Leitfaden zur Einführung in das gesamte Versicherungswesen [Reprint 2019 ed.] 9783110641868, 9783110640359


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German Pages 85 [92] Year 1919

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Table of contents :
Vorbemerkung
Inhalt
Abkürzungen
§ 1. Begriff und Zweck der Versicherung
§ 2. Versicherungsarten
§ 3. Versicherungsschein
§ 4. Prämien. Prämienreserve
§ 5. Versicherungsagenten
§ 6. Feuerversicherung
§ 7. Die Hagelversicherung
§ 8. Viehversicherung, Pferdeversicherung
§ 9. Versandversicherung
§ 10. Sonstige Versicherungsarten
§ 11. Einbruchdiebstahlversicherung
§ 12. Waldbrandversicherung
§ 13. Lebensversicherung
§ 14. Unfall- und Haftpflichtversicherung
§ 15. Mietverluftversicherung und andere Versicherungen
§ 16. Rückversicherung
§ 17. Organisation der privaten Versicherungsunternehmungen
§ 18. Die öffentlichen Versicherungsanstalten
§ 19. Die Bayerische Brandversicherungsanstalt
§ 20. Ausländische Unternehmungen
§ 21. Die soziale Versicherung
§ 22. Die Arbeitslosenversicherung
§ 23. Statistik und Versicherungsmathematik
Alphabetisches Sachregister
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Leitfaden zur Einführung in das gesamte Versicherungswesen [Reprint 2019 ed.]
 9783110641868, 9783110640359

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Leitfaden zur Einführung in das gesamte

Versicherungswesen Don

Dr. Heinrich v. Haag Präsident a. D. der Bayerischen Dersicherungskammer

München und Berlin 1919 Druck und Verlag von R. Oldenbourg

Alle Rechte, insbesondere das der Übergehung, Vorbehalten. Copyright 1919 by R. Oldenbourg, Munich.

Vorbemerkung. Das Versicherungswesen hat in den letzten Jahrzehnten so sehr an Raum gewonnen, daß es für den einzelnen schwer ist, sich mit allen neugeschaffenen Einrichtungen bekannt zu machen. Beim Wieder­ aufbau der deutschen nationalen Wirtschaft wird der Versicherung eine noch größere Rolle zukommen müssen, weil sich durch die neuen

Verhältnisse eingreifende Veränderungen ergeben und der Kredit

in erhöhtem Maße in Anspruch genommen wird. Vielen Interessenten, besonders den mit Bersicherungsangelegenheiten der verschiedensten

Art Beschäftigten in der Industrie und Landwirtschaft sowie den Versicherungsangestellten und -agenten dürfte es daher erwünscht und von Nutzem sein, einen Leitfaden an die Hand zu bekommen, der ihnen einen Überblick über das ganze Versicherungswesen gewährt.

Diesem Zweck soll die vorliegende Schrift dienen. Eine erschöpfende wissenschaftliche Behandlung aller einzelnen Versicherungszweige konnte die Aufgabe des Leitfadens nicht sein. Dagegen wird dieser allen als Führer dienen, die sich über das vielgestaltige Versicherungs­ wesen unterrichten wollen. Wer einzelne Bersicherungszweige weiter zu verfolgen und näher kennen zu lernen beabsichtigt, wird in der Reichs- und Landesgesetzgebung, namentlich in dem Reichsgesetz

vom 12. Mai 1901 über die privaten Versicherungsunternehmungen, in dem Reichsgesetz vom 30. Mai 1908 über den Versicherungsvertrag und in der Reichs-Versicherungsordnung vom 19. Juli 1911 sowie in der bisher erschienenen reichhaltigen Literatur, insbesondere in den Kommentaren zu den genannten Gesetzen und in der vom Deutschen Verein für Bersicherungswissenschaft herausgegebenen Zeitschrift für Versicherungswissenschaft (Berlin, bei Mittler u. S.) höchst wertvolle Aufschlüsse finden. Alle wichtigen gerichtlichen Entscheidungen sind

in der von Hofrat Dr. Soergel herausgegebenen Zeitschrift „Das Recht" enthalten.

Anhalt. $ 8 § § § 8 8 8 § 8 8 8 8 8 8 8 8 8 § 8 8 8 8

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.

Begriff und Zweck der Versicherung.................................................... Bersicherungsarten . . ............................................................................ Versicherungsschein................................................................................. Prämien, Prämienreserve . ................................................................... Versicherungsagenten ............................................................................. Feuerversicherung..................................................................................... Hagelversicherung...................................................................................... Viehversicherung, Pferdevecsicherung.................................................... Bersandversickerung................................................................................. Sonstige BersicherungLartcn................................................................... Einbruchdiebstahtversicherung................................................................ Waldbrandversicherung ......................................................................... Lebensversicherung................................................................................. Unfall- und Haftversicherung................................................................. Mietverlustversicherung und andere Versicherungen.......................... Rückversicherung..................................................................................... Organisation der privaten Bersicherungsunternehmungen .... Die öffentlichen Versicherungsanstalten............................................... Die Bayerische Brandversicherungsanstalt........................................... Ausländische Unternehmungen ............................................................ Die soziale Versicherung........................................................................ Die Arbeitslosenversicherung.............................. Statistik und Bersicherungsmathematik . ..............................................

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Abkürzungen. ABBPG = Allgemeine Bersicherungsbedinaungen der Privat­ gesellschaften. AgBG = Angestelltenversicherungs­ gesetz vom 20. Dezember 1911. AgB = Angestelltenversicherung. APB --- Aufsichtsamt für Privat­ versicherung. BGB = Bürgerliches Gesetzbuch. BGBVG = Begründung zum Gesetz über den Versicherungs­ vertrag. FB = Feuerversicherung. HB ■= Hagelversicherung. KB — Kinderversicherung. LV = Lebensversicherung. NSt --Normalstatut. PB ---- Privatversicherung. PsdB = Pferdeversicherung.

RBO RB UV B BAG

Be BF Bn VolksB Br BSch BU BB BVG

— Reichsversicherungsord' nung vom 19. Juli 1911. = Rückversicherung. ----- Unfallversicherung. = Versicherung = Reichsgesetz vom 12. Mai 1901 über die privaten Bersicherungsunternehmungen. = Der Versicherte. --- Bersicherungsfall. = Der Versicherungsnehmer. = Bolksversicherung. = Der Versicherer. = Versicherungsschein. = Bersicherungsunternehmer. = Biehversicherung. = Reichsgesetz vom 30. Mai 1908 über den Versiche­ rungsvertrag.

8 1.

Begriff und Zweck der Versicherung.

Was ist Versicherung? Wie das Gesetz über die privaten VUnternehmungen vom 12. Mai 1901 es unterlassen hat, eine Begriffs­ bestimmung der BUnternehmung zu geben, so hat auch das Gesetz über den BVertrag vom 30. Mai 1908 von einer solchen Bestimmung abgesehen, weil es nicht möglich ist, den Begriff der V in erschöpfender Weise durch eine gesetzliche Vorschrift festzustellen (Begründung zum

Entwürfe des Ges. vom 30. Mai 1908, S. 54). Nach Dr. B. Krosta ist die V die Vereinigung von Risiken zwecks Ausgleich gegen Entgelt. Aber diese Begriffsbestimmung wird von

anderer Seite als zu eng bestritten.

Im allgemeinen ist die V eine

für bestimmte Personen (Vn und Br) getroffene Einrichtung, durch welche dem Versicherten gegen Entgelt Ersatz für wirtschaftliche Schäden oder ein anderer wirtschaftlicher Vorteil beim Eintritt ge­ wisser Ereignisse oder eines bestimmten Zeitpunkts gewährleistet wird.

Der Grundgedanke der V besteht in folgendem: Der Mensch stand ursprünglich ganz allein da und mußte alle Schäden, welche die Natur, der Zufall oder Böswilligkeit über ihn verhängten, ganz allein tragen. Erst als der Grundsatz der christlichen Nächstenliebe als leuchten­

des und erwärmendes Gestirn über der Menschheit emporgestiegen war, erkannten die Menschen ihre Pfticht zu gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung. Von der Nächstenliebe ausgehend trafen Fürsten, Grundherren und Klöster Einrichtungen, um die Untertanen vor wirtschaftlichem Verfall zu bewahren. Aber solche Einrichtungen für sich allein genügten nicht, nachhaltig einzuwirken und alle Schäden

zu heilen.

Erst als sich die Berufsgenossen zu Körperschaften zusammen­ schlossen, konnte auch der VGedanke einen fruchtbaren Boden finden. Kaufmännische Bereinigungen und Handwerkergilden fingen an, ihn zu pflegen. Der Grundgedanke der B beruht darauf, daß Haag, Leitfaden für bei Versicherungswesen.

1

2 ein Schaden, der von einem allein gar nicht oder nur mit Schwierig­ keiten getragen werden kann, auf die Schultern der Berufsgenossen verteilt wird. Dadmch wird er ohne ErschMerung der zunächst be­ troffenen Mrtschaft erträglich. Nehmen wir z. B. folgende Ver­ hältnisse an: In einem größeren Bezirke sind 100000 Grundeigentümer

vorhanden, von denen jeder ein Haus im dmchschnittlichen Werte von 10000 M. besitzt. Von den 100000 Häusern brennen durchschnittlich

10 im Jahre ab, wodurch ein wirtschaftlicher Schaden von 100000 M. entsteht. Wenn nun jeder der oben erwähnten Grundeigentümer des Bezirkes jährlich 1M. als Beitrag an eine gemeinschaftliche Kasse einzahlt, so kann damit die Entschädigung für die abgebrannten Häuser an die von dem Schaden betroffenen Besitzer geleistet werden. Die V beruht also auf dem Grundgedanken, daß sich eine größere Zahl

der von gleichen wirtschaftlichen Nachteilen Bedrohten zur gemein­ samen Tragung der vorkommenden Schäden zusammenschließt und die erforderlichen Mittel durch regelmäßige Beittäge aufbringt. Da­ dmch wird der Schaden ohne nachteilige ErschMerung der zunächst betroffenen Mrtschaft erträglich. Allerdings bezieht sich dieses Verhältnis zunächst auf die eigent­

liche Schadenversicherung. Aber auch den übrigen BFormen liegt der genossenschaftliche Gedanke zugrunde, und es ist ein großer Fortschritt unserer Zeit, daß das Gedeihen der Einzelwirtschaft durch gemein­ same Einrichtungen zu brüderlichem Zusammenstehen, zur Entwick­ lung und Befestigung des Sparsinnes und zum Übergang zm Kapital- und Geldwirtschaft ermöglicht wird.

In allen diesen Ver­

hältnissen ist die B der erlösende Gedanke, welcher den Versicher­ ten freie Bahn zur Verbesserung ihres Hausstandes und ihrer gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse eröffnet. Statt seine kleinen

Ersparnisse im Kasten zu verschließen, stellt sie der Minderbegüterte

der VGememschaft zur Verfügung und erreicht damit den Vorteil, daß jeder Pfennig sofort in Verzinsung tritt und ihm sein Sparkapital später wieder zugute kommt.

8 2.

Versicherungsarten.

Man unterscheidet zwischen SchadensV und PersonenB, wovon die erste den Ersatz für Schäden an versicherten Sachen, letztere gewisse Leistungen der VGememschaft an den Versicherten in Geld

oder sonstigen Darbietungen bezweckt.

Die PersonenV wird häufig

auch SummenB genannt, was nicht ganz richtig ist, da sie nicht

bwß Kapital oder Renten, sondern auch wie bei der Kranken- und UV Leistungen anderer Art, wie freie ärztliche Behandlung, unent­

geltlichen Aufenthalt in einem Krankenhause, unentgeltliche Lieferung von Arzneimitteln u. dgl. gewährt. Zur SchadensV gehören: 1. die FeuerV,

2. „ HagelB, 3. „ ViehV, 4. „ TransportV,

6. die EinbruchB, 7. „ 8. „

GlasV, WaldbrandV,

9. Sturm- und WasserschadenB.

5. „ HaftpflichtV, Zur Gruppe der PersonenV gehört die Lebens-, Unfall- und KrankenV. Man unterscheidet ferner zwischen direkter und RückB.

Bei

der letzteren sind sowohl der Bn wie der Br BU. Die MckB dient der Hauptsache nach dazu, die Tragung der Schäden auf einen noch größeren Kreis umzulegen als er bei der versichernden Untemehmung vorhanden ist. Weitere BZweige sind die B gegen Kursverluste und die

KreditB. Wenn die B von einer Staatsanstalt, einer öffentlichen Behörde oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts betrieben wird, heißt sie „öffentliche V" im Gegensatz zur privaten V, die von ein­ zelnen Unternehmern, Aktien- oder Gegenseitigkeitsgesellschaften oder

Vereinen betrieben wird. Für die öffentliche V gelten die einschlägigen landesrechtlichen

Bestimmungen, für die private V das VAG, welches die Errichtung von BUnternehmungen von der Erlaubnis der Aufsichtsbehörde ab­ hängig macht und dieser einen so entscheidenden Einfluß auf die gesamte Geschäftsgebarung des Unternehmens einräumt, daß der private Erwerbszweck weit in den Hintergrund und die Fürsorge für eine gedeihliche Entwicklung der Unternehmungen und für möglichste Sicherstellung der dem Versicherten zukommenden Leistungen in den

Vordergrund getreten ist. Neben der B im allgemeinen spricht man auch von einer SelbstB, wenn der Ve im Schadensfälle nicht den vollen Wert zu beanspruchen 1*

4 hat, was immer dann der Fall ist, wenn der Bn nicht den ermittelten vollen Wert, sondem, um an Prämien zu sparen, nur einen Teil dieses Wertes versichert und für den übrigen Teil die Gefahr selbst trägt.

Wenn ein Warenlager auf 30000 M. geschätzt ist und vom Eigentümer nur mit 20000 M. versichert wird, so liegt bezüglich der Differenz von 10000 M. die sog. SelbstB vor, die aber überhaupt gar keine

B ist. Die sog. vereinbarte SelbstB liegt vor, wenn der Bn im BF einen bestimmten Teil des Schadens selbst zu tragen hat. Man unterscheidet ferner B für eigene und für fremde Rech­ nung. Letztere ist vorhanden, wenn eine Person für einen anderen einen VBertrag abschließt. Keine B für fremde Rechnung liegt vor, wenn derjenige, welcher durch den Vertrag mit dem Br das Interesse

eines anderen versichert, den Vertrag im Namen dieses anderen als dessen Vertreter, insbesondere als Bevollmächtigter oder Geschäfts­ führer ohne Auftrag, schließt. Um auch einfachen Sparern die V zu ermöglichen, wurde in allen deutschen Staaten die sog. BolksV ins Leben gerufen, bei der

mit verhältnismäßig geringen Beiträgen (Prämien) Heine Kapitale, auch Sterbegelder erworben werden können. Im Gegensatz hiezu spricht man von der großen V, welche noch immer eine viel weitere

Verbreitung besitzt. Bei der SchadenB kommt auch die V au Premier risque vor; wenn der Bn ungeachtet der UnterB für Teilschäden bis zur vollen Höhe der VSumme gedeckt sein will, wobei der Br eine solche Haftung

in der Regel nur gegen eine höhere Prämie übernimmt. Unter KaskoB wird die V gegen Verlust oder Beschädigung von Schiffen durch Unglücksfälle verstanden, eine BArt, die auch von

Heineren VBereinen betrieben wird. Den Bedürfnissen der Zeit entsprechend sind viele neue BZweige entstanden, so die Mietverlust-, die Betriebsverlust-, die Zucker-

preisdifferenz-, die Kredit-, die KundenV, wenn eine Gesell­ schaft nicht unmittelbar, sondem unter Vermittlung eines kaufmännischen Geschäftes, eines Warenhauses u. dgl. eine Unfallversichemng gewährt,

dann die AbonnentenB. Im BVG sowie in den VBedingungen werden die Leistungen des Br vom Eintritt des VF abhängig gemacht. Bei der FB ist der VF der Eintritt des Brandschadens, bei der HB die Beschädigung

durch Hagelschlag, bei der BB der Tod oder die Nottötung von Tieren, bei der LB der Tod eines Menschen oder das Erleben eines bestimmten Zeitpunktes. Der Versicherungsnehmer, mit dem der Versicherer einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat und der dadurch zum

Versicherten geworden ist, muß in den meisten Fällen den Eintritt des

Versicherungsfalles dem Versicherer anzeigen. S. §§ 33, 92, 110, 122, 153, 171 und 182 d. VBG. Doppelversicherung und Überversicherung.

Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz, daß die B gegen Feuersgefahr und ähnliche Sachschäden zu keinem Gewinn für den Vn führen darf. Auch das VBG (§ 159) erklärt jede in gewinnsüchtiger Absicht abgeschlossene B für nichtig (§ 59), in dem es ausspricht: „Hat der Vn eine DoppelV in der Absicht genommen, sich dadurch einen

rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, so ist jeder in dieser Absicht abgeschlossene Vertrag nichtig." Abgesehen von diesem all gemeinen Verbot der gewinnsüchtigen DoppelV kann zwar ein Vn für ein Interesse gegen dieselbe Gefahr bei mehreren Vr V nehmen,

er muß aber jedem Br von der anderen V unverzüglich Mtteilung machen. Im Falle einer mehrfachen B kann der Vn nie mehr als

Vergütung des wirklichen Schadens beanspruchen. Eine UberB ist vorhanden, wenn die VSumme höher ist als der BWert zur Zeit des Eintritts des VF (VBG § 55). Der Vr ist nicht verpflichtet, dem Vn mehr als den wirklichen Betrag des Schadens zu ersetzen. Auch in den allgemeinen VBedingungen deutscher VAnstalten ist dem Vn im Falle der DoppelV ausdrücklich die Verpflichtung

auferlegt, dem Vr die DoppelV schriftlich zur Anzeige zu bringen. Der Vr ist berechtigt, das BVerhältnis unter Einhaltung einer Kündi­ gungsfrist von 3 Monaten zu kündigen.

§ 3.

Versicherungsschein.

Der Vr ist verpflichtet, eine von ihm unterzeichnete Urkunde über den VVertrag (VSch, Polize, bei den öffentlichen Anstalten: Aufnahmsurkunde) dem Vn auszuhändigen. Der BSchein enthält regelmäßig alle näheren Bestimmungen des BVertrages (Gegenstand

der B, Beginn und Ende, Prämie, Gefahrerhöhung, Anzeigen über

6 Änderungen der versicherten Gegenstände usw.) und ist, abgesehen von seiner Bedeutung als Beweismittel, namentlich deshalb für den Bn von Wert, weil dieser sich aus dem Schein über seine Rechte und

Wichten gegenüber dem Br zu unterrichten vermag. Es kann im VVertrag bestimmt werden, daß der Br nur gegen Rückgabe des

VSch die von ihm übernommenen Leistungen zu betätigen hat. Der BSch ist deshalb sorgfältig aufzubewahren. Ist ein VSch abhanden ge­ kommen oder vernichtet, so kann der Vn von dem Br die Ausstellung einer Ersatzurkunde verlangen. Für die Beendigung eines BBerhältnisses entscheiden die im BSch enthaltenen Bestimmungen. Die Verfolgt nach BPerioden. Regel­ mäßig versteht man unter BPeriode den Zeitraum, nach welchem

die Bemessung der Prämie erfolgt. Da in den weitaus meisten Fällen die Prämie nach einjährigen Zeitabschnitten bemessen wird, so versteht

man unter BPeriode den Zeittaum eines Jahres. Es liegt im Interesse des Bn den ihm zugestellten BSch genau zu prüfen. Die Annahme des Scheines hat im allgemeinen die Wir­ kung, daß sein Inhalt als vom Vn genehmigt gilt, wenn ihm vom Br eine Frist von mindestens einem Monat für die Erhebung eines Wider­ spruches gegen die Richtigkeit des Scheines gewährt ist und der Bn

innerhalb dieser Frist Widerspruch nicht erhoben hat. Vgl. § 5 BVG. In den allgemeinen BBedingungen der Privatversicherungsgesellschasten ist diese Frist gleichfalls vorgesehen. Übrigens hat der Bn

das im BGB jedem Berttagschließenden gewährte Recht, seine Erklärung wegen Irrtums anzufechten, ungeschmälert behalten (Be­

gründung z. E. d. BBG). Nach den ABBPG wird im BSch auf Grund des Antrages des Bn die Lokalität vorgettagen, in der sich die versicherten Sachen befinden. Diese „BLokalität" ist der räumliche Geltungsbereich der Versicherung, innerhalb dessen die versicherte Sache ihren Stand­ oder Aufbewahrungsort wechseln kann. Änderungen bezüglich der

BLokalität muß der Ve unverzüglich dem Br anzeigen. Ist die Anzeige

nicht rechtzeittg erfolgt, so ist der Br berechttgt, das VBerhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu kündigen. Jede Ausdehnung oder Änderung des räumlichen Geltungs­

bereiches der V bedarf der besonderen Vereinbarung zwischen Br und Bn.

Der VSch wird auch Weltpolize genannt, wenn dem Bn keine Beschränkungen bezüglich des Aufenthalts auferlegt sind. Nach

zweijähriger Karenzzeit wird dem Bn in der Regel völlige Reiseund Aufenthaltsfreiheit hinsichtlich der ganzen bewohnten Erde zu­

gestanden. Eine besondere Form des VSch ist der sog. Abtrennversiche­ rungsschein, auch Abreißversicherungsschein oder Kuponpolize genannt. Hinzu kommt noch die ZeitungsabonnementB

Diese Formen des VSch verdanken ihre Entstehung der Entwicklung der Verkehrsverhältnisse, insbesondere des Reiseverkehrs, außerdem auch der Absicht des Vr, ein neues Werbemittel zu schaffen. In der Regel handelt es sich um einen Massenbetrieb, bei dem die persön­ lichen Verhältnisse des Vn ganz in den Hintergrund treten. Über die rechtliche Bedeutung der genannten VArten einschließlich der

AutomatenB gibt ein Aufsatz von Geh. Justizrat R. Schneider in

der Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (18. Band, 4. Heft) erschöpfenden Ausschluß.

§ 4.

Prämien. Prämienreserve.

Die Prämie ist der Entgelt, den der Ve dem Vr für seine Leistungen zu entrichten hat. In manchen Anstalten,

namentlich bei den öffentlichen VAnstaltea, wird statt Prämie der

Ausdruck „Beitrag" gebraucht. Das VAG und das VVG haben aber den namentlich bei der PrivatV längst üblichen Ausdruck Prämie beibehalten. Der Vn hat die Prämie und, wenn laufende Prämien bedungen

sind, die erste Prämie sofort nach dem Abschluß des BVertrages zu entrichten. Er ist zur Zahlung nur gegen Aushändigung des VSch

verpflichtet (§ 35 VVG), es sei denn, daß die Ausstellung eines solchen Scheines ausgeschlossen ist.

Die Prämien werden durch den Versicherungsvertrag bestimmt und bleiben in der Regel gleich während der ganzen Dauer des Ver­ sicherungsverhältnisses. Bei Erhöhung der Gefahr kann der Vr eine Erhöhung der Prämie beanspruchen. Es gibt aber auch eine B mit

beweglicher Prämie. Diese überläßt es dem Vn festzusetzen, welche

Prämie alljährlich für die gewählte Versicherungsart verwendet werden soll, und bestimmt hienach die BSumme, die sich sodann

8 mit der wechselnden Jahresprämie gleichfalls ändert, ohne daß — da

es sich hier um LB handelt — eine neue ärztliche Untersuchung ge­ fordert wird. Es kann auch von vornherein vereinbart werden, daß die Anfangsprämie sich in bestimmten Zeiträumen um einen fest­ gesetzten Betrag erhöht oder daß bei Angestellten die Prämie einen bestimmten Hundertsatz des Gehaltes ausmacht und sonach bei Erreichung

höherer Gehaltsstufen verhältnismäßig zunimmt. Unter Bruttoprämie versteht man den Rohbeitrag, unter Extra­ prämie jeden Beitrag neben der Normalprämie. Die Nettoprämie ist der Rohbeitrag abzüglich des Austeils und sonstiger Vergütungen. Unter Prämienrabatt (Beitragsabschlag) versteht man gewisse Be­ günstigungen, die vom Vr dem Vn in bezug auf die Prämie gewährt

werden, wenn ein günstiges Risiko vorliegt und an den Verwaltungs­ kosten (namentlich wenn die Einhebung der Prämien durch den Arbeit­ geber für seine Arbeiter oder durch einen Verein für seine Mitglieder vorgenommen wird) gespart werden kann.

Die Prämie ist nach §36 d. VVG eine sog. Bringschuld. Der Bn hat auf seine Gefahr und seine Kosten die Prämie dem Vr. zu übermitteln. Wenn übrigens die Prämie bisher regelmäßig bei dem Bn abgeholt wurde, so ist dieser zur Übermittlung der Prämie erst verpflichtet, wenn ihm schriftlich angezeigt wird, daß die Übermitt­ lung vom Br verlangt wird. Prämienreserve. Der Vr steht zum Bn in einer Art von Vertrauensverhältnis.

Die eingezahlten Prämien haben der Hauptsache nach dazu zu dienen, beim Eintritt des BF die dem Vn zugesagte Leistung bewirken zu können. Bei vielen Arten der LV ist die einbezahlte Prämie ein Spar­ gut, das der Vn nach Eintritt des VF mit Zinsen und Zinseszinsen zurückerhält.

„Die Prämienreserve ist die aus den jeweils eingehenden Prämien gebildete Rücklage, deren der Vr bedarf, um die verfüg­ baren Beträge seiner künftigen Einnahmen auf die Höhe der zu er­ wartenden Versicherungsansprüche zu ergänzen." BzVVG, S. 182. Dr. Rehm gibt in seinen Erläuterungen zum VAG, S. 234, folgende Definition: „Die Prämienreserve ist eine aus Prämien hergestellte

Reserve zur Deckung künftiger Entschädigungszulagen."

Nach den

Vorschlägen eines Fachkundigenausschusses heißt die Prämienreserve „Beittagsrücklage oder Deckungskapital oder Sparbeittagsrücklage" und der Prämienreservefonds „Beittagsrücklagestock".

Bei der LB sind mit Mcksicht auf den Zweck der Prämienreserve

dem Br durch das VAG verschiedene Verpflichtungen auferlegt, welche dazu dienen, die angesammelten Prämien im Interesse der Versicherten möglichst sicher zu stellen. Die Prämienreserve ist vom Br besonders zu verrechnen und zu buchen (§56 VAG), ihre Fonds müssen in der für Mündelgelder vorgeschriebenen Weise (§ 1807 BGB) angelegt werden. Bezüglich der Anlage in Wertpapieren und Hypotheken gibt § 59 VAG nähere

Vorschriften. Dem Prämienreservefonds dürfen, abgesehen von den zur Vornahme und Änderung der Kapitalanlagen erforderlichen Mitteln, nur diejenigen Bettäge entnommen werden, welche durch Eintritt des Versicherungsfalles, durch Rückkauf oder andere Fälle der Beendigung von VBerhältnissen frei werden (§ 61 VAG).

Jede VUnternehmung muß für jede B die tteffende Prämien­ reserve genau berechnen. Um jungen VUnternehmungen den Ge­ schäftsbetrieb zu erleichtern, läßt das VAG auch eine Methode zu, nach welcher „anfänglich" nicht die volle Prämienreserve zurückgestellt

wird, wobei jedoch der Satz von 12% pro Mille der Versicherungs­ summe nicht überschritten werden darf. Dieses Verfahren wird kurz

das „Zillmern" genannt nach dem Mathemattker Zillmer (Beittäge zur Theorie der Prämienreserve, 1863). Der Rücklageteil der ersten Jahresprämie wird statt zur Bildung des Prämienreservefonds ganz oder teilweise zur Deckung der beim Abschluß der B entstandenen Kosten verwendet und der Ausfall erst in einer Reihe von Jahren

oder während der ganzen Dauer der V ausgeglichen, sohin die An­ sammlung des vollen Prämienreservefonds verzögert (vgl. Rehm,

Erl. z. BAG., S. 75).

Bei der Umwandlung einer LV in eine prämienfreie V (§ 173 und 174 VBG) wird die Prämienreserve für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode berechnet. Die Prämienreserve gehört zwar dem Vr, aber es ist gesetzlich vorgesorgt, daß sie stets zur wirtschaftlichen Sicherung des Bn zu dienen hat (vgl. Rehny Erl. z. BAG, S. 233). Nach § 61 VAG können jedoch die Versicherten, wenn der Konkurs über die VU eröffnet worden

10 ist, denjenigen Betrag fordern, der als rechnungsmäßige Prämien­ reserve zur Zeit der Konkurseröffnung auf sie entfällt.

Wenn das BBerhältnis mindestens 3 Jahre bestanden hat und die Prämie für diesen Zeitraum bezahlt ist, so kann der Br nach § 174 BBG jederzeit die Umwandlung der V in eine prämienfreie B verlangen.

Auch hier spielt die Prämienreserve eine Rolle. Der Be, der beispiels­ weise eine weitere Prämienzahlung nicht mehr leisten kann oder will, ist nicht auf die ihm zustehende Kündigungsbefugnis angewiesen,

sondern besitzt in der auf ihn entfallenden Prämienrrserve, fofeme

ihr mindestens 3 Jahresprämien zugrunde liegen, ein Mttel, durch welches sich seine Zahlungspflicht beseitigen läßt, ohne daß er aus dem Bersicherungsverhältnis auszuscheiden braucht. Macht der Ve von diesem Mttel Gebrauch, so tritt an die Stelle des im VVertrag fest­ gesetzten Kapital- oder Rentenbetrages der Betrag, der sich für das gegenwärtige Alter desjenigen, auf dessen Person die B genommen ist, als Leistung des Vrs ergibt, wenn die auf die B ent­

fallende Prämienreserve als einmalige Prämie angesehen wird. Der Vr braucht keine weiteren Prämien mehr zu bezahlen, anderseits wird aber auch die dem Vr obliegende Leistung in ihrem Betrage gemindert. In allen anderen Beziehungen bleiben die Bestimmungen

des ursprünglichen Vertrags nach wie vor maßgebend.

$ 5.

Versicherungsagenten.

Die VAgenten vermitteln die Übernahme von Ripken durch die

Br. Statt der Bezeichnung Agent ist der Ausdruck „Vertreter" oder „Vermittler" vorgeschlagen. Da aber weder im VAG noch im VVG die Ersetzung des längst in allen Kreisen eingebürgerten Wortes „Agent" durch eine viel allgemeinere und doch nicht erschöpfende Bezeichnung als veranlaßt erachtet worden ist, so ivird im BGeschäft der Ausdruck „Agent" ohne Zweifel berbehalten werden. In der Praxis wird unter­

schieden zwischen Hauptagent und Unteragent, Generalagent mit oder ohne Abschlußvollmacht, dann Agentur und Generalagentur. Das Hauptgeschäft des Agenten besteht in der Akquisition, dem

Werbedienst, der die Belehrung und Heranziehung von Vn bezweckt. Der Agent ist berufen, einzelnen Personen die Vorteile der V näher auseinanderzusetzen und dem VLustigen mit Rat an die Hand zu gehen, welche VArt seinen Verhältnissen am besten entspricht. Selbst-

verständlich darf der Agent über bte ihm von der Direktion (Vorstand, Geschäftsleitung) erteilten Befugnisse nicht hinausgehen. Solide VUnternehmungen wünschen keineswegs, daß ihre Agenten um jeden Preis BLustige beibringen, und halten darauf, daß Übertreibungen und Anoriffe auf im Mitbewerb stehende Unternehmungen vermieden werden.

Die Akquisitionsgebühren müssen so bemessen werden, daß sie dem Agen­

ten eine auskömmliche Vergütung für seine Bemühungen gewähren. Die Akquisitionskosten spielen im BGeschäft eine große Rolle, wie aus den Rechenschaftsberichten der meisten VUnternehmungen hervor­ geht. Die Rechtsverhältnisse der Agenten richten sich nach den ihnen erteilten Vollmachten und sind nach den Bestimmungen des Handels­

gesetzbuches, des BGB und des VAG sowie des VBG zu bemessen. Nach § 64 des VAG erstreckt sich das Recht der Beaufsichtigung der VUnternehmungen auch auf die Agenten (§ 64 VAG, Kommentar von Rehm, S. 281). Bei der FB und HV sind die Hauptagenten

(Generalagenten) regelmäßig auch mit dem Abschluß von VBerträgen betraut, nicht aber bei der LV. Sämtliche Agenten sind verpflichtet, der Aufsichtsbehörde auf Erfordern ihre Bücher und Geschäftspapiere zur Einsicht vorzulegen. § 65 VAG.

Der Agent darf Versicherungsanträge entgegennehmen, ebenso Anzeigen über Änderungen der Gefahr, Kündigungen und RücktriUserklärungen, er gilt als bevollmächtigt, die Versicherungs- und Ver­ längerungsscheine auszuhändigen sowie Prämien nebst Zinsen und Kosten entgegenzunehmen. Ist ein Agent zum Abschluß von Ver­ sicherungsverträgen bevollmächtigt, so ist er auch befugt, die Änderung

oder Verlängerung solcher Verträge vorzunehmen. Wenn ein Agent für einen bestimmten Bezirk aufgestellt ist, so beschränkt sich seine Bertretungsvollmacht auf Geschäfte und Rechtshandlungen, welche sich auf Versicherungsverträge über die im Bezirk befindlichen Sachen oder mit den im Bezirk sich gewöhnlich aufhaltenden Personen be­ ziehen (§ 46 VBG). Eine Beschränkung der dem Agenten nach §§ 43 bis 46 des VBG zustehenden Bertretungsmacht braucht ein Dritter nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vomahme des Geschäfts oder der Rechtshandlung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§47 BVG). Bei der Ausfüllung von BAnträgen durch den Agenten kommt

in Betracht, daß der Vn, wenn ihm nicht besondere Entschuldigungs-

12 gründe zur Seite stehen, für die Folgen unrichtiger Beantwortung der im Antragsformular gestellten Fragen hastet, mag er selbst oder der Agent die Fragebogen ausgefüllt haben. Letzterer handelt dabei nicht als Vertreter des Br, und der Bn darf nicht ohne weiteres die

Beantwortung der Fragen dem Agenten überlassen (Urteil des Ober­

landesgerichts Kolmar vom 30. Juni 1916). Das Verhältnis zwischen dem Agenten und dem VU bestimmt

sich zunächst nach dem Agenturvertrag. Wenn der Untemehmer eine Aktiengesellschaft oder sonst ein Kaufmann ist, greifen die Vor­ schriften Platz, welche das Handelsgesetzbuch für das innere Verhältnis zwischen dem Handlungsagenten und dem Geschäftsherrn gibt. So­ weit das Handelsgesetzbuch unanwendbar ist oder eine Regelung nicht bietet, steht das Verhältnis unter den Grundsätzen des bürger­ lichen Rechts, insbesondere der Vorschriften über den Dienstvertrag sowie einzelner Vorschriften über den Auftrag (§§ 675, 711 E. f. BGB). Der VAgent ist ständig für einen bestimmten Br tätig, seine Tätigkeit dient somit planmäßig dem gleichen wirtschaftlichen Zweck

wie die Tätigkeit des Versicherers selbst, bildet also mit dessen Tätig­ keit eine wirtschaftliche Einheit. Nicht als selbständiges Gewerbe, aber als Bestandteil der Bll fällt das BAgentengewerbe unter die reichsgesetzliche Beaufsichtigung (vgl. Rehms Erl. zum VAG, S. 14). Nach den allgemeinen VBedingungen der PBGesellschaften gilt der nur mit der Vermittlung von VGeschäften betraute Agent als

bevollmächtigt zur Empfangnahme von Prämien und Kosten, sofern es sich im Besitz einer vom Vr unterzeichneten Prämienrechnung befindet.

Für die VGesellschaften ist es von größtem Werte, durch Agenten vertreten zu sein, welche mit den wirtschaftlichen Verhältnissen ihres Bezirkes vertraut sind und das VBedürfnis der einzelnen Betriebs­ unternehmer und sonstiger Personen richtig einzuschätzen wissen. Das VBedürfnis ist bei der Einrichtung neuer Geschäfte und Anlagen unabweisbar, es wächst mit der Kreditanspannung und Gefahrerhöhung

und wird nach Beendigung des Weltkrieges 1914/1918 den BAgenten reichlich Gelegenheit zur Entfaltung einer angemessenen Vermittlung

geben. Die Entlohnung für die BAgenten findet statt durch die schon

oben erwähnten Abschlußvergütungen und durch Zuweisung von Hebe­ gebühren (Inkassoprovisionen). Bei ausgedehntem Geschäftsbetrieb

verursacht die Einziehung der Prämien oft erhebliche Arbeit. Viele

VUnternehmungen sind daher darauf bedacht, die Prämien unter Vermittlung der etwa vorhandenen Berufsorganisationen und son­ stiger Vereinigungen einzuziehen. Die Tätigkeit des VAgenten ist übrigens mit der Werbung von Vn, mit der Antragstellung,' Ausfertigung und Zustellung von VSch

noch nicht abgeschlossen. Wenn der VF eintritt, muß der Agent darüber wachen, daß die Schadensanzeige richtig erfolgt, daß der Br seiner Rettungspslicht in ausreichendem Maße obliegt und daß der einge­ tretene Schaden wahrheitsgetreu festgestellt wird. Bei diesen sämt­ lichen Geschäften hat der Agent selbstverständlich die Interessen des

BU zu wahren, er wird aber auch seine Kenntnis der lokalen Ver­ hältnisse bei jedem Anlaß in angemessener Weise verwerten. In einer beim bayer. Finanzministerium eingereichten Denk­ schrift der VGesellschaften.ist festgestM, daß im Deutschen Reich rund

400000 Agenten und Angestellte im VWesen verwendet werden. Es geht hieraus hervor, daß dem Agentenwesen eine erhebliche wirtschaft­ liche Bedeutung zukommt.

§ 6. Feuerversicherung. Die FB wird betrieben von 41 Aktiengesellschaften mit einer BSumme von 166993324000 M., einer Prämieneinnahme von 293094445 M. und mit Bruttoschäden von 228727972 M., dann von 22 Gegenseitigkeitsvereinen mit einer BSumme von 20654860000 M., einer Prämieneinnahme von 52132687 M. und mit Bruttoschäden

von 15234116 M. Sämtliche Privatanstalten für FV besaßen Ende 1917 ein Garantiekapital von 272403819 M., an Prämienüberträgen 353538474 M., eine Schadenreserve von 109316395 M. und sonstige Reserven im Betrage von 179589473 M. Der Gesamtgewinn dieses

BZweiges belief sich auf 63295863 M. Die Privatfeuerversicherung bildet, wie diese Zahlen beweisen, einen gewaltigen, durch großartige Reserven verstärkten Schutz eines

wichtigen Teiles des Nationalvermögens und ist für die Industrie, den Handel und die Gewerbe, für die Städte sowohl wie für das Land von größter Wichtigkeit. Es ist namentlich mit Rücksicht auf die ländlichen Verhältnisse in neuerer Zeit eine Bewegung hervorgetreten, welche darauf zielt, die Mobiliar-FV auch den öffentlichen Anstalten

14

zuzuweisen. In der bayerischen Kammer der Abgeordneten wur­ den wiederholt Anträge zur Herbeiführung dieser Maßnahme gestellt.

Die Bayerische Staatsregierung hat int Jahre 1910 dem Landtage eine umfassende Denkschrift „Über die Frage der Mobiliar-FB in Bayern" vorgelegt, der ein Gutachten des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung vom 26. Januar 1910 beigefügt ist. In dieser Denkschrift wird ein Bedürfnis zur Verstaatlichung der MobiliarB in Bayem als zurzeit nicht gegeben erachtet. Oberster Grundsatz jeder FB ist, wie in §2 erwähnt, daß sie im

Schadensfälle nicht zu einem Gewinn des Bn führen darf. Bon größter Wichtigkeit ist daher die Ermittlung des Wertes der Versicherungs­ gegenstände und eine zuverlässige Schadensermittlung. Die Feuerversicherung von Gebäuden.

Wer sich über diesen BZweig näher unterrichten will, findet ein reiches Material in dem trefflichen Kommetttar des Herrn Regierungsdirettors Stör, „Die Brandversicherungsgesetze", München 1907 bei O. Beck. Bei den öffentlichen Anstalten ist der Eintritt mit einem Gebäude in die B von der vorgängigen Schätzung (Taxatton) abhängig, welche von beeidigten Sachverständigen oder Anstalts­

beamten (in Bayern: Brandversicherungsinspettoren) vorgenommen werden und sich auf alle Teile des Gebäudes erstrecken muß. Eine

Ausnahme macht das bayer. Gesetz vom 23. Juli 1918, welches als Kriegsmaßnahme gestattet, „daß in Zeiten außerordentlicher Steigerung

der Preise" die vorübergehende Erhöhung der BSumme auch ohne eine neue Schätzung stattfinden kann. Es geschah dies in der wohl­ begründeten Erwägung, daß bei der durch den Weltkrieg 1914/18 verursachten Preissteigerung die Kosten der Mederherstellung eines abgebrannten Gebäudes durch die BSumme vielfach nicht mehr gedeckt werden.

Selbstverständlich wird aber der Abbau dieser Einrichtung manchen Schwierigkeiten begegnen, wenn die außerordentliche Steigerung der Preise mit der Herstellung ftiedlicher Verhältnisse in Wegfall kommt. In Bayern gibt es für die Gebäude vier Bauartsklassen, wovon

die 1. Klasse die massiven Gebäude mit harter Dachung, die zweite die Gebäude von Stein- oder Lehmsteinfachwerk mit harter Dachung

die dritte alle Gebäude von Lehmsteckenwerk oder Holz mit harter Dachung sowie die massiven Gebäude mit weicher Dachung, die vierte alle übrigen Gebäude umfaßt. Die Gebäude enttichten einen Beittag

(Prämie) von 10 Pf. in der ersten, 13 Pf. in der zweiten, 20 Pf. in der dritten und 25 Pf. in der vierten Bauartsklasse; durch spätere

Bestimmungen ist jedoch der Beittag auf sieben Zehntel herabgesetzt.

Bei Gebäuden, welche für Zwecke besttmmt sind oder verwendet werden, die eine erhöhte Feuergefährlichkeit in sich schließen, wie Baumwoll­

spinnereien, Kardierereien, chemische Fabriken, Kunstwollfabriken, Lack- und Firnisfabriken, Mlhlen, Papierfabriken, Theater, Seilereien, Tischlereien, Webereien, Zündholz- und Zündstofffabriken, Sägen usw. treten Erhöhungen des Beittags nach Maßgabe der tarisarischen Be­ stimmungen ein. Versicherte Gebäude können bei den öffentlichen BAnstalten nur mit Zustimmung der beteiligten Hypothekgläubiger aus der B ausscheiden. Wenn ein Brandschaden an einem Gebäude eintritt, so muß dies

die Gemeindebehörde zur Anzeige bringen. Die V erfolgt gegen Feuer- und Explosionsschäden. Unter Brand ist nur ein Schadenfeuer zu verstehen, d. h. eine schädigende Feuereinwirkung auf solche Gegenstände, die dem Feuer und seinen Wirkungen nicht von vornherein bestimmungsgemäß ab­ sichtlich ausgesetzt sind. Dabei ist ein Unterschied zu machen zwischen

Schaden- und Nutzfeuer.

Schäden, die durch ein Nutzfeuer an den

ihm bestimmungsgemäß ausgesetzten Gegenständen entstehen, werden

nicht vergütet. Nr. 21.)

(Vgl. die Zeitschrift „Das Recht", XXL Jahrgang,

Als Brandschaden gilt daher nicht: ein durch die Heizung, selbst durch Überheizung durchgebranntes Ofenblech, ein wegen Wasser­ mangels oder aus anderen Gründen ausgeglühter oder geschmolzener Kessel oder Badeofen, eine durch übermäßige Stärke des elektrischen

Sttomes glühend und dadurch schadhaft gewordene elektrische Draht­ leitung oder sonstige elektrische Anlage (Abschmelzen einer Sicherung, Beschädigung einer Schalttafel usw.), Rauchschäden (Schwärzen der Wand oder Decke) sind zu vergüten, wenn der Rauch durch einen Brand

verursacht ist, nicht aber, wenn er durch das Rußen einer Lampe ent­ standen war. Stör, S. 79.

16 Unter Explosion, neuestens auch „Zerknall" genannt, im Sinne

der V ist zu verstehen eine auf dem Ausdehnungsbestreben von

Gasen oder Dämpfen beruhende, plötzlich verlaufende Kraftäußerung, gleichviel ob die Gase oder Dämpfe bereits vor der Explosion vorhanden waren oder erst bei dieser sich gebildet haben. Blitzschäden werden regelmäßig vergütet. Das BVG bestimnkt

in § 82: „Der Br hastet für den durch Brand, Explosion oder Blitzschaden entstehende!» Schaden." Bei der Privat-MobiliarFB richtet sich der zu ersetzende Schaden nach den zwischen Bn und Br getroffenen Vereinbarungen. Maß­ gebend sind hiefür die von den Privatversicherungsanstalten ver­

einbarten allgemeinen VBedingungen (s. Sammlung von BBedingungen, herausgegeben vom Deutschen Verein für Versicherungs­ wissenschaft, Berlin, Mittler u. S., 1913). Der Vr hastet für alle

Schäden, die durch Brand, Blitzschlag oder durch Explosion

von

Leuchtgas aller Art, auch wenn es zu anderen als zu Beleuchtungs­ zwecken dient, oder durch Explosion von Haushaltungsheizeinrtchtungen und von Beleuchtungskörpern entstehen. Die Haftung des Versicherers für den durch Explosionen anderer Art entstehenden Schaden bedarf

der besonderen Vereinbarung. Nach § 86 VVG gilt als VWert bei Haushalts- und sonstigen Gebrauchsgegenständen, bei Arbeitsgerätschaften und Maschinen der­ jenige Betrag, welcher erforderlich ist, um Sachen gleicher Art anzu­ schaffen, unter billiget Berücksichtigung des aus dem Unterschied

zwischen alt und neu sich ergebenden Minderwerts. Nach § 87 VVG kann bei der V beweglicher Sachen eine Taxe ver­ einbart werden, die als der Wert, den das versicherte Interesse zur Zeit der Schließung des Vertrags hat, gilt, es sei denn, daß sie den wirllichen Wert in diesem Zeitpunkt erheblich übersteigt. Liegt eine solche Taxe vor, so ist bei Berechnung der Entschädigung von der Taxe als dem Werte, den die versicherten Gegenstände zur Zeit des Ab­

schlusses der Versicherung hatten, auszugehen. Die ChomageV hängt mit dem ftanzösischen chomer (feiern, nicht arbeiten) zusammen, die chömag« heißt eigentlich Feiern, Ruhe­ zeit, Brachliegen.

Die ChomageV hat hauptsächlich den indirekten

Schaden zum Gegenstand, der durch einen Brand entsteht, z. B. das längere Stillstehen von Fabriken, aber auch den entgehenden Gewinn.

Das VBG fand keine Veranlassung, die Ersatzpflicht der BUnter-

nehmungen grundsätzlich auf den unmittelbaren Schaden zu beschränken,

und überließ es den Unternehmungen, durch die VBedingungen die Haftung gegenüber denjenigen Schäden, für welche sie nicht einstehen wollen, besonders auszuschließen. §53 VBG lautet: „Die B umfaßt den durch den Eintritt des VF entgehenden Gewinn nur, soweit dies besonders vereinbart ist." So entstand die V gegen Metverluste für

den Fall, als ein durch Brand beschädigtes Gebäude leer steht und keine Meter flndet. Nach den allgemeinen VBedingungen der Privat-Feuerversicherungsgesellschaften wird in Brandfällen auch der Schaden ersetzt,

welcher durch Löschen, Niederreißen oder Ausräumen verursacht wird oder „die unvermeidliche Folge eines Brandes ist, der auf dem Grund­ stücke, auf dem sich die versicherten Sachen befinden, oder auf einem angrenzenden Nachbargrundstücke stattgefunden hat." Der Br hat auch den Wert der versicherten Sachen zu ersetzen, welche bei dem Brande abhanden gekommen sind. Einen weiteren Schaden, ins­

besondere einen weiteren mittelbaren Schaden sowie den durch Ein­ tritt des VF entgehenden Gewinn umfaßt die V nur, soweit dies besonders vereinbart ist. Solche Vereinbarungen bestehen zwar bet» einzelnt, aber die sog. BetriebsverlustV ist noch nicht weiter ausgebaut, da sie selbstverständlich große Schwierigkeiten im Gefolge hat. Ein Beispiel aus der Praxis.

Wenn in einer Bierbrauerei ein

Brand stattgefunden hat und die Gerste versichert war, so wird für sie, wenn sie durch den Brand beschädigt wurde, Entschädigung ge­ leistet. Verdirbt aber die gegen Brand versicherte Gerste infolge einer durch den Brand verursachten Betriebsunfähigkeit der Darranlagen, so ist der Br nur zur Erstattung des Wertes verpflichtet, den die Gerste zur Zeit des Eintritts des VF hatte; soll daneben noch der Gewinn ersetzt werden, den der Be durch die weitere Verarbeitung der Gerste

und durch den Verkauf des aus der Gerste hergestellten Bieres erzielt haben würde, so bedarf es einer besonderen Festsetzung im Versiche­ rungsvertrag. Nur hiedurch kann späteren Streitigkeiten zwischen dem Ve und dem Vr vorgebeugt werden.

Nach dem Eintritt eines 8^F, aus welchem Schadensersatz bean­ sprucht wird, hat der Ve, sobald er von dem Eintritt Kenntnis erlangt, dem Br oder dessen Agenten sowie der Ortspolizeibehörde unverzügHaag, Leitfaden für dar Versicherungswesen.

2

18 lich Anzeige zu machen. Die Anzeige an den Br muß binnen zwei

Tagen erfolgen (ABBPG § 11).

Wenn ein Schaden dadurch entsteht, daß versicherte Sachen bei dem Brande abhanden kommen (BVG § 83), so ist der Br ver­

pflichtet, sobald er von dem Abhandenkommen Kenntnis erlangt, der Ortspolizeibehörde unter Bezeichnung der Sachen unverzüglich An­

zeige zu erstatten (ABBPG § 11). Der Pflicht zur Anzeige wird genügt, wenn die Anzeige an die Ottspolizeibehörde binnen drei Tagen nach dem Eintritt des VF erfolgt. Hat ein Brand stattgefunden, so entstehen manchmal Kosten für Abwendung und Mnderung des Schadens. Es können beispiels­ weise Mauern oder Türen durchschlagen oder Stützen an den Mauem angebracht werden. Die hiedurch entstehenden Kosten fallen dem Br zur Last, soweit der Ve die in Frage stehenden Maßnahmen den Umständen nach für geboten halten durste. Nach dem Eintritt eines BF ist sowohl der Be wie der Br be-

berechtgt, das BVerhältnis zu kündigen (BBG §96). Im Interesse des Realkredits enthält das BBG eine Keihe von Bestimmungen, welche bei der B von Gebäuden dem Bn und Br

gewisse Verpflichtungen auferlegen, die auch bei der öffentlichen B eingeführt sind. Zunächst soll die Entschädigung, die der Br zu leisten hat, regelmäßig zur Mederherstellung des versicherten Gebäudes dienen.

Die VBedingungen der Privat-Feuerversicherungsgesellschaften stellen in Übereinstimmung mit § 97 des BBG folgende Grundsätze auf: Wenn versicherte Gebäude vor dem BF mit Hypotheken, Real­ lasten, Grund- oder Rentenschulden belastet sind, so wird die Ent­ schädigung nur zur Wiederherstellung gezahlt und der Be kann die Zahlung erst verlangen, wenn die bestimmungsmäßige Verwendung

des Geldes gesichert ist, es sei denn, daß die vor dem VF eingetragenen Realgläubiger in die unbedingte Zahlung willigen oder selbst zur Empfangnahme der Entschädigung berechttgt sind. Soweit die Entschädigungssumme nicht zu einer den VBestimmungen entsprechenden Wiederherstellung verwendet werden soll, kann der Br mit Wirkung gegen den Hypothekgläubiger erst zahlen, wenn er oder der Ve die Absicht, von der bestimmungsgemäßen Verwendung

abzuweichen, dem Hypothekgläubiger angezeigt hat und seit dem Emp­ fang der Anzeige ein Monat verstrichen ist (BBG § 99).

8 7. Die Hagelversicherung. Die HB toutbe nach den letzten Ausweisen betrieben von 4 Aktien­ gesellschaften mit einer VSumme von 1028455000 M. und einer

Jahresprämie

von 11868475 M.,

dann

von 16 Gegenseitigkeits­

vereinen mit einer VSumme von 2943508000 M. und einer Prämien­ einnahme von 39911308 M. Der Gesamtwert der bei den Privat­

versicherungsgesellschaften versicherten landwirtschaftlichen Erzeugnisse darf also auf 4 Mlliarden angeschlagen werden. Hiezu kommen aber noch die bei der öffentlichen V aufgenommenen Werte. Bei der Bayer. Landes-Hagelversicherungsanstalt betrug im Jahre 1918 die VSumme 392794930 M. Der Betrieb der HB bietet im allgemeinen große Schwierigkeiten.

Die Hagelhäufigkeit wechselt in den verschiedenen Gegenden.

In

manchen Bezirken, die man Jahre hindurch für hagelsicher gehalten, treten auf einmal große, vernichtende Hagelschläge auf, während in anderen Bezirken, die bisher ausgedehnte Hagelschläge auswiesen, eine Abnahme der Hagelgefahr zu bemerken ist. Nur der Aufbau einer unanfechtbaren Schadenstatistik vermag greifbare Anhaltspunkte zur

Beurteilung der örtlichen Hagelgefahr zu bieten. Man nimmt an, daß der Hagel in folgender Weise entsteht: Die

von der Erdoberfläche aufsteigenden feuchtwarmen, mit Wasserdampf untermischten Luftströme treffen in großen Höhen mit den Eiskristallen,

aus welchen die obersten Wolken entstehen, zusammen, wodurch die Temperatur dieser Luftströmungen, die mit der zunehmenden Höhe ohnehin schon abgenommen hat, unter den Gefrierpunkt sinkt. Aus der Vereinigung der auf diese Weise abgekühlten Wasserdämpfe mit

den erwähnten Eiskristallen entsteht dann das Hagelkori.. Im Fallen

vergrößert sich dieses noch durch den Ansatz weiterer in den durchfallenen Wolkenschichten enthaltenen Wasserdämpse. In dem Lehrbuch des bekannten Meteorologen Hann (Leipzig

1901) findet sich folgende Erklärung: „Alle Tatsachen in der zeitlichen und örtlichen Verteilung des Hagels sprechen deutlich genug dafür,

daß zur Bildung des Hagels einer warmen und wasserdampfreichen Lust Gelegenheit gegeben werden muß, leicht und rasch in hohe Luftschichten aufzusteigen. Deshalb fällt der Hagel in unseren Gegenden

im Spätfrühling und im Frühsommer am häufigsten, im Herbst bei gleicher Temperatur seltener.

Der Temperaturunterschied zwischen 2*

20 den unteren und den sehr hohen Luftschichten ist im Frühsommer am größten, im Spätsommer dagegen hat die isotherme Fläche von Nullgrad ihren größten Abstand von der Erdoberfläche erreicht." Durch Ballonfahrten ist festgestellt, daß in einigen Kilometern Höhe

auch im Sommer sehr niedrige Temperaturen angetroffen werden.

So im Mttel vom Mai bis August in unseren Gegenden in 6, 8 und 10 Kilometer Höhe —18° bzw. — 32® R.

Die Hagelkörner fallen in den verschiedensten Formen nieder; es ist noch nicht völlig klargelegt, wie diese Formen der Eiskörper

entstehen. Da die Hagelschläge erfahrungsgemäß fast immer mit Gewittern verbunden sind, so fragt sich auch, welche Rolle die Elektrizi­ tät in dieser Beziehung spielt. Nach den bisherigen Beobachtungen fällt am meisten Hagel im südlichen und mittleren Schwarzwald (2 bis 3mal jährlich), in Hohenzollern und im Gebiet der Isar. Im hügeligen Gelände ist die Hagelgefahr im allgemeinen größer

als in den ebeneren Flußtälern. (Vgl. Preuß. Statist., H. 192 u. 221, Berlin 1905 u. 1910; Deutsch, meteor. Jahrb., Teich. Bayern f. 1909.) Das Sprunghafte im Auftreten der Hagelschäden stellt den Br vor schwere Aufgaben. Die Statistik Preußens weist die größten Ver­ schiedenheiten auf und führt in den Jahren 1898 bis 1908 zu folgen­

den Jahr

Durch Hagel geschädigte Mche * in Prozenten des angebauten Landes

Hagelschaden in M.

1898

398381 481274

2,3 2,7

26908883

1899 1900

463429

2,6

23145906

1901 1902 1903

429821 484075

2,4 2,7

22420103 33163124

346989 318818

2,0 1,8

20884448

1904 1905 1906

724211 754529

4,1 4,3

1907

755499

1908

1041162

4,3 5,9

Mttel:

3,2 563472 Auf 1 ha 63 M. Schaden.

26849166

20814835 56413324 44900932 54460035 67789855 36177334

Wenn die Eismassen in solcher Menge auf die Fluren nieder­ stürzen, daß die gesamte Vegetation vernichtet, „in den Boden hinein­ geschlagen" wird, so spricht man von einem Totalschaden, außerdem von Teilschaden. Man unterscheidet ferner zwischen Frühjahrs­ schäden und Emteschäden. Erstere lassen noch eine Umarbeitung

des Feldes zu oder heilen soweit aus, daß nur ein geringer Ertragsentgang eintritt, die letzteren sind, wenn sie auf die reife Frucht fallen, meist von vernichtender Wirkung. Bei dem großen Aufwand an Kapital und Arbeitskraft, den die Bestellung der Felder erfordert, ist es für den Landwirt unbedingt notwendig, sich den Ersatz der Hagelschäden zu sichern. Der Verzicht auf jede V, die sog. SelbstV würde in vielen Fällen den Landwirt nicht nur um den Lohn seines Fleißes bringen, sondern geradezu seinen wirtschaftlichen Ruin herbeiführen. Um die Erträge der Landwirtschaft in bezug auf die Hagelgefahr möglichst sicher zu stellen, wurden in Deutschland drei verschiedene

Wege eingeschlagen, die V durch Aktiengesellschaften, die gegen­ seitige V und die öffentlich-rechtliche V. Die Aktiengesellschaften verfügen in der Regel über größere Reserven und betreiben die HB

gegen feste Prämien unter kluger Vermeidung der schlechteren Risiken.. Trotz dieser Auslese haben sie in vielen Bezirken, namentlich in Bayern Verluste gehabt, die sie veranlaßten, den Betrieb da und dort aufzugeben. Me Gegenseitigkeitsgesellschaften legen dem Vn folgende Lei­

stungen auf: Entrichtung einer sog. Vorprämie, eines Beitrages zum Reservefonds und eines Prämiennachschusses. Die bedeutendsten Gegenseitigkeitsgesellschaften sind die „Norddeutsche HVGesellschaft

auf Gegenseitigkeit zu Berlin" und die „HVGesellschaft Borussia in Berlin". Beide haben ihren Geschäftsbetrieb in hohem Maße ausge­ bildet und den vorhandenen Verhältnissen angepaßt. Insbesondere die „Norddeutsche" hat in dieser Beziehung Hervorragendes geleistet und den Bedürfnissen des großen und kleineren Grundbesitzers Rechnung getragen. Infolge der Ausbildung ihrer Einrichtungen gestattet sie dem Landwirt, seine Bodenerzeugnisse nach eigener Schätzung

zu versichern, jedoch unter Beachtung gewisser Höchstgrenzen, wie z. B. 600 M. für den ha Weizen und Gerste, 480 M. für den ha Winter­ roggen, Hafer, Bohnen, Kartoffel und Mais, 1000 M. für den ha

Tabak und Hopfen und 2000 M. für den ha Wein.

22 Um die unangenehme Überraschung auszugleichen, welche den

Versicherten manchmal dmch den Prämiennachschuß bereitet wird, muß der Bn außer der Vorprämie noch einen Beitrag von 20 Prozent

der Vorprämie zum Reservefonds entrichten. Ein Berwaltungsrat, bestehend aus 12 bis 21 von der Generalversammlung gewählten versicherten Landwirten, übt entsprechenden Einfluß auf die Geschäfts­ führung und. beschließt über die Verwendung des Reservefonds und über die Höhe der Nachschüsse. Die „Norddeutsche"Iegt bei der Entschädi­ gung regelmäßig den vom Bn angegebenen Wertsatz zugrunde, da er auch hiefür Beitrag bezahlt hat. Übrigens kann die B nach Wahl des Bn erfolgen:

a) mit Ersatzpflicht der Gesellschaft für Schäden von 6 Prozent an (VollV) oder

b) mit der Ersatzpflicht der Gesellschaft von 16 Prozent an (beschränkte V), in welch letzterem Falle sich die tarifmäßige

Vorprämie um 20 Prozent ermäßigt. Man erblickt hier das vollkommen gerechtfertigte Bestreben, die sog. Bagatellschäden möglichst einzuschränken, da sie wirtschaftlich keine tief eingreifenden Folgen haben und ihre Regelung verhältnis­ mäßig große Kosten verursacht.

Eine öffentlich-rechtliche Organisation des HVBetriebes ist die Bayerische Landes-Hagelversicherungsanstalt, welche seiner­ zeit nach vielen vergeblichen Versuchen, Abhilfe gegen die nachteiligen Folgen der Hagelschäden zu schaffen, in das Leben gerufen worden ist.

(Vgl. Das bayer. HBGesetz vom

, erläutert von

Präsident Dr. v. Haag, neubearbeitet von Regierungsrat von Jan München, bei C. H. Beck, 1910.) Diese Anstalt beruht auf folgenden Grundlagen: Freiwilligkeit

der Beteiligung ohne Ausschluß der Privatgesellschaften, Vergütung der Schäden auf Grundlage der Gegenseitigkeit, feste Beiträge ohne Nachschüsse, Verwaltung durch die BKammer, möglichste Verringerung

der Berwaltungskosten mit tunlichster Vereinfachung des Schätzungs­

verfahrens. Man ist auch in Bayern nicht darum herumgekommen, in besonders schlechten Hageljahren die Hagelentschädigung prozentual zu kürzen. Hiedurch sowie durch einen jährlichen Staatszuschuß von

200000 M. wurde es der Anstalt ermöglicht, die gefährlichen Anfangs­ jahre zu bestehen.

Die Anstalt hatte

versicherte

im Jahre 1884 . . .

1894 .. .

VSumme in M.

7375 85635

11140233 130035130

II

II

II

II

1904 . . .

II

II

1914 . . .

144112 172657

318410860

II

II

1918 . . .

177985

392794930

231808980

Im Laufe der Jahre 1884 bis 1909 hat sich die Zahl der Ver­ sicherten um das 2» und 20 fache und die Höhe der VSumme um das

24sache gehoben. Den Zahlen ist zu entnehmen, daß die Anstalt dem kleinen und mittleren Grundbesitz ebenso zugute kommt wie dem Großgrundbesitz. Der Durchschnittsbeitrag in den Jahren 1884 bis 1909 belief sich auf nur 1,41 Prozent, der Durchschnittsschaden auf 1,65 Prozent, die Durchschnittsentschädigung auf 1,37 Prozent der VSumme. Die Anstalt ist inzwischen so erstarkt, daß sie auch Mittel und Wege finden konnte, die Mrzung der Entschädigungen möglichst zu vermeiden. Durch Gesetz vom 23. Juli 1918 wurde den Anstalts­ mitgliedern die Möglichkeit eröffnet, gegen einen mäßigen Beitrags­

zuschlag die Mrzung der Entschädigung auszuschließen. Die Anstalt besitzt nach dem letzten Abrechnungsergebnis ein Vermögen von 18491400 M. Die auf den einzelnen Bn treffende VSumme beträgt durchschnittlich 2207 M. Um die Anstalt dem Grundbesitz des ganzen Landes als eine allgemeine Wohlfahrtsanstalt zugänglich zu machen,

kann ein Antrag auf Aufnahme in die Anstalt nur ganz ausnahmsweise abgelehnt werden (§ 2 Z. II des Ges. v. 23. Juli 1918). Wenn also auch in einem besonders hagelgefährdeten Bezirk eine große Anzahl

von Grundbesitzern das Begehren um Aufnahme in die Anstalt kund­ gibt, so kann ihnen die Aufnahme nicht etwa deshalb versagt werden, weil durch sie die Anhäufung gefährlicher Risiken an einem Punkte

(KlumpenV) veranlaßt würde.

Die Anstalt hat in neuester Zeit auch die ObstB und die GlasB für Gärtnereien ausgenommen und nach Anhörung des Landes­ ausschusses der Versicherten die „Allgemeinen BBedingungen" ent­

sprechend abgeändert. Für die Privat-HV sind die Bestimmungen in §§ 108 bis 115 VBG und die von den Gesellschaften erlassenen BBedingungen maßgebend.

Nach dem VBG ist eine HB nur dann gegeben, wenn die Be­ schädigung von Bodenerzeugnissen durch Hagel in Frage kommt.

24

Soweit sich die V auf Beschädigung von Fenstern, Glasplatten, Schiefer­

oder Ziegeldächer bezieht, kommen nur die für die SchadenB im all­ gemeinen geltenden gesetzlichen Borschriften zm Anwendung. Bei der HV kann die Frist zur Erhebung von Widerspruch gegen den VSch, welche nach § 5 VVG (s. v. § 2) mindestens 1 Monat

betragen muß,

auf

eine Woche herabgesetzt

werden,

was

auch

seitens der meisten PHBGesellschasten geschehen ist. Die Anzeige über den Eintritt des VF ist bei der HV binnen 4 Tagen zu erstatten.

Zu dieser Anzeigepflicht des Vn kommt noch seine Ver­

pflichtung, an den vom Hagelschlag betroffenen Bodenerzeugnissen ohne Einwilligung des Vr nur solche Änderungen vorzu nehmen,

welche nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht aufgeschoben werden können (VVG § 111). Bei ausgedehntem und zersplitterten Grundbesitz besteht die Möglichkeit, daß der Feld­ eigentümer einen Hagelschaden nicht sofort nach dem Hagelschlag

wahrnimmt. Der Be muß deshalb in der Gewitterperiode ein wach­ sames Auge auf seine Felder haben, um im Falle einer Hagelbeschädi­ gung rechtzeitig, also spätestens am 4. Tage nach dem Hageltage die schriftliche Anzeige an den Br oder seinen Vertreter erstatten zu können. In vielen Fällen boti Hagelschaden wünscht der Be dringend, sofort die Aberntung ganz durchzuführen und nach Lage und Zeit

des Falles womöglich noch rasch eine andere Frucht auf dem betroffenen Grundstücke anzubauen. Er wird am besten tun, sich hiewegen sofort mit dem Br oder seinem Vertreter in das Benehmen zu setzen, der sich

häufig damit begnügt, daß das betroffene Grundstück sofort abgeräumt wird, aber an den Ecken und in der Mitte Probestücke unberührt in dem Zustande, in welchem sie vom Hagel betroffen wurden, belassen

werden.

Diese Probegrundstücke müssen nach den BBedingungen

der „Norddeutschen" eine Größe von ungefähr 3 Ar haben, bei lleineren Grundstücken dürfen die Probestücke verhältnismäßig Keiner (jedoch nicht unter 5 Quadratmeter) sein. Über Taxation der Hagelschäden zu vgl. Faßbender Joseph,

„Die Taxation der Hagelschäden", Prag 1910; Die „Schätzungsgrund­ lagen bei Hagelschäden" von Dr. Walter Rohrbeck, München, Verlag

von M. Steinebach, 1912. In neuester Zeit sind auch Versuche gemacht worden, eine B gegen Frostschäden in das Leben zu rufen, an die man sich bisher

noch nicht herangewagt hatte, weil die Ermittlung der Schäden große Schwierigkeiten bietet und weil der Umfang der Frühjahrs­ und Herbstfröste recht oft weit über das meist enger begrenzte Gebiet der Hagelschäden hinausgeht. Die Bayer. VKammer hat inzwischen die V von Getteide gegen Frostschäden für die bei der HVAnstalt versicherten Landwirte versuchsweise eingeführt. Bon verschiedenen Seiten ist für die HB die Zwangsbeteiligung

aller Grundbesitzer vorgeschlagen worden. Eine solche könnte nur bei einer öffentlich-rechtlichen Anstalt durchgeführt werden und dürfte, wenn die Berücksichttgung der Ortshagelgefahr fallen gelassen würde, voraussichtlich zu nachteiligen Verschiebungen der Grundstückswerte führen. Auch der Gedanke einer Reichs-HVMonopolanstalt hat schon

Anhänger gefunden. Einem solchen Monopol würde aber die innere Berechttgung mangeln, während auch die Landwirtschaft kein Interesse für die Durchführung einer solchen Maßnahme hat. (Vgl. Dr. W. Rohr­ beck, Ein Hagelversicherungsmonopol. Berlin 1919 bei Parey.)

8 8.

Viehversicherung, Pferdeversicherung.

Die VB wird nicht nur von privaten Gesellschaften und Ver­ einen, sondern auch von öffentlich-rechtlichen Anstalten bettieben.

Auf dem Gebiete der privaten VV wirtte eine Akttengesellschaft (die Perleberger) und außer dieser noch 28 Gegenseittgkeitsvereine.

Die VSumme bettug im Jahre 1916 bei der Aktiengesellschaft .... bei den Gegenseitigkeitsvereinen.

M. 475342000 „ 493623000

im Jahre 1917 bei der Akttengesellschaft .... bei den Gegenseitigkeitsvereinen.

M. 617099000



694236000

Im Jahre 1917 betrugen die Beiträge (Prämien) einschließlich der Nachschüsse 24224649 M. Der Erlös für verwertete Tiere, der bei

der BB eine große Rolle spielt, betrug 2495298 M. Die geleisteten Entschädigungen erreichten im Jahre 1917 eine Höhe von 17346300 M. Einzelne Unternehmungen schlossen mit Fehlbettägen ab.

26 Ein großer Teil der BB liegt in den Händen von öffentlich-recht­

lichen Anstalten, welche seit den letzten Dezennien des vorigen Jahr­

hunderts sehr zugenommen haben. Die Rechtsgrundsätze über den Versicherungsvertrag für die private VV sind in den §§ 116 bis 128 des BVG näher geregelt. Nach

§ 116 haftet der Br für den Schaden, der durch den Tod des versicherten Tieres entsteht. Die V kann aber auch für den Schaden genommen

werden, der durch eine Krankheit oder einen Unfall entsteht, ohne daß der Tod des Tieres eintritt. In den Fällen letzterer Art handelt es sich häufig um Huf- oder Beinleiden, die eine Gebrauchs- und dadurch eine Wertsminderung zur Folge haben. Bei den Pferden

kommen solche Wertsminderungen nicht selten vor. Manchmal können Pferde, deren Gebrauchsfähigkeit auf dem Pflaster der Städte versagt

(Pflastermüdigkeit), am Lande, namentlich auf Sandboden, noch

längere Zeit verwendet werden. In der Regel umfaßt die VV die sog. ViehlebendB. Dagegen ist sie ausgeschlossen bezüglich aller Tierschäden, für welche aus öffent­ lichen Mitteln des Reichs oder der Gliedstaaten Entschädigung ge­ leistet wird, wie bei Seuchen (Rinderpest, Mlzbrand und Rotz), dann

auch bezüglich der Schäden, welche durch Kriegsmaßnahmen ver­ ursacht werden (§ 117 VBG). Ein charakteristisches Merkmal der VB besteht darin, daß der gesetzliche Schutz, der dem Biehkäufer wegen Gewährmängel ein­ geräumt ist, gewissermaßen auch auf den Br ausgedehnt wird. Wenn dem Vn ein Anspruch auf Gewährleistung wegen eines Mangels

des versicherten Tieres gegen einen Dritten zusteht, so geht nach § 118 BVG der Anspruch auf den Br über, soweit dieser dem Bn den Schaden ersetzt. Hat der Vn vorsätzlich oder aus grober Fahr­ lässigkeit das Tier schwer mißhandelt oder schwer vernachlässigt, so ist der Br von der Verpflichtung zur Leistung der Entschädigung frei, es sei denn, daß der Schaden nicht durch die Mißhandlung oder die

Vernachlässigung entstanden ist. Als schwere Vernachlässigung gilt es insbesondere, wenn bei einer Erkrankung oder bei einem Unfall die Zuziehung eines Tierarztes oder eines Sachkundigen unterlassen worden ist (§ 125 VBG). Der Vn darf eine Nottötung nur mit Ein­ willigung des Br vornehmen, es sei denn, daß die Erklärung des Vr

nicht abgewartet werden kann.

Mt der VB befaßten sich im Deutschen Reiche zahlreiche örtliche Vereine. Baden ging im Jahre 1890 bahnbrechend voran, indem es auf gesetzlichem Wege Ortsviehversicherungsanstalten, deren Ver­ waltung vom Gemeinderat bestellt wird, in das Leben rief. (Vgl. .Buchenberger, Kommentar zum Bad. VBG vom 26. Juni 1890. Tauberbischofsheim, bei I. Lang, 1891.) Nachdem in Bayern schon zahlreiche örtliche BVereine entstanden waren, wurde durch Ges. vom

1908 e'ne öffentlich-rechtliche

Landes- Viehversicherungsanstalt in das Leben gerufen, welche gebildet wird „durch die in einem Landesverband vereinigten Orts-Viehversicherungsvereine, die das Normalstatut angenommen und auf Ansuchen die Aufnahme in die Anstalt erhalten haben" (Art. 2 bayer. VBG). Zu vergleichen A. Durmayer, Das Recht der öffentlichen Vieh- und Pferdeversicherungsvereine Bayerns. Jaegersche Buchdruckerei, Speyer 1907. Fr. v. Thelemann und Hans Otto Schmitt, Das bayer. BBGesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. April 1910. München 1911, bei C. H. Beck. Dr. v. Haag, Das bayer. PfdBGesetz. 2. Ausl. München 1911, bei C. H. Beck. Die Bayerische BVAnstalt beruht auf Gegenseittgkeit und befaßt sich mit der B von Vieh mit Ausnahme der Pferde. Für die V der Pferde wurde schon im Jahre 1900 eine besondere, der Leitung der Bayerischen VKammer unterstellte öffentlich-rechtliche VAnstalt errichtet. Die VV hat sich in Bayern, wo ein Rinderstand vorhanden ist, der in der Friedenszeit auf eine Milliarde geschätzt wurde und jetzt etwa den doppelten Wert besitzt, rasch entwickelt. Der VStand bei der bayer. Anstalt war im Jahre

1913 1914 1915 1916 1917 1731 Vereine . . . 1661 1713 1710 1738 84045 84924 83250 82822 81077 Be Mitglieder 311574 296135 314584 320736 301296 Tiere............ Hievon: 253435 233511 249349 260196 Rinder. . . . 247170 62409 65607 58079 Ziegen.... 54126 60540 Schweine . . — — — 216 628 VSumme M. 97877470101113842 102916223 164924957 182895500

28

Nach der Viehzählung vom 1. Dezember 1917 waren in Bahem

vorhanden:

Rinder Ziegen

3836446 422905

Schweine 1356832 Dagegen wies die Viehzählung vom 4. Dezember 1918 folgende

Bestände nach: Rinder

3653734

Ziegen

413730

Schweine 1240461 Nicht nur beim Rinderstand, sondern auch bei den Schweinen trat eine Minderung ein. Diese Änderungen, die vom landwirtschaft­ lichen Standpunkte mcht ganz unbedenklich erscheinen, sind der Ein­ wirkung des Krieges zuzuschreiben. Für Vermehrung der Ziegen­ haltung besteht übrigens bei den Kleinbegüterten besonderes Interesse. In der Biehlebensversicherung betrugen bei der bayerischen Anstalt die geleisteten Entschädigungen für das Versicherungsjahr

1916/17, rein nach Abrechnung der Erlöse, 2329398 M. Die Bayer. BVAnstalt wurde inzwischen unter Berücksichtigung

hervorgetretener Bedürfnisse weiter ausgebaut und umfaßt jetzt den bayerischen BVVerband (früher Ersatzverein genannt), der den Mitgliedern aufgelöster Ortsvereine Gelegenheit zur Weiterversiche­ rung nach Maßgabe des Normalstatuts gibt, bis sich wieder ein Orts­ verein bildet, dann jedem Biehbesitzer im ganzen Lande ermöglicht,

sich an der VB zu beteiligen. Zu diesem Behufe werden eigene Orts­ gruppen gebildet, die von Vertrauensmännern geführt werden, denen auch die Wertsermittlung (Schätzung) und die Schadensbehand­

lung zur Aufgabe gemacht ist. Die Ortsgruppen unterstehen dem BBVerbande, der auf diese Weise einen eigenen, sich auf das ganze Land erstreckenden Verein bildet. Der Verband wird von Beamten der BKammer geleitet und verwaltet und hat nun auch die B gegen

Brand- und Blitzschäden in sein Geschäftsbereich einbezogen, soweit die Mitglieder nicht schon dmch Mobiliar-FV gedeckt sind, wobei

auch die Mitversicherung von Schweinen, Schafen, Hunden und von Bienenvölkern zugelassen ist. Außerdem sind hinzugekommen: Die Ziegenversicherungs­ vereine, die sich ausschließlich mit der B von Ziegen befassen, dann

die WeidetierV, welche Weidetiere aus ganz Bayern aufnimmt. Die Aufnahme erfolgt auf Grund von Bestandszeugnissen, die von Derärzten oder sonstigen anerkannten Fachmännern beim Auftreiben der Tiere ausgestellt worden sind. Hieher gehören auch die B von Jungviehweiden (Flachlandsweiden) sowie Alpenviehweiden, welch letztere in neuester Zeit noch eine wesentliche Erweiterung durch Einbeziehung der Schafe erfahren hat. Weiters kamen hinzu: die Zuchtbullenversicherungsvereine, die in Anlehnung an die Züchtervereinigungen (Zuchtverbände) die Zuchtstiere größerer Gebiete versichern. Durch das Normalstatut vom 30. Oktober 1912 sind die näheren Bersicherungsbedingungen festgesetzt worden. Nach § 1 des NSt wurde auch die SchlachtviehB in den Mrkungskreis der bayer. Anstalt und ihrer Vereine eingeschlossen. Wird das Fleisch eines vom Ver­ sicherten zur Schlachtung veräußerten Rindviehstückes wegen eines Hauptmangels polizeilich als zum Genusse untauglich, nur bedingt tauglich oder erheblich herabgesetzt im Nahrungs- und Genußwerte erklärt, so besteht die Entschädigung in acht Zehntel des Wertsverlustes. Erweist sich das bei einem Verein versicherte Tier einer unheil­ baren oder schwer heilbaren Krankheit verdächtig und ist seine Tötung notwendig, so kann der Bereinsausschuß die alsbaldige Schlachtung anordnen (§ 23 NSt). Es liegt in diesem Falle eine Notschlachtung vor. Durch gewissenhafte und rechtzeitige Anordnung und Durch­ führung der Notschlachtung wird dem Bn und dem Vereine genutzt. Der Bereinsausschuß verwertet das umgestandene oder notgeschlachtete Tier und händigt den Erlös sofort dem Vn aus. Die Entschädigung beträgt 7/w des Wertes des Tierstückes, wenn der Reinerlös für die verwertbaren Teile weniger als 1/5 des Wertes ausmacht, sie steigt auf 9/10, wenn der Reinerlös 1/5 bis a/6 beträgt, und auf °/10, wenn dieser mehr als 3/6 des Wertes erreicht. Wie aus dem Berichte der Bayerischen Landesanstalt für 1917 her­ vorgeht, betrugen die Erlöse für entschädigte Tiere in den Jahren 1913

1914

1916

1916

1917

M. 100100 1 038000 1181000 1135000 1 952000 sohin zwischen 38,5 und 45,59 Prozent der Entschädigung. Auch auf diesemGebiet macht sich der Vorzug der örtlichen Bereinsorganisation sehr bemerklich.

30 Pferdeversicherung.

Nach den gleichen Grundsätzen ist die Bayerische Landes-Pferde­ versicherungsanstalt eingerichtet. Sie wird gebildet durch die in einen Landesverband vereinigten PsdVBereine, die auf Gegen­ seitigkeit und Freiwilligkeit beruhen.

Die näheren BBedingungen

sind in dem NSt enthalten, welches von der Anstaltsverwaltung unter

Zustimmung des ihr beigegebenen Landesausschusses erlassen wird. Die Anstalt und die ihr angeschlossenen Vereine besitzen die Rechte öffentlicher Körperschaften. Nach dem Normalstatut für die Bayer. PfdBAnstalt sind die

Vereinsmitglieder versichert gegen unverschuldete Verluste, die sie dadurch erleiden, daß Pferde umstehen oder wegen gänzlicher dauernder Unbrauchbarkeit getötet werden müssen. Die VAnstalt verwertet das zu entschädigende Pferd und händigt den Erlös sofort dem Versicherten

als Teil der Entschädigung aus. Die Entschädigung beträgt drei Viertel des vom Bereinsausschuß festgesetzten Werts. Die Anstalt verlangt also vom Pferdebesitzer, daß er selbst wenigstens ein Viertel des Schadens

trägt, um ihn zu veranlassen, die versicherten Tiere stets sorgsam zu

behandeln. Für Wertsminderungen durch Huf- und Beinleiden, die nicht zur

Tötung des Pferdes führen, wird keine Entschädigung geleistet. Es ist aber den Vereinen die Möglichkeit offen gelassen, nach Maßgabe

des NSt Abweichungen zu beschließen und danach Entschädigung auch für Pferde zu leisten, die nur für bestimmte Betriebe, aber nicht vollständig unbrauchbar sind. Von der Aufnahme in die V sind Pferde im Alter unter 8 Monaten

sowie Pferde im Alter über 15 Jahre ausgeschlossen. Nach dem NSt kann übrigens die Mtgliederversammlung beschließen, daß auch Pferde

im Alter unter 8 Monaten ausgenommen werden. Versicherte Pferde, welche die Mtersgrenze überschreiten, scheiden deshalb aus der B nicht aus. Bei Pferden, die das Alter von 15 Jahren überschritten

haben, muß der bei der letzten Schätzung durch den Vereinsausschuß festgesetzte Wert beim Eintritt in jedes neue Lebensjahr um mindestens 10 vom Hundert gekürzt werden. Durch den Vereinsausschuß wird zweimal im Jahre, im Frühjahr und Herbst, Nachschau in den Stal­ lungen abgehalten und festgestellt, welche Änderungen im Werte der

versicherten Pferde eingetreten sind. Wenn der bisherige Wert nicht

aufrechterhalten werden kann, müssen Kürzungen eintreten. Während des Weltkrieges 1914 bis 1919 sind solche Kürzungen mit Rücksicht auf den hohen Stand des allgemeinen Preises für die Pferde, auch für

ältere Pferde unterblieben, sie werden aber mit dem Rückgang der Pferdewerte wieder einsetzen müssen. Der Ausschuß muß sich auch überzeugen, ob die Wart und Pflege der versicherten Pferde keinen Anlaß zu Beanstandungen gibt. Bei

Erkrankung eines Pferdes muß der Besitzer Anzeige an den Vereins­ ausschuß erstatten und einen Tierarzt zu Rat ziehen. Die Tötung eines versicherten Pferdes wegen unheilbarer Krankheit oder Unbrauchbarkeit

kann nur auf Grund eines tierärztlichen Gutachtens und — abgesehen von dringenden Fällen — nur auf Anordnung des Vereinsausschusses erfolgen. Für die Gewährleistung bei den Veräußerungen von Pferden sind die §§ 481 bis 493 BGB und die kaiserliche Verordnung vom 27. März 1899 (Reichsgesetzblatt S. 219) maßgebend.

Hienach beträgt bei

Pferden die Gewährsiist 14 Tage für Rotz, Dummkoller, Dämpfigkeit, Kehlkopfpfeifen, periodische Augenentzündung.

Die Bayer. Pferdeversicherungsanstalt umfaßte bei der letzten Nachschau 490 Vereine mit 3O838 Mitgliedern. und mit 69655 Pferden mit einer VSumme von 127O3345O M. Vorhanden waren

9567 Pferde im Alter bis zu 4 Jahren

46377 13519

„ „

von 4 bis 15 Jahren, über 15 Jahre.

Versichert waren

18031 Pferde mit einem Werte bis 1OOOM. 16575 15965 4749 6551 2389 4816

84

ff

ff

II

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1500 2000

tf

ff

2500 3000 3500 4000 4500

ff

ff ff

32 259 Pferde mit einem Werte bis 5000 M. 14 5500 „

29

,,





0

n

n

u

6000 „ 6500 „

II II

II

7000 „ 1 ii ii ii II II Im Interesse der Pferdezucht wurde auch eine Fohlenversiche­ rung eingerichtet, ferners wurde ein Verband zur B für jene Pferde­

besitzer in das Leben gerufen, welche keine BGelegenheit in einem örtlichen Vereine haben. Dieser Verband übemimmt außerdem die V der den Betrag von 4000 M. übersteigenden Pferdewerte aus allen örtlichen PfdBVereinen, wodurch auch den Mtgliedern kleinerer Vereine die wertentsprechende V ihrer Pferde ermöglicht wird, ohne daß diese Vereine mit übermäßigen Risiken belastet werden können.

Außerdem wurde bei diesem Verbände auch eine • $ gegen Brand- und Blitzschaden eingerichtet, bei der 2500 Pferdebesitzer

mit einer BSumme von 8 Mill. M. versichert sind. Der Beitrag für

diese VArt beträgt 5 Pf. vom Hundert der BSumme, die Entschädigung wird mit ®/10 des beim Verbände versicherten Wertes geleistet. Auch toutbe eine V für Feuerwehrpferde und eine BersandB in das Leben gerufen. Die B für Feuerwehrpferde wurde bis jetzt in An­

spruch genommen von 22 unmittelbaren Städten

mit

16 Pferden

„ 133 Disttitten II 11 freiwilligen Feuerwehren 595 „ II 145 Gemeinden 495 „ Der Versicherungshöchstwert für ein Pferd beträgt 5000 M., der jährliche Beitrag für ein Pferd 1M., die Entschädigung */10 des 9000

Versicherungswertes. Die Entschädigungen betrugen in den Jahren 1913 1914 1915 1916 2213000 2193000 1792000 1745000

1917 2457000 M.

Die Zahl der entschädigten Pferde war 3781 5414 5237 3884 3583 Auf ein Pferd traf durchschnittlich eine Entschädigung von 408 418 461 487 650 M. Bon 100 entschädigten Pferden waren tterärztlich behandelt

96,7

96,2

95,0

93,9

91,6 Prozent.

Der Anstaltsbeitrag belief sich bei Anrechnung der Erlöse durch­ schnittlich auf 3,01 2,83 2,86 2,60 2,72 M. für 100 M. der VSumme; diese Sätze minderten sich für zuschlagfreie

Pferde — die % aller Pferde ausmachen — auf 1,77 2,60 2,66 2,41 2,53 M. Durch die tterärztlichen Kosten und die Kosten der örtlichen Vereins­ verwaltung erhöhte sich dieser Satz auf

2,88 2,73 2,86 2,66 2,82 M. Nach der veröffenüichten Abrechnung für das VJahr 1916/17 (1. Nov. 1916 bis 1. Nov. 1917) war der Reservefonds der Anstalt auf 645200 M. angewachsen. Seine Zinsen dürfen zur teilweisen Deckung des Jahresaufwandes der Anstalt, also auch für Entschädi­ gungen verwendet werden. Sowohl in der öffentlichen wie in der PrivatB kommt der Fall

der Veräußerung eines versicherten Pferdes recht oft vor. Während nach §69 VBG bei Veräußerung einer versicherten Sache der Er­ werber an die Stelle des Veräußerers — des Bn — tritt, ordnet § 128 VVG an: „Wird ein versichertes Tier veräußert, so endigt in Ansehung dieses Tieres das Versicherungsverhältnis; dem Vr gebührt gleichwohl die Prämie, jedoch nicht über die laufende BPeriode hinaus."

Eine Ausnahme macht das Gesetz für Gutsverkäufe, wenn das Eigentum und Inventar auf einen neuen Erwerber übergeht, in diesem Falle tritt der Erwerber an Stelle des Veräußerers in das Bersicherungs-

verhyltnis ein. In ähnlicher Weise sind auch die Bestimmungen der öffentlich-rechtlichen VBAnstalten festgelegt. Die kriegsrechtliche Ent­ eignung eines Pferdes oder anderen Tieres hat auch die Beendigung des Bersicherungsverhältnisses zur Folge; der Vr hat jedoch die Prämie für das laufende Jahr zu beanspruchen. 8 v.

Versandversicherung.

Die TransportB, für welche die deutsche Bezeichnung „VersandV"

vorgeschlagen wurde, bedarf nach § 116 des VAG keiner behördlichen

Zulassung zum Geschäftsbettieb. Eine Ausnahme bilden nur die VBereine auf Gegenseitigkeit. Die Transportversicherungsuuternehmungen unterliegen auch keiner behördlichen Beaufsichtigung ihres Geschäftsbetriebes, der Bundesrat kann jedoch anordnen, daß beHaag, Leitfaden für da» Berftchcrungwefen.

3

34 stimmte Vorschriften des BAG auch auf solche Unternehmungen Anwendung finden. Im Bereich der TransportB bedürfen die Ver­

sicherten keines behördlichen Schutzes, da sie des Bersicherungsgeschästes kundige Kaufleute sind, die TransportB größtenteils internattonalen

Charakter besitzt, also am besten jeder Beschränkung entbehrt, um in der Konkurrenz nicht behindert zu sein, und es sich bei ihr regelmäßig um kurzfristige Risiken handelt. Für die TransportB sind die §§ 129 bis 148 des VBG maßgebend.

Diese Vorschriften umfassen sowohl die B von Gütern gegen die Gefahren der Beförderung zu Land und auf Binnengewässern als die B von Schiffen gegen die Gefahren der Binnenschiffahrt.

Die SeeB ist durch das deutsche Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 näher geregelt. Sie bildet einen der ältesten VZweige. Die erste Seeversicherungs-Akttengesellschaft war die holländisch-indische vom Jahre 1602. Im 17. Jahrhundert besaß in London ein gewisser

Edward Lloyd in der Townstreet ein Kaffeehaus, wo sich die Londoner Versicherer — private under-writers — zusammenfanden, um ihre

Geschäfte abzuschließen. Eigentlich war Lloyds nur eine Bereinigung von PrivatBr und jedes Mtglied haftete für sich. Die beherrschende Stellung von Lloyds gründet sich zurzeit hauptsächlich darauf, daß bei ihm die größten Risiken untergebracht werden konnten. Großen

Einfluß gewann auch der Jnternattonale Transport-Bersicherungsverband, der 44 deutsche und 54 außerdeutsche Gesellschaften zu seinen Mitgliedern zählt. Auch der noch ältere Verein der Hambmger Assekuradeure

und

der

Verein Bremer Seeversicherungsgesellschaften

müssen hier erwähnt werden. Die V des Schiffes wird KaskoV genannt. Außer dem Schiffe wird auch die Ladung (Kargo) versichert. Die V von Bodmerei­ oder Havereigeldern bezieht sich auf Notstände und Notfälle bei

der Schiffahrt. Bei der TransportB kommt die B auf fremde Rechnung am häufigsten vor, da die Kommissionäre und Spediteure täglich genötigt sind, Waren, an deren Erhaltung sie kein eigenes Inter­ esse haben, zu versichern. In der TransportB unterscheidet man offene und taxierte Polizen, ferner Einzeln- und Generalpolizen, letztere umfassen eine Vielheit von Transporten auf einer bestimmten

Route innerhalb einer bestimmten Zeit. Die Schiffe werden bezüglich ihrer Seetüchtigkeit und Führung in Klassen eingeteilt. Zur Vornahme

dieser Einteilung bestehen Schiffsklassifikationsgesellschaften. Bei der SeeV kommen regelmäßig viele kleine Schäden vor, für die der Vr nicht haften will und sich daher ausbedingt, einen Schaden von 3 Prozent nicht zu übernehmen. Man nennt die fteibleibenden Prozente die

Franchise. Bei der TransportV ist der VF gegeben, wenn die versicherte Sache (Schiff, Frachtgüter) durch einen mit dem Transport unmittelbar zusammenhängenden Unfall beschädigt wird. Kommt ein Unfall vor, so muß der Schiffer zur Sicherung des Beweises eine Verklarung (auch See- oder Schiffsprotest genannt) abgeben. Wenn ein Schiff gestrandet und vollständig wrack.geworden ist, so steht dem Bn das Recht zu, innerhalb gesetzlicher Frist dem Vr den Abandon zu er» klären. Der Abandon ist eine rechtsverbindliche Erllärung des Vn,

nach welcher er gegen Zahlung der VSumme alle seine Rechte an beut versicherten Gegenstand an den Br abtritt. Haverei werden alle Schiffahrtsunfälle bezeichnet, durch welche der Reeder, der Beftachter oder ein sonstiger Beteiligter Ver­ luste erleidet. Nach dem deutschen Handelsgesetzbuch zählen zur großeit

Haverei „alle Schäden, welche dem Schiffe oder der Ladung oder beiden zum Zweck der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr

von dem Schiffer oder auf dessen Geheiß vorsätzlich zugefügt werden, sowie auch die durch solche Maßregeln ferner verursachten Schäden und Kosten, die zu demselben Zwecke aufgewendet werden." Ferner bestimmt das Handelsgesetzbuch: „Die große Havarei wird von Schiff, Fracht und Ladung gemeinschaftlich getragen." Über die Verteilung

des Schadens an die beteiligten Interessenten muß ein besonderer Plan aufgestellt werden, der Dispache heißt.

Die Dispachierung

muß von einem öffentlich ausgestellten Sachverständigen — Dis­ pacheur — erfolgen. Es kann vorkommen, daß eine TransportV ge­ nommen ist, der Transport aber nicht ausgeführt wird. In solchen Fällen kann die Aufhebung der V und Rückzahlung der Prämie be­

ansprucht werden (Ristorno).

Die hohen Werte, die bei der SeeV in Frage kommen, geben Veranlassung zur MitV und noch viel häufiger zur RückB. In allen Fällen, in denen hohe Risiken in Frage stehen, deckt sich der Br durch einen General-Rückversicherungsvertrag mit einem oder

mehreren RückBr, und zwar immer als laufende B.

Durch einen 3*

36 solchen Vertrag wird der RückBe, also der ErstBr verpflichtet, alle im Vertrag näher bezeichneten Posten dem RückBr zu überweisen, wo­ gegen die Haftung des MckBr sofort schon mit Abschluß des General­

vertrages beginnt. Zu vgl. „Die Transportversicherung" von Gustav Cruciger in Bd. I des Werkes „Das gesamte Versicherungswesen in Einzelndarstellungen",

München 1910, Verlag von M. Steinebach.

% 10. Sonstige Versicherungsarten. Die GlasB umfaßt 21 Aktiengesellschaften und 2 Gegenseitigkeits­ vereine mit einer BSumme von 391339000^01., einer Bruttoprämie von 12978716 M. und mit einem Bruttoschaden von 8808703 M.

Als eine neuere SachB kommt auch die B gegen Fliegerschäden in Bettacht, die während des Krieges 1914/18 immer mehr in Auf­ nahme kam. Als nach Eintritt des Waffensttllstands jede Flieger­ gefahr als beseitigt angenommen werden mußte, versuchten manche

Be die von ihnen eingezahlten Prämien von den BGesellschaften zurückzuerhalten. Da das BVG in dieser Beziehung keine Anhalts­ punkte bietet, so konnten die Gesellschaften den Versicherten eine

rechtliche Begründung ihrer Mckforderungen nicht zugestehen. Mehrere Gesellschaften entschlossen sich jedoch bei vorliegenden Billigkeits­

gründen die für die B der Fliegergesahr eingenommenen Prämien teilweise zurückzuerstatten. Ein Abzug an den eingezahlten und zurück­ erstatteten Prämien mußte jedoch stattfinden und diente dazu, der Gesellschaft den bett. Anteil an Akquisitions- und Berwaltungskosten

zu ersetzen. Bei der LV ist ein ähnliches Verfahren gesetzlich gestattet. Vgl. § 174 Ws. IV BVG. Geringere Bedeutung und Verbreitung hat die Sturm- und

WasserleitungsV. Die SturmschädenB wird nut von 2 Aktiengesell­ schaften mit einer BSumme von 244750000 M. betrieben.

Die WasserleitungsschädenB betteiben 30 Attiengesellschaften und 1 Gegenseitigkeitsverein. Auch eine Versicherung der durch die zahlreichen Frühlings- und Herbstftöste verursachten Schäden wurde von vielen Interessenten als wünschenswert angesttebt. Die Bersicherungstechnik vermochte aber

bisher noch nicht die Schwierigkeiten zu überwinden, die einer fach-

gemäßen Schätzung der Schäden und der Beitragsbemessung entgegen» stehen (s. v. § 7). Als weitere BZweige kommen in Betracht: die Kauttons-(Ga-

rantie-)B, die Kredit-, Maschinen-, Wertgegenstände-, Baulast-, Stellen­ losen-, Beruntreuungs- und HypothekenB.

8 II.

Einbruchdiebstahlversicherung.

Dieser Zweig wurde im Jahre 1916 von 43 Aktiengesellschaften und

13 Gegenseitigkeitsvereinen betrieben und hatte eine Bruttoprämie von 17715306 M. und Bruttoschäden im Betrage von 6851589 M.

Im Jahre 1905 betrug die BSumme 24858329000 M., die Brutto­ prämie 25220145 M. und der Bruttoschaden 2 3 409855 M. Die B wird jetzt von 44 Akttengesellschaften und 12 Gegenseitigkeitsvereinen betrieben und fand infolge der kriegerischen Ereignisse mehr und mehr

Verbreitung. Auch die V von Frachtgut und Reisegepäck ist hier anzuführen. Die ReisegepäckB ist hauptsächlich bei den Verkehrsanstalten ein»

gerichtet und wird von diesen betrieben.

Es ist hierdurch dem Bn

Gelegenheit geboten, sein Reisegepäck bei der Abfahrtstatton zu ver­

sichern. Die eigentliche EinbruchdiebstahlV ist eine SachV. Der Br hat den Wert der versicherten Sachen zu ersetzen, welche aus einem Gebäude oder aus dem Raum eines Gebäudes, auf welches sich die V erstreckt, mittels Einbruch gestohlen werden; er hat auch den Schaden

zu ersetzen, welcher int Falle eines Diebstahles mittels Einbruch durch

die Zerstörung oder die Beschädigung der versicherten Sachen an diesen entsteht, soweit sie beim Begehen des Einbruchdiebstahls beschädigt oder zerstört werden. Wenn feuerfeste Türen oder Kassen durch Spreng­

mittel zerstört oder beschädigt werden, so kann die B für den Schaden

in Anspruch genommen werden. Für Baargeld, Wertpapiere, Sparkassenbücher, Urkunden, un­ gefaßte Edelsteine und ungefaßte echte Perlen wird in der Regel B

nur gewährt, wenn sie sich in verschlossenen Behältnissen befinden, die eine erhöhte Sicherheit, und zwar auch gegen die Hinwegnahme der Behältnisse selbst gewähren. Der Br haftet nicht für den Schaden durch Einbruchdiebstahl im Falle eines Kriegszustandes, eines Auf­ ruhrs, eines Erdbebens oder eines vulkanischen Ausbruches, es sei denn,

38 daß sowohl diese Ereignisse als deren Wirkungen, als die dadurch

hervorgerufenen Zustände, insbesondere der Zerstörung und mangeln­

den Ordnung weder unmittelbar noch mittelbar, sei es die diebische Absicht, sei es die Ausführung des Einbruchdiebstahles beeinflussen oder

begünstigen konnten. Die Einbruchdiebstähle richten sich -am meisten gegen Lager von Pelzwaren, Seide, Zigarren und Zigaretten, Webereiwaren und Lebensmitteln. Die einschlägigen Detailhandelsgeschäfte behaupteten wiederholt, daß es ihnen unmöglich sei, ausreichende B zu finden, und es wurde die Gründung einer VGemeinschaft zur Unterbringung notleidender Risiken angeregt. Eine solche Gemeinschaft ist indessen

seither noch nicht zustande gekommen. In neuester Zeit ist noch die B gegen Schäden hinzugekommen, welche durch Aufruhr, öffentliche Unruhen und Plünderungen entstanden sind. Bezüglich dieses VZweiges liegen keine ausreichen­

den Erfahmngen vor, weshalb auch die Prämien noch keinen dauern­ den Stand behaupten können.

Infolge des Weltkrieges hat die VGesellschaft Mlianz in Ver­

bindung mit dem Verein Jnvalidendank eine Versicherung gegen alle Schäden organisiert, welche durch Auftuhr, öffentliche Unruhen und

Plünderungen oder die zur Abwehr und Unterdrückung getroffenen Maßregeln entstehen. Diese Versicherung erstreckt sich auch auf alle tätlichen Angriffe gegen die Person des Versicherten.

K 12. Daldbrandverficherung. Als eine bedeutsame SachschadenB darf die WaldbrandB Be­ achtung beanspruchen. Die Schcwigungen des Waldes durch Feuer schwanken in den einzelnen Jahren außerordentlich, weit mehr als alle sonstigen Mobiliar- und Jmmobiliarbrandschäden. In Preußen

kamen bei einem Gesamtwaldbestande von 8270133 ha im Jahre 1904 662 Waldbrände vor, dagegen im Jahre 1905 nur 254. Als Ziel einer

weitschauenden Waldversicherungspolittk bezeichnet Geh. Rat Borster, Generaldirettor der Provinzial-Feuerversicherungsanstalt der Rhein­ provinz, in einem zu Sttaßburg im Jahre 1907 gehaltenen Borttag

die Versicherung gegen die dem Walde durch Feuersgefahr drohenden Schädigungen seines wirtschaftlichen Bestandwertes. Würde die

B lediglich auf die durch die Wiederaufforstung nach dem Brande

entstehenden Kulturkosten beschränkt, so würden sich zwar die Prämien äußerst niedrig stellen, aber die großen Werte der Holzbestände un­

versichert bleiben, was vom Standpunkt einer klug durchdachten Waldwirtschaft und des Kredits des Grundbesitzes nicht befürwortet werden kann. Der jährliche Gesamtertrag des deutschen Waldes wird von Geh. Rat Dr. H. Hausrath auf 50 Mill, cbm mit einem Geld­ wert von 400 Mill. M. geschätzt.

Selbstverständlich ist dieser Wert

inzwischen bedeutend gestiegen.

die

Eine Reihe von Gesellschaften und Provinzialanstalten haben WaldbrandV eingeführt, insbesondere ist die M.-Gladbacher

FVGesellschaft und die Rheinische Provinzialfeuerversicherungsanstalt auf Einrichtung dieses Versicherungszweiges bedacht gewesen. Die

Prämien bei der letzteren wurden seinerzeit angegeben wie folgt: a) für reines Laubholz

0,4 bis 0,8%q

b) c)

„ „

gemischten Hochwaldbestand ... „ Niederwaldbestand . .

d)



reines Nadelholz

0,6 „ 0,9 „

1,5 „ 3,0 „

im Alter bis zu 8 Jahren 3,0 bis 5,0°/ „ „ von 8 bis 15 Jahren ... 2,5 „ 4,0 „

15 bis 40 Jahren







„über 40 Jahren



. .

1,5 „ 2,0 „

0,5

„ 1,5 „

Die Beteiligung des Grundbesitzes an der WaldbrandV war bisher ungenügend. Eine größere Beteiligung in den verschiedenen Staaten würde sicher zu einer Verminderung der Prämien führen.

8 13.

Lebensversicherung.

Mt der LV befassen sich im Deutschen Reich 29 Aktiengesellschaften, wovon 4 in Bayern ihren Sitz haben, und 18 Gegenseitigkeitsvereine.

Der Geschäftsstand bei diesen Anstalten war Ende 1917 folgender: Aktiengesellschaften: Todesfall

Erlebensfall

BolksB

7685250

464200

1543522

5742640

142054

SterbegelderB

195980

Renten

22096 M.

Gegenseitigkeitsvereine:

120519

Die Prämien betrugen bei den

159670

7652 M.

40 Aktiengesellschaften:

«rotze B

Bv

370702406 M. 111553391 M. Gegenseitigkeitsvereinen: 250253178 M.

9126588 M.

Die Prämienreserven betrugen Ende 1917 bei den Aktiengesellschaften

3401727451 M.

„ Gegenseitigkeitsvereinen 2128596392 „ Die Ziele der LV liegen in der Zukunft der versicherten Personen und bestehen darin, daß im Falle der Erreichung eines vorher unbe­ stimmbaren Zeitpunkts (Tod oder Erleben) der Vr dem Bn gegen „

Entgelt durch Zahlung der Prämie (Beitrag) gewisse Leistungen

an Kapital oder Renten zu bewirken hat. Zn unterscheiden sind 2 Hauptgruppen der LB.

Die eine Gruppe

bildeu die V, welche als V für den Todesfall bezeichnet werden und das Merkmal gemeinsam haben, daß die den Br treffende Gefahr in dem Tode desjenigen liegt, auf dessen Person die Versicherung ge­ nommen ist. Tritt der Tod dieser Person vor der Zeit ein, so ist der Br entweder zu einer Leistung verpflichtet, für welche er in dem bis dahin

bezogenen Prämienbetrage keine ausreichende Deckung findet, oder zu einer Leistung, von der er überhaupt frei sein würde, wenn der Tod später eingetreten wäre. Es gehören dahin vor allem die sämt­ lichen KapitalB für den Todesfall, aber auch verschiedene Formen der RentenV, so namentlich wenn es sich um eine ÜberlebensB, eine

WittwenV handelt. Die zweite Gruppe umfaßt die V für den Lebensfall. Die vom Br zu tragende Gefahr besteht darin, daß die Person, auf deren Leben die B sich bezieht, nach Ablauf eines bestimmten Zeit­

raumes noch lebt. Auf den Eintritt des BF zu ungunsten des Br eine unberechtigte Einwirkung zu üben, sind daher die Beteiligten in den bezeichneten BBerhältnissen außer Stand, überhaupt hängt

für den Vr der Umfang der Gefahr nahezu ausschließlich von dem Alter ab, in welchem derjenige, auf dessen Leben die V genommen

wird, zur Zeit der Eingehung des Vertrages steht; wie bei allen übrigen Zweigen der LV hat aber auch bei der V für den Lebensfall das Alter der Regel nach nur die Bedeutung, einen Maßstab der Prämie zu bilden. (Vgl. Begründung zum BVG, S. 167.)

Die LB geht Hand in Hand mit der politischen und wirtschaft­ lichen Entwicklung der Völker, sie findet bei zurückgebliebenen Völkern

weniger Boden als dort, wo sich alle wirtschaftlichen Zweige frei entfalten und der einzelne sich seiner Verantwortlichkeit als Betriebs­ leiter, als Familienvater und Bürger voll bewußt ist. Den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen die LV überall anzupassen, waren die

BWissenschaft und die VTechnik mit immer wachsenden Erfolgen bemüht und gerade auf dem Gebiete der LB vermochten Aufgaben

gelöst zu werden, vor denen man früher zurückgeschreckt war. Die LV versucht die Sparsamkeit anzuregen, sie geht auch nicht an den schwächlichen und kranken Personen vorüber, sie ermöglicht es dem Familienvater, die Zukunft seiner Frau und seiner Kinder zu sichern und gestattet denjenigen, die sich ohne Nachteil eines Teiles ihres Vermögens entäußern können, sich auf Lebenszeit eine aus­

kömmliche Rente zu sichern, die vom Zinsfuß, Börsenkurs und sonstigen Faktoren nicht mehr ungünstig beeinflußt werden kann, endlich kann die LB auch dazu benutzt werden, für den Unterhalt wirtschaftlich unselbständiger Personen, wie von Kindern, Verschwendern u. dgl.

in zweckmäßiger Weise Sorge zu tragen. Auch als Schutz gegen Ver­ schuldung des Grundbesitzes und als Mttel zur Entschuldung kommt die LV in Betracht. Ein Mitglied des Reichsaufsichtsamts, Geh. Regierungsrat Dr. Meyer, bemerkt über die LV in treffender Weise: „Die Bedeutung der LV erschöpft sich nicht in dem durch die VEinrichtungen vermittelten Geldverkehr; sie liegt zum Teil auf moralischem Gebiete.

Die LB

gibt dem Versicherten das beruhigende Gefühl, nach seinen Kräften

auch den unvorhergesehenen Anforderungen des Lebens und etwaigen Schicksalsschlägen vorgebeugt zu haben, sie erzieht ihn zur Sparsam­ keit und erleichtert ihm die ganze Lebensführung. Es hat seinen guten Grund, daß im großen Betriebe der LV in ruhigen Zeiten am häufigsten

um die Zeit der Eheschließung B verlangt werden. So schafft die B auch mittelbare Werte von erheblichem wirtschaftlichen Belange. Wir können zwar weder die Größe noch den Wandel dieser Werte

in Zahlen ausdrücken, wir wollen sie aber darum nicht vergessen und nicht unterschätzen." Schon in früheren Jahren wurde in Gestalt der Tontinen eine Art von LV betrieben, deren Einführung dem Neapolitaner Tontini

42 (1630) zu verdanken ist. Die Tontine besteht darin, daß ein bestimmtes Vermögen oder dessen Ertrag oder auch Beides zusammen den zu einem bestimmten Zeitpunkte Überlebenden oder während eines bestimmten Zeitraumes Verstorbenen zufällt (vgl. Zeitschrift für BMssenschast, Bd 18, Heft 4, S. 354).

Wenn sich 100 Personen zusammentun und jeder 100 M. ein­ zahlt, so wird das dieser Tontinengesellschaft gehörende gemeinsame Vermögen jährlich 500 M. an Zinsen abwerfen. Die 100 Teilnehmer an dieser Tontine kommen überein, diesen Zins während der nächsten 20 Jahre am Ende eines jeden Jahres an die jeweils Überlebenden

und das Vermögen selbst am Schluß des vereinbarten Zeitraumes an die schließlich noch Lebenden zu verteilen. Die Mitglieder der Tontine beerben sich eventuell gegenseitig. Die Tontine hatte in Frank­ reich große Verbreitung und war auch bei der bayer. Hypothekenund Wechselbank in München eingeführt.

Inzwischen wurde die Tontine durch die Verbreitung und Aus­ bildung der LV überholt. Weder die Tontine noch die Sparkassen konnten allen Anforderungen genügen. Bei aller günstigen Beurteilung der Sparkassen konnte man sich doch der Überzeugung nicht erwehren, daß unter gewissen Verhältnissen die LV den Vorzug verdient, weil sich das Sparkassenkapital nur allmählich ansammelt, während bei der LV der Versicherte schon nach Einzahlung der ersten Prämie den

Rechtsanspruch darauf erwirbt, daß im Falle seines Todes die ganze

BSumme ohne jeden Abzug seinen Relikten zukommt. Eine erschöpfende Darstellung aller Formen der LV ist im ge­

gebenen Raume nicht möglich; indessen sollen nachstehend verschiedene BArten dargestellt werden, welche bei den meisten LVGesellschasten eingeführt sind. Das von der deutschen LBBank Arminia in München dem Verfasser zur Verfügung gestellte Material enthält BBedingungen,

wie sie zurzeit üblich sind und als Beispiele angeführt werden können: 1. KinderB. Nach § 159 VBG kann der Vater oder die Mutter für die Person eines minderjährigen Kindes B nehmen. Die KinderV umfaßt die MilitärdienstkostenV mit Gewinnanteil, dann die

TöchteraussteuerB mit Gewinnanteil. Der Militärdienst hat in seiner bisherigen Einrichtung den jungen Männern und damit den Eltern erhebliche Kosten auferlegt, die durch die B gedeckt werden können. Wenn ein 29 jähriger Vater seinen 1jährigen Knaben behufs Sicher-

stellung des Betrages von 1000 M. versichert, so beträgt die jährlich zu entrichtende Prämie 39 M. 60 Pf. Stirbt das versicherte Kind schon

vor dem 20. Lebensjahr, so werden die eingezahlten Prämien mit aneinigem Abzug der ersten Jahresprämie sofort zmückgegeben.

Wird der junge Mann nicht beim Militär eingestellt, so wird das ver­ sicherte Kapital bei Vollendung des 25. Lebensjahres des jungen Mannes voll ausbezahlt. Beim vorzeitigen Ableben des Vn (nämlich des Vaters), hört die Prämienzahlung ganz auf, die V bleibt aber trotzdem

in voller Höhe in Kraft. Diese B vereinigt somit gleichsam die Vorteile der MilitärdienstkostenV mit denjenigen der LV. Nicht geringere Ansprüche als der Militärdienst stellt an die Eltern die Ausstattung einer Tochter. Die TöchteraussteuerV gewährleistet gewöhnlich ein Kapital, das dem versicherten Mädchen an seinem Hochzeitstage, spätestens aber, wenn es nicht vorher heiraten sollte, bei Vollendung seines 25. Lebensjahres ausbezahlt wird. Diese V

liefert das Ausstattungskapital gerade dann, wenn es gebraucht wird. Sollte der Vater, der die V für seine Tochter genommen hat, vor­

zeitig sterben, so wird der Familie der Vorteil gewährt, daß keine weiteren Prämien mehr an den Br zu entrichten sind, während die versicherte Summe zum festgesetzten Termine in voller Höhe zur

Auszahlung gelangt. Wenn also z. B. ein Vater, der sein Kind mit 5000 M. versichert hat, schon nach dreijähriger Dauer der V sterben sollte, so brauchen keine weiteren Einzahlungen mehr zu erfolgen und die Summe von 5000 M. wird zum festgesetzten Endtermin ausbezahlt. Sowohl bei der MilitärdienstkostenV wie bei der TöchteraussteuerV

gehen die dargelegten Einrichtungen von der Erwägung aus, daß, wenn ein Mann in voller Schaffenskraft vom Tod hinweggerafft wird, die zurückgelassene Familie einen so schweren Verlust an Einkommen erleidet, daß ihr nicht zugemutet werden kann, die Prämien weiter zu

bezahlen. Gleichwohl wird aber die VSumme beim Eintritt des vereinbarten Zeitpunktes ungeschmälert an die Familie ausbezahlt.

Dieses, auch soziale Gesichtspunkte berücksichtigende Verfahren ist nur bei entsprechender Leistungsfähigkeit des VU (gute Verzinsung der eingezahlten Prämien, entsprechende Ausdehnung des Geschäftes und gewissenhafte finanzielle Leitung usw.) möglich. 2. Auch die LV der Erwachsenen tritt in den verschiedensten

Formen auf als Tod es fall V, als abgekürzte oder gemischte V ohne

44 und mit Einschluß der Invalidität, mit festen Prämien, mit oder ohne

Gewinnanteil. Die abgekürzte oder gemischte B besteht darin,

daß das Kapital beim Tod des Bn zahlbar ist, spätestens jedoch nach

Ablauf der in der Polize festgesetzten BDauer. Die bayerische BBank in München führt in ihren BBedingungen folgendes Beispiel an: Ein 30 jähriger nimmt eine auf 30 Jahre abgekürzte V über 10000 M. Er zahlt dafür in den ersten 4 Jahren eine jährliche Prämie von 332 M. Stirbt der Be vor Ablauf der vereinbarten 30 Jahre, so wird das

Kapital sofort ausbezahlt, anderenfalls erfolgt die Auszahlung beim Ablauf der V nach 30 Jahren. Soll für den Fall, daß der Ve infolge von Krankheit oder Unfall dauernd gänzlich erwerbsunfähig wird, jede weitere Beitragszahlung aufhören, so ist hiezu eine jährliche Zusatzprämie von 22,50 M., sonach im ganzen eine Jahresprämie von 354,50 M. erforderlich.

Um neben der Befreiung von der Prämienzahlung auch noch während der dauernden gänzlichen Erwerbsunfähigkeit bis zur Fällig­ keit des versicherten Kapitals eine jährliche Invalidenrente von beispiels­ weise 500 M. beziehen zu können, hätte der Be außer der vorgenannten Jahresprämie von 354,50 M. noch weitere 5 • 6,80 — 34 M-, also im ganzen 388,50 M. zu entrichten. Zur B einer Invalidenrente von jährlich 1000 M. wäre eine Erhöhung der obigen Prämie von 354,50 M.

um weitere 10 • 6,80 M. — 68 M., sonach eine Gesamt-Jahresleistung

von 422,50 M. erforderlich. Vom 5. Jahre an ermäßigt sich sowohl die

Prämie für die Todesfall- als auch für die Jnvaliditäts-ZusatzV um die Dividende. Prämienbefteiung und Rentenzahlung treten mit dem Beginn des auf den Eintritt der Invalidität nächstfolgenden VJahres in Kraft. Die Zahlung der Rente erfolgt vierteljährig pränumerando. Bemerkenswert ist auch die sog. RisikoV, eine für 10jährige Dauer geltende LV mit ärztlicher Untersuchung gegen Prämien, die

nur das jährliche Risiko decken, also denkbar niedrig sind. Es zahlt z. B. ein Dreißigjähriger für eine V von 10000 M. Kapital (wofür er bei einer gewöhnlichen auf das 55. Lebensjahr abgekürzten V etwa 400 M. Prämie jährlich zu entrichten hätte) nur eine jährliche Prämie

von 99 M. Diese VSpielart ermöglicht es ohne Schwierigkeit jedem Kaufmann, eingegangene Verbindlichkeiten für den Fall seines Todes

zu decken, jedem Geschäftsteilhaber sein im Geschäft steckendes Kapital sicherzustellen, jedem Staats- oder Privatbeamten die Pensionen

seiner Mtwen oder Waisen zu ergänzen. Wenn z. B. 2 Geschäfts­ teilhaber im Mer von 34 und 35 Jahren sich mit je 15000 M. bei ihrem gemeinschaftlichen Unternehmen beteiligt haben, so würde das unvorhergesehene Ableben des einen der beiden es dem Überlebenden unmöglich machen, die Einlage des Verstorbenen an besten Erben

auszubezahlen, ohne die Sicherheit des Geschäfts aufs schwerste zu gefährden. Um diese Gefahr mit den denkbar geringsten Mtteln. abzuwenden, schließen sie daher 2 Risikoversicherungen ab über je 15000 M-, wofür sie eine vierteljährige Prämie von 47,65 M. bzw. 50,25 M. zahlen und als gemeinsame Geschäftsunkosten verbuchen.

Stirbt nun einer der Teilhaber, so kann der andere mit den fällig werdenden 15000 M. ohne weiteres die Hinterbliebenen des Ver­ storbenen abfinden, ohne den Kredit des Unternehmens in Anspruch zu nehmen oder dem Betrieb selbst Mittel entziehen zu müssen. Er­ leben beide den Ablauf der V, so erlöschen diese und die jetzt jährlich zur Verfügung stehenden Prämien können dann mit einem weiteren Zuschuß zu

einer

gewöhnlichen

Teilhaberversicherung

verwendet

werden. 3. Während die dargestellten Formen der LV darauf beruhen, daß die der Zukunft der Versicherten dienende Kapitalbildung durch das BUnternehmen erfolgt, ist der Zweck der Renten- oder Leib­

ren t en V ein in der Hand des Bn bereits angesammeltes Kapital unter Vermittlung des Vr möglichst fruchtbringend anzulegen, um dem Bn auf Lebzeiten ein unabänderlich gleichbleibendes Einkommen zu verschaffen, das höher ist als die gewöhnliche Verzinsung. Das

Rentenkapital geht in das Eigentum des VUnternehmens über und verbleibt ihm, wenn der Bn stirbt. Durch vor­ zeitiges Absterben des Vn geht dem BUnternehmen der Vorteil zu,

daß es von weiteren Rentenzahlungen befreit wird und frei über das eingelegte Kapital verfügen kann. Im umgekehrten Falle, wenn der Rentenbezugsberechtigte ein höheres als das voraussichtliche durch­ schnittliche Lebensalter erreicht, genießt er nicht nur die höhere Rente,

sondern erhält auch das eingezahlte Kapital teilweise in Form der Leibrente zurück. Die LeibrentenV paßt daher nicht für alle Ver­ hältnisse, namentlich nicht für diejenigen, die das Kapital für ihr Geschäft noch bedürfen oder ungeschmälert auf Erben zu übertragen wünschen, dagegen wird sie manchem empfehlenswert erscheinen,

46 der die Früchte seines Fleißes und seiner Sparsamkeit ungestört ge­

nießen wiN und durch keinerlei Rücksichten auf Verwandte oder andere ihm näher stehende Personen behindert ist. In vielen Fällen kann der

Bn mit dem BUnternehmen vereinbaren, daß die Rente nach seinem Tode auf seine Ehefrau übergeht. In allen diesen Fällen ist bezüglich

der Bemessung der Rente das Lebensalter des Bn entscheidend. .Je älter er ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit seines Absterbens und um so höher kann die ihm zukommende Rente bemessen werden.

Je jünger er ist, um so mehr nähert sich die Rente dem landesüb­ lichen Zinsfuß.

Der Einfluß des Lebensalters ist unten, § 21, näher

dargelegt. Wenn die ursprünglich angenommene Sterblichkeit der Ver­ sicherten für das BUnternehmen günstig verläuft, liegt ein sog. Sterb­ lichkeitsgewinn vor. Sterben Versicherte vor Ablauf der Karenzzeit oder nach Bezug von Leibrenten wenige Jahre nach Abschluß der B, so macht das Unternehmen einen Gewinn. Umgekehrt erleidet es einen Verlust, wenn die Absterbeverhältnisse sich für eine größere Zahl

von rentenbezugsberechtigten Versicherten günstiger gestalten, wenn sich also das Durchschnittsalter erhöht. Durch die Rückwirkung des verheerenden Kriegs 1914 bis 1919 hat sich jedenfalls das Sterblichkeits­ verhältnis ungünstiger gestaltet. Die BolksB ist nur eine m einfacher Form gehaltene LV. Der dmchschnittliche Betrag der VSumme ist keiner als bei der großen LV. Die BolksB wird der sog. keinen V zugezählt. Letztere besteht nicht nur aus der VolksV, sondem auch aus der sonstigen keinen V

(SterbegeldB). Sie bezweckt, die Vorteile der LV auch demjenigen zugänglich zu machen, dessen Einkommen ihm größere Prämien­

leistungen nicht gestatten. Zu vgl. die Schrift „Die VolksV in Deutschland" von Dr. R. Schraufstetter. München 1910 bei Dr. Wolf. Die VolksV hat bis zum Ausbruch des Krieges fortwährend an

Ausdehnung gewonnen und eine große Zahl der leistungsfähigsten

Gesellschaften stellte sich die Aufgabe, der VolksV überall Eingang zu verschaffen. Bei der VolksV wird in der Regel von einer ärztlichen Untersuchung Umgang genommen und die Einzahlung der Prämien durch Wochenbeitrag oder Markeneinkeben tunlichst erleichtert und verbilligt.

Gegenwärtig ist der Bestand der VolksB folgender: 1543522000 M.

1. bei den Aktiengesellschaften 2. bei den Gegenseitigkeitsvereinen . . .

Zusammen:

120519000 „

1664041000 M.

Im Jahre 1917 betrugen die Prämien (Beiträge) in der LB, und zwar

bei der großen V

620955584 M.

bei der BolksV

120679979 „

Das Reichs-Aussichtsamt bemerkt

in

seinem

Geschäftsbericht

für 1917 S. 42: „Der Zuwachs der VolksB hat allmählich nachgelassen.

Bis

einschließlich 1904 belief sich der Zuwachs bei den BScheinen und der VSumme auf ungefähr 11% des Bestandes zu Anfang des Jahres; seitdem ist er bis 1912 bei den Summen auf 6,19%, bei den BScheinen auf 4,10% gesunken. Im Jahre 1913 schien wieder eine Hebung ein­ treten zu wollen, als im Berichtsjahre der Krieg mit seinen zahlreichen Todesfällen einen Rückschlag brachte, der sich 1914 auf 2,78% bei den Summen und auf 1,51% bei den Scheinen stellte. Die durchschnittliche BSumme hat zwischen 175 und 200 M. geschwankt. Bei der großen TodesfallB hat der Krieg die Zunahme der VSche von 5,11% auf

1,14% und die der Summen von 5,49% auf 1,58% herabgedrückt. Der durchschnittlich auf einen Schein entfallende Bettag hat folgende Entwicklung genommen: Ende 1903 stellte er sich auf 4533 M., Ende des folgenden Jahres auf 4568 M., danach auf 4654, 4702, 4731, 4748, 4796, 4843, 4861, 4868, 4885 und jetzt auf 4906 M."

Me rasch die privaten LB den Bedürfnissen der Zeit Rechnung zu tragen weiß, geht aus der durch den Krieg 1914 bis 1918 veranlaßten

Kombinierung der Förderung der vaterländischen Kriegs­

anleihen mit der LV hervor, mit welcher seinerzeit in Deutsch­ land die Deutsche LVBank Arminia in München vorangegangen ist. Auch alle übrigen LBGesellschaften organisierten sofort in anerkennens­

werter Weise die Förderung der Kriegsanleihezeichnung durch die LV in hm verschiedensten Formen. Die Diskontterung künftiger Ersparuisse wurde in jener Zeit, als Reichs-Kriegsanleihen in kurzen

Zwischenräumen zur Zeichnung aufgelegt werden mußten, allerdings durch die Kriegsdarlehenskassen ermöglicht, aber ungeachtet des Nutzens

48 dieser Einrichtung wurde mancher davon abgehalten so viel zu zeichnen,

als er eigentlich wirklich hätte zeichnen können, weil das Bedenken

dazwischen trat, daß man im Falle frühzeitigen Todes den Angehörigen eine unerfüllbare Verbindlichkeit hinterläßt, wenn man mehr Kriegs­

anleihe zeichnet als man augenblicklich bar Geld zm Verfügung hat. Dieses Bedenken wurde durch das Dazwischentreten der LVGesellschaften beseitigt. Wer z. B. bei der Arminia in München Antrag auf Zeichnung von 1000 M. Kriegsanleihe und auf gleichzeitige V seines Lebens stellte, hatte nur eine Anzahlung von 130 M. und die vierteljährigen Prämien von 19 M. 50 Pf. während der zehnjährigen VDauer zu leisten. Sttrbt er schon im ersten Jahre, so werden seinen

Angehörigen die gezeichneten Stücke der Reichsanleihe ohne jeden Abzug ausgefolgt. Erlebt der Be den Ablauf der zehnjährigen V,

so erhält er die Kriegsanleihe oder nach Wahl den Barbettag von 1000 M. Durch die Kombinierung der LV mit der Kriegsanleihezeichnung

wurde nicht nur diese, sondern auch die Ausbreitung der LV wesentlich gefördert. Die VGesellschaften haben für die ersten 8 Kriegsanleihen zusammen den stattlichen Bettag von 1823 Mll. M. für eigene Rech­

nung und von 1511 Mll. für Rechnung ihrer Versicherten, zusammen also 3334 Mll. M. gezeichnet, wovon auf die LV allein 2758 Mll. entfallen. Über die wirtschaftlichen Mrkungen der KriegsanleiheV nach Einttitt des Friedens hat der Geh. Reg.-Rat Dr. Broecker in der Zeitschrift für VWissenschaft (1919, Heft I) eine interessante Ab­ handlung veröffentlicht. Der Vr trägt bei Fälligkeit der B die Gefahr

für etwaige Kursschwankungen. Die Bedingungen vieler Gesellschaften

stehen auf dem Standpunkte, daß der versicherte Zeichner unter allen Umständen, also auch im Falle vorzeittgen Rücktrittes vom Berttage, als der unverantwortliche Eigentümer der gezeichneten Stücke zu be­ handeln ist. Das hat zur Folge, daß im Rückkaufsfalle die gezeichneten

Stücke für Rechnung des Vn verkauft und gegen seine Schuld bei der Gesellschaft verrechnet werden. Wie in § 4 dargelegt, sammeln sich bei den VAnstalten die ein­ gezahlten Prämien und die Zinsen dieser Bestände an. Die Verzinsung

der Kapitalien der Anstalten ist deshalb von wesentlichem Belang. Je sicherer und umsichttger die Kapitalien angelegt werden, um so günstiger können die VBedingungen gestaltet werden. Durch den

Eintritt in die V erwirbt der Ve die Möglichkeit, daß die großen Vor­ teile der Verzinsung auch ihm nicht verschlossen bleiben. Die Ansammlung großer Geldbestände in der Hand der LVAnstalten

hat aber auch für den Staats- und Kommunalkredit und für den Kredit der gesamten Industrie sowie des Haus- und Grundbesitzes große Bedeutung. Die hypothekarischen Anlagen der sämtlichen ^Gesellschaften betrugen im Jahre 1913

1914 1915 1916 1917

. . . . . . . . . . . . . . .

2839 Darlehen mit 327683000 M.

2370 449 359



301



„ „ „ „

268418000 55181000 48640000 28715000

„ „ „ „

Hiebei handelt es sich um Neuausleihungen. Infolge der kriegerischen Ereignisse gingen die hypothekarischen Ausleihungen zurück,

wogegen die Anlagen in Reichs-, Staats- und Kommunalwerten zu­ genommen haben. Auch den Versicherten gegenüber treten die VAnstalten nicht selten

als Darleiher auf, indem sie dem Inhaber des VScheines Darlehen (Polizedarlehen) gewähren. Nach den allgemeinen VBedingungen

können nach Zahlung von 3 Jahresprämien bis zur Höhe der bei Kündigung zu gewährenden Mckvergütung abzüglich der Prämie

des folgenden Jahres vom Br Vorauszahlungen auf die V gewährt werden, wodurch sich alle Verpflichtungen des Vr um den im voraus bezahlten Betrag verringem. Die geleistete Vorauszahlung ist auf dem BSch vorzumerken. Von dem Tage ab, an dem die Voraus­

zahlung geleistet wird, erhöht sich die für die B zu zahlende laufende Prämie um so viel Prozent des im voraus gezahlten Betrages, als der Geschäftsplan des Vr bestimmt.

Die Darlehenshöchstgrenze darf nie den Zeitwert der B überschreiten. Vgl. Jllgen, Dr., Die wirtschaftliche Bedeutung

der BDarlehen (Zeitschrift für die gesamte VWissenschaft, Bd. 19,

Heft 2, S. 104). Unter obiger Voraussetzung sind die BDarlehen auch für den Vr eine sichere, jeden Schaden ausschließende Anlage. Für den Versicherten sind die auf Grund eines bestehenden VVerhältnisses

Gelder

gewährten Darlehen von Nutzen, wenn die entlehnten zu Zwecken der Gütererzeugung mit Erfolg verwendet

Haag, Leitfaden für bei Versicherungswesen.

4

50

werden können und gleichzeitig das Fortbestehen seiner B nicht in Frage gestellt wird. Das BVG huldigt dem gesunden sozialen Gedanken, daß be­

stehende B nicht ohne Not wieder aufgehoben werden sollen. Gerade für die LV hat dies die größte Bedeutung. Wenn ein VBerhältnis mindestens 3 Jahre bestanden hat und die Prämie für diese Zeit bezahlt ist, so kann der Be jederzeit die Umwandlung der V in eine prämienfreie B verlangen (§§ 173 und 174 VVG). Dieses Recht des Versicherten greift gegenüber den LVVerträgen jeder Art Platz. Der Ve, welcher eine Prämienzahlung nicht mehr leisten kann, was nicht selten vorkommt, ist hiernach nicht ausschließlich auf die ihm zu­

stehende Kündigungsbefugnis (§ 165 BVG) angewiesen, sondern besitzt in der auf ihn entfallenden Prämienreserve ein Mittel, durch welches sich seine Zahlungspflicht beseitigen läßt, ohne daß er aus dem VBerhältnis auszuscheiden braucht. Wenn der Be eine Prämienfreie V herbeigeführt hat, braucht er keine weiteren Prämien mehr zu entrichten, aber auch die dem Vr obliegende Leistung wird verhältnis­

mäßig gemindert.

5 14. Unfall- und Haftpflichtversicherung. Die Unfall- und HaftpftichtV werden in der Regel in Verbindung miteinander betrieben. Dieser VZweig wird von 34 Gesellschaften betrieben, welche im Jahr 1917 an Prämien erhoben haben: in der UV 38222161M., in der HaftpftichtV 49312490 M. und an Entschädigungen bezahlt haben im ganzen 35715455 M., darunter 2028455

Mark Renten. In der privaten UV gilt als Unfall „jede ärztlicherseits sicher erkennbare Körperbeschädigung, von welcher der Vr unfteiwillig durch ein plötzlich von außen mechanisch auf seinen Körper wirkendes Ereignis betroffen wird". Dieser Begriff findet sich in allen allgemeinen BBedingungen der Gesellschaften und auch in der Rechtsprechung. Nach

dieser „bezweckt die UV die V gegen ein wirtschaftlich nachteiliges Ereignis, das infolge einer plötzlichen (nicht allmählichen), vom Be­

troffenen nicht gewollten Einwirkung Körperverletzung oder Tötung eines Menschen herbeiführt". Das VVG bestimmt in § 179 lediglich: „Die UV kann gegen Unfälle, die dem Vn, oder gegen Unfälle, die einem anderen zuswßen, genommen werden."

Zahllose Unfälle treten täglich bei den verschiedensten Anlässen und Beschäftigungen ein. In der Industrie werden durch die Bedienung

der Maschinen, durch Verarbeitung explosibler Stoffe u. dgl. oft schwere Unfälle verursacht. In der Landwirtschaft spielen die durch Maschinen (Dreschmaschinen, Futterschneidvorrichtungen, insbesondere durch Tiere

angerichteten Schäden eine große Rolle. Aber auch mancherlei andere Schäden kommen hinzu. So schreibt das Wochenblatt des landwirt­ schaftlichen Vereines in Bayern: „Auf den Straßen kann der Fuß­ gänger seine Erfahrungen machen, halbwüchsige Burschen, denen man das Fuhrwerk überlassen muß, kennen keine Vorschrift des Aus­ weichens oder wollen sie nicht kennen. Es scheint ihnen unbekannt zu sein, daß es verboten ist, den Fußgängern mit der Peitsche um die Ohren zu knallen. Ein älterer Mann verlor durch solche Roheit das

halbe Gehör, indem ihm das Trommelfell zerriß. Die Zeche wurde für den Urheber eine so teure, daß er sein Leben lang daran denken

wird." Für die Mehrzahl der vorkommenden Unfälle hat die RVO eine GewerbeUV (§ 537 bis 914) sowie eine landwirtschaftliche UV (§ 915 bis 1043) vorgesehen und baut beide auf genossenschaftlicher

Grundlage auf (vgl. § 21).

Bei dec HaftpflichtV ist der Vr verpflichtet, dem Versicherten die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlich­ keit für eine während der VZeit eintretende Tatsache an einem Dritten zu bewirken hat (BVG § 149). Nach der Rechtsprechung ist die Haft­

pflichtV eine V gegen die auf Rechtsvorschrift oder Rechtsgeschäft beruhende Nötigung, infolge Eintritts einer bestimmten Tatsache an einen Dritten Vermögensleistungen zu machen. Wie die Schadensersatzpflicht des Vn entsteht, bemißt sich nach den einschlägigen Gesetzen. Bezüglich der Tierhalter ist §833 des BGB

maßgebend, welcher lautet: Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder

4*

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der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehre erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgsalt entstanden sein würde. Hieher gehört auch §823 des BGB, welcher lautet: Wer vor­ sätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die

Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen wider­ rechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden

Schadens verpflichtet. Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalte des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des

Verschuldens ein. Bei der HaftpflichtB kommen immer drei Personen in Bettacht: der Be, der Br und derjenige, der Schadensersatz in Anspruch nimmt.

Der Be kann vom Br vollen Ersatz für die Entschädigungssumme oder für die von ihm an den Beschädigten zu leistende Rente (selbst­ verständlich nur nach Maßgabe der BSumme) verlangen. Für den Bn ist der durch die Haftpflicht gewährte BSchutz sehr wichttg; denn dieser besteht nicht nut darin, daß der Br Ersatz zu leisten hat, sondern auch darin, daß er dem Bn gegen unbegründete Inanspruch­

nahme mit seinen Einrichtungen und Erfahrungen Beistand leistet und sogar im Fall eines Rechtsstreites die Kosten vorzuschießen hat (BBG

§150). Eine derartige Erweiterung der Haftung des Br erleichtert es dem Bn, von allen Maßregeln, die zm Abwehr des gegen ihn erhobenen Anspruchs geeignet sind, auch wirllich Gebrauch zu machen,

wie z. B. das Gutachten angesehener Sachverständiger einzuholen u. dgl. Dies erscheint aber namentlich um deswillen gerechtfertigt, weil in Haftpflichtfällen die Verteidigung gegen den Anspruch des

Dritten gar nicht selten dem Schutze von Interessen dient, welche nicht nur das Vermögen, sondern auch den Beruf, die dienstliche Stellung

oder die Ehre des Bn berühren. Dagegen haftet der Br nicht, wenn der Be vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er einem Dritten verantwortlich ist, herbeigeführt hat (BBG § 152). Wenn er dagegen fahrlässig gehandelt hat, so ist von Fall zu Fall zu entscheiden, ob und inwieweit er verantwortlich ist. Worin die Fahrlässigkeit besteht,

wird im BGB §276 näher dargelegt. Der betteffende Satz lautet:

„Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt." Wenn bei einem Geschäftsbetrieb die Haftpflicht in Betracht

kommt, so enthält das VVG in §151 folgende Bestimmung: „Ist

die B für die Haftpflicht aus einem geschäftlichen Betriebe des Vn genommen, so erstreckt sie sich auf die Haftpflicht der Vertreter des Bn sowie aus die Haftpflicht solcher Personen, welche er zur Leitung oder Beaufsichtigung "des Betriebs oder eines Teiles des Betriebs aufgestellt hat. Die V gilt insoweit als für ftemde Rechnung ge­ nommen."

Zu vgl. „Die rechtliche Materie der HaftpflichtV" von Kurt Jannott. München 1912, Verlag von Max Steinebach. 8 15.

Metverluftversichemng und andere Versicherungen.

Auf diesem Gebiete sind seither 40 Aktiengesellschaften tätig mit einer VSumme von 95214545 M. mit einer Bruttoprämie von 122617 M. und 24941 M. Schäden, außerdem 7 Gegenseitigkeits­ vereine mit einer VSumme von 2703148 M., mit 7734 M. Brutto­ prämien und 30 M. Schäden, tätig gewesen. Der Geschäftsbericht des Reichsaufsichtsamtes für 1917 weist 40 Aktiengesellschaften und

6 Gegenseitigkeitsvereine nach. Die VSumme betrug in der

MietB

100187608 M.

BetriebsverlustB ZuckerpreisdifferenzV

386252401 3895235

Bei der MietverlustV der Schaden 22012 M., bei

„ „

betrug der Beitrag 125503 M., der BetriebsverlustB bezifferte sich

der Beitrag auf 1599108 M., der Schaden auf 641646 M. und bei der ZuckerdifferenzV steht einem Beitrag von 8676 M. ein Schaden

nicht gegenüber.

8 16.

Rückversicherung.

Die RB hat sich als eine wirtschaftliche Notwendigkeit immer mehr eingebürgert und wird jetzt von 43 Aktiengesellschaften betrieben. Den ersten Rang unter diesen nimmt die Münchener RBGesellschaft ein,

welche seinerzeit von dem hochverdienten Generaldirektor v. Thieme in das Leben gerufen wurde.

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Bei der RV sind beide den VBertrag abschließende Teile BU und besitzen als solche hinreichende Geschästskundigkeit, um selbst für die Wahrung ihrer Interessen zu sorgen. Die RB unterliegt deshalb

nicht der Beaufsichtigung durch das Reichs-Aufsichtsamt (§ 116 EG), wobei nur der Betrieb von BVereinen auf Gegenseitigkeit eine Aus­ nahme bildet. Auch die Vorschriften des BVG finden auf die RB

keine Anwendung (VVG § 186). Die Entwicklung der RV ist eine der interessantesten Erscheinungen der Neuzeit. Die RV umspannt eine große Zahl von Unternehmungen im In- und Ausland und wirkt bezüglich der Verteilung der Schäden nivellierend, sie setzt die Einzelunternehmungen instand, auch bei

den allergrößten Schadenskatast ophen ihre Verpflichtungen gegen­ über dem Vn zu erfüllen, und erhöht die Sicherheit desjenigen, dessen B die Grundlage für die RB bildet. Durch die RV wird der VBerkehr zum Teil internationalisiert und schon deshalb kann die RB keinen einschränkenden Vorschriften unterworfen werden.

Eine Ausnahme

besteht nur bezüglich der Prämienreserven (§ 58 VAG). Die Münchener RVGesellschaft hatte im letzten Geschäftsjahre eine Prämieneinnahme von 253,81 Mill. M. (hievon für LV 63,97, Haft­ pflicht- und UV 11,85, TransportB 51,87, Feuer-, Hagel und sonstige SachV 126,1 Mill. M. Durch den Krieg litten nur die TransportB

und die FB, welch letztere durch zahlreiche ausgedehnte Jndustriebrände ungünstig beeinflußt war: das amerikanische Zweiggeschäft wmde im

Dezember 1917 endgültig liquidiert. Selbstverständlich wird es der Münchener RB gelingen, ihre internationalen Beziehungen wieder aufzunehmen und noch mehr auszudehnen. Damit wird sie den Beweis liefern, daß es für deutsche Unternehmungslust und Schaffenskraft

auch in Zukunft keine unübersteigliche Hindernisse gibt. Sehr bedeutend ist die RB auf dem Gebiete der TransportB, die ihrer ganzen Entwicklung und Organisation nach die RB nicht entbehren kann. Der Geschäftsbericht des Reichsauflichtsamts für 1917 führt 45 inländische RVUnternehmungen auf. Unter diesen sind sechs, die

nur für einen

bestimmten VZweig

als RVUntemehmungen zu

bstrachten sind. Die Beitragseinnahmen und Schadenzahlungen der deutschen

RVUnternehmungen waren im Jahre 1917:

Betriebszweig

LebensB .... Unfall» und HaftPflichtV .... TransportB . . . FeuerB ..... EinbruchB.... Sonstige Vn. . .

Die

hauptsächlichsten

Beiträge abzüglich RB Storni

Retrozessions­ beiträge

M.

M.

Zahlungen aus B Fällen für eig Rechnung einschl. SchadensermittlungSkosten M.

71 858 475

15 619 953

18 632 904

24 641604 182 568 854 288 915 896 6 951 591 16 416 169

5 035 368 116 909 784 137 429 258 1 708 186 1 382 272

7 466 273 51 450 020 79 055 048 2 550 346 9 304 782

Bilanzposten

der

deutschen

RBUnter-

nehmungen sind nach Angabe des Aufsichtsamts:

Betriebszweig

Prämien­ reserve und Überträge auf eigene Rechnung M.

Rücklagen für schwebende B Fälle für eig. Rechn.

Aktien­ kapital

Sonder­ rücklagen

Bilanz­ gewinn

Bilanz­ verlust

M.

M.

M.

M.

M.

LiebensV . . 303 877 551 11 976 306 Umfall» u.Haft186974180 64 426 467 20 654 989 26 785 19 133 592 HflichtB. . 19 020220 S>achV . . . 126 340289 141 871 045

Bei der RV kommt es häufig vor, daß der RBr wegen der Größe des übernommenen Risikos selbst noch bei einem anderen BUnternehmen RB nimmt. Meses Geschäft heißt die Retrozession oder

WeiterRB.

In vielen Fällen, namentlich bei der VersandB, wird

ein dauernder RBBertrag abgeschlossen. Die ExzedentenRV besteht darin, daß bei V, die eine gewisse

Summe überschreiten, der überschießende Betrag (Exzedent) zur RV gelangt. Der Exzedent kann auf einen RVr oder nach gewissen Anteilen auf mehrere RVr verteilt werden.

Da angenommen werden kann, daß mit Beendigung des Krieges

viele neue wirtschaftliche Untemehmungen in das Leben gerufen und außerdem zahlreiche ältere Unternehmungen erweitert werden, so wird das Eingreifen der RB auch in Zukunft unentbehrlich sein und

56 es ist naheliegend, daß mit Hilfe der RB die Einführung ganz neuer

VZweige angebahnt werden kann.

8 17. Organisation der privaten Oersicherungsunternehmungen. Die B wird durch Aktiengesellschaften, Gegenseitigkeitsanstalten und Vereine betrieben, sie kann auch von einzelnen.Privatpersonen eingerichtet und betrieben werden. Eine Ausnahme machen die LB,

die Unfall-, Haftpflicht-, Feuer- und HB. Bezüglich dieser Geschäfts­ zweige darf die obrigkeitliche Erlaubnis zum Betrieb außer BBereinen auf Gegenseitigkeit nur an Aktiengesellschaften erteilt werden (§6 VAG).

Der Grund hiefür liegt in der allgemeinen Verbreitung dieser VZweige, m den hohen Summen, die häufig in Frage kommen und in den lang­ fristigen Risiken, die versichert werden. Dies erfordert von dem Schicksal und Mllen von Einzelpersonen möglichst unabhängige, d.h. dauernd

bestehende und dauernd leistungsfähige Bträger (Begründung zum

Entwurf des BAG, S. 27).

Alle privaten ^Unternehmungen unterliegen der Beaufsichtigung durch das „Kaiserliche Aufsichtsamt für PrivatB"mit dem Sitze in Berlin (BAG §§ 1 und 70) und bedürfen zum Geschäftsbetriebe der Erlaubnis dieser Aufsichtsbehörde (BAG § 4). Sie müssen bei ihrer Zulassung einen vollständigen Geschästsplan einschließlich des Gesellschastsvertrages oder der Satzung und der allgemeinen BBedingungen einreichen. Jede Ändemng des Geschästsplanes bedarf der Genehmi­

gung des Aufsichtsamts (§ 13 VAG). Wenn zwei oder mehrere BUnternehmungen sich vereinigen (Fusion), so ist hiezu die Genehmigung des APB erforderlich. Jede VUnternehmung muß ihre Bücher jährlich

abschließen; auf Grund der Bücher ist für das verflossene Geschäftsjahr ein Rechnungsabschluß und ein die Verhältnisse sowie die Entwicklung des Unternehmens darstellender Jahresbericht anzufertigen und dem Aufsichtsamt einzureichen (VAG § 55). ^Aktiengesellschaften und BBereme auf Gegenseitigkeit sind verpflichtet, jedem Vn auf Verlangen

ein Exemplar des Rechnungsabschlusses und des Jahresberichts mitzu­

teilen. Durch die Ausübung des Beaufiichtigungsrechts und dmch das von den VU vorgelegte Material wird das APB in den Stand gesetzt, die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der gesamten PB

zu überblicken. Das Amt veröffentlicht jährlich Mitteilungen über den

Stand des privaten BWesens sowie über seine Wahmehmungen auf diesem Gebiete (VAG § 83). Das APV hat vom Anfang an seine Aufgabe richtig erfaßt und ohne den Untemehmungen Schwierig­ keiten zu bereiten, einen höchst förderlichen Einfluß auf das gesamte

BWesen gewonnen.

Seine Veröffentlichungen zeigen den Unter­

nehmungen vielfach den richtigen Weg und fördern den friedlichen Wettbewerb der einzelnen Anstalten. Durch diese Einrichtungen ist volle Gewähr dafür gegeben, daß neben dem Interesse der Allgemeinheit auch die Interessen der Ver­ sicherten und der Vr nach dem Grundsätze von Recht und Billigkeit Damit ist auch das Ansehen und der Einfluß der PB wesentlich gestiegen, wozu kommt, daß ein Teil der PVUnternehmungen über große Kapitalien verfügt und damit auch den Real­

gewahrt werden.

kredit in ausgedehntem Maße in ähnlicher Weise pflegt wie die Hypo­

thekenbanken. Maßgebend für die PB sind die Bestimmungen des VBG vom 30. Mai 1908, welche eine Ergänzung des BGB darstellen und zunächst davon ausgehen, daß das VVerhältnis sich in erster Linie nach den

Vereinbarungen zwischen Vn und Vr bemißt. Es wird jedoch im VVG angenommen, daß beim VVertrag der Vn im allgemeinen der schwächere Teil ist und dem Br an Geschäftserfahrung regelmäßig nach­

steht. Mit Rücksicht hierauf hat das BVG eine Reihe seiner Vorschriften, wo es zum Schutze besonders wichtiger Interessen des Vn notwendig erschien, mit zwingender Kraft ausgestattet.

Wie die ersten Anfänge des ganzen VWesens auf den Unter­ nehmungsgeist des Handels zurückzuführen sind, so ist auch die spätere

Entwicklung und Vervollkommnung des VWesens überwiegend der kaufmännischen Intelligenz und Energie zu verdanken. Die PB, eifrig

bemüht, allen Bedürfnissen des Lebens gerecht zu werden, kommt damit den sozialen Anforderungen nach, die in neuerer Zeit an sie gestellt

werden. Schon der lebhafte Mitbewerb der einzelnen Gesellschaften untereinander führt dazu, daß jeder glückliche Gedanke, jede erfolg­

versprechende Neuerung sofort eingeführt und weiter entwickelt wird. Wenn in neuester Zeit der Vorschlag aufgetaucht ist, das ganze VWesen zu monopolisieren, so vergessen die Befürworter eines solchen Systems, daß die bisherige günstige Entwicklung der PV nur im freien Wettbewerb und unter Mitwirkung großer Privatkapitalien

58 möglich war, die einer staatlichen Monopolanstalt nicht zm Verfügung

stehen würden. Eben deshalb würde eine solche Anstalt dem Staate schwerlich die Einkünfte liefern können, die man erwartet. Dmch die Monopolisierung würde aber auch wahrscheinlich die weitere Entwicklung

gehemmt und ein Beharrungszustand eintreten, welcher im Interesse

der Allgemeinheit und des sozialen Fortschritts nicht gelegen wäre. In einer dem daher. Finanzministerium vorgelegten Denkschrift der PVGesellschaften sind alle Bedenken näher begründet worden,

welche der Monopol sierung entgegenstehen. Es wird insbesondere dargetan, daß durch ein VMonopol die Lage der Versicherten nicht verbessert werden und auch für den Staat eine ergiebige Einnahmsquelle nicht erschlossen werden könne. Als Aktionärgewinn werde in der LV nur etwa 2% der Prämieneinnahme aufgewendet. Die bereits äußerst volkstümlich gewordene Bersichertendividende, d. i. der Gewinnanteil der Versicherten, könnte auch bei einem Staats­

betrieb ohne große Nachteile für die Sache selbst nicht beseitigt werden. Kein Staat, mit Ausnahme Italiens, hat bisher das VMonopol ein­ geführt und in Italien hatte das Monopol nicht den gewünschten finanziellen Erfolg. Insbesondere konnte dort bisher noch kein Rein­

gewinn der ArbeiterV zugeführt werden, wie ursprünglich beab­ sichtigt war. Zu vgl.: van der Borght „Reichsmonopol?", Berlin 1919,

bei Siemenroch; Gruner (früher Präsident des Reichsaufsichts­ amts) in der Zeitschrift für VWissenschaft, Jahrgang 1915, S. 257 ff.; Breedenbeck, Das Staatsmonopol der Feuerversicherung, Amster­

dam 1918. Wie den sämtlichen Ausführungen

in gegenwärttger Schrift

entnommen werden kann, ist im deutschen BWesen überall der soziale Gedanke durchgedrungen und zur Verwirklichung gelangt. Die soziale

Fürsorge erstreckte sich auch auf die Angestellten, welchen das Recht

eingeräumt worden ist, zur Vertretung ihrer Berufsinteressen Aus­ schüsse zu bilden. Der Angestelltenausschuß kann bei der Geschäfts­ leitung des Untemehmens die Interessen der Beteiligten in bezug

auf Gehalt, Arbeitszeit, Altersversorgung u. dgl. geltend machen. Eine allgemeine Regelung der Gehaüsverhältnisse durch einen General­ tarif oder eine Gehaltsordnung wird von den Beteiligten angestrebt.

Zu vgl. § 21 über die soziale V.

K 18. Die öffentlichen Versicherungsanstalten. Im VAG ist an dem Unterschied zwischen öffentlichen und privaten

BUnternehmungen festgehalten.

Die B ist eine öffentliche, wenn

die Unternehmung von Organen des Reiches, des Staates, der Kom­ munalverbände oder von anderen öffentlich-rechtlichen Organen be­ trieben und geleitet wird. Die öffentlichen BUnternehmungen sind

nach dem VAG der Beaufsichtigung seitens des Aufsichtsamts für PV nicht unterstellt, weil sie entweder.schon einer obrigkeitlichen Aufsicht unterstehen oder von verantwortlichen staatlichen Organen verwaltet werden. Die öffentliche V kann sowohl Personal- als auch SachV sein. Die deutsche SozialV ist PersonalB und in der Reichsversicherungs­

ordnung näher geregelt. Diese umfaßt die KrankenV, die UV und die

Invaliden- und HinterbliebenenB, wozu später noch die AngestelltenV

hinzukam.

Die übrige öffentliche B beschäftigt sich hauptsächlich mit der SachV (Feuer-, Hagel-, ViehV usw.), neuerdings auch mit der LV. Am bedeutsamsten haben sich die öffentlichen Unternehmungen für die FB entwickelt. Das Königreich Preußen allein besitzt 30 öffentliche FBAnstalten

(Feuersozietäten,

Provinzial-Feuersozietäten,

Brandkassen,

Brand­

versicherungsanstalten, Brandgilden usw.), welche eine Summe von

31457908937 M.

für Jmmobiliar

und

von

7516991032 M.

für

Mobiliar versichert haben. Außerdem wirken im Deutschen Reich noch weitere 22 öffentliche Brandversicherungsanstalten mit einer

VSumme von 32976772980 M. für Immobilien und von 425716151 für Mobiliar. Im Deutschen Reich beträgt bei den sämtlichen öffent­ lichen FBAnstalten die VSumme 72377389100 M. Demgemäß steht ein beträchtlicher Teil des Nationalvermögens unter dem Schutz der öffentlichen FBAnstalten. Diese sind seit 1872 zu einem Verbände zusammengetreten, dem die Pflege, Entwicklung und Verbesserung

des öffentlichen VWesens, der Austausch der gemachten Erfahrungen und gegenseitige Beihilfe obliegt. Der Verband betreibt in einer be­ sonderen Abteilung auch die RB. Einen weiteren Rahmen des Ver­

bandes bildet die Vereinigung der öffentlichen FBAnstalten, der jene Anstalten angehören, die nicht dem Verbände beigetreten sind,

60

wie die Bayerische Landes-Brandversicherungsanstalt. Der Verband hat ein eigenes Bmeau und veröffentlicht als Rundgaben die „Mitteilungen für die öffentlichen FBAnstalten" sowie ein Jahrbuch. In Preußen sind die Rechtsverhältnisse bei den öffentlichen BAnstalten dmch das Gesetz vom 25. Juli 1910 näher geregelt worden,'

welches einheitliche, feste Grundlagen geschaffen und dem Bn die Gewähr gegeben hat, in mindestens demselben Maße BSchutz gegen Feuersgefahr bei den öffentlichen Anstalten zu finden, wie bei den privaten Gesellschaften. Me die Privatgesellschaften sind auch die öffentlichen FBAnstalten bemüht, ihre Einrichtungen und VBedingungen so zu gestalten, daß

den Interessen des Realkredits Rechnung getragen wird.

Die

Hypothekgläubiger haben das größte Interesse daran, daß aNe Gegen­ stände, welche ihnen zur Sicherung ihrer Kapitalforderungen ver­ pfändet sind, ausreichend gegen Schaden versichert werden. Sie können dies Interesse schon bei der Hingabe eines Darlehens zur Geltung bringen, indem sie von dem Schuldner vor der Darlehens­ hinausgabe verlangen, daß die verpfändete Sache — bei der FB das

Gebäude — ausreichend gegen Feuerschaden versichert und ihnen der Nachweis hiefür durch Vorlage des VScheines geliefert wird. In allen VBedingungen der öffentlichen Anstalten ist demHypothekgläubiger Gelegenheit gegeben, seine Rechte gegenüber dem Vn und Vr rechtzeitig zu wahren. Bon größter Wchtigkeit ist die Bestimmung, daß die Entschädigung zur Mederherstellung des versicherten Gegen­

standes verwendet werden muß. Der Vn kann die Zahlung erst ver­ langen, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes ge­

sichert ist. Ausnahmen können nur mit Wissen und unter Zustimmung des Hypothekgläubigers (vgl. §§97 VVG und 1130 BGB) erfolgen. Einen bemerkenswerten Schritt machte die Lstpreußische Land­

schaft, die nach den Vorschlägen des Geh. Ober-Regierungsrates Dr. Kapp eine Anstalt des öffentlichen Rechts zum Betriebe des LV

in Verbindung mit der Entschuldung des Grundbesitzes in das Leben gerufen hat. Der Genannte schildert in einer Sitzung des Bayer. Landwirtschaftsrates vom 12. September 1912 das Verfahren wie folgt: „Pfandbriefschuldner, die einen LVVertrag mit der LBAnstalt

der Ostpreußischen Landschaft abschließen wollen,

haben die Rechte

aus dieser B unter Niederlegung des VScheines an die Landschaft

abzutreten. Alsdann vereinnahmt die Landschaft die von dem Pfand­ briefschuldner zu zahlenden Tilgungsbeiträge, soweit sie zur Prämien­

zahlung beansprucht werden, nicht zum Tilgungsfond, sondern ver­

wendet sie zur Bestreitung der LBPrämien. Sämtliche Zahlungen aus dem VBertrag, insbesondere an BSumme, Rückkaufswerten und Dividenden, sind an die Landschaft zu leisten und werden von ihr zum Tilgungsfonds vereinnahmt. Die beim Tode des versicherten Gmnd-

eigentümers an die Landschaft gezahlte LBSumme kann jedoch,

ohne vorher zum Tilgungsfonds vereinnahmt zu werden, an die Berechtigten zur Auszahlung gebracht werden, falls der wirtschaft­ liche Zustand des Gutes nicht schlechter als zur Zeit der Taxe ist. —

Die HypothekentilgungsV nach Hecht hängt organisch mit der Tilgung einer speziellen Hypothekenschuld zusammen, während das von der Ostpreußischen Landschaft eingeschlagene Verfahren nur im allgemeinen die Ansammlung eines Kapitals im Wege der LV gewährleistet, das demnächst bei Gutsübernahmen, Erbabfindungen u. dgl. zur

Verfügung steht.

Das ostpreußische Verfahren entschuldet mithin

nicht unmittelbar, sondern beugt mehr einer weiteren Verschuldung vor!" Die Vorschläge des Herrn Dr. Kapp haben auch in anderen Provinzen Preußens Ausführung gefunden.

Im nachfolgenden sollen die Einrichtungen einer der größten deutschen öffentlichen VAnstalten besprochen werden, die als typisch angesehen werden können und dem Leser ein MId der öffentlichen Versicherung und ihrer Abgrenzung gegenüber der PB geben.

8 19. Die

Die Bayerische Drandverficherungsanstalt.

Bayerische

Landes-Brandversicherungsanstalt besteht

auf

Grund des bayerischen Gesetzes vom 3. April 1875 und befaßt sich hauptsächlich mit der Versicherung von Gebäuden. Die gesetzliche

Regelung des Jmmobiliarversicherungswesens in Bayern blieb infolge

des § IV des Schlußprotokolles d. d. Versailles 23. November 1870, dem bayerischen Staate als ein besonderes Reservatrecht Vorbehalten.

Die bayerische Anstalt beruht auf dem Grundsatz der Gegen­ seitigkeit. Ihre Mitglieder Müssen Beiträge entrichten, aus denen die Brandentschädigungen, die

Berwaltungskosten imb

die Auf­

wendungen für das Feuerlöschwesen und die Wasserversorgung zu bestreiten sind. Die Anstalt besitzt für die V von Gebäuden die alleinige,

62 jede andere BUntemehmung ausschließende Berechtigung (Monopol).

Ein direkter VZwang besteht in Bayern bezüglich der Gebäude nicht. Wer Gebäude besitzt, kann sie bei der Landesanstalt versichern oder

nach freiem Ermessen von jeder B absehen. Wenn er sich aber zm

B entschließt, so darf er die Gebäude nur bei der Landesanstalt ver­ sichern. Die V bei einer anderen Anstalt ist verboten und jedes dessallsige Übereinkommen nichtig. Die Regel wird sein, daß der Gebäude­ eigentümer, der ein Hypothekdarlehen ausnimmt, vor allem dem Hypothekgläubiger den Nachweis erbringen muß, daß das Pfandobjekt

— das Haus — gegen Zerstörung durch Brand versichert ist.

Wenn das Haus sodann versichert ist, kann der Eigentümer nur mit Zustimmung der Hypothekgläubiger aus der Anstalt austreten oder eine Minderung der Brandversicherungssumme (Art. 15 und 77 des bayer. Ges. vom 3. April 1875).

beantragen

Neben diesem indirekten Zwang besteht für einzelne Gebäude­ gruppen ein direkter Zwang zur V. Nach Art. 3 des bayer. Gesetzes müssen der Anstalt einverleibt werden: die Gebäude des Staates,

der Gemeinden, der Kirchen, der Schul- und sonstigen Stiftungen, der Pfarreien, Benefizien, ständigen Kuratien, Pfarrvikariate und Exposituren. Da die bayer. Anstalt eine Wohlfahrtsanstalt ist, so hat man es als eine vornehme Pflicht des Staates und der übrigen oben bezeichneten Kategorien angesehen, daß sie der Anstalt beitreten und damit vorbildlich wirken. Die bayer. Brandversicherungsanstalt sucht den

Versicherten

entgegenzukommen, indem sie ihnen Ratschläge in bezug aus die beste Konstruktion der Gebäude behufs Vermeidung höherer Beitrags­

leistungen erteilt und den Behörden, welchen die Feuer- und Bau­

polizei obliegt, mit aus den Erfahrungen des Lebens geschöpften Gutachten an die Hand geht. Zur Verwaltung der Anstalt ist die Bayerische VKammer gesetz­

lich berufen. Sowohl im inneren wie im äußeren Dienst der Anstalt wer­ den erprobte Techniker und Verwaltungsbeamte verwendet. Die VBeiträge werden durch die Rentämter, in unmittelbaren Städten

durch die Gemeindebehörden von den Versicherten eingehoben. Eine Vertretung der Versicherten wurde erst durch Ges. vom 23. Juli 1918 geschaffen, als in Aussicht genommen wurde, das Gesetz vom 3. April

1875 zu revidieren und einen Teil seines Inhalts in Zukunft der Satzung

zuzuweisen. Der BKammer ist nunmehr ein Ausschuß beigegeben, in den die Kreistage (die Vertreter der acht Kreise und das Mnisterium des Jnnem je ein Mitglied aus der Zahl der Versicherten wählen. Der Ausschuß kann weitere 7 Mitglieder hinzuwählen. Der Landes­ ausschuß ist zuständig zur Genehmigung der ausnahmsweisen Ver­

wendung von Anstaltsmitteln zu anderen als im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Zwecken, dann zur Genehmigung des Erwerbes von

Grundstücken oder der Ausführung eines Baues sowie zur Aufnahme eines Darlehens.

Die Bayer. Landes-Brandversicherungsanstalt - hat erhebliche Ausgaben im Interesse der Feuersicherheit und zum Ausgleich der

Leistungen zwischen Stadt und Land zu machen.

Unmittelbaren

Städten und Bezirken, welchen in den jeweils letzten 15 Jahren an Entschädigungen weniger als drei Viertel der treffenden Beiträge zugeflossen ist, vergütet die Anstalt, soweit die Beiträge um mindestens

drei Zehntel ermäßigt werden können, die durchschnittlichen Erübri­ gungen bis zur Hälfte. Die vergüteten Beträge sind nach näherer Bestimmung des Staatsministeriums des Innern zur Verbesserung

der Feuersicherheit und des Feuerlöschwesens einschließlich der Wasser-

Versorgung zu verwenden. Von der nach Abzug dieser Vergütungen verbleibenden Einnahme aus Beiträgen hat die Anstalt alljährlich den 10. Teil der Staatsregierung für Zwecke des Feuerlöschwesens ein­

schließlich der Wasserversorgung zur Verfügung zu stellen. We diese

Bestimmungen dienen dazu, der Anstalt zu ermöglichen, die ihr ge­ stellten Aufgaben in bezug auf die Förderung der öffentlichen Wohl­

fahrt zu erfüllen. Wie aus dem letzten Geschäftsbericht (für das Jahr 1916/17) hervorgeht, betrugen bei der Anstalt die Beiträge 10499941M. und die Entschädigungen 5569240 M. Im Jahre 1916 waren bei der Anstalt 2y2 Millionen Gebäude mit 10,850 Milliarden versichert. Die Die Entschädigung betrug im Jahre

1912

1913

1914

1915

1916

7,3 8,2 6,8 5,5 5,5 Inzwischen ist die Zahl der versicherten Gebäude auf 2556265 M. und die VSumme auf 11677383140 M. gestiegen.

Zur Fördemng des Feuerlöschwesens wmden von der Anstalt

1045452 M. und zur Förderung des Blitzschutzes 19 830 M. verwendet.

64 Das

Vermögen der Anstalt betrug am 30. September 1917

56793866 M. Erst durch die jährlichen Reichnisse der Anstalt tourbe es ermög­

licht, in Bayern auch die Versorgung der Gemeinden mit Nutz- und

Trinkwasser unter Berücksichtigung der dringendsten Bedürfnisse zu regeln. Viele Gemeinden mußten früher die Wohltat eines geregelten

Wasserbezuges ganz entbehren. In dem wasserarmen Jmagebiet an dem die Kreise Schwaben, Oberpfalz, Oberfranken und Mittelfranken

hauptsächlich Anteil haben, waren schwere Mßstände vorhanden. Es wurde deshalb schon im Jahre 1878 eine technische Stelle für die

Wasserversorgung geschaffen, welche die Bezeichnung „Landesamt für Wasserversorgung" führt. Den an der Wasserversorgung beteiligten Gemeinden wird kostenlos von diesem Amte Rat erteilt. Von dem Bureau werden vorläufige und definitiv ausgearbeitete Entwürfe

den Gemeinden zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Gemeinden im Jura wurden zu Gruppen behufs gemeinsamer Durchführung von Wasserversorgungsunternehmungen vereinigt. Die Unternehmer er­ halten zur Bestreitung der Kosten erhebliche Zuschüsse, welche im Jahre 1915/16 510908 M. betrugen. Das Feuerlöschwesen wird ebenfalls dmch die bayer. Landes­

anstalt nachhaltig gefördert. Außer ihr leisten auch die PrivatFeuerversicherungsanstalten erhebliche Zuschüsse für diesen

Zweck.

Diese Zuschüsse betrugen im Jahre 1914/15 393810 M., im

Jahre 1915/16 427395 M. Aus diesen Mtteln werden die Feuer­ wehren behufs Anschaffung von Löschmaschinen und anderen Aus­ rüstungsgegenständen unterstützt, ebenso erhalten verunglückte Feuer­

wehrmänner und deren Hinterbliebenen Unterstützungen aus den betreffenden Fonds. Auch für Verbesserung und größere Ausbreitung des Blitzschutzes

wirkt die bayer. Anstalt durch Beratung und Zuschüsse für diesen Zweck. Nach den von den öffentlichen FVAnstalten Deutschlands gepflogenen Erhebungen über die in den Jahren 1892 bis 1906 vor­

gekommenen Blitzschläge sind während dieses 15 jährigen Zeitraumes 51627 Blitzschläge beobachtet worden. Auf die Blitzschläge mit Zün­ dung entfielen insgesamt 16422, auf diejenigen ohne Zündung 35102, das Stadtgebiet wurde von 6647 und das Landgebiet von 44877

Blitzschlägen betroffen.

In Bayern kamen 5966 Blitzschläge vor,

im Königreich Sachsen 5398, im Rheinland 3871, in Hannover 3308, in Westfalen 3284, in Schlesien 3176 Blitzschläge.

Ganz besonders

häufig waren die Blitzschläge in den Jahren 1905 und 1906, die wenigsten

fanden in dem Jahre 1903 statt, in welchem bekanntlich eine ungewöhn­ liche Trockenheit herrschte und die Gewitter nur sehr spät und ver­

einzelt einsetzten.

Neben der BrandV betreibt die bayerische BKammer seit 1884

auch die HB, für deren Betrieb in Bayern eine lebhaftere Konkurrenz

seitens der PVAnstalten nicht hervorgetreten war, und seit 1896 auch die VB einschließlich der PferdeV. Das Wirken der bayer. BKammer unter Leitung ihres ersten Präsidenten Matthäus von Jodlbauer fand allgemeine Anerkennung, und es mag den einen oder anderen Leser vielleicht interessieren,

von einer poetischen Huldigung Kenntnis zu erhalten, die dem hoch­ verdienten Manne gelegentlich einer Feier im Jahre 1876 von einem seiner Beamten, dem Verfasser der gegenwärtigen Schrift, darge­ legt wurde und lautet wie folgt: Ms Prometheus einst das Feuer Von dem Himmel kühn geraubt, War dies Element noch teuer Und der Menschheit nicht erlaubt.

Als die Menschheit lag in Windeln, Baute sie mit Hölzern bloß Und bedeckte nur mit Schindeln Ihre Dächer und mit Moos.

Und bei Amaltheas Hörne Schwur Verderben dem Geschlecht, Das genippt vom Feuerborne, Zeus, selbst Juno gab ihm recht.

Heute sprossen Steinpaläste, Wo sonst nur die Hütte stand Und der Vorzeit morsche Reste Weichen besserem Verstand.

Als sechstausend Jahre schwanden, Rief er plötzlich nach Merkur; „Eile nach den irdischen Landen Und verfolg- des Feuers Spur!"

Nicht mehr duldet man Kamine, Die auf Holzwerk sind fundiert, Steinwerk und die Eisenschiene Tragen, was zur Höhe führt.

Dieser folgte dem Gebote; Doch bald kehrte er zurück, Freude strahlt der Götterbote, Freundlicher wird Jovis Blick.

Werden neben Wohngebäuden Scheunen, Schupfen angebaut, Muß sie eine Mauer scheiden, Die das Dach noch überschaut.

„Sicher war es Deine Fügung, Daß die Menschheit auf sich rafft, Zu des Elements Bekriegung Manches mächtige Bollwerk schafft.

Wo getroffen sonst dein Hammer, Wo der Blitz vom Himmel schlägt, Jst's die BrandverficherungSkammer, Die den Schaden willig trägt.

Haag, Leitfaden für das Berficherungswesen.

5

66 Sie verteilt die Schadensquote, Achtet selbst den Pfennigbruch,

Und aus mächtigen Rohren springen Wassersäulen himmelan,

W erscheint der Rentamtsbote

Und die Elemente ringen

Jährlich einmal mit dem Buch.

Wie Titanen, Mann an Mann.

Einen Zuschlag zahlt pro mille

Wo dem edlen Mannesstreben

Wer mit Feuer viel hantiert

Die Natur sich zugesellt,

Und bei weicher Dachung Fülle

Quillt empor bald frisches Leben

Werden Zehntel requiriert.

Und verjüngt die alte Welt.

Hilfe bleibt nur dem versaget,

Der die Flammen selbst geschürt,

Selbst auf unfruchtbaren Höhen, Wo sonst jedes Naß entfloh,

Gegen ihn wird zwar geüaget,

Sieht man Quellen jetzt erstehen

Doch sein Gläubiger respektiert.

Durch das WafferversorguugSbureau."

Wenn das Feuer ausgebrochen,

Lächelnd hörte Zeus die Kunde

Wenn der Flammen wildes Heer

Und er sprach: „bewahret mir

Auf die Dächer schon gekrochen,

Meinen Keil von dieser Stunde

Kämpft mit ihr die Feuerwehr.

Und des Blitzes Tigertier!"

„Wenn Hephaistos viel auch kostet, Will ich doch versichert sein; Alte Menschenliebe rostet

Am Olympe niemals ein!"

8 20. Ausländische Unternehmungen. Nach dem. Geschäftsbericht des Reichsaufsichtsamts für 1914,

das als normales Jähr betrachtet werden konnte, unterstanden der Reichsaufsicht 2 belgische, 5 dänische, 21 englische, 4 französische, 4 nieder­ ländische, 13 österreichisch-ungarische, 2 schwedische, 9 schweizerische, 1 kanadisches und 5 den Bereinigten Staaten von Amerika ange­

hörende BUntemehmungen. Man sieht hieraus, daß die B die Neigung besitzt, ihre Geschäfte auch über die Landesgrenzen hinaus auszudehnen.

Für die Dauer des Krieges sind auf Grund der Bekanntmachung

betr. die Überwachung ausländischer Unternehmungen, vom 4. Sep­

tember 1914 (ReichsgesBl

S. 397) insgesamt 30 Unternehmungen

unter besondere Aufsicht gestellt worden.

Bon den gesamten bei den deutschen LBGesellschasten Ende 1914 versicherten Kapital von 16428,92 MN. M. kamen 14812,49 Mill, auf

das deutsche und 1616,43 Mill. M. auf das ausländische Geschäft. Dagegen hatten die ausländischen LBGesellschasten Ende 1914 im

Deutschen Reich 1101,65 Mill. M. versichert, ihr Anteil an dem ge­

samten deutschen Kapitalversicherungsgeschäft (15914,15 Mill. M.) stellt sich hienach auf 6,6%. Gemäß BO vom 4. September 1914 kann der Reichskanzler

durch das Reichs-Aufsichtsamt für PrivatB im Wege der Vergeltung

für solche BUnternehmungen, deren Sitz im feindlichen Ausland gelegen ist und die in Deutschland eine Zweigniederlassung erhalten,

auf Kosten der Unternehmungen Aufsichtspersonen bestellen lassen, die unter Wahrung der Eigentums- und sonstiger Privatrechte des Unternehmers darüber zu wachen haben, daß während des Krieges der Geschäftsbetrieb nicht in einer den deutschen Interessen wider­ streitenden Weise geführt wird. Bei dieser bloßen Staatsaufsicht bleibt das ausländische Unternehmen im Besitz und Genuß wie auch

in der Verwaltung seines Vermögens.

Feindliche weitere Maßnahmen gegen deutsches Kapital haben aber Veranlassung zu weiteren Anordnungen gegeben, wonach im Wege der Vergeltung stanzösische, britische, russische, portugiesische,

rumänische und italienische Unternehmungen unter Zwangsverwattung

gestellt werden können.

Die Anordnung der Zwangsverwaltung

bewirkt für den ausländischen Unternehmer den Verlust des Besitzes

und des Verfügungsrechts über das gesamte Vermögen des Unter­ nehmers.

Von dieser Anordnung wmde indessen seither kein Ge­

brauch gemacht. Die Interessen der ausländischen VUnternehmungen sind sehr bedeutend. So betreiben das FVGeschäft in Deutschland

folgende größere Auslandsunternehmungen: B Summe in 1000 M.

Prämien M.

Kommerzialunion in London. . . 305352

2158895

3387422

North-British Merc., Edinburg . . 330201 The Phoenix, London 194791

3458219

5992122

1566090

2520311

Versicherungen

Zahl

Im Bereich der FV griffen die englischen Gesellschaften zu dem

Mittel eines Abkommens mit deutschen Gesellschaften, wonach diese

gegenüber den bisher bei den englischen Gesellschaften Versicherten die selbstschuldnerische Haftung, gegenüber dem seitherigen Vr die volle Rückdeckung übernahmen. Dieser Ausweg gewährleistete den Versicherten die ununterbrochene Fortdauer ihres Versicherungs-

schutzes und enthob sie einer doppelten Prämienzahlung. 5*

Für die

68 deutschen Gesellschaften erwuchs der Vorteil, daß sie einen sehr be­ trächtlichen Zuwachs von B erhielten und daß das ganze Überweisungs­ geschäft wie eine Fusion wirkte. Es wird versichert, daß auf diese Weise die Stuttgart-Berliner Aktiengesellschaft eine Erhöhung der BSumme

um etwa 3 Milliarden M. erzielte. Die Fäden der RV, welche bisher die ganze Welt umspannten, wmden durch den Krieg an vielen Stellen zerrissen. Es ist indessen zu erwarten, daß es der deutschen RV, die vor dem Kriege ein großes Welt­ geschäft betrieben hatte, gelingen werde, ihre ftühere Position zu den ausländischen Unternehmungen wieder einzunehmen und ihre Auslands­

beziehungen im Interesse der deutschen Volkswirtschaft noch günstiger zu gestalten. Überhaupt erscheint gerade die V berufen, nach dem

Friedensschluß wieder mit dem Ausland in Fühlung zu treten und so allmählich wieder die wirtschaftliche Verbindung der Völker anzubahnen.

8 21. Die soziale Versicherung. In der dem deutschen Reichstag zugegangenen Kaiserlichen Bot­ schaft vom 17. November 1881, welche den zweiten Entwurf eines

UBGesetzes und den Entwurf eines Krankenversicherungsgesetzes ankündigte, wurde ausgesprochen, daß auch diejenigen, welche durch

Alter und Invalidität erwerbsunfähig werden, der Gesamtheit gegen­ über einen Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher Fürsorge haben, als ihnen bisher hat zuteil werden können. Es kam das Kranken­ versicherungsgesetz vom 15. Juni 1883 und das Reichsgesetz über die Jnvaliditäts- und Altersversicherung der Arbeiter vom 22. Juni 1889 zustande. Höchst wertvolle Aufschlüsse über die Entstehung und die Ziele dieser Gesetze finden sich in den Erläuterungen von Oberregierungs­ rat K. Rasp (jetzt Geh. Rat und Generaldirektor der daher. BBank)

und von Oberregierungsrat R. Landmann (jetzt Staatsrat und Staats­

minister a. D.). Durch die Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911

wurden alle gesetzlichen Bestimmungen über Kranken-, Unfall-, Invaliden- und HinterbliebenenB vereinigt. Zu vgl. Dr. StierSomlo: Reichsversicherungsordnung nebst Einführungsgesetz, mit

Einleitung und Erläuterungen, München 1912, bei E. H. Beck.

Hinzu kam noch das Reichsversicherungsgesetz für Angestellte.

Vgl. Stier-Somlo wie oben.

'

Träger der ReichsB sind: die Krankenkassen für die KrankenB, die Berufsgenossenschasten für die UB, die VAnstalten für die In­

validen- und

HinterbliebenenB,

die

Reichsversicherungsanstalt in

Berlin für Angestellte für die AngestelltenB. Jeder BTräger hat einen Borstand. Die öffentlichen Behörden der ReichsB sind die BÄmter, die Oberversicherungsämter, die Landesversicherungsämter

und das Reichsversicherungsamt. Die Mittel der BTräger dürfen nm für die gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Zwecke verwendet werden. Das Vermögen muß wie Mündelgeld (§§ 1807 und 1808 BGB) angelegt werden. Die ReichsB beruht auf Zwang bezüglich der Arbeitgeber und -nehmer. In der KrankenB sind versicherungspflichtig alle Arbeiter, Ge­ hilfen,

Gesellen,

Lehrlinge,

Dienstboten.

Als

Krankenhilfe

wird

gewährt: Krankenpflege vom Beginn der Arbeit an (einschließlich

ärztlicher Behandlung und Versorgung mit Arznei, Brillen, Bruch­ bändern und anderen kleinen Heilmitteln) und außerdem ein Kranken­ geld in Höhe des halben Grundlohnes für jeden Arbeitstag, wenn die

Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht; es wird vom 4. Krank­

heitstage an gewährt. Wöchnerinnen erhalten ein Wochengeld. Als Sterbegeld wird beim Tod eines Versicherten das 20 fache

des Grundlohnes ausbezahlt. Die Mttel für die KrankenB sind von den Arbeitgebem und den Versicherten aufzubringen § 380 RVO. Die VPflichtigen haben zwei Drittel, ihr Arbeitgeber ein Drittel der Beiträge zu zahlen. Die Ver­

sicherungspflichtigen müssen sich bei der Lohnausbezahlung ihre Beitrags­

teile vom Barlohne abziehen lassen.

Der UB des Reiches unterliegen Bergwerke, Salinen, Auf­ bereitungsanstalten, Steinbrüche, Gräbereien (Gruben), Fabriken, Wersten,

Hüttenwerke,

Apotheken,

gewerbliche

Brauereien

und

Gerbereibetriebe, Bauhöfe, Gewerbebetriebe, in denen Baudekorateur-, Steinhauer-, Schlosser-, Schmiede- oder Brunnenarbeiten ausgeführt

werden, ferner Steinzerkleinerungsbetriebe sowie Bauarbeiten außer­ halb eines gewerbsmäßigen Baubetriebes, das Schornsteinfeger-, das Fensterputzer-, das Fleischergewerbe, der Betrieb von Bade­

anstalten, der Betrieb der Eisenbahnen und der Post- und Telegraphenverwaltungen, der Binnenschiffahrts-, der Flößerei-, der Prahm- und der Fährbetrieb, das Schiffziehen (Treidelei), die Binnenfischerei, die

70

Fischzucht, die Teichwirtschaft, die Eisgewinnung unter gewissen

Voraussetzungen, der Baggereibetrieb sowie das Halten von Fahr­ zeugen auf Binnengewässem, der Fuhrwerksbetrieb, der Speditions­ und Fährbetrieb, der Speicher-, der Lagerei- und der Kellerbetrieb, wenn sie gewerbsmäßig betrieben werden, der Gewerbebetrieb der

Güterpacker, Güterlader, Schaffer, Bracker, Wäger, Messer, Schauer­ und Stauer, Betriebe zm Beförderung von Personen oder Gütern und Holzfällungsbetriebe.

Der Begriff „Fabriken" ist in § 538 RVO näher festgestellt. Die ZwangsV erstreckt sich auf alle Arbeiter, Gehilfen, Gesellen und Lehrlinge sowie auch auf Betriebsbeamte, deren Jahresarbeits­ verdienst nicht 5000 M. übersteigt. Die Satzung kann die BPflicht

auf Betriebsunternehmer, deren Jahresarbeitsverdienst nicht 3000 M. übersteigt, erstrecken (§ 548 RVO).

Gegenstand der V ist der Ersatz des Schadens, der durch Körper­ verletzung oder Tötung entsteht. Bei Verletzungen wird eine (außer der Krankenbehandlung) Rente für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit gewährt. Die Rente beträgt bei völliger Erwerbsunfähigkeit zwei

Drittel des Jahresarbeitsverdienstes (Vollrente), bei teilweiser Er­

werbsunfähigkeit den Teil der Vollrente, der dem Maße der Einbuße

an Erwerbsfähigkeit entspricht. Träger der V sind die Berufsgenossenschaften, denen die Unter­ nehmer der versicherungspflichtigen Betriebe angehören. Die Ge­ nossenschaften haben die Mittel für ihre Aufwendungen durch Mit-

gliederbeiträge aufzubringen, die den Bedarf des abgelaufenen Ge­ schäftsjahres decken (RVO § 731). Bon größter Wichtigkeit ist die durch § 848 und 1030 der RVO den Genossenschaften übertragene Verpflichtung zur Erlassung von Unfallverhütungsvorschriften und zur Erlassung von Vorschriften über das Verhalten, das die Versicherten zur Verhütung von Unfällen in den Betrieben zu beobachten haben. Von dieser gesetzlichen Ver­ pflichtung ausgehend, haben alle Genossenschaften zweckentsprechende Unfallverhütungsvorschriften erlassen, durch die eine beträchtliche Herabminderung der Schäden an Leib und Leben der Versicherten gewährleistet ist. In den Kriegsjahren 1914 bis 1918 machte sich jedoch

eine Zunahme der Schäden, insbesondere veranlaßt durch die Pressen

in der Metallindustrie bemerllich.

Wichtig ist für Verhütung von Schäden vor allem die selbst» tätige Materichzuführung, Deckung der Schnittwerkzeuge, Einbringung

von Sicherheitsbügeln, Schutzgittern und Handabweisern. In der Landwirtschaft kann man noch immer Schäden beobachten, die durch die Dreschmaschinen und die Futterschneidvorrichtungen veranlaßt worden

sind. Nach den jetzt gellenden und überall beobachteten genossenschaft­

lichen Vorschriften sind an den Dreschmaschinen Vorrichtungen zum Schutze des Einlegers angebracht, auch die Futterschneidmaschinen sind derart eingerichtet, daß der Arbeiter von dem Schneidwerkzeug bzw. von den Einziehwalzen nicht berührt werden kann, wenn er bei

der Zuführung Nachhilfe leisten will.

Die Berussgenossenschaften sind auch verpflichtet, Anordnungen über das Verhalten zu treffen, das die Versicherten zur Verhütung von Unfällen in den Betrieben zu beobachten haben (RVO § 848).

Eine besondere Stellung ist in der RVO der landwirtschaft­ lichen UV eingeräumt.

Versichert sind hier gleichfalls die Arbeiter

und Betriebsbeamte, deren Jahresarbeitsverdienst nicht 5000 M. an Entgelt übersteigt (RVO § 923). Die Satzung kann die BPflicht

auch auf Unternehmer erstrecken, deren Jahresarbeitsverdienst nicht 3000 M. übersteigt, oder die regelmäßig keine oder höchstens zwei Bpflichtige gegen Entgelt beschäftigen. Die Beiträge werden um­ gelegt nach dem abgeschätzten Durchschnittsmaß der menschlichen »Arbeit (Arbeitsbedarf) und nach der Höhe der Unfallgefahr (Gefahr­ klasse). Es kann aber auch durch die Satzung bestimmt werden, daß die Beittäge der Berufsgenossen durch Zuschläge zu direkten Staats­ oder Gemeindesteuem aufgebracht werden (RVO § 1005). In Bayern

hatte man sich schon alsbald nach Erlassung des Reichsgesetzes über Unfall- und KrankenV vom 5. Mai 1886 entschlossen, die Beittäge für die landwirtschaftliche UV nach dem Maßstab der Grundsteuer

umzulegen. Vgl. daher. Ausführungsgesetz vom 5. April 1888, Art. 11. Auch in den meisten preußischen Provinzen, dann in Sachsen, Württem­ berg und Hessen wurde das gleiche Verfahren eingeschlagen. Von ganz besonderer Bedeutung für die Förderung des sozialen

Friedens sind die Vorschriften der RVO über die Invaliden- und

HinterbliebenenV. Hier begegnen wir einer Att von öffentlichrechtlicher LV, die, mit Zwangs- und Monopolrecht ausgestattet, der

Wohlfahrt der weitesten Volkstteise zu dienen hat.

72 Für den Fall der Invalidität und des Alters sowie zugunsten

der Hinterbliebenen werden vom vollendeten 16. Lebensjahre an

alle Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge und Dienstboten ver­ sichert. Für die Versicherten sind folgende Lohnklassen gebildet:

Klasse

„ n n

Ibis zu 350M. II von mehr als 350 bis zu 550 M.

III „ IV „ V „

„ „

„ „

550 850

„ „

„ 850 „ „ 1150 „

„ „ 1150 M. it Diese Lohnüassen bemessen sich nach der Höhe des Arbeitsjahres­ verdienstes.

Gegenstand der B sind Invaliden- oder Altersrenten, Mtwengeld und Waisenaussteuer für Hinterbliebene.

Nach dem Reichsgesetz vom 12. Juni 1916 erhält die Mtersrente jeder Ve vom vollendeten 65. Lebensjahr an, auch wenn er noch nicht invalide ist.

Hat der Empfänger der Invalidenrente Kinder unter

15 Jahren, so erhöht sich die Invalidenrente für jedes dieser Kinder

um ein Zehntel (RG vom 12. Juni 1916). Witwenrente erhält die dauernd invalide Witwe nach dem Tod ihres

versicherten Mannes. Waisenrente erhalten nach dem Tode des ver­ sicherten Vaters seine ehelichen Kinder unter 15 Jahren und nach dem Tod einer Versicherten ihre vaterlosen Kinder unter 15 Jahren. Als vaterlos gelten auch uneheliche Kinder. Der Anteil der BAnstalt beträgt bei Witwen- und Waisenrenten 8/10, bei Waisenrenten für jede Waise a/20 (Reichsgesetz vom 12. Juni

1916). Die Mittel für die B werden vom Deutschen Reich, von den Arbeitgebern und von den Versicherten aufgebracht. Das Reich leistet

Zuschüsse für die in jedem Jahre tatsächlich gezahlten Renten, Mtwen-

gelder und Waisenaussteuern, die Arbeitgeber und die Versicherten entrichten für jede Woche der versicherungspflichtigen Beschäftigung (Beitragswoche) laufende Beiträge zu gleichen Teilen. Der Arbeit­

geber, der den Versicherten die Beitragswoche hindurch beschäftigt,

hat für sich und ihn den Beitrag zu bezahlen (RBO § 1426). Die VPflichtigen müssen sich bei der Lohnauszahlung die Hälfte der Bei­ träge vom Barlohne abziehen lassen. Die Abzüge sind auf die Lohn­

zeiten gleichmäßig zu verteilen (RVO § 1432).

Einen weiteren beträchtlichen Ausbau erfuhr die deutsche Sozial­ versicherung durch das am 1. Januar 1913 in Kraft getretene BGesetz für Angestellte vom 20. Dezember 1911, durch welches eine Reichs­

versicherungsanstalt für Angestellte in das Leben gerufen worden ist. Für den Fall der Berufsunfähigkeit und des Mers sowie zugunsten

der Hinterbliebenen werden vom vollendeten 16. Lebensjahr an

versichert: 1. Angestellte in leitender Stellung, wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet; 2. Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in einer

ähnlich gehobenen oder höheren Stellung ohne Rücksicht auf ihre Vorbildung und Bureauangestellte, soweit sie nicht mit niederen

oder lediglich mechanischen Dienstleistungen beschäftigt werden; 3. Handlungsgehilfen und Gehilfen in Apotheken; 4. Bühnen- und Orchestermitglieder ohne Kunstwert der Leistungen;

Rücksicht

auf den

5. Lehrer und Erzieher; 6. Angehörige der Schiffsbesatzungen, Kapitäne, Offiziere des

Deck- und Maschinendienstes, Verwalter und Verwaltungsassistenten. Versicherungsftei sind die Reichs-, Staats- und Gemeindebeamten, Geistlichen, Lehrer, Angestellten im Eisenbahn-, Post- und Telegraphen­ dienst, dann Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte und alle Personen des

Soldatenstandes.

Wer aus einer versicherungspflichtigen Beschäfti­

gung nach mindestens sechs Beitragsmonaten ausscheidet, kann die V fteiwillig sortsetzen. Gegenstand der V sind Ruhegeld und Hinterbliebenenrenten.

Ruhegeld erhält der Ve, der das Alter von 65 Jahren vollendet hat oder durch körperliche Gebrechen oder wegen Schwäche seiner körper­ lichen und geistigen Kräfte zur Ausübung seines Berufs dauernd unfähig ist. Witwenrente erhält die Witwe des Angestellten nach dem Tode ihres versicherten Mannes, Waisenrente erhalten nach dem Tode des

versicherten Vaters seine ehelichen Kinder unter 18 Jahren und nach dem Tode einer Versicherten ihre vaterlosen Kinder unter 18 Jahren. Berufsunfähigkeit des Angestellten ist dann anzunehmen, wenn seine Arbeitsfähigkeit auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Aus-

74 bildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabge­ sunken ist. Ruhegeld erhält auch derjenige Be, welcher nicht dauernd

berufsunfähig ist, aber während 26 Wochen ununterbrochen berufs­

unfähig gewesen ist, für die weitere Dauer der Berufsunfähigkeit