Leidensfahrten verschleppter Elsass-Lothringer, von ihnen selbst erzählt [2. u. 3. Aufl. Reprint 2019] 9783111496047, 9783111129846


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German Pages 87 [92] Year 1916

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
1. Erlebnisse in französischen Zivilgefangenenlagern
2. Nach der Insel St. Groix (Bretagne)
3. Meine Erlebnisse in französischer Gefangenschaft
4. Drangsale einer Elsässerin
5 a. Des Pilleurs de Cadavres sont conduits de Mulhouse ä Clermont-Ferrand
5 b. Leichenschänder werden von Mülhausen nach Clermont-Ferrand überführt
6. 18 Monate in französischer Geiselhast
7. Bericht über meine Verschleppung und Erlebnisse in französischer Gefangenschaft
8. Die Leidensgeschichte der Posthalterfamilie aus Niedersulzbach. Aus „Basler Nachrichten"
9. Kindersterben
10. In der Arena zu Beziers
11. Aus dem Brief eines Steinhauers vom Münstertal
12. Leidenswanderungen
13. Erfahrungen einer verschleppten Bürgersfrau. (E.)
14. St. Michel de Frigolet (Dep. Bouches du Rhone)
15. Leiden und Tod des Rentmeisters Weinschenk aus Felleringen
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Leidensfahrten verschleppter Elsass-Lothringer, von ihnen selbst erzählt [2. u. 3. Aufl. Reprint 2019]
 9783111496047, 9783111129846

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Leidensfahrten verschleppter Elsaß-Lothringer von ihnen selbst erzählt herausgegeben von

Dr* P. Kannengießer Professor am Protestantischen Gymnasium zu Straßburg i. E.

Zweite und dritte Auflage.

Unveränderter Abdruck.

Straßburg Verlag von Karl I. Trübner

1916.

Alle Rechte Vorbehalten.

Druck von M. DuMont Schauberg, Straßburg.

Vorwort. Dies Büchlein vereinigt eine Auswahl von Berichten, die elsaß-lothringische, während des Krieges gewaltsam nach Frankreich weggeführte Männer und Frauen nach ihrer Heimkehr über ihre Erlebnisse in der Gefangenschaft nieder­ geschrieben und der Herausgeber bei seiner nunmehr zwei­ jährigen Tätigkeit im Dienste seiner unglücklichen Lands­ leute in die Hände bekommen hat. Solche Schilderungen sind bereits vielfach in Tagesblättern und Zeitschriften, auch in selbständiger Form, ans Licht getreten; so hat der Heraus­ geber im März vorigen Jahres im verein mit Professor Lienhard „Schicksale einer verschleppten, von ihr selbst er­ zählt" veröffentlicht.*) Gleichwohl wagt er jetzt mit dieser Sammlung in der Hoffnung hervorzutreten, daß sie nicht bloß im Deutschen Reiche, sondern auch im neutralen Ausland, so­ weit hier auf Unbefangenheit des Urteils gerechnet werden darf, teilnahmsvolle Beachtung finden werde. Erweckt doch gerade die unmittelbare Lebendigkeit, die solchen einzelnen Berichten ihren Guellenwert verleiht, auch wieder Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit: Der verdacht liegt nahe, daß Er­ zähler und Erzählerinnen in begreiflicher Erregung ihre Schilderungen, vielleicht ganz unabsichtlich, zu düster gefärbt *) Es ist die treue Übersetzung des von der Verfasserin, einer geborenen Französin, in ihrer Muttersprache ntedergeschriebenen Berichtes (jetzt 8. Tausend); den Text hat der Verlag (Straßb. Druckerei und Verlagsanstall, norm. R. Schultz u. Co.) später unter dem Titel Ma CaptivitS en France nachfolgen lassen. Sonst sei besonders noch auf die in den Südd. Monatsheften, März 1915 und dann auch als Etnzelheft in deren Verlag erschienenen „Hundert Tage Gefangene in Frankreich" von

Fanny Hoeßl hingewiesen.

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haben, daß ihre unter schwierigen Umständen gemachten Ur­ auszeichnungen mangelhaft, ihr Gedächtnis nicht zuverlässig gewesen sei. Erst die Übereinstimmung mannigfacher, von einander unabhängiger Zeugen verbürgt die Wahrheit. Eine solche Mannigfaltigkeit von Zeugenaussagen ist nun hier vereinigt. Männer und Frauen verschiedenster Berufskreise berichten, was sie selbst erlebt haben, keiner vom andern beeinflußt und jeder in seiner Sprache. Auch sind die Ur­ heber aller größeren Berichte von der zuständigen Stelle der Reichsbehörde oder der Elsaß-Lothringischen Landes­ regierung vereidigt worden (in der Überschrift mit E be­ zeichnet). Der Herausgeber hat seinerseits nur öfters der Raumersparnis wegen allzu Ausführliches in kenntlicher Weise gekürzt, im Einvernehmen mit Verfassern, die noch An­ gehörige in französischer Gefangenschaft zurückgelassen, einige vielleicht verräterische Stellen gestrichen und Namen durch Anfangsbuchstaben ersetzt; die gleiche Vorsicht verbot, die Ver­ fasser selbst zu nennen. Nichts wesentliches ist weggefallen, keine Anerkennung, mit der auch besserer Behandlung dank­ bar gedacht wird. Zur Ergänzung und Erläuterung sind ältere Zeitungsartikel herangezogen, einige von besonderer Bedeutung auch in den Text gestellt. Vie Beschränkung des Stoffes — es handelt sich nur um die Erlebnisse von Elsaß-Lothringern — erleichtert die Über­ sichtlichkeit und ermöglicht dem Leser, den hie und da be­ sondere Hinweisungen zu unterstützen suchen, eine Reihe merk­ würdiger Übereinstimmungen festzustellen und sich ein treues Bild des Elends auszumalen, das schuld- und wehrlose deutsche Männer, Frauen und Rinder durch französische Gewalttat zu erdulden gehabt und zu erdulden haben. Gr wird die Über­ zeugung gewinnen und möge sie festhalten, daß die Verant­ wortung für diese Leiden nicht etwa einzelne entmenschte Per­ sonen, untergeordnete Werkzeuge der Staatsgewalt, sondern die ganze französische Ration, Regierung und Volk, mit gleicher Schwere und Schande trifft, für jetzt und alle Zeiten. Als kürzlich durch die deutsche Verwaltung viele Tausende von Bewohnern größerer Städte in Französisch-

V Flandern notgedrungen, zu ihrem eignen Wohle, in andre Teile des besetzten Gebietes übergeführt worden, erhob die französische presse ein lautes Gezeter, daß man Franzosen wie Sklaven fortgeschleppt und wie das Vieh behandelt habe, und im Ausland fand es vielfachen Widerhall. Erst jüngst noch hat Ministerpräsident Sriand über diese „verbrecherische Hand­ lung" entrüstete Worte in die Welt gerufen. Man lese nun die Leidensgeschichte unsrer Elsaß-Lothringer und urteile, auf welcher Seite die „den allerelementarsten Regeln des Völker­ rechtes zuwiderlaufenden Vorkommnisse" zu finden sind. Man glaubt und verbreitet dienstbeflissen die methodisch her­ gestellten Lügenmärchen unsrer Feinde über „deutsche ver­ brechen"; verschließe man sich nicht der Wahrheit, die aus den folgenden Blättern unverkennbar spricht!

Straßburg i. E., September 1916.

Dr. p. Rannengießer.

Inhalt. Seite

Vorwort 1. Erlebnisse in französischen Zivilgefangenenlagern. Von einem Richter. (E.) 2. Nach der Insel St. Groix (Bretagne). Bericht eines Försters im Ober-Elsaß. (E.) 3. Meine Erlebnisse in französischer Gefangenschaft. Von einem Oberpostschaffner aus Thann. (E.) 4. Drangsale einer Elsässerin. Von ihr selbst geschildert. (E.) . . 5 a. Des Pilleurs de Cadavres sont conduits de Mulhouse ä Clermont-Ferrand. Abschrift einer Heimgekehrten aus dem Moniteur du Puy-de-Dsme 5 b. Leichenschänder werden von Mülhausen nach Clermont-Ferrand überführt. Übersetzung 6. 18 Monate in französischer Geiselhaft. Von Hauptlehrer B. in B. (E.) . 7. Bericht über meine Verschleppung und Erlebnisse in französischer Gefangenschaft. Von einm Arzt aus dem Ober-Elsaß. (E.) . . 8. Die Leidensgeschichte der Posthalterfamilie aus Niedersulzbach. Aus „Basler Nachrichten" 9. Kindersterben. Aus verschiedenen Berichten 10. In der Arena zu Veziers. Aus dem Berichte einer Tele­ graphistin. (E.) 11. Aus dem Brief eines Steinhauers vom Münstertal. An den Herausgeber 12. Leidenswanderungen. 1. Zwei Lothringer auf dem Zwangs­ marsch nach Frankreich. Aus dem Brief eines lothringischen Beamten an seine Frau 2. Zur Zitadelle von Besamen. Von einer Handwerkersftau aus dem Ober-Elsaß. 13. Erfahrungen einer verschleppten Bürgersfrau. (E.) Ein Schreiben an den Herausgeber 14. St. Michel de Frigolet (Dep. Bouches du Rhüne). Mitteilungen eines Geschäftsmannes aus Altmünsterol. (E.) 15. Leiden und Tod des Rentmeisters Weinfchenk aus Felleringen. Aus der „Sttaßburger Post"

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1. Erlebnisse in französischen Zivilgefangenen­ lagern. Don einem Richter. (E.) Hm Montag den 17. Hugust 1914, morgens 8 Uhr, er­ schienen die ersten französischen Truppen in 5., einem Städtchen im Gberelsaß. (Eine Abteilung chasseurs ä cheval durchritt mit schußbereit vorgehaltenen Gewehren im Eiltempo den (vrt und besetzte alle Ausgänge. Sofort ließ der französische Befehlshaber aus dem Postamt, der Steuerkasse und dem Ver­ kehrssteueramt vurchsuchungen nach staatlichen Geldern vor­ nehmen; aber alles war rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden. Vie Franzosen taten damals sehr siegessicher und erzählten jedermann, im Badischen würden sie nächstens alles plündern, brennen und morden, kein Stein dürfe auf dem andern bleiben; das Elsaß dagegen würden sie schonen.*) Nach und nach kamen auch noch chasseurs ä pied und Dragoner nach S,; aber schon nach 6 Tagen, am 23. Hugust, bereiteten die französischen Truppen ihren Rückmarsch vor. Kurz vor ihrem Abzug, am 23. August, nachmittags 3 Uhr, erschien im Gerichtsgebäude ein Dragonerleutnant und beschied mich zu seinem capitaine, der mich sofort anschrie: Vous etes fonctionnaire allemand? AIs ich das bejahte, übergab er mich kurzerhand einem Wachtposten, der mich in ein Zimmer einsperrte. Jede Erörterung über den Grund dieser widerrechtlichen Freiheitsberaubung schnitt der capi­ taine mit den Worten ab: Pas un mot! Nach etwa einer

*) Sergi Nr. 11. — Solche Drohungen werden auch sonst häufig und zwar aus den verschiedensten Teilen des Landes, in die die Franzosen ein» rückten, gemeldet, s. des. Straßburger Post, 24. März 1915, Nr. 205 u. 2. April, Nr. 232 (Französische Kriegführung und französische Grausamkeiten).

2 Stunde mutzte ich mit den zwei ebenfalls inzwischen festgenom­ menen Herren G. und 3. einen mit yafersäcken beladenen Bagagewagen besteigen, und wir fuhren, dicht umgeben von einem Kordon berittener Dragoner, inmitten der von allen Seiten herbeigelaufenen Einwohner in der Richtung auf K. zu. Kurz vor diesem Drte hörten wir hinter uns das Geräusch eines Automobils; als es, mit 8 Dragonern besetzt, an uns vorüberfuhr, erkannten wir es als dasjenige des Herrn 3.: die Franzosen hatten nach dessen Festnahme seine Garage ge­ öffnet und das Automobil in Besitz genommen. Rach endloser Fahrt wurden wir einer aus S. zuziehenden Kavallerieschwadron angeschlossen und sahen uns unterwegs allen Verhöhnungen und Drohungen der Soldaten schutzlos preisgegeben. Nachdem abends das Ganze halt gemacht und wir Gefangenen hungernd und frierend die halbe Nacht auf freiem Felde zugebracht, wurden wir nach £. zurückgeführt und dort in einen dunklen Stall gesperrt, dessen Boden mit halbfaulem Stroh bedeckt war. vergeblich versuchten wir zu schlafen. Gegen 6 Uhr wurden wir auf einen Vagen verladen und nach V. zum Bürgermeisteramt gefahren, wo sich das französische Hauptquartier befand, hier sperrte man uns wieder ein und gestattete uns nachmittags endlich auf wieder­ holtes Bitten, etwas Essen aus einer Wirtschaft holen zu lassen. Um 6 Uhr abends fuhr ein Automobil vor; ich erhielt Befehl, mit dem Gerichtsvollzieher L. aus S. einzusteigen» und ein capitaine gab dem Wagenführer die Weisung: ä Belfort au prison. Ich protestierte vergeblich. von 4 Soldaten mit geladenen Gewehren peinlichst be­ wacht, ging's Belfort zu, an Schützengräben und Drahthinder­ nissen vorbei und durch grotze Gruppenmassen hindurch, die uns immer wieder die Gebärde des Erschießens vormachten, wir glaubten tatsächlich, wir seien von irgend einem Schurken wegen Spionage denunziert worden und würden am nächsten Morgen an die wand gestellt. „Je ne donnerais pas deux sous pour votre peau“ sagte uns einer von unseren Be­ gleitmannschaften. Gegen 7 Uhr abends kamen wir unter grotzem Volksauflauf und von allen Seiten beschimpft vor dem

3 Gefängnis in Belfott an. hier wurde ich sofort wie jeder gemeine Sträfling behandelt. Zunächst wurden meine Perso­ nalien in das Gefängnisbuch eingetragen; der Gefängnis­ vorsteher fluchte dabei unaufhörlich und bewegte sich nur in Ausdrücken wie cochons, sales boches usw. Dann wurde ich körperlich genau durchsucht und überall betastet; alles was ich bei mir führte, wurde mir abgenommen, hierauf wurde ich in eine dunkle Zelle, die nur durch ein vergittertes Ober­ licht vom Gang her Tageslicht erhielt, zu zwei französischen Sträflingen gesperrt. Der eine erzählte mir ganz kollegialtsch, er habe 6 Wochen wegen vagabondage, der andere sagte mir, er sei bestraft worden, weil er einem deutschen Kriegsge­ fangenen, der aus dem gleichen Dorfe im Elsaß gewesen sei wie seine Frau, die Hand gegeben habe. Einige Stunden später wurde ich in einen im zweiten Stock des Gefängnisies ge­ legenen gemeinschaftlichen Schlafsaal geführt, hier traf ich eine Wenge von Schicksalsgenossen aus allen Ständen.*) Einige der hier eingesperrten Leute waren in Hemdsärmeln und Holz­ schuhen von der Feldarbeit weg von den Franzosen mitgefchleppt und befanden sich noch jetzt in dieser ungenügenden Kleidung; keinem von ihnen war erlaubt worden, das Ge­ ringste mitzunehmen. (Es waren da Greise von 70 bis zu 80 Jahren, wie der 80jährige Schneider Böglin aus helfrantskirch, der bald darauf in hennebont an Entkräftung ge­ storben ist. Auch zwei völlig verlumpte und verlauste Land­ streicher, die die Franzosen auf der Straße aufgelesen und als Wertobjekte mitgeschleppt hatten und die uns über die ihnen ganz vertrauten Gepflogenheiten im Gefängnis unterrichteten, befanden sich bei uns. In dem Schlafsaal herrschte ein ekel­ erregender Gestank: in der einen Ecke befand sich in einem *) Unter ihnen befand sich auch ein in Belfort schon am 24. August

etngetroffener 78 jähriger ehemaliger Beamter, der seit seiner Rückkehr aus Frankreich in Straßburg lebt. Er hat von Belfort bis Kerlois dieselbe Strecke

durchfahren wie der Richter und auch der Förster in Nr. 2. Sein in der Straßburger Post, Iahrg. 1915 Nr. 52,55,57 veröffentlichter, übrigens auf

Veranlassung des zuständigen Reichskommissars in Berlin gerichtlich be­ schworener Bericht bestätigt im wesentlichen die Schilderung unseres Textes.

S- auch S. 5 *).

Belfort,

4 Kleinen, fensterlosen Nebenraum, dessen Türe weder klinke noch Schloß hatte und ständig ofsenstand, ein unverdeckter, bis oben voller Abtrittskübel, auf dem große und kleine Bedürf­ nisse aller an heftigen Koliken leidenden Gefangenen be­ friedigt werden mußten. Auf unsere Sitte um etwas Essen, da alle halb verhungert waren, antwortete der Wärter: „Allez chez Guillaume“. Die gleiche Antwort erhielt ein kranker, der nach dem Arzt verlangte. Wasser wurde uns erst nach wiederholtem Ersuchen in einem schmutzigen Kruge geliefert. Am nächsten Morgen befahl der Gefängniswärter einigen der besser Gekleideten unter uns, den Abtrittskübel in den Hof zu tragen, ihn dort zu entleeren und zu reinigen. Als diese sich weigerten, wurde mit sofortiger Abführung in Arrest ge­ droht. Um 8 Uhr morgens wurden wir bei strömendem Regen in den Gefängnishof geführt, wo wir noch mehrere hundert Leidensgefährten vorfanden. Für alle die vielen Menschen gab es als einzige Waschgelegenheit einen dünnen Wasserstrahl, der noch den größten Teil der Zeit ausblieb. Durch die Ge­ fährten hörte ich hier von dem überaus traurigen Lose des aus Niedersulzbach verschleppten Posthalters Schärfse, eines älteren, asthmatischen Mannes, den die französischen Soldaten auf dem Transport nach Belfort, als er nicht mehr weiter marschieren konnte, in scheußlichster weise mißhandelt, die Rippen eingetreten, mit den Bajonetten gestochen und dann schließlich im Gefängnis in Belfort die Treppe hinab­ geworfen hatten, so daß er aus Mund, Rase und Ghren blutend, zu Tode gemartert, am gleichen Tage dort ge­ storben ist. Französische „humanste“! *) Um 10 Uhr mor­ gens reichte man uns die erste Nahrung; jeder erhielt ein un­ sauberes, verrostetes Blechgefaß, worin sich unten Linsen und darüberstehend eine Wasserbrühe befand. Diese Linsensuppe hätte kein Hund angerührt! Vie Linsen waren hart und unausgesucht; in meinem Blecheimer fand ich unter den Linsen ein Stück Porzellan, Häcksel, Steine und sonstige Unreinig­ keiten, die das Essen trotz unserer Aushungerung fast zur Un*) S. Nr. 8, vergl. Nr. 4, S. 33, Nr. 7, S. 51.

5 Möglichkeit machten. Löffel oder sonstiges Eßgerät gab es nicht, jeder mußte stehend den Eimer an den Mund halten und den Inhalt hinunterschütten, wenn er nicht verhungern wollte, wir wurden dann zu etwa 200 Mann in einen engen Raum eingesperrt, wo die Schweinerei mit dem Abtrittskübel in einer Ecke sich wiederholte. In diesem Raume blieben wir zwei Tage und Nächte eingepfercht; die Nächte mußten wir stehend ohne jede Decke verbringen; wir waren so eng zu­ sammengepfercht, daß wir weder sitzen noch liegen konnten. *) Dabei pfiff der kalte Nachtwind durch die zerbrochenen Fensterscheiben; alle waren durch die Bohnen- und Linsen­ suppen, die schlaflosen Nächte und die beständigen Demüti­ gungen krank, elend und vollständig apathisch. Am 28. August morgens 4 Uhr wurde uns endlich eröffnet, daß wir zur Bahn verbracht würden, wir wurden im Eefängnisgang aufge­ stellt und sahen hier aufs tiefste empört zu, wie unsere mit uns verschleppten Landsleute, darunter Arzte, Richter, Rechts­ anwälte, Großkaufleute usw. wie die gemeinsten Verbrecher mit Retten zusammengeschlossen und durch die Straßen Bel­ forts abgeführt wurden. Als wir an die Reihe kamen, langten die Retten nicht mehr, und wir wurden daher ohne solche Rettenarmbänder, aber in Begleitung einer großen Anzahl von Gendarmen noch vor Tagesanbruch zum Bahnhof geführt und dort in deutsche wagen IV. Masse verladen. Auf dem Bahn­ hof hob ein französischer Zivilist einem von uns den Hut hoch ♦) Aufzeichnungen eines noch in Gefangenschaft weilenden Kaufmannes, der gleichzeitig im Belforter Gefängnis geweilt und mit dem Richter sowie dem Förster in Nr. 2 die Fahrt über Besanson und weiter gemacht hat, sind in meine Hände gelangt, über den Belforter Aufenthalt heißt es hier: Grobe, unwürdige Behandlung wie bei Schwerverbrechern, beständig eingeschlossen. Essen ungenießbar, schmeckt nach Talg und Soda, ernähre mich nur von Brot und Wasser. 17 Betten im Zimmer, in der Ecke in einem Verschlag ein Kübel, sden wir täglich leeren und ausspülen müssen. Abends Flohplage. Wir sehen schon alle ziemlich heruntergekommen aus. Zwei Nächte in Betten, und zwei Nächte, an die hundert Personen, in einen etwa 15 m langen und 3 m breiten Saal hineingepfercht. Konnten kaum neben einander stehn, ge­ schweige denn liegen; in einer Ecke natürlich wieder der Kübel. Die eine Nacht hatten wir keine Decken, die andere Nacht gab man uns 15 Stück, die dann am Boden ausgebreitet wurden.

6 und verlangte von ihm, daß er „Vive la France!“ rufe; als dieser sich weigerte, schlug er ihm ins Gesicht. In meinem fibteil befanden sich auch mehrere Beamtenfrauen aus Thann und Umgebung, die die ritterlichen Franzosen ebenfalls mitge­ schleppt hatten und die von diesen die würdeloseste Be­ handlung erfahren hatten. Nach zweistündiger Fahrt kamen Besansvn. wir in Befangen an. vom 3uge aus sahen wir schon am Bahnhof einen wahren Wald blitzender Bajonette und eine ungeheure Volksmenge, die johlend uns erwartete, wir wurden vor dem Bahnhof in Reih' und Glied aufgestellt, auf allen Seiten von Soldaten mit aufgepflanzten Seitengewehren dicht umgeben. Kaum setzte sich der 3ug in Bewegung, als die Volksmenge zu johlen begann und uns unter ohren­ betäubendem Lärm mit den gemeinsten Schimpfworten ver­ höhnte: sales boches, canailles, saligauds, cochons, ä mort, devant les canons, les crapules! schrie es auf allen Seiten; geballte Fäuste streckten sich uns entgegen, die Leute be­ spuckten uns, warfen mit Steinen und Kohlenstücken aus den Häusern, hielten drohend die Stöcke hoch, kurz und gut, der reine Hexensabbat! Rn diesen Beschimpfungen beteiligte sich durchaus nicht nur der eigentliche Straßenpöbel, sondern hoch und niedrig, groß und klein, Männer und Frauen, 3ivilisten und Militärs aller Grade. Besonders viel auszustehen hatten die mit uns marschierenden Beamtenfrauen, die namentlich von der französischen vamenwelt mit wieherndem yohngelächter, 3urufen und Gebärden unflätigster Rrt begrüßt wurden, sowie der mit Soutane bekleidete, ebenfalls ver­ schleppte Rbbe G., *) den das wütende Volk am liebsten in Stücke zerrissen hätte! über eine Stunde lang wurden wir friedliche und wehrlose Bürger und Bürgerinnen, die man aus dem Elsaß gestohlen hatte, zur Volksbelustigung und Befriedi­ gung der Volksinstinkte wie im Triumph durch die Straßen von Befangen herumgeschleppt! **) Jeder von uns hatte dabei *) Vgl. Nr. 7 S. 48. **) Der S. 5 ♦) erwähnte Kaufmann vermerkt: Auch in Vesanxon wurden wir, als wir Freitag Morgen 8‘/> Uhr eintrafen, mit Bajonetten empfangen, in höchst genügender Anzahl, zu unserm Glück; denn das Publikum hätte

7 das Gefühl nicht des Hasses, sondern der ehrlichen Verachtung für dieses degenerierte, würdelose Volk unserer Feinde, und manchem der geborenen Elsässer unter uns gingen die Lugen auf über das wahre Mesen der „grande nation“. Todmüde kamen wir endlich in der auf einer Anhöhe über öesantzvn gelegenen Zitadelle an, wo wir in das Militärgesängnis eingesperrt wurden, hier wurden wieder unsere Personalien ausgenommen und jeder mußte sein vor der Absahrt von Belfort ihm zurückerstattetes Geld, Papiere u. a. ab­ liefern. Jn einer feuchten Kasematte mußten wir auf Stein­ boden, der nur ganz dünn mit Stroh bedeckt war, ohne Decken schlafen; das Essen war schlecht und unzureichend; hie und da gab es mal in der Suppe, die auch hier in alten Blecheimern gereicht wurde, ein Stück ungenießbares Fleisch.**) Kaufen durften und konnten wir nichts, da wir unsere Wert­ sachen erst später zurückerhielten. AIs einzige waschgelegenheit diente für alle ein dünner Wasserstrahl im Hof; Rauchen und Zeitunglesen war strengstens untersagt. Vie Abortverhältnisse waren wie überall, wo wir eingesperrt waren, die denkbar schlechtesten, von Hygiene keine Spur! Die deutschen Frauen befanden sich zusammen mit einigen völlig zerlumpten, barfüßigen Zigeunerfamilien, die die Franzosen in Remiremont aufgegriffen hatten, ebenfalls in einer dumpfen Kase­ matte. Mehrere Male wurde uns ein Besen in die Hand ge­ drückt, mit dem wir den Gesängnishof kehren mußten. Aus unsere immer wiederholte Frage, weshalb wir denn eigentlich eingesperrt seien, sagte man uns, in wenigen Wochen sei das Elsaß wieder französisch, bei der Französierung des Elsasses ständen wir im Wege, daher würden wir interniert. uns sonst gesteinigt, da man uns für Spione, Leichenräuber, Brunnenvergifter usw. hieU.

*) Der Kaufmann (f. S. 5 *)) spricht sich über das Essen günstiger aus; er scheint gleich anfangs auf die entgegengesetzte Sette der Zitadelle gebracht zu sein, wohin der Richter (nach S. 8) erst am 30. gelangte, und wo sich, wie der S.3*) erwähnte Beamte a.D. in Straßb. Post Nr. 52 erzählt, eine Soldatenküche befand. Die Suppe bezeichnet dieser als schmackhaft, aber die Portionen waren ganz unzureichend, das Fleisch meist ungenießbar, weil hart.

8 hier in Befangon lag bei uns im Gefängnis auch der todkranke Gerichtsvollzieher Kammradt aus Münster im Elsaß. Der Ärmste war trotz seines Alters und seiner schweren Herzkrankheit von den Franzosen mitverschleppt worden; auf seinem Leidensweg durch Frankreich hatte sich seine Krankheit so verschlimmert, daß er hier im elenden Gefängnis in den letzten Zügen lag und kurz daraus fern der Heimat gestorben ist. Nicht weit von ihm ruht in französischer Erde der trotz llrankheit gleichfalls verschleppte Sanitätsrat Di. Breinlinger, auch ein Opfer französischer humanite! firn Sonntag, den 30. August wurden wir auf die entgegen­ gesetzte Seite der Zitadelle geführt, wo wir ca. 150 weitere Leidensgefährten trafen. Der Rechtsanwalt W. und der In­ spektor B. zeigten mir hier ihre noch dick verschwollenen, blut­ unterlaufenen Handgelenke, herrührend von den Fesseln, die sie tagelang auf ihrem Marsche mit den französischen Truppen hatten tragen müssen; aus ihre Beschwerde, die Fesseln be­ reiteten ihnen unerträgliche Schmerzen, hatten die Soldaten ihnen diese noch fester angezogen. Der Apotheker G., der mehrere Tage hindurch mit auf den Rücken gebundenen Armen aus einem Bagagewagen liegend herumgeschleppt war, zeigte an seinen Armen tiefe, von einem Seile herrührende Ein­ schnürungen. Fast jeder von uns hatte ähnliche Beispiele französischer humanite und liberte am eigenen Leibe er­ fahren! hier fühlte sich der sogenannte Prinzipal des Gefängnisses, ein Sergeant, bewogen, an die Derschleppten eine deutsche Ansprache zu halten. Er begann mit folgenden Worten: „Das ist eine Schweinerei, Ihr Kaiser hat den Krieg angefangen, Ihr Deutsche tragt den lieben Gott auf dem Bauch (Anspielung auf das Säbelkoppel mit der Umschrift „Gott mit uns"), wir Franzosen brauchen keinen Gott"; in dieser Tonart ging es weiter.*) Roch am selben Sonntag hieß es plötzlich, wir würden weitertransportiert, wir 200 Personen wurden zu vieren auf­ gestellt und von der Zitadelle zum Bahnhof verbracht; wohin *) Vergl. Nr. 6 S. 44.

9 es gehen würde, wußte keiner von uns. In der Stadt wieder­ holten sich dieselben widerlichen Szenen wie früher, die uns besonders auf die Nerven gingen; überall Beschimpfungen, Bedrohungen usw. Im Bahnhof wurden wir zu je 40 Mann in einen Viehwagen verladen und mußten zunächst 5 Stunden lang, bis abends 8 Uhr, auf den Abgang des Zuges warten. In jedem wagen befanden sich zwei Soldaten als wache. Mr fuhren, ohne Überzieher und Decken, die ganze Nacht und den folgenden Tag hindurch, bis wir Montag den 31. August, nachmittags, halb verhungert*)inMoulins-sur-Allier anlangten. Auf dem Zuge durch die Stadt Moulins wurden wir wieder von allen Seiten beschimpft und bedroht. In einer der Hauptstraßen sprang ein bessergekleideter Herr durch den Militärkordon in unsere Reihen, packte mich von hinten am Genick, schüttelte mich und warf mich mit einem heftigen Stoße zu Soden. Mein Hut flog dabei mehrere Meter zurück. Oie Soldaten sahen alledem untätig zu; meine Landsleute hoben mich auf und mußten mich vor weiteren Gewalttätig­ keiten dieses Menschen schützen. Nach diesem Vorkommnis litt ich an inneren Blutungen und kam noch am gleichen Tage in ärztliche Behandlung. In Moulins wurden wir in zwei Gruppen, Beamte und Nichtbeamte, geteilt; die Beamten, 137 Personen, kamen in den Turnsaal der Gesellschaft La öourbonnaise, die Nichtbeamten in einen anderen Saal. In dem schmutzigen Turnsaal lagen wir reihenweise auf dünn­ geschichtetem Stroh auf dem Boden; Decken gab es nicht. Einige, die erst nachträglich in unsere Abteilung gekommen waren, lagen aus dem blanken Fußboden, dessen weit klaffende Ritzen von Ungeziefer aller Art wimmelten, insbesondere von großen Käfern und deren ekelhaften Larven. Tische und Stühle gab es nicht; an einem kleinen Wasserhahn mußten sich alle 137 Personen ohne jedes Waschgerät waschen. An Nah­ rung lieferte die Stadt Moulins für uns 137 Leute 7 Kilo Fleisch pro Tag. Dieses „Fleisch" bestand hauptsächlich aus Kuhkinnladen mit Zähnen daran und einem Fetzen stinkenden *) Das öfters erwähnte Tagebuch des Kaufmanns verzeichnet hier kurz: „Hunger".

Moullnsfur-Allier.

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Fetts.*) hieraus wurde eine dünne Suppe gekocht, die uns zweimal täglich, um 11 Uhr morgens und 6 Uhr abends, als einzige Nahrung verabreicht wurde. Um die Suppe dicker zu machen, mußten wir selbst Kartoffeln kaufen. Brot wurde uns in ausreichender Menge gegeben. Tagsüber durften wir in einem kleinen Hof umhergehen, in dessen Mitte sich ein alle Abwasser der Küche aufnehmender, stinkender Tümpel ohne jeglichen Abfluß befand. Morgens 6 Uhr war im Hof Appell, abends 8 Uhr lag alles auf dem Stroh. Kleider und Wäsche hatte bisher keiner wechseln können; Gelegenheit zum Wäsche­ kochen gab's nicht. Bald nahm daher das Ungeziefer, nament­ lich die Kleiderläuse überhand, vor denen sich niemand retten konnte; mehrmals täglich mußte jeder seine Kleider nach Läusen absuchen. Endlich erlaubte man uns, unsere Familien von unserem Aufenthalt zu benachrichtigen und uns bei einem Kaufmann, dem der Zutritt zu unserem Lager gestattet wurde, die notwendigsten Wäsche- und Kleidungsstücke, Decken u.a. zu beschaffen. Dieser Biedermann brachte uns seine ältesten Ladenhüter und verkaufte sie zu unglaublich teuren Preisen. Ab und zu kam auch ein Arzt; da er aber die Kranken kaum anhörte und für alle Krankheiten, ob äußerlich oder innerlich, Jodtinktur als einzigstes Medikament verschrieb, schwand bei uns bald das vertrauen in seine ärztliche Kunst.**) Kb und zu erhielten wir auch nächtlichen Damenbesuch in Gestalt der Schätze unserer Wachmannschaften, die diesen die Boches aus dem Stroh mit triumphierender Miene zeigten. Nach etwa 14 Tagen wurden wir vom Stadtkommandanten wieder mal über unsere Personalien vernommen. Er war kein böswilliger Schikaneur; er erzählte uns aber die tollsten Sachen über Greuel der Deutschen in Belgien. Gesehen hatte er von alle­ dem, wie er auf Anfrage erklärte, allerdings nichts, aber gute Freunde hatten es ihm als volle Wahrheit erzählt; er bedauerte unter diesen Umständen nichts für die Besserung unseres Loses tun zu können. Auf die immer wieder an ihn gerichtete Frage, weshalb wir eigentlich eingesperrt seien, *) Sergi. Nr. 2, S. 18: Kopffleisch von alten Kühen. **) Vergl. Nr. 6, S. 43.

antwortete er, er wisse es selbst nicht, wahrscheinlich seien wir „otages“, d.i. Geiseln, ßuf unsere Frage, wofür wir denn als Geiseln bürgen sollten, nachdem Mülhausen und Umgebung von den Franzosen längst geräumt sei, blieb er die Antwort schuldig. Zeitungen waren strengstens verboten, hie und da gelang es allerdings durch Bestechung uns Zeitungen zu verschaffen, die uns durch ihre lügenhaften Berichte über die Hungersnot in Deutschland, die Revolution in Berlin und die „Eroberung" der „Festungen" Altkirch und Mülhausen, die wir alle selbst miterlebt hatten, autzerordentlich belustigten, firn 24. September hieß es, wir würden wieder mal weitergeschoben und müßten uns auf eine mehrtägige Reise gefaßt Machen. Rach den üblichen Beschimpfungen durch das Straßenpubltkum, an die wir nachgerade gewöhnt waren, wurden wir abends 8 Uhr zu je 40 Mann wieder in einen Viehwagen geladen. Vie nun folgende, 36 Stunden währende Fahrt nach der Bretagne gehört zu dem Furchtbarsten, was wir erlebt haben. Vie ungereinigten und schadhaften Vieh­ wagen, in denen wir wie die Heringe zusammengedrängt waren, durften wir während der ganzen Fahrt nicht verlassen; die öedürfniste mußten in einer Ecke des wagens oder durch die Türe hindurch verrichtet werden. Durch die Luken der Wagen, aus denen die Rühe herauszuschauen pflegen, baten wir flehentlich auf fast allen Stationen die beschäftigungslos herumstehenden Damen vom Roten Rreuz um einen Schluck Wasser; wir hielten Flaschen zum wagen heraus und riefen „de l’eau, de l’ean“! Über keine dieser Damen rührte auch nur einen Finger für uns Unglückliche, ein verächtliches Achselzucken war ihre Antwort.*) Auf einer Station überlisteten wir sie allerdings. Einer von uns rief ihnen dort zu: „refugies Beiges!“ Sofort kam die ganze Vamengesellschaft mit warmem Kaffee, Tee, Brot u. a. und verabreichte mit liebens­ würdigem Lächeln jedem von uns, was er wollte, plötzlich *) Sergi. Nr. 2 S. 18, Nr. 4 S. 29, Nr. 10 S. 67. Ähnliches in „Schicksale einer Verschleppten in Frankreich", Straßburg 1915, S. 20 und bei Fanny Hoeßl, Hundert Tage Gefangene in Frankreich, München u. Leipzig 1915, S. 17.

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Kerlots.

erschien jedoch der Bahnhofsvorsteher; er rief den Damen bloß zu: „Ce sont des boches“, als diese uns die Becher aus der Hand rissen und fortliefen, als wenn wir die Pest hätten. Lin anderes Beispiel weiblicher Gefühlsroheit erlebten wir an einem Bahnhof der Bretagne, hier drängten sich an die Züge Damen mit Infanterie- und Kavalleriehelmen ge­ fallener deutscher Soldaten in den Händen, die sie den Reisen­ den umgekehrt hinhielten mit der Bitte um eine Labe für französische verwundete. Ruch zu uns kamen sie, erfuhren aber die gebührende deutliche Zurückweisung. Einzelne von den mit uns transportierten, in Frankreich festgehaltenen Deutschen, die sich nicht entblödeten, die Trikolore im Knopf­ loch zu tragen und deswegen selbst von jedem anständig denkenden Franzosen hätten verachtet werden müssen, warfen allerdings Leid in die Helme ihrer verbluteten deutschen Brüder! während der zwei Nächte, die wir im Viehwagen zu­ brachten, herrschte darin vollkommene Dunkelheit, auch die kleinen Fensterluken schloß man ab; durch den Fußboden, der große Spalten aufwies, blies der kalte Nachtwind unbarm­ herzig herein; keiner wußte, wohin die endlose Fahrt gehe. Nlle waren am Ende ihrer Kräfte, als wir am Samstag, den 26. September, morgens 9 Uhr, auf der Station hennebont in der Bretagne anlangten, wo wir endlich die Viehwagen verlassen durften. von der Station aus mußten wir etwa eine Stunde gehen, und kamen gegen 10UHr in dem Konzentrationslager Kerlots an, einem von hohen Mauern umgebenen, früheren Kloster, hier fanden wir bereits 800 Deutsche und Österreicher ein­ gepfercht vor. Da waren Leute jeden Standes und jeden Nlters, Kellner, Friseure, Nkrobaten, Straßendirnen und Kokotten großen Stils, Polacken in Schafspelzen, ein aktiver öster­ reichischer Minister, Barone, Großkaufleute mit ihren Frauen und Töchtern, die der Krieg in Vichy oder Trouville überrascht hatte, Kinder jeglichen Nlters, kurz und gut, ein unglaublich buntes Bild in Kleidung und Nussehen stark herunter­ gekommener, unglücklicher Menschen, die der Krieg hier zu-

13 sammengeworfen hatte. Such hier war für solche Menschen­ massen nichts vorbereitet, alles rannte durcheinander, keiner wußte wohin und woher. Ktnöer, die ihre Mütter verloren hatten, schrien; der eine Beamte befahl dies, der andere das Gegenteil, die Bewachungsmannschaften gaben wieder andere Befehle, ein heilloses Durcheinander! Schließlich brachte man uns 300 verschleppte im IV. Stock des Gebäudes, oben auf dem Speicher unter, wir mußten Stroh herbeischleifen, um uns auf dem Speicherboden eine notdürftige Lagerstätte herzurichten. Jn dem entsetzlichen Strohstaub aus dem Speicher war es für die vielen Leute fast eine Unmöglichkeit zu atmen, geschweige denn zu schlafen. Da wir nach der langen Fahrt ein noch größeres Bedürfnis nach körperlicher Reinigung als nach Speise und Trank empfanden, begaben wir uns in dem großen Gebäude auf die Suche nach einer Waschgelegenheit. Eine solche gab's für die mehr als tausend Leute anscheinend nicht. Schließlich fanden wir im Hof ein von allen Seiten dicht belagertes, handgroßes Erdloch, an dem sich als einzigster Waschgelegenheit Männer, Frauen und Rinder zu reinigen versuchten. Nachträglich entdeckten wir noch einen Regen­ tümpel, an dem sich waschen konnte, wer den Ekel vor dem vreckwasser überwand. Brunnen oder Wasserleitung gab's im ganzen Snwesen nicht. Vie Hafen, in denen mittags und abends die Suppen für die verschiedenen Sektionen geholt wurden, dienten morgens als Waschgeschirre und Fußbade­ wannen. In dem ganzen Gebäude befand sich für die 1000 In­ ternierten keine einzige Badewanne und kein einziger La­ zarettraum. Vie Rbortverhältnisse in Rerlois spotteten jeder Beschreibung. Im Haus waren einige Rborte vorhanden, die den Frauen und Rindern vorbehalten waren, aber für diese nicht ausreichten. Für die Männer waren hinter dem Haus, unmittelbar an der Straße und für jeden vorübergehenden sichtbar, einen halben Meter tiefe Gräben ausgeworfen, bei denen ein Wachtposten mit aufgepflanztem Seitengewehr stand, der aufzupassen hatte, daß jeder sich dicht neben den anderen setzte. Rach 2 Tagen bereits war das ganze Gelände in einem solchen Zustand, daß man keinen Fuß setzen konnte, ohne sich

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Carnac.

in der ekelhaftesten Weise zu beschmutzen. Morgens gab es, wie überall während unserer Gefangenschaft, kein Frühstück, mittags 12 Uhr erhielten wir eine dünne Speckbrühe mit allerdings ausreichend Brot, abends 6 Uhr einen Kartoffelbrei mit einem Stückchen Speck, das jedoch meistens ungenügend geräuchert war und übel roch, wein und Gbst waren käuflich, Zeitungen strengstens verboten. Llm Übend unseres Ankunfts­ tages besuchte uns auf dem Speicher der Präfekt von Vannes. Dieser redete jeden von uns in einem nicht gerade höflichen Tone an und erkundigte sich nach Hamen, Stand, Geburtsort u. a. Unsere Unterbringung auf dem Stroh im Speicher er­ schien ihm offenbar als ungehörig; denn er gab Weisung, datz 18 von uns, darunter auch ich, vom nächsten Tag ab in einem Zimmer untergebracht würden, hier lagen wir dann zu 18 wann in zwei Reihen in einem engen Raum aus Stroh tatsächlich nicht anders wie die Glsardinen in einer Büchse! Der österreichische Minister Graf p., der bei Kriegsausbruch in Vichy zur Kur weilte, wurde im Konzentrationslager Kerlois gerade wie wir auf Stroh geworfen und mußte wie wir seine Specksuppen holen; später gestattete man ihm und noch 50 anderen Personen, auf eigene Kosten in einem sogenannten Hoteldepot in Tarnac zu leben. Zum Spaziergang stand für die tausend Menschen nur der vor dem Gebäude liegende Hofraum zur Verfügung; der hinter dem Gebäude gelegene ehemalige Klosterpark war durch Wachen abgesperrt.*) *) Diese Schilderung findet ihre Bestätigung durch den S. 3 *) erwähnten Bericht des 78jährigen Beamten in Straßb. Post, 1915, Nr. 55,57 cs. 183. — In der Frankfurter Zeitung, 6. Dezember 1914, Erstes Morgenblatt (Leiden Zivilgefangener in Frankreich) spricht sich ein aus einem französischen Landstädtchen nach Kerlois (Ankunft 24. September) verbrachter Deutscher folgendermaßen aus: „Das Essen war im allgemeinen miserabel. Um 11 Uhr etwa V» Liter dünne Bouillon und 30 —50 Gramm Rind- oder Schweinefleisch, abends 5 Uhr ein Ragout von halboerfaulten Kartoffeln und 30— 50 Gramm Fleisch. Das Entsetzlichste wären die „Trtpes", Kutteln und ungereinigte Gedärme, die mit gelben Rüben zusammengekocht waren und das Haus ver­ pesteten." — In Straßburger Post, 12. Juni 1916, Nr. 419 findet sich ein Abdmck der Schilderung eines 8 Monate In französischer Gefangenschaft

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Nach Ztägigem Aufenthalt in Kerkns wurden im Oktober 1914 etwa 200 Deutsche, darunter viele aus dem Elsatz ver­ schleppte Beamte, auf die Insel Ile de Groix deportiert. In Lorient wurden sie aus einen alten Dampfer verladen. Ile de Groix ist eine öde, kleine Insel im atlantischen Ozean, eine Stunde Seefahrt von Lorient; kein Saum und kein Strauch wächst dort. Auf der Nord- und Südspitze befinden sich die alten Joris Grognon und Suroille. Bald berichteten unsere deportierten Landsleute von ihrem Aufenthalt auf der Insel. In den Joris lagen sie in kalten, dunklen Kellerräumen, in denen man nicht einmal tagsüber lesen konnte, aus faulem Stroh. Kn den wänden rieselte das Wasser herunter, so datz die Ärmsten morgens beim Aufwachen häufig im Wasser lagen, wochenlang mutzten sie hier mit einem Typhuskranken zu­ sammen auf dem Stroh liegen; erst 14 Tage nach dessen end­ lichem Abtransport wurde der Schlafraum durch Spritzen von etwas Lysol oberflächlich desinfiziert. Tagsüber waren sie in einem kleinen Hof, der von allen Seiten mit hohen Mauern umgeben war, eingesperrt. Die Kost bestand auch hier ausschlietzlich in zweimal Suppe am Tag; monatelang bekamen sie die gleiche Brühe, ohne jede Abwechslung. Für jede Kleinig­ keit verhängte, der Lagerkommandant strenge Arreststrafen. Als ein elsässischer Oberlehrer, der, wie alle Tlsässer, einzeln ins Bureau des Kommandanten gerufen und hier zum Eintritt in die Fremdenlegion aufgefordert wurde, diese Zumutung entrüstet zurückwies, wurde er mit 8 Tagen Arrest bestraft und sofort abgeführt; ein Postbeamter, in dessen Besitz man bei einer Durchsuchung ein Tagebuch gefunden hatte, erhielt dafür 10 Tage Arrest bei Wasser und Brot. Jeden Tag wurden gehaltenen Deutschen aus dem „Berliner Tageblatt". Dieser fuhr eben­ falls von Moulins nach Hennebont, „zwei Tage und zwei Nächte, während welcher Fahrt wir nichts zu essen noch zu trinken bekamen. Das Verlassen des Wagens war untersagt, und die Dahnrestaurationen weigerten sich, irgend etwas den „Boches" zu verkaufen". Nach Ankunft in Hennebont halbstündiger Marsch nach dem Konzentrationslager von Kerlois. „So oft ich an den Auf­ enthalt in Kerlois denke, da steigt mir das Bild der trüben Tage, der qual­ vollen Nächte auf, welche ich in den dumpfen Zellen, in den morschen Mauern dieses alten Klosters, wie ein Sträfling behandelt, verlebt habe". —

Ile de Groix.

16 die Gefangenen zu schweren körperlichen Arbeiten angehalten; sie mutzten Kohlenschiffe entladen, schwere Illehlsäcke stunden­ weit einen steilen Berg hinauf ins andere Fort schleppen, Steine für den Wegebau tragen u. a. Ein Entgelt erhielten sie hierfür nicht. AIs sich die Internierten unter Hinweis darauf, datz sie als Beamte keine körperliche Arbeit gewohnt seien, eines Tages weigerten, die zentnerschweren Mehlsäcke zu schleppen, liefe der Lagerkommandant, ein Deutschenhasser ersten Ranges, den Tambour die Trommel schlagen, die ganze Wachmannschaft antreten, |öie Gewehre laden und auf die deutschen Gefangenen anlegen. Er forderte diese dann auf, sofort die Arbeit aufzunehmen, widrigenfalls er sie wegen Meuterei auf der Stelle erschießen lasse. Vie wehrlosen Leute, die nach ihren bisherigen Erfahrungen dem Rommandanten die Ausführung seiner Androhung ohne weiteres zutrauen mutzten, arbeiteten daraufhin weiter. Eine über diese Vor­ kommnisse an den Präfekten gerichtete, ausführliche Be­ schwerde blieb nicht nur ohne Erfolg, sondern hatte noch weitere Verschlechterungen im Gefolge.*) Meine weiteren Erlebnisse in Frankreich zu erzählen, bleibe einer anderen Gelegenheit vorbehalten. Das hier Ge­ schilderte reicht wohl aus, zu zeigen, wie die Franzosen, die das Wort humanite ständig im Munde führen, die schuldlosen deutschen Geiseln behandeln. Nach und nach hat sich, hauptsächlich dank dem eigenen (vrganisationsgeist der verschleppten, wohl einiges in den Ge­ fangenenlagern gebessert, wesentliche Verbesserungen sind aber, soweit mir bekannt, wohl nur selten eingeführt wor­ den.**) Bei dem blinden und kleinlichen yatz gegen alles Deutsche fehlt es den Lagerkommandanten auch heute wie bei Beginn des Krieges zumeist an gutem willen, für das körper­ liche, geistige und geistliche Wohl der Geiseln das zu tun, was richtig verstandene Menschlichkeit auch dem Feinde gegenüber verlangt. *) Sergi, über Ile de Groix Nr. 2. **) 6. hierzu Nr. 7, S. 59 f., Nr. 10, S. 68 f., Nr. 14, S. 79 und ander­ seits Nr. 13, Anhang.

2. Nach der Insel St. Groix (Bretagne). Bericht eines Försters im Ober-Elsaß. (E.) Nach seiner am 21. August 1914 erfolgten Festnahme wird der Förster nach Mülhausen, dann nach Darnach gebracht und hier

mit vielen Leidensgefährten bis zum 23. August bei schlechter Nahrung gefangen gehalten. Am Abend des 23. geht's nach Niedermorsch­ weiler, am 24. morgens wieder nach Darnach zurück. Am 24. August, abends gegen 8% Uhr, Abmarsch von Darnach nach La Rioidre. Hier Ankunft 7 Uhr morgens.

(Es war ein schrecklicher Marsch, Verweigerung jeder Nahrung und jeden Tropfen Wassers. Nm Morgen haben wir Gras abgerupft, um den Tau davon abzulecken, vor uns den vagagewagen, neben uns Gendarmerie, hinter uns Bestien von berittenen Gendarmen, die aus reiner Guällust uns die Hufe der Pferde auf den Absätzen und Waden herumtreten ließen, so daß das Blut an den Füßen herunterlief. — von La Rioiere Kamen wir über La Thapelle nach Bel- Belfort, fort, zwischen den beiden letzten (Drten mit der Bahn trans­ portiert und mit Ketten gefesselt. Jn Belfort im Zuchthause wurden wir, 91 Personen, 36 Stunden lang in einem Raume von etwa 35 (Quadratmeter Bodenfläche eingesperrt. Die Nahrung war ungenießbar. (Ein offener Kübel stand in der Ecke als Abort. Der Guartierchef des Zuchthauses hat ver­ schiedene Personen geschlagen. *) von Belfort wurden wir am 28. August 1914 frühmorgens per Bahn nach Befangen Besankon. transportiert, hier Kamen wir gegen Mittag an und wurden dann, von Militär begleitet, durch die Stadt nach einer Zita­ delle gebracht, währenddem wir durch die Stadt gingen, wurden wir mit Steinen, Roßäpfeln und Kot beworfen, an-

♦) Sergi. Nr. 7, S. 49 u. 51.

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gespien und beschimpft. — ßm 30. ßugust, nachmittags 3 Uhr, wurden wir wieder zum Bahnhof transportiert, hier zu 40 Mann in einen Viehwagen gesteckt. So ließ man uns bis um 10^ Uhr abends in dem Wagen am Bahnhof stehen. Dann fuhren wir bis zum anderen Tag mittags, wo wir in Moulins. Moulins ankamen, hier wurden wir in einer Turnhalle untergebracht, wir erhielten außer Brot mittags und abends eine Wassersuppe mit sehr wenig Gemüse. Es wurden z.B. für 139 Personen pro Tag 7 Kilogramm Kopffleisch von alten Kühen geliefert.*') hier hatten wir Gelegenheit, uns durch einen Kommissionär aus der Stadt Wäsche und Lebensmittel zu hohen preisen besorgen zu lassen, ßußerdem mußten wir dem Burschen, der die Einkäufe besorgte, pro Tag 3 Frs. be­ zahlen. ßm 24. September abends wurden wir zu 40 Personen in einen Viehwagen geladen und gelangten nach 36stündiger Fahrt in hennebont (Bretagne) an, wo wir auf dem Speicher eines früheren Klosters untergebracht waren, während dieser langen Fahrt ist besonders das Benehmen der R o t e - Kreuz­ tz a m e n zu erwähnen, welche es an den Bahnhöfen ablehnten, den „Boches" auch nur einen Tropfen Wasser zu geben.**) Ile ßm 2. Oktober 1914 kam ich auf die Insel Groix de Groix. jn die Nasematten des Forts Grognon. hier war das

Lager schlecht, eine Hand hoch vermodertes Stroh auf Zementboden, keine Decken, dumpfe, dunkle Räume von 140 Kubikmeter Inhalt für 44 Personen. Vie Räume waren gewölbt, 15 Meter lang, 5 Meter breit, mittlere höhe cd. 2,20 Meter, wir hatten pro Person ca. 60 Zentimeter breiten Platz zum Liegen. Die Räume konnten trotz Heizvorrichtung nicht geheizt werden, da wir sonst durch den Rauch er­ stickt wären. Vie Nahrung bestand in gutem Brot, morgens einem Glas Kaffee, mittags und abends schlechter Suppe. Da eine Kantine vorhanden war, konnte man Nahrungsmittel kaufen. Im ßnfang — unter dem ßdjutanten van Tuppern *) Dergl. Nr. 1, S.s f. **) Vergl. Nr. 1, S. 11 und die dort angeführten Stellen.

19 — wurden wir morgens und nachmittags 2 Stunden spazieren geführt, später mutzten wir — nach Wechsel des vepotchefs — vom Meere Steine auf die Wege tragen bis zu 3 Kilometer weit. Huf vierrädrigen Karren mutzten wir Holz und Kohlen auf das steil gelegene Fort schleppen, auch Stroh für die dort untergebrachten französischen Soldaten. Der Hrzt und das sehr primitiv eingerichtete Spital — in einem Schulsaale ein paar Betten — waren 3 Kilometer weit. Der Hrzt kam nicht ins Fort, wer nicht zu ihm gehen konnte, mutzte sich mit einem wagen hin- und zurückfahren lassen. Kostenpunkt 8 Francs. hier wurde ich krank und kam dann auf mein Gesuch hin in das Hotel-Depot Larnac-Plage (bei Kerlois), wo ich pro Tag 7 Francs bezahlen mutzte; autzerdem habe ich Hrzt, Hpotheke, Hospital, die Hutofahrten nach und von diesem, so­ wie zuletzt Fahrt und Gepäck bis Genf bezahlen müssen. Ich wurde wegen schweren Leber- und Nierenleidens entlassen und bin ein gebrochener Mann für mein Leben. *) *) Zu dieser Schilderung und dem einschlägigen Abschnitt im Berichte des Richters (Rr.l) vergleiche man eine Erklärung des Präfekten vonMor» bihan, zu dessen Departement die Insel Groix, wie auch CHKteau Kerlois, gehört. Er hatte sie der durch Bermittlung der amerikanischen Botschaft dem „Mülhauser Tageblatt" zugegangenen Bittschrift eines auf Fort Survtile (Sie de Groix) gefangen gehaltenen Mülhauser Bürgers vom 14. November 1914 beigefügt, und sie ist aus dem Mülhauser Blatte auch von der „Straß­ burger Post" (22. Dezember 1914, Nr. 1201) übernommen worden:

La Pr6fecture de Morbihan fait savoir que les otages captures dans la Haute Alsace sont dans des chambres chauff6es, qu’ilg ont reyu chacun une Couverture, et que trente huit d’entre eux ötant sans ressources ont obtenu des v6tements ou du linge. Sn Kerlois befand sich nach Aussage dortiger Gefangener in keinem der ihnen zur Beifügung stehenden Räume eine Heizvorrichtung, und so wird es noch heute sein. Auf Fort Grognon erhielten, wie mir der Berfasser obigen Berichtes auf Anfrage mitteilte, die Gefangenen Decken nur gegen Bezahlung.

EarnacPlage.

3. Meine Erlebnisse in französischer Gefangenschaft. Don einem Oberpostschaffner aus Thann. (E.)

Nachdem die Franzosen am 15. August 1914 (Mariä Himmelfahrt) zum zweiten Male nach Thann kamen, wurde mittags durch zwei Alpenjäger in Begleitung des Ge­ meindedieners bekannt gemacht, datz sämtliche deutsche und österreichische Beamte und (vberbeamte um 4 Uhr sich auf dem Bürgermeisteramt melden sollten und im Falle des Nicht­ erscheinens durch das Kriegsgericht bestraft würden. Nach 4 Uhr begab ich mich dorthin, im guten Glauben, eine Viertel­ stunde später nach Hause gehen zu können. Ich wurde aber bald eines anderen belehrt. Dort angekommen, wurde ich durch einen französischen Offizier, der deutsch sprach, über meine Personalien befragt und hiermit in ein Nebenzimmer verwiesen. AIs ich mich hier recht umgesehen hatte, fing ich an zu begreifen, was aus uns werden sollte. Ich sah meine sämtlichen Kollegen und Herren Vorgesetzten, darunter auch Herrn Postdirektor Sch. Alles schwieg und war trüber Stim­ mung. Gegen 6 Uhr wurden wir sämtlich aus den Rathausplatz geführt, wo uns gleich eine starke Bewachung mit aufgepflanz­ ten Bajonetten umringte, von hier aus ging's bis vor die Stadt, wo wir mit bereitstehenden Automobilen weiter­ befördert wurden. Im letzten Augenblick vor der Abfahrt überbrachte mir meine Tochter noch einen alten Über­ zieher, der mir die ganze Gefangenschaft über als Bett­ decke, Kopfkissen und Schützer gegen Kälte und Regen bei der Arbeit gedient hat. In rasendem Tempo ging es dann über Rodern, Gewenheim, Sentheim, Ulasmünster bis Bel­ fort. In Sentheim wurden weitere Herren eingeladen, dar-

21 unter Herr Bürgermeister B. Nachts 11 % Uhr kamen wir in Belfort an und wurden in Forts untergebracht. Belfort. vorerst wurden unsere Personalien nochmals notiert; ein jeder mutzte seine Wertsachen, Ehering, Uhr, bares Geld usw., abgeben, auch aus Messer und dergleichen Zachen wurden wir untersucht, hierauf wurde uns unser Nachtlager angewiesen, d. h., wir wurden einfach 28 Personen in eine ca. 12 bis 15 Duadratmeter große Zelle geworfen und die Tür hinter uns zugeklappt. Zum Lagern war kurzes Stroh auf den Boden geworfen, das dem Nussehen nach schon längere Seit darin gelegen haben mag. hier habe ich auch die ersten Läuse erhalten. Um die Not zu verrichten, stand in unserer Zelle ein durchgesägtes Fatz. Den anderen Morgen zwischen 9 und 10 Uhr wurde uns geöffnet und wir kamen in den Hof, wo wir Waschgelegenheit hatten, jedoch ohne Seife und Handtuch, hierauf wurden wir in eine grötzere Zelle geführt, wo wir dann alle, ca. 85 Personen, bis gegen 1 Uhr zusammen waren. Dann gab's endlich was zu essen. (Es bestand in dickem Reis, der angebrannt war, und einer winzigen Portion Fleisch, das Ganze in alten rostigen Lamellen serviert. (Ein jeder besah sich die Sachen zuerst, und mit nicht allzu großem Nppetit, aber durch den hunger getrieben, begannen wir die Mahlzeit; als Gabel, Messer und Löffel dienten die Finger. Nbends gab's wieder Reis, und das Nachtlager war das gleiche. Tags darauf, gegen 9 Uhr, wurden wir in den Korridor gelassen, wir waren nun alle der Nnsicht, freigelassen zu werden, aber unsere Meinung verwandelte sich bald ins Gegenteil. (Es nahmen uns Gendarmen in Empfang und zu dreien zusammengefesselt wurden wir durch die Stadt zum Bahnhof geführt, hier eingeladen, ging's per Bahn gefesselt bis Befangen, wo wir ungefähr mittags Z Uhr ankamen. Besanxon. Auf die Reise gab's ein Stück Brot mit. Jn Befangen an­ gekommen, ging's zur Stadt. Kaum waren wir ca. 200 Meter vom Bahnhof entfernt, ging ein pfeifen los, das eine unge­ heure Menschenmenge zusammenries, die uns mit Nusdrücken aller Nrt: Sales Prussiens, Cochons, Crapules usw. und

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Stockhieben. Fußtritten, Steinwürfen überhäufte. Die Menge entfesselte sich so stark, datz uns das führende Militär in einen Militärdepot unterbrachte. Hier mußten wir warten, damit das Volk sich verlaufen solle, bis gegen 10 Uhr abends, um dann weiter zur Zitadelle transportiert zu werden. Anstatt daß das Volk sich verlaufen hatte, war es noch weit größer angewachsen, so daß man uns in Gefängniswagen verbringen mußte. Um nun hier überhaupt in den Vagen einsteigen zu können, mußten links und rechts drei Reihen Soldaten aus­ gestellt werden. Das wildentbrannte Volk stieg nun aber sogar auf die Räder dieser Gefängniswagen und stach mit großen Messern durch die kleinen Öffnungen hinein; um ein haar wären dem Wachtmeister St. aus Thann die Rügen aus­ gestochen worden. Ruf der Zitadelle angekommen, wurden wir wieder einer Untersuchung auf Geld und Waffen unterzogen. Es ist hier zu bemerken, daß uns die Wertsachen bei der Ab­ reise in Belfott zurückgegeben, in Befangen wieder abge­ nommen und uns später in Tlermont-Ferrand wieder zurück­ erstattet wurden, wobei mir 20 Mark in Gold abhanden ge­ kommen sind, sowie auch anderen größere und kleinere Summen. Hierauf wurden wir abteilungsweise zu 12—18 Personen in Zellen untergebracht. Ähnlich wie in Belfort war auch hier ein halbes Faß eingestellt, um die Rot zu verrichten. Die Rächt verlief ohne Zwischenfälle. Morgens gab's gegen 10 Uhr Erbsen, ein kleines Stück Fleisch und ein viertel Brot, nachmittags dasselbe, hier verblieben wir Z Tage, die sich alle drei glichen; am 4. Tag, abends 10 Uhr, begann der Weitertransport. wir wurden zum Bahnhof geführt unter Begleitung von Militär. Kaum waren wir einige Meter gegangen, ging dos pfeifen wieder los, das wieder eine ungeheure Menschenmasse zusammenrief. Das Militär hatte große Mühe, uns zu schützen gegen die Wut der Menge, die uns mit allerlei Schand­ ausdrücken und Stockhieben liebkoste. Kurz vor dem Bahn­ hof steigerte sich das Volk so stark, datz das Militär nicht mehr standhalten konnte und es, wie wir, über den Haufen gerannt wurde. Zwei Offiziere zogen blank und hieben in das Vock

23 hinein, dann gab's Luft. Gegen 11 Uhr wurden wir verladen. In ununterbrochener Fahrt, in Viehwagen und gefesselt, ging es bis den anderen Morgen um 10 Uhr, wo wir in parayle-Monial ankamen, hier angekommen, von den Gen­ darmen in Empfang genommen, ging's gegenüber dem Bahn­ hof in einen Hof, in dessen Hintergrund sich ein Pferdestall be­ fand und der nach der Hauptstraße durch eine niedere Mauer geschlossen war. Nachdem der Kommandant erschienen war, ließ er uns sämtlich in eine Reihe stellen. Mir mußten Schuhe und Strümpfe auf seinen Befehl ausziehen und vor uns hinstellen. Ruf beiden Flügeln der Reihe mußte auf Kommando je ein Mann 5 Schritte vortreten, worauf wir durch die Gendarmen sozusagen degradiert wurden. Oie Degradation ging so vor sich: (Ein Gendarm schnitt uns mit einem Messer den Kragen vorne durch, riß Weste und Hemd auf, schnitt sämtliche Knöpfe an Weste und Hose ab, so daß uns die Hosen sielen und wir im Hemd dastanden. Lilles Llbgerissene und Zerschnittene wurde auf einen Haufen geworfen und verbrannt, hierauf ließ der Kommandant die hier wachthabenden 10 Mann Soldaten ihre Gewehre laden und auf uns anlegen unter dem Jubel und Bravorufen der zuschauenden Menge, wir glaubten alle am Ende unserer Tage zu sein, aber glücklicherweise blieb's bei diesem Llnlegen. Lilles war aber in Todesangst versetzt. Vie Schuhe mußten wir nun in einen Schuppen werfen und wurden in dem. Stalle untergebracht, der nicht ausgemistet war.*) Da es an jenem Tage sehr heiß war, hatten wir Durst und verlangten Wasser. Der Posten, nachdem er sich zuerst bei seinen Vorgesetzten befragt hatte, wies uns nun an den im Stalle stehenden Kübel, der tags zuvor schon zum Rot­ verrichten benutzt wurde, wir mußten ihn reinigen und hiernach unser Trinkwasser holen. 3u Mittag gab's Büchsen­ fleisch und ein viertel Brot. In diesem Stalle verblieben wir zwei Tage. Der dritte Tag war Sonntag. Da mußten wir morgens den Stall reinigen und mittags 2% Uhr ging's weiter. Ms wir unsere Schuhe holen wollten, waren sie verschwunden. *) Von diesem Pferdestall wird auch Nr. 4, S. 29 erzählt, doch hat die Erzählerin die Fahrt zu anderer Zeit gemacht, als der Postschaffner.

Paray» le-Monial.

24

ClermontFerrand.

Puy-de-

Düme.

An Stelle der Schuhe lagen alte Schlappen da. Die Hälfte von uns ging barfuß, die Hose mit den Händen haltend, dem Bahnhof zu. *) hier wurden wir wieder in Viehwagen unter­ gebracht. Bevor wir wegfuhren, warfen die Zivilisten oben durch die Magenöffnungen hindurch brennendes Stroh hinein. Jetzt ging's in längerer Fahrt Tlermont-Ferrand zu. ^er angekommen, mußten wir mehrere Stunden warten, da­ mit das Volk in den Straßen sich verziehen sollte. Trotz der vorgerückten Stunde — es war nach Mitter­ nacht — war das sich hier Abspielende der Höhepunkt von allem, was wir bisher erlebten.**) Raum waren wir in der Stadt, ging das pfeifen auch hier los. Die Be­ völkerung, die sich ziemlich aus Grubenarbeitern zusammen­ setzte, drehte die Gaslaternen aus, pfiff, schrie, brüllte, ging mit Knüppeln und Messern auf uns, warf mit Steinen und beschimpfte uns mit den niedrigsten Schandausdrücken. Einer von uns bekam ein Stück Ghr abgeschlagen, alles hatte blutige Köpfe und Beine. Die Kleider rissen sie uns vom Leibe, die begleitenden Gendarmen waren völlig machtlos der gänzlich entfesselten Masse gegenüber. Um uns direkt vor Totschlägen zu bewahren und da wir nicht mehr weiter konnten, kamen wir in ein Machtlokal; gefesselt lagen wir hier bis morgens 7 Uhr. Ein höherer (bffizier ließ uns die Fesseln lösen, und mit einer stärkeren Bewachung wurden wir zum Gefängnis geführt. 3u 15—20 Mann kamen wir da in eine Zelle, hier verblieben wir 8 Tage. Nun kamen wir auf den Berg puy-de-D6me, ca. 1100 Meter hoch, in Baracken, 80—100 Mann kamen in eine Baracke. Zum

Lagern gab's Stroh. Die Kost war schlecht. Mir bekamen zweimal im Tag Suppe, die einfach aus Master mit Brot und ab und zu einem Kartoffelschnitz bestand, hier verblieben wir 8 Tage. Auf Magen aller Art ging's auf abgelegenen wegen nach Tlermont-Ferrand zum Bahnhof und dann nach unserem *) Vergl. Anhang und Nr. 4. **) Die Zeitangabe (die Nacht vom Sonntag, 23. August auf Montag, 24. August) ist hier wichtig; vergl. Nr. 5, S. 37, Anm. *) sowie Nr. 4, S. 30.

25 endgültigen Aufenthaltsort Issoire. Gleich bei der flnKunst um 9 Uhr machten wir uns auf einen ähnlichen Emp­ fang gefaßt, wie in den bereits gewesenen Grten, der auch nicht ausblieb. Nur war hier das Volk etwas weniger auf­ gebracht. wir wurden in eine Kaserne geführt, die noch nicht fertig gebaut war, und in einem Kanonenschuppen unter­ gebracht. Vieser noch nicht fertig gebaute Schuppen war die ganze Zeit über unsere Wohnstätte.*) Ze 2 wann bekamen 1 Lund Stroh zum Lagern, hier ist ein Fall erwähnenswert. wo wir das Stroh hinlegen wollten, war es dem wachthabenden Marochal de logis (— Chef) nicht recht. Er ließ uns % Stunde lang das Stroh von einem Ende des Schuppens zum anderen bringen; immer wo es ausgebreitet war, war es nicht recht, mußte wieder zusammengelesen und an das entgegengesetzte Ende gebracht werden. Das Ganze zu seinem Vergnügen. Es vergingen nun etwa 8 Tage ohne Zwischenfall. Vie «ost war diese 8 Tage verhältnismäßig gut. Dann kam ein neuer Transport Gefangener, ca. 150 Mann, an; 14 Tage später wieder 180 wann. Nun fing eine regelmäßige Arbeit an. wir mußten 6 Stunden den Tag arbeiten, morgens 3, nachmittags 3. Bessersituierte Leute, die nicht arbeiten konnten oder wollten, mußten Ersatz stellen, gegen Zahlung von 1 Fr. pro Tag. wir mußten Straßen anlegen, Steine Klopfen, Dächer umdecken, Wasserleitungsgräben ausheben uff. So ging es Tag für Tag und Monat für Monat. 4 Monate erhielten wir keine Korrespondenz, trotzdem ich z.B. 10 Briefe an verschiedene Adressen abgesandt hatte. Da ich keine Ant­ wort erhielt, vermutete ich, daß sie überhaupt nicht abgesanüt wurden. Bezüglich der Kost diese Zeit über ist zu bemerken, daß es zweimal am Tag Suppe gab und 2—3mal wöchentlich Pferdefleisch dazu. An der Wasserpumpe, wo bisher die Maurer das Wasser zum Sauen holten, mußten wir unser Wasser holen, schmieriges Erdwasser, wir konnten sogar ein­ mal feststellen, daß in das Wasserloch die Not verrichtet war. Durch dieses Wasser wurde ich im September krank, ein

*) über den Aufenthalt in Issoire vergl. Nr. 4 und 6.

Issoire.

26

Leidensgenosse starb daran. Hn den Folgen der Auflegungen und Entbehrungen verloren wir im ganzen 12 unserer Ge­ fährten durch Tod. *)**) Besser erging es uns, als wir im De­ zember endlich einmal Briefe und vor allem Geld erhielten. Da konnten wir uns Eßwaren kaufen; die Soldaten betrogen uns aber sehr beim Einkauf, sie nahmen immer die Hälfte des Preises für sich. AIs Abort dienten uns selbstgegrabene Gräben, die jedesmal 3 Reihen hintereinander für 1 Woche gegraben wurden, und zwar jedesmal Sonntags. Ein ko­ misches Bild war es mitunter, als 10, 15 bis 20 wann ihre Not zu gleicher Zeit in den verschiedenen Reihen verrichteten. Zwei höhere Herren genierten sich anfänglich und verrichteten ihre Not an einer wauer. Für diese Tat wurde ihnen eine Strafe von 8 Tagen strengem Arrest erteilt. Diese fielen gerade in die Weihnachtszeit. Nach Verbüßung der Strafe mutzte der eine die Straße kehren, der andere neue Gräben ausheben, trotzdem sich beide vorher Ersatzarbeiter bestellt hatten. Vie Schlafverhältnisse waren ziemlich gut, änderten sich aber bei eintretender Kälte. Zn dem Schuppen war eine bissige Kälte und große Feuchtigkeit. Nur eine Decke pro Wann wurde uns zugeteilt, wir mußten mitunter nachts in der Halle herumlaufen, damit die Füße nicht erfroren. So ging's weiter bis Anfang Januar, wo wir in drei Klassen geteilt wurden, und zwar erste Klasse Norddeutsche, zweite Klasse Süddeutsche, dritte Klasse Elsässer. Nord- und Süddeutsche wurden wieder weiterbefördert, Elsässer freigelassen, mutzten sich aber täglich 7^ Uhr abends melden. Am 20. Februar wurde uns bekannt gemacht, daß die älteren Leute, die das 60. Lebensjahr überschritten hatten, freigelassen würden, auch die Frauen und Kinder. Vie Freude kann sich ein jeder oorstellen. Am 27. Februar 1915 wurde dieser Erlaß zur Tatsache und wir wurden entlassen.

*) Der Erzähler vermag diese 12 Gestorbenen mit Namen zu nennen;

auch Nr. 4, S. 32. **) Dem Vertrage gemäß das 55.

27 von Clermont-Ferrand aus, dem Sammelpunkt der Freigelassenen, ging's über Lyon nach Genf und von hier die ganze llacht durch, bis wir morgens 8 Uhr in Singen ankamen, wo man uns ein herzliches willkommen entgegen­ brachte. Immer wird mir das Erlebte in Erinnerung bleiben. *

Anhang.

*

*

Neben die Schilderung auf S. 23 fei hier ein Abschnitt aus

dem Brief gestellt, den ich von einer aus Frankreich heimgekehrten Frau er­ halten habe.

Sie hatte mit ihrem schon vor ihr, im August 1914, aus

dem Oberelsaß verschleppten Gatten längere Zeit in demselben Gefangenen­ lager geweilt und schreibt über dessen Erlebnisse auf dem Transport: Mein

Mann wurde sehr mißhandelt, also schrecklich, was

schrecklich heißt.

Ich

habe es aus einer Zeitung abgeschrieben, wie sie dem Volke mit­

geteilt haben, wie sie die deutschen Männer mißhandelt haben.

Wenn Sie,

geehrter Herr, daran hallen, so will ich es Ihnen auch zuschicken, weil es

noch Leute gibt, wo glauben, so etwas tun die Franzosen nicht.

Es ist

aber doch wahr. Ja, es gibt Leute, die uns immer sagen, die Deutschen sind Barbaren; ja aber was die Franzosen an unfern armen Männern taten, ist nicht genug zum sagen.

Leidensgenossen

Sie haben meinem Mann und seinen

die Hosenknöpfe und

Hosenttäger

losgeschnitten, und

so

mußten die armen Männer die Hosen mit einer Hand halten und die andere Hand mußten sie geben, und so wurden immer 4 Männer zusammen­ gefesselt und fortgeführt; das war dann von Belfort aus. Geschlafen haben sie meist auf Zementboden oder auf Dünger. Endlich kam er dann

nach N.

Genf.

4. Drangsale einer Elsässerin. Von ihr selbst geschildert. (E.)

flm nächsten Morgen um 5 Uhr wurden wir nach H.... gebracht, dort kamen wir in eine Kaserne. Die Soldaten und auch Offiziere beschimpften uns in der gemeinsten Weise, Boches, sales Prussiens usw. Dort waren wir, noch eine Frau aus