischen Umbesetzung des Begriffs kommen, die aus ihm eine Bestimmung des Verhältnisses von Kunst und Natur abgeleitet hat? Die Antwort, die auf diese Frage gegeben sei, lautet: Die betreffende Transformation stellt eine Folgeerscheinung der ontologischen Beanspruchung des Nachahmungsbegriffs bei Platon dar, und diese metaphysische Interpretation der Mimesis vollzieht sich wesentlich anhand der Malerei. Was es für Platons Denken bedeutet, daß die Nachahmung als Nachahmung einer Tätigkeit begriffen ist, zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit anhand seiner Theorie der Wortkunst. Dichtung wird von ihm keineswegs grundsätzlich als Nachahmung verstanden. Vielmehr gilt dies nur für bestimmte Erscheinungsformen der Dichtung. Die Mimesis ist nur eines der Verfahren, dessen sich Dichter bedienen können, wie eine zentrale Stelle im dritten Buch der Politeia vor Augen führt:2 Ἆρ’ οὖν οὐχὶ ἤτοι ἁπλῇ διηγήσει ἢ διὰ μιμήσεως γιγνομένῃ ἢ δι’ ἀμφοτέρων περαίνουσιν [sc. τὴν διήγησιν];3 (Und stellen sie es nicht entweder in einfacher Darstellung dar oder in einer, die auf Nachahmung beruht, oder mit Hilfe von beidem zugleich?)4

2 Zum Mimesis-Begriff bei Platon vgl. Feddern/Kablitz 2020, 14–38 und die dort zitierte Literatur, v. a. Schmitt 2010 und Büttner 2004, sowie die in dem von Pfefferkorn/Spinelli 2021 herausgegebenen Band versammelten Beiträge. 3 Plat. Rep. 392d5–6 (Slings 2003, 95). 4 Eigene Übersetzung in Anlehnung an Rufener 2000, 211. Im Hinblick auf die Wiedergabe des griechischen Begriffs διήγησις (in dem Ausdruck περαίνουσιν [sc. τὴν διήγησιν]) fällt dessen Übersetzung mit ‚erzählen‘ nicht ganz glücklich aus. Das Problem dieser Übersetzung besteht darin, daß die Mimesis eine spezifische Form der διήγησις ist. Daher ist es angemessener, den fraglichen

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Die vom platonischen Sokrates – hinter dem sich freilich der Autor selbst verbirgt – aufgeworfene rhetorische Frage besagt, daß keineswegs nur das Drama als eine Form poetischer Mimesis gelten könne. Eine Nachahmung liegt auch dann vor, wenn der epische Dichter einer Figur des Geschehens das Wort übergibt. Der Hinweis, daß ein Dichter gleichzeitig erzählen (in einfacher Form darstellen) und nachahmen könne, deutet dies an. Anhand der Zuordnung der Figurenrede zur Nachahmung (und dem gleichzeitigen Ausschluß der Autorenrede aus einer solchen Klassifizierung) läßt sich das hier zugrunde gelegte Verständnis der Mimesis noch einmal klären. Offensichtlich ist die Wiedergabe der Rede eines anderen bei Platon keineswegs als ein Zitat seiner Worte verstanden. Es ist die Nachahmung seines Sprechens und damit eben einer Tätigkeit. Wie aber kommt es unter diesen Voraussetzungen zu einem Verständnis von mimetischer Dichtung, bei dem am Ende ein Vergleich der Eigenschaften von Gegenständen der empirischen Welt und solchen in einem Artefakt über den Wert der Mimesis befindet? Wesentlich dafür ist Platons Interesse, die Mimesis der Dichter in ihrem ontologischen Wert zu prüfen, d. h. ihren Stellenwert in der Ordnung des Seins zu bestimmen. Diesem Anliegen dient das zehnte Buch seiner Politeia. Interessanterweise gelingt Platon dort allerdings eine eigentlich metaphysische Bewertung der poetischen Nachahmung selbst nicht. Denn wann immer er zu einer solchen Untersuchung ansetzt, greift er auf die Malerei zurück, um anhand ihrer den Nachweis der ontologischen Minderwertigkeit der Dichtung zu führen,5 der insofern auf eine Demonstration per analogiam angewiesen bleibt. Dieses Erfordernis ergibt sich durchaus konsequent aus einer Eigenheit der Wortkunst, die sie von den anderen Künsten, von der Musik, der Skulptur oder auch der Malerei unterscheidet. Diese Künste entwickeln in ihrer Bearbeitung der außerkünstlerischen Wirklichkeit ein eigenes Medium. Dichtung referiert hingegen immer schon auf ein anderes Medium: auf die Sprache. Poetische Nachahmung ist in diesem Sinn Nachahmen eines Sprechens, und aus genau diesem Grund schließt Platon die vom Dichter in eigener Person vorgetragene Erzählung aus der Mimesis aus. Wer ein Gemälde oder ein Standbild herstellt, bearbeitet hingegen ein der außerkünstlerischen Wirklichkeit unmittelbar entnommenes Material. Gilt aber Mimesis grundsätzlich als Nachahmung einer Tätigkeit, wen oder wessen Herstellung eines Gegenstandes ahmt dann der Maler oder Bildhauer nach?

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Oberbegriff mit ‚darstellen‘ wiederzugeben, wobei die ‚einfache Darstellung‘ dem entspricht, was wir gemeinhin als Erzählung bezeichnen. Sie steht zwei komplexeren Formen der Darstellung gegenüber, deren Komplexität jeweils durch einen Sprecherwechsel zustande kommt. Im ersten Fall der ‚reinen‘ Mimesis bleibt ein solcher Wechsel implizit, weil der Dichter nicht als Redesubjekt in Erscheinung tritt, im zweiten Fall findet er im Wortlaut des Textes ausdrücklich statt. Vgl. Plat. Rep. 595c8–603c3 (Slings 2003, 369–382).

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An genau dieser Stelle stoßen wir auf den Zusammenhang zwischen Kunst und Metaphysik, deren Konnex sich aus der platonischen Ideenlehre ergibt. Ihre theoretischen Koordinaten im Einzelnen in Erinnerung zu rufen, erübrigt sich an dieser Stelle. Sie sind hinlänglich bekannt. Wesentlich ist es jedoch festzuhalten, daß die Idee, die allgemeine intelligible Entität, die dem einzelnen Gegenstand vorausliegt, sprachlichen Ursprungs ist. Ideen sind zu ontologischen Größen umgedeutete Sprachbedeutungen, es handelt sich bei ihnen um metaphysisch reinterpretierte signifiés, wie der einschlägige Begriff Ferdinand de Saussures bekanntlich lautet. Ihre Transformation in ontologische Größen aber wirft die Frage nach der Herstellung eines Zusammenhangs zwischen dem einzelnen Gegenstand der empirischen Wirklichkeit und dem Allgemeinen der Idee dar.6 Im Falle sprachlicher Äußerungen erfolgt die Bezugnahme des Sprachzeichens auf die außersprachliche Welt durch Referenz vermittels einer Prädikation. Doch wie stellt sich die Verbindung zwischen Gegenstand und Idee her, wenn das Medium Sprache ausfällt, weil es sich nicht um eine Bezugnahme auf etwas ihr Vorausliegendes handelt, sondern wenn eine wesensmäßige Verbindung zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen erst herzustellen ist? An genau dieser Stelle greift Platon nun auf das Modell eines bildenden Künstlers zurück mit der Vorstellung von einem Demiurgen, der die materiellen Dinge den intelligiblen Ideen nachgebildet hat. Die Praxis eines Künstlers hält insoweit schon im metaphysischen Modell der Wirklichkeit selbst Einzug. Aber damit vollzieht sich gleichsam eine theoretische Permutation: Die Konstruktion der Wirklichkeit wird nach dem Modell der Tätigkeit eines Künstlers gebaut, die Kunst selbst hingegen wird zur Nachahmung der Produktion der Welt erklärt. Sie kann insofern nichts anderes als eine Nachahmung sein, womit ihre kategoriale Nachrangigkeit besiegelt zu sein scheint. Kunst ist unter diesen Voraussetzungen im Grunde eine Mimesis zweiter Ordnung, denn der Künstler richtet sein Augenmerk nicht mehr auf die Ideen, sondern auf die materiellen Objekte, die den Ideen nachgebildet sind. Die Bestimmung der Mimesis zur konzeptuellen Figur der Zuordnung von Kunst und Wirklichkeit beruht also auf einer Reihe komplexer theoretischer Operationen, die an der Nahtstelle zweier medialer Praktiken entstehen und aus einer Verbindung von Sprache und bildender Kunst erwachsen. Im Grunde ist die Ontologie bei Platon aus deren spezifischer Verbindung gebaut, die als solche jedoch nicht reflektiert, sondern letztlich verdeckt wird – ja, verdeckt werden muß, weil sich anderweitig eine Ontologie gar nicht begründen ließe, hinge sie insgeheim schon von Kategorien humaner Praxis ab. Es macht vermutlich die größte Errungenschaft von Aristoteles’ Theorie der Mimesis aus, daß er, wenn auch in gewissen Grenzen, der Kunst unter dem theoretischen Dach

6

Ausführlich hierzu Kablitz 2022, 33–71.

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der Nachahmung gleichwohl einen gewissen Gestaltungsspielraum erobert hat. Wie die hier genannten Grenzen noch des Näheren zu erkennen geben werden, vermag er dieses Dach nicht zu sprengen. Ein solches Unternehmen entspräche auch keineswegs seinen Absichten. Aber schon diese relative theoretische Sicherung eines Spielraums der Kunst gegenüber der Wirklichkeit ließ sich nicht ohne eine Umwertung der Mimesis bewerkstelligen – ohne eine theoretische Aufwertung, die sich im Grunde zweier verschiedener Argumente bedient: eines anthropologischen und eines logischen. Die Anthropologie liefert gleichsam die Heuristik für die Neubewertung: Wenn Kinder mit Hilfe von Nachahmungen zu lernen verstehen, wenn sie also mit deren Hilfe Erkenntnis und Kenntnisse gewinnen, wie kann sie dann von Übel sein, wenn sie dem Menschen doch zu dem verhilft, was dem animal rationale als sein ureigenes Verhalten wohl ansteht?7 Die Probe aufs Exempel für die kognitive Leistung der Kunst bietet Aristoteles die Malerei. Auf Bildern, so heißt es im vierten Kapitel der Poetik, betrachtet man auch Dinge gern, die man in der Wirklichkeit nur ungern ansieht, so etwa unansehnliche Tiere oder Leichen.8 Es ist die für Bilder konstitutive semiotische Struktur, die ihm als Erklärung für diesen Sachverhalt dient. Denn ein Gemälde verlangt es, daß man die dargestellten Dinge als solche zuallererst erkennt, und eine solche Erkenntnis löst Freude an ihrem Gelingen aus. Die Struktur des ikonischen Zeichens bringt für Aristoteles augenscheinlich eine Fokussierung auf den Erkenntnisprozeß als solchen mit sich, der anderweitige Eigenschaften des erkannten Gegenstands in den Hintergrund treten läßt. Diese positive Einschätzung der Malerei, die in besonderer Weise geeignet erscheint, intellektuelles Vergnügen hervorzurufen, bedeutet eine gehörige Aufwertung dieser Kunst gegenüber ihrer Charakteristik in Platons Politeia. Aus der Perspektive ontologischer Minderwertigkeit herausgenommen, begegnet sie nun als eine Quelle kognitiven Gewinns. Eine solche Umwertung der Malerei beruht offenkundig auf der Rationalisierungsleistung, die Aristoteles ihr bescheinigt. Eine entsprechende Leistung läßt sich ebenso für seine Konzeption der poetischen Mimesis im Vergleich mit 7 8

Zu Aristoteles’ Mimesis-Begriff vgl. Feddern/Kablitz 2020, 38–63 und die dort zitierte Literatur. Vgl. Aristot. Poet. 1448b10–17 (Kassel 1965, 6): ἃ γὰρ αὐτὰ λυπηρῶς ὁρῶμεν, τούτων τὰς εἰκόνας τὰς μάλιστα ἠκριβωμένας χαίρομεν θεωροῦντες, οἷον θηρίων τε μορφὰς τῶν ἀτιμοτάτων καὶ νεκρῶν. αἴτιον δὲ καὶ τούτου, ὅτι μανθάνειν οὐ μόνον τοῖς φιλοσόφοις ἥδιστον ἀλλὰ καὶ τοῖς ἄλλοις ὁμοίως, ἀλλ’ ἐπὶ βραχὺ κοινωνοῦσιν αὐτοῦ. διὰ γὰρ τοῦτο χαίρουσι τὰς εἰκόνας ὁρῶντες, ὅτι συμβαίνει θεωροῦντας μανθάνειν καὶ συλλογίζεσθαι τί ἕκαστον, οἷον ὅτι οὗτος ἐκεῖνος. – „Denn von Dingen, die wir in der Wirklichkeit nur ungern erblicken, sehen wir mit Freude möglichst getreue Abbildungen, z. B. Darstellungen von äußerst unansehnlichen Tieren und von Leichen. Ursache hiervon ist folgendes: Das Lernen bereitet nicht nur den Philosophen größtes Vergnügen, sondern in ähnlicher Weise auch den übrigen Menschen (diese haben freilich nur wenig Anteil daran). Sie freuen sich also deshalb über den Anblick von Bildern, weil sie beim Betrachten etwas lernen und zu erschließen suchen, was ein jedes sei, z. B. daß diese Gestalt den und den darstelle“ (Fuhrmann 1982, 11–13).

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ihrer platonischen Auffassung beobachten, wiewohl sich in ihrem Fall dieser Effekt in anderer Weise darstellt. Daß die Dichtung schlechthin Nachahmung sei, stellt Aristoteles zu Anfang seiner Schrift unmißverständlich fest. Schon dies bedeutet einen maßgeblichen Unterschied gegenüber Platons Dichtungstheorie. Denn Mimesis gilt in der Politeia ja nur als eine Möglichkeit poetischer Darstellung. Mimesis ist dort eine Erscheinungsform der Diegesis. Aristoteles aber kehrt das Verhältnis zwischen beiden genau um: Nun wird die Diegesis, die einfache Erzählung, diejenige also, in der der Dichter selbst spricht, zu einer Variante poetischer Mimesis. Der Beginn des dritten Kapitels der Poetik scheint dies unmißverständlich anzuzeigen: Ἔτι δὲ τούτων τρίτη διαφορὰ τὸ ὡς ἕκαστα τούτων μιμήσαιτο ἄν τις. καὶ γὰρ ἐν τοῖς αὐτοῖς καὶ τὰ αὐτὰ μιμεῖσθαι ἔστιν ὁτὲ μὲν ἀπαγγέλλοντα, ἢ ἕτερόν τι γιγνόμενον ὥσπερ Ὅμηρος ποιεῖ, ἢ ὡς τὸν αὐτὸν καὶ μὴ μεταβάλλοντα, ἢ πάντας ὡς πράττοντας καὶ ἐνεργοῦντας τοὺς μιμουμένους.9 („Nun zum dritten Unterscheidungsmerkmal dieser Künste: zur Art und Weise, in der man alle Gegenstände nachahmen kann. Denn es ist möglich, mit Hilfe derselben Mittel dieselben Gegenstände nachzuahmen, hierbei jedoch entweder zu berichten – in der Rolle eines anderen, wie Homer dichtet, oder so, daß man unwandelbar als derselbe spricht – oder alle Figuren als handelnde und in Tätigkeit befindliche auftreten zu lassen.“)10

Die Erzählung des Dichters im eigenen Namen wird hier ausdrücklich zu einem Fall von Mimesis erklärt. Was aber macht das Charakteristische einer poetischen Nachahmung aus? Diese Frage stellt sich umso dringlicher, als Aristoteles das bei Platon vorausgesetzte Kriterium der Dichtung, die Versgestalt der Rede, ausdrücklich ablehnt.11 Aristoteles scheint die poetische Nachahmung hingegen vermittels eines Bündels von Kriterien zu definieren, wobei man allerdings wird feststellen müssen, daß sie nicht bruchlos miteinander aufgehen. Zum einen scheint die Nachahmung gegenstandsbestimmt zu sein. Zu Beginn des zweiten Kapitels der Poetik heißt es: 9 Aristot. Poet. 1448a19–24 (Kassel 1965, 5). Anders als Kassel, aber in Übereinstimmung mit Fuhrmann 1982, 8 und Schmitt 2011, XXVII und 5 setzen wir τοὺς μιμουμένους nicht in Cruces. Vgl. hierzu Kablitz 2018. 10 Fuhrmann 1982, 9. 11 Vgl. Aristot. Poet. 1447b13–17 (Kassel 1965, 4): Πλὴν οἱ ἄνθρωποί γε συνάπτοντες τῷ μέτρῳ τὸ ποιεῖν ἐλεγειοποιοὺς τοὺς δὲ ἐποποιοὺς ὀνομάζουσιν, οὐχ ὡς κατὰ τὴνμίμησιν ποιητὰς ἀλλὰ κοινῇ κατὰ τὸ μέτρον προσαγορεύοντες: καὶγὰρ ἂν ἰατρικὸν ἢ φυσικόν τι διὰ τῶν μέτρων ἐκφέρωσιν, οὕτωκαλεῖν εἰώθασιν. – „Allerdings verknüpft eine verbreitete Auffassung das Dichten mit dem Vers, und man nennt die einen Elegien-Dichter, die anderen Epen-Dichter, wobei man sie nicht im Hinblick auf die Nachahmung, sondern pauschal im Hinblick auf den Vers als Dichter bezeichnet. Denn auch, wenn jemand etwas Medizinisches oder Naturwissenschaftliches in Versen darstellt, pflegt man ihn so zu nennen.“ (Fuhrmann 1982, 7)

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Ἐπεὶ δὲ μιμοῦνται οἱ μιμούμενοι πράττοντας […].12 („Die Nachahmenden ahmen handelnde Menschen nach.“)13

In dieser Bestimmung steckt noch immer die grundsätzlich performative Konzeption der Mimesis: Nachahmung ist eine Tätigkeit und darum sind die Gegenstände der Mimesis ihrerseits Tätigkeiten. Aristoteles’ Charakteristik der Malerei weicht hingegen von einer solchen Definition ab. Denn seine Bemerkungen zur Wirkung der Malerei gelten ihm als Beweis, als „Erfahrungstatsache“, die den natürlichen Ursprung der Nachahmung belegt. Doch die genannten Beispiele – unansehnliche Tiere oder Leichen – lassen sich kaum als „handelnde Menschen“ verstehen. Als weiteres Kriterium für die Nachahmung der Dichter nennt Aristoteles die Sprache, ja er merkt sogar an, daß noch keine gemeinsame Bezeichnung für die verschiedenen Formen sprachlicher Mimesis existiere.14 Allerdings genügt auch die Kombination der beiden Kriterien – des gegenstandspezifischen (handelnde Menschen) und des medialen (Sprache) – noch nicht, um poetische Nachahmung von anderen Formen der Mimesis trennscharf abzugrenzen. Denn wie steht es dann um die Geschichtsschreibung? Auch sie bedient sich ja der Sprache und stellt gleichermaßen handelnde Menschen dar. So verwundert es kaum, daß Aristoteles just das Verhältnis zwischen diesen beiden Formen der Rede zum Dreh- und Angelpunkt seiner Bestimmung der Natur poetischer Mimesis macht. Die für die Definition ihrer Beziehung entscheidenden Feststellungen finden sich im berühmten neunten Kapitel der Poetik, das mit Fug und Recht als das zentrale dieser Schrift betrachtet werden kann: Φανερὸν δὲ ἐκ τῶν εἰρημένων καὶ ὅτι οὐ τὸ τὰ γενόμενα λέγειν, τοῦτο ποιητοῦ ἔργον ἐστίν, ἀλλ᾽ οἷα ἂν γένοιτο καὶ τὰ δυνατὰ κατὰ τὸ εἰκὸς ἢ τὸ ἀναγκαῖον. ὁ γὰρ ἱστορικὸς καὶ ὁ ποιητὴς οὐ τῷ ἢ ἔμμετρα λέγειν ἢ ἄμετρα διαφέρουσιν (εἴη γὰρ ἂν τὰ Ἡροδότου εἰς μέτρα τεθῆναι καὶ οὐδὲν ἧττον ἂν εἴη ἱστορία τις μετὰ μέτρου ἢ ἄνευ μέτρων)· ἀλλὰ τούτῳ διαφέρει, τῷ τὸν μὲν

12 Aristot. Poet. 1448a1 (Kassel 1965, 4). 13 Fuhrmann 1982, 7. 14 Vgl. Aristot. Poet. 1447a28–b13 (Kassel 1965, 3–4): ἡ δὲ [ἐποποιία] μόνον τοῖς λόγοις ψιλοῖς ἡ τοῖς μέτροις καὶ τούτοις εἴτε μιγνῦσα μετ’ ἀλλήλων εἴθ’ ἑνί τινι γένει χρωμένη τῶν μέτρων ἀνώνυμοι τυγ- χάνουσι μέχρι τοῦ νῦν: οὐδὲν γὰρ ἂν ἔχοιμεν ὀνομάσαι κοινὸν τοὺς Σώφρονος καὶ Ξενάρχου μίμους καὶ τοὺς Σωκρατικοὺς λόγους οὐδὲ εἴ τις διὰ τριμέτρων ἢ ἐλεγείων ἢ τῶν ἄλλων τινῶν τῶν τοιούτων ποιοῖτο τὴν μίμησιν. – „Diejenige Kunst, die allein die Sprache, in Prosa oder in Versen – Versen, indem sie entweder mehrere Maße miteinander vermischt oder sich mit einem einzigen Maß begnügt –, verwendet, hat bis jetzt keine eigene Bezeichnung erhalten. Denn wir können keine Bezeichnung angeben, die folgendes umgreift: die Mimen des Sophron und Xenarchos, die sokratischen Dialoge sowie – wenn jemand mit diesen Mitteln die Nachahmung bewerkstelligen will – die jambischen Trimeter oder elegischen Distichen oder sonstigen Versmaße.“ (Fuhrmann 1982, 5–7).

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τὰ γενόμενα λέγειν, τὸν δὲ οἷα ἂν γένοιτο. διὸ καὶ φιλοσοφώτερον καὶ σπουδαιότερον ποίησις ἱστορίας ἐστίν· ἡ μὲν γὰρ ποίησις μᾶλλον τὰ καθόλου, ἡ δ᾽ ἱστορία τὰ καθ᾽ ἕκαστον λέγει.15 („Aus dem Gesagten ergibt sich auch, daß es nicht Aufgabe des Dichters ist mitzuteilen, was wirklich geschehen ist, sondern vielmehr, was geschehen könnte, d. h. das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche. Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt – man könnte ja auch das Werk Herodots in Verse kleiden, und es wäre in Versen um nichts weniger ein Geschichtswerk als ohne Verse –; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, daß der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte. Daher ist Dichtung etwas Philosophischeres und Ernsthafteres als Geschichtsschreibung; denn die Dichtung teilt mehr das Allgemeine, die Geschichtsschreibung hingegen das Besondere mit.“)16

Wenn wir eingangs unserer Beschäftigung mit der Dichtungskonzeption des Aristoteles gesagt haben, daß seine Aufwertung der Mimesis sich vor allem vermittels zweier Argumente vollzieht, eines anthropologischen und eines logischen, so begegnen wir in diesem neunten Kapitel der Poetik dem zweiten der beiden. Der entscheidende logische – und zugleich ontologische – Unterschied gegenüber Platons Theorie poetischer Nachahmung besteht in einer veränderten Zuordnung des Einzelnen und des Allgemeinen. Aristoteles dreht die Relation zwischen ihnen nämlich im Grunde genommen genau um. Bei Platon ist die nachahmende Kunst in doppelter Weise auf das Einzelne verwiesen: Schon die materiellen Dinge der phänomenalen Welt stellen einzelne Nachbildungen der einen Idee dar, die als das für sie alle verbindliche Modell zu gelten hat. Ein Künstler aber bildet bereits etwas Einzelnes nach. Aristoteles ordnet hingegen der Dichtung das Allgemeine zu, während das Einzelne auf die Seite der in der historischen Welt spielenden Geschehnisse rückt. Der theoretische Hebel, mit dem er diese Kehrtwendung vollzieht, besteht darin, daß er nicht mehr einzelne Gegenstände in den Blick nimmt, sondern Beziehungen zwischen einzelnen Phänomenen betrachtet: Ihn interessiert die logische Struktur von Handlungsabläufen. Ein Historiker ist darauf angewiesen, die Abfolge einzelner Handlungen so aneinanderzufügen, wie sie sich ereignet haben. Der Dichter verfügt stattdessen über die Möglichkeit, sie nach bestimmten logischen Prinzipien zu ordnen: Er kann sie im Sinne von Notwendigkeit oder Wahrscheinlichkeit auseinander hervorgehen lassen; und weil diese logische Ordnung Regelmäßigkeitserwartungen entspricht, begründet sie den Status des Allgemeinen gegenüber dem Einzelnen. Indem Aristoteles nicht einzelne Größen miteinander vergleicht, sondern Strukturen zueinander in Beziehung setzt,

15 Aristot. Poet. 1451a36–b7 (Kassel 1965, 15). 16 Fuhrmann 1982, 29.

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durch Komplexitätssteigerung also, vermag er den logischen Vorrang der Dichtung gegenüber der Geschichtsschreibung zu begründen und damit der poetischen Mimesis einen auch sie aufwertenden Rationalitätsgewinn zu bescheinigen. Mithilfe der für sie charakteristischen Möglichkeit einer Strukturbildung sichert Aristoteles in theoretischer Hinsicht der Nachahmung durch Dichtung jenes Potential, das ihr als einem Artefakt in generischer Weise zukommt, ja, das ihr Wirklichkeitsverhältnis wesentlich fundiert – dessen theoretische Würdigung durch eine ontologische Perspektive hingegen nachhaltig behindert wird. Er vermag es, das Gestaltungspotential der Kunst zu einem theoretisch begründbaren Faktor ihrer Wertschätzung zu machen. Aristoteles gelingt gleichsam das Kunststück, unter dem Dach der Ontologie und im Zeichen einer durch ihre Koordinaten bestimmten Kategorie der Mimesis der Kunst gleichwohl einen Spielraum zu erobern, in dem das für sie konstitutive Prinzip der Gestaltung – wenn auch gewiß nur innerhalb von noch zu diskutierenden Grenzen – theoretische Dignität gewinnt. Daß auf diese Weise der Dichtung auch ein ontologischer Vorrang gegenüber der historischen Wirklichkeit zufällt, bedarf allerdings noch einer weitergehenden Begründung. Bislang haben wir ja nur das von Aristoteles postulierte Verhältnis zwischen zwei Diskurstypen, zwischen Dichtung und Geschichtsschreibung erörtert. Inwiefern aber ist durch die Beziehung zwischen der poetischen Nachahmung und der Historiographie zugleich dasjenige zwischen der Dichtung und der historischen Welt selbst definiert? Die Antwort auf diese Frage besteht darin, daß Aristoteles keinen Unterschied zwischen der geschichtlichen Realität und ihrer Wiedergabe durch den Geschichtsschreiber macht. Denn der Historiker ist derjenige, der „das wirklich Geschehene mitteilt“, wie Manfred Fuhrmann das griechische Original wiedergibt.17 Wörtlicher noch übersetzt, hieße es, daß es ihm obliegt, „das, was gewesen ist, zu sagen“ (τὰ γενόμενα λέγειν).18 Irgendeine strukturelle Differenz zwischen dem Geschehen und seiner Darstellung, gar eine – wie es einem heutigen Verständnis von Geschichtsschreibung entsprechen würde – Strukturierungsleistung durch den sprachlichen Bericht als solchen zeichnet sich in der Poetik nirgends ab. Die historiographische Darstellung und das historische Geschehen werden dadurch beide der Dichtung gegenübergestellt, die über die Möglichkeit verfügt, Handlungsabläufe logisch ordnend zu gestalten. Durch den Strukturvergleich mit der Geschichtsschreibung vermag es Aristoteles deshalb, die poetische Mimesis in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der phänomenalen Welt zu rücken. Platon gelang dies nur per analogiam, indem er die Malerei als Paradigma künstlerischer Nachahmung schlechthin dazwischenschaltete. Insoweit die Historiographie jedoch als diskursives Scharnier zwischen Sprache und Welt fungiert,

17 Vgl. Fuhrmann 1982, 29; s. Anm. 16. 18 Vgl. Aristot. Poet. 1451a36–37 und b4–5 (Kassel 1965, 15); s. Anm. 15.

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kann Aristoteles die sich des Mediums der Sprache bedienende Dichtung ebenso in Beziehung zur phänomenalen Wirklichkeit rücken, um auf diese Weise ihre ontologische Überlegenheit gegenüber dieser Wirklichkeit selbst zu postulieren. Einer performativen Definition der poetischen Nachahmung gesellt Aristoteles also ein strukturelles Konzept bei, das durch den Vergleich von Dichtung und Geschichtsschreibung ins Spiel kommt: Die Poiesis ist für Aristoteles generell gekennzeichnet durch die logische Struktur der Handlungsabfolgen ihrer plots, wodurch sie sich von der Historiographie abhebt, die auf die Wiedergabe der kontingenten Sukzession der Ereignisse in der Wirklichkeit festgelegt ist. Beide Definitionen poetischer Mimesis aber haben gleichsam eine systematische Schwachstelle. Denn mit einem performativen Nachahmungskonzept geht der Fall des Dichters, der in eigener Person spricht, nicht auf. Dies wäre nun solange unproblematisch, als das strukturelle Kriterium für eine ausreichende Unterscheidung von der Geschichtsschreibung sorgte. Doch genau dies ist nicht der Fall, weil keineswegs ausgeschlossen werden kann, daß auch die historischen Ereignisse gemäß den logischen Prinzipien von Wahrscheinlichkeit und Notwendigkeit verlaufen.19 Deshalb greift Aristoteles auf eine normative Einschränkung seiner systematischen Identifikation poetischer Rede mit der Mimesis zurück und beschränkt poetisches Erzählen auf Figurenrede. Auch wenn sich damit das performative Nachahmungskriterium für die Theorie der Dichtung als das letztlich weiterhin dominante erweist, erbringt Aristoteles’ gleichzeitiger Rückgriff auf eine strukturelle Komponente des Konzepts poetischer Mimesis einen unverkennbaren Gewinn für die Dichtung mit sich, erlaubt sie doch eine ontologische Aufwertung der Wortkunst. Um dieses Zieles willen ist es unvermeidlich, deren Strukturierungspotential normativ auf eine Herstellung logisch organisierter Handlungen zu beschränken. Nur um diesen Preis wird das Strukturierungspotential der Wortkunst theoriefähig. Und so gerät die Mimesis zu einer Ermöglichungsstruktur poetischer Gestaltung der Wirklichkeit – eine durchaus bemerkenswerte theoretische Leistung im Zeichen einer Nachahmungskategorie, die jene ontologischen Prämissen transportiert, die einer konzeptuellen Würdigung des für alle Kunst konstitutiven Gestaltungspotentials grundsätzlich im Weg stehen. Aristoteles’ Apologie poetischer Mimesis beruht also auf einem komplexen theoretischen Gefüge, das verschiedene Komponenten in einen systematischen Zusammenhang stellt. Es verbindet die Definition des Gegenstands der Dichtung als einer Nachahmung von Handlungen mit einem sprechsituativen Postulat: Poetische Rede gründet auf dem Ersatz eines Sprechers durch einen anderen. Die Verbindung dieser beiden Merkmale bietet zugleich die Voraussetzung dafür, daß sich mit Hilfe eines strukturellen, handlungslogischen Kriteriums ein ontologischer Vorrang der Dich-

19

Vgl. Aristot. Poet. 1451b29–32 (Kassel 1965, 16).

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tung gegenüber den Ereignissen der historischen Welt begründen läßt, der sie als das Allgemeine gegenüber dem kontingenten Einzelnen in Erscheinung treten läßt. 2. Der semiotische Mimesis-Begriff im Kontext der Renaissance, v. a. in Albertis Malereitraktat Es ist vor allem die aristotelische Konzeption bildkünstlerischer Mimesis, die einer entscheidenden Wendung des Mimesis-Verständnisses in der Geschichte der kunsttheoretischen Konzeption dieses Begriffs den Weg ebnet:20 Es vollzieht sich der Wandel von einem performativen zu einem semiotischen Verständnis von Nachahmung, wie es dann auch bei den frühesten Kommentatoren der aristotelischen Poetik vorliegt.21 Schon in der Antike finden sich Belegstellen für einen solchen Wandel. So läßt sich z. B. eine Stelle bei Vitruv anführen, an der dieser den Imitationsbegriff in einer Bedeutung verwendet, bei der der performative Aspekt hinter dem semiotischen Aspekt der Nachahmung bzw. Darstellung zurücktritt: Nam cum fuerunt Graeci delicatiores et fortuna opulentiores, hospitibus advenientibus instruebant triclinia, cubicula, cum penu cellas, primoque die ad cenam invitabant, postero mittebant pullos, ova, holera, poma reliquasque res agrestes. Ideo pictores ea, quae mittebantur hospitibus, picturis imitantes xenia appellaverunt.22 (Weil die Griechen nämlich relativ gehobene Ansprüche hatten und Wohlstand genossen, richteten sie für die Ankunft der Gäste Speisesofas, Ruhelager und Vorrätekammern her, luden sie am ersten Tag zum Essen ein und schickten ihnen am folgenden Tag Hühnchen, Eier, Gemüse, Obst und übrige landwirtschaftliche Produkte. Daher haben die Maler, die dasjenige, was den Gästen geschickt wurde, auf Bildern darstellten, dafür den Begriff Gastgeschenke (xenia) geprägt.)

Die Maler haben also für ein bestimmtes Genre von Bildern den Begriff Xenia gewählt. Man kann an Vitruvs Verwendung des Imitationsbegriffs in diesem Kontext erkennen, daß keine spezifische Tätigkeit nachgeahmt wird, sondern daß für diesen Terminus das semiotische Verhältnis konstitutiv ist, daß die dargestellten Motive in ihrer malerischen Darstellung auf diejenigen Dinge verweisen, die die Griechen im Alltagsleben als Gastgeschenke verschickt haben. 20 21 22

Um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen: In diesem Aufsatz untersuchen wir nicht generische Abhängigkeiten des Mimesis-Begriffs, sondern vergleichen in systematischer und historischer Hinsicht verschiedene, mit diesem Begriff verbundene Konzepte. Vgl. Francesco Robortello, In librum Aristotelis de Arte Poetica explicationes (1548); Vincenzo Maggi / Bartolomeo Lombardi, In Aristotelis librum de Poetica communes explanationes (1550). Vitr. 6,7,4 (Fensterbusch 1991, 290–292). Zu Albertis Vitruv-Rezeption vgl. Fischer 2012, 93–153; Wulfram 2001.

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Im Laufe des Mittelalters ist das Synonym repraesentatio an die Seite des Begriffes imitatio getreten, wie u. a. eine Stelle bei Thomas von Aquin vor Augen führt. Im Kontext dieser Stelle erklärt Thomas von Aquin im Anschluss an die pseudo-Dionysische Schrift De coelesti hierarchia („Über die himmlische“ oder „Engelhierarchie“), daß die Bibel gegenständliche Metaphern benutzt, ja benutzen muß, damit alle Rezipienten das auf der Oberfläche dargestellte Geschehen begreifen und die Gebildeten zusätzlich die sich darunter verbergende intelligible Lehre verstehen können.23 Dann bemerkt er zur Dichtung:24 Ad primum ergo dicendum quod poëtica utitur metaphoris propter repraesentationem, repraesentatio enim naturaliter homini delectabilis est. Sed sacra doctrina utitur metaphoris propter necessitatem et utilitatem, sicut jam dictum est.25 (Zum ersten [sc. Einwand] ist also zu sagen, daß die Dichtung Metaphern wegen der Nachahmung (repraesentatio) verwendet. Die Nachahmung (repraesentatio) ist nämlich von Natur aus für den Menschen erfreulich. Aber die heilige Wissenschaft benutzt Metaphern wegen Notwendigkeit und Nutzen, wie schon gesagt worden ist.)

Im Anschluss an Aristoteles’ Überlegungen über die erfreuende Wirkung bei der Betrachtung der Malerei sieht Thomas von Aquin die Aufgabe und den Zweck der poetischen Mimesis darin, daß diese dem Betrachter aufgrund ihrer ikonischen Struktur Freude bereitet, wenn er das Dargestellte mit den entsprechenden Dingen in der Realität identifiziert oder – etwas allgemeiner gesprochen – das Gemeinte erkennt. Nach diesem Verständnis ist die Metapher eines der Mittel der dichterischen Mimesis, die dieses Erkenntnispotential bereithalten. Thomas von Aquin knüpft daher an Aristoteles’ Reflexionen über den anthropologischen und semiotischen Mimesis-Begriff an. Bezeichnend ist aber in unserem Zusammenhang, daß der für die Aristotelische Mimesis zentrale Aspekt der Nachahmung einer Tätigkeit nicht mehr zu erkennen ist – für Metaphern ist es nicht konstitutiv, daß handelnde Menschen nachgeahmt werden. Vielmehr steht die Bildlichkeit im Vordergrund, die die Rezipienten umso mehr über göttliche Wahrheiten aufklärt, je größer die Diskrepanz zwischen dem metaphorischen Ausdruck und seiner geistigen Bedeutung ausfällt. Die Umwandlung eines performativen in ein semiotisches Verständnis der Mimesis läßt sich an vielen Stellen von Leon Battista Albertis Traktat De pictura nachverfolgen,26 23 24 25 26

Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae 1,1,9, ca (Gilby 2006, 32–34). Vgl. das Kapitel 1,2 der um 500 n. Chr. entstandenen Schrift De Coelesti Hierarchia des Pseudo-Dionysios Areopagita (Günter/Ritter 2012, 7–8). Zur exegetischen Methode und biblischen Hermeneutik (Thomas von Aquin, Summa Theologiae, 1,1,9–10) vgl. Prügl 2016. Thomas von Aquin, Summa Theologiae 1,1,9, ad 1 (Gilby 2006, 34). In der Forschung ist die Mimesis bzw. imitatio im Kontext der frühen Renaissance mit überwiegendem Bezug auf die imitatio auctorum (insbesondere seit Petrarca) – auch unter Berücksichtigung

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die im Folgenden in einer Auswahl besprochen werden sollen. Gleich der erste Beleg für das Verb imitari in De pictura führt dessen semiotischen Charakter vor Augen: Itaque principio novisse oportet punctum esse signum, ut ita loquar, quod minime queat in partes dividi. Signum hoc loco appello quicquid in superficie ita insit ut possit oculo conspici. Quae vero intuitum non recipiunt, ea nemo ad pictorem nihil pertinere negabit. Nam ea solum imitari studet pictor quae sub luce videantur.27 (Daher muß man von Anfang an wissen, daß ein Punkt ein Zeichen ist, das sozusagen keineswegs in Teile geteilt werden kann. „Zeichen“ nenne ich an dieser Stelle, was auch immer auf einer Fläche so vorhanden ist, daß es mit dem Auge erblickt werden kann. Niemand wird aber bestreiten, daß dasjenige, was nicht betrachtet werden kann, nicht zum Maler gehört. Denn der Maler bemüht sich nur darum, dasjenige darzustellen, was bei Licht gesehen wird.)28

Alberti versieht das Inventar des Malers mit der Minimalanforderung, daß ein wahrnehmbares Zeichen, also zumindest ein Punkt, zum Einsatz kommt.29 Wenn Alberti an dieser Stelle seines Werkes den Imitationsbegriff wählt, ist ein Vergleich mit seiner italienischen Fassung des Werkes aufschlussreich, da der entsprechende Satz dort lautet:30 Solo studia il pittore fingere quello si vede („Der Maler bemüht sich nur darum, dasjenige zu fingieren, was man sieht.“) Die beiden Verben imitari und fingere scheinen synonym zu sein und ganz allgemein die Tätigkeit des Malers zu beschreiben, die sich auf dasjenige erstreckt, was sichtbar ist. Alberti hätte vermutlich auch pingere („malen“) anstelle von imitari verwenden können, wie andere Stellen zeigen werden.31 der imitatio morum (Christi) – behandelt worden, nicht hingegen mit Blick auf die Mimesis/imitatio naturae; vgl. u. a. Wulfram 2001, 376–377 mit Anm. 47; Kaminski 1998; De Rentiis 1996; McLaughlin 1995; Kablitz 1993; Pigman 1982; Pigman 1980; Gmelin 1932. Diese Schwerpunktsetzung ist dadurch begründet, daß der Mimesis (imitatio naturae) erst nach der Verbreitung von Aristoteles’ Poetik im Verlauf des 16. Jahrhunderts eine größere, ja fundamentale Bedeutung zukommt; vgl. De Rentiis 1996, 1–2, Anm. 9; Regn 1987, 387–389; Weinberg 1966. Zum Verhältnis zwischen Kunst und Natur in Albertis De pictura vgl. Bätschmann 2017, 259–262. Zur Kunstliteratur in Antike und Mittelalter vgl. die kommentierte Anthologie von Arnulf 2008 (v. a. das Kapitel „Alberti – Didaktische Theorie der Malerei in rhetorischer Terminologie“: S. 174–178). Zum Leben und Werk von Leon Battista Alberti vgl. Fischer 2012; Marsh 2012, 1–9. 27 Alberti, Pict. lat. 1,2 (Bätschmann/Schäublin 2011, 194). 28 Hier wie im Folgenden handelt es sich um eigene Übersetzungen der entsprechenden Stellen aus De pictura. Unsere Übersetzungen orientieren sich aber an denjenigen von Bätschmann/ Schäublin 2011. 29 Zu den mathematischen Implikationen dieser Aussagen s. den Beitrag von Gabriel Siemoneit in diesem Tagungsband. Zu Albertis Zeichenbegriff vgl. Greenstein 1997. 30 Leon Battista Alberti, Della pittura 1,2 (Bätschmann/Gianfreda 2002, 66). Zur italienischen Fassung vgl. auch die Ausgabe von Lucia Bertolini 2011. Für einen Vergleich der beiden Versionen s. ihren Beitrag in diesem Tagungsband. 31 Vgl. die im Folgenden behandelte Stelle: Alberti, Pict. lat. 2,42 (Bätschmann/Schäublin 2011, 270); s. Anm. 35. Vermutlich wählt Alberti an der hier zur Diskussion stehenden Stelle nicht das

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Angesichts des Imitationsbegriffs könnte man zwar meinen, daß Alberti die Malerei an dieser Stelle auf eine mimetische Kunst in dem Sinn reduziert, daß sie lediglich die empirischen Dinge aufgreift oder sogar kopiert.32 Die italienische Fassung zeigt aber, daß für Alberti die mimetische Funktion der Malerei weitgehend gleichbedeutend mit der Fiktion ist, wobei den unterschiedlichen Bedeutungen des Verbs fingere Rechnung getragen werden muß. Wie u. a. Boccaccios Erklärungen in den Esposizioni sopra la Comedia di Dante veranschaulichen, bedeutet dieser Begriff – zumindest im Lateinischen – nicht nur „erfinden“, sondern v. a. „bilden, formen, gestalten, zusammenfügen“ (Boccaccio umschreibt diese Bedeutung mit dem italienischen Verb comporre).33 Inwiefern Mimesis und Fiktion (im weiteren Sinn der Gestaltung) weitgehend deckungsgleich geworden sind, erhellt aus weiteren Stellen in Albertis De pictura, und zwar insbesondere aus einer Passage im zweiten Buch des Traktats. Im Kontext dieser Passage rät Alberti den angehenden Malern, sich in allem an der Natur zu orientieren:34 Idcirco diligentissime ex ipsa natura cuncta perscrutanda sunt, semperque promptiora imitanda, eaque potissimum pingenda sunt, quae plus animis quod excogitent relinquant, quam quae oculis intueantur.35

Verb pingere, um eine Wiederholung (pingere – pictor) zu vermeiden. Zu malerischen Erfindungen vgl. u. a. Alberti, Pict. lat. 3,54 (Bätschmann/Schäublin 2011, 296). 32 Vgl. Leinkauf 2007, 94–95, der die schöpferisch-dynamischen Aspekte von Albertis Kunsttheorie betont und in diesem Zusammenhang auf die – in einem spannungsreichen Kontrast hierzu stehende – zitierte Stelle verweist. 33 Vgl. Boccaccio, Esposizioni sopra la Comedia di Dante 1,1,70 (Padoan 1994, 34): „Estimarono molti, forse più da invidia che da altro sentimento ammaestrati, questo nome poeta venire da un verbo detto poio pois, il quale, secondo chè li gramatichi vogliono, vuol tanto dire quanto fingo fingis: il qual fingo ha più significazioni, per ciò chè egli sta per comporre, per ornare, per mentire e per altri significati.“ („Viele haben die Einschätzung vertreten, vielleicht mehr von Missgunst als von einem anderen Gefühl geleitet, daß dieser Name „Dichter“ (poeta) von dem Verb kommt, das poio pois („machen, bilden“) heißt, das – wie die Grammatiker-Philologen angeben – so viel bedeutet wie fingo fingis. Dieses fingo hat mehrere Bedeutungen, da es für „bilden/zusammenfügen“, „schmücken“, „lügen“ und andere Bedeutungen steht.“) 34 Die Angabe „alles“ läßt zwar kaum einen Zweifel über das Ausmaß dessen zu, was die Natur dem Maler vorgibt. Trotzdem sei darauf hingewiesen, daß damit keine Kopie der Wirklichkeit gemeint ist. Außerdem lohnt ein Blick auf die im Folgenden von Alberti angeführten Vorbilder in der Natur selbst (vgl. Bätschmann 2017, 259–262). Die Natur erteilt eine Lehrstunde darin, wie Flächen und wie Glieder komponiert werden; vgl. Alberti, Pict. lat. 2,35 f. (Bätschmann/Schäublin 2011, 256–260). Ferner kann der Maler von der Natur lernen, wie sich Menschen, Tiere und unbelebte Dinge bewegen, wobei zu den Bewegungen der Menschen auch die Emotionen und Affekte gehören; vgl. Alberti, Pict. lat. 2,41–45 (Bätschmann/Schäublin 2011, 268–280). Schließlich wird die Natur den angehenden Maler darin belehren, wie er Körperteile darstellt, indem er nacheinander den Umfang von Flächen, dann die Verknüpfungen der Flächen und letztlich die Formen aller Körperteile studiert; vgl. Alberti, Pict. lat. 3,55–58 (Bätschmann/Schäublin 2011, 296–304). Die Natur ist also eine Lehrmeisterin in Bezug auf alle Elemente der Malerei und in Bezug auf ihre Verknüpfung. 35 Alberti, Pict. lat. 2,42 (Bätschmann/Schäublin 2011, 270).

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(Daher muß man auf das Sorgfältigste alles in der Natur selbst untersuchen und aus ihr beziehen, immer dasjenige nachahmen, was offenbarer ist, und insbesondere dasjenige malen, was dem Geist mehr übrigläßt, was er sich ausdenkt, als dasjenige, was mit den Augen betrachtet wird.)

An dieser Stelle wird nicht nur deutlich, daß malen (pingere) und nachahmen (imitari) in der Form übereinstimmen, daß jede Form der Malerei eine Nachahmung ist. Es zeigt sich auch, daß Alberti in mancherlei Hinsicht Horaz’ Ars poetica folgt, und zwar gerade auch mit Blick auf die Mimesis (imitatio naturae).36 Für Horaz – anders als für Platon und Aristoteles – stellt jede Form der Dichtung eine Nachahmung dar.37 In analoger Weise läßt sich auch bei Alberti nicht feststellen, daß die Nachahmung nur auf (eine) bestimmte Darstellungsform(en) der Malerei beschränkt ist. Der Umstand, daß Alberti ein ähnliches Nachahmungskonzept wie Horaz entwirft, zeigt sich noch deutlicher daran, daß Alberti auf eine Stelle aus der Ars poetica anspielt, wenn er fast unmittelbar zuvor die folgende Instruktion erteilt:38 Animos deinde spectantium movebit historia, cum qui aderunt picti homines suum animi motum maxime prae se ferent. Fit namque natura, qua nihil sui similium rapacius inveniri potest, ut lugentibus conlugeamus, ridentibus adrideamus, dolentibus condoleamus. Sed hi motus animi ex motibus corporis cognoscuntur.39 (Ferner wird die historia die Betrachter innerlich bewegen, wenn die gemalten Menschen, die zu sehen sind, ihre jeweilige Stimmung ganz deutlich zur Schau stellen. Denn von Natur aus, die am fähigsten dazu ist, sich etwas anzueignen, was ihr ähnlich ist, geschieht es,

Dies ist schon in der Hinsicht der Fall, daß der Stellenwert des Nachahmungskonzepts in De pictura ebenso wie in der Ars poetica weniger zentral ist als in der platonischen Politeia oder in der aristotelischen Poetik. Trotzdem ist das Nachahmungskonzept wichtig für Albertis Kunstverständnis. Albertis Horaz-Rezeption in De pictura scheint bisher nicht systematisch untersucht worden zu sein, schon gar nicht mit Blick auf die Mimesis. In der Ausgabe von Bätschmann/Schäublin 2011 finden sich aber Verweise auf die relevanten Prätexte, u. a. auf die Ars poetica. Ferner weist Zöllner 1997, 24 darauf hin, daß die in einigen Manuskripten der lateinischen Version überlieferte Einteilung des Traktats in Grundlagen (rudimenta), Malerei (pictura) und Maler (pictor) in etwa der in Horaz’ Ars poetica erkennbaren Unterscheidung zwischen Technik, Inhalt und Dichter entspricht. Außerdem wurde im Zusammenhang mit der Frage nach dem nicht nur malereitheoretischen, sondern v. a. auch rhetorischen (oder poetologischen) Charakter von De pictura (und den entsprechenden Quellen) eine Horaz-Rezeption an einzelnen Stellen diskutiert, wie die Nachweise im Folgenden dokumentieren werden. Zur Rezeption des Anfangs der Ars poetica (V. 1–13) im kunsttheoretischen Diskurs des 15. Jahrhunderts – u. a. auch in Bezug auf Cennino Cenninis Libro dell’arte (um 1400) – vgl. Pfisterer 1996. Zu Albertis Horaz-Rezeption in den Intercenales und in De re aedificatoria vgl. Wulfram 2021a, 230 mit Anm. 32; Wulfram 2021b. 37 Vgl. v. a. Hor. Ars 309–318 (Borzsák 1984, 305–306); Feddern/Kablitz 2020, 65–66. 38 Zum unklaren Begriff historia in De pictura s. die Diskussion weiter unten und vgl. u. a. Bätschmann/Schäublin 2011, 87–94 und 328–329; Aurenhammer 2005 (mit weiteren Literaturhinweisen auf S. 37, Anm. 64); Patz 1986. 39 Alberti, Pict. lat. 2,41 (Bätschmann/Schäublin 2011, 268). 36

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daß wir mit Trauernden mittrauern, mit Lachenden mitlachen und mit Leidenden mitleiden. Aber diese Stimmungen werden aus den Bewegungen des Körpers erkannt.)

Der Forschung ist nicht entgangen, daß Alberti hier auf Horaz’ Ars poetica rekurriert.40 Inwiefern ist dies aber der Fall und welchen Aufschluss gewährt diese Einsicht für Albertis Nachahmungskonzept? Horaz äußert sich an der entsprechenden Stelle zur Frage, welche Wirkung die Dichtung auf ihre Rezipienten haben soll und wie diese Wirkung zustande kommt: non satis est pulchra esse poemata: dulcia sunto et, quocumque volent, animum auditoris agunto. ut ridentibus adrident, ita flentibus adsunt humani vultus. si vis me flere, dolendum est primum ipsi tibi; tunc tua me infortunia laedent, Telephe vel Peleu; male si mandata loqueris, aut dormitabo aut ridebo. tristia maestum vultum verba decent, iratum plena minarum, ludentem lasciva, severum seria dictu.41 („Es genügt nicht, daß Dichtungen schön sind; sie seien gewinnend, sollen den Sinn des Hörers lenken, wohin sie nur wollen. Mit den Lachenden lacht, mit den Weinenden weint das Antlitz des Menschen. Willst du, daß ich weine, so traure erst einmal selbst; dann wird dein Unglück mich treffen, Telephos und Peleus; entledigst du dich nur eines unpassenden Auftrags, so schlafe ich ein oder muß lachen. Zu trauernder Miene gehören auch traurige Worte, zu zorniger solche voll Drohens, zu schelmischer scherzende, zur strengen solche, die man im Ernst sagt.“)42

Die Wirkung der Dichtung, deren Voraussetzungen Horaz an dieser Stelle aus einem Zusammenspiel von Visuellem und Akustischem ableitet, resultiert aus der Korrespondenz zwischen ihren Gegenständen und ihrem verbalen Ausdruck: Der Inhalt der Dichtung und sein sprachlicher Ausdruck müssen zusammenstimmen. Dabei gewinnt die angestrebte Wirkung selbst zugleich eine mimetische Qualität. Denn der Effekt, den der Dichter bei seinem Publikum zu erzielen hat, besteht darin, mit den Lachenden zu lachen und mit den Weinenden zu weinen. Horaz beleuchtet die Frage nach der Wirkung der Poesie auf die Rezipienten unter dem Blickwinkel, daß der Dichter die Macht besitzt, in den Menschen derartige Gefühle zu erwecken – eine Macht, die gerade darin zum Ausdruck kommt, daß es ihm 40 Vgl. Bätschmann/Schäublin 2011, 269, Anm. 56, und 330; Zöllner 1997, 28–29; Patz 1986, 282–284; Spencer 1957, 35. 41 Hor. Ars 99–107 (Borzsák 1984, 296–297). 42 Kytzler 2006, 636–637.

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gelingen kann, jedweden Affekt zu erzielen. Eine solche Herauslösung der Wirkungen des poetischen Werks aus jeder inhaltlichen Spezifizierung ist nur konsequent, wenn der Objektbereich so abstrakt bestimmt wird, wie Horaz es insbesondere in den ersten Versen der Ars poetica tut: Anstelle einer konkreten Bestimmung der dichterischen Gegenstände gibt Horaz nur ein abstraktes strukturelles Muster vor, indem er erklärt, daß der Dichter darstellen darf, was ihm beliebt, solange das Ergebnis innerlich zusammenhängt und stimmig ist.43 Bezeichnenderweise sind es dieselben Prinzipien, die auch die Effekte der Dichtung durch eine Übereinstimmung von Wort und Sache zu steuern haben: Zum betrübten Gesicht gehören traurige Worte etc. Ähnlich wie Horaz verzichtet Alberti in seinem Malereitraktat darauf, den Objektbereich in irgendeiner Form einzugrenzen – wenn man davon absieht, daß der Maler dasjenige darstellen muß, was sichtbar ist. Außerdem spielt das strukturelle Prinzip, daß die vom Maler dargestellten Menschen, Dinge oder Ereignisse kohärent und stimmig sein müssen, eine wichtige, wenn nicht sogar die zentrale Rolle in De pictura. Diese Anforderung an den Maler kommt insbesondere in den Begriffen der compositio und der concinnitas zum Ausdruck.44 Wie bei Horaz ist die innere Stimmigkeit nicht nur ein Prinzip, das werkimmanent den Zusammenschluss der Teile zum Ganzen reguliert, sondern das zugleich den Wirklichkeitsbezug vorgibt, da die Ordnung der Dinge in der Welt als Vorbild für den Maler bzw. Dichter fungiert. Es lassen sich aber auch Unterschiede zwischen Albertis Anweisungen an den Maler und Horaz’ Instruktionen für den Dichter beobachten. Es versteht sich von selbst, daß an die Stelle der Wörter als Ausdrucksmittel des Dichters andere Instrumente treten, mit denen der Maler sein Werk gestaltet und bei den Rezipienten emotionale Anteilnahme hervorruft, ja sie vielleicht sogar mitreißt. Worin bestehen aber diese Mittel? Zum einen sind es die Bewegungen der dargestellten Menschen. Wie Alberti beispielshalber erklärt, verharren bekümmerte Menschen fast unbeweglich, ihre Stirn ist gefurcht, der Nacken schlaff und alles fällt vornüber, wohingegen die Augen und das Gesicht von zornigen Menschen sich röten sowie anschwellen und ihre Bewegungen unbeherrscht sind.45 Die Entsprechung zwischen realen Menschen und ihren auf dem Bild erkennbaren Bewegungen sowie Merkmalen ist also ein Garant dafür, daß die Malerei die von ihr intendierte Wirkung – und das heißt: prinzipiell alle möglichen Wirkungen – entfalten kann. Ein wesentlicher Unterschied zu Horaz liegt im rhetorischen Charakter von Albertis Überlegungen über die Wirkungen der Malerei. Denn abgesehen davon, daß Alberti an der zitierten Stelle auch ein Zitat aus Ciceros Dialog über die Freundschaft

43 Vgl. Hor. Ars 1–23 (Borzsák 1984, 292–293). 44 Zur compositio vgl. Bätschmann/Schäublin 2011, 328; Aurenhammer 2005, 28–32; Patz 1986, 275–276; Baxandall 1971, 129–139. Zur concinnitas vgl. u. a. Alberti, Pict. lat. 2,35 und 42 (Bätschmann/Schäublin 2011, 256 und 270). 45 Vgl. Alberti, Pict. lat. 2,41 (Bätschmann/Schäublin 2011, 268–270).

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(Laelius) integriert, wenn er davon spricht, daß die Natur am fähigsten dazu ist, sich etwas anzueignen, was ihr ähnlich ist,46 erinnern seine Überlegungen auch an die rhetorischen Instruktionen zum Erregen der Affekte.47 Vereinfacht gesagt empfiehlt die antike Rhetorik, daß der Redner selbst diejenigen Affekte empfinden muß, die er auf die Zuhörer übertragen möchte.48 Diese Vorstellung scheint Alberti einerseits auf die Malerei zu übertragen und andererseits mit Horaz’ poetologischen Vorstellungen zu verschränken. Dabei klingt sogar eine Stelle aus Ciceros De oratore fast wörtlich an, wenn Alberti davon spricht, daß die gemalten Menschen ihre jeweilige Stimmung ganz deutlich zur Schau stellen (animi motum maxime prae se ferre). In Ciceros Dialog über den idealen Redner heißt es nämlich:49 actio, quae prae se motum animi fert, omnis movet („Der Vortrag, der die Gemütsregung zur Schau stellt, bewegt alle.“)50 Und es hat einen guten Grund, warum Alberti sich auf diese Passage in De oratore bezieht. Cicero läßt nämlich zu Beginn seiner Anweisungen zum Affekt erregenden Vortrag die drei Aspekte benennen, mit denen dies bewerkstelligt wird, und erklärt sie im Folgenden einzeln. Neben der Stimme tragen auch der Gesichtsausdruck und die Gestik dazu bei, daß der Redner das Publikum mitreißen kann.51 Die Stimme eignet sich selbstverständlich nicht für ein Konzept von der Wirkung der Malerei, aber wenn Alberti erklärt, daß die Bewegungen des Körpers die Gemütsregungen anzeigen, umfaßt er zum einen mit den Körperbewegungen den Gesichtsausdruck und die Gestik. Zum anderen übernimmt er die Korrelation zwischen den Affekten und Emotionen, die in den Bewegungen des Körpers zum Ausdruck kommen, aus dieser Passage in De oratore, an der es heißt, daß jede Gemütsregung von Natur aus ihren jeweiligen Gesichtsausdruck, Ton und ihre jeweilige Gestik hat.52 Der semiotische Charakter des Imitationsbegriffes offenbart sich ebenso deutlich an derjenigen Stelle am Ende des ersten Buches, an der Alberti die folgende Absicht in Bezug auf den Maler bekundet: Idcirco nobis haec de superficiebus et intercisione dicta pernecessaria fuere. Sequitur ut pictorem instituamus quemadmodum quae mente conceperit ea manu imitari queat.53 (Deswegen waren diese Bemerkungen über die Flächen und den Schnitt für uns dringend notwendig. Es folgt, daß wir den Maler instruieren, wie er dasjenige, was er mental konzipiert hat, mit der Hand darstellen kann).

46 Vgl. Cic. Lael. 50. Zur Erkenntnis, daß Alberti hier auf diese Stelle rekurriert, vgl. u. a. Spencer 1957, 35. 47 Vgl. Zöllner 1997, 28–29; Patz 1986, 282–283. 48 Vgl. Cic. De orat. 2,189; Quint. Inst. 6,2,26–36. 49 Cic. De orat. 3,223 (Kumaniecki 1969, 359). 50 Zur Erkenntnis, daß Alberti hier auf diese Stelle rekurriert, vgl. Patz 1986, 283. 51 Vgl. Cic. De orat. 3,216–227 (Kumaniecki 1969, 354–361). 52 Vgl. Cic. De orat. 3,216 (Kumaniecki 1969, 354); Patz 1986, 283. 53 Alberti, Pict. lat. 1,24 (Bätschmann/Schäublin 2011, 232).

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Die Instruktion des Malers besteht darin, daß dieser die semiotischen Mittel des Mediums der Malerei nutzen kann, um dasjenige darzustellen, was er malerisch gestaltet. Wenn Alberti an dieser Stelle den Imitationsbegriff verwendet, dann ist nicht das direkte Verhältnis zwischen der Kunst und der Natur gemeint. Vielmehr ist zumindest das Vorstellungsvermögen dazwischengeschaltet, wenn es nicht sogar vereinzelt an die Stelle der Natur tritt. Im 20. Jahrhundert hat man den von Alberti bezeichneten Sachverhalt mit dem semiotischen Dreieck bezeichnet: Das sprachliche bzw. ikonische Zeichen trägt durch den Verweis auf die Wirklichkeit eine Bedeutung, aber dieser Verweis verläuft nicht direkt, sondern über eine mentale Vorstellung, der Phänomene in der Wirklichkeit entsprechen können (reale Objekte), aber nicht müssen (fiktive Objekte). In ähnlicher Weise gibt Alberti zu erkennen, daß das Gemälde mit seinen ikonischen Zeichen keine direkte Nachahmung der Wirklichkeit ist, sondern der Bezug zur Realität durch das Vorstellungsvermögen vermittelt ist. Gleichzeitig läßt Alberti die Möglichkeit offen, daß die Vorstellungen des Künstlers keine Entsprechungen in der Realität haben, also Fiktionen sind. Vor dem zuvor skizzierten geistes- und begriffsgeschichtlichen Hintergrund ist es ferner nicht verwunderlich, daß sich bei Alberti der Imitations- und der synonyme Repräsentationsbegriff abwechseln. So heißt es an einer späteren Stelle in De pictura folgendermaßen über die Aufgabe des Malers: Picturam in tres partes dividimus, quam quidem divisionem ab ipsa natura compertam habemus. Nam cum pictura studeat res visas repraesentare, notemus quemadmodum res ipsae sub aspectu veniant.54 (Die Malerei teilen wir in drei Teile ein, eine Unterteilung, die wir von der Natur selbst erfahren haben. Denn da die Malerei sich darum bemüht, gesehene Dinge darzustellen, wollen wir festhalten, wie die Dinge selbst in das Blickfeld geraten).

Auch hier bezeichnet repraesentare keine spezifische Tätigkeit des Malers, sondern das semiotische Verhältnis zwischen denjenigen Dingen, die in der Wirklichkeit oder in einer anderen künstlerischen Darstellung gesehen (oder eventuell vor dem inneren Auge gesehen/imaginiert) wurden, und ihrer malerischen Gestaltung. Dabei klingt die Aufgabe der Malerei an die (nicht nur) antike Bestimmung der Erzählung an, da letztere so definiert wurde, daß sie die Darstellung von geschehenen Dingen (res gestae) ist.55 Diese Verlagerung vom Aspekt der Handlung zum Aspekt des Sehens ist den medienspezifischen Differenzen des Mimesis-Begriffs im Kontext der Renaissance geschuldet und führt eindringlich die Tatsache vor Augen, daß dieser Terminus im Lauf seiner Geschichte seinen performativen Charakter verloren hat.

54 Alberti, Pict. lat. 2,30 (Bätschmann/Schäublin 2011, 246). 55 Vgl. Cic. Inv. 1,27; Rhet. Her. 1,4.

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Die Einsicht, daß die res visae an die Stelle der res gestae treten, gibt Anlass zur Auseinandersetzung mit Albertis Verwendung des Begriffs historia – eines, wenn nicht sogar des zentralen Terminus in De pictura. Trotz aller Bemühungen der Forschung handelt es sich um den „unklarsten“ Begriff des Malereitraktats.56 Unter historia ist nicht das Historienbild zu verstehen.57 Auch knüpft Alberti nicht (primär) an die (antike) Skalierung der dargestellten Geschichte an, die in einer Systematisierung der Erzählung (narratio) zwischen dem wahren Bericht (historia/ἱστορία), der realistischen Fiktion (argumentum/πλάσμα) und der phantastischen Fiktion (fabula/μῦθος) unterscheidet.58 Sämtliche von Alberti erwähnten Beispiele für bildliche Darstellungen sind nämlich dem Bereich der Fiktion zuzuordnen.59 Gerade dieser Umstand macht deutlich, daß Alberti den Begriff der historia nicht (primär) in einer referentiellen oder wahrheitssemantischen (oder gar ontologischen) Bedeutung verwendet: Eine Opposition zwischen einem historisch wahren und einem fiktiven Inhalt des Gemäldes spielt keine Rolle.60 Darüber hinaus würde die Übernahme eines erzähltheoretischen Begriffs – ohne jegliche Modifikation – u. a. auch das Problem aufwerfen, daß es kaum Albertis Intention sein kann, den Inhalt des Bildes auf eine narrative Darstellung einzuschränken.61 Die narratologischen Implikationen sind bei Albertis Begriffswahl sekundär.62 Es hat den Anschein, als würde Alberti auf ein Verständnis von historia rekurrieren, wie es bei Isidor von Sevilla anzutreffen ist:

56 57

Zu diesem Urteil vgl. Bätschmann/Schäublin 2011, 87. Zur Forschungsdiskussion s. Anm. 38. Aurenhammer 2005, 32 macht zu Recht darauf aufmerksam, daß das seit dem 16. Jahrhundert zunehmend ausdifferenzierte, durch den späteren akademischen Diskurs dann festgeschriebene malereitheoretische Verständnis von Historienbild nicht auf den Text von 1435 rückprojiziert werden kann. 58 Zur antiken Skalierung der dargestellten Geschichte vgl. u. a. Cic. Inv. 1,27; Rhet. Her. 1,12–13; Feddern 2018, 297–379. Zur Skalierung der dargestellten Geschichte im Mittelalter vgl. Mehtonen 1996. 59 Vgl. Aurenhammer 2005, 36–37. 60 Vgl. Patz 1986, 285–286. Aurenhammer 2005, 38 zufolge übernimmt Alberti aus der Alltagssprache der Maler die Bedeutung des vulgärsprachlichen Begriffs storia, der jedes mehrfigurige Bild, und zwar ohne Rücksicht auf den Inhalt, bezeichnen kann. Diese Deutung wird zwar der beobachtbaren Indifferenz zwischen historischer Wahrheit und Fiktion gerecht, ist aber nicht (vollends) zufriedenstellend, da die Semantik des Begriffs eher extensional als intensional beleuchtet wird. 61 Vgl. Bätschmann/Schäublin 2011, 87–88. 62 Hierzu trägt sicherlich auch die Art und Weise bei, wie Alberti den Begriff der historia auf die Malerei überträgt. Wie Aurenhammer 2005, 30 resümiert, verraten viele Begriffe in De pictura ihre Provenienz aus der Rhetorik. Diese Rhetorisierung der Malereitheorie darf aber nicht als mechanische, sachfremde Übertragung des klassischen Systems der Redekunst und seiner Begrifflichkeit mißverstanden werden. Die Produktivität seiner Kategorien zeigt sich gerade in der Flexibilität, mit der diese auf spezifische Probleme der Malerei adaptiert werden können.

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Historia est narratio rei gestae, per quam ea, quae in praeterito facta sunt, dinoscuntur. Dicta autem Graece historia ἀπὸ τοῦ ἱστορεῖν, id est a videre vel cognoscere. Apud veteres enim nemo conscribebat historiam, nisi is qui interfuisset, et ea quae conscribenda essent vidisset.63 (Historia ist eine Erzählung eines Ereignisses, durch die dasjenige, was in der Vergangenheit geschehen ist, erkannt wird. Historia ist sie aber im Griechischen genannt worden ἀπὸ τοῦ ἱστορεῖν, das heißt: vom Sehen oder Erkennen. Bei den alten [sc. Griechen und Römern] verfasste nämlich niemand ein Geschichtswerk (historia) außer demjenigen, der miterlebt und gesehen hatte, was niedergeschrieben werden mußte.)

Möglicherweise rezipiert Alberti direkt oder indirekt diese Stelle aus den Origines bzw. Etymologiae, wobei die Magnae derivationes des Uguccione da Pisa die entsprechende Lehre vermittelt haben könnten. Dort handelt es sich nämlich um die erste von mehreren Erklärungen zu ἱστορεῖν, und der Bezug zum narrativen Diskurs ist zweitrangig.64 Es ist aber auch möglich, daß sich die dort überlieferte Etymologie (mit der Übersetzung ἱστορεῖν = videre vel cognoscere) verselbständigt hat; profunde Griechisch-Kenntnisse waren jedenfalls nicht nötig.65 Dabei ist zu beachten, daß das griechische Verb ἱστορεῖν eher so viel wie cognoscere bedeutet, als daß es synonym zu videre wäre. Die Semantik von ἱστορεῖν liegt nämlich v. a. in den mentalen Prozessen des Erkennens, Erkundens, Erfragens, Erforschens und Beobachtens (außerdem im Berichten der Ergebnisse). Der Umstand, daß videre als Entsprechung angegeben wird, wird sich zum einen dadurch erklären, daß Isidor die sachliche Erklärung hinzufügt, daß die alten Historiker in ihren Geschichtswerken nur dasjenige niedergeschrieben haben, was sie selbst gesehen haben. Zum anderen impliziert der Vorgang des Erkennens bis zu einem gewissen Grad das Sehen oder Einsehen.66 Isidors etymologische Erklärung, daß historia (ἱστορία) im Griechischen vom Verb ἱστορεῖν abgeleitet ist und so viel wie videre und cognoscere bedeutet, könnte der Schlüssel zum Verständnis von Albertis Verwendung dieses Begriffs sein. Albertis Adaption scheint darin zu liegen, daß der Terminus historia im Malereitraktat zwar ebenso wie bei Isidor zwei Erkenntnisprozesse – einen produktionsästhetischen und einen

63 Isid. Orig. 1,41,1 (Lindsay 1957). Zur historia, insbesondere zum Aspekt der Augenzeugenschaft, bei Isidor von Sevilla vgl. Cizek 1991. 64 Vgl. Uguccione da Pisa, Magnae derivationes s. v. hystorin 1 (Cecchini 2004, 575): HYSTORIN interpretatur videre vel cognoscere; unde hec hystoria -e: antiquitus erim nullus scribebat hystoriam nisi qui interfuisset et ea que conscribenda essent vidisset. („ἱστορεῖν bedeutet übersetzt sehen oder erkennen. Daher stammt die (fem.) hystoria, -e. In alter Zeit schrieb nämlich niemand ein Geschichtswerk außer demjenigen, der miterlebt und gesehen hatte, was niedergeschrieben werden mußte.“) 65 Zu Albertis Rezeption der griechischen Autoren vgl. Bertolini 2005. 66 Es wäre aber verfehlt, ἱστορεῖν als allgemeines Verb im Sinne von „sehen“ zu verstehen – hierfür wird im Griechischen ὁράω gebraucht.

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rezeptionsästhetischen (bei Uguccione wird die rezeptionsästhetische Perspektive erst anschließend hinzugefügt)67 – sowie ein Resultat bezeichnet, aber in Bezug auf ein anderes Medium: Dieser Begriff bedeutet zunächst, daß der Maler Dinge erkannt (und vielleicht auch gesehen) hat, die er auf dem Bild darstellen wird. Dann bezeichnet der Begriff das Ergebnis dieses Vorgangs, nämlich den Inhalt des Gemäldes.68 Und schließlich liegt eine Facette des historia-Begriffs auch in dem Vorgang, daß die Rezipienten dasjenige erkennen, was auf dem Bild dargestellt ist und was der Maler zuvor erkannt hat. Die historia ist bzw. sind gesehene/erkannte Dinge und auf dem Gemälde sichtbare/erkennbare Dinge. Die erzähltheoretische Bedeutung von historia hingegen ist in Albertis Verwendung des historia-Begriffs zumindest weit zurückgedrängt worden. Dieser Umstand schließt aber nicht aus, daß gewisse Bezüge zum narrativen Darstellungsmodus erkennbar sind. Die für eine Erzählung konstitutive zeitliche oder sogar kausale Sequenz von Ereignissen kann, muß aber nicht gegeben sein. Wenn Alberti erklärt, daß das bedeutendste Werk des Malers nicht ein Koloss, sondern eine historia ist,69 bietet sich mehr als ein Textverständnis an. Vielleicht meint Alberti, daß die Qualität und nicht die Quantität zählt. Die Bedeutung dieser Aussage wird aber v. a. darin liegen, daß ein guter Maler ein gutes Bild komponiert, indem er gekonnt verschiedene Körper zusammenfügt. Insofern ist hier mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß Alberti den Plural res visae verwendet, um den Gegenstandsbereich des Malers zu bezeichnen. Der Historiker und andere Schriftsteller, die eine Erzählung verfassen, stellen zumindest ein Ereignis (in aller Regel: mehrere Ereignisse bzw. Handlungen: res gestae) und nicht nur eine Sache dar. Ein Ereignis aber ist die Überführung eines Ausgangszustandes in einen Endzustand. In Analogie zur Aufgabe des erzählenden Schriftstellers hält Alberti es für die Aufgabe des Malers, nicht eine Sache bzw. einen Körper darzustellen, sondern zumindest mehrere Körper.70 Dann drängt sich automatisch die Frage auf, wie diese Körper dargestellt und miteinander verbunden werden (die Frage nach der compositio), so wie sich für die Rhetorik und die Poetik die Frage stellt, wie die Ereignisse miteinander verknüpft werden sollen. Während das sprachliche Kunstwerk die Ereignisse

Vgl. Uguccione da Pisa, Magnae derivationes s. v. hystorin 1 (Cecchini 2004, 575): Vel ideo dicitur hystoria ab hystorin, quia diu preterita ad nostram notitiam reducit. („Oder hystoria wird deshalb von ἱστορεῖν so genannt, weil sie weit Zurückliegendes zu unserer Kenntnis zurückführt.“) 68 Da die Darstellung nachrangig gegenüber den Prozessen des Sehens und Erkennens ist, macht sich Alberti auf diese Weise die Offenheit des Begriffs historia zunutze, der zwar häufig in Bezug auf eine literarische Darstellung verwendet wird, aber nicht auf dieses Medium festgelegt ist. Es würde allerdings zu kurz greifen, mit Aurenhammer 2005, 32 historia als „ein leeres Synonym für Gemälde“ aufzufassen. Den Weg von der Erkenntnis des Malers zum dargestellten Inhalt hingegen bezeichnen andere Begriffe wie circumscriptio und compositio. 69 Vgl. Alberti, Pict. lat. 2,35 (Bätschmann/Schäublin 2011, 256). 70 Vgl. die näheren Anweisungen in demselben Kapitel (Alberti, Pict. lat. 2,35 (Bätschmann/ Schäublin 2011, 256–258). 67

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(un-)chronologisch und vielleicht auch kausal anordnet, liegt der Schwerpunkt der bildenden Kunst auf der optischen Komposition der Körper. Ein weiterer Grund dafür, historia zu einem zentralen Begriff der Malereitheorie zu machen, wird darin liegen, daß Alberti beabsichtigt, die Malerei als Wissenschaft zu etablieren – in ähnlicher Form, wie Petrarca und Boccaccio zuvor versucht haben, die Dichtung zu einer Wissenschaft zu erheben. In dieser Hinsicht bietet der Begriff historia den unschlagbaren Vorteil, die Wissenschaftstauglichkeit der Malerei zur Schau zu stellen, wenn die primäre Bedeutung dieses Terminus in den rationalen Prozessen des Sehens und v. a. des Erkennens liegt.71 Schließlich könnte hinzukommen, daß Petrarca (v. a. in den Invective contra quendam medicum, aber auch in den Res seniles) und Boccaccio (in den beiden poetologischen Büchern 14 und 15 der Genealogia deorum gentilium) die Dichtung v. a. durch das Argument verteidigt haben, daß es die Aufgabe des Dichters ist, fabule zu verwenden, daß aber die Fiktion (ebenso wie die Allegorie) die Instrumente des Dichters sind, um die Wahrheit zu vermitteln.72 So betrachtet könnte Alberti im Paragone der Wissenschaften durch die Bevorzugung des Begriffs historia (mit seiner wahrheitssemantischen Konnotation) gegenüber fabula bewusst einer Schwierigkeit aus dem Weg gegangen sein und darauf verzichtet haben, der Malereitheorie ähnliche Probleme aufzubürden, wie sie die Dichtungstheorie beschäftigt haben. Wenn die Hypothese zutreffen sollte, daß Alberti den Begriff historia v. a. wegen seiner griechischen Etymologie auf die Malerei überträgt,73 würde der semiotische 71

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Zöllner 1997, 26 bemerkt, daß Alberti, der sonst in seinen Schriften rational argumentierte und die Malerei wissenschaftlich zu begründen versuchte, den intellektuell anspruchsvollsten modus dicendi, die auf Instruktion und Belehrung beruhende Überzeugung des Publikums, unberücksichtigt ließ und nur das Gefallen (delectare) und das Bewegen (movere) übernahm. In der Tat fehlen zumindest nähere Hinweise zur Belehrung des Publikums. Nach Albertis Begriffsverständnis scheint aber das Erkenntnispotential der Malerei in dem zentralen Terminus historia angedeutet zu sein. Vgl. u. a. Petr. Sen. 12,2,50 (Rizzo/Berté 2014, 374): Officium eius est fingere idest componere atque ornare et veritatem rerum vel moralium vel naturalium vel quarumlibet aliarum artificiosis adumbrare coloribus et velo amene fictionis obnubere, quo dimoto veritas elucescat eo gratior quo difficilior sit quesitu. („Seine Aufgabe besteht darin, zu fingieren, d. h. zusammenzustellen und auszuschmücken, und die Wahrheit über die sterblichen, naturwissenschaftlichen oder irgendwelche anderen Dinge durch künstlerische Farben anzudeuten und mit dem Schleier der beschaulichen Fiktion zu verhüllen, damit die Wahrheit, wenn er entfernt wurde, umso angenehmer aufleuchtet, je schwieriger sie zu suchen ist.“); Petr. Inv. 1,164 (Bausi 2005, 46): Poete […] studium est veritatem rerum pulcris velaminibus adornare, ut vulgus insulsum, cuius tu pars ultima es, lateat, ingeniosis autem studiosisque lectoribus et quesitu difficilior et dulcior sit inventu. („Die Beschäftigung des Dichters besteht darin, die Wahrheit über die Dinge mit schönen Schleiern auszuschmücken, damit sie dem ungebildeten Volk, dessen letzter Teil du bist, verborgen bleibt, den begabten und bemühten Lesern aber schwerer zu ergründen und angenehmer zu finden ist.“) Patz 1986, 285–287 erwägt, die fragliche Bedeutung von historia aus rhetorischen Instruktionen zur probabilitas (Wahrscheinlichkeit, Plausibilität) und insbesondere zur Anschaulichkeit zu eruieren. Hierzu verweist sie im Zusammenhang mit Guarino (Guarini) Veronese auf ein Kapitel bei Gellius (5,18), in dem die beiden historischen Gattungen der historia und der annales voneinan-

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Charakter von Albertis Nachahmungskonzept auch in dieser Hinsicht nochmal (besonders) deutlich werden. Der Maler stellt auf dem Gemälde etwas (prinzipiell alle möglichen Objekte) dar, und der Rezipient sieht und erkennt eben diese Gegenstände. Die Tatsache, daß Alberti den Objektbereich des Malers – wenn überhaupt – nur durch die Bestimmung einschränkt, daß sichtbare Dinge dargestellt werden, hängt mit einer der Hauptaufgaben des Malers zusammen: der historia im Sinn einer Darstellung, die den Rezipienten ermöglicht, die vom Maler erkannten und dargestellten Dinge und Menschen zu sehen und zu erkennen.74 der unterschieden werden. Dort (5,18,2) referiert Gellius die Ansicht des Augusteischen Grammatikers Verrius Flaccus, daß historia (ἱστορία) auf Griechisch die Erkenntnis von gegenwärtigen Dingen (rerum cognitionem praesentium) bedeutet und folglich die Darstellung von Ereignissen bezeichnet, die der Autor miterlebt hat (hierfür benutzt Gellius [5,18,1] das Verb interesse). Dabei scheinen sich Erklärungen zur Sache und zur Etymologie auch insofern zu vermischen, als ἱστορία bzw. ἱστορεῖν das Erkunden und das Erkennen bezeichnet, wohingegen die Hinzufügung der gegenwärtigen Dinge der erklärungsbedürftigen Sache, nicht aber der Etymologie geschuldet ist. Möglicherweise steht Alberti (auch) in dieser (wenn, dann eher indirekt an ihn vermittelten) Tradition. Es ist aber wahrscheinlicher, daß Alberti direkt oder indirekt (über Uguccione da Pisa) die genannte Stelle bei Isidor von Sevilla rezipiert. Gellius’ Kapitel über die Geschichtsschreibung wäre für Alberti nur wegen der Etymologie von historia (ἱστορία) relevant. Diese Etymologie liegt aber zum einen nahe und ist zum anderen auch bei Uguccione da Pisa und bei Isidor anzutreffen, dessen Origines bzw. Etymologiae dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit vertraut waren. Patz diskutiert zwar den historia-Begriff vor dem Hintergrund der Anschaulichkeit, verwirft aber diese mögliche Lösung, da es keinerlei Anzeichen dafür gebe, daß Alberti an diesem Diskurs partizipiert habe. Abgesehen davon, daß die Semantik des (von Alberti verwendeten) historia-Begriffs nicht in der Evidenz zu liegen scheint, beleuchtet die Schlußfolgerung, daß sich dieser Begriff nahezu auf jede Art von Kunsttätigkeit bezieht, zu wenig seine (intensionale) Bedeutung. 74 Schließlich läßt sich bei Alberti auch der rhetorische Imitationsbegriff (die imitatio auctorum) antreffen, wobei sich dieser Begriff nicht nur auf den vorbildlichen Künstler, sondern auch auf das entsprechende Werk bezieht und – wie es typisch für die rhetorische Imitation ist – mit dem Anspruch verbunden ist, das Vorbild zu übertreffen; vgl. Alberti, Pict. lat. 3,58 (Bätschmann/ Schäublin 2011, 302): Sunt qui aliorum pictorum opera aemulentur, atque in ea re sibi laudem quaerant; quod Calamidem sculptorem fecisse ferunt, qui duo pocula caelavit in quibus Zenodorum ita aemulatus est ut nulla in operibus differentia agnosceretur. At pictores maximo in errore versantur, si non intelligunt eos qui pinxerint conatos fuisse tale simulacrum repraesentare, quale nos ab ipsa natura depictum in velo intuemur. Vel si iuvat opera aliorum imitari, quod ea firmiorem quam viventes patientiam ad se ostendenda praestent, malo mediocriter sculptam quam egregie pictam rem tibi imitandam proponas, nam ex pictis rebus solum ad aliquam similitudinem referendam manum assuefacimus, ex rebus vero sculptis et similitudinem et vera lumina deducere discimus. („Es gibt Leute, die die Werke von anderen Malern wetteifernd nachahmen und ihren Ruhm in dieser Sache suchen. Das soll der Bildhauer Calamis getan haben, der zwei Becher mit Motiven geschmückt hat, in denen er Zenodorus so wetteifernd nachgeahmt hat, daß an den Werken kein Unterschied erkannt werden konnte. Aber die Maler erliegen einem gewaltigen Irrtum, wenn sie nicht verstehen, daß die Vorgänger versucht hätten, ein derartiges Kunstwerk darzustellen, wie wir es – von der Natur selbst gemalt – auf dem Tuch betrachten. Wenn es aber hilft, die Werke von anderen nachzuahmen, weil sie zur Schaustellung eine standhaftere Geduld aufweisen als lebendige Wesen, bevorzuge ich es, daß du dir eher eine mittelmäßige Skulptur als ein hervorragendes Bild zum Nachahmen vornimmst. Denn aus gemalten Gegenständen gewöhnen wir die Hand nur daran, eine Ähnlichkeit herzustellen, aus plastisch gebildeten Gegenständen aber lernen wir, Ähnlichkeit und die wahren Lichtverhältnisse abzuleiten.“) Hierin ist vielleicht eine der folgenreichsten Konsequenzen der Überführung des

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3. Fazit Die Malerei ist zusammen mit der Dichtung diejenige maßgebliche Kunst, anhand derer der Mimesis-Begriff seine Bedeutungen ausgeprägt hat. Während Platon der Poesie eine ontologische Minderwertigkeit durch die postulierte Analogie zur Malerei bescheinigt, gewinnt der Mimesis-Begriff durch Aristoteles’ Synthese seiner ontologischen und seiner performativen Komponente theoretische Dignität, wobei Unterschiede in Bezug auf die Malerei und in Bezug auf die Dichtung zu erkennen sind. Während im Fall der Poesie der ontologische und zugleich performative Charakter der Mimesis die Möglichkeiten und Grenzen der Wortkunst bestimmt, gründet sich die Malerei auf einen semiotischen Nachahmungsbegriff, wobei die Struktur des ikonischen Zeichens eine Fokussierung auf den Erkenntnisprozeß als solchen mit sich bringt. Der Erkenntnisprozeß der Malerei kommt in Albertis Malereitraktat im Begriff der historia zum Vorschein, der – sofern die hier vorgeschlagene Deutung zutrifft, daß Alberti diesen Begriff aufgrund seiner griechischen Etymologie (der Derivation von ἱστορεῖν) wählt – die Erkenntnis des Malers ebenso wie diejenige des Betrachters betont. Anders als in der aristotelischen Poetik oder in der platonischen Politeia steht der Mimesis-Begriff aber nicht im Zentrum von Albertis Malereitheorie. Schon in dieser, aber auch in vielerlei anderer Hinsicht läßt sich Albertis Nachahmungskonzept mit Horaz’ Ars poetica vergleichen. Sowohl für Horaz als auch für Alberti ist jede Form der Dichtung bzw. Malerei eine Nachahmung. Eine Beschränkung des Gegenstandsbereichs der einen oder anderen Kunst läßt sich nicht beobachten (dies gilt u. a. auch für die Indifferenz gegenüber einer faktualen oder fiktionalen Darstellung) – wenn man davon absieht, daß der Maler dasjenige darstellen soll, was sichtbar ist. Ebenso wie Horaz weist auch Alberti dem Prinzip der inneren Stimmigkeit und Kohärenz eine wesentliche Bedeutung bei der Gestaltung des Kunstwerkes zu, wobei in De pictura v. a. die Begriffe circumscriptio, compositio und concinnitas diese gestalterische Leistung des Malers bezeichnen. Dieses Prinzip der Stimmigkeit dient nicht nur der Orientierung und Entsprechung zwischen dem Inhalt des Kunstwerkes und der außerkünstlerischen Wirklichkeit, sondern reguliert auch die Wirkung der Kunst, die ebenso wenig wie der künstlerische Gegenstand auf einen speziellen Effekt eingeschränkt ist. Alberti legt das Hauptaugenmerk aber weniger auf die Harmonie zwi-

performativen in ein semiotisches Nachahmungskonzept zu sehen, daß es nun zwei voneinander völlig unterschiedliche Praktiken bezeichnet: zum einen die Darstellung einer außersprachlichen Wirklichkeit, zum anderen die Nachahmung einer diskursiven Praxis. Die letztere Nachahmung verbleibt ja innerhalb eines performativen imitatio-Verständnisses, von dem sich nun die zeichenhafte imitatio naturae löst. Erst die semiotische Reinterpretation der Mimesis hat also Facetten der Nachahmung auseinandergerissen, die ursprünglich zusammengehörten. Denn hier wie dort handelte es sich darum, etwas Ähnliches und womöglich sogar Besseres herzustellen.

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Herbeigewünschte Bezüge, sedimentierte Interpretationstopik und Fragen um Intention, Funktion und Rezeption von Albertis De pictura Arwed Arnulf Die Einladung, sich in einem philologischen Kontext über Albertis De pictura zu äußern, führte nach langer Zeit zu erneuter Auseinandersetzung mit lateinischem Text,1 diesbezüglicher Literatur der letzten achtzig Jahre2 und dem überraschenden Fund auffällig vieler fragwürdiger Einschätzungen, sedimentierter Gewissheiten und einer Häufung spekulativer Interpretationstopik, die man in dieser Form üblicherweise in kunsthistorischer Literatur antrifft. Zu De pictura stößt man aber auch in literaturhistorischen und wissenschaftsgeschichtlichen Arbeiten auf derartiges, vielleicht weil man auf allzu wirkmächtigen kunsthistorischen Thesen aufbaute oder dort geformten Erwartungshorizonten zu genügen suchte.3 Was ist damit genau gemeint? Einige Symptome, die erstaunlicherweise über Generationen und wechselnde Turns hinweg fortwirken, mögen es verdeutlichen: Etwa die perspektivisch verengte Konzentration auf das einzelne Werk, unreflektierte Bereitschaft dem Künstler bzw. Autor eher allmächtige Kompetenz als experimentierende Unbedarftheit zu zutrauen, damit verbunden Glaube an kontextunabhängige oder absolute Qualitätsmaßstäbe, auch das Bestreben den jeweils interessierenden Gegenstand unbedingt positiv einzuschätzen, zugleich ein ausgeprägter Unwille das Zufällige, Unbedarfte, Mittelmäßige oder feh-

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Verwendet wurde die Edition des lateinischen Textes von Cecil Grayson (= Grayson 1972). Zur Forschungslage verweise ich auf die rezente Darstellung von Bätschmann 2017. Zur Abgabe dieses Beitrags verzeichnete der Verbundkatalog der kunsthistorischen Max-Planck-Institute (www.kubikat.org) etwas mehr als zwanzig nach 2017 erschienene Aufsätze, die durch Titel oder bibliothekarische Verschlagwortung einen Bezug auf De pictura vermuten lassen. Seit Erscheinen der von Bätschmann herausgegebenen zweisprachigen Ausgaben der Alberti-Schriften zur Kunst scheint die Forschungslage in wesentlichen Aspekten erstarrt, das dort Zusammengefasste wirkte als scheinbar letztes Wort, s. Bätschmann/Schäublin 2011.

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lerhaft Minderwertige eines Untersuchungsobjektes überhaupt in Betracht zu ziehen.4 All dies sind Erbschaften romantischer Irrungen, heimlich fortwirkenden Hegels5 und des Erkenntnisoptimismus eines Faches, das sich in Teilen immer wieder, schleichend, um Bedeutungsvermehrung heischend, von den Grundlagen historischer Forschung entfernt – all dies wäre hier irrelevant, doch tauchen diese Denkbahnen eben auch dann auf, wenn kunsthistorisch nicht über Bilder, sondern über Texte und Autoren geschrieben wurde, besonders, wenn es um Albertis De pictura ging. So ist es auffällig, wenn das von Burckhardt6 befeuerte Interesse an Albertis Malereitraktat erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit Ausbreitung der Begeisterung für alles Kunsttheoretische sprunghaft anstieg,7 in rascher Folge aufeinander aufbauende, selten kritisch reagierende Deutungen erschienen, eine deren wortreichste, ungeachtet ihrer offensichtlichen Defizite, vielleicht aufgrund ihres Ursprungs im späten Panofsky-Umfeld und ihrer geradezu wiedergängerischen Wiederholung bis in jüngste Zeit, zur Deutungskonstante sedimentierte – auf Edward Wrights Quintilian-Bezug komme ich gleich zurück.8 Im Anschluss spekulierte man seit den mittleren 80er Jahren über einzelne Begriffsverwendungen umfänglich – vor allem mit ungebremsten Interpretationsoptimismus über Albertis Gebrauch von historia9 –, während einfache und eigentlich prioritäre Fragen, etwa nach Verbreitung und Rezeption des Textes, nach dessen Funktion, Intention und tatsächlicher Brauchbarkeit, auch nach dem vom Autoren selbst anvisierten Publikum und Wirkungsspektrum, meist ungestellt blieben oder aber nur in den vorgegeben ausgestampften, doch ungeprüften Bahnen verfolgt

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Auf zwangsläufig willkürliche Exempel sei hier verzichtet, da polemisch zugespitzte und generalisierende Methodenkritik nicht ins Persönliche zu befördern ist. Stattdessen drei eigene Studien die ähnliche Forschungsproblematik in anderen Kontexten behandeln. Exemplarisch versuchte ich solches am Beispiel der Vorstellung eines „mehrfachen Bildsinns“ vorzuführen und anhand literarischer Quellen in Frage zu stellen, s. Arnulf 2002. Dem stets wiederkehrenden Bestreben komplexere Bildprogramme auf entstehungszeitlich hochmoderne Theologie zurückzuführen, obwohl meist Schultheologie zugrunde liegt, galt Arnulf 1995. Den aktuell beliebten Versuch, neulateinischen Versbeigaben frühneuzeitlicher Druckgraphik postmoderne bildmediale Diskursvalenzen aufzuzwingen behandelt Arnulf 2020. 5 Hierzu die unübersehbare gewordene Literatur zu Hegels Kunstphilosophie oder deren kunsthistorische Rezeption zu zitieren, nützt weniger als die einfache Frage zu stellen, in wie vielen kunsthistorischen Arbeiten selbst jüngster Entstehungszeit implizit oder explizit eine nicht hinterfragte Existenz absolut gesetzter künstlerischer Qualität vorausgesetzt wird. Einen Einstieg in die wissenschaftsgeschichtliche Dimension des Phänomens bietet Locher 2001. 6 Burckhardt 1860, 139–141. 7 Eine Bibliographie zu De pictura bei Grayson 1972, 27–29. Wesentliche frühe Stationen dieser Rezeption sind wohl Lee 1940; Blunt 1940, 1–23; Clarke 1944; Spencer 1957. Diese und andere ältere Arbeiten resümiert und ergänzt durch erstmaligen Versuch einer Einordnung von De pictura in das humanistische Schrifttum Baxandall 1971. Zur späteren Forschung vgl. etwa Locher 1999, für die Forschung seit 1999 Bätschmann 2017. 8 S. Wright 1984; Wright 2010. Festgeschrieben scheinen Wrights Thesen nun durch deren affirmierendes Referat in Bätschmann 2017, bes. 256–258. 9 Z. B. Patz 1986; Bätschmann 2001; Aurenhammer 2005.

Fragen um Intention, Funktion und Rezeption von Albertis De pictura

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wurden. Im Wesentlichen scheinen mir folgende Aspekte besonders schwer betroffen: Die Vorstellung, Alberti hätte sich im Aufbau von De pictura an Quintilians Institutio orientiert, damit verbunden, De pictura sei eine absichtsvolle, verstandesscharf konzipierte Anwendung rhetorischer Theorie auf die Malerei, und dabei impliziert, De pictura sei durch Novität des Themas, als erste theoretische Abhandlung über Malerei eines Literaten, etwas qualitativ herausragend Besonderes und zwangsläufig überaus Wirkmächtiges. Zuletzt und darauf aufbauend, befand man Form, Aufbau und Umfang des Werkleins als isoliert, rätselhaft und so vermeintlich nur der „Entschlüsselung“ harrend, weshalb man wohl auf eine gattungsbezogene Einordnung und entsprechende Vergleiche lieber gänzlich verzichtete.10 – Eigentlich viel zu viele ungeprüfte Prämissen für eine Forschungslage, die gemessen an der Zahl bedruckter Seiten unüberschaubar scheint.11 Gegebenes Format und verfügbare Vorbereitungszeit machten es unmöglich, die andeutenden Kritteleien in exemplifizierte Mängelrügen mit rundum gesicherten Abhilfevorschlägen zu überführen, weshalb wenige Beispiele und das Auffälligste am Anfang stehen sollen: Seit 1984 behauptete Edward Wright, Albertis De pictura würde in Aufbau und Mikrogliederung Quintilians großem Rhetoriklehrbuch folgen.12 Dies wurde vor allem dort bereitwillig übernommen und bejubelt, wo man größeren Teils wenig von Quintilian und literarischer Rhetorik zu verstehen schien, in der Kunstgeschichte.13 Bis in jüngste Zeit wird dieser Quintilian-Bezug als gesicherte Erkenntnis weiter getragen, befeuert durch die bereits erwähnte wiedergängerische Wiederholung: Noch 2010 ließ Wright das Ganze in Italienisch übersetzt und weiter aufgeplustert als Buch erscheinen.14 Dabei beruht Wrights These auf Taschenspielertricks: Er zwang den in der Teubner-Ausgabe immerhin zwei Bände und 784 Seiten umfassenden Text15 in eine Inhaltsgliederung, die er selbst angelegt hatte, um sie einer weiteren Inhaltsgliederung gegenüberzustellen, die er für De pictura fertigte.16 Wie durch ein Wunder kehren die Inhaltsbezeichnungen der einen Gliederung in der anderen alludierend wieder. Eine Tabelle, die Oskar Bätschmann in seiner Forschungsübersicht 2017 zu De pictura ver-

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Auf willkürliche gewählte Beispiele aus der überreichen Literatur sei hier verzichtet, da Vollständigkeit nicht, ungerechtfertigte Herausstellung aber leicht zu erreichen wäre. Der Verbundkatalog der kunsthistorischen Max-Planck-Institute verzeichnet zwischen 1940 und 2022 eine Zahl von 785 Publikationen, die Albertis De pictura in Titel, Untertitel oder Verschlagwortung nennen. Die Zahl tatsächlich damit befasster Publikationen wird also noch höher liegen. Wright 1984. Mir ist keine kunsthistorische Publikation bekannt geworden, in der Wrights Thesen kritische Prüfung erfahren hätten. Wright 2010. Rademacher 1959. Zu Quintilian und der konzeptionellen und inhaltlichen Anlage seines Lehrbuchs s. van der Poel/Edwards/Murphy 2022, darin bes. Murphy 2022. Wright 1984, 59.

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öffentlichte, gibt Wrights Argumente in Übersetzung wieder und verleiht ihr den Anschein geprüfter Autorität.17 Wie wenig sinnhaft und willkürlich Wrights Vorgehensweise in weiten Teilen ist, zeigt sich jedoch, wenn man in den Texten nachliest, was unter den Wrightschen Inhaltsangaben summiert und für übereinstimmend erklärt wird: Quint. Inst. 1,1, im Teubner-Text 6 ½ Seiten, die erklären wie, weshalb und was an sprachlichen Grundbausteinen sehr jungen Schülern – um die allein geht es zunächst – beizubringen ist, etwa, dass Eltern auf korrekte Aussprache achten sollten und ähnliches, im Ganzen eine Ausführung zur frühkindlichen Spracherziehung.18 Daraus machte Wright „elements, fixed properties of language“ für Inst. 1,1–3,19 die dann „elements, fixed properties of vision“ in Pict. lat. 1,2–420 entsprechen sollen. Nachvollziehbar ist das nicht, da in diesen Abschnitten des Alberti-Textes Punkt, Linie und Fläche als Grundlagen der Geometrie erklärt werden. Wenige weitere Beispiele mögen den Befund verdeutlichen: Inst. 1,4–5, bei Teubner immerhin 18 Seiten,21 von Wright als „variations in connected speech“ überschrieben, sollen den „variations in connected visual experience“ in Pict. lat. 1,5–11 gegenüberstehen.22 Quintilian behandelt in diesen Abschnitten aber den Grammatikunterricht für sehr junge Schüler: orthographische Ordnung, Empfehlungen, wie dieser Unterricht zu gestalten sei, häufige Fehler, die besondere Korrektur erfordern, und, dass auch lateinisch-muttersprachliche Kinder der Deklinationsübungen bedürfen. In Pict. lat. 1,4 geht es jedoch um die geometrischen Eigenschaften planer und sphärischer Flächen,23 in Pict. lat. 1,5 um deren optische Wahrnehmung unter verschiedenen Beleuchtungen24 – wie Alberti sich hier auf Quintilian beziehen bzw. eine konzeptionelle Parallelität vorliegen soll, bleibt unverständlich. Die insgesamt 40 Teubner-Seiten der ersten sechs Kapitel Quintilians25 mit den genannten ersten 18 Absätzen von Albertis De pictura, acht Seiten in der Edition Graysons,26 in Verbindung zu bringen, funktioniert auch aus anderen Gründen nicht. Das betrifft etwa die inhaltliche Textgliederung und die Umfänge nicht nur generell, sondern auch die Sinnabschnitte. So scheint Wright Kapitel-, Absatz- und Satzzählungen mitunter durcheinander zu werfen – auch die von ihm verwendete lateinisch-englische Loeb-Ausgabe wurde geprüft –, vielleicht verwechselte er auch wissentlich, um so die vertretene Ver17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Bätschmann 2017, 255–259, bes. 257–258. Rademacher 1959, 7–14. Wright 1984, 58–61, bes. 59. Auffallend ist, dass sogar die dreistellige Zählweise der Abschnitte auf eine zweistellige angeglichen wurde, obwohl diese in der zitierten Loeb-Ausgabe Quintilians grundsätzlich von dem System in Graysons De pictura abweicht. Grayson 1972, 36, 38. Rademacher 1959, 21–39. Grayson 1972, 38, 40, 42, 44, 46. Grayson 1972, 38. Grayson 1972, 38, 40. Rademacher, 7–47. Grayson 1972, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52.

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gleichbarkeit weniger unwahrscheinlich wirken zu lassen. Hinzu kommt die Art und Weise, wie Wright Zitate benutzte: Man betrachte einen Absatz aus dem Aufsatz von 1984, in dem Wright vorgibt den Inhalt zweier Quintilian-Kapitel durch ausgewählte Zitate wiederzugeben: […] the difference between vowels and consonants […] the correct sound of the distinct letters […] changes introduced by conjugation and prefixes […] changes that time has brought even in nominatives […] (the various) parts of speech […] decline nouns and conjugate verbs […] (disparities in quality of style that may result in) various sorts of barbarism.27

Diese wenigen Zeilen aus Syntax und Kontext gerissener Begriffe in englischer Übersetzung,28 sollen offensichtlich den Eindruck thematischer Überschriften erwecken, stammen aber aus dem laufenden Text, genauer, aus den 19 Textseiten der Kapitel 4 und 5 in Quintilians erstem Buch willkürlich herausgelöst,29 da Quintilian nicht die in den Zitaten angedeuteten Themen abhandelt, sondern diese nur bei seinen pädagogischen Ausführungen erwähnt. Doch bleibt neben dieser unseriösen Argumentation und Nachweisstrategie vor allem das grundsätzliche inhaltliche Problem, Quintilians Ausführungen in Kapitel 4 und 5 des ersten Buches zu frühkindlicher Sprachausbildung, deren Problemen und Potentialen, wichtigsten Inhalten und Vermittlungsstrategien, mit Albertis Erklärung der Grundlagen euklidischer Geometrie, die in jenen gegenüber gestellten Absätzen erfolgt, parallelisieren zu wollen. Weder inhaltlich-konzeptionell noch sprachlich-begrifflich scheinen irgendwelche Übereinstimmungen auf, die eine Ausrichtung Albertis an Quintilians Text nahelegen könnten. Auch wenn in den späteren Teilen der Wrightschen Tabelle Gegenüberstellungen und Inhaltsangaben auftauchen, die weniger erzwungen wirken, ändert dies nichts an dem Befund: Eine systematische Konzeption von De pictura nach der Gliederung der Institutio ist auszuschließen und wäre auch überraschend, da ein Lehrwerk in zwölf Büchern auf fast 760 Editionsseiten kaum das Konstruktionsvorbild für ein Traktätlein aus drei Büchern auf 43 Druckseiten abgeben kann. Natürlich drängen sich nach der stark in Frage gestellten Quintilian-Abhängigkeit von Albertis De pictura anschließende Fragen auf, so generell zum Rhetorikbezug und der möglichen Vorbildhaftigkeit anderer Texte. Dies erschließt sich leichter, wenn man in mehrere Fragen auffächert: Etwa nach tatsächlicher thematischer und formaler Eigenart des Werks, nach der Möglichkeit einer Gattungszuordnung, der funktionalen

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Wright 1984, 58. Eine Suche in der von Wright verwendeten Übersetzung zeigt Willkürlichkeit und Kontextmissachtung dieser herausgelösten Zitate deutlich. In der Reihenfolge von Wrights Auflistung findet man die Kurzpassagen bei Butler 1980, 65 (Quint. Inst. 1,4,6); 65 (1,4,7); 69 (1,4,13); 69 (1,4,13); 71 (1,4,17); 73 (1,4,22); 83 (1,5,12). Rademacher 1959, 21–39.

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Ausrichtung und dem angesprochenen Publikum, nach formal und konzeptionell vergleichbaren Texten im Umfeld der universitären Artistenfakultäten und städtischen Wissensliteratur, auch zu Niveau und sprachlicher Gestaltung der Inhaltsvermittlung und realen Nutzbarkeit des Gelieferten. Zunächst zum Rhetorikbezug: Es steht außer Frage, dass Alberti, wie Autoren vor und nach ihm, durch Rhetorik als vormodernem Werkzeugkasten literarischer Betätigung geprägt war,30 eindeutige Hinweise auf deren absichtliche Adaption in De pictura gibt aber Alberti nicht. In Anbetracht der tiefen Überzeugung, mit der Albertis Text als Adaption rhetorischer Begriffe und Schemata verstanden wurde und wird, ist es überaus überraschend, wenn man feststellt, dass es im Wesentlichen nur zwei Termini sind, nämlich compositio und historia, über deren Bedeutungstiefe, Herleitung und Verwendungsmodi nachgedacht wurde, und es waren bezeichnenderweise kunsthistorische Studien, die sich dem widmeten.31 Ist man mit dem antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Phänomen der Rhetorik als literarischer Stillehre näher vertraut, mühte sich durch Quintilian, Rhetorica ad Herennium, das Doctrinale des Alexander de Villa Dei32 oder die frühneuzeitlichen Lehrbücher von Scaliger, Vossius und Masen,33 kennt also die ewig wiederkehrende Langweiligkeit der seit der Antike gleichbleibenden Figuren, eben jener colores rhetorici, die als Stilmittel das Handwerkszeug jeglichen Literaturschaffens bildeten, wird man stutzig: Ausgerechnet compositio und historia sollen,34 als rhetorische Termini verstanden, den Rhetorikbezug von De pictura ausmachen? Beide Begriffe führen auch ein Leben in anderen Themenbereichen, im Unterschied zu zahllosen rein rhetorischen Termini. Compositio bezeichnet bekanntlich in der Rechtssprache den Vergleich, in der Pharmazie die Mischung, in Mathematik und Geometrie die flächige oder räumliche Anordnung,35 wird von Alberti in diesem Sinn im ersten Buch zu Geometrie, Optik und Perspektive verwendet, in den beiden folgenden als Bezeichnung für räumliche und inhaltliche Zusammenstellungen gebraucht.36 Bezug zur Rhetorik ist dabei nicht erkennbar. Des Begriffs der historia be30 31 32 33 34 35 36

Zum Phänomen etwa Mack 2011. Vgl. Anm. 9. Reichling 1893. Zur frühneuzeitlichen Rhetorik und den meistrezipierten Lehrbüchern s. Barner 1970. Zu dieser Forschungstradition s. Bätschmann 2017. ThLL III, 2138–2142; MLW 2, 1099–1103; Calepino 1647, 342; Du Fresne du Cange, 1249–1250 s. v. Der Begriff compositio wird in den 24 Abschnitten des ersten Buches einmal, in den Abschnitten 25–50 des zweiten Buches 24 Mal, in den Abschnitten 51–63 des dritten Buches zweimal verwendet. Die größte Häufung ist in den Abschnitten 31–36 mit zwölf Verwendungen gegeben. Dort wird über das Bestehen der Malerei aus circumscriptio, compositio und receptio luminis, die Rolle von Linie und Lichtwirkung für die Naturnähe der Darstellung, den Umriss eckiger und gerundeter Körper, das räumliche Relief natürlicher Körper, und über die harmonische Zusammenstellung menschlicher Körper gesprochen. Der Begriff compositio wird in all diesen Abschnitten im geometrischen oder allgemein räumlich ordnenden Sinn für Zusammenstellung und Zusammenfügung gebraucht.

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diente Alberti sich dermaßen polyvalent, unsystematisch und chaotisch für Geschichte, Erzähltes, Erzählung, Erzählmotiv, Thema, Ablauf, Vorgang, Geschehen, speziell für ein Bild, das eine Geschichte darstellt, und anderes,37 dass Schäublin und Bätschmann sich in der jüngsten deutschen Übertragung mühen mussten ein Äquivalent zu finden und sich für den Begriff „Vorgang“ entschieden, um die Bedeutungsspannweite in einer Vokabel zu fassen.38 Eine solche Verengung erkennbar intendierter Polysemie eines Begriffs auf eine einzige Bedeutung ist natürlich hochgradig interpretativ und lenkt angesichts des starken Gebrauchs der Übersetzung in der Kunstgeschichte das Textverständnis nachhaltig und willkürlich.39 Die eigentlich unordentliche Polyvalenz der historia-Verwendung aber, zeigt andererseits, dass Alberti hier keinen Terminus der hoch systematisierten, terminologisch festgefügten Rhetorik entlehnte,40 sondern den Begriff als Schweizer Taschenmesser verwendete, für fast alles und überall im Bedeutungsfeld von literarischer Erzählung und deren bildlicher Umsetzung zu gebrauchen. Es stand nun aber andererseits ein übergroßer Begriffsvorrat zur Verfügung, hätte Alberti tatsächlich in der Rhetorik gesucht: Heinrich Lausbergs „Handbuch der literarischen Rhetorik“ enthält 206 Seiten Register allein der lateinischen Termini,41 die Lightversion der „Elemente der literarischen Rhetorik“, bringt es immerhin noch auf zehn Seiten Begriffsregister in engem Satz.42 Um näher an Albertis Zeit zu kommen nehmen wir noch das erwähnte Doctrinale des Alexander de Villa Dei, das bis ins 16. Jahrhundert hinein verbreitetste und bis dahin in über 160 Ausgaben gedruckte Lehrbuch, des Memorierens wegen in Hexametern verfasst, brauchte immerhin 2645 Verse um die rhetorischen Grundlagen zu legen.43 Auch wenn der weitaus größte Teil rhetorischer Termini, vor allem Wortfiguren, von Anapher bis Zeugma, in keiner Weise auf Bildliches umzumünzen sind, so blieben immerhin einige Begriffe aus Bereichen der inventio, dispositio und elocutio, Begriffe konzeptionell inhaltlicher Art, die

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Soweit ich sehe, verwendet Alberti historia in De pictura 39 Mal, in den weitaus meisten Fällen bezeichnet er damit eine Geschichte, Handlung, ein Geschehen oder eine bildliche Darstellung, die dergleichen wiedergibt. Problematisch erscheint das der Vokabel vom Autoren zugemessene Bedeutungsspektrum wohl nur, wenn man ihm unterstellt, er habe in visionärer Zukunftssicht auf spätere Kunstliteratur und deren noch spätere Aufarbeitung versteckte Rätsel hinterlassen wollen. Man vergleiche zum bezeugten antiken Bedeutungsspektrum ThLL VI 3, 2833–2840 s. v. Bätschmann/Schäublin 2011, 194–315, bes. zur historia 87–94. Zur translatorischen Theorie und Geschichte übersetzender Möglichkeiten, Ziele und Regeln als Forschungsüberblick s. Nickel 2020, bes. 17–60. Lausberg 1990, § 290,3; § 411; § 900,1 erklärt historia aus der rhetorischen Tradition als genus der narratio, also etwa als literarische Erzählung oder Vorgangsschilderung. Vgl. mittelalterliche Beispiele bei Arbusow 1963, 96, 109. Knape 1996, 1406–1410 weist darauf hin, dass der eindeutig mit Erzählung und Geschichtsschreibung verbundene Begriff als rhetorischer Terminus in frühneuzeitlichen Rhetoriken häufig gar nicht mehr vorkommt. Lausberg 1990, 639–845. Lausberg 1976, 159–169. Reichling 1893, 7–178. Zur Rezeption in Handschriften und Drucken s. dort XLIV–LII; vgl. auch Maaz 1981.

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sich hätten adaptieren lassen, wenn man unbedingt gewollt hätte. In Albertis Text zur Malerei tauchen sie aber – sieht man von der lange zuvor bereits verbreiteten allegoria ab44 – nicht auf. Ein letztes zur Rhetorik als Erklärungsinstrument: Wird in der kunsthistorischen Literatur zu De pictura Albertis Verwendung rhetorischer Inhalte beschworen, so geschieht dies häufig unter Hinweis auf seine Verwendung „der neuen“ gemeint ist „humanistischen“ Rhetorik.45 Dahinter scheint vor allem ein sprachlicher Rückgriff auf Titel und Sprachgebrauch der Hochzeit literaturgeschichtlicher Rhetorikforschung vorzuliegen, auf jene Jahrzehnte zurückliegende, lange währende Phase, als Bücher wie Heinrich Pletts „Renaissance-Rhetorik“ oder Winfried Barners „Barock-Rhetorik“ erschienen.46 Dabei bleibt offensichtlich stets unbeachtet, dass zwar durch die Jahrhunderte hindurch Rhetoriklehrbücher immer wieder durch modische Adaptionen ersetzt wurden, die wesentlichen Inhalte, das was literarische Rhetorik ausmacht, Tropen und Topen, Wort-, Klang- und Sinnfiguren, die gleichen blieben.47 Was sich in Albertis Generation und vor allem der darauf folgenden änderte, war ein Durchschlagen der Begeisterung für das Modell der Prosa Ciceros, was sich in entsprechend veränderten Exempeln zeigte, vor allem aber darin äußerte, dass Poetik und Rhetorik auseinander rückten: Während die großen wirkungsmächtigen hochmittelalterlichen Lehrbücher von der Ars versificatoria des Matthaeus Vindocinensis,48 über Poetria Parisiana des Johannes von Garlandia,49 Poetria nova Galfreds50 bis zum genannten Doctrinale sämtlich mit Versen und überwiegend in Hexametern den Stoff transportierten, also Rhetorik und Poetik boten, verpackte man nun die rhetorischen Inhalte wieder allein in Prosa, zumindest bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, als mit Scaligers Poetik,51 dem Aufblühen neulateinischen Dichtens und der Emblematik das Versemachen wieder als vornehmste literarische Beschäftigung angesehen wurde. Natürlich ist der oben angerissene Fragenkatalog hier nicht endgültig abzuarbeiten oder gar zu klären, doch lässt sich einiges skizzieren: Einigkeit herrscht wohl darüber, dass niemand durch Albertis Traktat malen lernen konnte, und auch die Anwendung der Perspektive wäre anhand dieses Textes nur ansatzweise zu bewältigen.52 Malerisch-handwerkliches Fachschrifttum mit edukatorischem Wert dürfte dagegen so

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Freytag 1992, 330–392. Vgl. etwa mit Bezug auf ältere Literatur Bätschmann 2017, 254–256. Barner 1970; Plett 1993. Zum Überblick Classen 2003; Plett 2004; Mack 2011; MacDonald 2017, bes. 377–460. Munari 1988. Lawler 2020. Faral 1924, 194–262 (Poetria nova), 263–320 (De modo et arte dictandi et versificandi), 321–327 (Summa de coloribus rhetoricis). Scaliger 1561, Digitalisat online unter https://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb101 47390-7 (zuletzt aufgerufen am 10.11.2022). Vgl. etwa Bätschmann/Schäublin 2011, 59–112; Bätschmann 2017.

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ausgesehen haben wie Cennino Cenninis Handbuch,53 die Unterschiede zu De pictura wurden oft genug benannt und seien hier als bekannt vorausgesetzt.54 Auch liefert De pictura keinen theoretischen Überbau, den ein im Sinne Cenninis handwerklich ausgebildeter Maler wie eine antikisch-humanistische Mütze überstülpen konnte, falls ihm der Sinn nach theoretischem Schwadronieren stand. Albertis Zerlegung der Malerei in Flächengestaltung, Umrissgebung und Lichteinwirkung ist viel zu allgemein um hier helfen zu können, packende und beliebig einsetzbare, nach Bedarf füllbare Worthülsen, wie sie die spätere Kunstliteratur bereitstellte – man denke an sprezzatura, disegno, paragone – fehlen.55 Fragt man also nach dem Adressaten, so ist man, wie der Widmung an Giovanni Francesco Gonzaga schon seit langem entnommen, bei den potentiellen Auftraggebern von Malerei, mehr oder weniger gebildeten, von der antikischen Bildungsmode berührten Adligen und reichen Städtern, die in dieser Zeit ihr Interesse an Kunstwerken in bestimmter Richtung intensivierten.56 Da Fachleute geometrisch-mathematischer Ausrichtung kaum mit De pictura zufrieden sein konnten, es sei auf Fields Einschätzung von der mathematischen Argumentation ohne Beweise hingewiesen,57 darf man wohl von einer Art populärwissenschaftlicher Publikation sprechen, die, wie auch heute noch, beim interessierten, doch fachlich nicht versierten Leser den Eindruck aufregender Neuigkeiten hervorrufen, doch kein tieferes Verständnis erzeugen konnte. Vergliche man nämlich das spätmittelalterliche Handbuch der Optik, das an Europas Universitäten und auch den oberitalienischen gelesen wurde, John Peckhams Perspectiva communis,58 so würde schnell deutlich – etwa bei Erklärung der Sehpyramide –,59 wie sehr sich Albertis Ausführungen im ersten Buch von dieser professionell wissenschaftlichen Darstellung in zeittypischem Wissenschaftslatein unterscheidet.60 Den Text Albertis kennzeichnet anderes: Wortreich erzählerische Einbettung des Stoffs, ständige Ansprache des Lesers, bildhafte Vergleiche und ähnliche Simplifizierungsmittel, Verzicht auf mathematisch-formelhaftes und komplizierte Diagramme, wie auch an Stelle des traditionell reduzierten Erklärungsmodus derartiger Texte allgegenwärtiges Bemühen um sprachlich-stilistischen Beweis der Zugehörigkeit zur humanistischen Bildungsavantgarde. Diese Einschätzung trifft sich übrigens auch sehr gut mit den viel zitierten Formulierungen von De pictura 1 1, Mathematisches erklären ja, aber nicht wie ein Mathematiker, sondern

53 54 55 56 57 58 59 60

Frezzato 2003; Torresi 2004. Troncelliti 2004; Löhr/Weppelmann 2008; Bätschmann/Schäublin 2011, 59–61. Einführung und Überblick bei Pfisterer 2002. Zugang zur älteren Literatur bieten Burke 1999; Ciapelli/Rubin 2000; Hollingsworth 1994; Kent/Simons 1987; Kent 2000; Roeck 1999. Field 1997; zu den mathematischen Arbeiten Albertis s. Williams/March/Wassell 2010. Lindberg 1965; Lindberg 1970; Lindberg 1972. Lindberg 1972, 24–26. Pict. lat. 1,5–8 = Grayson 1972, 38, 40, 42, 44.

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wie ein Maler,61 als entschuldigender Verweis auf den gewählten Modus und damit die Gattung eines nichtwissenschaftlichen Traktates dient die Stilmetapher der pinguior Minerva.62 Ist man sich dieser Umstände erst einmal bewusst geworden und schiebt den stets so schwergewichtig gewerteten Umstand der erstmaligen theoretischen Behandlung der Malerei einmal beiseite, wird auch deutlich, wo man nach Vergleichbarem zu suchen hat: Es ist jene im 15. Jahrhundert in allen Volkssprachen und Latein blühende, stark zerfaserte Gattung der trivialen Wissensliteratur, die scheinbar hilfreiche Kenntnisse niederschwellig vermittelt, in den literaten Haushalt brachte, von Mathematik, Rechenspiel, Astrologie über Pharmazie bis zu Schach, Kartenspiel, Liebe, Ehe, Geburt, Weinbau, Bierbrauen, Bienen- und Pferdezucht, Aderlass, Diätetik und Stuhlbeschau. Unter Trägern der humanistischen Literaturmode waren es gern ausgefallenere und weniger nützliche, doch dafür überraschende Themen, etwa Lob der Fußgicht, Stubenfliege, Mäuse und eben Malerei, auch vieles aus dem Bereich trivialisierter Moralphilosophie.63 Wichtiges Kriterium der humanistischen Spielart dieser Texte ist die Novität des Stoffes oder der Präsentation. Stärker noch als bei den volkssprachlichen Texten, mussten Thema, Form und Sprachliches das anvisierte Publikum interessieren, besonders in Albertis Zeit, war doch der Rezipientenkreis humanistisch-erbaulicher Wissensliteratur in den 1430er Jahren noch wesentlich kleiner als zwei Generationen später, als jeder Absolvent einer höherer Bildungsanstalt mit dem ausgeweiteten Kanon des humanistisch Deliziösen vertraut war.64 Als Alberti 1434 nach Florenz kam, Teil der Öffentlichkeitsarbeit des aus Rom vertrieben Eugen IV., baute Brunelleschi allseits bestaunt die Domkuppel, hatte bereits an einer Perspektivtheorie gearbeitet, war doch deren praktische Umsetzung mit Masaccio und anderen schon im Gange, boten Maler- und Bildhauerwerkstätten Produktneuerungen an, die von zahlungskräftigen Auftraggebern offensichtlich gerne angenommen wurden.65 Alberti scheint diesem Trend auf Literatenseite gefolgt zu sein und verfasste De pictura, widmete es später Giovanni Francesco Gonzaga in Mantua,66 einem jener neuen Herrscher, die sich an

Pict. lat. 1,1 = Grayson 1972, 36: Sed in omni nostra oratione spectari illud vehementer peto non me ut mathematicum sed veluti pictorem hisce de rebus loqui. 62 Ebd.: Nos vero, quod sub aspectu rem positam esse volumus, pinguiore idcirco, ut aiunt, Minerva scribendo utemur. 63 Erschwert werden diesbezügliche Recherchen durch die verheerende Forschungslage: Während für den deutschsprachigen Bereich die Fachliteraturen und das Thema triviale Wissensliteratur seit Jahrzehnten engmaschig durchforscht wird, gibt es für das italienische 15. und 16. Jahrhundert fast keine Untersuchungen oder Überblicke. Zur Forschungslage in Italien Glessgen 2018, XV–XVII. Zur germanistischen Erforschung dieser Texte als Einstieg Grenzmann/Stackmann 1984; Brunner/Wolf 1993; Vanková 2014. 64 Grendler 1989. 65 Der historische Kontext ist erläutert bei Lorenz/Naredi-Rainer 1983, 829–830; Bätschmann/Schäublin 2011, 16–18; Wulfram 2001, 8–11. 66 Lazzarini 2001. 61

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die Spitze von Stadtstaaten und Territorien setzten und wohl sichereres Patronat versprachen als vertriebene Päpste oder konkurrierende städtische Patriziergeschlechter. Damit stand Alberti unter den humanistisch geprägten Literaten seiner Generation auch nicht allein: Einer seiner ältesten Bekannten, Antonio Beccadelli, der ebenfalls bei Barzizza Ausbildung erfahren hatte, machte ähnliches vor, als er bereits 1425 den Hermaphroditus veröffentlichte.67 Beccadelli kaprizierte sich dabei nicht auf Malerei, sondern auf derbste Pornographie in Form antikischer Epigramme. Das führte ihn als Hofdichter zu den Visconti in Mailand und später zu Alfons V. nach Neapel.68 Es sei darauf hingewiesen, dass Alberti nach den Florentiner Versuchen bereits 1438 in Ferrara den Kontakt zu Lionello d’Este69 suchte, für diesen einen Pferdetraktat schrieb und bei einem Reitermonument beriet.70 Man war flexibel und folgte den Interessenlagen: Hatte man sich in Florenz für Malerei begeistert, so waren es am Visconti-Hof wohl die Pferde. Charakteristisch für diese gönnersuchenden Literaten und ihre hierzu verfassten Schriften, war wohl eine gewisse Ausgefallenheit des Themas, die Aufmerksamkeit auf sich zog, und der Zuschnitt auf den Adressaten. Diese Notwendigkeit literarisch neue Themen anzureißen formulierte Alberti bekanntlich selbst im Momus, wo er ausdrücklich feststellte, es wäre das Beste, über Dinge zu schreiben, an denen sich noch niemand versucht hätte.71 Versuche, sich mit literarischen Werken bei bestimmten Gönnern oder Publikumskreisen Beliebtheit und Unterstützung zu verschaffen, funktionieren bekanntlich nicht immer.72 Oft genug bleibt die erhoffte Wirkung aus. Alberti verließ Florenz, versuchte sich an Pferden um schließlich von Rom aus ein Renommée als Architekturberater aufzubauen. Dass De pictura zu jenen Profilierungsschriften gehören könnte, die nicht zu einträglicher Gönnerschaft führten, lässt abschließend die Überlieferungslage in den Blick rücken.73 Ohne auf die bekannt dünne Überlieferungslage der volgare-Fassung einzugehen: Wir haben sechs Handschriften, die deutlich noch in das 15. Jahr67 68 69 70 71

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Coppini 1990. Resta 1965. Brunelli 1993. Grayson/Furlan/Boriaud 2017. Zum Reiterstandbild und Albertis Beratung s. Rykwert 1994; Morin 2007. Possem et multa repetere nullam ob gratiam habita in pretio, nisi quod unica sint; quod, ut cetera omittam, quam multa sint apud veteres scriptores quae probentur, si esse vulgata et trita videantur? Aut quid erit illud quod non maxima cum voluptate admirationeque legatur, si erit eiusmodi ut a ceteris non dico neglectum et explosum, sed parum praevisum parumque perceptum intelligatur, ut scriptoris officium deputem nihil sibi ad scribendum desumere quod ipsum non sit iis qui legerint incognitum atque incogitatum? (Mom. pr. 3). Einen Forschungsüberblick zu humanistischen Literaten und höfischem Patronat versuchte Mertens 2006. Mertens betont zurecht die im Unterschied zur expandierenden germanistischen Forschung bislang nur auf einzelne kleine Hofhaltungen Italiens beschränkte Behandlung des Themas literarischen Mäzenatentums. Vergleichende, breit angelegte Studien fehlen weitgehend, eine Ausnahme De Beer 2013. Grundlegend zu den Handschriften von De pictura Grayson 1973, 299–329.

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hundert gehören, allerdings entstanden die meisten davon kurz vor 1500, vielleicht sogar nach postumer Publikation von De re aedificatoria 1485, als an Albertis Nachruhm nicht mehr zu rütteln war.74 In die Lebenszeit des Autors gehören vielleicht zwei oder drei dieser Manuskripte, die unsichere Datierung und eingeschränkte Verfügbarkeit von Digitalisaten ließ hier keine Entscheidung zu. Direkt von Albertis Schreibtisch kommt keine erhaltene Handschrift, wie Grayson überzeugend klärte, stammen alle bekannten Textzeugen von mindestens zwei unterschiedlichen Textversionen heute verschollener Vorlagen ab.75 Das heißt auch, dass De pictura zwischen 1435 und dem Jahrhundertende nicht gerade zu den nachgefragtesten Texten gehörte. Andere Werke Albertis erfreuten sich deutlich höherer Beliebtheit, wie sich aus ihrer handschriftlichen Verbreitung schließen lässt. Von De pictura fehlen frühe Kopien und auch Zeugnisse der Rezeption, so sollte es doch zu denken geben, dass der nächste große Versuch in Florenz Kunstliteratur zu schreiben, Lorenzo Ghibertis Commentarii,76 ohne Rückgriff auf Albertis De pictura auskam, obwohl beide Autoren sich nachweislich kannten. Wenn dann um und nach 1500 Rezeptionszeugnisse einsetzen, 1540 schließlich in Basel ein erster Druck erscheint,77 in der Folge auch langsam die Rezeption Fahrt aufnimmt, so bietet sich doch das Bild eines Textes, den wohl zu seiner Entstehungszeit so recht niemand lesen wollte, zumindest scheint man Abschreibmühe und teuren Beschreibstoff für anderes verwendet zu haben. Zusammengefasst: Der stets wiederholte konzeptionelle Rhetorikbezug von De pictura ist zu überdenken, Intention des Verfassers könnte die einer Profilierungsschrift gewesen sein, die sich auf ein speziell Florentiner Interesse an Malerei und Perspektive bezog, der Erfolg der Schrift zur Entstehungszeit dürfte als überschaubar zu bezeichnen sein, es könnte sich lohnen ähnlich auf Gönner-Akquise getrimmte, thematisch anders gelagerte Schriften anderer Autoren der Generation Albertis zu vergleichen, hinsichtlich der Konzeption sollte man im Bereich trivialer Wissensliteratur nach Vergleichbarem suchen, und für eine tatsächliche Wirkungsgeschichte von De pictura bedurfte es wohl zuvor des Erfolgs Albertis als zumindest literarischer Architekturberater.

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Ich verweise auf die bei Bätschmann/Schäublin 2011, 387–394, nach Grayson gegebene Auflistung der Handschriften. Die Buchstaben in Klammern sind die Kurzbezeichnung der Textzeugen nach Grayson 1973, 299–304: (F 3) Florenz, Biblioteca Nazionale, Cod. (Fondo nazionale) II. IV. 38; (G) Genua, Biblioteca Universitaria, Cod. B. II. 50; (OL1) Rom, Biblioteca Vaticana, Cod. Ottob. Lat. 1424; (R) Ravenna, Biblioteca Classense, Cod. 146; (RL) Rom, Biblioteca Vaticana, Cod. Reg. Lat. 1549; (T) Trento, Biblioteca Communale, Cod. Vindob. lat. 3224. Grayson 1973, 325–326. Bartoli 1998. Venatorius 1540.

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Der ästhetische Blick des Quattrocento Albertis Quintilian-Rezeption in De pictura und ihr Einfluss auf die Dichtungstheorien Landinos und Polizianos Tobias Dänzer Die Renaissance war eine Epoche des Dialogs, der Polemik und der Meinungsverschiedenheit.1 Im Zentrum dieser Auseinandersetzungen standen antike Texte: Der Humanist, der nicht zuletzt um die Gunst eines Mäzens buhlte, reklamierte mit Nachdruck die Deutungshoheit über den Wissensbestand der Antike für sich. Damit ist die ‚Besessenheit‘ zu erklären, mit der Humanisten wie Poggio Bracciolini nach immer neuen Texten suchten, und auch die Euphorie unter den Gelehrten, wenn es gelungen war, einen zu finden.2 Zwar konnte der Fund eines neuen Textes keine unmittelbare Wende in der Geistesgeschichte heraufbeschwören, wie es etwa Stephen Greenblatt kritikwürdig von Lukrez erzählte.3 Aber ein neuer Text konnte den Blick auf Kunst und Literatur, wenn auch nicht sofort und nicht allein, wesentlich verändern. In diesem Beitrag wird die Wirkungsgeschichte eines Textes nachvollzogen, der mitverantwortlich dafür war, dass sich eine Ästhetik in Dichtung und Malerei ausbilden konnte, die heute als charakteristisch für das Quattrocento erachtet wird. Es handelt sich um Quintilians Institutio oratoria, von der Poggio im September 1416 im Verlies eines Benediktinerklosters zu St. Gallen eine vollständige Handschrift gefunden hatte und die insbesondere durch ihre frühe Rezeption in Albertis De pictura Einfluss auf die Kunsttheorie gewann.4

1 2 3 4

Vgl. z. B. Batkin 1981; Hempfer 1993; Griggio 1996; Laureys/Simons 2013; Dänzer 2018, 121–127. Zur Bedeutung des Textes und zur ‚Besessenheit‘ der Humanisten vgl. Hempfer 1993, bes. 38. Greenblatt 2011. Zusammenfassung kritischer Rezensionen bei Johnston 2013. Zu Poggios Fund vgl. Winterbottom 1967, 340–344; Wulfram 2019, 254–259; Cox 2021, 359– 361. Zu Quintilian und Alberti vgl. z. B. Patz 1986; Bätschmann 2017, 225–259. Zu den Strukturparallelen von Quintilians Institutio oratoria und Albertis De pictura vgl. Wright 2010, 67.

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1. Alberti und Cennino Der perspektivverändernde Einfluss der Institutio oratoria auf Albertis De pictura wird erkennbar, wenn man den Libro dell’arte des italienischen Malers und Kunsttheoretikers Cennino Cennini, dessen Entstehungszeit vermutlich vor Poggios Fund, sicher aber vor der intensiven Rezeptionsphase der Institutio oratoria anzusetzen ist, zum Vergleich heranzieht.5 Cenninis Libro dell’arte gilt als „Schlüsselwerk der beginnenden Renaissance“, da er die Malerei des 13. und 14. Jahrhunderts in ihren praktischen Grundlagen beschreibt.6 Dass das Werk nie die gebührende Aufmerksamkeit erhalten hat, ist Albertis einige Jahre später entstandener Schrift De pictura geschuldet. Dabei ist das Anliegen der beiden Malereitraktate grundsätzlich verschieden, und zwar einerseits hinsichtlich des Interesses an wirklicher künstlerischer Unterweisung. Cennini konzipierte den Libro dell’arte als Lehrbuch, worin die Grundlagen des Zeichnens und der Malerei in großer Ausführlichkeit dargelegt wurden.7 Alberti hingegen interessierte sich nicht für die Herstellung von Farben oder Pinseln – mit De pictura ließ sich das Malen kaum erlernen –, sondern für eine neue Kunsttheorie, die Perspektive, Komposition und Künstlerpersönlichkeit in den Mittelpunkt rückte.8 Auch in anderer Hinsicht unterscheidet sich Albertis Traktat von dem Cenninis. Ein Blick auf die ideengeschichtliche Ausrichtung der beiden Texte kann den kunsttheoretischen Paradigmenwechsel verstehbar machen, der durch Albertis Quintilian-Rezeption eingetreten ist. Cennino Cenninis Libro dell’arte beginnt mit einer biblisch-christlichen Darstellung der Entstehung der Malerei. In einer aitiologischen Erklärung wird der Gedanke entwickelt, dass die Malerei eine Überbrückung der Kluft des sündenfälligen Menschen zu Gott sei: Nach der Vertreibung aus dem Paradies habe Adam zur Hacke greifen müssen, um für sein Überleben zu sorgen. Aus dieser Tätigkeit seien die

Zur Datierung des Libro auf den Zeitraum zwischen 1415 und 1425 vgl. Pfisterer 2008; 2021, 18–24 (gegen die traditionelle Datierung ‚um 1400‘: vgl. z. B. Skaug 1993 mit Diskussion). Zu gesicherten Informationen über Leben und Werk Cenninis vgl. Pfisterer 2008, 97–98. 6 So benannt im Ausstellungskatalog Evers 2014, 343. 7 Kuhn 1991: „Cennini’s Libro dell’Arte ist dem Inhalt nach ein Rezeptbuch, der Form nach aber zugleich ein Lehrbuch. Es handelt zunächst hauptsächlich vom Zeichnen, dann hauptsächlich vom Malen und ist als Lehrgang angelegt […]: das Buch Kapitel für Kapitel durcharbeitend, erwarb man die buona pratica in der operazione di mano.“ Zum Charakter des Libro vgl. auch Kruse 2000, 305: „In den 188 Kapiteln des Traktats findet sich eine solche Fülle von Nachrichten über die verschiedenen Techniken des Zeichnens und Malens – von der Wahl und Vorbereitung des Bildträgers, über die Fertigung von Federn und Pinseln, die Eigenschaften, Anmischung und den Gebrauch der einzelnen Farben, die Herstellung der verschiedenen Bindemittel bis hin zur Technik des Vergoldens und Firnissens –, dass der Libro dell’Arte auch heute noch in Restauratorenwerkstätten als unverzichtbares Lehrbuch geschätzt wird.“ 8 Vgl. Bätschmann 2017, 260–261. 5

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handwerklichen Künste hervorgegangen, deren vornehmste die Malerei wurde, die eine Zwischenkunst sei zwischen gottgegebener Weisheit und dem Handwerk.9 Das göttliche Element der Malerei interessierte Alberti kaum, und wo er es thematisierte, führte er säkulare Quellen an.10 Es ging ihm vor allem um die Geschichte, die ein Bild erzählte, um die historia.11 Hierin unterschied sich seine Kunstauffassung wesentlich von Cenninis Vorstellung der Malerei als Gottesdienst. 2. Quintilian-Rezeption in De pictura Alberti füllte den Begriff der historia mit rhetorischer Theorie an, die er in ihren wesentlichen Bestandteilen Quintilians Institutio oratoria entnahm. Voraussetzung für eine gelungene historia sei inventio, d. h. Auffindungsgabe. Hier nähere sich der Maler dem Dichter oder Redner an:12 Proxime non ab re erit se poetis atque rhetoribus delectabuntur. Nam hi quidem multa cum pictore habent ornamenta communia. Neque parum illi quidem multarum rerum notitia copiosi litterati ad historiae compositionem pulchre constituendam iuvabunt, quae omnis laus praesertim in inventione consistit. Atqui ea quidem hanc habet vim, ut etiam sola inventio sine pictura delectet.

9 Cennini, Il libro dell’arte, Cap. 1 (Serchi 1991, 17): Nel principio che Iddio onipotente creò il cielo e la terra, sopra tutti animali e alimenti creò l’uomo e la donna alla sua propria inmagine, dotandoli di tutte virtù. Poi, per lo inconvenente che per invidia venne da Lucifero ad Adam, che con sua malizia e segacità lo ingannò di peccato contro al comandamento di Iddio (cioè Eva, e poi Eva Adam), onde per questo Iddio si crucciò inverso d’Adam, e sì li fe’ dall’angelo cacciare, lui e la sua compàgnia, fuor del paradiso, dicendo loro: – Perché disubidito avete el comandamento il quale Iddio vi détte, per vostre fatiche ed esercizii vostra vita traporterete. – Onde cognoscendo Adam il difetto per lui conmesso, e sendo dotato da Dio sì nobilmente, sì come radice principio e padre di tutti noi, rinvenne di sua scienza di bisogno era trovare modo da vivere manualmente; e così egli incominciò con la zappa e Eva col filare. Poi seguitò molt’arti bisognevoli e differenziate l’una dall’altra; e fu ed è di maggiore scienza l’una che l’altra, ché tutte non potevano essere uguali: perché la più degna è la scienzia; appresso di quella seguitò alcune discendenti da quella, la quale conviene avere fondamento da quella con operazione di mano: e quest’è un’arte che si chiama dipignere, che conviene avere fantasia e operazione di mano, di trovare cose non vedute, cacciandosi sotto ombra di naturali, e fermarle con la mano, dando a dimostrare quello che non è, sia. Dass der Phantasie-Begriff Cenninos, der in seiner Malerei-Definition zum Ausdruck kommt, nicht hinreicht, „um ihn als Vorläufer moderner Vorstellungen künstlerischer Kreativität einzustufen“ (112), sondern im Wesentlichen die „Neuzusammensetzung […] naturwahrer Formen“ (146) beschreibt, hat Seiler 2014 gezeigt. Vgl. ebd. 147: „Als Agent der Transformation antiken Erbes war Cennini alles andere als kreativ, aber er transferierte antikes Theoriegut, das bereits einen langen nachantiken Transformationsprozess durchlaufen hatte, in das Ambiente der spätmittelalterlichen Malerwerkstätten.“ 10 Vgl. Pict. lat. 2,27: Censet Trismegistus vetustissimus scriptor una cum religione sculpturam et picturam exortam. 11 Zum Begriff der historia bei Alberti Patz 1986. 12 Pict. lat. 3,53 (Übersetzung Bätschmann/Schäublin 2011, mod.).

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(„Ferner wird es der Sache dienen, wenn sie [die Maler] den Dichtern und den Rednern gerne ihre Aufmerksamkeit schenken. Denn diese teilen viele ihrer Schmuckmittel mit dem Maler. In der Tat, die Schriftsteller, die über einen reichen Schatz an Kenntnissen vieler Dinge verfügen, können durchaus Hilfe leisten, wenn es darum geht, die Komposition eines Vorgangs schön zu planen: dessen lobenswertes Gelingen hängt ja zumal von der ‚Erfindung‘ ab. Ja die Erfindung hat eine solche Kraft, dass sie sogar für sich allein, ohne malerische Umsetzung, erfreut.“)

Im Zitat ist die Qualität von Rednern und Dichtern angesprochen, ihre Darstellungen mittels ihrer Einbildungskraft (vis) mit so großer Anschaulichkeit auszustatten, dass sie gewissermaßen zu Bildwerken werden. Dies ist das bekannte rhetorische Konzept der emotionalen Affizierung des Hörers durch die größtmögliche Anschaulichkeit der Darstellung, die meist mit dem griechischen Begriff ἐνάργεια bezeichnet wird.13 Die Beschreibung der Technik der Veranschaulichung geht auf Quintilian zurück:14 quas φαντασίας Graeci vocant (nos sane visiones appellemus), per quas imagines rerum absentium ita repraesentantur animo, ut eas cernere oculis ac praesentes habere videamur, has quisquis bene conceperit, is erit in adfectibus potentissimus. quidam dicunt εὐφαντασίωτον, qui sibi res, voces, actus secundum verum optime finget: quod quidem nobis volentibus facile continget. („Jeder, der das, was die Griechen φαντασίαι nennen – wir könnten ‚visiones‘ [Phantasiebilder] dafür sagen – wodurch die Bilder abwesender Dinge so im Geiste vergegenwärtigt werden, daß wir sie scheinbar vor Augen sehen und sie wie leibhaftig vor uns haben: jeder also, der diese Erscheinung gut erfaßt hat, wird in den Gefühlswirkungen am stärksten sein. Manche nennen den εὐφαντασίωτος [phantasievoll], der sich Dinge, Stimmen und Vorgänge am wirklichkeitsgetreuesten vorstellen kann.“)

Wie Anschaulichkeit gelingen konnte, ist in Albertis Zitat im Hinweis auf die ornamenta, den Redeschmuck, ausgesagt. Die ornamenta verweisen auf die rhetorische Stillehre, elocutio, wo vom Redner Abwechslungsreichtum in der Verwendung der Figuren und Fülle des Ausdrucks gefordert war.15 So schrieb Quintilian im Kapitel über die Nachahmung:16 Ex his ceterisque lectione dignis auctoribus et verborum sumenda copia est et varietas figurarum et componendi ratio […].

Vgl. Quint. Inst. 6,2,32: Insequitur ἐνάργεια, quae a Cicerone inlustratio et evidentia nominatur, quae non tam dicere videtur quam ostendere, et adfectus non aliter, quam si rebus ipsis intersimus, sequentur. Zur antiken Vorstellung von ἐνάργεια in Rhetorik und Dichtung Zanker 1981; Webb 2009. 14 Quint. Inst. 6,2,29–30 (Übersetzung Rahn 2011). 15 Zum Zusammenhang von inventio und ornamentum als ästhetischer Wirkung der Rede vgl. Mühlmann 2005, 77–92. 16 Quint. Inst. 10,2,1 (Übersetzung Rahn 2011). 13

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(„Aus diesen Autoren und den anderen, die der Lektüre würdig sind, gilt es, die Fülle unseres Wortschatzes sowie den bunten Wechsel der Redefiguren und die Kunst der Wortfügung zu entnehmen […].“)

Alberti überträgt die hier genannten Begriffe copia und varietas auf die Malerei und macht sie zu Gütesiegeln der künstlerischen Darstellung, historia:17 Historia vero, quam merito possis et laudare et admirari, eiusmodi erit quae illecebris quibusdam sese ita amenam et ornatam exhibeat, ut oculos docti atque indocti spectatoris diutius quadam cum voluptate et animi motu detineat. Primum enim quod in historia voluptatem afferat est ipsa copia et varietas rerum. („Einen Vorgang nun wird man wohl nach Gebühr loben und bewundern, wenn er die folgende Bedingung erfüllt: Er muss sich, mit einem eigentümlichen Reiz versehen, so anmutig und schmuckreich darbieten, dass er die Augen eines gelehrten ebenso wie die eines ungelehrten Betrachters für längere Zeit fesselt, unter Vermittlung einer besonderen Lust und inneren Bewegung. Was in einem Vorgang zuerst Lust auslöst, sind die Fülle selbst und die Mannigfaltigkeit der Gegenstände.“)

Copia und varietas rerum, d. h. stilistische und thematische Vielfalt, werden eingesetzt, um beim Betrachter, und zwar ungeachtet seiner Bildungsstufe, Lust und Gefühlsregungen hervorzurufen.18 Das Auslösen von Emotionen beim Betrachter ist ein Kern­ element der Ästhetik Albertis:19 Animos deinde spectantium movebit historia, cum qui aderunt picti homines suum animi motum maxime prae se ferent. Fit namque natura, qua nihil sui similium rapacius inveniri potest, ut lugentibus conlugeamus, ridentibus adrideamus, dolentibus condoleamus. Sed hi motus animi ex motibus corporis cognoscuntur. („Ein Vorgang wird die Seelen der Betrachter dann bewegen, wenn die gemalten Menschen, die auf dem Bild zu sehen sind, ihre eigene Seelenregung ganz deutlich zu erkennen geben. Die Natur nämlich, die in unvergleichlichem Maße an sich reißt, was ihr gleicht: die Natur also schafft es, dass wir mit den Trauernden mittrauern, dass wir die Lächelnden anlächeln, dass wir mit den Leidenden mitleiden. Solche Seelenregungen aber geben sich durch die Bewegungen des Körpers zu erkennen.“)

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Pict. lat. 2,40 (Übersetzung Bätschmann/Schäublin 2011). Zum ‚Genuss am Kunstwerk‘ bei Alberti vgl. auch Zöllner 1997a. Pict. lat. 2,41 (Übersetzung Bätschmann/Schäublin 2011, mod.) Vgl. hiermit Quint. Inst. 6,2,26–28.

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Als Beleg für eine gelungene Darstellung des Gefühls der Trauer zitiert Alberti eine Passage aus der Institutio oratoria, in der Quintilian das Bild Iphigeniae immolatio („Opferung der Iphigenie“) des Malers Timanthes beschreibt:20 […] tristem Calchantem, tristiorem fecisset Ulixem, inque Menelao maerore affecto omnem artem et ingenium exposuisset, consumptis affectibus, non reperiens quo digno modo tristissimi patris vultus referret, pannis involuit eius caput, ut cuique plus relinqueret quod de illius dolore animo meditaretur, quam quod posset visu discernere. („Darauf hatte er den Calchas traurig dargestellt, noch trauriger den Odysseus, und schließlich in der Wiedergabe des gramgepeinigten Menelaus seine ganze Kunst und Begabung zur Geltung gebracht. Jetzt waren die Gefühlsregungen gewissermaßen aufgebraucht, und er sah nicht, auf welche Weise er das Antlitz des von Trauer überwältigten Vaters angemessen hätte wiedergeben sollen. Also verhüllte er dessen Haupt mit einem Tuch, um jedem Betrachter noch etwas übrig zu lassen, was er sich bezüglich des väterlichen Schmerzes vorstellen konnte – jenseits dessen, was er mit dem Blick wahrzunehmen vermochte.“)

Die Auffassung des emotional mitarbeitenden, das Bild vervollständigenden Rezipienten hat in der Dichtung und Malerei der zweiten Hälfte des Quattrocento fortgewirkt. Dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit durch direkte Rezeption des Malereitraktats Albertis erfolgt ist, wird im Folgenden anhand textlicher, motivischer und thematischer Bezugnahmen dargestellt. 3. Alberti, Landino und Poliziano Greifbar wird der Einfluss von Albertis Quintilian-Rezeption durch den Vergleich einschlägiger Stellen aus dem Werk Landinos und Polizianos. Cristoforo Landino (1424– 1498) war gut zwanzig Jahre, Angelo Poliziano (1454–1494) genau fünfzig Jahre jünger als Alberti. Damit repräsentieren Alberti, Landino und Poliziano drei Gelehrtengenerationen, die das Quattrocento ideengeschichtlich geprägt haben. Landino und Poliziano waren Professoren für Rhetorik und Poetik am Florentiner Studio, wo sie nicht nur um Prestige, sondern – dies geht aus den Universitätsakten hervor – auch um höhere Bezahlungen konkurrierten.21 Dabei stieg Polizianos Gehalt, das zu Beginn (1480/81) noch bei 100 Florin lag, auf 450 in seinem Todesjahr (1494),

Pict. lat. 2,42 (Übersetzung Bätschmann/Schäublin 2011) mit Bezug auf Quint. Inst. 2,13,13. Vgl. auch Cic. Orat. 73: si denique pictor ille vidit, cum immolanda Iphigenia tristis Calchas esset, tristior Ulixes, maereret Menelaus, obvolvendum caput Agamemnonis esse, quoniam summum illum luctum penicillo non posset imitari […] quid faciundum oratori putemus? Vgl. auch den Beitrag von Gründler in diesem Band. 21 Vgl. Verde 1973, 1, 263–392; 2, 26–29; Celenza 2010, 5–8. 20

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während Landino kontinuierlich 300 Florin bezog. Als Grund für Polizianos wachsendes Einkommen gilt seine Öffnung des Lesekanons, was auch zu einem größeren Lehrdeputat führte: Er erweiterte das Lehrangebot um nicht-kanonische Autoren (z. B. Sueton, Quintilian, Porphyrios), griff auf das Griechische aus, erklärte aristotelische Philosophie, wodurch er sich zusehends von seinem früheren Lehrer Landino abgrenzen konnte.22 Beispielhaft geht die unterschiedliche Herangehensweise an das antike Schrifttum aus zwei bedeutenden Texten hervor, die für das Dichtungsverständnis der Gelehrten wesentlich und für die Analyse der Alberti-Rezeption relevant sind. Landinos Hauptwerk, die Disputationes Camaldulenses, verweisen im Titel auf die Tusculanen Ciceros, inhaltlich erfolgt eine Interpretation der vergilischen Aeneis, die einer umfassenden allegorischen Erklärung unterzogen wird. Bei Poliziano rückt die Antrittsvorlesung aus dem Jahr 1480 in den Mittelpunkt, die er zwei Autoren der sogenannten silbernen Latinität widmete: Seine Oratio super Fabio Quintiliano et Statii Sylvis behandelt zwei Autoren, deren Wahl programmatisch ist: Es sind gerade diejenigen Vertreter, die den großen Autoren Cicero und Vergil in ihrer allgemeinen Wertschätzung unterlegen waren, deren Berücksichtigung aber in der kulturpolitischen Perspektive der Florentiner Universität und der mediceischen Herrscherfamilie eine immer wichtigere Rolle spielte.23 4. Alberti und Landino Landino brachte dem rund zwanzig Jahre älteren Alberti zeitlebens hohe Wertschätzung entgegen. Dies geht aus den Widmungen und Würdigungen hervor, die er dem Förderer und Freund an verschiedenen Stellen seines Werks hat angedeihen lassen.24 Das bedeutendste Denkmal, das er Alberti setzte, sind die kurz nach dessen Tod entstandenen Disputationes Camaldulenses. Dass sich die Disputationes als Ort der Suche nach einem Einfluss von De pictura anbieten, liegt auf der Hand: Hauptunterredner des Dialogs ist Alberti, der mit Lorenzo de’ Medici in einen Dialog darüber tritt, ob der vita contemplativa oder der vita activa der Vorzug einzuräumen ist.25 Alberti vertritt die Seite des Gelehrten, der sein otium darauf verwendet, Künsten und Wissenschaften nachzugehen. Soweit ist nichts gegen die Wahl Albertis, jenes unbestrittenen uomo universale, einzuwenden. Als problematisch hat man in der Forschung allerdings empfunden, dass Alberti zum Prätendenten

22 Vgl. Cesarini Martinelli 1996; Celenza 2010. 23 Vgl. Zollino 2016, XI. 24 Vgl. Xandra B1 (Widmungsgedicht der ersten Redaktion), B2, B16, B27; De vera nobilitate; Disputationes Camaldulenses. Hierzu Wulfram 2016, 1. 25 Zum dynamischen Argumentationsverhalten der Dialogpartner vgl. Huss/Müller 2002.

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einer ideengeschichtlichen Deutungslinie stilisiert wird, die seinem Werk eigentlich fremd ist.26 Landino legte Alberti in großer Ausführlichkeit die allegorische Texterklärung anhand des vierfachen Schriftsinns in den Mund, die in den Büchern 3 und 4 der Disputationes auf die ersten sechs Bücher der vergilischen Aeneis angewandt wird. Im Widmungstext zum dritten Buch der Disputationes begründete Landino vor Federico da Montefeltro seine Wahl Albertis damit, dass er die allegorische Auslegung Vergils von Alberti selbst gehört habe:27 Cum statuissem eum sermonem, illustrissime Federice, litteris mandare, quem Leo Baptista Albertus non sine summa omnium qui affuerunt admiratione atque stupore de iis figmentis habuisset, in quibus P. Virgilius profundissimam illam scientiam occultat, qua summum hominis bonum divinitus describit et qua via ad id proficiscamur mirifice exprimit, verebar, ne in nonnullorum hominum reprehensionem inciderem, qui cuncta ex sui ingenii imbecillitate metientes et Maronem ipsum nihil praeter fabellas quibus otiosas auditorum aures delectaret commentum esse credant et nos pro arbitrio nostro quae dicimus omnia finxisse existiment. („Als ich beschlossen hatte, vornehmster Federico, den Vortrag niederzuschreiben, den Leo Baptista Albertus unter der staunenden Bewunderung aller Anwesenden über die dichterischen Abbilder hielt, hinter denen Virgil die tiefste Weisheit verbarg, durch die er durch göttliche Eingebung das höchste Gut des Menschen beschreibt und auf wundervolle Weise ausdrückt, auf welchem Wege wir dorthin gelangen, fürchtete ich, dass mir das die Kritik einiger Leute einbringen könnte, die alles nach ihrer geistigen Beschränktheit bemessen und glauben, dass selbst ein Maro nichts außer Geschichtchen erlogen habe, um seine gelangweilten Hörer zu erfreuen, und dass diese Leute glauben könnten, alles, was wir hier sagen, sei willkürlich erfunden.“)

Landino referiert hier die Inspirationslehre, nach der Gott dem Dichter in einem Gnadenakt göttliche Weisheit einhauchte (afflatio, inspiratio), die dieser unter dem Schleier der Dichtung (figmentum, velamen) verberge.28 Vom Leser ist daher gefordert, den tieferen Sinn zu suchen, der sich hinter der schön gestalteten Textoberfläche verbirgt.

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Stimmen bei Müller-Bochat 1968, 10–12. Disp. Camald. 3 p. 110,6–16 (Lohe 1980; Übersetzung Vf.). Vgl. auch die Dichtungsdefinition Landinos in Disp. Camald. 3 p. 111,3–15 (Lohe 1980): poesis […] quaecunque homines egerint, quaecunque norint, quaecunque contemplati fuerint, ea miris figmentis exornet atque in alias quasdam species traducat, ut, cum aliud quippiam multo inferius multoque humilius narrare videantur aut cum meras fabellas ad cessantium aures oblectandas ludere credantur, tum maxime excelsa quaedam et in ipso divinitatis fonte recondita promant […]. Zur Inspirationslehre bei Landino vgl. Huss 2003. Zur Bedeutung der Inspirationslehre in Renaissance und Früher Neuzeit allgemein vgl. Galand-Hallyn/Hallyn/Lecointe 2001; Nebes 2001; Steppich 2002.

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Man hat verschiedentlich festgestellt, dass die Lehre, die Landino Alberti ausbreiten lässt, mit dem historischen Alberti kaum vereinbar ist.29 Wenngleich Alberti moralphilosophische Deutungen von Aeneis-Stellen kennt und sie vereinzelt in seine Schriften einflicht, dienen sie dort vor allem der gelehrten Exemplifizierung von Argumenten, offenbaren aber kein tiefergehendes hermeneutisches Interesse.30 Wenn Landino behauptet, diejenigen, die Vergils Aeneis nur aus Freude an der schönen Gestaltung läsen, litten an Geistesschwäche (ingenii imbecillitas), so liegt darin ein regelrechter Widerspruch zu einer ästhetischen Grundüberzeugung Albertis: Dieser hatte in De pictura von der Malerei gefordert, dass sie gebildete und ungebildete Betrachter gleichermaßen zur Empfindung von Lust, voluptas oder delectatio, führen sollte. Wenngleich Alberti also prominent als Sprachrohr von Landinos allegorischer Vergil-Erklärung fungiert, bleiben die Inhalte der Ästhetik Albertis unberücksichtigt.31 Albertis De pictura hat auf die Dichtungslehre Landinos keinen greifbaren Einfluss gehabt. Es ist daher wahrscheinlich, dass Alberti insbesondere aufgrund der freundschaftlichen Verbundenheit mit dem Autor sowie seiner großen Strahlkraft als uomo universale als Unterredner der Gespräche in Camaldoli fungierte.32 Eine innere Auseinandersetzung mit seinem Werk hat nicht stattgefunden. 5. Alberti und Poliziano Ergiebiger ist die Alberti-Rezeption bei Poliziano. Bislang sind wenige Versuche unternommen worden, den Einfluss Albertis auf Poliziano nachzuzeichnen. Bekannt ist Polizianos Würdigung Albertis im Widmungstext der Editio princeps von De re aedificatoria, die man häufig zitiert hat.33 Darüber hinaus hat man wörtliche und motivische

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So z. B. bereits Garin 1952, 718: „Senza fondamento storico è l’attribuzione all’Alberti delle dottrine qui esposte a suo nome“. Zu den Aeneis-Stellen z. B. in Della tranquillità dell’animo vgl. Schöndube 2011, 132–137. Kuhn 1984, 156: „Es ist anzumerken, daß aus keiner Aussage in den ganzen Kommentaren und aus keinem Beispiel je hervorgeht, daß die von Alberti vorgesehenen Inventionen die in der Lehre von der Kunst entfaltete sichtbare Wirklichkeit, zu der Fabeltiere und Personifikationen gehören, überschreiten könnten. Alberti kennt den an einer Stelle eines Zusammenhanges zur Steigerung eingesetzten Topos der Undarstellbarkeit [Verweis auf Pict. lat. 2,42], aber keine durchgängige Allegorie als zweiten oder überhaupt einen mehrfachen Bildsinn. Nimmt man die im ersten Buche dargelegten Voraussetzungen und gegebene Grundlegung der Kunst wahr, die räumlich geordnete und vergleichbare, gerade sichtbare Gegenstandswelt der Malerei, und nimmt man den Impetus, der dahinter steht, ernst, dann ist dafür – bei Alberti – auch kein Platz.“ Im Proöm zum Dante-Kommentar würdigt Landino Alberti vor allem als fisico, matematico, geometra, astrologo und musico (Cardini 1974/1 p. 117,19–24). Baxandall 1974 konnte immerhin plausibel machen, dass Albertis Malereitraktat auf Landinos kunstkritische Einschätzung zeitgenössischer Maler Einfluss ausgeübt hat. Vgl. z. B. Wulfram 2001, 15–16.

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Textübernahmen festgestellt, die zumindest moderate Nutzung Albertis durch Poliziano belegen.34 Übersehen wurde bislang ein innerer Zusammenhang zwischen Albertis Malereitraktat und Polizianos Dichtungsprogramm, der direkte Beeinflussung und Rezeption wahrscheinlich werden lässt. Ausgangspunkt hierfür ist die genannte Antrittsvorlesung Polizianos, die Oratio super Fabio Quintiliano et Statii Sylvis. Hier skizzierte Poliziano seine Dichtungstheorie, die wesentlich von den beiden besprochenen Autoren beeinflusst war. An Quintilian rühmte Poliziano vor allem die Einbildungskraft:35 […] tantam etiam vim concipiendarum imaginum – quas „phantasias“ vocant – habuisse accepimus ut frequenter ita motus sit ut non solum lacrimae illum sed et pallor et vero similis dolor deprehenderent. („Wir wissen, dass Quintilian so große Kraft zu bildhaften Vorstellungen hatte – man nennt sie auch phantasiae – dass er häufig so in Bewegung geriet, dass ihm nicht nur Tränen kamen, sondern dass er bleich wurde und einen fast wirklichen Schmerz fühlte.“)

Poliziano betrachtete Statius gewissermaßen durch die Brille der quintilianischen Affektlehre, wenn er ihn im Kommentar zu den Silven, der in zeitlicher Nähe zur Antrittsvorlesung entstanden ist, wie folgt charakterisierte:36 Praeterea mirifica est virtus in hoc poeta phantasiarum concipiendarum, quas maxime ad miserationem vult Quintilianus esse accomodatas, ut scilicet ita rem ipsam ante oculos ponamus ut nullae desint circunstantiae. („Außerdem besitzt dieser Dichter ein erstaunliches Talent zu bildhaften Vorstellungen, die Quintilian vor allem zur Erregung von Mitgefühl eingesetzt sehen wollte, damit wir eine Sache so klar vor Augen stellen, dass keine Details fehlen.“)

An Statius’ Silvae gefiel Poliziano außerdem, dass die Zusammenstellung kürzerer Gedichte unterschiedlichen Inhalts eine Fülle an Themen und stilistischen Darstellungsformen, varietas und copia, zuließ.37 Das Lob der Silvae des Statius liest sich wie die ins Dichterische gewendete Bild­ theorie Albertis:38 34 Vgl. Branca 2000. 35 Pol. Or. Quint. et Stat. Sylv. p. 28,25–28 (Zollino 2016). Vgl. Quint. Inst. 6,2,36: […] pervenisse me ad aliquod nomen ingenii credo: frequenter motus sum, ut me non lacrimae solum deprenderent, sed pallor et veri similis dolor. 36 Pol. Comm. in Stat. Sylv. 2,1 (Cesarini Martinelli 1978, 436 ll. 17–20). 37 Pol. Or. Quint. et Stat. Sylv. p. 20,27–28 (Zollino 2016): argumentorum multiplicitas, dicendi varium artificium. 38 Pol. Or. Quint. et Stat. Sylv. p. 21,6–14 (Zollino 2016; Übersetzung Schönberger/Schönberger 2011).

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Nihil in illis non sagacissime inventum, non prudentissime dispositum est, nullus non tentatus locus atque excussus, unde aliqua modo voluptas eliceretur. Elocutionis autem ornamenta atque lumina tot tantaque exposuit […] ut omnia illi facta compositaque ad pompam, omnia ad celebritatem comparata videantur; tantumque abfuit quominus tam multiplici materiae omnibus locis suffecerit, ut eam quoque quasi Phidias aliquis aut Apelles insigni operis artificio superaverit. („Alles in seinen Silven [ist] höchst geistreich erfunden und kunstreich angeordnet, jeder Einfall [wurde] aufgegriffen und nicht übergangen, wenn daraus nur ein wenig Genuß zu gewinnen war. Dabei bietet Statius viele Schönheiten und Glanzlichter der Sprachgestaltung […] und so erscheint bei ihm alles prächtig gestaltet und angeordnet, alles auf Festlichkeit angelegt, und er ist seinem vielfältigen Stoff überall so gewachsen, dass er ihn wie ein neuer Pheidias oder Apelles durch überragende künstlerische Form bewältigt.“)

Was Poliziano hier skizziert, ist sein eigenes Dichtungsprogramm. An verschiedenen Stellen seines Werks findet man theoretische Vertiefungen oder poetische Ausgestaltungen der Idee, dass der Dichter durch sein ingenium, die Einbildungskraft, eine so anschauliche Dichtung hervorbringe, dass sie auf den Leser wie ein Gemälde wirke.39 Seine bevorzugte Dichtungsform waren hexametrische Silvae, die nicht durch einen Handlungsfaden, sondern durch Aneinanderreihung thematisch unterschiedlicher, bildhaft ausgeschmückter Szenen zusammengehalten wurden.40 In seinen Dichtungen, sowohl in den griechischen, den lateinischen und den italienischen, dominierte das ekphrastische Element.41 Anhand eines bekannten Beispiels lässt sich der enge Bezug der Texte Polizianos zur Kunst des ausgehenden Quattrocento sichtbar machen. Es handelt sich um die Stanze per la giostra, das italienisch verfasste Preisgedicht auf einen Ritterturniersieg Giuliano de Medicis aus dem Jahr 1475. Dort werden die Verirrungen des Jägers Iulio beschrieben, der sich in die schöne Simonetta (Vespucci) verliebt hatte, für die Giuliano ins Turnier geritten war. Am Ende des ersten Buches gibt Poliziano eine ausführliche Beschreibung des Liebesreichs der Venus, des regno di Venere.42 Dort steht der prächtige Palast der Venus, dessen Portal von ihrem Gemahl Hephaistos gefertigt und mit Bildwerken versehen wurde. Hier nun beschreibt ein Dichter die Bilder, die ein Künstler, nämlich Hephaist, geschaffen hat:43 Intorno al bel lavor serpeggia acanto, di rose e mirti e lieti fior’ contesto, con varii augei sì fatti, che il lor canto

39 Vgl. Dänzer 2018, 188–219. 40 Vgl. die vier ‚akademischen‘ Silvae Manto, Rusticus, Ambra und Nutricia sowie die Sylva in scabiem. 41 Vgl. z. B. Galand-Hallyn 1987. 42 Stanze 1,68–120. 43 Stanze 1,119 (Text nach Bausi 2016, 215; Übersetzung Vf.).

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pare udir nelli orecchi manifesto. Né d’altro si pregiò Vulcan mai tanto, né ’l vero stesso ha più del ver che questo; e quanto l’arte intra sé non comprende, la mente imaginando chiaro intende. (Um das schöne Werk herum schlängelt sich Akanthus, von Rosen, Myrten, hübschen Blumen durchwirkt, mit verschiedenen Vögeln, die so gearbeitet waren, dass ihr Gesang deutlich in den Ohren zu klingen scheint. Kein anderes Werk erfüllte Vulcan je so sehr mit Stolz, und die Wahrheit selbst ist nicht wahrer als dieses. Und was die bildnerische Kunst nicht auszudrücken vermag, das begreift deutlich die Vorstellungskraft.)

Die letzten beiden Verse sind eine pointierte Wiedergabe der Vorstellung Albertis, ein Bild könne zuweilen nur einen Affekt andeuten, damit ihn der Betrachter nachfühlend vervollständige. Polizianos hatte als literarisch gebildeter Dichter Einfluss auf die Kunst seiner Zeit genommen, weshalb sich hier der Kreis von der Malerei zur Rhetorik und zurück zur Malerei schließt. So hatte Poliziano Einfluss auf einige der bedeutendsten Werke des ausgehenden Quattrocento, indem er als philologischer Berater von Michelangelo und Botticelli fungierte.44 Letzterem hat Poliziano Szenen seiner eigenen Dichtung vermittelt und diesen so zu bildlicher Darstellung verholfen. Eine Szene, die auf dem erwähnten Portal des Hephaistos abgebildet war, hat durch Botticellis Kunst Unsterblichkeit erlangt: Die ‚Geburt der Venus‘, deren poetische Beschreibung durch Poliziano sich zu wesentlichen Teilen auf Botticellis Leinwand wiederfindet:45 […] e drento nata in atti vaghi e lieti una donzella non con uman volto, da’ Zefiri lascivi spinta a proda, gir sovra un nicchio, e par che ’l ciel ne goda. Vera la schiuma e vero il mar diresti e vero il nicchio e ver soffiar di venti; la dea negli occhi folgorar vedresti, e il ciel riderli attorno e gli elementi, L’Ore premer l’arena in bianche vesti, L’aura incresparle e crin distesi e lenti. […] 44 Vgl. Andrews 2011 (zu Botticellis Primavera); Dempsey 2020 (zu Michelangelos Centauromachia). 45 Stanze 1,99–101.

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Giurar potresti che dell’onde uscissi la dea premendo colla destra il crino, coll’altra il dolce pome ricoprissi, e stampata dal piè sacro e divino d’erba e di fior’ l’arena si vestissi; poi con sembiante lieto e peregrino dalle tre ninfe in grembo fussi accolta e di stellato vestimento involta. ([…] Und geboren wird darin eine junge Frau von reizender und fröhlicher Gestalt mit überirdischem Gesicht, und in einer Muschelschale wird sie von lüsternen Zephyren an die Küste geblasen, und es scheint, als freue sich der Himmel darüber. Wahrhaftig dürftest du den Schaum und wahrhaftig das Meer nennen, und wahrhaftig die Muschel und wahrhaftig das Blasen des Windes. In den Augen der Göttin würdest du das Funkeln sehen und den Himmel, wie er um sie lacht, und die Elemente. Die Horen wandeln am Strand in weißen Kleidern, der Windhauch kräuselt ihre gelösten, geschmeidigen Haare. […] Schwören könntest du, dass die Göttin aus den Wellen entstiegen ist, während sie mit der rechten Hand ihr Haar hält, und dass sie mit der linken ihre zarte Brust [wörtlich: ihren süßen Apfel] verbarg, und dass der Sand, von ihrem heiligen und göttlichen Fuß berührt, sich in eine Blumenwiese kleidete. Sodann, dass sie in fröhlicher und übermenschlicher Erscheinung von den drei Nymphen in Empfang genommen und in ein Sternenkleid gehüllt wurde).

Von besonderem Interesse ist hier das Element des Zephyr, der die Haare der Venus und Gewand und Tuch der sie empfangenden Nymphe bewegt. Alberti hatte in De pictura geraten, eine Personifikation des Windes pustend in eine Ecke des Gemäldes zu setzen, damit der Wurf der panni, der Tücher, anmutig und dynamisch würde.46 Das Spiel des Windes mit den Gewändern und die daraus resultierende scheinbare Nacktheit, die Alberti direkt im Anschluss thematisiert, stimmt auch zur Darstellung der Frauengruppe in Botticellis Primavera.47 Die drei ‚Schwestern‘ in durchsichtigen Kleidern sind in Albertis Traktat ebenfalls präfiguriert, wo sie als Aegle, Euphronesis und Thalia identifiziert und als Abbild der Freigebigkeit (Liberalitas) gedeutet werden.48 46 47 48

Pict. lat. 45: Iam vero cum pannos motibus aptos esse volumus, cumque natura sui panni graves et assiduo in terram cadentes omnes admodum flexiones refugiant, pulchre idcirco in pictura Zephiri aut Austri facies perflans inter nubes ad historiae angulum ponetur, qua panni omnes adversi pellantur. Pict. lat. 45: Ex quo gratia illa aderit ut quae corporum latera ventus feriat, quod panni vento ad corpus imprimantur, ea sub panni velamento prope nuda appareant. A reliquis vero lateribus panni vento agitati perapte in aera inundabunt. Pict. lat. 54: Quid tres illae iuvenculae sorores, quibus Hesiodus imposuit nomina Egle, Euphronesis atque Thalia, quas pinxere implexis inter se manibus ridentes, soluta et perlucida veste ornatas, ex quibus

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Man hat Botticellis Bilder in der Forschung mit platonischen und christlichen allegorischen Interpretationen nur so überhäuft. Die Autorität Ernst Gombrichs begründete eine lange Tradition metaphysischer Sinnsuche.49 Vergessen wurde dabei das augenfällige, unmittelbare Moment der Bildwirkung, das dem zeitgenössischen Betrachter offenbar auch eine ganz irdische voluptas verschaffte: Botticellis Venus, „der erste annähernd lebensgroße Akt der neuzeitlichen Malerei“,50 wurde von den Florentiner Zeitgenossen offenbar als äußerst erotisch empfunden. Dies geht hervor aus einer Welle an Auftragsarbeiten, die Botticelli und seine Werkstatt in der Folge für reiche Florentiner anfertigten. Giorgio Vasari zufolge habe Botticelli zu dieser Zeit in Florenz „eine ziemliche Anzahl“ nackter Frauen gemalt.51 Das unmittelbare Erleben eines Bildvorgangs, das Quintilian für die Rhetorik theoretisch beschrieb, verfestigte sich im Laufe des Quattrocento zu einer zentralen ästhetischen Idee, die auf Kunsttheorie (Alberti), Dichtung (Poliziano) und Malerei (Botticelli) wirkte. Der neue Ansatz zeigt sich insbesondere im Vergleich mit Cenninis spätmittelalterlicher Vorstellung der Malerei als Gottesdienst oder mit Landinos allegorischer Dichtungsauffassung. Quintilians Institutio oratoria hat also nicht augenblicklich, im Moment ihrer Entdeckung, eine greenblattsche Wende des Denkens herbeigeführt. Aber sie hat dazu beigetragen, dass sich der Blick auf Kunst und Literatur im Laufe eines Jahrhunderts geändert hat. So hat die Ästhetik des ausgehenden Quattrocento, die auf die unmittelbare emotionale Ergriffenheit des Betrachters zielt, in Albertis De pictura ihr Gründungsdokument gefunden. Literaturverzeichnis Ames-Lewis 2002: Francis Ames-Lewis: Neoplatonism and the Visual Arts at the Time of Marsilio Ficino, in: Michael Allen, Valery Rees (ed.): Marsilio Ficino: His Theology, his Philosophy, his Legacy, Leiden-Boston-Köln 2002, 327–338. Andrews 2011: Lew Andrews: Botticelli’s Primavera, Angelo Poliziano, and Ovid’s Fasti, in: Artibus et Historiae 63, 2011, 73–84. Batkin 1981: Leonid M. Batkin: Die italienische Renaissance. Versuch einer Charakterisierung eines Kulturtyps, Basel-Frankfurt a. M. 1981.

liberalitatem demonstratam esse voluere, quod una sororum det, alia accipiat, tertia reddat beneficium; qui quidem gradus in omni perfecta liberalitate adesse debent. Die antike Quelle hierfür ist Sen. Benef. 1,3,2–6 (vgl. Bätschmann/Schäublin 2011, 297). Zu den Einflüssen auf Botticelli vgl. Zöllner 1997b, 131: „Zudem stellte Warburg fest, daß Botticellis Gestaltung leicht bekleideter Nymphen mit Beschreibungen ähnlicher Motive in Ovids Metamorphosen, Leon Battista Albertis Malereitraktat und den Dichtungen Angelo Polizianos verwandt ist und daß der Auftraggeber für das Gemälde im Kreis des Lorenzo de’ Medici il Magnifico zu vermuten sei.“ 49 Gombrich 1945. Zur Geschichte der neuplatonischen Bilddeutungen vgl. Ames-Lewis 2002. 50 Zöllner 2005, 132. 51 Hierzu Körner 2006, 257–258, wo einige Werkstattarbeiten abgebildet sind.

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Der ästhetische Blick des Quattrocento

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Copia et varietas Albertis instruktives Binärsystem Gregor Schöffberger Idcirco sic consulo poetis atque rhetoribus caeterisque doctis litterarum sese pictor studiosus familiarem atque benivolum dedat, nam ab eiusmodi eruditis ingeniis […] ornamenta accipiet optima. (Daher rate ich dazu, dass ein lernwilliger Maler sich mit Dichtern, Rhetoren und den übrigen Gelehrten vertraut mache und ihnen Wohlwollen entgegenbringe, denn von derlei gebildeten Geistern […] wird er die besten Sujets bekommen können; Pict. lat. 3,54).

Diesen Rat erteilt Alberti den Malern für das Auffinden geeigneter Sujets und es nimmt uns nicht Wunder, dass er ihn in Hinblick auf die Struktur seines Traktats auch selbst befolgt. Denn eine gewisse, ich möchte sagen: subtile Rhetorisierung durchzieht sämtliche drei Bücher von De pictura. Freilich wird man bei der Lektüre nicht umhin können, Albertis nicht eben rustikalen Stil zu bemerken, und seine oft komplexen Satzstrukturen wahrnehmen, doch zielt mein Beitrag auf etwas anderes ab: Den, wie ich glaube, gezielten Einsatz von binären Wortstrukturen. Zwar hat man bisher mehrmals auf die Albertis Werk zugrunde liegende quintilianische Struktur hingewiesen,1 das heißt darauf, dass Alberti Maßstäbe für rhetorische Strukturen,2 wie sie der Orator anwenden soll, für die Malerei übernimmt und den Malern eine analoge Komposition anempfiehlt,3 eine Untersuchung der rhetorischen Sprache Albertis innerhalb von De pictura selbst ist allerdings meines Wissens bisher

1

Aurenhammer 2005, 28; Bätschmann 2017, 257–258; Patz 1986, 270–272; Wright 1984, 59; 2010, 66–67. 2 Alberti übernimmt die rhetorischen Begrifflichkeiten der conpositio (Pict. lat. 2,33–39), inventio (3,53–54) und setzt sein ‚Endprodukt‘ malerischer Produktion, die historia (2,35; 2,40–45), analog zur oratio. 3 S. Baxandall 1971, 129–133, bes. 131; 1988, 135–137.

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nicht unternommen worden.4 Ich möchte mich diesem Unterfangen deshalb widmen, weil ich darin eine durchgängige Linie auf sprachlicher Ebene erkenne, die einen konkreten Zweck verfolgt, nämlich der Malerei in Literatenkreisen zu höherem Ansehen zu verhelfen. Eine umfassende Beschäftigung mit Quintilian schon in jungen Jahren können wir für Alberti mit Sicherheit annehmen:5 Während seiner Ausbildung bei Gasparino Barzizza 1415 bis 1418 in Padua wird er sich mit der 1416 frisch entdeckten Institutio oratoria ebenso beschäftigt haben wie mit Ciceros rhetorischen Schriften.6 Auch eine Kenntnis der Rhetorica ad Herennium ist wahrscheinlich, die das gesamte Mittelalter7 hindurch und bis in die frühe Neuzeit gemeinsam mit De inventione als ein Werk Ciceros rezipiert wurde; erst 1491 erbringt Raphael Regius den Beweis, dass Cicero nicht der Autor war.8 Es ist also davon auszugehen, dass Alberti um das Prinzip der elocutio, also der systematischen Ausgestaltung der Rede, bestens Bescheid wusste, und schon ein oberflächlicher Blick auf seine drei Bücher De pictura genügt, um diese Vermutung zu bestätigen. Im Speziellen lässt sich eine zunächst mehr oder weniger unauffällige, gleichzeitig aber quantitativ dominante Verwendung rhetorischer Zwillingsformeln ausmachen, die das Werk durchziehen,9 ein Gebrauch, der seinerseits als Rezeption ciceronischer Reden gewertet werden kann.10 Diese Zwillingsformeln lassen sich meiner Ansicht nach, was ihre rhetorische Wirkung anbelangt, in zwei Kategorien scheiden, wie im Folgenden sichtbar sein wird. Zunächst eine Bestandsaufnahme:

4

Freilich gibt es auch Gegenstimmen, die diese Anleihen an Quintilian infrage stellen, s. dazu den Beitrag von Arnulf aus diesem Band. Wright 1984, 63 vertritt selbst nicht die Meinung, Alberti sei Quintilian in allen Teilen seiner Ausführungen gefolgt; ebenso bemerkt Bätschmann 2011b, 319: „Doch ist überall zu erkennen, dass Alberti nicht schematisch eine Vorgabe befolgt.“ Jarzombek 1990, 278–284 sieht in Albertis Unterteilung einen Reflex auf mittelalterliche Distinktionen, wie sie in Anlehnung an Galen etwa von Hugo v. St. Victor oder Averroes vorgenommen wurden. 5 Zur Rezeption Quintilians im italienischen (Früh)humanismus s. Classen 2003, Dreischmeier 2017 sowie den Beitrag von Dänzer in diesem Band. 6 Aurenhammer 2005, 27; Grafton 2001, 39–42; Marsh 1999, 27; Spencer 1957, 30; Wright 1984, 68–69. 7 Dort freilich zu großen Teilen in Form selbstständiger Rhetoriken, bes. Figurenlehren, die sich jedoch hauptsächlich aus der Rhetorica ad Herennium speisen, etwa den Colores Rhetorici des Onulf von Speyer, des De ornamentis verborum des Marbod von Rennes sowie der Poetria nova des Galfrid von Vinsauf; s. Worstbrock 2010, 1304–1305. 8 Leidl 2010, 214–217; von Albrecht 2012, 495 Anm. 1. 9 Aufgrund der uneinheitlichen Terminologie innerhalb der rhetorischen Figurenlehre (genauer unten) bediene ich mich dieser Bezeichnung gemäß der Definition als „phraseologische, nicht satzwertige Verbindung aus zwei Wörtern derselben Wortart […] die vor allem durch Synonymie oder Antonymie aufeinander bezogen sind“ (Hofmeister 2009, 1584). 10 Dazu von Albrecht 1973, 1303–1304.

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Copia et varietas

Tab. 1 Auftreten der Zwillingsformen in den einzelnen Büchern von De pictura (Paragraphenzahlen in Klammer). Buch 1 compta et ornata (22)

Buch 2

Buch 3

omnem operam et studium (25)

studio et assiduitate (55)

admiratione ac voluptate (25)

gratiam et vim (56)

in summa laude et honore (27)

perspicua ac celeberrima (62)

tanta in laude et honore (28)

commodum atque utilitatem (63)

omni opera et diligentia (29)

praestantissima et dignissima (63)

concinnitas et gratia (35)

perfectam atque absolutam (63)

formosam et venustam (35) gratia et pulchritudo (35) omni cogitatione et cura (35) venustas et gratia (37) omne pictoris ingenium et laus (39) laudare et admirari (40) amenam et ornatam (40) copia et varietas (40) dignitate et verecundia (40) gravem atque moderatam (40) modestiam et verecundiam (40) ratio et modus (43) gratia et lepore (44) suaves et gratos (44) gratia et amenitate (48) venustatem et pulchritudinem (48) gratiam et venustatem (48)

Die hier ersichtlichen Zwillingsformeln stellen, wie gesagt, nicht die einzige Form der Rhetorisierung des Textes von De pictura dar, sind in ihrem Umfang jedoch auffällig, wenngleich sie, wie soeben angedeutet, beim Lesen oft sehr unauffällig daherkommen, vielleicht deshalb, weil sie sich mit Sprichwörtern assoziieren lassen, deren „hohe Frequenz und grundlegende Binärstruktur“11 wir gewohnt sind. Sind diese Zwillingsformeln nun bloß schmückendes Beiwerk oder verfolgen sie einen konkreten Zweck?

11

Hofmeister 2009, 1584.

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Im Brutus (184–185) schreibt Cicero, man könne einen Redner danach beurteilen, was er durch seine Redetätigkeit bewirke, und dass es drei Dinge gebe, die durch die Rede bewirkt werden müssen: dass das Publikum belehrt, unterhalten und innerlich bewegt werde; ut doceatur is, apud quem dicetur, ut delectetur, ut moveatur vehementius (185). Diese Definition der Zweckmäßigkeit einer Rede könnte man nun gemäß der schon angesprochenen Analogie auf die Malerei umlegen, ich möchte den Blick jedoch darauf lenken, dass, so scheint mir, Alberti mit De pictura selbst jene drei Kriterien zu erfüllen versucht hat: Seine Ausführungen und elaborierten Prinzipien informieren, seine in der Antike verhafteten Mikronarrative unterhalten,12 die gegebenen Exempla der Malerei und sein passioniert vorgetragenes Pladoyer für dieselbe bewegen uns beim Lesen. Ohne den Diskurs darüber, welcher Gattung man Albertis De pictura zuordnen möchte,13 hier erneut zu führen, sei diesbezüglich Folgendes festgehalten: Wenn man den kunsttheoretischen Ansatz, den Alberti wenigstens teilweise verfolgt,14 nicht in Abrede stellt, so gilt für ihn insbesondere, was man für die antike Kunsttheorie allgemein konstatieren kann, nämlich dass sie „analog zur Rhetorik als von Anbeginn persuasiv verfahrende Lehre vorzustellen“15 ist. Die immense Rhetorisierung, die Alberti seinem Werk zuteil werden lässt – eine Rhetorisierung, deren aus der antike hergebrachte Terminologie mit Alberti im Übrigen konstitutiv wurde –,16 kann bei aller Ambiguität von Genuszugehörigkeit oder intendierten Adressaten nicht wegdiskutiert werden und bleibt eine der textimmanenten Konstanten, ja vielleicht die stärkste. Die oben genannten Zwillingsformeln müssen meines Erachtens die Frage nach einer Distinktion zwischen zwei rhetorischen Figuren (einer verbalen und einer gedanklichen)17 aufwerfen, zu denen sie sich jeweils zuordnen lassen. Als rhetorische Figur bezeichnet werden im Allgemeinen sprachliche, jedoch nicht grammatisch motivierte Gestaltphänomene.18 Der Gebrauch der Begriffe Hendiadyoin und Tautologie erfolgt (besonders in oftmals gefährlich oberflächlicher Schulliteratur) häufig unre-

12 13

14 15 16 17 18

S. dazu den Beitrag von Wolkenhauer in diesem Band. Ich verweise hier nur exemplarisch darauf, dass De Pictura, obwohl gemeinhin gern als Traktat bezeichnet, für diese Bezeichnung die entsprechende Systematik fehlt, und möchte den Fokus auf Albertis eigene Definition richten, der davon spricht, knappe Kommentare über die Malerei verfassen zu wollen: de pictura his brevissimis commentariis conscripturi (Pict. lat. 1,1) bzw. scrivendo de pictura in questi brevissimi comentari (Pict. volg. 1,1). Schon Wright 1984, 52 sowie 70 weist darauf hin, dass Alberti gar nicht die Qualifikation besaß, einen echten Malereitraktat zu schreiben, da er selbst nur ein Amateur mit begrenzter Erfahrung war; s. dazu ebenfalls Bätschmann 2017, 262; Hope 2001, 264. Wright 1984, 53. Koch 2019, 676. S. ebenso Landfester 2014, 495–496. Landfester 2014, 497. Diese Distinktion bei Cic. De orat. 3,200 (mit dem Verweis, dass die Gedankenfiguren höherwertig seien, in Orat. 136) sowie Quint. Inst. 9,1,17. Knape 1996, 290.

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flektiert und scheint einer klaren, terminologischen Distinktion zu entbehren, weil sie deckungsgleich verwendet werden; auf Nachfrage, wozu es zwei derart verschiedenlautende Bezeichnungen bräuchte, wenn beides nicht voneinander zu trennen wäre, folgen nur unbefriedigende Antworten. Die mangelnde Einheitlichkeit in der Definition eines Hendiadyoin sollte uns dabei vor einer Abgrenzung zur Tautologie nicht zurückschrecken lassen; entsprechende Ansätze dürften dabei im sonst die rhetorische Figurenlehre enthusiastisch als Lerninhalt mit Selbstzweck heranziehenden pädagogischen Bereich keine Breitenwirkung erzielt haben. Einer dieser Ansätze sei hier wiedergegeben und lautet, dass ein Hendiadyoin „ein Epithet“ sei, das „durch Nominalisierung […] und syndetisch parataktische Beifügung in seiner Bedeutung aufgewertet wird.“19 Unabhängig von der zur Diskussion gestellten Möglichkeit einer bloßen Scheinexistenz des Hendiadyoin verdient jene Restriktion in Hinblick auf Alberti besonderes Augenmerk, dass die in Beziehung zueinander stehenden Begriffe keine Synonyme sein dürfen, da es sonst, wie oben angedeutet, den Terminus nicht bräuchte.20 Das Hendiadyoin ist in seiner semantischen Funktion jedoch nicht redundant, seine beiden Bestandteile zur Bezeichnung eines ungeteilten Signifikats notwendig. Dies wird deutlich, wenn man es als zwei Begriffe betrachtet, „die unabhängig von einander Geltung haben, sich aber gegenseitig individualisierend zu einem ungeteilten Begriff zusammenschließen.“21 Auch abgesehen von der Divergenz der Definitionen lässt sich mithin eine befriedigende Abgrenzung von tautologischen Strukturen vornehmen.22 Diese sind als „verschiedene Arten wörtlicher oder sinngemäßer Wiederholung“23 fassbar, wobei die Definition24 ähnlich uneinheitlich wie die des Pleonasmus ist. Die bei Alberti fassbaren Strukturen lassen sich am ehesten als formelhafte, idiomatische Junkturen des Typs „Recht und Gesetz“ oder „einzig und allein“ verstehen, die letztlich natürlich eigentliche Sinnredundanzen darstellen; dies kommt Quintilians Definition als Wiederholung desselben Begriffs oder derselben Aussage, eiusdem verbi aut sermonis iteratio (Inst. 8,3,50), am nächsten. Eine Deutung der Tautologie als explikatives Phänomen, wie sie im Anschluss an Quintilians weitgefasstes Verständnis stattgefunden hat,25 passt zu einem der von mir hervorgehobenen Beispiele bei Alberti (s. u.). 19 20 21 22

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Von Möllendorff 1996, 1344. Von Möllendorff 1996, 1346–1347. Von Möllendorff 1996, 1347. Die durch von Möllendorff (1996, 1346–1347) getroffene Bestimmung mittels einer notwendigen Gegebenheit der Subordination, die als Kriterium für das Vorliegen eines Hendiadyoin zu gelten habe, schließt die von ihm als Synathroismus interpretierten deutschen Wendungen wie „weinen und klagen“ oder „Kind und Kegel“ aus, die ich – aufgrund der teils nur marginalen Synonymie („Kegel“ im genannten Beispiel zur Bezeichnung unehelicher Kinder; „Hab und Gut“ als Distinktion zwischen beweglichem und Immobilienbesitz) – zum Hendiadyoin zählen würde. Staab 1996, 452. Zu Quintilians Verständnis von Tautologie als Wortfigur s. weiter unten. Staab 1996, 453–454.

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Definitionsunabhängig begreife ich diese Begriffspaare in ihrer Zweckmäßigkeit als zielgerichtete elocutio. Dazu sagt Quintilian (8,1,1–2): igitur quam Graeci φράσιν vocant, Latine dicimus elocutionem. Ea spectatur verbis aut singulis aut coniunctis. In singulis intuendum est, ut sint Latina, perspicua, ornata, ad id, quod efficere volumus, accommodata: in coniunctis, ut emendata, ut conlocata, ut figurata. (Folglich bezeichnen wir im Lateinischen das, was die Griechen φράσιν nennen, als ‚sprachliche Ausgestaltung‘ [elocutio]. Dabei liegt der Fokus entweder auf einzelnen oder auf zusammengesetzten Begriffen. Bei einzelnen Begriffen ist darauf zu achten, dass sie echt lateinisch, verständlich, ausgestaltet und dem angestrebten Zweck angepasst sind; bei den zusammengesetzten darauf, dass sie fehlerfrei und an passender Stelle gesetzt sind und eine Redefigur bilden.)

Wortverbindungen sollen also an passender Stelle gesetzt sein und außerdem eine stilistische Figur erzeugen. In seiner folgenden, eingehenderen Betrachtung der Stilmerkmale einer Rede stellt Quintilian aber dem gewählten Wortschmuck noch ein Prinzip voran, nämlich die perspicuitas, die Verständlichkeit: nobis prima sit virtus perspicuitas, propria verba (8,2,22), „als wichtigste Tugend begreifen wir die Verständlichkeit, also eigentliche Begrifflichkeiten.“ Parallel dazu fordert der Auctor ad Herennium die Einhaltung dreier Kriterien, die eine angemessene und vollkommene sprachliche Ausgestaltung (elocutio commoda et perfecta) erfüllen müsse, nämlich Gewähltheit, Anordnung und Exzellenz des Ausdrucks; elegantia, conpositio und dignitas (Ad Her. 4,17). Diese werden jeweils durch subordinierte Prinzipien definiert: elegantia setze sich zusammen aus gutem Latein, Latinitas,26 und Klarheit, explanatio. Letztere wiederum sei es, die eine Rede verständlich (apertam et dilucidam) mache, und das geschehe durch Anwendung von gebräuchlichen und eigentlichen Termini (usitatis verbis et propriis). Unter conpositio verstehe man die verborum constructio aequabiliter perpolita, also eine – im Gegensatz zu den im Folgenden gebotenen Negativbeispielen von Vokal-, Konsonanten- und Worthäufungen –27 auf klangliche Harmonie abzielende Konstruktion. Die dignitas schließlich führe dazu, dass eine Rede sich durch Abwechslungsreichtum abhebe (varietate distinguens) und unterteile sich wiederum in verborum und in sententiarum exornationes. Diese Distinktion in Wort- und Gedankenfiguren trifft auch Cicero (De orat. 3,200 sowie Orat. 136).

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Den ‚echten lateinischen Ausdruck‘, also mit den Worten des Auctor ad Herennium den sermonem […] ab omni vitio remotum (Rhet. Her. 4,17), setze ich im Rahmen seines zeitgenössischen literarischen Umfelds für Alberti im Folgenden voraus und bespreche ihn nicht näher. Eine umfassende Analyse von Albertis literarischem Stil, mithin seiner Nähe oder Distanz zu klassischem Latein, ist leider bis heute ein dringendes Desiderat geblieben. Auch solcherlei vitia konnte ich für Albertis De Pictura nicht feststellen.

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Werfen wir einen Blick darauf, welche dieser Prinzipien in De pictura ihren Niederschlag finden. In Kapitel 1,22 behauptet Alberti, im Sinne der Verständlichkeit seines Texts habe er darauf geachtet, dass sein Duktus verständlich sei und weniger stilistisch ausgefeilt; dum imprimis volui intellegi, id prospexi ut clara esset nostra oratio magis quam compta et ornata. Damit folgt er zwar den oben knapp skizzierten rhetorischen Prinzipien, wie sie Cicero, der Auctor ad Herennium und Quinilian dargelegt haben, die Aussage steht aber der Tatsache entgegen, dass das gar nicht (oder wenigstens nicht an allen Stellen) der Fall ist. Albertis Sprache ist nämlich an weitaus mehr Stellen compta et ornata, als sie sein müsste – in Hinblick auf die oben zusammengestellten Zwillingsformeln nämlich an allen bis auf drei. Alberti beruft sich also auf das Prinzip der perspicuitas bzw. der explanatio, welche beide durch den Gebrauch von propria verba ermöglicht werden, und stellt jenes der dignitas plakativ hintan. Und tatsächlich folgt Buch 1 mit seinen mathematischen Definitionen (Punkt, Linie, Fläche, Umfang, Sehstrahlen etc.) ganz offensichtlich dem Ideal der klaren, verständlichen Darstellung. Dazu passt es, dass wir von den oben aufgeführten Zwillingsformeln nur eine einzige darin finden, und zwar am Ende der mathematischen Ausführungen und am Übergang zu Buch 2; man könnte die Formel dort als autoexegetisches Signal verstehen (der Verweis auf Wortschmuck ist selbst als Wortfigur realisiert), das solche Phänomene für den kommenden Teil der Abhandlung (indirekt) ankündigt. Denn in diesem ersten Teil geht es ja zunächst darum, der Malerei ein (möglichst) systematisches Fundament zu schaffen, das ihr den Status einer ars liberalis ermöglicht (s. dazu weiter unten). Die folgenden Kapitel, die sich mehr dem Maler und dem Kunstwerk widmen, sind stärker rhetorisiert – und das mit gutem Grund. Sie sollen Literaten ansprechen, vielleicht Maler zur oberflächlichen Beschäftigung mit Literatur animieren; wir lesen darin zahlreiche Narrative aus dem Mythos und Anekdotenschatz der Antike; die Malerei wird literarisiert, wird zu etwas, worüber man sprechen, fachsimpeln kann, woran man stilistische Phänomene beobachten kann wie sonst an Versen aus Vergil.28 Demgemäß zielen, so glaube ich, die Zwillingsformeln in dieser ihrer Fülle darauf ab, Aufmerksamkeit zu erregen und dem Lesepublikum in Erinnerung zu bleiben. Denn sie sind in Hinblick auf Mnemotechnik sicherlich kein ungeeignetes Mittel, wie ja nicht zuletzt gerade auch für Werbetexte appellativ verwertbare, leicht decodierbare Strukturen verwendet werden, die mnemotechnischen Wert haben. Die memoria, also das Gedächtnis bzw. Erinnerungsvermögen, nimmt die vierte und vorletzte Position der quinque officia oratoris ein (Rhet. Her. 3,28–40; Cic. De orat. 2,85; Inv. 1,9; Quint. Inst. 3,3,1–2; 11,2,1–51); freilich geht es in den Rhetorikwerken um das Memorieren der Rede durch den Orator, sodass er diese frei vorzutragen imstande ist. Entsprechende Maßgaben finden sich in unterschiedlicher Ausführlichkeit:29 Cicero (De orat. 2,354–360)

28 29

S. dazu den Beitrag von Wulfram in diesem Band. Zusammengestellt sind die antiken Darstellungen in Müller 1996, 15–36.

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sagt nur wenig dazu; Quintilian (Inst. 11,2,17–31) erläutert eine Technik, die Memoranda zum Einprägen mit loci verknüpft, nachdem er die Anekdote über Simonides wiedergegeben hat, der den Hinterbliebenen einiger Gäste bei einem Festmahl, die durch das einstürzende Dach zu Tode kamen und nicht mehr identifiziert werden konnten, zu helfen imstande gewesen sei, da er sich die Sitzplätze der Todesopfer an der Tafel eingeprägt habe (11,2,11–16). Detailliert beschreibt diese Technik die Rhetorica ad Herennium (3,28–40) – aus Sicht der Renaissance also abermals Cicero: Die Gedächtnisleistung beruhe auf der Verknüpfung von Örtlichkeiten mit Begriffen; die Abbilder jener Gegenstände, die man sich einprägen wolle, seien geistig auf klar umgrenzten, auffallenden (und daher leicht zu merkenden) Orten anzubringen, sodass sie von dort später wieder abgerufen werden können. Eine notwendige Bedingung dafür sei die unabänderliche Reihenfolge der Orte, die dafür garantiere, dass bei der Wiedergabe der Begriffe von jedem beliebigen Punkt innerhalb der Reihe ausgegangen werden könne. Die Orte sollen möglichst verschiedenartig sein, um Verwechslungen vorzubeugen, nicht zu weit voneinander entfernt sein und, wenn es sich um tatsächliche Plätze handelt, nicht zu hell, nicht zu dunkel und nicht zu stark frequentiert. Die Begriffe sollen nach der Maßgabe der Ähnlichkeit in zweifacher Hinsicht ausgewählt werden: dem Sachverhalt nach einerseits, andererseits der Formulierung bzw. dem verbalen Ausdruck nach; außerdem sollen sie auffallend und herausragend sein. Die beiden in diesem Zusammenhang angeführten Beispiele (die Visualisierung eines mit Erbschaft motivierten Giftmords sowie die Aufspaltung eines Verses in verschiedene, phonetisch ähnliche Einzelbilder) sind aus heutiger Sicht äußerst unbefriedigend; auf die mangelnde Praktikabilität dieses Systems hat Friedhelm Müller ausführlich hingewiesen.30 Nichtsdestoweniger rekurrieren die mnemotechnischen Werke des Mittelalters31 größtenteils auf diese Praxis der Gedächtnisorte oder arbeiten (weitaus sinnvoller) mit Merkwörtern und – noch beliebter – Merkversen.32 Umgekehrt wird man jedoch für gezielt angewandte rhetorische Figuren Einprägsamkeit bei den Rezipienten veranschlagen müssen; so sagt auch Quintilian (Inst. 8,3,5): Sed ne causae quidem parum conferet idem hic orationis ornatus. Nam qui libenter audiunt, et magis adtendunt et facilius credunt, „doch sogar bei einem Plädoyer wird dieser unser Redeschmuck einiges leisten, denn wer gerne zuhört, der passt auch besser auf und wird leichter überzeugt.“ Im zweiten Kapitel des elften Buches, das der memoria des Orators gewidmet ist, heißt es weiter, für das Memorieren von Inhalten seien die Aufteilung und die jeweilige Fügung besonders relevant – valent […] in iis […] continendis prope solae […] divisio et compositio (11,2,36) –, zwei Gestaltungsmerkmale, die man durchaus auf Albertis markanten Einsatz von Zwillingsformeln beziehen 30 Müller 1996, 37–70. 31 S. Seelbach/Kemper 2019, IX–XV. 32 Dazu Ernst 1993, 81–85; Hajdu 1936, 46–56.

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kann. Sie sind bewusst komponiert, und was gut gefügt ist, wird leichter behalten: quae bene composita erunt, memoriam serie sua ducent (11,2,39). Cicero spricht passenderweise von den lumina orationis und empfiehlt dem Redner reichlichen Gebrauch davon, da sie der Rede großen Schmuck verleihen und wie Ziergegenstände auffällig hervorstechen: quasi lumina magnum afferunt ornatum orationi […] appellantur insignia, non quia sola ornent, sed quod excellant (Orat. 134). Im Falle Albertis geht es also nicht so sehr darum, dass angehende Maler sich ihre durch Naturbeobachtung gewonnenen Sujets einprägen (was sicher von Vorteil ist), also nicht etwas, was sie – wie ein Orator – selbst konzipieren, sondern die Prinzipien, die sie für deren Umsetzung erst benötigen und die in den von Alberti gegebenen Binärstrukturen prägnant fassbar werden. Die dafür zentralste – weil Albertis Einsatz von Zwillingsformeln geradezu legitimierende – Aussage ist diejenige, Dinge würden sich dann einprägen, wenn sie wiederholt aufgenommen würden wie eine wiedergekäute Speise: saepius revolvendi et quasi eundem cibum remandendi (Quint. Inst. 11,2,41); durch die häufige Lektüre derlei Junkturen bleiben sie im Gedächtnis haften: nec est mirum magis haerere animo, quae diutius adfixa sint (11,2,44).33 Insofern also die memoria ein Bestandteil der Rhetorik bildet, so müssen wir sie analog dazu auch als Bestandteil der Malerei fassen: Wie die Komposition eines Bildes den Aufbau einer Rede parallelisiert, so auf einer weiteren Ebene auch das Memorieren der diesem Kompositionsvorgang zugrunde liegenden Prinzipien das Auswendiglernen des Vortrags. Diesem Zweck dient die von Alberti mehrfach als Redeschmuck gebrauchte Zwillingsformel, die er aber stellenweise als Mittel konkreter Definition eines für den Malprozess relevanten Phänomens umfunktioniert (s. u.). Zwar fordert Quintilian in Hinblick auf das Ideal der gebotenen Kürze einer Rede ein, man solle nicht mehr sagen, als notwendig (nos autem brevitatem in hoc ponimus, non ut minus, sed ne plus dicatur, quam oporteat; 4,2,43) und bezeichnet iterationes und ταυτολογίας (als solche würde ich die oben dargestellten Zwillingsformeln in diesem Zusammenhang auffassen wollen) als zu meidende Schnitzer, vitia refugienda (ibd.), gleichzeitig schreibt er aber vor, auch diese Kürze dürfe nicht gänzlich ohne stilistische Ausschmückung sein, da sie sonst ungebildet wirke, non inornata debet esse brevitas, alioqui sit indocta (4,2,46), und räumt 33

Schon Aristoteles bemerkt, dass eine Erinnerung sich durch ständiges Wiedererinnern einpräge: αἱ δὲ μελέται τὴν μνήμην σῴζουσι τῷ ἐπαναμιμνήσκειν (Aristot. Mem. 451a12–13). Mögen Cicero, die Rhetorica ad Herennium und Quintilian für Alberti auch die in diesem Zusammenhang hauptsächlich prägenden Quellen gewesen sein, so ist es durchaus denkbar, dass Aristoteles’ Überlegungen ihm bekannt waren, ‚direkt‘ in einer der lateinischen Übersetzungen wie der Jakobs von Venedig oder Wilhelms von Moerbeke oder etwa bei Albertus Magnus, der in seinem (titelgleichen) Traktat De memoria et reminiscentia die aristotelische Schrift paraphrasiert und kommentiert (und in tr. 2 cap. 2, 33–40 festhält, dass zwar einerseits besondere, herausragende Dinge wie eine einmalige delectatio vehemens oder eine abominatio vehemens stark im Gedächtnis verhaftet bleiben, aber ebenso durch Wiederholung Gewohntes einen tiefen und daher bleibenden seelischen Eindruck hinterlässt: erit similiter consuetudo ex saepe movendo profundum motum faciens in anima et diu manens).

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ein, es sei besser, wenn bei einer Rede Überfluss herrsche als Mangel, satiusque aliquid narrationi superesse quam deesse (4,2,44), und, ganz entscheidend, dass auch eine Tautologie als bewusst eingesetzte Figur gelten könne, wenn sie von einem Verständigen eingesetzt werde, cum a prudentibus fit, schema dici solet […] ταυτολογία (8,3,50) – wir können, denke ich, Alberti in Hinblick auf seine stilistisch-kompositorischen Fähigkeiten ohne Weiteres zu diesen prudentes zählen. Das schema, dessen Alberti sich bedient, besteht aber nun nicht ausschließlich darin, seinen Text mit einer Synonymik austauschbarer Termini zu unterfüttern, die Literaten durch ihre klangliche Zier in Erinnerung bleiben und dadurch gedanklich oder im Dialog mit anderen Dilettanten reproduzierbar werden: Vielmehr spricht er gerade durch den inhomogenen Einsatz von Zwillingsformeln das Kritikvermögen der Rezipienten an, die in der Lage sein müssen, zu beurteilen, ob eine tatsächliche Synonymik oder eine bloße Bedeutungsähnlichkeit vorliegt. Die Binärstrukturen concinnitas et gratia (Pict. lat. 2,35), copia et varietas (2,40) und venustatem et pulchritudinem (2,48) sind nämlich gerade keine Tautologien im Wortsinn, sondern erläutern drei Wirkprinzipien der Malerei, die sich jeweils auf zwei Ebenen bzw. in zwei Teilbereichen niederschlagen. Den Effekt, der bei der korrekten Komposition von Körpern eintritt, beschreibt Alberti folgendermaßen (Pict. lat. 2,35): Ex superficierum compositione illa elegans in corporibus concinnitas et gratia extat, quam pulchritudinem dicunt. Nam is vultus qui superficies alias grandes, alias minimas, illuc prominentes, istuc intus nimium retrusas et reconditas habuerit, quales in vetularum vultibus videmus, erit quidem in aspectu turpis. In qua vero facie ita iunctae aderunt superficies ut amena lumina in umbras suaves defluant, nullaeque angularum asperitates extent, hanc merito formosam et venustam faciem dicemus. Ergo in hac superficierum compositione maxime gratia et pulchritudo perquirenda est. (Auf der Zusammensetzung der Oberflächen beruht jene gewählte Stimmigkeit und die daraus resultierende Anmut, die wir bei Körpern finden und die gemeinhin als Schönheit bezeichnet wird. Denn ein Gesicht, das mal gewaltige, mal ganz kleine Flächen aufweist, hier hervorragende, dort viel zu eingefallene und hohle, wie wir sie im Antlitz alter Frauen sehen können, wird freilich in seinem Anblick hässlich sein. Ein Gesicht dagegen, das derart miteinander verknüpfte Flächen besitzt, dass das Licht angenehm in feine Schattierung überfließt, und das keine harschen Winkel hat, werden wir verdientermaßen schön und ansehnlich nennen. Folglich muss man bei der Komposition von Flächen ganz besonders nach Anmut – das heißt in diesem Zusammenhang: Schönheit – streben.)

Der rhetorische Feinschliff Albertis wird hier durch den zweimaligen, jedoch mit unterschiedlicher Bedeutung prägnanten Gebrauch der Konjunktion et greifbar: Im ersten Falle, bei der Binärstruktur concinnitas et gratia fungiert sie resultativ: Aus der stimmigen Komposition von Körpern in einem Bild ergibt sich jene Art von Anmut, die gemeinhin als Schönheit bezeichnet werde. Beim zweiten Wortpaar, gratia et pulchritu-

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do, dagegen explikativ: Bei der Komposition müsse man auf das Erzeugen von Anmut, das heißt: Schönheit achten (et im Sinne von ‚und zwar; nämlich; also; id est‘). Das ist nur konsequent im Sinne der weiter oben vorgenommenen Definition. Freilich soll nicht verschwiegen sein, dass ein so vager Begriff wie das lateinische gratia innerhalb von De pictura nicht konsequent in dieser Weise verstanden werden kann und in anderen Zusammenhängen weniger präzise aufgefasst werden muss – hier dagegen liegt der Fokus auf der zu memorierenden Formel, die folgendermaßen lauten könnte: ‚Bei der Komposition erzeugt Stimmigkeit Anmut; Anmut in diesem Zusammenhang entspricht Schönheit.‘34 Die Wendung formosam et venustam faciem, die hier ebenfalls eingestreut ist, erscheint mir als amplifizierende Tautologie, welche die Schönheit einer stimmig komponierten facies deutlich machen soll. Dasjenige Prinzip, das bei der Betrachtung einer historia35 hauptsächlich voluptas erzeugt, ist die Kombination aus copia et varietas rerum (2,40). Alberti erklärt diese Distinktion zuallererst mit einem Vergleich: Ut enim in cibis atque in musica semper nova et exuberantia cum caeteras fortassis ob causas tum nimirum eam ob causam delectant quod ab vetustis et consuetis differant, sic in omni re animus varietate et copia admodum delectatur. (Wie nämlich bei Gastmählern und Musikstücken stets Neues und Reichliches wenn schon vielleicht aus anderen Gründen so doch vor allem deshalb Freude bereitet, weil es sich vom Althergebrachten und Gewohnten unterscheidet, so erfreut sich der Geist in jedweder Situation ganz besonders an Vielfalt und Fülle.)

Bei der folgenden Definition, was man sich unter einer copiosissima historia vorzustellen habe – in qua suis locis permixti aderunt senes, viri, adolescentes, pueri, matronae, virgines, infantes, cicures, catelli, aviculae, equi, pecudes, aedificia, provinciaeque („dort werden an ihren jeweiligen Positionen alte Herren, gestandene Männer, Jugendliche, Kinder, Damen, junge Frauen, Kleinkinder, Haustiere, kleine Hunde, Vögel, Pferde, Schafe, Gebäude und Landschaften miteinander verwoben sein“) –, könnte man nun ebenso gut den Begriff der varietas substituieren. Dass beide jedoch gerade wieder nicht austauschbar sind, macht Alberti deutlich, indem er präzisiert, eine solche Fülle (copia) müsse mit einer gewissen Vielfalt versehen sein (varietate quadam esse ornatam). Was nun varietas konkret sein soll, wird nicht explizit gesagt, lediglich dass sie in jedweder Vgl. dazu auch die von Cicero Orat. 135 formulierte Maßgabe für prägnante Anwendungsmöglichkeiten rhetorischer Gestaltung: cum […] continenter unum verbum non in eadem sententia ponitur; „wenn im Verlauf einer Rede ein und derselbe Begriff nicht in derselben Bedeutung gebraucht wird“ (ähnlich De orat. 3,206: eiusdem verbi crebrius positi quaedam distinctio; „ein Bedeutungsunterschied ein und desselben Begriffs, der mehrmals vorkommt“). 35 Zum Historiabegriff s. Aurenhammer 2005; Bätschmann 2011, 87–94; Grafton 1999; Greenstein 1990; Hope 2001, 253–254; Kuhn 1984, 138; Nadav-Manes 2006; Patz 1986; Schöffberger 2021, 187–192. 34

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historia angenehm zu betrachten sei (in omni historia iocunda). Ich denke aber, dass ihre Bestimmung in der sich daran anschließenden Beschreibung der Körperhaltungen und -bewegungen (corporum status atque motus), liegt, die ein Bild besonders angenehm erscheinen lassen (in primis […] grata). So sollen die Haltungen und Bewegungen der Aktanten untereinander deutlich abweichen (inter se multo dissimiles): Stent igitur alii toto vultu conspicui, manibus supinis et digitis micantibus, alterum in pedem innixi, aliis adversa sit facies et demissa bracchia, pedesque iniuncti, singulisque singuli flexus et actus extent; alii consideant, aut in flexo genu morentur, aut prope incumbant. Sintque nudi, si ita deceat, aliqui, nonnulli mixta ex utrisque arte partim velati partim nudi assistant. (Es sollen also einige Personen dabei sein, deren Antlitz gänzlich sichtbar ist, mit erhobenen Händen und ausgestreckten Fingern, auf einen Fuß gestützt; andere sollen das Gesicht abwenden und die Arme hängen lassen, wobei sie die Füße zusammenrücken, und ihnen allen sollen die entsprechenden Bewegungen und Handlungen zueigen sein; wieder andere sollen sitzen, entweder mit gebeugtem Knie oder beinahe liegend. Es soll auch Unbekleidete geben, wenn das passend ist, und einige sollen in Kombination beider Optionen teils verhüllt, teils nackt dabeistehen.)

Damit rekurriert Alberti meiner Ansicht nach auf seinen eingangs getätigten Vergleich mit der Wirkung von varietas bei Speisen und Musik: Das Mannigfaltigkeit schaffende Prinzip der neuen, reichlich vorhandenen Elemente (nova et exuberantia), die vom Althergebrachten und Gewohnten abweichen (ab vetustis et consuetis differant),36 verkörpern ebenjene vielfältigen Haltungen und Gestiken, die in einer historia wirken und bei der Betrachtung das Gemüt bewegen, was nicht der Fall wäre, wenn sämtliche dargestellten Figuren in derselben Positur dargestellt wären und es so beim Bewegen des Blickes von einer zur nächsten eben gerade nichts Neues zu sehen gäbe.37 Die durch die Häufung an Zwillingspaaren schwierigste Sequenz ist jene in Kapitel 2,48, wo die sachgemäße Verwendung von Farben in einem Gemälde abgehandelt wird (quonam pacto selecti et valde pertriti colores in pictura componendi sint). Hier heißt es: 36

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Hierin folgt Alberti (vielleicht unbewusst) jener in der Rhetorica ad Herennium (3,35–36) getätigten Beobachtung, dass alltäglich sich wiederholende Vorgänge nicht einprägsam sind, alles vom Gewohnten Abweichende dagegen schon: nam si quas res in vita videmus parvas usitatas cottidianas, meminisse non solemus propter ea, quod nulla nova nec admirabili re conmovetur animus; at si quid videmus aut audimus egregie […] id diu meminisse consuevimus […] Docet ergo se natura vulgari et usitata re non exsuscitari, novitate et insigni quodam negotio conmoveri – „Denn wenn wir in einer Situation unbedeutende, gewöhnliche und alltägliche Dinge wahrnehmen, pflegen wir sie uns aus dem Grund nicht zu merken, dass in diesem Fall unser Geist nicht durch ein neuartiges, bemerkenswertes Moment stimuliert wird, wenn wir aber etwas Besonderes sehen oder davon hören […], erinnern wir uns für gewöhnlich noch lange daran. […] Folglich lehrt die Natur, dass von gemeinen und gebräuchlichen Dingen die eigene Aufmerksamkeit nicht geweckt werde, von Neuheit und einem bedeutsamen Belang dagegen schon.“ So fasst die Sachlage auch Kuhn 1984, 139–140 auf.

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Velim genera colorum et species, quoad id fieri possit, omnes in pictura quadam cum gratia et amenitate spectari. Gratia quidem tunc extabit cum exacta quadam diligentia colores iuxta coloribus aderunt; quod si Dianam agentem chorum pingas, huic nymphae virides, illi propinquae candidos, proximae huic purpureos, alteri croceos amictus dari convenit, ac deinceps istiusmodi colorum diversitate caeterae induantur ut clari semper colores aliquibus diversi generis obscuris coloribus coniungantur. Nam ea quidem coniugatio colorum et venustatem a varietate et pulchritudinem a comparatione illustriorem referet. Atqui est quidem nonnulla inter colores amicitia ut iuncti alter alteri gratiam et venustatem augeat. (Ich finde es gut, wenn alle Farben und Mischverhältnisse in einem Bild, soweit möglich, bei der Betrachtung eine gewisse Anmut und Lieblichkeit erzeugen. Anmut wird sich freilich dann einstellen, wenn man mit Sorgfalt verschiedene Farben aneinanderfügt. Wenn man also zum Beispiel die Diana malt, die mit ihrem Reigen auftritt, dann kommt es gut, wenn die eine Nymphe in Grün, die gleich daneben in Weiß, die nächste in Purpur, eine andere in Gelb gekleidet ist und in dieser Weise immerfort auch die übrigen verschiedenfarbige Kleidung tragen, und zwar nach der Art, dass stets helle Farben mit anderen, dunklen Farben aufeinander treffen. Denn diese Farbverbindungen werden sowohl Schönheit durch Vielfalt wie auch durch Vergleichbarkeit erzeugen. Ferner gibt es eine ungemeine Harmonie zwischen den einzelnen Farben, sodass eine, mit einer anderen verbunden, deren immense Schönheit noch verstärkt.)

Hier treten in derart miteinander verschlungener Manier die Junkturen gratia et amenitas, venustas et pulchritudo und gratia et venustas auf, dass man annehmen könnte, die Wortwahl sei beiläufiger Schmuck und dem bloßen Wunsch nach verbaler Abwechslung geschuldet. Man wird – auch um sich nicht in einer Überinterpretation des Textes zu versteigen – konstatieren müssen, dass das auch plausibel ist. Ganz ohne Kalkül ist Alberti jedoch meines Erachtens auch hier nicht ans Werk gegangen. Dafür, dass cum gratia et amenitate tautologisch formuliert ist, spricht der Umstand, dass im Folgenden eine Erklärung nach dem Schema ‚Wenn x, dann y‘ nur für gratia geboten wird: gratia […] tunc extabit cum […] aderunt, „Anmut wird sich dann einstellen, wenn“. Läge ein zweites Wirkprinzip vor, müsste ja (wie es oben in Kapitel 2,40 der Fall war) dann auch in einem zweiten Hauptsatz etwas in der Art amenitas autem tunc extabit cum („ein angenehmer Anblick wird sich dann einstellen, wenn“) folgen. Die beiden an sich sehr wohl synonymen Begriffe venustas und pulchritudo dagegen werden in Albertis Erläuterungen klar voneinander unterschieden, als zwei getrennte Phänomene, die aus je unterschiedlichen Maßgaben beim Einsatz von Farben in einem Bild resultieren: eine aus Farbvielfalt an sich, die andere aus der gezielten Komposition dieser verschiedenen Farben. Man könnte diese beiden Phänomene mithin – man verzeihe die Hilfsausdrücke – als ‚Vielfalts- und Vergleichbarkeitsschönheit‘ bezeichnen; beide wirken gemeinsam in einem gut komponierten Bild. Die abschließende Zusammenfassung, dass Farben ihre jeweilige Schönheit gegenseitig verstärken, wenn sie gezielt miteinander kombiniert werden, ist vielleicht am schwierigsten zu beurteilen. Man könnte hierin ein Wiederaufgreifen der

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oben genannten Prinzipien sehen (Anmut als Resultat der Farbkomposition, Schönheit als dasjenige der sich so ergebenden Vergleichbarkeit), denn die Wortwahl erschiene am Ende dieses doch komplexen Abschnitts sonstigenfalls eigentümlich. Andererseits gebraucht Alberti sie vielleicht (und das scheint mir wahrscheinlicher) gerade aus diesem Grund – ein summarischer Rekurs auf das jetzt knapp gefasste Ursache-Wirkung-Verhältnis von Farben und Schönheit – tautologisch: Zwei verschiedene, hierarchisch verknüpfte Begriffe werden zunächst definiert, dann wird, auf einprägsame Kürze reduziert, aus beiden eine Tautologie gebildet. Das klingt schematischer oder in bewussterer Weise hergestellt, als es meine Absicht ist, zu behaupten: Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass bei dieser abrundenden Formulierung Alberti einfach jene zwei Begriffe heranzog, die ihm gerade noch rezent im Kopf waren, weil er sie eben erst verwendet hat, um daraus eine amplificatio zu bilden, und nicht, weil er den Begriff der Schönheit als Wirkung der Farbkomposition noch einmal aufspalten wollte.38 In Hinblick auf den funktional-pragmatischen Ansatz der Kategorisierung rhetorischer Figuren, also der Frage danach, wie sie kommunikativ funktionieren und wirken, lässt sich für De pictura abschließend also ein zweifacher Effekt beobachten. Seiner Rhetorik wohnt Pragmatik inne, insofern Pragmatik antiker Rhetorik als τέχνη stets inhärent ist; die von ihm verwendeten Figuren schaffen ein Sprachprofil, dessen Wirkungspotential sich zwar überwiegend ornamental, aber bisweilen auch entschieden funktional äußert. Auffallend ist dabei, dass dieses durch die verwendeten Figuren (wie naheliegend) erzeugte Sprachprofil eines der Kongruenz und nicht des Kontrastes ist.39 Sequitur ut pictorem instituamus quemadmodum quae mente conceperit ea manu imitari queat heißt es in Kapitel 1,24: Man müsse mental verstanden haben, was man später mechanisch reproduzieren wolle. Ganz unabhängig davon, ob diese Realisierung tatsächlich erfolgt (sprich: ob es beim theoretischen Verstehen und Lernen der Malerei bleibt oder auch zur Ausführung kommt), erklärt Alberti die wichtigen Prinzipien rhetorisch einprägsam. Die italienische Fassung seines Werks bleibt dabei an einigen Stellen hinter der lateinischen zurück bzw. wird in Hinblick darauf zu dieser erweitert,40 vgl. die Stellen: chiaro molto più che ornato (Pict. volg. 1,22,5); in molto onore (2,3,6); imparino (ohne opera et diligentia) (2,5,3); grazia (ohne concinnitas) (2,11,5); ogni ragio­ ne (2,19,7); molto diletto e grazia (statt gratia et amenitate) (2,24,5); bellezza (ohne ve-

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Dazu passt, dass figuratives Formulieren neuerdings nicht mehr als Transfer eines Inhalts in eine äußerliche sprachliche Form aufgefasst wird, sondern als integrales schöpferisches Handeln, s. Knape 1996, 325. 39 Vgl. Knape 1996, 321: Die Figuren lösen keine Spannung zum Gesagten aus, wie das etwa bei einem Oxymoron der Fall ist. 40 Der Diskurs, welche der beiden Redaktionen zuerst entstanden ist, kann hier nicht geführt bzw. die Frage womöglich abschließend nicht geklärt werden. Bertolini 2000 vertritt die Ansicht, die italienische Version sei die frühere und ich bin geneigt, mich ihr anzuschließen. Auch Sinisgalli 2011, 3–14 ist der Meinung, die Fassung in volgare sei die ältere und später von Alberti auf Latein erweitert und verfeinert worden.

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nustas) (2,24,9); dignità e grazia (statt gratiam et venustatem) (2,24,10); palese (3,12,8). Unter anderem diese weniger rhetorisierten Stellen – wie auch die zahlreichen Auslassungen der antiken Narrative – könnten ein Hinweis darauf sein, dass Alberti die italienische Fassung nachträglich redigiert und für Literaten erweitert hat. So schreibt er auch im an Filippo Brunelleschi adressierten Prolog der italienischen Fassung:41 Piac­ciati adunque leggermi con diligenza, e se cosa vi ti par da emendarla, correggimi […] in prima de te desidero essere emendato. Umgekehrt spricht er in seinem Brief an Giovanni Francesco Gonzaga, welcher der lateinischen Fassung vorausgeht,42 davon, dass die Malerei als Kunst gelehrter Ohren würdig sei, auribus eruditis digna. Wer also soll De pictura lesen? In Kapitel 2,25 wird der Malerei nach außen hin doppelte Wirkung beschieden, denn ihre geradezu göttliche Kraft gehe einher mit höchster Bewunderung gegenüber dem Künstler und höchstem Genuss beim Publikum, summa […] artificis admiratione ac visentium voluptate (übrigens eine weitere, gezielt nicht-tautologische Zwillingsformel). Wirkt parallel dazu auch das Werk De pictura auf zwei Ebenen? Lässt sich, was über die Malerei gesagt wird, dass nämlich sie als einzige Kunst Gebildete wie Ungebildete gleichermaßen erfreue – haec una ars et doctis et indoctis aeque admodum grata est (2,28) –, auch auf die Abhandlung darüber beziehen? Argumentiert man aus Sicht der Rhetorik, so müssen wir diese Frage bejahen: Wenn die Übereinstimmung im Paradigmenvorrat von Sprecher und Rezipient beiderseits groß ist, erlaubt der Sprachautomatismus dem Rezipienten normalerweise, diesen Vorgang ohne besonders reflektierte Phasen der Identifikation, Taxierung und Interpretation zu absolvieren. Er wird in vielen Fällen ohne weiteres die stilistische Absicht bewußt wahrnehmen, oft wird er ihr auch unbewußt unterliegen […] Strategien unterschwelliger Persuasion setzen ganz auf den Automatismus und verwenden emphatisierende Figurationen wohldosiert, gewissermaßen unauffällig.43

Insofern Alberti also seine rhetorischen Fähigkeiten gleichermaßen zeigt und verbirgt, kann von einer dissimulatio artis44 gesprochen werden, was, mit Quintilian gesprochen, die Wirkung noch steigert: dissimulata enim […] actio melius saepe subrepit (Inst. 4,1,60), „ein verhüllter Kunstgriff kommt oftmals unterschwellig noch besser an.“ Es ist mittlerweile anerkannt, dass das Ziel der drei Bücher darin besteht, die Malerei als ars liberalis zu etablieren, sie also aus ihrem vorherigen Status als bloße ars mechanica zu erhöhen und aufzuwerten.45 Das wird schon an Albertis eigenen Formulierungen deutlich, etwa wenn er sagt, er wünsche sich, dass ein Maler ein aufrechter und in den

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Text in Bätschmann 2011c, 363–365. Text in Bätschmann 2011c, 365–366. Knape 1996, 300. Jarzombek 1999 betrachtet das Phänomen bei Alberti allgemein auch unter literarisch-ästhetischem Gesichtspunkt. Aurenhammer 2005, 28; Kemp 1977, 388; Zwijnenberg 2003, 167.

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schönen Künsten gebildeter Mann sei: cupio pictorem […] esse virum bonum doctum bonarum artium (Pict. lat. 3,52). Wenn ein Maler in den freien Künsten gebildet sein muss, was soll die Malerei dann anderes sein als eine eben solche ars liberalis? Weiter: nam est pingendi ars profecto liberalibus ingeniis et nobilissimis animis dignissima (2,28), „denn die Malerei ist schöngeistig Begabter und edler Gesinnungen besonders würdig“; cum sit pictura […] liberis digna (2,29), „denn die Malerei ist freier Menschen würdig.“ Im Brief an Giovanni Francesco Gonzaga, dem Alberti De pictura als Geschenk zukommen ließ, begründet er diese Gabe damit, quod intelligebam te maximum in modum his ingenuis artibus delectari („weil ich weiß, dass du an den freien Künsten besondere Freude hast“), wobei das Demonstrativ eindeutig darauf hinweist, dass Alberti die Malerei zu diesen freien Künsten zählt. Aber auch sein gesamter Zugang zum malerischen Prozess lässt diese Auffassung erkennen: Wie Steven Stowell überzeugend dargelegt hat, steht Alberti in einer Tradition christlicher Interpretation der artes liberales, die durch ihre kontemplatives Studium eine Hinwendung zu Gott ermöglichen; diese Kontemplation ist bei Alberti in ein meditatives Planen des Gemäldes, das auf Naturbeobachtung folgt und innere Ruhe bringt, übertragen. Zentral für Alberti ist die Beobachtung, dass the liberal arts are more concerned with the process of the artist rather than his or her products […] The painter imitates nature, but the painter is only a liberal artist if he or she understands the nature he or she imitates. […] For Alberti, therefore, the process is more important than the product: given two identical paintings, only the painting made with understanding is the product of a liberal art.46

Wrights These, De pictura basiere auf den „pedagogic ideas“ Quintilians und die Dreiteilung des Werks gehe auf die drei Stufen der Ausbildung im Laufe des Lebens eines orator zurück,47 verliert anhand dieser Beobachtungen einiges an Plausibilität.48 Die oft formulierte Theorie, De pictura sei für angehende Maler verfasst, ist nämlich in Hinblick auf Praktikabilität nicht überzeugend.49 Vielmehr denke ich, dass Alberti sie für Leute verfasst haben könnte, die waren wie er selbst: Literaten und handwerkliche Amateure im eigentlichen Sinn, das heißt Liebhaber eines Metiers, das nicht ihr eigenes war, das sie aber dennoch zu schätzen wussten.50 Dazu können auch Fürsten 46

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Stowell 2015, 97–98. Daran wird auch der Paradigmenwechsel deutlich, der sich mit Alberti gegenüber der antiken Kunsttheorie vollzieht, die auf poiesis anstelle der von Alberti propagierten mimesis fokussiert war; letztere begriff die Antike jedoch immer als zelosis, was Alberti entschieden kritisiert (Pict. lat. 3,58); dazu Koch 2019, 676. Wright 1984, bes. 69; Wright 2010, 27; 33. So bemerkt Hope 2001, 252 richtig: „Just because Alberti adopted this model, it does not necessarily follow that his purpose was didactic.“ Dies legen überzeugend die Beiträge von Fischer sowie Siemoneit in diesem Band dar. Auch Hope 2001, 251 bemerkt, dass „the relationship [of De pictura] to the painting of the time seems at best rather marginal“ und dass das Werk „conspicuously lacking in technical advice“ sei. Hierin kann ich Aurenhammer 2005, 29 nicht folgen, der das kategorisch ausschließt und stattdessen als Adressaten angehende professionelle Künstler postuliert, die aber auch literarisch ge-

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zählen, wenn, was Alberti in seinem Brief an Giovanni Francesco Gonzaga sicherlich nicht ohne gewisse Hoffnung schreibt – otium tibi quod vacans –, sie ihre Freizeit mit der Beschäftigung mit den artes liberales verbringen, denn gerade bei diesen kann humanistisches Bildungsgut ebenso vorausgesetzt werden wie ein Interesse, das dann befriedigt wird, wenn aus einer bloßen ars mechanica etwas ihrem Stand Angemesseneres wird. Außer Frage steht, dass De pictura durchdrungen ist von „Lust eines Literaten“.51 Die Früchte dieser Lust können freilich – in unterschiedlichem Maße – sämtliche Rezipienten, docti et indocti, genießen.52 Ohne die Frage danach, wer als eben dieses Publikum intendiert war, neu bewerten zu wollen, hoffe ich gezeigt zu haben, wie Alberti sein Werk teils mit beiläufiger Rhetorik schmückt, teils mit gezielter Modifikation derselben zentrale Theoreme seines Zugangs zur Malerei vermittelt: in binärer und zugleich mannigfaltiger Manier. Literaturverzeichnis Aurenhammer 2005: Hans Aurenhammer: Malerei im Horizont von Rhetorik und Poesie. Zu Leon Battista Albertis Theorie der historia, in: Wolfgang Brassat (ed.): Jahrbuch Rhetorik 24, 2005, 27–42. Bätschmann 2011a: Oskar Bätschmann: Einleitung, in: Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin (ed.): Leon Battista Alberti, Das Standbild – Die Malkunst – Grundlagen der Malerei, (2000) Darmstadt 22011, 13–140.

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bildet sein müssen. Das stellt für mich jedoch an sich keinen Widerspruch dar. Soweit ich sehe, interpretiert auch Bätschmann 2011a, 26 die Sachlage in dieser Weise. Vgl. ebenso Baxandall 1971, 129: „De pictura then, appears a handbook in the active appreciation of painting for an unusual kind of informed humanist amateur“; weiters Hope 2001, 252 u. 266, wo passend von einer „adoption of the persona of a practicing painter“ (Zitat 266) seitens Alberti die Rede ist. Aurenhammer 2005, 29. Vgl. Cic. De orat. 3,195: Illud autem ne quis admiretur, quonam modo haec vulgus imperitorum in audiendo notet, cum in omni genere tum in hoc ipso magna quaedam est vis incredibilisque naturae. Omnes enim tacito quodam sensu sine ulla arte aut ratione quae sint in artibus ac rationibus recta ac prava diiudicant; idque cum faciunt in picturis et in signis et in aliis operibus, ad quorum intellegentiam a natura minus habent instrumenti, tum multo ostendunt magis in verborum, numerorum vocumque iudicio; quod ea sunt in communibus infixa sensibus nec earum rerum quemquam funditus natura esse voluit expertem. – „Darüber aber braucht sich niemand zu wundern, wie diesen Umstand die Menge an Ungebildeten bemerkt: wenn schon in jedweder anderen Situation, so ist doch gerade hierin die Macht der Natur gewaltig, ja geradezu unglaublich. Denn alle können, gewissermaßen mit unbewusstem Gespür, ohne eigene Kunstfertigkeit oder Ausbildung, ein Urteil darüber abgeben, was bei der Anwendung einer Kunst oder ihrer Vermittlung passend oder unstimmig ist, und sie tun das zum einen bei Gemälden, bei Skulpturen und anderen Kunstwerken, für deren Verständnis sie von Natur aus über geringere Anlagen verfügen, zum anderen aber demonstrieren sie besonders bei der Beurteilung von Worten, Rhythmen und Klängen umso mehr, dass diese Dinge dem allgemeinen Empfinden inhärent sind und die Natur niemanden in diesen Dingen völlig untalentiert sein lassen wollte.“

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Copia et varietas

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Gregor Schöffberger

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Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura Lucia Bertolini Un convegno dedicato al De pictura consente un approccio monografico e insieme plurivoco a questo testo tanto affascinante quanto fondativo. Del trattato albertiano – che si tende a studiare come un dato, come un documento – vorrei in questa sede valorizzare piuttosto la dinamicità e l’instabilità dal punto di vista della lettera (la superficie frastagliata del suo lessico) e della testualità (nei suoi rapporti di coesione e coerenza fra le parti), tanto nel rapporto reciproco fra le due redazioni quanto all’interno di ciascuna di esse, con particolare riguardo a quella latina. Lo farò assumendo un punto di vista per qualche aspetto affine a quello che ho già assunto in passato (in definitiva faccio la filologa), ma tralasciando volutamente di entrare in questioni di cronologia relativa fra le redazioni volgare e latina o strettamente critico-testuali, in merito alle quali non potrei far altro che ribadire le posizioni – ampiamente argomentate – assunte in passato e che valutazioni opposte, assiomatiche e categoriche, non mi sembrano in grado di inficiare.1 Come si vedrà tratterò per lo più di dettagli, ma dettagli che coinvolgono – o possono coinvolgere – la tenuta letteraria del testo e dunque il nostro rilievo di tale specifico carattere.2 L’esemplificazione non potrà non essere ‹sintomatica›, sia perché la mole dei dati che si potrebbero allegare è ingente, sia perché vorrei commentare i diversi livelli su cui la mobilità del De pictura può essere verificata: oltre che sul piano lessicale e testuale, anche in relazione all’atteggiamento, all’approccio dello scrittore rispetto alle due redazioni che del medesimo trattato ha approntato. Partirò proprio da quest’ultimo aspetto perché può offrire il contesto ampio, il panorama in cui inserire poi fatti più minuti e circoscritti (e proprio per questo stesso ancipiti se non inseriti in un orientamento preliminare).

1 2

Furlan 2020, 87; Furlan 2021a, 310; Furlan 2021b, 74 a proposito di Bertolini 2000 e Bertolini 2011. È d’obbligo il rinvio ad analoghe precedenti letture contrastive, in particolare Maraschio 1972 e McLaughlin 2007.

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Lucia Bertolini

Solo in una parte della tradizione di ciascuna delle due redazioni il De pictura è accompagnato dai relativi paratesti: la redazione volgare è corredata dal prologus al Brunelleschi soltanto in uno dei tre manoscritti che la tramandano; il testo latino è accompagnato da un biglietto di invio al Gonzaga che è trasmesso solo da nove manoscritti dei ventitré (di cui uno perduto) che conservano la redazione nella lingua classica.3 Sia per il fatto che i due paratesti detengono un rapporto non necessario col testo cui preludono, sia per la diversa natura dell’occasione che li ha generati, un confronto stringente non può essere esperito.4 Alberti, Pict. lat. pr. p. 9 Grayson: (0) Ad Johannem Franciscum Illustrissimum Principem Mantuanum (1) Hos de pictura libros, princeps illustrissime, dono ad te deferri iussi quod intelligebam te maximum in modum his ingenuis artibus delectari, quibus quidem quantum ingenio et industria luminis et doctrinae attulerim ex libris ipsis, cum eos per otium legeris, intelliges. (2) Etenim cum ita pacatam et bene tua virtute constitutam civitatem habeas ut otium tibi quod a republica vacans litterarum studiis tua pro consuetudine tribuas interdum non desit, futurum spero ut pro tua solita humanitate, qua non minus quam armorum gloria litterarumque peritia caeteros omnes principes longe exuperas, libros nostros minime negligendos ducas. (3) Nam esse eos eiusmodi intelliges ut quae in illis tractentur cum arte ipsa auribus eruditis digna tum rei novitate facile delectare studiosos queant. (4) Sed de libris hactenus. (5) Mores meos doctrinamque si qua est et omnem vitam tum maxime poteris cognoscere cum dederis operam ut possim, prout mea fert voluntas, apud te esse. (6) Denique putabo tibi opus non displicuisse ubi me tibi deditissimum voles annumerare inter familiares tuos et non in postremis commendatum habere. Alberti, Pict. volg. prologus: (1) Io solea maravigliarmi insieme e dolermi che tante ottime e divine arti e scienzie, quali per loro opere e per le istorie veggiamo copiose erano in que’ virtuosissimi passati antiqui, ora così siano mancate e quasi in tutto perdute: (2) pittori, scultori, architetti, musici, ieometri, retorici, auguri e simili nobilissimi e maravigliosi intelletti oggi si truovano rarissimi e poco da lodarli. (3) Onde stimai fusse, quanto da molti questo così essere udiva, che già la natura, maestra delle cose, fatta antica e stracca, più non producea, come né giuganti così né ingegni, quali in que’ suoi quasi giovinili e più gloriosi tempi produsse amplissimi e maravigliosi. (4) Ma poi che io dal lungo esilio in quale siamo noi Alberti invechiati, qui fui in questa nostra sopra l’altre ornatissima patria ridutto, compresi in molti, ma prima in te, Filippo, e in quel no stro

3

4

Grayson 1973, 299–304; ai diciannove manoscritti noti al Grayson vanno aggiunti (oltre al descriptus della princeps di Basilea, molto tardo, conservato presso la Biblioteca dell’Accademia della Crusca, Libri rari 2/1) il perduto codice Rehdigeriano di Wrocław, Biblioteka Uniwersytecka, 171, il Misc. Arm. II. 81 dell’Archivio Segreto Vaticano e il ms. 480 della Vadianische Sammlung della Kantonsbibliothek di St. Gallen, segnalati in Kristeller 1989, 428b, Kristeller 1992, 303b, Kristeller 1990, 125; per il codice di Sangallo si veda anche Besomi 1991. Ma un primo confronto in McLaughlin 2007, 220–222; sulla lettera al Brunelleschi da ultimo Pearson 2019.

Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura

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amicissimo Donato scultore e in quelli altri, Nencio e Luca e Masaccio, essere a ogni lodata cosa ingegno da non postporli a qual si sia stato antiquo e famoso in queste arti. (5) Per tanto m’avidi in nostra industria e diligenzia, non meno che in benificio della natura e de’ tempi, stare il potere acquistarsi ogni laude di qual si sia virtù. (6) Confessoti sì a quelli antiqui, avendo, quale aveano, copia da chi imparare e imitarli, meno era difficile salire in cognizione di quelle supreme arti, quali oggi a noi sono faticosissime; (7) ma quinci tanto più el nostro nome più debba essere maggiore, se noi sanza precettori, senza esemplo alcuno, troviamo arti e scienzie non udite e mai vedute. (8) Chi mai sì duro o sì invido non lodasse Pippo architetto vedendo qui struttura sì grande, erta sopra e cieli, ampla da coprire con sua ombra tutti e popoli toscani, fatta sanza alcuno aiuto di travamenti o di copia di legname? (9) Quale artificio, certo, se io ben iudico, come a questi tempi era incredibile potersi, così forse a presso gli antichi fu non saputo né conosciuto. (10) Ma delle tue lodi e della virtù del nostro Donato insieme e degli altri, quali a me sono per loro costumi gratissimi, altro luogo sarà da recitarne. (11) Tu tanto persevera in trovare, quanto fai, di dì in dì cose per quali il tuo ingegno maraviglioso s’aquista perpetua fama e nome; (12) e se in tempo t’accade ozio, mi piacerà rivega questa mia operetta de pictura quale a tuo nome feci in lingua toscana. (13) Vederai tre libri: el primo, tutto matematico, dalle radici entro dalla natura fa sorgere questa leggiadra e nobilissima arte; (14) el secondo libro pone l’arte in mano allo artefice, distinguendo sue parti e tutto dimostrando; (15) el terzo instituisce l’artefice quale e come possa e debba acquistare perfetta arte e notizia di tutta la pittura. (16) Piacciati adunque leggermi con diligenzia, e se cosa vi ti par da emendarla, correggimi: (17) niuno scrittore mai fu sì dotto al quale non fussero utilissimi gli amici eruditi e io in prima da te desidero essere emendato per non essere morso da’ detrattori.

La letterina a Gianfrancesco Gonzaga (che ho riprodotto seguendo il testo Grayson, ma suddividendola in pericopi per una migliore citabilità) è un vero e proprio biglietto, inviato tramite un incaricato (§ 1 dono ad te deferri iussi), che non si giustifica solo in quanto testo comitatorio, perché – viceversa – dello scrivente manifesta anche intenti concreti ed espliciti di autopresentazione, di ricerca di una corte e di un mecenate presso i quali rifugiarsi (§§ 5–6). I due paratesti rispondono inoltre a istanze ideologiche diverse e dunque presentano differenti parole-tema o differenti accezioni delle stesse parole tematiche: ad esempio la virtus della lettera al Gonzaga (§ 2) è quella umanistica e civile, tutt’affatto latina, mentre la virtù della lettera al Brunelleschi (che ho riportato secondo la mia edizione) è la concretissima abilità pratica dell’artista (§§ 1 e 5); la parola-tema ars/arte è molto più connotata in senso conoscitivo nel volgare (§§ 1, 4 e 7, ma anche 13–15) che non nel corrispondente latino (§§ 1 e 3). L’inconfrontabilità dei due indirizzi, evidente se si rimanga sul livello dei contenuti e della contingenza, si attenua però – e dunque ci crea minore impaccio – quando si scenda ad un livello di analisi, per così dire di base, come quello dello strumento linguistico, non arretrando di fronte alla difformità, parimenti evidente, della lingua in quanto stori-

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Lucia Bertolini

camente e tipologicamente determinata, per indagare piuttosto lo strumento espressivo utilizzato da un medesimo emittente nel rivolgersi in entrambi i casi ad un destinatario privilegiato del proprio testo (la differenza linguistica delle due redazioni dell’operetta è parallela a quella dei paratesti, e il parallelismo ristabilisce un rapporto sostanzialmente omologo). Se si confrontano nei due testi prefatori i segnali discorsivi deittici, sia quelli spazio-temporali sia quelli relativi ai due interlocutori (pronominali, possessivi e verbali che siano) si assiste ad una marcata disimmetria. In primo luogo si noterà che i deittici spazio-temporali punteggiano il prologus al Brunelleschi (ora § 1, oggi §§ 2 e 6, a questi tempi § 9, e rispettivamente qui §§ 4 e 8, in questa nostra […] patria § 4, oltre al deittico testuale quinci del § 7) – a testimonianza di una forte emergenza dell’hic et nunc dell’enunciazione, mentre essi sono del tutto assenti nel bigliettino al Gonzaga. D’altro canto l’analisi contrastiva dei segnali discorsivi relativi all’io e al tu, per un verso conferma la percezione che l’autore ha del differente rapporto interpersonale fra lui, artista più o meno giovane (forse anche un po’ ingenuo nel suo fervente entusiasmo), e un più maturo e ben più famoso collega in un caso e fra lui e un signore nell’altro; quei medesimi segnali ci danno inoltre qualche informazione sugli aspetti diafasici che caratterizzano i due paratesti e soprattutto sulla partecipazione emotiva dell’emittente. Nel testo al Gonzaga i deittici personali per indicare il principe sono venti, mentre dieci sono quelli per indicare l’emittente, a sottolineare – anche da questo punto di vista – il grado di deferenza che lo caratterizza, e che induce l’autore a riferirsi a se stesso con un pronome esplicito solo in un caso, peraltro letteralmente sommerso da prossimi e insistiti riferimenti al destinatario (§ 6 ubi me tibi deditissimum voles annumerare inter familiares tuos). Di certo non ci aspettiamo la stessa deferenza nei confronti del Brunelleschi (verso il quale il giovane Alberti ostenta una familiarità sospetta),5 ma nemmeno ci aspetteremmo un tale sovrastare dell’emittente (con venti allusioni linguistiche, fra le quali non abbiamo contato il retorico, e perciò ambiguo, noi) rispetto al destinatario (quattordici allusioni), tanto più evidente se riflettiamo – per limitarci ad un caso evidente ed esemplare – che il pronome soggetto di prima persona compare quattro volte (§§ 1, 4, 9 e 17; insomma dall’inizio alla fine del prologus) rispetto all’unica occorrenza che riguarda il Brunelleschi (§ 11). Se coniughiamo i dati relativi alle personae con quelli relativi all’hic et nunc dell’enunciazione mi pare innegabile un maggiore grado di ‹effervescenza›, una singolare ed entusiastica partecipazione emotiva di colui che parla nel paratesto volgare, che non trova invece corrispondente – qualunque ne sia la ragione – nell’omologo testo latino. Sarebbe interessante chiedersi se tale diverso coinvolgimento emotivo dell’autore (e il differente approccio soggettivo/oggettivo) valga anche per i testi del De pictura. Un tentativo di ripetere l’esercizio sui segnali deittici personali di prima e seconda persona del trattato pittorico in entrambe le redazioni è senz’altro rischioso per una serie

5 Cfr. Bertolini 2006, 37–42.

Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura

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di motivi, il più banale dei quali riguarda i differenti usi – non però regole differenti – delle due lingue; si aggiunga poi la necessaria consapevolezza che lungo il testo del trattato nel tu convergono differenti incarnazioni dell’interlocutore interno che di volta in volta può essere il pittore o il fruitore del dipinto, specchio del duplice statuto dell’io autoriale, anche lui di volta in volta pittore e critico. Insomma oltre ai dati numerici assoluti6 ci dovremmo impegnare anche in un corpo a corpo con il testo per verificare le ragioni contestuali dell’asimmetria che, a fronte di una sostanziale corrispondenza topografica dei deittici nei due testi,7 per lo più si spiega come presenza del deittico in volgare contro assenza del corrispondente nella redazione latina, pur con qualche eccezione sulla quale possiamo soffermarci per rendere meno incolore l’enunciazione dei risultati.8 Alberti, Pict. volg. (ed. Bertolini)

Alberti, Pict. lat. (ed. Grayson)

1,9,6–8 poi investigheremo come sotto il lume si 1,9 (p. 23 rr. 34–36 e p. 25 rr. 1–13) Dehinc invevariino. Parliamo come pittore. Dico per la permi- stigabimus quemadmodum colores sub luminibus stione de’ colori nascere […] varientur. Missam faciamus illam philosophorum disceptationem […] caeteros autem omnes ex duorum permixtione istorum oriri. Ego quidem ut pictor de coloribus ita sentio permixtionibus colorum alios oriri colores […] 2,7,10–11 quel velo, quale io tra i miei amici soglio appellare intersegazione. Quello sta così:

2,31 (p. 55 rr. 15–17) id velum quod ipse inter familiares meos sum solitus appellare intercisionem, cuius ego usum nunc primum adinveni. Id istiusmodi est:

2,9,13 Queste, adunque, metto in anzi l’altre, descrivendo loro latitudine e longitudine in quelli paraleli del pavimento, in modo che quante io voglia occupare braccia, tanto prendo paraleli.

2,33 (p. 59 rr. 25–28) Itaque has ego ante alias conscribo, atque quam velim esse harum ipsarum longitudinem ac latitudinem ipsis in pavimento descriptis parallelis constituo, nam quot ea velim esse brachia tot mihi parallelos assumo.

6

7

8

Mi limito a riportare qui i dati relativi ai deittici pronominali espliciti di I e II persona (in qualunque funzione grammaticale essi facciano apparizione) che sono rispettivamente 70 e 25 nel testo volgare (totale 95) e 24 e rispettivamente 10 (totale 34) nel latino, con rapporto reciproco di 2,7. Il distanziamento sarebbe meno ragguardevole (e anche in questo si misura il differente strumento linguistico delle due redazioni) se si includessero noi (33 occorrenze) e nos, nobiscum (38 occorrenze), nel qual caso il rapporto sarebbe di 1,7. A testimonianza ed esempio (fra i molti che si potrebbero addurre) della prevalente conferma topografica dei deittici dall’una all’altra versione, si veda Alberti, Pict. volg. 2,22,14–15: Ma io quasi mai estimerò mezzano dipintore quello quale non bene intenda che forza ogni lume e ombra tenga in ogni superficie. Io, co i dotti e non dotti, loderò quelli visi quali […] e Alberti, Pict. lat. 2,46 (p. 83 rr. 10–13): Ego quidem pictorem nullum vel mediocrem putabo eum qui non plane intelligat quam vim umbra omnis et lumina in quibusque superficiebus habeant. Pictos ego vultus, et doctis et indoctis consentientibus, laudabo eos […]. Dato l’intento, scelgo casi omogenei (fra loro e con gli esempi addotti alla nota precedente), riguardanti l’esplicitazione del soggetto di I persona.

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Lucia Bertolini

Tutti e tre i casi contraddicono, a loro modo, il comportamento prevalente delle due redazioni, o perché, pur convergendo nell’esplicitazione del pronome, lo collocano diversamente (l’esempio tratto dal primo libro), oppure perché è il latino – contro la regola – ad esplicitarlo e non il volgare (nei restanti due casi). Nel primo passaggio la presenza di ego nel testo latino privo di corrispondente nel volgare è motivata dalla lunga digressione, ma in sostanza una preterizione (in gran parte omessa nel raffronto dove è segnalata con […]) della philosophorum disceptatio il cui contenuto Alberti accenna succintamente e che è esclusiva della redazione latina; l’esplicitazione del soggetto, marcato dal quidem, è dunque un forte segnale testuale di ripresa del turno da parte dell’autore, dopo aver registrato l’opinione dei philosophantes, autore che, a causa della differente condizione enunciativa rispetto al volgare, espone qui un sentio (proprio in forza dell’opinione altrui appena riferita) cui nel volgare corrisponde un dico. Nel caso seguente si assiste ad un’analoga funzionalità della differenza fra le due redazioni, essendo evidente come la collocazione di ego poco oltre il luogo che era stato riservato a io nel volgare è strettamente connessa alla orgogliosa rivendicazione del primato nell’uso del velo che manca nel volgare. L’ultimo caso infine – meno chiaramente connesso ad una esplicita volontà rielaborativa dell’autore – è comunque esemplificativo di quello straordinario esercizio di libertà e costrizione proprio dell’autotraduzione che, se contraddistingue in maniera singolare e reiterata l’Alberti, è fenomeno culturale più comune di quel che si è soliti pensare.9 Uscendo dalla casistica reperibile per io/ ego, e ampliando lo sguardo alle più ampie modalità di espressione delle persone coinvolte a designare gli attori dell’enunciazione – magari diversamente connotate o orientate in senso impersonale – possiamo facilmente renderci conto di come le divergenze fra le due redazioni si spieghino con l’adozione di giri sintattici differenti consentiti o imposti dalla differente lingua. Nonostante queste indubbie costrizioni per così dire esterne, il confronto puntuale può essere in grado di illuminare in maniera significativa l’evoluzione del testo, soprattutto quando sia possibile individuare una linea di tendenza (tralasciando di intervenire sul senso in cui questa tendenza si sia effettivamente esplicata storicamente) tramite ricorrenze. Si veda in particolare come in due luoghi (rispettivamente del I e del II libro) l’espressione del punto di vista come luogo in cui avviene la fruizione sia espresso in forma personale nella redazione in lingua moderna, ed espressamente con la II persona singolare del verbo nel primo caso, con la II persona declinata al singolare e al plurale nel secondo (mediante pronomi), cui fa da contraltare nella redazione latina l’adozione di un nome (visentis, spectator) che contrappone l’egli al tu/noi. Visens e spectator in definitiva riassumono oggettivamente la funzione che nel volgare era espressa tramite il pronome dello scambio dialogico e costituisce un’ulteriore spia di quell’atteggia-

9

Per l’area italiana e il XV secolo rimando al censimento contenuto in Bertolini 2015.

Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura

279

mento tendenzialmente soggettivo ed emotivo del volgare e tendenzialmente oggettivo del latino che avevamo scorto trattando dei paratesti.10 Alberti, Pict. volg. (ed. Bertolini)

Alberti, Pict. lat. (ed. Grayson)

1,6,11 quanto più li sia presso, meno ne vedi

1,6 (p. 19 r. 22) ut quo illi propinquior sit visentis oculus eo minorem

2,18,7–10 E piacemi sia nella storia chi ammonisca e insegni a noi quello che ivi si facci, o chiami con la mano a vedere, o, con viso cruccioso e con li occhi turbati, minacci che niuno verso loro vada, o dimostri qualche pericolo o cosa ivi maravigliosa, o te inviti a piagnere con loro insieme o a ridere; e così qualunque cosa fra loro o teco facciano i dipinti, tutto appartenga a ornare o a insegnarti la storia.

2,42 (p. 73 rr. 33–36 e p. 75 rr. 1–5) Tum placet in historia adesse quempiam qui earum quae gerantur rerum spectatores admoneat, aut manu ad visendum advocet, aut quasi id negotium secretum esse velit, vultu ne eo proficiscare truci et torvis oculis minitetur, aut periculum remve aliquam illic admirandam demonstret, aut ut una adrideas aut ut simul deplores suis te gestibus invitet. Denique et quae illi cum spectantibus et quae inter se picti exequentur, omnia ad agendam et docendam historiam congruant necesse est.

Visens e spectator, cui sono da aggiungersi i participi presenti spectans e intuentis, esprimono nel testo latino quel che nel volgare corrisponde a molte soluzioni differenti, per lo più perifrastiche (nell’elenco seguente non sono riproposti i due luoghi, pari a tre occorrenze, riportati in precedenza): Alberti, Pict. volg. (ed. Bertolini)

Alberti, Pict. lat. (ed. Grayson)

1

1,2,12 pur così giaciono a vederle che paiono a chi le guarda mutate

1,2 (p. 13, rr. 7–8) ita sub aspectu tamen iaceant, ut superficies visentibus alterata esse videatur.

2

1,5,2 Ma le qualità per le quali, non alterata la superficie né mutàtoli suo nome, pure possono parere alterate, sono due, quali pigliano variazione per mutazione del luogo o de’ lumi

1,5 (p. 15, rr. 26–29) At vero qualitates quae non alterata superficie non tamen semper eundem aspectum exhibent, duae item sunt, nam aut loco aut luminibus mutatis tamen variatae intuentibus videntur.

3

1,5,12 Adunque le quantità per la distanzia paiono maggiori e minori.

1,6 (p. 19, rr. 24–25) Quantitates ergo pro intervallo minores ac maiores intuentibus nonnunquam videntur.

4

1,8,7 Ècci ancora una terza qual facci parere la superficie variata:

1,8 (p. 23, rr. 12–13) Est quoque tertium aliquid ex quo superficies difformes et variae intuentibus exhibeantur.

10

Nel secondo esempio contribuisce al distanziamento anche la corrispondenza piacemi/placet che a tutta prima potrebbe apparire adiafora e di rilevanza puramente grammaticale.

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Lucia Bertolini

Alberti, Pict. volg. (ed. Bertolini)

Alberti, Pict. lat. (ed. Grayson)

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1,12,13 Qual cosa se così è quanto dissi, adunque chi mira una pittura vede certa intersegazione d’una pirramide

1,12 (p. 29, rr. 14–15) Quae res cum ita sit, pictam superficiem intuentes intercisionem quandam pyramidis videre videntur.

6

1,19,9 però che così e chi vede e le dipinte cose 1,19 (p. 37, rr. 25–26) nam hoc pacto aequali vedute paiono medesimo in su uno piano in solo et spectantes et pictae res adesse videntur.

7

1,20,5 Poi constituisco quanto io voglia distanza dall’ochio alla pittura

1,20 (p. 39, rr. 28–30) Tum quantam velim distantiam esse inter spectantis oculum et picturam statuo,

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1,20,11 Questa linea a me tiene uno termine quale niuna veduta quantità, non più alta che l’occhio che vede, può sopr’agiudicare.

1,20 (p. 41, rr. 12–13) Haec mihi quidem linea est terminus atque limes quem nulla non plus alta quam sit visentis oculus quantitas excedat.

9

2,6,5 e 7 A presso, rimirandolo, conosciamo come più superficie del veduto corpo insieme convengano; […] Ultimo, più distinto discerniamo colori e qualità delle superficie […]

2,30 (p. 53, rr. 26–27 e 29–30) Proxime intuentes dignoscimus ut plurimae prospecti corporis superficies inter se conveniant; […]. Postremo aspicientes distinctius superficierum colores discernimus […]

10

2,16,1 che ella terrà con diletto e movimento d’animo qualunque dotto o indotto la miri

2,40 (p. 69, rr. 13–14) ut oculos docti atque indocti spectatoris diutius quadam cum voluptate et animi motu detineat.

11

2,16,7 E interviene, dove chi guarda soprastà 2,40 (p. 69, rr. 25–26) Fit enim ut cum rimirando tutte le cose, ivi la copia del pittore spectantes lustrandis rebus morentur, tum aquisti molta grazia. pictoris copia gratiam assequatur.

12

2,17,1 Poi moverà l’istoria l’animo quando li uomini ivi dipinti molto porgeranno suo proprio movimento d’animo.

2,41 (p. 71, rr. 30–31) Animos deinde spectantium movebit historia, cum qui aderunt picti homines suum animi motum maxime prae se ferent.

13–14

2,25,2–4 E ben che dipignesse quella Didone di Virgilio, a cui era la faretra d’oro, i capelli aurei nodati in oro, e la vesta purpurea cinta pur d’oro, i freni al cavallo e ogni cosa d’oro, non però ivi vorrei punto adoperassi oro; però che ne i colori, imitando i razzi de l’oro, sta più ammirazione e lode a l’artefice; e ancora veggiamo in una piana tavola alcune superficie ove sia l’oro, quando deono essere oscure, risplendere […]

2,49 (p. 89, rr. 5–13) Quin et si eam velim Didonem Virgilii expingere, cui pharetra ex auro, in aurumque crines nodabantur, aurea cui fibula vestem subnectebat, aureisque frenis vehebatur, dehinc omnia splendebant auro, eam tamen aureorum radiorum copiam, quae undique oculos visentium perstringat, potius coloribus imitari enitar quam auro. Nam cum maior in coloribus sit artificis admiratio et laus, tum etiam videre licet ut in plana tabula auro posito pleraeque superficies, quas claras et fulgidas reprae­ sentare oportuerat, obscurae visentibus appareant […]

Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura

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Alberti, Pict. volg. (ed. Bertolini)

Alberti, Pict. lat. (ed. Grayson)

15

3,2,4 E seguiranno questo i pittori ove la loro pittura terrà li occhi e l’animo di chi la miri

3,52 (p. 91, rr. 10–11) Id quidem assequetur pictor dum eius pictura oculos et animos spectantium tenebit atque movebit.

16

3,12,4 Dicono che Appelles, nascoso drieto alla tavola, acciò che ciascuno potesse più libero biasimarlo e lui più onesto udirlo, udiva quanto ciascuno biasimava o lodava.

3,62 (p. 105, rr. 34–35 e p. 107, r. 1) Apellem aiunt post tabulam solitum latitare, quo et visentes liberius dicerent et ipse honestius vitia sui operis recitantes audiret.

Sottraiamo da questa tabella i casi di intuens (nn. 2–5, 9) e l’isolata occorrenza di aspiciens (n. 9), il cui significato è di natura strettamente tecnico-filosofica, secondo la dottrina della visione di Alhazen (corrispondenti alla visione come intuitus o intuitio e rispettivamente come aspectus);11 le altre scelte lessicali latine, poste a confronto con i corrispondenti volgari, sembrano meno connotate e tendenzialmente intercambiabili dal punto di vista semantico, anche se comunque con un grado di tecnicità maggiore rispetto al volgare che, sulla scorta delle possibilità offerte dalla lingua coeva, è costretto a ricorrere a delle perifrasi (chi [le] guarda, chi vede, chi miri) per designare sia il soggetto dell’atto della visione sia, nei nn. 6, 10–16, il fruitore dell’opera.12 Ma in alcuni di questi passaggi il confronto mostra come – dal punto di vista espositivo – la redazione volgare sia maggiormente aderente alle fonti ottiche di cui è debitrice identificando il soggetto della visione con il luogo geometrico dell’occhio, laddove il testo latino esplicita un soggetto umano (così in maniera più palese che altrove negli esempi 7: Poi constituisco quanto io voglia distanza dall’ochio alla pittura / Tum quantam velim distantiam esse inter spectantis oculum et picturam statuo e 8: non più alta che l’occhio che vede / nulla non plus alta quam sit visentis oculus). Questa ricorrente integrazione dello spettatore – che conosce anche qualche caso inverso –13 avviene sia in forma di più precisa identificazione rispetto ad un indefinito del volgare (qualunque […] la 11

12 13

Federici Vescovini 2021, 5–6: «La vue est compréhension ou connaissance immédiate des choses; on peut la classer: 1) en tant qu’‹aspect› (aspectum) et dans ce cas elle peut être plus ou moins déterminée ou distincte. […]; 2) en tant qu’intuition (intuitio), en revanche, la vue est compréhension distincte, évidente (image optiquement distincte) et elle ne se produit que grâce à un seul rayon, le rayon perpendiculaire»; Federici Vescovini 2003, 162–165 e 385. Si veda infatti Pict. volg. 2,6,5 rimirandolo conosciamo e Pict. lat. 2,30 intuentes dignoscimus. Si noterà come nel latino l’apparenza delle cose (parere, paiono del volgare) divenga appunto intuitus; anche il volgare pare tendere, ma più occasionalmente, ad una specializzazione lessicale con mirare (cfr. nn. 5 e 9). In italiano il sostantivo spettatore compare agli inizi del Cinquecento (la prima attestazione sarebbe quella del Prologo ai Suppositi di Ludovico Ariosto del 1509); guardatore invece ha il ben diverso significato di ‹chi preserva e custodisce›. Si veda 2,18,4: Per questo molto conviensi impararli da la natura, e sempre seguire cose molto pronte e quali lassino da pensare a chi le guarda molto più che elli non vede e 2,42 (p. 73, rr. 26–29): Idcirco diligentissime ex ipsa natura cuncta perscrutanda sunt, semperque promptiora imitanda, eaque potissimum pingenda sunt, quae plus animis quod excogitent relinquant, quam quae oculis intueantur, nel quale il latino alla designazione dello spettatore che è del volgare (chi le guarda […] che elli

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miri / oculos […] spectatoris, ciascuno / visentes degli esempi numerati 10 e 16) sia come introduzione ex novo negli esempi dei nn. 12, 13–14, tanto più importanti perché, fuori ormai delle dimostrazioni ottiche e geometriche, e trattando degli effetti dell’opera su chi la guarda, Alberti propone una specifica designazione del pubblico.14 Fin qui si è parlato di quella mobilità del De pictura che si rintraccia nella rielaborazione d’autore al passare da una redazione all’altra. Ma va ribadito che la mobilità lessicale già più volte notata della redazione volgare,15 ha riscontri analoghi anche nella redazione latina. Mi limiterò a due soli esempi del lessico settoriale della geometria e dell’ottica, ambito particolarmente sensibile perché, per quanto riguarda il volgare, coinvolge la creazione non ancora perfettamente compiuta di un lessico specialistico, mentre per il latino implica l’adozione di forme di diversa ascendenza culturale. Entrambi i casi confermano l’atteggiamento asistematico di Alberti che nel De pictura conosce in genere una varietà nomenclatoria avvertibile sia all’interno di ciascuna redazione sia, ovviamente, nel confronto fra i due testi. Per definire le superfici concave il volgare mostra una notevole polimorfia anche perifrastica: accanto a concava (1,8,8 Vedesi nelle superficie speriche e concave; 2,8,7 così ancora le speriche, concave superficie) che in italiano è attestato fin dal Duecento in Ristoro d’Arezzo, magari concorrente a concavato, che Alberti non usa, il De pictura volgare conosce cava (2,23,3 nelle superficie cave e sperice piglia il colore variazione), cavata (1,4,10 La superficie composta sarà quella che per uno verso sia piana, per un altro verso sia cavata o sperica) e cavata in dentro (1,4,5 alcune cavate in dentro, alcune gonfiate in fuori e sperice; 1,4,9 La superficie cavata sarà dentro); in latino la situazione è meno variata, ma non corrisponde all’univoca soluzione a favore di concava che l’edizione ci propone (e che potrebbe erroneamente indurci a credere che Alberti abbia portato a sistema una scelta anticipata nel volgare), perché in tre occorrenze su sei (topograficamente in sequenza, ma non sempre vicinissime: 1,4, p. 15 rr. 18–19; 1,4, p. 15 r. 22; 1,8, p. 23 r. 15) Cecil Grayson, che avverte comunque l’utente nell’apparato dell’edizione laterziana,16 ha forzato la testimonianza dei mss., tutti concordi nel trasmettere la lezione convexa ‹concava› testimoniata in Virgilio e Plinio e che Alberti stesso utilizza in un luogo del Momus e in uno dell’autobiografia.17 Viceversa nel caso seguente, piuttosto che la reazione fra esigenze del volgare da un lato e le sirene della classicità dall’altro, è probabile che si debbano invocare diverse tradizioni scientifiche che si fronteggiano. Ogni volta che un aggettivo l’accompagni, la piramide costruita dai raggi visuali è detta visiva, fin dalla sua prima apparizione nel testo volgare:

14 15 16 17

non vede) preferisce il nitido parallelismo dei suoi strumenti fisici ed emozionali (animis excogitent […] oculis intueantur). Baxandall 1978; Baxandall 1994; Shearman 1995; Bätschmann 2003; Bätschmann 2007. Biffi 2007, 665; Bertolini 2019, 141 nota 18. Grayson 1973, 333–334. ThLL IV, sub v. convexus § 3; Alberti, Vita 4, e Mom. 2,101.

Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura

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Alberti, Pict. volg. (ed. Bertolini)

Alberti, Pict. lat. (ed. Grayson)

1,6,16 E questi razzi estrinsici, così circuendo la superficie che l’uno tocchi l’altro, chiugono tutta la superficie quasi come vetrici ad una gabbia, e fanno, quanto si dice, quella piramide visiva.

1,7 (p. 19, rr. 34–36 e p. 21 r. 1) Caeteri ii radii extremi dentatim universam fimbriam superficiei comprehendentes ipsam totam superficiem quasi cavea circumducunt. Unde illud aiunt visum per pyramidem radiosam fieri.

Il sintagma pyramis visiva è l’unico anche nel latino, salvo proprio nella prima occorrenza, fondativa sotto l’aspetto nomenclatorio, in cui la piramide è detta radiosa adottando la nomenclatura risalente a Ruggero Bacone.18 Per quanto occasionale, questa singolarità lessicale del testo latino merita di essere meglio indagata, tanto più che essa sembra stabilire una relazione di qualche genere con il maggiore interesse che Alberti mostra nel distinguere nel testo latino le due teorie concorrenti, intromissiva e estromissiva, della visione.19 Insomma anche i dettagli lessicali possono aprire squarci esegetici interessanti sulla cultura e le letture albertiane, magari anche offrendo spunti per modularle cronologicamente. Ma mi avvio alla conclusione con qualche considerazione di tipo retorico-stilistico. Nel desiderio di mantenere anche in questo caso un atteggiamento ‹indifferente› o neutrale riguardo al problema del processo autoriale, ho cercato di assumere come rilevante per l’analisi la categoria linguistica della coesione testuale (da leggere eventualmente come ripetizione o iteratio contrapposta a variatio). Il primo esempio dei due che vi sottopongo (fra i molti a disposizione) è cruciale per due motivi: in primo luogo perché riguarda la nominazione da parte di Alberti del genere letterario del commentario in cui intende inscriversi con la composizione del De

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19

Per quel che ho potuto vedere la denominazione di visiva attribuita da Alberti alla piramide si distacca da qualsiasi tradizione precedente, che preferisce visualis o radialis come attributo della figura geometrica costruita dai raggi. In particolare l’Optica in traduzione latina di Alhazen – che come noto è a fondamento della teoria prospettica albertiana: cfr. da ultimo Federici Vescovini 2021 – usa l’aggettivo radialis (cfr. II 37, p. 51; VII 37, p. 268 in Opticae thesaurus 1572), adottato anche nell’Opticae liber di Witelo (II, definitionis I, p. 61; III 36, p. 102; IV 17, p. 126 in Opticae thesaurus 1572). Radiosa compare invece in Ruggero Bacone (Perspectiva, distinctio VI, cap. II: pyramis visualis et radiosa; non dicitur pyramis visualis nec pyramis radiosa; ivi cap. III pyramis radiosa; inoltre nella Multiplicatio specierum, Pars V, cap. III; nell’opera di Bacone visivus compare solo nel sintagma virtus visiva) e nella Perspectiva communis di John Peckham (Peckham 1542, propositiones XXXV e XXXVIII). In particolare è da rimarcare la concomitanza fra scelta terminologica e la comparsa, poco prima rispetto alla definizione della piramide, nel testo latino del sintetico resoconto dell’ampia discettazione fatta da Alhazen nel primo libro dell’ottica (Pict. lat. 1,5, p. 17, rr. 3–10): Nam ipsi idem radii inter oculum atque visam superficiem intenti suapte vi ac mira quadam subtilitate pernicissime congruunt, aera corporaque huiusmodi rara et lucida penetrantes quoad aliquod densum vel opacum offendant, quo in loco cuspide ferientes e vestigio haereant. Verum non minima fuit apud priscos disceptatio a superficie an ab oculo ipsi radii erumpant. Quae disceptatio sane difficilis atque apud nos admodum inutilis pretereatur.

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Lucia Bertolini

pictura,20 in secondo luogo perché coinvolge porzioni ampie interessate dalla coesione testuale e dalla ripresa (tanto ampie da implicare la consapevole pianificazione dell’autore). Queste le occorrenze nelle due redazioni: Alberti, Pict. volg. (ed. Bertolini)

Alberti, Pict. lat. (ed. Grayson)

1,1,1 Scrivendo de pictura in questi brevissimi comentari, acciò che ’l nostro dire sia ben chiaro […]

1,1 (p. 11, rr. 1–2) De pictura his brevissimis commentariis conscripturi, quo clarior sit nostra oratio […]

1,21,2 sì etiam per questa brevità del nostro comentare, sarà non molto forse intesa da chi leggerà

1,21 (p. 41, rr. 24–25) obque hanc commentandi brevitatem parum a legentibus intelligatur

1,23,2 quali in questi comentari per brevità mi parve da lassare

1,23 (p. 43, rr. 10–11) quod his commentariis brevitatis causa pretermittendum censui

3,1,1 Ma, poi che ancora altre utili cose restano a fare uno pittore tale che possa seguire intera lode, parmi in questi commentarii da non lassarlo.

3,51 (p. 91, rr. 1–3) Sed cum ad perfectum pictorem instituendum ut omnes quas recensuimus laudes assequi possit, nonnulla etiam supersint, quae his commentariis minime praetereunda censeo […]

3,11,5 onde nel publico lavoro torremo da i nostri congetti, quasi come da privati commentarii, ogni stanzia e sito delle cose.

3,61 (p. 105, rr. 1–2) ut in publico opere cuncta, veluti ex privatis commentariis ducta, suis sedibus collocentur

3,13,1 Ebbi da dire queste cose della pittura, quali se sono commode e utili a’ pittori, solo questo domando […]

3,63 (p. 107, rr. 11–13) Haec habui quae de pictura his commentariis referrem. Ea si eiusmodi sunt ut pictoribus commodum atque utilitatem aliquam afferant, hoc potissimum […]

La tabella chiarisce come il termine com(m)entari/commentarii venga usato in apertura assoluta del De pictura e come – con il medesimo richiamo al genere – si chiuda il primo libro (poco avanti della fine assoluta); è vero che lo stesso termine compare anche a 1,21,2, ma al di là dell’apparente sovrapponibilità formale e ideologica (anche in questo caso intermedio si insiste sulla brevitas che caratterizza l’opuscolo) si noterà che qui il termine commentare del volgare ha valore verbale, come chiarito dall’adozione di un gerundivo nel corrispondente in lingua classica. Mentre il secondo libro non reca alcuna attestazione di commentarii, la simmetria si ripropone – stavolta però solo sulla fede del testo latino – per il terzo libro (anche in questo caso è opportuno prescindere nell’analisi dall’esempio intermedio di 3,11,5/3,61 nel quale si rinvia non al trattato pittorico, ma a materiali privati di lavoro). In definitiva in entrambe le redazioni il terzo libro si apre con l’esplicita menzione della categoria letteraria del commentario, ma solo secondo la versione latina quel medesimo libro finale – con perfetta e studiata

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Ianziti 1992; Scalmazzi 2021, CLXXXI–CLXXXVI.

Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura

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corrispondenza – si chiude su quella stessa ripresa (più propriamente da questa parola prende avvio l’ultimo paragrafo del De pictura). L’indubitabile riconoscimento di una calcolata costruzione retorica del testo è meno trasparente nel brano successivo nel quale Alberti incoraggia a valorizzare – e non soltanto a custodire – le doti naturali: Alberti, Pict. volg. (ed. Bertolini)

Alberti, Pict. lat. (ed. Grayson)

3,10,14–16 Così a ciascuno fu non equali facultà e diede la natura a ciascuno ingegno sue proprie dote; delle quali non però in tanto dobiamo essere contenti che per negligenzia lassiamo di tentare quanto ancora più oltre, con nostro studio, possiamo. E conviensi cultivare i beni della natura con studio e esercizio e così di dì in dì farli maggiori; e conviensi per nostra negligenzia nulla pretermettere quale a noi possa retribuere lode.

3,60 (p. 103 rr. 23–27) Itaque cuique non aequa facultas affuit. Proprias enim dotes natura singulis ingeniis elargita est, quibus non usque adeo contenti esse debemus, ut quid ultra possimus intentatum relinquamus. Sed et naturae dotes industria, studio atque exercitatione colendae, augendaeque sunt, et praeterea nihil quod ad laudem pertineat, negligentia praetermissum a nobis videri decet.

La redazione volgare mette in mostra sia insistite ripetizioni (con nostro studio / con studio; per nigligenzia / per nostra nigligentia; il duplice attacco frasale e conviensi) sia la volontà di variatio (proprie dote / i beni della natura). A fronte, nel corrispondente latino non compaiono le ripetizioni di negligentia e di studio (in entrambi i casi è la prima occorrenza del volgare che viene meno nel latino, mentre la seconda occorrenza di studio, nel volgare inserita in una dittologia, compare ora come membro di un tricolon),21 ai due e conviensi del volgare corrispondono due differenti tournures sintattiche latine e, d’altro canto, la variatio di proprie dote / i beni della natura compare ora nella forma dell’iteratio (proprias […] dotes / naturae dotes). Siamo dunque in una sorta di impasse interpretativa, se non fosse che è proprio la linguistica a dirci che le due occorrenze di dotes non sono una piatta ripetizione lessicale, bensì costruiscono un caso di ripresa testualmente coesiva, come mostra il segnale discorsivo di Sed et, che in consapevolezza espressiva sopravanza lo scontato artificio retorico della variatio nel volgare. Nella sia pur parziale esemplificazione scelta e commentata ho cercato di evitare – non so come chiamarle – le secche o le sabbie mobili della questione cronologica dei testi. Ma anche lasciando fuori dal discorso la questione cronologica e cioè il problema di quale sia il senso del processo d’autore, un’esegesi efficace del testo richiede che ci si faccia carico delle due facce di questo testo che noi chiamiamo ‹il De pictura›, ché studiare il De pictura volgare tralasciando il latino – o viceversa – varrebbe eradere l’una o l’altra delle due facce della stessa medaglia.*

21 *

Segnala questo caso, fra altri esempi di terne nella redazione latina, McLaughlin 2007, 212–213. Ringrazio Martin McLaughlin per una attenta lettura preliminare.

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Testo e testualità nelle due redazioni del De pictura

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Furlan 2021b: Francesco Furlan: Tra latino e volgare. De pictura, Naufragium e Uxoria, Elementa e Risposta nel quadro del bilinguismo di autore e pubblico, in: Albertiana 24/1, 2021, 65–77. Ianziti 1992: Gary Ianziti: I Commentarii: appunti per la storia di un genere storiografico quattrocentesco, in: Archivio Storico Italiano 150, 1992, 1029–1063. Kristeller 1989: Paul Oskar Kristeller: Iter Italicum: Accedunt Alia Itinera: a Finding List of Uncatalogued or Incompletely Catalogued Humanistic Manuscripts of the Renaissance in Italian and other Libraries, vol. 4 (Alia Itinera II), Great Britain to Spain, London-Leiden 1989. Kristeller 1990: Paul Oskar Kristeller: Iter Italicum: Accedunt Alia Itinera: a Finding List of Uncatalogued or Incompletely Catalogued Humanistic Manuscripts of the Renaissance in Italian and other Libraries, vol. 5 (Alia Itinera III and Italy III): Sweden to Yugoslavia, Utopia [and] Supplement to Italy (A–F), London-Leiden 1990. Kristeller 1992: Paul Oskar Kristeller: Iter Italicum: Accedunt Alia Itinera: a Finding List of Uncatalogued or Incompletely Catalogued Humanistic Manuscripts of the Renaissance in Italian and other Libraries, vol. 6 (Italy III and Alia Itinera IV): Supplement to Italy (G–V), Supplement to Vatican and Austria to Spain, London-Leiden 1992. Maraschio 1972: Nicoletta Maraschio: Aspetti del bilinguismo albertiano nel De Pictura, in: Rinascimento 12, 1972, 183–228. McLaughlin 2007: Martin McLaughlin: Bilinguismo e strategie retoriche nel De pictura dell’Alberti, in: Arturo Calzona, Francesco Paolo Fiore, Alberto Tenenti, Cesare Vasoli (ed.): Leon Battista Alberti teorico delle arti e gli impegni civili del «De re aedificatoria», Firenze 2007, 203–223. Opticae thesaurus 1572: Opticae thesaurus Alhazeni arabis […] Item Vitellonis Thuringopoloni libri X. Omnes instaurati, figuris illustrati & aucti, adiectis etiam in Alhazenum commentariis a Federico Risnero, Basileae MDLXXII. Pearson 2019: Caspar Pearson: The Return of the Giants: Reflections on technical Mastery and moral Jeopardy in Leon Battista Alberti’s Letter to Filippo Brunelleschi, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 82, 2019, 113–141. Peckham 1542: Perspectiva communis […] per Georgium Hartmannum Norimbergensem, Norimbergae MDXLII. Scalmazzi 2021: Danila Scalmazzi: Tra Milano e Firenze. Cristoforo Landino volgarizzatore dei Rerum gestarum Francisci Sphortiae commentarii di Giovanni Simonetta. Edizione critica della Sforziada di Cristoforo Landino, Milano 2021. Shearman 1995: John Shearman: Arte e spettatore nel Rinascimento italiano. «Only connect …», Milano 1995 (ed. originale: Only connect. Art and spectator in the Italian Renaissance, Princeton 1992). ThLL: Thesaurus Linguae Latinae, Lipsia-Berlin-Boston, 1900 ss.

Leon Battista Alberti: Maler, Gelehrte, Publikum Oskar Bätschmann 1. Künstlerrat der letterati Im Prolog, den Leon Battista Alberti für die italienische Fassung seines Malereitraktats schrieb und an den befreundeten Architekten Filippo Brunelleschi richtete, rühmte er aufs Höchste die Tüchtigkeit der neueren Künstler in seiner Vaterstadt Florenz und stellte ihre „schöpferische Fähigkeit zur Entdeckung neuer Künste und Wissenschaften“ sogar über jene der antiken Künstler. Denn im Gegensatz zu diesen seien die neueren ohne Lehrmeister und ohne Vorbild – senza precettori, senza essempio alcuno – auf die höchste Stufe der Erfindung und Innovation gelangt. Alberti legte sein Werk über die Malkunst dem berühmten Architekten vor, damit er Belehrung erhalte und von den Verleumdern verschont werde. Mit wenigen Sätzen umreißt er die drei Teile – libri – seiner Abhandlung: im ersten lässt er die Malerei aus den Grundlagen (der Geometrie) entstehen, im zweiten analysiert er die Teile der Malkunst und legt sie in die Hand des Künstlers, und mit dem dritten Buch will er die Künstler von Fehlern abhalten und auf den Weg zur Perfektion bringen: Il terzo [libro] instituisce l’artefice quale e come possa e debba acquistare perfetta arte e notizia di tutta la pittura. („Das dritte [Buch] unterrichtet den Künstler, wie er sich die vollkommene Kunst und die Kenntnis der ganzen Malkunst erwerben könne und müsse.“)1

Diese Art von Anleitung und Verpflichtung nenne ich „Künstlerrat“ mit Wilhelm Schlink, der diese Spezies der belehrenden Literatur wie folgt umschrieben hat: „Ratschläge an den Künstler, was zu tun ist, wie er zu arbeiten habe, welche Sujets zu be-

1

Bätschmann/Gianfreda 2014, 62–63 [= Pict. volg. pr. 15]. De pictura wird zitiert nach Bätschmann/Schäublin 2011.

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handeln seien, wovor er sich hüten müsse, wie man sich als Künstler zu geben habe und anderes mehr.“2 Wir können Albertis Ratschläge im dritten Buch als Künstlerrat im engeren Sinn betrachten, während die technischen und handwerklichen Unterweisungen zur Perspektive und zu den Teilen der Malerei in den ersten beiden Büchern den Künstlerrat im weiteren Sinne ausmachen. In der Frage, ob Künstlerrat als eigenes Genus aufzufassen sei neben anderen Tätigkeiten wie Kunstkritik, Kunstpolitik und ähnlichem, wollte Schlink sich nicht festlegen, weil der Künstlerrat sich „in die unzugängliche Sphäre des persönlichen Gesprächs“ verliere. Jedoch sei Künstlerrat an fast allem beteiligt, was „über Kunst und Künstler jemals gesagt und geschrieben worden“ sei. Ein derart ausgeweiteter Begriff von Künstlerrat auf Beteiligung an allem Sprechen und Schreiben über Kunst wäre allerdings nicht mehr praktikabel. Dagegen sind Albertis Ratschläge zur Kommunikation unter den Künstlern, zum Umgang mit gelehrten und ungelehrten Unterstützern und zum Verhalten gegenüber dem Publikum sehr konkret. Obwohl er ein künstlerischer Laie war, traute er sich die Belehrung der Künstler zu und steigerte gelegentlich den Ratschlag zu einer Verpflichtung. Seine Kompetenz begründete Alberti damit, dass er sich „wendigen Geistes“ mit allen freien Künsten vertraut gemacht und aus eigenem Antrieb Gesang und Orgelspiel erlernt habe. Zudem versuchte er von Handwerkern die Geheimnisse ihrer Kunst zu erfahren, betätigte sich selbst als Freizeitmaler und führte kleine Schaukästen mit täuschenden Naturerscheinungen den Zuschauern zur höchsten Verblüffung vor.3 Alberti rühmte sich, seine Schau-Erfindungen staunenden spectatores vorgeführt zu haben, sodass sowohl die periti als auch die imperiti – die Kundigen wie die Unkundigen – gleicherweise sich täuschen ließen und wirkliche Naturerscheinungen zu sehen meinten.4 Die temporäre Täuschung des menschlichen und animalischen Publikums galt seit der Antike als unwiderleglicher Beweis für die Exzellenz einer gemalten Darstellung. Beispiele, die berühmt wurden, finden sich mehrfach bei Plinius d. Ä.: Zeuxis täuscht die Vögel mit Trauben, Parrhasios täuscht Zeuxis mit einem Vorhang, Apelles lässt Pferde entscheiden über sein Gemälde und die seiner Konkurrenten.5 Die Täuschung der Zuschauer durch ein trompe l’œil muss transitorisch sein und sich in die Erkenntnis der Kunstfertigkeit und in die Bewunderung des Künstlers auflösen. Dass Alberti in seiner Vita auf spectatores Bezug nimmt, auf Zuschauer in der Mehrzahl, ist die Regel auch für das Malereitraktat. Sowohl in De Pictura und als auch in Della Pittura bezieht sich Alberti in Fragen der Rezeption und sogar der Produktion durchgehend oder überwiegend auf eine Mehrzahl, eine Menge oder multitudine, nicht etwa auf einzelne Zuschauerinnen oder Zuschauer. Ich verwende für diese Menge, die

2 Schlink 1997. 3 Alberti, Vita, 36–39 [= § 1–6], 52–53 [= § 35–38]. 4 Alberti, Vita, 52–53 [= § 35]. 5 Plin. Nat. 35,65–66; 95–96.

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ihre Aufmerksamkeit auf ein Kunstwerk richtet oder einer Vorführung beiwohnt, die neuere Bezeichnung ‚Publikum‘. Im Abschnitt 53 von De Pictura empfiehlt Alberti den Malern, für die Planung der Komposition einer historia die kenntnisreichen letterati um Rat und Hilfe anzugehen: Neque parum illi quidem multarum rerum notitia copiosi litterati ad historiae compositionem pulchre constituendam iuvabunt, quae omnis laus praesertim in inventione consistit. („In der Tat, die Schriftsteller, die über einen reichen Schatz an Kenntnissen vieler Dinge verfügen, können durchaus Hilfe leisten, wenn es darum geht, die Komposition eines Vorgangs schön zu planen: dessen lobenswertes Gelingen hängt ja zumal von der Erfindung ab.“)6

Zur Begründung der Empfehlung, die Dichter und Rhetoren um Rat zu fragen, heißt es, diese hätten viele ornamenta mit den Malern gemein und verfügten über Kenntnisse, die für die Komposition einer historia und für deren Erfindung hilfreich seien. Alberti ist es klar, dass dieser Ratschlag eine intellektuelle Herabsetzung der Maler gegenüber den Dichtern und Rhetoren impliziert, und er versucht deshalb, der Erniedrigung vorzubeugen mit der Forderung nach dem gelehrten Künstler, der in allen freien Künsten unterrichtet ist, besonders aber in der Geometrie. Alberti braucht an dieser Stelle neben compositio zwei weitere wichtige Begriffe, historia und inventio. Den Begriff historia haben wir in der lat.-dt. Ausgabe mit ‚Vorgang‘ übersetzt, was nicht überall als ‚lobenswertes Gelingen‘ betrachtet wurde, da viele historia gemäß der literarischen Vorgabe auf narrative Darstellungen beziehen wollten.7 Alberti umschreibt jedoch historia als das große opus, das alle Bereiche der Malkunst umschließt, die er im zweiten Buch von De Pictura erörtert: Umschreibung, Komposition, Lichteinfall und Erfindung. Im Abschnitt 35 beschreibt er die Bildung der historia aus den Flächen, den Gliedern und den Körpern, woraus schließlich das ultimum […] et absolutum pictoris opus hervorgeht, „das letzte und eigentlich vollkommene Werk des Malers“. Nirgends findet sich bei Alberti eine Einschränkung der historia auf eine narrative Darstellung, aber diese wird auch nicht ausgeschlossen. Versteht man historia als narrative Darstellung, könnte man Werke wie Masaccios Trinita (sic) und viele andere nicht in die wichtigste Bildkategorie einbeziehen ohne den Begriff zu verbiegen. Historia muss selbstverständlich sowohl Darstellungen mit bewegten Figuren wie auch der handlungslosen Repräsentation umfassen. Das narrative Werk, die Navicella Giottos, die Alberti bekanntlich als einziges Werk der neueren Zeit erwähnt, müssen wir ebenso zu den absoluten und vollkommenen Werken der Malerei zählen wie das perspektivische Glanzstück Trinita von Masaccio, dessen schöpferischer ingegno im Prolog gerühmt wird.

6 7

Pict. lat. 3,53. Grafton 2003, 199–223.

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Alberti will als Sachverständiger den Künstlern mit Rat beistehen und sie auch dazu anleiten, das verständige Urteil zu unterscheiden von einem unqualifizierten oder irrigen. Als Belohnung erwartet Alberti, dass die Maler „mein Porträt in ihre Historien malen“, faciem meam in suis historiis pingant. Das ist kein bescheidener Wunsch, denn das Porträt soll seinen Künstlerrat als Anteil am Entstehen des Werks öffentlich und dauernd dokumentieren.8 2. Rat der Menge Alberti verpflichtet die Maler, die Dichter und Rhetoren bei der Planung eines Werkes einzubeziehen, und empfiehlt zudem, alle zufälligen Passanten um Rat zu fragen: Ergo moderata diligentia rebus adhibenda est, amicique consulendi sunt, quin et in ipso opere exequendo omnes passim spectatores recipiendi et audiendi sunt. („Nochmals also: man muss mit maßvoller Sorgfalt zu Werke gehen, man muss die Freunde um Rat fragen – es empfiehlt sich sogar, während der Arbeit am Werk alle zu empfangen und anzuhören, die als Zuschauer vorbeikommen.“)9

Zur Begründung führt er einen Passus über den Erfolg des Malers bei der Menge an, den er als Selbstverständlichkeit deklariert: Pictoris enim opus multitudini gratum futurum est, „schließlich legt der Maler es ja darauf an, dass sein Werk bei der Menge Erfolg hat.“10 Die Begründung mit der Menge, mit den spectatores in der Mehrzahl oder mit der multitudo ist umso bedenkenswerter, als Alberti dieser Menge eine wichtige Funktion sowohl bei der Konzeption eines Werkes als auch bei der Rezeption einräumt. Das Handwörterbuch von Karl-Ernst Georges liefert zum Lemma multitudo eine große Bandbreite von Menge, Masse, zu der große Haufen, das gemeine Volk, der Pöbel.11 Alberti braucht weder den Begriff publico für die Menge, deren Interesse auf etwas gerichtet ist oder geweckt wird, noch die lateinische Bezeichnung publicum, die mit Staatseigentum verbunden ist.12 Im Abschnitt 62 von De Pictura wiederholt Alberti den Rat, das Urteil der Menge nicht zurückzuweisen, solange der Arbeitsprozess noch nicht abgeschlossen ist, ja, er insistiert darauf, die multitudo oder in der italienischen Fassung ciascuno – ‚jedermann‘ anzuhören:

Pict. lat. 3,63; Pict. volg. 3,63 [= Pict. volg. 3,13,1–2]. Pict. lat. 3,62; fast gleich lautend Pict. volg. 3,62 [= Pict. volg. 3,11,21–12,1]. Pict. lat. 3,62. Georges 1918 Bd. 2, col. 1043; Vocabolario degli Accademici della Crusca, online, hat 1612 bereits 127 Einträge für moltitudine von Leuten, Vieh, Schiffen usw. 12 Vocabolario, publico, online; Georges 1918, publicum, Bd. 2, Sp. 2061–2063. 8 9 10 11

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Ergo multitudinis censuram et iudicium tum non aspernetur, cum adhuc satisfacere opinionibus liceat. („Deswegen sollte er die Kritik und das Urteil der Menge nicht verschmähen, zumindest solange nicht, als es noch möglich ist, fremde Meinungen zu berücksichtigen.“)13

Alberti argumentiert sowohl bei der Produktion wie auch bei der Rezeption mit der Menge, mit dem Publikum, wir haben es nur noch nicht realisiert und handeln seit jeher ohne Überprüfung vom ‚Betrachter‘, dem Rezipienten im Singular, oder ähnlich ‚spectator, viewer, beholder, spettatore, spectateur usw.‘ In den zahlreichen Kommentaren zu den beiden Fassungen des Malereitraktats wurde nie beachtet, dass Alberti in der lateinischen Version stets von einer Mehrzahl der Adressaten und Rezipienten von Gemälden spricht, und auch in der italienischen sich auf la moltitudine bezieht.14 Er schreibt also nicht ‚Betrachter‘ oder spectator, sondern spectatores oder er handelt von den Seelen der Betrachter. Wir meinen ohne weitere Überlegung, es genüge, den ‚Betrachter‘ für einen Kollektivsingular zu erklären, und wir fragen nicht, welche Konsequenzen sich einstellen, wenn wir stattdessen von einer wirklichen Menge im Sinne Albertis oder eben vom Publikum handeln. Im Abschnitt 62 in beiden Fassungen verstärkt Alberti das Argument, das Publikum beizuziehen, mit der Autorität des berühmtesten Künstlers der Antike: Apellem aiunt post tabulam solitum latitare, quo et visentes liberius dicerent, et ipse honestius vitia sui operis recitantes audiret. („Es heißt, Apelles habe die Gewohnheit gehabt, sich jeweils hinter einem Bild zu verstecken, damit die Betrachter sich freimütiger äußerten und damit er selbst möglichst ungeschminkt vernehme, wie sie die Fehler seines Werks aufzählten.“)15

Alberti hebt hier nicht hervor, dass Apelles seine vollendeten Werke den zufälligen Passanten zur Schau stellte, dem volgus bzw. vulgus nach Plinius, also dem gewöhnlichen Volk, und er interessiert sich nicht für den kritisierenden Schuster, der in den folgenden Jahrhunderten für seinen Mut und seine Anmaßung zu Ruhm kommen wird.16 Aber er verstärkt seinen Wunsch, dass die zeitgenössischen Maler das Verhalten des Apelles nachahmen und das Publikum konsultieren. Dazu wechselt er in der italienischen Fassung vom Wunsch zu einer Willensäußerung: Pict. lat. 3,62, Pict. volg. 3,62 [= Pict. volg. 3,12,3]. Bätschmann 2003 und 2007. Pict. lat. 3,62, vgl. Pict. volg. 3,62 [= Pict. volg. 3,12,4]; Plin. Nat. 35,84: idem perfecta opera proponebat in pergula transeuntibus atque, ipse post tabula latens, vitia, quae notarentur, auscultabat, volgum diligentiorem iudicem quam se praeferens („seine vollendeten Werke stellte er im Vorbau seines Hauses für die Vorübergehenden aus und hörte, hinter der Tafel verborgen, die Fehler, die man anführte, wobei er das Volk als einen sorgfältigeren Richter betrachtete als sich selbst“). 16 Plin. Nat. 35,84; Eickelkamp 2016. 13 14 15

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Così io voglio i nostri pittori apertamente domandino o odano ciascuno quello che giudichi, e gioveralli questo ad acquistar grazia. („Ich will, dass unsere Maler auf gleiche Weise offen fragen und jeden anhören, der ein Urteil abgibt; dies wird ihnen dienlich sein, um Erfolg zu erreichen.“)17

In der Vita beteuert Alberti, selbst auch das Vorbild des Apelles zu befolgen und alle Kritik anzunehmen. Das unermüdliche Streben des Künstlers nach Perfektion und nach Erfolg bei der Menge ist für ihn selbstverständlich. In seiner Vita deklariert Alberti die Selbstausbildung bis zur Perfektion in allen Bereichen, von den Leibesübungen zu den Wissenschaften und Künsten, als seine Maxime.18 Er selbst beteuert, auf jede Kritik an seinen Schriften einzugehen, wenn sie ihm persönlich mitgeteilt wurde. Ebenso soll der Maler zwar alle anhören, aber nur jenen gehorchen, die sich in der Sache auskennen. Vituperatoribus rerum quas conscriberet modo coram sententiam suam depromerent gratias agebat, in eamque id partem accipiebat ut se fieri elimatiorem emendatorum admonitu vehementer congratularetur. („Er dankte denjenigen, die seine Schriften tadelten, solange sie ihm ihre Meinung persönlich mitteilten, und er beglückwünschte sich zu mancher Kritik, weil er durch die Ermahnungen der Kritiker besser zu werden glaubte.“)19

Es gibt allerdings gewichtige Bedenken, den Ratschlag oder den Willen Albertis zur allgemeinen Befragung zu befolgen. Besonders wegen der in Florenz üblichen Künstlerkonkurrenzen und der Neigung der Bürger zu Intrigen und übler Nachrede musste Alberti es für notwendig halten, die berechtigte Furcht vor Neidern und Verleumdern zu zerstreuen. Tum minime verendum est ne vituperatorum et invidorum iudicium laudibus pictoris quicquam possit decerpere. („Andererseits braucht man sich nicht davor zu fürchten, dass das Urteil von Tadlern und Neidern dem Ruhm des Malers irgendwie abträglich sein könnte.“)20

Alberti nahm an, dass die Bürger von Florenz es als Ehre auffassen würden, um ihre Meinung über eine Arbeit gefragt zu werden, und er meinte, dass die Neider und Verleumder dem Ruhm eines Malers nicht auf die Dauer schaden könnten, da die Werke bleibende Zeugen des Ruhms seien. 17 18 19 20

Pict. volg. 3,62 [= Pict. volg. 3,12,5–6]. Tauber/Cramer 2004, 36–41 (= Vita 1–10). Tauber/Cramer 2004, 42–43 (= Vita 15). Pict. lat. 3,62; Pict. volg. 3,62 [= Pict. volg. 3,12,7].

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Dieser Verharmlosung von Neid und Verleumdung im Malereitraktat steht die Schärfe entgegen, mit der sich Alberti in der Vita über die Verleumder äußert, das größte Übel der menschlichen Gesellschaft. Sie schädigen sowohl mit Scherzen und Spott wie auch mit Entrüstung und Zorn den Ruf ‚rechtschaffener Leute‘. Alberti schildert, wie er unter dem Hass, der Feindschaft, den unerträglichen Beleidigungen und den Verschwörungen seiner Verwandten zu leiden hatte. Zudem waren die männlichen Mitglieder der Alberti von 1401 bis 1428 aus Florenz verbannt, da sie den Machtkampf in der Stadt der intriganten Bürgerschaft verloren hatten. Alberti schreibt, er achte er peinlich streng auf seinen Lebenswandel, um den Mitbürgern nicht den geringsten Anlass zur Verleumdung zu geben.21 Alberti machte ein verschwundenes Gemälde von Apelles wieder bekannt, das eine Vorstellung von der verderblichen Wirkung der Verleumdung für Künstler und Auftraggeber lieferte. Für Alberti war das Gemälde des Apelles, von dem er durch die Beschreibung des Lukian wusste, das lehrreiche Beispiel einer ausgezeichneten Erfindung, und er machte keinerlei Andeutung, die Verleumdung des Apelles sei als Allegorie auf den zeitgenössischen Kunstbetrieb, und besonders den von Florenz, aufzufassen. Die Beschreibung des Lukian, die Alberti referierte, wurde zur Anregung für die Rekonstruktion des verlorenen Gemäldes. Andrea Mantegna hat nach der Beschreibung Albertis die Feinde der Künstler gezeichnet und die Figuren nach Tugend und Laster beschriftet. Andrea Mantegna zeichnete das Thema ohne zeitgenössischen Bezug, aber Girolamo Mocetto gab der allegorischen Komposition in seiner Umsetzung in einen Kupferstich (Abb. 1) mit der Kirche SS. Giovanni e Paolo und dem Reitermonument für Bartolomeo Colleoni einen Ort und mit den zeitgenössischen Kostümen eine zeitliche Verortung.22 Mocetto gab die Beschriftungen der Figuren von Mantegna leicht verändert und erweitert wider: Sospitione, Ignorantia, Invidia, Calumnia dapele, Inocentia, Adiptione, Insidia, Penitentia, Verita.23 Die Verleumdung des Apelles ist Albertis Warnung an die Künstler vor ihren Feinden im Abschnitt 53, aber in Abschnitt 62 meint er beruhigend, die Verleumder könnten einem perfekten Werk nicht auf Dauer schaden. Die unablässige Wiederholung des Themas der Rettung der Wahrheit durch die Zeit aus den Fängen von Neid und Zwietracht in den folgenden Jahrhunderten belegt allerdings sowohl die dauernde Furcht der Künstler vor der Niedertracht der Kollegen, der Auftraggeber und des Publikums, als auch ihr Bedürfnis, ihre Widersacher zu strafen.24

Tauber/Cramer 2004, 42–47 (= Vita 13–23). Marini 2009, 238. Andrea Mantegna, Die Verleumdung des Apelles, 1504–1506, Feder, 20,6 × 37,9 cm, London, British Museum, inv. 1860,0616.85. 24 Siehe Accidini/Capretti 2009. 21 22 23

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Abb. 1 Girolamo Mocetto nach Andrea Mantegna, Die Verleumdung des Apelles, um 1504/1506, Kupferstich, 31,4 × 44,8 cm, Wien, Albertina, inv. DG1954/40

Abb. 2 Giotto di Bondone, Invidia, 1306, Fresko, 120 × 47, 2 cm, Padua, Scrovegni Kapelle, akg-images / Cameraphoto

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Für die Cappella degli Scrovegni in Padua erfand Giotto eine besonders scheußliche Invidia (Abb. 2): eine weibliche Figur, die im Feuer steht, einen Beutel in der linken Hand hält und die Rechte zum Greifen krallt. Aus ihrem Mund kriecht eine Schlange, die sich zurückkrümmt und ihr ins Auge beißt, während ihr Schwanz das riesige Ohr umkreist. 3. Malerei und Schauspiel Viele Wendungen lassen erkennen, dass Alberti tatsächlich von einer Menge ausgeht und nicht sich bloß eines pluralis majestatis bedient. Im zweiten Buch schreibt er von den Rezipienten im Plural, wenn er im Abschnitt 41 von der Wirkung einer historia auf die Seelen der Zuschauer handelt und sich auf Horaz bezieht: Animos deinde spectantium movebit historia, cum qui aderunt picti homines suum animi motum maxime prae se ferent. Fit namque natura, qua nihl sui similium rapacius inveniri potest, ut lugentibus conlugeamus, ridentibus adrideamus, dolentibus condoleamus. („Ferner wird ein Vorgang (historia) die Seelen der Betrachter dann bewegen, wenn die gemalten Menschen, die auf dem Bild zu sehen sind, ihre eigene Seelenregung ganz deutlich zu erkennen geben. Die Natur nämlich, die in unvergleichlichem Maße an sich reißt, was ihr gleicht: die Natur also schafft es, dass wir mit den Trauernden mittrauern, dass wir die Lächelnden anlächeln, dass wir mit den Leidenden mitleiden.“)25

In diesem Satz ist der Gebrauch des Plurals durch Alberti umso auffallender, als er einen bekannten Passus von Horaz paraphrasiert, der zunächst von animum auditoris im Singular spricht und danach von einer Mehrzahl, dem römischen Publikum, bestehend aus Rittern und Plebejern.26 In der italienischen Fassung schreibt Alberti, dass ein Vorgang (historia) die Seele (Singular) dann bewege, wenn die Emotionen deutlich dargestellt sind. Die Begründung mit Horaz erfolgt wieder wie in der lateinischen Fassung im Plural.27 Im folgenden Abschnitt weitet Alberti die von Horaz überlieferte Beobachtung der Nachahmung oder Spiegelung der Emotionen durch die Zuschauer in einem überraschenden Satz aus. Er betrifft das Zusammenspiel der Personen, die im Gemälde dargestellt sind, sowohl untereinander als auch mit den spectatores, die deren seelische und körperliche Bewegungen spiegeln sollen:

25 Pict. lat. 2,41. 26 Hor. Ars 99–123. 27 Pict. volg. 2,41 [= Pict. volg. 2,17,1–2].

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Denique et quae illi com spectantibus et quae inter se picti exequentur, omnia ad agendam et docendam historiam congruant necesse est. („Schließlich kommt es darauf an, dass alles – sowohl das Zusammenspiel dieser Personen mit den Zuschauern als auch dasjenige der gemalten Personen untereinander – übereinstimmt zum Zwecke der Darstellung und der Vermittlung der historia“).28

Alberti überträgt das lebendige Zusammenspiel zwischen den dargestellten Personen im Gemälde und deren Spiegelung in den Zuschauern vom Schauspiel auf die Malerei und ihr Publikum. Als Dichter einer Komödie kennt Alberti die Verbindung von interner und externer Kommunikation, zwischen den Schauspielern und den Zuschauern.29 1424 schrieb er die allegorische Komödie Philodoxeus fabula in lateinischer Prosa, und um 1434–1437, verfasste er dazu das Commentarium.30 Alberti äußert sich in den Kapiteln 7 und 8 des 8. Buches von De re aedificatoria ausführlich zum Schauspiel und zu den Theaterbauten.31 Er unterscheidet zwischen den Vorstellungen von komischen oder tragischen ‚Poesie‘ einerseits, die in Theatern stattfinden, und den Sport- oder Kampfspielen der Jugend, die in Circhi oder Amphitheatern abgehalten werden.32 In De pictura 40 nimmt er bei der Diskussion von Fülle, varietas und Mäßigung ausdrücklich auf das Prinzip der Dichter von Tragödien und Komödien Bezug, so wenig Personen wie möglich auf die Bühne zu bringen. In der italienischen Fassung wird ebenfalls die maßvolle Mannigfaltigkeit empfohlen, doch ohne Bezugnahme auf das Theater. Bei den Affekten, die der Künstler für das Zusammenspiel zwischen Darstellung und Zuschauern einsetzt, verlangt Alberti ebenso Mäßigung wie bei der Bewegung der Figuren. Er tadelt die Maler, die da meinen, diejenigen Gestalten seien am lebendigsten, die ihre Glieder verwürfen in der Art von Schauspielern, wodurch sie alle Würde einbüßen.33 Die heftige Gestikulation tadelt Alberti als schweren Verstoß gegen die Schicklichkeit: Sed hi, quo audiunt eas imagines maxime vivas videri, quae plurimum membra agitent, eo histrionum motus, spreta omni picturae dignitate, imitantur. („Weil die betreffenden Künstler sich jedoch sagen lassen, dass diejenigen Gestalten am lebendigsten erschienen, die ihre Glieder am meisten verwürfen, deswegen verzichten sie bei ihrer Malerei auf jegliche Würde und ahmen die Bewegungen von Schauspielern nach.“)34

28 29 30 31 32 33 34

Pict. lat. 2,42. Roccasecca 2016, 287–291. Cesarini Martinelli 1977; Stäuble 1968, 25–32; McLaughlin 2019. Theuer 1975, 442–453. Orlandi/Portoghesi 1966, Bd. 2, 724–759. Pict. lat. 2,44. Pict. lat. 2,44; in Pict. volg. 2,44 [= Pict. volg. 2,20,3], wird die Warnung auf die Nachahmung von Fechtern erweitert.

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Welche Art von Vorstellungen kann Alberti im Blick gehabt haben? Schauspieler, die ihre Glieder würdelos verwerfen, sind eher die Gaukler, die auf den Jahrmärkten auftreten. Es kann wohl weder die bassa danza, der langsame förmliche Schreit-Tanz, noch das deklamatorische Schauspiel gemeint sein, wie er selbst eines geschrieben hat.35 Für die Fragen der Rezeption und des Publikums ist der Abschnitt 42 in De pictura von großer Bedeutung. Dem Maler schreibt Alberti vor, er müsse mit den Bewegungen des Körpers „vollkommen vertraut“ sein und dazu alles aus der Natur beziehen und gleichwohl die Dinge malen, „die dem Geist noch etwas übriglassen, was er sich selbst ausdenken kann.“36 Die entscheidende Empfehlung zur Kommunikation der im Gemälde dargestellten Personen mit dem Publikum lautet: Tum placet in historia adesse quempiam qui earum quae gerantur rerum spectatores admoneat, aus manu aut visendum advocet, aus quasi id negotium secretum esse velit, vultu ne eo proficiscare truci et torvis oculis minitetur, aut periculum remve aliquam illic admirandam demonstret, au tut una adrideas au tut simul deplores suis te gestibus invitet. („Ferner empfiehlt es sich, dass in einem Vorgang eine Person anwesend ist, welche die Betrachter auf die Dinge hinweist, die sich da abspielen: sei es, dass sie mit der Hand zum genauen Hinschauen auffordert, oder dass sie – gleichsam als müsse die betreffende Sache geheim bleiben – mit finsterem Antlitz und strengen Augen droht, man dürfe nicht hinzutreten, oder dass sie an einem fraglichen Ort eine Gefahr anzeigt oder irgend etwas Wunderbares, oder dass sie einen mit ihrem eigenen Verhalten dazu einlädt, mitzulachen oder mitzuweinen.“)37

Diese Idee zu einer Figur, die das Publikum instruiert, warnt oder zu Emotionen führt, entleiht Alberti vom Schauspiel, von der Figur des festaiuolo, womit sich erneut eine Analogie zwischen dem Publikum des Theaters und dem der Malerei einstellt.38 Der festaiuolo ist im geistlichen und weltlichen Schauspiel die Figur, die den Kontakt zwischen den Zuschauern und dem Geschehen auf der Bühne herstellt, indem sie das Geschehen erklärt oder kommentiert. Andere Bezeichnungen für die Personen, die zwischen Spiel und Publikum vermitteln, sind ‚Proklamator‘ und expositores ludi.39 Im Prolog zu Philodoxeus fabula führt ein Schauspieler die Zuschauer in die Handlung ein, und in der zweiten Fassung werden die spectatores am Ende aufgefordert, zur Belohnung des Autors zu applaudieren: Exulto letitia. Plaudite spectatores, hoc meo bono, plaudite. Tuque, tibicen, precine hymeneum: nos sequemur. Valete.40 35 36 37 38 39 40

Über die Parallele zwischen Tanz und Malerei vgl. Baxandall 1972, 77–81. Pict. lat. 2,42; Pict. volg. 2,42 [= Pict. volg. 2,18,1–4]. Pict. lat. 2,42; vgl. den leicht verkürzten Passus in Pict. volg. 2,42 [= Pict. volg. 2,18,7–9]. Baxandall 1972, 71–81. Ehrstine 2007; vgl. auch Krüger 2007. Cesarini Martinelli 1977, 225, vgl. 224 für die ähnliche, aber kürzere Schlussformel in der anderen Version; siehe Roccasecca 2018, 291.

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In der Malerei ist eine Figur mit einer solchen Funktion, wie sie Alberti wünscht, nicht einfach nachzuweisen. Michael Baxandall hat vorgeschlagen, in Mantegnas Kupferstich Grablegung (Abb. 3) von etwa 1470 in der Gestalt des Johannes einen solchen festaiuolo zu erkennen.41

Abb. 3 Andrea Mantegna, Grablegung, um 1470, Kupferstich, 33,3 × 47 cm, Washington, D. C., National Gallery of Art, Rosenwald Collection, Courtesy National Gallery of Art, Washington

Die große Profilfigur des Johannes steht etwas seitlich des Geschehens, zeigt einen schmerzlichen Gesichtsausdruck und ringt die Hände. Darüber hinaus hat Baxandall in Andrea Mantegnas Kupferstich die Umsetzung der von Alberti definierten Komposition gesehen, von der Anzahl Personen über die varietas und die Emotionen bis zur Figur des Johannes, die das Publikum zum Verständnis und zur angemessenen Empfindung anleitet. Es gibt allerdings unterschiedliche Möglichkeiten für die Maler, mit bildnerischen Darstellungen Kontakt mit dem Publikum aufzunehmen. In Giovanni Bellinis Pietà in Halbfigur von um 1467/1468 in der Brera in Mailand wendet sich die Madonna ihrem toten Sohn zu, der Apostel Johannes aber mit dem Ausdruck des Leidens nach außen, um das Publikum zur gleichen Emotion aufzurufen.42 Eine andere,

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Baxandall 1971, 133–135. Bätschmann 2008, 96–100, Abb. 83.

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vielgenutzte Möglichkeit ist, eine Person einzuführen, die das Publikum direkt aus dem Bild anschaut.43 Man könnte festaiuoli erkennen in den Figuren, die ein Geschehen kommentieren wie zum Beispiel im Fresko Die Erweckung des Sohnes des Theophilus (Abb. 4), das Masolino und Masaccio in der Cappella Brancacci, in S. Maria del Carmine in Florenz von 1427–1428 gemalt haben. Die Legenda Aurea überliefert die wundersame Geschichte von der Erweckung des Sohnes von Theophilus, dem Herrscher von Antiochia, nicht ohne Skepsis. Masolino und Masaccio übersetzten das Geschehen aus dem 1. Jahrhundert von Antiochia in das florentinische 15. Jahrhundert und stellen dazu ein zeitgenössisches Publikum zusammen.44

Abb. 4 Masolino und Masaccio (und Filippino Lippi?), Die Erweckung des Sohnes des Theophilus, 1427–1428, Fresko, 230 × 598 cm, Florenz, Cappella Brancacci, in S. Maria del Carmine, akg-images / Rabatti & Domingie

Die Komposition ist dreigeteilt: in der Mitte das um Petrus und den Jüngling versammelte Publikum, und rechts eine elevatio Petri mit Geistlichen und drei Florentinern, und links eine Gruppe von fünf Männern, die das Geschehen verfolgen. Zwei davon

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Die klassische Studie: Neumeyer 1964. Zu zeitgenössischen Darstellungen des Publikums siehe Fricke/Krass 2015.

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könnten die Rollen von festaiuoli einnehmen, da einer von ihnen den anderen auf die zentrale Gruppe hinweist und der andere argumentiert, wie an seinen Händen zu erkennen ist. Das Fresko von Masolino und Masaccio, in dem die Florentiner Gesellschaft auftritt, kann eine Vorstellung davon geben, was Alberti als ‚Publikum‘ auffassen konnte.45 Er dürfte darunter diejenigen verstehen, die „in der Art eines freien Mannes“ erzogen wurden, wie er sich in der Vita ausdrückt. Er trachtete der „Wertschätzung der ehrenwerten Männer“ würdig zu werden. Die spectatores in Masolino und Masaccios Fresko, die einander in Bekleidung, würdevollem Verhalten und Gesten gleichen, stellen solche „ehrenwerten Männer“ dar. 4. Mono- und polyfokal Die zentralperspektivische Konstruktion, mit der sich Brunelleschi, Masaccio, Alberti und andere etwa zur gleichen Zeit in Florenz beschäftigten, bezieht sich auf ein einzelnes Auge, das sich an der Spitze der pyramis distantia befindet, der Sehpyramide, im punctus centricus, dem Punkt, in dem die von den Objekten gezogenen Sehstrahlen einander treffen, wie es die Skizze im Manuskript von De pictura in der Biblioteca Statale in Lucca zeigt.46 Alle perspektivischen Konstruktionszeichnungen sind auf ein einziges Auge berechnet, von Alberti über Dürer bis zu Carlo Urbinos zahllosen Darstellungen von Unter- und Aufsicht in Leonardos Codex Huygens. Keine Konstruktion der Zentralperspektive bezieht sich auf einen Betrachter mit zwei Augen oder auf ein Publikum mit vielen Gesichtern. Die zentralperspektivische Konstruktion abstrahiert sowohl vom wirklichen Betrachter als auch vom Publikum mit vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Masaccios Fresko Trinita (Abb. 5) (florentinisch mit Betonung auf der ersten Silbe, im Gegensatz zu italienisch Trinità) gilt als erste großformatige Darstellung, die streng nach den Regeln der Zentralperspektive konstruiert ist. Die korrekte räumliche Illusion stellt sich her, wenn man die Koordinaten von Distanz und Höhe einnimmt, die für die Konstruktion maßgeblich waren, und nur mit einem Auge blickt. Doch auch mit zwei Augen und bei einer leicht seitlichen Aufstellung wird die Konstruktion nicht unkenntlich, da das Gehirn durchaus die Korrektur der Schrägsicht leisten kann, die es in vielen alltäglichen Situationen erbringen muss. Doch steht die zentralperspektivische Konstruktion der Ausrichtung der Komposition auf das Publikum, wie es Alberti den Malern dringend nahelegt, entgegen? Hat Masaccio einen Konflikt erkannt und

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Die Literatur zu Masaccios Perspektive ist kaum mehr zu überblicken. Eine Übersicht bietet Kemp 1990, 5–162; vgl. die Beiträge in Dupré 2019. Bätschmann/Schäublin 2011, 68 (Abb. 27).

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Abb. 5 Masaccio, Trinita (sic), 1425–1429, Fresko, 667 × 317 cm, Florenz, S. M. Novella, akg-images / Mondadori Portfolio / Archivio Antonio Quattrone / Antonio Quattrone

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wie hat er ihn gelöst? In der Grabnische über dem liegenden Skelett brachte er eine Inschrift an, ein seit dem 11. Jahrhundert häufig gebrauchtes Memento mori: IO FV G[i]A QVEL CHE SETE; EQVEL CHI SON VOI A[n]CO SARETE. (Ich war einst, was Ihr seid, und was ich bin, werdet Ihr auch sein.)

Die zentralperspektivische Konstruktion ist auf einen Einzelnen ausgerichtet, und der Fluchtpunkt liegt im Fuß des Kreuzes. Im Gegensatz dazu wendet sich die populäre Inschrift an eine Mehrzahl, an das Publikum. Der durch den Standort bevorzugte Einzelne wird durch die Inschrift in das Schicksal aller hineingebunden und steht also nicht außerhalb des Publikums. Zudem wendet sich Maria mir ihrer Geste zum Publikum und weist es auf Christus am Kreuz hin, und Johannes führt dazu den gewohnten schmerzlichen Gesichtsausdruck vor. Geste und Ausdruck fordern das Publikum zu Empathie auf. Neben den korrekten zentralperspektivischen Konstruktionen wie Masaccios Trinita entstehen weiterhin narrative Gemälde mit friesartigen Kompositionen, die nicht monofokal angelegt sind, da nicht alle Teile auf einen einzigen Fluchtpunkt ausgerichtet sind. Zum Beispiel malten Masolino und Masaccio in der Cappella Brancacci mehrere polyfokale Kompositionen in längsrechteckigen Formaten. Sie sind kompatibel mit dem mehrmaligen Auftreten einer Figur im gleichen Bild. Vor der doktrinären Koppelung von Raum und Zeit zur Einheit war dies fraglos zulässig und wurde häufig praktiziert um den zeitlichen Ablauf eines Geschehens zu veranschaulichen. Im Gemälde Der Zinsgroschen kommt der Apostel im gleichen Gemälde drei Mal vor: Jesus schickt Petrus aus der Mitte der Apostel zum See, um aus dem Maul des Fisches den Zinsgroschen zu holen, der von Petrus rechts dem Steuereintreiber übergeben wird. Masaccio stellt zwar eine räumliche Einheit von Schauplatz, Landschaft und Gebäude her, nutzt aber die Dreiteilung der Komposition und die Wiederholung des Petrus, um die drei Phasen zu zeigen. Im Gemälde Die Erweckung des Sohnes des Theophilus (Abb. 4) führen Masolino und Masaccio eine Dreiteilung ein und besetzen die Teile mit den kommentierenden Zuschauern links, dem wunderwirkenden Petrus in der zentralen Gruppe und rechts mit der elevatio Petri und den Verehrern. Solche Kompositionen, die wir polyfokal nennen können, sind auf die Wahrnehmung durch ein Publikum ausgerichtet. Sie bleiben auch nach der Einführung und Verbreitung der Zentralperspektive im Gebrauch vor allem für Großdekorationen und Mehrbildkompositionen. Im späten 18. Jahrhundert wird die polyfokale Komposition erneuert besonders für die Ausstellungsstücke, die auf das Publikum berechnet sind.47 Offensichtlich kam zu Zeiten von Alberti die zentralperspektivische Konstruktion der polyfokalen Komposition von Gemälden nicht in die Quere. Das monofokale Pro-

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Hofmann 2010, 14–24.

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dukt von Optik und Geometrie und die polyfokale Komposition bestanden nebeneinander und hatten unterschiedliche Funktionen. Die eine privilegierte den Einzelnen und unterwarf ihn der perspektivischen Konstruktion, die andere bot mit einer komplexeren Darstellung eine freiere Wahrnehmung der Raumdarstellung, der physischen und psychischen Bewegungen der Figuren und weiter der Verbindung von Licht und Farben. 5. Leonardos Publikum Die von Apelles bekannte Befragung des Publikums wurde nach Albertis Empfehlung von Leonardo da Vinci um 1501 in Florenz wieder aufgenommen. Er machte seinen Entwurf Die Jungfrau Marie mit dem Kind, der heiligen Anna und Johannes dem Täufer in seinem Atelier der Öffentlichkeit während zweier Tage zugänglich. Wie Apelles zeigte Leonardo ein Werk in Entstehung, einen Karton, der zur Übertragung auf einen Bildträger vorbereitet war. Das gleiche Sujet weist ein Karton in der National Gallery in London auf, der aber keine Spuren einer Übertragung aufweist.48 Giorgio Vasari berichtet in den Vite von einem festlichen Kommen und Gehen. Finalmente fece un cartone dentrovi una Nostra Donna ed una Sant’Anna con un Cristo, la quale non pure fece maravigliare tutti gli artefici, ma finita ch’ella fu, nella stanza durarono due giorni d’andare a vederla gli uomini e le donne, i giovani ed i vecchi, come si va alle feste solenni; per veder le maraviglie di Leonardo, che fecero stupire tutto quel popolo. („Endlich fertigte er einen Karton über Unsere Frau und die Hl. Anna mit dem Christus, der nicht nur alle Künstler zur Bewunderung brachte, sondern auch nach der Fertigstellung während zwei Tagen im Zimmer ein Kommen und Gehen von Männern und Frauen, Jungen und Alten andauerte, wie an einem feierlichen Fest, um die Wunder Leonardos zu sehen, die all dies Volk in Erstaunen versetzten.“)49

Vasari, der seinen Text fast fünfzig Jahre nach dem Ereignis niederschrieb, brauchte den Ausdruck tutto quel popolo – ‚all dies Volk‘, ähnlich wie Plinius für das Publikum von Apelles den Begriff volgus bzw. vulgus verwendet hatte. Leonardo wiederholte Albertis Rat an die Maler, die Meinung eines jeden zum entstehenden Werk anzuhören, in seinen Schriften zur Malerei, die sein Schüler Francesco Melzi zum Trattato della pittura zusammenstellte. Im Druck erschien der Traktat in italienischer Sprache erst 1651 in der Bearbeitung des Bibliothekars Rafaelle du 48 49

Leonardo da Vinci, Die Jungfrau Marie mit dem Kind, der heiligen Anna und Johannes dem Täufer (The Burlington House Cartoon), ca. 1499–1500, Kohle, gehöht, 141,5 × 104,6 cm, London, National Gallery, NG6337. Lorini/Feser 2006, 36, 101–102: Milanesi 1906, Bd. 4, 38.

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Fresne zusammen mit einer Vita Albertis und dessen Malereitraktat unter dem Titel ‚Leonardo da Vinci, Trattato della pittura, novamente dato in luce, con la vita dell’istesso autore, scritta da Rafaelle du Fresne. Si sono giunti i tre libri della pittura, & il trattato della statua, di Leon Battista Alberti, con la vita del medesimo.’50 Mit der gleichzeitigen französischen Übersetzung von Leonardos Traité von Roland Fréart de Chambray erhielten die Anweisungen von Leonardo und Alberti in Frankreich und Italien eine weitere Verbreitung.51 Der Titel der Anweisung zum Umgang mit dem Publikum bei Leonardo heißt: Come il pittore dev’essere vago d’udir il giuditio d’ogn’uno. Comme il faut qu’un peintre soit desireux d’entendre le iugement d’un chacun sur ses ouvrages. (Wie der Maler begierig sein soll, das Urteil von jedermann über seine Werke zu vernehmen.)52

Der Ratschlag, auf das Publikum zu hören, wird wiederholt: Certamente non deve ricusare il pittore, mentre ch’ei disegna o dipinge, il giuditio di ciascuno […] (Gewiss soll der Maler beim Zeichnen oder Malen das Urteil von niemandem ausschlagen.)

Die Begründung lautet: da die Menschen sich als zuständig erweisen für die Beurteilung der Werke der Natur, sind sie umso mehr kompetent für das Urteil über die Werke der Malerei. Die fraglose Voraussetzung für die Urteilskompetenz der Menschen ist die Nachahmung der Natur durch die Malerei. 6. Abwehr des Laienurteils Ich schließe mit punktuellen Hinweisen zum Laienurteil und zum Künstlerrat in Rom und Paris im 17. Jahrhundert, soweit sie mit der Rezeption von Plinius, Alberti und Leonardo in Zusammenhang stehen. In der Schrift Idée de la perfection de la peinture, veröffentlicht 1662, wertete Roland Fréart de Chambray, der zeitweise am Hof gedient hatte, das Interesse des „gemeinen Volkes“ sofort als unbefugte Einmischung des Pöbels, „le vulgaire“, ab. Die Anekdote von Apelles verhinderte die Geringschätzung des griechischen Volkes, doch nicht die des zeitgenössischen Publikums. Fréart de Chambray warf den Angehörigen seine eigenen Klasse, les gens de lettres & de condition, den Gebildeten und Adligen – und den Künstlern Heuchelei vor. Zwar bäten die Maler die Besucher im Atelier um Kritik, um die Fehler zu korrigieren, doch würde man ihnen 50 51 52

Du Fresne 1651. Bätschmann 2005. Du Fresne 1651, cap. 19, 4; Fréart de Chambray 1651, cap. 19, 5.

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den Dienst erweisen, den sie angeblich wünschen, wären sie beleidigt, da sie nur Komplimente und Schmeicheleien hören wollen.53 Dagegen haben die hehren Künstler der Antike ihre Werke wohl den Philosophen und Gelehrten als auch dem gemeinen Volk (commun peuple) vorgelegt und die Kritik selbst von Handwerkern akzeptiert.54 In Rom dagegen wurde das Interesse des gemeinen Volkes weder von Künstlern noch von Kunstkennern verachtet. Der gelehrte Filippo Baldinucci aus Florenz gibt 1682 in seiner Biographie von Gian Lorenzo Bernini, die der Christina, der ehemaligen Königin von Schweden, gewidmet ist, einen Einblick in die allgemeine begeisterte Rezeption eines Wunders der Kunst, eines „miracolo dell’ arte“: La Dafne del Bernino, senz’altro più; e bastimi solamente il dire, che non solo subito, che ella fu fatta veder finita, sene sparse un tal grido, che tutta Roma concorse a vederla per un miracolo […] (Die Dafne des Bernini, und es genügt mir zu sagen, dass sich sofort, als sie in Vollendung zu sehen war, ein derartiges Geschrei erhob, dass ganz Rom herbeieilte, um dieses Wunder zu sehen.)55

Der Florentiner Filippo Baldinucci, der ein Jahr nach dieser römischen Sensation geboren wurde, berichtete mehr als fünfzig Jahre später davon. Wer ihm von der Sensation erzählte, wissen wir nicht. Die zeitgenössischen Romführer erwähnen Berninis Wunderwerk der Kunst erst nach dem Erscheinen von Baldinuccis Monographie.56 Von der Übereinstimmung des Kunsturteils des römischen Volkes mit dem eines gelehrten Malers berichtet eine Anekdote aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In der Biographie von Nicolas Poussin berichtet Giovan Pietro Bellori von der unvergleichlichen Urteilskompetenz des Malers aus der Normandie am Beispiel der Fresken von Guido Reni und Domenichino, die im Oratorio di Sant’Andrea bei S. Gregorio Magno in Rom seit 1608–1609 einander frontal gegenüberstehen. Gemäß Bellori waren alle Besucher fasziniert von Guido Reni, und die jungen Künstler beeilten sich, dessen Fresko zu kopieren. Von all den Italienern und Fremden, die zum Ruhm Guido Renis sich versammelten, wandte sich allein Poussin dem Gemälde von Domenichino zu und überzeugte schließlich alle von dessen höherer Qualität: […] e seppe così bene essaminare le parti e le bellezze di quest’opera mirabile che gli altri, persuasi ed indotti da suo essempio, si rivolsero anch’essi allo studio di Domenichino.

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Fréart de Chambray 1662, Préface. Fréart de Chambray 1662, Préface, fol. a verso–a1 recto. Baldinucci 1682, 9. De’ Rossi 1708.

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(Und er verstand derart gut die Teile und die Schönheiten dieses wunderbaren Werkes zu würdigen, dass die andern, überzeugt und überredet von seinem Beispiel, sich auch zum Studium des Domenichino umdrehten.)57

Das Urteil des Künstlers hat eine Parallele im Kunsturteil einer Frau aus dem Volk, gemäß der Vecchiarella-Anekdote, die erstmal 1646 in Rom publiziert wurde.58 Sie lässt sich so zusammenfassen: Der große Maler Annibale Carracci ist in größter Verlegenheit, weil er nicht entscheiden kann, ob das Fresko von Reni oder das von Domenichino mehr Lob verdient. Er wird von einer alten Frau belehrt, die in Begleitung ihrer Enkelin vor Reni stumm bleibt, aber bei Domenichino dem Mädchen die Figuren, die Handlungen und die Affekte erläutert. Dieser Kommentar ist das Urteil des Volkes, das durch die Übereinstimmung mit Poussin eine Glorifizierung erhält. Als Gian Lorenzo Bernini sich 1665 in Paris aufhielt, kam er mehrfach auf Annibale Carracci zu sprechen. Am 5. September besuchte er die „Académie royale de peinture et de sculpture“ und äußerte sich über den Kunstunterricht, das Kopieren und den Künstlerrat. Auf die Frage eines Akademiemitglieds, ob ein Maler sein Werk schon vor der Vollendung zeigen oder es besser noch einige Zeit im Atelier lasse, erhielt er die folgende Antwort: [le Cavalier] a répété qu’Annibal Carrache voulait qu’on exposât à la censure publique un tableau aussitôt qu’il était fait; que le public ne se trompait pas et ne flattait point, qu’il ne manquait jamais de dire: ‚Il est sec, il est dur‘, lorsqu’il l’était, et ainsi du reste. („Annibale Carracci, wiederholte er [Bernini], wollte ein Gemälde sofort nach der Herstellung der Kritik des Publikums ausgesetzt wissen; denn das Publikum irre sich nicht und schmeichle nicht, sondern halte sich nicht zurück zu sagen: ‚Das ist trocken, das ist hart‘ und so weiter.“)59

Carracci nimmt die Unfehlbarkeit und Unbestechlichkeit des öffentlichen Urteils an, Bernini bezieht es auf sehr einfache Sachverhalte der technischen Ausführung und nicht auf die künstlerische Qualität. Der Zweck der öffentlichen Präsentation sei, nach der Auffassung von Annibale Carracci, die Fehler zu korrigieren, womit er dem Beispiel von Apelles folgt. Auf Albertis Künstlerrat bezog sich Bernini mit der Auffassung, Raffael habe seine unvergleichlichen Kompositionen schaffen können, weil er von den Ratschlägen seiner gelehrten Freunde Pietro Bembo und Baldessare Castiglione profitieren konnte.60

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Borea 1976, 427: „[…] e seppe così bene essaminare le parti e le bellezze di quest’opera mirabile che gli altri, persuasi ed indotti da suo essempio, si rivolsero anch’essi allo studio di Domenichino.“ Thürlemann 1992. Schneider/Zitzlsperger 2006, 131 (5. September 1665); Stanić 2001, 156–157. Schneider/Zitzlsperger 2006, 132; Stanić 2001, 156.

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Das 17. Jahrhundert übernahm das Problem von Künstlerrat und Kunsturteil, verdrehte aber dabei die Anliegen und Lehren von Alberti und Leonardo. Der Abbé Jean-Baptiste Dubos gründete zwar das Kunstverständnis auf der Empfindung, die allen Menschen gemeinsam ist.61 So gesteht Dubos dem Publikum die Fähigkeit zum guten Urteil über Dichtungen und Gemälde zu, doch will er unter ‚Publikum‘ nicht die Öffentlichkeit oder gar „le bas peuple“, ‚das gemeine Volk‘, verstanden wissen, sondern nur die Gebildeten und die Personen von Rang, „les gens de lettres & de condition“.62 Der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock übersetzte in Hamburg die Ausführungen von Dubos und publizierte sie unter seinem Namen 1758 in der Zeitschrift Der Nordische Aufseher.63 Wie Dubos will Klopstock das Publikum, „das diesen großen Namen verdient“, vom „großen Haufen“ und seiner Anmaßung, auch „zum Publico zu gehören“, getrennt haben. Wieder dient eine aus Standesdünkel erfundene „Anmaßung“ des Pöbels zu seiner arroganten Zurückweisung. Das von Klopstock über das niedrige Volk erhobene Publikum erhält nun die Auszeichnung das „wahre Publicum“.64 Literaturverzeichnis Accidini/Capretti 2009: Cristina Acidini, Elena Capretti (ed.): Innocente e calumniato. Federico Zuccari (1539/40–1609) e le vendette d’artista, Ausstellungskatalog Florenz, Florenz 2009. Bätschmann 2001: Oskar Bätschmann: Albertis historia, in: Hannah Baader (ed.): Ars et scriptura, Festschrift für Rudolf Preimesberger zum 65. Geburtstag (Berliner Schriften zur Kunst XV), Berlin 2001, 107–124. Bätschmann 2003: Oskar Bätschmann: Looking at Pictures – the Views of Leon Battista Alberti, in: Antoinette Roesler-Friedenthal, Johannes Nathan (ed.): The Enduring Instant. Time and the Spectator in the Visual Arts – Der bleibende Augenblick. Betrachterzeit in den Bildkünsten, 30. Internationaler Kongress für Kunstgeschichte, London-Berlin 2003, 250–270. Bätschmann 2005: Oskar Bätschmann: Die Rezeption von Leon Battista Alberti in der Kunsttheorie des 17. Jahrhunderts, in: Sebastian Schütze (ed.): Estetica Barocca. Atti del convegno internazionale tenutosi a Roma dal 6 al 9 marzo 2002, Rom 2005, 115–140. Bätschmann 2007: Oskar Bätschmann: Alberti’s Spectator, in: Artura Calzona (ed.): Leon Battista Alberti. Teorico delle Arti e gli Impegni civili del De re aedificatoria, Bd. 1, Florenz 2007, 235–247. Bätschmann/Gianfreda 2014: Oskar Bätschmann, Sandra Gianfreda (ed./com./trans.): Leon Battista Alberti, Della Pittura – Über die Malkunst, ital.-dt., Darmstadt 42014. Bätschmann/Schäublin 2011: Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin (ed./com./trans.): Leon Battista Alberti, De Statua, De Pictura, Elementa Picturae. Das Standbild, Die Malkunst, Grundlagen der Malerei, lat.-dt., Darmstadt 22011. 61 62 63 64

Dubos 1733, 2. Teil, Section XXII, 323–353. Dubos 1733, 2. Teil, Section XXII, 334–335. Klopstock 1758; Dubos 1733, 2. Teil, Section XXI, 320–322. Ich danke Elena Filippi für die kritische Durchsicht des Textes.

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Baldinucci 1682: Filippo Baldinucci: Vita del Cavaliere Gio: Lorenzo Bernino Scultore, Architetto, e Pittore, scritta da Filippo Baldinucci Fiorentino alla Sacra e Reale Maestà do Cristina Regina di Svezia, Florenz 1682, 9 (Bibliotheca Hertziana, Digitalisate, Ca-BER 1921–2820 raro). Baxandall 1971: Michael Baxandall: Giotto and the Orators. Humanist observers of painting in Italy and the discovery of pictorial composition 1350–1450, Oxford 1971. Baxandall 1972: Michael Baxandall: Painting and Experience in Fifteenth Century Italy. A Primer in the Social History of Pictorial Style, Oxford 1972. Belting 1981: Hans Belting: Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln der Passion, Berlin 1981. Bertolini 2011: Lucia Bertolini (ed./com.): Leon Battista Alberti: De Pictura, redazione volgare (Edizione nazionale delle opere di Leon Battista Alberti), Florenz 2011. Borea 1976: Evelina Borea (ed.): Giovan Pietro Bellori, Le Vite de’Pittori, Scultori e Architetti moderni, Turin 1976. Cesarini Martinelli 1977: Lucia Cesarini Martinelli (ed.): Leon Battista Alberti: Philodoxeus fabula, in: Rinascimento 17, 1977, 111–234. De’ Rossi 1708: Filippo De’ Rossi: Descrizione di Roma moderna, formata nuovamente, von le autorità, del Card. Cesare Baronio […] E d’altri celebri Scrittori […], Bd. 2, Rom 1708. Dubos 1733: Jean-Baptiste Dubos: Réflexions critiques sur la poesie et sur la peinture. Nouvelle édition revuë, corrigée & considerablement augmentée, 3 Bde., Paris 1733. Du Fresne 1651: Rafaelle du Fresne (ed.): Leonardo da Vinci. Trattato della pittura, novamente dato in luce, con la vita dell’istesso autore, Paris 1651. Dupré 2019: Sven Dupré (ed.): Perspective as Practice. Renaissance Cultures of Optics, Turnhout 2019. Eickelkamp 2016: Magdalena Eickelkamp: Apelles an der Kunstakademie. Studien zur Bedeutung des antiken ‚Malerfürsten‘ für die akademische Kunst und Kunsttheorie vom 16.–19. Jahrhundert, Diss. Bonn 2016. Ehrstine 2007: Glenn Ehrstine: Präsenzverwaltung. Die Regulierung des Spielrahmens durch den Proklamator und andere expositores ludi, in: Ingrid Kasen, Erika Fischer-Lichte (ed.): Transformationen des Religiösen. Performativität und Textualität im geistlichen Spiel, Berlin 2007, 63–79. Fréart de Chambray 1651: Roland Fréart de Chambray (trans.): Leonardo da Vinci: Traitté de la Peinture de Leonard de Vinci, donné au Public et traduit d’italien en françois, Paris 1651. Fréart de Chambray 1662: Roland Fréart de Chambray: Idée de la perfection de la peinture, démonstrée par les principes, Le Mans 1662 (BnF Gallica). Fricke/Krass 2015: Beate Fricke, Urte Krass (ed.): Das Publikum im Bild: Beiträge aus der Kunst der Antike, des Islam, aus Byzanz und dem Westen, Zürich 2015. Georges 1918: Karl Ernst Georges: Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, 2 Bde., Hannover-Leipzig 81918. Grafton 2002: Anthony Grafton: Historia and istoria: Alberti’s terminology in context, in: John Jeffries Martin (ed.): The Renaissance. Italy and abroad, London 2003. Hofmann 2010: Werner Hofmann: Das Atelier. Courbets Jahrhundertbild, München 2010. Kemp 1990: Martin Kemp: The Science of Art. Optical themes in western art from Brunelleschi to Seurat, New Haven-London 1990. Klopstock 1758: Friedrich Gottlieb Klopstock: Vom Publikum, in: Der nordische Aufseher 1, 49. Stück, 1758, 445–451.

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Ekphrasis und Hieroglyphe von Alberti bis Alberici Ulrich Pfisterer Der spätere Erfolg von Albertis Malereitraktat hat eine solche Strahlkraft und Eigendynamik entwickelt, dass dieser Glanz die tatsächlich nachweisbare Rezeptionssituation im 15. und frühen 16. Jahrhundert rückblickend vollkommen überblendet hat. In der kunsthistorischen Forschung sollte der Umstand, den bereits Alberti selbst nachdrücklich betonte,1 dass es sich bei dem in lateinischer und volgare-Fassung überlieferten Text von De pictura bzw. Della pittura um die erste systematische Abhandlung der Neuzeit zur Malerei handelt, das Werk geradezu zum Synonym für die neue Kunsttheorie der Renaissance aufsteigen lassen. Dazu kommt, dass hier erstmals zentralperspektivische Darstellungsverfahren schriftlich fixiert sind und dass sich aus der ‚Aufbruchsphase‘ der neuen Kunst des 15. Jahrhunderts keine andere vergleichbare Abhandlung zur Malerei erhalten hat.2 Man könnte auch sagen: So wie Alberti in Jacob Burckhardts Cultur der Renaissance in Italien (1860) zum Inbegriff des rinascimentalen uomo universale verklärt worden ist, so verklärt vor allem die Kunstgeschichte seinen Malereitraktat (immer noch) zur paradigmatischen Kunsttheorie der Frührenaissance.3

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S. das Vorwort in Bätschmann/Gianfreda 2002, 62–65; vgl. auch 104–105 (Pict. volg. 2,26 [= Pict. volg. 2,2,12]) und 146–147 (Pict. volg. 2,48 [= Pict. volg. 2,24,4]); Bätschmann/Schäublin 2000, 238–239 (Pict. lat. 2,26) und 288–289 (Pict. lat. 2,48). An neuen kritischen Ausgaben sind auch heranzuziehen Bertolini 2011 und Sinisgalli 2006. Weitgehend verloren sind etwa die Ausführungen des Venezianers Giovanni Fontana aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts, s. die Fragmente in Pfisterer 2002b, Nr. 49, 69, 91. Allein Schlosser 1924, 87 verweist auf das „Erwachen des historischen Sinns“ und stellt daher nicht den Theoretiker Alberti, sondern Lorenzo Ghibertis Commentarii an den Anfang seines Kapitels zur Frührenaissance. Die umstrittene Frage, ob Alberti die lateinische oder die volgare-Fassung zuerst niederschrieb, ist für meine Argumentation nicht zentral. Zur Differenzierung der ersten Vorstellung Enenkel 2008, hier das Kapitel 7: Der Ursprung des Renaissance-Übermenschen (uomo universale): die „Autobiographie“ des Leon Battista Alberti (1438); eine kritische Zusammenfassung zur Rezeption von Albertis Malereitraktat in Bätschmann/Gianfreda 2002, 44–48. Man vergleiche mit dieser Lebensbeschreibung Albertis das

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Die Wahrnehmung verkompliziert sich freilich beim Blick auf die Quellen und Indizien: So plante zwar offenbar schon Alberti die Drucklegung von De pictura, realisiert wurde dies aber erst 1540.4 Zu diesem Zeitpunkt lag die zunächst 1504 erschienene, ähnlich umfassend angelegte Abhandlung De sculptura von Pomponius Gauricus, der erste gedruckte Traktat zu den Bildkünsten in Italien, bereits in zweiter Auflage vor.5 Nicht unähnlich wurde schon in der frühesten im Druck erschienenen Lobeshymne auf Alberti, die Cristoforo Landino im Vorwort zu seiner 1481 publizierten kommentierten Dante-Ausgabe lieferte, auf das gesamte Spektrum von Albertis kunstpraktischen wie kunstliterarischen Aktivitäten verwiesen: Le quali tutte dottrine quanto in lui risplendessino manifesto lo dimostrano nove libri de archite[c]tura da lui divinissimamente scritti, e’ quali sono referti d’ogni dottrina e illustrati di somma eloquenzia. Scrisse de pictura, scrisse de sculptura, el qual libro è intitolato Statua. Né solamente scrisse ma di mano propria fece, e restano nelle mani nostre commendatissime opere di pennello, di scalpello, di bulino e di getto da lui fatte.6

Allerdings scheinen dann aber mit der Drucklegung von Albertis Architekturtraktat 1485 seine anderen Texte zur Kunst in den Hintergrund getreten zu sein. Poliziano erwähnt im Vorwort zu eben dieser editio princeps von De re aedificatoria nur noch Albertis Versuche als praktischer Maler und Bildhauer, nicht aber die theoretischen Texte dazu.7 Erst Paolo Giovio wird dann 1545/46 prominent auch wieder auf Albertis Perspektivlehre in De pictura verweisen – bezeichnenderweise zu einem Zeitpunkt eben unmittelbar nach der ersten Drucklegung des Malereitraktates.8 Und wenn das Widmungsschreiben, mit dem Alberti seinen Traktat möglicherweise zwischen 1438 und 1444 an Giovanni Francesco Gonzaga in Mantua übersandte,9 nichts darüber besagt, dass der Text dort wirklich gelesen wurde, und eher fragen lässt,

kürzere, zu den Bildkünsten aber noch ausführlichere Lob des Galeotto dell’Assassino, wie es Lodovico Carbone um 1460 in Ferrara formulierte, s. Zippel 1902. 4 Alberti, Epist. ad Iohannem Andream. Zu diesem Schreiben an den als Herausgeber der in Rom tätigen Drucker Sweynheym und Pannartz tätigen Andrea Bussi s. Bätschmann/Schäublin 2000, 23–26 und 368–369 (Dok. 5). 5 Chastel/Klein 1969; dazu Balters 1991; Koch 2013. 6 Cardini 1974, Bd. 1, 117, Z. 26–31; vgl. zuvor schon 1456 Bartolomeo Facio, dessen Text allerdings bis in 18. Jahrhundert Manuskript blieb, s. Mehus 1745, 13; dazu Wulfram 2016. Landinos eigene kunsttheoretische Bemerkungen zu einzelnen Malern und Bildhauern des 15. Jahrhunderts in diesem Dante-Kommentar zielen auf einen anderen Zugang als Alberti, s. Baxandall 1974. 7 Poliziano, Epist. ad Laurentium Medici (Orlandi/Portoghesi 1966, p. 3–5); vgl. Bembo, Prose volg. (Bembo 1525, fol. 42v): Mirone et Phidia et Apelle et Vitruvio o pure il vostro Leon Battista Alberti, et tanti altri pellegrini artefici per adietro stati hora dal mondo conosciuti non sarebbono; se gli altrui o anchora i loro inchiostri celebrati non gli havessero di maniera; che vie piu si leggessero della loro creta o scarpello o penello o archipenzolo le opere; che si vedessero. 8 Giovio 1546, fol. 22r–v; dazu Quevedo 2010. 9 Zu dieser Hypothese Grayson 1968, 80–83; Besomi 1991; eine von Anfang an vorgesehene Bestimmung für Mantua vertritt Baxandall 1971.

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warum das Werk erst einige Jahre nach Fertigstellung dem Markgrafen dediziert wurde, dann ist die Randnotiz in einem lateinischen De pictura-Manuskript, heute in Ravenna, ehemals aber im Umkreis des Ferrareser Hofes, eindeutig: Dort vermerkte der Karmelitermönch Battista Panetti (†1497) sein Vorhaben, eine Übersetzung anzufertigen, die das Werk in weiteren Kreisen bekannt machen sollte. Zumindest diesem Gelehrten war also die Existenz von Albertis eigener volgare-Fassung unbekannt geblieben.10 Und noch ein weiteres Caveat ergibt sich aus den Annotationen eines anderen Lesers dieses Manuskripts. Vor Panetti hatte schon der Humanist Lodovico Carbone (1430–1485) vor allem einige Namen und inhaltliche Stichworte am Rand notiert. Unter Carbones eigenen Bemerkungen über die Malerei findet sich nun aber keinerlei eindeutiger Reflex auf diese Alberti-Lektüre. Zudem gipfelte Carbones Begeisterung für die Werke der Bildkünste, mit denen sein studiolo angeblich vollgestopft war, in einem Lob der (Porträt-)Malerei Pisanellos – aus heutiger Sicht nicht unbedingt die erste Assoziation für Albertis Ausführungen.11 Theorien ließen sich offenbar flexibel und individuell sehr unterschiedlich mit künstlerischen Umsetzungen zusammenbringen. Dass von Della pittura jedenfalls nur drei Manuskripte im Unterschied zu den über zwanzig der lateinischen Fassung erhalten sind, könnte zwar aus stärkerer Benutzung der Abschriften in Künstlerkreisen resultieren.12 Es könnte aber ebenso gut auch bedeuten, dass diese Fassung weniger gefragt, bekannt und verbreitet war. Insgesamt bleibt es äußerst anspruchsvoll, Maler als Leser von Albertis Überlegungen konkret dingfest zu machen, trotz aller Hinweise der Forschung auf Fra Angelico, Donatello, Mantegna und andere, in deren Werken man Bezüge zu Albertis Vorschriften vermutet.13 Bei Albertis Elementa picturae jedenfalls, deren Text zunächst in volgare verfasst und dann vermutlich 1450/55 ins Lateinische übersetzt wurde und für die ähnlich zwei italienischsprachige und zwölf lateinische Handschriften überliefert sind, darf bezweifelt werden, dass „die, die hingebungsvoll nach der Malkunst streben“, aus diesen eukli-

10

11 12 13

Ravenna, Bibl. Class., Ms. 146, fol. 65: Nilque mihi suavius extitit: quam per te me fieri picturae aliquantisper gnarum, quo de re preclarissima loqui et opus tuum materno idiomati ad utilitatem plurium reddere valeam. Zit. nach Grayson 1998, 224–225. Man vergleiche damit die Einleitung zur Abschrift von Della pittura in Paris, BN, Cod. ital. 1692: […] facto per lo eruditissimo homo miser batista degli alberti facto in latino e lui medesimo reducto in vulgare perche se ne potesse havere piu comodita per li non litterate che fosseno del arte o a quelli tirate per affectione o amore che habiano al arte (Grayson 1973, Bd. 3, 300). Da unklar ist, wann Carbone Albertis De pictura gelesen und annotiert hat, lässt sich das chronologische Verhältnis zu seinen anderen Bemerkungen über die Künste nicht eindeutig klären; zu Carbones anderen Äußerungen s. Zippel 1902; Cordellier 1995, 170–171 (Dok. 78). Zu den bekannten Manuskripten Grayson 1973, Bd. 3, 299–304; Bätschmann/Schäublin 2000, 385–419; zur Frage des Publikums etwa Wright 2010. Das Widmungsschreiben in Bätschmann/Schäublin 2000, 365–366 (Dok. 2); am besten begründet den Mantua-Bezug Baxandall 1971; dass Alberti zu diesem Zeitpunkt keinen eingehenderen Kontakt zu den Gonzaga hatte, zeigt Chambers 2001; gegen die These, De pictura sei mit Blick auf Vittorino da Feltres Schule in Mantua bestimmt gewesen, s. Pfisterer 2002a, 281–327.

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dischen Grundlegungen zu Punkt, Linie, Fläche und Körper wirklich Brauchbares für die malerische Praxis ziehen konnten.14 Dennoch kann heute weiterhin der Eindruck entstehen, Alberti habe die alleinige Kunsttheorie des 15. Jahrhunderts konzipiert oder zumindest den common sense schriftlich fixiert – und es würde sich eben nicht nur um eine Stimme unter vielen und um eine spezifische Sichtweise handeln. Hans Belting hat bereits eine Differenzierung versucht und das malerische Konzept des jungen Giovanni Bellini als programmatische Alternative zu Albertis Position gedeutet.15 In eine ähnliche Richtung, allerdings von Texten ausgehend, argumentiert mein Beitrag: Gezeigt werden soll an der Konzeptualisierung von Hieroglyphen und Ekphraseis, welche kunsttheoretischen Überlegungen neben und abweichend von Alberti entwickelt wurden. Erst wenn das Spektrum der Überlegungen und der argumentative Horizont des 15. und frühen 16. Jahrhunderts – bis zur Drucklegung und Kanonisierung von De pictura – wieder rekonstruiert ist, wird die spezifische Zielrichtung von Albertis Ausführungen deutlich. Im Folgenden soll vor allem das Verständnis von Hieroglyphe und Ekphrasis des aus Mantua stammenden Humanisten Filippo Alberici im Jahr 1507 vorgestellt werden, um dann in einem zweiten Schritt Albertis Position damit zu vergleichen. 1. Alberici und die Unerschöpflichkeit hieroglyphischer Bilder Im Sommer des Jahres 1507 reist Filippo Alberici von Paris nach London und Cambridge. Der Gelehrte war offenbar außerhalb Italiens auf der Suche nach Anstellung und Förderung. Diese erhoffte er sich vom englischen König Heinrich VII. Im Gepäck hatte er ein in Paris anspruchsvoll illustriertes Manuskript mit einer eigenen lateinischen Hexameter-Übersetzung der erst seit rund drei Jahrzehnten wieder kursierenden Tabula Cebetis.16 In diesem auf Griechisch im 1. oder frühen 2. Jahrhundert verfassten Text beschreibt und erklärt ein Greis jungen Männern ein Gemälde im Tempel des Kronos. Es stellt die Möglichkeiten und Herausforderungen des Lebensweges dar, der durch drei Mauerkreise zum Tugendberg in der Mitte führt. Wie die dem Text vorangestellt Widmung an Heinrich VII. nahelegt, wollte Alberici sein Prunk-Manuskript in London dem König überreichen. Dazu kam es aber offenbar nicht. Denn in Cambridge fügte er ein weiteres Gedicht auf den Herrscher und einen eigenen Text zum ‚guten Sterben‘ an (De mortis effectibus), möglicherweise in der Hoffnung, dem König, der just im Sommer 1507 ebenfalls die Universitätsstadt besuchte, doch noch aufwarten zu dürfen. Als sich auch diese Hoffnung zerschlagen hatte, rang sich der Humanist 14 15 16

Bätschmann/Schäublin 2000, 335–359. Belting 1985. British Library, MS Arundel 317; zur Biographie Rundle 2005; zur Rezeption der Tabula Cebetis neben Schleier 1973; Benedetti 2001; Kranen/Krass/Zimmer 2021.

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schließlich zu einer Widmung – explizit nicht des ganzen Manuskripts, sondern nur von De mortis effectibus – an den Seneschall von King’s Hall in Cambridge durch (also einen in der sozialen Hierarchie wesentlich tiefer angesiedelten Empfänger). Deutlich wird zunächst, dass der erst seit rund zwei Jahrzehnten kursierende antike Text zur Lebensführung des vermeintlichen Sokrates-Schülers Kebes als geeignete, Aufmerksamkeit erregende Gabe für einen humanistisch und künstlerisch interessierten Potentaten erschien. Alberici bewies dabei seine Fähigkeiten im Vergleich zum antiken Autor und zu anderen Humanisten-Kollegen durch eine eigene Hexameter-Übersetzung aus dem Griechischen und in einem weiteren Schritt, indem er den Kebes-Text, der die richtige Lebensführung zum Thema hatte, durch die gereimte Abhandlung De mortis effectibus zum richtigen (christlichen) Beenden des Lebens quasi komplettierte.17 Alberici setzte bei dem Manuskript aber nicht nur auf den Text, sondern genauso auf die Illustrationen, den frühesten bekannten Visualisierungen der Tabula Cebetis überhaupt. Es handelt sich um sechs ganzseitige Abbildungen für die Kebes-Tafel, eine für De mortis effectibus (diese wurde wie der Text nachträglich eingefügt, zwar in Anlehnung an die französischen Illustrationen der Tabula, aber weniger qualitätvoll), dazu Randschmuck auf den Eröffnungsseiten (Abb. 1, 2). Wie sehr sich Alberici dem englischen König als ‚neuer Kebes‘, d. h. als moderner Interpret antiker Lebensweisheit und Ratgeber guter Lebensführung anbot, zeigt sich schon daran, dass die erste Seite der Tabula mit einer gemalten Rahmung aus verschlungenen Ästen verziert ist, die Initiale F von einem astreichen Baum gebildet wird. Diese ungewöhnliche Schmuckform dürfte als spielerische Allusion auf den Namen Alberici (ital. alberi = Bäume) und möglicherweise zugleich als Verweis auf den ‚dichten und dunklen Wald des Lebens‘ zu verstehen sein, durch den sich der schon durch seinen Namen Prädestinierte als Führer empfiehlt.18 Die Kompetenzen eines solchen neuen Kebes betrafen dabei nicht nur den Text, sondern mindestens genauso sehr die Bilder und ihre Auslegung: Die Fähigkeiten des Übersetzers der Tabula Cebetis, also Alberici, des vermeintlichen Autors Kebes und des im Text geschilderten, namenlosen Alte, der den jungen Männern das Gemälde im Tempel erklärt, überlagerten sich im Verständnis der Frühen Neuzeit. Ganz ähnlich wurde etwa im Rom der 1510er Jahre der Sekretär von Agostino Chigi, Cornelio Benigno, der den Besuchern offenbar besonders eindrucksvoll die Wandmalereien in Chigis Villa (heute Villa Farnesina) erklären konnte, mit dem Alten der Tabula Cebetis verglichen.19 Kurz: Alberici präsentierte sich als Experte für humanistische Texte und Bilder.

17 18 19

Sider 1990; Carlson 1993, 20, 22–36, 167–168 und 171–174. Als Deutung zuerst vorgeschlagen in Pfisterer 2021. Cornelius Benignus eo modo, quo apud Cebetem Thebanum in Saturni aede senex ille tabulam humanae vitae magistram enucleasse legimus, picturarum, quibus natura ab arte victa est, in hortis aedibusque Septimianis Aug. Chisij eruditum interpretem agebat […]. Überliefert in einer handschriftlichen Vita, die vermutlich erst nach 1555 niedergeschrieben wurde, aber dem Benigno gewidmeten

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Abb. 1 Filippo Alberici: Tabula Cebetis, 1507, © The British Library Board, London, British Museum, Arundel MS 317, fol. 20v

Dabei demonstrierte er seine besondere Bildkompetenz nicht nur durch die Tabula Cebetis, sondern indem er ebenfalls um 1506/07 ein Manuskript mit Erläuterungen zu ‚Hieroglyphen‘ bei der gleichen französischen Werkstatt in Auftrag gab, die auch seine

Druck von Egidio Gallo, De viridario Augustini Chigii, Rom 2011 beigebunden ist; zit. nach Benedetti 2004, 183–184.

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Abb. 2 Filippo Alberici: De mortis effectibus, 1507, © The British Library Board, London, British Museum, Arundel MS 317, fol. 25r

Übersetzung der Cebes-Tafel illustrierte.20 Alberici bezog sich für seine Auflistung teils auf den vermeintlich wichtigsten antiken Text dazu, die Hieroglyphica des (spätantiken) Autors Horapollo, übernahm aber noch mehr (und neu erfundene) Sinnbilder aus der

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British Library, Royal MS 12 C iii; dazu Drimmer 2015/16.

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1499 in Venedig gedruckten Hypnerotomachia Poliphili.21 Er beließ es freilich nicht bei dieser Zusammenstellung von Bildchiffren und Erläuterungen zu zentralen Konzepten. Der eigentliche Sinn seiner Handschrift ergibt sich aus den neun abschließenden, ganzseitigen Tafeln, auf denen Alberici vorführt, wie man mit Hieroglyphen ganz neue Inschriften und Botschaften zum Lob königlicher Herrschaft zusammensetzen und für die Ewigkeit festhalten kann. Das ganze Hieroglyphen-Manuskript sollte also als eine Art Wörterbuch, als (implizite) Grammatik und als Anwendungsbeispiel – nämlich als tragbare Sammlung von Ruhmes-Monumenten auf den König – dienen. Sehr wahrscheinlich scheint nun, dass dieses aufwendig illustrierte Manuskript, das stilistisch eng vergleichbar mit der Tabula Cebetis ist, von Anfang an als Zugabe und ‚Verständnisschlüssel‘ für die Cebes-Handschrift zu verstehen ist, die Alberici dem englischen König überreichen wollte. Eine solche begleitend-explizierende Funktion könnte auch erklären, warum das Hieroglyphen-Manuskript keine eigene Dedikation aufweist. Jedenfalls lassen sich mithilfe von Albericis Hieroglyphen-Lehre die wichtigsten Bildelemente der einen Tafel zu De mortis effectibus allesamt und problemlos ausdeuten: So verweist etwa die öde Landschaft mit Ruinen und aus der Erde brechenden Flammen, in der sich ein Opferalter mit einer Maske und darüber eine schräg hängende Öllampe, auf der eine Taube sitzt, findet, auf den ‚Winter des Lebens‘ und das Erlöschen der Lebensflamme, eine Situation, in der nur der richtige Umgang mit dem Sterben Hoffnung erlaubt (Abb. 2, 3). Das Manuskript zu den Hieroglyphen liefert dabei nicht nur die Deutung zur Winter-Landschaft, sondern auch zur Lebenslampe.22 Weitere Bildelemente ließen sich vor diesem Hintergrund auch ohne Textkommentar sinnvoll verstehen und erklären. Wie immer jedenfalls das Verhältnis beider Manuskripte tatsächlich gedacht gewesen war: Der unverkennbar hieroglyphische Charakter der Illustration zu De mortis effectibus legt nahe, dass Alberici auch die einzelnen Bildelemente des vorangehenden ersten Teils des Manuskripts, zur Tabula Cebetis, als solche hieroglyphischen Sinnbilder ewiger antiker Weisheit verstanden wissen wollte. Die Implikationen einen solchen Verständnisses seien hier nur am Schlussbild der Tabula Cebetis, das sich besonders weit vom originalen Text entfernt, angedeutet: Dass Mars und Studium den Eingang zum paradiesischen Garten der Tugend flankieren, soll offenbar an die beiden Aspekte des idealen Herrschers – arma et litterae – erinnern und ist auf den erhofften königlichen Empfänger des Manuskripts zugeschnitten. Palme und vermutlich Lorbeer hinter der Personifikation der Tugend unterstreichen und erweitern dann die Aspekte von Ewigkeit und finalem Ruhm, wie sie die beiden flankierenden Personifikationen

21 22

Thissen 2001; Wolkenhauer 2021. Vgl. in den Digitalisaten beider Handschriften etwa http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx? ref=arundel_ms_317_f001r, fol.  25r mit http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=royal_ms _12_c_iii_fs001r, fol. 3r, fol. 3v und fol. 16r (zuletzt aufgerufen am 14.11.2022).

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Abb. 3 Filippo Alberici: Hieroglyphica; 1507, © The British Library Board, London, British Museum, Royal MS 12 C III, fol. 3v

verkörpern (Abb. 1, 4).23 Deutlich wird hier zudem ein weiteres Charakteristikum des frühneuzeitlichen Umgangs mit hieroglyphischen Bildzeichen: Diese ließen sich mit anderen Formen sinnbildlich-verschleierter Bedeutungsübermittlung verbinden, mit antiken Göttergestalten, Personifikationen, ja selbst Inschriften ‚normaler‘ Sprachen.

23 Vgl. http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=arundel_ms_317_f001r, fol. 20v mit http:// www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=royal_ms_12_c_iii_fs001r, fol. 5r, fol. 5v, fol. 12r, fol. 13r und fol. 14r (zuletzt aufgerufen am 14.11.2022). Zu den Topoi s. Brink 2000; Bladen 2008.

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Abb. 4 Filippo Alberici: Hieroglyphica; 1507, © The British Library Board, London, British Museum, Royal MS 12 C III, fol. 5v

Ein solches Vorgehen findet sich vielfach etwa auch bei den Sinnbildern auf Medaillen und anderen Impresen (s. u.).24 Das hieroglyphische Bildverständnis erweitert die Ausdrucksmöglichkeiten der Zeit und eröffnet kombinatorische Sinnbezüge auch über die hieroglyphische Form hinaus.

24

Vgl. nur Wittkower 1984; Baraš 2003; Warncke 2005.

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Jedenfalls ist Alberici mit seinem hieroglyphischen Verständnis der Tabula Cebetis nicht allein unter seinen (italienischen) Humanisten-Kollegen. Der Bolognese Giovan Battista Pio etwa, der bereits in den 1490er Jahren eine Übersetzung der Tabula Cebetis vorgelegt hatte, beschäftigte sich in einer Publikation von 1496 ebenfalls intensiv mit Hieroglyphen.25 In seinen Annotamenta von 1505 erläutert Pio zudem, dass Kebes sein Werk „philosophisch gemalt“ (philosophice pingit), allerdings seinen „bildlichen Kommentar“ (graphicum commentum) nicht in allen Elementen als erster erdacht habe, sondern älteres Wissen (an dieser Stelle geht es sogar um das Alte Testament) aufgriff.26 Das sind alles Elemente, die im Sinne einer hieroglyphischen Wissenscodierung zu verstehen sind. Albericis hieroglyphisches Verständnis der Tabula Cebetis verweist nun aber auf eine radikale Umwertung des Text-Bild-Verhältnisses, die bislang noch nicht in aller Konsequenz herausgestellt wurde: Im hieroglyphischen Verständnis Albericis und – wie noch zu zeigen sein wird – offenbar der Jahre um 1500 insgesamt geht es nicht darum, den Text des Cebes zu illustrieren. Sondern im Gegenteil erscheinen der Text, seine Übersetzungen und Kommentierungen überhaupt nur als Versuche einer Annäherung an die (verlorene) Bildtafel des Kebes. Deren ehemalige Bildbotschaft ist in ihrer komplexen Weisheit und Fülle sprachlich gar nie vollkommen erfass- und einholbar (und eben schon in der antik-griechischen Beschreibung nur schattenhaft überliefert). Die Fiktion der Tabula Cebetis wird hier ganz ernst genommen: Zuerst existierte ein Gemälde, das Erklärung verlangt, wobei die in diesem Gemälde kodierte hieroglyphische Weisheit auf der visuellen Ebene quasi unendliche Sinnbezüge eröffnet, die ein erklärender Text immer nur unzulänglich erfassen kann. Die Bilderschrift der Hieroglyphen kommt – so die Vorstellung – viel näher der göttlichen Ursprache, die die Wirklichkeit und Wahrheit der Dinge unmittelbar benennen kann, als alle Schriftsprachen.27 Die Hieroglyphen werden hier in einem Sinne verstanden, wie ihn der Ende des 15. Jahrhundert von Ficino in lateinischer Übersetzung wieder zugänglich gemachte Plotin formulierte (Enn. 5,8,5–6): „Die ägyptischen Weisen […] verwendeten zur Darlegung ihrer Weisheit nicht die Buchstabenschrift, welche die Wörter und Prämissen nacheinander durchläuft und darin die Laute und das Aussprechen der Sätzen nachahmt, vielmehr bedienten sie sich der Bilderschrift, sie gruben in ihren Tempeln Bilder ein, deren jedes für ein bestimmtes Ding das Zeichen ist: und damit, meine ich, haben sie sichtbar gemacht, daß es dort oben [bei den Göttern] kein diskursives Erfassen gibt, daß vielmehr jenes Bild dort oben Weisheit und

25 26 27

Giovanni Battista Pio: Cebetis tabulae interpretatio desultoria, Roma, Biblioteca Nazionale Centrale, cod. II.1072; Pio 1496, fol. sr–v; dazu Benedetti 2004. Pio 1505, fol. M1v–M3r: Commentum Cebetis de Pitho nobis errores poculo stillante detortum esse ex sacris literis. Cap. c. Zur Suche nach der göttlichen Ursprache und Weisheit s. Eco 1984; Allen 1970, 107–133; Keiner 2003; Assmann 2015.

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Wissenschaft ist und zugleich deren Voraussetzung, daß es in einem einzigen Akt verstanden wird und nicht diskursives Denken und Planen ist.“28

Dreierlei wird daran deutlich: Erstens, wenn diese Deutung zutrifft, dann versteht Alberici den Text der Tabula Cebetis nicht als rhetorische Form der Bildbeschreibung oder Ekphrasis, die ja kein tatsächliches Vorbild in Malerei oder Skulptur benötigt und fiktive Bilder entwerfen kann und die dann von Künstlern mal so, mal so visualisiert werden kann. Die Tabula Cebetis wäre in ihrem visuellen Gehalt – so verstanden – etwas grundlegend anderes als z. B. die berühmte Verleumdung des Apelles nach einer Beschreibung Lukians.29 Zweitens könnte hierin der Grund zu suchen sein, warum die Tabula Cebetis, deren Text doch in Rom während des letzten Viertels des 15. Jahrhunderts bekannt und ab 1507 nördlich der Alpen vielfach dargestellt wurde, überraschenderweise in Italien selbst erst vergleichsweise spät in Bildform transferiert erscheint, nämlich von zwei Sonderfällen abgesehen erst ab Mitte des 16. Jahrhunderts.30 Waren sich die italienischen Humanisten und Künstler also besonders bewusst, dass es sich dabei gar nicht um die Aufgabe des Illustrierens oder ‚Rückübersetzens‘ einer Textvorlage ins Bild handelte, sondern um die eigentlich nicht bewältigbare Herausforderung, das hieroglyphische Sinnbild der Tabula Cebetis mit seiner visuell kodierten alten Weisheit in aller Fülle wiederherzustellen? Und drittens wird verständlich, warum Alberici die französischen Buchmaler seiner Übersetzung nicht das tun ließ, was die meisten anderen Illustrationen der Tabula Cebetis ab 1507 versuchten, nämlich die räumliche Struktur des Lebens- und Tugendweges deutlich zu machen mit den konzentrisch angeordneten Mauerringen und dem Tugendberg in der Mitte.31 Bei Alberici steht jeder Mauerkreis unabhängig für sich. Denn die hieroglyphisch verstandenen Einzelelemente sind so wichtig wie die Wegsituation insgesamt. Das Herausarbeiten des visuell kodierten Sinnes in jedem Element steht vor der Darstellung der räumlichen Verbindung, die offenbar das einleitende Bild und dann der performative Akt des Durchblätterns und Lesens des Textes ausreichend vermitteln konnte. Nur so kann sich die unendliche Fülle möglicher Sinnbezüge aus den hieroglyphischen Bildchiffren voll entfalten.

28 Übersetzung Harder 1964, 49–51; vgl. Marsilio Ficino, In Plotinum V, viii; dazu jetzt Riemer/ Zintzen 2020. 29 Etwa Cast 1981; Massing 1990; Heffernan 1996; Cranston 2011. 30 Schleier 1973, 40–44. 31 Dazu ausführlich Pfisterer 2021.

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2. Alberti und die Universalität hieroglyphischer Bilder Von Albericis ‚Unerschöpflichkeit hieroglyphischer Bilder‘ unterscheidet sich Albertis gut ein halbes Jahrhundert zuvor formulierte Vorstellung von der ‚Universalität hieroglyphischer Bilder‘ wesentlich. Ägypten spielt in Albertis Malereitraktat zunächst vor allem eine historische Rolle.32 Er referiert die Ausführungen in der Naturalis historia des Plinius (35,15) zur Vorstellung, die Ägypter hätten vor mehr als 6000 Jahren die figürliche Malerei erfunden: „Nach einer gewissen Überlieferung sind ein Philocles aus Ägypten und ein Cleanthes unbekannter Herkunft unter die ersten Erfinder dieser Kunst [des mit Linien die Schatten Umzeichnens] einzureihen. Die Ägypter behaupteten, sechstausend Jahre lang sei die Malerei bei ihnen schon im Gebrauch gewesen, bevor sie nach Griechenland hinübergebracht wurde.“33

Nachdem bereits Plinius diese Überlieferung bezweifelt hatte, formulierte Alberti noch vorsichtiger. Die Gewissheit eines Isidor von Sevilla – picturam autem Aegyptii excogitaverunt primum umbra hominis lineis circumducta (Orig. 19,16,2) – war jedenfalls dahin. Allerdings gilt es sich bewusst zu halten, dass mit den Anfängen der Zeichnung im 15. Jahrhundert immer auch die Anfänge der Schrift mitverhandelt wurden. Graphia konnte Schreiben wie Zeichnen meinen. In Giovanni Tortellis wegweisendem Nachschlagewerk De orthographia, zu Beginn der 1450er Jahre Papst Nikolaus V. gewidmet, heißt es daher unter diesem Stichwort: „[D]ies bezeichnet nicht nur das Aufschreiben von Buchstaben, sondern mit diesem Begriff graphia wird bei den Griechen auch in gewisser Weise die Malerei bezeichnet. Deshalb ist von den unseren [d. h. den Latein schreibenden] Autoren oft durch [die Formulierung] ‚ich schreibe‘ das ersetzt worden, was eigentlich ‚ich male‘ meint.“34 Da insbesondere eine Bilderschrift diese doppelte Bedeutung und den gemeinsamen Ursprung von Bild und Schrift zu bestätigen scheint, war Tortelli für die umstrittene Idee, die Ägypter hätten die ‚Tierbilder‘ (worunter die Hieroglyphen fallen) erfunden und diese seien dann in Griechenland rezipiert worden, besonders empfänglich.35 32 33 34

35

Zur Wiederentdeckung Ägyptens und der Hieroglyphen s. zusammenfassend Giehlow 1915; Castelli 1979; zuletzt mit der vorausgehenden Lit. Curran 2007; speziell zu Alberti Panza 2007. Bätschmann/Schäublin 2000, 236–239 (Pict. lat. 2,26): Sunt qui referant Phyloclem quendam Aegyptium et Cleantem nescio quem inter primos huius artis repertores fuisse. Aegyptii affirmant sex millibus annorum apud se picturam in usu fuisse prius quam in Graeciam esset translata. Tortelli 1501, fol. 83r: Graphia […] dici potest a nostris scriptura: quae non solu[m] exarationem litteraru[m] sed cu[m] hoc etiam picturam quemadmodu[m] apud graecos ea dictio graphia significat: unde scribe apud nostros pro eo q[uo]d e[st] pingo ab auctoribus nostris saepe positu[m] fuit. Zur Bedeutung dieses Zusammenhangs für die Bildkünste s. Campbell 1996. Tortelli 1501, fol. 83r: verum Aegypti ex animalibus eorum teste eodem Pli[nio] apud ipsos i[n] venta[m] pictura[m] prius quam in graecia[m] tra[n]siret. Die Rede von den Tierbildern, die sich

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Bedeutsamer scheint das Wissen der Ägypter für Alberti aber in anderer, bislang nicht herausgestellter Hinsicht. Zwar betont er, dass für seine neue „Theorie der Malerei“ die Frage nach den historischen „Erfindern“ nebensächlich sei. Nicht die historischen Personen und Orte, wohl aber die anthropologischen Beweggründe für die Erfindung oder vielleicht besser: für das Entstehen der Bildkünste überhaupt interessierten Alberti zentral. Dass die Menschen Abbilder herstellen, lässt sich – so Alberti um 1445 in De statua – zunächst mit der menschlichen Grunddisposition erklären, in zufällige Formen der Natur Gestalten ‚hineinzusehen‘, und mit dem Versuch, diese Formen dann nachbearbeitend noch besser sichtbar zu machen.36 Speziell Maler und Bildhauer folgen dabei einem inneren Drang, sich in ihren Produkten als einer Art ‚Geisteskindern‘ quasi zu reproduzieren und zu verewigen – so jedenfalls die auf Aristoteles basierende Vorstellung. Daher lieben die Hersteller auch ihre Produkte ohne eine Form der Gegenreaktion zu erhalten: Quasi ciascuno ama l’opere sue, el pittore, e il scrittore, e il poeta; el padre molto più, stimo, perché più vi dura richiesta e più lunga fatica.37 Das dürfte letztlich die Herleitung sein, weshalb Alberti in De pictura ausgerechnet Narziss im übertragenen, ‚philosophischen‘ Sinne zum Erfinder der Malerei kürt.38 Als dritten Grund schließlich benennt Alberti das Bedürfnis, das Übernatürliche – die Götter – begreifbar und anschaulich zu machen (eine Idee, die letztlich auf Aby Warburgs Bild-Anthropologie vorausweist). Und diese Einsicht führt Alberti auf den Ägypter Hermes Trismegistos zurück, dessen Beiname Marsilio Ficino dann durch die Dreierkombination von größtem Philosophen, Priester und König erklären sollte: „Nach Auffassung des Trismegistus, eines uralten Schriftstellers, sind die Bildhauerund die Malkunst zusammen mit der Religion entstanden. Folgendermaßen nämlich spricht er zu Asclepius: ‚Die Menschheit hat, im Andenken an ihr Wesen und ihren Ursprung, die Götter nach ihrem eigenen Ausstehen gebildet.‘“39 Weniger also die Frage, ob die Ägypter wirklich die ‚Erfinder der Malerei‘ gewesen seien, als die Erklärung der ägyptischen Weisen für das Verfertigen von Bildwerken überhaupt interessierte Alberti. Explizite Bemerkungen zu Hieroglyphen liefert Alberti dagegen erst in den wohl ab den frühen 1440er Jahren niedergeschriebenen, 1452 in erster Fassung vollendeten De re aedificatoria: „Die Ägypter verwendeten Zeichen folgender Art: Durch das Auge bezeichneten sie Gott, durch ein Gesicht die Natur, durch eine Biene den König usw. […]; sie sagten, dass denen,

schon in Poggios Rom-Beschreibung andeutet, nach dem eben erst wiederentdeckten Tacitus (Ann. 11,14). 36 Dazu Pfisterer 2007. 37 Romano/Tenenti/Furlan 1994, 36–37. 38 Pfisterer 2001; seitdem vor allem Bätschmann 2008; Aurenhammer 2009. 39 Bätschmann/Schäublin 2000, 238–239 (Pict. lat. 2,27); die Herleitung des Namens in Ficino 1576, Bd. 2, 1836 (Argumentum zur Übersetzung des Corpus Hermeticum).

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welche nur ihre Schrift bekannt sei, es einst passieren werde, dass deren Kenntnis gänzlich verloren gehe, […]. Ihre Art der Aufzeichnung aber, deren sich hier die Ägypter bedienten, werde auf der ganzen Welt von erfahrenen Leuten, denen ja allein man Wichtiges mitzuteilen habe, sehr leicht ausgelegt werden können.“40

Alberti versteht hier Hieroglyphen als orts-, zeit- und kulturunabhängig, es handelt sich für ihm offenbar um keine willkürlich festgelegten Zeichen, sondern um quasi absolute Träger einer Bedeutung, die die Wissenden stets zu entziffern vermögen. Dieses Konzept lässt sich nicht gänzlich aus den antiken und mittelalterlichen Gewährsleuten Albertis – voran Plinius d. Ä., Macrobius und Ammianus Marcellinus – für die ägyptische Bilderschrift herleiten.41 Und mit dieser Auffassung von der Leistungsfähigkeit der Bilder unterscheidet sich Alberti auch fundamental von den, letztlich auf die Zeichentheorie des Augustinus zurückgehenden spätmittelalterlichen theologischen und philosophischen Überlegungen zur Erkenntnislehre. Diese betonten – oft am Musterbeispiel einer Darstellung des Herkules –, dass jedes Verständnis von Abbildungen, die über den rein anschaulichen Befund – starker Mann mit Keule – hinausgehen soll, nur mit Vorwissen möglich sei: „Wer nämlich ein Bild des Herkules an der Wand sieht und noch nie zuvor Herkules gesehen hat, der vermag dieses Bild nicht eher als Herkules denn als Hektor oder Achill zu identifizieren.“42 Alberti propagiert dagegen mit den Hieroglyphen eine ‚Universal(bild)sprache‘. Davon jedoch, dass diese Hieroglyphen in ihrer semantischen Fülle durch die Wissenden nicht wieder vollständig in Sprache und Text rückübersetzt, ausgedeutet und erfasst werden könnten, findet sich kein Wort bei Alberti. Diese Auffassung scheint in den Grundzügen bereits Albertis vorausgehende, in den 1430er und 40er Jahren verfasste Texte, die symbolische Bildwerke evozieren, zu bestimmen. In den Beiträgen Picture (eine Ekphrasis der Wandgemälde im Tempel des Guten und Schlechten Schicksals) und Anuli (eine Ekphrasis geschnittener Res aed. 8,4, p. 697,2–5 und 10–13 Orlandi/Portoghesi 1966; deutsche Übersetzung Theuer 1912, 428. Diese Auffassung steht im Widerspruch zu dem, was der seit der 1451 Nikolaus V. gewidmeten lateinischen Übersetzung Poggio Bracciolinis wieder verfügbare und von Alberti in seinem Architekturtraktat an anderer Stelle bereits benutzte Diodorus Siculus (Diod. 3,3,4) schreibt. 41 Vgl. die bislang genannten Quellen: Plin. Nat. 36,8–9, Macr. Sat. 1,19 und Amm. 17,4,6–11 und 14– 23; aber etwa auch Mart. Cap. 2,137. 42 So Gregor von Rimini in seinem in den 1340er Jahren entstandenen Sentenzen-Kommentar s. Trapp/Marcolino 1987, 356: Qui enim videret imaginem Herculis in pariete et numquam vidisset Herculem, non plus nosset illam esse imaginem eius quam Hectoris vel Achillis. Die Einsicht, dass die Kenntnis des Repräsentierten nicht Effekt, sondern Voraussetzung der Repräsentation ist, scheint erstmals – und bereits am Beispiel einer Herkules-Statue – in Wilhelm von Ockhams Sentenzen-Kommentar formuliert, s. Meier-Oeser 1997, 93–95; Beispiele auch bei Pfisterer 1999, 432–433; das Beispiel einer Herkules-Statue in unterschiedlichen zeichen- und bildtheoretischen Zusammenhängen zudem etwa bei Thomas von Aquin, Quaestiones disputatae de veritate, q. 8, a. 5, resp. und q. 23, a. 7, ad 11 und Roger Bacon, De signis 1,15 (zit. nach Fredborg/Nielsen/Pinborg 1978, 85). 40

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Steinbilder auf Ringen) in der Textsammlung der Intercenales (begonnen zu Beginn der 1430er Jahre, Endredaktion wohl 1443) geht es Alberti zwar stets um ingeniöse Erfindungen von Personifikationen, um Sinnbilder und teils um bildlich-schriftliche Zusammenhänge, die nur der gelehrte Betrachter und Leser richtig dechiffrieren und verstehen kann. Vor allem Hans Aurenhammer und Bernhard Huss haben sich aus kunstgeschichtlicher bzw. literaturwissenschaftlicher Perspektive in den letzten Jahren mit Albertis Konzept von Sinnbildern und Allegorien auseinandergesetzt.43 Deutlich wird das anspruchsvolle humanistische (Text-)Wissen und Operieren mit Deutungsebenen, die Spannung zwischen ‚Oberfläche der Zeichen‘ und integumenta. Gleichwohl geht es auch hier nicht um eine unausschöpfliche, in Bildern kodierte Fülle der Weisheit, sondern um Bildbotschaften, die sich zumindest den Wissenden vollständig erschließen. Nicht erst zur Abfassungszeit von De re aedificatoria, sondern bereits zu diesem frühen Zeitpunkt vertritt Alberti also offenbar schon ein Konzept von Univeral(bild)sprache. Und er kennt möglicherweise auch bereits Horapollos Hieroglyphica, von denen eine Handschrift erstmals 1422 nach Florenz gelangte (oder eine lateinische Kurzfassung zu 36 Zeichen, die wohl in diesen Jahren entstand).44 Zu ähnlich scheint die Art der Beschreibung und Ausdeutung der mysteria der einzelnen Ringsteine in den Anuli, die man kaum nur mit den anderen kurzen, aus der Antike überlieferten (Pseudo-)Deutungen von Hieroglyphen erklären kann. So heißt es etwa für den ersten Ringstein: „Ein Kranz ist das Zeichen für Glück und Ruhm: nichts ist mächtiger als das Auge, nichts schneller, nichts würdiger. Was noch mehr? Es ist unter den Körpergliedern an erster Stelle, herausragend, quasi ein Gott. Deshalb haben die Alten Gott als ähnlich einem Auge gedeutet, das alles sieht […].“45 Längst erkannt ist, dass Alberti die hier aufgerufenen Bildsymbole auch für seine eigenes persönliches Sinnbild des geflügelten Auges (teils im Lorbeerkranz) herangezogen hatte.46 Dabei fällt Albertis Bemühen im Rom der frühen 1430er Jahre, ein solches persönliches Sinnbild zu entwickeln, zeitlich exakt zusammen mit dem Vorhaben seines Kurien-Kollegen Poggio Bracciolini, eine Beschreibung der römischen Ruinen zu verfassen, in der dieser unter anderem die Zeichen auf den Obelisken erstmals wieder als die ägyptische Hieroglyphenschrift bezeichnen sollte (Abb. 5).47 Albertis Flügelauge ist in einigen Fällen noch

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Bacchelli/d’Ascia 2003; zur Deutung Aurenhammer 2015; Huss 2021. Sider 1986/1992; zu der teils Cyriacus d’Ancona zugeschriebenen lateinischen Kurzfassung, die sich nur in Kopie erhalten hat, s. Curran 2007, 59 und 103. Die kurzen Deutungsbeispiele etwa bei Macr. Sat. 1,19, Amm. 17,4,6–11 und 14–23 oder der nur auf Griechisch verfügbare Clemens Alexandrinus, Str. 6,4,35 scheinen als Referenz weniger wahrscheinlich. Leon Battista Alberti, Anuli, in: Bacchelli/D’Ascia 2003, 764–789. Zu Albertis Flügelauge Pfisterer 1998; neuerdings etwa Cassani 2014 und zum Textbestandteil van der Linden 2008/09. Valentini/Zucchetti 1940–1953, Bd. 4, 240: variis animalium, aviumque figuris, quibus prisci Aegyptii pro litteris utebantur; s. Curran 2007, 58–59.

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Abb. 5 Leon Battista Alberti: Flügelauge in einer Handschrift der Fabula Filodoxeos, 2. Viertel 15. Jh. Modena, Biblioteca Estense Universitaria, Lat. 52 (alfa O.7.9.), fol. 6v, su concessione del Ministero della Cultura – Gallerie Estensi, Biblioteca Estense Universitaria

ergänzt um die (nicht-hieroglyphische) Beischrift Quid Tum. Dieses Wort-Bild-Gefüge erinnert an die allerdings erst gut ein Jahrhundert später langsam kodifizierte Impresenlehre, wonach sich Bild- und Textbestandteil notwendig ergänzen müssen und erst zusammen genommen den Sinn erschließen. Aber auch trotz dieser erst aus der Synthese zu gewinnenden Sinnschichten – und trotz der vielfältigen Versuche und Schwierigkeiten der modernen Forschung, Albertis Auge zu deuten – scheint mir nichts darauf hinzudeuten, dass Alberti prinzipiell in Frage stellte, dass seine persönliche Imprese und dass in Bildern kodierte Konzepte vollständig in Sprache übersetzbar seien. Sinnbilder, Personifikationen, Hieroglyphen und Allegorien übersteigen nicht durch einen spezifischen visuellen Sinnüberschuss und ein sprachlich uneinholbares Wissen das Medium des Textes. Es gibt in dieser Hinsicht gerade kein paragonales Denken. Der Weise ist vielmehr stets in der Lage, alles richtig zu deuten. Schließlich deutet auch das in De pictura formulierte Konzept von Ekphrasis in eine ähnliche Richtung: Vermerkt Alberti doch zu dieser Textgattung, dass schon die reine Erfindung oder inventio – allein die Beschreibung im gesprochenen Wort oder

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im Text, ohne Versuch oder Vorliegen einer Visualisierung – schön und erhellend sei: „[…] so wesentlich ist der Beitrag der Erfindung, dass sie sogar für sich allein zu erfreuen vermag, d. h. auch dann, wenn die malerische Umsetzung fehlt. So entlockt jene berühmte Beschreibung der ‚Verleumdung‘, die Lucianus nach einem Gemälde des Apelles angefertigt hat, bei der reinen Lektüre Bewunderung.“48 Nun versteht Alberti die inventio zwar als größte, eigenständige – und im Übrigen auch als nicht erlernbare, sondern der Begabung entspringende – Leistung der Maler und Bildhauer und eben keineswegs als bloße Umsetzung von Textvorlagen. Umgekehrt aber lässt sich offenbar die zentrale Botschaft der Bildkünste doch sprachlich vermitteln. *** Bereits Kurt Giehlow hat 1915 in seinem grundlegenden Beitrag zur „Hieroglyphenkunde des Humanismus“ darauf hingewiesen, wie sich die Vorstellungen von der ägyptischen Bilderschrift vor allem in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert durch neu erschlossene antik-griechische Quellentexte – darunter Didorus Siculus, Herodot, Eusebius, Plotin, Iamblichus und das Corpus Hermeticum – veränderten.49 Für die damit verbundenen Bildkonzepte wurde hier am Beispiel von Alberti und Alberici die These eine Verschiebung und Pluralisierung von der Universalität zur Unausschöpflichkeit hieroglyphischer Bilder verfolgt.50 Allerdings sind noch mindestens zwei weitere Faktoren bei diesen Veränderungen und Ausdifferenzierungen mit zu bedenken. Zum einen erinnerte das Bekanntwerden der Domus Aurea in Rom während der letzten zwei Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts mit den dort zahlreich zu besichtigenden antiken ‚Grotesken‘ nachdrücklich daran, dass nicht alle monströs kombinierten ‚Tierbilder‘ tiefere Weisheiten vermitteln wollten, sondern teils allein der Fantasie der Maler entsprungen waren um dekorativ, abwechslungsreich und überraschend dem Auge zu gefallen.51 Klagen über die Willkür der Maler hatte es zwar schon in der Antike wie im früheren 15. Jahrhundert gegeben.52 Die neue Bildform der Grotesken bot sich aber in besonderer Weise für Hieroglyphe wie bloßes Fantasiegebilde gleichermaßen an. Die erste Frage war daher nun nicht mehr, was die Bildsymbole bedeuten sollten, sondern ob sie überhaupt etwas bedeuten soll-

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Bätschmann/Schäublin 2000, 294–295 (Pict. lat. 3,53); vgl. auch Rosand 1987. Giehlow 1915; etwas weniger deutlich dieser Umbruch bei Curran 2007, v. a. 89–105. Ein Anwendungsbeispiel für die Idee universaler Lesbarkeit bei Dempsey 1988. Noch Junius 1637, 73 argumentiert weiterhin mit der Universalität hieroglyphischer Bilder; dazu Koch 2013, 336–337. Aus der Fülle an Literatur sei nur verwiesen auf Dacos 1969; Hansen 2018. Etwa Seneca, Benef. 1,3,7; die Bemerkungen in Antonius Pierozzis Summa bei Gilbert 1959; Frezza 1948, 96 mit Galeotto Marzio da Narnis expliziter Kritik am Horaz’schen Dictum von der gleichen Macht und Freiheit von Malern und Dichtern, die ansonsten öfters als positives Argument zugunsten der Künstler angeführt wurde, s. Pfisterer 1996.

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ten. Giovanni Nanni da Viterbo stellt in seinen fiktiven Textquellen zu den Weisheiten des Altertums diese zwei Möglichkeiten des Bildeinsatzes bereits 1498 klar heraus: „das nämlich sind heilige Bilder, die den Betrachter schnell dazu zwingen, sich um ihre Bedeutung zu bemühen; als heilige Schriften wird entsprechend bezeichnet, was jedwedem Betrachter mehr eine geheime Botschaft als [nur] Verzierung zu sein scheint.“53 Vor allem aber zeichnet sich in diesen Jahren eine dritte, nochmals kategorial andere Auffassung zu ‚hieroglyphischen‘ und allegorischen Bildern ab: Diese verweist weder auf die Eindeutigkeit einer universalen Lesbarkeit noch die Unausschöpflichkeit einer in diesen Bildern kodierten (quasi-)göttlichen Weisheit, die zwar nie vollkommen zu erfassen, aber für die doch theoretisch das letzte und höchste Ziel zu benennen ist. Die neue Position behauptet, dass es ein solches Ziel manchmal gar nicht gebe, dass gerade im Spektrum der Ambiguität und Relativität der einzelnen Deutungen der intellektuelle und ästhetische Genuss symbolischer Bilder liege. Giovanni Aurelio Augurelli formulierte dies 1475 anlässlich der Standarte, die Giuliano de’ Medici bei einem Turnier in Florenz in diesem Jahr trug. Zu sehen war darauf dessen Geliebte Simonetta in Gestalt von Pallas Athena, die den Amor bezwingt: „Viele verschiedene Deutungen werden [zu dieser Standarte] vorgetragen, keine entspricht einer anderen, [aber gerade] dieser [Umstand] ist fast schöner als die gemalten Bilder selbst.“54 Dagegen scheint die erste überlieferte, weitgehend korrekte Wiedergabe antiker Hieroglyphen, die um 1480 der Karmelitermönch Michele Fabrizio Ferrarini († um 1492) in seine erste Sylloge aufnahm, keine weiterreichende Auswirkung auf die Bildkonzepte der Zeit gehabt zu haben: Abgezeichnet wurde die Inschrift auf dem linken der beiden damals vor dem Pantheon aufgestellten Löwenfiguren des Pharao Nectanebos I., auch wenn Ferarrini selbst später diese Inschriften um eine Art Tafel herum neu arrangierte.55 Zusammenfassend: Hier konnte in aller Kürze nur eine Alternative zu Albertis Vorstellung von der Universalität hieroglyphischer Bilder skizziert werden, nämlich die von Federico Alberici zu Beginn des 16. Jahrhunderts vertretene Idee von deren Unausschöpflichkeit. Sieht man dies mit weiteren Stimmen wie derjenigen des Giovanni Aurelio Augurelli zusammen, wird deutlich, dass Alberti mit seinem Malereitraktat weder die einzige noch die in jeder Hinsicht interessanteste Stimme des neuen Kunstdiskurses der Renaissance darstellte. Den vielstimmigen Diskussionshorizont und Albertis Position darin zu rekonstruieren, stellt auch 100 Jahre nach der Veröffentlichung von Julius Schlossers Die Kunstliteratur in Wien 1924 immer noch eine Herausforderung dar. Annius 1515, fol. XXVIv: sacrae enim hae effigies sunt, quae mox cernentem cogunt petere, quid haec significent; sacrae enim literae dicuntur, quae magis ad secretum aliquid significandum quam ornatum apparent cuilibet aspicienti institutae. Auf diese Stelle verweist Giehlow 1915, 46; vgl. zum Kontext auch Grimm 2007. 54 Multi multa ferunt, eadem sententia nulli est: / Pulchrius est pictus istud imaginibus (Maier 1966, 307); zum Kontext s. Pfisterer 2012. 55 Dazu Curran 2007, 99–105; möglicherweise hatte schon Cyriacus d’Ancona in Ägypten Hieroglyphen abgezeichnet, diese Blätter sind aber verloren. 53

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Ekphrasis und Hieroglyphe von Alberti bis Alberici

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Ulrich Pfisterer

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Passwort vergessen? Leon Battista Albertis Chiffriermethode Reinhold F. Glei In der Geschichte der Kryptographie gilt die Erfindung der Chiffrierscheibe durch Leon Battista Alberti als Pionierleistung, da hier erstmals eine sog. polyalphabetische Methode systematisch entwickelt und beschrieben wurde.1 Die einfache, monoalphabetische Chiffrierung, wie sie aus der Antike bekannt ist, beruht auf der linearen Ersetzung von Buchstaben des Alphabets durch andere Buchstaben. Die Caesar-Chiffrierung2 beispielsweise bestand darin, für jeden Buchstaben des Alphabets den jeweils an dritter Stelle folgenden zu setzen (zugrunde gelegt wird das lateinische Alphabet ohne Ergänzung der griechischen Buchstaben Y und Z): A

B

C

D

E

F

G

H

I

L

M

N

O

P

Q

R

S

T

V

X

D

E

F

G

H

I

L

M

N

O

P

Q

R

S

T

V

X

A

B

C

GALLIA EST OMNIS DIVISA IN PARTES TRES ➝ LDOONDHXARPQNXGNBNXDNQSDVAHXAVHX

Ein solcher Code ist freilich (zu) leicht zu entschlüsseln, da man durch Einsetzen und Probieren in maximal 20 Durchgängen den Klartext herstellen kann.3 Falls es sich um einen längeren Text handelt, kann man die Zahl der Probierdurchgänge sogar noch wesentlich verringern, indem man die Häufigkeit der Buchstaben berücksichtigt: 1 2

3

Vgl. z. B. Meister 1906, 24–29. Vgl. Suet. Div. Iul. 56: si qua occultius perferenda erant, per notas scripsit, id est sic structo litterarum ordine, ut nullum verbum effici posset: quae si investigare et persequi velit, quartam elementorum litteram, id est D pro A et perinde reliquas commutet. – Caesar selbst berichtet einmal, dass er einen Brief zum Schutz vor feindlicher Entzifferung in griechischen Buchstaben geschrieben habe (Bell. Gall. 5, 48, 4). Dies dürfte nicht sehr sicher gewesen sein. Noch ‚primitiver‘ war die Verschlüsselungsmethode des Augustus, die ebenfalls Sueton (Aug. 88) beschreibt: Danach verwendete Augustus für jeden Buchstaben einfach den Folgebuchstaben: B für A, C für B usw.

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Reinhold F. Glei

Selbst in unserem kurzen Beispiel ist auffällig, dass N und X jeweils fünfmal, A, D und H jeweils dreimal vorkommen. Wenn es gelingt, die statistische Häufigkeit von Buchstaben in einem lateinischen Text zu ermitteln, ist es wahrscheinlich, dass man bei Probierdurchgängen mit den häufigsten Buchstaben sehr schnell das Richtige trifft. Der erste, der solche Buchstabenstatistiken durchführte und dadurch die Schwäche der monoalphabetischen Chiffrierung erkannte, war eben Alberti. In seiner Schrift De componendis cyfris (oder kurz De cyfris / De cifris),4 die sich durch die eingangs des Werkes begeistert gepriesene Erfindung des Buchdrucks auf ca. 1466 datieren lässt,5 führte er umfangreiche Corpusanalysen nicht nur zur Häufigkeit einzelner Buchstaben, sondern auch zur Häufigkeit von Buchstabenkombinationen durch.6 Eine der Schlussfolgerungen war nach Alberti, dass man zumindest orthographische Erschwernisse einführen solle: keine Doppelung von Buchstaben (wie in GALLIA), kein U nach Q, kein H (welches schon lange verstummt war), keine Unterscheidung von U und V.7 Diese Maßnahmen reichen aber nicht aus, um einen sicheren Code zu generieren. Für andere Methoden wie Geheimtinte o. ä. hat Alberti nur Spott übrig: Futilia quidem haec.8 Den Anlass für die Abfassung der Schrift bot, so Alberti in einem fiktiven Eingangsdialog, ein Gespräch zwischen ihm selbst und dem päpstlichen Sekretär Leonardo Dati (1408–1472) in den Vatikanischen Gärten, wobei dieser die Unzulänglichkeit der bisherigen Chiffrierung beklagte. Alberti versprach, Abhilfe zu schaffen und zu versuchen, ein neues, sichereres Chiffriersystem zu entwickeln. Dazu ging er das Problem systematisch an und definierte sein Ziel wie folgt: Atqui sic incidit in mentem ut ponerem cyfram esse rationem quandam scribendi notis ad arbitrium significantibus id quod inter se scribentes constituissent, ne ab aliis intelligerentur.9

4

Handschriftlich erhalten (13 Mss.). Einen ersten Lesetext nach zwei Handschriften veröffentlichte Meister 1906, 125–141; Buonafalce 1994 bietet ebenfalls einen Lesetext (mit italienischer Übersetzung von Alessandro Zaccagnini), keinen Apparat; maßgeblich ist die kritische Ausgabe desselben Buonafalce 1998. Alle Zitate nach dieser Ausgabe, mit Seiten- und Zeilenzählung. Desweiteren gibt es eine französische Übersetzung von Furno 2000 (nach dem Text von Buonafalce 1994) und mehrere englische Übersetzungen, zuletzt (mit Kommentar) von Williams/March 2010 (nach der kritischen Ausgabe). Eine deutsche Übersetzung fehlt m. W. bisher, die hier gebotenen Übersetzungen sind von mir selbst angefertigt. 5 Vgl. dazu näherhin die umfassende Untersuchung zur Einführung der Typographie in Italien von Galimberti 2010, die auch die ältere Sekundärliteratur verzeichnet. 6 Eine ausführliche Darstellung dieser Analysen nach modernen statistischen Methoden bietet Ycart 2014. 7 Alberti, Cifr. 10 p. 17, l. 40 – p. 18, l. 2 Buonafalce. Auch das altlateinische K sowie die griechischen Buchstaben Y und Z werden nicht verwendet. 8 Alberti, Cifr. 12, p. 21, l. 30 Buonafalce. Geheimtinte aus Milch oder Leinsaft empfiehlt schon Ov. Ars 3, 627–630, für kompromittierende Liebesbriefe. 9 Alberti, Cifr. 3, p. 5, l. 31–35 Buonafalce.

Passwort vergessen?

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(Ich überlegte mir folgende Definition: Eine Chiffrierung [cyfra] ist eine bestimmte Methode, mit willkürlichen Zeichen zu schreiben, deren Bedeutung die Schreiber untereinander vorher festgelegt haben, damit sie von anderen nicht verstanden werden können).

Der Begriff cyfra, vom arabischen ṣifr (‚leer‘) abgeleitet, bezeichnet ursprünglich die Ziffer Null des indischen Zahlsystems, das von al-Khwarizmī (um 780–850) in die arabische Mathematik eingeführt wurde. Im Lateinischen10 kann cyfra außerhalb engerer mathematischer Kontexte neben der Null auch jedes andere Zahlzeichen (unser Wort ‚Ziffer‘) und darüber hinaus überhaupt jedes beliebige Zeichen, dessen Bedeutung willkürlich festgelegt wird, bezeichnen: Alberti selbst spricht von litteras tantum ex composito consciis notas, quas cyfras nuncupant („Buchstaben, die nur durch Vereinbarung den Mitwissern bekannt sind und die man ‚Chiffren‘ nennt“).11 In der obigen Definition taucht cyfra zum ersten Mal als terminus technicus nicht (nur) für die einzelne Chiffre, sondern für die Chiffriermethode als solche auf. Damit der Code sicher ist, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Unum horum fuit, ut esset apud quosque inter se mutuo scribentes constans et certum quidpiam, quo fieret ut alterum alter ex ea scriptione satis intelligeret, quid moneret, quid peteret, narraretve et eiusmodi. Secundum fuit, ut scriptione uterentur non solum nova et invisa sed etiam promptis investigatoribus et acutis coniectoribus inscrutabili. (Erstens muss es bei den Schreibern irgendein feststehendes, ganz bestimmtes [System] geben, wodurch der eine allein aus der schriftlichen Form erkennen kann, wovor der andere warnen, worum er bitten, was er mitteilen oder sonst sagen wollte; zweitens müssen sie eine Verschlüsselung verwenden, die nicht nur neu und bisher unbekannt ist, sondern auch von eifrigen Forschern und scharfsinnigen Tüftlern nicht entschlüsselt werden kann).

Die grundlegend neue (und vermutlich durch die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern inspirierte) Idee Albertis war, die monoalphabetische durch eine polyalphabetische Verschlüsselung zu ersetzen.12 Damit ist gemeint, dass man im Prozess der Verschlüsselung kein einheitliches Referenzalphabet verwendet (etwa das DEF-Alphabet wie oben), sondern das Referenzalphabet mehrmals wechselt. Man

10 Eingeführt durch den Liber Abaci des Leonardo da Pisa, genannt Fibonacci: vgl. Sigler 2002. 11 Alberti, Cifr. 2, p. 4, l. 27–29 Buonafalce. 12 Das Chiffriersystem ist in den Editionen bzw. Kommentaren und in der Sekundärliteratur bisher nur unvollständig und nicht mit allen Konsequenzen beschrieben worden; am besten ist es, wenn auch eher am Rande bzw. in einem Anhang, in dem umfangreichen Artikel von Galimberti 2010 dargestellt: Appendice I, 225–230. Demgegenüber bietet Saiber 2017, 21–48 (Galimberti 2010 ist nicht berücksichtigt) eine recht eigenwillige und spekulative Interpretation von De cyfris, indem sie unter anderem „the subtle autobiographical fingerprints that Alberti left among his calculations and words“ (9) entschlüsseln will. Zur Kryptographie (im hier verwendeten, engeren Sinn) trägt diese Studie nichts Neues bei.

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würde z. B. nach einer gewissen Anzahl von Buchstaben zu einem QRS-Alphabet, dann zu einem ILM-Alphabet usw. wechseln, so dass sich die Zahl der notwendigen Probiervorgänge jeweils verzwanzigfacht – allgemein ergeben sich für n Wechsel 20n Probierdurchläufe, was schon für wenige Wechsel zu einem händisch nicht mehr durchführbaren Aufwand führen würde. Für den Empfänger des Codes muss allerdings klar sein, wo und zu welchem Alphabet der Wechsel jeweils erfolgt: Dazu muss der codierte Text entsprechende Steuerbefehle (Marker) enthalten, die anzeigen, welches Alphabet jeweils angewendet werden soll.

Abb. 1 Chiffrierscheibe Albertis (nach: Buonafalce 1998, 29).

Um dies handhabbar zu machen, erfand Alberti13 eine Chiffrierscheibe (Abb. 1), die er formula nannte und die aus einem festen und einem beweglichen Buchstabenring (circulus stabilis bzw. mobilis) mit jeweils 24 Feldern (domicilia) besteht: Der äußere 13

Ob es Vorbilder gab, wird in der Sekundärliteratur diskutiert. Kahn 1980 z. B. nimmt an, Alberti sei durch die Buchstabenräder in Raimundus Lullus’ Ars magna angeregt worden. Hier geht es allerdings um kabbalistische Buchstabenspekulation in der Tradition des Sefer Yezirah, nicht um Verschlüsselung. Dass Alberti eine Verbindung von arab. ‫( صفر‬Null) zu hebr. ‫( ספר‬Buch) gesehen habe, nimmt Saiber 2017, 34 an, was jedoch etymologisch fraglich ist. Näher liegt eine Verbindung zur Zahlenarchitektur der Fassade von Santa Maria Novella in Florenz, die Alberti entworfen hatte: siehe dazu Williams/March 2010, 190–193, mit weiteren Belegen.

Passwort vergessen?

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Ring enthält die 20 Großbuchstaben des lateinischen Alphabets (ohne H, dafür mit Z) in der üblichen Reihenfolge sowie die Zahlzeichen 1 bis 4; der innere, bewegliche (und bei Bedarf austauschbare) Ring enthält 24 Zeichen (in Albertis Konstruktion die 23 Kleinbuchstaben a b c d e f g h i k l m n o p q r s t u x y z sowie das Zeichen &) in beliebiger, unsystematischer Reihenfolge.14 Sender und Empfänger müssen zwei identische Scheiben besitzen und sich jeweils verständigen, welchen beweglichen Buchstabenring sie benutzen. Außerdem benötigen Sie einen ‚Einstiegscode‘ (index oder clavis genannt), der anzeigt, mit welchem Referenzalphabet begonnen wird. Zudem muss der codierte Text, wie gesagt, Steuerzeichen enthalten, die einen Wechsel des Alphabets anzeigen.15 Hierzu legte Alberti zwei mögliche Alternativen vor; die erste lautet wie folgt: Prius de indice mobili. Sit verbi gratia inter nos constitutus index ex mobili tabella k. Statuam tabellam formulae uti quidem scribenti mihi libuerit, puta ut k ipsa statuta sub maiuscula B et sequens sub sequenti. Ad te igitur scribens primam omnium scribam B maiusculam sub qua indicem k in formula scripturus posuerim; id indicabit ut id quoque tu in provincia volens nostra legere, formulam quae apud te gemella est versionibus aptes usque sub B itidem sit index ipse k. Hinc demum caeterae omnes litterae minores in epistola inventae superiorum stabilium vim et sonos significabunt. Cum autem tres quottuorve dictiones exscripsero mutabo nostra in formula situm indicis versione circuli, ut sit index ipse k fortassis sub R. Ergo in epistola inscribam maiusculam R inde igitur k significabit non amplius B sed R et quae sequentur singulae superiorum stabilium novissima suscipient significata. Tu idem in provincia interlegendum admonitus inventa maiuscula eam scies nihil aliud importare ex se nisi ut moneat mobilis circuli situm atque indicis collocationem isthic esse immutatam. Ergo tu quoque sub ea indicem collocabis, eo pacto facillime cuncta perleges et perdisces. Quattuor vero illae mobiles litterae quae sub quattuor superioribus domiciliis numerabilibus adstiterint qualescumque illae quidem sint singulae per se nihil (ut aiunt) importabunt significati et pro nihil importantibus singulae adscribi poterunt.16 (Zunächst über den beweglichen Schlüssel. Unter uns sei z. B. aus der beweglichen Scheibe der Schlüssel k vereinbart. Ich stelle nun die Scheibe so, wie ich es als Schreiber will: Nimm an, k sei unter den Großbuchstaben B gestellt und der folgende unter den folgenden. Wenn ich dir schreibe, werde ich also als ersten von allen den Großbuchstaben B schreiben, unter den ich in der Chiffriermaschine den Schlüssel k eingestellt habe, bevor ich zu schreiben begann. Das bedeutet, dass auch du als Empfänger, wenn du unsere Nach-

14

Es wäre denkbar, mehrere Ringe mit unterschiedlichen Buchstabenfolgen anzufertigen – eine bei Alberti nicht erwogene Möglichkeit zur Erhöhung der Chiffriersicherheit. 15 Vgl. Alberti, Cifr. 13, p. 23, l. 6 – p. 24, l. 29 Buonafalce. Kahn 1980 denkt bei dem zu vereinbarenden Schlüssel an einen ‚automatischen‘ Wechsel des Alphabets: „A simple example is to set the disks at a prearranged position and then turn the inner one one space clockwise after enciphering each plain text letter.“ (124). Dies widerspricht jedoch der Methode Albertis, willkürliche Indexbuchstaben zu verwenden, und wäre dementsprechend kryptographisch unsicherer. 16 Alberti, Cifr. 14, p. 24, l. 32 – p. 25, l. 27 Buonafalce.

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richt lesen willst, die bei dir befindliche Zwillings-Chiffriermaschine durch Drehungen einstellst, bis sich unter B ebenfalls der Schlüssel k befindet. Von hier an werden dann alle übrigen in dem Brief befindlichen Kleinbuchstaben die Bedeutung bzw. den Lautwert der oberen festen Buchstaben bezeichnen. Wenn ich nun drei oder vier Wörter geschrieben habe, werde ich in unserer Chiffriermaschine die Stellung des Schlüssels durch Drehung der Scheibe so ändern, dass der Schlüssel k jetzt vielleicht unter R steht. Folglich werde ich in dem Brief nun den Großbuchstaben R schreiben, und von hier an wird k nicht länger B, sondern R bezeichnen, und die folgenden Buchstaben werden die neuen Bedeutungen der oberen Buchstaben annehmen. Du, der du als Empfänger dasselbe zwischen den Zeilen lesen sollst, wirst, wenn du einen Großbuchstaben findest, wissen, dass er für sich genommen keine andere Bedeutung trägt als dich zu informieren, dass die Stellung der beweglichen Scheibe und die Platzierung des Schlüssels an dieser Stelle geändert wurde. Also wirst auch du den Schlüssel unter diesen Buchstaben platzieren und so alles ganz leicht lesen bzw. entziffern können. Jene vier beweglichen Buchstaben aber, die unter den vier oberen Zahlenkästchen zu stehen gekommen sind, welche auch immer das sind, werden als einzelne von sich aus sozusagen keinerlei Bedeutung tragen und können daher einzeln als bedeutungslose Buchstaben eingestreut werden).

Der bewegliche Ring hat gegenüber dem feststehenden Ring beispielsweise folgende Buchstabenverteilung (diese variiert in den verschiedenen Handschriften; hier wird exempli gratia die Reihenfolge der Handschrift R2 benutzt):17 A B C D E F G

I

L M N O P Q R S T V X Z

b

z

u

k

x

i

h

c

n

r

y

p

a

g

q

l

d

f

t

1

2

3 4

s & m o e

Dabei steht der Indexbuchstabe k, wie in Kap. 14 dargelegt, zunächst auf B, wird dann aber (nach beliebiger Anzahl von Wörtern bzw. Buchstaben)18 auf R gestellt, so dass sich das Referenzalphabet wie folgt verschiebt:

17 18

Vgl. die Abbildung der formula (Abb. 1) sowie den Apparat bei Buonafalce 1998, 29. Aus Gründen der besseren Darstellbarkeit und zur einfacheren Nachvollziehbarkeit sind die Ringe im Fließtext hier jeweils linear in Tabellenform abgebildet. Es ist keineswegs so, wie Rizzardini 2011 es in seinem Beispiel „Le truppe si sono ritirate“ darstellt, dass es tatsächlich drei oder vier Wörter sein müssen: Alberti geht offensichtlich von längeren zu chiffrierenden Texten aus und nennt diesen Abstand für den Codewechsel nur beispielhalber („drei ODER vier Wörter“). Tatsächlich ist der Abstand völlig willkürlich und kann und sollte selbstverständlich nicht auf Wortgrenzen beschränkt sein. Eine ähnliche (unnötige) Annahme auch bei Saiber 2017 in dem Beispiel „Go to Rome at once“ (30); allerdings wird eingeräumt: „Alberti proposes that the index be changed every few words, or every word – and even, if you can imagine it, every letter“ (28).

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Passwort vergessen?

A B C D E F G

I

L M N O P Q R S T V X Z

1

2

3 4

p

t

s

z

u

r y

a

g

q

l

d

f

& m o

e

b

k

x

i

h

c

n

Ein weiterer Wechsel des Referenzalphabets könnte z. B. erfolgen, indem man den Index k nunmehr auf G stellt: A B C D E F G

I

L M N O P Q R S T V X Z

1

2

3 4

s

x

i

q

l

d

f

A B C D E F G

I

L M N O P Q R S T V X Z

1

2

3 4

z

q

l

i

h

c n

& m o

e

b

k

h

c

n

z

u

r

y

p

a

g

t

Und schließlich auf X: u

r

y

p

a

g

d

f

t

s

& m o

e

b

k

x

Dies kann beliebig fortgesetzt werden. Um nun die Methode praktisch zu demonstrieren, diene hier als Klartext der (inhaltlich nicht zufällig gewählte) Beginn von Ovids Metamorphosen (Doppelbuchstaben ausgelassen), wobei die willkürlichen Abtrennungen die Stellen für den Codewechsel angeben (explizit nicht die Wortgrenzen): INOVAFE|RTANIMVSMVT|ATASDICEREFOR|MASCORPORA

Der erste Abschnitt wird demnach mit k = B verschlüsselt, die weiteren dann mit k = R, k = G und k = X. Dadurch ergibt sich: BzypfbchRkipmt&hx&hiGspsyoxmerebnrXdzortmstmz

Diese Codierung, so kompliziert sie auch aussehen mag, hat freilich noch zwei entscheidende Nachteile: Erstens ist die Anzahl der Buchstaben von Klartext und Schlüsseltext (ohne Steuerbuchstaben) identisch, was eine klare Zuordnung ermöglicht und daher die Entschlüsselung vereinfacht. Dies lässt sich allerdings verschleiern, indem man, wie von Alberti im letzten Absatz angedeutet, die funktionslosen Buchstaben unterhalb der Zahlzeichen (litterae numerales) zufällig einstreut; bei der Decodierung lässt man sie dann einfach wegfallen, während sie ahnungslose Dechiffrierer verwirren. Der zweite Nachteil ist gravierender: Falls man die (eher selten gebrauchten) Großbuchstaben als Steuerbefehle erkennen sollte, ließe sich der Code durch Probieren leicht entschlüsseln: Man müsste nur für B alle 24 möglichen Zeichen ausprobieren und schauen, ob sich ein sinnvoller Klartext ergibt. Dem lässt sich entgegenwirken, wenn man die Zahl der Wechsel und damit die Zahl der Großbuchstaben so vermehrt, dass sie als Bestandteil des Textes erscheinen und nicht durch ihre Seltenheit auffallen. Trotzdem bleibt hier eine Schwachstelle, die Alberti offenbar erkannt und durch eine alternative Chiffriermethode zu beheben versucht hat:

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Caeterum altera illa indicis constitutio, quae fiat ex maiusculis, est ut constet inter nos ex maiuscularum ipsarum numero quaenam earum index sit; atque esto sit mihi tecum index constitutus B. Prima omnium in epistola quam ad te scribam erit littera ex minoribus quae libuerit, puta q; eam igitur conversione tabellarum in formula locabis sub ipsa indice B. Hinc fiet ut ipsa q significet sonetque B. Demum in caeteris sequemur scriptione, uti de superiori mobili diximus indice. Cum autem erit immutanda cifrae tabella et formulae habitus, tum inscribam loco in epistola unicam non plures ex litteris numeralibus, hoc est ex his quae sub numeris aderunt constitutae minoris quae significet puta 3 aut 4 et eiusmodi. Hancque ipsam inversione tabellarum substituam indici B constituto atque deinceps prout scribendi ratio postulabit, prosequar minuscolis litteris maiorum significata perscribens. Hic etiam quo magis atque magis scrutatores fallas, poteris cum amico constituere ad quem scripturus sis ut maiusculae interpositae (quae alioquin nullae interponentur) nihil importent et similia pleraque poteris quae longum et supervacuum est prosequi. Itaque cuiusque maiusculae sonos et vox quattuor (ut vides) et viginti formis litterarum poterit indicari et contra minuscularum quaeque litterarum viginti poterit maiorum significata et amplius quattuor numerales dicere indicis et circuli inversione et positione variata.19 (Weiterhin gilt für die erwähnte zweite Festlegung eines Schlüssels aus den Großbuchstaben, dass zwischen uns aus der Zahl der Großbuchstaben einer vereinbart wird, welcher der Schlüssel sein soll; es soll also zwischen mir und dir der Schlüssel B festgesetzt sein. Als erster von allen wird in dem Brief an dich ein beliebiger Kleinbuchstabe stehen, nimm an q. Diesen also wirst du durch Drehen der Scheiben der Chiffriermaschine direkt unter dem Schlüssel B platzieren. Von hier an wird q also B bedeuten. In den übrigen Dingen werden wir dann der Schreibung folgen, wie wir es oben über den beweglichen Schlüssel erläutert haben. Wenn aber die Scheibe der Verschlüsselung bzw. die Stellung der Chiffriermaschine geändert werden soll, werde ich an einer Stelle des Briefes einen – nicht mehrere! – der Zahlbuchstaben schreiben, d. h. einen von denen, die gerade unter den Zahlen stehen, und der z. B. drei oder vier und dergleichen bedeutet. Diesen Buchstaben werde ich durch Drehen der Scheiben unter dem festgelegten Schlüssel B einstellen und dann, wie es die Schreibmethode fordert, mit den Kleinbuchstaben fortfahren, indem ich die Bedeutung der Großbuchstaben durchgehend umsetze. Um die Dechriffrierer noch mehr zu täuschen, kannst du hier auch mit dem Freund, an den du schreibst, vereinbaren, dass eingestreute Großbuchstaben (die ja ansonsten nicht dazwischengesetzt werden) gar nichts bedeuten sollen. Du könntest auch noch mehrere ähnliche Dinge vereinbaren, die zu verfolgen zu langwierig und hier überflüssig ist. Auf diese Weise kann der Lautwert jedes beliebigen Großbuchstabens, wie du siehst, durch 24 verschiedene Kleinbuchstaben angezeigt werden; umgekehrt kann jeder Kleinbuchstabe die Bedeutung von zwanzig verschiedenen Großbuchstaben haben und darüber hinaus die vier Zahlbuchstaben bezeichnen, je nach Drehung des Schlüssels bzw. der Scheibe und je nach der Veränderung der Position). 19 Alberti, Cifr. 15, p. 25, l. 33 – p. 26, l. 26 Buonafalce.

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Passwort vergessen?

Es ist nicht ganz leicht, aus dem Text einen klaren Verschlüsselungsalgorithmus zu gewinnen, aber das Vorgehen ist ganz ähnlich wie in Kap. XIV, nur beginnt man jetzt mit einem Kleinbuchstaben (z. B. q) für B: A B C D E F G

I

g

& m

q

l

d

f

t

s

L M N O P Q R S T V X Z o

e

b

k

x

i

h

c

n

z

u

1

2

3 4

r

y p a

Der Wechsel wird nicht mehr durch einen Großbuchstaben, sondern durch die Verwendung eines ‚Numeralbuchstabens‘, also eines unter den Ziffern befindlichen Kleinbuchstabens, angezeigt, z. B. y: A B C D E F G

I

L M N O P Q R S T V X Z

1

2

3 4

r

d

f

c

n

z u

y

p

a

g

q

l

t

s

& m o

e

b

k

x

i

h

Zwei weitere Wechsel durch entsprechende Numeralbuchstaben: zunächst c, dann x: A B C D E F G

I

L M N O P Q R S T V X Z

1

2

3 4

h

p

a

b

k

x

2

3 4

& m o

e b

c

n

z

u

r

y

g

q

l

d

f

t

s & m o

A B C D E F G I

L

M N O P Q R S

k

r

y

x

i

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Es ist nicht nötig, für den Wechsel des Alphabets ein eigenes ‚Passwort‘ zu bestimmen (also hier q-y-c-x), da sich durch die Numeralbuchstaben der neue Indexbuchstabe jeweils direkt ablesen lässt. Im Gegenteil wäre es unsicherer, ein bedeutungstragendes Wort (z. B. f-e-l-i-x) zu verwenden.20 Der codierte Text lautet jetzt: q&ebngtfyekrsdtxbtxkch&hszpnuturltxykdialgalk

Er enthält nur noch Kleinbuchstaben und gibt keinerlei Hinweise mehr auf Steuerbefehle, dürfte also ohne Kenntnis der Chiffrierscheibe nicht zu entschlüsseln sein. Zur weiteren Verwirrung der Dechriffrierer könnte man, wie Alberti anregt, noch an beliebigen Stellen Großbuchstaben (die nichts bedeuten) „oder ähnliche Dinge“ einfügen, z. B. weitere Sonderzeichen, griechische Buchstaben, Satzzeichen oder anderes.21 Alberti führt dies nicht weiter aus (longum et supervacuum est prosequi), es ist aber ganz wesentlich und für eine hinreichende Festigkeit des Codes geradezu unverzichtbar. Es 20 21

So in dem Beispiel von Saiber 2017, 30. Solche und andere Schritte zur Erhöhung der Codesicherheit werden in der Sekundärliteratur nicht mehr weiter verfolgt; auch Galimberti 2010 macht hier keine Ausnahme.

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Reinhold F. Glei

seien also beispielsweise die Großbuchstaben aus unserem eingangs chiffrierten Cae­ sar-Satz willkürlich eingebaut: Lq&DeOObngtNDfyekHrsXdARtxbtxPQkNchX&GhszNBNpnuXtuDNrQlStxDykd VAHiaXlgAValHkX

Für Dechiffrierer ist nicht ersichtlich, dass die Großbuchstaben ‚Leerbuchstaben‘ und nur die Kleinbuchstaben Träger der Botschaft sind (natürlich könnte man diese Relation auch umkehren); eine zusätzliche Irreführung besteht darin, dass die Großbuchstaben ebenfalls einen (hier nicht relevanten) Klartext ergeben,22 der (wegen der monoalphabetischen Methode) relativ leicht entschlüsselt werden kann und so eine erfolgreiche Dechiffrierung vortäuscht. Aus kryptographischer Sicht entscheidend ist der Besitz der Chiffrierscheibe: Nur mit ihrer Hilfe lassen sich Text-, Leer- und Steuerbuchstaben voneinander unterscheiden, und der Klartext kann anschließend durch überschaubar viele (maximal 24), also notfalls händisch durchführbare Probiervorgänge entschlüsselt werden. Zur Absicherung könnte man den Code, d. h. den inneren Chiffrierring, häufiger ändern, was allerdings wiederum eine sichere Übermittlung der Änderung durch einen zweiten Codekanal erfordern würde – fast ein circulus vitiosus. Angenommen man wüsste zwar, dass die Alberti’sche Chiffriermethode angewendet wurde, kennte aber die Chiffrierscheibe selbst bzw. die Buchstabenreihenfolge des beweglichen Rings nicht, erhöht sich die Zahl der notwendigen Probiervorgänge um den Faktor 24! (≈ 6,2 × 1023). Diese Zahl ist so groß, dass die Entschlüsselung selbst mit heutigen Quantencomputern der Größenordnung von mehreren Hundert oder sogar über Tausend Petaflops23 noch viele Jahre bis Jahrzehnte in Anspruch nehmen würde, 22

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Der vermeintliche Klartext Gallia est omnis divisa in partes tres hat mit dem eigentlich verschlüsselten Text In nova fert animus mutatas dicere formas corpora ja gar nichts zu tun und ist nur zufällig gewählt worden. Überhaupt ist die Entschlüsselung mit der Ermittlung des Klartextes u. U. noch nicht zu Ende. Er kann z. B. in einer seltenen Sprache abgefasst sein, die gar nicht als Klartext erkennbar ist: Wer wüsste schon, dass xerybyretaiporangeteguyrajubacoce kein chiffrierte Buchstabenfolge, sondern ein Klartext-Satz in der Tupí-Sprache ist („Meine jüngeren Brüder sind schöner als ein gelber Vogel“)? Zusätzlich kann der Klartext orakelhaft verschlüsselt (wie in obigem Beispiel) oder nur für ‚Eingeweihte‘ verständlich sein („Konxompax“). Der Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt. Die Einheit ‚Flops‘ gibt die Zahl der (Grund-)Rechenoperationen pro Sekunde an („Floating Point Operations per Second“). Der Rekord bei Quantencomputern liegt momentan (Stand Juni 2022) bei ca. 1102 Petaflops (= 1,102 × 1018 Flops). Legt man den Ersatz eines Buchstabens durch einen anderen als Äquivalent für eine einfache Rechenoperation zugrunde, dürfte ein einzelner Durchlauf des codierten Textes mit einem von 24! möglichen Alphabeten mit jeweils 24 möglichen Indizes daher das 24fache der Buchstabenzahl des Textes, in unserem Fall also 24 × 77 = 1848 Rechenoperationen ausmachen. Bei Ausschluss der Leer- oder Tarnbuchstaben verbleiben noch 24 × 41 = 984, also rund 103 Rechenoperationen. Die Gesamtzahl der anzusetzenden Flops ist daher rund 6,1 × 1026. Der heute stärkste Supercomputer ‚Frontier‘ würde dafür mehr als 5,5 × 108 Sekunden, also über 17,7 Jahre, benötigen. Der zweitstärkste Computer ‚Fugaku‘ ist deutlich langsamer (442 Petaflops) und würde über 44,5 Jahre rechnen müssen.

Passwort vergessen?

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von einer Beurteilung der Sinnhaftigkeit des Klartextes einmal ganz zu schweigen. Ist die Chiffriermethode gänzlich unbekannt, gibt es keine Chance auf Entschlüsselung. Literaturverzeichnis Buonafalce 1994: Augusto Buonafalce, Alessandro Zaccagnini (ed./trans.): Leon Battista Alberti, Dello scrivere in cifra, Turin 1994 (nur Lesetext und Übersetzung). Buonafalce 1998: Augusto Buonafalce (ed.): Leonis Baptistae Alberti De componendis cyfris, edizione critica a cura di Augusto Buonafalce, Turin 1998 (kritische Ausgabe mit Apparat). Furno 2000: Martine Furno (trans.): Leon Battista Alberti, Sur la cryptographie: Traduit du Latin, in: Francesco Furlan et al. (ed.): Leon Battista Alberti: Actes du Congrès International de Paris, 10–15 avril 1995, vol. 2, Turin-Paris 2000, 705–725. Galimberti 2010: Niccolò Galimberti: Il De componendis cyfris di Leon Battista Alberti tra crittologia e tipografia, in: Subiaco, la culla della stampa. Atti dei Convegni Abbazia di Santa Scolastica 2006–2007, Roma 2010, 167–240. Kahn 1980: David Kahn: On the Origin of Polyalphabetic Substitution, in: Isis 71, 1980, 122–127 (reprint in Kahn 1983, 56–61). Kahn 1983: David Kahn: Kahn on Codes. Secrets of the New Cryptology, New York 1983. Meister 1906: Aloys Meister: Die Geheimschrift im Dienste der Päpstlichen Kurie von ihren Anfängen bis zum Ende des XVI. Jahrhunderts, Paderborn 1906. Rizzardini 2011: Massimo Rizzardini: L’arte occulta di cifra: la crittografia moderna di Leon Battista Alberti, in: InKoj. Interlingvistikaj Kajeroj 2.1, 2011, 1–25 (in Italienisch und Esperanto). Saiber 2017: Arielle Saiber: Measured Words. Computation and Writing in Renaissance Italy, Toronto 2017. Williams/March 2010: Kim Williams, Lionel March (trans./com.): Leon Battista Alberti, De componendis cifris, in: The Mathematical Works of Leon Battista Alberti, Basel 2010, 169–200. Ycart 2012: Bernard Ycart: Alberti’s letter counts, in: Literary and Linguistic Computing 29.2, 2014, 255–265.

Risere Naiades. Oder: der frühe Antiklassizismus in Leon Battista Albertis Intercenales Snezana Rajic Es mag auf den ersten Blick überraschen, was ein Aufsatz über den frühen Antiklassizismus in Albertis Intercenales in einem Sammelband verloren hat, der ansonsten den künstlerisch-technischen Schriften unseres Autors, in erster Linie natürlich De pictura, gewidmet ist. Auf den zweiten Blick erweist sich seine Inklusion jedoch als durchaus passend, ist schließlich der bedeutende Einfluss, den die klassisch-antike Rhetoriktheorie Ciceros und Quintilians auf De pictura ausübte, bekannt und gezeigt worden.1 Doch obwohl der Einfluss ciceronischer Gedanken sowie Albertis große Wertschätzung für den antiken Meister der Rhetorik auch in seinem übrigen Werk geradezu allgegenwärtig sind,2 wäre es eine grobe Fehleinschätzung, den Titel des „apostolo del ciceronianismo“, den Remigio Sabbadini einst Albertis Lehrer Gasparino Barzizza verlieh,3 auf Alberti selbst zu übertragen. Denn seine eingehende Auseinandersetzung mit den ciceronischen Schriften, insbesondere mit den erst 1421 von Gerardo Landriani in Lodi gefundenen und von Cosma Raimondi, Flavio Biondo und Gasparino Barzizza selbst aufgearbeiteten Werken De oratore und Orator, die zuvor nur in Teilen bekannt waren, und Brutus, der erstmals entdeckt wurde, führte Alberti dagegen zu einer differenziert-kritischen Betrachtungsweise des sich langsam entwickelnden strengen ciceronianischen Stilideals.4 Diese differenziert-kritische Betrachtungsweise zeigt sich in den sechs erhaltenen Proömien seiner Intercenales, einer lukianisch-satirischen Sammlung von Kurzprosastücken aus den 1430er und

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Bätschmann 2017. McLaughlin 2007. Bezeichnenderweise enthalten drei der fünf Manuskripte, die Alberti zugeordnet werden können, Werke Ciceros, nämlich De legibus, De senectute, De amicitia, Paradoxa, Brutus (Cardini 2005, 395–406). Sabbadini 1885, 13. Zu Barzizza und seiner Bedeutung für die Entwicklung des Ciceronianismus außerdem: Zielinski 1912, 181–182; Mercer 1979; Pigman 1981 (hierin allerdings eine höchst kritische Einschätzung zu Mercer 1979); ders. 1982 und McLaughlin 1995, 103–106. McLaughlin 2007; ders. 2009, bes. 74 und 94.

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frühen 1440er Jahren,5 in typisch albertianischer Manier sowohl auf explizite als auch auf implizite Weise. Sie soll im Rahmen dieses Aufsatzes nachgezeichnet sowie mit den im späteren 15. Jahrhundert beginnenden Ciceronianismus-Debatten in Beziehung gesetzt werden. *** Beginnen wir am Anfang. Das dem ersten Buch der Intercenales vorangestellte Proömium (Int. 1 pr.), mithin das Gesamtproömium,6 ist an den Humanisten Paolo Toscanelli adressiert. Neben dem gattungstypischen Appell, Toscanelli möge das Büchlein lesen und verbessern (11) und einer Zusammenfassung der einzelnen Texte in diesem ersten Buch (5–10) enthält es außerdem die Grundlegung von Albertis poetologischer Konzeption: die Erklärung der Funktion seines literarischen Werks (3–4): Tu quidem, ut ceteri physici, Paule mi suavissime, amaras et que usque nauseam moveant egrotis corporibus medicinas exhibes; ego vero his meis scriptis genus levandi morbos animi affero, quod per risum atque hilaritatem suscipiatur. Ac meis quidem omnibus Intercenalibus id potissimum a me videri quesitum cupio, ut qui legerint nos cum facetos fuisse sentiant, tum sibi ad graves curas animi levandas argumenta apud nos non inepta inveniant. (Du, mein liebster Paolo, magst kranken Körpern Arzneien verabreichen, die so bitter sind, dass sie sogar Übelkeit erregen, doch ich biete mit dieser Schrift einen Weg an, die Krankheiten des Geistes zu erleichtern, der in Lachen und Heiterkeit besteht. Und ich wünsche mir ganz gewiss, dass man in allen meinen Intercenales sieht, dass ich mich am meisten darum bemüht habe, dass meine Leser meinen scharfsinnigen Witz kennenlernen und ganz besonders auch darum, dass sie bei mir Inhalte vorfinden, die nicht ungeeignet sind, die drückenden Sorgen ihrer Seele zu erleichtern.)

Alberti beginnt die Darlegung seines poetologischen Manifests also bei ihrem Fundament.7 Der Grund und die Rechtfertigung der Existenz seiner Intercenales, das sine qua non und der bedeutendste Maßstab ihrer Beurteilung ist ihre Funktion. Diese ist eine altbekannte8 und zweierlei: Nutzen in Form von philosophischem Trost und moralischer Belehrung (genus levandi morbos animi; ad graves curas animi levandas argu5 6 7 8

Die von mir benutzte Textgrundlage befindet sich in Cardini 2010, 223–817; ebd., 194–200 Überlegungen zur Datierung. Zur in der Antike beginnenden Konvention, den Widmungsträger des ersten Stücks einer Sammlung als den Widmungsträger des gesamten Werkes zu betrachten s. Fantham 1998, 59; Schmitzer 2003, 509 sowie Citroni 2012, 422. „Considerati nel loro insieme, i proemi-dedica constituiscono una complessiva prefazione alle Intercenales, una sorta di manifesto di poetica“ (Pittaluga 2010, 140). Altbekannt in erster Linie durch Horaz (Sat. 1,1,23–26; Ars 333–334 und 343–344) und Phaedrus (1,3–4).

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menta […] non inepta) sowie Unterhaltung in Form von Heiterkeit und Witz (risum atque hilaritatem; facetos). Eine von diesem Paar unterschiedene dritte Funktion, die ebenfalls immer wieder in den Proömien Erwähnung findet, ist Albertis Wunsch nach Anerkennung für seine gelehrte und gelungene schriftstellerische Leistung (id potissimum a me videri quesitum cupio, ut qui legerint nos […] sentiant, tum […] apud nos non inepta inveniant). Die Wahl Toscanellis als Empfänger der Gesamtwidmung lässt sich dadurch erklären, dass er nicht nur mit Alberti befreundet war und wie dieser ein großes Interesse und Talent für die Naturwissenschaften hatte,9 sondern dass er zudem durch seine Tätigkeit als Arzt Alberti die passende Gelegenheit bot, die ebenfalls altbekannte Krankheitsmetaphorik10 in die Einleitung seiner Intercenales einfließen zu lassen und auf diese Weise die durch die horazische Doppelfunktion begonnene Leserlenkung, seinen Text in einem satirisch-philosophischen Licht zu interpretieren, weiter zu verstärken. Das Proömium zum zweiten Buch (Int. 2 pr.) richtet sich dagegen nicht an einen befreundeten „Wissenschaftsenthusiasten“, sondern an keinen geringeren als Leonardo Bruni, einen der maßgebenden humanistischen Autoren des 15. Jahrhunderts. Wie alle Proömien außer dem Gesamtproömium lässt Alberti auch dieses mit einer originellen Fabel beginnen. Sie handelt davon, dass Pan, um sich einen Spaß zu machen, auf einem Markt drei Flöten zum Verkauf anbietet (1). Während die am kunstvollsten gearbeitete und mit Edelsteinen verzierte Flöte aus Elfenbein jedoch keinerlei Ton hervorbringen kann und die ebenfalls raffiniert geschnitzte und ausstaffierte Flöte aus Zitrusholz nur ein erbärmliches Krächzen, ertönt aus der dritten Flöte ein klarer und heiterer Klang, obwohl sie nur eine kindliche und völlig schlichte Rohrflöte aus Schilf ist. Dieser Qualität des Klanges – und nicht dem Wert des Materials und der Kunstfertigkeit seiner Zusammenstellung – ist auch der Preis der Flöten angepasst, die von der ersten bis zur dritten immer teurer werden (2–4). Im zweiten Teil des Proömiums erklärt Alberti seine Fabel (5–7): Quas tu me fistulas, si affuissem, earum trium censes appetisse? Neque enim omnes tibi sumus similes, qui ad ingenii doctrine divitias summam quoque vim et copiam eloquentie adcumularas. Et hi quidem sumus, qui antiquius ad laudem ducimus posse vel ipsos rusticos in triviis ad saltum et festivitatem puerili hoc nostro et inelimato dicendi genere movere, quam infinitis ornamentis comparandis per silentium consenescere. Quod etsi fortassis fit his nostris intercenalibus, ut aures multitudinis offendantur, non tamen est cur nolim hoc pacto potius dicendo quam tacendo id eniti, ut me docti, tuque in primis hac etate litterarum princeps, Leonarde, studiosum esse intelligas atque idcirco vehementius diligas.

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Mahn-Lot 1986. Zur Krankheitsmetaphorik in der römischen Satire: Kivistö 2009. Vgl. dazu die ebenso bekannte und relevante Stelle bei Lukrez 1,936–942 (Marsh 1987, 225 Anm. 3; Cardini 2010, 224 Anm. 3b).

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(Was denkst du, welche dieser drei Flöten ich begehrt hätte, wäre ich dort gewesen? Denn wir sind nicht alle wie du, der du auf den Schatz deiner Bildung und deines Talents auch noch die größtmögliche Kraft und Fülle deiner Redekunst häufen konntest. Und ich gehöre ja auch zu denen, die es für lobenswürdiger halten, mit einem kindlichen und unbearbeiteten Redestil wie dem meinen sogar die Einfaltspinsel auf der Straße zu Tanz und Fröhlichkeit bewegen zu können, als bei der Zusammenstellung von unendlich vielen Redefiguren schweigend alt zu werden. Doch auch falls ich mit meinen Intercenales die Ohren der Menge beleidigen sollte, ist dies dennoch kein Grund, wieso ich mich nicht auf diese Art und Weise eher durch Sprechen als durch Schweigen darum bemühen sollte, dass die Gelehrten und allen voran du, Leonardo, der Erste in der Literatur unserer Zeit, erkennen, dass ich bemüht und produktiv bin, und mich daher umso mehr schätzen.)

Durch die Wiederholung ähnlichen Vokabulars (rudes, nulla manu expolite vs. puerili […] et inelimato) und der Dichotomie dicendo-tacendo greift Alberti die Flöten der Fabel auf und identifiziert sein eigenes literarisches Schaffen mit der dritten Flöte. Sein Stil sei zwar jugendlich-unerfahren, unausgefeilt (puerili hoc nostro et inelimato dicendi genere) und im Gegensatz zur Elfenbeinflöte nicht eines Gottes würdig (quas profecto ipse deum rex posset, dignitate servata, inflare; 2), ihm fehlen also die ornamenta, mit denen die anderen Flöten, d. h. die Schriften anderer Autoren, geschmückt seien und das könne möglicherweise die Ohren der Menge beleidigen (aures multitudinis offendantur), die den Klang rhetorischen Wortgeklimpers gewöhnt sei, doch solange seine Schriften ihre Funktion erfüllen, ihre LeserInnen fröhlicher zu machen (posse vel ipsos rusticos in triviis ad saltum et festivitatem […] movere), sei dies immer noch deutlich besser, als beim Sammeln von Zitaten und Stilfiguren schweigend alt zu werden (infinitis ornamentis comparandis per silentium consenescere). Der Grundlegung der Funktionen seiner Intercenales im ersten Proömium lässt Alberti in diesem zweiten Proömium also eine Apologie seines Stils folgen. Bereits hier erfahren wir seine tiefe Skepsis gegenüber dem Primat der Form in der Literatur. Die Vorstellung, auf der ewigen Suche nach dem perfekten Stil aus Furcht vor einer nicht ausreichend geschmückten und würdig klingenden Rede letztlich gar kein Wort herauszubringen und unproduktiv zu bleiben, scheint Alberti völlig fremd zu sein.11 Solange, so sein Fazit, der Text seine im ersten Proömium dargelegte grundlegende Funktion erfülle, das Leben der LeserInnen in irgendeiner Weise zu verbessern, sei der Stil völlig zweitrangig. Auch die dritte Funktion taucht hier wieder auf, wenn er gegen Ende des Proömiums auf seine Hoffnung hinweist, sich durch seine literarischen Bemühungen die Anerkennung Brunis zu verschaffen (Int. 2 pr. 7–10). Er heuchelt dies zwar durchaus nicht 11

Dieser sammelnde, aber unproduktive Typus Humanist wird in den Intercenales auch in der Figur des Libripeta karikiert (Int. 1,1: Scriptor, Int. 1,3: Religio, Int. 2,1: Oraculum, Int. 4,1: Somnium, Int. 4,4: Fama).

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bloß vor, wenn er mit Aussagen wie Et hi quidem sumus, qui antiquius ad laudem ducimus […], quam infinitis ornamentis comparandis per silentium consenescere (6) und Namque, ut Sostratum ad Arrium philosophum dixisse ferunt, „docti“ quidem „doctos servabunt, si docti erunt“, ita et studiosus studiosum diliget, si erit studiosus (8) Bruni selbst zitiert und sich so als Leser seiner Werke offenbart,12 doch lässt sein teils übertrieben wirkendes Lob wie his artibus, quibus tu omnium approbatione et consensu cunctos exsuperas (9) dennoch darauf schließen, dass Alberti weder ein „apostolo del ciceronianismo“ noch ein „apostolo del brunianismo“ war.13 Dieser Eindruck erhärtet sich, wenn man in Betracht zieht, dass Alberti dieses Proömium, das von anspielungsträchtigen Begrifflichkeiten der Marktmetaphorik geprägt (divitias; summam; copiam; adcumularas) und einem Buch vorangestellt ist, das auf satirische Weise den richtigen Umgang mit Geld, Geiz und Verschwendung behandelt, gerade an Bruni richtet, dem trotz seines großen Reichtums der Ruf vorauseilte, geizig zu sein.14 Diese Spitze gegen Brunis finanzielle Gepflogenheiten begegnet uns auch in Albertis Erklärung seiner Flöten-Fabel. Denn hinter seiner Selbstidentifikation mit der dritten Flöte und seiner expliziten, als Ausdruck der Bescheidenheit formulierten Distanzierung von Brunis Talenten (Neque enim omnes tibi sumus similes, qui ad ingenii doctrine divitias summam quoque vim et copiam eloquentie adcumularas), versteckt sich der unausgesprochene Schluss, dass Bruni selbst gerade mit der luxuriösen Elfenbeinflöte zu identifizieren sei. Doch wie schon zuvor beim ersten Proömium ist auch die Wahl dieses zweiten Widmungsträgers aus einem doppelten Grund motiviert. Die Identifikation Brunis mit der Elfenbeinflöte stellt nämlich nicht nur eine versteckte Anspielung auf seinen Reichtum und Geiz dar, sondern lenkt die Aufmerksamkeit der LeserInnen vor 12

13 14

Zum zweiten Zitat: Marsh 1987, 232 Anm. 4 sowie ders. 1999, 133–135. Auf beide Zitate weist Cardini in 2007, 236–237 Anm. 32 und 2010, 253 Anm. 8 hin. Boschetto 2021, 160 fügt zudem an, dass auch die Verwendung von Flöten in der Fabel eine Anspielung auf Brunis Übersetzung der ps.-aristotelischen Ökonomik sein könnte, die dort als Beispiel für Produkte verwendet werden, die von unterschiedlichen Personen gebaut und benutzt werden. Cardini 2007, 231–237; ders. 2010, 252; Boschetto 2021, 159–162. So drückte beispielsweise Poggio Bracciolini in einem Brief an Niccolò Niccoli seine Sorge darüber aus, Bruni könnte es ihm übelnehmen, dass er ihm sein Werk De avaritia gewidmet hatte, und zwar aufgrund genau dieses Rufes (Epist. Nic. 85, Harth 1984; s. auch Boschetto 2021, 161). Auch Arlotto Mainardi „Piovano“, ein Facetienschreiber des 15. Jahrhunderts, ließ sich Brunis Geiz als Gelegenheit für eine Geschichte nicht entgehen. In dieser lässt er Brunis Seele nach dessen Tod nicht nur passenderweise durstig sein, sondern auch den zu Lebzeiten an den Tag gelegten Geiz bereuen: Oh me misero! Pensate come io istò. Io me ne vo, e non so dove io mi abbia ancora a essere giudicato, perché io non sono ancora ito dinanzi al giudice. Triemo, aghiaccio, ardo, né so ancora chi è che mi abbi a giudicare: forte dubito del fatto mio, perché io so che vita io ho tenuto, e massime del peccato della avarizia, ché per acumulare roba e danari ho fatto ogni tristo contratto, ho durato assai fatica e mai non mi trassi una voglia e lascio ricchi i figliuoli miei e sa Iddio quanto la terranno. Fatevi con Dio, Piovano mio, rimanete in pace, godete, datevi buon tempo e non fate come ho fatto io (Fac. 30, Folena 1995). Das zur Legende gewordene Laster des großen Humanisten findet sich auch noch in den Elogia veris clarorum imaginibus apposita des Paolo Giovio aus dem Jahr 1546, also über 100 Jahre nach Brunis Tod, wo Giovio in seiner Bruni-Vita auf Arlotto rekurriert, um seinen Geiz zu thematisieren (8v).

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allem auch auf eine weitere Gemeinsamkeit der beiden: das üppige Vorhandensein von ornamenta. Bruni mag angesichts seines umfangreichen literarischen Werkes die Stummheit der Flöte nicht teilen, doch kann man mit Sicherheit beiden einen gewissen Stolz auf ihren äußeren (Rede-) Schmuck attestieren, denn während Bruni zwar nicht offen die These eines strengen stilistischen Ciceronianismus vertrat und sich neben den klassisch ciceronischen (Reden, Dialog, Brief) auch höchst erfolgreich an anderen Literaturgattungen (Historiographie, Biographie) versuchte, steht dennoch außer Frage, dass er mit seinem Lob Ciceros in seiner aussagekräftig betitelten Schrift Cicero novus und in noch größerem Ausmaß mit der Qualität des klassischen Lateins seiner Reden, das dem Ciceros deutlich näher kam als alle anderen frühneuzeitlichen Versuche bis dahin, wesentlich dazu beitrug, der Durchsetzung dieses Stlideals den Boden zu ebnen.15 Bruni selbst mag kein Ciceronianer gewesen sein, doch er hatte den eleganten, ciceronischen Periodenstil so gut gemeistert, dass er von seinen Zeitgenossen und späteren Humanisten als zweiter Cicero wahrgenommen und betitelt wurde16 – insbesondere in diesem zweiten Proömium von Alberti selbst, der, indem er Bruni als hac etate litterarum princeps (7) bezeichnet, denjenigen Titel auf ihn umlegt, den dieser selbst in seinem bereits erwähnten Cicero novus schon am Ende der einleitenden Widmung an Cicero verliehen hatte.17 Somit widmet Alberti die Apologie seines unverschnörkelten und auf brevitas ausgelegten Stils,18 dessen Bedeutung er einerseits deutlich der Erfüllung des prodesse et delectare unterordnet und andererseits vom gut durchdachten, gefeilten und mit Redefiguren geschmückten Stil Ciceros absetzt, dem führenden Vertreter des ciceronianischen Stils seiner Zeit. Dabei geht es Alberti jedoch keineswegs darum, diesen Stil in Gänze herabzuwürdigen, sondern darum, über deren Wortführer die gesamte Gruppe entsprechend geneigter Autoren anzusprechen, sie vor allzu großer Form-Besessenheit zu warnen und zur Offenheit für andere Stilideale und dem Zusammenhalt unter den Gelehren aufzufordern. 15 16 17

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McLaughlin 1995, 81–97; Witt 2000, 392–443. S. auch Zielinski 1912, 181 und Fantazzi 2014, 143. So etwa von Antonio da Rho und sogar seinem Rivalen Alonso da Cartagena (McLaughlin 1995, 96) sowie später von Erasmus von Rotterdam – nicht sarkastisch gemeint – in seinem Ciceronianus (Witt 2000, 344 Anm. 16). Dort sagt er: Hortamur autem et provocamus omnes, qui ingenue eruditi elegantius et probabilius de iisdem rebus scribere poterunt, ut parenti et principi litterarum nostrarum suum quisque scribendi studium certatim exhibeat (Viti 1996, 418). S. dazu außerdem Anm. 56. Im Übrigen empfand nicht nur Alberti, sondern auch der bereits zitierte Arlotto Mainardi neben Brunis Geiz dessen Nähe zu Cicero als besonders zentral: Può egli esser questo, che in questa morte voi abbiate lasciato, secondo che è opinione di molti, tante possessioni e case cha ascendono alla somma di ducati ventimila e tra libri, masserizie e gioie e veste di valimento di più che .xxv. mila e di ducati contanti più che .xxx. mila? Dove è la sapienzia, la scienzia, la dottrina, le eloquenzia delle lettere greche e latine? Dove è il modo del dir ciceroniano il quale illustrava tutto il mondo? Può egli essere che la Fama e queste tante Muse vi abbandonino, le quali tutte vi obbedivano, e che voi ve ne andiate ora in tanta calamità? (Fac. 30, Folena 1995). McLaughlin 1995, 150–157; ders. 2007, 200–207; ders. 2009, 78–79, 165–166; Grayson 1998b.

Risere Naiades. Oder: der frühe Antiklassizismus in Leon Battista Albertis Intercenales

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Da der erste Text des dritten Intercenales-Buches kein personal adressiertes Proömium ist wie die bisher besprochenen, sondern eher ein einleitender Text proömialer Funktion,19 der zudem kaum auf poetologische Fragen eingeht,20 werden wir an dieser Stelle gleich zum Proömium des vierten Buches (Int. 4 pr.) weitergehen, das im Aufbau den Proömien an Toscanelli und Bruni gleicht.21 Der Adressat dieses Proömiums ist ein weiterer bedeutender Humanist des Quattrocento: Poggio Bracciolini. Dessen witzig-derben Werken entsprechend ist auch die einleitende Fabel, die Alberti hier an Poggio richtet, polemischer und offener als das sich auf versteckte Spitzen und Anspielungen beschränkende Proömium an Bruni. Im Zuge dieser Fabel berichtet Alberti das Gespräch einer Gruppe junger Kühe, die am sumpfigen, schlammigen Ufer eines Flusses grasen, mit einer Ziege, die sich inmitten einer Tempelruine auf einem hohen, schroffen Felsen niedergelassen hat (1). Die Kühe tadeln die Ziege für ihre Verwegenheit, sich in solch unwegsame Höhen begeben zu haben und dort zwischen Gestrüpp und Geröll nach bitteren Wildfeigen zu suchen, anstatt das saftige und süße Gras der leicht zugänglichen Ebene zu fressen wie sie selbst (2–3). Die Ziege zeigt sich allerdings wenig beeindruckt: Die Kühe als mollipedes (4) verachten ihre schwer zugänglichen Wildfeigen nur, weil sie sie selbst nicht erreichen können und sie, die Ziege, verachte wiederum aus dem Grund die sumpfige Grasebene der Kühe, weil sie jedem noch so faulen Getier offenstehe (4–5). Im Anschluss interpretiert Alberti die Fabel wieder, indem er wenig überraschend seine Situation mit der der Ziege vergleicht (7–8; 11): Equidem, mi Poggi, hoc ipsum nobis, dum his conscribendis intercenalibus occupamur, evenire plane sentio: ut sint plerique qui nos cupiant uberioribus et commodioribus in campis eloquentie ali et depasci; atque iidem, quod difficillimis istis et non illiusmodi inventionibus delectemur, que succo vulgatioris eloquentie et bonis fortune sint refertiores, vituperant. […] At nos rara hec delectant, que inter lautiores cenas ditiorum quam me esse profitear scriptorum, veluti in pulmento subamare interdum herbe, sint non reiicienda. (Und in der Tat ist es für mich ganz offensichtlich, mein lieber Poggio, dass genau dasselbe mir widerfährt, während ich mich mit der Abfassung der Intercenales beschäftige, nämlich dass es sehr viele gibt, die gerne hätten, dass ich mich von den üppigeren und gelegeneren

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Cardini 2010, 302. Es wird jedoch am Anfang (Nam nos qui legerit cum delectabitur picture varietate artificisque ingenio, tum se ad vitam cum ratione degendam aliqua apud nos adinvenisse grata et amena, ni fallor, congratulabitur; 4) und am Ende (His picturis, ni fallimur, aliquid voluptatis et ad bene beateque vivendum admonimenti attulimus. Id pro instituto et sententia nostra assecuti sumus, maximum atque expectatissimum omniumque gratissimum lucubrationis nostre premium excepimus. O studiosi, favete!; Int. 3,1,34) die Doppelfunktion sowie der Wunsch nach Anerkennung aus dem Proömium zum ersten Buch wiederholt. Ausführliche Interpretationen zu diesem Proömium zum vierten Buch finden sich in Prandi 2010 und Wulfram 2021. S. auch Cardini 2010, 326 und Pittaluga 2010, 146–148.

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Feldern der Redekunst verpflege und ernähre, und dass dieselben mich daher kritisieren, weil ich mich an jenen schwierigeren Themenfindungen erfreue und nicht an solchen, die voll von dem Saft gewöhnlicher Redekunst und finanziellen Vergütungen sind. […] Doch mich erfreuen genau diese ungewöhnlichen Dinge, die man unter der feineren Kost jener Autoren, die, wie ich zugeben muss, reichhaltiger sind als ich, wie zuweilen ein etwas bitteres Kraut in einer Speise nicht verweigern sollte.)

Wie die Ziege aufgrund von Neid dafür kritisiert werde, die ihr artgerechte Nahrung zu suchen, die nun einmal nur an schwer erreichbaren Stellen zu finden sei, sei auch Alberti selbst auf Kritik gestoßen, während er sich, seinem natürlichen Instinkt und Talent folgend, im Rahmen der Intercenales an der Behandlung von Themen und Stoffen versuchte, die normalerweise nicht von der breiten Masse behandelt werden. Damit eröffnet er uns nach den Funktionen seiner Intercenales und der Apologie seines Stils als dritten zentralen Aspekt seiner Poetologie die Apologie seiner Inhalte. Wie schon im Proömium an Bruni in Bezug auf seinen Stil ist auch hier in Bezug auf seine behandelten Themen das definiens die Absetzung vom literarischen mainstream, der hier von den Kühen dargestellt wird. Ihr literarisches Schaffen bewegt sich gemächlich und bequem in gut zugänglichen und gut ausgetretenen Pfaden, die zu universeller Anerkennung und finanziellem Erfolg führen (que succo vulgatioris eloquentie et bonis fortune sint refertiores). An dieser Stelle versteckt sich ein interessanter Rückbezug auf Leonardo Bruni. Nicht nur lässt die Erwähnung der finanziellen Vergütung bestimmter literarischer Gattungen und Stile an Brunis finanziellen Erfolg zurückdenken, sondern auch die Kühe selbst, denn die Rinderrasse der Chianine, mit deren Fleisch die bereits im Quattrocento beliebte Bistecca alla fiorentina zubereitet wurde, stammte wie Bruni selbst aus Arezzo, worauf Hartmut Wulfram uns zuletzt in seiner reichhaltigen Analyse des Proömiums aufmerksam machte.22 Nicht nur fügt sich diese kulinarische Anspielung nahtlos in die übrige Speisemetaphorik des Proömiums ein (uberioribus et commodioribus in campis eloquentie ali et depasci; succo vulgatioris eloquentie; nos rara hec delectant, que inter lautiores cenas ditiorum quam me esse profitear scriptorum, veluti in pulmento subamare interdum herbe, sint non reiicienda), sondern es ist genau diese Einstellung der Kühe, die bestimmte klassisch-traditionelle literarische Inhalte und Gattungen und auch einen bestimmten klassisch-traditionellen literarischen Stil von der Ziege (und allen anderen Autoren) erwarten, die Pans Witz im Proömium zum zweiten Buch erst möglich machen. Nur weil die „Herde“, angeführt von ihrem „Büffelfürsten“23 Bruni, klassisch-ciceronianischen Redeschmuck gewöhnt ist und für das einzig relevante Merkmal von Qualität hält, wirkt der immer höher steigende Preis der immer billiger werdenden Flöten paradox. Alberti distanziert sich nachdrücklich von

22 Wulfram 2021, 234. 23 Ebd.

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der als langweilig und konservativ empfundenen Gruppe „klassizistischer Kühe“. Sein Talent und Interesse begünstigen innovative, kreative und ungewöhnliche Inhalte wie die lukianisch inspirierten Kurzprosastücke, die die LeserInnen in jenem Moment der Lektüre in Händen halten (huiusmodi varias et rarissimas inventiones; 12). Auch dieses Proömium ist an einen großen Cicero-Anhänger des Quattrocento adressiert – eine Erinnerung an die etwas später erschienenen scharfen und leidenschaftlichen Invektiven gegen Lorenzo Valla, der es wagte, die Alleinherrschaft Ciceros über den idealen Stil anzuzweifeln, möge hier genügen.24 Passenderweise richtet Alberti allerdings seine Reflexionen zum klassisch-ciceronianischen Stil an Bruni, der als Meister eben dieses Stiles galt, und nicht an Poggio, der trotz seiner Beteuerungen, er hätte seinen Stil Cicero zu verdanken, doch viel deutlicher einen individuellen Stil hatte.25 Obwohl allerdings dieses Proömium nicht nur einem Verehrer Ciceros wie Bruni, sondern einem wilden Verteidiger desselben gewidmet und deutlich polemischer ist als das davor, ist es auch hier noch Albertis erklärtes Ziel, nicht die „saftigeren Felder der Eloquenz“ selbst en bloc zurückzuweisen, sondern wiederum vor Starrheit und Arroganz zu warnen und für Inklusion und Zusammenhalt zu plädieren: At nos rara hec delectant, que inter lautiores cenas ditiorum quam me esse profitear scriptorum, veluti in pulmento subamare interdum herbe, sint non reiicienda – oder um noch einmal die Worte Hartmut Wulframs zu bemühen: Es kann „keine ‚Avantgarde‘ ohne ‚Garde‘ geben.“26 Diese Stelle in unserer Reise durch Albertis Proömien bietet sich für einen kleinen Exkurs an. Zum einen, da die Bücher 5 und 6 der Intercenales leider eine Lücke in unserer Überlieferung bilden (oder nie fertig zusammengestellt wurden), zum anderen, da uns mit dem Proömium zum siebten Buch der Höhepunkt der albertianischen Poetologie bevorsteht, und zum dritten, da die beiden zu untersuchenden Textstellen bei der erwünschten linearen Lektüre der Intercenales nach dem eben besprochenen Proömium im vierten Buch gelesen werden sollen. In ihnen dürfen sich die LeserInnen an einer satirischen Veranschaulichung der in den Proömien theoretisch vorgebrachten Überlegungen Albertis zur Poetologie erfreuen. Die erste Textstelle stammt aus Corolle (Int. 4,2).27 Dort findet sich die personifizierte Laus mit ihrer Anstandsdame Invidia auf einem Platz ein, um Kränze an würdige Kandidaten zu verteilen. Die ersten beiden Anwärter, die auftauchen, sind ein poeta und ein rhetor. Als Laus den poeta dazu auffordert, ein Distichon zu dichten, um einen Kranz zu erlangen (15), bringt dieser einen an Frankensteins Monster erinnernden Cento-Vers aus Vergils Aeneis hervor (arma virum galeeque, sed non moriemur inulte; 18), der zudem

24 25 26 27

McLaughlin 1995, 126–146; Robert 2011, 11–12. S. auch Zielinski 1912, 178. McLaughlin 1995, 126–131; Witt 2000, 344–345; Fantazzi 2014, 143–144. Wulfram 2021, 226 Anm. 19. Dieser Textstelle widmete zuletzt auch McLaughlin 2021 eine detaillierte und kurzweilige Analyse.

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metrisch fehlerhaft ist und keinen Sinn ergibt.28 Laus und Invidia bleibt nichts weiter übrig als Sarkasmus: Sie applaudieren und versprechen ihm einen Kranz, wenn er einen zweiten Vers anhänge, woraufhin der poeta verspricht, nach einer Nacht in der Bibliothek 100 Verse zu schreiben, und verschwindet (19–21). Als nächstes spricht Invidia den rhetor an (23), der bereitwillig und unbeeindruckt von ihren Zwischenbemerkungen eine von diversen Stilfiguren durchzogene Rede darüber zu verhören gibt, dass er aufgrund seiner Tugend und Bildung eines Kranzes nicht unwürdig sei (25–31). Doch diese erste Rede ist nichts gegen die, die er auf die Aufforderung nach einer Begründung von sich gibt (34–44): ein über 200 Wörter langer verbaler Erguss sondergleichen, der so vor Redundanzen, Parenthesen, Asyndeta, Exkursen, Superlativen, Beteuerungen, Pathetik und Satzabbrüchen strotzt, dass es den HörerInnen sowohl außerhalb als auch innerhalb des Textes bloß noch in den Ohren klingelt und dass Laus lediglich ausrufen kann o mi homo, traderem quidem volens ac lubens, sed non corolle nostre tuum hoc pregrande et tumidum caput belle incingerent! (45) – ganz davon zu schweigen, dass der rhetor es geschafft hätte, irgendeinen wiederholbaren Inhalt zu vermitteln. Der direkt auf Corolle folgende Text ist Cynicus (Int. 4,3). Hier sind Merkur und Phoebus mit der Hilfe einer bloß als Cynicus bezeichneten Person (Etruscum illum philosophum […], cuius opera iam deperdite littere reviviscunt; 10) damit beschäftigt, die Seelen unlängst verstorbener Menschen in veränderter Form zurück auf die Erde zu schicken. Aus Gründen der Effizienz teilen sie die Seelen dabei in „Berufsgruppen“. Als die poete an der Reihe sind, empört sich Phoebus zunächst darüber, dass sie in ihren Schriften die Ehre der Götter beschmutzt hätten (66), doch Cynicus klärt ihn sogleich darüber auf, dass diese Gruppe von Dichtern gar nicht talentiert genug dafür sei, die potentiell gottbeleidigenden Geschichten der antiken Dichter angemessen zu imitieren, sondern ihr Dichtertum beschränke sich lediglich darauf, a veteribus auctoribus versiculos unos itemque alteros deflorare, um sich danach sogar als Übertreffer der antiken Autoren zu feiern (67). Diesem Vokabular entsprechend empfiehlt Cynicus als neue Form der Dichter den Schmetterling (68). Die eigentliche Spitze dieser Abrechnung mit den poete bleibt allerdings unausgesprochen, denn während Schmetterlinge zwar dafür bekannt sind, von Blüte zu Blüte zu fliegen, sind sie für eines nicht bekannt: aus Blütenstaub Honig zu machen, wie das die klassische Metaphorik der literarischen Schöpfung durch kreative Aneignung in Form des Bienengleichnisses erklärt.29 Die poete verbleiben also auch in ihrem neuen Leben Insekten, die bloß schon Vorhandenes sammeln, nicht aber selbst Neues produzieren. Als LeserIn des vierten Buches der Intercenales kommt man an dieser Stelle nicht umhin, sich an den poeta aus dem direkt vorangehenden Stück Corolle zu erinnern, dessen jämmerlicher, aber nichtsdestotrotz stolz vorgetragener Vers haargenau dieser Beschreibung der Dichter entspricht.

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Marsh 1987, 243 Anm. 5; Cardini 2010, 337 Anm. 18b. Von Stackelberg 1956.

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Während es nun den poete in Cynicus versagt bleibt, zu Bienen zu werden, ist dies genau die Form, die Cynicus für die auf die poete folgenden rhetores vorsieht (Int. 4,3,69– 73). Dies allerdings nicht wegen ihrer vermeintlichen Kreativität, sondern aus einem anderen Grund: Denn noch bevor sie zu einer argumentativen Rede ansetzen können, die zweifellos mindestens das Ausmaß der Rede des rhetor in Corolle erreicht hätte, werden sie kurzerhand von Cynicus unterbrochen und zu den Tieren verwandelt, deren unaufhörliches, monotones und inhaltsleeres Summen ihren lautlichen Äußerungen in ihrem alten Leben entspricht, wie die LeserInnen der Rede des rhetor in Corolle zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bereits aus eigener Erfahrung bestätigen können. Rückwirkend erscheint also Invidias Wortwahl in ihrer Frage an den rhetor, ob er nicht zusammen mit dem Dichterling von dannen fliegen wolle – Tuque, pallidule, an non cum illo incompto et impexo quicum adveneras abvolas? (Int. 4,2,22) – durchaus wie ein Vorzeichen auf das ihnen bevorstehende Schicksal. Was Cynicus den poete und rhetores im gleichnamigen Text vorwirft, können die LeserInnen also durch ihre vorangehende Lektüre von Corolle sehr gut nachvollziehen. Was die beiden Texte ebenfalls gut für die LeserInnen veranschaulichen, sind die literarischen Gewohnheiten, von denen sich Alberti in den Proömien zum ersten, zweiten und vierten Intercenales-Buch distanziert hatte: die Gewohnheiten, frei von individueller Kreativität und Innovation nur das wiederzukäuen (!), was die klassisch-antike Tradition vermeintlicherweise als verbindlich vorgibt, gleichzeitig nichts Anderes als das als gute Literatur durchgehen zu lassen und sich vor lauter Fixierung und Stolz auf diese klassizistische Einstellung gar nicht bewusst zu sein, dass das von ihr produzierte (wiedergekäute) Ergebnis unter Umständen jeglichen Inhalts und somit Nutzens für die RezipientInnen entbehrt, dadurch die Grundfunktion von Literatur nicht erfüllt und sich im Grunde genommen seine eigene Existenzberechtigung entzieht. Wenden wir uns nach diesem unterhaltsamen Intermezzo nun dem Proömium zum siebenten Buch zu, in dem Alberti seine Gedanken zum Klassizismus am deutlichsten zu Papier bringt (Int. 7 pr.). Wie schon gesagt, sind die Bücher 5 und 6 der Intercenales nicht geschrieben worden oder erhalten geblieben. Aus diesem Grund kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob Alberti seiner poetologischen Trias Funktion-Stil-Inhalt noch weitere Aspekte in den Proömien dieser Bücher hinzufügte. In jedem Fall findet irgendwo nach dem vierten Buch eine Fokusverschiebung in den Proömien statt, denn die verbleibenden drei zu den Büchern 7, 8 und 10 entfalten nicht mehr Albertis persönliche Poetologie, sondern wenden sich gänzlich seinen Autorenkollegen und dem zeitgenössischen Literaturbetrieb zu. Dementsprechend sind die Proömien zu den Büchern 8 und 10 auch nicht mehr an einzelne Humanisten adressiert, sondern die studiosi im Allgemeinen.30 Das Proömium zu Buch 7 nimmt eine interessante Zwischenposition ein, denn der Form nach spricht es einen einzelnen Adressaten an, der

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Wie auch schon das Proömium zum dritten Buch (Int. 3,1,34).

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als fama auctoritateque inter litteratos princeps (Int. 7 pr. 25) bezeichnet wird, doch an den beiden Stellen, wo der Name desjenigen stehen sollte (12; 25), finden sich in der Handschrift bloß sechs Punkte.31 Auch das Proömium zum siebenten Buch beginnt mit einer originellen Fabel. Alberti erzählt, dass einige Faune und Satyrn sich in den Mond verlieben. Doch trotz ihrer unablässigen Bitten, länger zu verweilen und sich in Gänze zu zeigen, bleibt der Mond stur und macht sich einen Spaß daraus, sich nur als Sichel zu zeigen oder hinter Wolken zu verbergen (Int. 7 pr. 1–2). Die sich verschmäht und blamiert fühlenden Waldgötter beschließen daraufhin, sich durch Gewalt und List zu verschaffen, was ihnen die Bezeugungen ihrer Gunst und ihres Wohlwollens nicht verschaffen konnten (4), spannen daher Netze und Fallen quer durch den ganzen Wald, aus dem der Mond üblicherweise aufgeht und gehen dann schlafen (4–6). Als sie jedoch am nächsten Tag sehen, dass alle ihre Gerätschaften leer und unberührt sind, sammeln sie borniert und grimmig noch mehr Netze, finden sich am nächsten Abend auf ihren zugeteilten Posten ein und machen sich daran, den Mond selbst einzufangen, der alacri vultu et veluti ludibunda (8) wieder aufgeht, als sei nichts gewesen (7–9). Doch schon bald glaubt jeder, den Mond an einer anderen Stelle entwischen zu sehen, und sie beginnen, einander zurufend, den Flüchtigen wenn nötig auch mit dem Schwert aufzuhalten, die ganze Nacht kopflos durch den Wald zu jagen. Trotz ihrer besten und wildesten Bemühungen versinkt die Operation in Chaos und am Ende bleibt ihnen nichts außer leeren Netzen, einer raugebrüllten Stimme und dem Lachen der Najaden, die dieses kuriose Schauspiel beobachtet hatten und meinem Aufsatz zu seinem Titel verhalfen (10–11).32 Im zweiten Teil des Proömiums vergleicht Alberti die zeitgenössischen Autoren mit den Faunen und Satyrn der Fabel und formuliert eine zweigeteilte Kritik. Zum einen seien sie faul und überheblich: Sobald sie mit der Redekunst in Berührung kämen, hätten sie sofort die Hoffnung, die bedeutendsten Redner aller Zeiten zu werden, wie die Faune und Satyrn, die sich in den Mond verlieben und diesen dann sofort besitzen wollen, obwohl er so weit entfernt ist (12). Und wie die Faune und Satyrn schon nach kurzer Zeit die Geduld verlieren und versuchen, den Mond durch List und Gewalt einzufangen, merken auch die angehenden Literaten schnell, dass ihr Ziel nicht so einfach zu erreichen ist, wie sie denken, und in jedem Fall nicht dadurch, dass sie bloß den Wunsch danach ausdrücken, weswegen sie nach Abkürzungen suchen und in der Hoffnung, quasi ohne eigene Anstrengung über Nacht deren Stil aufzusaugen, alle möglichen Bücher lesen, anstatt ihren Stil durch aktive und hartnäckige Übung zu verbessern (13). Doch obwohl sie es sich auf ihrem Weg zur Eloquenz leicht machen, glaube gleichzeitig jeder von ihnen, einen besseren Weg gefunden zu haben als die 31 32

Marsh 1987, 249 Anm. 7. Cardini 2010, 377 Anm. 11b zufolge verwechselte Alberti hier die Najaden mit den topographisch besser passenden Dryaden oder Hamadryaden.

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anderen und dem Ziel näher zu sein als sie. Wie die Faune und Satyrn, die bei ihrem Versuch, den Mond einzufangen, ständig den anderen die Schuld am Entkommen desselben geben und nie sich selbst, verbringen auch die angehenden Redner ihre ganze Zeit damit, die anderen angehenden Redner zu kritisieren und zu tadeln, anstatt sich selbst kritisch zu bewerten (14). Das hätte zur Folge, dass die zeitgenössischen Autoren am Ende wie die Faune und Satyrn heiser und zerstritten, jedoch immer noch ohne rhetorische Fähigkeiten dastehen (15–16): Denique rauci omnes sumus hac etate oratores, ut perpaucos in eorum numero qui sese eruditos haberi velint offendas, quem sine risu et stomacho possis contionantem audire: ita omnes qui suggesta conscenderint, non orare, sed quasvis ineptias, que dicendo assequi possint, verbis, vultu, voce et omni gestu conari exprimere videntur. (Und nun sind alle Redner unserer Zeit heiser, sodass man unter denjenigen, die gerne als gebildet gelten wollen, kaum jemanden findet, dem man bei seiner Rede zuhören kann ohne in Gelächter auszubrechen oder schlechte Laune zu bekommen. Ebenso scheinen alle, die die Rednertribüne besteigen, nicht eine Rede zu halten, sondern sich die größte Mühe zu geben, jede beliebige Blödsinnigkeit, die sie in die Form eines Vortrags fassen können, mit Worten, Mimik, Stimme und jeder nur denkbaren Fuchtelei herauszupressen.)

Man mag bei dieser Beschreibung an die Aufführung des rhetor in Corolle zurückdenken. Der zweite Teil von Albertis Kritik betrifft ebenfalls die ständige gegenseitige Verleumdung der Literaten. Die Maßstäbe ihrer Kritik seien viel zu hoch (Int. 7 pr. 17–18): In aliorumque scriptis pensitandis ita sumus plerique ad unum omnes fastidiosi, ut ea Ciceronis velimus eloquentie respondere, ac si superiori etate omnes qui approbati fuere scriptores eosdem fuisse Cicerones statuant. Inepti! unum habuit rerum natura Ciceronem, in quo quicquid posset ad eloquentie gloriam et palmam coniecerit; qui tamen etate isthac nostra tantam inter invidorum copiam tantamque inter doctorum et librorum inopiam si versetur, profecto dediscat loqui. (Beim Beurteilen der Schriften anderer ist jeder einzelne von uns so verächtlich und anspruchsvoll, dass er verlangt, dass sie der Redekunst Ciceros entsprechen, als hätten alle Autoren der vergangenen Zeitalter, die für gut befunden wurden, behauptet, sie seien wie Cicero gewesen. Dummköpfe! Die Natur hat nur einen Cicero, in den sie alles, was sie in Hinsicht auf Ruhm und Ehre in der Redekunst aufbringen konnte, übertrug. Und dennoch: Lebte er in diesen Zeiten unter einem solchen Übermaß an Neidern und einem solchen Mangel an wahrhaft Gebildeten und Büchern – selbst er fände keine Worte mehr.)

Außerdem seien die Maßstäbe ihrer Kritik auch noch völlig subjektiv und arbiträr (19–21):

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Et utinam recto aliquo constantique iudicio, dum alios vituperant, uterentur! si nemo ferme est a quo doctior discedas, ex suoque quisque sensu non ex re ipsa, ut par esset, aliorum scripta reprobat, studiosorumque nemo est cui certa et non reliquorum iudiciis repugnans sententia adsit. Alios enim nihil nisi coturnatum ampulosumque delectat; alii quicquid accuratius editum promitur, durum id et asperum deputant; alii flosculos et lautitiem tantum verborum rotundosque periodos lectitando libant et olfaciunt: pauci vim ingenii artisque modum et rationem in scriptore animadvertunt. (Träfen sie doch wenigstens irgendein sachgemäßes und gleichbleibendes Urteil in ihrer Kritik! Wenn es niemanden gibt, von dem man gebildeter gehen könnte als man gekommen war, verurteilt jeder die Schriften der anderen nach seinem eigenen Gutdünken und nicht aufgrund der Sache selbst, wie es angemessen wäre, und unter den Gelehrten gibt es niemanden, der eine feststehende Auffassung hätte, die zudem nicht den Urteilen der anderen widerspräche. Denn die einen erfreuen sich an nichts anderem als an Erhabenem und Bombastischem, die anderen sind überzeugt davon, dass alles, was nicht erst nach äußerst gründlicher und sorgfältiger Bearbeitung herausgegeben wurde, roh und rau sei, wieder andere goutieren und achten bei der Lektüre nur auf blumige Sentenzen und die Feinheit der Wörter und abgerundete Perioden. Wenige beachten bei einem Autor die Größe seines Talents und die Art und Methode seiner Kunst.)

Ein ernüchterndes Fazit. Zum Ende des Proömiums fasst Alberti seine Kritikpunkte noch einmal zusammen (Int. 7 pr. 22–24): At enim varia res est eloquentia, ut ipse interdum sibi Cicero perdissimilis sit. Magna itidem res dicere apte et luculenter, maiorque atque excelsior quam ut possis, nisi divino pre aliis pervoles ingenio, non dico apprehendere, sed ne propius ad eam quidem accedere; quod ipsum veterum quoque perpauci potuere; tamen omnes lectitantur et in delitiis habentur. Ea de re illos ego hac etate haudquaquam esse aspernandos reor, qui aliquid in medium, qualecumque illud sit, afferant, quod quota ex parte nos delectet. (Aber die Redekunst ist doch eine mannigfaltige Sache, sodass sogar Cicero selbst sich bisweilen völlig unähnlich war. Ebenso ist es eine beträchtliche Sache, angemessen und gehörig sprechen zu können und bei weitem zu schwierig als dass es jemandem, der nicht durch ein geradezu gottgleiches Talent über alle anderen hinwegfliegt, gelingen könnte, auch nur nahe daran heranzukommen, geschweige denn es zu meistern. Das haben auch von den Alten nur sehr wenige geschafft. Dennoch werden sie eifrig gelesen und finden größtes Wohlgefallen. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass man auch jene Autoren unserer Zeit, die etwas, welcher Art auch immer, zum Gemeingut beitragen, auf gar keinen Fall zurückweisen sollte, solange es uns auch nur eine winzige Freude spendet.)

Aus diesen Ausführungen zieht Alberti den Schluss, der uns mittlerweile gut bekannt ist: Die Gelehrten sollten sich nicht auf einen bestimmten kanonischen Stil oder bestimmte kanonische Gattungen versteifen und sie sollten einander vor allem nicht

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ständig mit unrealistisch hohen und subjektiven Maßstäben belästigen, sondern offen sein für alle literarischen Leistungen, mag das Talent dahinter auch nicht dem eines Cicero gleichen, sofern sie – ich verweise wieder auf das grundlegende Proömium zum ersten Buch – es vermögen, den LeserInnen auch nur eine kleine Freude zu verschaffen. Alberti entkräftet das sich langsam herauskristallisierende Stilideal des Ciceronianismus jedoch nicht nur auf theoretisch-argumentative Weise – dieser Maßstab sei zu hoch und seine Einhaltung nicht notwendig, um nützliche Literatur zu erzeugen –, also von außen, sondern er packt das Konzept sozusagen an der Wurzel und widerlegt es von innen. Er erklärt es mit seinen eigenen Waffen für ungültig, indem er seine Argumentation auf dem Idol der Ciceronianer selbst fußen lässt: Cicero.33 Beginnend mit dem ersten Satz nach der Fabel zitiert Alberti regelmäßig Cicero selbst, um die Ciceronianer zurechtzuweisen. So bezieht sich sein erstes Zitat, tinctum litteris (Int. 7 pr. 12), das er aus De oratore übernimmt,34 bei Alberti auf die angehenden Redner, die sofort den Gipfel der Redekunst erreicht haben möchten, obwohl sie ihre Beschäftigung damit gerade erst begonnen haben. Auch die entsprechende Stelle bei Cicero behandelt die Auswahl von Schülern für die Ausbildung zum Redner: Quare ego tibi oratorem sic iam instituam, si potuero, ut quid efficere possit ante perspiciam. sit enim mihi tinctus litteris, audierit aliquid, legerit, ista ipsa praecepta acceperit; temptabo, quid deceat, quid voce, quid viribus, quid spiritu, quid lingua efficere possit (De orat. 2,85).35 Die Phrase beschreibt also sowohl bei Alberti als auch bei Cicero bloße Anfänger in der Kunst der Rhetorik, sie ist die bloße Bedingung dafür, dass eine weitere Unterweisung und Übung überhaupt sinnvoll erscheint; die Adepten bei Alberti wollen dagegen diesen Teil überspringen und sofort in den Olymp aufsteigen. Interessant ist zudem, dass auch Cicero betont, dass nicht nur die vielversprechenden Kandidaten ermutigt und unterstützt werden sollen, sondern dass man die mediocris oratores auch nicht abschrecken und es ihnen schwer machen solle. Dieser Gedanke entspricht der milden Offenheit, die auch Alberti in seinen Proömien stets propagiert. Cicero zufolge sei lediglich den potentiellen Rhetorik-Schülern, die pflegen zu clamare contra quam deceat et quam possit (De orat. 2,86), von ihren Plänen in der Redekunst abzuraten, da sie nur erreichen würden, ihre eigene Dummheit zu demonstrieren – und sich dabei, in Albertis Worten, heiser zu brüllen. Hinter Albertis scheinbar unauffälliger Phrase tinctum litteris steckt also die in Ciceros eigenen Worten formulierte Ermahnung an die Möchtegern-Ciceronianer, sich korrekt in eine dieser drei Gruppen ihres Meisters einzuordnen, sich bewusst zu

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Denselben Weg, den Ciceronianismus durch Cicero selbst zu widerlegen, schlugen auch spätere Anti-Ciceronianer ein, beispielsweise Angelo Poliziano (McLaughlin 1995, 196), Gianfrancesco Pico della Mirandola (Robert 2011, 21; DellaNeva 2015, 367–373) oder Erasmus von Rotterdam (Robert 2011, 28–29). Marsh 1987, 249 Anm. 8; Cardini 2010, 378 Anm. 12a. Meine Textgrundlage für Ciceros De oratore befindet sich in Kumaniecki 1969.

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sein, dass es auf dem Weg zur Eloquenz keine Abkürzungen gebe, und die anderen angehenden Redner nicht anzugreifen und auszuschließen, nur weil sie ihr Talent für geringer halten als ihr eigenes. Ein wenig später zitiert Alberti mit dediscat loqui (Int. 7 pr. 18) wieder Cicero, diesmal Brutus.36 Alberti beschreibt damit die imaginierte Reaktion Ciceros auf den zeitgenössischen Literaturbetrieb, der, überspitzt formuliert, von krakeelenden Halbwissern geprägt sei, die einander im Streit darüber an die Gurgel gehen, wer den besseren ciceronianischen Stil beherrsche, obwohl keiner von ihnen über einen nennenswerten Stil verfüge und sie sich auch in der Definition desselben keineswegs einig seien – inepti, wie Alberti sagt, die nicht einmal genau wissen, worüber sie streiten, ihre Meinung darüber aber dennoch mit empörter und stolzgeschwellter Brust kundtun. Bei Cicero verlernt die Redekunst gar selbst das Sprechen, weil sie sich in einem ähnlich barbarischen Umfeld wiederfindet: Nam ut semel e Piraeo eloquentia evecta est, omnis peragravit insulas atque ita peregrinata tota Asia est, ut se externis oblineret moribus omnemque illam salubritatem Atticae dictionis et quasi sanitatem perderet ac loqui paene dedisceret (Brut. 51).37 Auch daran gemahnt Alberti die Möchtegern-Ciceronianer also in Ciceros eigenen Worten, die Redekunst nicht durch ihre unwürdigen, von Neid und Unwissen geprägten Invektiven letztlich völlig zum Verstummen zu bringen. Das letzte und bedeutendste Zitat hebt sich Alberti für den Schluss auf: sibi Cicero perdissimilis sit (22) spielt auf die folgende Brutus-Stelle an:38 Longius autem procedens ut in ceteris eloquentiae partibus, tum maxume in celeritate et continuatione verborum adhaerescens, sui dissimilior videbatur fieri cotidie (Brut. 320). Cicero bezieht sich hier darauf, dass sich der Redestil des Hortensius mit zunehmendem Alter veränderte. Im Hintergrund steht aber, wie Martin McLaughlin in seinen aufschlussreichen Studien im Detail herausarbeitete,39 der Gedanke, dass der Stil eines Redners nicht ein für alle Mal in Stein gemeißelt sei, sondern sich erstens im Laufe seiner Entwicklung verändern und zweitens je nach konkretem Anlass der Rede unterschiedlich ausfallen könne. Dieser Gedanke ist für Alberti zentral – es gebe „den einen“ ciceronianischen Stil gar nicht, den viele seiner Zeitgenossen nachahmen wollten, es handle sich um ein Artefakt, ein Phantom. Die Regeln, die die frühen Anhänger des Ciceronianismus aufstellen wollten, seien so streng, dass sogar Cicero selbst sie nicht in jedem seiner Texte erfüllt hätte, was das ganze Projekt ad absurdum führe. Es dürfte zudem kein Zufall sein, dass Alberti als Protagonisten seiner Fabel Faune und Satyrn auswählte. Es ist zwar wahr, dass ihr frivoles Wesen ihre verliebte Beses-

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Cardini 2010, 379 Anm. 19a. Meine Textgrundlage für Ciceros Brutus befindet sich in Malcovati 1965. Cardini 2010, 380 Anm. 22 führt als Quelle Leg. 1,10–11 und Brut. 314 und 316 an, McLaughlin 2007, 187–191 mehrere Stellen aus verschiedenen Werken Ciceros, die auf das Zitat von Brut. 320 hinauslaufen. McLaughlin 2007, bes. 187–191; ders. 2009, 90–92.

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senheit vom Mond plausibel erscheinen lässt,40 doch rufen die wilden Waldgeister den LeserInnen auch den Protagonisten des Proömiums zum zweiten Buch ins Gedächtnis, den Gott Pan, der bekanntlich in denselben Gefilden wie Faune und Satyrn sein Unwesen treibt.41 Auf diese Weise findet sich auch in diesem Proömium wieder ein Rückbezug auf Leonardo Bruni, der ja, wie schon beschrieben, als führender Vertreter des ciceronianischen Stils im frühen Quattrocento eine eminente Bedeutung für Albertis Reflexionen über dieses Thema hatte. Es wurde in der Vergangenheit daher auch vorgeschlagen, dass Bruni der mysteriöse fehlende Adressat dieses Proömiums gewesen sein soll, da sich die Ansprachen im zweiten Proömium als hac etate litterarum princeps (Int. 2 pr. 7) und in diesem Proömium als fama auctoritateque inter litteratos princeps (Int. 7 pr. 25) ähneln.42 Eine sichere Antwort auf diese Frage lässt sich vermutlich nicht finden; ein thematisch passender Adressat wäre Bruni aber in jedem Fall.43 Das vorletzte uns erhaltene Proömium, das Proömium zum achten Buch, greift wieder das Thema der unablässigen gegenseitigen Kritik unter Albertis Autorenkollegen auf. Die eingängliche Fabel berichtet von einem Streit zwischen einer Zikade und einem Frosch darüber, wer von den beiden besser singen könne. Vor einer Krähe als Richter bringen sie jeweils ihre Anklagen vor (Int. 8 pr. 1). Der Frosch beschuldigt die Zikade dabei der Monotonie – nulla didicisse uti varietate, nullos nosse afferre novos canendi modos, nullas mutare conversiones, nullas vocum inflexiones obire – und meint, es sei eine Zumutung, der permanenten Wiederholung desselben Liedes mit ihrer schrillen und penetranten Stimme zuzuhören (2). Die Zikade antwortet darauf mit dem Vorwurf der Inkompetenz: Ihre Stimme sei zwar hoch und dünn, aber im Gegensatz zu der des Frosches distinkt und klar erkennbar. Indem dieser sich in vielen verschiedenen Stilen versuche, ohne sich in einem bestimmten als besonders talentiert hervorzutun, sei sein Gesang nicht mehr als ein mittelmäßiges und nichtssagendes Gequake. Zudem sei ihr ganzer Körperbau auf Gesang ausgerichtet und ihre Stimme daher ungezwungen, während der Frosch vor lauter Anstrengung erst sein ganzes Gesicht grotesk aufblasen müsse, um einen Ton herauszubekommen (3–7). Als die petulce et

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Cardini 2010, 377 Anm. 1a. Vgl. auch die prägnanten ersten Worte der beiden Proömien: Pan, deus Arcadie (Int. 2 pr. 1) und Fauni et Satyri plerique (Int. 7 pr. 1). Grayson 1998b, 96 Anm. 10; Marsh 1987, 249 Anm. 7. Ein deutlicher Gegner dieser Theorie ist Cardini 2010, 378 Anm. 12 und 25, der bestreitet, dass Alberti eine solche „sfottitura del genere“ gerade an denjenigen gerichtet hätte, der erstmals seit Jahrhunderten den ciceronianischen Stil beherrschte. Ohne die Frage beantworten zu wollen, welchen Adressaten Alberti nun wirklich einsetzen wollte – falls er sich überhaupt schon entschieden hatte –, muss man m. E. darauf erwidern, dass Bruni gerade aufgrund eben dieser stilistischen Kompetenz ein passender Adressat für dieses Proömium gewesen wäre, denn Alberti kritisiert nicht in erster Linie einen mangelhaft beherrschten ciceronianischen Stil, sondern vor allem eine Fixierung auf denselben und je höher die Kompetenz, desto höher vermutlich auch aufgrund von äußerer Anerkennung das Risiko, sich darauf zu versteifen.

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garrule bestiole ihre Schmähungen beenden und die Krähe bedrängen, ein Verdikt zu sprechen, vertröstet diese sie onomatopoetisch auf die Nachwelt: cras cras (10). Alberti hält die üblicherweise auf die Fabel folgende Interpretation in diesem Fall höchst knapp und dies aus gutem Grund, wie er selbst anmerkt (11). Er bietet den LeserInnen lediglich einen Satz der Erklärung an: Tantum non preteribo, o invidi: posteritas de nobis quid sentiat, libere iudicabit. Nos demum inter nos garrire desinamus (12). Der Streit zwischen der Zikade und dem Frosch, die möglicherweise die zugespitzten Extrempole von ingenium und ars darstellen – durch das Vorhandensein von ingenium, d. h. in diesem Fall von einem von Natur aus geeignetem Körperbau, ist der Gesang der Zikade ungezwungen und klar, aber durch das Fehlen von ars ungefeilt und einseitig; dagegen ist der Gesang des Frosches durch seine Aneignung und Anwendung verschiedener artes abwechslungsreich, aber durch das Fehlen von ingenium, also wiederum einem von Natur aus geeigneten Körperbau, gezwungen und nur mäßig gut –, veranschaulicht auf amüsante Weise die gegenseitige Kritik der zeitgenössischen Literaten, die Alberti im vorangehenden Proömium verurteilt hatte, da alle Beteiligten über keine nennenswerten literarischen Fähigkeiten verfügen – die Zikade und der Frosch sind entgegen ihrer vermessenen Beteuerungen beide gleichermaßen inkompetent. Bezeichnend und ebenfalls mit dem vorangehenden Proömium übereinstimmend ist auch die Tatsache, dass zwar die Zikade das natürliche Talent hat und der Frosch den Willen zu lernen, dass aber beiden hochmütigen Tieren die exercitatio als dritte notwendige Voraussetzung für den idealen Redner zu fehlen scheint, die vermutlich ihrer beider Schwächen ausgleichen könnte.44 Doch anstatt sich auf sich selbst zu konzentrieren und sich dieser bitter nötigen Übung zu widmen, verhalten sich Zikade und Frosch wie die Faune und Satyrn zuvor: Sie versuchen, die eigene Leistung besser aussehen zu lassen, indem sie die der anderen herabsetzen. Am Schluss geht Alberti allerdings über die Veranschaulichung des letzten Proömiums hinaus und bringt in Form der Krähe die Nachwelt als neuen Akteur ins Spiel: Da ohnehin die Nachwelt völlig frei und eigensinnig die Entscheidung über die Qualität oder den Mangel derselben in den literarischen Werken der Vergangenheit treffen werde, sei die andauernde gegenseitige Kritik der Autoren, die ja letztlich nur auf ihr Eigenlob abziele, nicht nur abzulehnen, weil sie der eigentlichen Verbesserung ihrer literarischen Fähigkeiten im Weg stehe, sondern auch hinfällig, weil sie nichts am Urteil der wirklichen Richter ändern könne. Diesem Umstand entspringt auch Albertis guter Grund, die Fabel nicht weiter zu kommentieren und sein persönliches garrire unter den garrule bestiole zu beenden: Die Nachwelt werde auch über die invidi ihr eigenes Urteil fällen. Das letzte Proömium der Intercenales, das das zehnte Buch einleitet, beendet Albertis poetologische Reise so, wie viele gute Reden beendet werden: mit einem Ap-

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Zum Begriff ars s. Robling 1992, 1015–1020, zum ingenium Engels 1998, 383–384 und zur exercitatio Kraus 1996, 75–79.

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pell. Dieser Appell war bereits Teil aller vorangehender Proömien, wird jedoch hier als alleiniger Inhalt ausgebreitet und mit Nachdruck betont. Bereits die einleitende Fabel führt den LeserInnen noch vor allen argumentativen Ausführungen vor Augen, wie schön die Welt aussehen könnte, wenn die LeserInnen seinem Appell nachkämen. Dort verirrt sich der arme und einsame Micrologus auf seiner Suche nach den Gymnosophisten, von denen er Weisheit erlernen will, in einem Wald. Während er nach Schnecken sucht, um seinen Hunger zu stillen, trifft er dort auf Hercules, der seinerseits einen Löwen jagt (Int. 10 pr. 1–2). Micrologus erkennt, dass Hercules wie er selbst ein Grieche ist, spricht ihn daher als frater an und fragt ihn nach dem Weg aus dem Wald (3–4). Hercules ist gerührt von diesem Ausdruck der Verbundenheit, fragt ihn nach seiner Herkunft und dem Zweck seiner Reise und erklärt ihm humanissime (5), sich immer nach den Strahlen der Sonne zu richten, um sich nicht noch weiter im Wald zu verlaufen (5–6). Schließlich verleiht er seiner Rührung expliziten Ausdruck, indem er sagt, einem homini quem non Graia tantum lingua, verum et ipse virtutis amor commendaret necessitudineque quadam natura duce devinciret, omnem ab se fratris pietatem erga Micrologum et officium (7) zu schulden. Die Sprache und das Streben nach einem moralischen Lebenswandel, die ihnen beiden gemeinsam seien, verbinde sie auf fundamentale Weise, weswegen er Micrologus, der dies mit seiner Ansprache an Hercules als frater bereits seinerseits vorweggenommen hatte, die pflichtgemäße Gesinnung und den Beistand eines Bruders schulde. Diesem Bild der Eintracht, Hilfe und Freundschaft zweier sehr unterschiedlicher Charaktere – Micrologus, der bereits seinem sprechenden Namen nach nur ein geringes Talent in der Redekunst aufweist45 und sich dementsprechend von langsamen Schnecken ernährt, der zudem als egenus (Int. 10 pr. 1) bezeichnet wird und sich auf

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Diese Interpretation des Namens erscheint insbesondere plausibel, wenn man den Hercules des Lukian als Prätext heranzieht, zumal die Bedeutung Lukians als eine der wichtigsten Inspirationsquellen für die Intercenales bereits herausgestellt wurde (z. B. Margolin 1973; Acocella 2007). Nachweisen, dass Alberti diesen unter den Werken Lukians eher wenig verbreiteten Text tatsächlich kannte, kann man an dieser Stelle zwar nicht, wenn auch Acocella 2007, 93 zumindest eine lateinische Übersetzung von Lorenzo Ciato aus dem 15. Jahrhundert erwähnt, es ergeben sich jedoch einige auffällige Parallelen: In Lukians Hercules wird der gallische Gott Ogmios mit Herkules identifiziert und auf einem Gemälde als Greis dargestellt, dem gebannt eine Menschenmenge folgt. Die dünne goldene Kette, die die Zunge des Herkules mit den Ohren der Menschen verbindet, symbolisiert dabei die Kraft seiner Redekunst, als deren Inbegriff er gilt. Demgegenüber wäre der Name Micrologus’ eine Veranschaulichung dessen, dass er Hercules in dieser Hinsicht nacheifert und seine Unterstützung dabei braucht. Eine weitere Ähnlichkeit besteht darin, dass der Protagonist der Handlung das Gemälde erst versteht, nachdem ein zufällig vorbeikommender Gallier, dessen Griechischkenntnisse er zudem lobend herausstellt, sich die Zeit nimmt und es ihm erklärt. Darüber hinaus soll das Greisenalter des Herkules darauf hinweisen, dass Redner erst in zunehmendem Alter ihre Beredtsamkeit vervollkommnen, was dazu passt, dass Alberti die jungen angehenden Redner kontinuierlich zur Bescheidenheit mahnt. Für den Hinweis, Lukians Hercules in meine Interpretation einzubeziehen, danke ich Hartmut Wulfram. Cardini 2010, 471 sieht dagegen als zentralen Bedeutungsaspekt des Namens Micrologus „di poca importanza.“

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seiner Suche nach virtus in den Wirren des undurchdringlichen Waldes verläuft, und Hercules, der dagegen als strahlendes Emblem der bereits erlangten Tugend niemals die Orientierung im Wald verliert und so große rhetorische Fähigkeiten besitzt, dass er sogar Löwen jagen kann – fügt Alberti seinen Appell an die studiosi (8) an, endlich ihren Stolz und ihre Feindseligkeit beiseite zu legen und im Angesicht ihrer tiefgreifenden, geradezu heiligen Verbindung durch das gemeinsame humanistische Streben nach sittlicher Vervollkommnung und Ehre durch literarische Studien (littere et ad virtutem communia studia nos fraterno quodam sanctissimo vinculo coniunctissimos; 11) damit zu beginnen, einander in tanta rerum et artium tenendarum difficultate (11) zu helfen und zwar ungeachtet dessen, ob das Talent und das Interesse des einzelnen grandia oder infima betreffe (10). Ihre gegenseitige Sabotage bei der Durchquerung der maxima sylva (12) müsse aufhören und einer gegenseitigen Hilfe weichen, die des officium und der pietas in studiis litterarum würdig sei (12–13).46 Falls sie sich dennoch am maledicere erfreuen wollen, haben sie im imperitorum vulgus Material zur Genüge (13). Den Schluss des Proömiums bildet ein noch eindringlicherer und persönlicherer Aufruf (14–17): Sed nolo esse prolixior. Tantum vos, o studiosi, siquis vos litterarum et virtutis cultus ad humanitatem ornavit, obtestor ut, quod deus ipse vobis divinum dedit ingenium ad quasvis maximas res petendas et conficiendas, illud velitis non a pietate et officio abhorrere; nosque enervatiores, qui tardis et crassis ingeniis aptas lucubrationes edimus, oro ne despiciatis. Si vos omnes fratrum loco semper habui, si lesi neminem, profui quam multis, date, queso, una mecum operam ut nostra hec tempora, cum iocosis scriptoribus non vacua, tum eadem posteri non invidie fuisse plena sentiant. Id autem assequemur, si nos inter nos positis obtrectationibus certatim amabimus. Hoc agite et este felices. (Doch ich möchte meine Rede nicht noch weiter in die Länge ziehen. Nur darum, ihr Gelehrten, möchte ich euch noch bitten, sofern die Verehrung von literarischem Schaffen und Tugend eure Bildung und Menschlichkeit befördert hat: Lasst nicht zu, dass euer unübertreffliches Talent, das Gott selbst euch gab, um bedeutende Dinge anzustreben und zu erreichen, eurem Mitgefühl und eurer Pflichttreue im Wege steht und blickt bitte nicht auf uns schwächere Autoren herab, die wir solche Nachtarbeiten herausgeben, die nur für träge und stumpfe Gemüter geeignet sind. Wenn ich euch immer als meine Brüder empfunden, wenn ich nie jemanden verletzt, wenn ich so vielen wie möglich geholfen habe, dann bemüht euch bitte gemeinsam mit mir, dass die Nachwelt nicht von unserer Zeit denkt, sie wäre gänzlich ohne humorvolle Autoren gewesen und insbesondere nicht voll von Neid. Dies aber werden wir erreichen, wenn wir unsere wetteifernden, neidischen Anfeindungen niederlegen und uns stattdessen um die Wette lieben. Tut dies und viel Glück!)

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Ebenso bei Cardini 2010, 472 Anm. 4–6 findet sich der Hinweis, dass diese Stelle im Proömium auf ein Ennius-Zitat zurückgeht, das Alberti auch bei Cicero fand (Off. 1,51).

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In diesem abschließenden Proömium stellt Alberti die von ihm erwünschte Alternative zum vorangehenden Proömium vor, in dem die Zikade und der Frosch einander bekämpfen und versuchen, einander bei der Erreichung ihrer eigentlich gleichen Ziele zu behindern. Damit erinnert er seine Autorenkollegen daran, dass ihr Bestreben, die humanistische Einheit von antiker Tugendbildung und Schriftstellerei zu erreichen, einem solchen Zikade-Frosch-Faun-Satyr-Verhalten bei genauerer Betrachtung diametral gegenüberstehe und es mit diesem daher nicht vereinbar sei. Wenn sie ihr Ziel in der Theorie wirklich ernst nehmen, so Alberti, müssen sie seinen Prinzipien auch in der Praxis folgen. Dies lebte ihnen Alberti auch selbst vor, der mitnichten bloß pathetische Reden schwang, sondern seinen Worten mit Nachdruck Taten folgen ließ. Denn zum einen war Alberti einer der wenigen Humanisten des Quattrocento, der auch jene antiken Autoren breit in Inhalt und Stil rezipierte, die nicht dem typisch klassischen Kanon entsprachen wie beispielsweise Plautus, Columella, Apuleius, Xenophon oder Lukian.47 Zudem bewies er nicht nur hier in den Intercenales, sondern in vielen seiner anderen Werke die Originalität und Innovativität seiner Inhalte.48 Man mag dabei vor allem an seine künstlerisch-technischen Traktate denken, die oftmals die ersten ihrer Art waren, wie beispielsweise De pictura, das in diesem Sammelband im Zentrum steht. Auch andere Traktate wie De statua, De cyfris, De equo animante oder natürlich De re aedificatoria stellen bahnbrechende neue Gattungsschöpfungen dar oder erwecken in der Versenkung verschwundene antike Gattungen zu neuem Leben.49 Dasselbe gilt aber auch von seinem einzigartigen satirischen Roman Momus oder seinen Apologi centum. Eine letzte Gruppe von Werken, mit deren Innovationen in Stil und Inhalt Alberti die Erfüllung seiner poetologischen Theorie in der Praxis unter Beweis stellte, sind seine volkssprachlichen Schriften. Nicht nur bot er mit seiner Grammatichetta della lingua toscana das erste Grammatik-Lehrbuch des Toskanischen, sondern zeigte insbesondere als einer der ersten Humanisten mit seinen volkssprachlichen Dialogen, die mehr an den klassisch-ciceronianischen Stil angelehnt sind als seine lateinischen Werke, allen voran mit De familia, dass nicht nur

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Ein Überblick über die unklassischen antiken Quellen in einigen von Albertis Werken befindet sich in McLaughlin 2009. Einzelstudien gibt es in Marsh 2000 in Bezug auf Apuleius, Martelli 2011 in Bezug auf Plautus und Terenz oder van de Loo 2021 in Bezug auf mittelalterliche misogyne Schriften, insbesondere aber im zweibändigen Tagungsband von Cardini/Regoliosi (2007), der beispielsweise Aufsätze zu Albertis Rezeption von Xenophon, Euklid, Lukian oder den rerum rusticarum scriptores enthält. Eine Auflistung von Albertis antiken Quellen stellt naturgemäß auch die in der Vergangenheit versuchte Rekonstruktion seiner Bibliothek dar (Cardini 2005). In ihrem dort enthaltenen Aufsatz sammelt Regoliosi 2005 zudem einige Stellen aus Albertis Schriften, in denen sich Alberti selbst zu seinen Lieblingsautoren äußert (ebenso McLaughlin 2009, 79–87). Speziell griechische Quellen behandelt Bertolini 1998; 2005. Poetologische Aussagen, die Alberti in einigen seiner anderen Werke machte und die mit denen in den Intercenales übereinstimmen, trug z. B. McLaughlin 1995, 149–166 zusammen (s. auch ders. 2009, 75–79). Grayson 1998a; McLaughlin 2010, 41–46.

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Latein, sondern auch Toskanisch grammatische Regelmäßigkeiten und die zumindest im Keim vorhandene Dignität einer Literatursprache besaß.50 Wie schon den Glauben an die Möglichkeit der Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten übernahm Alberti auch die Grundlage dieser Überzeugung von Cicero, aus dessen Schriften er lernte, dass auch die lateinische Sprache nach bescheidenen Anfängen erst eine langwierige Entwicklung durchlaufen musste, bevor sie den Höhepunkt ihrer Ausdruckskraft und Schönheit erreichen konnte.51 Diese langwierige Entwicklung hätte aber ohne die zahlreichen Schriften der antiken Autoren vor Cicero nicht stattfinden können, die somit, wenn auch in rückblickender Beurteilung noch mangelhaft, unabdingbar und notwendig für die Vervollkommnung der lateinischen Sprache waren. Alberti traute seiner väterlichen Sprache dieselbe Entwicklung zu und es ist genau diese Tatsache, die sein fortwährendes Beharren auf der Inklusion und Förderung aller Autoren jeglichen Talents begründet. Nur mit den vereinten Kräften aller, mit jeder mittelmäßigen Schrift, jedem fehlgeschlagenen Versuch und jeder neuen Idee könne das Toskanische sich als Literatursprache weiterentwickeln und eines Tages den Rang erreichen, den die lateinische Sprache bereits innehatte. Jede Fixierung auf einen bestimmten Stil und bestimmte Gattungen dagegen behindere diese dynamische Entwicklung und hätte dies auch in der Antike für die lateinische Sprache getan, hätten die antiken Autoren dieselbe klassizistische Einstellung gehabt wie viele humanistische Autoren. Auf diese Diskrepanz zwischen ihrer Liebe für die antiken Schriften einerseits und andererseits ihrem Verhalten, das es verunmögliche, die dort begonnene Entwicklung des Lateinischen weiterzuführen und eine ähnliche Entwicklung des Toskanischen anzustoßen, macht Alberti seine LeserInnen aufmerksam. Er formuliert sein poetologisches Konzept in den Proömien der Intercenales zwar in einem lateinischen Werk und auf Latein, doch sein Glaube an und sein Wunsch nach dynamischer Verbesserung durch trial and error ist mit Sicherheit nicht an eine bestimmte Sprache gebunden, sondern bildet den ideologischen Hintergrund seiner Gedanken zur Literatur insgesamt. Indem Alberti aus Cicero die Überzeugung übernahm, dass die lateinische Sprache sich von einer frühen, archaischen zu ihrer klassischen Form entwickelte, wandte er sich zudem, wie auch Flavio Biondo, gegen den im frühen Quattrocento vertretenen Glauben an eine Diglossie in der Antike, demzufolge auf den Straßen Roms nicht Latein gesprochen wurde, sondern eine eigene Volkssprache, die neben dem bereits vollkommenen klassischen Latein existierte. Damit machte er sich einen mächtigen Feind – doch es dürfte die LeserInnen dieses Aufsatzes mittlerweile nicht mehr überraschen, erneut auf Leonardo Bruni zu treffen.52 In der Tat könnte man auch in den letzten beiden besprochenen Proömien Bezüge zu Bruni zu finden. Dass das Proömium mit dem Streit von Zikade und Frosch an den 1441 abgehaltenen Certame co50 51 52

McLaughlin 1995, 157–166; ders. 2010, 47–48. McLaughlin 2007, 187–191; ders. 2009, 90–93. McLaughlin 1995, 92–93; ders. 2007, 191–192.

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ronario erinnert, ist schon lange bekannt.53 In diesem Jahr organisierte Alberti einen Wettstreit, der das Toskanische als Literatursprache fördern sollte. Jeder Bürger wurde eingeladen, eine volkssprachliche Komposition zum Thema Freundschaft zu verfassen und einzureichen. Doch die humanistischen Preisrichter unter dem Vorsitz Brunis befanden keinen der eingereichten Texte – Alberti konnte aufgrund seiner Tätigkeit als Organisator selbst nicht teilnehmen – für würdig genug, den Gewinnerkranz zu erlangen und vergaben daher den Preis an niemanden;54 Albertis Certame floppte aufgrund der Unfähigkeit oder Weigerung der traditionellen humanistischen Jury, die noch in Entwicklung befindliche Volkssprache anzuerkennen. Als Reaktion darauf verfasste Alberti anonym seine Protesta,55 doch weder sie noch seine Initiative, im folgenden Jahr einen zweiten Wettstreit zu veranstalten, führten zu einer Änderung der festgefahrenen Meinungen der Altmeister; Bruni lehnte die Organisation eines zweiten Certame zum Thema Neid ab.56 Der Zusammenhang Brunis mit einem literarischen Wettstreit, der von den Preisrichtern nicht aufgelöst wird, ist also gegeben; die darin versteckte Entgegnung, dass, auch wenn die Gegenwart sich weigern sollte, die Qualität der toskanischen Texte angemessen zu beurteilen, die Nachwelt dies sehr wohl tun werde, ist auch leicht ersichtlich. Im letzten Proömium findet sich die Spur, die zu Bruni führt, in der Figur des Hercules. Für die BürgerInnen von Florenz war Hercu-

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Marsh 1987, 251 Anm. 1. Cardini 2010, 195–196 datiert u. a. aufgrund dieser Ähnlichkeit die Proömien der Intercenales auf die frühen 1440er Jahre. Gorni 1972, 148–149; McLaughlin 2009, 92–93. Gorni 1972, 167–172. Dass Bruni in einem Brief an Leonardo Dati, der am ersten Certame teilgenommen hatte (s. dazu Cardini 2021), diesem zu verstehen gegeben hatte, dass er sogar das Thema Dummheit angemessener für einen solchen Wettbewerb fände als das Thema Neid, nahm Alberti persönlich (Epist. 9,7, Bernard-Pradelle 2014). In dem oberflächlich versöhnlich wirkenden Brief, den Bruni daraufhin an Alberti richtete, wies er jeden Vorwurf darüber zurück, er habe in seinem „sachlichen“ Urteil über das potenzielle Thema des nächsten Certame Alberti persönlich angreifen wollen: Nullius enim rogatu vel suasione vel conspiratione illa scripsi, sed ex me ipso citra ullam malignitatem animi de genere ipso disputavi, quemadmodum de avaritia et prodigalitate disputari solet, utrum illarum perniciosior sit ac nocentior (Epist. 9,10). Die Beispiele der avaritia et prodigalitas, die Bruni hier auf vermeintlich unschuldige Weise wählt, spielen natürlich darauf an, dass Alberti Bruni das Reichtum und Geiz behandelnde zweite Buch seiner Intercenales gewidmet hatte, wie zu Beginn des Aufsatzes bereits behandelt wurde. Bruni hatte ihm diese Widmung und Anspielung auf seinen Ruf also durchaus übel genommen (Marsh 1987, 232 Anm. 1, 223 Anm. 40; Boschetto 2021, 161–162). Zudem offenbart sein Briefcorpus eine weitere Spitze gegen Albertis zweites Proömium: In seinem Brief an Andreozzo Petrucci, der zusammen mit einem weiteren unzusammenhängenden Brief zwischen die zwei eigentlich zusammengehörigen Briefe an Leonardo Dati und Alberti eingefügt wurde (Bernard-Pradelle 2014, 360), bedankt sich Bruni dafür, dass Petrucci ihn mit dem Titel princeps litterarum geehrt hatte, den Alberti in seinem Proömium ebenfalls an Bruni gerichtet hatte, allerdings sarkastisch. Die auffällige, weil deplatzierte Positionierung des Briefes sowie seine Nähe zum Brief an Alberti legen nahe, dass Bruni – oder sein Schüler Giannozzo Manetti, der einige seiner Briefe posthum kompilierte (ebd.) – bewusst versuchte, für die Nachwelt festzuhalten, dass zumindest einige seiner Zeitgenossen diesen Titel ernst meinten. S. dazu außerdem Anm. 17.

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les ein tagtäglicher Anblick, da er in dreifacher Ausführung – eine davon bezeichnenderweise im Kampf mit dem nemeischen Löwen – auf dem Florentiner Dom prangte und auch auf dem kommunalen Siegel der Stadt abgebildet war. Ihre Verbindung war so allgegenwärtig, dass Hercules bisweilen sogar als Synonym für Florenz verwendet wurde57 – als Synonym also für die Stadt, deren Kanzler Bruni zur Zeit der Abfassung der Proömien der Intercenales war. Doch die in diesem Aufsatz teilweise spekulativ hergestellten Bezüge aller Proömien auf Leonardo Bruni sollen nicht zu der Vorstellung veranlassen, Alberti habe in Bruni eine Art Erzfeind gesehen, der allein alle Eigenschaften verkörpere, die Alberti als traditionalistischen Ballast abzuwerfen gedachte. Die sich hier abzeichnende Auseinandersetzung, die man möglicherweise in Voraussicht auf die folgenden berühmten Debatten zwischen Lorenzo Valla und Poggio Bracciolini, Angelo Poliziano58 und Paolo Cortesi und Gianfrancesco Pico della Mirandola und Pietro Bembo59 als

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Von Hessert 1991, bes. 7–28. Insbesondere die von Poliziano vertretenen Standpunkte scheinen den Gedanken Albertis besonders nahezustehen. Eine Verbindung der beiden ergibt sich bereits dadurch, dass Poliziano den höchst lobenden Einleitungsbrief an Lorenzo de Medici schrieb, der der editio princeps von Albertis De re aedificatoria (1485) vorangestellt ist (Orlandi/Portoghesi 1966, 2–5). Bedeutender ist allerdings, dass Polizianos berühmter Brief an Paolo Cortesi einige Bezüge auf Alberti enthalten könnte (Text in Garin 1952, 902–905). Zum einen behauptet er, in Bezug auf die Rezeption antiker Literatur lieber als Stier oder Löwe anstatt als Affe betrachtet zu werden (Non enim probare soles, ut accepi, nisi qui lineamenta Ciceronis effingat. Mihi vero longe honestior tauri facies est aut item leonis quam simiae videtur, quae tamen homini similior est) und erinnert damit an Albertis sich selbst zugelegten Künstlernamen Leone (McLaughlin 2013, 153–154). Zum anderen wiederholt er an der zentralen Stelle seines Briefes, in seinem zum Schlachtruf der Eklektiker (D’Amico 1984, 356) gewordenen Ausruf Non exprimis, inquit aliquis, Ciceronem. Quid tum? non enim sum Cicero; me tamen, ut opinor, exprimo Albertis Motto Quid tum, das auch auf seiner Imprese prangte (McLaughlin 2010, 51–56). Weiters liest sich seine Kritik an Autoren, die ohne ihre Bücher keine drei Wörter aneinanderreihen können und selbst diese noch schlecht (Sunt quidam praeterea, mi Paule, qui stylum quasi panem frustillatim mendicant, nec ex die solum vivunt, sed et in diem; tum nisi liber ille praesto sit, ex quo quid excerpant, colligere tria verba non possunt, sed haec ipsa quoque vel indocta iunctura vel barbaria inhonesta contaminant. Horum semper igitur oratio tremula, vacillans, infirma, videlicet male curata, male pasta, quos ferre profecto non possum), wie eine Beschreibung von Albertis poeta in Corolle (Int. 4,2) und seine danach ausgedrückte Missbilligung der unangemessenen Überheblichkeit eben dieser Dichterlinge, die sich zu allem Überfluss auch noch selbst als Kritiker aufspielen (iudicare quoque de doctis impudenter audentes, hoc est de illis quorum stylum recondita eruditio, multiplex lectio, longissimus usus diu quasi fermentavit), könnte als Zusammenfassung der in diesem Aufsatz besprochenen Proömien durchgehen. Auch falls sich Poliziano nicht bewusst auf Alberti bezog und es sich hier um Zufälle handelt, die der Behandlung derselben Thematik geschuldet sind, ist die Ähnlichkeit ihrer Ansichten auffällig (s. dazu auch McLaughlin 1995, 201 und Branca 2000). Eine Übersicht über die drei früneuzeitlichen „Stil-Schulen“ Ciceronianismus, Eklektizismus und Apuleianismus bietet D’Amico (1984). Zu den Ciceronianismus-Debatten: Tateo 1994, 231–235; McLaughlin 1995, 126–146, 187–274; DellaNeva/Duvick 2007; Fumaroli 2009, 77–91; Robert 2011, 10–24; Fantazzi 2014; DellaNeva 2015 sowie die loci classici Sabbadini 1885, 1–74 und Zielinski 1912, 170–203.

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„proto-Ciceronian quarrel“ bezeichnen könnte,60 richtet sich nicht ausschließlich gegen Bruni und auch nicht (immer) gegen Bruni persönlich, der ja, wie schon gesagt, kein Ciceronianer war, sondern gegen eine diffuse, sich am Horizont abzeichnende Tendenz der klassizistisch-ciceronianischen Versteifung der Literatur, die Alberti aufgrund von Brunis klassischem Stil und seiner hervorstechenden Bedeutung für Literatur und Geisteshaltung in diesem personifizieren und fokussieren konnte. Somit richtet sich Albertis Kritik, wie bereits an einigen Stellen erwähnt, auch nicht gegen Cicero oder den ciceronianischen Stil selbst – um nur an ein Beispiel zu erinnern, möchte er im Proömium zum vierten Buch lediglich, dass seine gewürzt-bitteren Stücke inter lautiores cenas nicht ausgeschlossen werden, diese aber nicht ersetzen oder schlechtreden (Int. 4 pr. 11) –, sondern gegen literarischen Snobismus und Engstirnigkeit und die durch sie bewirkte Stagnation der literarischen Weiterentwicklung. Alberti appelliert an die Humanisten, neben den klassisch-ciceronianischen auch andere literarische Stile, Sparten und Experimente gelten zu lassen und sogar gutzuheißen, da unterhaltsame und nützliche Literatur viele verschiedene Formen annehmen könne. Sein Appell – wie übrigens auch sein häufig ausgedrückter Wunsch nach Anerkennung – zielt also auf Bescheidenheit und Zusammenhalt unter den humanistischen Autoren, die durch ihre gegenseitige Unterstützung die Literatur in ihrer Gesamtheit voranbringen können. Mehr als dies zu versuchen, bleibe ihnen auch nicht übrig, da das letztgültige Urteil ohnehin bei der Nachwelt liege und daher jede verbissene Diskussion darüber disqualifiziere. Wenn Alberti sich, um dieses Ziel zu erreichen, satirisch-provokanter Mittel bedient wie im Proömium zum siebten Buch, wo er, bildlich gesprochen, den Proto-Ciceronianern die Schriften ihres Idols unter die Nase hält und sie ermahnt, diese doch bitte genauer zu lesen, so muss man dies als Tat eines frühneuzeitlichen Schalks vom Schlage eines Mephistopheles betrachten und darüber schmunzeln, kann die Ernsthaftigkeit und Redlichkeit des dadurch angestrebten Ziels aber nicht leugnen. Die Intercenales sollten eben beides, belehren und erfreuen. Literaturverzeichnis Acocella 2007: Mariantonietta Acocella: Appunti sulla presenza di Luciano nelle Intercenales, in: Roberto Cardini, Mariangela Regoliosi (ed.): Alberti e la tradizione. Per lo „smontaggio“ dei „mosaici“ albertiani Bd. 1, Florenz 2007, 81–139. Bätschmann 2017: Oskar Bätschmann: Leon Battista Alberti (1404–1472): De Pictura, in: Wolfgang Brassat (ed.): Handbuch Rhetorik der Bildenden Künste, Berlin-Boston 2017, 253–268. Bernard-Pradell 2014: Laurence Bernard-Pradelle (ed./trans.): Leonardo Bruni Aretino. Lettres familières, Bd. 1, Montpellier 2014.

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Die Bezeichnung „quarrel“ für die Debatten über den ciceronianischen Stil in der frühen Neuzeit verwendet beispielsweise DellaNeva/Duvick 2007; DellaNeva 2015.

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Risere Naiades. Oder: der frühe Antiklassizismus in Leon Battista Albertis Intercenales

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Snezana Rajic

Mercer 1979: R. G. G. Mercer: The Teaching of Gasparino Barzizza with Special Reference to his Place in Paduan Humanism, London 1979. Orlandi/Portoghesi 1966: Giovanni Orlandi, Paolo Portoghesi (ed./com./trans.): Leon Battista Alberti, L’architettura [De re aedificatoria], 2 Bde., Mailand 1966. Pigman 1981: George W. Pigman III: Barzizza’s studies of Cicero, in: Rinascimento 21, 1981, 123– 163. Pigman 1982: George W. Pigman III: Barzizza’s treatise on imitation, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance 44, 1982, 341–352. Pittaluga 2010: Stefano Pittaluga: Proemi e dediche nelle Intercenales di Leon Battista Alberti, in: Filologia mediolatina 17, 2010, 137–150. Prandi 2010: Stefano Prandi: Il proemio al IV libro delle Intercenales e la poetica albertiana, in: Francesco Furlan, Gianni Venturi (ed.): Leon Battista Alberti. Gli Este e l’Alberti: tempo e misura. Actes du congrès international Ferrara 29.11.–3.12.2004, Pisa-Rom 2010, 145–155. Regoliosi 2005: Mariangela Regoliosi: Per un catalogo degli „auctores“ latini dell’Alberti, in: Roberto Cardini (ed.): Leon Battista Alberti. La biblioteca di un umanista, Florenz 2005, 105–113. Robert 2011: Jörg Robert: Die Ciceronianismus-Debatte, in: Herbert Jaumann (ed.): Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit. Ein Handbuch, Berlin-New York 2011, 1–54. Robling 1992: Franz-Hubert Robling: Ars, in: Gert Ueding (ed.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 1, Tübingen 1992, 1009–1030. Sabbadini 1885: Remigio Sabbadini: Storia del ciceronianismo e di altre questioni letterarie nell’età della rinascenza, Florenz-Rom 1885. Schmitzer 2003: Ulrich Schmitzer: Widmung, II. Lateinisch, in: Hubert Cancik, Helmuth Schneider (Antike), Manfred Landfester (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte) (ed.): Der Neue Pauly, Bd. 12/2, Weimar-Stuttgart 2003, 509. Tateo 1994: Francesco Tateo: Ciceronianismus, in: Gert Ueding (ed.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 2, Tübingen 1994, 225–239. Van de Loo 2021: Tom van de Loo: Die Intercenales im Lichte der misogynen Tradition des Mittelalters, in: Hartmut Wulfram (ed.): Leon Battista Alberti, Intercenales. Eine neulateinische Kurzprosasammlung zwischen Antike und Moderne / Una silloge di brevi prose latine del Rinascimento / A collection of short Neo-Latin prose works between Antiquity and Modernity, Stuttgart 2021, 285–302. Viti 1996: Paolo Viti (ed./trans.): Opere letterarie e politiche di Leonardo Bruni, Turin 1996. Von Hessert 1991: Marlis von Hessert: Zum Bedeutungswandel der Herkules-Figur in Florenz. Von den Anfängen der Republik bis zum Prinzipat Cosimos I., Köln-Weimar-Wien 1991. Von Stackelberg 1956: Jürgen von Stackelberg: Das Bienengleichnis: Ein Beitrag zur Geschichte der literarischen imitatio, in: Romanische Forschungen 68, 3/4, 1956, 271–293. Witt 2000: Ronald G. Witt: In the Footsteps of the Ancients. The Origins of Humanism from Lovato to Bruni, Boston-Leiden 2000. Wulfram 2021: Hartmut Wulfram: Eine Ziege unter lauter Rindern. Albertis kallimacheische Poetologie im Proömium zum vierten Buch der Intercenales, in: Hartmut Wulfram (ed.): Leon Battista Alberti, Intercenales. Eine neulateinische Kurzprosasammlung zwischen Antike und Moderne / Una silloge di brevi prose latine del Rinascimento / A collection of short Neo-Latin prose works between Antiquity and Modernity, Stuttgart 2021, 219–238. Zielinski 1912: Theodor Zielinski: Cicero im Wandel der Jahrhunderte, Wiesbaden 1912.

Index auctorum et operum1 Im folgenden Register wird antike Literatur in aller Regel nach dem Thesaurus Linguae Latinae (Indexband, Leipzig 21990) sowie Franco Montanaris The Brill Dictionary of Ancient Greek (Leiden-Boston 2015, Vocabolario della lingua greca, Turin 32013) abgekürzt. Die Namen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Autoren und Werke (bis max. 1800) finden sich ausgeschrieben, sofern nicht allgemein etablierte oder sich von selbst erklärende Siglen zur Anwendung kommen. Auf die genaue Erschließung der Schriften Albertis wurde besonderer Wert gelegt. Sie erhalten einen Kurztitel und werden durch die Nennung von ,Büchern‘ (libri), Kapiteln und Paragraphen oder, falls nötig, von Seiten- und Zeilenzahlen genauer erfasst. Jene Alberti-Editionen, die die benutzte Unterteilung zuerst vorgeschlagen haben oder die zugrunde gelegte Paginierung aufweisen, werden einleitend mittels der Herausgebernamen kenntlich gemacht (div. x bzw. p.,l. x). Alberici, Federico 11, 316 Mort. Effect. 316–320 Trad. Tab. Ceb. 316 Alberti, Leon Battista Am. (De amore, p., l. Grayson) Am. 257,3–4 171 Apol. (Apologi centum) 369 Cifr. (De cifris) 8, 12, 338, 369 Cifr. 2 339 Cifr. 3 338 Cifr. 10 338 Cifr. 12 338 Cifr. 13 341 Cifr. 14 341–343, 345 Cifr. 15 344, 345 Comm. litt. (De commodis litterarum atque incommodis, div. Goggi Carotti, Carraud, Regoliosi 2010) 1

Comm. litt. 3,18 86 Comm. litt. 3,27 12–13 Desc. (Descriptio urbis Romae) 47 Elem. (Elementa picturae) Elem. lat. (p., l. Grayson) 44, 177, 315–316 Elem. lat. 129,28–29 90 Elem. volg. 315–316 Epist. ad amicum 177 Epist. Joh. Andr. 314 Eq. an. 369 Fam. (De familia, l. Romano/Tenenti/Furlan) 9, 144, 369 Fam. 2 l. 983–984 144 Fam. 2 l. 991–992 144 Fam. 2 l. 2967–2972 145 Fam. 3 l. 11–12 144 Fam. 3 l. 2418–2421 144

Erstellt von Matthias Baltas, Katharina Gerhold und Gregor Schöffberger.

378

Index auctorum et operum

Gramm. (Grammatica della lingua toscana) 369 Ic. (De iciarchia, p., l. Grayson) 9, 144 Ic. 1,189,32 75 Ic. 1,216,13 146 Ic. 2,220,23–26 145 Ic. 2,221,1–2 146 Ic. 2,221,2 146 Ic. 2,229,30 145 Ic. 2,230,5–9 146 Ic. 2,230,9–18 145 Ic. 2,230,20–21 138 Ic. 2,230,23–26 138 Ic. 2,231,29–31 139 Ic. 2,231,32–33 146 Ic. 2,231,33–2,232,3 146 Ic. 2,232,15 145 Ic. 2,232,28 144 Ic. 2,246,19–21 145 Int. (Intercenales, div. Cardini/ Bracciali Magnini) 7–8, 12, 177,205, 328, 349 Int. 1 pr. (ad Paulum Physicum) 350, 351, 352, 55, 359, 363 Int. 1 pr. 3–4 350 Int. 1 pr. 5–10 350 Int. 1 pr. 11 350 Int. 1,1 (Scriptor) 352 Int. 1,3 (Religio) 352 Int. 2 371 Int. 2 pr. (ad Leonardum Arretinum) 351–356, 359, 365, 371 Int. 2 pr. 1 351, 365 Int. 2 pr. 2 352 Int. 2 pr. 2–4 351 Int. 2 pr. 5–7 351 Int. 2 pr. 6 353 Int. 2 pr. 7 354, 365 Int. 2 pr. 7–10 352 Int. 2 pr. 8 353 Int. 2 pr. 9 353 Int. 2,1 (Oraculum) 252 Int. 3,1 (Picturae) 327, 355 Int. 3,1,34 355, 359 Int. 4 pr. (ad Poggium) 355, 359, 373 Int. 4 pr. 1 355 Int. 4 pr. 2–3 355

Int. 4 pr. 4 Int. 4 pr. 4–5 Int. 4 pr. 7–8 Int. 4 pr. 11 Int. 4 pr. 12 Int. 4,1 (Somnium) Int. 4,2 (Corollae) Int. 4,2,15 Int. 4,2,18 Int. 4,2,19–21 Int. 4,2,22 Int. 4,2,23 Int. 4,2,25–31 Int. 4,2,34–44 Int. 4,2,45 Int. 4,3 (Cynicus) Int. 4,3,10 Int. 4,3,66 Int. 4,3,66–73 Int. 4,3,67 Int. 4,3,68 Int. 4,3,69–73 Int. 4,4 (Fama) Int. 5–6 Int. 7 pr. Int. 7 pr. 1 Int. 7 pr. 1–2 Int. 7 pr. 4 Int. 7 pr. 4–6 Int. 7 pr. 7–9 Int. 7 pr. 8 Int. 7 pr. 10–11 Int. 7 pr. 12 Int. 7 pr. 13 Int. 7 pr. 14 Int. 7 pr. 15–16 Int. 7 pr. 17–18 Int. 7 pr. 18 Int. 7 pr. 19–21 Int. 7 pr. 22 Int. 7 pr. 22–24 Int. 7 pr. 25 Int. 8 pr. Int. 8 pr. 1 Int. 8 pr. 2 Int. 8 pr. 3–7 Int. 8 pr. 10

355 355 355 355, 373 355, 356 252 357, 358, 359, 361, 372 357 357 358 359 358 358 358 358 87, 358 358 358 87 358 358 359 252 357 357, 359, 360, 366, 373 365 360 360 360 360 360 360 360, 363 360 361 361 361 364 361, 362 364 360 360, 365 359, 365, 369, 370 365 365 365 365–366

Index auctorum et operum

Int. 8 pr. 11 366 Int. 8 pr. 12 366 Int. 10 pr. 359, 366, 367, 369, 370, 371 Int. 10 pr. 1 367 Int. 10 pr. 1–2 367 Int. 10 pr. 3–4 367 Int. 10 pr. 5 367 Int. 10 pr. 5–6 367 Int. 10 pr. 7 367 Int. 10 pr. 8 368 Int. 10 pr. 10 368 Int. 10 pr. 11 368 Int. 10 pr. 12 368 Int. 10 pr. 12–13 368 Int. 10 pr. 13 368 Int. 10 pr. 14–17 368 Int. Appendix Int. App. Anuli 327–328 Mom. (Momus, div. Brown/Knight, D’Alessandro/Furlan) 71, 79, 369 Mom. pr. 3 229 Mom. 2,101 282 Mom. 4,38 101 Musca (div. Coppini) 71 Musca 34 105 Musca 36–47 86 Musca 50 90 Philod. (Philodoxeos fabula, div. Grund) 298 Philod. 224–225 299 Pict. (De pictura) Pict. lat. (div. Grayson) 97, 157–158, 161, 202–203, 205, 215, 219–221, 223, 226–230, 235–236, 241, 243, 248, 369 Pict. lat. pr. 11, 35, 267, 268, 269, 274–276 Pict. lat. pr. 1 275, 276 Pict. lat. pr. 2 275 Pict. lat. pr. 3 275 Pict. lat. pr. 5–6 275 Pict. lat. pr. 6 276 Pict. lat. pr. 9 276 Pict. lat. pr. 17 276 Pict. lat. 1 11, 19, 21–22, 24, 72, 259 Pict. lat. 1,1 17, 35–36, 61, 98–99, 101, 227–228, 256, 284 Pict. lat. 1,1–1,18 222

379

Pict. lat. 1,2 43, 130, 155–156, 203, 279, 281 Pict. lat. 1,2–4 222 Pict. lat. 1,2–18 19 Pict. lat. 1,3 130 Pict. lat. 1,4 129, 130, 222, 282 Pict. lat. 1,5 129, 130, 222, 279, 283 Pict. lat. 1,5–8 227 Pict. lat. 1,5–11 222 Pict. lat. 1,6 278, 279 Pict. lat. 1,7 129, 130, 283 Pict. lat. 1,8 130, 279, 282 Pict. lat. 1,9 130, 277, 278 Pict. lat. 1,10 129, 130 Pict. lat. 1,11 129 Pict. lat. 1,12 19–20, 129 Pict. lat. 1,12,13 280, 281 Pict. lat. 1,13 45, 129, 130 Pict. lat. 1,14 73–75, 117, 129, 130 Pict. lat. 1,15 44, 129 Pict. lat. 1,16 129 Pict. lat. 1,17 130 Pict. lat. 1,18 56, 66, 73–76, 78, 91, 130 Pict. lat. 1,19 20, 118, 129, 130, 169, 170 Pict. lat. 1,19,9 280, 281 Pict. lat. 1,20 44, 129, 130, 280, 281 Pict. lat. 1,21 19–20, 24–25, 129, 130, 284 Pict, lat. 1,22 129, 255, 259 Pict. lat. 1,23 48, 129, 284 Pict. lat. 1,24 208–209, 266 Pict. lat. 2 10, 20, 24, 63, 176 Pict. lat. 2–3 8, 56, 72 Pict. lat. 2,25 66–67, 73, 89, 129, 130, 255, 267 Pict. lat. 2,25–29 55 Pict. lat. 2,26 17, 23, 32, 35, 55, 56, 59, 62, 64, 67, 71–73, 76, 100, 109, 130, 135, 167, 170, 313, 325 Pict. lat. 2,27 54, 73, 89, 170, 237, 255 Pict. lat. 2,28 35, 105, 112, 129, 255, 267, 268 Pict. lat. 2,29 17, 23, 130, 255, 268 Pict. lat. 2,30 23–24, 130, 209, 212, 280, 281 Pict. lat. 2,31 20, 23, 73, 97, 129, 130, 277, 278 Pict. lat. 2,32 21, 23, 129, 130 Pict. lat. 2,33 18, 21, 24–25, 86, 129, 130, 277, 278 Pict. lat. 2,33–39 253 Pict. lat. 2,34 130

380

Index auctorum et operum

Pict. lat. 2,35 18, 21, 24, 26–27, 29, 86, 114, 129, 130, 207, 212, 253, 255, 262, 263, 291 Pict. lat. 2,35–36 204 Pict. lat. 2,36 25, 129, 130, 136 Pict. lat. 2,36–37 118, 119 Pict. lat. 2,36–40 136 Pict. lat. 2,37 25, 64, 73, 76–78, 129, 130, 137–138, 141, 255 Pict. lat. 2,38 129, 130, 138–139, 141 Pict. lat. 2,39 129, 130, 255 Pict. lat. 2,40 25–26, 73, 130, 140, 141, 172, 239, 243, 255, 262, 263–264, 280, 281, 282, 298, 365 Pict. lat. 2,40–45 253 Pict. lat. 2,41 55, 62, 129, 155, 156–157, 172, 205–206, 207, 208, 239, 273, 280, 281, 282, 297 Pict. lat. 2,41–45 204 Pict. lat. 2,42 87, 130, 138, 152–155, 157, 163, 203, 204–205, 207, 240, 243, 278, 279, 281, 282, 298–299 Pict. lat. 2,43 129, 255 Pict. lat. 2,44 26, 73, 77, 129, 130, 255, 298 Pict. lat. 2,45 129, 130, 247 Pict. lat. 2,46 27, 129, 130, 169, 277 Pict. lat. 2,46–49 79 Pict. lat. 2,47 27, 130 Pict. lat. 2,48 62, 63, 73, 109–110, 129, 130, 255, 262, 264, 265, 313 Pict. lat. 2,49 73, 79–81, 129, 130, 280, 281, 282 Pict. lat. 2,50 18, 27, 30, 129, 130 Pict. lat. 3 11, 19 Pict. lat. 3,51 253 Pict. lat. 3,52 17, 23, 35, 83, 112, 129, 130, 268, 281 Pict. lat. 3,53 73, 83, 86–88, 112, 129, 130, 175, 237–238, 291, 295, 330 Pict. lat. 3,53–54 253 Pict. lat. 3,54 17, 31, 73, 86–89, 130, 204, 247–248, 253 Pict. lat. 3,55 27–29, 119, 129, 130, 255 Pict. lat. 3,55–3,56 115 Pict. lat. 3,55–3,58 204 Pict. lat. 3,56 18, 27, 29–31, 91, 129, 130, 255 Pict. lat. 3,57 73

Pict. lat. 3,58 65, 214–215, 268 Pict. lat. 3,58–59 89 Pict. lat. 3,59 31, 84, 104 Pict. lat. 3,60 84, 86, 89, 129, 130, 285 Pict. lat. 3,61 31, 87, 122–123, 130, 284 Pict. lat. 3,61–62 84–85 Pict. lat. 3,62 86, 126, 130, 135–136, 255, 281, 282, 292–295 Pict. lat. 3,63 32, 48, 89–91, 255, 284, 292 Pict. volg. (div. Bertolini) Pict. volg. pr. 11, 16, 169, 175, 267, 274–275 Pict. volg. pr. 1 275, 276 Pict. volg. pr. 2 276 Pict. volg. pr. 4 275, 276 Pict. volg. pr. 5 275 Pict. volg. pr. 6 276 Pict. volg. pr. 7 275, 276 Pict. volg. pr. 8 276 Pict. volg. pr. 9 276 Pict. volg. pr. 11 276 Pict. volg. pr. 13–15 275 Pict. volg. pr. 15 289 Pict. volg. 1,1 256 Pict. volg. 1,1,1 284 Pict. volg. 1,2 203 Pict. volg. 1,2,12 279, 281 Pict. volg. 1,4,5 282 Pict. volg. 1,4,9 282 Pict. volg. 1,4,10 282, Pict. volg. 1,5,2 279 Pict. volg. 1,5,12 279 Pict. volg. 1,6,11 278, 279 Pict. volg. 1,6,16 283 Pict. volg. 1,8,7 279 Pict. volg. 1,8,8 282 Pict. volg. 1,9,6–8 277, 278 Pict. volg. 1,11,5 129 Pict. volg. 1,12,13 280,281 Pict. volg. 1,18,5 77 Pict. volg. 1,19,9 280, 281 Pict. volg. 1,20,5 280, 281 Pict. volg. 1,20,11 280, 281 Pict. volg. 1,21,2 284 Pict. volg. 1,22,5 266 Pict. volg. 1,23,2 284 Pict. volg. 2,1,13 177 Pict. volg. 2,2,1–7 167

Index auctorum et operum

Pict. volg. 2,2,4 Pict. volg. 2,2,12 Pict. volg. 2,2,13 Pict. volg. 2,3 Pict. volg. 2,3,6 Pict. volg. 2,5,3 Pict. volg. 2,6,5 Pict. volg. 2,6,7 Pict. volg. 2,7,10–11 Pict. volg. 2,8,7 Pict. volg. 2,9,13 Pict. volg. 2,11,5 Pict. volg. 2,12,1–5 Pict. volg. 2,12–13,2 Pict. volg. 2,13,12–19 Pict. volg. 2,14 Pict. volg. 2,16–24 Pict. volg. 2,16,1 Pict. volg. 2,16,7 Pict. volg. 2,17,1 Pict. volg. 2,17,1–2 Pict. volg. 2,18,1–4 Pict. volg. 2,18,4 Pict. volg. 2,18,7–9 Pict. volg. 2,18,7–10 Pict. volg. 2,18,11 Pict. volg. 2,18,11–12 Pict. volg. 2,19,7 Pict. volg. 2,20,3 Pict. volg. 2,22,14–15 Pict. volg. 2,23,3 Pict. volg. 2,24,4 Pict. volg. 2,24,5 Pict. volg. 2,24,9 Pict. volg. 2,24,10 Pict. volg. 2,25,2–4 Pict. volg. 3,1,1 Pict. volg. 3,2,4 Pict. volg. 3,10,14–16 Pict. volg. 3,11,5 Pict. volg. 3,11,21–12,1 Pict. volg. 3,12,1–6 Pict. volg. 3,12,3 Pict. volg. 3,12,4 Pict. volg. 3,12,5–6 Pict. volg. 3,12,7 Pict. volg. 3,12,8

135 313 56 54 72, 266 266 280, 281 280, 281 277, 278 282 277, 278 266 136–137 137–138 137 138–139 140–141 280, 281, 282 280, 281 280, 281, 282 297 299 281, 282 299 278, 279 158 155 266 298 277 282, 313 266 266–267 267 280, 281, 282 284 281 285 284 292 135–136 293 281, 282, 293 294 294 267

381

Pict. volg. 3,13,1 284 Pict. volg. 3,13,1–2 292 Profug. (Profugia ab aerumna, p., l. Ponte) 9, 71, 151, 157–158, 160–162, 243 Profug. 3 p. 79,24–26 163 Profug. 3 p. 86,8–87,3 162 Profug. 3 p. 86,17–87,3 162–163 Protesta 371 Punct. lin. (De punctis et lineis apud pictores) 36, 44, 46–47 Res aed. (De re aedificatoria, div. Tory, p.l. Orlandi) 9, 56, 76, 79, 97, 133, 142, 157–158, 205, 230, 314, 328, 369, 372 Res aed. pr. p. 7,7–8 104 Res aed. pr. p. 7,12–19 104 Res aed. pr. p. 7,20–27 100 Res aed. pr. p. 15,18–21 100–101 Res aed. 1,1 p. 19,19–21,9 101 Res aed. 1,2 p. 21,26–23,3 111 Res aed. 1,2 p. 23,12–13 97 Res aed. 1,4 p. 39,19–22 111 Res aed. 1,8 p. 57,23–26 120 Res aed. 1,9 p. 65,21–23 118, 143 Res aed. 1,9 p. 65,26–67,1 120, 143 Res aed. 1,9 p. 67,12–17 120 Res aed. 1,9 p. 69,2–4 120 Res aed. 1,11 p. 77,1–3 129 Res aed. 1,12 129 Res aed. 2,1 p. 95,6–19 127 Res aed. 2,1 p. 95,20–97,1 123 Res aed. 2,1 p. 97,14–26 123–124 Res aed. 2,1 p. 99,12–18 97–98 Res aed. 2,1 p. 99,18–23 124 Res aed. 2,1 p. 101,7–8 127 Res aed. 2,2 p. 101,18–19 125 Res aed. 2,2 p. 105,19–21 125 Res aed. 2,3 p. 107,12–14 127 Res aed. 2,3 p. 107,23–25 125 Res aed. 2,4 p. 109,21–24 103 Res aed. 2,4 p. 111,22–29 111 Res aed. 2,4 p. 111,30 111 Res aed. 2,6 p. 129,5–8 106 Res aed. 2,8 p. 135,5–17 110 Res aed. 2,8 p. 135,13–17 102 Res aed. 2,11 p. 157,33–159,3 102

382

Index auctorum et operum

Res aed. 2,11 p. 159,14–21 105 Res aed. 2,13 p. 165,26–167,1 124 Res aed. 3,2 p. 179,7–8 106 Res aed. 3,6 p. 195–197 130 Res aed. 3,6–8 129 Res aed. 3,7 p. 203 130 Res aed. 3,8 p. 207 130 Res aed. 3,10 p. 215 130 Res aed. 3,11 p. 225 130 Res aed. 3,12 p. 227 130 Res aed. 3,12 p. 233 130 Res aed. 3,14 p. 247 130 Res aed. 3,16 129 Res aed. 5,6 p. 357,22–23 104 Res aed. 5,8 p. 367,17 104 Res aed. 5,8 p. 369,24–27 115 Res aed. 5,10 p. 377,22–23 124 Res aed. 5,17 p. 433,4–5 115 Res aed. 5,18 p. 437,20–22 106 Res aed. 6,1 p. 443,25–28 99 Res aed. 6,2 p. 445,9–16 127–128 Res aed. 6,2 p. 445,24–29 104–105 Res aed. 6,2 p. 447 130 Res aed. 6,2 p. 447,1–3 128 Res aed. 6,2 p. 447,9–14 128 Res aed. 6,3 p. 453 130 Res aed. 6,3 p. 453,12–18 115 Res aed. 6,3 p. 455,1–5 143–144 Res aed. 6,4 p. 459 130 Res aed. 6,4 p. 459,2 104 Res aed. 6,4 p. 467,17–18 98 Res aed. 6,5 p. 469 130 Res aed. 6,7 p. 481,24–483,2 99 Res aed. 6,9 p. 505,9–11 106 Res aed. 6,9–10 129 Res aed. 6,10 129 Res aed. 6,10 p. 507 130 Res aed. 6,13 p. 525,3–4 99 Res aed. 7,1 p. 529,6–10 97 Res aed. 7,2 129 Res aed. 7,5 p. 559,20–25 118–119 Res aed. 7,9 p. 603,24 102 Res aed. 7,10 p. 605 130 Res aed. 7,10 p. 609,17–611,2 106–107 Res aed. 7,11 p. 615,8–617,2 129 Res aed. 7,12 129 Res aed. 7,12 p. 625,9–11 142

Res aed. 7,12 p. 625,11–12 Res aed. 7,15 p. 645 Res aed. 7,16 p. 657,14 Res aed. 7,17 p. 659,11–18 Res aed. 8,3 Res aed. 8,3 p. 681,10–12 Res. aed. 8,3 p. 681,25 Res aed. 8,4 p. 697,2–5 Res aed. 8,4 p. 697,10–13 Res aed. 8,7–8 p. 724–759 Res aed. 8,9 p. 767,24 Res aed. 9,4 Res aed. 9,4 p. 803,20–22 Res aed. 9,4 p. 803,25–805,1 Res aed. 9,4 p. 805,7–15 Res aed. 9,4 p. 805,29–807,4 Res aed. 9,5 p. 811,23–24 Res aed. 9,5 p. 813,13–16 Res aed. 9,5 p. 813,18–20 Res aed. 9,5 p. 815 Res aed. 9,5 p. 817 Res aed. 9,5 p. 817,1–5 Res aed. 9,5 p. 817,8–12 Res aed. 9,5 p. 817,21 Res aed. 9,5 p. 817,30 Res aed. 9,5 p. 819,3–9 Res aed. 9,5–6 p. 823,10–14 Res aed. 9,6 p. 831,31–833,1 Res aed. 9,7 p. 835 Res aed. 9,7 p. 835,19–20 Res aed. 9,7 p. 837 Res aed. 9,7 p. 837,28–839,4 Res aed. 9,7 p. 839,5–9 Res aed. 9,8 p. 841 Res aed. 9,8 p. 841,15–18 Res aed. 9,8 p. 843,2–17 Res aed. 9,8 p. 843,18–25 Res aed. 9,8 p. 845 Res aed. 9,8 p. 845,21–25 Res aed. 9,8 p. 847,14–23 Res aed. 9,9 p. 849 Res aed. 9,9 p. 853,5 Res aed. 9,9 p. 853,13–14 Res aed. 9,10 p. 855,4–5 Res aed. 9,10 p. 855,7–8 Res aed. 9,10 p. 855,13–17 Res aed. 9,10 p. 855,27–857,2

142 130 98 107 129 128 143 326–327 326–327 298 102 129 107–108 108 108 108 116, 143 128 128 130 130 157 116 116 116 116 112 113 130 129 130 121 121 130 121 121–122 108 130 109 125 130 126 103 102 143 102 113

Index auctorum et operum

Res aed. 9,10 p. 857,20–24 117 Res aed. 9,10 p. 861,3–16 113 Res aed. 9,10 p. 861,21–24 113 Res aed. 9,10 p. 863,1–3 126 Res aed. 9,11 p. 863,3–9 114 Res aed. 9,11 p. 863,24–865,2 102–103 Res aed. 9,11 p. 865,18–22 103 Res aed. 10,1 p. 869,23–871,2 128 Res aed. 10,1 p. 873,16 117 Res aed. 10,1 p. 881,5 117 Res aed. 10,3 p. 887,22–26 98–99 Res aed. 10,3 p. 891,30–31 117 Res aed. 10,13 p. 977,10–11 117 Res aed. 10,16 p. 987 130 Res aed. 10,17 129 Res aed. 10,17 p. 995 130 Stat. (De statua) 47, 169, 177, 326, 369 Testamentum 57 Villa 73 Vita (Autobiografia, div. Cardini) 35, 302, 313–314 Vita 1–6 290 Vita 1–10 294 Vita 4 282 Vita 13–23 294 Vita 15 294 Vita 35–38 290 Albertus Magnus 41, 261 Aristot. Mem. tr.2 cap. 2,33–40 261 Alhazen 281 Opticae thesaurus 2,37, p. 51 283 Opticae thesaurus 7,37, p. 268 283 Alexander de Villa Dei Doctrinale 224–226 Alonso da Cartagena 254 Ammianus Marcellinus Amm. 17,4,6–11 327–328 Amm. 17,4,14–23 327–328 Antigonos 62 Antonio da Rho 354 Apelles 53, 62 Apuleius 369 Ariosto, Ludovico Suppositi pr. 281 Aristoteles 10, 40, 170, 194–195, 241 APo. 1,7 40 APo. 1,9 40

383

APo. 1,13 40 Mem. 451a12–13 261 Metaph. 13,3 40 Phys. 2,2 40 Pol. 8,3 35 Rh. 1404b 134 Rh. 1408a–b 134 Poet. 191–192, 201, 205, 215 Poet. 1447a28–b13 197 Poet. 1447b13–17 196 Poet. 1448a1 196–197 Poet. 1448a19–24 196 Poet. 1448b10–17 195, 197 Poet. 1451a36–37 199 Poet. 1451a36–b7 197–200 Poet. 1451b4–5 199 Poet. 1451b29–32 200 Poet. 1454a 134 Aurelio Augurelli, Giovanni 331 Ausonius Epist. 23,20 76 Epitaph. 10 76 Averroes 254 Bacon, Roger De signis 1,15 327 Mult. spec. 5,3 283 Perspectiva dist. 6,2 283 Perspectiva dist. 6,3 283 Baldinucci, Filippo Vita di Bernini 9 307 Barzizza, Gasparino 229, 254, 349 Beccadelli, Antonio Herm. 77, 229 Herm. 1,21 77 Bellori, Giovan Pietro Vita di Poussin 427 307–308 Bembo, Pietro 308, 372–373 Prose volg. 314 Biblia Sacra 22, 202, 291, 323 Biondo, Flavio 349, 370 Boccaccio, Giovanni Esposizioni Comedia 1,1,70 204 Genealogia 14–15 213 Borghini, Vincenzo 57 Bracciolini, Poggio 83, 235, 326–328, 355, 372 De avaritia 353

384 De vera nobilitate 1–3 Epist. Nic. 85 Bradwardine, Thomas De continuo Bruni, Leonardo Cicero novus Cic. nov. ded. Viti p. 418 Economici (Arist. Oec.) Epist. 9,7 Epist. 9,10 Bruno, Giordano Er. Fur. 2,3

Index auctorum et operum

90 353 47 88, 351, 370, 371 354 354 353 371 371 82

Caesar Bell. Gall. 1,1,1 337, 346 Bell. Gall. 5,48,4 337 Capello, Guglielmo 57 Carbone, Lodovico 315 Laus Galeotto d’Assassino 314 Carvilius Pictor Aeneidomastix 85 Castiglione, Baldassare 146, 308 Cortegiano 146 Cato maior 83 Cennini, Cennino 10 Libro dell’Arte (p. Serchi) 17, 22, 27, 205, 226–227, 236, 248 Libro dell’Arte 1 p. 17 236–237 Chrysipp 174 Ciato, Lorenzo 367 Cicero, Marcus Tullius 9, 10, 12, 57, 81, 83, 174, 226, 254, 261, 349, 370 Brut. 168, 169, 349 Brut. 51 364 Brut. 184–185 256 Brut. 185 256 Brut. 257 100 Brut. 314 364 Brut. 316 364 Brut. 320 364 Catil. 4,3 181 Cato 249 De orat. 349, 363 De orat. 1,132 138 De orat. 1,142 139 De orat. 2,85 259, 363

De orat. 2,115 173 De orat. 2,189 208 De orat. 2,354–360 259 De orat. 3,152 142 De orat. 3,155 139 De orat. 3,178 142 De orat. 3,179 143 De orat. 3,195 269 De orat. 3,200 256, 258 De orat. 3,206 263 De orat. 3,216 208 De orat. 3,216–227 208 De orat. 3,223 208 Inv. 254 Inv. 1,9 259 Inv. 1,27 209, 210 Lael. 349 Lael. 50 207–208 Leg. 349 Leg. 1,10–11 364 Leg. 1,59 170 Off. 1,51 368 Off. 1,93 134, 136, 144 Off. 1,95 160 Off. 1,98 160 Off. 1,126–149 145 Off. 1,131 145 Orat. 349 Orat. 50 142 Orat. 70 134, 142 Orat. 73 240 Orat. 73–74 159 Orat. 74 138 Orat. 113 174 Orat. 134 261 Orat. 135 263 Orat. 136 256, 258 Parad. 249 Tusc. 241 Clemens von Alexandria Str. 6,4,35 328 Columella 369 Corpus Hermeticum 326, 330 Cortesi, Paolo 372 Cyriacus d’Ancona 331 Hieroglyphica 328

Index auctorum et operum

Daniello La Poetica 134 Dante Alighieri Div. Comm. 204, 243, 314 Dati, Leonardo 308, 371 Diaconus, Paulus 52 Diodor 111, 330 Diod. 3,3,4 327 Diogenes Laertius 73 Diog. Laert. 7,2 174 Dionysius (Pseudo-)Areopagites Dion. Areopag. 1,2 202 Dolce, Ludovico Dialogo della pittura 134 Donatus, Aelius Vita Verg. 15 82 Vita Verg. 22 83–84 Vita Verg. 23 84 Vita Verg. 24 84 Vita Verg. 27–29 85 Vita Verg. 32 85 Vita Verg. 33–34 84 Vita Verg. 35 83 Vita Verg. 41 84 Vita Verg. 43 85 Vita Verg. 44–46 85 Ennius 368 Erasmus von Rotterdam 354, 363 Adagia 1,1,37 61 Ciceronianus 354 Euklid 8, 35–50, 57, 72, 223, 369 El. 1,1 38–39 El. 1,15 42 El. 6,2 45 El. 6,6 41 El. 7,1–2 37 El. 10,1 37 El. 10,2 37 Euphranor 53, 62–63 Euripides I.A. 150–151 I.A. 761–775 149–150 I.A. 768–769 150 I.A. 1547–1551 151–152 Eusebius 330

385

Facio, Bartolomeo 314 Ferrarini, Michele Fabrizio Syll. 1 331 Festus, Pompeius 52 Fibonacci, Leonardo Liber Abaci 339 Practica geometriae 43 Ficino, Marsilio In Plot. 5,8 323–324 Trad. Corp. Herm. 326 Filelfo, Francesco 177 Flaccus, Verrius 52 Fontana, Giovanni 313 Fulgentius 83 Galen 73, 254 Galfrid von Vinsauf 254 Poetria nova 226, 254 Gallo, Egidio De viridario Augustini Chigii 318 Gellius, Aulus 73 Gell. 1,1 74 Gell. 5,18 213–214 Gell. 5,18,1 214 Gell. 5,18,2 214 Gerbert von Aurillac Geometria 43 Ghiberti, Lorenzo 89 Commentarii 230, 313 Giovio, Paolo Elog. vir. lit. (Bruni) 353 Elog. vir. lit. (Alberti) 314 Gregor von Rimini Comm. Sent. 327 Guarino Veronese 57, 213 Luc. Cal. 88 Herennium, Rhetorica ad 138, 224, 254, 261 Rhet. Her. 1,4 209 Rhet. Her. 1,12–13 210 Rhet. Her. 3,28–40 259, 260 Rhet. Her. 3,35–36 264 Rhet. Her. 4,17 258 Hermes Trismegistus 73, 326 Herodot 330 Hesiod 73, 87 Theog. 907–909 88

386

Index auctorum et operum

Hieronymus Epist. 49,6,1 85 Epist. 49,19,5 85 Hilar. 1,6–8 85 Vulg. Pent. prol. 85 Hippasos von Metapont 37 Homer 73, 87–88 Il. 18,192–193 75 Il. 20,232–236 77 Il. 24,93–94 162 Horapollo Hieroglyphica 319, 328 Horaz 139, 142 Ars 141, 172, 191, 205, 207–208, 215 Ars 1–13 205 Ars 1–23 207 Ars 99–107 206 Ars 99–123 297 Ars 157–178 134 Ars 309–316 142 Ars 309–318 205 Ars 333–334 350 Ars 343–344 350 Sat. 1,1,23–26 350 Hugo von St. Victor 254 Hygin Fab. 257,13 76 Fab. 273,16 76 Hypnerotomachia Poliphili 320 Iamblichus 330 Isidor von Sevilla 10 Orig. 1,41,1 210–211, 214 Orig. 19,16,2 325 Jakob von Venedig Jacobus de Voragine Legenda aurea Johannes de Garlandia Parisiana poetria Junius, Franz (d. J.) De pictura veterum Justinus Kant, Immanuel

261 301 83, 226 59 52 175

Landino, Cristoforo 10, 47, 83, 240–241, 248, 314 Comento Comedia (p., l. Cardini) Comento Comedia 1 p. 117,19–24 243 De vera nobilitate 241 Disp. Camald. (p., l. Lohe) 241–243 Disp. Camald. 3 p. 110,6–16 242 Disp. Camald. 3 p. 111,3–15 242 Xandra B1 241 Xandra B2 241 Xandra B16 241 Xandra B27 241 Landriani, Gerardo 349 Lapo da Castiglionchio (min.) Luc. Cal. 88 Leonardo da Vinci Trattato della pittura 305–306 Trattato della pittura 3,373 139 Livius 52 Lombardi, Bartolomeo Aristot. Poet. 201 Lukrez 235 Lucr. 1,936–942 351 Lukian 39, 64, 73, 87, 369 Cal. 324 Cal. 4–5 88 Herc. 367 Herm. 74 39 Musca 90 Lullus, Raimundus Ars magna 340 Macrobius 83 Sat. 1,19 327–328 Maggi, Vincenzo Aristot. Poet. 201 Mainardi, Arlotto (Piovano) 353 Fac. 30 353, 354 Marbod von Rennes De ornamentis verborum 254 Martianus Capella 43 Mart. Cap. 2,137 327 Masen, Jacob 224 Matthäus von Vendôme Ars versificatoria 226 Melanthios 53 Metrodor 53

Index auctorum et operum

Nanni da Viterbo, Giovanni Antiquitatum variarum 331 Nepos, Cornelius 54 Niccoli, Niccolò 56, 353 Nikolaus von Kues/Nicola Cusano 9–10, 47, 168, 176, 177 De Beryllo 178 De Beryllo 7,9 178 De coniecturis 183 De filiatione dei 178 De filiatione dei 3,65 178 De filiatione dei 3,65–66 178 Idiota de mente h/V 182 Sermo 239 182, 183 De theol. compl. h X/2a 183 De visione dei 9–10, 178, 183 De vis. h VI praef. 2 178, 179 De vis. h VI praef. 3 179, 180 De vis. h. VI cap. 4,11 181 De vis. h VI cap. 5,15 181 De vis. h VI cap. 6,18 180 De vis. h VI cap. 6,19 180, 181 Octavius Avitus Homoiotetes 85 Onulf von Speier Colores Rhetorici 254 Ovid Ars 3,627–630 338 Met. 88, 248 Met. 1,1–2 343, 346 Met. 3,339–510 169 Panaitios 135 Pasiteles 53 Peckham, John 45 Perspect. com. 227 Perspect. com. 2,6 42 Perspect. com. prop. 35 283 Perspect. com. prop. 38 283 Petrarca, Francesco 88, 89, 202 Epyst. 1,1,47–55 85 Fam. 1,1,36 85 Inv. 1,164 213 Sen. 2,1 85 Sen. 12,2,50 213 Petrucci, Andreozzo 371

387

Phaedrus Phaedr. 1,3–4 350 Pico della Mirandola, Giovanni 363, 372 Piero della Francesca De prospectiva pingendi 48 Pierozzi, Antonius Summa 330 Pio, Giovan Battista Annotamenta 323 Ceb. tab. interpret. desult. 323 Trad. Ceb. tab. 323 Platon 10 Hip. Mai. 289d–290e 134 Rep. 191–192, 194–196, 198, 199, 205, 215 Rep. 392d5–6 192–193 Rep. 595c8–603c3 193 Plautus 369 Plinius maior 8, 51–68, 71–72, 327 Nat. 51–52, 56–59, 63, 152, 154 Nat. praef. 85 Nat. praef. 1 58, 59, 61 Nat. praef. 13 58 Nat. praef. 14 61 Nat. praef. 21 54 Nat. praef. 23 54 Nat. praef. 26–27 53 Nat. praef. 28–32 85 Nat. praef. 33 54 Nat. 2 57 Nat. 2,150 54 Nat. 3–6 59 Nat. 5,38 282 Nat. 7 57, 62 Nat. 7,36 54 Nat. 7,162 54 Nat. 8,193 54 Nat. 9 59 Nat. 10,120 54 Nat. 15,47 54 Nat. 23 60 Nat. 24 60 Nat. 26–32 60 Nat. 33 60 Nat. 33–37 53, 57 Nat. 34 57, 60 Nat. 34,47 65 Nat. 34,77 55

388

Index auctorum et operum

Nat. 34–36 57, 59 Nat. 35 8, 56, 57, 59, 60–62, 67, 71, 97 Nat. 35,1 59, 72 Nat. 35,1–14 35 Nat. 35,15 55, 325 Nat. 35,15–16 62 Nat. 35,17 54 Nat. 35,17–28 53 Nat. 35,54 89 Nat. 35,56 62 Nat. 35,62 66 Nat. 35,65–66 290 Nat. 35,74 66 Nat. 35,84 293 Nat. 35,84–85 85 Nat. 35,95–96 290 Nat. 35,111 56 Nat. 35,129 64 Nat. 35,151–152 62 Nat. 36 60 Nat. 36,8–9 327 Nat. 37 57, 60 Nat. 37,204 58, 61 Plinius minor Epist. 2,3 52 Epist. 3,5 52 Epist. 6,16 52 Plotin 330 Enn. 5,8,5–6 323–324 Plutarch 64, 73, 74, 140–141 Poliziano, Angelo 10, 240–241, 243–244, 248, 363, 372 Ambra 245 Comm. in Stat. Sylv. 2,1 244 Epist. ad Laurent. Medici 314, 372 Manto 245 Nutricia 245 Or. Quint. et Stat. (p., l. Zollino) 241 Or. Quint. et Stat. 20,27–28 244 Or. Quint. et Stat. 21,6–14 244–245 Or. Quint. et Stat. 28,25–28 244 Rusticus 245 Stanze per la giostra 245 Stanze 1,68–120 245 Stanze 1,99–101 246–247 Stanze 1,119 245–246 Sylva in scabiem 245

Pomponius Gauricus De sculptura 314 Porphyrios 241 Proklos Theol. 47 Protagoras 73 Pythagoras 36 Quintilian 10, 55, 57, 64, 73, 83, 174, 220, 241, 244, 254, 261, 268, 349 Inst. 10, 152, 154, 163, 221, 223, 224, 235–237, 248, 254 Inst. 1,1 222 Inst. 1,1–3 222 Inst. 1,1–6 222 Inst. 1,4–5 222, 223 Inst. 1,4,6 223 Inst. 1,4,7 223 Inst. 1,4,13 223 Inst. 1,4,17 223 Inst. 1,4,22 223 Inst. 1,5,12 223 Inst. 2,13,13 240 Inst. 2,20,7 174 Inst. 3,3,1–2 259 Inst. 4,1,60 267 Inst. 4,2,43 261 Inst. 4,2,44 262 Inst. 4,2,46 261 Inst. 6,2,26–28 239 Inst. 6,2,26–36 208 Inst. 6,2,29–30 238 Inst. 6,2,32 238 Inst. 8 pr. 139 Inst. 8,1,1–2 257 Inst. 8,2,22 257 Inst. 8,3,5 260 Inst. 8,3,50 257, 262 Inst. 9,1,17 256 Inst. 10,1,109–110 156 Inst. 10,2,1 238–239 Inst. 11,1,8 142 Inst. 11,2,1–51 259 Inst. 11,2,11–16 260 Inst. 11,2,17–31 260 Inst. 11,2,36 260 Inst. 11,2,39 261

Index auctorum et operum

Inst. 11,2,41 261 Inst. 11,2,44 261 Inst. 11,3,61‒65 134 Inst. 11,3,67 138 Inst. 12,10,5 73 Quintus von Smyrna Posthomerica 75 Raimondi, Cosma Regius, Raphael Remigius von Auxerre Comm. Mart. Cap. Robortello, Francesco Aristot. Poet.

349 254 43 201

Salutati, Coluccio 56, 83 Savasorda Liber embadorum 43 Scaligero, Giulio Cesare Poetices libri VII 224, 226 Sefer Yezirah 340 Seneca minor 81 Benef. 1,3,2–6 248 Benef. 1,3,2–7 88 Benef. 1,3,7 330 Epist. 141,1–3 159 Servius 76, 83 Serv. 1,28 77 Serv. 5,252 77 Sextus Empiricus Sext. S. 3 39 Silesius 171 Spinoza, Baruch Eth. 47 Statius, Publius Papinius Silvae 241, 244–245 Sueton 241 Aug. 88 337 Div. Iul. 56 337 Vita Verg. (s.v. Donatus, Aelius) Tabula Cebetis Tacitus Ann. 11,14 Terenz Eun. 318

11, 316–318, 320, 323–324 326 369 76, 78–79

389

Theophrast Ch. 134 Thomas von Aquin 8, 41 Comm. phys. 2,3,8 41 Quaest. verit. q. 8 a. 5 resp. 327 Quaest. verit. q. 23 a. 7 ad 11 327 Sum. Theol. 1,1,9 ca 202 Sum. Theol. 1,1,9 ad 1 202 Sum. Theol. 1,1,9–10 202 Tortelli, Giovanni De Orthographia 325 Trogus, Pompeius 52 Uguccione da Pisa Mag. deriv. s.v. hystorin 1

211–212, 214

Valerius Maximus Val. Max. 3,7 ext. 4 88 Valla, Lorenzo 81, 372 Varro 54, 73 Vasari, Giorgio 248 Vite 58, 91 Vite 36,101–102 305 Vergerio, Pier Paolo De ingenuis moribus 41 35 Vergil 8, 64, 71–92, 259 Aen. 8, 71–92, 241–243, 357 Aen. 1,28 76 Aen. 1,453–493 88 Aen. 1,456–493 91 Aen. 1,488 91 Aen. 1,501 75 Aen. 1,588–593 74 Aen. 2,515 282 Aen. 2,591–592 75 Aen. 2,717–725 75 Aen. 2,804 75 Aen. 3,590–594 78–79 Aen. 3,613–618 78 Aen. 3,616–683 75 Aen. 4,132–139 80–81 Aen. 4,141 74 Aen. 4,259–264 77 Aen. 4,590 80 Aen. 5,250–257 76 Aen. 5,286–361 76 Aen. 5,295 76

390 Aen. 6,20–33 Aen. 6,413 Aen. 6,450–476 Aen. 6,667–668 Aen. 8,102–305 Aen. 8,362–365 Aen. 8,366–367 Aen. 8,626–728 Aen. 9,176–502 Aen. 9,179–180 Aen. 9,284 Aen. 9,446–449 Aen. 12,684–690 Aen. 12,701–703 Georg. Vestalis, Fabius Vitruv Vitr. 1,1,18 Vitr. 1,2,5 Vitr. 1,3,2

Index auctorum et operum

88 74 79 74 74 74 74 88 76 76 77 91 75 75 82, 84 54 25, 54, 64, 73 98 142 142

Vitr. 6,7,4 Vitr. 7 praef. 8–9 Vittorino da Feltre Vossius, Gerhard Johannes

201 85 17–18 224

Wilhelm von Ockham Comm. Sent. 327 Wilhelm von Moerbeke 261 Witelo Opticae lib. 2 def. 1 p. 61 283 Opticae lib. 3,36 p. 102 283 Opticae lib. 4,17 p. 126 283 Xenokrates Xenophon Mem. 3,8,4 Mem. 3,8,4–10 Mem. 3,10,9–13 Mem. 3,10,9–15

62 73, 369 134 142 134 142

Leon Battista Albertis Abhandlung über die Malerei De pictura, gegliedert in drei ‚Bücher‘, markiert ungeachtet ihrer Kürze einen Meilenstein der frühneuzeitlichen Kunsttheorie, der auch in Antike und Mittelalter über keinen vergleichbaren Vorgänger verfügt. Der hohe Rang der Schrift speist sich nicht nur aus der großen kultur- und geistesgeschichtlichen Bedeutung der darin entfalteten Ideen – hervorzuheben die geometrisch konstruierte Zentralperspektive –, sondern auch aus den raffinierten literarischen Verfahrensweisen auf der Makro- und Mikroebene. Geprägt sind letztere durch die Theorie und Praxis der antiken Beredsamkeit

ISBN 978-3-515-13250-3

9 783515 132503

sowie die kreative Einflechtung von ‚Zitaten‘ und kurzen Erzählsequenzen aus dem gesamten Fundus der griechisch-römischen Tradition. Der Traktat liegt in zwei Versionen vor, einer kürzeren im toskanischen volgare und einer stilistisch ausgefeilteren in der humanistischen Gelehrtensprache Latein. Die Beiträge des Bandes konzentrieren sich auf die lateinische Fassung, die sie mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen unter philologischen, literaturwissenschaftlichen, philosophischen und kunstgeschichtlichen Aspekten beleuchten.

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