Leitfaden für den Unterricht in der Geographie: Teil 3 (Quarta.) [Reprint 2021 ed.] 9783112399781, 9783112399774


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Leitfaden für den Unterricht in der Geographie: Teil 3 (Quarta.) [Reprint 2021 ed.]
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Leitfaden für den

Unterricht in der Geographie an höheren Lehranstalten von

Dr. Ad. Dronke, Director der Realschule I. O- und Prov.-Gewerbeschule in Trier.

Cursns in. (Quarta.)

Bon«, Eduard Weber's Verlag (JuliuS Nittner). 1877.

Europa. (180,000 □Weilen, 310 Millionen Einwohner.)

I.

Lage und horizontale Gliederung. §• 1.

Lage Europas. Europa lehnt sich mit seiner ganzen östlichen Breite von 350 Meilen an die nördliche Hälfte Asiens an und dehnt sich nach Westen hi», immer mehr an Querausdehnuna abnehmend, fast ebenso weit wie das südlich von ihm gelegene Afrika aus. Die Lage des Contincntcs ist gegenüber derjenigen der andern Erdtheile in jeder Be­ ziehung ausgezeichnet. Europa bildet das Centrum der gesammten Landbildung der Erde; um dasselbe sind die übrigen Continente herumgelagcrt, nach Westen Amerika, nach Süden Afrika und östlich Asien; nur Australien liegt weit entfernt inmitten derjenigen Seite der Erd­ oberfläche, auf welcher die großen Wasserbecken von den Fest­ landbildungen nur wenig unterbrochen sind. Dabei sind die Meere, welche Europa von den benachbarten Ländern trennen, nicht sehr breit, sie dienen zu bequemen Verbindunqsstraßen. So hat sich denn in Europa leicht jener große Verkehr mit allen Ländern der Erde entwickeln können, der ihm die natürlichen Reichthümer und Schätze aus allen Zonen zuführt. Gefördert wurden diese Be­ ziehungen namentlich dadurch, daß die Europa zugewandten Ländertheile selbst reiche Produkte und eine den Verkehr begünstigende Küstenentwicklung besitzen. So sind die Ostküsten der nordamerikanischen Staaten, die von CentralAmerrka, ebenso die von Kleinasien gut gegliedert, und selbst Afrika bietet an der Küste des Mltteuneeres eine stärkere

4 Gliederung dar, als an der Westküste u. s. f. Hierzu kommt noch, daß durch die Eröffnung des Canals von Suez der Seeweg nach Indien und Ostasien bedeutend abgekürzt worden ist. Eine Durchstechung der Landenge von Panama würde die westlichen Küsten Amerikas — Californien, Westmexiko, Peru — sowie einen Theil der australischen Inseln, wie die Sandwichsgruppe u. s. f. ebenfalls in lebhaftere Verbindung mit Europa bringen. Die Lage Europas in der gemäßigten Zone — nur ein kleiner Ächeil des Festlandes und wenige Inseln ragen in die kalte hinein —, die starke horizontale Gliederung und das Fehlen ausgedehnter bedeutenderer Hochflächen haben viel zu der hohen Culturentwicklung beigetragen. Der aus Südwester! kommende Golfstrom, welcher das im heißen Central-Amerika erwärmte Wasser durch den atlantischen Ocean nach Nord-Osten führt, umspült die ganze Westküste Europas und übt den größten Einfluß auf das Klima und damit auf die Bewohnbarkeit dieses Erdthciles aus. Zur genaueren Bezeichnung der Lage Europas führen wir noch nachstehende Daten an: die drei in das Mittel­ mcer sich erstreckenden Halbinseln Europas — die Pyre­ näen-, Apenninen- und Balkanhalbinsel — liegen ziemlich unter gleicher Breite mit Kleinasien, Turkestan, dem nördlichen Korea, dem japanischen Meere, Nordcalifornien und den nordöstlichen Küstenstaaten der vereinigten nord­ amerikanischen Freistaaten. Das mittlere Deutschland liegt unter gleichem Brcitcgrade mit den Quellen des Ob und des Jenissei im Altai, dem tartarischcn Sunde, der Südspitze Kamtschatkas, der Insel Vancouver, dem Südende der Jamcsbai und der Nordküstc der Insel Neufundland (New-Foundland). Der nördlichste Theil Skandinaviens, der Obibuscn, die Mündung des Jenissei, die nördlichsten Theile des nordamerikamschen Continentcs (Barrow-Spitze) und das mittlere Grönland be­ finden sich ebenfalls gleich weit vom Nordpole entfernt. Derselbe Meridian geht durch die östliche Hälfte Islands und das Cap des grünen Vorgebirges- cs liegen Irland, die Westküste der Pyrenäen-Halbinsel mit dem westlichen Marokko, ebenso die Ostküste Skandinaviens,

5 der Golf von Tarent mit der westlichen Grenze der großen Syrte und dein Cap der guten Hoffnung je unter .gleicher Länge§• 2.

Gestalt Europas.

Der vielfach gegliederte Continent hat zu seiner Grundform ein rechtwinkliges Dreieck, welches man erhält, wenn man die nordöstlichste Spitze Europas — in der Jugorschen Straße — die Mündung des Uralflusses in das Caspischc Meer und die Südostspltze des Busens von Biscaya (Bayonne) mit einander verbindet. Die kürzere Ostseite dieses Dreiecks — die Grenze Asiens gegen Europa — ist 350 Meilen lang, die südliche Seite 530 und die längste Seite von Südwest nach Nordost 620 Meilen; cs ist also die Südseite Europas fast genau l‘/2 mal, die gegen Nordwesten liegende längste Seite etwas weniger als doppelt so lang als die Ostseite. Diese Grundgestalt ermöglicht den hohen Einfluß des umgebenden Meeres auf das Festland. Aehnclt hierin auch Europa in etwas dem Contincnte Südamerikas, so hat es vor diesem aber die reiche Gliederung voraus, welche die Einwirkung der «Herwärts tief einschneidenden Gewässer wesentlich erhöht. Die übrigen Contincnte sind alle schon durch ihre andere Grundgcstalt viel massiger gebaut. Um die Abnahme der Breite nach Westen hin zu zeigen, betrachte man die Entfernungen der von Norden und von Süden cindringenden Meerestheile. So ist die Oncgabai von dem Nordende des asow'schcn Meeres noch um etwa 260 Mcil., die Südspitzc des rigaischen Busens von deni Nordwestende des schwarzen Meeres um 160 Meil, die Mündung der Oder vom Golfe von Triest um 140, die Zuider-Scc vom Busen von Genua um 135 Meil. und endlich die Mündung der Seine vom Löwcnbusen um nicht ganz 100 Meil. entfernt. Für die Gestalt Europas ist es noch besonders bemerkcnswerth, daß der Meridian, unter welchem das Cap Matapan — die südlichste Spitze des Peloponnes — liegt,

6 gleichzeitig die Ostküste der Ostsee bestimmt und etwas westlich des Nordcaps vorbeigeht und so Europa in zwei Hälften spaltet, deren östliche in horizontaler und verti­ kaler Richtung weniger gegliedert ist und in seinem ganzen Charakter sehr dem benachbarten Nordasien gleicht, während die westliche Hälfte die reichste For­ menbildung von allen Theilen der Erde aufwcist und in keiner Beziehung an einen andern Continent erinnert.

8- 3. Die horizontale Gliederung Europas im Gebiete des nördlichen Eismeeres und des atlantischen Oceans. Wie bereits erwähnt, ist der Rumpf des europäischen Festlandes von einer zahlreichen Menge von vorsprin­ genden Halbinseln umgeben und bildet das von allen Seiten eindringcnde Meer zahlreiche Golfe, die den Ver­ kehr wesentlich erleichtern. A.

Gebiet des nördlichen Eismeeres.

Von der Jugorschen Straße, welche die Insel Waigatz von dem gegenüberliegenden Festlandc trennt, zieht sich die vom Eismeere umspülte Küste unter Bildung mehrerer Busen und Buchten nach Westsüdwesten. Durch das Vorspringen der Halbinsel Kanin nach Norden entsteht die Tschcsskaja-Bai. Von dem nördlichsten Punkte der genannten Halbinsel — Kanin-Noß — dringt nach Süden und dann nach Westen das weiße Meer in den Contincnt ein; dasselbe entsendet nach Südostcn der Reihe nach die Busen von Mesen, von Archangel und die Onegabai, nach Nordwestcn die Kandalakschabai aus. Dadurch erhält das weiße Meer eine Form, welche sich mit der eines andern Meeres nicht vergleichen läßt. Der zuletzt genannte lange und schmale Goif begrenzt die Südseite der Halbinsel Kola, deren abgerundete Südostküste den Eingang des weißen Meeres canalartig verengt. An der Nord­ küste der genannten Halbinsel beginnt mit bent VarangerFlord die Reihe der tief zwischen die Gebirgsausläufer Skandinaviens eingreifenden kleineren Meerbusen, Fjorde genannt. Die Zerklüftung der Küste ist hier bedeutender,

7

als fast an jeder andern Küste Europas oder derjenigen der übrigen Weltthcilc. Nur die Westküsten Schottlands, Jrclands und Nordspanicns, sowie der südlichen NeuseelandsInsel u. s. f. zeigen theilweise eine ähnliche Golfsbildung. Den Theil des Eisniceres, welcher vom Nordcap bis zum Polarkreise das Land umspült, bezeichnet man auch mit dem Ramendes Lofotenmccres. B. Ge biet des atlantischen Oceans. Von Nordosten erstreckt sich nach Süden und Süd­ westen die Halbinsel Skandinavien und schneidet mit der vom Continentc aus nach Norden sich hinziehenden Halbinsel Jütland das große Binnenmeer der Ostsee vom übrigen atlantischen Oceane ab. Die erstgenannte Halbinsel, deren nördlichster Theil in der kalten Zone Uegt, endet nach Süden in zwei Zungen, welche das Skagcr Rak und Kattegat umschließen und in deren Oeffnung Jütland hincinragt, so diese beiden Meeresthcile von einander scheidend. Die westliche Zunge Skandinaviens erreicht mit ihrem südlichsten Punkte — Cap Lindcsnäs — fast dieselbe Breite, unter welcher das Cap Skagcn, die Nordspitzc Jütlands liegt; die östliche Zunge dagegen, welche allmählich sich verschmälert, erstreckt sich viel weiter nach Süden. Die Westküste der mehr­ genannten Halbinsel ist ebenso wie in dem Gebiete des Polarmeercs bis hinab zum Cap Lindcsnäs zerklüftet, die bedeutendsten Busen sind der Trondhjcm- und der Hardanger-Fjord. Jni innersten Winkel der Südseite dringt der Christiania-Fjord weit nach Norden ein. Die Ostsee dehnt sich von der schleäwigschen Küste nach Osten aus und trennt hier die deutsche Küste von dem gegenüber liegenden Skandinavien; dann wendet sie sich scharf nach Norden und erstreckt sich im bottnischcn Busen bis nahe zu dem Polarkreise; nach Osten entsendet sie — etwa unter gleicher Breite mit dem nördlichsten Theile des Skagcr Raks den finnischen Busen. Dadurch, daß sich derselbe dem Oncgabuscn des weiße« Meeres bis fast auf 75 Meilen nähert, wird ein großer Complex — bestehend aus Finnland, Kola und Skandinavien — von dem Rumpfe des europäischen Contineiites abgetrennt.

Nach Süden greift der Meerbusen von Riga, dicht neben dem Eingänge des finnischen Busens, in das Land ein; an der deutschen Küste trennen die schmalen langgestreckten Landzungen der k u r i s ch e n und der frischen Nehrung die gleichnamigen Busen (Haff). Ebenso scheidet die Halbinsel He la die danziger Bucht von der Ostsee. Wie bereits oben erwähnt, zieht sich mitten aus der deutschen Nordküste, die sich von Osten nach Westen aus­ dehnt, die Halbinsel Jütland nach Norden ; die Ostküste derselben ist mehrfach gegliedert, so durch die Kieler Bucht, die Bucht von Eckernförde, die Schlei u. s. f. Der nörd­ lichste Theil der Halbinsel hing früher im Westen mit ihr zusammen, während der Ljim-Fjord ihn im Uebriaen von ihr abschied; durch eine hohe Flut ist die schmale Landenge zerrissen worden und bildet so dieser Theil eine Insel. Den Theil des atlantischen Oceans, welchen Südskan dinavicn, Jütland, die nordwestlichen deutschen Küsten und die Insel Großbritanien einschließen, nennen wir das deutsche Meer oder die Nordsee (die Dänen und Skandinavier nennen ihn Westsee). Ehe die Küste die ost-westliche Richtung verläßt, um sich nach Südwestcn zu wenden, greift die flache ZuiderSce nach Süden ein und bildet so die Halbinsel Nordho lland. Der französischen nach Südwest verlaufenden Küste nähert sich die Insel Großbritannien und wird die hierdurch entstehende Meercscngc der Canal (la Manche, Aermelmeer) genannt, sein östliches, schmälstes Ende, welches in die Nordsee führt, heißt Pas de Calais (Straße von Calais, auch Straße von Dover). In den Canal dehnt sich nach Norden die kleine normanni­ sche Halbinsel aus, und neben ihr zieht sich nach Westen die breitere und massiver gebaute Bre tagn e hin, deren Südwestküstc von den Wogen des Oceans vielfach zerrissen und zerklüftet ist. Südlich dieser Halbinsel bildet die nach Süden gewendete französische Küste mit der nach Westen gerichteten Nordküstc der Pyrenäcnhalbinsel noch den Busen von Biscaya.

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Die horizontale Gliederung Europas im Süden. Ebenso wie Asien entsendet auch Europa nach Süden drei größere Halbinseln, von denen die westliche — bei beiden Continentcn — die wenigst gegliederte ist und im Innern wesentlich aus Hochfläche besteht: während die östliche die bedeutendste Gliederung besitzt. Auch darin gleichen sich die beiden Erdtheile, daß die mittlere Halb­ insel gen Norden durch das höchste Gebirge des Contincntes von den übrigen Ländern abgetrennt wird und daß zu den Füßen dieses Gebirges sich bis zu den Bergen der Halbinsel ein fruchtbares Tiefland hinzieht. Ein wesentlicher Unterschied ist es aber, daß die europäischen Halbinseln von einem Binnenmeere — dem Mittelmecre — umspült werden und daß sie sich in der gemäßigten Zone befinden, ivährend die asiatischen in Der heißen Zone sich in den indischen Ocean erstrecken. Die Pyrenäen-Halbinsel ist die westliche der drei europäischen Glieder: sic bildet annähernd ein Viereck (Trapez), das sich dem Cotttinente nach Südwesten vvrbaut. Die Nordkiiste derselben bildet, ivie bereits envähnt, mit der französischen Westküste den Busen von Biscaya. Die Westküste, deren nördlicher Theil in seiner vielfach zerrissenen Form an die Küsten Skandinaviens errinnert, bildet den westlichsten Theil des europäischen Festlandes; die drei bemerkcnswerthcsten Punkte derselben sind das Cap Finisterre, Cap da Roca, Cap S. Vincente. Der südliche Vorsprung der Halbinsel — mit dem Cap Tarif«, dem südlichsten Punkt Europas — wird von Afrika durch die schmale Meerenge von Gibraltar getrennt. Die Ostküste, deren Hauptrichtunq gegen Nordostcn ge­ richtet ist, bildet mehrere weite Busen; unter ihnen ist der von Valencia der bedeutendste. Zwischen der Pyrenäen- und der Apenninen-Halbinsel bildet die Küste des europäischen Festlandes durch Zurück­ treten zwei offene Golfe: den Löwenbusen und den Golf von Genua. Zwischen letzterem und dem .Nordende des adriatischen Meeres liegt die Basis der

10 zweiten bedeutenden Halbinsel Südcuropas: Italien oder Apenninen-Halbinsel; dieselbe dehnt sich nach Südosten zwischen dem tyrrhenischen und ocin aoriatischcn Meere aus und endet im Süden in die beiden Halbinseln Apulien und C a l a b r i e n, welche den Golf von Taranto zwischen sich einschließen. An der Südwestküste sind die Golfe von Neapel, Sa­ lerno, Policastro nnd Eufemia zu nennen, und die Straße von Messina trennt das Südende Calabricns von der westlich vorgelagerten Insel Sicilien. Letztere nähert sich mit ihrem Westende dem Cap Bon (Afrika) und bildet so die sicilische Straße, welche die kleinere westliche mit der größern östlichen Hälfte des Mittel­ mceres verbindet. Italien erreicht nicht denselben Breitegrad nach Süden, bis zu deni sich die beiden andern Halbinseln erstrecken. An der Nordostküste liegt der Golf von Manfredonia; der Vorsprung des Monte Gargano bildet den Sporn des italischen Stiefels. Im Norden, an dem Fuße der Halbinsel, liegt noch der Golf von Venedig. In das adriatische Meer er­ streckt sich nach Süden von dem Rumpfe des Contincntes die kleine Halbinsel Istrien, westlich vom Golf von Triest, östlich vom Quarnero begrenzt. Die felsigen Küsten bilden vielfach kleinere Buchten. Die dritte große südliche Halbinsel wird ebenfalls nach ihrem Hauptgcbirge benannt: Balkan-Halbinsel; sie lehnt sich mit ihrer breitesten Seite an den Continent und wendet sich unter starker Gliederung nach Süden, in dieser Richtung immer mehr an Breite abnehmend. Gegen Westen trennt sic das adriatische Meer von Italien und nähert sich am bedeutendsten dem Süd­ ende Apuliens; die Straße von Otranto bildet hier die Verbindung des genannten Meeres mit dem jonischen Meere, das sich von Calabrien und der Insel Sicilien bis zu dem Südende der Balkanhalbinsel erstreckt. Nach Osten schneidet dieses Meer zweimal in das Land ein: in dem Busen von Arta und in dem langen schmalen Golf von Corinth, der durch die en hindurch und ergießt sich in den Genfer See. Bei Genf verläßt er densewen uno

{

Dronke, Leitfaden.

III.

3

so strömt nack Südwesten, dann nach Westen, indem er den Jura von den Alpen scheidet. Bei Lyon wendet er sich nach Süden, fließt zwischen den Alpen und den französischen Gebirgen in sehr raschem Laufe hin und mündet, cm sumpfiges Delta (Camargue) bildend, in den Löwenbusen. Nebenflüsse: a. rechts:

die SaSne kommt in südlicher Richtung vom Plateau von Langres und ergießt sich bei Lyon in den Rhone; sie nimmt auf der linken Seite den vom Jura entströmenden Doubs auf; b. links: 1. die Arve empfängt ihre Gewässer von den Gletschern der Montblancgruppe und mündet bei Genf in den Rhone; 2. oie Jsere kommt von den grafischen Alpen und fließt südwestlich an Grenoble vorüber; 3. die Dürance entspringt auf den cottischcn Alpen, drängt sich südlich zwischen den Dauphinäer- und Meeralpen hindurch und durchströmt später westlich die Provence. IV. Der Arno kommt vom etrürischen Apennin, fließt westlich durch die toscanische Ebene an Florenz vor­ über uno mündet ttt das ligurische Meer (unterhalb Pisa). V. Der Tiber, dessen Quelle nahe der des Arno elegen ist, fließt nach Süden durch Rom und mündet ei Ostia in das tyrrhenische Meer. VI. Der Volturno entströmt in westlicher Rich­ tung dem neavolitanischen Apennin und durchfließt die campanische Evene. VII. Der Po — der einzige große Fluß Italiens — entspringt auf dem Monte Biso und durchströmt in öst­ licher Richtung die lombardische Ebene; er mündet in mehreren Armen in das adriatische Meer.

g

Nebenflüsse:

a. rechts:

1. der Tanaro kommt vom Col di Tenda und nimmt links die Stura, rechts die Bormida auf; 2. die Trebbia; b. links:

51 1. die Dora riparia, welche auf den cottischen Alpen entspringt, ergießt sich bei Turin in den Vo; 2. die Dora baltea sammelt in sich Die den Gletschern des Mont Blanc nach Süden entfließenden Gewäfler: 3. die Sesi a kommt von den Abhängen des Monte Rosa; 4. der Tessin (Ticino) entspringt dem Südabhange des St. Gotthard, strömt durch das Leventina-Thal und ergießt sich in den Lago Maggiore, welcher auch die Tosa (Toce) aufnimmt; bei Sesto Calcnde verläßt er den See in südöstlicher Richtung, befruchtet in zahlreichen Canälen die Niederungen und vereinigt sich unweit Pavia mit den» Po; 5. die Adda kommt von der Ortler-Gruppe, durchströmt in »festlichem Laufe das Beltlin-Thal und er­ gießt sich in den Comersee, den sie unterhalb Secco in südöstlicher Richtung verläßt, um bei Cremona in den Po zu münden; 6. der Mincio entfließt dem Gardasee bei Peschiera und bildet bei Mantua ausgedehnte Sumpfseen. VIII. Die Etsch (Adige), deren Quellbäche aus den Gletschern der tiroler und graubündner Alpen hervor­ brechen, trennt in ihrem östlichen Oberlaufe (Vintschaau) die tiroler Alpen von der Ortlergruppe, in ihrem süd­ lichen Mittelläufe die Adamellogruppe von den trientiner Alpen und wendet sich, unweit Verona in das Tiefland tretend, nach Osten dem adriatischen Meere zu. Bon links nimmt sie die Eisack mit der Rien» auf. IX. Die Maritza fließt im Oberlaufe nach Osten zwischen dem Balkan und dem Rhodove-Gebirge, wendet sich bei Adrianopel nach Süden und inündet in das ägäische Meer. 8- 20. Gebiet des schwarzen Meeres.

I. Die Donau entsteht durch die Vereinigung der beiden Quellbäche Brege und Brigach bei Donaueschingen im südlichen Schwarzwalde, wendet sich am Südsuße oes

52 schwäbischen Jura vorüber nach O.-N.-O-, von Regens­ burg an nach O.-S.-O. an dem Fuße des bayerischenund Böhmer-Waldes entlang, zwängt sich bei Linz zwischen letzterem und den Ausläufern der Ostalpen hindurch und nimmt nun eine mehr östliche Richtung an. Oberhalb Wien tritt sie in die österreichische Ebene (Marchfeld), tritt dann zwischen den nordöstlichsten Ausläufern der Alpe« und den kleinen Karpathen hindurch in die ober-unga­ rische Ebene, um bald darauf zwischen dem Bakonywald und den südlichsten Zügen des ungarischen Erzgebirges sich hindurch zu drängen und wendet sich hier (bei Waitzen) in der großen ungarischen Ebene unter Bildung zahl­ reicher Inseln nach Süden. Nachdem sie zweimal diese Richtung mit einer östlichen vertauscht, bricht sie bei Orsowa (Eisernes Thor) in gewaltigen Stromschnellen zwischen den transsylvanischen Alpen und den nördlichen Ketten der Balkangebirgc hindurch und tritt in die walachisch-bulgarische Ebene: diese durchströmt sie in breitem inselreichem Bette in östlicher Richtung, wendet sich kurz vor der Mündung noch auf eine kleine Strecke nach Norden und mündet in drei Armen (Sulina, Kedrille und St. Georg) in das schwarze Meer. Nebenflüsse: a. rechts: 1. Iller; entspringt auf den algäuer Alpen, flieht in nördlicher Richtung und ergießt sich bei Ulm in die Donau; 2. Lech; Quelle in der Arlberggruppe, fließt eben­ falls nördlich an Augsburg vorüber; 3. Isar; kommt von der Zugspitze, durchbricht in nördlichem Laufe die bayerischen Alpen, fließt an Mün­ chen vorüber und wendet sich später nordöstlich; 4. der Inn, dessen Quellen auf den südlichen raubündner Alpen liegen, durchbricht dieselben in nordstlichem Laufe (Engadin), scheidet dann die tiroler und salzburger von den bayerischen Alpen und mündet bei Passau; von rechts nimmt sie die dem Hohen Tauern entströmende Salzach auf; 5. Drau (Drave); ihr Quellbach trennt die karnischen Alpen von der Tauernkette, sie fließt östlich zwischen den Ketten der Ostalpcn hindurch, tritt dann in

S

53 die niederungarische Tiefebene und ergießt sich unterhalb Esscg in die Donau; auf der linken Seite nimmt sie den Mur auf, der vom Hohen Tauern ihr zufließt; 6. die Sau (Save) entspringt auf dem Triglav und durchströmt in vielfach gewundenem langsamen Laufe die ungarische Ebene; sie ergießt ihre Wässer zwischen Semlin und Belgrad in die Donau; von der rechten Seite nimmt sie in zahlreichen Zuflüssen die von den westlichen Gebirgen der Balkanhalbinsel entströmenden Gewässer auf, wie die Kulpa, Bosna, Unna und Drina; 7. die Morawa entsteht durch Bereinigung der serbischen und bulgarischen Morawa; b. links: 1. die Naab kommt von dem Fichtelgebirge, fließt nach Süden und mündet in der Nähe von Re­ gensburg; 2. die March, deren Quelle in den Sudeten liegt, fließt ebenfalls nach Süden dem Westabhange der kleinen Karpathen entlang und vereinigt sich unterhalb Wien mit der Donau; 3. die Waag scheidet im Oberlaufe das LiptauerGebirge von dem hohen Tatra, wendet sich dann nach Süden und ergießt sich in einen kleineren Arm der Donau; 4. die Theiß entspringt dem karpathischen Wald­ gebirge, fließt erst westlich, später südlich durch die große ungarische Ebene in langsamem Laufe zwischen niedrigen sumpfigen Ufern; der früher weit berühmte Fischreichthum hat sehr nachgelassen; sie nimmt auf Der linken Seite die den siebenbürgischen Gebirgen entströmenden Zuflüsse Szamos, Körös und Maros aus; 5. die Aluta (Alta), welche von den östlichen Gebirgen Siebenbürgens kommt, Durchbricht im rothen Thurmpasse die traussylvanischen Alpen; 6. der Sereth und 7. der Pruth entspringen auf dem Ostabhange der Karpathen und fließen parallel in südsüdöstlicher Richtung der Donau zu. II. Der Dnjestr entspringt auf dem Nordabhange

54 der Karpathen nahe der Sanquelle und eilt südöstlich dem schwärn Meere zu. III. Der Bug durchbricht in zahlreichen Strom­ schnellen den ural-karpathischen Höhcnzua und mündet unterhalb Nicolajew. IV. Der Dnjepr kommt vom uralisch-baltischen Höheuzugc, dessen Südfuß er m westlicher Richtung be­ gleitet, dann wendet er sich nach Süden, weiterhin in einem großen Bogen nach Osten und durchbricht — mit Stromschnellen.bei Jekaterinoslaw — die südrussische Platte an deren schmälster Stelle; er mündet bei Cycrson. Rechts nimmt er die Beresina von Norden auf, den Pripct von Westen, dessen Ufer von ungeheuren Sümpfen umgeben sind, und von links die Desna. V. Der fischreiche Don, der im Mittelalter stets als Grenze von Europa gegen Asien angesehen wurde, entspringt im mittleren Rußland; er bildet ebenfalls einen großen Bogen nach Osten und mündet in die Norddes Asow'schen Meeres; von rechts fließt ihm der

K

ez zu. VI. Der Kuban kommt vom Kaukasus und fließt nach Westen.

8- 21. Gebiet des Kaspischen Meeres. I. Der Terek entspringt auf dem Kasbek und fließt nach Osten, indem er die Grenze zwischen den pontischen Steppen und dem Kaukasus bildet. II. Die Wolga, der größte Strom Europas, ent­ fließt dem Seligersee auf dem Waldai-Gebirge, und wendet sich durch die central-russische Niederung zunächst nach Osten; von Kasan an wendet sie sich nach Süden, theilweise begleitet von niedern Hüaelzügen; bei Sarepta ändert sic ihre Richtung nach Südosten und mündet in ~ dsten derselben liegt zahllosen Armen ; an ‘dem 'bedeutend Astrachan. Bei iyrem unbedeutenden Gefälle ( fließt sic sehr equeme Wafferstraße. langsam und bildet daher eine sehr bequeme

55 Nebenflüsse: a. rechts:

die Oka; sie kommt von der südlichen Landhöhc, nimmt von links die Moskwa (an welcher Moskau liegt) auf und vereinigt sich bei Nischnij-Nowgorod mit der Wolga; b. links: die Kama ; sic fließt zuerst nördlich, dann auf kurze Strecke östlich, um sich hierauf nach Süden an den ersten Borhügcln des Ural entlang zu wenden; in ihrem nach Westen gerichteten Unterlaufe nimmt sic die Bjelaja auf, welche ebenso wie deren Zufluß Ufa als Verbin­ dungsweg mit dem Ural-Gebirge von Bcoeutuna ist. III. Der Ural, der auf dem südlichen Theile des gleichnamigen Gebirges entspringt, fließt in einem Längenthale des letztem nach Süden, wendet sich bei Orsk nach Westen und bei Uralsk wieder nach Süden; sein Unter­ lauf geht zwischen Salzstcppcn hindurch, welche tiefer liegen als das Niveau des schwarzen Meeres. Er bildet in seinem ganzen Laufe die Grenze Europas mit Asten; bie An­ wohner auf beiden Ufern — Kasaken und Kirgisen — sind asiatische Steppenvölker.

Bei der geringen Ausdehnung der europäischen In­ seln können sich aus diesen nur unbedeutende Flußsysteme entwickeln, außer auf den britischen Inseln; letztere werden jedoch erst im folgenden Cursus betrachtet werden. Grö­ ßere Binnen-Seen, die mit keinem der betrachteten Flüsse in Verbindung stehen — wie dies bei den übrigen Erd­ theilen wol der Fall war — sind in Europa nicht zu erwähnen.

56

IV.

Kkiru«, Produkte, Anvohuer. 8- 22.

Klimatische BerhSUniffe.

Unter allen Vorzügen, welche Europa vor den übrigen Weltthcilen besitzt, ist am wichtigsten derjenige des verhätnißmäßig wannen und binlänglich feuchten Klimas. Während in den Tropenländern zwar die Hitze, verbunden mit der großen Feuchtigkeit, der Entwimung der Pflanzen und Thiere förderlich ist, wird doch die geistige Thätigkeit des Menschen und damit die Entwicklung der Cultur durch dieselbe sehr gehemmt. Für diese ist die gemäßigte Zone entschieden förderlicher. In gleichen Breiten ist durch die Gliederung und die Lage das Klima Europas viel günstiger, als dasjenige der übrigen in der gemäßigten Zone gelegenen Länder. Nordamerika, das nach Norden immer mehr sich erbreitert und dessen Nordküsten von dem Eismeere umspült wer­ den, besitzt an der Ostküstc eine viel trocknere und kältere Luft; die plötzlichen Schwankungen zwischen Hitze und Kälte sind m seinem Innern sehr bedeutend, und nur die Westküste bietet ähnliche Verhältnisse wie Europa. Asien besitzt in seinen mittleren und nördlichen Theilen, welche mit Europa unter gleicher Breite liegen, ein trockenes, sehr kaltes Landklima. So liegen St. Louis in Nordamerika, Lissabon am Ausflusse des Tajo, Süditalicn, Nordgriechenland (Eu­ böa), Buchara, Kjöng (Korea) fast genau unter derselben Breite; während aber selbst im Sommer in St. Louis große Umschläge in der Temperatur (von 28° bis zu 6—8° herunter) Vorkommen und im Winter längere Zeit tiefster Schnee alles deckt, kennt man in den genannten europäischen Bezirken den Schnee nur auf den Bergen; im Sommer bringt selbst der Nordwind keine starke oder plötzliche Abkühlung; die asiatischen Tiefländer ähneln

57 hier noch mehr Europa, nur ist der Winter strenger und anhaltender. Je weiter nach Norden, desto mehr macht sich aber der Unterschied zwischen den Erdthcilcn geltend. Labrador starrt von fast ewigem Eis und Schnee, der Anbau von Getreide ist ganz unmöglich; das unter gleicher Breite liegende Jreland aberist berühmt durch sein immerwährendes Grün (Erins grünes Eiland). Dänemark, Südschweden, Ostpreußen, die Länder um den rigaischen Busen bauen alle Arten von Getreide in großen Mengen, in Sibirien dagegen vermag die Sommerwärme den Boden nur auf geringe Tiefe aufzuthauen. Jenseit des Polarkreises liegen in Europa noch Städte mit einer thätigen Bevöl­ kerung, während in Amerika und Asien noch weit südlich desselben größere Niederlassungen der klimatischen Ver­ hältnisse wegen unmöglich sind. Diese günstigen Verhältnisse Europas sind vor allem in seiner äußerst glücklichen Gliederung und Lage be­ gründet; im Süden von einem warmen Binnenmeere umspült ist es den Einflüssen der Glutwinde, die von Afrika kommen nicht schutzlos preisaegeben; letztere ver­ lieren vielmehr, indem sie über oas Meer streichen, wesent­ lich an ihrer Alles austrocknenden Dürre, ohne jedoch jene wolkenbruchartigen Regen herbeizuführen, wie die Südwinde solche in Indien häufig veranlassen. Nach Norden zieht sich die Westküste immer weiter zurück und so ist das Land überall den Einwirkungen des westlichen Meeres ausgesetzt, während das nach Osten liegende Hinterland (Äsien) wesentlich seinen ^Ein­ fluß verliert. Da nun der warme Golfstrom, der aus der Straße von Florida zwischen dieser Halbinsel und den Bahamainseln hervorbricht, in seinen Ausläufern die ganze Westküste Europas bis hinauf zu dem Nordcap umspült, so wird hierdurch diesem Continente mehr Wärme zuaeführt, als Den andern; wesentlich unterstützt und erhöht wird diese Wirkung noch durch die zahlreichen Golfbildungen (namentlich in Nordwest-Spanien, der Bretagne, den britischen Inseln und Skandinavien), welcke das Eindringen des wärmeren Wassers in das Land wesentlich fördern. Dabei verhindern keine so aus-

58 gedehnten und hohen Gebirgsketten, wie die Anden in Amerika, die großen Plateaux mit ihren Scheidegebirgen in Asien, die Einwirkung der befruchtenden Seewinde auf das Innere des Continentes. Es ist selbstverständlich, daß die verschiedenen Länder je nach ihrer Lage verschiedenes Klima besitzen. Die drei nach Süden sich erstreckenden Halbinseln besitzen das mildeste. In Griechenland und Italien, an den Küsten der Pyrenäenhalbinsel ist Schnee eine äußerste Selten­ heit, in einzelnen Bezirken fast unbekannt. Der Westen Europas hat unter dem direkten Ein­ flüsse des Meeres die gleichförmigste feuchtwarme Witte­ rung ; je weiter man nach Osten fortschreitet, desto strenger werden die Winter, desto mehr macht sich der Einfluß des kalten Sibiriens geltend. Für dauernde Ansiedlungen un­ brauchbar sind in Europa — außer den höchsten Gebirgen und Felsen, sowie den Sümpfen — nur die nordöstlichsten Gegenden, das Gebiet der Petschora, des Mesen, das Innere der Halbinsel Kola.

§• 23. Produkte. Kann Europa in Bezug auf die Reichthümer seines Bodens auch nicht mit och unerschöpflichen Schützen Asiens und Amerikas wetteifern, so birgt es doch in seinem Innern so viele wichtige Produkte/daß cs durch­ aus nicht arm genannt werden kann. Vor allem be­ deutend sind die Kohlen, welche in den verschiedensten Theilen in großer Menge gefunden werden; so namentlich in England', dann in Deutschland im Gebiete der Saar, der Ruhr, im Hügellande zwischen der oberen Oder und Weichsel, an der Sambre, im centralen russischen Becken zwischen Dnjepr und Don. Die edeln Metalle Gold

und Silber findet man im siebenbürgischen, ungarischen und sächsischen Erzgebirge: Silber ward schon von den Carthagern und Römern in Spanien viel gewonnen; ebenso kommt es in Skandinavien reichlich vor; Quecksilber findet man in Spanien und in Sieben-

SS bürgen, Zinn wurde durch die Phönizier bereits von den britischen Inseln (daher Zinninseln genannt) geholt, Kupfer liefert die Pyrenäcnhalbinsel, ferner Britannien und Skandinavien, Eisen besitzen fast alle Länder Euro­ pas, namentlich Skandinavien in voizüalicher Qualität; Bernstein wird an den Küsten des frischen und kurischen Haffs gefischt und gegraben. Auch Edelsteine werden — in geringerer Anzahl freilich — in den böhmischen Gebirgen gefunden. Das so wichtige Salz wird aus zahlreichen Salinen und dem Meere gewonnen, sowie auch in Bergwerken als Steinsalz gegraben, z. B. in Staßfurt (im Gebiete der mittleren Elbe), Sperenbcrg, Jnowraclaw, Hallein in den Salzburger Alpen, Wilizka (im Quellgebiete der Weichsel) u. f f. Der Ackerbau und die Viehzucht sind von der Frucht­ barkeit des Bodens und von dem Klima abhängig; in letzterer Beziehung sind Indien, China und große Theile von Amerika unserem (Kontinente weit überlegen, doch hat Europa nicht solche Gegensätze zwischen höchster Fruchtbarkeit und absoluter Wüste, wie die übrigen Erotheile fast alle ausweisen (so die Ganges-Niederungen und die Salzwüste Gobi in Asien, die Niederungen des Niles und die Wüste Sahara m Afrika, die Thäler Californiens, das Plateau von Anahuac mit seinen Abhängen und die Wüste von Atacama in Amerika u. s. f.). Fast allerwärts wird der Fleiß des Menschen in Europa reichlich belohnt und ist der weitaus größte Theil des Bodens der Cultur zugänglich. Unter den wesent­ lichsten Produkten nennen wir einige: der Weinstock ge­ deiht in Europa vortrefflich, und der Wein übertrifft an Güte denjenigen aller übrigen Länder; namentlich wird derselbe in allen Mittelmeerländern, Frankreich, am Rhein und an seinen Nebenflüssen, sowie im Gebiete der Donau gepflanzt; weiter nach Norden gedeiht er nicht. Obst wird m vorzüglichster Qualität fast in allen Ländern gezogen, nur Skandinavien, Nord- und Mittel-Rußland sind nicht hierfür geeignet. Der Süden bringt Feigen, Pfirsiche und edle Birnen hervor, sowie Apfelsinen, Citronen, Melonen u. s. f.

60 An einzelnen Stellen kommen avch Palmen und Zucker­ rohr fort. An Ackerbauprodukten sind vor allem wichtig: Weizen in Italien, Frankreich, Deutschland, den Donauländern und Südrußland; Korn in Deutschland und Mittel­ rußland; Reis in Italien (Poebene); Zuckerrüben in Frankreich und einzelnen Theilen Deutschlands, Lein und Hanf namentlich an der Ostsee, Tabak in den Donau­ tiefländern, auf der Balkanhalbinsel, in Italien, Frank­ reich, am Mittelrhein. Die Wälder tragen in den verschiedenen Zonen einen vollständig verschiedenen Charakter; die immergrünen Bäume Italiens, welche aber nie das junge frische Grün des Frühlings tragen, reichen nicht über die Alpen hinaus. Den Laubholzwald des mittleren Europas schmücken Eichen, Buchen, Birken, in Rußland auch Linden und Ahorn; im Norden und auf den hohen Ge­ birgen verdrängen Fichten und Tannen das Laubholz und die sandigen Strecken Mitteldeutschlands sind von Kiefern und Föhren bedeckt. In Spanien und Griechenland sind die Wälder fast ganz ausgerottet und sind hierdurch weite, früher sehr fruchtbare Bezirke verödet und der Cultur entzogen. Reich an Waldungen sind namentlich noch die Kjölen, die russischen Höhenzüge, die Karpathen, der Ballan, die untern Donauländer, sowie einige deut­ sche Gebirge. Als charakteristisch sind noch hervorzu­ heben auf oer Pyrenäenhalbinsel die Korkeiche, in allen südlichen Ländern die Olive und der Maulbeerbaum (Seidenzucht). Ebenso wie der Ackerbau in Europa mit so großer Intensität betrieben wird, daß kein andrer Erdthcil unter gleichen Umständen gleichviel hervorbringt, steht auch die Viehzucht auf hoher Stufe; zeichnen sich auch Afrika und Australien durch die zahllosen Herden von Schafen, Südanlerika durch solche von Rindern aus, und sind auch die Pferde Arabiens, Nordafrikas u. s. f. durch ihre Schnelligkeit und Ausdauer als die besten berühmt, so ist doch in Europa die Viehzucht durch­ schnittlich auf einer höheren Stufe. Schafe werden namentlich auf der Pyrenäenhalbinsel, auf den südlichen

«1 Ccntralalpen, in England, in einzelnen Theilen Deutsch­ lands und Frankreichs, selbst auf Island gezüchtet; bte besten Pferde kommen aus England, von der jütischen Halbinsel, aus Norddeutschland, den mittleren Donau­ ländern und aus Südspanien; die Rindviehzucht ist bedeutend in Rußland, an der mittleren Donau u. s. f. Die größte Ueberlegenhcit über alle übrigen Erdthcile zeigt jedoch Europa in der Herstellung künstlicher Fabrikate, welche nach allen Theilen der Welt verschickt werden. So beschäftigt die Bereitung von Stoffen aus Baumwolle, Wolle, Leinwand und Seide in England, Deutschland, Frankreich Millionen von Menschen, die Metallarbciten lMaschinenbau, Herstellung von Instru­ menten aller Art u. s. f.) haben eine ungeheure Aus­ dehnung gewonnen, und überall sucht man jedem Gegen­ stände auch eine schöne Form zu geben. 8- 24.

Thier- und Pflanzenwelt.

Europa hatte in den früheren Zeiten eine große Zahl wilder und schädlicher Thiere; mit der Ausbreitung der Cultur, der Bebauung fast öde liegender Gegenden, der Verminderung der Wälder sind' jedoch dieselben nach und nach aus den meisten Btzirken verschwunden; doch besitzt unser Contincnt noch immer einzelne bedeu­ tendere Thiere, die freilich mit jenen der andern Erd­ theile weder an Größe und Stärke, noch auch theilweise an Schädlichkeit in Vergleich gezogen werden können. Aus der Klasse der Vierhänder (Affen) findet sich nur cm Vertreter tn Europa, auf den südlichsten gelten der Pyrenäenhalbinsel. Von Raubthieren kommt der Wolf in fast allen europäischen Ländern vor, am zahl­ reichsten noch in den russischen Wäldern; in letztern tritt — namentlich auf den Walvaihöhen und dem Ural — noch der Bär auf, der außerdem nur noch in den unwegÄ Gebirgsschluchten der Kjölen, der Karpathen, des , der Alpen und der Pyrenäen haust; kleinere Raubthiere — Wiesel, Marder — leben fast allerwärts,

62 das Hermelin, geschätzt wegen seines Pelzes — streift von Osten her bis zum Gebiete der Weichsel. Berhältnißmäßlg am zahlreichsten vertreten sind die Zweihufer (Wiederkäuer). Der Ur, welcher früher auch im westlichen und mittleren Europa heimisch war, hält sich noch in den Urwäldern des Waldai auf; der Stein­ bock ist fast ganz ausgestorben, nur in den Alpen, den Pvrenäcn und dem hohen Tatra kommt er noch verein­ zelt vor; wilde Ziegen werden in einzelnen Gebirgen Spaniens, Gemsen namentlich in den deutschen Alpen noch häufiger angetroffen; Hirsche und Rehe treten aller­ orten noch auf, das ©lernt ist außer in Rußland nur auf der kurischcn Nehrung noch heimisch, dagegen ist das Renthier im hohen Norden ein unentbehrliches Haus­ thier geworden, welches für die Existenz der dortigen Bewohner ebenso wichtig ist wie für die Wüstenbewohncr Afrikas das Kameel. Unter den Vögeln ist der Lämmergeier als der größte und stärkste Vogel zu erwähnen; er horstet in den unzugänglichsten Schluchten der Alpen: andere Raub­ vögel treten noch vielfach auf. Die Vögel der heißen Länder zeichnen sich durch ihre Farbenpracht aus — wie die Kolibri, die Papageien —, dagegen zählt Europa die meisten und die lieblichsten Sänger; nur Australien hat auch zahlreiche Singvögel, die Wälder Amerikas, Asiens und Afrikas entbehren dagegen des Vogclgesanges. Bemerkenswerth sind noch die großen Scharen von Schwimmvögeln ttt den höheren' Breiten (Eidergans, Enten u. s. f.). Bon Den Amphibien leben die kräftigsten, aber auch die dem Menschen gefährlichsten Vertreter in den heißen Zonen, wie Die verschiedenen Krokodile, die giftigen Schlangen, daneben auch die Schildkröten y auf unserem Kontinente kommen erstere überhaupt nicht vor, die Schlangen sind nicht sehr zahlreich und nicht so groß und stark; einzelne derselben sind freilich auch durch ihr Gift gefährlich. Der Fischreichthum der europäischen Gewässer ist 3um Theil sehr bedeutend, und auf ihn gründet sich der Wohlstand und selbst die Existenz der Bewohner einzelner

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Gegenden; in den Flüssen hat sich zwar durch den Ver­ kehr, namentlich den oer Dampfschiffe, die Menge der Fische stark vermindert, doch sind die meisten Binnengewässer noch jetzt hinreichend von solchen bevölkert. Vor allem wichtig ist der Fang des Härings in den nordischen Meeren (ftüher waren die deutschen Ostseeküsten berühmt durch das massenhafte Vorkommen des Härings, letzt find die Fjorde Norwegens und das vorliegende Meer vis Schottland die Gegend der ergiebigsten Fischerei). Zeichnen sich die Käfer und Schmetterlinge in den Tropenländern, ebenso die Vögel durch den Glanz und die Pracht der Farben sowie durch ihre Größe aus, ^so find aber auch die schädlichen Insekten dort zahlreicher und stärker, wie z. B. die Termiten u. s. f. Von den Waldbäumen und den durch Ackerbau cultivirten Pflanzen ist bereits im vorhergehenden Abschnitt gesprochen; die in Europa wild vorkommendcn Gewächse halten zwar ebenfalls in Bezug auf ihren Farbenreichthum, ihr rasches Gedeihen nicht den Vergleich mit denen der Tropen aus, aber sie tragen doch zu oer Eigenthüm­ lichkeit der Länder auch auf unserem Continente das Ihre bei. So übenäeht die Heide in den mittleren und nördlichen Theilen Deutschlands, auf der Halbinsel Jüt­ land, m den nördlichen Bezirken Britanniens u. s. s. weite Strecken; Flechten uno Moose überziehen Felsen und Steine und das Renthiermoos — die Hauptnah­ rung des für den Norden so wichtigen Rcnthiers — gedeiht noch unter dem Schnee der Kjölen jenseit des Polarkreises. 8- 25. Die Bewohner Europa-. Bon allen Erdthcilen hat Europa verhältnismäßig die größte Einwohnerzahl; es leben aus 180,000 ^Weilen 310 Millionen Menschen, d. h. auf je 1 □SReile über 1700 (Bevölkerungsdichtigkeit). In Asien wohnen fast 1000, in Afrika etwa 300, in Amerika 110 und in Australien 25 Menschen auf dem gleichen Flächenraume.

€4 Die Dichte nimmt in Emopa von Westen nach Osten im All­ gemeinen immer mehr ab, am größten ist sic in der nieder­ rheinischen, in der Po-Tiefebene und auf den britischen Inseln, am geringsten im Nordosten, nirgends erhebt sie sich zu der Höhe, wie im Tieflande des Ganges oder der chinesischen Ströme, fie sinkt aber auch nirgend auf jene Tiefe Nordsibiriens oder der Hudsonsbailänder. Die Bewohner Europas gehören der weit über­ wiegenden Mehrzahl nach zu der Rasse der Mittelländer; auch die durch nachfolgende Einwanderungen verdrängten und zum Theil ausaestorbenen Ureinwohner (wie die Pelasger in Griechenland. Etrusker in Italien, Gälen in Frankreich u. s. f.) gehörten derselben Rasse an, nur im Osten sind noch einige zu den Mongolen oder den Hyperboräern gehörige Stämme: zu ihnen rechnen wir die Samojeden' und Lappen in den arktischen Gebieten, die Finnen zwischen dem bottnischen, dem finnischen Busen und dem weißen Meere, die Magyaren in der niederungari­ schen Tiefebene; die Türken auf der Balkanhalbinsei so­ wie einige Stämme in den südlichen Steppen (am schwanen und kaspischen Meere). Bon den Mittelländern sind die Vertreter der semitischen Gruppe, die Juden, über ganz Europa ver­ breitet (etwa 4'Ä Millionen), am stärksten in den Ebenen der Weichsel u. s. f. Fast alle übrigen Bewohner sind Indo-Germanen und lassen sich nach ihrer Sprache und nach ihrer Cultur in die drei großen Völkerfamilien der Romanen (oder besser Gcaeco-Romanen), der Slaven und der Germanen theilen. Die erstem (nicht ganz 90 Millionen) bewohnen hauptsächlich die Küsten' des Mittclmeeres, also Süd- und Südwesteuropa; zu ihnen gehören die Rumänen an der untern Donau, die Alba­ nesen und Griechen auf der Balkanhalbinsel, die Ita­ liener auf der Apenninenhalbinsel, die Franzosen und Wallonen in den Ländern westlich der obern Maas, der Mosel sowie der Westalpen, die Spanier und Portu­ giesen auf der Pyrenäenhalbinsel. Die Slaven (über 80 Mill.) haben ihre Wohnsitze in den südlichen Ostalpen, im Gebiete der Moldau und March (böhmischer Kessel), in der ganzen östlichen Tief-

65 ebene, sowie auch an der unteren Donau; zerstreut kommen sie auch zwischen Deutschen vor an der Spree (Spreewald), im östlichen Sachsen u. s. f. Die Haupt­ sächlichsten Vertreter dieser Familie sind die Russen (Groß-, Klein-, Weißrussen); außerdem sind die Polen, die Böhmen (Czechen), Slowaken, Ruthenen, Bulgaren u. s. f. zu nenneu. Nahe mit ihnen verwandt sind noch die Letten an der Ostsee. Die Germanen (100 Mill.) nehmen das Herz Europas ein und breiten sich nördlich der Alpen bis zu der Nord- und Ostsee zwischen den Franzosen (Maas und Schelde) und Slaven (Weichsel und Pregel) aus, bewohnen außerdem Skandinavien, die britischen Inseln und das ferne Island. Wir unterscheiden Deutsche, zu denen auch die Holländer und Flamänder zu rechnen sind, Dänen (auf Jütland und den dänischen Inseln), Skandinavier (Schweden und Norweger) und Briten (Engländer). Alle diese genannten großen Volksstämme sind von Osten her (aus Asien) nach Europa eingewandcrt, jeden­ falls in sehr ferner, vorgeschichtlicher Zeit. Sie fanden Ureinwohner, die theilweise mit den Eroberern sich ver­ mischten, theilweise aber auch ganz untergingen. Ueberreste derselben finden wir unverinischt, wie bereits bemerkt, nur wenige noch in Europa vor; am bedeutendsten unter ihnen sind die Basken in den westlichen Pyrenäen und in dem Quellgebiete des Ebro, ferner die Gälen auf der normannischen Halbinsel (Frankreich), auf Wales (Britanien) sowie in Hochschottland und Jreland. Die Gräco-Romanen nahmen zunächst nur die Apen­ ninen- und Balkanhalbinsel ein; von hier aus dehnten sie sich — abgesehn von den Eroberungen in den fremden Welttheilen — durch die Bildung des römischen Welt­ reiches über die Pyrenäenhalbinsel, Gallien, Süd­ deutschland und die untern Donautiefländer aus; sie gründeten allerwärts zahlreiche Niederlassungen und verbreiteten so die römische Sprache und römische Cultur. Die Germanen, welche ursprünglich zwischen Rhein und Oder wohnten, wanderten (vom 1. Jahrh. v. Chr. bis Ende -des 5. Jahrh, n. Chr.) nach Westen in. 3*

66 und Süden in großen Scharen, zerstörten das west­ römische Reich und bildeten auf dessen Trümmern eine Reihe neuer Staaten, in welchen aber die neuen Herr­ scher ihrer verhältnißmäßig geringen Zahl wegen eine große Aenderung in Sitten und Sprache nicht hervor­ brachten; aus diesen Reichen sino die romanischen Staaten hervorgegangen. Außerdem breiteten sich aber die Germanen noch auf den britischen Inseln aus, sowie nach Süden in das Gebiet der Alpen, Die Slaven, welche später als die beiden andern Völkerfamilien in Europa sich niederließen, nahmen die östlichen Niederungen und die von den deutschen Auswan­ derern verlassenen Gegenden zwischen Elbe und Oder, an der Moldau u. s. f. ein. Später haben sich die Deutschen wieder nach Osten ausgebreitet und die Slaven aus den Ostseeländern, sowie aus dem Gebiete der Elbe und Oder verdrängt. Die spätern Ucberfluthungen Osteuropas durch mon­ golische Stämme haben keinen dauernden wesentlichen Einfluß auf die Bevölkerung ausgeübt.

§• 26. Cultur. Durch die außerordentlich günstige Lage Südeuro­ pas, umgeben von einem Binnenmeere ohne Ebbe und Flut, das frühzeitig schon für ausgedehnteste Schifffahrt benutzt wurde, mit seiner vielfachen Gliederung, seiner Fruchtbarkeit, seinem heitern Himmel, seiner reichen schönen Natur wurde früh die selbständige Entwicklung einer hohen Cultur veranlaßt. Die Gedichte der alten Griechen, ihre Bauten, ihre noch jetzt unübertroffenen Werke der bildenden Kunst beweisen ebenso wie die Ge­ schichte ihrer Staatseinrichtungen, oaß sich auf den südlichen Theilen der beiden mehrgenannten Halbinseln eine hohe und vor allem eine dem Charakter des Volkes durchaus entsprechende, von fremden Einflüssen unabhängige Cultur entwickelt hatte; dieselbe verbreitete sich mit italischen Elementen versetzt durch das ganze römische Reich und

67 bildet noch heutzutage in der Kunst und in einem großen Theile der Wissenschaften die Grundlage aller europäischen Cultur. Im Gegensatz zu den verschiedenen asiatischen Völkern ist hier dem Wissen und Forschen und daneben der Phantasie und den andern hohen geistigen Güter eine gleiche Berechtigung zucrkannt. Die üppige Natur Indiens veranlaßte die vielgestaltigen Formen und das Großartige in den Bauten und den Skulpturen; der reine ätherblaue Himmel und die schöne — doch nicht über­ reiche — Natur Griechenlands zeigt sich überall darin wieder, daß Alles durch die Gesetze des Schönen be­ herrscht wird. Die heutige Cultur hat jene der alten Zeit wesent­ lich geändert in den religiösen Anschauungen, in den Staatsformen und vorzüglich in dem Verkehre der Völker untereinander. An Stelle des Heidenthums mit seinen zahllosen Gottheiten, wo jede Lebens- und Bcwegungserscheinung aus der Einwirkung eines besonderen persönlichen Gottes erklärt wurde, ist der Monotheismus — d. h. der Glaube, daß nur Ein Gott sei, der Alles geschaffen habe und regiere — getreten. Nur wenige Bewohner (Lapp­

länder rc.) des hohen Nordens stnd noch heute Heiden. Die Monotheisten theilen sich in Muhamedaner, Juden und Christen. Zu erstem gehören die Türken und andere mongolische Stämme in Südrußland (8 Mill.), dem Gesetze Moses hängen die über den Continent zer­ streuten Israeliten (Semiten) an und zum Christenthum bekennen sich alle übrigen Völker Europas. Wir unter­ scheiden unter ihnen: griechische Katholiken (etwa 70 Mill.), — zu denen außer den Polen fast alle Slaven zählen —, römische Katholiken (fast 150 Mill.), — die hauptsächlich bei allen romanischen Völkern, bei einigen süd- und west­ deutschen Stämmen, sowie bei den Polen zu suchen sind, — und Protestanten (75 Mill.); dem Bekenntnisse der letztem hängen vor allem die Germanen, sowie Letten, Finnen und größtentheils die Magyaren an. Im Staatswesen zeigt sich die Verschiedenartig­ keit der europäschen Völker, sowie ihrer geistigen Cul­ tur sehr scharf. Der Slave, zieht den gemeinschaft-

68 lichen Besitz des Bodens (eine Art Communismus) dem persönlichen Besitze vor; er geht dadurch persönlich in der Gemeinde auf und wird politisch ohnmächtig; daher ist die Staatsform — ebenso wie die Verfassung der Kirche — absolutistisch. Der Romane ist geistig sehr beweglich, neuerungssüchtig, verfolgt nicht ernst und unverdrossen ein Ziel, sondcm wird leicht schwankend; er hat daher in Wissenschaft, Kunst unb Industrie viel geleistet, aber im Staate sieht er häufig nicht jene Ge­ meinsamkeit aller, welcher sich der Einzelne unterordnen muß; zahlreiche Revolutionen haben die Staaten erschüt­ tert und die Staatsform häufig geändert. Bei den Ger­ manen finden wir das ernsteste Streben in der Wiffenschast; sie sind überall Anhänger der freien Forschung, vermögen auch die eigne Persönlichkeit dem Gemeinwohl unterzu­ ordnen, ohne jedoch in dem Staate aufzugehen und die Individualität zuverlieren; bei ihnen ist daher die Selbst­ verwaltung am stärksten ausgebildet; der Staat ist meist eine Monarchie, in welcher die Vertreter des Volkes mit­ berathen und die Rechte desselben wahren. Bei den Slaven sind nur Bauern und Herrn (Adel) oder stumm Gehorchende und Befehlende vorhanden, der freie Bürgerstand ist nur schwach vertreten; bei den Romanen herrscht das Bestreben vor, Alles eben und gleich zu machen, jeden Unterschied des Standes anfzuheben; bei den Germanen finden wir noch die Drettheilung in Bauern, Bürger und Adel, welche aber alle

vor dem Gesetze gleich sind. Die Industrie, welche erst in neuerer und neuester Zeit eine so hohe Bedeutung für das Leben der Völker gewonnen hat, ist in keinem Erdthcile verhältnißmäßig so hoch ausgebildet als in Europa; der Verkehr, der S“ anbei, wird durch die zahlreichen schiffbaren Flüsse, die isenbahnen und durch die außerordentlich günstige Lage zu den andern Welttheilen gefördert und so können wir mit Recht sagen, daß Europa in jeder Hinsicht für die Menschheit und deren Entwicklung der wichtigste Continent ist.

69

V.

faktische Heographie der Staate« nicht germanischer Aölker.

8- 27.

Königreich Portugal. (1671 □$«., 4,060,000