Lehrbuch Physik gymnasiale Oberstufe 3835533118, 9783835533110


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Lehrbuch Physik gymnasiale Oberstufe
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Denk­ und Arbeits­ weisen in der Physik Die Physik beschäftigt sich mit grundlegenden Erschei­ nungen und Gesetzen in unserer natürlichen Umwelt und ermöglicht die Erklärung und die Voraussage vieler Erscheinungen in Natur und Technik. Dabei werden Denk­ und Arbeitsweisen angewendet, zu denen charakteristische Erkenntniswege und Metho­ den gehören. Eine zentrale Rolle in der Physik nimmt neben der Theorie das Experiment ein.

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Denk­ und Arbeits weisen in der Physik

1.1

Begriffe und Größen in der Physik

1.1.1 Begriffe in der Physik Die Wissenschaft Physik hat das Ziel, in der Natur Zusammenhänge und Gesetze zu erkennen und mithilfe dieser Gesetze Erscheinungen zu er­ klären oder vorherzusagen. Objekte mit gemeinsamen und wesentlichen Eigenschaften werden dazu gedanklich zu einer Klasse oder Gruppe zu­ sammengefasst. Diese Gruppe von Objekten erhält in der Regel einen eigenen Namen. Die gedankliche Zuordnung einer Gruppe bzw. einer Klasse von Objekten zu einem Wort nennt man Begriff. Ein Begriff ist die gedankliche Widerspiegelung einer Klasse von Objekten (Körper, Stoffe, Vorgänge usw.) aufgrund ihrer wesent lichen und gemeinsamen Merkmale.

Die Definition eines Begriffs ist eine willkürliche Festlegung durch Menschen. Deshalb können Fachbegriffe in verschiedenen Naturwissenschaften auch unterschiedlich definiert werden. Manchmal hat sich im Laufe der Geschichte auch die Definition eines Begriffs geändert, wie das z. B. bei den Begriffen Kraft und Energie der Fall war.

Damit in den Naturwissenschaften auch alle unter einem Begriff dieselben Objekte mit wesentlichen und gemeinsamen Merkmalen verstehen, wer­ den Begriffe in den Naturwissenschaften definiert. Beim D efinieren wird ein Begriff durch die Festlegung wesentlicher, gemeinsamer Merkmale eindeutig bestimmt. Häufig werden dazu ein Oberbegriff und artbildende Merkmale angegeben. Manchmal legt man einfach fest, was unter einem Begriff zu verstehen ist, wie z. B. beim Begriff „Schwingung“. In einigen Fällen kann man einen Begriff definieren, indem man alle Objekte (Körper, Stoffe, Vorgänge) aufzählt, die zu diesem Begriff gehören. Dies ist z. B. beim Begriff „Strahlung“ der Fall. Eine Schwingung ist eine zeit­ lich periodische Änderung einer physikalischen Größe. Die Aus­ breitungsgeschwindigkeit einer Welle ist die Geschwindigkeit, mit der sich ein Schwingungszu­ stand im Raum ausbreitet. Strahlung umfasst elektromag­ netische Wellen von Radiostrah­ lung bis Gammastrahlung, aber auch von Atomkernen emittierte Teilchen, wie α­ und β­Strahlung. Außerdem werden Teilchen, die uns aus dem Weltraum errei­ chen, als Strahlung bezeichnet.

Wärmeabstrahlung der Erde

kosmische Strahlung

Sonnenstrahlung

Darüber hinaus gibt es Begriffe, die zwar in der Physik vielfach genutzt, aber nicht immer eindeutig definiert werden. Ein Beispiel dafür ist der Be­ griff Teilchen.

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Begriffe und Größen in der Physik

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Auch im Alltag benutzt man Begriffe, um sich zu verständigen. Alltags­ begriffe werden nicht exakt definiert, sondern auf der Grundlage von Erfahrungen im Umgang mit Objekten und Wörtern gebildet. Deshalb stimmen Alltagsbegriffe und naturwissenschaftliche Fachbegriffe häufig nicht bzw. nicht vollständig überein, obwohl dasselbe Wort verwendet wird. In der Alltagssprache wird häufig der Begriff „Kraft“ verwendet. So sagt man z. B.: „Müsli gibt Kraft“ oder „Ich habe keine Kraft mehr“. Ähnlich wird auch der Begriff „Energie“ oder die „Leistungsfähigkeit“ verwendet. Bei der alltagssprachlichen Verwendung des Begriffs „Kraft“ spielen häufig auch Aspekte der Begriffe „Energie“ und „Leistung“ eine Rolle. In der Physik ist die Kraft als vektorielle Wechselwirkungsgröße defi­ niert, durch die Bewegungsänderungen, Formänderungen oder beides gleichzeitig hervorgerufen werden. Im Alltag wird zwischen Begriffen oft nicht exakt unterschieden, obwohl sie verschiedene Phänomene beschreiben. In der Wissenschaft Physik kommt es dagegen auf eine klare Abgrenzung der Phänomene und damit der verwendeten Begriffe an. Fachbegriffe knüpfen oft an Alltagsbegriffe an, werden aber dann exakt definiert und schränken meist die Anwendbarkeit des Begriffs ein. Des­ halb muss man bei der Anwendung von Begriffen stets beachten, ob es sich um naturwissenschaftliche Fachbegriffe oder um Alltagsbegriffe handelt. In der Wissenschaft werden Begriffe teilweise unterschiedlich definiert. Manchmal wird ein Wort für verschiedene Begriffe benutzt.

In der Wissenschaft, so auch in der Physik, bedient man sich in der Regel der Fachsprache.

Eine Welle ist in der Physik eine zeitlich und räumlich periodische nderung einer physikalischen Größe. In der Technik versteht man dar­ Ä unter einen Teil einer Maschine, mit dessen Hilfe Kräfte bzw. Drehmo­ mente übertragen werden. Zum Teil werden auch für ein und denselben Begriff verschiedene Wörter genutzt. Die Dauer einer vollen Schwingung wird als Schwingungsdauer oder als Periodendauer bezeichnet.

Solche Wörter be­ zeichnet man auch als Synonyme.

Fachbegriffe werden benötigt, um in der Wissenschaft Physik Sachverhalte exakt und eindeutig zu beschreiben. Dabei geht es vor allem darum, – welche Eigenschaften oder Merkmale ein Körper, eine Erscheinung oder ein Vorgang hat, – welche zeitlichen Abfolgen vor sich gehen, – welche räumlichen Änderungen zu erkennen sind, – wie ein technisches Gerät aufgebaut ist, – wie ein Experiment durchgeführt wird.

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1.1.2 Größen in der Physik Einen Teil naturwissenschaftlicher Fachbegriffe bezeichnet man als physi­ kalische Größen. Dabei handelt es sich um Begriffe, die man quantitativ erfassen kann. Für die Größe Temperatur wur­ den im Laufe der Geschichte unter­ schiedliche Skalen eingeführt (z. B. die Celsiusskala, die Fahrenheitskala, die Kelvinskala), die auch heute noch genutzt werden.

Im Internationalen Einheitensystem, auch SI genannt, sind sieben Basis­ einheiten festge­ legt, aus denen die meisten anderen Einheiten abgeleitet werden können. 415 245

Bei zusammenge­ setzten Einheiten wird zwischen den Einheiten meist ein Malpunkt gesetzt, z. B. bei der Einheit Newtonmeter für die mechanische Arbeit: N · m Zulässig ist auch die Schreibweise Nm.

So kann beispielsweise die Temperatur unterschiedlich groß sein, weil Kör­ per unterschiedlich kalt oder warm sein können. Die Temperatur kann also unterschiedliche Werte haben, für die man eine Skala festlegen kann. Die Temperatur ist deshalb eine physikalische Größe. Solche Größen beschrei­ ben messbare Eigenschaften von Objekten. Eine physikalische Größe beschreibt die quantitativ erfassbare Eigen­ schaft einer Klasse von Objekten.

Wie jeder Begriff ist auch eine Größe durch ihre Bedeutung gekennzeich­ net. Die Bedeutung einer Größe gibt an, welche Eigenschaft bzw. welches Merkmal der Objekte beschrieben wird. Für ein konkretes Objekt kann der Ausprägungsgrad dieser Eigenschaft angegeben werden. Man nennt die­ sen Ausprägungsgrad auch Wert einer Größe. Das Volumen gibt an, wie viel Raum ein Körper einnimmt. Die Frequenz gibt an, wie viele Schwingungen je Sekunde ausgeführt werden. Um den Wert einer Größe anzugeben, muss eine Einheit festgelegt sein. Der Wert der Größe ist dann das Produkt aus Zahlenwert und Einheit, wo­ bei man den Malpunkt weglässt. 5 m3 bedeutet 5 · 1 m3. 1 MHz bedeutet 106 · 1 Hz. Für jede Größe ist ein Formelzeichen (manchmal auch mehrere) als Abkür­ zung festgelegt. Mithilfe von Formelzeichen kann man naturwissenschaft­ liche Gesetze in mathematischer Form formulieren und anwenden. Zur vollständigen Charakterisierung einer Größe gehörten darüber hinaus die Angabe eines Messgeräts oder die Beschreibung eines Messverfahrens zur Bestimmung des Werts der Größe oder die Angabe einer Gleichung zur Berechnung der Größe.

Bezeichnung der Größe

Bedeutung der Größe

Formel­ zeichen

Einheit

Messgerät

Messverfahren Berechnung

Beschleunigung

Die Beschleunigung gibt an, wie schnell sich die Geschwin­ digkeit eines Körpers ändert.

a

1 } m2  

Beschleu­ nigungs­ messer

∆v a = }     ∆t

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s

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Begriffe und Größen in der Physik

Man kann in der Physik Größen nach unterschiedlichen Gesichtspunkten einteilen. So kann man zwischen skalaren und vektoriellen Größen unter­ scheiden. Skalare (ungerichtete) Größen sind Größen, bei d enen die Ei­ genschaft bzw. das Merkmal nicht von der Richtung abhängig ist und nur durch einen Wert gekennzeichnet wird. Temperatur, Ladung, Masse, Volumen, Dichte, Wärme oder Wirkungs­ grad sind skalare Größen. Anderen Größen kann eine Richtung zugeordnet werden. Solche Größen nennt man vektorielle (gerichtete) Größen. Man kennzeichnet sie mit einem Pfeil über dem Formelzeichen und stellt sie grafisch als Pfeil dar. Wenn ein Maßstab vereinbart wurde, dann gibt die Länge des Pfeils den Betrag an. Die Pfeilspitze zeigt die Richtung an. Beispiele für vektorielle Größen sind die Geschwindigkeit v, die Be­ schleunigung a und die Kraft F. Bei der Addition von Größen muss man beachten, ob es sich um skalare oder vektorielle Größen handelt. Bei skalaren Größen kann man die Beträge der Größen addieren. Bei der Addition vektorieller Größen sind neben den Beträgen auch die Richtungen der einzelnen Größen zu beachten. Ein Schlitten wird von zwei Kindern mit den beiden Kräften F1 = 100 N und F2 = 100 N in unterschiedlicher Richtung gezogen. Die resultierende Kraft ergibt sich aus einem maßstäblichen Kräfte­ parallelogramm.

F2

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Einige Größen haben in der Natur einen bestimmten Wert. Man nennt sie Naturkonstanten. Beispiele dafür sind die Elementarladung oder die Gravita­ tionskonstante. Der Betrag eines Vektors ist nie nega­ tiv. Dagegen kann der Wert einer Reihe von skalaren Größen positiv oder negativ sein. Beispiele dafür sind die Temperatur und die Ladung. Das Vorzeichen wird mitunter auch genutzt, um die Richtung einer Bewegung oder einer Energieüber­ tragung zu kenn­ zeichnen.

FGesamt

F1

Eine besondere Art von Größen sind Erhaltungsgrößen, die in einem abge­ schlossenem physikalischen System konstant sind. Für Erhaltungs größen gelten Erhaltungssätze, mit deren Hilfe man Bilan­ zen aufstellen kann (b S. 99). Darüber hinaus gibt es Wechselwirkungs­ größen, die die Wechselwirkung zwischen Körpern bzw. Systemen be­ schreiben.

Erhaltungsgrößen sind die Energie, die elektrische Ladung, der Impuls und der Drehimpuls.

Die Werte einer Größe ergeben sich meist aus Messungen. Sie sind damit Näherungswerte. Deshalb gilt:

Gültige Ziffern sind die von links her erstmals von null ver­ schiedenen Ziffern. So hat z. B. s = 1,36 m drei gültige Ziffern, s = 0,42 m hat zwei gültige Ziffern, s = 12 m ebenfalls zwei.

Physikalische Größen sind stets mit sinnvoller Genauigkeit anzugeben. Das Ergebnis einer Rechnung mit Größen kann nie genauer als der ungenaueste Ausgangswert sein. Der Wert mit der geringsten Anzahl gültiger Ziffern bestimmt die sinn­ volle Genauigkeit des Ergebnisses.

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1.2

Gesetze, Modelle und Theorien in der Physik

1.2.1 Physikalische Gesetze In Erscheinungen der Natur kann man mithilfe von Beobachtungen und Experimenten Zusammenhänge zwischen einzelnen Eigenschaften von Körpern, Stoffen oder Vorgängen erkennen. So kann man für einen Kupferdraht durch Messungen feststellen, dass die elektrische Stromstärke im Kupferdraht umso größer ist, je größer die angelegte Spannung ist. Genauere Untersuchungen an diesem Draht führen zu dem Ergebnis, dass in einem bestimmten Bereich I ~ U gilt. Für einen Eisendraht er­ gibt sich ein analoger Zusammenhang. Wenn sich Zusammenhänge in der Natur unter bestimmten Bedingungen immer wieder einstellen und für eine ganze Klasse von Objekten gelten, dann spricht man von gesetzmäßigen Zusammenhängen, Gesetzmäßig­ keiten oder Gesetzen. Ein Gesetz in den Naturwissenschaften ist ein allgemeiner und wesentlicher Zusammenhang in der Natur, der unter bestimmten Bedingungen stets gilt.

Gesetze bestehen in der Regel aus Bedingungs­ und Gesetzesaussagen. Die Entscheidung, ob eine Aussage (z. B. F = m · a) ein Gesetz oder die Definition einer Größe ist, kann oft nur innerhalb einer vollständigen Theorie getroffen werden.

Die Bedingungen, unter denen ein gesetzmäßiger Zusammenhang stets gilt, nennt man auch Gültigkeitsbedingungen. Das physikalische Gesetz I ~ U gilt für die Klasse aller metallischen Lei­ ter unter der Bedingung θ = konstant. „Metallischer Leiter“ und „θ = konstant“ sind die Bedingungsaus­ sagen, „I ~ U“ ist die Gesetzesaussage. Nicht immer sind Gesetze so vollständig durch Bedingungs­ und Gesetzes­ aussagen beschrieben. Zum Teil muss man die Bedingungsaussagen aus dem Zusammenhang erschließen bzw. sind die Gültigkeitsbedingungen noch nicht vollständig bekannt. Diese werden dann erst durch spätere Un­ tersuchungen oder Anwendungen erkannt. So gilt z. B. für den Widerstand eines metallischen Leiters die Glei­ l   . Die in Tabellenwerken ausgewiesene Stoffkonstante ρ chung R = ρ · } A ist aber für die meisten Stoffe temperaturabhängig und in der Regel für 20 °C angegeben. Nutzt man diesen Wert, so gilt der berechnete Widerstand R nur unter der Bedingung θ = 20 °C. Gesetze gelten stets für eine Klasse von Objekten. Zu ihrer Formulierung werden physikalische Fachbegriffe und Größen genutzt. Dabei kann ein Gesetz in unterschiedlicher Weise dargestellt werden.

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Gesetze, Modelle und Theorien in der Physik

Es gibt Gesetze, die lediglich beschreiben, unter welchen Bedingungen be­ stimmte Erscheinungen in der Natur auftreten. Solche Gesetze enthalten eine qualitative Gesetzesaussage, die mit Worten beschrieben wird. Es gibt Gesetze, die einen Zusammenhang zwischen Eigenschaften bzw. Größen in der Tendenz beschreiben. Sie enthalten eine halbquantitative Gesetzesaussage, die in der Regel auch mit Worten beschrieben wird. Und es gibt Gesetze, die einen Zusammenhang mathematisch exakt be­ schreiben. Sie enthalten eine quantitative Gesetzesaussage, die sowohl mit Worten als auch mit mathematischen Mitteln (z. B. Proportionalität, Diagramm, Gleichung) beschrieben werden kann. Newtonsches Grundgesetz mit Worten:

Für alle Körper gilt: Die Beschleunigung eines Körpers ist der auf ihn einwirken­ den Kraft direkt proportional.

als Proportionalität:

a ~ F

als Gleichung:

F = m · a

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Das Wort „Qualität“ kommt vom lateini­ schen Wort „quali­ tas“ und bedeutet „Beschaffenheit“, „Eigenschaft“. Das Wort „Quan­ tität“ kommt vom lateinischen Wort „quantitas“ und bedeutet „Größe, Anzahl, Menge“.

Als Diagramm: a

F

In der Physik unterscheidet man zwischen dynamischen und statistischen Gesetzen. Dynamische Gesetze beschreiben, wie sich einzelne Objekte oder Systeme unter gegebenen Bedingungen notwendig verhalten. Ein Beispiel für ein dynamisches Gesetz ist das newtonsche Grundge­ setz. Kennt man die Masse eines Körpers und die beschleunigende Kraft, die auf ihn wirkt, so kann man eindeutig bestimmen, mit welcher Beschleunigung er sich bewegen wird.

Dynamische Gesetze sind eine wesent­ liche Grundlage für Kausalitätsbe­ trachtungen, bei denen es eindeutige Zuordnungen zwi­ schen Ursache und Wirkung gibt.

Statistische Gesetze beschreiben, wie sich eine große Anzahl von Objek­ ten insgesamt unter gegebenen Bedingungen verhält. Das Verhalten eines einzelnen Objektes aus dieser Gesamtheit wird mit einem solchen Gesetz nicht erfasst. Für den radioaktiven Zerfall von Atomkernen gilt: N = N0 · e–λ · t Dieses Gesetz beschreibt, wie sich die Gesamtheit der großen Anzahl von radioaktiven Atomkernen ver­ hält. Nach jeweils einer Halbwerts­ zeit ist etwa die Hälfte der Atom­ kerne zerfallen. Eine Aussage darüber, wann ein bestimmter Atomkern zerfällt, ist mit diesem Gesetz nicht möglich.

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Anzahl der Atomkerne des radioaktiven Stoffs

N0

N

0 } 2

N

0 } 4

N

0 } 8

0

T1/2

2·T1/2 3·T1/2

t

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1.2.2 Modelle in der Physik Um Gesetze zu erkennen, werden in der Physik Erscheinungen unter idealisierten Bedingungen betrachtet. Für die Beschreibung solcher Ideali­ sierungen nutzt man in der Regel Modelle. Ein Modell ist ein ideelles (gedankliches) oder materielles (gegen­ ständliches) Objekt, das als Ersatzobjekt für ein Original genutzt wird. Es ist eine Vereinfachung des Originals.

Manchmal wird auch zwischen Modellen und Idealisierungen unterschieden. Wir verwenden den um­ fassenderen Begriff Modell.

In einigen Eigenschaften stimmt das Modell mit dem Original überein, in anderen nicht. Deshalb kann man mit einem Modell eine Reihe von Er­ scheinungen erklären und voraussagen, andere wiederum nicht. Für letz­ tere Erscheinungen muss man ein anderes Modell benutzen. Ein Modell ist deshalb immer nur innerhalb bestimmter Grenzen sinnvoll für die Be­ schreibung bzw. Erklärung der Wirklichkeit anwendbar. So nutzt man für das Licht drei verschiedene Modelle.

Hinweise zu Teilchenmodellen sind zu finden unter: 418 355

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Modell Lichtstrahl

Modell Welle

Modell Photon

beschreibt den Weg, den das Licht zurück­ legt.

beschreibt den wellen­ haften Charakter des Lichts.

beschreibt den teilchen­ haften Charakter des Lichts.

Das Modell ist gut ge­ eignet für die Beschrei­ bung von Lichtaus­ breitung, Reflexion, Brechung, Lichtdurch­ gang durch Linsen und Prismen.

Das Modell ist gut ge­ eignet für die Beschrei­ bung und Erklärung von Reflexion, Bre­ chung, Beugung, Inter­ ferenz und Polarisation von Licht.

Das Modell ist gut ge­ eignet für die Beschrei­ bung und Erklärung von Emission und Absorption von Licht sowie für die Erklärung des Fotoeffekts.

Ein Modell ist nicht richtig oder falsch, sondern brauchbar oder nicht. Brauchbar heißt, dass es plausible Erklärungen ermöglicht und gute Vor­ aussagen liefert, die mit experimentellen Ergebnissen übereinstimmen. Modelle eignen sich auch – zum Veranschaulichen von Aufbau oder Struktur von realen Objekten, – zum Verdeutlichen der räumlichen Beziehungen zwischen realen Objekten oder – zum Erklären der Wirkungsweise technischer Geräte.

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Gesetze, Modelle und Theorien in der Physik

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In der Physik nutzt man materielle und ideelle Modelle. Materielle Modelle sind z. B. die Mo­ delle von Motoren, Generatoren, Transformatoren, Pumpen sowie sonstigen Geräten und Anlagen. Besonders gut lässt sich mit ihnen die Wirkungsweise von technischen Geräten und Anlagen untersuchen und demonstrieren.

Ideelle Modelle sind z. B. das Feld­ linienbild eines Stabmagneten, das Modell Massepunkt, das Teilchen­ modell, Atommodelle und die ver­ schiedenen Modelle für das Licht. Beschrieben werden sie meist durch ein System von Aussagen oder durch zeichnerische Darstellungen.

Ideelle Modelle wer­ den auch als Denk­ modelle bezeichnet.

Mit materiellen Modellen kann man experimentieren. Mit solchen Modell­ experimenten lassen sich innerhalb der Gültigkeitsgrenzen des jeweiligen Modells Erklärungen bestätigen und Voraussagen treffen sowie die Funkti­ onsweise technischer Geräte untersuchen. Da jedes Modell eine Vereinfachung der Wirklichkeit ist, hat es auch immer Grenzen. Diese bestehen z. B. beim Feldlinienbild darin, dass – ein Feld in der Regel im gesamten Raum vorhanden ist und nicht nur in einer Ebene, – das Feld auch zwischen den Feldlinien existiert und – ein Feldlinienbild keine Aussage über die absolute Stärke eines Felds er­ möglicht. Feldlinienbild zwischen zwei ungleichnamig geladenen Kugeln

Feldlinienbild um einen Stabmagneten

– +

+ –



– +

N

S



Das Feldlinienbild ist ein Modell für das real existierende elektrische Feld.

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+

Das Feldlinienbild ist ein Modell für das real existierende magnetische Feld.

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1.2.3 Physikalische Theorien und Konzepte Für einzelne Teilbereiche der Physik werden Gesetze, Modelle und andere Aussagen zu einer geschlossenen Theorie zusammengefasst. Eine Theorie ist ein System von Gesetzen, Modellen und anderen Aus­ sagen über einen mehr oder weniger großen Teilbereich einer Wissen­ schaft.

Beispiele für solche Theorien in der Physik sind: – die newtonsche Mechanik, – die einsteinsche Relativitätstheorie, – die kinetische Gastheorie, – die maxwellsche Theorie der Elektrodynamik, – die Quantentheorie. So ist z. B. die new­ tonsche Mechanik ein Spezialfall der einsteinschen Relativitätstheorie für kleine Geschwin­ digkeiten im Ver­ gleich zur Lichtge­ schwindigkeit

Ein Ziel von Physikern ist es, möglichst viele Erscheinungen in der Natur durch eine möglichst geringe Anzahl von Gesetzen zu beschreiben und zu erklären. Dazu dienen auch die Bemühungen, eine Theorie als Spezialfall einer anderen Theorie abzuleiten. Einige grundlegende Ideen durchziehen die gesamte Physik. Mit ihnen las­ sen sich neue physikalische Gesetze ableiten, physikalische und technische Probleme lösen. Sie dienen auch dazu, sich in der Wissenschaft Physik bes­ ser zu orientieren. In der Physik sind unterschiedliche Grundideen bzw. p hysikalische Kon­ zepte besonders herausgehoben worden. Solche physikalischen Konzepte sind z. B. energetische Betrachtungen unter Nutzung des Energieerhal­ tungssatzes, die Beschreibung von Wechselwirkungen, die Betrachtung von Systemen oder die Struktur der Materie. Stabile Zustände eines Systems Ein biegsamer Stab hat beliebig viele Möglichkeiten, sich zu bewegen. Unsere Alltagserfahrung sagt jedoch, dass bevorzugt bestimmte Bewe­ gungszustände zu beobachten sind: Der Stab schwingt an seinen Enden hin und her. In der Physik werden diese bevorzugten Bewegungen als stehende Wellen beschrieben. Stehende Wellen sind stabile Zustände. Wird der Stab zu einer anderen Bewegung gezwungen und dann sich selbst überlassen, so geht diese Bewegung nach kurzer Zeit in den sta­ bilen Zustand über. Beispiele für stabile Zustände aus der Akustik sind die Schwingungen von Klangkörpern, die wir als Töne empfinden. Die Erweiterung dieser Grundidee auf die Zustände von Elektronen im Atom erlaubt die Berechnung von Orbitalen und bildet eine Grundlage der modernen Atomphysik.

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1.2.4 Das Erkennen physikalischer Gesetze Das Erkennen von Gesetzen in den Naturwissenschaften ist ein äußerst komplexer und in der Regel langwieriger Prozess. Wichtige Naturgesetze und deren Gültigkeitsbedingungen sind in langen, wechselvollen his­ torischen Prozessen entdeckt worden. Diese Prozesse waren oft von Irr­ tümern und Irrwegen begleitet. In der Regel werden diese Prozesse von Hypothesen bestimmt.

Einige erkenntnis­ theoretische Hinweise dazu sind unter 419 655 zu finden

Eine Hypothese ist eine wissenschaftlich begründete Annahme oder Vermutung über einen Sachverhalt, deren Wahrheitswert unbekannt ist. Im Laufe des weiteren Erkenntnisprozesses wird eine Hypothese durch Experimente, neue Erkenntnisse oder die Praxis bestätigt oder verworfen.

Bei der Gewinnung neuer Erkenntnisse haben sich bestimmte Methoden bewährt. Nachfolgend sind einige dieser Methoden dargestellt und an Bei­ spielen erläutert. Die induktive Methode Eine häufig angewandte Methode ist die induktive Methode. Es soll z. B. untersucht werden, wovon die Induktionsspannung bei der Bewegung einer Leiterschleife im homogenen Magnetfeld abhängt. Erste Beobachtungen bei Experimenten zeigen: – Je schneller die Leiterschleife bewegt wird, desto größer ist die Induk­ tionsspannung. – Je stärker das Magnetfeld ist, desto größer ist die Induktionsspannung. – Je größer die Leiterschleife ist, desto größer ist die Induktionsspannung.

B v l

Ui

Weitere Experimente und Überlegungen führen zu der Vermutung: Die Induk tionsspannung zwischen den Enden einer Leiterschleife hängt von der Flussdichte B des Magnetfelds, von der Geschwindigkeit v der Lei­ terschleife und von der Fläche A der Leiterschleife ab. Daraus ergibt sich die Frage, wie die Größen zusammenhängen. Im nächsten Schritt plant und realisiert man daher Experimente zur genaueren Untersuchung der vermuteten Zusammenhänge.

Die Leiterschleife wird senkrecht zum Magnetfeld bewegt. Das Magnetfeld zeigt in die Blatt­ ebene hinein.

Erfahrungen, Beobachtungen, begründete Überlegungen

Experimentelle Untersuchungen

Zusammenfassung der Teilergebnisse, Verallgemeinerung

Treffen von Voraussagen

Weitere experimentelle Prüfung

Allgemeingültiges Gesetz

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Bei den Experimenten ist zu beachten: Wenn man den Zusammenhang zwischen zwei Größen untersucht, müssen alle anderen Größen und Bedin­ gungen konstant gehalten werden. Damit erhält man Messreihen für jeweils zwei Größen. Ist der Zusammen­ hang zwischen diesen beiden Größen nicht sofort erkennbar, so stellt man die Wertepaare in einem Diagramm dar oder wendet mathematische Me­ thoden an, so wie sie im Beispiel dargestellt sind. Vermutet man z. B. einen linearen Zusammenhang zwischen den Größen a a b und b, so muss der jeweilige Quotient }    oder }   näherungsweise konstant b a sein.

Dabei ist aber immer zu beachten: Messwerte sind fehlerbehaftet. Das bedeutet: Wenn der Zusammen­ hang zwischen zwei Größen nicht klar erkennbar ist, müssen weitere ex­ perimentelle Unter­ suchungen (andere Versuchsanordnung, genauere Messun­ gen) erfolgen.

Im Beispiel der Induktionsspannung der bewegten Leiterschleife findet man folgende Zusammenhänge: Ui ~ B und Ui ~ v Ein Zusammenhang zwischen Ui und A besteht nicht. Vielmehr ist Ui proportional zur Länge l des waagerechten Leiterstücks, das sich im Magnetfeld befindet. In einem weiteren Schritt fasst man die gefundenen Zusammenhänge zu einer Formel zusammen. Dabei gilt allgemein:

Der konstante Wert C wird als Propor­ tionalitätsfaktor bezeichnet. Aus physikalischer Sicht kann es – eine Gerätekon­ stante, – eine Materialkon­ stante oder – eine universelle Konstante sein.

Wenn a ~ b und a ~ c, dann ist:

a ~ b · c

Wenn a ~ b und a ~ }1c   , dann ist:

b   a ~ } c

Für unser Beispiel kann man also aus den experimentell g efundenen Zusammenhängen folgern: Ui Ui ~ B · l · v oder } B · l · v     = konstant = C

Die Einheitenbetrachtung zeigt, dass C eine Zahl ist. In diesem Beispiel hat sie den Wert 1. Demzufolge erhalten wir die Formel: Ui = B · l · v

Für die Physik typische Zusammenhänge zwischen Größen a

a

b

a

b

a

b

b

a ~ b

a ~ b 2

a ~ √}  b  

1 a ~ }    b

a  }    = konstant b

 a2   = konstant }

 a}    = konstant }

a · b = konstant

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b

√ b  

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Die deduktive Methode Bei der deduktiven Methode geht man von bekannten Zusammenhängen und Gesetzen sowie von deren Gültigkeitsbedingungen aus. Unter Nutzung mathematischer Verfahren leitet man daraus ein neues Ge­ setz ab, das immer auch experimentell geprüft werden muss. Zusammenstellung von Erkenntnissen einschließlich ihrer Gültigkeitsbedingungen

Deduktive Ableitung (Anwendung mathematischer Methoden und logischer Schlüsse)

Formulierung eines neuen Gesetzes

Experimentelle Prüfung

Für ein homogenes Magnetfeld und bei Bewegung des Leiters senk­ recht zu den Feldlinien ergibt sich der Betrag der Spannung aus folgen­ der Überlegung: Auf die Elektronen im Leiter wirkt die Lorentzkraft: FL = B · e · v Zugleich wirkt in entgegengesetzter Richtung eine elektrische Feld­ kraft, denn zwischen den beiden unterschiedlich geladenen Enden des Leiters der Länge l besteht ein elektrisches Feld. Fel = e · } Ul   Im Gleichgewichtszustand gilt: FL = Fel

S B –



F



v N

Setzt man für die Lorentzkraft und die Feldkraft die genannten Terme ein, so erhält man: U   B · e · v = e · } l

Die Umstellung der Gleichung nach der Spannung U ergibt: U = B · l · v Damit kann allgemein für die in einem Leiter induzierte Spannung for­ muliert werden: Wird ein Leiter der Länge l in einem homogenen Magnetfeld senkrecht zu den Feldlinien gleichförmig bewegt, so kann die zwischen seinen Enden auftretende Spannung berechnet werden mit der Gleichung: Ui = B · l · v für (B'v ) Die Anwendung der deduktiven Methode setzt voraus, dass bereits Kennt­ nisse vorliegen, die in sachgerechter Weise miteinander verknüpft werden müssen. Auch wenn das abgesicherte Kenntnisse sind, ist eine experimen­ telle Prüfung des Ergebnisses notwendig.

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Aufhängung

Eine Variante der deduktiven Methode zum Finden von Gesetzen für neue Situationen besteht darin, diese auf bekannte Fälle zurückzuführen. Wenn das Hebelgesetz bekannt ist, kann daraus das Gesetz für eine Umlenkrolle (feste Rolle) abgeleitet werden.

Zugkraft

Last

In Gedanken kann jede Umlenkrolle eines Flaschenzugs durch einen zwei armigen Hebel ersetzt werden. Für einen solchen Hebel im Gleich­ gewicht gilt:

F3 r1

Wenn sich eine Umlenkrolle bei der Kraftübertragung nicht bewegt, dann ist es egal, ob das Seil auf der Rolle befestigt ist oder nicht. Ge­ nauso gut könnte das Seil auch aus zwei Teilen bestehen, die an beiden Seiten der Rolle angebracht sind.

r2

F1 · r1 = F2 · r2 Jetzt kann das Hebelgesetz angewendet werden.

F1

F2

Wir erkennen, dass bei der Umlenkrolle mit r1 = r2 die Zugkraft F1 und die Hubkraft F2 gleich groß sind, jedoch die Aufhängung die doppelte Kraft F3 aufnehmen muss. Hinzu kommt noch die Gewichtskraft von Rolle und Seil. Heuristische Methoden In Physik und Technik werden neben den beschriebenen Methoden auch heuristische Methoden angewendet. Abgeleitet ist dieser Begriff vom griechischen heuriskein = finden, entdecken. Dabei spielen neben Erkenntnissen und Erfahrungen immer auch Intuition und Zufall eine Rolle. Solche heuristischen Methoden lassen sich kaum in eindeutigen Schritten erfassen. Typische Herangehensweisen sind z. B. – das Problemlösen mit Versuch und Irrtum (trial and error), – die intuitive Formulierung von Zusammenhängen, – das Ausprobieren von begründeten Varianten. Wenn ein Magnetfeld vorhanden ist und die Leiterschleife bewegt wird, tritt eine Induktionsspannung auf. Daraus könnte man intuitiv auf Je­desto­Beziehungen schließen, etwa folgendermaßen: Die Induktionsspannung ist umso größer, – je stärker das Magnetfeld ist und – je größer die Geschwindigkeit der Leiterschleife ist. Ein möglicher Zusammenhang könnte dann sein: Ui ~ B · v Ob das den Zusammenhang zwischen den Größen richtig wiedergibt, muss experimentell geprüft und die mathematische Formulierung den experimentellen Ergebnissen angepasst werden.

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Die Analogiemethode Aus der Umgangssprache ist der Begriff Analogie (griech. analogia = Verhältnis) vielen Menschen bekannt. Wir ziehen meist unbewusst Ana­ logieschlüsse. Beispielsweise sehen wir als Kinder immer wieder, dass Ge­ genstände, die aus der Hand gleiten, zum Erdboden fallen. Wir nehmen deshalb an, dass grundsätzlich alle Gegenstände, einmal losgelassen, her­ unterfallen. Doch wir sind überrascht, wenn wir zum ersten Mal sehen, wie ein mit Helium gefüllter Luftballon nicht fällt, sondern aufsteigt. Dieses Beispiel aus der Alltagswelt verdeutlicht die Stärke und die Schwä­ che von Analogieschlüssen. Sie führen in vielen Fällen zu richtigen Erkennt­ nissen. Es handelt sich aber nicht um eine zwingende Schlussweise. In der Physik ist diese Herangehensweise, die Analogiemethode, eine Er­ kenntnismethode zur Gewinnung von Erkenntnissen unter Nutzung von Analogien und Analogieschlüssen. Wenn verschiedene physikalische Objekte oder Prozesse ähnliche Ei­ genschaften besitzen oder wenn sie in wichtigen Merkmalen überein­ stimmen, dann kann man erwarten, dass diese Objekte oder Prozesse auch ein ähnliches Verhalten aufweisen.

Bei der Analogiemethode wird diese Erfahrungstatsache zur Formulierung von Voraussagen genutzt. Stets müssen Experimente die für ein Objekt vorhergesagte Eigenschaft auch belegen. Die Analogiemethode wird in allen Gebieten der Physik verwendet.

So kann man z. B. erwarten, dass elektromagnetische Schwingungen ähn­ liche Eigenschaften wie mechanische Schwingungen haben.

Mit einem Wasserwellengerät lässt sich zeigen, dass bei der Überlagerung von zwei kreisförmigen Wasserwellen gleicher Amplitude und gleicher Wel­ lenlänge typische Interferenzmus ter mit Bereichen der Verstärkung und der Abschwächung auftreten. Daraus kann man durch Analogieschluss ableiten: Wenn Licht Wellenei­ genschaften hat, so müssten auch beim Licht Interferenzmuster auftre­ ten, wenn sich Licht überlagert. Im Unterschied zu Wasserwellen ist das aber in unserer alltäglichen Umgebung nicht feststellbar. Wenn man aber eine zu der Abbildung analoge Experimentieran­ ordnung nutzt, dann erhält man auch beim Licht Interferenzmuster. Als Erreger dienen zwei eng zusammenliegende Spalte (Doppelspalt), durch die kohärentes Licht (b S. 392) fällt. Analogien gibt es auch bei der mathematischen Beschreibung von Sachver­ halten aus verschiedenen Bereichen der Physik, z. B. bei der Beschreibung von mechanischen und elektromagnetischen Schwingungen (b S. 342) oder bei der Kennzeichnung der Stärke von Feldern.

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Denk­ und Arbeits weisen in der Physik

1.3

Experimente in der Physik

1.3.1 Experiment und experimentelle Methode Bei jedem Expe­ riment ist genau zu überlegen, welche Größen und Bedingungen konstant gehalten werden müssen und welche Größe verändert wird. Nur dann ist auch die Reproduzierbarkeit des Experiments möglich.

Das Experiment ist neben der Arbeit mit Modellen ein unverzicht bares Mit­ tel, um in der Physik zu neuen Erkenntnissen zu gelangen und um theo­ retisch abgeleitete Gesetze zu bestätigen.

Die Bezeichnung „galileische Me­ thode“ ergibt sich daraus, dass G alileo G alilei (1564 –1642) der Naturforscher war, der entschei­ dend diese Herange­ hensweise weiter­ entwickelte und nutzte. 412 695

Die Erkenntnismethode, bei der das Experiment eine zentrale Rolle spielt, wird als experimentelle oder galileische Methode bezeichnet. Diese Methode lässt sich so kennzeichnen:

Beim Experimentieren wird eine Erscheinung der Natur unter ausge­ wählten, kontrollierten, wiederholbaren und veränderbaren Bedin­ gungen beobachtet und ausgewertet.

Mit Experimenten können unterschiedliche Ziele verbunden sein. Experi­ mente können z. B. dazu dienen, – Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen zu untersuchen, was letztendlich zum Erkennen von Naturgesetzen führt, – den Wahrheitswert von begründeten Vermutungen (Hypothesen) und Voraussagen (Prognosen) zu prüfen, – den Wert von Stoff­ oder Naturkonstanten möglichst genau zu be­ stimmen, – Zusammenhänge zu veranschaulichen.

Erfahrungen und Beobachtungen

Theorien und Modelle

Aufstellen einer Hypothese

Deuten der experimentellen Ergebnisse in Hinblick auf die Hypothese

Ableiten experimentell prüfbarer Folgerungen (Voraussagen)

Überprüfung im Experiment

Wird durch ein Experiment eine Vorhersage nicht bestätigt, so ist die Ausgangshypothese wahrscheinlich falsch.

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So vermutete D escartes (1596–1650), dass sich Licht im optisch dünne­ ren Medium langsamer ausbreitet als im optisch dichteren Medium. F ermat (1601–1665) verwarf aus logischen Überlegungen diese An­ sicht. Eine Entscheidung, welche der Vermutungen richtig ist, konnte erst getroffen werden, als man um 1850 die Lichtgeschwindigkeit in Stoffen experimentell ermitteln konnte. Die Vermutung von F ermat erwies sich als richtig: Licht breitet sich im optisch dünneren Medium schneller aus.

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Experimente in der Physik

Ist die Aufgabenstellung für ein Experiment klar, dann laufen Experimente im Wesentlichen in drei Etappen ab: Beim Vorbereiten eines Experiments ist zu überlegen, – was zu beobachten ist, welche Größen zu messen sind und wie man sie messen kann, – wie die Experimentieranordnung gestaltet werden muss (Schaltplan, Skizze), – welche Geräte und Hilfsmittel erforderlich sind, – welche Größen bzw. Bedingungen verändert werden und welche kon­ stant gehalten werden müssen, – welche Messfehler auftreten und wie man sie klein halten kann, – wie die gewonnenen Beobachtungsergebnisse und die Messwerte er­ fasst und ausgewertet werden sollen. Beim Durchführen eines Experiments wird die vorher entwickelte Experi­ mentieranordnung aufgebaut. Es wird beobachtet und gemessen. Größen und Bedingungen werden verändert beziehungsweise konstant gehalten. Alle Beobachtungen und Daten werden protokolliert. Beim Auswerten eines Experiments werden Vergleiche durchgeführt, Dia­ gramme angefertigt und interpretiert, Berechnungen vorgenommen und analysiert. Bestandteil der Auswertung vieler Experimente sind Fehlerbe­ trachtungen zur Abschätzung von Messunsicherheiten. Sie ermöglichen, das Ergebnis mit sinnvoller Genauigkeit anzugeben.

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Wenn man den Zusammenhang zwi­ schen zwei Größen untersuchen will, müssen alle anderen Größen und Bedin­ gungen konstant gehalten werden.

Ablauf eines Experiments: Aufgabenstellung

Vorbereitung

Durchführung

Auswertung

Zu jedem Experiment gehört ein Protokoll. Bestandteile eines solchen Pro­ tokolls sind neben Name und Datum – eine klar und deutlich formulierte Aufgabe, – die notwendige Vorbereitung (theoretische Grundlagen, Geräte und Hilfsmittel, Experimentieranordnung, Messwertetabellen), – die Durchführung (Erfassung der Beobachtungen und der Messungen), – eine Auswertung mit Fehlerbetrachtung und Formulierung eines Ergeb­ nisses mit Bezug auf die Aufgabe. Beim Experimentieren besteht immer die Gefahr von Unfällen. Deshalb gilt im Interesse der Sicherheit und der Gesundheit aller Beteiligten: Beim Aufbau von Experimentieranordnungen, bei der Durchführung von Messungen und beim Umgang mit Geräten und Hilfsmitteln sind ver­ einbarte Regeln und Sicherheitsvorschriften strikt einzuhalten. Insbesondere ist zu beachten, dass jede elektri­ sche Schaltung vor Inbetriebnahme noch einmal zu kontrollieren ist, in der Regel durch den Fachlehrer.

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Denk­ und Arbeits weisen in der Physik

1.3.2 Messunsicherheiten und Fehlerbetrachtungen

Statt von Fehlern spricht man auch von Messunsicher­ heiten.

Fehler bei physikalischen Messungen Jede Messung einer physikalischen Größe ist aus den verschiedensten Gründen mit Fehlern behaftet. Der Messwert xi einer physikalischen Größe weicht vom tatsächlichen Wert der Größe, dem wahren Wert x, mehr oder weniger stark ab. Um möglichst genaue Messungen durchführen zu können bzw. um die Genauigkeit bereits durchgeführter Messungen einschätzen zu können, muss man die Ursachen für Messfehler, die Größen solcher Fehler und ihre Auswirkungen auf die Genauigkeit des Ergebnisses kennen. Darüber hinaus muss man wissen, wie man in der Formulierung des Ergebnisses die Genauigkeit kenntlich macht. Jede Messung ist mit Fehlern behaftet. Die Messwerte xi weichen vom wahren Wert x der betreffenden Größe ab.

In der folgenden Übersicht sind Fehlerursachen und Beispiele genannt. Fehlerursache

Beispiele

Experimentier­ anordnung

– unzureichende Isolierung bei kalorimetrischen Messungen und damit unkontrollierter Wärmeaustausch mit der Umgebung – Verwendung einer stromrichtigen statt einer spannungsrichtigen Schaltung oder umgekehrt bei der Messung von Spannung und Stromstärke – Vernachlässigung der Widerstände von Zuleitungen bei elektrischen Schaltungen – unzureichende Kompensation der Reibung bei der Untersuchung von Bewegungsabläufen in der Mechanik – Verzögerungen beim Auslösen von Abläufen, die durch die Experimentier­ anordnung bedingt sind

Messgeräte, Messmittel

– Jedes Messgerät hat nur einen bestimmten Messbereich und eine bestimmte Genauigkeitsklasse bzw. Fertigungstoleranz. – Messmittel wie Wägestücke, Hakenkörper, Widerstände haben ebenfalls Fertigungstoleranzen.

Experimentator

– Ablesefehler bei Messgeräten – Auslösefehler bei Zeitmessungen (Reaktionszeit des Menschen) – Fehler durch eine nicht exakte Handhabung von Messgeräten (z. B. ungenaues Anlegen eines Lineals) – Fehler durch Verwendung unzweckmäßiger Messgeräte (z. B. kleine Wasser­ menge in großem Messzylinder, Thermometer mit 1° ­Teilung bei der Messung kleiner Temperaturunterschiede) – Fehler durch Ablesen an falschen Bezugspunkten (z. B. wird statt des Schwer­ punkts eines Körpers seine Unter­ oder Oberkante als Bezugspunkt für Entfer­ nungsmessungen gewählt)

Umgebung

– Nichtbeachtung der Temperatur oder von Temperaturschwankungen – Nichtbeachtung des Drucks oder von Druckschwankungen – Schwankungen der Netzspannung, Erschütterungen

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Experimente in der Physik

Arten von Messfehlern Unterschieden werden grobe, systematische und zufällige Fehler.    Systematische Fehler sind solche, die vor allem durch die Experimentieran­ ordnung und durch die Messgeräte verursacht werden und sich meist auch in gleicher Weise auswirken, wenn Messungen mehrmals durchgeführt werden. Messgerätefehler werden über die Genauigkeitsklasse oder die Toleranz der betreffenden Geräte erfasst. Hat z. B. ein Spannungsmesser die Genauigkeitsklasse 2,5, so bedeutet das bei einem Messbereich von 10 V: Der maximale systematische Feh­ ler beträgt 2,5 % vom Messbereichsendwert, also 2,5 % von 10 V und damit ± 0,25 V.

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Da grobe Fehler wie falscher Aufbau, defekte Messgeräte oder Unaufmerk­ samkeiten grund­ sätzlich vermeidbar sind, werden sie bei Fehlerbetrachtun­ gen nicht berück­ sichtigt.

In einigen Fällen können systematische Fehler rechnerisch erfasst und beim Ergebnis berücksichtigt werden. Beim Messergebnis wird dann der erfasste systematische Fehler einbezogen. Bei Mischungsvorgängen in der Thermodynamik kann die Wärmekapa­ zität des Kalorimeters erfasst und bei der Formulierung des Ergebnisses berücksichtigt werden. Die nicht erfassbaren systematischen Fehler werden bei der Fehlerrech­ nung bzw. Fehlerbetrachtung berücksichtigt.     Zufällige Fehler sind solche, die vor allem durch den Experimentator und durch Umwelteinflüsse (Umgebung) zustande kommen. Bei Skalen wird als zufälliger Fehler die Hälfte des kleinsten Skalen­ werts angenommen, also z. B. bei einem Lineal mit mm­Teilung ein Fehler von ± 0,5 mm. Bei digitaler Anzeige nimmt man als Fehler eine Abweichung von 1 bei der letzten Ziffer an, z. B. bei einem elektroni­ schen Thermometer: 21,6 °C ± 0,1 °C

Zufällige Fehler lassen sich teilweise abschätzen. So beträgt z. B. der Aus­ lösefehler bei Zeit­ messungen mit einer durch die Hand ausgelösten Uhr im Mittel ± 0,25 s.

Die Summe aller nicht erfassbaren systematischen und zufälligen Feh­ ler ergibt den Größtfehler der Messung.

Messwerte xi der physikalischen Größe x systematische Fehler

erfassbare systematische Fehler

zufällige Fehler

nicht erfassbare systematische Fehler

Größtfehler der Messung

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Denk­ und Arbeits weisen in der Physik

Statt vom Größt­ fehler spricht man häufig vereinfacht vom Fehler oder von der Ungenauigkeit einer Messung.

Dieser Größtfehler kann berechnet werden mit der Gleichung: ∆x = ± (|∆xzuf| + |∆xsys|) Mittelwerte und zufällige Fehler Beim Auftreten zufälliger Fehler kann man eine physikalische Größe mehr­ fach messen. Sind x1, x2, … xn die einzelnen Messwerte, so ergibt sich als Mittelwert (arithmetisches Mittel): n

S   x i } x  i = 1n        = } }

Als Fehler der Messung gibt man meist den mittleren Fehler ∆ x      des arith­ metischen Mittels an: Bei nur wenigen Messwerten (n  c2 g α > β Das Licht wird zum Lot hin gebrochen.

c1 < c2 g α < β Das Licht wird vom Lot weg gebrochen.

Beispiel: Luft– Glas Luft– Wasser

Beispiel: Glas – Luft Wasser– Luft

Darüber hinaus ist die Lichtgeschwindigkeit und damit die Brechzahl in Stoffen von der Wellenlänge abhängig. Die Erscheinung, dass die Brechzahl eines Stoffs von der Wellenlänge abhängig ist, wird als Dispersion bezeichnet.

Dabei gilt für Licht: Je größer die Wellenlänge des Lichts ist, desto kleiner ist die zugehörige Brechzahl. Rotes Licht (langwellig) wird also weniger stark gebrochen als blaues Licht (kurzwellig). Mit dem Wellenmodell und dem huygensschen Prinzip lässt sich das auf S. 364 genannte Brechungsgesetz elementar ableiten. Jeder Punkt der Grenzfläche, der von einer Welle getroffen wird, ist nach dem huygensschen Prinzip (b S. 159) Ausgangspunkt einer Elementarwelle, die sich in den Stoff hinein ausbreitet. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Elementarwellen ist gleich der Lichtgeschwindigkeit im jeweiligen Stoff. Geht eine Welle der Wellenlänge λ1 vom Vakuum oder von Luft in einen Stoff mit der Brechzahl n über, dann ist die Lichtgeschwindigkeit in λ2 c1 diesem Stoff c2 = }  und damit auch die Wellenlänge } .  Diese Überlegungen n n gelten auch für die Elementarwellen. Stoff 1 λ1

B c1 · t

A c2 · t

α β

D λ2 Stoff 2

C

Die Wege c1 · t und c2 · t, die in der Zeit t zurückgelegt werden, sind wegen c1 ≠ c2 verschieden lang. Mithilfe der Winkel α und β kann man schreiben: }

c ·t

(1)

}

c ·t

(2)

1 AC  = }   sin α 2 AC  = }   sin β

α ist der Einfalls­ winkel und β der Brechungswinkel, } denn AC  steht senk­ recht zum Einfallslot } } und AB  bzw. CD  stehen senkrecht zur Wellennormalen.

Die Gleichsetzung von (1) und (2) ergibt: c ·t

c ·t

1 2  = }   oder } sin α sin β

c

sin α  = 1   } } sin β c 2

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Die Begriffe „optisch dünner” und „optisch dichter” beziehen sich auf die Lichtgeschwin­ digkeit. In einem optisch dichteren Stoff ist die Licht­ geschwindigkeit kleiner als in einem optisch dünneren Stoff. Die in Tabellenwer­ ken angegebene Brechzahl von Stoffen bezieht sich auf die Vakuumlicht­ geschwindigkeit und eine Wellenlänge von 589 nm (gelbe Natriumlinien), also auf den mittleren Bereich des sicht­ baren Lichts.

Die letzte Gleichung ist das auf S. 364 ge­ nannte Brechungs­ gesetz.

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366

Optik

Totalreflexion Tritt Licht unter einem Winkel α ≠ 0 von einem Stoff 1 in einen Stoff 2 über und ist die Lichtgeschwindigkeit c2 größer als c1, dann ist der Brechungs­ winkel größer als der Einfallswinkel. Wird der Einfallswinkel kontinuierlich vergrößert, so erreicht der Brechungswinkel schließlich den Wert β = 90° (in der Skizze rechts rot markiert). Bei weiterer Vergrößerung des Einfalls­ winkels wird sämtliches Licht an der Grenzfläche reflektiert. Es tritt Total­ reflexion auf. Beobachten lässt sich diese Erscheinung z. B. beim Übergang des Lichts von Wasser in Luft (b Abb. links). In der Skizze rechts ist der Sachverhalt für ausgewählte Winkel dargestellt. Die Totalreflexion von Licht an der Grenzfläche Wasser– Luft kann man z. B. beobach­ ten, wenn man bei einem Aquarium schräg von unten gegen die Wasser­ oberfläche sieht.

Stoff 2

Grenzfläche αG Stoff 1

Die Erscheinung, dass beim Übergang des Lichts von einem optisch dichteren Stoff (z. B. Wasser) in einen optisch dünneren Stoff (z. B. Luft) ab einem bestimmten Winkel sämtliches Licht an der Grenzfläche reflektiert wird, nennt man Totalreflexion.

Dieser Grenzwinkel ergibt sich aus dem Brechungsgesetz (b S. 364): Mit β = 90° und damit sin β = 1 erhält man die genannte Gleichung.

Der Einfallswinkel, bei dem der Brechungswinkel gerade 90° beträgt, heißt Grenzwinkel der Totalreflexion αG. Für alle Winkel α > αG tritt Totalreflexion auf. Der Grenzwinkel der To­ talreflexion αG beträgt: c

1 sin αG = }   c 2

c1, c2

Lichtgeschwindigkeiten in den Stoffen 1 und 2 (c1 < c2)

Wie groß ist der Grenzwinkel der Totalreflexion für den Übergang von Licht aus Wasser in Luft? Lot

β

αG

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Analyse: Gesucht ist der Einfallswinkel α, bei dem der Brechungswinkel gerade 90° beträgt. Die zur Berechnung erforderlichen Lichtgeschwindigkeiten können einem Tabellenwerk entnommen werden. Gesucht: αG Gegeben: c1 = 225 000 km/s c2 = 299 711 km/s ≈ 300 000 km/s

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Ausbreitung von Licht und Wechselwirkung mit Stoffen

Lösung:

c

1 sin αG = }   c 2

225 000 km/s   = 0,750 sin αG = } 300 000 km/s

αG

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Rechnet man mit dem genauen Wert von c2, dann erhält man αG = 48,7°.

= 48,6°

Ergebnis: Für den Übergang Wasser– Luft beträgt der Grenzwinkel der Total­ reflexion 48,6°. Für alle Einfallswinkel größer als 48,6° erfolgt damit Totalreflexion. Genutzt wird die Totalreflexion bei verschiedenen Arten von Prismen (b S. 368) sowie bei Glasfaserkabeln, die zur Informationsübertragung von Telefongesprächen, Computerdaten, Fernsehbildern und Rundfunkpro­ grammen eingesetzt werden.

Glasfasern bestehen aus Glas, das Glasfasermantel etwa 50 000­mal durchsichtiger als Fensterglas ist. Umgeben ist der hochdurchsichtige Glasfaserkern von einem Mantel aus optisch Glasfaserkern dünnerem Glas. Die hohe Durch­ sichtigkeit des Glasfaserkerns sorgt dafür, dass das Licht über weite Strecken kaum geschwächt wird. Durch den Glasfasermantel wird erreicht, dass das Licht an den Rändern total reflektiert wird und damit in der Glasfaser verbleibt. In der Medizin und in der Technik werden biegsame Glasfaserkabel in Endoskopen verwendet, um durch eine natürliche oder operativ erzeugte Körperöffnung das Licht einer Lichtquelle ins Körperinnere und umgekehrt Bilder aus dem Körperinnern nach außen zu transpor­ tieren. Die Nachrichtentechnik wurde durch die Nutzung von Glasfaserka­ beln regelrecht revolutioniert. Das Grundprinzip der Nachrichtenüber­ tragung mit Glasfaserkabeln besteht darin, dass digitale elektrische Signale in Lichtimpulse umgewandelt, diese Impulse mit Glasfaser­ kabeln übertragen und dann wieder in digitale oder analoge elektri­ sche Signale zurückgewandelt werden.

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Das rechts abge­ bildete Glasfaser­ kabel besteht aus insgesamt 4 000 Glasfasern, die jeweils zu Bündeln zusammengefasst sind. Die einzelnen Glasfasern haben Durchmesser von 0,005 – 0,5 mm.

Die Informations­ übertragung mit Licht ermöglicht den Transport größerer Datenmengen, da man z. B. für die Übertragung eines Telefongesprächs nur eine Lichtfre­ quenz benötigt.

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368

Optik

Brechung an Prismen Dreiseitige Prismen aus Glas oder Kunststoff, die zumeist regelmäßig oder rechtwinklig sind, werden zur Umlenkung von Licht genutzt. Prismen werden auch genutzt, um weißes Licht infolge Dispersion in seine farbigen Bestand­ teile zu zerlegen (b S. 365).

Umlenkprisma mit zweifacher Brechung

α

γ β

δ

Umlenkprisma mit Totalreflexion

ε

α

δ

Für den Winkel ε gilt: ε = 180° – δ = 180° – (180° – 2γ) = 2γ = 2 (α – β)

Bei symmetrischem Strahlengang er­ hält man die kleinste Ablenkung. Für den Ablenkungswinkel gilt: ε = 2 (α – β)

Bei symmetrischem Strahlengang be­ trägt die Ablenkung 90°. Es gilt: δ = 90° – α α muss größer als der Grenzwinkel der Totalreflexion sein.

Prismen, bei denen die Lage von einfallenden und reflektierten Strahlen gerade umgekehrt ist, nennt man Umkehrprismen. Die gezeichneten Strahlenverläufe in den Skizzen gelten nur für einfarbiges Licht. Bei Verwendung von weißem Licht kann zusätzlich Disper­ sion auftreten (b S. 365).

Umkehrprisma mit zweifacher Totalreflexion

Umkehrprisma mit zweifacher Brechung und Totalreflexion

Prismen werden vor allem bei Ferngläsern und Fotoapparaten genutzt. zum Auge

verspiegelt Sucherprisma

Links ist ein geöff­ netes Minifernglas mit zwei Prismen abgebildet, rechts das Umkehrprisma in einer Spiegel­ reflexkamera.

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Film, CCD-Chip

einfallendes Licht

Schwingspiegel

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Ausbreitung von Licht und Wechselwirkung mit Stoffen

Naturerscheinungen, die auf Brechung und Reflexion beruhen Betrachtet man bei tief stehender Sonne eine Regenwand, wobei man die Sonne im Rücken hat, dann kann man oft einen Regenbogen beobach­ ten, der immer die gleiche Farbfolge aufweist. Der Mittelpunkt des Regen­ bogens liegt auf einer von der Sonne durch das Auge des Beobachters gezogenen Geraden. Der Regenbogen selbst ist Teil des Grundkreises eines Kegels mit der Spitze im Auge des Beobachters und einem Öffnungswinkel von ca. 42°. Die Farbfolge beginnt innen bei Violett­Blau und endet außen bei Rot. Häufig sieht man auch nur einen Teil des Kreisbogens. Die gleiche Erschei­ nung kann man auch bei Springbrunnen oder Wasserfällen beobachten.

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411 635 Unter günstigen Be­ dingungen beobach­ tet man unter einem Winkel von etwa 52° noch einen zweiten Regenbogen, den Nebenregenbogen.

von der Sonne 42° 42° 2° Beobachter

Tritt Sonnenlicht in einen kugelförmigen Wassertropfen ein, dann wird der blaue Anteil stärker gebrochen als der rote Anteil. Der größte Teil des Lichts tritt an der Rückseite des Tropfens wieder aus, ein kleinerer Teil wird reflektiert und verlässt dann den Regentropfen, wobei erneut Brechung auftritt. Dass keine Totalreflexion auftritt, zeigt das nachfolgende Beispiel.

Eine erste umfas­ sende Erklärung des Zustandekommens eines Regenbo­ gens stammt von dem französischen Mathematiker und Naturforscher r eNÉ d escartes (1596 –1650), auch c artesIus genannt.

Licht dringt von außen in eine Glaskugel ein. Zeigen Sie, dass dieses Licht in der Kugel nicht total reflektiert werden kann. Im Punkt A fällt Licht unter dem Einfallswinkel α auf die Kugel A α und dringt mit dem Brechungs­ B β winkel β in die Kugel ein. Das β Lot verläuft jeweils radial. Das Dreieck ABM ist gleichschenklig. M Deshalb trifft der Lichtstrahl in B unter dem Einfallswinkel β auf die Grenzfläche Glas – Luft. Beim Punkt A folgt aus der Umkehr­ barkeit des Lichtwegs, dass der Winkel β kleiner sein muss als der Grenzwinkel der Totalreflexion. Folg­ lich kann auch bei Punkt B keine Totalreflexion stattfinden. Das meiste Licht tritt aus der Kugel wieder aus. Ein kleiner Teil des Lichts wird an der Grenzfläche reflektiert.

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Die Glaskugel kann als Modell für einen Wassertropfen ange­ sehen werden.

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370

Optik

Genauere Unter­ suchungen zeigen, dass auch die Tröpf­ chengröße Einfluss auf das Aussehen eines Regenbogens hat. Dabei spielen unterschiedliche Weglängen und darauffolgende Interferenz (b S. 392 f.) eine Rolle. Das beein­ flusst das Aussehen eines Regenbogens.

Lässt man z. B. rotes Licht von der Symmetrieachse beginnend immer weiter oben einfallen, dann nimmt 42° der Winkel zwischen einfallendem und ausfallendem Strahl zuerst zu und dann wieder ab. Er wird nie größer als 42° (b Skizze) . Bei die­ sem Winkel findet man besonders viel zurückgestrahltes Licht. Bei blauem Licht beträgt der be­ treffende Winkel 41°. Wenn man nun gegen die Tröpf­ chenwand schaut, dann bildet das einfallende Licht zum Beobachter > 42° Wand für weiter oben liegende Tröpf­ aus chen einen größeren Winkel als für ≈ 42° Wasserweiter unten liegende Tröpfchen < 42° tropfen (b Skizze). Weit oben befindliche Tröpfchen liefern in Richtung Beobachter kein Beobachter zurückgestrahltes Licht. Deshalb ist es oberhalb des Regenbogens rela­ tiv dunkel. Im Bereich von etwa 42° befindet sich der obere (rote) Rand des Regenbogens. Darunter liegen die anderen Farben. Im Innern des Regenbogens gibt es schwache Zurückstrahlung aller Far­ ben. Deshalb ist der Himmel dort relativ hell.

Eine weitere Erscheinung sind Luftspiegelungen (Fata Morgana), die durch Totalreflexion an Luftschichten zustande kommen.

Durch Brechung in der Atmosphäre treten weitere Effekte auf. Sterne sieht man in der Regel an einer anderen Stelle, als sie sich tatsächlich befin­ den (b Skizze links). Ursache dafür ist die kontinuierliche Brechung des von einem Stern kommenden Lichts beim Durchgang durch die Atmosphäre. Wir sehen den Stern an der Stelle, von der das Licht geradlinig herzukom­ men scheint. Die Sonne erscheint in der Nähe des Horizonts manchmal abgeflacht (b Abb. rechts) und, ähnlich wie der Mond, besonders groß. Diese schein­ bare Größenänderung ist eine Sinnestäuschung. Die Abflachung der Sonne kommt zustande, weil das Licht vom unteren Sonnenrand wegen des größeren Einfallswinkels stärker angehoben wird als das vom oberen Rand der Sonne.

Bei einem Neben­ regenbogen erfolgt in den Wassertrop­ fen eine zweifache Reflexion.

Skizze)

scheinbarer Ort = wahrer Ort Zenit

Erde

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scheinbarer Ort wahrer Ort

atmosphärische Schichten

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Ausbreitung von Licht und Wechselwirkung mit Stoffen

371

5.1.4 Streuung und Absorption von Licht Licht wird nicht nur an Grenzflächen reflektiert und gebrochen, sondern es tritt auch mit den Stoffen, die es durchdringt, in Wechselwirkung. Durch eine solche Wechselwirkung entsteht Streuung. Unter der Streuung von Licht versteht man seine Ablenkung aus der geradlinigen Bahn durch kleine Partikel, Moleküle und Atome.

Gibt man in ein Gefäß mit Wasser einige Tropfen Milch und durch­ strahlt das Gefäß in einer Richtung mit weißem Licht, dann beobachtet man quer zur Beleuchtungsrichtung eine Blaufärbung der Flüssigkeit. Schaut man entgegen der Beleuch­ tungsrichtung durch das Gefäß, dann erscheint es rot gefärbt. Beim Durchgang durch die Flüssigkeit wird mehr blaues Licht gestreut. Deshalb sieht die Flüssigkeit von der Seite blau aus. Dieses blaue Licht fehlt im durchgehenden Licht, sodass dieses rot wirkt. Analoge Effekte treten beim Durchgang von Sonnenlicht durch die Atmo­ sphäre auf. Die Intensität des an den Gasteilchen gestreuten Lichts hängt von der Wellenlänge ab: Blaues (kurzwelliges) Licht wird stärker gestreut als rotes (langwelliges) Licht. Dadurch sehen wir den wolkenlosen Himmel blau. In Horizontnähe erscheint er meist heller. Ursache dafür ist die Streu­ ung an bodennahen Aerosolen.

417 535 Das gestreute Licht ist teilweise polarisiert (b S. 400). Dieses polarisierte Streulicht wird z. B. von Bienen zur Orientierung ge­ nutzt. Bei Fotoauf­ nahmen erzielt man durch Nutzung eines Polarisationsfilters einen tiefblauen Himmel.

Der englische Phy­ siker J ohN w IllIam s trutt (1842–1919), der spätere l ord r ayleIgh , fand um 1870, dass die Intensität I des an Molekülen gestreu­ ten Lichts von der Wellenlänge abhän­ gig ist: 1 I~} 4  λ

Das gestreute weiße Licht überlagert sich mit dem blauen Licht aus der Streuung an Gasteilchen. Morgens und abends muss das Licht einen beson­ ders langen Weg durch die Atmosphäre zurücklegen. Das blaue Licht wird weggestreut; es bleibt rotes Licht übrig (Morgenrot, Abendrot).

Der deutsche Physiker a dolF m Ie (1868 –1957) stellte um 1900 fest, dass die Streuung von Licht an Aerosolen weitgehend un­ abhängig von der Wellenlänge ist.

Die Aufnahme von Licht und damit auch der Energie des Lichts durch Stoffe wird als Absorption bezeichnet.

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Überblick

372

Das Wichtigste im Überblick

Ausbreitung von Licht und Wechselwirkung mit Stoffen Licht kann mit dem Modell Lichtstrahl oder mit dem Modell Lichtwelle beschrieben werden. In einem homogenen Stoff konstanter Tempera­ tur breitet sich Licht geradlinig aus. Die Lichtge­ schwindigkeit im Vakuum beträgt:

Elementarwellen

Wellenfronten

c = 299 792,458 km · s–1 An Grenzflächen kann Licht reflektiert oder ge­ brochen werden. Beim Durchgang durch Stoffe wird es gestreut und absorbiert.

Reflexionsgesetz

Lichtstrahl

Brechungsgesetz

α

c1

α = α' α α'

c2

c

sin α  = 1   = n } } sin β c 2

β

Das Reflexionsgesetz wird bei ebenen Spiegeln, Hohlspiegeln oder Wölbspiegeln genutzt. Dispersion bedeutet die Abhängigkeit der Brechzahl n von der Wellenlänge des Lichts. Als Folge der Dispersion wird weißes Licht bei der Brechung an einer Grenzfläche (z. B. beim Prisma) in seine farbigen Bestandteile aufgefächert. Totalreflexion kann beim Übergang von Licht aus einem op­ tisch dichteren in einen optisch dünneren Stoff auftreten. Ist der Einfallswinkel α größer als der Grenzwinkel der Totalreflexion, so wird sämtli­ ches Licht an der Grenzfläche reflektiert. Die Totalreflexion wird in Glasfaserkabeln zur In­ formationsübertragung mit Licht genutzt.

Grenzfläche αG

Streuung von Licht erfolgt an kleinen Partikeln. Die Intensität des gestreuten Lichts hängt von der Wellenlänge ab. Blaues Licht wird wesentlich stärker gestreut als rotes Licht. Das erklärt z. B. die blaue Farbe eines wolkenlosen Himmels. Absorption von Licht erfolgt beim Durchgang durch Stoffe. Dabei wird die vom absorbierten Licht transportierte Energie vom Stoff aufgenommen. Wie viel Licht absorbiert wird, hängt von der Art des Stoffs und der Schichtdicke ab.

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Aufgaben

Aufgaben 415 414 Die Lichtgeschwindigkeit 1. Beschreiben Sie eine Möglichkeit zur experimentel­ len Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit. Gehen Sie auf den Versuchsaufbau, die zu messenden Größen und die Versuchsauswertung ein. 418 524 Spiegelbilder 2. Schaut man von der Seite in ein Aquarium, dann kann man an den Glaswänden zum Teil das Spiegel­ bild der Fische und des Inneren des Aquariums sehen. Der kleine Goldfisch James ist besonders eitel. Er schwimmt dauernd an der Wand entlang, als wollte er sich selbst beobachten. Kann er sein Spiegelbild im Glas sehen? 414 104 Brechung an Oberflächen 3. Im Diagramm ist rot der Zusammenhang zwischen dem Einfallswinkel und dem Brechungswinkel für den Übergang des Lichts zwischen Luft und Wasser dargestellt. β 50°

x

40°

n = 1,3 x

418 754 Glasfaserkabel 5. Bei einer Glasfaser für einen Lichtleiter beträgt die Brechzahl für den Glasfaserkern 1,60 und für den Mantel 1,55. a) Wie groß ist der Grenzwinkel der Totalreflexion für die beiden Glassorten und für den Übergang Kern– Mantel? b) Ermitteln Sie für die gegebenen Bedingungen den maximal möglichen Einstrahlwinkel. 414 654 Rechtwinkliges Prisma 6. Ein Glasprisma mit einer Brechzahl von 1,5 hat die in der Skizze dargestellte Form. Die Basisfläche ist ver­ einfallendes spiegelt. Licht fällt pa­ Licht rallel zur Basis nahe beim rechten Winkel ein. Ermitteln Sie den weiteren Strahlenver­ lauf.

45° 45° verspiegelte Fläche

418 364 Verschiedene Prismen 7. Lichtstrahlen treffen so auf ein gleichseitiges bzw. auf ein rechtwinkliges Prisma, wie es in den Skizzen eingezeichnet ist. (3)

(1)

45°

(4)

60°

x

30° 20°

x

373

(2)

x

60°

10°

60°

45°

0° 0° 10° 20° 30° 40° 50° 60° 70° 80° 90°

α

a) Interpretieren Sie dieses Diagramm. b) Zeichnen Sie das entsprechende Diagramm für den Übergang Luft– Glas (n = 1,5) und Luft–Dia­ mant (n = 2,4). Lesen Sie für beide Stoffkombinationen den Grenzwinkel für die Totalreflexion ab. c) Ist für eine Kombination von verschiedenen Stof­ fen der gestrichelt gezeichnete Zusammenhang möglich? Begründen Sie Ihre Aussage. 415 744 Totalreflexion und Brechzahl 4. Stellen Sie in einem Diagramm den funktionalen Zusammenhang zwischen dem Grenzwinkel der Totalreflexion und der Brechzahl für das Intervall 1 < n < 2 dar. Interpretieren Sie das Diagramm.

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Skizzieren Sie jeweils den weiteren Strahlenverlauf bis zum Austritt aus dem Prisma (nGlas = 1,6). Kennzeichnen Sie in den Skizzen alle Winkel und be­ rechnen Sie diese. 414 994 Planparallele Glasplatte 8. Licht trifft unter dem α Einfallswinkel α auf eine planparallele Platte aus β durchsichtigem Mate­ d rial, z. B. Glas. β x Untersuchen Sie die Abhängigkeit des Ab­ α stands x zwischen dem einfallenden und dem austretenden Lichtstrahl a) vom Einfallswinkel, b) von der Brechzahl n der Platte, c) von der Dicke d der Platte.

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374

Optik

414 334 Lichtgeschwindigkeit in Glas 9. Entwerfen Sie ein Experiment, um mithilfe des Bre­ chungsgesetzes die Lichtgeschwindigkeit in Glas zu bestimmen.

419 094 Die Drehspiegelmethode 14. Der Physiker l ÉoN F oucault (1819 –1868) bestimmte die Lichtgeschwindigkeit, indem er Licht auf einen Spiegel fallen ließ, der sich drehte. Hohlspiegel H

414 354 Spektralfarben 10. Erläutern Sie, wie man auf der Basis der Licht­ brechung an Glasoberflächen weißes Licht in die Spektralfarben zerlegen kann. Fertigen Sie dazu eine geeignete Skizze an und tragen Sie die Strahlenverläufe für unterschiedliche Farben ein. 415 044 Reflexion an einem Spiegel 11. In Punkt L befindet sich Lichtquelle L eine punktförmige Licht­ x quelle, von der eine kugelförmige Lichtwel­ Spiegel S lenfront ausgeht. Diese wird am Spiegel S reflektiert. Zeichnen Sie eine Momentaufnahme, die auch die reflektierte Wellen­ front darstellt. Zeigen Sie mithilfe des huygensschen Prinzips, dass die reflektierte Welle scheinbar von einer Licht­ quelle hinter dem Spiegel ausgeht, die sich in der gespiegelten Position zur ursprünglichen Lichtquelle befindet. 414 814 Totalreflexion 12. Licht fällt unter dem Einfallswinkel α auf eine dünne parallele Platte, z. B. eine Fensterscheibe.

Blende α

α 2α

L

Spiegel S

C Drehrichtung

a) Informieren Sie sich in Physiklehrbüchern, Nach­ schlagewerken oder im Internet genauer über den Versuchsaufbau und die Versuchsdurchfüh­ rung. b) Bereiten Sie einen Kurzvortrag vor. Schwer­ punkte sollten sein: – Aufbau und Durchführung der Messungen – Vorteile gegenüber anderen Verfahren – Ergebnisse von F oucault 414 674 Wege und Zeiten 15. Ein Rettungsschwimmer läuft auf dem Land mit m m v1 = 8 }  und schwimmt mit v2 = 4 } .  Er befindet sich s s zunächst in Punkt A an Land, ein Ertrinkender in Punkt B im Wasser. A Land

α

Luft Glas

Kann Totalreflexion auftreten? Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit Ihrer Alltagserfah­ rung beim Blick durch ein Fenster. 423 904 Fata Morgana 13. An heißen, sonnigen Tagen kann man häufig Luft­ spiegelungen in der Ferne über schwarzem Straßen­ belag beobachten. Auf denselben physikalischen Zusammenhängen basieren die als Fata Morgana bekannten Luftspiegelungen, die in der Wüste zu beobachten sind. Recherchieren Sie diese Effekte. Erklären Sie die Erscheinungen mithilfe einer geeigneten Skizze. Bereiten Sie zum Thema „Fata Morgana“ eine kurze Präsentation vor.

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1

2

3

D

C

Wasser

B

a) Welcher der drei gezeichneten Wege ist für die Rettung am günstigsten? Begründen Sie Ihre Aussage. } b) Stellen Sie eine Formel auf, die für AC  = 50 m, } } CD  = 80 m und DB  = 30 m die Rettungszeit von Punkt A über einen beliebigen Punkt zwischen C und D nach Punkt B berechnet. c) Bestimmen Sie rechnerisch das Minimum der Ret­ tungszeit. Vergleichen Sie mit dem Brechungs­ gesetz.

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Spiegel, Linsen und optische Geräte

375

5.2 Spiegel, Linsen und optische Geräte 5.2.1 Bilder an Spiegeln Entstehung und Arten von Bildern Betrachten wir mit den Augen einen Gegenstand, so sehen wir von ihm in der Regel ein scharfes Bild, weil jedem Gegenstandspunkt ein Bildpunkt auf der Netzhaut unseres Auges zugeordnet ist. Bringt man dagegen einen Schirm vor einen Gegenstand, so erhält man kein Bild, weil von jedem Gegenstandspunkt Licht in die unterschiedlichen Richtungen ausgeht (b Abb. links). Erst wenn man den Strahlengang z. B. durch eine Lochblende einschränkt, erhält man eine eindeutige Zuordnung zwischen Gegenstands- und Bildpunkt und damit ein Bild (b Skizze rechts). Schirm

Blende

Schirm

Das scharfe Bild eines Gegenstands entsteht, wenn jedem Gegenstandspunkt eindeutig ein Bildpunkt zugeordnet werden kann. Das kann man z. B. durch Blenden, Spiegel oder Linsen erreichen. Beim menschlichen Auge sorgt ein optisches System aus Hornhaut, Augenflüssigkeit und Augenlinse dafür, dass ein Bild eines Gegenstands auf der Netzhaut entsteht und von dort die Informationen zum Gehirn weitergeleitet und verarbeitet werden. Grundsätzlich sind zwei Arten von Bildern zu unterscheiden. Bilder von Gegenständen, die man auf einem Schirm auffangen kann, nennt man reelle Bilder.

Ein reelles Bild entsteht, wenn man mit einem Diaprojektor das Bild eines Dias auf einer Projektionswand erzeugt oder wenn das Bild eines Gegenstands auf der Netzhaut abgebildet wird.

Nach diesem Prinzip arbeitet die Lochkamera. Je kleiner die Lochblende ist, umso schärfer und umso lichtschwächer ist das Bild. Seine Größe hängt von der Entfernung Blende–Schirm und von der Gegenstandsgröße ab.

Zu den Besonderheiten der menschlichen Wahrnehmung gehört es, dass wir einen Gegenstandspunkt dort sehen, wo das Licht, das ins Auge fällt, herzukommen scheint. Wird z. B. das von einem Gebäude kommende Licht an einer glatten Wasserfläche reflektiert, so scheint das Licht vom Spiegelbild herzukommen.

Bilder von Gegenständen, die man nicht auf einem Schirm allein auffangen, aber mit den Augen beobachten oder auch fotografieren kann, nennt man virtuelle Bilder.

Betrachtet man sich im Spiegel, so sieht man sein Spiegelbild. Dieses Spiegelbild kann man auch fotografieren, nicht aber auf einem Schirm auffangen. Das Spiegelbild ist ein virtuelles Bild.

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376

Optik

Ebener Spiegel Paralleles Licht wird als paralleles Licht reflektiert.

Oft wird behauptet, dass das Spiegelbild seitenverkehrt sei. Die rechte Hand ist aber vom Be- obachter aus im Bild auch rechts. Die Bild person hat sich jedoch gedreht. Es wurde also hinten und vorn vertauscht.

S

S G

B

Befindet sich der Gegenstand in beliebiger Entfernung vom Spiegel, dann ist das Bild – gleich groß wie der Gegenstand, – aufrecht, – seitenrichtig, – virtuell.

Kugelförmiger Hohlspiegel Bei Parabolspiegeln wird parallel einfallendes Licht zum Brennpunkt reflektiert. Vom Brennpunkt ausgehendes Licht verläuft nach der Reflexion parallel.

M

Paralleles Licht wird nach der Reflexion zunächst in einem Punkt (Brennpunkt) konzentriert.

F

G

S

Befindet sich der Gegenstand zwischen einfacher und doppelter Brennweite, dann ist das Bild – vergrößert, – umgekehrt, – seitenvertauscht, – reell.

F

M

B

Kugelförmiger Wölbspiegel F ist der Brennpunkt des Spiegels, der } die   Abstand SF Brennweite, M der Krümmungsmittelpunkt. Ist r der Radius der Spiegelfläche, dann gilt:

F

M

}

  r = SM }

}

  = f = FM = } 12  r   SF

Die gezeichneten Strahlenverläufe gelten nur für achsennahe Strahlen.

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G B

F

Paralleles Licht wird in keinem Punkt konzentriert, sondern bildet einen divergenten Lichtkegel. S

Befindet sich der Gegenstand in beliebiger Entfernung vom Spiegel, dann ist das Bild – verkleinert, – aufrecht, – seitenrichtig, – virtuell.

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Spiegel, Linsen und optische Geräte

377

5.2.2 Bilder durch Linsen Je nach dem Strahlenverlauf unterscheidet man zwei große Gruppen von Linsen, die in der nachfolgenden Übersicht dargestellt sind. Sammellinsen

Zerstreuungslinsen

F

F f

F

F f

f

f

Für die Bildentstehung ist wesentlich, dass das von einem Gegenstandspunkt ausgehende Licht nach der Brechung an der Linse wieder in einem Punkt, dem Bildpunkt P‘, gesammelt wird (b Abb. links). Schirm Parallelstrahl

P P F F optische Achse

M P'

F

F P' Brennpunktstrahl Mittelpunktstrahl

Für die Konstruktion eines Bildpunkts nutzt man die in der rechten Skizze dargestellten drei speziellen Strahlen. Die genannten Strahlen sind zwar für die Bildkonstruktion sehr gut geeignet, aber für die Bildentstehung völlig unwichtig. Trifft z. B. ein Parallelstrahl von einem Gegenstandspunkt wegen der Größe des Gegenstands überhaupt nicht auf die Linse, dann ergibt sich trotzdem ein Bildpunkt, den man mithilfe anderer Strahlen finden kann. Entscheidend für die Helligkeit eines Bildpunkts ist all das Licht, das von einem Gegenstandspunkt ausgeht und durch die Linse fällt. Das bilderzeugende Lichtbündel wird nur durch Blenden oder die Fassung der Linse begrenzt.

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Eine kleine oder eine halbe Linse führt nicht etwa zu einem „abgeschnittenen“ Bild, sondern lediglich zu einem dunkleren Bild.

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378

Optik

Wir betrachten ausschließlich dünne Linsen. Das sind Linsen, bei denen man die zweifache Brechung an der Grenzfläche Luft– Glas und Glas – Luft durch eine einmalige Brechung an der Linsenebene ersetzen kann. Bei einer Sammellinse hat die Brennweite immer einen positiven Wert, bei Zerstreuungslinsen dagegen einen negativen Wert. f = +100 mm bedeutet: Es liegt eine Sammel linse mit einer Brennweite von 100 mm vor.

Gegenstands- Brennebene ebene

Linsenebene

Brennebene

Gegenstandsgröße G

F

2F

F Bildgröße B

optische Achse

f

f

Gegenstandsweite g In der Technik, z. B. bei Fotoapparaten, Fernrohren oder Mikroskopen, arbeitet man mit Linsensystemen, die sich insgesamt wie eine Sammellinse oder eine Zerstreuungslinse verhalten.

Bildebene

Bildweite b

Zwischen Gegenstandsgröße, Bildgröße, Gegenstandsweite, Bildweite und Brennweite der Linse gibt es enge Zusammenhänge. Sie ergeben sich aus einfachen geometrischen Betrachtungen an dünnen Linsen. b

g

G

F

2F

F B g–f

f

Aus der gestrichelten Figur folgt nach dem Strahlensatz: B  }    = } bg   G

Mit } G    = } gb   erhält B man: gf    –1  gb   = } } Die Umformung ergibt: g1    + } b1    }1f    = }

Ebenfalls aus dem Strahlensatz ergibt sich (grün markierte Figur):  G    = } g – f       = } gf    –1 } B f Damit erhält man für dünne Linsen folgende Zusammenhänge: B Für den Abbildungsmaßstab A erhält man: A = } G    = } bg  

g1    + } b1    1f    = } }

Die Abbildungsgleichung lautet:

16 835 4 Bilder an Zerstreuungslinsen

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B Bildgröße G Gegenstandsgröße

b g f

Bildweite Gegenstandsweite Brennweite

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Spiegel, Linsen und optische Geräte

Ort des Gegenstands

Bild und Bildkonstruktion

Eigenschaften des Bilds

außerhalb der doppelten Brennweite einer Sammellinse G

– verkleinert – umgekehrt – seitenvertauscht – reell (wirklich)

F

g > 2f

F

f < b < 2f B < G

B

in der doppelten Brennweite einer Sammellinse G

zwischen einfacher und doppelter Brennweite einer Sammellinse

F

F

B

G g = f

F

B

F

b > 2f B > G

– kein scharfes Bild (Bild im Unendlichen) – gebrochene Strahlen verlaufen parallel b g ∞

F

G

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– vergrößert – umgekehrt – seitenvertauscht – reell (wirklich)

F

in der einfachen Brennweite einer Sammellinse

g < f

b = 2f B = G

B

G

2f > g > f

innerhalb der einfachen Brennweite einer Sammellinse

– gleich groß – umgekehrt – seitenvertauscht – reell (wirklich)

F

g = 2f

379

F

– vergrößert – aufrecht – seitenrichtig – virtuell (scheinbar) 0 < b < ∞ B > G

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380

Optik

5.2.3 Bilder durch optische Geräte Bei zeichnerischen Darstellungen ersetzt man das optische System des Auges durch eine Sammellinse. 411 465

Stäbchen reagieren auf Hell-DunkelReize, die weniger empfindlichen Zapfen auf Farben

Die Festlegung der deutlichen Sehweite auf 25 cm ergibt sich aus der Erfahrung.

Das menschliche Auge ist ein kompliziertes optisches System, das aus Hornhaut, Augenflüssigkeit, Augenlinse und Glaskörper gebildet wird und insgesamt wie eine Sammellinse mit einer hinteren BrennSchirm (Netzhaut) weite von etwa 23 mm wirkt. Die Augenlinse wird durch Muskeln so gekrümmt, dass auf der Netzhaut ein scharfes, umgekehrtes, seitenvertauschtes und reelles Bild entsteht. Dieses wird durch Lichtsinneszellen (Stäbchen und Zapfen) registriert und als Signale über den Sehnerv zum Gehirn übertragen. Aus Erfahrung nehmen wir das Bild aufrecht und seitenrichtig wahr. Die Anpassung an unterschiedlich weit entfernte Gegenstände erfolgt mithilfe der Augenlinse, die Anpassung an die Intensität des einfallenden Lichts durch die Pupille, eine Blende mit veränderlicher Öffnung. Ein gesundes Auge kann Gegenstände ohne Anstrengung in einer minimalen Entfernung von 25 cm scharf abbilden. Diese Entfernung wird als deutliche Sehweite bezeichnet. Linse

Die Größe des Netzhautbilds und damit der Größeneindruck, den wir von einem Gegenstand haben, wird durch den Sehwinkel α bestimmt. Linse Mit Verringerung der Gegenstandsweite vergrößert sich der Sehwinkel.

Gegenstand

α2 α1

Schirm (Netzhaut) Weitsichtigkeit wird auch als Übersichtigkeit bezeichnet. Eine spezielle Form ist die Altersweitsichtigkeit.

Die Stärke von Brillengläsern wird in Dioptrien (dpt) angegeben. Das ist die Einheit der Brechkraft D, für die gilt: D = } 1f    (f in Meter)

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Häufige Sehfehler sind Weitsichtigkeit und Kurzsichtigkeit. Weitsichtigkeit

Kurzsichtigkeit

Gegenstände in der Nähe können nicht Gegenstände in der Ferne können scharf abgebildet werden. nicht scharf abgebildet werden. (Augapfel zu kurz) (Augapfel zu lang)

Korrektur durch Sammellinse (positive Dioptrienzahl)

Korrektur durch Zerstreuungslinse (negative Dioptrienzahl)

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Spiegel, Linsen und optische Geräte

381

Beachten Sie: Die Abbildung von Gegenständen auf der Netzhaut ist ein rein physikalischer Vorgang. Allerdings werden die aufgenommenen optischen Informationen im Gehirn verarbeitet. Deshalb spielen beim Sehvorgang auch Erfahrungen und Stimmungen eine Rolle. Das bedeutet: Verschiedene Personen, die dieselben Gegenstände oder Vorgänge betrachten, können unterschiedliche optische Wahrnehmungen haben. Das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges, also die Fähigkeit, zwei Gegenstandspunkte noch getrennt wahrzunehmen, wird durch die Dichte der Lichtsinneszellen in der Netzhaut und durch Beugungseffekte (b S. 396) bestimmt, die an der Pupille auftreten. Ein normalsichtiges Auge kann gerade noch zwei Punkte als getrennt wahrnehmen, die 1 m vom Auge entfernt sind und einen Abstand von 3 mm voneinander haben. Das entspricht einem Sehwinkel von etwa einer Bogenminute (1‘). Lupen Eine Lupe dient dazu, Gegenstände vergrößert zu sehen. Der Gegenstand befindet sich innerhalb der Brennweite der Sammellinse. Das wirksame Lichtbündel wird durch die Augenlinse begrenzt.     Gegen-

Bild

Bei vielen Vogelarten ist das Auflösungsvermögen des Auges wesentlich größer als beim Menschen. Den Wert von 1‘ für das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges fand r oBert H ooKe (1635 –1703) bereits im Jahre 1674.

Lupe (Sammellinse)

stand

F

F

Es entsteht ein vergrößertes, aufrechtes, seitenrichtiges und virtuelles Bild, das mit dem Auge betrachtet wird. Allgemein gilt: α2 G α1 tan α

V = } tan α2   1

Die Vergrößerung V eines optischen Geräts ist das Verhältnis des Tangens des Sehwinkels mit optischem Gerät zu dem ohne optisches Gerät. α1 Sehwinkel ohne optisches Gerät α2 Sehwinkel mit optischem Gerät

Die sogenannte Normalvergrößerung einer Lupe erhält man, wenn man den Gegenstand etwa in die Brennebene der Lupe bringt und sich die Augen in der deutlichen Sehweite (25 cm) vor der Lupe befinden. Für die Vergrößerung einer Lupe (Normalvergrößerung) gilt:      V = } 25 cm f

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f

Brennweite der Lupe in cm

Vergrößerung und Abbildungsmaßstab sind zwei unterschiedliche Größen. Die Vergrößerung bezieht sich immer auf den Sehwinkel.

Mit Lupen erreicht man sinnvolle Vergrößerungen von bis zu 15. Stärkere Vergrößerungen führen meist zu einer mangelhaften Bildqualität.

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382

Interessantes aus der Technik

Digitalkameras Viele Jahrzehnte lang wurden Bilder auf Filmen gespeichert. Mit der Entwicklung der Mikroelektronik vollzog sich in den letzten 30 Jahren auch im Bereich der Kameras ein gravierender Wechsel. 1981 stellte die Firma Sony auf der Photokina in Köln die erste Digitalkamera vor. Heute hat sich die digitale Fotografie weitgehend durchgesetzt. Das reicht von der einfachen Handykamera bis zu hochwertigen Spiegelreflexkameras.

1 Spiegel reflexkamera mit Zoomobjektiv

Das Funktionsprinzip Bei einer Digitalkamera wird der Gegenstand mit einem Objektiv, das wie eine Sammellinse wirkt, auf einem Computerchip (CCD-Chip) abgebildet (b Abb. 2). Dieser besteht aus kleinen quadratischen Sensoren, die das auffallende Licht in eine Spannung umwandeln. Je größer die Lichtintensität ist, desto größer ist die Spannung. Ein Analog-DigitalWandler formt die kontinuierlichen Spannungswerte in digitale Signale (0,1) um. Sie werden auf einem kleinen LCD-Bildschirm, meist auf der Rückseite der Kamera, als Bild dargestellt. Beim Auslösen Objekt

Objektiv

der Kamera werden die digitalen Signale auf einem Speicherchip gespeichert. Die Bilder können dann mit dem Fernseher angeschaut, mit dem PC bearbeitet oder ausgedruckt werden. Die Anzahl der Bildpunkte ist inzwischen so hoch, dass selbst mit preiswerten Kameras qualitativ gute Bilder gemacht werden können. So sind etwa bei einer Größe des CCD-Chips von 5,8 x 4,3 mm2 etwa 8 Millionen Pixel (Bildpunkte) vorhanden. Das ist der Stand von 2011. Um aber wirklich gute Aufnahmen zu erzielen, müssen unterschiedliche Aspekte beachtet werden. Einstellung der Schärfe Durch das Objektiv der Kamera wird auf dem Chip ein Bild erzeugt. Dabei wird bei einer bestimmten Bildweite b nur eine Ebene in der Entfernung g scharf abgebildet (b Abb. 3). Für Digitalkameras gilt aber: Die Gegenstandsweite g ist sehr viel größer als die Brennweite f. Damit ist die Bildweite b für unterschiedlich weit entfernte Objekte etwa so groß wie die Brennweite, sodass für einen größeren Bereich von Objekten ein relativ scharfes Bild entsteht. Dabei gilt: Je kleiner die Brennweite ist, desto größer ist die Tiefenschärfe. Objektiv

Objekte

g2

b

g1

CCD-Chip 3 Die Objekte sind in der Regel unterschiedlich weit entfernt. CCD-Chip

Analog-Digital- Speicher Wandler

Bildschirm (TV, PC, Kamera)

Drucker analoges Signal

digitales Signal

2 Funktionsprinzip einer Digitalkamera

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383

Weil das menschliche Auge im grüngelben Bereich besonders empfindlich ist, sind doppelt so viele grüne wie blaue bzw. rote Sensorbereiche vorhanden.

Kontrast

Bereich des maximalen Kontrasts Bildweite b 1 Für einen Bildbereich wird durch Kontrastmessung die Schärfe eingestellt. Während man früher die Scharfeinstellung durch die Verschiebung von Linsen des Objektivs über ein Gewinde per Hand vornahm, stellen moderne Kameras die Schärfe automatisch ein (Autofokus). Dabei misst die Kamera in einem festgelegten Bildbereich, meist in der Mitte des Sucherbilds, den Bildkontrast. Bei einem scharfen Bild, also scharfen Grenzen zwischen hellen und dunklen Bereichen, ist der Kontrast maximal. Ein Motor bewegt die Linse zuerst in eine Richtung und prüft, ob der Kontrast zunimmt. Ist das nicht der Fall, dann ändert er die Richtung. Nun bewegt er die Linse so lange in Richtung zunehmenden Kontrasts, bis der Kontrast wieder abzunehmen beginnt (b Abb. 1). Die Software in den Kameras ist inzwischen in der Lage, Gesichter zu erkennen und Objekte zu speichern, die scharf eingestellt werden sollen. Bei kontrastarmen Objekten arbeitet die automatische Scharfeinstellung nicht zuverlässig. Gegebenenfalls muss die Einstellung der Schärfe manuell vorgenommen werden. Der lichtempfindliche CCD-Chip Der CCD-Chip besteht aus einigen Millionen winziger, lichtempfindlicher Sensoren. Diese können nur Grautöne unterscheiden. Deshalb wird vor diesen Sensoren ein Filtersystem angebracht (b Abb. 2). Jeder Sensor, der hinter einem dieser Filter liegt, erfasst jeweils nur eine Farbe.

2 Farbfilter vor einem CCD-Chip

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Man geht nun davon aus, dass sich benachbarte Punkte farblich kaum unterscheiden, und rechnet aus den Informationen benachbarter Punkte die tatsächliche Farbe des Punkts aus. So entsteht die eigentliche Bildinformation erst über einen Rechenalgorithmus, die sogenannte Farbinterpretation. Das kann man bei der Vergrößerung von Rändern, an denen sich die Farbe abrupt ändert, erkennen. Dort entstehen aufgrund der fehlenden Informationen feine Farbmuster. Rauschen und Bildqualität In der Werbung wird nicht selten mit einer möglichst hohen Pixelzahl geworben. Dabei ist zu beachten: Bei gleicher Größe des CCD-Chips verkleinert sich mit zunehmender Anzahl die Fläche der einzelnen Pixel. Damit wird auf ihnen auch weniger Ladung gespeichert. Sie werden empfindlicher gegen äußere Einflüsse. Nimmt man z. B. bei abgedecktem Objektiv über mehrere Sekunden lang ein Bild auf, dann erhält man kein vollständig dunkles Bild. Durch Wärme und andere Einflüsse werden einzelne Pixel angeregt und rufen ein nicht durch Licht bewirktes Signal hervor. Diese in der Physik als Rauschen bezeichnete Erscheinung überlagert jedes aufgenommene Bild. Das Rauschen ist umso stärker, je kleiner die Pixel sind. Es macht sich besonders bei lichtschwachen Aufnahmen bemerkbar. Wichtiger als eine möglichst hohe Pixelzahl sind ein gutes Objektiv und ein flächenmäßig möglichst großer CCD-Chip. Moderne Digitalkameras haben Zoomobjektive mit einem großen Brennweitenbereich. Sie verfügen über Motivprogramme, die automatisch eine optimale Kombination aus Belichtungszeit und Blendenöffnung wählen. Allerdings gilt: Zu guten Fotos gehört mehr als eine moderne Digitalkamera. Darüber hinaus ist zu beachten: Viele Fotos, die veröffentlicht werden, sind keine Originalfotos. Meist sind sie mit einem Bildbearbeitungsprogramm bearbeitet. Solche Programme bieten eine Vielzahl von Bearbeitungsmöglichkeiten – vom Einfügen eines blauen Himmels bis zum Löschen von unerwünschten Bildstellen oder der Veränderung von Farben.

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384

Optik

Mikroskope Die ersten Mikros kope wurden von dem niederländischen Naturforscher a NtoNY VaN l eeUweNHoeK (1632 –1723) und von dem englischen Naturforscher r oBert H ooKe (1635 –1703) gebaut und genutzt. Tubus

Okular

Objektivrevolver Stativ

Objektiv Objekttisch

Triebrad

Blende

Stärkere Vergrößerungen als mit Lupen erreicht man mit Mikroskopen. Ein Mikroskop besteht aus zwei Sammellinsen, dem O bjektiv und dem O kular. Der Gegenstand wird zwischen die einfache und doppelte Brennweite des Objektivs gebracht, sodass durch das Objektiv ein bereits vergrößertes reelles Bild im Tubus des Mikroskops erzeugt wird. Dieses Zwischenbild befindet sich innerhalb der Brennweite des Okulars. Damit wirkt das Okular als Lupe. Man beobachtet mit den Augen ein stark vergrößertes, umgekehrtes, seitenvertauschtes, virtuelles Bild des Gegenstands. Die nachfolgende Skizze zeigt den prinzipiellen Strahlenverlauf.

Beleuchtung oder Spiegel

Objektiv

Bild

Zwischenbild

Okular (Lupe)

Auge

Gegenstand

FObj. Mit Lichtmikroskopen sind Vergrößerungen bis etwa 2 000 sinnvoll. Eine wesentlich höGegenstand here Vergrößerung erreicht man mit Elektronenmikroskopen (b S. 425), bei FObj. denen andere physikalische Gesetze genutzt werden.

FObj.

FOk.

Die V ergrößerung eines Mikroskops hängt von den Brennweiten von Objektiv und Okular sowie von der Tubuslänge (Abstand der Brennpunkte Auge Objektiv Zwischenbild Okular Bild von Objektiv und Okular) ab. Für die Vergrößerung eines Mikroskops gilt: V = VObjektiv · VOkular V = } f t · s     · f Obj

Ok

FObj.

t s

Tubuslänge deutliche Sehweite

FOk.

Das Auflösungsvermögen eines Lichtmikroskops wird maßgeblich durch die Wellenlänge des Lichts bestimmt (b S. 396). Es ist also grundsätzlich begrenzt. Die Grenze des Auflösungsvermögens liegt bei etwa 0,3 µm, also bei der halben Wellenlänge.

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Spiegel, Linsen und optische Geräte

Fernrohre und Ferngläser Um weit entfernte Gegenstände deutlicher zu sehen, werden Fernrohre genutzt. Mit einem Fernrohr wird eine Vergrößerung des Sehwinkels und damit auch ein größeres Bild auf der Netzhaut des Auges erreicht. Ein astronomisches oder keplersches Fernrohr besteht aus zwei Sammellinsen. Mit dem Objektiv wird ein reelles Bild des weit entfernten Gegenstands (Zwischenbild) erzeugt. Dieses Zwischenbild wird mit dem Okular betrachtet, wobei das Okular wie eine Lupe wirkt. Insgesamt entsteht ein verkleinertes, umgekehrtes, seitenvertauschtes und virtuelles Bild des Gegenstands. Der Sehwinkel ist aber größer als ohne Fernrohr. Die Skizze zeigt den prinzipiellen Strahlenverlauf bei einem keplerschen Fernrohr. Objektiv

385

Der beschriebene Aufbau geht auf den Astronomen J oHaNNes K ePler (1571–1630) zurück.

Okular

Auge

Licht von einem weit entfernten Gegenstand Bild

Zwischenbild

Für die Vergrößerung eines keplerschen Fernrohrs gilt: fObj. V = }   fOk.

fObj. Brennweite des Objektivs fOk. Brennweite des Okulars

Fernrohre unterschiedlicher Bauweise werden vor allem für astronomische Beobachtungen genutzt (b S. 384). Geräte, die es ermöglichen, Gegenstände mit beiden Augen und damit auch räumlich zu beobachten, werden als Ferngläser bezeichnet. Mikroskop

Das Auflösungsvermögen eines Fernrohrs wird vor allem vom Durchmesser des Objektivs bestimmt.

Fernrohr

Kleine Gegenstände sollen vergrößert werden. Man Weit entfernte Gegenstände sollen deutlicher und will mehr Details erkennen. Dazu muss der Sehdetailreicher zu sehen sein. Dazu muss der Sehwinkel vergrößert werden. winkel vergrößert werden. Bild

Gegenstand

α2

Bild α1

α1 Gegenstand

α2 Auge

Auge Das Bild ist größer als der Gegenstand, der Sehwinkel ist größer.

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Das Bild ist kleiner als der Gegenstand, der Sehwinkel aber größer.

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386

Interessantes aus der Astronomie

Refraktoren und Spiegelteleskope Das Linsenfernrohr (Refraktor) wurde um etwa 1600 erfunden. Diese Erfindung breitete sich rasch aus. So baute G alIleo G alIleI (1564 –1642) ein Linsenfernrohr nach und verwendete es als Erster bei astronomischen Beobachtungen. Dabei entdeckte er u. a. die vier großen Jupitermonde Io, Europa, Ganymed und Kallisto, die sogenannten galileischen Monde. Im einfachsten Fall besteht ein astronomisches oder keplersches Fernrohr aus einem Objektiv und einem Okular, die in einem Tubus angeordnet sind (b Abb. 1). Objektiv

1 Strahlengang beim keplerschen Fernrohr für sehr weit entfernte Objekte, z. B. Sterne

Okular

Vom Objektiv wird ein vergrößertes Zwischenbild erzeugt, das durch das Okular betrachtet und dabei noch mal vergrößert wird. Das Bild ist darüber hinaus umgekehrt und seitenvertauscht. Da die Helligkeit des Bilds vom Durchmesser des Objektivs abhängig ist, wurde versucht, immer größere Objektive zu bauen. Das stieß aber bereits

2 Das längste Linsenfernrohr der Welt ist der 1896 in Betrieb genommene Refraktor der ArchenholdSternwarte in Berlin-Treptow mit einer Brennweite von 21 m. Das Gerät ist voll funktionsfähig.

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3 Das 1-m-Spiegelteleskop der Universitätssternwarte Bonn. Am unteren Ende ist eine CCD-Kamera angebracht. um 1900 an Grenzen. Das größte jemals hergestellte und eingesetzte Fernrohrobjektiv ist das für den Refraktor des Yerkes-Observatoriums (USA) mit einem Durchmesser von 102 cm. Fast parallel zur Entwicklung der Refraktoren urden die ersten Teleskope unter Nutzung von w Spiegeln gebaut. Als einer der Ersten konstruierte I saac N ewtoN (1643 –1727) um 1668 ein Spiegelteleskop mit 25 mm Öffnung. Auch hier ging die Entwicklung schnell weiter. Schon im 19. Jahrhundert arbeitete F. w. H erscHel (1738 –1822) mit einem 1,2-m-Spiegel und w. P arsoNs (1800 –1867) mit einem 1,8-m-Spiegel. Weitere Meilensteine in der Entwicklung waren der Spiegel des Mt.-Wilson-Observatoriums (USA) mit 2,5 m Spiegeldurchmesser (1918) und der 5-m-Spiegel des Mt.-Palomar-Observatoriums (1949). Mithilfe dieser Instrumente wurden zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen. Die optischen Bauteile eines Spiegelteleskops sind der Hauptspiegel, ein oder mehrere Hilfsspiegel und das Okular. Diese Baugruppen sind in den Tubus eingebaut, der bei modernen Geräten durch eine Gitterkonstruktion ersetzt ist. Nach der Art ihres Aufbaus unterscheidet man den Newton-, Schmidt- und Cassegrein-Spiegel, benannt nach den Forschern, die die betreffende Bauform eines Spiegelteleskops

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a)

b)

c)

1 Strahlenverlauf beim Newton-Spiegel (a), Schmidt-Spiegel (b) und Cassegrein-Spiegel (c) erstmals konstruiert bzw. verwendet haben. Vereinfacht ist der Strahlengang für diese drei Bauformen in Abb. 1 dargestellt. Beim Newton-Spiegel (b Abb. 1a) befindet sich kurz vor dem Brennpunkt des Hauptspiegels ein ebener Hilfsspiegel, der das Licht aus dem Tubus herauslenkt. Am Tubusausgang werden das Okular oder Registriergeräte angebracht. Schmidt-Spiegel (b Abb. 1b) verfügen über einen kugelförmig geschliffenen Hauptspiegel. Abbildungsfehler werden durch eine gläserne Korrektionsplatte ausgeglichen. Das Bild entsteht im Tubus auf einer kugelförmigen Fläche. Der Cassegrein-Spiegel (b Abb. 1c) besitzt einen mittig durchbohrten Hauptspiegel. Das Licht wird durch den Hauptspiegel reflektiert und gebündelt. Es trifft dann auf einen Hilfsspiegel, der es zur Öffnung des Hauptspiegels reflektiert. Dort befindet sich das Okular bzw. Registriergeräte. Für das theoretische Auflösungsvermögen von Teleskopen gilt die Beziehung:

Gerät

Durchmesser

max. Auflösung

Schulfernrohr

6,3 cm

2”

5-m-Spiegel

5 m

0,5”

Hubble-Weltraumteleskop

2,4 m

0,1”

8-m-Spiegel

8 m

0,1”

gekoppelte 8-m-Spiegel – + Hilfsspiegel

0,001”

Ein Beispiel dafür ist das NTT (New Technology Telescope) der ESO (European Southern Observatory) auf dem Berg La Silla (Chile, 2 400 m Höhe) mit einem Spiegeldurchmesser von 3,58 m. In dem Bestreben, immer größere Spiegel zu erhalten, werden unterschiedliche Wege gegangen. Eine Möglichkeit besteht darin, den Hauptspiegel aus Teilspiegeln zusammenzusetzen. Ein solcher Facettenspiegel mit insgesamt 10 m Durchmesser wird beim Keck-Teleskop (Hawaii) genutzt. Beim VLT (Very Large Telescope) der ESO (b Abb 2), das 1998 in Betrieb genommen wurde, können vier 8-m-Spiegel unabhängig voneinander arbeiten, aber auch optisch miteinander gekoppelt werden. Die einzelnen Spiegel verfügen über eine aktive Lagerung, d. h., der Spiegel wird computergesteuert den Bedingungen angepasst. Die optisch gekoppelten Spiegel wirken wie ein wesentlich größerer Spiegel. Ausführliche Informationen und aktuelle Bilder sind im Internet unter der Adresse www.eso.org zu finden.

α = 1,22 } Dλ      (b S. 396) Dabei sind α das Auflösungsvermögen in Bogenmaß, λ die Wellenlänge des betreffenden Lichts und D der Durchmesser des Objektivs (Spiegels). Dem praktisch erreichbaren Auflösungsvermögen sind vor allem durch Szintillationen Grenzen gesetzt, die bei etwa 0,5“ liegen. Abhilfe schafft nur die Beobachtung im Weltraum (z. B. Hubble-Weltraumteleskop) oder die Verwendung einer adaptiven Optik. Das bedeutet: Ein relativ dünn gearbeiteter Hauptspiegel ist auf motorbetriebenen Stützen gelagert, deren Stellung durch einen Computer gesteuert wird. Der Computer wertet ständig die Bildqualität aus und errechnet die notwendigen Korrekturen. Damit wird die Spiegelform der jeweiligen optischen Situation angepasst.

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2 Das VLT der Europäischen Südsternwarte befindet sich in 2 600 m Höhe auf dem Berg Paranal, 130 km südlich von Antofagasta (Chile).

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Überblick

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Das Wichtigste im Überblick

Spiegel, Linsen und optische Geräte Die Reflexion von Licht wird bei ebenen und gewölbten Spiegeln genutzt. Ebener Spiegel

Kugelförmiger Hohlspiegel

Gegenstand

Bild

G

B G B

Kugelförmiger Wölbspiegel

F

G

M

B

F

Brechung und Reflexion werden bei Prismen und Linsen genutzt. Prisma

Sammellinse

G

Zerstreuungslinse

F F

Abbildungsgleichung

G B

F B

F

Abbildungsmaßstab

1 }1f    = }    + } b1    g

B A = } G    = } bg  

Im menschlichen Auge bildet ein Linsensystem, das wie eine Sammellinse wirkt, den Gegenstand auf der Netzhaut ab. Die Informationsverarbeitung geschieht im Gehirn. Wichtige optische Geräte, mit denen der Sehwinkel vergrößert wird, sind Lupe, Mikroskop und Fernrohr. Lupe

Mikroskop

Fernrohr

Mit einer Lupe wird ein Objekt Mit einem Mikroskop werden betrachtet, das sich innerhalb kleine Objekte bis 2 000-fach der Brennweite befindet. vergrößert.

Mit einem Fernrohr werden entfernte Objekte so abgebildet, dass mehr Details erkennbar sind.

Normalvergrößerung:

Vergrößerung:

Vergrößerung:

V = } 25 cm      f

25 cm · t  V = }   fObj. · fOk.

V = }   f

fObj. Ok.

Das Auflösungvermögen optischer Geräte wird weitgehend durch die Wellenlänge des betreffenden Lichts bestimmt.

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Aufgaben

I

Aufgaben

II

G 419 814 Größe eines Spiegels 1. Sie wollen einen Spiegel in Ihrem Zimmer anbringen, in dem Sie sich ganz sehen können, wenn Sie davorstehen. Wie groß (hoch und breit) muss der Spiegel mindestens sein? In welcher Höhe muss er angebracht werden? Wie weit müssen Sie vom Spiegel entfernt sein, damit Sie sich ganz sehen? Kann man vielleicht auch mit einem kleineren Spiegel auskommen? Führen Sie zuerst ein Experiment mit einem vorhandenen Spiegel aus. Wie ändert sich der Bildausschnitt, wenn Sie näher an den Spiegel gehen? Wie ändert sich der Ausschnitt von dem, was Sie von sich sehen? Formulieren Sie eine Vermutung und beweisen Sie sie mit dem Reflexionsgesetz. 417 124 Zerstreuungslinse 2. Die Bildkonstruktion bei einer Zerstreuungslinse wird analog zur Bildkonstruktion bei einer Sammellinse durchgeführt. Allerdings befinden sich Gegenstand, Bild und der für die Bildkonstruktion wichtige Brennpunkt auf einer Seite der Linse.

G

F

F

a) Konstruieren Sie das Bild eines Gegenstands mit Mittelpunkt-, Parallel- und Brennpunktstrahl. b) Erhält man ein reelles oder ein virtuelles Bild? c) Nennen Sie weitere Eigenschaften des Bilds. d) Weisen Sie nach, dass für eine Zerstreuungslinse die Abbildungsgleichung gilt, wenn man die Vorzeichen der Größen beachtet. 416 284 Brennweite einer Linse 3. Es gibt verschiedene Verfahren zur Bestimmung der Brennweite einer Sammellinse. a) Die Linse wird mit achsenparallelem Licht bestrahlt. Skizzieren und beschreiben Sie, wie man damit die Brennweite bestimmen kann. b) Wenn Bild und Gegenstand gleich groß sind, kann man leicht die Brennweite bestimmen. Begründen Sie. c) Die besselsche Methode nutzt die Tatsache, dass es bei der Erzeugung eines reellen Bilds eines Gegenstands zwei mögliche Standorte für die Linse gibt.

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389

B

d z 2

2

– d  Es gilt dann: f = } z  4 z     

Zeichnen Sie das Bild ab und tragen Sie die Größen b und g ein. Weisen Sie nach, dass die Formel stimmt. d) Führen Sie für eine Linse die Bestimmung der Brennweite nach zwei verschiedenen Verfahren durch. Vergleichen Sie die Verfahren. 419 514 Die Abbildungsgleichung 4. Die Abbildungsgleichung für dünne Linsen kann man bei konstanter Brennweite in der Form b = f(g) schreiben. a) Geben Sie die Abbildungsgleichung in dieser Form an. Interpretieren Sie die Gleichung. b) Stellen Sie die Bildweite als Funktion der Gegenstandsweite für den Bereich 0 < g < 10 f grafisch dar. Interpretieren Sie das Diagramm. 415 384 Verschiedene Bilder 5. Ein 1,5 cm hoher Gegenstand befindet sich 1,0 cm bzw. 4,5 cm vor a) einer Sammellinse, b) einer Zerstreuungslinse, c) einem Hohlspiegel, d) einem Wölbspiegel. Konstruieren Sie für f = 2,5 cm das jeweilige Bild und überprüfen Sie die sich ergebende Bildweite und Bildgröße durch Rechnung. 416 454 Verschiedene Geräte 6. Veranschaulichen Sie den Strahlenverlauf und die Bildentstehung a) bei einem Diaprojektor, b) bei einem Fotoapparat, c) bei einem Tageslichtprojektor. 419 184 Sehfehler 7. Autofahrer mit leichten, nicht korrigierten Sehfehlern sehen vor allem bei Nachtfahrten z. T. erheblich schlechter. Wie ist das zu erklären?

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Optik

418 254 Ein spezielles Fernrohr 8. Sabrina hat kein Opernglas. Im Unterricht hat sie gelernt, dass ein Fernrohr und ein Mikroskop jeweils aus 2 Sammellinsen aufgebaut sind. Deshalb montiert sie ihr Mikroskop aus der Halterung und nimmt es mit in die Oper. Kann sie damit die Darsteller näher sehen? Begründen Sie. 419 084 Brennpunkt gefragt 9. Gegeben ist ein Strahlenverlauf durch eine Sammellinse (b Skizze). L

L'

Übernehmen Sie die Skizze und konstruieren Sie den Brennpunkt der Linse. 417 624 Brille als Feuerzeug 10. Kann man mit einer Brille ein Feuer anzünden? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Wie muss man vorgehen? 419 404 Ein scharfes Bild 11. Das Zoomobjektiv eines Fotoapparates hat eine maximale Brennweite von 300 mm. Die Entfernung wird so eingestellt, das ein 50 m entfernter Gegenstand scharf auf dem Film abgebildet wird. Bei einer Blendeneinstellung von 11 erscheinen die Bilder auch dann noch scharf, wenn das Bild 0,2 mm vor oder hinter der Filmebene entsteht. Welches Entfernungsintervall wird dann auf dem Bild scharf sein?

des Objektivs ein scharfes Bild erzeugt. Verschiebt man das Objektiv um 13 cm, so entsteht auf dem Schirm wiederum ein scharfes Bild. Berechnen Sie aus diesen Angaben die Brennweite des Objektivs. Welche andere Möglichkeit gäbe es, die Brennweite eines Objektivs zu bestimmen? 416 244 Strahlung umgekehrt 14. In der Strahlenoptik spricht man von der Umkehrbarkeit des Strahlengangs. a) Suchen Sie nach Beispielen aus dem Alltag, wo dieses Phänomen eine Rolle spielt. b) Woran erkennt man die Umkehrbarkeit des Strahlengangs in der Linsengleichung? c) Welches optische Gerät erhält man, wenn man den Strahlengang eines Beamers umkehrt? 418 504 Fernrohre 15. Es gibt neben dem im Buch dargestellten keplerschen Fernrohr eine andere Konstruktion mit einer Zerstreuungslinse als Okular, das galileische (oder auch holländische) Fernrohr. Bereiten Sie eine Gegenüberstellung der beiden Fernrohrtypen mit ihren Vor- und Nachteilen vor. 413 804 Ein Beamer 16. Erkunden Sie den prinzipiellen Aufbau eines Beamers und fertigen Sie eine Prinzipskizze der optischen Bauweise eines solchen Geräts an. 419 794 Digitalkameras 17. Informieren Sie sich über die verschiedenen Motivprogramme einer modernen Digitalkamera. Welche Kombinationen von Blende und Verschlusszeit werden bei diesen Motivprogrammen wohl verwendet?

416 154 Pkw-Spiegel 12. Als Rückspiegel bei Pkw werden teils ebene Spiegel und teils Wölbspiegel verwendet. a) Diskutieren Sie Vor- und Nachteile. b) Bei welchem Spiegel kann die Geschwindigkeit eines sich nähernden schnelleren Fahrzeuges besser eingeschätzt werden? Begründen Sie.

416 884 Brille als Linse 18. Um eine Sonnenfinsternis zu betrachten, darf man auf keinen Fall direkt mit ungeschütztem Auge in die Sonne schauen. Man kann aber die Sonne mit einer abgesetzten Brille auf den Boden projizieren und so das Phänomen ungefährdet beobachten. Benötigt man dafür die Brille eines kurz- oder weitsichtigen Menschen?

417 294 Brennweite eines Objektivs 13. Die Brennweite eines Objektivs, das aus mehreren Linsen zusammengesetzt ist, soll bestimmt werden. Dazu kann man nach B essel folgendermaßen vor gehen: Von einem Gegenstand wird auf einem 100 cm vom Gegenstand entfernten Schirm mithilfe

416 094 Trick mit Loch 19. Wenn eine kurzsichtige Person ihre Brille vergessen hat, dann kann sie durch ein kleines Loch in einem Stück Papier in die Ferne schauen. Sie sieht dadurch wesentlich schärfer. Erklären Sie diesen Trick.

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Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren

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5.3 Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren 5.3.1 Beugung und Interferenz von Licht Beobachtet man einen schmalen Spalt vor einer Lichtquelle, dann müsste man ihn nach dem Modell Lichtstrahl als hellen, scharf be­ grenzten Lichtfleck sehen. Tatsäch­ Wellenmodell lich ist aber hinter dem Spalt in al­ len Richtungen Licht nachweisbar, so wie das in der zweiten Skizze dargestellt ist. Diese scheinbare Ablenkung des Lichts aus seiner geradlinigen Ausbreitungsrichtung ist mit dem Modell Lichtstrahl nicht erklärbar. Im Wellenmodell ist nach dem huygensschen Prinzip (b S. 159) jeder Punkt der Öffnung, der von einer Wellenfront getroffen wird, Aus­ gangspunkt von Elementarwellen, die sich nach allen Seiten ausbreiten. Strahlenmodell

Die Ausbreitung des Lichts hinter schmalen Spalten, Kanten und klei­ nen Hindernissen auch in die Schattenräume hinein wird in der Physik als Beugung bezeichnet.

Beugung tritt auch bei mechanischen Wellen, z. B. bei Schallwellen, auf.

Die Intensität des gebeugten Lichts ist meist sehr gering. Deshalb ist die Beugung von Licht an einem schmalen Spalt, einer Kante oder einem dünnen Draht nur in gut abgedunkelten Räu­ men beobachtbar.

Die Beugung ist eine wellentypische Erscheinung. Da sie bei Licht auftritt, kann man folgern: Licht hat Welleneigenschaften. Die zwei für Anwendungen wichtigen Fälle sind in der nachfolgenden Übersicht zusammengestellt. Beugung an einem Hindernis

Beugung an einem Spalt

Von den Punkten des Randbereichs des Hindernisses gehen Elementar­ wellen aus, die insgesamt kreisförmige Wellenfronten bilden.

Von den Punkten des Spalts gehen Elementarwellen aus, die insgesamt kreisförmige Wellenfronten bilden.

Sind z. B. zwei benachbarte Spalte vorhanden, so gehen von jedem der beiden Spalte kreisförmige Wellenfronten aus, die sich überlagern und sich damit im Überlagerungsbereich gegenseitig beeinflussen. Eine solche Überlagerung wird in der Physik Interferenz genannt.

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Optik

Bei ausgedehnten Lichtquellen senden Atome Wellen­ züge aus, die eine zufällige Phasenlage und unterschiedliche Schwingungsebenen zueinander haben. Es kommen dadurch keine stabilen Interferenzmuster zustande.

Kohärentes Licht erhält man, indem man das Licht einer Lichtquelle durch geeignete Anord­ nungen (Spalte, Gitter, Spiegel, Prismen) teilt und diese Teile zur Über­ lagerung bringt, denn das Licht, das von einer Stelle einer Lichtquelle ausgeht, ist mit sich selbst kohärent. Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung einer kohärenten Lichtquelle (Laser). Monochromatisches Licht erhält man durch Farbfilter oder von monochromati­ schen Lichtquellen (Laser, Leucht­ dioden).

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Interferenz von Licht am Doppelspalt Aus dem bisherigen Physikunterricht ist bereits bekannt, dass bei Licht Interferenz auftritt. Interferenzmuster, also Verstärkungen und Abschwä­ chungen, sind allerdings nur unter bestimmten Bedingungen beobachtbar. Fällt Licht einer Glühlampe auf einen Schirm, so registriert man kein Inter­ ferenzmuster. Beobachtbare Interferenzmuster treten bei Licht nur dann auf, wenn die betreffenden Wellenzüge bei gleicher Frequenz eine feste Phasenbezie­ hung zueinander haben. Solche Wellenzüge heißen kohärent. kohärente Wellenzüge

inkohärente Wellenzüge

Stabile Interferenzmuster kommen nur bei Verwendung von kohären­ ten Wellenzügen (kohärentem Licht) zustande.

Sie sind besonders einfach zu beschreiben, wenn man Licht einer Wellen­ länge und damit einer Farbe (monochromatisches Licht) verwendet. Beleuchtet man zwei eng benach­ barte Spalte mit kohärentem, mo­ nochromatischem und parallelem Licht, dann können die beiden Spalte als Zentren von huygens­ schen Elementarwellen betrachtet werden. Die beiden Wellensysteme überlagern sich und ergeben auf ei­ nem Bildschirm ein stabiles Interfe­ renzmuster mit Stellen maximaler Verstärkung (hell) und maximaler Auslöschung (dunkel), so wie das in der Skizze dargestellt ist. Zu einem beliebigen Punkt des Schirms haben die von den beiden Zentren ausgehenden Wellen bestimmte Wege zurückzulegen. Die Differenz zwi­ schen diesen Wegen nennt man Gangunterschied ∆s. Von diesem Gang­ unterschied hängt der Schwingungszustand im jeweiligen Punkt ab. Dabei wird zwischen konstruktiver und destruktiver Interferenz unterschieden. Konstruktive Interferenz

Destruktive Interferenz

Verstärkung: Es ist ein Schwingungsbauch vorhan­ den (hell).

Abschwächung bzw. Auslöschung: Es ist ein Schwingungsknoten vorhan­ den (dunkel).

∆s = k · λ  (k = 0, 1, 2 …)

∆s = k · }2λ    (k = 1, 3, 5 …)

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Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren

Eine Gleichung für die Interferenz­ maxima lässt sich relativ einfach herleiten. Wenn die Entfernung e zwischen Doppelspalt und Schirm sehr viel größer als der Abstand b der beiden Spalte ist, dann verlau­ fen die von den beiden Spalten aus­ gehenden Wellen näherungsweise parallel. Das markierte Dreieck kann als rechtwinklig angesehen werden. Dann gilt dort: sin α k = } ∆s    =  }  k · λ       b

b

sk Schirm e

αk

∆s = k · λ

αk b

Doppelspalt

(1)

Darüber hinaus gilt für das große Dreieck mit den Seiten e und sk: tan αk = } sek     

(2)

Mit e >> sk hat der Winkel α k einen kleinen Wert. Für kleine Winkel α gilt aber tan α ≈ sin α, sodass man für (2) auch schreiben kann: sin α k ≈ tan α k = } sek     

393

e >> sk ist beispiels­ weise gegeben für e = 1 m und sk = 1 cm.

(3)

Gleichsetzen der rechten Seiten von (1) und (3) ergibt: } k · λ      ≈  } seK     b In analoger Weise lässt sich auch eine Gleichung für die Interferenzminima ermitteln. Zusammenfassend ergibt sich: Bei Verwendung eines Doppelspalts hängt die Lage der Interferenz­ streifen auf einem Schirm vom Spaltabstand b, von der Wellenlänge λ und von der Entfernung e zwischen Doppelspalt und Schirm ab. Es gilt unter der Bedingung e >> sk: sin α k = } k · λ      ≈  }  sek     (k = 0, 1, 2 …) b

Ist der Spaltabstand kleiner als die Wellenlänge des Lichts, so erhält man nur das Maximum 0. Ordnung, weil für k ≥ 1 dann sin α > 1 wäre.

Bei sonst gleichen Bedingungen ist der Abstand der Interferenzstreifen von der Wellenlänge des Lichts (Farbe) abhängig. Rotes Licht hat eine etwa doppelt so große Wellenlänge wie blaues Licht. Deshalb ist der Ab­ stand der Interferenzstreifen bei Verwendung von rotem Licht größer als bei der Nutzung von blauem Licht. Arbeitet man mit weißem Licht, so entstehen außer beim Maximum 4. 3. 2. 1. 0. 1. 2. 3. 4. 0. Ordnung farbige Streifen, die man als Beugungsspektren oder Gitterspektren bezeichnet. Der Zusammenhang zwischen 2. 1. 0. 1. 2. Lichtwellenlänge und Abstand der Interferenzstreifen kann zur Be­ stimmung der Wellenlänge von 1. 0. 2. 1. 2. Licht genutzt werden.

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Optik

Bei Verwendung eines Doppelspalts sind die Maxima auf einem Bildschirm relativ lichtschwach und nicht scharf ausgeprägt. Für experimentelle Untersuchungen verwendet man des­ halb statt eines Dop­ pelspalts ein Gitter, das hellere und besser ausgeprägte Maxima liefert.

417 295 Die ersten optischen Gitter entwickelte J osePh von F raunhoFer (1787 bis 1826). F raunhoFer entdeckte auch dunkle Linien in Sonnenspektren, die man heute als fraun­ hofersche Linien bezeichnet. Der Erste, der hochwertige Reflexionsgitter herstellte, war der Amerikaner h enry a ugustus r owLand (1848 –1901).

Verwendet man statt eines Doppelspalts viele Spalte mit jeweils gleichem Abstand, so erhält man ein optisches Gitter. Je nach Bauart unterscheidet man zwischen Transmissionsgittern und Reflexionsgittern. Transmissionsgitter

Reflexionsgitter

Das hindurchtretende Licht interferiert.

Das reflektierte Licht interferiert.

Die Qualität eines Gitters wird entscheidend durch die Gitterkonstante b bestimmt. Das ist der Abstand der Mitten zweier benachbarter Spalte. Man erhält die Gitterkonstante als Kehrwert der Anzahl der Spalte je Län­ geneinheit. Beträgt diese Anzahl z. B. 300 je Millimeter, so hat diese Kon­ 1 stante einen Wert von b = } 300  mm = 3,3 µm. Wellenlängenbestimmung von Licht Mithilfe eines optischen Gitters lässt sich die Wellenlänge von Licht bestim­ men. Dazu eignet sich eine Versuchsanordnung, so wie sie unten skizziert ist. Mit einer Lichtquelle wird der Spalt ausgeleuchtet, mit der Abbildungs­ linse wird er scharf auf dem Schirm abgebildet. Nach Einbau eines opti­ schen Gitters ist auf dem Schirm ein Interferenzmuster zu beobachten. Bei bekannter Gitterkonstante b können die Entfernung e zwischen Gitter und Schirm sowie der Abstand zweier Maxima gemessen werden. Aus der auf Seite 393 genannten Gleichung, die auch für ein Gitter gilt, erhält man für die Wellenlänge s · b

λ = } k     e · k mit k = 1 für die Maxima 1. Ordnung. Für die Messung ist zu beachten: Der Abstand der beiden Maxima 1. Ord­ nung beträgt 2 sk.

Spaltblende Lichtquelle

Farbfilter

Abbildungslinse

Schirm

optisches Gitter

1 Experimentieranordnung zur Bestimmung der Wellenlänge von Licht

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Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren

Mit der auf S. 394 dargestellten Experimentieranordnung soll die Wel­ lenlänge des Lichts einer Lichtquelle bestimmt werden. Es wird ein Git­ ter mit 650 Spalten je Zentimeter verwendet. Die Entfernung zwischen Gitter und Schirm beträgt 1,25 m, der Ab­ stand der beiden Maxima 1. Ordnung 96,0 mm. Wie groß ist die Wellenlänge des verwendeten Lichts? Um was für eine  Lichtquelle könnte es sich handeln? Analyse:  Zur Berechnung kann die auf S. 394 genannte Gleichung genutzt wer­ den. Die Gitterkonstante ergibt sich als Kehrwert der Spaltenanzahl je Längeneinheit. Der Abstand zwischen den zwei Maxima 1. Ordnung ist 2 sk. Gesucht: λ 1 Gegeben: b = }  cm 650 e = 125 cm s1 = 4,80 cm Lösung: 

s1 · b λ = }       e

λ

4,80 cm · cm   = 5,90 · 10 –5 cm = } 650 · 125 cm

Ergebnis:  Das verwendete Licht hat eine Wellenlänge von 590 nm. Ein Vergleich mit Tabellenwerten ergibt: Es handelt sich um gelbes Licht. Die Licht­ quelle könnte eine Natriumdampflampe sein. Interferenz an einem Einzelspalt Ein einzelner Spalt kann bei genauer Betrachtung nicht als Zentrum einer einzigen Elementarwelle angesehen werden. Vielmehr ist jeder Punkt des Spalts Ausgangspunkt einer Elementarwelle. Diese Wellen überlagern sich. Zur genaueren Untersuchung der Verhältnisse unterteilen wir den Spalt in zwei Hälften (b Skizze). Beträgt der Gangunterschied ∆s 1 zwischen den beiden Randstrahlen 2 α (1) und (5) gerade λ, dann kann man 3 zu jedem Strahl aus dem Lichtbün­ 4 5 del der einen Hälfte einen Strahl α b aus der anderen Hälfte finden, bei dem der Gangunterschied gerade } 2λ    beträgt. Die Strahlen 1 und 3 oder 2 und 4 sind Beispiele dafür. Unter ∆s = λ dieser Bedingung kommt es jeweils zu einer Auslöschung. Für das erste Minimum gilt demzufolge: λ sin α = }     b

Insgesamt entsteht ein in der Regel sehr lichtschwaches Interferenzbild.

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Wichtig ist bei der Durchführung des Experiments die Optimierung der Versuchsanordnung. Dazu gehört eine gute Ausleuchtung des Spalts und die scharfe Abbildung des Spalts auf dem Schirm.

Es ist zweckmäßig, alle Längen in die gleiche Einheit um­ zurechnen.

Natriumdampf­ lampen senden vorrangig Licht mit zwei charakteris­ tischen gelben, eng zusammenliegenden Linien (589 nm, 590 nm) aus.

Die Skizze zeigt die Situation beim 1. Minimum.

Allgemeinen gilt für die Minima am Einzelspalt: sin αk = } k · λ       b (k = 1, 2 …)

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Optik

Bei Verwendung einer kreisförmigen Öffnung entstehen neben dem Haupt­ maximum 0. Ord­ nung (Beugungs­ scheibchen) dunkle und helle Ringe mit geringer Intensität.

Das Auflösungsvermögen optischer Geräte Jedes optische Gerät, auch das Auge, verfügt über Blenden oder Fassun­ gen, an denen Beugung auftritt. Dadurch wird ein Gegenstandspunkt nicht als Punkt abgebildet, sondern als ein Beugungsscheibchen. Die Beu­ gungsscheibchen von sehr eng benachbarten Punkten überdecken sich und können dann nicht mehr getrennt wahrgenommen werden. Das Auflösungsvermögen ist ein Maß dafür, dass zwei Gegenstands­ punkte gerade noch getrennt wahrgenommen werden können.

Das ist dann der Fall, wenn sich die Beugungsscheibchen der betreffenden Punkte gerade noch unterscheiden lassen. Auf dem Schirm sind die getrennt wahrnehmbaren Beugungsscheibchen gezeichnet, rechts die 0. Maxima der Intensitäten der Beugungsbilder.

Für kleine Winkel α gilt: sin α ≈ α

Blende

Schirm

P1

Maxima 0. Ordnung

Intensität α

P2

d

Eine solche Unterscheidung ist dann möglich, wenn das 0. Maximum des Beugungsbilds des einen Punkts mindestens im 1. Minimum des Beugungs­ bilds des anderen Punkts liegt. Für einen Spalt gilt für das Minimum 1. Ord­ nung: λ sin α = }     b

Für kreisförmige Öffnungen, so wie sie bei optischen Instrumenten und beim Auge auftreten, liefert die Theorie: λ sin α ≈ α = 1,22 · }     d

Damit man zwei Punkte noch als getrennt wahrnehmen kann, muss bei kreisförmigen Öffnungen gelten: α $ 1,22 · } dλ    Der kleinste Seh­ winkel beim Auge liegt bei einer Winkel minute (1‘). Bei astronomischen Fernrohren wählt man einen möglichst großen Objektiv­ durchmesser, um ein großes Auflö­ sungsvermögen zu erreichen.

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λ d

Wellenlänge Durchmesser der Öffnung

Das ist zugleich der kleinste Sehwinkel, unter dem man bei Auge und Fernrohr zwei Punkte noch als getrennt wahrnehmen kann. Die Größe d ist dabei beim Auge der Durchmesser der Pupille (2– 8 mm), beim Fernrohr der Durchmesser des Objektivs. Bei einem Mikroskop beträgt der kleinste Punktabstand r, der noch aufgelöst werden kann: λ · f r ≈ }       d

Dabei sind λ die Wellenlänge, f die Brennweite des Objektivs und d sein Durchmesser. Die Grenze des Auflösungsvermögens liegt bei etwa }2λ  . 

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Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren

Interferenz an dünnen Schichten Die Flügel einer Libelle, eine Seifenblase oder eine dünne Ölschicht auf Wasser schillern bei Beleuchtung mit weißem Licht in den unterschied­ lichsten Farben. Diese Farben ändern sich mit dem Blickwinkel und auch mit der Dicke der Schicht. Das ist besonders gut bei Öltropfen auf Was­ ser zu beobachten, bei denen die Farbspiele in Ringen ausge­ bildet sind. Die Ursache dafür ist die Refle­ xion von Licht an der Vorder­ und Rückseite einer dünnen Schicht und die anschließende Interferenz dieses an verschie­ denen Stellen reflektierten Lichts. Als Beispiel betrachten wir eine dünne Seifenhaut, so wie sie bei Seifenblasen ent­ steht (b Abb.). Ein Teil des auffallenden Lichts Auge wird an der Oberfläche reflek­ tiert, wobei am optisch dich­ einfallendes reflektiertes Licht teren Stoff ein Phasensprung Licht von } 2λ    auftritt. Ein anderer Teil tritt in die Schicht ein, wird an der Rückseite reflektiert und d Seifenhaut tritt dann wieder aus. Je nach­ dem, mit welcher Phasenlage die Wellen zusammentreffen, kommt es zur Verstärkung, Abschwächung oder Auslöschung.

397

Bei sehr dünnen Schichten (d → 0) beträgt die Phasen­ verschiebung auf­ grund des Phasen­ sprungs am optisch dichteren Stoff }2λ   . Es kommt zur Auslöschung. Die betreffende Stelle erscheint dunkel.

An dünnen Schichten tritt bei Reflexion Verstärkung auf, wenn der Gangunterschied zwischen den an Vorder­ und Rückseite reflektierten Wellen λ oder ein ganzzahliges Vielfaches von λ beträgt.

Bei senkrecht einfallendem Licht ist das dann der Fall, wenn gilt: 2k + 1 λ 2 d = }     ·  }  2    n

(k = 0, 1, 2 …)

Dabei bedeuten d die Schichtdicke, n die Brechzahl der Schicht und λ die Wellenlänge. Für die Interferenzfarben bei einer dünnen Schicht ergibt sich somit: – Bei bestimmter Schichtdicke tritt maximale Verstärkung bzw. Auslö­ schung für eine bestimmte Wellenlänge (Farbe) auf. – Ändert sich die Schichtdicke, so verändert sich auch die Farbe des verstärk ten bzw. ausgelöschten Lichts. – Ändert sich der Winkel, unter dem man auf die Schicht blickt, so ändert sich ebenfalls die maximal verstärkte bzw. ausgelöschte Farbe, weil sich der Weg des Lichts durch die Schicht verändert.

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Der Faktor n (Brechzahl) ergibt sich daraus, dass die Wellenlänge in der Schicht nicht λ, son­ dern } nλ     beträgt.

Auslöschung tritt auf, wenn der Gang­ unterschied }2λ    oder ein ungeradzahliges Vielfaches davon beträgt.

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398

Optik

Da das gelbgrüne Licht in der Refle­ xion nicht mehr vor­ handen ist, erschei­ nen die Oberflächen solcher Linsen häufig bläulich oder rötlich.

Da durch die aufge­ dampfte Schicht die Qualität der Linsen verbessert wird, spricht man auch von Oberflächenver­ gütung. Entspiegelung kann auch durch Aufbringen eines Nano­Polymerfilms erfolgen.

Allgemein gilt: Trifft Licht aus einem optisch dünneren Stoff kom­ mend auf einen op­ tisch dichteren Stoff und wird es dort reflektiert, so tritt ein Phasensprung von π bzw. } 2λ   auf. Beträgt die Wellen­ länge von Licht in Luft λ, so verringert sie sich in einem Stoff mit der Brech­ λ zahl n auf }   .  n

Entspiegelung von Oberflächen Interferenz an dünnen Schichten wird bei Objektiven und Brillengläsern zur Entspiegelung der Oberflächen genutzt. Dazu wird auf die Linse eine dünne Schicht mit einer Brechzahl, die zwischen der von Luft und Glas liegt, aufgedampft. Die Schichtdicke beträgt }4λ    des gelbgrünen Lichts, also des Lichts im mittleren Spektralbereich. Fällt Licht auf die Linse, so wird ein Teil von ihm an Vorder­ und Rückseite der } 4λ   ­Schicht reflektiert. Am optisch dichteren Stoff tritt dabei jeweils ein Phasensprung von }2λ    auf. Der Gangunterschied wird damit nur durch die Schichtdicke bestimmt und beträgt 2 · }4λ    = } 2λ    . Licht dieser Wellenlänge wird ausgelöscht. Auch Licht größerer und kleinerer Wellenlängen wird abge­ schwächt. Möglich ist auch, mehrere Schichten aufzubringen, die reflek­ tiertes Licht in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen schwächen. Die Entspiegelung bewirkt zweierlei: – Es werden störende Reflexe verhindert oder zumindest gemindert. – Es wird die Lichtdurchlässigkeit erhöht, denn die Lichtmenge, deren Re­ flexion verhindert wurde, ist im durchgehenden Licht enthalten. Auf eine Glasscheibe (n = 1,50) wird Kryolith aufgedampft. Das Kryolith ist eine mineralische Verbin­ dung aus Natrium, Aluminium und Fluor mit der chemischen Glas oder Kunststoff Formel Na3AlF6, die eine Brech­ zahl von 1,30 hat. Wie dick muss die Schicht gewählt werden, damit senkrecht einfallendes Licht der Wellenlänge 500 nm nicht reflektiert wird? Analyse:  Nach den oben dargestellten Zusammenhängen muss der Gangunter­ λK schied }   beträgen, wobei λK die Wellenlänge im Kryolith ist. 2 Gesucht: d Gegeben: λ = 500 nm nK = 1,30 Lösung:  λK Wenn ein Gangunterschied von }   durch die Schicht hervorgerufen 2 werden soll, muss gelten (b S. 397): λK λ 2 d = }   = } 2 · n       2

Damit erhält man für die Schichtdicke d: λ d = }       4 · n 500 nm   = 96 nm d = } 4 · 1,30

Ergebnis:  Damit Licht mit einer Wellenlänge von 500 nm nicht reflektiert wird, muss die Kryolithschicht eine Dicke von 96 nm haben.

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Interferometer Interferometer sind Geräte, in de­ nen Licht, das unterschiedliche Wege zurückgelegt, zur Interferenz gebracht wird. Damit lassen sich geringfügige Unterschiede bei den Wegen messen, die Licht durch­ läuft. Mit einem solchen Gerät lässt sich zum Beispiel die Wellenlänge von Licht ermitteln oder die Brech­ zahl eines Stoffs bestimmen.

Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren

Spiegel 1

Weg A

halbdurchlässiger Spiegel Weg B Spiegel 2

Bei dem physik­ historisch wichti­ gen Experiment von M icheLson und M orLey zum Nachweis des Äthers wurde mit einem solchen Interfero­ meter gearbeitet.

Schirm

Das Prinzip eines solchen Interferometers ist in der Skizze dargestellt. Das einfallende Licht wird durch den halbdurchlässigen Spiegel geteilt und legt dann die Wege A und B zurück. Das an den Spiegeln 1 und 2 reflek­ tierte Licht gelangt zum Schirm, auf dem ein Interferenzmuster zu beob­ achten ist. Bewegt man nun z. B. Spiegel 1 um die Strecke } 4λ    , dann wird aus einem Maximum ein Minimum. Durch Abzählen der Maximum­Minimum­Durch­ gänge kann man die von Spiegel 1 zurückgelegte Strecke in Wellenlängen­ einheiten, also sehr kleinen Einheiten, angeben. Interferometer gibt es in unterschiedlichen Bauformen. Eine vielfach ge­ nutzte Form ist das Mach­Zehnder­Interferometer, das 1891/92 von dem Ös­ terreicher L udwig M ach (1868–1951) und dem Schweizer L udwig Z ehnder (1854 –1949) entwickelt wurde. Die nachfolgende Skizze zeigt den Aufbau eines solchen Interferometers. Spiegel 1 Am dem halbdurchlässigen Spie­ gel 1 wird einfallendes Licht in Weg A Spiegel 2 zwei Teile aufgespalten. Der eine Teil des Lichts wird auf dem Weg über den Spiegel 2, der andere auf Weg B dem Weg über den Spiegel 3 zum halbdurchlässigen Spiegel 4 ge­ lenkt. Dort überlagert sich jeweils das durchgehende Licht des einen Spiegel 4 Wegs mit dem reflektierten Licht Spiegel 3 des anderen Wegs. Entscheidend für das Ergebnis der Interferenz ist dabei neben dem Weg­ längenunterschied die Tatsache, dass bei der Reflexion am halbdurchlässi­ gen Spiegel ein Phasensprung von } 2λ    stattfindet, dagegen beim Durchgang durch den halbdurchlässigen Spiegel kein Phasensprung erfolgt. Verstärkt sich das Licht, das den Spiegel 4 horizontal verlässt, so tritt bei dem Licht, das nach unten austritt, gerade Auslöschung auf, weil die Anzahl der Reflexionen beim Weg A gerade und beim Weg B ungerade ist. Bringt man in den Strahlengang einen Stoff, so verändert sich das Inter­ ferenzbild, weil sich durch den Stoff die optische Weglänge vergrößert.

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399

Je nach Auf­ bau kann das Interferenz muster aus Strichen oder Kreisen bestehen.

Unter der optischen Weglänge versteht man das Produkt n · s. n Brechzahl s Weg

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400

Optik

5.3.2 Polarisation von Licht

Bei Polarisations­ folien sind Kohlen­ stoffketten wie Gitterstäbe parallel zueinander ange­ ordnet. Genauso wirken auch Polari­ sationsfilter, die man z. B. in der Fotogra­ fie verwendet.

Licht als Transversalwelle Wenn man Licht im Wellenmodell beschreibt, dann stellen sich folgende Fragen: – Ist Licht eine Longitudinalwelle oder eine Transversalwelle? – Was schwingt bei Licht? Welche Größen ändern sich zeitlich periodisch? Sendet man Licht durch spezielle Kunststofffolien, die sogenannten Polarisationsfolien, dann zeigt sich: Sind die Polarisationsrichtungen der Folien senkrecht zueinander ange­ ordnet, so kommt kein Licht hindurch (b Fotos). Zwei Folien parallel zueinander

Licht natürlicher Lichtquellen (Sonne, Feuer) sowie der meisten künstli­ chen Lichtquellen schwingt in den unterschiedlichsten Ebenen. Laser­ licht ist dagegen aufgrund der speziellen Art seiner Erzeugung linear polarisiert.

Polarisationsfolie

Zwei Folien senkrecht zueinander

Offensichtlich wird das in der Regel in unterschiedlichen Richtungen schwingende Licht durch eine Polarisationsfolie linear polarisiert, d. h., es schwingt dann nur noch in einer Ebene. Durch eine senkrecht zur ersten gestellte Polarisationsfolie kommt dann überhaupt kein Licht mehr hin­ durch. Da Polarisation nur bei Transversalwellen auftritt, kann man fol­ gern: Licht ist polarisierbar, verhält sich also wie eine Transversalwelle.

Der beschriebene Effekt wird als Faraday­Effekt bezeichnet.

Bei zeichnerischen Darstellungen der Schwingungsrich­ tung stellt man die Richtung des elek­ trischen Feldvektors dar.

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M ichaeL F araday (1791–1867) schickte 1846 linear polarisiertes Licht durch einen Glasstab, den ein ausschaltbares Magnetfeld durchsetzte. Er stellte fest, dass bei eingeschaltetem Magnetfeld die Polarisationsrichtung des Lichts gedreht wurde, und schloss daraus, dass Licht eine elektromagneti­ sche Welle ist. Weitere Experimente stützten diese Auffassung. Licht kann als elektromagnetische Welle beschrieben werden. Damit ändert sich die Stärke des elektrischen und des magnetischen Felds periodisch.

Damit gelten für Licht auch alle Eigenschaften und Beziehungen, die für andere elektromagnetische Wellen zutreffen.

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Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren

401

Polarisation durch Reflexion Fotografiert man glatte Flächen (Glasscheiben), so treten meist starke Spie­ gelungen auf (Bild links). Bei Verwendung eines Polarisationsfilters wer­ den diese Reflexionen weitgehend unterdrückt (Bild rechts).

Reflektiertes Licht ist offensichtlich teilweise polarisiert. Der genaue Zu­ sammenhang wird mit dem brewsterschen Gesetz erfasst. Stehen reflektierter und gebrochener Strahl an der Grenzfläche zwi­ schen zwei durchsichtigen Stoffen senkrecht aufeinander, dann ist das reflektierte Licht vollständig linear polarisiert. Es gilt: tan αp = n

n

Luft

αP

β Glas

Brechzahlunterschied der Stoffkombination Das reflektierte Licht ist so polari­ siert, dass es senkrecht zur Einfalls­ ebene schwingt. Das ist in der Skizze durch die Punkte gekenn­ zeichnet. Das ebenfalls polarisierte gebro­ chene Licht schwingt dagegen in der Einfallsebene. Das symbolisie­ ren die kleinen Pfeile in der Skizze.

Ist die im Gesetz genannte Bedingung der Orthogonalität von reflektier­ tem und gebrochenem Strahl nicht erfüllt, so tritt teilweise Polarisation auf. Die oben genannte Gleichung ergibt sich folgendermaßen: sin αp sin αp sin αp n = } sin β   = }   = } cos α   = tan αp sin (90° – αp) p

Polarisation durch Brechung Es gibt Kristalle, in denen die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts von der Ausbreitungsrichtung und von der Schwingungsrichtung abhängt. Zu diesen Kristallen zählen Kalkspat, Quarz, Glimmer oder Turmalin. Die Erscheinung, dass Licht je nach seiner Schwingungsebene in unterschiedlicher Weise gebrochen wird, bezeichnet man als Doppel­ brechung.

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Dieses Gesetz fand der britische Physi­ ker d avid B rewster (1781–1868) um 1815. Der Winkel α p wird als Brewster­ Winkel bezeichnet.

Es gilt: sin (90° – α) = cos α Außerdem ist: sin α  cos α    = tan α }

Die Doppelbre­ chung wurde von c hristiaan h uygens (1629–1695) ent­ deckt.

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402

Optik

Legt man einen doppelbrechenden Kristall auf eine Schrift, dann sieht man diese doppelt (b Foto rechts). Stoffe, die sich optisch nicht in allen Richtungen gleich verhalten, nennt man optisch anisotrop. Die an­ deren Stoffe heißen optisch isotrop.

Der Bereich der Optik, der sich mit Spannungsdoppel­ brechung beschäf­ tigt, wird auch als Spannungsoptik bezeichnet.

Kalkspat ordentlicher Strahl

außerordentlicher Strahl

Eine Reihe von Stoffen, z. B. Glas und viele durchsichtige Kunststoffe, zeigt unter Normalbedingungen keine Doppelbrechung. Setzt man sie aber Zug­ oder Druckkräften aus oder bestehen innere Spannungen, dann gibt es dadurch Verformungen, die zu einer unterschiedlichen Ausbreitungsge­ schwindigkeit des Lichts in verschiedene Richtungen und damit zu Doppel­ brechung führen. oppelbrechung, die unter dem Einfluss von Verformungen (Zug­ oder D Druckkräfte, innere Spannungen) zustande kommt, nennt man Span­ nungsdoppelbrechung.

Bringt man die betreffenden Stoffe zwischen gekreuzte Polarisationsfolien und beleuchtet sie mit weißem Licht, so ergeben sich durch Interferenz Farben, die von der Stärke der Verformung abhängen.

In der Technik nutzt man Spannungsdop­ pelbrechung dazu, um an Modellen von Haken, Brücken, Trägern usw. die Spannungen zu untersuchen, die bei Belastungen auftreten.

10 575 4 Optisch aktive Stoffe können die Schwingungsebene nach links oder nach rechts drehen. Polarisator und Analysator sind Polarisationsfilter bzw. Polarisations­ folien.

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Optisch aktive Stoffe Bestimmte Stoffe, z. B. Zuckerlösung oder Milchsäuren, drehen die Schwin­ gungsebene des durch sie hindurchgehenden linear polarisierten Lichts. Man nennt solche Stoff optisch Schirm aktiv. Polarisator Analysator Nachweisen kann man den Effekt mithilfe der skizzierten Experimen­ tieranordnung. Der Drehwinkel der Schwingungs­ zu untersuchenebene ist vom Stoff, von der Länge der Stoff des Lichtwegs durch den Stoff und von dessen Konzentration abhängig. Nutzen kann man das z. B. für die Messung der Konzentration einer Zucker lösung oder der Art des Zuckers (Glucose ist rechtsdrehend, Fructose linksdrehend).

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Interessantes aus der Technik

403

Flüssigkristallanzeigen (LCD) Bei Handys, Taschenrechnern, Fernsehern und Com­ putermonitoren nutzt man heute Flüssigkristall­ anzeigen (b Abb. 2). LCD ist die Abkürzung für das englische liquid crystal display. Dabei ist zwischen selbst leuchtenden Anzeigen und Anzeigen zu un­ terscheiden, die mit Tageslicht arbeiten. In beiden Fällen durchläuft das Licht zwei gekreuzte Polarisationsfilter und den Flüssigkristall (b Abb. 1). Legt man an den Flüssigkristall eine Spannung, dann dreht er die Polarisationsrichtung des hindurchtre­ tenden Lichts. Anzeige mit Tageslicht Bei Anzeigen von Thermometern, elektronischen Wetterstationen oder Taschenrechnern wird mit Tageslicht gearbeitet. Das einfallende Licht wird durch den ersten Polarisationsfilter linear polarisiert, durch den Flüssigkristall um 90° gedreht und durch­ läuft dann den zweiten Polarisationsfilter. Nach Re­ flexion an einem Spiegel durchläuft das Licht die Anordnung in umgekehrter Richtung. Das Display erscheint hell. Wird an Segmente des Displays eine Spannung gelegt, dann dreht der Flüssigkristall die Schwingungsebene in diesem Bereich. Die entspre­ chende Stelle erscheint dunkel. Verwendet wird in der Regel eine 7­Segment­Anzeige, mit der man alle Ziffern und Buchstaben darstellen kann. LCD­Monitore Um beliebige farbige Bilder anzuzeigen, wird das Display in kleine Rechtecke (Pixel) unterteilt. An jeden Pixel kann eine Spannung angelegt und da­ mit die Helligkeit des Pixels gesteuert werden (b Abb.  3). Durch kleine Farbfilter erhält man rot, grün und blau leuchtende Pixel, durch die Mischung dieser drei Farben ein farbiges Bild. Als Hintergrundbeleuchtung werden Leuchtstoff­ röhren verwendet, die weißes Licht abstrahlen.

Polarisationsfilter Flüssigkristall Polarisationsfilter

2 Flüssigkristall­ anzeige bei einer Wetterstation

Damit erreicht man ein helles Bild, schafft aber keine absolut schwarzen Flächen, weil die Flüssigkristalle nicht schnell genug reagieren. Deshalb verwendet man zunehmend LEDs als Hintergrundbeleuchtung. Werden diese punktgenau eingesetzt, dann kann man sie dimmen und so den Kontrast wesentlich ver­ bessern. Außerdem benötigen LEDs auch weniger Energie. Schaut man schräg auf ein LCD­Display, so legt das Licht einen längeren Weg durch den Flüssigkristall zurück. Damit wird die Polarisationsebene ein etwas mehr gedreht. Die Helligkeit des Pixels ändert sich. OLED­Technik Organische Leuchtdioden (OLED, abgeleitet vom englischen organic light emitting diode) ermög­ lichen den Bau neuartiger Bildschirme. Während LCD­Displays wie ein Vorhang das Licht der Hin­ tergrundbeleuchtung dämpfen, leuchtet in einem OLED­Display jeder Pixel selbst. Damit kann man noch dünnere Displays bauen, weil man keine Hintergrundbeleuchtung benötigt. Das Bild ist enorm kontrastreich und nicht mehr vom Betrach­ tungswinkel abhängig. Möglich sind damit auch großformatige Bildschirme.

Glasscheibe Flüssigkristall Glasscheibe

Polarisationsfilter Farbfilter Elektroden Polarisationsfilter

Hintergrundbeleuchtung 1 Aufbau eines LCD­Segments

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3 Aufbau eines LCD­Monitors

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404

Optik

Wellen im Vergleich Mechanische Wellen, hertzsche Wellen und Licht haben ähnliche Eigen­ schaften, die auch in analoger Weise beschrieben werden können. Es gelten gleiche oder ähnliche Gesetze. In der nachfolgenden Übersicht sind einige dieser Eigenschaften und Gesetze zusammengestellt. Eigenschaft

Mechanische Wellen

Reflexion

Hertzsche Wellen

Hindernis

α

Licht

leitende Schicht

α'

α

α'

α

Bei der Reflexion von Wellen gilt das Reflexionsgesetz: Brechung

Wasser flach

α

β

Wasser tief

Spiegel

α = α ‘

Isolator α

α

β

Luft

α'

Glas, Wasser β

Luft

v

sin α  sin β     = } v1   Bei der Brechung von Wellen gilt das Brechungsgesetz: } 2

Interferenz

Doppelspalt

Doppelspalt

Doppelspalt

Sender

Sender

Sender

Lautsprecher

Mikrowellensender

Leuchte

Wellen können sich überlagern (interferieren). Wo Verstärkung und Abschwächung auf­ tritt, hängt von den jeweiligen Bedingungen ab. Polarisation

Gitter

Spalt

Sender Seilwellen können durch einen Spalt polarisiert werden.

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Polarisationsfilter

Empfänger

Hertzsche Wellen können durch ein Drahtgitter polarisiert werden.

Sender

Empfänger

Licht kann durch einen Polarisationsfilter polarisiert werden.

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Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren

405

5.3.3 Spektren und Spektralanalyse Newtonsche Versuche i saac n ewton (1643–1727) hat neben seinen Untersuchungen zu Kräften in der Mechanik auch Untersuchungen zur Natur des Lichts vorgenommen und dabei grundlegende Versuche zu Farben durchgeführt. 1. newtonscher Versuch Fällt weißes Licht auf ein Prisma, so entsteht hinter dem Prisma ein Farbband (Spektrum), die entste­ henden Farben heißen Spektral­ farben. Ursache für die Auffäche­ rung des Lichts ist die Dispersion (b S. 365). 2. newtonscher Versuch Blendet man eine Spektralfarbe aus und lässt sie wieder auf ein Prisma fallen, dann wird Licht einer Spek­ tralfarbe nicht weiter zerlegt. Spek­ tralfarben sind nicht aus anderen Farben zusammengesetzt. Es sind Grundfarben. 3. newtonscher Versuch Führt man das im ersten newton­ schen Versuch entstehende farbige Licht durch eine Sammellinse wie­ der zusammen, dann entsteht wei­ ßes Licht. Die Summe aller Spektral­ farben ergibt Weiß. 4. newtonscher Versuch Blendet man einzelne Farben aus dem Spektrum aus und vereinigt das restliche Licht, so erhält man eine Mischfarbe. Solche Paare von ausgeblendeter Farbe und Misch­ farbe des restlichen Spektrums nennt man Komplementärfarben.

weißes Licht

Lichtquelle

weißes Licht

farbiges Licht

Prisma

farbiges Licht

grünes Licht

Blende weißes Licht

Prisma

weißes Licht

farbiges Licht

Schirm

Auf der Grundlage seiner Untersuchun­ gen entwarf I s aac n ewton eine Farben­ lehre. Eine völlig andere Auffassung über das Zustande­ kommen von Farben entwickelte J ohann woLFgang von g oethe (1749 –1832) in seiner Farben­ lehre. 412 295

Sammellinse

Blende Schirm

Prisma Sammellinse

Die Zerlegung von weißem Licht in seine farbigen Anteile führt zu ei­ nem kontinuierlichen Spektrum, das die Spektralfarben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett umfasst. Das Licht einer Spektralfarbe ist nicht weiter zerlegbar. Die Mischung aller Spektralfarben ergibt wie­ der weißes Licht.

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Die sechs Spektral­ farben sind die Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett.

Das Wort „kom­ plementär“ ist abgeleitet vom lateinischen complere = ergänzend. Die Bezeichnung wurde gewählt, weil sich die betreffen­ den Farben zu Weiß ergänzen. So sind z. B. Rot und Grün Komplementär­ farben (b S. 407).

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406

Optik

Arten von Spektren Spektren kann man nach der Art ihres Zustandekommens und nach ihrem Aussehen einteilen. Bei Verwendung von Gittern ist eine höhere Auflösung erreichbar. Beim Prisma wird Blau, beim Gitter Rot am stärksten abgelenkt.

Prismenspektrum

Gitterspektrum Lichtquelle

Lichtquelle

Gitter Prisma

Das Spektrum entsteht durch Brechung Das Spektrum entsteht durch Beugung und Dispersion. Es wird deshalb auch und Interferenz. Es wird deshalb auch als Dispersionsspektrum bezeichnet. als Beugungsspektrum bezeichnet. ontinuierliche K Spektren werden von glühenden festen und flüssigen Körpern sowie von Gasen unter hohem Druck ausgesendet. Linienspektren sen­ den heiße Gase von geringerer Dichte aus.

Ein kontinuierliches Spektrum wird z. B. von der Sonne ausgesendet. Beim Durchlaufen der Gashülle der Sonne werden Teile des Spektrums absor­ biert. Diese dunklen Absorptionslinien im Sonnenspek­ trum wurden 1814 von J osePh von F raunhoFer (1787 bis 1826) entdeckt und werden als fraun­ hofersche Linien bezeichnet.

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Kontinuierliches Spektrum 400 nm

500 nm 600 nm 700 nm λ

Linienspektrum 400 nm

500 nm 600 nm 700 nm λ Na

Hg Ne Das Spektrum umfasst den gesamten sichtbaren Bereich oder Teile davon ohne Lücken.

Das Spektrum besteht aus einzelnen, scharf begrenzten Linien, denen eindeutig eine bestimmte Wellenlänge zugeordnet werden kann.

Emissionsspektrum

Absorptionsspektrum weißes Licht

Natriumdampflampe

Gitter

Es wird das Licht zerlegt, das von einer Lichtquelle emittiert wird. Ein Emissi­ onsspektrum kann ein kontinuierliches oder ein Linienspektrum sein.

Gitter

Natriumdampf

Es wird das Licht zerlegt, das von einer Lichtquelle kommt, vor der Zerlegung aber noch durch einen nicht selbst leuchtenden Stoff hindurchgeht.

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Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren

Die Spektralanalyse Jedes Gas erzeugt entsprechend seiner Glühtemperatur, seinem Druck, sei­ ner Dichte und seiner chemischen Zusammensetzung ein charakteristisches Spektrum. Durch dessen Analyse kann man deshalb Rückschlüsse auf die Zusammensetzung von Stoffen ziehen, von denen das Licht ausgegangen ist oder die es durchlaufen hat. Das ist das Wesen der Spektralanalyse. Insbesondere ermöglicht die Spektralanalyse Aussagen über die physikali­ schen Bedingungen und chemischen Eigenschaften an der Oberfläche oder in der Atmosphäre von Himmelskörpern. So wurde z. B. das Helium, benannt nach dem griechischen „helios“ für Sonne, 1868 im Sonnenspektrum entdeckt und erst 1894 auf der Erde nachgewiesen. Die Untersuchungen von Spektren erfolgen mithilfe von Spektralap­ paraten. Das Foto zeigt einen Pris­ menspektralapparat. Das zu unter­ suchende Licht wird zerlegt und die Spektrallinien werden ausgemes­ sen. Anhand von Vergleichsspek­ tren kann man ermitteln, welche Stoffe an der Entstehung des Spek­ trums beteiligt waren. Mischung von Farben In unserer Umgebung gibt es nicht nur Lichtquellen, die verschiedenfarbi­ ges Licht aussenden. Auch Körper reflektieren meist nur Teile des Lichts, das auf sie fällt. Es kommt damit ständig zu einer Mischung von verschie­ denfarbigem Licht. So ergibt sich z. B. die Farbe, in der wir einen Körper sehen, aus der Mischung des von ihm reflektierten bzw. hindurchgelasse­ nen Lichts. Nach dem 4. newtonschen Ver­ Ausgeblendete Mischfarbe such (b S. 405) sind Komplemen­ Spektralfarbe des rest lichen tärfarben solche Farben, die zu­ Spektrums sammen wieder Weiß ergeben. Rot In der nebenstehenden Über­ sicht sind die jeweiligen Kom­ Orange plementärfarben in den Zeilen angeordnet. Gelb Mischt man z. B. Gelb und Vio­ lett oder Grün und Rot, so erhält Grün man jeweils weißes Licht. Dabei ist zu beachten: Rot beispiels­ Blau weise kann eine reine Spektral­ farbe oder eine Mischfarbe aus Violett anderen Spektralfarben sein.

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414 425 g ustav r oBert K irchhoFF (1824 –1887) be­ gründete zusammen mit r oBert w iLheLM B unsen (1811–1899) die Spektral analyse mit der Arbeit „Chemische Analyse durch Spektralbeob­ achtungen“.

Auch das Rot, das wir wahrnehmen, kann physikalisch eine Spektralfarbe (Licht eines kleinen Wellenlängen­ bereichs) oder eine Mischfarbe (Licht sehr unterschiedli­ cher Wellenlängen) sein.

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Optik

Mithilfe der drei Grundfarben und eines Farbenkreises lassen sich die Ge­ setze der additiven Farbmischung formulieren. Als Mischfarben ergeben sich: G + R = Gelb B + G = Cyan B + R = Magenta B + R + G = Weiß Der Farbraum wird als RGB bezeichnet.

Die additive Farbmischung Bei einer additiven Farbmischung wird das Licht verschiedener Farben auf dieselbe Stelle gelenkt und überlagert (addiert) sich. Dies ist z. B. beim Farbsehen, beim Farbfernsehen oder bei der Überlagerung von verschie­ denfarbigem Scheinwerferlicht der Fall. Da man durch additive Mischung der Farben Blau, Grün und Rot alle ande­ ren Farben erhalten kann, werden diese Farben als Grundfarben der addi­ tiven Farbmischung bezeichnet.

G Blaugrün (Cyan)

Gelb

B

R

Purpur (Magenta) Farbmischungen kann man am Com­ puter mithilfe eines Zeichenprogramms selbst ausprobieren.

Die subtraktive Farbmischung wird bei Farbdias und beim Malen genutzt. Für die subtraktive Farbmischung gilt: G + M = Rot C + G = Grün C + M = Blau C + M + G = Schwarz Der betreffende Farbraum wird als CMYK bezeichnet.

Werden Farben durch Addition gemischt, so gilt: – Gegenüberliegende Farben des Farbenkreises ergeben beim Mischen Weiß (Komplementärfarben). – Jede Farbe des Farbenkreises kann man durch Mischen der beiden benachbarten Farben erhalten. – Alle Farben des Farbenkreises kann man durch Mischen der Grund­ farben Rot, Grün und Blau erhalten. – Durch Mischen aller drei Grundfarben erhält man Weiß. Die subtraktive Farbmischung Bei einer subtraktiven Farbmi­ schung wird das Licht verschiede­ ner Farben durch Farbfilter aus­ geblendet oder durch Farbstoffe (Pigmente) absorbiert (subtrahiert). Das restliche Licht bildet eine Mischfarbe. Grundfarben der sub­ traktiven Farbmischung sind Gelb (Yellow), Magenta (Purpur) und Cyan (Blaugrün).

G (Y)

Rot

Grün

C

M

Blau

Werden Farben durch Subtraktion (Ausblenden) gemischt, so gilt: – Alle Farben des Farbenkreises kann man durch Mischen der Grund­ farben Gelb, Purpur (Magenta) und Blaugrün (Cyan) erhalten. – Durch Mischen aller Farben erhält man Schwarz.

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Das Wichtigste im Überblick

Beugung, Interferenz, Polarisation, Spektren Bei Licht treten solche wellentypischen Erscheinungen wie Beugung und Interferenz auf. Beugung

Interferenz

Beugung ist die Ausbreitung von Licht hinter schmalen Spalten, Kanten und kleinen Hinder­ nissen auch in die Schattenräume hinein.

Interferenz ist die Überlagerung von Licht mit Bereichen der Verstärkung und der Auslöschung bzw. Abschwächung.

Spalt

Für die Interferenz am Doppelspalt und am optischen Gitter gilt: Interferenzma­ xima (helle Streifen) treten unter folgen­ der Bedingung auf: s

Gitter

Schirm sk

sin αk = } k · λ     

tan αk = } ek    

sk

b

Für kleine Winkel α gilt: s k · λ     =  }  ek     } b

409

Überblick



e

(k = 0, 1, 2 …)



Das Auflösungsvermögen optischer Ge­ räte wird durch Beugung begrenzt. Für kreisförmige Öffnungen gilt:

Blende

Schirm

P1 α

sin α ≈ 1,22 } dλ   

d

P2

Licht verhält sich wie eine Transversalwelle. Es kann durch Reflexion, Brechung oder Po­ larisationsfilter polarisiert werden. Die Schwingungsebene lässt sich durch optisch aktive Stoffe oder eine elektrische Spannung am Flüssigkristall ändern. Spektren kann man auch mithilfe von Prismen (Dispersionsspektren) oder Gittern (Beu­ gungsspektren) erzeugen. Das Spektrum ist stoffspezifisch. Das ist die Grundlage der Spek­ tralanalyse. 400 nm

500 nm

600 nm

700 nm

λ

400 nm

500 nm

600 nm

700 nm

λ Na Hg

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410

Optik

Aufgaben 418 244 Interessante Phänomene 1. Betrachten Sie durch feines Gewebe (z. B. Regen­ schirm) oder feine Strukturen (z. B. Vogelfeder) eine weiter entfernte Lichtquelle (Straßenlampe, Kerze). Beschreiben Sie Ihre Beobachtungen. Wie könnte man sie erklären? 410 664 Doppelspalt 2. Ein Doppelspalt wird mit parallelem weißem Licht bestrahlt. In einiger Entfernung hinter dem Doppel­ spalt befindet sich ein Schirm. Beschreiben Sie das zu erwartende Bild und erläu­ tern Sie die physikalischen Ursachen dafür. 410 684 Konstruktive Interferenz 3. L1 und L2 sind zwei kohärente, monochromatische Lichtquellen. Auf einem Schirm beob achtet man helle und dunkle Streifen. L1

1. Ordnung

y2 y1

b

e

x 0. Ordnung

L2 Berechnen Sie den Gangunterschied ∆ y zwischen den beiden Strahlen y1 und y2, die sich zum ersten Mal neben der Mitte verstärken, in Abhängigkeit von dem Abstand b der Lichtquellen, dem Abstand e des Schirms von den Lichtquellen und dem Abstand x der beiden Streifen. 410 704 Unbekanntes Gitter 4. Ein Gitter mit unbekannter Gitterkonstante wird mit parallelem monochromatischem Licht der Wellen­ länge λ = 500 nm beleuchtet. Das Maximum 1. Ord­ nung wird unter einem Winkel von 30° beobachtet. Wie groß ist die Gitterkonstante? 416 194 Interferenz am Doppelspalt 5. Ein Doppelspalt mit dem Abstand der Spaltmitten von b = 0,40 mm wird senkrecht mit monochromati­ schem und parallelem Licht bestrahlt. Auf einem im Abstand e = 3,00 m parallel zum Doppelspalt ange­ brachten Schirm beobachtet man das Beugungsbild. a) Erläutern Sie mithilfe einer Zeichnung das Entste­ hen der Intensitätsminima und ­maxima auf dem Schirm. Leiten Sie je eine Beziehung für die zuge­ hörigen Beugungswinkel her.

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b) Auf dem Schirm beträgt der Abstand der Maxima 2. Ordnung 2,1 cm. Bestimmen Sie die Wellen­ länge. c) Anstatt mit monochromatischem Licht wird die Anordnung jetzt mit parallelem weißem Glüh­ licht beleuchtet (390 nm ≤ λ ≤ 780 nm). Erläutern Sie, weshalb man ein weißes Maximum 0. Ordnung und kontinuierliche Spektren in hö­ heren Ordnungen beobachtet. d) Kann man das Spektrum 1. Ordnung und das Spektrum 2. Ordnung noch getrennt beobach­ ten? Begründen Sie. 410 724 Anzahl der Maxima 6. Auf ein optisches Gitter mit der Gitterkonstanten b = 2,0 �m fällt rotes Licht der Wellenlänge 760 nm. Wie viele Maxima kann man prinzipiell nur beob­ achten? 410 744 Messung der Wellenlänge 7. Ein Gitter mit 200 Strichen pro Millimeter soll zur Messung der Lichtwellenlänge genutzt werden. Dazu lässt man das Licht auf einen Schirm der Breite 1,0 m im Abstand von 2,0 m so fallen, dass das Maxi­ mum 0. Ordnung in der Mitte des Schirms liegt. Wel­ ches ist die größte Wellenlänge, die man mit einer solchen Anordnung bestimmen kann? 418 994 Interferenz am Gitter 8. Ein Gitter mit einer Gitterkonstanten von 0,01 mm wird mit einfarbigem Licht beleuchtet. Auf einem 0,5 m entfernten Schirm haben die Maxima 1. Ord­ nung einen Abstand von 4,6 cm voneinander. a) Geben Sie eine Gleichung für die Maxima an. b) Berechnen Sie die Wellenlänge des genutzten Lichts. c) Welche Frequenz hat dieses Licht? 410 814 Weißes Licht am Doppelspalt 9. Durch einen Doppelspalt fällt weißes Licht der Fre­ quenzen 3,75 · 1014 Hz ≤ f ≤ 7,50 · 1014 Hz. a) Bestimmen Sie die Ordnung des Spektrums, das sich zum ersten Mal mit dem Spektrum der nächsthöheren Ordnung überlappt. b) Welche Farben liegen dann zum ersten Mal auf­ einander? c) Welche Farben sind dann sicher keine Mischfar­ ben, sondern Spektralfarben? d) Berechnen Sie die Spaltbreiten, bei denen man die berechnete Überlappung beobachten kann. e) Können die Randfarben des oben angegebenen Lichts aufeinanderfallen?

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Aufgaben

410 824 Biprisma von Fresnel 10. Interferenz durch Brechung realisierte F resneL mit­ hilfe eines Biprismas (b Skizze). L1

L

L2

Biprisma

Bereich der Interferenz Erläutern Sie an diesem Beispiel das Zustandekom­ men eines Interferenzmusters. 410 944 Grünes Licht am Doppelspalt 11. Bei einem Doppelspaltversuch mit Licht der Wellen­ länge 493 nm ergibt sich das folgende Schirmbild:

90°

60°

30°



30°

60°

90°

Entnehmen Sie dem Diagramm den Winkel zum Maximum 2. Ordnung und berechnen Sie damit den Spaltabstand. 415 984 Drei Farben am Gitter 12. Das Licht einer Quecksilberhochdrucklampe besteht im Wesentlichen aus drei Farben: λblau = 435 nm, λgrün = 546 nm, λgelb = 578 nm. Auf die Schmalseite eines 7,8 cm langen Plexiglas­ trogs klebt man ein Reflexionsgitter mit der Gitter­ konstanten 1 750 nm, auf die gegenüberliegende Seite ein Pergamentpapier als Schirm. Der Trog wird so mit Wasser (n = 1,33) gefüllt, dass das zum Schirm laufende Licht teilweise über und teilweise unter Wasser verläuft. a) Wie viele vollständige Linienspektren sieht man über und wie viele unter Wasser? b) Berechnen Sie den Abstand der drei Farben des ersten Spektrums vom weißen Spaltbild über und unter Wasser.

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417 474 Unbekannte Gitterkonstante 13. Zur Bestimmung der Lichtwellenlänge mithilfe eines Gitters benötigt man die Gitterkonstante des ge­ nutzten Gitters. Beschreiben Sie ausführlich eine Möglichkeit, wie man die Gitterkonstante eines gegebenen Gitters bestimmen kann. 415 464 Fernrohre 14. Geben Sie zwei Gründe an, warum man bei Fernroh­ ren für astronomische Beobachtungen einen mög­ lichst großen Objektivdurchmesser benötigt. 417 544 Mikroskope 15. Beim Mikroskop beträgt der kleinste Abstand zweier Punkte, die gerade noch aufgelöst werden können, ungefähr r = } λ · f     .  Dabei sind f die Brennweite und d d der Durchmesser des Objektivs. Interpretieren Sie die Gleichung im Hinblick darauf, dass möglichst kleine Strukturen sichtbar werden sollen. 410 894 Seifenhaut 16. Eine Seifenhaut (n = 1,3) mit einer Dicke von 350 nm wird mit weißem Licht beleuchtet. Das Licht trifft senkrecht auf. a) Beschreiben Sie die Vorgänge an der Grenzschicht Luft –Seifenhaut und Seifenhaut – Luft. Gehen Sie dabei auf Phasensprünge ein. b) Welche Farbe hat das von der Seifenhaut reflek­ tierte bzw. das hindurchgehende Licht? 410 974 Newtonsche Ringe 17. Eine plankonvexe Linse wird auf eine Glasplatte ge­ legt und mit monochromatischem Licht bestrahlt, so wie das in der Skizze angegeben ist. Licht

a) Sowohl im reflektierten Licht als auch im durch­ gehenden Licht sind helle und dunkle Ringe zu beobachten. Erklären Sie das Zustandekommen dieser soge­ nannten newtonschen Ringe. b) Bei einer Wellenlänge von 600 nm hat der vierte helle Ring in Reflexion einen Durchmesser von 9  mm. Wie groß ist der Krümmungsradius der Linse? Leiten Sie zunächst die entsprechende Gleichung her.

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412

Optik

410 924 Oberflächenvergütung 18. Verringert man die Reflexion von Licht an Linsen, so erhöht sich deren Lichtdurchlässigkeit. a) Begründen Sie diese Aussage. b) Wie groß ist die kleinste Dicke einer Entspiege­ lungsschicht aus MgF2 (n = 1,38) auf einer Linse, damit im reflektierten Licht Wellen der Wellen­ länge 600 nm fehlen? Welche Aussage kann man bezüglich der Refle­ xion benachbarter Wellenlängen treffen? c) Optiker empfehlen die Entspiegelung von Brillen­ gläsern. Ist das eine sinnvolle Empfehlung? Was wird durch eine solche Entspiegelung erreicht? 416 014 LCD­Anzeige 19. Die beiden Fotos zeigen die Anzeige eines Handys mit einem darübergehaltenen Polarisationsfilter. 1) Polarisationsfilter in einer bestimmten Lage 2) Polarisationsfilter um 90° gedreht (1)

(2)

419 854 Arten von Spektren 22. Es gibt unterschiedliche Arten von Spektren, die man experimentell in verschiedener Weise erzeugen kann. a) Beschreiben Sie zwei Möglichkeiten der Erzeu­ gung eines Spektrums von einer Lichtquelle. b) Die Bilder zeigen unterschiedliche Arten von Spektren.

Kennzeichnen Sie diese Spektren und gehen Sie darauf ein, unter welchen Bedingungen das je­ weilige Spektrum zustande kommt. 415 524 Spektrometer 23. Informieren Sie sich über den prinzipiellen Aufbau eines Spektrometers. Fertigen Sie eine Zeichnung an, aus der Aufbau und Wirkungsweise erkennbar sind. 414 854 Spektralanalyse 24. Beschreiben Sie, wie man mithilfe der Spektralana­ lyse ermitteln kann, welche Stoffe auf Sternen vor­ handen sind.

a) Wie sind die Unterschiede zu erklären? b) Beschreiben Sie den Aufbau und erklären Sie die Wirkungsweise einer LCD­Anzeige. 416 024 Frequenz und Wellenlänge 20. Einfarbiges Licht mit einer Frequenz von 5,5 · 1014 Hz hat in einem bestimmten Stoff eine Wellenlänge von 311 nm. a) Wie groß ist seine Frequenz in Luft? b) Welche Wellenlänge und welche Farbe hat das Licht in Luft? 417 504 Farbiges Licht 21. Das von einem Körper abgestrahlte rote Licht hat eine Frequenz von 4,0 · 1014 Hz. a) Wie groß ist seine Wellenlänge in Luft? b) Was geschieht mit Frequenz und Wellenlänge, wenn dieses Licht in Glas übertritt? c) Die Farbwahrnehmung des Menschen erfolgt über spezielle Rezeptoren. Erkunden Sie, welche Rolle dabei die Frequenz bzw. die Wellenlänge des Lichts spielt.

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419 634 Dunkle Linien 25. J osePh von F raunhoFer (1787–1826) entdeckte im Sonnenspektrum eine Vielzahl von dunklen Linien.

Erklären Sie das Zustandekommen dieser fraunho­ ferschen Linien! 417 184 Unterschiedliche Farben 26. Beschreiben Sie ein Experiment, mit dem man eine Mischfarbe von einer Spektralfarbe unterscheiden kann. 419 584 Spektren von Lampen 27. Informieren Sie sich über das Spektrum von LED­, Energiespar­, Halogen­ und Glühlampen. Bereiten Sie einen Vortrag zum Thema „Vor­ und Nachteile des Austauschs von Glühlampen durch an­ dere Leuchtmittel“ vor.

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6 Quantenphysik Die Quantenphysik ist als eine im 20. Jahrhundert entwi­ ckelte physikalische Theorie ein relativ junges Teilgebiet der Physik. Die bis dahin als absolut wahr angesehene Aussage, dass die Natur keine Sprünge macht, erwies sich als falsch. Die Emission und Absorption von Licht, das quantenmechanische Atommodell, die Entstehung von Röntgenstrahlung, die Wirkungsweise eines Elek­ tronenmikroskops oder die Nanotechnologie sind nur auf quantenphysikalischer Grundlage zu verstehen.

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414

Quantenphysik

6.1 Photonen und Elektronen als Quantenobjekte

410 365 Der Begründer der Quantentheorie ist M ax P lanck (1858 bis 1947), der 1900 als Professor für theoretische Physik an der Berliner Uni­ versität wirkte.

Die Quantenphysik oder Quantentheorie ist ein relativ junges Teilgebiet der Physik, das das Verhalten von Quantenobjekten (z. B. Photonen, Elek­ tronen, Atomen) beschreibt. Damit ist die Deutung vieler Effekte möglich, die von der klassischen Physik nicht erklärt werden können oder die gar den klassischen Vorstellungen widersprechen. Die Bezeichnung „Quanten­ physik“ rührt daher, dass viele physikalische Objekte und Größen in der Mikrophysik nur portionsweise, also gequantelt, vorkommen. Als Geburtstag der Quantenphysik gilt der 14. Dezember 1900. Das ist der Tag, an dem der deutsche Physiker M ax P lanck (1858 –1947) auf ei­ ner Sitzung der Berliner Physikalischen Gesellschaft seine Strahlungsformel theoretisch begründete und dabei die fundamentale Naturkonstante h, das plancksche Wirkungsquantum, in die Physik einführte, um das Leuch­ ten heißer Körper richtig beschreiben zu können. Wir betrachten nachfol­ gend ausgewählte Eigenschaften von Quantenobjekten genauer.

6.1.1 Teilchencharakter von Photonen

Entdeckt wurde der äußere licht­ elektrische Effekt im Jahr 1888 durch W ilhelM h allWachs (1859 –1922). Er wird deshalb auch als Hallwachs­Effekt bezeichnet.

Aus dem bisherigen Physikunterricht ist bereits bekannt: – Die Träger der Energieportionen, die in der Atomhülle beim Übergang von einem Energieniveau zu einem anderen abgegeben oder aufgenom­ men werden, nennt man Lichtquanten oder Photonen. – Für sichtbares Licht liegt die Energie der Photonen zwischen 1,5 eV (rotes Licht) und 3,3 eV (violettes Licht). Sie nimmt mit steigender Frequenz zu. – Photonen kann man sich als winzige Teilchen vorstellen, die sich stets mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Der äußere lichtelektrische Effekt Der äußere lichtelektrische Effekt, auch äußerer Fotoeffekt genannt, war das erste Phänomen mit Licht, bei dem man einen Quanteneffekt be­ obachtete. Er wurde bei der Bestrahlung von geschmirgelten Zinkplatten mit Licht entdeckt. Die Abbildung links zeigt die grundsätzliche Versuchs­ anordnung, rechts ist ein Ausschnitt mit den Vorgängen auf der Platten­ oberfläche dargestellt. Zinkplatte

UV-Strahlung

UV-Strahlung

abgelöstes Elektron Elektroskop

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Photonen und Elektronen als Quantenobjekte

Bei experimentellen Untersuchungen macht man folgende Beobachtun­ gen: – Wenn man eine negativ geladene Zinkplatte mit ultraviolettem Licht (UV­Licht) bestrahlt, dann wird die Platte augenblicklich entladen. – Verwendet man statt UV­Licht sichtbares Licht, so wird die negativ gela­ dene Zinkplatte nicht entladen, selbst wenn man die Lichtintensität sehr hoch wählt. – Bestrahlt man eine positiv geladene Zinkplatte mit beliebigem Licht, so tritt kein Effekt auf. Die Erscheinung, dass bei der Bestrahlung mit geeignetem Licht aus der Oberfläche von Festkörpern Elektronen austreten können, wird als äußerer Fotoeffekt bezeichnet.

Die Erklärung für die experimentellen Ergebnisse ist: – Licht kann nur die beweglichen Elektronen aus der Platte herauslösen, die positiven Atomrümpfe jedoch nicht. – Zur Ablösung der Elektronen aus einem Festkörper ist eine bestimmte Energie erforderlich, die als Ablöseenergie oder als Austrittsarbeit WA bezeichnet wird. – Licht mit hoher Frequenz, also z. B. UV­Licht, gibt seine Energie in größe­ ren Portionen (Quanten) ab als Licht mit niedrigerer Frequenz, also z. B. sichtbares Licht. Bei einer bestimmten Frequenz haben die Photonen ge­ rade die zur Ablösung von Elektronen erforderliche Energie. – Wenn die Energie E eines Photons größer ist als die Austrittsarbeit WA für ein Elektron, dann ist die restliche Energie gleich der kinetischen Energie dieses herausgelösten Elektrons. Für die Energiebilanz beim äußeren Fotoeffekt gilt: E = WA + Ekin

E Energie eines Lichtquants WA Austrittsarbeit Ekin kinetische Energie des herausge­ lösten Elektrons

Energie E des Lichts ist größer als die Austritts­ arbeit

Energie E des Lichts ist gleich der Austritts ­ arbeit

Energie E des Lichts ist kleiner als die Austritts­ arbeit

UV­Licht (fUV groß)

blaues Licht (fblau < fUV)

rotes Licht (frot < fblau) = =0=00 Ekin EEkin kin

Ekin EEkin kin E EE

WW W A AA

E = WA + Ekin

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E EE

E = WA

WW W A AA

E EE

E < WA

WW W A AA

415

Neben dem äußeren Fotoeffekt gibt es auch einen inneren Fotoeffekt. So nennt man die Erscheinung, dass durch den Einfluss von Strahlung Elek­ tronen im Innern eines Festkörpers ihre Bindung ver­ lassen und dann als Leitungs elektronen zur Verfügung stehen.

UV­Licht besitzt größere Energiepor­ tionen als sichtbares Licht und deshalb auch eine größere biologische Wirk­ samkeit. So wird z. B. durch übermäßige UV­Bestrahlung ein Sonnenbrand her­ vorgerufen. Durch sichtbares Licht passiert das nicht. Die Lichtintensität beeinflusst ledig­ lich die Anzahl der herausgelösten Elek­ tronen, nicht aber deren kinetische Energie.

Ein Teil der Energie des Lichts kann auch an die Atome des Festkörpers abgegeben werden. Wir betrachten hier den Fall, dass dieser Anteil null ist und damit die kinetische Energie der Elek­ tronen den maximal möglichen Wert hat.

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416

Quantenphysik

Alkalimetalle haben eine relativ geringe Austrittsarbeit, sodass schon bei sichtbarem Licht Elektronen aus der Katode austreten können.

Wir gehen da­ von aus, dass die Austrittsarbeit aus der Katode genau so groß ist wie die Eintrittsarbeit in die Anode, dass sich also beide Effekte aufheben. Die beschriebene Methode wird als Gegenfeldmethode bezeichnet.

Zusammenhang zwischen der Energie von Photonen und der Frequenz des Lichts Mithilfe einer Vakuumfotozelle kann Katode man quantitativ untersuchen, wie die Licht kinetische Energie der Elektronen von Ringanode der Frequenz des verwendeten Lichts A abhängt. Licht fällt auf eine Katode aus V Alkalimetall. Die austretenden Elek­ tronen besitzen eine bestimmte maxi­ male kinetische Energie Ekin. Es fließt – + ein Strom. Vergrößert man die Gegen­ spannung zwischen Katode und Anode, so werden die Elektronen in dem Gegenfeld abgebremst. Wenn die kinetische Energie der Elektronen nicht mehr ausreicht, um das Gegenfeld zu überwinden, ist die Stromstärke null. Für diesen Grenzfall gilt: e · U = Ekin = } 12  m · v 2 Dabei ist U die Spannung zwischen Anode und Katode bei I = 0 und damit e · U die Arbeit gegen das elektrische Feld. Bestrahlt man die Katode der Fotozelle mit Licht unterschiedlicher Frequenz, dann erhält man einen Zusammenhang zwischen der Energie und der Frequenz, der als Einstein-Gerade bezeichnet wird und der in der nachfolgenden grafischen Darstellung für die Alkalimetalle Natrium und Caesium dargestellt ist.

2

e · U = Ekin in eV Caesium auf Wolfram

Es gilt: 1 eV = 1,602 · 10–19 J Ein Elektron besitzt diese Energie, wenn es aus dem Ruhezu­ stand eine Spannung von 1 V durchläuft.

417 765 Ein Produkt aus Energie und Zeit wird in der Physik häufig als Wirkung bezeichnet. Daher stammt die Bezeich­ nung „Wirkungs­ quantum“ für die Konstante h.

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Natrium

1

∆E ∆f WA

WA

1

2

3

4

5

6

f in 1014 Hz

–1

–2

Grenzfrequenz fG

Die Steigung der Geraden ergibt sich als Quotient ∆E : ∆f. Sie ist für alle Festkörper gleich und wird als plancksches Wirkungsquantum oder als Planck-Konstante bezeichnet. Das plancksche Wirkungsquantum h ist eine fundamentale Naturkon­ stante. Sie hat einen Wert von h = 6,626 · 10–34 J · s.

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Photonen und Elektronen als Quantenobjekte

417

Die Achsenabschnitte auf der Ordinatenachse sind die stoffabhängigen Austrittsarbeiten WA. Damit lautet die Geradengleichung: Ekin = h · f – WA Das Produkt h · f ist nach e instein die Energie, die ein Photon von Licht der Frequenz f besitzt. Für sichtbares Licht beträgt sie 1,5 bis 3,3 eV. Ein Vergleich mit der Energiebilanz Ekin = E – WA (b S. 415) zeigt: Die Energieportionen E von Licht der Frequenz f betragen E = h · f. Berück­ sichtigt man, dass für den Zusammenhang zwischen Frequenz f, Wellen­ länge λ und Ausbreitungsgeschwindigkeit c die Gleichung f = } λc   oder c = f · λ gilt, dann ergibt sich: Licht der Frequenz f (der Wellenlänge λ) überträgt seine Energie in Portionen der Größe: E = h · f = h ·   }λc   Das gelbe Licht einer Natriumdampflampe hat eine Wellenlänge von 589 nm. Wie groß ist die Energie der betreffenden Photonen? Analyse: Bei bekannter Wellenlänge und Ausbreitungsgeschwindigkeit in Luft kann man die oben genannte Gleichung anwenden. Gesucht: E Gegeben: λ = 589 nm = 5,89 · 10–7 m c = 3,0 · 108 } m   s h = 6,626 · 10–34 J · s Lösung: 

E = h · }λc  

410 355 a lbert e instein (1879 –1955) erhielt für seine grundle­ gende Arbeit zum Fotoeffekt, die 1905 erschien, 1921 den Nobelpreis für Physik. Die von ihm entwickelte spezielle und allgemeine Rela­ tivitätstheorie wurde dagegen nicht mit einem Nobelpreis gewürdigt.

3,0 · 108 } m  

s E = 6,626 · 10–34 J · s · }   –7

5,89 · 10 m

E = 3,375 · 10

–19 J = 2,1 eV

Ergebnis:  Die Energieportionen des gelben Lichts einer Natriumdampflampe be­ tragen 2,1 eV. Berücksichtigt man den Term h · f in der Energiebilanz für den Fotoeffekt, dann ergibt sich: Für die Energiebilanz beim äußeren lichtelektrischen Effekt gilt: h · f = WA + Ekin

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h f WA Ekin

plancksches Wirkungsquantum Frequenz des Lichts Austrittsarbeit kinetische Energie der Elektronen

Diese Gleichung wurde zuerst von a lbert e instein im Jahr 1905 angege­ ben. Man nennt sie deshalb einsteinsche Gleichung für den Fotoeffekt.

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418

Quantenphysik

In der grafischen Darstellung auf S. 416 ist der Schnittpunkt der Geraden mit der f­Achse diejenige Frequenz, die Licht mindestens haben muss, um Elektronen aus dem jeweiligen Metall herauszulösen. Sie wird als Grenzfrequenz bezeichnet. Die Grenzfrequenz ist damit ebenfalls materialabhängig. Sie beträgt z. B. für Natrium 5,5 · 1014 Hz (grünes Licht) und für Caesium 4,7 · 1014 Hz (rotes Licht).

Die Grenzfrequenz fG für einen Stoff ergibt sich aus der stoffabhängi­ gen Austritts arbeit: WA Austrittsarbeit h plancksches Wirkungsquantum

W

A    fG = } h

Für spezielle Anwendungen, z. B. für den Nachweis von infrarotem Licht und Wärmestrahlung mittels Detektoren, nutzt man Stoffkombinationen mit besonders geringer Austrittsarbeit und damit auch kleiner Grenzfre­ quenz, z. B. Barium auf Wolfram oxid (fG = 3,1 · 1014 Hz) oder Caesium auf Wolfram (fG = 3,4 · 1014 Hz). Ist  es  möglich,  aus  einer  Wolframkatode  durch  Bestrahlung  mit  Licht  einer Wellenlänge von 410 nm Elektronen herauszulösen?

Der Wert für die Austrittsarbeit ist einem Tabellenwerk zu entnehmen.

Analyse:  Damit Elektronen aus Wolfram herausgelöst werden, muss das Licht mindestens die für diesen Stoff erforderliche Grenzfrequenz besitzen. Diese ergibt sich aus der oben genannten Gleichung. Die Frequenz des verwendeten Lichts kann man aus Wellenlänge und Lichtgeschwindig­ keit mit der Gleichung c = f · λ berechnen. Gesucht: Gegeben:

Für die Einheiten gilt: 1 eV = 1,602 · 10–19 J

}1s  = 1 Hz

fG, f λ = 410 nm h = 6,626 · 10–34 J · s

WA = 4,54 eV c = 3,0 · 108 } m s  

Lösung:  Für die Grenzfrequenz von Wolfram erhält man: W

A    fG = } h –19

J 4,54 · 1,602 · 10     = 1,1 · 1015 Hz fG = }} –34 6,626 · 10

J · s

Als Frequenz des verwendeten Lichts ergibt sich: f = }λc   8

3,0 · 10 m   = 7,3 · 1014 Hz f = } –9 410 · 10 m

Ergebnis: Da die Frequenz des verwendeten Lichts mit 7,3 · 1014 Hz kleiner ist als die Grenzfrequenz für Wolfram (11 · 1014 Hz), werden aus der Wolfram­ katode durch dieses Licht keine Elektronen herausgelöst.

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Interessantes aus Physik und Technik

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Herstellung von einzelnen Photonen Jahrzehntelang versuchten Experimentalphysiker, einzelne Photonen kontrolliert herzu stel len. Mit dem Nachweis von einzelnen Photonen kann die Quanten natur von Licht eindeutig bewiesen wer­ den. Nachfolgend sind einige der Versuche beschrie­ ben.

kungen in dem optischen Material. Dabei kann ein Photon mit größerer Energie in zwei Photonen mit niedrigerer Energie zerfallen. Detektor A Laser

Ein vielversprechender Versuch 1956 führten die englischen Physiker r. h anbury b roWn (1916 –2002) und R. tWiss (1920 –2005) ein Ex­ periment durch, bei dem sie sehr schwaches Licht auf einen Strahlteiler schickten und dahinter mit De­ tektoren versuchten, einzelne Photonen nachzuwei­ sen. Dazu nutzten sie die folgende Anordnung: Strahlteiler Lichtquelle

Detektor A

Abschwächer

Detektor B

nicht linearer Kristall

Detektor B Dieses Licht wird in ganz bestimmte Richtun gen ab­ gestrahlt. Wenn man dort zwei Detek toren aufstellt (b Abb. oben), so geben diese stets zur gleichen Zeit ein Signal. Die nachgewiesenen Energieportionen sind je­ weils halb so groß wie die Portionen, die bei dem ursprünglichen Laserlicht nachgewiesen werden. Es gilt also: h · fLaser = 2 h · fDetektor

Sie schwächten das Licht so stark ab, dass stets einige Zeit zwischen zwei Emissionen bzw. Absorptionen vergehen sollte. Sie erwarteten, dass stets nur einer der beiden Detektoren ein Signal geben würde. Ein solches Ergebnis würde die Vorstellung, dass Licht aus einzelnen Photonen besteht, stark stützen. Zu ihrer Überraschung stellten sie fest, dass die De­ tektoren häufiger beide gleichzeitig ein Signal ga­ ben als nur einer allein. Dabei wurde von jedem De­ tektor jeweils die volle Energie h · f nachgewiesen. Dies kann man nur so deuten, dass das Licht, auch wenn es sehr schwach ist, zum Klumpen (englisch: „bunching“) neigt. Eine Stütze für die Photonenvor­ stellung ist das Experiment nicht. Einzelne Photonen aus nicht linearen Kristallen Wenn man Licht mit geeigneter Wellenlänge in einem bestimmten Winkel auf spezielle Kristalle (z. B. aus Calcium oder Bariumborat) treffen lässt, so hat ein geringer Teil des Lichts, das den Kristall ver­ lässt, nur noch die halbe Frequenz bzw. die doppelte Wellenlänge. Solche speziellen Kristalle werden als nicht lineare Kristalle bezeichnet. Die Umwandlung in Licht anderer Frequenz erfolgt durch Wechselwir­

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Wenn man z. B. Detektor B entfernt und Detektor A ein Signal gibt, dann kann man sich sicher sein, dass im unteren Bereich ebenfalls ein Lichtquant der Energie h · f Detektor unterwegs ist. Auf diese Weise erzeugt man kontrolliert ein einzel­ nes Photon, mit dem man weitere Experimente durchführen kann. Die nachfolgende Anordnung zeigt das Prinzip der Erzeugung solcher einzelner Photonen. Detektor A Laser

nicht linearer Kristall

einzelnes Photon Jedes Mal, wenn Detektor A ein Signal gibt, verlässt rechts unten ein einzelnes Photon die Anordnung. Damit hat man eine Quelle für einzelne Photonen, mit denen experimentiert werden kann.

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420

Quantenphysik

Analog dazu kann man einen Was­ serstrahl so präpa­ rieren, dass er aus einzelnen Wasser­ tropfen besteht.

Energie und Impuls des Photons P. G ranGier, G. r oGer und A. a sPect haben 1986 das erste Experiment durchgeführt, in dem Quanteneffekte des Lichts nicht mit der Quanten­ natur der Materie erklärt werden können. Ihnen gelang es, Licht so zu präparieren, dass es aus einer definierten Anzahl einzelner Quanten, den Photonen, bestand (b S. 419). Wenn man Licht auf einen Strahlteiler (z. B. eine Glasplatte) fallen lässt, so wird ein Teil des Lichts hindurchgelassen, der Rest wird reflektiert. Strahlteiler

Strahlteiler durchgelassen

Detektor A Quelle für einzelne Photonen

Licht

Detektor B

reflektiert

Wenn man dagegen ein einzelnes Photon auf den Strahlteiler treffen lässt, so wird nicht etwa ein Teil des Photons am Detektor A und der Rest am De­ tektor B nachgewiesen. Jedes Photon wird nur an genau einem der beiden Detektoren nachgewiesen. Bei sichtbarem Licht liegt die Energie der Photonen zwischen 1,5 eV (rotes Licht) und 3,3 eV (violettes Licht).

Photonen werden stets in ganzen Portionen nachgewiesen. Die Ener­ gie eines Photons beträgt:

Für diese Äquivalenz gilt die berühmte, 1905 von a lbert e instein (1879 –1955) angegebene Bezie­ hung E = m · c 2.

Nach der speziellen Relativitätstheorie sind Energie und Masse äquivalent. Kennt man die Energie eines Photons, so kann man die dazu äquivalente Masse angeben.

E = h · f

h f

plancksches Wirkungsquantum Frequenz des Lichts

Die Masse eines Photons hängt von seiner Energie ab. Es gilt: h     m = } E2   = } h · f    = } c · λ 2 c 

f E λ

c 

Frequenz Energie Wellenlänge

c h

Vakuumlichtgeschwindigkeit plancksches Wirkungsquantum

Für Licht im mittleren Bereich des sichtbaren Spektrums (gelbgrüner Bereich) beträgt die Energie eines Photons 2,3 eV. Demzufolge kann ihm folgende Masse zugeordnet werden: –19

2,3 · 1,602 · 10 J m = }}     = 4,1 · 10–36 kg 8m 2 (3,0 · 10 } s   )

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Photonen und Elektronen als Quantenobjekte

421

Photonen breiten sich stets mit Lichtgeschwindigkeit aus. Ihre Ruhemasse ist null. Aufgrund ihrer Geschwindigkeit und ihrer Masse kann ihnen auch ein Impuls zugeordnet werden. Allgemein ist der Impuls p so definiert: p = m · v Dabei sind m die Masse und v die Geschwindigkeit. Die Anwendung dieser Definition auf ein Photon ergibt: Der Impuls p eines Photons kann folgendermaßen berechnet werden: p = } Ec  =  }  h · f  =  }  hλ   c    E f λ

Energie des Photons Frequenz Wellenlänge

c h

Bei Reflexion oder Absorption er­ zeugt Licht wegen seines Impulses einen Druck, der als Strahlungsdruck bezeichnet wird. Energie und Impuls eines Licht­ blitzes können experimentell be­ stimmt werden. Sie hängen zusam­ men über die Formel E = c · p.

Vakuumlichtgeschwindigkeit plancksches Wirkungsquantum

vorher

nachher

Lichtblitz Spiegel

Eine Lichtquelle sendet Lichtblitze mit einer Wellenlänge von 630 nm und einer Energie von 100 J aus. Wie viele Photonen enthält ein solcher Lichtblitz? 

Die Gleichung ergibt sich so: p = m · c 2

     = } m · c  c    = }Ec  

Der Photonen­ impuls ist auch für Wirkungen des Sonnenwinds mitver­ antwortlich. Diese zeigen sich z. B. in der Krüm­ mung von Kometen­ schweifen und in der Verformung des Erdmagnetfelds.

Analyse:  Die Anzahl der Photonen ergibt sich aus der Energie eines Photons und der Energie des Lichtblitzes. Gesucht: Anzahl n der Photonen, p Gegeben: λ  = 630 nm h = 6,626 · 10–34 J · s EB = 100 J c = 300 000 km · s–1 Lösung:  Ein Photon hat die Energie E = h · f = h · }λc  . Damit erhält man für die An­ zahl n der Photonen: E · λ

n = } EEB    = } B       h · c –9

  m · s8   n = }} 100 J · 630 · 10 –34 6,626 · 10

J · s · 3 · 10 m

n = 3,2 · 1020 Ergebnis: Ein Lichtblitz mit einer Energie von 100 J enthält bei Licht mit einer Wellenlänge von 630 nm (rotes Licht) etwa 3,2 · 1020 Photonen.

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Quantenphysik

6.1.2 Wellencharakter von Elektronen Sehr kleine Objekte wie Atome, Elektronen, Protonen, Neutronen oder auch Moleküle werden in der Physik oft „Teilchen“ genannt. Häufig wer­ den sie als kleine Kügelchen dargestellt. Sie zeigen jedoch in zahlreichen Experimenten Eigenschaften, die nicht mit dem Kügelchen­Modell erklärt werden können. Insbesondere können mit Elektronen Beugungsexperi­ mente durchgeführt werden.

Zu den Quantenobjekten zählen u. a. Elektronen, Proto­ nen, Neutronen, Photonen, Atome und Moleküle.

Elektronenbeugung Der französische Physiker l ouis de b roGlie (1892–1987) formulierte 1923 in seiner Doktorarbeit eine kühne Hypothese: „Wenn Licht mit Elementen des Teilchenmodells beschrieben werden muss,  dann sollte auch Materie mit Elementen der Wellentheorie zu beschreiben  sein.“ Er gab darüber hinaus in dieser Arbeit, ausgehend von theoretischen Über­ legungen, eine Gleichung für die Wellenlänge von Quantenobjekten an. Ihm zu Ehren wird sie heute als de-Broglie-Wellenlänge bezeichnet. Für die de­Broglie­Wellenlänge von Quantenobjekten gilt: h     =   h   λ = } m · v } p

h m v p

plancksches Wirkungsquantum Masse des Quantenobjekts Geschwindigkeit des Quantenobjekts Impuls

Nach dieser Theorie kann man z. B. Elektronen eine Wellenlänge zuord­ nen. Dann müssten bei Elektronen typische Welleneigenschaften wie Beu­ gung und Interferenz nachweisbar sein. d avisson und G erMer registrierten die an einem Kristall re­ flektierten Elektro­ nen in Abhängigkeit vom Streuwinkel.

Der experimentelle Nachweis gelang erstmals 1927 den amerikanischen Physikern c. J. d avisson (1881–1958) und l. h. G erMer (1896 –1971) durch die Beugung eines Elektronenstrahls an Kristallen, die wie ein Gitter auf die Elektronen wirken. Die Skizze unten zeigt eine mögliche Versuchsan­ ordnung. Rechts ist ein typisches Interferenzbild zu sehen, wie man es bei der Durchstrahlung einer dünnen, kristallinen Folie erhält. Detektor (Film)

dünne kristalline Folie

Elektronenquelle

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Photonen und Elektronen als Quantenobjekte

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In einem Experiment werden Elektronen an einer dünnen kristallinen Folie gebeugt. Auf einem Leuchtschirm beobachtet man Beugungs­ ringe. Das Foto links zeigt eine schulische Experimentieranordnung, das Foto rechts die Beugungsringe auf dem Bildschirm der Röhre. Die links dargestellte Röhre wird als Elek­ tronenbeugungs­ röhre bezeichnet. Die Beugung von Elektronen erfolgt an einer dünnen Grafitfolie.

Wenn man die Beschleunigungsspannung verändert, dann ändern sich auch die Radien der Beugungsringe auf dem Bildschirm. Sagen  Sie  voraus,  wie  sich  die  Ringradien  ändern  werden,  wenn  die  Beschleunigungsspannung verkleinert wird. Analyse: Der Radius der Beugungsringe hängt ab von der Geschwindigkeit und damit von der Wellenlänge der Elektronen, von der Gitterkonstante des Kristalls und vom Abstand des Schirms vom Kristall. Von diesen Grö­ ßen ändert sich beim Verkleinern der Beschleunigungsspannung nur die Geschwindigkeit und damit die Wellenlänge der Elektronen. Lösung: Für die Geschwindigkeit der Elektronen folgt aus e · U = }12   m · v 2 die Gleichung:

} v = √  } 2 e · U     m    Daraus ist ablesbar: Mit Verkleinerung der Beschleunigungsspannung U verkleinert sich die Geschwindigkeit v der Elektronen. Aufgrund der de­Broglie­Beziehung h       λ = } m · v

bedeutet eine Verkleinerung der Geschwindigkeit v eine Vergrößerung der Wellenlänge λ. Analog zu einem optischen Gitter gilt auch für Elek­ tronen: Je größer die Wellenlänge ist, desto weiter liegen die Maxima auf einem Schirm auseinander. Ergebnis: Folglich müssten sich die Radien der Beugungsringe vergrößern, wenn man die Beschleunigungsspannung verkleinert. Das Experiment mit einer Elektronenbeugungsröhre bestätigt die getroffene Voraussage. Quantitative Untersuchungen ergeben den rechts genannten Zusam­ menhang, der als Bragg-Beziehung bezeichnet wird.

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Bei U = 100 V be­ trägt die Geschwin­ digkeit von Elektro­ m .  nen v = 5,9 · 106 } s Das sind etwa 2 % der Vakuumlichtge­ schwindigkeit.

Für ein optisches Gitter gilt: k · λ    sin α = }   d

Für die Elektronen­ beugung gilt:      sin α = } k · λ 2 d

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Quantenphysik

Experimentelle Untersuchungen mit anderen Quantenobjekten (Protonen, Neutronen, Atome) belegen: Die von l. de broGlie durch theoretische Über­ legungen gefundene Gleichung für die Wellenlänge gilt nicht nur für Elek­ tronen, sondern für beliebige Quantenobjekte. Man kann also auch Pro­ tonen, Neutronen, Atomen oder Molekülen eine Wellenlänge zuordnen. Eine solche Beschleu­ nigungsspannung wird z. B. bei Elek­ tronenmikroskopen (b S. 425) genutzt.

Elektronen werden durch eine Spannung von U = 1,0 kV beschleunigt. Welche Wellenlänge ist diesen Elektronen zuzuordnen? Vergleichen Sie  diese mit der Wellenlänge von grünem Licht (500 nm). Analyse: Die Geschwindigkeit der Elektronen kann mit einem energetischen An­ satz ermittelt werden. Es gilt: e · U = }12  m · v 2 Bei bekannter Geschwindigkeit kann man die Gleichung für die de­ Broglie­Wellenlänge anwenden. Gesucht: Gegeben:

Für die Einheiten gilt: J · s   J · s   = } } } } √ C · V · kg   √ V · A · s · kg   kg · m2



2 · s }  s   = } } kg2 · m2 }  2  

√ 

s

= m

λ U = 1,0 kV = 1,0 · 103 V e = 1,602 · 10–19 C m = 9,109 · 10–31 kg h = 6,626 · 10–34 J · s

Lösung:  } Aus e · U = }12   m · v 2 ergibt sich v = √ } 2 e · U   .  Damit erhält man für die Wel­ m    lenlänge: h     = h      λ = } } } m · v  √ 2 e · U · m    

–34

6,626 · 10 J · s    3   –31   λ = }}}} }}}} –19 √ 2 · 1,602 · 10  C · 1,0 · 10   V · 9,109 · 10  

λ = 3,9 · 10

kg  

–11 m

Ergebnis:  Bei einer Beschleunigungsspannung von 1,0 kV kann man Elektronen eine Wellenlänge von 3,9 · 10–11 m zuordnen. Die Wellenlänge von grü­ nem Licht ist etwa 1 300­mal größer.

Das Auflösungsver­ mögen eines Mikros­ kops vergrößert sich mit Verkleinerung der Wellenlänge.

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Aus den Beugungsbildern, die man mit Elektronen erhält, lassen sich Aus­ sagen über die Anordnung von Atomen in einem Kristall ableiten. Ein Vergleich mit der Optik eröffnete aber noch einen völlig anderen An­ wendungsbereich. Aus der Optik ist bekannt: Bei Lichtmikroskopen ist das Auflösungsvermögen prinzipiell durch die Wellenlänge des verwendeten Lichts begrenzt. Wenn nun die Wellenlänge von Elektronen wesentlich geringer als die von sichtbarem Licht ist, dann müsste es möglich sein, mithilfe von Elektronen­ mikroskopen erheblich kleinere Strukturen als mit Lichtmikroskopen auf­ zulösen. Das ist tatsächlich möglich. Das erste kommerzielle Elektronen­ mikroskop wurde 1938 von der Firma Siemens entwickelt.

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Interessantes aus der Technik

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Elektronenmikroskope Das rechts dargestellte, mit einem Lichtmikroskop vergleichbare Elektronenmikroskop funktioniert so, dass ein Elektronenstrahl das sehr dünne Objekt durchstrahlt. Es wird deshalb auch Transmissionselektronenmikroskop (TEM) genannt. Die Wellen­ länge, die den Elektronen zugeordnet werden kann, hängt von der Beschleunigungsspannung ab. Meh­ rere 100 Kilovolt bewirken sehr kleine Wellenlängen im Picometerbereich (b S. 424) und damit eine we­ sentlich höhere Auflösung als bei Lichtmikroskopen. Die Ausbreitung der Elektronen ist nur im Vakuum möglich, da die Elektronen schon in stark verdünn­ ten Gasen ihre Energie wie in einer Gasentladungs­ lampe durch Stoßionisation an die Gasatome abge­ ben würden. Daher kann für die Ablenkung der Elektronenstrah­ lung nicht wie in der Lichtoptik die Brechung an ge­ krümmten Linsenoberflächen ausgenutzt werden. Die Elektronenoptik bedient sich vielmehr der Ab­ lenkung der Elektronen durch elektrische und mag­ netische Felder. Diese Technik wurde 1926 erstmals von h ans b usch beschrieben und berechnet, der als Begründer der Elektronenoptik gilt. Das inhomogene Magnetfeld einer kurzen Spule wirkt auf einen Elektronenstrahl beim Hineinlau­ fen in die Spule bündelnd analog einer Sammellinse und beim Verlassen des Feldes auffächernd analog einer Zerstreuungslinse. Da der bündelnde Effekt überwiegt, kann eine kurze Spule als magnetische Sammellinse im Elektronenmikroskop eingesetzt werden. So kann im Elektronenmikroskop ein Ge­ genstand durch die Elektronenstrahlung analog zum Licht im Lichtmikroskop abgebildet werden.

Lichtquelle Elektronenquelle Kondensorlinse Magnetlinse

Objekt Objektiv

Zwischenbild

Leuchtschirm 1 Vergleich eines Elektronenmikroskops mit einem Licht mikroskop Oberfläche des Objekts konzentriert. Der Elektro­ nenstrahl löst aus der Oberfläche sogenannte Se­ kundärelektronen aus. Durch zeilenweises Abtasten des Objekts erhält man aus dem Sekundärelektro­ nenstrom ein Gesamtbild des Objekts (b S. 452).

Zur Darstellung atomarer Strukturen wird das astertunnelmikroskop genutzt, das von H. r ohrer R und G. b inninG entwickelt wurde. Mit seiner Hilfe können noch Strukturen im Nanometerbereich (bis etwa 0,1 nm) aufgelöst werden. Damit lassen sich einzelne Atome auf der Oberfläche von Bariumti­ tanat (BaTiO3) darstellen. Das abgebildete Rasterelektronenmikroskop (REM) kann die Oberflächenstrukturen in großer Tiefen­ schärfe und räumlich darstellen. Bei einem REM wird ein Elektronenstrahl auf einen kleinen Bereich der

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2 Rasterelektronenmikroskop in Betrieb

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Quantenphysik

Das Experiment wurde 1960 erstma­ lig von dem deut­ schen Physiker c laus J önsson (*1930) durchgeführt.

Elektronen im Doppelspaltexperiment Da Elektronen eine Wellen länge zugeordnet werden kann, lassen sich mit ihnen auch Interferenz experimente Doppelspalt Schirm durchführen. Ein Beispiel: Eine Elektronen quelle sendet Elektro­ nen mit einheit licher Geschwin­ digkeit auf einen Doppelspalt. Die durchge lasse nen Elektronen treffen auf einen Schirm auf. Man Elektronenerhält das aus der Optik bekannte quelle Doppelspalt­Interferenzmuster. Elektronen zeigen wie Licht im Doppelspaltversuch ein Interferenz­ muster. Sie besitzen Wellencharakter.

Das Foto zeigt das von J önsson gewon­ nene Beugungsbild mit Elektronen.

Für die Geschwin­ digkeit gilt:

} 2 e · U     v = √  } m    Für den Impuls m · v erhält man demzu­ folge:   2 e · U · m     m · v = √}

In der Optik gilt:      und sin α = } k · λ b

sin α = } ex   Für k = 1 erhält man daraus: λ   = x    } }e b

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J önsson gelang es 1960, Doppelspalte mit einer Spaltbreite von a = 0,3 µm und einem Spaltabstand von b = 1,0 µm herzu stellen. Wir nehmen eine Beschleunigungsspannung für die Elektronen von 2,5 kV an. Wie eng liegen die Maxima des links vergrößert gezeigten Beugungsbilds  auseinander,  wenn  man  annimmt,  dass  der  Abstand  zwischen  Spalt und Schirm e = 40 cm beträgt? Analyse: Gesucht: Gegeben:

Abstand x des 1. Maximums vom 0. Maximum U = 2,5 kV b = 1,0 µm e = 40 cm

Lösung: Mithilfe der de­Broglie­Beziehung erhält man für die Wellenlänge: h      = h       λ = } m · v } √}   2 e · U · m    

–34

6,626 · 10 J · s    3   –31   λ = }}}} }}}} –19 √  2 · 1,602 · 10  C · 2,5 · 10   V · 9,109 · 10   –11 m

λ = 2,5 · 10

kg  

x

Mit der Kleinwinkelnäherung gilt wie bei Licht:  }λ   = } ex   und damit x = e · } λ   b b

e

–11   x = 0,4 m · } 2,5 · 10 –6 m 1,0 · 10 m

x = 1,0 · 10–5 m

b

Ergebnis:  Bei den angegebenen Daten betrug der Abstand der Intensitäts maxima b nur etwa 10 µm.

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Das Wichtigste im Überblick

Photonen und Elektronen als Quantenobjekte Zu den Quantenobjekten gehören Photonen (Lichtquanten) und Elektronen. Ein Effekt, der quantenphysikalisch erklärt werden kann, ist der äußere Fotoeffekt. Die Energie bilanz für diesen Effekt lautet:

427

Überblick



Ekin

h · f = WA + Ekin

∆Ekin

In Verbindung mit dem Diagramm (Ein­ stein­Gerade) ergeben sich folgende Zu­ sammenhänge: W fG = } A    h



∆f WA

f

fG

∆E h = } kin      ∆f

Photonen oder Lichtquanten sind Quantenobjekte mit Energie und Impuls. Photonen ha­ ben Teilchencharakter. Energie eines Photons

Masse eines Photons

Impuls eines Photons

E = h · f

E   = h · f   h     m = }  = } λ · c } 2 2

p = } Ec   = } h · f    = } hλ   2

c 

c 

c 

Die Photonen haben in dem für Menschen sichtbaren Bereich eine Energie von 1,5 eV (lang­ welliges rotes Licht) bis 3,3 eV (kurzwelliges violettes Licht). In der nachfolgenden Übersicht ist die Energie in Elektronenvolt (eV) angegeben.

1,55 1,77 1,82 1,88 1,94 2,00 2,07 2,14 2,22 2,30 2,39 2,48 2,58 2,70 2,82 2,95 3,10 3,27

Bei der Bestrahlung von Kristallen mit Elektronen tritt Interferenz auf. Elektronen haben Wellen charakter. Interferenz tritt auch bei anderen Quantenobjekten auf. Detektor dünne kristalline Folie

Elektronenquelle

Quantenobjekten kann eine Wellenlänge zugeordnet werden, die als de-Broglie-Wellenlänge bezeichnet wird.

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h      λ = } ph   = } m · v

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Quantenphysik

Aufgaben 416 104 Modelle für das Licht 1. Licht kann mit dem Strahlenmodell, dem Wellenmo­ dell oder einem Teilchenmodell beschrieben wer­ den. Die Modelle sind jeweils für die Beschreibung unterschiedlicher Effekte geeignet. a) Welche Aufgaben hat allgemein ein Modell in der Physik? b) Nennen und erläutern Sie Phänomene, die je­ weils mit einem der oben genannten Modelle beschrieben werden können. c) Es gibt Phänomene, die mit dem Strahlen­ und dem Wellenmodell beschrieben werden können (b S. 360 f.). Erläutern Sie ein Beispiel. d) Argumentieren Sie, wieso das Wellenmodell beim Fotoeffekt versagt. Gehen Sie darauf ein, welches experimentelle Ergebnis man im Wellenbild nicht erklären kann. 417 814 Was ist Licht? 2. In der Geschichte der Physik hat es immer wie­ der heftigen Streit darüber gegeben, was Licht ei­ gentlich ist. Als Beispiele seien die Namen n eWton , h uyGens , younG , F resnel und e instein genannt. a) Erkunden Sie, welche Auffassungen die genann­ ten Wissenschaftler über das Wesen von Licht hatten. b) Stellen Sie zum Thema „Auffassungen über das Wesen des Lichts in der Geschichte“ eine Präsen­ tation zusammen. Gehen Sie auf eine dieser Auf­ fassungen genauer ein. 411 734 Licht auf Fotokatode 3. Eine Fotokatode wird mit monochromatischem Licht bestrahlt. Dadurch werden Elektronen emittiert. In systematischen Versuchen werden die Frequenz und die Intensität variiert. a) Es wird Licht gleicher Frequenz, aber höherer Intensität verwendet. Sagen Sie voraus, was da­ durch bewirkt wird. b) Es wird Licht höherer Frequenz, aber gleicher Intensität verwendet. Welche Effekte sind damit verbunden? Begründen Sie. 414 944 Austrittsarbeit 4. Licht mit einer Wellenlänge von 400 nm löst aus ei­ nem Metall Elektronen mit einer Maximal energie von 1,8 eV heraus. a) Berechnen Sie die Austrittsarbeit für das Metall sowie die Grenzfrequenz.

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b) Begründen Sie, wieso sich das Auftreten einer Grenzfrequenz physikalisch nicht deuten lässt, wenn man vom Wellencharakter des Lichts aus­ geht. 411 744 Fotoeffekt 5. Die fundamentale Naturkonstante plancksches Wirkungsquantum h kann mithilfe des äußeren Foto effekts bestimmt werden. a) Was versteht man unter dem äußeren Foto­ effekt? b) Wie kann man den äußeren Fotoeffekt experi­ mentell nachweisen? Beschreiben Sie ein Experi­ ment. c) Beschreiben Sie eine Experimentieranordnung zur Bestimmung des planckschen Wirkungsquan­ tums sowie das experimentelle Vorgehen. Leiten Sie eine Gleichung ab, mit der das planck­ sche Wirkungsquantum berechnet werden kann. 411 814 Vakuumkatode 6. Bestrahlt man die Katode einer Vakuumfotozelle mit Licht verschiedener Wellenlängen, so werden die in der Tabelle angegebenen Gegenspannungen gemessen, bei denen jeweils gerade kein Fotostrom mehr fließt. λ in nm

400

450

500

550

600

UG in V

1,25

0,90

0,62

0,40

0,17

a) Stellen Sie die Messwerte grafisch dar. Interpre­ tieren Sie das Diagramm. b) Ermitteln Sie das plancksche Wirkungsquantum, die Grenzfrequenz und die für das Katodenmate­ rial charakteristische Austrittsarbeit. c) Berechnen Sie die Geschwindigkeiten der Foto­ elektronen. 411 824 Photonenimpuls 7. Ein Raumschiff werde mit einem Laserblitz der Ener­ gie E beschossen, die ein großes Kraftwerk (Leistung 6 GW = 6 000 000 000 Watt) in einer Sekunde bereit­ stellt. Mit welchem Impuls wird das Raumschiff ge­ troffen? Mit welcher Geschwindigkeit v müsste ein Pkw (m = 1 000 kg) auf das Raumschiff aufprallen, um den gleichen Impuls zu übertragen? 415 904 Energie beim Fotoeffekt 8. Licht der Wellenlänge 300 nm trifft auf eine Caesi­ umschicht, die eine Fläche von 1,0 cm2 und eine Aus­

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trittsarbeit von 2,0 eV hat. Die Stärke der Bestrah­ lung beträgt 2,0 W · m–2. a) Berechnen Sie die Energie eines Lichtquants! b) Wie viele Photonen treffen jede Sekunde auf die bestrahlte Fläche? c) Welche maximale kinetische Energie besitzt ein durch Fotoeffekt aus dem Caesium herausgelös­ tes Elektron? Geben Sie die Energie in J und eV an. d) Welche maximale Gegenspannung könnte das Elektron über winden? 419 734 Geschwindigkeiten von Elektronen 9. Bei einem Fotoeffekt­Experiment fällt weißes Licht durch einen Farbfilter (444 nm) auf eine Caesium­ schicht mit einer Austritts arbeit von 1,9 · 10–19 J und löst dort Elektronen ab. a) Berechnen Sie die Geschwindigkeit der abgelös­ ten Elektronen. b) Wie könnte man ihre Geschwindigkeit experi­ mentell ermitteln? Skizzieren und beschreiben Sie ein geeignetes Experiment. 411 384 Schnelle Elektronen 10. Vorher ruhende Elektronen werden mit der Span­ nung 1,5 kV beschleunigt. a) Welche Bewegungsenergie und welche Ge­ schwindigkeit haben sie danach? b) Berechnen Sie die de­Broglie­Wellenlänge dieser Elektronen. c) Die Elektronen werden von einem Gitter mit 528 Spalten/mm gebeugt und treffen auf einen Leuchtschirm. Skizzieren Sie den Sachverhalt. Unter welchem Winkel erwartet man das 1. Beugungsmaximum? Welchen Abstand haben die hellen Stellen, wenn der Leuchtschirm 10 m vom Gitter entfernt ist? 419 744 Gelbes Licht 11. Durch eine Natriumdampflampe wird Licht der Wel­ lenlänge 589 nm (gelbe Natriumlinien) mit einer Leistung von 75 mW ausgesendet. a) Berechnen Sie die Energie der betreffenden Pho­ tonen. b) Wie viele Photonen werden in jeder Sekunde emittiert? c) Wie viele Photonen treffen in jeder Sekunde auf eine 1 cm2 große Detektorfläche, die sich in 1 m Entfernung von der Lampe befindet? d) In welcher Entfernung reagiert eine Fotozelle noch auf die Strahlung, wenn ihre Empfindlich­ keit 5 · 10–12 W · cm–2 beträgt?

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Aufgaben

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416 574 Anzahl der Photonen 12. Ein Mensch kann mit dem Auge grünes Licht dann wahrnehmen, wenn auf die Netzhaut eine Lichtleis­ tung von mindestens 1,7 · 10–18 W trifft. Grünes Licht hat eine Wellenlänge von 550 nm. Wie viele Photonen müssen unter diesen Bedingun­ gen mindestens auf die Netzhaut eines unserer Au­ gen fallen? 416 214 Wellenlänge gefragt 13. Praktisch ruhende Elektronen werden in einem elektrischen Feld auf eine Geschwindigkeit von m    beschleunigt. v = 2,65 · 107 } s a) Welche elektrische Spannung müssen diese Elek­ tronen dabei durchlaufen? b) Angenommen, man wollte Elektronen dieser Ge­ schwindigkeit in einem Fotoeffekt­Experiment erzeugen. Welche Wellenlänge müsste die einfal­ lende elektromagnetische Strahlung haben? 412 614 Protonenwellenlänge 14. Protonen werden durch eine Spannung von 200 kV beschleunigt. a) Wie groß ist dann ihre kinetische Energie? b) Welche Wellenlänge kann diesen Protonen zu­ geordnet werden? Vergleichen Sie diese mit der Wellenlänge von grünem Licht (500 nm). 411 374 Elektroneninterferenz 15. Ein Elektronenstrahl wird auf einen Doppelspalt ge­ lenkt. Hinter dem Doppelspalt registriert man eine bestimmte Verteilung der Intensität. Sie ist in der Skizze rechts angegeben.

Elektronenquelle

Doppelspalt Schirm a) Welche Schlussfolgerungen kann man aus diesem Experiment ziehen? b) Die den Elektronen zugeordnete Wellenlänge beträgt 4,3 · 10–12 m. Wie groß ist die kinetische Energie der Elektronen? c) Stellen Sie für Spannungen bis 10 kV die Abhän­ gigkeit der Wellenlänge, die man Elektronen zuordnen kann, von dieser Beschleunigungsspan­ nung grafisch dar. Interpretieren Sie das Diagramm.

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Quantenphysik

6.2 Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten 6.2.1 Interferenzexperimente mit Quantenobjekten Interferenzexperimente mit Licht oder vielen Elektronen kann man noch gut im klassischen Wellenbild beschreiben. Dagegen sind Experimente mit einzelnen Photonen oder einzelnen Elektronen weder im Wellenmodell noch im Modell der kleinen Kügelchen (Teilchenmodell) zu verstehen. Hier wird die Quantenphysik benötigt. Deshalb nennt man Atome, Elektronen, Protonen, Neutronen oder auch Moleküle Quantenobjekte.

Der Schirm besteht aus einer großen Anzahl von Detektoren, sodass man den Ort einzelner Quantenobjekte relativ genau nachweisen kann.

Der Zufall bei Quantenexperimenten Schirm mit Die verschiedenen Quanten objekte Detektoren Doppelspalt verhalten sich in Interferenzexperimenten erstaunlich ähnlich. Man kann sie z. B. durch einen Doppelspalt auf einen Schirm treffen lassen. Dort können sie mit einem Feld von empfindlichen Detektoren Quelle für einzelne nachgewiesen werden. Quantenobjekte Man beobachtet, dass jedes durchgelassene Quantenobjekt von geNachweisort eines Quantenobjekts nau einem Detektor nachgewiesen wird. Bei Wiederholung des Experiments gibt nicht etwa jedes Mal der gleiche Detektor ein Signal, vielmehr streuen die Nachweisorte stark. Für einzelne Quantenobjekte können Messergebnisse in der Regel nicht vorhergesagt werden.

Tatsächlich sind wir ja misstrauisch, wenn ein Mitspieler so würfelt, dass der Würfel nicht richtig rollt.

In der klassischen Physik können wir für ein Objekt in einem Experiment vorhersagen, wie es sich verhalten wird, wenn wir alle Anfangsbedingungen nur genau genug kennen. Die Vorgänge sind determiniert. Deshalb ist auch der Ausgang von klassischen Zufallsprozessen wie dem Würfeln oder dem Münzwurf im Prinzip vorherbestimmt. Nur die Tatsache, dass wir die Anfangsbedingungen nicht so genau kennen und auch nicht exakt reproduzieren können, macht das Würfeln zum scheinbar zufälligen Prozess.

Selbst wenn man annimmt, die Quantenobjekte hätten genaue Anfangsbedingungen, so erhält man Vorhersagen, die nicht mit den Messergebnissen in Einklang gebracht werden können.

Dagegen sind die Messergebnisse bei Quantenobjekten (hier bei einer Ortsmessung) nicht determiniert. Selbst wenn man Quantenobjekte identisch präpariert, können ihre Nachweisorte stark und zufällig variieren. Der Nachweisort für ein einzelnes Quantenobjekt kann nicht vorhergesagt werden. Ein Grund dafür ist, dass man den Anfangszustand von Quantenobjekten prinzipiell nicht so genau präparieren kann, dass Ort und Impuls genau genug für eine Ortsvorhersage bestimmt sind (b S. 437, heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation).

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Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten

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Interferenzfähigkeit von Quantenobjekten Der Nachweisort der Quantenobjekte im Doppelspaltexperiment ist vom Zufall abhängig. Dennoch zeigt sich nach häufiger Wiederholung des Experiments mit einzelnen Quantenobjekten ein überraschendes Ergebnis: Wenn man die Nachweisorte der einzelnen Quantenobjekte auf dem Schirm registriert, erhält man eine Verteilung wie bei Interferenzversuchen mit Licht am Doppelspalt. Die nachfolgenden Skizzen zeigen jeweils die Verteilung auf dem Schirm. I nterferenz mit Licht am Doppelspalt

mit wenigen Quantenobjekten

mit vielen Quantenobjekten

Selbst mit Fullerenen, das sind Kohlenstoffmoleküle mit Fußballstruktur, hat man Interferenz beobachtet.

Das Interferenzmuster kommt nicht dadurch zustande, dass sich die Quantenobjekte unterwegs gegenseitig beeinflussen. Es tritt auch dann auf, wenn sich nacheinander jeweils nur ein Quantenobjekt in der Anordnung befindet. Man sagt: Das Quantenobjekt interferiert mit sich selbst. Einzelne Quantenobjekte können zu Interferenzmustern beitragen. Das kann nicht mit dem klassischen Teilchenmodell beschrieben oder erklärt werden.

Bei wenigen Quantenobjekten können Verteilungen entstehen, die keine Ähnlichkeit mit dem Interferenzmuster der Optik haben. Je mehr Quantenobjekte aber ein Interferenzexperiment durchlaufen, umso zuverlässiger tritt ein Interferenzmuster auf. Das bedeutet: Für das einzelne Quantenobjekt kann man nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage machen. So wird es beim Doppelspaltversuch wahrscheinlicher in der Nähe des Maximums nachgewiesen als in der Nähe des Minimums. Je öfter man den Versuch wiederholt, umso wahrscheinlicher ähnelt die Verteilung der Nachweisorte der klassischen Intensitätsverteilung, wie sie von Licht bekannt ist. Anders als in der klassischen Physik kann man in der Quantenphysik im Allgemeinen nur Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen.

Wenn man sich einzelne Quantenobjekte wie eine klassische Welle vorstellen würde, dann müsste bei einer Ortsmessung am Schirm wie bei einer Wasserwelle eine ganze Schar von Detektoren gleichzeitig ausgelöst werden. Es spricht jedoch immer nur ein Detektor an.

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Zum Vergleich: Wenn eine Welle in den Bereich eines Bootshafens kommt, fängt nicht nur ein Boot zu schaukeln an.

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Interessantes aus Physik und Technik

Experimente mit einzelnen Photonen Experimente mit einzelnen Photonen werden heute in zahlreichen Quantenobjekt-Labors auf der ganzen Welt durchgeführt, z. B. bei der Arbeitsgruppe Zeilinger in Wien (b Abb. unten), aber auch in Schülerlabors an verschiedenen Universitäten. Erstaunliche Messergebnisse erhält man z. B., wenn man Strahlteilerexperimente mit einzelnen Photonen durchführt. Als Strahlteiler nimmt man eine Fläche, die so verspiegelt ist, dass sie die Hälfte des einfallenden Lichts durchlässt und die andere Hälfte reflektiert.

Aus diesem Versuchsergebnis könnte man schließen, dass ein Photon an einem Strahlteiler stets entweder durchgelassen oder reflektiert wird. Dass diese Annahme falsch ist, erkennt man z. B., wenn man einzelne Photonen in ein Mach-ZehnderInterferometer (b S. 399) bringt. Strahlteiler

Spiegel 1

einzelne Photonen A

Man lässt z. B. einzelne Photonen auf einen solchen Strahlteiler treffen und weist sie anschließend mit empfindlichen Detektoren nach. Spiegel 2

Detektor 1 Strahlteiler Detektor A nicht linearer Kristall

Laserlicht

Detektor B

Bei diesem Experiment erhält man nie gleichzeitig Signale von den beiden Detektoren A und B. Stets gibt nur entweder Detektor A oder Detektor B ein Signal. Welcher von beiden Detektoren ein Signal gibt, ist zufällig. Die Wahrscheinlichkeiten dafür betragen jeweils 50 %: P(A) = P(B) = 0,5

B

Strahlteiler

Wenn man annimmt, dass ein Photon an jedem Strahlteiler entweder durchgelassen oder reflektiert wird, dann müsste man an den beiden Detektoren A und B jeweils 50 % aller Photonen nachweisen. Tatsächlich stellt man fest, dass alle Photonen von Detektor A nachgewiesen werden und kein Photon von Detektor B. Es gilt also: P(A) = 1 und P(B) = 0 Mit dem Teilchenmodell ist dieses Ergebnis nicht vereinbar. Genau genommen tritt es nur ein, wenn die beiden Weglängen im Interferometer gleich lang sind. Wenn sich die Weglängen um die halbe Wellenlänge der Photonen unterscheiden, erhält man: P(A) = 0 und P(B) = 1 Dieses Verhalten kennt man von Wellen. Es weist auf die Welleneigenschaften der Photonen hin. Die Tatsache, dass stets nur ganze Photonen im Detektor nachgewiesen werden, zeigt die Teilchennatur der Photonen. Das kann mit einem reinen Wellenmodell nicht erklärt werden. Die Strahlteilerexperimente zeigen also, dass Photonen weder Wellen noch Teilchen sind, sondern etwas Drittes, das in unserer klassischen Welt nicht vorkommt.

1 Blick in das Quantenlabor der Universität Wien (Prof. Zeilinger)

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Mit der Quantentheorie können diese Photonen gut beschrieben werden. Ein anschauliches Modell ist auf S. 433 dargestellt.

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Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten

433

6.2.2 Ein anschauliches Modell für Quantenobjekte Wir können uns ein Quantenobjekt wie eine Wolke vorstellen. Diese Wolke kann sich ausbreiten, sie kann reflektiert und geteilt werden. Sie hat aber auch zwei Eigenschaften, die eine Wolke im Alltag nicht hat: 1. Wenn man das Quantenobjekt in einem Detektor nachweist, zieht sich die Wolke schlagartig auf Detektorgröße zusammen. 2. Wenn die Wolke aufgeteilt ist und ihre Teile aufeinandertreffen und sich durchdringen, dann bilden sich Verdichtungen und Verdünnungen. Ein Quantenobjekt bewegt sich nach rechts und läuft dabei auseinander. wolke 1 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 30% proportional wolke 2 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 50% proportional

1 2

wolke 1 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 30% proportional wolke 2 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 50% proportional

Ein Quantenobjekt nähert sich einem Spiegel und wird reflektiert. 1 2

Ein Quantenobjekt nähert sich einem Detektor und wird von diesem nachgewiesen.

wolke 1 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 30% proportional wolke 2 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 50% proportional

1 2

wolke 3 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 75% proportional

wolke 3 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 75% proportional

3

3

3

wolke 1 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 30% proportional wolke 2 (wolke_2.psd) 1. horizontal 50% 2. 50% proportional

Wir bezeichnen deshalb dieses Modell als Wolkenmodell.

Zwei Teile desselben Quantenobjekts durchdringen sich. 1 2

wolke 3 (wolke_4n1.psd) 1. horizontal 50% Größe Ellipse

3

Mit diesem Wolkenmodell lassen sich die Ergebnisse von Experimenten der Quantenphysik veranschaulichen, zum Beispiel der auf Seite 431 beschriebene Doppelspaltversuch. Ein Quantenobjekt bewegt sich in Richtung Doppelspalt. Es wird durch eine Wolke veranschaulicht.

Beim Erreichen des Doppelspalts muss die Wolke mindes tens so breit sein wie der Spalt abstand. Durch jeden der Spalte geht dann eine Teilwolke.

Hinter dem Doppel spalt durchdringen sich die beiden Teilwolken aus den beiden Spalten. Es bilden sich Verdichtungen und Verdünnungen. Alle Teile zusammen bilden eine Einheit, das Quantenobjekt. Dies sieht man, wenn man eine Ortsmessung macht. Bei der Detektion zieht sich die Wolke auf Detektorgröße zusammen. Die Verdich tungen im vorigen Bild zeigen an, an welchen Stellen das besonders wahr scheinlich ist. Die Verdünnungen zeigen an, an welchen Stellen ein Quantenobjekt seltener nachgewiesen wird.

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Die Dichte der Wolke an einem Ort x ist ein Maß dafür, wie wahrscheinlich man ein Quantenobjekt bei einer Ortsmessung am Ort x antreffen würde.

In analoger Weise lässt sich das Experiment mit dem Mach-Zehnder-Interferometer (b S. 432, rechte Spalte) deuten.

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Quantenphysik

6.2.3 Der quantenphysikalische Messprozess Verhalten von Photonen bei der Messung am Doppelspalt Im Doppelspaltexperiment geht das Quantenobjekt nach dem Wolkenmodell durch beide Spalte gleichzeitig. Anders als ein kleines Kügelchen befindet es sich also nicht nur an einem bestimmten Ort. Man sagt: Das Quantenobjekt ist delokalisiert. Quantenobjekte können über größere Bereiche delokalisiert sein.

Das erklärt auch, warum das Muster der Nachweisorte deutlich davon abhängt, ob beide Spalte gleichzeitig geöffnet sind oder ob jeweils nur ein Spalt geöffnet ist. Im Doppelspaltexperiment wird nun mithilfe der Detektoren eine Ortsmessung durchgeführt. Erst diese Messung zwingt das Quantenobjekt zu einer eindeutigen Antwort. Nach der Ortsmessung befindet es sich nur noch in einem der Detektoren. Man sagt auch, die Wolke ist kollabiert. Bei einer nochmaligen Messung würde man das Quantenobjekt wieder an diesem Ort finden. Das bedeutet: Sein Zustand wurde durch die Messung stark verändert. Im Wasserstoffatom ist das Elektron über den ganzen Bereich des Atoms delokalisiert. Erst bei einer Ortsmessung zieht es sich zusammen.

Ortsmessung

In der Quantenphysik kann der Zustand eines Quantenobjekts durch eine Messung schlagartig und stark geändert werden.

In der klassischen Physik kann man die Auswirkung einer Messung im Prinzip beliebig klein machen. Betrachten wir als Beispiel eine Geschwindigkeitsmessung. Durch die Messung mit einer Radarpistole wird die Geschwindigkeit eines Autos, also sein Zustand, nicht messbar verändert. In der Quantenphysik ist das anders. Die Ortsmessung an einem delokalisierten Quantenobjekt hat gravierende Auswirkungen auf den Zustand dieses Quantenobjekts. Solange keine Messung stattfindet, ist die zeitliche Entwicklung der Wolke genauso bestimmt wie eine Bewegung in der Mechanik. Der Zufall kommt erst beim Zusammenziehen der Wolke, also bei einer Messung, ins Spiel. Man sieht das z. B. beim Doppelspalt-Experiment: Dort kann man eine Ortsmessung machen, wenn sich das Quantenobjekt in der Nähe der beiden Spalte befindet. Obwohl das Quantenobjekt über beide Spalte delokalisiert ist, wird es nur am einen oder am anderen Spalt gefunden, niemals an beiden gleichzeitig. Welcher Spalt das ist, hängt vom Zufall ab. Wie jedes Modell hat auch das Wolkenmodell seine Grenzen. So bedeutet das plötzliche Kollabieren der Wolke bei geladenen Quantenobjekten, dass Ladungen sehr schnell beschleunigt werden. Dabei müsste nach den Gesetzen der Physik eigentlich elektromagnetische Strahlung emittiert werden. Das ist aber nicht der Fall.

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Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten

Verhalten von Photonen bei der Messung der Polarisation Auch bei der Messung der Polarisation wird der Zustand von Photonen in der Regel stark verändert. Licht kann sich nicht nur in der Frequenz (Farbe) und der Ausbreitungsrichtung, sondern auch in der Polarisationsrichtung unterscheiden (b S. 400 f.). Normalerweise ist das Licht vieler Lichtquellen, z. B. der Sonne, einer Glühlampe oder einer Leuchtstofflampe, nicht polarisiert. Das bedeutet: Es schwingt in allen möglichen Ebenen. Durch einen Polarisationsfilter kann es aber linear polarisiert werden, schwingt dann also nur noch in einer Ebene. Von der Anordnung des Filters hängt es ab, in welcher Ebene das Licht hinter dem Filter schwingt. In den Skizzen unten ist die Polarisationsrichtung durch den Strich am Filter gekennzeichnet. Senkrecht polarisiertes Licht wird von einem senkrecht ausgerichteten Filter durchgelassen, waagerecht polarisiertes Licht wird davon absorbiert. Licht, das im 45°-Winkel polarisiert ist, wird zur Hälfte durchgelassen.

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Bei elektromagnetischen Wellen, zu denen Licht zählt, wird als Schwingungsrichtung die Richtung der elektrischen Feldstärke gewählt.

Einzelne Photonen können nicht zur Hälfte durchgelassen werden. Der Durchgang durch den Filter stellt eine Messung dar. Dabei kann nur das ganze Photon durchgelassen oder absorbiert werden. Ein in 45°-Richtung polarisiertes Photon wird von einem Filter mit senkrechter Ausrichtung mit 50 % Wahrscheinlichkeit durchgelassen und mit 50 % Wahrscheinlichkeit absorbiert. Wenn es durchgelassen wird, ist es senkrecht polarisiert. Das bedeutet auch in diesem Fall: Durch die Messung hat sich der Zustand des Photons stark geändert. Durchgang durch einen Polarisationsfilter mit senkrechter Vorzugsrichtung Licht Senkrecht polarisiertes Licht wird durchgelassen.

Photon Filter

Ein senkrecht polarisiertes Photon wird durchgelassen.

Filter

Waagerecht polarisiertes Licht wird absorbiert.

Ein waagrecht polarisiertes Photon wird absorbiert.

Licht, das in 45°-Richtung polarisiert ist, wird nur zur Hälfte durch gelassen.

Für ein 45° polarisiertes Photon ergibt sich eine 50 % Wahrscheinlichkeit.

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Quantenphysik

Das Komplementaritätsprinzip Bei einem Doppelspalt-Experiment mit vielen Quantenobjekten erhält man ein typisches Interferenzbild (b S. 431). Wenn man nun misst, durch welchen Spalt das Quantenobjekt jeweils geht, erhält man stets ein eindeutiges Ergebnis. In der Quantenphysik wird das als Welcher-Weg-Information bezeichnet. Dabei zeigt sich aber: Wenn bei einem Experiment eine Welcher-Weg-Information vorhanden ist, kann man das zugehörige Interferenzmuster nicht mehr beobachten. Wird diese Informationen gelöscht (in der Quantenphysik sagt man: ausradiert), dann kann man das Interferenzmuster wieder beobachten. Wie in der Optik gelten auch hier für die Interferenz am Doppelspalt und am Gitter die gleichen Gesetze.

Betrachten wir als Beispiel das links unten dargestellte Experiment. Es wurde 1994 von dem Physiker T. P fau und seinen Kollegen an der Universität Konstanz durchgeführt. Als Beugungsgitter wurde eine stehende Lichtwelle verwendet. Ohne Welcher-Weg-Information erhielten die Forscher das grün eingezeichnete Interferenzmuster in der rechten Abbildung. Wenn sie jedoch die Frequenz der stehenden Lichtwelle so abstimmten, dass sie Übergänge im Heliumatom anregen konnten, dann wurde das Muster stark abgeschwächt (blaue Linie in der rechten Abbildung). Das Muster verschwand nicht ganz, weil nur ein Teil der Heliumatome angeregt wurde. Viele Interferenzversuche kann man so abwandeln, dass sie eine WelcherWeg-Information enthalten. Dabei zeigt sich stets: Je zuverlässiger diese ist, umso schlechter ist das Interferenzmuster beobachtbar. In der Quantenphysik wird dieser Zusammenhang als Komplementaritätsprinzip bezeichnet. Je mehr Welcher-Weg-Information ein Experiment enthält, umso schwächer wird das Interferenzmuster und umgekehrt.

Weitere Erläuterungen sind unter 414 345 zu finden.

Das Komplementaritätsprinzip findet man in der Literatur auch in anderen, inhaltlich gleichwertigen Formulierungen, etwa in folgender Formulierung: Die Beobachtung eines Interferenzmusters und Welcher-Weg-Information schließen sich aus. 10 000

Atome/Sekunde

stehende Lichtwelle Detektor 5 000 Heliumatome 70 cm

Detektorposition in µm

0 –200 –100

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0

100

200

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Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten

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6.2.4 Unbestimmtheitsrelation von Heisenberg Alle Untersuchungen zeigen: Man kann bei einem Quantenobjekt Ort und Impuls nicht gleichzeitig genau präparieren. Vielmehr gilt: Je bestimmter der Ort x eines Quantenobjekts ist, umso unbestimmter ist sein Impuls p = m · v und umgekehrt.

Was Unbestimmtheit ist, hat man genau definiert. Die Unbestimmtheit einer Größe G in einem Zustand zeigt sich, wenn man viele Quantenobjekte in diesen Zustand bringt. Wenn die Größe  G bestimmt ist, bekommt man immer das gleiche Messergebnis. Je größer die Streuung ∆G der Messergebnisse ist, umso unbestimmter ist der Zustand bezüglich G.

Mit dieser Definition hat Werner H eisenberg aus der Quantentheorie die berühmte Unbestimmtheitsrelation hergeleitet. Für die Größen Ort x und Impuls p lautet sie: h    ∆x · ∆p ≥ } 4 π

Werner H eisenberg (1901–1976) war einer der bedeutendsten theoretischen Physiker des 20. Jahrhunderts. Die berühmte Unbestimmtheitsrelation, auch Unschärferelation genannt, stellte er 1927 auf. 1932 erhielt er dafür den Nobelpreis für Physik.

(h = 6,626 · 10–34 J · s)

Eine Bestimmung des Orts eines Quantenobjekts durch eine Messung geht somit immer zulasten der Bestimmtheit seines Impulses und umgekehrt. Betrachten wir als Beispiel Ort und Geschwindigkeit eines Elektrons in der Atomhülle. Der Ort eines Elektrons in der Atomhülle ist nicht genau bestimmt. Bei einer Ortsmessung wird das gebundene Elektron stets in der Nähe des Kerns angetroffen. Wenn man die Messung mehrfach macht, stellt man fest: Die Werte für den Ort x streuen. Die Streuung liegt in der Größenordnung des bohrschen Radius: ∆x ≈ rB = 0,529 · 10–10 m

Als bohrschen Radius bezeichnet man den Radius eines Wasserstoffatoms im Grundzustand.

Wenn man die Geschwindigkeit von Elektronen in der Atomhülle misst, werden die Messergebnisse ebenfalls streuen. Wie groß ist die Unbestimmtheit in der Geschwindigkeit, die ein Elektron in der Atomhülle mindestens hat? Lösung:  Die Ortsunschärfe liegt in der Größenordnung des bohrschen Radius ∆x = 0,0529 nm. Für den Impuls des Elektrons gilt: p = m · v. Die Masse des Elektrons zeigt keine Unbestimmtheit. Deshalb kann man für den Impuls schreiben: ∆p = m · ∆v

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Quantenphysik

Mit der heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation folgt: h    ∆x · ∆p = ∆x · m · ∆v ≥ } 4 π

Für die Einheiten gilt: kg · m2· s 1 } J · s  = 1 } 2   = kg · m s · kg · m –3 km 1 } m s   s   = 10 }

Die Umstellung nach ∆v ergibt: h      ∆v ≥ } 4 π · m · ∆x –34

6,626 · 10 J · s     –10   ≈ 1 000 } km   ∆v ≥ }}} s –31 4 π · 9,109 · 10

kg · 0,529 · 10

m

Ergebnis: Bei Messungen der Geschwindigkeit von Elektronen im Atom würde man im Schnitt Abweichungen von mindestens 1 000 } km  erhalten. s Die unterschiedlichen Messergebnisse liegen nicht daran, dass die Elektronen bereits vorher unterschiedliche Geschwindigkeiten hatten. Auch wenn man sich das nicht vorstellen kann: Die Elektronen hatten vor der Messung keine Geschwindigkeit. Ein Objekt hat genau dann eine Bahn, wenn zu jedem Zeitpunkt sein Ort bestimmt ist. Daraus kann man auch die Geschwindigkeit und den Impuls des Objekts zu jedem Zeitpunkt ausrechnen. Da Ort und Impuls der Quantenobjekte unbestimmt sind, kann man auch nicht davon sprechen, dass sich Quantenobjekte auf Bahnen bewegen. Somit gilt: Quantenobjekte bewegen sich nicht auf Bahnen.

Atommodelle, bei denen sich Elektronen auf Bahnen bewegen, widersprechen Erkenntnissen der Quantenphysik. Trotzdem können solche Modelle an bestimmten Stellen nützlich sein.

Typische Daten sind: 1  c; r = 5,0 cm v = } 10

Damit beträgt die Umlaufzeit: 2 π · r    ≈ 10–8 s T = } v   

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Insbesondere bewegen sich Elektronen im Atom nicht auf Kreis- oder anderen Bahnen. Die Frage, wo sich ein Elektron im Atom aufhält, kann nicht beantwortet werden. Man kann nur angeben, mit welcher Wahr scheinlichkeit es an einem bestimmten Ort nachgewiesen wird. Anschaulich lässt sich das mit dem Orbitalmodell (b S. 454 f.) darstellen. Überprüfen Sie durch eine grobe Abschätzung, ob Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation für die Leuchtspur der Elektronen in einem Fadenstrahlrohr gilt. Analyse:  Die Breite des Fadenstrahls beträgt etwa 1 mm. Das ist auch etwa die Ortsunbestimmtheit quer zur Strahlrichtung: ∆x ≈ 10–3 m. Die Geschwindigkeitsunsicherheit in diese Richtung beträgt etwa eine Strahlbreite pro Umlaufzeit. Damit ist 5m ∆v ≈ } ∆x      ≈ 10 } s .  T

Das Produkt der Unbestimmtheiten beträgt mit gerundeten Werten: –28 J · s ∆x · ∆p = ∆x · m · ∆v ≈ 10–3 m · 10–30 kg · 105 } m s   ≈ 10 h   ≈ 5 · 10–35 J · s. 10–28 J · s ist wesentlich größer als } 4 π

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Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten

Interferenzmuster bei makroskopischen Objekten Interferenzmuster deuten auf die Unbestimmtheit in Spaltexperimenten hin. Sie werden auch bei großen Molekülen, z. B. den Fullerenen, beobachtet. Dagegen wird bei makroskopischen Objekten kein Interferenzmuster festgestellt. Beim Schießen auf eine Torwand mit zwei Öffnungen erhält man mit Sicherheit kein Interferenzmuster hinter der Torwand. Ein Grund dafür ist: Die de-Broglie-Wellenlängen von makroskopischen Objekten sind außerordentlich klein. Der Abstand zwischen den Spalten kann aber nicht kleiner gewählt werden als der Atomabstand in Kristallen. Derart kleine Wellenlängen führen dazu, dass die Abstände zwischen den Maxima so klein werden, dass sie nicht beobachtbar sind. Betrachten wir dazu ein Beispiel. a)  Welche de-Broglie-Wellenlänge haben ein Ball (m = 1,0 kg) und ein  Staubkorn (m = 1,0 µg), beide mit der Geschwindigkeit 10  }  m    ?   s b)  Welcher Abstand zweier Maxima im Doppelspaltmuster ergibt sich  jeweils theoretisch, wenn der Spaltabstand 1,0 nm und der Abstand  Spalt–Schirm 10 m betragen? Analyse:  Die de-Broglie-Wellenlänge kann nach λ = } hp     mit p = m · v berechnet werden. Für den Abstand zweier Interferenzmaxima gilt beim Doppelspalt wie in der Optik x = e · } λ  .  Dabei ist e der Abstand Spalt–Schirm, b λ die Wellenlänge und b der Spaltabstand. Gesucht: Gegeben:

λ, x m1 = 1,0 kg m2 = 1,0 µg v1 = v2 = 10 m · s–1

b = 1,0 nm e = 10 m h = 6,626 · 10–34 J · s

Lösung:  h a) Für die de-Broglie-Wellenlänge gilt λ =  }  m · v       . Damit erhält man: –34

6,626 · 10   J · s    ≈ 10–34 m λ1 = }} –1 1,0 kg · 10 m · s

–34

6,626 · 10 J · s λ2 = }}   –1    ≈ 10–28 m 1,0 µg · 10 m · s

b) Für den Abstand zweier Maxima gilt die oben genannte Gleichung: –34

x1 = 10 m · } 10 –9 m    ≈ 10–24 m 10 m

–28

x2 = 10 m · } 10 –9 m    ≈ 10–18 m 10 m

Ergebnis: Die de-Broglie-Wellenlängen würden für den Ball etwa 10–34 m und für das Staubkorn etwa 10–28 m betragen. Bei Interferenz am Doppelspalt würde der Abstand der Interferenzmaxima 10–24 m bzw. 10–18 m sein. Das ist erheblich weniger als der Durchmesser eines Atomkerns. Für makroskopische Objekte sind in der Regel keine Quanteneffekte beobachtbar.

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Ein anderer Grund ist, dass die Wechselwirkung mit der Umgebung ein Interferenz muster verhindert. Je größer ein Objekt ist, desto schlechter kann es von seiner Umgebung isoliert werden.

Der Abstand zweier Interferenzmaxima ist in der Optik sk. In der Quantenphysik wird der Abstand (Ort) mit x bezeichnet, so wie das auch in der Mechanik üblich ist.

Der Grund für die kleinen Wellenlängen ist, dass das plancksche Wirkungs quantum so klein ist. Nur für Objekte, deren Masse deutlich kleiner als 10–20 kg ist, existieren Spaltsysteme, die ein auflösbares Interferenzmuster erzeugen. Ausnahmen sind z. B. supraleitende Ringe, Bose-Einsteinkondensierte Gase oder Mikromagnete.

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Überblick

440

Das Wichtigste im Überblick

Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten Wichtige Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten zeigen sich bei Experimenten am Doppelspalt. Die Experimente lassen sich mit einzelnen Photonen durchführen. Die Ergebnisse sind im Vergleich zum Licht in der nachfolgenden Übersicht dargestellt.

Doppelspalt

Schirm mit Detektoren

Quelle für einzelne Photonen Auftreffort eines Photons

Interferenz mit Licht am Doppelspalt

mit wenigen Quantenobjekten

mit vielen Quanten objekten

Klassische Vorgänge sind im Prinzip determiniert.

Für einzelne Quantenobjekte können Messergebnisse in der Regel nicht vorhergesagt werden.

Einzelne Quantenobjekte können zu einem Interferenzmuster beitragen.

Für Quantenobjekte (Elektronen, Protonen, Neutronen, Photonen, Atome, Moleküle) gilt: – Das Verhalten einzelner Quantenobjekte kann in der Regel nicht vorhergesagt werden. Für eine größere Anzahl von Quantenobjekten kann man Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen. – Quantenobjekte können über größere Bereiche delokalisiert sein. Das lässt sich gut mit dem Wolkenmodell beschreiben. – Der Zustand eines Quantenobjekts kann durch eine Messung schlagartig und stark verändert werden. – Je mehr Welcher-Weg-Informationen ein Experiment enthält, umso schwächer ist das Interferenz muster und umgekehrt (Komplementaritätsprinzip). – Je bestimmter der Ort x eines Quantenobjekts ist, umso unbestimmter ist sein Impuls p. Die heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation lautet: h    ∆x · ∆p ≥ } 4π

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Aufgaben

Aufgaben 412 604 Klassische Physik am Ende 1. Nennen Sie mindestens ein experimentelles Ergebnis, das im Widerspruch zur klassischen Physik steht, und beschreiben Sie, wie der Widerspruch mithilfe der Quantenphysik gelöst wird. 411 244 Zufall 2. Welche der folgenden Ereignisse sind zufällig, welche davon sind scheinbar zufällig, bei welchen kann man es nicht entscheiden, ob – bei einem Münzwurf „Zahl“ kommt, – ein Kind Junge oder Mädchen wird, – in ein Haus ein Blitz einschlägt, – ein Mensch heiratet. 411 314 Ergebnis bei der Messung 3. a) Man schickt 4 einzelne Photonen durch die abgebildete Anordnung von Strahlteilern, die Licht zu 50 % reflektieren und zu 50 % durchlassen. Welche Messergebnisse können dabei auftreten? b) Nun schickt man 4 000 einzelne Photonen durch die Anordnung. Welche Messergebnisse erwartet man? Begründen Sie. Strahlteiler A Quelle für einzelne Photonen B

C

411 284 Modell für Quantenobjekte 4. Gegeben ist ein Experiment mit zwei Strahlteilern hintereinander. Es soll mit dem Wolkenmodell für die Nachweiswahrscheinlichkeit beschrieben werden.

441

a) Zeichnen Sie die zeitliche Entwicklung der Wolke in mehreren Bildern. b) Bestimmen Sie damit die Nachweiswahrscheinlichkeiten an den Detektoren A, B und C, wenn es sich um 50-%-Strahlteiler handelt. 411 334 Interferometer 5. Das dargestellte Interferometer enthält nur einen Strahlteiler. Ein Quantenobjekt (Photon) werde von der Quelle emittiert. Spiegel

Quelle für einzelne Photonen

Strahlteiler

A a) Zeichnen Sie die Anordnung ab und tragen Sie mit zwei Farben die möglichen Wege zum Detektor A ein. b) Zeichnen Sie die zeitliche Entwicklung der Wolke für die Nachweiswahrscheinlichkeit in mehreren Bildern. c) Beschreiben Sie, wie man ein Interferenzmuster bekommen kann. Begründen Sie Ihre Antwort. d) Erläutern Sie, wie man die Wege durch Polarisation markieren kann und wie sich das auf das Inter ferenzmuster auswirkt. 411 324 Polarisation 6. Ein waagerecht polarisiertes Photon kann nicht durch einen Filter mit senkrechter Vorzugsrichtung gehen. Wenn man das Photon aber zuvor auf einen Filter mit Vorzugsrichtung 45° fallen lässt, gibt es eine Wahrscheinlichkeit P größer als 0, dass das Photon durchkommt.

Strahlteiler A Quelle für einzelne Photonen B

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C

a) Nennen Sie das Grundprinzip der Quantenphysik, das hinter diesem Experiment steckt, und wenden Sie es auf die Situation an. b) Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit P.

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Quantenphysik

411 394 Ein reales Experiment 7. In einem Artikel in den „Physikalischen Blättern“ Jahrgang 2000/56 von Prof. M. a rndT und Prof. a. Z eilinger von der Universität Wien heißt es (Text leicht verändert): „In  einem  Experiment  in  unserer  Gruppe  in  Wien  haben  wir  vor  kurzem  Interferenzen  von  De-Broglie-Wellen der Fullerene C60 bei Beugung an einem  materiellen Gitter beobachtet. Dabei traten die Moleküle  aus  einem  Ofen,  der  auf  einer  Temperatur  von rund 900 K gehalten wurde, und zwar mit einer  breiten Geschwindigkeitsverteilung mit einem Maximum bei 200 m/s.  Gebeugt wurden die Fullerene durch ein Gitter in einer Entfernung von etwa 1,2 m hinter dem Ofen. Das  Gitter bestand aus einer freitragenden SiNx-Struktur  mit 50 nm breiten Spalten und einer  Periode [= Gitterkonstante] von 100 nm. Der  Detektor  war  1,25  m  hinter  dem  Gitter  angebracht und hatte eine Ortsauflösung von etwa 5 µm.  [Der Detektor konnte parallel zum Gitter verschoben  werden und registrierte einzelne Fullerenmoleküle.]  Ein  experimentelles  Beugungsbild  ist  in  dem  Diagramm  wiedergegeben.  [Aufgetragen  ist  die  Zahl  der Detektionen eines einzelnen Fullerens in Abhängigkeit von der Detektorposition.]“ 1 000

600

20 –100

x in µm –50

0

50

100

a) Berechnen Sie mithilfe der Daten, die in Text und Diagramm gegeben sind, so genau wie möglich die de-Broglie-Wellenlänge und die Masse der verwendeten Fullerenmoleküle. Vergleichen Sie diesen Wert mit der Masse von C60 (60 Kohlenstoffatome). b) Zeigen Sie, dass mit der gegebenen Anordnung die Maxima 2. Ordnung nicht beobachtet werden konnten. c) Inwiefern weicht die Kurve von der theoretisch nach dem Wellenmodell erwarteten Intensitätskurve eines Gitters ab? Wie kann man die beobachtete Abweichung durch die Geschwindigkeitsverteilung der Fullerene erklären?

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411 254 Nachweiswahrscheinlichkeit 8. a) Eine Lichtquelle befindet sich in einem Abstand von 40 cm vor einer Linse der Brennweite 20 cm. Konstruieren Sie das Bild der Lichtquelle. b) Nun wird die Lichtquelle durch eine Quelle ersetzt, die einzelne Photonen in unterschiedliche Richtungen aussendet. An welcher Stelle kann man besonders viele Photonen nachweisen? 411 344 Interferenz mit Fullerenen 9. Suchen Sie im Internet nach dem Experiment von a rndT und Z eilinger zur Interferenz von FullerenMolekülen. Bereiten Sie einen Vortrag vor, in dem Sie auf den Aufbau des Experiments und die Ergebnisse ein gehen. 416 164 Verschlüsselung 10. Nicht selten ist es notwendig, Informationen zu verschlüsseln. Informieren Sie sich über die Quantenverschlüsselung (Quantenkryptografie). Bereiten Sie dazu einen Kurzvortrag vor. 411 354 Atominterferenz 11. Atome sollen an einer stehenden Lichtwelle gebeugt werden. Man benutzt Laserlicht der Wellenlänge 532 nm. a) Welche Farbe hat das Licht? Welche Gitterkonstante hat die stehende Lichtwelle? b) Der Schirm befindet sich in 0,50 m Abstand. Das 1. Maximum wird in einem Abstand von 20 µm von der Schirmmitte registriert. Welche de-Broglie-Wellenlänge haben die verwendeten Atome? c) Um welche Atome handelt es sich, wenn sie eine m   haben? Geschwindigkeit von etwa 9,3 · 103 } s 419 244 Unbestimmtheitsrelation 12. Die heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation lautet: h  .  Dabei sind x der Ort und p der Impuls. ∆x · ∆p ≥ } 4π a) Interpretieren Sie diesen Ausdruck. b) In der heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation möge das Gleichheitszeichen gelten. Stellen Sie für diesen Fall ∆x in Abhängigkeit von ∆p grafisch dar. Wählen Sie dazu sinnvolle Achseneinteilungen. Interpretieren Sie das Diagramm. c) Die Geschwindigkeit eines 500 g schweren Balls lässt sich bestenfalls bis auf ±1 mm · s–1 genau bestimmen. Welche Größenordnung ergibt sich daraus für die Ortsunschärfe des Balls? Diskutieren Sie das Ergebnis.

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7 Atom- und Kernphysik Erkenntnisse der Atom- und Kernphysik haben ab der Mitte des 20. Jahrhunderts das Leben von Millionen Menschen entscheidend beeinflusst. Mit der Explosion der ersten Atombomben 1945 wurde deutlich, dass sich die Menschheit mit Kernwaffen selbst auslöschen kann. Kernenergie ist aber auch zum Nutzen des Menschen anwendbar, z. B. im medizinischen Bereich. Die Kernfusion könnte zu einer unerschöpflichen Energiequelle für den Menschen werden.

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Atom- und Kernphysik

7.1 Physik der Atomhülle 7.1.1 Entwicklung der Vorstellungen vom Atom Vorstellungen über den Aufbau der Stoffe aus kleinsten Teilchen gab es bereits in der Antike. Ein Vertreter dieser Auffassung war der griechische Philosoph D emokrit (5. Jh. v. Chr.). Fundierte Vorstellungen über Atome (abgeleitet vom griechischen atomos = das Unteilbare) entwickelten sich erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts.

Alle Stoffe um uns herum und auch wir selbst sind aus Atomen aufgebaut. Anknüpfend an antike Vorstellungen entwickelte der englische Naturforscher J ohn D alton (1766 –1844) eine Atomhypothese zur Erklärung der Gesetze für chemische Reaktionen. Eine Präzisierung dieser Vorstellungen aus physikalischer Sicht erfolgte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der kinetischen Theorie der Wärme. Dabei ging es zunächst um die grundlegende Frage, ob es Atome wirklich gibt oder ob sie nur eine hilfreiche Modellvorstellung sind. Diese Frage wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts geklärt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren weder die Quantentheorie noch die Relativitätstheorie bekannt. Es gab keine Elektronenmikroskope und keine Computer zur Auswertung von Experimenten. Und trotzdem waren – vor allem aus elektrochemischen Untersuchungen – erste Vorstellungen darüber vorhanden, wie die kleinsten Bausteine der Materie beschaffen sein könnten. Aus chemischen Untersuchungen ergab sich: In einem Gramm eines Stoffs sind ca. 1022 Atome enthalten. Die Anzahl von Atomen je Mol beträgt 6,022 · 1023.

Ein Beispiel für ein solches Experiment ist der Ölfleckversuch.

Durch verschiedene Experimente kam man auch zur Abschätzung der Größe und der Masse von Atomen.

Informationen zu diesen Versuchen finden Sie im Internet.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts machten Physiker Experimente, die darauf hinwiesen, dass die Atome nicht unteilbar, sondern zusammengesetzt sind. Genannt seien als Beispiele der von h allwachs entdeckte lichtelektrische Effekt (b S. 414 f.), die Versuche von l enarD mit Katodenstrahlen oder die Streuversuche von r utherforD (b S. 501 f.). Hinzu kam die Entdeckung verschiedener Strahlungen (Röntgenstrahlung, radioaktive Strahlung), deren Quellen im atomaren Bereich vermutet wurden.

Die Masse von Atomen liegt zwischen 10–27 kg und 10–24 kg, ihr Radius in einer Größenordnung von 10–10 m.

Die dabei entwickelten Vorstellungen vom Aufbau der Atome nennt man Atommodelle. Zwei historisch bedeutsame Atommodelle sind in der Übersicht auf S. 445 oben dargestellt. Ein zentrales Anliegen war bei allen diesen Modellen, die Emission und die Absorption von Licht angemessen beschreiben und erklären zu können. Um 1920 gelang es Physikern wie E. s chröDinger, W. h eisenberg , M. b orn und P. D irac , mit der Quantenphysik eine mathematische Beschreibung für die Atome zu entwickeln.

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Physik der Atomhülle

Rutherfordsches Atommodell (1911)

Bohrsches Atommodell (1913)

445

Atommodell der Quantenphysik (um 1920)

– + Atomkern

Atomhülle

Elektronen kreisen auf elliptischen Bahnen um den Atomkern (Planetenmodell).

Es existieren stabile Bahnen, auf denen sich Elektronen strahlungsfrei bewegen.

Die Elektronen halten sich mit bestimmter Wahrscheinlichkeit in einem Raumbereich auf.

Es beschreibt richtig die räumliche Verteilung der Masse und der Ladung.

Es ermöglicht die Abschätzung des Atomradius und die Berechnung des Wasserstoffspektrums. Es werden Erkenntnisse der Quantenphysik genutzt.

Es steht im Einklang mit dem Wellencharakter der Elektronen. Es erklärt das Periodensystem der Elemente.

Es kann die Stabilität von Atomen und die Entstehung von Spektrallinien nicht erklären.

Es geht im Widerspruch zur Quantenphysik von Bahnen aus und führt nur bei Wasserstoff zu richtigen Ergebnissen.

Es ist ein mathematisches Modell und nur sehr bedingt anschaulich zu deuten.

Damit war es möglich, Messergebnisse für Atome in den verschiedensten Experimenten mit großer Genauigkeit vorherzusagen. Wenn man die mathematischen Ergebnisse anschaulich deutet, dann erhält man folgendes Bild von einem Atom (b Übersicht oben rechts): – Atome bestehen aus einem Atomkern und einer Atomhülle. – Der Atomkern ist im Vergleich zur Atomhülle sehr klein, trägt aber fast die gesamte Masse (> 99,99 %) des Atoms. – Die Atomhülle ist negativ geladen. Zwischen positiv geladenem Atomkern und Atomhülle wirken anziehende Kräfte. – Die Atomhülle bestimmt die Größe des Atoms. Ihre Dichte nimmt nach außen hin ab. Die Dichte ist bei schweren Atomen größer als bei leichten Atomen. – Die Atomhülle besteht aus Elektronen. Wenn man genug Energie zuführt, kann man ein oder mehrere Elektronen entfernen.

+

Atom

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+

412 905 gibt einen Überblick über das bohrsche Atommodell.

Beim Atom haben die positive Ladung des Atomkerns und die negative Ladung der Atomhülle den gleichen Betrag.

+

Energie

positiv geladenes Ion

+

ein oder mehrere Elektronen

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446

Atom- und Kernphysik

7.1.2 Quantenphysikalisches Modell des Wasserstoffatoms Im Wasserstoffatom besteht die Atomhülle nur aus einem Elektron, das vom positiv geladenen Kern festgehalten wird. Die verschiedenen Formen und Energieniveaus der Atomhülle können mithilfe der Quantenphysik vorhergesagt werden.

e rwin s chröDinger (1887–1961) erhielt für seine Arbeiten zur Atomtheorie gemeinsam mit P. A. M. D irac 1933 den Nobelpreis für Physik.

Dazu wendet man die Schrödingergleichung (b S. 447) auf das Elektron im Feld des Atom kerns an. Die Lösungen sind bestimmte Funktionen Ψn (x, y, z), die zu bestimmten Energieniveaus En gehören. Wenn man diese Eigenfunktionen quadriert und dann räumlich darstellt, so erhält man die verschiedenen Bilder für die Orbitale.

[Ψ1(x, 0, 0)]2 x y

[Ψ1(0, y, 0)]2

z [Ψ1(0, 0, z)]2

Das Orbital des Wasserstoffatoms im Grundzustand ist eine kugelförmige Wolke, deren Dichte nach außen hin abnimmt. Die beschriebene Wahrscheinlichkeit wird oft auch Aufenthaltswahrscheinlichkeit genannt.

Die Dichte der Wolke gibt für jeden Ort (x, y, z) die Wahrscheinlichkeit an, bei einer Ortsmessung das Elektron in einem kleinen Raumbereich um den Ort (x, y, z) herum nachzuweisen.

Die Schrödingergleichung für das Wasserstoffatom zu lösen, ist eine mathematisch anspruchsvolle Aufgabe, welche die schulischen Möglichkeiten übersteigt. Man kann sich aber ein Modell schaffen, das sich wesentlich einfacher beschreiben lässt. Dazu nehmen wir an, dass sich ein Elektron in einer Art Topf mit zwei unendlich hohen Wänden befindet. Darüber hinaus kann es sich nur in x-Richtung bewegen, also senkrecht zu den Topfwänden. In der Nähe des Atomkerns ist das Elektron wie in einem Topf eingesperrt. Für die potenzielle Energie werden bestimmte Werte angenommen. Daher rührt die Bezeichnung Potenzialtopf.

Für ein Elektron im Potenzialtopf wird die potenzielle Energie mit null angenommen. Das ist eine willkürliche, aber zweckmäßige Festlegung. Für einen solchen Potenzialtopf bekommt man bestimmte Eigenfunktionen Ψn (x), die zu bestimmten Energieniveaus En gehören.

∞ EPot Breite des Potenzialtopfs

x 0

L

Der lineare Potenzialtopf mit unendlich hohen Wänden ist ein einfaches Modell für das Wasserstoffatom. Die potenzielle Energie ist für 0 # x # L null und für alle anderen Werte von x unendlich.

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Interessantes aus der Physik

447

Die Schrödingergleichung – die quantenphysikalische Grundgleichung Der österreichische Physiker e rwin s chröDinger (1887 –1961) entwickelte auf der Grundlage der Vorstellungen von l. De b roglie über Materiewellen einen aufwendigen mathematischen Apparat zur Beschreibung des Verhaltens von Quantenobjekten. Herzstück ist die Schrödingergleichung, mit der das Atom mathematisch beschrieben wurde. Seine Ergebnisse veröffentlichte s chröDinger unter dem Titel „Quantisierung als Eigenwertproblem“ im Frühjahr 1926 in mehreren Artikeln in den „Annalen der Physik“. Diese Aufsätze enthalten die berühmt gewordene Differenzialgleichung für das Wellenfeld eines Wasserstoffatoms, die heute Schrödingergleichung genannt wird. Nach den Worten von m ax P lanck führte diese Gleichung dazu, dass „die  bis  dahin  etwas  mysteriöse  Wellenmechanik  auf  eine  feste  Grundlage  gestellt  wurde“. Die Schrödingergleichung ist die Grundgleichung der Quantenphysik. So wie man mit dem newtonschen Grundgesetz F = m · a aus den wirkenden Kräften die Bewegung eines klassischen Objekts voraussagen kann, so kann man mit der Schrödingergleichung die weitere Entwicklung eines Quantenobjekts bis zur nächsten Messung vorausberechnen. Dazu ist in der Regel anspruchsvolle Mathematik nötig. Bereits wesentlich einfacher wird die Schrödingergleichung, wenn man sie zeitunabhängig und nur für eine Dimension formuliert. Sie lautet dann:

Das Potenzial V (x) beschreibt die Kräfte, die auf das Quantenobjekt wirken. Ψn (x) sind die Eigenfunktionen, En die zugehörigen Energiewerte des Quantenobjekts. Die Lösungen einer solchen Differenzialgleichung sind Eigenfunktionen Ψn (x). Für Elektronen im Potenzialtopf ist vereinbarungsgemäß V (x) = 0. Die Schrödingergleichung lautet dann: 2

h      Ψn“ (x) = En · Ψn (x) (1) – } 2 8 π · m

Gesucht sind in diesem Fall also Funktionen, deren zweite Ableitung bis auf einen Faktor wie der die gleiche Funktion liefert. Das sind im Fall des Potenzial topfs Sinus- und Kosinusfunktionen. Da auch die Randbedingungen erfüllt werden müssen (b S. 448), erhält man als mögliche Lösungen die Funktionen: x · n · π   Ψn (x) ~ sin ( } L )

Dass diese Funktionen Ψn (x) Eigenfunktionen der Differenzialgleichung sind, kann man durch Einsetzen zeigen. Man bildet n · π    2  · sin (} x · n · π   Ψn“ (x) ~ – (} L ) L ) und erhält durch Einsetzen in Gleichung (1): 2

n · π n · π n · π h      (– }     2 · sin (x · }      = En · sin (x · }      – } 2 L ) L ) L ) 8 π · m

Daraus erhält man eine Gleichung für die Energien En: 2

8 π · m

2

Ψn“ (x) + V (x) · Ψn (x) = En · Ψn (x) – } h2      8 π · m

Dabei sind m die Masse des Quantenobjekts und h das plancksche Wirkungsquantum.

2

En = } h2      (} n · π    2 = } h 2   · n2 L ) 8 m · L

Das stimmt mit den Überlegungen auf b S. 448 überein und zeigt: Ein Elektron in der Atomhülle kann nur bestimmte Energiewerte annehmen.

Teilgebiet der Physik

Klassische Mechanik

Quantenphysik

Grundgleichung

Newtonsches Grundgesetz F = m · a

Schrödingergleichung in ihrer allgemeinen Form

Einfluss der Umgebung

Summe aller auf den Körper irkenden Kräfte w

Potenzial, in dem sich das Quantenobjekt (Elektron) befindet

Lösung

Bahnkurve x (t), y (t), z (t)

Eigenfunktion Ψn (x, y, z, t)

Interpretation

(x, y, z) ist der Ort des Körpers zur Zeit t.

Das Quadrat der Eigenfunktion ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen im betreffenden Raumbereich nachzuweisen.

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448

Atom- und Kernphysik

Die Lösungen der Schrödingergleichung für den Potenzialtopf Die Lösungen Ψn (x) der Schrödingergleichung für den unendlich hohen Potenzialtopf haben die gleiche Form wie stehende Wellen bei maximaler Auslenkung. Eine solche stehende Welle ist dadurch gekennzeichnet, dass sich ortsfeste Schwingungsbäuche und Schwingungsknoten herausbilden. Das Quadrat [Ψn (x)]2 der Eigen funktionen gibt an, wie wahrscheinlich das Elektron bei einer Orts messung am Ort x nachgewiesen wird. Da das Elektron nicht in die Begrenzungswände eindringen kann, ist dort [Ψn (0)]2 = [Ψn (L)]2 = 0 und damit auch Ψn (0) = Ψn (L) = 0.

Diese Bedingungen nennt man Randbedingungen.

Die Eigenfunktionen sind also stehende Wellen, die an den Wänden den Wert 0 annehmen. Dort befinden sich Schwingungsknoten. Die je wei lige Energie des Elektrons kann man über seine de-Broglie-Wellenlänge berechnen. Dazu wird von der Bedingung für stehende Wellen ausgegangen. Sie lautet für den Potenzialtopf der Breite L: L = n · } 2λ  (n = 1, 2, 3 …)

λ ist die de-BroglieWellenlänge.

2 L     Die Umstellung nach der Wellenlänge λ ergibt: λ = } n h      erhält man h      = 2 L     oder v = h · n   (1). Mit λ = } } } me · v me · v } n 2 L · me

Mit Epot = 0 ist die Gesamtenergie gleich der kinetischen Energie: En = Ekin = } 12  me · v 2 (2) Einsetzen von (1) in (2) ergibt: 2

En = } h 2   · n2 (n = 1, 2, 3 …) 8 me · L

Daraus ist erkennbar: Das Elektron kann nur bestimmte Energiewerte annehmen. Die Energiewerte sind abhängig von der Topfbreite L und von n. Für drei Eigenfunktionen ist der Sachverhalt nachfolgend dargestellt.

x~ · π sin x·π x·π Ψ1 (x) Ψ1 ~ (x) Ψsin sin 1~(x) (} L ()} L )(} L )

0 0

0

L

x~ · 2 sin πx · 2 πx · 2 π Ψ2 (x) Ψ2 ~ Ψsin (x) sin (} ) L (} )L ) 2~(x) L (}

x x x L L

0

L

λ2 = } 2 L     2

λ1 = 2 L 2

2

h 2

p

E1 = } 2 m  = } 2   e

8 me · L

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2

0

L

x x x L L

3

E2 = }  = } 2   · 4 2 m e

0 0

λh   = } 3 h      p3 = } 2 L h 2

p

x x x L L

λ3 = } 2 L     3

2 h   λh   = }   p2 = } 2 L

h    λh   = } 2 L p1 = } 1

0 0

x~ · 3 sin πx · 3 πx · 3 π Ψ3 (x) Ψ3 ~ Ψsin (x) sin (} ) L (} )L ) 3~(x) L (}

8 me · L

p2

2

h    E3 = } 2 m  = } · 9 2 e

8 me · L

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Physik der Atomhülle

449

Elektronen können im linearen Potenzialtopf mit unendlich hohen Wänden nur bestimmte Energien En annehmen: 2

h 2   · n2 mit n = 1, 2, 3 ... En = } 8 me · L

me Masse des Elektrons h plancksches Wirkungsquantum L Breite des Potenzialtopfs Zu den auf S. 448 unten dargestellten Eigenfunktionen kann man auch ihre Quadrate darstellen:

0

0

0

L

x · 3 π [Ψ3 (x)]2 ~ 3sin ( }   2 L )4

x · 2 π [Ψ2 (x)]2 ~ 3sin ( }   2 L )4

x · π [Ψ1 (x)]2 ~ 3sin ( }       2 L )4

x x x L L

0

0

0

L

x x x L L

0

0

Die [Ψn(x)]2-Funktionen ergeben, anschaulich gesprochen, eine Dichteverteilung des Elektrons im Potenzialtopf. Die Eigenfunktionen Ψn(x) können nicht direkt durch Messungen überprüft werden. Dagegen sind die Funktionen [Ψn(x)]2 ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, bei einer Ortsmessung das Elektron am Ort x nachzuweisen. Die Energien der verschiedenen Elektronenzustände können wie die Zustände der Atomhülle in ein Energieniveauschema eingetragen werden. Dabei zeigt sich, dass der Abstand zwischen den Energieniveaus (anE ders als im Wasserstoffatom) mit E4 steigender Energie immer größer wird. Das liegt daran, dass das Coulombpotenzial des Atomkerns eine andere Form hat als ein Poten zialtopf, der ein stark vereinfachtes E3 Modell ist. Der Vorteil dieses Modells besteht vor allem darin, dass man in ihm relativ einfache LösunPhoton gen der Schrödingergleichung beE2 kommt und damit eine erste Vorstellung darüber, wie die diskreten E1 Energieniveaus zustande kommen.

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0

L

x x x L L

Durch Energiezufuhr kann man zu einem Zustand mit mehr Einschnürungen als vorher kommen. Beim Übergang von einem höheren zu einem niedrigeren Energieniveau kann ein Photon emittiert werden. Im Unterschied zu einem Energieniveauschema (b S. 459) ist die Energie für n = 1 nicht null.

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450

Atom- und Kernphysik

Die Skizzen zeigen eine Analogie aus der Mechanik.

Elektronen im endlich hohen Potenzialtopf In der Realität sind Potenzialtöpfe für Elektronen stets von endlicher Höhe. Die Höhe des Potenzialtopfs ist die Energie, die ein klassisches Objekt haben muss, um aus dem Topf entweichen zu können.

Der Ball kann nicht aus dem Topf entweichen:

Die [Ψn(x)]2-Funktionen für den Potenzialtopf mit endlicher Höhe unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum von denen für den Topf mit unendlicher Höhe. Auch die Energieniveaus sind ähnlich. Topf mit unendlicher Höhe

Topf mit endlicher Höhe

[Ψ (x)]22 [Ψ22(x)]

[Ψ [Ψ22(x)] (x)]22

Der Ball kann aus dem Topf entweichen: xx 00

LL

Die Barrieren sind undurchdringlich.

xx 00

LL

Die [Ψ2(x)]2-Funktionen erstrecken sich auch in die verbotenen Bereiche.

Der größte Unterschied besteht in Folgendem: Wenn der Topf nicht zu niedrig ist, dann gibt es [Ψn(x)]2-Funktionen mit Energien, die kleiner als die Topfhöhe sind. Diese haben eine auffällige Eigenschaft: Sie erstrecken sich deutlich bis in den klassisch verbotenen Bereich. Das bedeutet z. B., dass bei einer Ortsmessung das Elektron mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in einem Bereich außerhalb des Potenzialtopfs nachgewiesen werden könnte. Wie groß die Aufenthaltswahrscheinlichkeit außerhalb des Potenzialtopfs ist, hängt von der Höhe der Wände und von der Energie des Elektrons ab. Potenzialtöpfe mit fast beliebiAlGaAs GaAs AlGaAs ger Breite kann man durch Aufdampfen verschieden dünner Halbleiter schichten erzeugen. Als Materialien eignen sich Galliumarsenid und Aluminiumgalliumarsenid. Die Topfwände für die Elektronen befinden sich an den Materialgrenzen. Über das Mischungsverhältnis von Aluminium und Gallium kann man die Höhe der Topfwände einstellen.

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Physik der Atomhülle

Der Tunneleffekt Für ein klassisches Objekt ist es unmöglich, aus einem Bereich in einen anderen Bereich vorzudringen, wenn seine Energie nicht ausreicht, einen dazwischen liegenden Potenzialwall zu überwinden. Das Beispiel in der Randspalte verdeutlicht diesen Sachverhalt. Bei einem Quantenobjekt ist es aber sehr wohl möglich, einen Potenzialwall zu überwinden. Wir betrachten einen Topf endli[Ψ (x)]2 cher Höhe, dessen Wand auf der rechten Seite sehr dünn ist. Die [Ψ (x)]2-Funktion kann auch hier wieder anschaulich als Dichteverteilung des Elektrons bzw. als seine x Aufenthaltswahrscheinlichkeit in0 L terpretiert werden. Dann kann man das Elektron bei einer Ortsmessung mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auch rechts von dieser dünnen Barriere nachweisen. Das ist auch dann der Fall, wenn die Energie des Elektrons kleiner als die Höhe des Potenzialwalls ist. Diesen Effekt nennt man Tunneleffekt.

451

Der Ball kann den Bereich rechts von der Barriere nicht erreichen.

Je dünner und je niedriger der Potenzialwall ist, umso wahrscheinlicher tritt bei einem Elektron der Tunneleffekt auf.

Der Tunneleffekt ist ein quantenphysikalischer Effekt, für den es in der klassischen Physik kein Analogon gibt. Er ist nicht auf Elektronen beschränkt, sondern ist ein Effekt, der bei verschiedenen Quantenteilchen auftreten kann. So ermöglicht der Tunneleffekt erst den α-Zerfall. Eigentlich haben α-Teilchen im Atomkern nicht genug Energie, um ihn zu verlassen. Der durch die starken Kernkräfte verursachte Potenzialwall ist jedoch dünn genug und nicht zu hoch, um immer wieder α-Teilchen hindurchzulassen. Sogar die Kernfusion in der Sonne funktioniert nur mithilfe des Tunneleffekts. Damit Protonen zu Heliumkernen verschmelzen können, müssen sie mit viel Energie ihre elektrischen Abstoßungskräfte überwinden. Eigentlich ist die Temperatur der Sonne zu niedrig, als dass dies in ausreichendem Maße passieren würde. Durch den Tunneleffekt kann die elektrische Barriere häufig genug überwunden werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings immer noch sehr klein. Für das Leben auf der Erde hat das den Vorteil, dass die Wasserstoffvorräte der Sonne noch einige Milliarden Jahre lang reichen werden. Der Tunneleffekt wird heute in der modernen Technik umfangreich genutzt. Als Beispiele seien das Feldelektronenmikroskop, das Rastertunnelmikroskop (b S. 452), die Tunneldiode oder Flash-Speichermedien wie USBSticks genannt.

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Genauere Erläuterungen dazu sind auf S. 489 zu finden.

Die Energiefreiset z ung im Innern der Sonne erfolgt durch Kernfusion (b S. 495).

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452

Interessantes aus der Technik

Das Rastertunnelmikroskop Eine wichtige Anwendung des Tunneleffekts ist das Rastertunnelmikroskop (RTM). Es wurde durch den Deutschen g . b innig (*1947) und den Schweizer h . r ohrer (*1933) entwickelt. Beide erhielten dafür 1986 den Nobelpreis für Physik. Bei einem Rastertunnelmikroskop wird im Ultrahochvakuum eine Oberfläche mit einer feinen Metallspitze in einem gewissen Abstand zeilenweise abgetastet. Die Skizze zeigt stark vereinfacht die grundsätzliche Anordnung.

Sowohl die Spitze als auch die Probe müssen elektrisch leitend sein. Die Spannung zwischen Probe und Spitze beträgt wenige 100 mV. Beim zeilenweisen Abtasten der Oberfläche werden die Stromstärken aufgezeichnet und in Abstände umgerechnet. Auf diese Weise erhält man beeindruckende Bilder von Metalloberflächen.

Wolframnadel Probe

Das Ultrahochvakuum bildet für die Elektronen eine Potenzialbarriere, die jedoch durch Tunneln überwunden werden kann. Je kleiner der zu überwindende Abstand ist, umso größer ist der Tunnelstrom, der gemessen werden kann. So können beim Abtasten die Höhen und Tiefen der Oberfläche mithilfe des Tunnelstroms registriert werden. Die nachfolgende Skizze zeigt das genutzte Prinzip.

1 Rastertunnelmikroskopaufnahme einer Nickeloberfläche. Hier meint man, die einzelnen Atome direkt zu sehen. Doch was man sieht, ist lediglich eine dreidimensionale Darstellung der Tunnelstromstärken an verschiedenen Stellen der Oberfläche.

Abtastweg der Spitze

Stromstärke, dargestellt durch Hell- und Dunkelwerte

Umsetzen der Stromstärke in Erhebungen und Senken

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2 Aufnahme einer Kupferoberfläche mit Verunreinigungen mit einem Rastertunnelmikroskop

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Physik der Atomhülle

Zweidimensionaler und dreidimensionaler Potenzialtopf Mit dem Modell des linearen Potenzialtopfs kann man verstehen, wieso sich das Elektron im Wasserstoffatom nur in Zuständen mit bestimmten Energien befinden kann. Um Orbitale und Energieniveaus genau zu beschreiben, sind zwei Verbesserungen des Modells nötig: – Die potenzielle Energie muss nicht nur eindimensional, sondern in drei Dimensionen, also räumlich, betrachtet werden. – Die potenzielle Energie des Topfes muss durch die potenzielle Energie eines Elektrons im Coulombfeld ersetzt werden. Das bedeutet: Das Elektron befindet sich im elektrischen Feld des positiv geladenen Atomkerns. Seine potenzielle Energie hängt vom Abstand x vom Kern ab. Die Schrödingergleichung für den zweidimensionalen Potenzialtopf lässt sich in zwei eindimensionale Schrödingergleichungen zerlegen. Die Eigenfunktionen für die verschiedenen Richtungen können unterschiedlich sein. Im Folgenden sind zwei mögliche Verteilungen für ein Elektron im zweidimensionalen Topf aufgezeichnet:

453

φ Die potenzielle Energie hat folgenden Verlauf: Epot = 0

Epot(x)

y

x

x

Es gilt: 2

1 e 4π · ε   · }     Epot = – } x 0

[Ψ1(x, 0, 0)]2

[Ψ2(x, 0, 0)]2

x

x [Ψ1(0, 0, z)]2

y

Zweidimensionale Darstellung der potenziellen Energie: Epot

[Ψ1(0, x, 0)]2

z

z

[Ψ2(0, 0, z)]2

z

x

In der rechten Verteilung sind rot gestrichelte Linien eingezeichnet. Das sind Linien, auf denen die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron bei einer Ortsmessung zu finden, null ist. Man nennt sie Knotenlinien. In einem dreidimensionalen Potenzialtopf erhält man dreidimensionale Zustände, die den kugel- und hantelförmigen Zuständen des Wasserstoffatoms ähnlich sehen. Anstelle von Knotenlinien ergeben sich K notenflächen. [Ψ2(x, 0, 0)]2

[Ψ1(x, 0, 0)]2

x

x y

[Ψ1(0, y, 0)]2

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y

z [Ψ1(0, 0, z)]2

[Ψ2(0, y, 0)]2

Die Knotenfläche ist hier gelb eingezeichnet. z [Ψ2(0, 0, z)]2

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454

Atom- und Kernphysik

Atome mit mehr als einem Elektron Die erfolgreiche Beschreibung des Wasserstoffatoms durch die Quantenphysik führt zu der Frage, ob sich auch die Atomhüllen anderer chemischer Elemente mithilfe dieser Theorie verstehen lassen. Im Wasserstoffatom befindet sich ein Elektron im Coulombpotenzial des Atomkerns. Alle anderen chemischen Elemente im Periodensystem besitzen in der Atomhülle stets mehrere Elektronen. Diese Elektronen beeinflussen sich gegenseitig, sodass man nicht mehr die relativ einfachen physikalischen Bedingungen wie bei der Atomhülle von Wasserstoff erwarten kann. Für das Wasserstoffatom im Grundzustand (erstes Energieniveau, n = 1) ergibt sich für die dreidimensionale Darstellung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons ein kugelsymmetrisches Gebilde (b Übersicht unten). Das ist auch die einzige Lösung der Schrödingergleichung für diesen Fall. Orbital für n = 1

Orbitale für n = 2

y

y

y

y Knotenfläche

x

x z

Für n = 2 hat das Orbital der vierten Lösung die gleiche Form wie für n = 1 (kugelsymmetrisch).

Beispiel eines Orbitals mit verschiedenen Knotenflächen. Hier gilt: l = 2, m = 0

z

Knotenfläche

x z

Knotenfläche

x z

Für den ersten angeregten Zustand (n = 2) erhält man mehrere Lösungen (insgesamt genau vier), die man wieder als Orbitale des Elektrons grafisch darstellen kann (b Übersicht oben). Diese Lösungen enthalten Bereiche, in denen die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons null ist. Das sind die Knotenflächen, die zu den Nullstellen der betreffenden Wellenfunktion gehören (b S. 453). Für den zweiten angeregten Zustand (n = 3) ergibt die grafische Darstellung der Lösungen zunächst stets zwei Knotenflächen je Lösungsfunktion. Neben der kugelsymmetrischen Lösung mit zwei Knotenflächen treten weitere Lösungen hinzu, deren Knotenflächen aus Doppelkegeln, Ebenen oder Kugeln bestehen (b Abb. links). Eine systematische Zusammenstellung aller Lösungen ergibt: – Für einen bestimmten Anregungszustand n gibt es n 2 Lösungen der Schrödingergleichung und damit auch die entsprechende Anzahl von Orbitalen. – Um die Orbitale übersichtlich beschreiben zu können, kann man neben der bereits bekannten Quantenzahl n weitere Zahlen l und m einführen, durch die die Form der Orbitale bzw. die Orientierung der Orbitale im Raum beschrieben werden. Einige Beispiele dafür sind in der Übersicht auf S. 455 oben für das Wasserstoffatom angegeben.

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Physik der Atomhülle

n

l = 0

l = 1

m = 0

m = 0

455

l = 2 m = 1 m = –1

m = 0

m = 1 m = –1

m = 2 m = –2

1

2

3

Mit den drei Quantenzahlen n, l und m kann man die Atomspektren immer noch nicht widerspruchsfrei deuten. Das gelingt erst, wenn man eine weitere Quantenzahl, die sogenannte Spinquantenzahl s, einführt. Diese Quantenzahl kann die Werte – }12  und + } 12  annehmen. Die Beschreibung aller in einem Atom möglichen Orbitale erfolgt durch die drei Quantenzahlen n, l und m. Die Spinquantenzahl s kennzeichnet darüber hinaus zwei Zustände, die ein Elektron auf einem bestimmten Orbital annehmen kann.

Dargestellt ist jeweils der Raum, in dem sich das Elektron mit 90 % Wahrscheinlichkeit aufhält.

In der nachfolgenden Übersicht sind die Quantenzahlen mit ihrer Bedeutung und mit den möglichen Werten zusammengestellt. Quantenzahl

Bedeutung

mögliche Werte

Hauptquantenzahl n

kennzeichnet das jeweilige Energieniveau des Elektrons der Hülle.

n = 1, 2, 3 ...

Nebenquantenzahl l (Bahndrehimpulsquantenzahl)

kennzeichnet die Form des Orbitals.

l = 0, 1, 2, ..., n – 1 (s, p, d, f )

Magnetquantenzahl m

kennzeichnet Orbitale mit gleichem n und l nach der Orientierung im Raum.

m = – l, ..., –1, 0, 1, ..., + l

Spinquantenzahl s

beschreibt die Orientierung des Elektrons, hat aber keinen Einfluss auf die Form des Orbitals.

s = + } 12 ,  – } 12  

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Atom- und Kernphysik

Für eine bestimmte Hauptquantenzahl n gibt es immer nur eine definierte Anzahl von Quantenzahlen l, m und s, die sich dieser Hauptquantenzahl n zuordnen lassen (b S. 455). Die Abb. unten zeigt anschaulich, wie sich diese Anzahl aus der Kombination der für eine Hauptquantenzahl jeweils erlaubten Quantenzahlen l und m ergibt. Es sind insgesamt n2 Möglichkeiten. Durch die Beachtung der Spinquantenzahl verdoppelt sich dann jede ariante noch einmal. Dieses Prinzip verallgemeinernd kommt man zu der V Feststellung: Einer vorgegebenen Hauptquantenzahl n kann man 2 n2 verschiedene Kombinationen der anderen Quantenzahlen zuordnen.

Die nachstehende Abbildung zeigt, welche Quantenzahlen sich jeweils einer Hauptquantenzahl zuordnen lassen. n

l

m

1

0

0

0

0 –1 0 1

2

1

0 3

1 2

Für das 1924/25 formulierte Prinzip erhielt wolfgang P auli 1945 den Nobelpreis für Physik.

0 –1 0 1 –2 –1 0 1 2

s 2 Möglichkeiten

8 Möglichkeiten

18 Möglichkeiten

Das Pauli-Prinzip Die mathematischen Überlegungen zu den möglichen Kombinationen von Quantenzahlen wurden von dem österreichischen Physiker wolfgang P auli (1900 –1958) zu einem Grundprinzip des atomaren Aufbaus erweitert. P auli erkannte, dass in einem Atom niemals zwei Elektronen vier identische Quantenzahlen besitzen können. Das nach ihm benannte Prinzip lautet: In einem Atom können zwei Elektronen nicht gleichzeitig in allen Quantenzahlen übereinstimmen.

Das hier für Elektronen formulierte Prinzip gilt auch für andere Teilchen, die den gleichen Raum belegen, z. B. für Quarks.

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Physik der Atomhülle

Deutung des Periodensystems der Elemente mithilfe von Quantenzahlen Das Pauli-Prinzip ermöglicht eine Modellvorstellung zum Bau der Atomhülle, die als Schalenmodell bezeichnet wird. Haben in einem Atom alle Elektronen mit einer bestimmten Hauptquantenzahl n alle möglichen anderen Quantenzahlen l, m und s angenommen, dann bilden sie eine abgeschlossene Konfiguration, die als voll besetzte Schale bezeichnet wird. Damit lässt sich die Struktur des Periodensystems der Elemente (PSE) verstehen.

457

Dieses Schalenmodell wird vor allem in der Chemie genutzt.

In der 1. Periode befinden sich Wasserstoff und Helium mit einem bzw. zwei Hüllenelektronen. Beim Helium endet bereits der Aufbau der K-Schale, denn nach dem Pauli-Prinzip ist es einem weiteren Elektron ausdrücklich verboten, sich in dieser Schale einzufinden. 1

2

1,008

H

2,1

Wasserstoff

K-Schale 4,00





He

– 2+

1+

Helium

H

He

In der 2. Periode beginnt mit dem Lithium das Auffüllen der L-Schale. Nacheinander werden die acht erlaubten Elektronen aufgenommen und bis zum Neon in die Atomhülle eingebaut. 3

4

6,94

1,0 Lithium

Li

1,5

9,01

Be

Beryllium

5

10,81

B

2,0 Bor

6 2,5

12,01

C

Kohlenstoff

7 3,0

14,007

N

8 3,5

Stickstoff

15,999

O

Sauerstoff

9

Fluor

F

K+L-Schale –

Li

10

18,998

4,0

– –

– 3+

Neon







Ne

20,18

Ne –

– 10+



– – –

In der Chemie nutzt man übrigens anstatt einer Nummerierung für die Quantenzahl l durch die ganzen Zahlen 0, 1, 2, 3 die Angabe der Kleinbuchstaben s, p, d, f. Die Schalen, die sich den Hauptquantenzahlen n zuordnen lassen, werden durch die Großbuchstaben K, L, M, N, O (für n = 1, 2, 3, 4, 5) gekennzeichnet. Hauptquantenzahl

1

2

3

4

Buchstabe der Schale

K

L

M

N

Quantenzahl l

0

1

2

3

Buchstabe

s

p

d

f

Mitunter wird dann die Anzahl der Elektronen je Orbital durch hochgestellte Ziffern angegeben, z. B. so: 1 s2 2 s2 2p6 3 s2 3 p2.

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Bei dem Atom mit 14 Elektronen handelt es sich um ein Siliciumatom.

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458

Atom- und Kernphysik

Emission und Absorption von Photonen Mit Orbitalen lässt sich die Emission und Absorption von Photonen anschaulich beschreiben. Die Abbildung unten zeigt die zwei Darstellungsmöglichkeiten (Energieniveauschema, Orbitale) im Vergleich. Und trotzdem muss man sich immer folgender Tatsache bewusst sein: Die Frage, wie ein Atom aussieht, kann man nicht beantworten. Atome haben keine Farbe und keine Oberflächenbeschaffenheit wie Gegenstände unserer Umgebung. Wir machen uns lediglich zweckmäßige Bilder von Atomen, mit denen wir experimentelle Ergebnisse beschreiben und erklären können. Emission eines Photons Der Nullpunkt des Energieniveauschemas kann beliebig gewählt werden. Mit dem energetischen Zustand ändert sich die Form des Orbitals.

Absorption eines Photons

E2 E1

E2 Photon

E0

Ein Photon der Energie ΔE = E1 – E2 wird von der Atomhülle abgegeben.

Die angeregten Atomhüllen gehen in der Regel nach sehr kurzer Zeit (10–8 s) wieder in den Grundzustand über.

E1

Photon

E0 Ein Photon der Energie ΔE = E2 – E1 wird von der Atomhülle aufgenommen.

Für die Zustände und Vorgänge in der Atomhülle gilt: – Jedem Elektron in der Atomhülle lassen sich bestimmte Energien zuordnen, z. B. die Energie E0, E1, E2 ... In jedem Atom gibt es mehrere Energieniveaus. Die Gesamtheit dieser Niveaus wird als Energie niveauschema des betreffenden Atoms bezeichnet (b S. 459). – Für die Atome eines Elements sind die Energieniveaus gleich. Sie unterscheiden sich aber für die Atome verschiedener Elemente. – Springt ein Elektron von einem höheren auf ein niedrigeres Energieniveau, so verringert sich seine Energie um ΔE. Es wird ein Photon mit dieser Energie emittiert. – Wird ein Elektron durch Energiezufuhr von außen, z. B. durch Bestrahlung mit Licht, auf ein höheres Energieniveau gehoben, so vergrößert sich seine Energie um ΔE. Es wird ein Photon mit dieser Energie absorbiert. Der Übergang eines Elektrons von einem Energieniveau zu einem anderen ist mit der Abgabe bzw. der Aufnahme von Energie verbunden. Für die emittierten bzw. die absorbierten Photonen gilt: ΔE = h · f = h ·  } λc  

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Physik der Atomhülle

Mithilfe der Schrödingergleichung lassen sich die Energieniveaus für die verschiedenen Orbitale des Elektrons im Wasserstoffatom berechnen. Die Energieniveaus hängen nur von der Hauptquantenzahl n (b S. 455) ab. Wenn man für ein freies Elektron weit außerhalb des Coulombpoten zials E = 0 setzt, so erhält man für die Energieniveaus: m · e4

1   = – 13,6 eV · 1   En = – } e2 2   · } }2 8 ε0 · h n2 n En = –RH · h · c  }  12   n

me ε 0 h RH

Elektronenmasse elektrische Feldkonstante plancksches Wirkungsquantum Rydberg-Konstante

459

Ein wichtiger Beleg für die quantenhafte Emission und Absorption von Photonen sind die Linienspektren (b S. 406).

Trägt man die Energiewerte auf einer vertikalen Achse auf, so bekommt man das Energieniveauschema für Wasserstoff. Eingezeichnet sind einige der möglichen Übergänge.

0 – 0,85 – 1,5

E in eV

n=∞ n=4 n=3

Paschen-Serie

n=2

– 3,4

Balmer-Serie +13,6 eV

Für die Umrechnung der Energie einheiten gilt:

+10,2 eV

– 13,6

Lyman-Serie

(Grundzustand)

n=1

Aus einem solchen Energieniveauschema lässt sich ablesen: – Die Energie eines Photons, das emittiert oder absorbiert wird, ist gleich der Differenz der Energieniveaus. Die Anzahl möglicher Energiewerte ist relativ groß. Wird ein Photon absorbiert und dadurch das Elektron aus dem Grundzustand (n = 1) auf das Niveau n = 2 gehoben, so entspricht das bei Wasserstoff einem Energiezuwachs von +10,2 eV. Der Übergang von n = 4 auf n = 2 entspricht einer Energieabnahme von –2,55 eV. – Aus den Energien bzw. den Energiedifferenzen lässt sich ablesen, welchem Frequenzbereich das Licht, das emittiert oder absorbiert wird, zuzuordnen ist. Für sichtbares Licht liegt die Energie der Photonen zwischen 1,5 eV (rotes Licht) und 3,3 eV (blaues Licht). Beim Wasserstoff liegt nur die BalmerSerie weitgehend im sichtbaren Bereich. Energien von mehr als 3,3 eV bedeuten ultraviolettes Licht, Energien von weniger als 1,5 eV infrarotes Licht. – Ein Atom wird ionisiert, wenn es ein Hüllenelektron an die Umgebung verliert. Die notwendige Ionisierungsenergie lässt sich ablesen. Sie beträgt für ein Wasserstoffatom im Grundzustand (n = 1) +13,6 eV. Für angeregte Atome ist sie entsprechend niedriger.

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Die Festlegung des Nullniveaus für die Energie ist willkürlich. Häufig wird das gerade abgelöste Elektron auf E = 0 gesetzt.

1 eV = 1,602 · 10 –19 J 1 J = 1 Ws

Mit der Differenz ΔE = EE – EA zwischen Endzustand EE und Anfangszustand EA erhält man die genannten Vor zeichen.

Die Ionisierung entspricht dem Übergang nach n = ∞ mit r g ∞.

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460

Atom- und Kernphysik

Spontane Emission erfolgt bei allen herkömmlichen Lichtquellen, z. B. bei der Sonne, Glühlampen, Leuchtstofflampen oder Leuchtdioden.

Funktionsprinzip des Lasers und Anwendungen Werden die Elektronen eines Atoms durch Energiezufuhr angeregt, so gehen sie unter Aufnahme von Energie in einen energetisch höheren Zustand über. Solche angeregten Atome kehren aber schon nach etwa 10–8 s in einen energetisch niedrigeren Zustand, meist den Grundzustand, zurück. Dieser Vorgang, bei dem Strahlung ausgesendet wird, erfolgt spontan, ohne irgendwelche äußeren Einflüsse. Er wird deshalb als spontane Emission bezeichnet. Es gibt auch Atome mit angeregten Zuständen, die über längere Zeit bestehen können. Nach Anregung aus dem Grundzustand E0 auf ein Energieniveau E2 (b Abb. unten) fallen die Elektronen auf ein metastabiles Energieniveau E1, in dem sie zunächst verbleiben. Trifft auf ein solches angeregtes Atom ein Photon, das genau die Energie E1 – E0 besitzt, z. B., weil es von einem gleichartig angeregten Atom stammt, so geht auch das angeregte Atom mit großer Wahrscheinlichkeit wieder in den Grundzustand über. Da diese Emission durch Anregung von außen erfolgt, wird sie als induzierte Emission bezeichnet.

Die induzierte Emission wird bei Lasern genutzt. Der erste funktionsfähige Prototyp eines Lasers wurde 1958 konstruiert und erprobt.

Spontane Emission

Induzierte Emission E

E

∆E

E1 ∆E

E0 Die Emission erfolgt ohne äußere Einwirkung.

Das Kunstwort Laser ist abgeleitet vom englischen light amplification by stimulated emission of radiation.

E2

E1

E0 Die Emission wird durch Photonen stimuliert.

Bei Atomen kann spontane oder induzierte Emission auftreten. Die wichtigste Anwendung der induzierten Emission sind Laser. Im linken Bild ist ein Laser in Aktion zu sehen. Den prinzipiellen Aufbau zeigt die Abb. unten rechts. Spiegel

Energiespeicher (Lasermedium)

teildurchlässiger Spiegel

Laserlicht

Energiequelle

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Physik der Atomhülle

461

Die Abbildungen zeigen einen Laser für Experimente (links) und eine Lasershow in einer Diskothek (rechts).

Durch eine Energiequelle wird das Lasermedium in einen angeregten Zustand versetzt. Geeignete Photonen rufen die induzierte Emission im Lasermedium hervor. Zwischen den beiden Spiegeln (b Abb. S. 460) laufen die Photonen hin und her und verstärken die induzierte Emission. Durch den teildurchlässigen Spiegel verlässt ständig ein Teil der Photonen als Laserstrahlung die Anordnung. Laserstrahlung (Laserlicht) unterscheidet sich in einigen Eigenschaften vom natürlichen Licht: – Laserlicht ist nahezu paralleles Licht. – Laserlicht kann eine hohe Leistungsdichte von bis zu einigen Megawatt je cm2 haben. Es kann gut auf kleine Flächen fokussiert werden. – Laserlicht ist monochromatisch, hat also eine ganz bestimmte Frequenz bzw. Wellenlänge, die vom Lasermedium abhängig ist. – Laserlicht ist linear polarisiert, schwingt also in einer Ebene. – Laserlicht hat eine hohe Kohärenz und ist damit gut interferenzfähig. Breit angewendet werden Laser seit Beginn der 90er-Jahre des 20.  Jahrhunderts. Bei CD-Playern, DVD-Laufwerken oder Strichcodelesern erfolgt die Abtastung mit Laserstrahlung. In der Medizin werden Laser in der Augenheilkunde (b Abb. links), in der Chirurgie und in der Zahnmedizin genutzt. Bei der Materialbearbeitung (b Abb. Mitte) kann Laserlicht zum Schweißen, Schneiden oder Bohren angewendet werden. Es lassen sich damit auch feinste Strukturen erzeugen. Gut eignet sich Laserlicht für Längen- oder Entfernungsmessungen (b Abb. rechts). So erlauben die Präzisionsmessungen Tunnel und Brückenbauwerke, bei denen von beiden Seiten aus einigen Kilometern Entfernung aufeinander zugebaut wird.

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An der Entwicklung des Lasers waren die Amerikaner c harles t. townes (geb. 1915), n ikolai g. b assow (1922 bis 2001) und a lexanDer m. P rochorow (1916 bis 2002) maßgeblich beteiligt. Diese drei Wissenschaftler erhielten dafür 1964 den Nobelpreis für Physik. Weitere Nobelpreise für Arbeiten im Bereich der Laserphysik wurden 1981 und 1997 verliehen.

Als Lasermedium werden Festkörper, Flüssigkeiten oder Gase genutzt. Achtung! Nie direkt in Laserlicht blicken.

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462

Atom- und Kernphysik

7.1.3 Experimentelle Befunde und Anwendungen zum quantenphysikalischen Atommodell Das quantenphysikalische Atommodell, auch O rbitalmodell genannt, ist inzwischen vielfach experimentell bestätigt. Erkenntnisse der Quantenphysik werden in vielen Bereichen der Forschung und der Technik genutzt. Wir betrachten nachfolgend einige ausgewählte experimentelle Befunde und Anwendungen.

Dieses grundlegende Experiment wurde erstmals 1913 von den beiden deutschen Physikern J ames f ranck (1882–1964) und g ustav h ertz (1887–1975) durchgeführt.

Der Abstand Gitter– Anode wird klein gewählt, damit es dort zu möglichst wenigen Stößen kommt.

Der Franck-Hertz-Versuch Die Existenz diskreter Energieniveaus in der Atomhülle wird unmittelbar durch den Franck-Hertz-Versuch bestätigt. Die Grundidee des Versuchs besteht darin, Atome nicht durch Bestrahlung, sondern durch Stoßprozesse anzuregen. Als Stoßpartner dienen Quecksilberatome, auf welche beschleunigte Elektronen treffen. Im Experiment wird untersucht, unter welchen Bedingungen die Elektronen Quecksilberatome anregen. Der Versuchsaufbau Kernstück des Experiments ist eine evakuierte und mit einer geringen Menge Quecksilbergas gefüllte Röhre (b Abb. 1, 2). Sie besitzt folgende Funktionsweise: Von einer Glühkatode werden Elektronen emittiert und durch eine regulierbare Spannung zwischen Katode und Gitter beschleunigt. Durch Regulieren der Beschleunigungsspannung lässt sich die Geschwindigkeit und damit die kinetische Energie der Elektronen verändern. Nach Passieren des Gitters durchlaufen die Elektronen ein Gegenfeld. Nur solche Elektronen, die ein gewisses Mindestmaß an Bewegungsenergie besitzen, gelangen bis zur Anode. In welchem Umfang Elektronen zur Anode gelangen, wird anhand des Stroms ermittelt, der zwischen der Katode und der Anode fließt. Versuchsdurchführung und Ergebnisse Vor den Messungen muss die Röhre erhitzt werden, damit das Quecksilber in den gasförmigen Zustand übergeht. Die Beschleunigungsspannung wird dann langsam erhöht und die Stromstärke wird gemessen. Dabei zeigt sich: Zunächst vergrößert sich die Stromstärke durch die Röhre. Bei einer bestimmten Spannung sinkt die Gitter

Katode

Hg-Atom

Katode

Anode

– – –

V –

U

I A +

~1 V + –

1 Bau und Schaltung einer Franck-Hertz-Röhre

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Anode

Gitter

2 Bauform einer Franck-Hertz-Röhre

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Physik der Atomhülle

463

Stromstärke deutlich ab. Nun erreichen nur noch wenige Elektronen die Anode. Erhöht man die Beschleunigungsspannung weiter, so steigt die Stromstärke wieder an und sinkt nach Erreichen eines erneuten Maximums wieder ab. Die nachfolgenden Bilder zeigen eine mögliche Versuchsanordnung und die Ergebnisse des Versuchs. I in mA 30

4,9 V

4,9 V

4,9 V

20

10

0

0

5

10

15

U in V

Es zeigt sich: Die Maxima im Stromfluss stellen sich immer dann ein, wenn die Beschleunigungsspannung um 4,9 V erhöht wird. Deutung des Versuchs Auf ihrem Weg zur Anode stoßen die Elektronen mit Quecksilberatomen zusammen. Bei niedriger Beschleunigungsspannung erfolgen diese Stöße elastisch. Die Elektronen geben dabei keine kinetische Energie an die Atome ab und sind deshalb in der Lage, das Gegenfeld vor der Anode zu überwinden. Erreicht die kinetische Energie der Elektronen einen bestimmten Wert, dann kommt es zu unelastischen Stößen zwischen Elektronen und Atomen. Die Quecksilberatome nehmen dabei Energie von den Elektronen auf. Diese gelangen aufgrund ihrer geringeren Energie nicht mehr bis zur Anode. Die Stromstärke sinkt. Wird die Beschleunigungsspannung weiter erhöht, vergrößert sich die Energie der Elektronen wieder, der Strom steigt erneut an. Bei einer stetigen Steigerung der Spannung erreichen die Elektronen auch wieder diejenige Energie, bei der unelastische Stöße erfolgen. Auf diese Weise können die Elektronen auf ihrem Weg zur Anode gleich zwei- oder mehrmals ihre Energie an Quecksilberatome abgeben. So erklärt sich das Auftreten mehrerer Maxima bzw. Minima in der SpannungStromstärke-Kurve.

Für die Entdeckung der Gesetze, die beim Zusammenstoß eines Elektrons mit einem Atom gelten, erhielten J ames f ranck (1882–1964) und g ustav h ertz (1887–1975) im Jahr 1925 den Nobelpreis für Physik.

Bei Quecksilber unterscheiden sich die Maxima jeweils um die Spannung 4,9 V.

Geht man von diskreten Energieniveaus in der Hülle des Quecksilberatoms aus, dann zeigt dieser Versuch: Nur wenn die kinetische Energie eines Elektrons mindestens der Differenz zweier atomarer Energieniveaus entspricht, kann sie durch das Quecksilberatom aufgenommen werden.

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464

Atom- und Kernphysik

Entdeckt wurde diese Strahlung im Jahr 1895 durch den deutschen Physiker w ilhelm c onraD r öntgen (1845 –1923), der 1901 dafür den ersten Nobelpreis für Physik erhielt.

r öntgen selbst bezeichnete die von ihm entdeckte Strahlung als X-Strahlung. Im englischsprachigen Raum spricht man auch heute von X-Rays.

Auch die Materie im Weltall besteht teilweise aus ge ladenen Teilchen. Sie werden häufig von Neutronensternen oder von schwarzen Löchern stark beschleunigt. Die dabei entstehende Strahlung wird mit Röntgensatelliten (ROSAT, Chandra, XMM) nachgewiesen. Allein der 1990 gestartete Satellit ROSAT registrierte ca. 120 000 Röntgenquellen im Weltall.

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Erzeugung und Spektrum von Röntgenstrahlen Aus dem bisherigen Physikunterricht ist bekannt: Wenn elektrische Ladungen beschleunigt oder abgebremst werden, entsteht elektromagnetische Strahlung. Je größer der Betrag der Beschleunigung ist, umso größer ist die Frequenz der entstehenden Strahlung. Lässt man Elektronen mit großer kinetischer Energie (mehrere keV) auf eine M etalloberfläche, die Anode, auftreffen, so werden sie abrupt abgebremst. Es entsteht kurzwellige elektromagnetische Strahlung, die Röntgenstrahlung. Röntgenstrahlung entsteht, wenn schnelle Elektronen stark abgebremst werden.

Im Spektrum elektromagnetischer Wellen schließt Röntgenstrahlung an das ultraviolette Licht an. Die Frequenz liegt in einem Bereich von 3 · 1016 bis 5 · 1021 Hz, die Wellenlänge zwischen 10–8 und 6 · 10–14 m. 464

464

Die Skizze zeigt den prinzipiellen Aufbau einer Röntgenröhre, mit der Röntgenstrahlung erzeugt wird. Die von einer Glühkatode emittierten Elektronen werden im elektrischen Feld zwischen Katode und Anode beschleunigt und beim Auftreffen auf die Anode stark abgebremst. Es entsteht Röntgenstrahlung. Röntgenstrahlung kann ähnlich wie radioaktive Strahlung mit einem Zählrohr (b S. 475) nachgewiesen werden. Am „Knacken“ des Zählrohrs kann man erkennen:

464

Metallanode Röntgenstrahlung UB

– – –



Elektronen

– Glühkatode

Röntgenstrahlung besteht wie Licht aus Photonen, deren Energie llerdings deutlich über der von sichtbarem Licht liegt. a

In Röntgenröhren werden die Elektronen meist mit elektrischen Spannungen im kV-Bereich beschleunigt. Die Frequenz der entstehenden Röntgenstrahlung erstreckt sich über einen weiten Bereich. Es gibt jedoch eine obere Grenze, die Grenzfrequenz fG. Sie ist umso größer, je größer die Beschleunigungsspannung UB ist. Um das zu verstehen, wird der Entstehungsprozess als umgekehrter Fotoeffekt gedeutet: Die bei einem Abbremsvorgang frei werdende Energie erwärmt z. T. die Anode, z. T. wird sie von Photonen davongetragen. Im Extremfall wird die gesamte kinetische Energie des Elektrons auf ein einziges Röntgenphoton übertragen. Die maximale Photonenenergie beträgt dann also e · UB. Daraus können die Grenzfrequenz fG und die Grenzwellenlänge λG berechnet werden. 464

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Physik der Atomhülle

465

Für die maximale Energie der Photonen einer Röntgenröhre gilt: Emax = e · UB = h · fG = } h · c     λ G

e Elementarladung UB Beschleunigungsspannung h plancksches Wirkungsquantum

fG Grenzfrequenz c Lichtgeschwindigkeit λG Grenzwellenlänge

Wie groß ist die maximale Frequenz der Strahlung einer Röntgenröhre,  die  mit  20  kV  betrieben  wird?  Berechnen  Sie  auch  die  zugehörige   Wellenlänge. Analyse: Die maximale Frequenz (Grenzfrequenz) ergibt sich, wenn man annimmt, dass die gesamte kinetische Energie eines Elektrons, die es infolge der Beschleunigung im elektrischen Feld zwischen Katode und Anode hat, beim Abbremsen vollständig auf ein Photon der Röntgenstrahlung übertragen wird. Gesucht: fG, λG Gegeben: UB = 20 kV e = 1,602 · 10–19 C h = 6,626 · 10–34 J · s

Bei Spannungen im kV-Bereich kann die anfängliche kinetische Energie der Elektronen vernachlässigt werden.

Lösung: Aus e · UB = h · fG ergibt sich für die Grenzfrequenz fG: e · U h

fG = }  B    –19

4

1,602 · 10 C · 2,0 · 10   V   fG = }} –34 6,626 · 10

J · s

fG = 4,8 · 1018 Hz Die Grenzwellenlänge ergibt sich aus c = λ · f zu: λG = } c    fG

1 Picometer = 1 pm = 10–12 m

8

m 3,0 · 10     λG = }} 18 4,84 · 10 Hz · s

λG = 6,2 · 10–11 m = 62 pm Ergebnis: Bei einer Beschleunigungsspannung von 20 kV beträgt die maximale Frequenz der abgestrahlten Röntgenstrahlung 4,8 · 1018 Hz. Das entspricht einer Wellenlänge von 62 pm. Einem Röntgenphoton der Frequenz f = 4,8 · 1018 Hz kann eine Energie von E = h · f zugeordnet werden. Damit ergibt sich für die genannte Frequenz E = 2,0 · 104 eV = 20 keV.

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Die Energie der Photonen beim sichtbaren Licht liegt zwischen 1,5 und 3,3 eV.

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466

Atom- und Kernphysik

Trägt man für eine konstante Beschleunigungsspannung die Intensität der Röntgenstrahlung über der Wellenlänge ab, so erhält man ein Spektrum der Röntgenstrahlung. Das charakteristische Spektrum ist stoffspezifisch.

Intensität der Strahlung charakteristisches Spektrum Röntgenspektrum einer Kupferkatode

Bremsspektrum

Die Grenzwellenlänge ist blau markiert.

Bremsspektrum λG

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

λ in 10–10 m

Die Röntgenstrahlung in der Anode entsteht nur teilweise direkt durch die Abbremsung der Elektronen. Diesen Anteil im Spektrum nennt man kontinuierliches Spektrum oder Bremsspektrum. Im Experiment beobachtet man zusätzlich ein Linienspektrum, das sogenannte charakteristische Spektrum. Bei Kupfer registriert man zwei ausgeprägte Maxima. Das Spektrum einer Röntgenröhre besteht aus einem Bremsspektrum und einem charakteristischen Spektrum.

In Analogie zu den Spektrallinien im optischen Bereich spricht man auch von Röntgenlinien. Die Energie differenz zwischen den Schalen liegt hier im keVBereich.

Die Form des charakteristischen Spektrums hängt vom Anodenmaterial ab. Damit kann man aus diesem Spektrum eindeutig chemische Elemente identifizieren.

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Das charakteristische Spektrum zählt zu den wichtigsten Belegen für das Schalenmodell der Atomhülle. Dieses Spektrum entsteht folgendermaßen: Trifft ein schnelles Elektron der Röntgenröhre auf das Anodenmaterial, dann wird es abgebremst, kann aber, sofern es energiereich genug ist, auch tief in die Hülle eines Atoms eindringen und dabei ein Elektron aus einer inneren, voll besetzten Schale herausstoßen. Der freie Platz wird durch ein äußeres Elektron sofort wieder besetzt. Bei diesem Elektronenübergang wird ein Röntgenphoton abgegeben (b Abb. unten). Herausstoßen eines Hüllen elektrons aus der K-Schale L L K K

Auffüllen der Fehlstelle durch ein Elektron von einer höheren Schale L L K K RöntgenRöntgenphoton photon

energiereiches energiereiches Elektron Elektron

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Das Wichtigste im Überblick

Physik der Atomhülle Ein Atom besteht aus einer negativ geladenen Atomhülle und dem positiv geladenen Atomkern. Größe, Anzahl und Masse von Atomen ergeben sich aus experimentellen Untersuchungen und theoretischen Überlegungen: – Die Anzahl von Atomen je Mol beträgt 6,022 · 1023. – Die Masse von Atomen liegt zwischen 10–27 kg und 10–24 kg. – Der Radius von Atomen liegt in einer Größenordnung von 10–10 m.

+ Atomkern

467

Überblick



Atomhülle –

Ein einfaches Modell für das Wasserstoffatom ist der lineare Potenzialtopf mit unendlich hohen Wänden. Die Lösungen der Schrödingergleichung für diesen Fall haben die Form von stehenden Wellen bei maximaler Auslenkung. Für das Elektron ergeben sich als mögliche Energieniveaus: n = 1, 2, 3 … L ist die Breite des Potenzialtopfs.

2

h   En = } · n2 2 8 me · L

Als Lösungen der Schrödingergleichung für das Coulombpotenzial ergeben sich für das Wasserstoff atom die folgenden Energieniveaus En: n Hauptquantenzahl RH Rydberg-Konstante

m · e4

En = – } e2 2   · } 12  = –RH · h · c  } 12   = – 13,6 eV · } 12   8 ε0 · h

n

n

n

Die Energieniveaus der Atomhülle lassen sich in einem Energieniveauschema darstellen. – Absorption von Licht ist verbunden mit dem Übergang eines Elektrons auf ein höheres Energie niveau. – Emission von Licht ist verbunden mit dem Übergang eines Elektrons auf ein niedrigeres Energieniveau. – Ionisierung des Atoms erfolgt, wenn ein Hüllen elektron an die Umgebung abgegeben wird.

E E3 E2

n=∞ n=4 n=3

E1

n=2 ∆E0,1

∆E0,2

E0

n=1

ΔE = h · f = h · } λc  

Experimentelle Belege für die Existenz von Energieniveaus sind Linienspektren, der FranckHertz-Versuch, Laser- oder Röntgenstrahlung. rbitale veranschaulichen mögliche Formen der Atomhülle. Die geometrischen EigenschafO ten der Orbitale lassen sich durch die Hauptquantenzahl n, die Nebenquantenzahl l und die Magnetquantenzahl m kennzeichnen. Hinzu kommt die Spinquantenzahl s. Das Energieniveau eines Elektrons in der Hülle wird im Wesentlichen durch die Hauptquantenzahl bestimmt.

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Atom- und Kernphysik

Aufgaben 411 864 Ölfleckversuch 1. Die Größe von Atomen lässt sich mit dem Ölfleckversuch abschätzen. Informieren Sie sich über diesen Versuch. Bereiten Sie ein Kurzreferat zur Durchführung und zu den Ergebnissen dieses Versuchs vor. Informationen finden Sie im Internet unter 410 085 . 411 874 Atommodelle 2. Die folgenden Abbildungen zeigen verschiedene Atommodelle. (1)

(2) – –

427 944 Gewichtskraft des Elektrons 5. Vergleichen Sie die Gewichtskraft eines Elektrons mit der elektrostatischen Anziehungskraft zwischen einem Proton und einem Elektron im Abstand r = 5,29 · 10–11 m. 412 254 Energie im Potenzialtopf 6. Für einen linearen Potenzialtopf mit unendlich hohen Wänden gilt für die möglichen Energien die Gleichung: 2

h   En = } · n2 mit n = 1, 2, 3 … 2



8 me · L

– –

Abstand r = 5,29 · 10–11 m (bohrscher Radius) um den positiv geladenen Atomkern. Vergleichen Sie für ein Wasserstoffatom im Grundzustand den Betrag der elektromag netischen Kraft zwischen Elektron und Kern mit dem der Gravitationskraft. Was kann man daraus folgern?

Interpretieren Sie diese Gleichung. –

(3)

(4) – +

a) Wie unterscheidet sich allgemein ein Modell vom realen Objekt? b) Erkunden Sie, wann und von wem die betreffenden Modelle entwickelt wurden und was man mit ihnen verdeutlichen kann. c) Wo liegen die Grenzen des jeweiligen Modells? 411 884 Atome messen 3. Recherchieren Sie, wie man die Masse und die Größe von Atomen bestimmen kann. Bereiten Sie dazu einen Kurzvortrag vor. 411 904 Gravitation im Atom 4. Der Zusammenhalt eines Atoms wird durch Kräfte zwischen negativ geladenen Elektronen und positiv geladenem Kern gewährleistet. Neben Kräften zwischen Ladungen (elektromag netische Kraft) treten auch Gravitationskräfte auf. Nach der bohrschen Vorstellung bewegt sich beim Wasserstoffatom im Grundzustand ein Elektron auf einer Kreisbahn im

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412 224 Elektronen im Potentialtopf 7. Ein Elektron in einem h2 E=} 8 me · L2 linearen Potenzialtopf mit 16 unendlich hohen Wänden und der Breite L = 20 nm geht vom 3.  angeregten Zustand in den 2. angeregten Zustand über. In einem 9 anderen Potenzialtopf der gleichen Breite geht ein Elektron vom 2. angeregten Zustand in den Grund4 zustand (n = 1) über. Bei welchem der Übergänge ist 1 die Wellenlänge des emittierten Lichts kleiner?

E=0

428 824 Ein Lithiumatom 8. Ein Elektron eines Lithiumatoms ( d = 3,5 · 10–10 m) soll sich in einem linearen Potenzialtopf gleicher Breite befinden. Lithium ist ein Leichtmetall und hat von allen festen Elementen die kleinste Dichte. Berechnen Sie die Energie des Elektrons für n = 1. Vergleichen Sie den berechneten Wert mit dem tatsächlichen Wert von 5,0 eV. Wie könnte der Unterschied zustande kommen? 412 394 Tunneleffekt 9. Was versteht man unter dem Tunneleffekt? Gibt es vergleichbare klassische Effekte? Warum spielt der Tunneleffekt in unserem Alltag keine Rolle?

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Aufgaben

412 274 Wellenfunktion 10. Die nachfolgende Skizze zeigt einen eindimensionalen Potenzialtopf mit Energie niveaus. E4 E3 E2 E1 0

L

x

a) Übernehmen Sie die Skizze ins Heft und zeichnen Sie die Wellenfunktionen ein. b) Markieren Sie auch die zugehörige Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons in diesem Potenzialtopf. 412 284 Wasserstoffatom 11. Ein Wasserstoffatom im angeregten Zustand hat einen Radius von etwa 5 · 10–10 m, ist also im Bereich einer Kugel mit diesem Radius „eingesperrt“. Im Modell des unendlich hohen linearen Potenzialtopfs kann man also von einer Breite von L = 2 r ausgehen. a) Berechnen Sie für dieses Modell die vier niedrig sten Energien des Elektrons. b) Ermitteln Sie daraus die Frequenz des Lichts beim Übergang vom 4. in den 3. angeregten Zustand. c) Vergleichen Sie diese Frequenz mit dem experimentell ermittelten Wert. Begründen Sie die Unterschiede. 412 634 Orbitaldarstellung 12. y Die Skizze zeigt ein Orbital des Wasserstoffatoms. Was kann man einer solchen Darstellung entz nehmen?

412 054 Blaues Licht 14. Die Hγ-Linie im Wasserstoffspektrum hat eine Wellenlänge von 434,05 nm. Licht dieser Wellenlänge wird von einem Wasserstoffatom abgegeben, wenn ein Elektron im Energieniveauschema von n = 5 auf n = 2 übergeht. a) Wie groß ist die Energie der betreffenden Photonen? b) Welche Energie kann im Energieniveauschema dem Niveau n = 5 zugeordnet werden? c) Mit welcher Spannung müsste ein Elek tron mindestens beschleunigt werden, um ein Wasserstoff atom aus dem Grundzustand in das Energie niveau n = 5 anzuregen? 411 964 Lichtemission 15. Ein Atom emittiert unter anderem Licht der Wellenlängen 700 nm, 500 nm und 292 nm. a) Welche der zugehörigen Spektrallinien sind für uns sichtbar? b) Durch welches Energieniveauschema können diese drei Wellenlängen beschrieben werden? Gibt es mehrere Lösungen? 412 084 Spektralapparat 16. Wie kommt eine Spektrallinie zustande? Erläutern Sie die quantenphysikalischen Prozesse in der Atomhülle und das Funktionsprinzip eines Spektralapparats. 411 974 Quecksilberlampe 17. Quecksilber wird in Energiesparlampen genutzt. Es hat folgendes Energieniveauschema (Ausschnitt): E in eV n=3

– 3,9 ∆E2,3

– 5,5

n=2

x

427 794 Energieniveaus 13. Im Lehrbuch auf S. 459 ist das Energieniveauschema für Wasserstoff dargestellt. a) Im sichtbaren Bereich liegt die Energie der Photonen zwischen 1,5 und 3,3 eV. Geben Sie für n # 4 die Übergänge an, für die die Spektrallinien im sichtbaren Bereich liegen. b) Berechnen Sie für den Übergang n = 3 g n = 2 die Wellenlänge, die dem Photon zuzuordnen ist. Geben Sie auch die Frequenz an.

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∆E1,2

– 10,4

n=1

Die Ionisierungsenergie für Quecksilber beträgt 10,4 eV. a) Was bedeutet diese Angabe? b) Berechnen Sie für die beiden in der Skizze markierten Übergänge die Frequenz und die Wellenlänge von Licht mit der betreffenden Energie. Welchem Spektralbereich ist das betreffende Licht zuzuordnen?

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470

Atom- und Kernphysik

412 204 Rubinlaser 18. Die Skizze zeigt ein vereinfachtes Energieniveauschema für Rubin, das als Energiespeicher in einem Laser verwendet wird. E in eV E2

3,026

420 354 Franck-Hertz-Versuch 23. Die Abbildung zeigt eine Franck-Hertz-Röhre. Heizspannung

Hg-Dampf E1

– + 0

E0

Berechnen Sie die Wellenlänge des Lichts, das von diesem Laser ausgesendet wird. Welche Farbe hat das Licht? 412 194 Übergänge im Laser 19. Bei der induzierten Emission gehen die angeregten Elektronen „strahlungslos“ auf ein niedrigeres Energieniveau über. Erkunden Sie, was „strahlungsloser Übergang“ bedeutet. Begründen Sie, dass der Vorgang mit dem Energieerhaltungssatz vereinbar ist. 412 234 Gefahr durch Laser 20. Begründen Sie, weshalb Laserlicht für das menschliche Auge gefährlich ist. 412 244 Laser in der Medizin 21. Laser werden heute in der Medizin in vielfältiger Weise genutzt. Fertigen Sie eine Präsentation an, in der Sie auf folgende Schwerpunkte eingehen: – Grundsätzlicher Aufbau und Wirkungsweise eines Lasers, – Eigenschaften von Laserstrahlung, – Nutzung ausgewählter Eigenschaften in der Medizin, – Nutzung in der Technik. 412 664 Spontane Emission 22. Atome in angeregten Zuständen können spontan Photonen emittieren. Die typischen Zeiten bis zur Emission sind, wie in der Radioaktivität, Halbwertszeiten. Die Halbwertszeit für das Orbital des Wasserstoffatoms mit n = 2 und l = 1 beträgt 1,6 · 10–9 s. Was bedeutet diese Zeit für eine Anzahl von 1 Mol Wasserstoffatomen, wenn 10 % davon angeregt sind?

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Anode



metastabiles Niveau 1,787

Gitter

Katode

Beschleunigungsspannung U

+ – Gegenspannung 0,5 V

a) Erläutern Sie den Versuch zur Aufnahme des typischen Franck-Hertz-Diagramms, also der Darstellung des Röhrenstroms über der Beschleunigungsspannung der Elektronen. b) Skizzieren und erklären Sie den typischen Kurvenverlauf. 428 614 Licht vom Quecksilber 24. a) Strahlung welcher Wellenlänge müssen die Quecksilberatome emittieren, wenn im FranckHertz-Diagramm einer Quecksilberröhre die Maxima der Stromstärke 4,9 V auseinanderliegen? b) Wie kann man Strahlung dieser Wellenlänge nachweisen? 424 204 Natriumdampf 25. Füllt man eine Franck-Hertz-Röhre mit Natriumdampf, dann ergibt das Experiment: Die Minima der Spannung-Stromstärke-Kennlinie haben einen Abstand von jeweils 2,12 eV. a) Was kann man daraus für die Energie der emittierten Photonen folgern? b) Welche Wellenlänge ist ihnen zuzuordnen? In welchem Spektralbereich liegt das emittierte Licht? 429 554 Eine Röntgenröhre 26. Eine Röntgenröhre wird mit einer Beschleunigungsspannung von 50 kV betrieben. a) Welche maximale Energie haben die Elektronen beim Auftreffen auf die Anode? Geben Sie den Wert in eV und J an. b) Welche maximale Geschwindigkeit erreichen die Elektronen? Wie viel Prozent der Vakuumlichtgeschwindigkeit sind das? c) Berechnen Sie die kurzwellige Grenze der emittierten Strahlung.

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Physik des Atomkerns

471

7.2 Physik des Atomkerns 7.2.1 Der Atomkern und seine Bestandteile Aus dem bisherigen naturwissenschaftlichen Unterricht wissen Sie bereits: – Im Atomkern, der nur einen sehr kleinen Bereich des Atoms einnimmt, ist fast die gesamte Masse des Atoms konzentriert. Er besteht aus positiv geladenen Protonen und Neutronen. Die Kernbestandteile nennt man Nukleonen. Im Modell lässt sich der Aufbau der Materie so darstellen: Körper

Makroteilchen

Atom

Im Atomkern sind mehr als 99,99 % der Atommasse konzentriert.

Atomkern Proton (positiv geladen)

– +

Neutron (elektrisch neutral) 10–3 m

10–10 m

10–14 m

– Der Atomkern besteht aus positiv geladenen Protonen und elektrisch neutralen Neutronen. Diese Kernbestandteile werden zusammenfassend als Nukleonen bezeichnet. – Die Masse eines Neutrons und eines Protons ist etwa gleich groß und beträgt 1,67 · 10–27 kg. Sie ist etwa 1 840-mal größer als die Masse eines Elektrons. – Den Atomkern kann man analog zu einem Wassertropfen als ein Gebilde beschreiben, das aus winzigen Tröpfchen zusammengesetzt ist. Dieses oben rechts dargestellte Modell wird deshalb Tröpfchenmodell genannt. Mithilfe des Tröpfchenmodells lassen sich einige Eigenschaften von Atomkernen gut beschreiben und erklären: – Ein Atomkern ist in der Regel ein stabiles Gebilde, obwohl zwischen den positiv geladenen Protonen abstoßende coulombsche Kräfte wirken. Ursache für den Zusammenhalt der Nukleonen ist die Kernkraft. Diese anziehende Kraft wirkt zwischen jeweils benachbarten Nukleonen, hat eine geringe Reichweite von etwa 2 · 10–15 m und ist erheblich stärker als die abstoßende coulombsche Kraft. – Aufgrund der konstanten Packungsdichte der Nukleonen wächst der Radius des Atomkerns mit der Nukleonenzahl (Massenzahl) A. In guter Näherung gilt für den Kernradius: ​1   }

r = 1,4 · 10–15 m · A​3 Er liegt damit in einer Größenordnung von 10–14 bis 10–15 m. – Die Dichte der Kernmaterie kann aus Masse und Volumen abgeschätzt werden. Sie ist für alle Atomkerne annähernd gleich groß und hat einen Wert von etwa 1,8 · 1017 kg · m–3 = 1,8 · 1014 g · cm–3. Die Dichte des Atomkerns übersteigt damit die Dichte von Stoffen unserer Umgebung um viele Größenordnungen.

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Abgeleitet ist die Bezeichnung Nukle on von nucleus (lat.) = Kern.

Bei der Kernkraft handelt es sich um die starke Wechselwirkung (b S. 507 f.), die zwischen Proton und Neutron ebenso wie zwischen zwei Protonen oder zwei Neutronen wirkt. Der Begriff Kernkraft ist ein historisch geprägter Begriff.

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Atom- und Kernphysik

– Die Massenzahl oder Nukleonenzahl A ist gleich der Summe aus der Protonenzahl (Ordnungszahl im Periodensystem) Z und der Anzahl der Neutronen N: A = Z + N Es ist zu unterscheiden zwischen der Masse eines Atomkerns und der Atommasse, bei der auch die Elektronen der Atomhülle einbezogen sind.

– Die Masse des Atomkerns ergibt sich dann näherungsweise als Summe der Massen aller seiner Protonen Z und seiner Neutronen N: mK ≈ Z​· mP + N​· mn Die tatsächliche Masse des Atomkerns ist stets kleiner als die Summe der Massen seiner Bestandteile (Massendefekt). Dem Massendefekt entspricht nach E = ∆m​· c​2 die Bindungsenergie des Atomkerns (b S. 491). – Zur Kennzeichnung von Atomkernen und Elementarteilchen nutzt man in der Kernphysik meist eine Symbolschreibweise, die es auch ermöglicht, Reaktionsgleichungen ähnlich denen chemischer Gleichungen zu formulieren.

Üblich ist auch die Schreibweise Uran-238 oder U-238. Die Ordnungszahl kann dem Periodensystem entnommen werden.

Massenzahl A (Anzahl von Protonen und Neutronen)

Kernladungszahl Z (Ordnungszahl, Anzahl der Protonen)

238 U 92

chemisches Symbol des Elements (Uran)

Uran hat 92 Protonen und damit das elektrisch neutrale Uranatom auch 92 Elektronen in der Atomhülle. Die Anzahl der Neutronen N beträgt 238 – 92 = 146. – Die Nukleonen lassen sich folgendermaßen kennzeichnen: Die atomare Masseneinheit u hat den Wert 1,660 540 · 10–27 kg.

Die Anzahl der heute bekannten Nuklide beträgt ca. 2 700. Die meisten davon sind künstlich erzeugt worden. Von den 2 700 Nukliden sind etwa 300 stabil, die übrigen 2 400 sind radioaktiv und damit instabil.

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Nukleon

Symbolschreibweise

Ruhemasse

Ruheenergie

Ladung

Proton

11 p

1,672 62 · 10–27 kg 1,007 276 u

938,28 MeV

+ 1 e 1,602 · 10–19 C

Neutron

1 n

1,674 93 · 10–27 kg 1,008 665 u

939,57 MeV

0

0

– Jeder Atomkern eines Elements verfügt über eine bestimmte Anzahl von Protonen und Neutronen. Damit sind Massenzahl und Kernladungszahl eindeutig bestimmt. Ein durch Massenzahl und Kernladungszahl eindeutig charakterisierter Atomkern wird als Nuklid bezeichnet. 23 Na ist ein Nuklid des Natriums mit 11 Protonen, 11 Elektronen im 11 neutralen Atom und 23 – 11 = 12 Neutronen.

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Physik des Atomkerns

473

7.2.2 Kernumwandlungen und Radioaktivität Atomkerne können spontan zerfallen, durch Beschuss mit Teilchen aufgespalten werden oder unter bestimmten Bedingungen auch miteinander verschmelzen. In allen diesen Fällen verändern sich die ursprünglichen Atomkerne. Sie wandeln sich in neue Kerne um. Unter einer Kernumwandlung oder Kernreaktion versteht man die Umwandlung von Atomkernen in andere Kerne.

Bei einer Kernumwandlung wird Strahlung abgegeben, die als radioaktive Strahlung oder Kernstrahlung bezeichnet wird. Entdeckt wurde diese neue Art von Strahlung 1896 durch den französischen Physiker H enri B ecquerel (1852 bis 1908). Er stellte fest, dass eine Fotoplatte geschwärzt wurde, wenn sich uranhaltige Mineralien in der Nähe befanden (b Abb.). Unter Radioaktivität versteht man die Erscheinung, dass sich Atomkerne unter Abgabe von Strahlung verändern.

Solche Atomkerne werden als radioaktive Nuklide oder Radionuklide bezeichnet. Dabei ist zwischen natürlicher und künstlicher Radioaktivität zu unterscheiden. In der nachfolgenden Übersicht sind die beiden Arten der Radioaktivität genauer charakterisiert. Natürliche Radioaktivität

Künstliche Radioaktivität

In der Natur vorkommende Radionuklide wandeln sich spontan unter Aussendung von Kernstrahlung um.

Künstlich erzeugte Radionuklide wandeln sich spontan unter Aussendung von Kernstrahlung um.

Beispiel Radium-226 zerfällt unter Aussendung eines doppelt positiv geladenen Heliumkerns (α-Teilchen) in Radon-222.

Beispiel Wird Cobalt-59 mit Neutronen beschossen, so entsteht das Radionuklid Cobalt-60, das sich unter Abgabe eines Elektrons in Nickel umwandelt.



Co g 60 Co g 60 Ni + 0 e 10 n + 59 –1 27 27 28





226 88 Ra g 222 Rn + 42 α 86

Die neu entstehenden Kerne sind teilweise stabil, teilweise zerfallen sie ihrerseits wieder. Es gibt regelrechte Zerfallsreihen (b S. 478).

H enri B ecquerel (1852–1908) erhielt 1903 zusammen mit M arie c urie (1867 bis 1934) und P ierre c urie (1859–1906) für die Verdienste um die Entdeckung und Erforschung der Radioaktivität den Nobelpreis für Physik. M. und P. c urie fanden 1898 die radioaktiven Elemente Radium und Polonium. Auf M. c urie (b Abb.) geht auch der Begriff „Radioaktivität“ zurück.

Für alle Kernumwandlungen gelten der Energieerhaltungssatz, der Impulserhaltungssatz und der Erhaltungssatz für die Ladung.

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Atom- und Kernphysik

Arten und Eigenschaften von Kernstrahlung Man unterscheidet drei Arten von Kernstrahlung: α-Strahlung, β-Strahlung und γ-Strahlung. Eine Übersicht über diese drei Strahlungsarten ist unten gegeben. Die Entstehung der drei Strahlungsarten durch Prozesse im Atomkern ist auf den Seiten 486 – 489 dargestellt.

Solche abgeschirmten Strahler sind für experimentelle Untersuchungen gedacht.

Wir können Kernstrahlung nicht unmittelbar wahrnehmen. Sie hat aber eine Reihe von Eigenschaften, die für ihren Nachweis, ihre Wirkungen und ihre Anwendungen sowie zum Schutz vor ihr von Bedeutung sind. Zugleich bieten verschiedene Eigenschaften die Möglichkeit, die drei Strahlungsarten voneinander zu unterscheiden (b S. 475). Kernstrahlung (α-, β- und γ-Strahlung) besitzt Energie.

Dadurch können Gase ionisiert, Filme geschwärzt und biologische Zellen verändert werden. Das Ionisieren von Gasen und das Schwärzen von Filmen werden zum Nachweis von Kernstrahlung genutzt.

Sind z. B. bei einer Nebelkammer die Spuren alle etwa gleich lang, so kann man folgern: Es handelt sich um α-Strahlung (b Übersicht S. 475 unten).

α-Strahlung besitzt bestimmte, diskrete Energien in einer Größenordnung von 1–10 MeV. Die Energie liegt als kinetische Energie der α-Teilchen vor. β-Strahlung hat stets ein kontinuierliches Energiespektrum mit einer maximalen Energie, die meist im Bereich von 1 MeV liegt. Es handelt sich dabei um kinetische Energie der Elektronen bzw. der Positronen. γ-Strahlung besitzt bestimmte, diskrete Energien in der Größenordnung von ebenfalls 1 MeV. Es handelt sich hierbei um „Wellenpakete“, vom physikalischen Charakter her um elektromagnetische Wellen kleiner Wellenlänge bzw. Quanten, vergleichbar mit dem Photon im sichtbaren Bereich des Spektrums.

α-Strahlung

β-Strahlung

γ-Strahlung

Antineutrino γ -Strahlung

Elektron

α -Teilchen Die Strahlung besteht aus doppelt positiv geladenen Heliumkernen (α-Teilchen).

Die Strahlung besteht aus negativ geladenen Elektronen (β–-Strahlung) oder positiv geladenen Positronen (β+-Strahlung).

Die Strahlung ist eine sehr energiereiche elektromagnetische Strahlung kleiner Wellenlänge (γ-Quanten).

Beispiel

Beispiel

Beispiel

226 222 Rn + 42 α 88 Ra g 86

} 214 214 Pb g Bi + 0 e + ν​   82

83

–1

30 30 P g Si + 0 e + ν 15

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14

+1

208 208 Pb* g Pb + γ 82

82

Pb* bedeutet: angeregter Atomkern

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Interessantes aus der Physik

475

Nachweis von Kernstrahlung Bei allen Geräten zum Nachweis von Kernstrahlung nutzt man Eigenschaften der Strahlung, insbesondere das Ionisierungsvermögen und das Schwärzen von Filmen. Die allerersten Messungen wurden von P. und M. c u rie mit einem Elektroskop durchgeführt. Gemessen wurde dabei allerdings nicht die Strahlung, sondern die Verringerung der elektrischen Ladung des Elektroskops infolge der Ionisierung von Luft. Mit dem 1928 von H. GeiGer (1882–1945) und W. MÜller (1905–1979) entwickelten Zählrohr kann man nicht nur das Vorhandensein von Kernstrahlung, sondern auch ihre Intensität ermitteln. Den grundsätzlichen Aufbau eines solchen Zählrohrs zeigt Abb. 1. Dringt Kernstrahlung ins Innere, dann geschieht Folgendes: – Aus Gasatomen werden Elektronen herausgeschlagen. Es entsteht durch Stoßionisation eine regelrechte Elektronenlawine und damit im Stromkreis ein Stromstoß. Dieser Stromstoß bewirkt am Widerstand R einen Spannungsstoß. In einem Lautsprecher ist er als Knacken hörbar. – Während des Stromstoßes ist der Widerstand des Zählrohrs klein gegenüber R. Damit liegt an R eine große Teilspannung, am Zählrohr eine kleine. – Durch die kleine Spannung kommen Stoßionisation und Stromfluss im Zählrohr zum Erliegen. In dieser Zeit ist das Zählrohr ca. 10–4 s lang unempfindlich (Totzeit). – Anschließend spricht das Zählrohr wieder an.

zum Verstärker, Lautsprecher, Impulszähler

Rohr mit Gasfüllung +

+ –



– + – +

R + U ≈ 500 V

1 Geiger-Müller-Zählrohr Heute gibt es solche Zählrohre in verschiedenen Bauformen. Beim Filmdosimeter (b Übersicht unten) wird die Schwärzung einer fotografischen Schicht zum Nachweis genutzt. Durch eingebaute metallische Filter lässt sich die Strahlenbelastung abschätzen. Die Spuren von Kernstrahlung lassen sich gut mithilfe von Nebelkammern oder Blasenkammern darstellen. Beide haben heute nur noch historische Bedeutung. Moderne Nachweismöglichkeiten von Kernstrahlung sind Halbleiterdetektoren, bei denen die ionisierende Wirkung der Strahlung genutzt wird. In Szintillationsdetektoren werden die beim Durchtritt von Strahlung entstehenden Photonen verstärkt und registriert.

Nachweismöglichkeiten von Kernstrahlung Filmdosimeter

Zählrohr

Nebelkammer

Bei einer Dosimeterplakette wird ein Film an den Stellen, an denen Kernstrahlung auftrifft, geschwärzt. Der Grad der Schwärzung des Films ist ein Maß für die Strahlenbelastung.

Bei einem Zählrohr wird die ionisierende Wirkung von Kernstrahlung genutzt. Je größer die Intensität der Strahlung ist, desto mehr Impulse werden registriert.

Bei einer Nebelkammer wird die ionisierende Wirkung von Kernstrahlung genutzt. Die Länge der Nebelspur ist ein Maß für die Energie der jeweiligen Strahlung.

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Atom- und Kernphysik

Kernstrahlung kann Stoffe durchdringen und wird dabei teilweise oder vollständig absorbiert. Das Verhältnis des Durchdringungsvermögens von α-, β- und γ-Strahlung beträgt etwa 1 : 100 : 10 000.

Die Dicke eines Stoffs, bei der gerade 50 % der Strahlung hindurchtreten, bezeichnet man als Halbwertsdicke. Sie beträgt für die γ-Strahlung eines Co-Strahlers bei Blei etwa 13 mm. Für γ-Strahlung anderer Energie hat die Halbwertsdicke einen anderen Wert.

Beachten Sie: Bei Messungen mit einem Zählrohr ist immer der Nulleffekt zu berücksichtigen, also die Strahlung, die ohne Strahlungsquelle in der Umgebung vorhanden ist.

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Das Durchdringungsvermögen von Kernstrahlung ist abhängig – von der Art der Strahlung, – von der Energie der Strahlung, – von der Art des durchstrahlten Stoffs, – von der Dicke des durchstrahlten Stoffs. Das Durchdringungsvermögen von α-Strahlung ist am kleinsten, das von γ-Strahlung am größten. Das Absorptionsvermögen eines Stoffs für Kernstrahlung hängt von den gleichen Faktoren wie das Durchdringungsvermögen ab. Papier

Aluminium (3 mm)

Blei (13 mm)

α-Strahlung β-Strahlung γ-Strahlung (50 %)

Für experimentelle Untersuchungen eignen sich eine Strahlungsquelle und ein Zählrohr. Bringt man zwischen die Strahlungsquelle und das Zählrohr verschiedene Stoffe, so kann man herausfinden, um welche Art der Strahlung es sich handeln könnte. Darüber hinaus lässt sich mit einer solchen Anordnung auch das Absorptionsvermögen von Stoffen untersuchen. Für einen γ-Strahler wird untersucht, wie die Strahlung durch Blei bgeschirmt wird. a Schichtdicke in mm

Impulse/min

0

600

5

460

10

340

15

270

20

205

25

150

Impulse/min 600 400 200 0 0

5

10

Schichtdicke in mm

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Physik des Atomkerns

477

In der Regel breitet sich Kernstrahlung von einer Strahlungsquelle ausgehend geradlinig aus. Bewegt sich aber die Strahlung senkrecht zu den Feldlinien durch ein elektrisches oder ein magnetisches Feld, dann gilt: α- und β-Strahlung wird durch elektrische und magnetische Felder abgelenkt, γ-Strahlung dagegen nicht.

Ablenkung von Kernstrahlung im elektrischen Feld +

Die Wirkung der Gewichtskraft auf die Teilchen ist vernachlässigbar.

im magnetischen Feld β–

β–

γ

γ α –

β+ β+

α

Die Richtung der Ablenkung im magnetischen Feld ergibt sich aus der Feldrichtung und der Ladung der Teilchen. Beim magnetischen Feld erhält man die Richtung der Ablenkung mithilfe der Rechte-Hand-Regel (b S. 302). Der Daumen der rechten Hand zeigt in v Bewegungsrichtung positiv geladener Teilchen (bei Elektronen gegen die Bewegungsrichtung), der Zeigefinger in Richtung des Magnetfelds und der Mittelfinger B in Ablenkrichtung. Die Ablenkung von α- und β-Strahlung in elektrischen und magnetischen Feldern F kann man beispielsweise dazu nutzen, um die Art der Strahlung, die von der Strahlungsquelle ausgeht, zu bestimmen. Dazu wird die unten abgebildete Anordnung genutzt. Zunächst wird bei Mittelstellung des Zählrohrs die Zählrate ohne Magnetfeld bestimmt. Anschließend wird das Magnetfeld zwischen Strahlungsquelle und Zählrohr gebracht. Ändert sich die Zählrate nicht, liegt γ-Strahlung vor. Bei α- oder β-Strahlung verschiebt sich das Maximum der Zählrate nach hinten oder nach vorn. Strahlungsquelle

N

S

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Zählrohr Nicht eindeutig unterscheidbar sind bei dieser Versuchsanordnung α- und β+-Strahlung.

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Atom- und Kernphysik

In der Natur gibt es auch Radio nuklide außerhalb der Zerfallsreihen, z. B. Kalium-40 oder Rubidium-87.

Aus der Kernladungszahl ergibt sich das jeweilige Element (PSE nutzen!).

Natürliche Zerfallsreihen Natürliche Radioaktivität gibt es seit Millionen Jahren. Dabei zeigt sich: Bei vielen in der Natur vorkommenden Radio nukliden sind die entstehenden Folgekerne ebenfalls wieder radioaktiv. Es existieren ganze Zerfallsreihen, die bei einem bestimmten Nuklid beginnen und letztlich bei einem stabilen Nuklid enden. Als Beispiel ist nachfolgend die Uran-Radium-Reihe dargestellt, die bei U-238 beginnt und die bei dem stabilen Bleinuklid Pb-206 endet. Massenzahl A 238

9 a · 10 4,5 1,2 min

234

24,1 d

230

4

Uran-Radium-Reihe

226

16

222

00

a

a

2,7

5

· 10

a

Radium-226

2d

218

3,8

min

5 3,0 19,7 min

214 210

8,3

· 10

α-Zerfall β-Zerfall

26,8 min

5,0 d

1,3 min 22 d

206

206

80

140

15

–4

· 10

a

d

Pb

82

Kernladungszahl Z 84

86

88

90

92

Eine Änderung der Massenzahl bei radioaktiven Zerfällen tritt nur bei α-Zerfällen auf. β-Zerfall bewirkt nur eine Änderung der Kernladungszahl. Beim α-Zerfall ändert sich die Massenzahl um – 4. Daher sind, ausgehend vom jeweils schwersten Kern, nur vier Zerfallsreihen möglich. Es handelt sich um die der Elemente mit den Massenzahlen A = 4 n, A = 4 n – 1, A = 4 n – 2 und A = 4 n – 3 mit n = 1, 2 ... In der Übersicht unten sind alle vier Zerfallsreihen dargestellt. In der Natur existieren zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht nur einzelne Nuklide der Zerfallsreihen, sondern aufgrund des Alters der Erde viele dieser Nuklide. Als Beispiel sei das Radium-226 genannt (im Diagramm oben rot markiert). Es handelt sich um ein Radionuklid mit einer Halbwertszeit von ca.  1 600 Jahren. Durch α-Zerfall entsteht aus ihm das Radionuklid 222 Rn, also ein Edelgas, das seinerseits zerfällt. 86 In der Natur beobachtet man heute nur drei Zerfallsreihen. Die Neptunium-Reihe spielt aufgrund ihrer relativ kurzen Halbwertszeit keine Rolle mehr.

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Zerfallsreihe

Ausgangsnuklid

Endnuklid

Halbwertszeit der Zerfallsreihe

Thorium-Reihe

Th-232 (A = 4 n)

Pb-208

1,40 · 1010 a

Uran-Radium-Reihe

U-238

(A = 4 n – 2)

Pb-206

4,51 · 109 a

Uran-Actinium-Reihe

U-235

(A = 4 n – 1)

Pb-207

7,13 · 108 a

Neptunium-Reihe

Pu-241 (A = 4 n – 3)

Bi-209

2,40 · 106 a

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Physik des Atomkerns

Die Nuklidkarte In der Kernphysik ist es üblich, die existierenden stabilen und instabilen Nuklide in einer Nuklidkarte zusammenzufassen. Dazu wählt man in der Regel ein N-Z-Diagramm: Horizontal wird die Anzahl der Neutronen N und vertikal die Anzahl der Protonen Z (Ordnungszahl im Periodensystem der Elemente) aufgetragen. Ein Ausschnitt aus einer solchen Nuklidkarte für leichte Elemente ist unten angegeben.

479

Nuklidkarten in unterschiedlicher Gestaltung sind im Internet zu finden.

Anzahl der Protonen Z

Bei instabilen Nukliden sind meist die Halbwertszeit und die Art des radioaktiven Zerfalls genannt. Das wird auch durch Farben kenntlich gemacht. Für die drei radioaktiven Zerfallsarten ergibt sich in dieser Darstelβ– Ausgangslung: nuklid Beim α-Zerfall verringern sich die Neutronenzahl und die Protonenzahl um jeweils 2. Beim β-Zerfall nimmt die Protonenβ+ zahl um 1 zu oder ab, während die Neutronenzahl um 1 ab- oder zuα nimmt. Bei γ-Strahlung verändert sich die Anzahl der Protonen und NeutroAnzahl der Neutronen N nen nicht. Im Ausschnitt der Nuklidkarte sind einige β-Zerfälle mit Pfeilen markiert. F

instabiles Nuklid

18,998

9

F 17

F 18

64,8 s

109,7 min

β+: 1,7

Fr 224 3,3 min γ: 0,216 β–: 2,6

O

Symbol, Nukleonenzahl Halbwertszeit T 1/2 Energie der Strahlung in MeV (nur häufigste Werte)

8

15,999

O 13

O 14

8,58 ms

70,59 s γ: 2,313 β+: 1,8

β+: 16,7

N

7 C

12,001

6

C 9 126,5 ms β+: 15,5

B

10,811

5

14,007

N 12 11,0 ms γ: 4,439 β+: 16,4

C 10 19,3 s γ: 0,178 β+: 1,9

B 8

N 13

(Ordnungszahl)

Anzahl der Protonen Z

9,012

C 12 98,90

20,38 min

Li

B 11

19,9

80,1

3

7,5

Be 9 100

2

He 3

He 4

0,00014

99,99986

1

H 1

99,985

92,5

Li 8

Li 9

840 ms

178 ms

H 3

0,015

3

N 15

99,634

0,366

C 13 1,10

B 12

He 8

807 ms

119 ms γ: 0,981 β–: 9,7

4

5

0,200

13,8 s γ: 21,125 β–: 11,5

4,16 s γ: 0,351 β–: 5,3

O 19

O 20

27,1 s γ: 0,197 β–: 3,3

13,5 s γ: 1,057 β–: 2,8

N 16

N 17

N 18

N 19

7,13 s γ: 6,129 β–: 4,3

4,17 s γ: 0,871 β–: 3,2

0,63 s γ: 1,987 β–: 9,4

329 ms γ: 0,096 β–

C 14

C 15

C 16

C 17

C 18

2,45 s γ: 5,298 β–: 4,5

0,747 s

193 ms γ: 1,375 β–

92 ms γ: 2,614 β–

β–: 4,7

B 14

B 17 5,1 ms β–

Be 14

23,6 ms

11

12

4,35 ms

–: 11,7

Li 11

B 15 10,4 ms β–

Be 12 β

F 21

11,0 s γ: 1,634 β–: 5,4

5 730 a

B 13

Be 11

β

9



10

8,5 ms γ: 3,368 β–: 18,5

β–: 13,6

He 6

O 18

0,038

F 20

7

8

6

12,323 a β

0

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H 2

1,6 ∙ 106 a β

Li 7

β–: 3,5

H

1,008

Be 10 –: 0,6

β–: 12,5

He

4,003

O 17

20,20 ms 17,33 ms 13,8 ms γ: 4,439 γ: 3,684 γ: 6,090 β–: 13,4 β–: 13,4 β–: 14,0

Be 7

Li 6

N 14

β–: 0,2

B 10

β+: 0,6

β+: 1,7

β+: 1,0

53,29 d ε γ: 0,478 6,941

99,762

β+: 1,2

C 11

β+: 14,1

4

O 16

100

2,03 min

9,96 min

770 ms

Be

O 15

F 19

1

–: 0,02

2

Anzahl der Neutronen N

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480

Atom- und Kernphysik

Gesetze des radioaktiven Zerfalls Ist zu einem Zeitpunkt eine An- N Anzahl der Atomkerne 0 des radioaktiven Stoffs zahl N0 von Atomen eines radioaktiven Stoffs vorhanden, so wandelt sich in einer bestimmten Zeit die Hälfte der Atomkerne um. N0 In der gleichen Zeit zerfällt dann } 2 die Hälfte der Hälfte usw. N0 Diese Zeit wird als Halbwertszeit } 4 bezeichnet. Jedes radioaktive N}0 8 Nuklid hat eine charakteristische 0 3·T1/2 0 1·T1/2 2·T1/2 Halbwertszeit. Die Halbwertszeit von Radionukliden schwankt zwischen Bruchteilen von Sekunden und einigen Milliarden Jahren.

Für t = T1/2 ist N0 =  } 21  N. Damit ergibt sich: In 2 λ = }  bzw. T 1/2

In 2 ​ ​  T1/2 = } λ Beachten Sie: Das Zerfallsgesetz ist ein stochastisches Gesetz. Es macht eine Aussage über eine große Anzahl von Atomkernen, aber keine Aussage über einen bestimmten einzelnen Atomkern.

t

Die Halbwertszeit gibt an, in welcher Zeit jeweils die Hälfte der vorhandenen instabilen Atomkerne zerfällt. Formelzeichen: T1/2 Einheit: eine Sekunde (1 s) Für die zeitliche Abnahme der Anzahl der Ausgangsatome kann man ein Gesetz angeben, das als Zerfallsgesetz bezeichnet wird. Sind in einer Probe anfänglich N0 instabile Atomkerne vorhanden, dann befinden sich nach einer bestimmten Zeit t nur noch N Atome dieser Sorte in der Probe. Die übrigen sind umgewandelt. Es gilt: N = N0 · e–λ · t

N N 0 λ t

Anzahl der nicht zerfallenen Atomkerne einer Sorte Anzahl der ursprünglich vorhandenen Atomkerne einer Sorte Zerfallskonstante Zeit

Die Aktivität einer Strahlungsquelle Strahlungsquellen können mehr oder weniger radioaktive Strahlung in der Zeiteinheit abgeben. Das wird durch die Größe Aktivität A einer Strahlungsquelle erfasst. Die Aktivität A einer Strahlungsquelle gibt an, wie viele Kerne ∆N in der Zeit ∆t zerfallen und dabei Strahlung abgeben. A = – } ∆N ​​ ​ = A0 · e–λ​·​t = λ · N ∆t Aus der Gleichung oben ergibt sich als Einheit der Aktivität } 1s .  Diese Einheit wird ein Becquerel (1 Bq) genannt. Beachten Sie: Die Einheit } 1s   ist auch die Einheit für die Frequenz und wird dort ein Hertz genannt.

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Physik des Atomkerns

In einem Gramm Radium sind N = 2,65 · 1021 Atome vorhanden. Die Halbwertszeit des Radiums-226 beträgt 1 600 Jahre. a)​Berechnen​ Sie​ die​ Zerfallskonstante​ und​ geben​ Sie​ für​ die​ berechnete​Größe​eine​physikalische​Deutung. b)​Wie​ viele​ Atomkerne​ zerfallen​ in​ einer​ Sekunde​ in​ einem​ Gramm​ Radium?

481

Radium zählt zu den stark strahlenden Stoffen.

Analyse: Zur Lösung von Teilaufgabe a) ist das Zerfallsgesetz N = N0 · e–λ​·​t anzuwenden. Damit man die Zerfallskonstante λ berechnen kann, muss man für N und t eine Annahme machen. Eine zweckmäßige Annahme wäre: Für die Zeit t = T1/2 ist N = } 12   · N0. Damit kann die Zerfallskonstante λ berechnet werden. Gesucht: λ Gegeben: t = T1/2 = 1 600 a N = }12  · N0 Lösung: Durch Einsetzen der gegebenen Werte in die Gleichung erhält man: }12  N0 = N0 · e–λ · T 1/2 und damit vereinfacht:

1/2 }12   = e–λ · T

Durch Logarithmieren ergibt sich: ln }12   = –λ · T1/2 ​

  λ = } ln 2 T



ln 2   = 4,33 · 10– 4 } 1a   λ = } 1 600 a



1s   λ = 1,37 · 10–11 }

ln } 12  = – ln 2

1/2

Ergebnis: Die Zerfallskonstante für Radium beträgt 1,37 · 10–11 } 1s .  Die Zerfallskonstante gibt an, wie schnell die Intensität der Strahlung einer radioaktiven Substanz abnimmt. Sie kann auch als Wahrscheinlichkeit gedeutet werden, mit der von N vorhandenen Kernen einer je Zeiteinheit zerfällt.

Ein kleiner Wert von λ bedeutet: Die Intensität der Strahlung nimmt langsamer ab.

Die Lösung von Teilaufgabe b) ergibt sich aus der Interpretation der Zerfallskonstanten: 1 g Radium enthält N = 2,65 · 1021 Atome. Demzufolge zerfallen in jeder Sekunde: N · λ · 1 s = 2,65 · 1021 Atomkerne · 1,37 · 10–11 } 1s  · 1 s

= 3,63 · 1010 Atomkerne

In einer Sekunde zerfallen in 1 g Radium 3,63 · 1010 Atomkerne.

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482

Atom- und Kernphysik

Die von dem amerikanischen Physiker W illard F rank l iBBy (1908 bis 1980) entwickelte Methode wird auch als Radiokohlenstoffmethode oder Radiokarbonmethode bezeichnet. l iBBy erhielt dafür 1960 den Nobelpreis für Chemie. Weitere Methoden der Altersbestimmung sind die Tritium methode und die Bleimethode. Auch solche Nuklide wie Kalium-40 und Rubidium-87 werden zur Altersbestimmung genutzt.

Bei der abgebildeten Mumie aus Peru ergab sich ein Alter von ca. 1 000 Jahren.

Altersbestimmung mit Radionukliden Das Alter von Gesteinen, archäologischen Funden und anderen Objekten lässt sich auf der Grundlage der in ihnen enthaltenen Radionuklide, deren Zerfallsprodukten oder der Isotopenzusammensetzung ermitteln. Die bekannteste Methode radioaktiver Zeitmessung ist die C-14-Methode. Mit der C-14-Methode kann man das Alter organischer Überreste bestimmen. Die Grundlagen für diese Methode bestehen in Folgendem: – Der radioaktive Kohlenstoff-14 entsteht in der Luft durch Kernumwandlung von Stickstoff infolge des ständigen „Beschusses“ mit Neutronen der Höhenstrahlung. – Man kann davon ausgehen, dass dieser Prozess seit Jahrtausenden vor sich geht und der Anteil an C-14-Isotopen in der Atmosphäre weitgehend gleich war und ist. – Alle Pflanzen nehmen bei der Assimilation das radioaktive C-14 und das nicht radioaktive C-12 auf. Pflanzen werden von Tieren gefressen. Menschen essen Pflanzen und Tiere. In allen Lebewesen gibt es dadurch ein festes Verhältnis von C-14 und C-12. – Mit dem Tod eines Lebewesens oder einer Pflanze hört die Aufnahme von Kohlenstoff auf. Der Anteil von C-14 am Kohlenstoff des toten Materials nimmt mit einer Halbwertszeit von 5 730 Jahren ab. Aus dem Mengenverhältnis von C-14 und C-12 kann auf das Alter eines Fundes geschlossen werden. Beim Fund einer ägyptischen Mumie beträgt der C-14-Anteil nur noch die Hälfte des heutigen Anteils. Daraus folgt: Es muss einmal die Halbwertszeit vergangen sein, also: 1 · 5 730 Jahre = 5 730 Jahre. Die C-14-Methode bringt nur für Funde mit einem Alter von bis etwa 20 000 Jahre eine relativ gute Genauigkeit mit einem durchschnittlichen Fehler von 1 %. Das Alter anorganischer Stoffe, z. B. von Gesteinen, lässt sich mit der UranBlei-Methode abschätzen. Grundlage dieser Methode ist die Uran-RadiumZerfallsreihe (b S. 478). Geht man davon aus, dass ursprünglich nur Uran in einem Mineral eingelagert wurde, dann kann man aus dem Verhältnis von U-238 zu Pb-208 das Alter berechnen, denn die Halbwertszeit für die gesamte Reihe ist bekannt.

Das Alter der Erde wird mit etwa 4,5 Milliarden Jahren angenommen.

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Auf diese Weise ist es gelungen, das Alter von Meteoriten, also aus dem Weltall stammenden Himmelskörpern, abzuschätzen. Es ergeben sich Werte von 4,5 Milliarden Jahren. Das entspricht dem Alter der ältesten Gesteine auf der Erde.

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Physik des Atomkerns

Anwendungen von Radionukliden in Wissenschaft und Technik Radionuklide finden heute vielfältige Anwendungen, wobei sich die meisten dieser Anwendungen in drei prinzipielle Verfahren einordnen lassen: das Durchstrahlungsverfahren, das Bestrahlungsverfahren und das Markierungsverfahren. Das Prinzip des Durchstrahlungsverfahrens besteht darin, dass Werkstücke (Stahlwände, Folien, Schweißnähte) durchstrahlt werden und die hindurchgelassene Strahlenintensität gemessen wird. Sind Einschlüsse in einem Werkstück vorhanden oder verändert sich die Dicke von Folien, so verändert sich die absorbierte Strahlung und damit die beim Strahlungsempfänger ankommende Strahlung.

483

Bei allen Anwendungen mit Kernstrahlung ist zu beachten, dass diese Strahlung Lebewesen schädigen kann und deshalb stets die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen.

Strahlungsquelle Werkstück

Strahlungsempfänger

Das Durchstrahlungsverfahren wird z. B. genutzt – zu Dickenmessungen (Folien- und Papierherstellung, b Abb. oben), – zu Füllstandsmessungen (Bestimmung des Füllstandes von Behältern), – zur Überprüfung der Qualität von Schweißnähten und massiven Werkstücken. Beim Bestrahlungsverfahren werden Stoffe Kernstrahlung ausgesetzt. Sie ruft in den Stoffen chemische, biologische oder physikalische Änderungen hervor. So wird z. B. durch Kernstrahlung die Keimung von Kartoffeln oder Zwiebeln verhindert und damit deren Lagerfähigkeit erheblich verbessert. In der Tumorbehandlung wird das Bestrahlungsverfahren angewendet, um Krebszellen abzutöten. Die Reißfestigkeit dünner Folien wird durch Bestrahlung deutlich erhöht.

Strahlungsquelle

Beim Markierungsverfahren werden Radionuklide genutzt, um den Weg von Stoffen im menschlichen Körper, bei Pflanzen und Tieren, in Rohrleitungen oder im Erdboden zu verfolgen. Zur Untersuchung der Schilddrüse wird radioaktives Iod injiziert. Iod reichert sich besonders stark in der Schilddrüse an. Die Stärke der registrierten Kernstrahlung lässt Rückschlüsse auf die Iodkonzentration in der Schilddrüse und auf mögliche krankhafte Veränderungen zu. Das Verfahren wird als Szintigrafie bezeichnet. In der Technik können mithilfe des Verfahrens Dichtheitsprüfungen und Strömungsmessungen durchgeführt werden.

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484

Atom- und Kernphysik

Strahlenbelastung und Strahlenschutz Wir alle sind ständig den unterschiedlichsten Strahlungen ausgesetzt: den bei Handys, Rundfunk und Fernsehen genutzten elektromagnetischen Wellen, den verschiedenen Strahlungen der Sonne, der Röntgenstrahlung bei einer ärztlichen Untersuchung, Kernstrahlung durch natürliche oder künstliche Radioaktivität. Achtung! Ionisierende Strahlung

Wir betrachten nachfolgend nur diese Art der Strahlenbelastung.

Problematisch sind die Arten von Strahlung, die nachweislich Körperzellen schädigen können. Das sind alle Arten von ionisierender Strahlung. Dazu gehören neben den drei Arten Kernstrahlung die Röntgenstrahlung und die kurzwellige UV-Strahlung. Eine biologisch wirksame Strahlenbelastung kann durch ionisierende Strahlung (Kernstrahlung, Röntgenstrahlung, kurzwelliges UV, Teilchenstrahlung) hervorgerufen werden.

Um die Wirkung ionisierender Strahlung auf Körper bzw. Lebewesen genauer zu erfassen, nutzt man die Größen Energiedosis und Äquivalentdosis. Wie diese Größen definiert sind, ist in der nachfolgenden Übersicht angegeben.

Q ist ein Qualitätsfaktor. Für Kernstrahlung sind die Werte unten in der Tabelle angegeben. Für andere Strahlungsarten gilt:

Energiedosis D

Äquivalentdosis H

Die Energiedosis gibt an, wie viel Energie E eine bestimmte Masse m eines bestrahlten Stoffs durch die Strahlung aufnimmt.

Die Äquivalentdosis ist ein Maß für die biologische Wirkung ionisierender Strahlung.

E​​​  D = } m

E​​​  · Q H = D · Q = } m

Die Einheit der Energiedosis ist ein Gray (1 Gy): 1 Gy = 1 } J  

Die Einheit der Äquivalentdosis ist ein Sievert (1 Sv). J   1 Sv = 1 }

kg

Röntgenstrahlung: Q = 1 Strahlung aus langsamen Neutronen: Q = 1 ... 5 Strahlung aus Protonen: Q = 5 Strahlung aus schnellen Neutronen: Q = 10 ... 20 Früher wurde dieser Faktor als Bewertungsfaktor bezeichnet.

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kg

γ-Strahlung

1J

1J

1 kg

1 kg

1 kg

Benannt ist die Einheit nach dem Benannt ist die Einheit nach dem englischen Physiker l OuiS H arOld G ray schwedischen Strahlenforscher (1905–1965). r OlF S ieVert (1898–1966). Eine Energiedosis von ca. 6 Gy führt als Der Qualitätsfaktor Q hängt von der Ganzkörperbestrahlung zum Tod eines Art der Kernstrahlung ab: Menschen. α-Strahlung: Q = 20 β-Strahlung: Q = 1 γ-Strahlung: Q = 1

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Physik des Atomkerns

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Mittlere Strahlenbelastung in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr Art der Strahlung

Äquivalentdosis

von der Umgebung (Erde) ausgehende terrestrische Strahlung

0,4 mSv/Jahr

kosmische Strahlung Strahlung durch die aufgenommene Nahrung/Luft

0,3 mSv/Jahr

Medizinische Anwendungen einschließlich Röntgenuntersuchungen

1,5 mSv/Jahr

Strahlung durch Kernkraftwerke, Kernwaffenversuche

0,01 mSv/Jahr

Strahlung durch Bildschirm des Fernsehapparats und des Computers

0,02 mSv/Jahr

Gesamtbelastung

≈ 4 mSv/Jahr

1,7 mSv/Jahr

Die durchschnittliche Strahlenbelastung beträgt in Deutschland im Mittel 4 mSv/Jahr. Sie kann aber von Ort zu Ort sehr unterschiedlich sein. So beträgt z. B. die von der Umgebung ausgehende Strahlung (terrestrische Strahlung) in Norddeutschland (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen) ca. 0,15 mSv/Jahr, erreicht im Erzgebirge ca. 1 mSv/Jahr und im Bayerischen Wald 1,5 mSv/Jahr. Ionisierende Strahlung kann Veränderungen an Zellen hervorrufen und bei hoher Dosierung zu Strahlenschäden bis hin zum Tod führen. Bei organischem Gewebe, vor allem bei hoch entwickelten Säugetieren und beim Menschen, können zwei Arten von Strahlenschäden auftreten. Somatische Schäden wirken sich Absorption von ionisierender Strahlung auf den Gesundheitszustand des betreffenden Lebewesens (Menschen) aus. Veränderung in den Zellen Genetische Schäden wirken sich erst bei den Nachkommen aus. Körperzellen Keimzellen Mögliche Schäden sind in der Übersicht rechts dargestellt. Besonders gefährlich ist eine kurzGenetische Somatische zeitige hohe Strahlenbelastung. Schäden: Schäden: Über Schäden durch geringe Strah– Sterilität – Organschäden lenbelastung über einen längeren – Erbkrankheiten – Krebs Zeitraum hinweg liegen keine ein– Missbildungen deutigen Erkenntnisse vor. Ob Strahlenschäden eintreten oder nicht, ist vor allem abhängig von – der Art der Strahlung, der Energiedosis und der Dauer der Einwirkung, – der Empfindlichkeit der bestrahlten Organe. Besonders empfindlich sind Knochenmark, Lymphknoten und Keimzellen.

Eine erhöhte Strahlenbelastung tritt bei Langstreckenflügen und beim Aufenthalt im Gebirge auf. Aktuelle Werte werden von den zuständigen Umweltämtern im Internet veröffentlicht.

Für eine Risikoabschätzung sind deshalb für einzelne Organe bzw. Gewebe Wichtungsfaktoren festgelegt, mit denen die Äquivalentdosis multipliziert wird. Der Wichtungsfaktor beträgt z. B. für Keimzellen 0,25 und für die Schilddrüse 0,03.

Als Grundsatz für den Umgang mit Strahlenquellen gilt: Die ionisierende Strahlung, der man sich aussetzt, sollte so gering wie möglich sein. Es gilt: Abstand! Abschirmung! Aufnahme verhindern!

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Regel in Kurzform: AAA

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486

Atom- und Kernphysik

7.2.3 Das Potenzialtopfmodell Von der Atomhülle wissen wir: Elektronen der Atomhülle können nur iskrete Energiewerte annehmen. Um das quantenphysikalisch zu deuten, d kann das Modell des eindimensionalen Potenzialtopfs genutzt werden (b S. 446 ff.). In analoger Weise lassen sich auch die energetischen Verhältnisse im Atomkern beschreiben. Das Potenzialtopfmodell des Atomkerns Den Zusammenhalt des Atomkerns bestimmt die Kernkraft mit der geringen Reichweite von etwa 10–15 m. Die Bindungsenergie für die Nukleonen ist an allen Stellen im Innern des Kerns gleich. Das energetische Potenzial dieser Kernkraft hat in seinem Ortsverlauf daher ein kasten- oder topfförmiges Aussehen. Man bezeichnet deshalb das betreffende Modell des Atomkerns als Potenzialtopfmodell. Ein experimenteller Beleg für solche Energiezustände sind die diskreten Energien bei γ-Strahlung.

Dabei ist zu beachten, dass Nukleonen in einem Potenzialtopf nur bestimmte Energiezustände einnehmen können. Darüber hinaus ist zwischen Protonen und Neutronen zu unterscheiden, da zwischen den Protonen zusätzlich zur Kernkraft die abstoßende coulombsche Kraft wirkt. Ohne die Wirkung der coulombschen Kraft, also für die Neutronen im Kern, hat der Potenzialtopf tatsächlich einen rechteckigen Verlauf, wie in der folgenden Abbildung dargestellt. Potenzialwall

Beachten Sie: In der Abbildung sind zwei Sachverhalte (Potenzialtopf für Neutronen, Potenzial topf für Protonen) in einer Darstellung erfasst.

Für die Belegung der Energieniveaus gilt wie bei Elektronen der Atomhülle das Pauli-Prinzip (b S. 456). Das bedeutet: Auf jedem Energieniveau befinden sich maximal 2 Protonen bzw. 2 Neutronen.

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E(r)

Epot ~ }1r r

Neutronen

Protonen R-Kernradius 2R

Da die coulombsche Kraft auf die Protonen im Kern der Anziehung durch die Kernkraft entgegenwirkt, ist der Potenzialtopf für die Protonen nicht so tief wie für die Neutronen. Das ist in der Abbildung auf der rechten Seite dargestellt. Außerdem wirkt die coulombsche Kraft auch außerhalb des Kerns noch abstoßend auf die Protonen, was zu einem Potenzialwall für die Protonen führt (b Skizze). Mithilfe des Potenzialtopfmodells kann man folgende Sachverhalte beschreiben bzw. erklären: – Bilden freie Nukleonen einen Atomkern, so gibt jedes Nukleon einen Teil seiner Energie, nämlich die Bindungsenergie, ab. Es hat damit im Atomkern eine negative potenzielle Energie. – Das Modell ermöglicht die Erklärung des Zustandekommens von α-, β- und γ-Strahlung.

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Physik des Atomkerns

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β-Strahlung Bei β-Strahlung handelt es sich entweder um schnell bewegte Elektronen (β–-Strahlung) oder um Positronen (β+-Strahlung). Typische Kernreaktionen sind beispielsweise:

} 30 30 214 214 Pb g Bi + 0 e + ν​ P g Si + 0 e + ν   –1 15 14 +1 82 83

Es ist erkennbar: β-Strahlung entsteht durch Kernumwandlungen. Im Potenzialtopfmodell lässt sich der β-Zerfall so deuten, wie es in den nachfolgenden Skizzen dargestellt ist. E(r)

νE(r)β – ν

β– r

E(r)

νE(r)β + ν

r

β+ r



n g p + e– + }ν​   ​

r

Der Potenzialwall (b Skizze auf S. 486) spielt für diese Vorgänge keine Rolle. Das mit ν​bzw. }ν​   ​ bezeichnete Teilchen ist ein Neutrino bzw. sein Antiteilchen, das Antineutrino.

p g n + e+ + ν

Bei Kernen mit Neutronenüberschuss (b Skizze links) kann sich ein Neutron unter Energieabgabe in ein Proton umwandeln. Zugleich werden ein Elektron und ein Antineutrino ausgesendet. Analog ist das bei Kernen größerer Protonenzahl (b Skizze rechts). Aus einem Proton entsteht unter Aussendung eines Positrons und eines Neutrinos ein Neutron. Aus experimentellen Untersuchungen ergibt sich: Elektronen der β-Strahlung besitzen Energien zwischen null und einem Maximalwert, der bei etwa 1 MeV liegt. Offensichtlich entfällt nicht die gesamte Energiedifferenz auf das Elektron. Die Lösung des Problems war die Annahme, dass beim β-Zerfall ein weiteres Teilchen emittiert wird, das man wegen seiner geringen Masse und dem Fehlen von Ladung als Neutrino bezeichnete. Die beim β-Zerfall frei werdende Energie verteilt sich nach einem Wahrscheinlichkeitsgesetz auf die beiden emittierten Teilchen. Durch Betastrahlung wandeln sich so lange Protonen in Neutronen um oder umgekehrt, bis die Niveaus der Protonen und der Neutronen zu der gleichen Energie aufgefüllt sind. Diese Energie wird als Fermienergie bezeichnet. Ein Kern, bei dem alle Energiezustände genau bis zur Fermienergie besetzt sind, ist stabil.

Die Energie des Kerns verringert sich, seine Zusammensetzung verändert sich. Das ist ein Widerspruch zu den diskreten Energiewerten der beteiligten Atomkerne im Ausgangs- und Endzustand.

Das Neutrino wurde erst 1956 experimentell nachgewiesen.

Potenzialwall E(r)

r Fermienergie

Neutronen

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Protonen

Da der Potenzialtopf für die Neutronen tiefer ist als der für die Protonen (b S. 486), enthalten stabile Kerne mehr Neutronen als Protonen.

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488

Atom- und Kernphysik

γ-Strahlung γ-Strahlung ist eine energiereiche elektromagnetische Strahlung kleiner Wellenlänge. Die Abstrahlung erfolgt in Form von γ-Quanten. Eine typische Kernreaktion ist beispielsweise: 208 208 Pb* g Pb + γ 82 82

208 Pb* bedeutet: 82

Es handelt sich um einen angeregten Atomkern.

Aus der Reaktionsgleichung ist erkennbar: γ –Strahlung hat mit Vorgängen im Atomkern zu tun, ohne dass eine Kernumwandlung erfolgt. Allerdings verändert sich der energetische Zustand des Kerns. Im Potenzialtopfmodell lässt sich die Entstehung von γ-Strahlung so deuten: Ist ein Proton in einem Energiezustand, der oberhalb der FermienerNach einem α- oder β-Zerfall liegt ein gie liegt, dann kann es, falls ein niedrigerer Protonenzustand noch unAtomkern häufig besetzt ist, unter Abgabe von Energie in den E(r) zunächst in einem niedrigeren Zustand übergehen. Die Energie 2 500 Ereignisse Zustand höherer wird der Kern in Form von γ-Quanten abgeben. Energie vor. Der Da die Energien der möglichen ProtonenzuFermi2 000 Übergang in den energie stände für den Atomkern jedes Elements genau Grundzustand findet festliegen, können nur γ-Quanten mit bestimmdann unter Abstrah1 500 ter Energie abgestrahlt werden. lung eines γ-Quants Die Energie der γ-Quanten ist, ähnlich wie die statt. Spektrallinien im optischen Bereich, charakteris1 000 tisch für das jeweilige Nuklid. Die Energie von 500 γ-Quanten liegt meist in einer 0 Größenordnung von 0 1 MeV.

γ-Quanten haben nicht beliebige, sondern für das jeweilige Nuklid charakteristische Energien. Kanal 1 000

2 000

3 000

4 000

5 000

6 000

7 000

Das nutzt man in der Gammaspektroskopie. Sie ist eine wichtige Methode zur Untersuchung radioaktiver Substanzen, beispielsweise radioaktiver Abfälle, um deren Herkunft ermitteln zu können oder um über deren Behandlung entscheiden zu können. Bei der Messung der energiereichen Strahlung verwendet man meist Halbleiterdetektoren, in denen jedes γ-Quant abhängig von seiner Energie unterschiedliche Mengen an Ladungsträgern freisetzt.

Dargestellt ist ein γ-Emissionsspektrum von Co-60. Die Energie der γ-Quanten beträgt 1,17 MeV bzw. 1,33 MeV.

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Um ein Spektrum, wie das abgebildete Spektrum von Cobalt-60, zu erhalten, sortiert man die registrierten Quanten entsprechend der Anzahl der freigesetzten Ladungsträger Ereignisse in Kanäle. Anschließend trägt 2 500 man die Anzahl der r egistrierten 2 000 Quanten als Funktion der Kanalnummer auf, so wie es das Dia1 500 gramm zeigt. Eine Zuordnung 1 000 der Kanalnummer zu der Energie der Quanten erfolgt mithilfe 500 Kanal der Gammastrahlung bekannter 0 0 2 000 4 000 6 000 Nuklide.

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Physik des Atomkerns

489

α-Strahlung Bei α-Strahlung handelt es sich um eine Teilchenstrahlung aus doppelt positiv geladenen Heliumkernen, die auch als α-Teilchen bezeichnet werden. Eine mögliche Kernreaktion ist folgende: 226 222 Ra g Rn + 42 α 88 86

Aus dieser Reaktionsgleichung ist erkennbar: α-Strahlung entsteht bei iner Kernumwandlung. Im Potenzialtopfmodell des Atomkerns lässt sich e die Entstehung von α-Strahlung so deuten, wie es die folgende Skizze zeigt. E(r)

r Neutronen

Protonen

Zwei Protonen und zwei Neutronen bilden ein α-Teilchen, das unter Nutzung des Tunneleffekts (b S. 451) den Atomkern verlässt. Eine Erklärung dafür, dass schwere Kerne keine einzelnen Nukleonen, sondern α-Teilchen aussenden, geben die energetischen Verhältnisse. In einem schweren Kern liegt die mittlere Bindungsenergie je Nukleon im obersten Energieniveau bei etwa 6 MeV, in einem α-Teilchen bei etwa 7 MeV. Vereinigen sich zwei Protonen und zwei Neutronen eines schweren Kerns zu einem α-Teilchen, so liegt das α-Teilchen energetisch über dem Nullniveau des Potenzialtopfs und kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Potenzialwall durchtunneln, so wie es in der Skizze oben anschaulich dargestellt ist. Die Energie von α-Teilchen liegt in der Größenordnung von 2 bis 5 MeV, bei künstlich erzeugten Nukliden auch über 10 MeV. Zusammenfassend kann man feststellen: Durch Vorgänge im Atomkern entstehen die verschiedenen Arten von Kernstrahlung. Die Entstehung der Strahlung lässt sich mit dem Potenzialtopfmodell des Atomkerns beschreiben und erklären.

Die diskreten Energiewerte ergeben sich durch die für ein Nuklid charakteristischen Energie niveaus im Atomkern.

α-Strahlung (doppelt positiv geladene Heliumkerne) entsteht in schweren Atomkernen und ist mit einer Kernumwandlung verbunden. β-Strahlung (schnell bewegte Elektronen oder Positronen) entsteht bei der Umwandlung von Nukleonen und ist mit einer Kernumwandlung verbunden. γ-Strahlung (γ-Quanten, energiereiche elektromagnetische Strahlung) entsteht, wenn ein angeregter Atomkern in einen energetisch niedrigeren Zustand übergeht.

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490

Atom- und Kernphysik

Die Stabilität von Atomkernen Verschafft man sich anhand einer Nuklidkarte einen Überblick über alle Nuklide, so wird deutlich, dass sie nur in einem begrenzten Bereich existieren. In der hier gewählten Darstellung ist die Position eines Nuklids durch einen Punkt gegeben, dessen Koordinaten durch die Anzahl Z seiner Protonen und die Anzahl N der Neutronen im Kern bestimmt ist. Stabile Nuklide sind schwarz und instabile Nuklide rot eingezeichnet. 100

Protonenzahl Z (Ordnungzahl)

Z=N

80

stabile Nuklide instabile Nuklide

60 40 Die Anzahl der stabilen Nuklide liegt bei etwa 300, die der instabilen Nuklide bei 2 400. Davon kommen nur etwa 50 Radionuklide in der Natur vor.

20 0 0

20

40

60

80

100

120

140

Neutronenzahl N

Aus dieser Darstellung ist erkennbar: – Die Anzahl der instabilen Kerne ist wesentlich größer als die der stabilen Kerne. – Je größer die Ordnungszahl der Elemente im Periodensystem ist, desto mehr vergrößert sich die Anzahl der Neutronen gegenüber der Protonenzahl im Kern. So beträgt z. B. bei Natrium-23 die Protonenzahl Z = 11, die Neutronenzahl demzufolge N = 23 – 11 = 12. Bei Uran-238 beträgt die Protonenzahl 92, die Neutronenzahl dagegen N = 238 – 92 = 146. Atomkerne in angeregten Zuständen sind instabil. Das bedeutet: Sie können sich unter Energieabgabe umwandeln (Abgabe von α- und β-Strahlung) beziehungsweise in einen energetisch niedrigeren Zustand übergehen (Abgabe von γ-Strahlung). Wodurch sind nun aber stabile Atomkerne gekennzeichnet? Eine wichtige Rolle spielt die Anzahl der Protonen bzw. der Neutronen im Kern. Prüft man das systematisch, dann zeigt sich: Bei bestimmter Anzahl von Protonen bzw. Neutronen existieren besonders viele stabile Nuklide. Es handelt sich dabei u. a. um die Zahlen 2, 8, 20, 28, 50 und 82.

Diese Zahlen werden als magische Zahlen bezeichnet.

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Eine Erklärung dafür bietet ein auf quantenphysikalischen Gesetzen beruhendes Kernmodell, das Schalenmodell des Atomkerns. Ähnlich wie bei den Elektronen der Atomhülle existieren für den Atomkern Energieniveaus (Schalen) mit besonders stabilen Zuständen, die durch die oben genannten Zahlen gekennzeichnet sind.

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Physik des Atomkerns

491

7.2.4 Massendefekt und Bindungsenergie Sieht man vom Wasserstoff ab, dann besteht ein Atomkern immer aus mehreren Protonen und Neutronen. Vergleicht man die Summe der Massen der einzelnen Kernbausteine mit der Masse des Atomkerns, dann zeigt sich: Die Masse eines Atomkerns ist stets kleiner als die Summe der Massen seiner Bestandteile. Diesem Massendefekt ∆m entspricht nach der einsteinschen Beziehung E = ∆m​·​c​2 eine Energie E. 2 Protonen und 2 Neutronen

c ist die Vakuumlichtgeschwindigkeit.

Ein Heliumkern besteht aus 2 Protonen und 2 Neutronen. Seine Masse müsste sich demzufolge aus der Masse der Protonen und der Neutronen ergeben zu: 2 mp = 2 · 1,672 62 · 10–27 kg = 3,345 24 · 10–27 kg 2 mn = 2 · 1,674 93 · 10–27 kg = 3,349 86 · 10–27 kg Die Gesamtmasse beträgt demzufolge:

4 He besteht aus 2

Heliumkern

zwei Protonen und zwei Neutronen.

m = 2 mp + 2 mn = 6,695 10 · 10–27 kg Sehr genaue Bestimmungen der Masse von Heliumkernen durch Massenspektroskopie haben aber eine Masse von mHe = 6,644 7 · 10–27 kg ergeben. Die Masse des Heliumkerns ist also um 0,050 4 · 10–27 kg geringer als die Summe der Massen seiner Bestandteile. Diesem Massendefekt entspricht eine Energie von: E = ∆m · c​2

(

)

m2 E = 0,050 4 · 10–27 kg · 3 · 108 }   s

E = 4,536 · 10–12 J

Heliumkern 2 Protonen

Mit 1 eV = 1,602 · 10–19 J erhält und 2 Neutronen man: E = 4,536 · 10–12 J = 28 MeV

Der Massendefekt beträgt bei Helium ca. 0,8 % der Ausgangsmasse.

Der beschriebene Zusammenhang zwischen den Massen der Kernbestandteile und der Masse des Atomkerns gilt für beliebige Kerne. Für den Massendefekt ∆m eines Atomkerns gilt: ∆m​=​m – (Z​·​mp​+​N​·​mn) < 0 m Masse des Atomkerns Z Anzahl der Protonen N Anzahl der Neutronen

mp​ Masse eines Protons mn Masse eines Neutrons

Z ist zugleich die Ordnungszahl im Periodensystem der Elemente (PSE), N ergibt sich als Differenz aus Massenzahl A und Z: N = A – Z

Die Energie, die sich aus diesem Massendefekt ergibt, ist die Bindungsenergie des Atomkerns. Sie ist für verschiedene Elemente unterschiedlich.

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492

Atom- und Kernphysik

Trägt man die Bindungsenergie EB je Nukleon gegen die Nukleonenzahl (Massenzahl) A auf, so erhält man das nebenstehende Diagramm. Beim Bilden eines Atomkerns wird die Bindungs energie abgegeben.

0

50

100

150

200

0 2

2

H Energie je Nukleon, um den Kern in seine Bestandteile zu zerlegen

Kernfusion

4

Kernspaltung

6 8

Massenzahl A

4

235

He 56

Fe

142

U

Ba

EB in MeV A

Um die Bindungsenergie für die Atomkerne verschiedener Elemente miteinander vergleichen zu können, gibt man meist die mittlere Bindungsenergie je Nukleon an. Für einen Heliumkern beträgt die Bindungsenergie 28 MeV (b S. 491). Da im Kern vier Nukleonen (2 Protonen, 2 Neutronen) vorhanden sind, beträgt die mittlere Bindungsenergie je Nukleon 28 MeV : 4 = 7 MeV. Die mittlere Bindungsenergie je Nukleon ergibt sich aus der Bindungsenergie des Atomkerns und der Massenzahl A.

Kräfte auf ein Nukleon im Innern des Atomkerns

Kräfte auf ein Nukleon an der Oberfläche des Atomkerns

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Im Diagramm oben ist ein charakteristischer Verlauf erkennbar. Bei leichten Elementen ist die mittlere Bindungsenergie je Nukleon klein, steigt dann aber schnell an. Sie erreicht bei Eisen, Cobalt und Nickel ein Maximum und wird dann in Richtung schwerer Elemente wieder kleiner. Mit dem Tröpfchenmodell (b S. 471) lässt sich das so deuten: Den wesentlichen Beitrag zur Bindungsenergie macht die potenzielle Energie aufgrund der Kernkraft aus. Aufgrund der extrem kurzen Reichweite der Kernkraft liefern nur unmittelbar benachbarte Nukleonen einen Beitrag zur Bindungsenergie. Die potenzielle Energie eines Nukleons hängt also von der Anzahl der direkt benachbarten Nukleonen ab. Sie ist für alle im Inneren des Kerns befindlichen Nukleonen praktisch gleich groß. Nukleonen an der Oberfläche des Kerns haben dagegen eine geringere Bindungsenergie, da sie weniger direkt benachbarte Nukleonen haben. Das bedeutet: Bei niedriger Kernladungszahl (Wasserstoff, Helium) sind nur wenige Nukleonen im Atomkern. Alle Nukleonen befinden sich an der Oberfläche des Kerns, daher ist die Bindungsenergie je Nukleon entsprechend niedrig. Bei hoher Kernladungszahl befinden sich viele Protonen im Kern. Deren gegenseitige elektrische Abstoßung wirkt der Bindung durch die starke Wechselwirkung entgegen. Daher ist die Bindungsenergie je Nukleon auch für sehr große Kerne (z. B. Uran) gering. Zwischen diesen beiden Extremen existieren Kernladungszahlen, bei denen ein Maximalwert der Bindungsenergie je Nukleon erreicht wird.

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Physik des Atomkerns

493

Aus dem Diagramm auf S. 492 oben ergeben sich zwei grundsätzliche Möglichkeiten, Energie durch Kernprozesse freizusetzen: – Durch Zusammenfügen von leichten Atomkernen oder Teilchen wird Energie freigesetzt. Diesen Prozess, der im Innern von Sternen oder bei der Explosion einer Wasserstoffbombe vor sich geht, heißt Kernfusion. – Ebenso kann man durch Aufspalten schwerer Atomkerne oder durch Abtrennen von Kernteilchen Energie freisetzen. Das geschieht bei natürlichen radioaktiven Zerfällen und bei der Kernspaltung. Berechnungen und experimentelle Untersuchungen zeigen: Energiefreisetzung kann durch Spaltung schwerer Kerne in mittelschwere oder durch Fusion leichter Kerne erfolgen. Als durchschnittliche Energie je Nukleon werden bei der Kernspaltung etwa 1 MeV und bei der Kernfusion etwa 7 MeV freigesetzt.

Wie​viel​Energie​wird​bei​der​Spaltung​eines​Urankerns​zu​zwei​mittelschweren​Kernen​freigesetzt? Analyse: Die freigesetzte Energie ergibt sich aus dem Massendefekt unter Einbeziehung der Gleichung E = m · c​2. Die Massen können einem Tabellenwerk entnommen werden. Eine Reaktionsgleichung lautet:

Uran kann auch in andere Nuklide zerfallen. Bekannt sind über 200 Spaltprodukte des Urans.

144 235 89 1 10 n + U g  92 U g  56 Ba + 36 Kr + 3 · 0 n 92 236

Gesucht: Gegeben:

E Masse von Neutronen und Atommassen (Tabellenwerk)

Lösung: Für die Ausgangsmasse erhält man: mU-235 = 235,043 923 u mn = 1,008 665 u

236,052 588 u

Atommassen werden meist als Vielfache der atomaren Massen einheit u angegeben: u = 1,660 540 · 10–27 kg

Für die Spaltprodukte betragen die Massen: mKr-89 = 88,917 633 u mBa-144 = 143,922 941 u

235,866 569 u

3 mn = 3,025 995 u Die Differenz der Massen beträgt damit: ∆m = 0,186 019 u Damit erhält man für die Energie: E = ∆m · c​2 = 2,776 18 · 10–11 J = 173 MeV

Für die Umrechnung der Energieeinheiten gilt: kg · m2

 = 1 J 1 } 2 s

1 eV = 1,602 · 10–19 J

Ergebnis: Bei der Spaltung eines Urankerns wird eine Energie von etwa 170 MeV freigesetzt.

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494

Atom- und Kernphysik

1945 wurden die ersten Kernspaltungsbomben (Atombomben) fertiggestellt und über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki zur Explosion gebracht.

Die Aufspaltung eines Urankerns in Krypton und Barium wurde 1938 /39 durch O ttO H aHn (1879 –1968), F ritz S traSSMann (1902 bis 1980) und l iSe M eitner (1878 bis 1968) entdeckt und gedeutet.

Das erste Kernkraftwerk der Welt wurde 1954 in Obninsk bei Moskau in Betrieb genommen. In Deutschland waren 2011 insgesamt 17 Kernkraftwerke in Betrieb, die ca. 25 % des Elektroenergiebedarfs erzeugten.

Kernspaltung und ihre Nutzung Die Kernreaktion, die nach ihrer Entdeckung 1938/39 relativ schnell für militärische und später auch für friedliche Zwecke genutzt wurde, ist die Kernspaltung. Unter Kernspaltung versteht man die Zerlegung eines schweren Atomkerns durch Beschuss mit Neutronen in zwei leichtere Atomkerne. Dabei werden Energie und Neutronen freigesetzt.

Wird z. B. Uran-235 mit Neutronen beschossen, so bildet sich Uran-236. Dieses U-236 zerfällt spontan in Bruchteilen einer Sekunde z. B. in Krypton und Barium. Zugleich werden 89 Kr 36 bei dieser Kernspaltung drei Neutronen frei, die ihrerseits den Prozess der Kernspaltung + 3 10 n fortsetzen können, wenn genügend U-235 vorhanden ist. 1 235 236 n U U 0 92 92 So kann die Kernspaltung als 144 Ba Ketten reaktion ablaufen. 56 Die Skizze unten zeigt stark vereinfacht den Aufbau eines Kernkraftwerks mit Druckwasserreaktor. Das Kernstück eines Kernkraftwerks ist der Kernreaktor, in dem eine gesteuerte Kettenreaktion stattfindet. Um sie zu realisieren, muss eine Reihe von Bedingungen vorhanden sein: – Erforderlich ist eine ausreichende Menge an spaltbarem Material. Die mindestens notwendige Masse wird als kritische Masse bezeichnet. – Es müssen Neutronen existieren, die die für die Kernspaltung notwendige Geschwindigkeit haben. Das sind relativ langsame, sogenannte thermische Neutronen. – Die Neutronenzahl und damit die Kettenreaktion muss gesteuert werden. Dazu nutzt man Regelstäbe aus Bor oder Cadmium. Diese Stoffe absorbieren Neutronen.

Betonabschirmung Frischdampf Reaktorgefäß

Wärmetauscher

Regelstäbe

Moderator

Brennelement Pumpe

Speisewasser

Kondensator Pumpe

Vorwärmer

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Generator Turbine Pumpe

Kühlturm

Kühlwasser Speisewasser

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Physik des Atomkerns

Kernfusion und ihr Auftreten Neben der Kernspaltung spielt für die Energiegewinnung in Natur und Technik die Kernfusion eine entscheidende Rolle. Unter Kernfusion versteht man die Verschmelzung leichter Atomkerne zu schwereren. Dabei wird Energie freigesetzt.

495

Gearbeitet wird seit geraumer Zeit an Fusions reaktoren, die eine gesteuerte Kern fusion ermöglichen.

Wie bei der Kernspaltung (b S. 494) hängt die Energiefreisetzung bei der Kernfusion von der mittleren Bindungsenergie je Nukleon ab (b S. 492). Im Durchschnitt wird bei der Fusion von Atomkernen eine Energie von 7 MeV je Nukleon freigesetzt. Kernfusionen vollziehen sich ständig im Innern der Sonne und anderer Sterne. Nachfolgend sind vereinfacht die Prozesse dargestellt, die im Innern der Sonne vor sich gehen. Der Vorgang wird als Heliumsynthese oder als Proton-Proton- Reaktion bezeichnet. Die Sonne setzt ihre Energie durch Fusion von Wasserstoffkernen frei. Von verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten läuft in der Sonne im Wesentlichen die rechts dargestellte Reaktion ab.

1 H 1

1 H 1

1 H 1

1 H 1

1 H 1

2 H 1

E

2 H 1

3 He 2

E

3 He 2

4 He 2

1 H 1

E

Der Massendefekt bei der Sonne beträgt in jeder Sekunde 4,3 Mio. Tonnen. Das entspricht einer Energie von 3,85 · 1026 J.

1 H 1

E 1 H 1

Der gesamte Prozess ist vereinfacht dargestellt. Zunächst verschmelzen je zwei Wasserstoffkerne (Protonen) zu einem Deuteriumkern ( 21 H). Im nächsten Schritt lagert sich ein weiteres Proton an einem Deuteriumkern an. Dadurch entsteht ein Helium-3-Kern. Schließlich verschmelzen zwei Helium-3-Kerne zu einem Helium-4-Kern. Insgesamt wird bei dem Vorgang Wasserstoff verbraucht und Helium gebildet. Als Reaktionsgleichungen lassen sich die Vorgänge so beschreiben: 1 1 H + 1 1 H g 2 1 H + e+ + ν + 1,44 MeV 2 H + 1 H g 3 He + γ + 5,49 MeV 1 1 2











3 He + 32 He g 42 He + 11 H + 11 H + 12,85 MeV 2

Damit überhaupt Kernfusion vor sich geht, müssen ein großer Druck und hohe Temperaturen vorhanden sein. Die Bedingungen sind im Innern der Sonne erfüllt: In ihrem Kern herrschen Temperaturen von etwa 15 Millionen Kelvin und ein Druck von etwa 1016 Pascal. Als Dichte der Materie werden etwa 160 g/cm3 angenommen. Analoge Bedingungen herrschen auch im Innern anderer Sterne und ermöglichen eine Kernfusion.

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e+ bezeichnet ein Positron, ν ein Neutrino und γ ist das Kürzel für Gammastrahlung. Bei dem gesamten Prozess wird eine Energie von etwa 26 MeV freigesetzt.

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Überblick

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Das Wichtigste im Überblick

Physik des Atomkerns Atomkerne – nehmen nur einen geringen Raum im Atom ein, – besitzen fast die gesamte Masse des Atoms und eine große Dichte, – enthalten die gesamte positive Ladung des Atoms.

Neutron

Proton

Kernbausteine (Nukleonen) sind die Protonen und die Neutronen. Protonen

mp = 1,673 · 10–27 kg –19

C

Q = +1,602 · 10 Neutronen

–27

mn = 1,675 · 10 ungeladen

kg

Massenzahl A = Z + N Z​ ​Kernladungszahl (Ordnungszahl im Periodensystem, Anzahl der Protonen) N Anzahl der Neutronen

Unter Radioaktivität versteht man die Erscheinung, dass sich Atomkerne unter Abgabe von Kern strahlung verändern. A – 4 2– α​-Zerfall: AZ ​ X g ​ Y + 42 He 2+ Z – 2

}

β​-Zerfall: AZ ​ X g A ​ Y + + 0 e– + 00 ν​   ​ Z + 1 –1 γ​-Zerfall: AZ ​ X​* g AZ ​ X + 00 γ

X (bzw. X​* beim γ-Zerfall) bezeichnet das Radio nuklid, Y  (bzw. X beim γ-Zerfall) das Zerfallsprodukt.

Für den radioaktiven Zerfall gelten folgende Gesetze: N = N0 · e–λ · t

T1/2 = } In 2 ​   λ

Die Wirkung ionisierender Strahlung auf Lebewesen wird durch die Größen Energiedosis D und Äquivalentdosis H erfasst: E​​​  D = } m

E​​​ · Q H = D​· Q​= } m

Die Masse eines Atomkerns ist stets kleiner als die Summe der Massen seiner Bestandteile. Für diesen Massendefekt gilt: ∆m = m – (Z · mp + N · mn)

EB = ∆m · c​2

Energie kann durch Kernspaltung oder Kernfusion freigesetzt werden. Bei der Kernspaltung wird im Durchschnitt eine Energie von 1 MeV je Nukleon freigesetzt, bei der Kernfusion etwa 7 MeV je Nukleon. Die gesteuerte Kernspaltung wird in Kernkraftwerken genutzt. Kernfusion erfolgt im Innern von Sternen. Dabei können Elemente bis hin zum Eisen fusionieren.

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Aufgaben

Aufgaben 423 874 Dichte des Atomkerns 1. Die Dichte eines Atomkerns ist sehr groß (b S. 471). Welche Masse hätte ein Körper mit der Dichte der Kern materie bei einem Volumen von 1 cm3? Vergleichen Sie diese Massen mit der Masse von 1 cm3 Wasser.

428 444 Kernumwandlung 6. Die erste künstliche Kernumwandlung wurde 1919 von E. r utHerFOrd in einer mit Stickstoff gefüllten Nebelkammer beobachtet. Dem Engländer J. c HadWick gelang 1932 durch Beschuss von Beryllium mit α-Teilchen der experimentelle Nachweis von Neutronen. Geben Sie für beide Kernumwandlungen die Reaktionsgleichungen an. p

425 324 Kernradius 2. Schätzen Sie den Kernradius für die Atomkerne der 56 208 238 12 folgenden Elemente ab: C, Fe, Pb, U. 6 26 82 92 427 904 Kräfte im Atomkern 3. Im Atomkern sind Protonen und Neutronen dicht gepackt. Als Abstand zweier Protonen kann man 10–15 m annehmen. a) Geben Sie an, wie groß für diesen Fall die Anziehungskraft aufgrund der Massen und die Abstoßungskraft aufgrund der Ladungen ist. b) Die starke Wechselwirkung ist um ein Vielfaches stärker als die Gravitationskraft und etwa 100-mal stärker als die Coulombkraft. Begründen Sie damit den Zusammenhalt der Nukleonen im Atomkern. 413 134 Tröpfchenmodell 4. Ein Atomkern ist mit einem Wassertropfen vergleichbar, der aus vielen kleinen Tröpfchen zusammengesetzt ist und dennoch eine charakteristische Form hat. Das entsprechende Modell für den Atomkern wird als Tröpfchenmodell bezeichnet. a) Recherchieren Sie, wodurch die charakteristische Form eines Wassertropfen zustande kommt. b) Kennzeichnen Sie das Tröpfchenmodell des Atomkerns. Nennen Sie dabei auch Analogien zu einem Wassertropfen. c) Erläutern Sie, warum folgender Sachverhalt keinen Widerspruch darstellt: Es ist der coulombschen Kraft zuzuordnen, dass Wasser zur Tropfenbildung neigt. Zwei Wassertropfen dagegen ziehen sich nicht gegenseitig an. Bedenken Sie: Wassermoleküle sind elektrisch neutral. 426 634 Kernkraft 5. Die Kernkraft ist wesentlich stärker als die coulombsche Kraft oder die Gravitationskraft. Begründen Sie, warum die Kernkraft dennoch außerhalb des Atomkerns keine Rolle spielt.

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RUTHERFORD

α N - 14

CHADWICK α Be - 9

γ

422 324 Das Abstandsgesetz 7. Mit einem Zählrohr wird die Intensität der Strahlung einer Quelle in Abhängigkeit vom Abstand von ihr gemessen. Dabei wurden folgende Messwerte aufgenommen: Impulse je Minute

245

86

42

25

23

Abstand in cm

5

10

15

20

25

a) Welcher Zusammenhang ist zwischen der Zählrate und dem Abstand zu erwarten? b) Zeichnen und interpretieren Sie das Diagramm. Welche Folgerungen ergeben sich daraus für den Strahlenschutz? c) Auch wenn die Quelle radioaktiver Strahlung sehr weit entfernt ist, werden am Zählrohr Impulse registriert. Geben Sie eine Erklärung dafür an. 429 394 Nachweis von Kernstrahlung 8. Erstellen Sie eine Präsentation über Geräte, mit denen Sie radioaktive Strahlung nachweisen können.

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Atom- und Kernphysik

428 014 Nebelkammer in Aktion 9. Mit einer einfachen Nebelkammer kann man α- und β-Strahlung nachweisen. Das Foto zeigt eine für schulische Zwecke gedachte Nebelkammer. Darunter sind Skizzen von möglichen Nebelkammerbildern angegeben.

(1) (1)

(2) (2)

a) Erkunden Sie den Aufbau und die Wirkungsweise einer Nebelkammer. Bereiten Sie dazu ein Kurzreferat vor. b) Geben Sie an, um welche Art von Strahlung es sich jeweils handelt. Begründen Sie Ihre Aussagen. 424 634 Ablenkung in Feldern 10. α-Teilchen und Positronen gleicher Geschwindigkeit werden durch ein elektrisches Feld senkrecht zu ihrer Bewegungsrichtung abgelenkt. a) Skizzieren Sie diesen Sachverhalt und charakterisieren Sie Bewegungsart und Bahnform der Teilchen! b) Begründen Sie, weshalb Positronen trotz i hrer kleineren Ladung stärker abgelenkt werden. 427 024 Radium zerfällt 11. Das Radium-Nuklid Ra-226 hat eine Halbwertszeit von 1 600 Jahren. a) Bestimmen Sie, wie viele Kerne je Sekunde bei einem Gramm Radium zerfallen. b) Errechnen Sie die Masse des Radium-Nuklids, die bei 1 g Anfangsmasse nach 100 Jahren noch aktiv, also noch nicht zerfallen ist.

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c) Nach welcher Zeit hat die Aktivität einer bestimmten Menge von Ra-226 auf 10 % abgenommen? 428 164 Aktivität von Quellen 12. Holmium-183 hat eine Halbwertszeit von 7 Tagen, Phosphor-32 dagegen von 14 Tagen. a) Wie verhalten sich die Aktivitäten beider Nuk lide zueinander, wenn die gleiche Anzahl von nicht zerfallenen Atomkernen vorhanden ist? b) In welchem Verhältnis müsste die Anzahl der Atomkerne beider Nuklide stehen, wenn die Aktivitäten gleich sein sollen? 422 974 Aktuelle Aktivität 13. Die Aktivität einer medizinischen Strahlungsquelle mit Cobalt-60 (Halbwertszeit 5,26 Jahre) wurde 1991 zu 370 kBq bestimmt. a) Schätzen Sie ab, ob die Aktivität im Jahre 2012 unter die Freigrenze von 50 kBq abgesunken ist. b) Berechnen Sie die Zeit, in der die Aktivität des Cobalt-60-Strahlers von 370 kBq auf unter 50 kBq absinkt. 423 374 Unbekannte Strahlung 14. Beim Zerfall des radioaktiven Isotops Bi-215 (Halbwertszeit 8,0 Minuten) entsteht eine im Magnetfeld ablenkbare Strahlung (b Skizze). Das Magnetfeld zeigt in die Blattebene hinein. Bi-Strahler

a) Um welche Art von Strahlung handelt es sich? Welcher Kern entsteht durch den Zerfall? Geben Sie die Zerfallsgleichnug an. Bi ist ein Glied einer radioaktiven Zerfallsreihe b) 215 83 und entsteht aus dem Ausgangselement dieser Zerfallsreihe durch fünf α-Zerfälle und einen β–-Zerfall. Bestimmen Sie die Kernladungszahl und die Massenzahl des Ausgangselements. c) Wie viel Prozent einer bestimmten Menge Bi-215 sind nach 64 min noch vorhanden? 423 644 Strahlenbelastung 15. Erstellen Sie eine Präsentation über die natürliche Strahlenbelastung in Deutschland. Vergleichen Sie diese mit der zusätzlichen künstlichen Strahlenbelastung aus Kraftwerken, Medizin usw.

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Aufgaben

423 984 Altersbestimmung 16. Eine Möglichkeit der Bestimmung des Alters organischer Stoffe ist die C-14-Methode. Dabei spielt das Kohlenstoffnuklid C-14 eine wichtige Rolle. a) C-14 entsteht in der Atmosphäre aus dem Stickstoff der Luft durch Beschuss mit Neutronen, die Teil der Höhenstrahlung sind. Geben Sie die EB in MeV Reaktionsgleichung an. b) Bei einer Mumie wurde festgestellt, dass der 8 C-14-Anteil nur noch 25 % des heutigen beträgt. 6 Auf welches Alter der Mumie kann man daraus schließen? Die Halbwertszeit des Kohlenstoff4 nuklids beträgt 5 730 Jahre. 2 17. leichte 425 594 Eine charakteristische Kurve mittelschwere schwere Kerne Kerne Kerne Trägt man die Bindungsenergie E B je Nukleon gegen 0 die Massenzahl A auf, so erhält man eine charakteA 0 50 100 150 200 250 ristische Kurve. 0 2

50

0 leichte Kerne

100 mittelschwere Kerne

150

200

250

A

schwere Kerne

4 6 8

E

B } A in MeV

a) Interpretieren Sie das Diagramm. Erläutern Sie dabei die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten der Energiefreisetzung. b) Berechnen Sie aus den relativen Atommassen den Massendefekt und die Bindungsenergie je Nukleon für Cobalt-60. Dessen relative Atommasse beträgt 59,933 81, die eines Protons 1,007 83 und die eines Neutrons 1,008 67. 427 594 Bindungsenergie 18. Die Bindungsenergie eines Atomkerns wächst mit der Anzahl der Nukleonen in ihm. Stellen Sie diesen Zusammenhang grafisch dar (prinzipieller Verlauf des Graphen). Interpretieren Sie das Diagramm. 421 554 Massendefekt bei Helium 19. α-Teilchen sind doppelt positiv geladene Heliumkerne ( 42 He). Die Masse eines solchen Heliumkerns beträgt 4,001 506 1 u. Berechnen Sie für ein α-Teilchen den Massendefekt und die Kernbindungsenergie. Geben Sie die Energie in J und eV an.

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422 044 Massendefekt bei Eisen 20. Der Atomkern von Eisen-56 hat eine Masse von 56,449 126 u, die Atommasse des Eisens beträgt 55,934 939  u.​ Wie groß sind der Massendefekt und die mittlere Bindungsenergie je Nukleon für dieses Nuklid? 414 534 Potenzialtopfmodell 21. Erläutern Sie anhand des Potenzialtopfmodells für den Atomkern die energetischen Verhältnisse in ihm. 413 144 γ-Spektrum 22. Begründen Sie mithilfe des Potenzialtopfmodells, weshalb das γ-Spektrum eines Nuklids stets ein Linienspektrum ist. 413 284 α-Zerfall 23. Die Bindungsenergien betragen für die Kerne von U-238 1 801,6 MeV, für Th-234 1 777,6 MeV und für He - 4 28,3 MeV. a) Wie groß ist die Reaktionsenergie beim α-Zerfall von U-238? b) Diese Energie verteilt sich auf den emittierten He-Kern und den Kern von Thorium. Bestimmen Sie mithilfe des Energie- und Impulserhaltungssatzes den Anteil dieser Energie, der auf das α-Teilchen entfällt. 416 554 Energieniveauschema 24. Ähnlich wie für die Emission von Licht durch Vorgänge in der Atomhülle kann man auch für die Entstehung von α-, β- und γ-Strahlung durch Vorgänge im Atomkern ein Energieniveauschema angeben. Dabei werden die Kernumwandlungen und die Energieniveaus der Nukleonen im Atomkern berücksichtigt. Nachfolgend ist ein solches Schema für den Zerfall von Caesium-137 angegeben. 137 Cs 55

β–

0,51 MeV

β–

137 Ba* 56

γ

0,66 MeV 137 Ba 56

Interpretieren Sie dieses Energieniveauschema. Stellen Sie die entsprechenden Reaktionsgleichungen auf.

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500

Atom- und Kernphysik

429 314 Tritium und Helium 25. a) Berechnen Sie die Bindungsenergie der Nuklide Tritium 3T (mT = 3,016 049 u) und 3He (m3He = 3,016 029 u). b) Erklären Sie den Unterschied in den Bindungsenergien. 427 524 Eine Kernreaktion 26. Das radioaktive Polonium-212 zerfällt unter Abgabe eines α-Teilchens in Blei-208. a) Beschreiben Sie den Vorgang mit einer Reaktionsgleichung. b) Entwickeln Sie für diesen Vorgang ein Energieniveauschema analog zu der Darstellung in Aufgabe 24. Die Energiedifferenz zwischen Ausgangskern und Endkern beträgt 7 MeV. 413 214 Uranspaltung 27. Uran kann in vielfältiger Weise zerfallen. Für eine der Möglichkeiten lautet die Reaktionsgleichung: 140 94 U + 1 n g 235 Ce + Zr + 2 1 0 n + 6 0 e –1 92 0 58 40

Die Massen der beteiligten Nuklide sind in folgender Tabelle gegeben: Nuklid

Masse

Uran-235

390,29042 · 10–27 kg

n

1,67489 · 10–27 kg

Cer-140

232,31290 · 10–27 kg

Zirconium-94

155,93142 · 10–27 kg

Berechnen Sie die bei dieser Kernspaltung frei werdende Energie. Die entstehende Betastrahlung kann vernachlässigt werden.

413 154 Wasserstofffusion 30. Deuterium ist ein Wasserstoffnuklid mit einem Proton im Kern, in Symbolschreibweise 2 1 H oder 2 1 D. a) Berechnen Sie die Kernbindungsenergie für Deuterium. Ein Deuteriumkern hat eine Masse von 3,343 · 10–27 kg. b) Wie groß ist die Energie, die bei Bildung eines Deuteriumkerns über die Fusion von zwei Wasser stoffkernen frei wird? 421 334 Eine Kernfusion 31. Betrachten Sie die folgende Fusionsreaktion:









2 D + 31 T g 42 He + 10 n + ∆E 1

a) Berechnen Sie die bei dieser Reaktion frei werdende Energie. b) Berechnen Sie die bei der Fusion von 1,00 kg Helium frei werdende Energie in kWh. c) Vergleichen Sie diese Energie mit der Energie, die ein Kraftwerk (P = 1 000 MW) an einem Tag abgibt. 423 784 Schalenbrennen bei Sternen 32. Sterne entstehen, entwickeln sich und vergehen. Bei sehr massereichen Sternen wird nicht nur Energie durch die Fusion von Wasserstoff zu Helium freigesetzt, sondern in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium des Sterns treten auch Fusionen von schwereren Elementen bis hin zum Eisen auf. Schließlich bildet sich ein Eisenkern aus. a) Der gesamte Prozess wird als „Schalenbrennen“ bezeichnet. Informieren Sie sich über dieses „Schalenbrennen“ im Inneren eines Sterns. b) Begründen Sie, weshalb beim Ablauf der Eisenfusion der Umgebung Energie entzogen wird, während bei allen anderen Fusionsprozessen Energie an die Umgebung abgegeben wird.

413 244 Kernenergie 28. Die Auffassungen darüber, ob Kernenergie sicher ist, gehen weit auseinander. Diskutieren und bewerten Sie Vor- und Nachteile der Nutzung von Kernenergie in Kraftwerken und in der Medizin.

420 904 Stand der Fusionsforschung 33. Informieren Sie sich über den aktuellen Stand der Fusions forschung! Bereiten Sie dazu ein Referat vor.

426 884 Kernreaktoren 29. Es gibt Druckwasser-und Siedewasserreaktoren. a) Fertigen Sie eine Präsentation über die verschiedenen Bauweisen an. Gehen Sie auf Vor- und Nachteile ein. b) Sammeln und bewerten Sie Argumente für bzw. gegen die Endlage rung radioaktiver Abfälle. Was spricht für eine Wieder aufarbeitungsanlage, was dagegen?

428 414 Nuklearmedizin 34. Erkenntnisse der Atomphysik werden in der nuklearmedizinischen Diagnostik und Therapie genutzt. Fertigen Sie eine Präsentation zu einer von Ihnen ausgewählten nuklearmedizinischen Anwendung an.

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Grundbausteine der Materie

501

7.3 Grundbausteine der Materie 7.3.1 Streuexperimente führen zu neuen Erkenntnissen Eine typische Methode, um Erkenntnisse über den Aufbau der Materie zu gewinnen, ist die Durchführung von Streuexperimenten. Streuexperimente ermöglichen uns einen „Blick“ in die kleinsten Strukturen unserer Welt, auch wenn wir diese nicht direkt „sehen“. Atom

λ

sichtbares Licht

Bei Streuexperimenten wird ein Prinzip genutzt, das auch in der Kriminaltechnik bekannt ist: Bekanntlich feuert man dort ein Projektil auf ein präpariertes Hindernis und kann aus der Einschusstiefe und dem Einschusskrater auf die Eigenschaften des Projektils schließen. Bei einem physikalischen Streuversuch ist es gerade umgekehrt. Man schießt bekannte Teilchen gegen Hindernisse (Targets), deren Eigenschaften noch weitgehend unerforscht sind. Die Ergebnisse der Wechselwirkungen werden registriert und daraus Folgerungen über Strukturen und Eigenschaften abgeleitet. Zu den ersten Wissenschaftlern, die Streuexperimente durchführten, zählt der britische Physiker neuseeländischer Herkunft E rnEst r uthErford (1871 – 1937). r uthErford nutzte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts α-Teilchen als Geschosse. Diese Teilchen sind rund 7 000-mal schwerer als ein Elektron und zweifach positiv geladen. r uthErford lenkte α-Teilchen auf sehr dünne, nur etwa 100 Atomschichten starke Goldfolien. Die Registrierung der Teilchen erfolgte auf einem Leuchtschirm. Dabei ergaben sich überraschende Ergebnisse. Wären Atome massive und deshalb undurchdringliche Kugeln, dann hätten viele α-Teilchen in der Goldfolie stecken bleiben müssen. Doch die weitaus meis ten dieser Teilchen passierten die Folien ungehindert bzw. wurden nur geringfügig abgelenkt. Den grundsätzlichen Versuchsaufbau von r uthErford zeigt die Skizze unten links. Die Anordnung befindet sich im Vakuum. Die Deutung der Ergebnisse ist in der rechten Skizze dargestellt. Strahl von α-Teilchen

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Um Effekte zu erzielen, darf sich das zu streuende Objekt nicht um viele Größenordnungen vom streuenden Objekt unterscheiden.

E rnEst r uthErford war einer der bedeutendsten Forscher auf dem Gebiet der Atom- und Kernphysik.

abgelenkte α-Teilchen

Atomkern

Goldfolie

Leuchtschirm

Objekte, deren Abmessungen deutlich kleiner sind als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts, können wir nicht sehen.

Lichtblitz

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502

Atom- und Kernphysik

Streuexperimente belegen, dass Atome einen sehr kleinen, positiv eladenen Atomkern besitzen. g

Dieser experimentelle Nachweis gelang J AmEs C hAdwiCk (1891–1974).

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Masse der Atome nicht allein durch die Masse der positiv geladenen Teilchen im Kern, der Protonen, erreicht werden kann, führte r uthErford zunächst ein weiteres hypothetisches Teilchen als Bestandteil des Atomkerns ein. Dieses Teilchen sollte elektrisch neutral sein und erhielt deshalb die Bezeichnung Neutron. Es wurde erst 1932 experimentell nachgewiesen. Für kurze Zeit glaubte man, mit dem Proton, dem Neutron und dem Elektron die elementarsten Bauteilchen der Welt zu kennen. Hinzu kamen die Photonen als Träger der elektromagnetischen Strahlung. Doch 1932 entdeckte C. D. A ndErson (1905–1991) das Positron (e+), das die gleiche Masse wie das Elektron, aber eine entgegengesetzte Ladung hat. Damit war das erste Antiteilchen gefunden. In den darauffolgenden Jahrzehnten gelang es, immer mehr Teilchenarten aufzuspüren. In der nachfolgenden Übersicht sind einige Beispiele zusammengestellt.

Das Pi-Meson wird auch als Pion, das K-Meson als Kaon bezeichnet.

Physiker sprechen deshalb mitunter von einem „Teilchenzoo“.

Teilchenfamilien

Beispiele

Leptonen

Elektron e– Myon μ– Tauon τ

Hadronen

Mesonen

Pi-Meson π+ K-Meson K0

Baryonen

Proton p Neutron n Sigma-Hyperon Σ+ Xi-Hyperon Ξ 0

Elektron-Neutrino υE Myon-Neutrino υμ Tauon-Neutrino υτ

Es gibt eine Vielzahl von Teilchen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Lebensdauern. Zu fast jedem Teilchen existiert ein Antiteilchen. So ist das Antiteilchen des Elektrons das Positron. Antiteilchen des Protons ist das Antiproton, Antiteilchen des Neutrons das Antineutron. Obgleich man bis zur Gegenwart immer mehr unterschiedliche Teilchen entdeckte, lässt sich die physikalische Forschung auch heute von der Grundüberzeugung leiten, dass es elementare Bausteine unserer Welt gibt, Teilchen also, aus denen sich alle anderen Teilchen zusammensetzen. Diese Überzeugung gründet sich neben theoretischen Erwägungen wesentlich auf Streuexperimente. Moderne Streuexperimente sind überaus aufwendig. Es sind dafür große Beschleunigungsanlagen notwendig (b S. 504 f.).

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Grundbausteine der Materie

503

Moderne Streuexperimente Beschießt man schwere Atome mit energiereichen Photonen, dann können sich diese Photonen in der Atomhülle in ein Elektron (e–) und ein Positron (e+) umwandeln (b Abb.). Atom +

Photon +

Positron e+

– Elektron e–

Der dargestellte Vorgang wird als Paarbildung oder Paarerzeugung bezeichnet.

Nicht nur für die Streuung von Photonen, sondern auch für andere Prozesse gilt: Sind bei einer Wechselwirkung von Teilchen die Energien hoch genug, dann können sich weitere Teilchen materialisieren.

Das stets paarweise Auftreten von Elektronen und Positronen im obigen Beispiel belegt, dass neben der Energieerhaltung auch andere Erhaltungssätze bei Streuvorgängen gewahrt bleiben – so der Impuls- und der Drehimpulserhaltungssatz sowie der Satz von der Erhaltung der Ladung. Bei Experimenten hat man die Erfahrung gemacht, dass bei Streuvorgängen mit der Energie der beteiligten Teilchen tendenziell auch die Anzahl und die Masse der entstehenden Teilchen zunimmt. Außerdem können neu gebildete Teilchen genügend Energie besitzen, um ihrerseits weitere Teilchen entstehen zu lassen, wodurch sich der Streuvorgang extrem verkomplizieren kann. Darstellungen von Bahnspuren bei Streuprozessen belegen diese Tatsache eindrucksvoll (b Abb.). Aus dem geschilderten Sachverhalt ergibt sich ein grundlegendes Problem. Will man in immer kleinere Strukturbereiche der Materie „blicken“, dann muss man die Geschwindigkeit und damit die kinetische Energie der Streupartner erhöhen. Doch bei sehr hohen Teilchenenergien wird der Streuprozess durch die Materialisierung vieler Teilchen extrem kompliziert. Heute kann man in großen Teilchenbeschleunigern Partikel fast auf Lichtgeschwindigkeit bringen und miteinander kollidieren lassen. Die Registrierung der Streuprozesse erfolgt in hochkomplizierten riesigen Detektoren (b S. 505).

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Der zur Paarbildung entgegengesetzte Prozess wird Paarzerstrahlung genannt.

Im weltgrößten Beschleuniger, dem LHC bei Genf, sollen die Teilchen mit 99,999 999 1 % der Lichtgeschwindigkeit kollidieren.

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504

Interessantes aus der Technik

Riesenbeschleuniger für kleinste Teilchen Viele Erkenntnisse über die Struktur der Materie wurden in den letzten Jahrzehnten mithilfe von Beschleunigern gewonnen. Mit heutigen Beschleunigern lassen sich noch Strukturen wie die Quarks untersuchen, die höchstens ein Hundertmillionstel eines Atomdurchmessers groß sind. Das Grundprinzip bei Beschleunigern besteht dar in, dass geladene Teilchen (Elektronen, Protonen, Ionen) auf große Geschwindigkeiten gebracht werden, dann auf andere Teilchen oder Stoffe gelenkt werden und dort Wechselwirkungen auslösen, die in Detektoren registriert und dann ausgewertet werden. Damit kann man Erkenntnisse über die Grundbausteine der Materie gewinnen. Wichtige Arten von Beschleunigern sind Linearbeschleuniger, Zyklotrone, Synchrozyklotrone und Synchrotrone. Linearbeschleuniger sind so aufgebaut, dass geladene Teilchen eine Reihe von röhrenförmigen Elektroden durchlaufen, die mit den Polen eines Hochfrequenzgenerators verbunden sind (b Abb. 1). Das Innere der Röhren ist feldfrei. Entscheidend für die Beschleunigung sind die Zwischenräume. Da die Teilchengeschwindigkeit immer größer wird, muss bei konstanter Frequenz der Beschleunigungsspannung auch die Rohrlänge größer werden. Mit Linearbeschleunigern erreicht man E nergien bis etwa 50 MeV. Ein Zyklotron besteht aus einer flachen Kammer mit zwei halbkreisförmigen Dosen, die sich in einem Hochvakuum befinden. Die Dosen sind mit einem Hochfrequenzgenerator verbunden, sodass zwischen ihnen ein veränderliches elektrisches Feld besteht. Sie werden von einem konstanten, homogenen Magnetfeld senkrecht durchsetzt (b Abb. 3). Die von einer Teilchenquelle T ausgehenden Teilchen werden durch das Magnetfeld umgelenkt, im elektrischen Feld zwischen den Dosen beschleunigt, wieder umgelenkt usw. Schließlich werden sie durch eine Elektrode E herausgelenkt und stehen dann für Experimente zur Verfügung.

2 Linearbeschleuniger dienen z. B. als Vorbeschleuniger von Ringbeschleunigern. Bei großen Geschwindigkeiten von Teilchen treten relativistische Effekte auf. Die Masse der Teilchen nimmt zu und es vergrößert sich damit ihre Umlaufzeit. Passt man die Hochfrequenz des elektrischen Felds der Veränderung der Umlaufzeit an, so können die Teilchen stärker beschleunigt werden als bei einem Zyklotron. Man nennt eine solche Anordnung mit veränderbarer Hochfrequenz ein Synchrozyklotron. Um eine weitere Steigerung der Geschwindigkeit und damit der Energie von geladenen Teilchen zu erreichen, kann man elektrische und magnetische Felder in großen Beschleunigerringen anordnen. Man spricht dann von einem Synchrotron. Eine der Magnetisches Feld

~ T Ablenkelektrode E

3 Aufbau eines Zyklotrons

geladene Teilchen

1 Prinzipieller Aufbau eines Linearbeschleunigers

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1 Markiert sind die Abmessungen der unterirdischen Anlagen des DESY.

3 Teil der ca. 27 km langen unterirdischen Ringanlage des LHC bei Genf

größten Anordnungen dieser Art war das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg. Das Bild oben zeigt die riesigen Abmessungen der unterirdischen Anlagen PETRA (Positron-ElektronTandem-Ring-Anlage) mit 2,3 km Länge und HERA (Hadron-Elektron-Ring-Anlage) mit 6,3 km Länge. Bei der 1978 in Betrieb genommenen Anlage PETRA trafen Teilchen mit einer Energie von 12 GeV aufeinander. Bei HERA konnten Elektronen bis auf 30 GeV und Protonen bis auf 820 GeV beschleunigt werden. Beide Anlagen sind nicht mehr in Betrieb. Die Auswertung der Messdaten wird allerdings noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

werden. Mit Detektoren werden die Wechselwirkungen registriert.

Den grundsätzlichen Aufbau solcher Ringanlagen zeigt die Skizze unten. Elektronen bzw. Protonen werden durch die Magnete M umgelenkt und durch elektrische Felder E beschleunigt. Durch Ablenk- magnete A kann der Teilchenstrom in Experimentierhallen ausgelenkt und auf ein Target geschossen M

A

Der weltweit leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger ist der LHC (Large Hadron Collider) am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf (b Abb. 3, 4). Er wurde 2008 erstmals in Betrieb genommen. Je nach Betriebsmodus werden in diesem riesigen Beschleuniger Protonen oder Blei-Ionen beschleunigt und zur Kollision gebracht. Angezielt ist im Protonenmodus eine maximale Energie von 7 TeV = 7 · 1012 eV für jedes der sich gegenläufig bewegenden „Protonenpakete“, die dann an bestimmten Punkten zur Kollision gebracht werden. Die bei der Wechselwirkung entstehenden Teilchen werden in den riesigen Detektoren (b Abb. 4) registriert, die Auswertung erfolgt mithilfe leistungsstarker Computer. Das wichtigste Ziel der Experimente am LHC ist der Nachweis des seit Jahrzehnten gesuchten Higgs-Bosons.

M

E

E M

M

A

E

M

M M

E M

E

Linearbeschleuniger

2 Aufbau eines Ringbeschleunigers

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Target Protonenquelle 4 CMS-Detektor im LHC bei Genf

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Atom- und Kernphysik

7.3.2 Das Standardmodell

Die Bezeichnung „Quark" entlieh M. G Ell -m Ann dem Roman „ Finnegans Wake“ von J. J oyCE .

Die heutigen Erkenntnisse über die Struktur der Materie werden in einem Modell zusammengefasst, das in der Physik als Standardmodell bezeichnet wird. Es ist eine physikalische Theorie, mit der die heute bekannten Elementarteilchen und die Wechselwirkungen zwischen ihnen beschrieben werden. Im Jahre 1964 äußerten M. G Ell -m Ann (*1929) und G. Z wEiG (*1937) die Vermutung, dass es Teilchen mit gedrittelten Elementarladungen geben müsse, die als Quarks bezeichnet wurden. Beschießt man Protonen mit sehr schnellen Elektronen, dann erfolgt der Streuprozess so, als ob innerhalb der Protonen verschiedene Streuzentren vorhanden wären. Durch solche Versuche und weitergehende theoretische Überlegungen wurde man zur Ansicht geführt, dass sich sowohl Baryonen als auch Mesonen aus noch kleineren Bestandteilen zusammensetzen, eben den von G Ell -m Ann und Z wEiG vorhergesagten Quarks. Nach der Quarktheorie existieren sechs verschiedene Quarks mit den fantasievollen Bezeichnungen u (up), d (down), s (strange), c (charm), t (top) und b (bottom). Jedes Quark besitzt ein Antiteilchen (b Übersicht unten). In diesem Modell ist z. B. ein ProProton ton aus zwei up-Quarks und einem up down-Quark zusammengesetzt. up Die nach außen wirksame Ladung des Protons ergibt sich aus der down Summe der Quarkladungen: + } 23  e + } 23  e – } 13   e = + 1e

Teilchen und Antiteilchen haben stets die gleiche Masse, tragen aber immer die entgegengesetzte Ladung.

up

Mesonen bestehen im Standardmodell aus je zwei Quarks, einem Quark und einem Antiquark.

down

Neutron down

Alle Hadronen (Mesonen, Baryonen) sind aus Quarks zusammengesetzte Teilchen.

Quark

u

d

s

c

b

t

Bezeichnung

up

down

strange

charm

bottom

top

Ladung

+ } 23  e

– }13  e

– }13  e

+ }23  e

– }13  e

+ }23  e

GeV   Masse in } 2

0,003

0,06

0,1

1,3

4,3

175

Antiquark

} u  

d  

  }s



  }c

b  

t  

Ladung

– } 23  e

+ }13  e

+ }13  e

– }23  e

+ }13  e

– }23  e

c 

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}



}

}

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Grundbausteine der Materie

Noch nie ist es bisher gelungen, ein einzelnes Quark aus einem anderen Teilchen herauszuschlagen. Eine einfache Erklärung für diese Beobachtung liefert die Annahme, dass zum Heraustrennen eines einzelnen Quarks mehr Energie erforderlich wäre, als notwendig ist, um ein Quark und ein Antiquarkpaar zu erzeugen. Quark und Antiquark bilden aber sogleich ein neues eigenständiges Teilchen, nach obiger Darstellung ein Meson. Schließlich konnte man bei den masseärmsten Elementarteilchen, den Leptonen, bisher keine innere Struktur nachweisen. Die Leptonen, zu denen auch die Elektronen gehören, bilden daher eine eigenständige Gruppe von elementaren Teilchen. Quarks und Leptonen bilden nach heutigem Kenntnisstand die Grundbausteine für alle anderen massebehafteten Teilchen und damit letztlich für die Materie.

Fundamentale Wechselwirkungen und ihre Austauschteilchen Zu einem besseren Verständnis der Elementarteilchen gelangt man, wenn man untersucht, welche Kräfte zwischen ihnen auftreten und wodurch diese Kräfte entstehen. Im Rahmen einer Teilchenphysik ist es konsequent, auch diese Kräfte auf das Wirken von Teilchen zurückzuführen. Wechselwirkungen zwischen Teilchen werden nach dieser Ansicht durch sogenannte Austauschteilchen übertragen. Der Grundgedanke ist dabei, dass eine bestimmte Kraft zwischen Teilchen nur wirkt, wenn diese Teilchen eine ganz bestimmte Eigenschaft besitzen. Erst dann können die entsprechenden Vermittlerteilchen wirksam werden. Insgesamt sind den Physikern vier fundamentale Wechselwirkungen bzw. Kräfte bekannt – die Gravitationskraft, die elektromagnetische Kraft, die schwache Kraft und die starke Kraft. Für jede dieser vier Kräfte müsste es spezifische Austauschteilchen geben. Allerdings konnte man bisher für die Gravitationskraft ein solches Austauschteilchen nicht nachweisen. Kraft

Wirkt auf

Reichweite

Relative Stärke

elektromagnetische elektrisch geladene nimmt mit } 12  ab r  Kraft Teilchen

10–2

starke Kraft

Quarks, also auch auf Kernteilchen

10–15 m

1

schwache Kraft

alle Teilchen

10–17 m

10–13

Gravitationskraft

alle Teilchen

nimmt mit } 12  ab r 

Es existieren 6 Leptonen (b Tabelle auf S. 502). Insgesamt gibt es 6 Quarks und 6 Leptonen, also 12 Elementarteilchen, sowie deren Antiteilchen.

In der Physik spricht man in diesem Zusammenhang von Wechselwirkungen oder von Kräften.

Dieses hypothetische Austauschteilchen bei der Gravitationskraft wird als Graviton bezeichnet.

10– 40

In der Physik werden vier fundamentale Wechselwirkungen bzw. Kräfte unterschieden: die elektromagnetische Kraft, die starke Kraft, die schwache Kraft und die Gravitationskraft.

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507

Die Gravitationskraft ist bei Elementarteilchen gegenüber den anderen Kräften vernachlässigbar.

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508

Atom- und Kernphysik

Das coulombsche Gesetz lautet: Q · Q

1   · } 1 2 2   F = } 4 π · ε 0

r 

Wechselwirkung

Wirkt auf die Eigenschaft

Austauschteilchen

Beispiel

elektromagnetische Kraft

elektrische Ladung

Photon

Zusammenhalt des Atoms

starke Kraft

Farbladung

Gluon

Zusammenhalt eines Protons

schwache Kraft

schwache Ladung

W- und Z-Boson

Beta-Zerfall

Gravitationskraft

Masse

Graviton?

Zusammenhalt des Planetensystems

Die elektromagnetische Kraft wirkt zwischen geladenen Teilchen. Im Bereich der Mikrophysik ist diese Kraft für den Zusammenhalt von Atomkern und Atomhülle verantwortlich. Alle Teilchen mit der Eigenschaft der elektrischen Ladung unterliegen der elektromagnetischen Kraft. Ihre Austauschteilchen sind die Photonen. Im Rahmen des Modells der Austauschteilchen gelingt es, unter Einbeziehung quantenphysikalischer Überlegungen die mathematische Form des coulombschen Gesetzes herzuleiten. Im Gegensatz zur elektromagnetischen Kraft, die auf die elektrische Ladung wirkt, sind diejenigen Eigenschaften, auf welche die schwache und starke Kraft wirkt, aus der Makrophysik nicht bekannt. Dennoch konnte man deren Existenz in zahlreichen Versuchen und theoretischen Modellen eindeutig nachweisen. Man hat spezielle Namen für diese Eigenschaften erfunden. Die starke Kraft wirkt auf eine Eigenschaft der Teilchen, die man g als „Farbe“ oder „Farbladung“ d bezeichnet. Quarks tragen eine „Farbe“, wobei die drei Variationen u „Rot“, „Grün“ und „Blau“ möglich sind. Die starke Kraft bewirkt den g Zusammenhalt der aus Quarks aufg gebauten Elementarteilchen, also der Hadronen. Die Vermittlerteilu chen der starken Kraft nennt man Gluonen (glue, engl. = der Leim). Die schwache Kraft wirkt auf Teilchen, die eine „Flavor“ oder „Flavorladung“ genannte Eigenschaft besitzen. Quarks und Leptonen besitzen eine Flavorladung. Die Vermittlerteilchen der schwachen Kraft sind drei sogenannte Vektorbosonen, die man experimentell nachweisen konnte: das W+-Boson, sein Antiteilchen W – und das Z-Boson Z 0. Die schwache Kraft, die auch als schwache Wechselwirkung bezeichnet wird, ist beispielsweise für den radioaktiven Beta-Zerfall verantwortlich.

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Das Wichtigste im Überblick

Grundbausteine der Materie Struktur und Eigenschaften von Teilchen wurden durch vielfältige Streuexperimente und theoretische Überlegungen gefunden.

Durchmesser in … … Atomen

… Metern –

Es gibt eine Vielzahl von Teilchen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Lebensdauern. Zu fast jedem Teilchen existiert ein Antiteilchen mit gleicher Masse und entgegengesetzter Ladung. Die Vielzahl von Teilchen wird in Teilchenfamilien geordnet.

1

1 10 000

n p

10–14

Atomkern 1 100 000

Hadronen

Mesonen

10–10

+

Atom

Teilchen

Leptonen

509

Überblick



Baryonen

1 100 000 000

p

n

Proton

u Quark

10–15 Neutron

e–

10–18

Elektron

Alle Hadronen sind aus Quarks zusammengesetzte Teilchen. Quarks und Leptonen bilden nach heutigem Kenntnisstand die Grundbausteine aller anderen massebehafteten Teilchen und damit die Grundbausteine der stofflichen Materie.

Die heutigen Kenntnisse über Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen werden im Standardmodell zusammengefasst. Die wirkenden Kräfte werden durch vier fundamentale Wechselwirkungen bestimmt. Elektromagnetische Wechselwirkung Photonen als Austauschteilchen

Schwache Wechselwirkung

Fundamentale Wechselwirkungen

W- und Z-Bosonen als Austauschteilchen

Starke Wechselwirkung

Gravitationswechselwirkung

Gluonen als Austauschteilchen

Gravitonen (?) als Austauschteilchen

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510

Atom- und Kernphysik

Aufgaben 413 164 Streuversuche von Rutherford 1. Die rutherfordschen Streuversuche lieferten entscheidende Aussagen zum Atomaufbau. Beschreiben Sie den Aufbau und die Ergebnisse dieser Versuche. Wie deutete r uthErford die Versuchsergebnisse? 413 274 Paarerzeugung 2. Die Skizze zeigt eine Experimentieranordnung, bei der Elektron-Positron-Paare erzeugt werden. Die gekrümmten Bahnen auf der rechten Seite kommen zustande, weil die Ebene, in der die Spuren verlaufen, von einem homogenen Mag netfeld durchsetzt ist. Die Feldlinien dieses Magnetfelds zeigen senkrecht aus der Blatt ebene heraus. dünne Metallfolie

1

γ-Strahlung 2 a) Welche der Spuren stammt von einem Elektron, welche von einem Positron? Begründen Sie. b) Beschreiben Sie, wie man aus der magnetischen Flussdichte B und dem Bahnradius r die kinetische Energie eines Teilchens bestimmen kann. Was kann man daraus über die kinetische Energie der registrierten Teilchen ableiten? 413 314 Paarvernichtung 3. Treffen ein Teilchen und sein Antiteilchen zusammen, so kommt es zur Paarzerstrahlung: Die Teilchen vernichten sich, die Energie steckt in der Strahlung. Bestimmen Sie die Energie, die übertragen wird, wenn sich ein Proton und ein Antiproton gegenseitig vernichten. 428 354 Streuexperimente 4. Die Struktur von Teilchen lässt sich mithilfe von Streuexperimenten untersuchen. a) Formulieren Sie allgemeine Bedingungen d afür, dass Streuexperimente zu Ergebnissen führen. b) Die Ausdehnung von Kernbausteinen (Protonen und Neutronen) beträgt etwa 10 –15 m. Welche Energie müssen Teilchen, z. B. Elektronen, besitzen, um die Struktur dieser Kernbausteine zu erforschen?

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413 254 Bahnradius 5. Beschreiben Sie die Ablenkung geladener Teilchen in einem homogenen magnetischen Feld. a) Leiten Sie einen Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit der Teilchen und dem Bahnradius her. Interpretieren Sie diesen Zusammenhang. b) Auf wie viele Prozent muss sich die Geschwindigkeit erhöhen, damit der Bahnradius doppelt so groß wird? 413 334 Auflösung von Mikrostrukturen 6. Der Impuls von Teilchen mit großen Geschwindigkeiten kann mit der Gleichung p = } Ec     berechnet werden. Dabei sind E die Teilchenenergie und c die Vakuumlichtgeschwindigkeit. Unter Teilchenphysikern gilt die Regel: Zur Auflösung von Mikrostrukturen einer Größenordnung von 10–14 m benötigt man Teilchen energien von etwa 10 GeV. Begründen Sie diese Regel. 413 404 Large Hadron Collider 7. In dem Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) am europäischen Kernforschungszentrum C Ern bei Genf werden in Vakuumröhren Protonen gegenläufig auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt und dann zur Kollision gebracht. Dabei entstehen unterschiedliche Teilchen. a) Informieren Sie sich im Internet darüber, welches die wichtigsten Ziele der Untersuchungen am LHC sind. Bereiten Sie dazu ein Kurzreferat vor. b) Bei den Experimenten, die ab 2011 geplant sind, soll jedes Proton eine Energie von 7  TeV erreichen. Auf welche Höhe könnte mit dieser Energie ein 1 mg schwerer Körper gehoben werden? 413 444 Kollisionsexperimente 8. Beim weltgrößten Teilchenbeschleuniger nutzt man zur Kollision Protonen. Warum nutzt man keine Elektronen und keine Neutronen? 413 594 Fundamentale Kräfte 9. Fertigen Sie eine Präsentation zu den fundamentalen Wechselwirkungen an. Die Präsentation soll enthalten: – die Art der Wechselwirkung, – die Eigenschaft der Wechselwirkung und – Phänomene, die auf die betreffende Wechselwirkung zurückzuführen sind.

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8

Spezielle Relativitätstheorie Die 1905 von A lbert e iNsteiN begründete spezielle Rela­ tivitätstheorie führte zu neuen Vorstellungen von Raum und Zeit. Mit der Äquivalenz von Masse und Energie wurden die physikalischen Grundlagen für die Ener­ giefreisetzung bei Kernspaltung und Kernfusion ent­ deckt. Naturphänomene wie Gravitationslinsen oder schwarze Löcher und technische Anwendungen wie Satellitennavigationssysteme wären ohne Relativitäts­ theorie weder verständlich noch realisierbar.

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Spezielle Relativitätstheorie

8.1

410 355 Der deutsche Physi­ ker A lbert e iNsteiN (1879 –1955) entwi­ ckelte in seiner 1905 veröffentlichten Arbeit „Zur Elek­ trodynamik beweg­ ter Körper“ neue Vorstellungen über Raum und Zeit. Die Veröffentlichung dieser Arbeit war die „Geburtsstunde“ der speziellen Relati­ vitätstheorie.

Von der klassischen Physik zur Relativitätstheorie

Wenn heute im Auto ein modernes Funknavigationssystem benutzt wird, auf einer Funkuhr die Zeit abgelesen wird oder Flugzeuge mithilfe eines satellitengestützten Systems navigieren, denkt kaum jemand daran, dass dabei Erkenntnisse der speziellen Relativitätstheorie eine Rolle spielen. Am Ende des 19. Jahrhunderts waren die Grundlagen der klassischen Phy­ sik, insbesondere der newtonschen Mechanik, weitgehend systematisch erforscht. Die grundlegenden Aussagen von i sAAC N ewtoN (1643 –1727) be­ ruhten auf einem erkenntnistheoretischen Fundament, zu dessen wesent­ lichen Bausteinen Vorstellungen über einen absoluten Raum und eine absolute Zeit gehörten. Gleichzeitig gab es einzelne experimentelle Befunde und auch theoretische Ansätze, die mit diesen allgemein anerkannten erkenntnistheoretischen Grundlagen nicht vereinbar waren. Dazu zählten Experimente zur Äthertheorie (Experimente von M iChelsoN und M orley ) und auch Erkenntnisse aus dem relativ neuen Gebiet der Elektrodynamik (Maxwell­Gleichungen). Der entscheidende Schritt gelang 1905 A lbert e iNsteiN (1879 –1955) mit seiner Arbeit „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“, in der er neue Vorstellungen über Raum und Zeit entwickelte und damit ein veränder­ tes physikalisches Weltbild begründete. Diese Arbeit von A lbert e iNsteiN war zugleich die Begründung einer neuen physikalischen Theorie, der speziellen Relativitätstheorie.

8.1.1 Die klassischen Vorstellungen von Raum und Zeit Über viele Jahrhunderte hinweg hatten sich die Vorstellungen über Raum und Zeit entwickelt. Wichtige Grundlagen schufen A ristoteles (384 –322 v. Chr.), g Alileo g Alilei (1564 –1642) und i sAAC N ewtoN (1643 –1727), der in seinem Werk „Philoso­ phiae Naturalis Principia Mathematica“ Grund positionen bezüglich Raum und Zeit formulierte, die sich als Grundlagen der klassischen Mechanik glänzend bewährten: Der absolute Raum ist vermöge seiner Natur und ohne Beziehung auf einen äußeren Gegenstand stets gleich und unbeweglich.

Die klassischen Vorstellungen über Raum und Zeit formulierte der englische Naturfor­ scher i sAAC N ewtoN (1643 –1727) im Jahre 1686 in seinem Werk „Die mathe­ matischen Prinzipien der Naturlehre“. 1 A ristoteles

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2 g Alileo g Alilei

3 i sAAC N ewtoN

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Von der klassischen Physik zur Relativitätstheorie

513

Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand. Zusammenfassend lassen sich die bis ins 20. Jahrhundert hinein anerkann­ ten Grundpositionen zu Raum und Zeit so kennzeichnen: – Raum und Zeit existieren objektiv und unabhängig vom Bewegungszu­ stand eines Körpers. – Es gibt keine Wechselbeziehungen zwischen Raum und Zeit, d. h., sie be­ einflussen sich nicht gegenseitig. – Der Raum ist unendlich ausgedehnt. Alle Punkte und alle Richtungen des Raums sind gleichberechtigt. – Die Zeit ist unendlich ausgedehnt und nur von einer Dimension. Alle Zeitpunkte sind gleichberechtigt. – Raum und Zeit sind universell, d. h., die räumlichen Abmessungen eines Körpers und die Zeitdauer eines Vorgangs sind unabhängig vom Bezugs­ system. Die klassische Physik geht von einem absoluten Raum und einer abso­ luten Zeit aus.

Die auf diesen Vorstellungen basierende newtonsche Mechanik gilt als Kernstück der klassischen Physik und als eine abgeschlossene Theorie, die sich in der Praxis hervorragend bewährt hat. Für viele Vorgänge in unserer Umwelt gelten nach wie vor die entsprechenden Gesetze der klassischen Physik. Inertialsysteme und das galileische Relativitätsprinzip Bewegungen oder wirkende Kräfte können in unterschiedlichen Bezugs­ systemen beschrieben werden. Eine spezielle Gruppe von Bezugssystemen sind Inertialsysteme, also Bezugssys­ teme, in denen das Trägheitsgesetz gilt. Befindet man sich in einem solchen Inertialsystem, dann wirkt auf einen an der Feder hängenden Körper eine kons­ F tante Kraft. Ein Stein fällt nach den Ge­ v setzen des freien Falls. Eine Kugel rollt mit v = konstant, also geradlinig und gleichförmig. Das gilt auch in jedem In­ ertialsystem, das sich gegenüber einem anderen gleichförmig und geradli­ nig bewegt. Das ist das Wesen des galileischen Relativitätsprinzips.

Schon bei N ewtoN findet sich die Vorstellung, dass der absolute Raum mit einem Stoff ausgefüllt sei, der als Äther bezeich­ net wurde. Die Äther hypothese entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu der dominieren­ den Vorstellung. Insbesondere ging man davon aus, dass der im absolu­ ten Raum ruhende Äther der Träger der Lichtwellen sei, ähnlich wie sich in Luft die Schallwellen ausbreiten.

Das Gegenstück zu Inertialsystemen sind beschleunigte Bezugssysteme. Ein mit der Erdober­ fläche verbundenes Bezugssystem ist streng genommen wegen der Rota­ tion der Erde kein Inertialsystem.

Inertialsysteme sind Bezugssysteme, in denen das Trägheitsgesetz gilt. Alle Inertialsysteme sind gleichberechtigt. In ihnen gelten die gleichen physikalischen Gesetze.

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514

Spezielle Relativitätstheorie

Aus dem galileischen Relativitätsprinzip folgt nicht, dass z. B. die Koordi­ naten und die Geschwindigkeit eines Körpers, die von zwei verschiedenen Inertialsystemen aus beschrieben werden, gleich sind. Während der Auto­ fahrer z. B. im System S‘ ruht, bewegt er sich gegenüber dem System S mit konstanter Geschwindigkeit. System S (ruhend)

z

z'

System S' (bewegt) v

y

y'

x

M

x'

v

Die Gleichungen, die es ermöglichen, die räumlichen und zeitlichen Koordinaten eines Punkts von einem Inertialsystem in ein anderes um­ zurechnen, werden als Galilei-Transformation bezeichnet.

Wir gehen von folgenden Bedingungen aus: – Betrachtet wird die Bewegung des Massenmittelpunkts M des Autos. – Das System S‘ bewegt sich bezüglich des Systems S mit konstanter Ge­ schwindigkeit v entlang der x­Achse. – Zum Zeitpunkt t = t‘ = 0 ist auch x = x‘ = 0. Dann ergibt sich als Galilei-Transformation:

Bei anderer Wahl der Bedingungen können die Transfor­ mationsgleichungen eine andere Form haben. Die Zeit ver­ geht in allen Inertialsystemen gleich. Es gilt immer t = t‘.

Umrechnung von S nach S‘

Umrechnung von S‘ nach S

x ‘ = x – v · t y ‘ = y z ‘ = z

x = x‘ + v · t y = y ‘ z = z ‘

t ‘ = t

t = t ‘

Bewegt sich das Auto im System S’ mit 20 } m s ,  dann gilt zum Beispiel für den Zeitpunkt t = t ’ = 5 s: Bezogen auf das ruhende System S befindet sich das Auto am Ort: m  · 5 s = x ’ + 100 m x = x ’ + 20 } s Aus dem Beispiel wird deutlich: Der Ort ist abhängig von der Wahl des Be­ zugssystems. Weiterhin gilt: – Von der Wahl des Bezugssystems abhängig sind Größen wie die Ge­ schwindigkeit und der zurückgelegte Weg. – Von der Wahl des Bezugssystems unabhängig sind Größen wie die Zeit, die Länge, die Beschleunigung, die Masse und die Kraft. Solche Größen, die von der Wahl des Bezugssystems unabhängig sind, wer­ den als invariante Größen bezeichnet.

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Von der klassischen Physik zur Relativitätstheorie

515

8.1.2 Grundaussagen der speziellen Relativitätstheorie Die zwei Postulate von Einstein Die von A lbert e iNsteiN (1879 –1955) entwickelte spezielle Relativitätsthe­ orie, kurz auch als SRT bezeichnet, geht von zwei grundlegenden Postula­ ten aus, die relativ einfach erscheinen, aber Kernpunkte des bis dahin all­ gemein anerkannten physikalischen Weltbilds berühren. Das erste Postulat ist das Relativitätsprinzip. Alle Inertialsysteme sind bezüglich physikalischer Gesetze gleichbe­ rechtigt. Die fundamentalen Naturgesetze gelten in jedem Inertial­ system in gleicher Weise.

Mit der Gleichberechtigung aller Bezugssysteme ist die Vorstellung eines materiellen Äthers als Träger eines bevorzugten Bezugssystems, eines ab­ soluten Raums, unvereinbar. Das zweite Postulat ist das von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist in allen Inertialsystemen stets gleich groß. Sie ist unabhängig vom Bewegungszustand der Licht­ quelle und des Beobachters bei der Messung. Ihr Wert beträgt: c = 299 792,458 } km  ≈ 300 000 } km   s s

Dargestellt sind die Grundzüge der SRT in dem 1905 veröf­ fentlichten Beitrag „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“. Im gleichen Jahr veröffentlichte A. e iNsteiN zwei wei­ tere grundlegende Arbeiten, eine über die Photonenhypo­ these und eine über die atomistische Deutung der brown­ schen Bewegung, die der Atomtheorie mit zum Durchbruch verhalf.

Aus der Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit ergibt sich, dass sie eine Grenzgeschwindigkeit für Körper und für Energieübertragungen, da­ mit auch für Signalübertragungen ist. Aus der Konstanz der Vakuumgeschwindigkeit folgt unmittelbar die Rela­ tivität des Begriffs der Gleichzeitigkeit. Dass Licht eine bestimmte Laufzeit hat, muss beim Vergleich verschiedener Uhren beachtet werden. e iNsteiN stellte sich Lichtuhren vor, die auf dem 2. Postulat beruhen. Eine Lichtuhr ist eine Röhre mit spiegelnden Enden, in der das Licht hin­ und herläuft. Die Laufzeit des Lichts ist ein Maß für die Zeitdauer.

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Lichtuhr

Auge

Start bei 0 ns

l = 30 cm

Zum Durchlaufen einer Länge von 30 cm braucht das Licht bei einer km Geschwindigkeit von 300 000 }   s –9 etwa 10 s = 1 ns. Für das Auge zeigt die Uhr aufgrund der Licht­ laufzeit schon eine vergangene Zeit. Ereignisse erfolgen in einem Bezugssystem nur dann gleichzei­ tig, wenn Uhren in diesem Bezugs­ system synchron laufen, also die Messungen unter Beachtung der Lichtlaufzeiten erfolgen.

bei 1 m Entfernung Registrierung nach 3 ns

Ankunft bei 1 ns

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Interessantes aus der Physik

Das Michelson-Morley-Experiment Ausgangspunkte Ende des 19. Jahrhunderts waren die technischen Voraussetzungen gegeben, um erkenntnistheoreti­ sche Grundpositionen der klassischen Physik über­ prüfen zu können. Ein Ziel war der Nachweis eines ruhenden Äthers, in dem sich die Erde bewegt. Der Nachweis eines ruhenden Äthers wäre zugleich ein wichtiger Beleg für die Existenz eines absoluten Raums (b S. 513) gewesen. Die Annahme eines Äthers – man spricht auch von der Ätherhypothese – erfolgte, um die Ausbreitung von Licht erklären zu können. Ausgangspunkt dafür waren Analogien zwischen Schall und Licht. Die Aus­ breitung von Schall in Luft war gut erklärbar. Für die Ausbreitung von Licht wurde ein spezielles Medium, der Äther, angenommen. Dieser Äther sollte den gesamten Weltraum ausfüllen. Auch die Erde sollte sich in diesem ruhenden Äther bewegen. Alle Ver­ suche, den Äther genauer zu charakterisieren oder nachzuweisen, blieben erfolglos. Ein neuer Ansatz zum Nachweis des Äthers wurde um 1880 mit einem Experiment gemacht, das als Michelson­Morley­Experiment in die Geschichte der Physik einging. Versuchsanordnung und Durchführung Die Idee zu diesem Experiment geht auf J. C. M Ax well (1838–1879) zurück. Realisiert wurde es mehr­ fach von A. A. M iChelsoN (1852–1931) und e. w. M orley (1838–1923) mit einem speziell dafür entwi­ ckelten Michelson-Interferometer. A lbert A. M iChelsoN (b Abb. unten) führte sein be­ rühmtes Experiment erstmals 1881 in Potsdam durch und wiederholte es 1887 zusammen mit e dwArd w. M orley in Cleveland/Ohio. Die Skizze oben zeigt den prinzipiellen Versuchsaufbau. Der Versuch wurde folgendermaßen durchgeführt: Die Apparatur war auf einer massiven Steinplatte aufgebaut, die in einem mit Quecksilber gefüllten Trog schwamm. Dadurch sollten störende Schwin­ gungen vermieden wer­ den. Das von einer Licht­ quelle ausgehende Licht wird durch einen halb­ durchlässigen Spiegel S in zwei Anteile aufge­

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S1

d

Fernrohr S

d

S2

Lichtquelle

1 Die Skizze zeigt die Versuchsanordnung, die M iChelsoN nutzte. spalten. Ein Anteil läuft zum Spiegel S1, wird dort reflektiert und gelangt über den halbdurchlässigen Spiegel zum Fernrohr. Der andere Anteil wird zum Spiegel S2 reflektiert und gelangt dann zum Fern­ rohr. Dort kommt es zur Überlagerung der Anteile und damit aufgrund der vermuteten unterschiedlich langen Laufzeiten des Lichts quer bzw. parallel zur Bewegung der Erde im Äther zu einer bestimmten Anordnung der Interferenzstreifen. Bei Drehung der gesamten Anordnung um 90° müsste sich die Lage der Interferenzstreifen ändern, da sich damit auch die Lichtwege relativ zum Äther ändern würden. Das erwartete Ergebnis } Nimmt man an, dass die Strecke S S1  in Richtung der Erdbewegung liegt und sich die Erde mit der Ge­ km schwindigkeit v (v = 30 } )  bewegt, dann ergeben s } sich für den Weg S S1  folgende Laufzeiten für das Licht, das sich mit der Lichtgeschwindigkeit c aus­ breitet: d   S g S1: tpar, 1 = } c – v

S1 g S:

d   tpar, 2 = } c + v

Parallel zur Erdbewegung v

v c

vpar, 1 = c – v

c vpar, 2 = c + v

Angewandt ist hier die klassische Betrachtungs­ weise.

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Für Hin­ und Rückweg parallel zur Bewegungsrich­ tung der Erde ergibt sich: d + d = c – v   } c + v   } 2 d  } 1 2   tpar = tpar, 1 + tpar, 2 = } c · 1 – }  v 2

(1)

c

}

2  liegt dann senkrecht zur Richtung Die Strecke S S der Erdbewegung. Die Laufzeiten für das Licht sind bei Hin­ und Rückweg gleich groß:

Senkrecht zur Erdbewegung v

v

}

c

vsenkr = √ c 2 – v 2  

c

Damit erhält man: d }   tsenkr, 1 = tsenkr, 2 = } 2 2

√  c – v  

und damit für Hin­ und Rückweg: 1   2d  } } tsenkr = } c · 2

√ 

1 – }  v 2  

(2)

c

Damit ergibt sich eine Laufzeitdifferenz, da tsenkr < tpar ist. Bei Drehung der Anordnung um 90° vertauschen sich die Wege und die Laufzeiten. Das müsste eine Verschiebung der Interferenzstreifen bewirken. Das experimentelle Ergebnis Zur Überraschung vieler Physiker zeigte sich: Es trat bei keinem der Versuche irgendeine Verschiebung der Interferenzstreifen auf. Ein Einfluss eines Äthers auf die Lichtgeschwindigkeit wurde nicht gefunden. Das negative Ergebnis war letztlich eine Bestätigung für die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Mit die­ ser Annahme ist das experimentelle Ergebnis wider­ spruchsfrei erklärbar. In unterschiedlich bewegten Systemen wird stets der gleiche Wert für die Lichtgeschwin­ digkeit gemessen. Es gibt keinen bevorzugten absoluten Raum. Damit ergab sich ein fundamentaler Widerspruch zwischen Grundannahmen der klassischen Physik (Existenz eines absoluten Raums mit Äther) und ei­ nem experimentellen Ergebnis. Die mehrfach ver­ besserte Anordnung von M iChelsoN und M orley war ein Musterbeispiel für gerätetechnische Präzision.

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Obwohl die Laufzeitdifferenzen aufgrund der ge­ km genüber der Lichtgeschwindigkeit (300 000 } )  klei­ s km nen Erdgeschwindigkeit (30 } s )  sehr gering waren, hätte man mit der Experimentieranordnung noch eine Laufzeitdifferenz bestimmen können, die bei etwa 1% der berechneten Laufzeitdifferenz lag. Die Experimente von M iChelsoN und M orley sind ein wichtiger Beleg dafür, dass es keinen Äther gibt. Alle Versuche, ihn nachzuweisen, schlugen fehl. Für diese Untersuchungen erhielt M iChelsoN als erster amerikanischer Wissenschaftler im Jahr 1907 den Nobelpreis für Physik „für seine optischen Prä­ zisionsinstrumente und seine damit ausgeführten … Untersuchungen…“. Ob das beschriebene Experiment ein wesentlicher Ausgangspunkt für die Überlegungen von A lbert e iNsteiN bei der Formulierung seiner 1905 veröffent­ lichten speziellen Relativitätstheorie war, ist um­ stritten. In seinem berühmten Artikel „Zur Elektro­ dynamik bewegter Körper“, in dem er die spezielle Relativitätstheorie begründet, formuliert A. e iNsteiN dazu einleitend: „... die mißlungenen Versuche, eine Bewegung der Erde relativ zu einem „Lichtmedium“ zu konstatieren, führen zu der Vermutung, daß dem Begriff der absoluten Ruhe nicht nur in der Mechanik, sondern auch in der Elektrodynamik keine Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen, sondern daß vielmehr für alle Koordinatensysteme, für welche die mechanischen Gleichungen gelten, auch die gleichen elektrodynamischen und optischen Gesetze gelten, wie dies für die Größen erster Ordnung bereits erwiesen ist. Wir wollen diese Vermutung (deren Inhalt im folgenden „Prinzip der Relativität“ genannt werden wird) zur Voraussetzung erheben und außerdem die mit ihm nur scheinbar unverträgliche Voraussetzung einführen, daß sich das Licht im leeren Raume stets mit einer bestimmten, vom Bewegungszustande des emittierenden Körpers unabhängigen Geschwindigkeit v fortpflanze. Diese beiden Voraussetzungen genügen, um zu einer einfachen und widerspruchsfreien Elektrodynamik bewegter Körper zu gelangen ... Die Einführung eines „Lichtäthers“ wird sich insofern als überflüssig erweisen, als nach der zu entwickelnden Auffassung weder ein mit besonderen Eigenschaften ausgestatteter „absolut ruhender Raum“ eingeführt, noch einem Punkte des leeren Raumes, in welchem elektromagnetische Prozesse stattfinden, ein Geschwindigkeitsvektor zugeordnet wird.“

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518

Spezielle Relativitätstheorie

8.2

Relativistische Kinematik

Addition von Geschwindigkeiten In der klassischen Physik (v ∆t‘. Längenkontraktion im Minkowski-Diagramm S‘ bewegt sich wiederum mit v = 0,7 c gegenüber S. Daraus ergeben sich die gleichen Neigungswinkel der Achsen und Achseneinheiten wie oben genannt. In seinem Ruhesystem S hat ein Maßstab die Länge l = 1 Ls. Im System S‘ (Diagramm unten) wird dann die Länge zu l‘ = 0,7 Ls bestimmt. 2

t in s

t' in s

} 2 2

c 2 + v 2     e‘ = e · } Mit v = } 23  c und e = 1 cm erhält man:

√ 

l' 1

} c 2 + }  4 c 2

Ist die Achseneinteilung bekannt, können für je­ des Ereignis die Orts­ und Zeitkoordinaten für das jeweilige Bezugssystem bestimmt bzw. aus dem Diagramm abgelesen werden. Darüber hinaus sind quantitative Aussagen zu Ereignissen möglich.

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x' in LS

2

2

9 e‘ = 1 cm · }     = 1,61 cm 2 4 2

c – }  9 c

x in Ls

1

1

0 0

1

2

l

3

x in Ls

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Spezielle Relativitätstheorie

Die Längenkontraktion In der klassischen Physik ist die Länge eines Körpers und damit der Abstand zweier Punkte eine invariante Größe. In relativistischer Betrachtungsweise hängt aber die Länge ebenso wie die Zeit von der Bewegung des Bezugs­ systems ab.

Die Länge, die ein Beobachter in sei­ nem Inertialsystem für eine ruhende Strecke misst, nennt man Eigenlänge.

Das bedeutet: In seinem Ruhesystem hat ein Körper seine größte Länge.

Wir betrachten dazu eine sehr schnell fliegende Rakete, die in A und B zwei synchronisierte Lichtuhren (b S. 519) mitführt. Sie bewegt sich mit ho­ her Geschwindigkeit gegenüber einem System S, in dem sich eine Lichtuhr C befindet. In diesem System wird die Zeit gemessen. Die Zeit des Vorbeiflugs wird in beiden Systemen gemessen. Für S' ergibt } sich die Zeit ∆t' und damit als Abstand AB = l ' = c · ∆t'.   Für das System S ergibt die Zeitmessung aufgrund der Zeitdilatation (b S. 522) die kürzere Zeit und damit auch einen kleineren Abstand l = c · ∆t. a)

B

l'

System S'

A

b)

C t1 System S

System S'

B

A

C t2 System S

Körper, die sich relativ zu einem Beobachter schnell bewegen, erschei­ nen für diesen in Bewegungsrichtung verkürzt. Dieser relativistische Effekt der Längenverkürzung wird als Längenkontraktion bezeichnet. Für die Längenkontraktion gilt die Gleichung:

Abgeleitet ist diese Bezeichnung von contrahere, lat. = verkürzen.

√ 

l = l '

} v2

1 – } 2  = } l 'k   c



l ' v c k

Länge im ruhenden System (Eigenlänge) Relativgeschwindigkeit Lichtgeschwindigkeit im Vakuum Lorentzfaktor (b S. 522)

Betrachten wir eine Person, die mit 90 % der Lichtgeschwindigkeit an der Erde vorbeifliegt (b Abb.). Der 1 m lange Stab, der mit 1 m lang ihr fliegt, hat im System der 0,44 m lang Person P immer eine Länge von 1 m. Ein Beobachter E v = 0,9 c P auf der Erde misst aber eine E kleinere Länge. Sie ergibt sich mit der oben genannten Glei­ chung:

}2

√ 

l = 1m · 1 – (} 0,9 c c )   

Erde

l = 0,44 m Umgekehrt würde für P ein 1 m langer Stab, der auf der Erde liegt, nur 0,44 m lang sein.

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Relativistische Dynamik und Ausblick

8.3

Relativistische Dynamik und Ausblick

Relativität der Masse In der klassischen Physik ist die Masse als Maß für die Trägheit und die Schwere eines Körpers definiert. Sie wird als konstant angesehen. Für ein abgeschlossenes System gilt der Satz von der Erhaltung der Masse. Diese Aussagen gelten uneingeschränkt für einen Beobachter in einem Inertialsystem mit Körpern, die sich gegenüber dem Beobachter mit Ge­ schwindigkeiten bewegen, die klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit sind. Die Masse eines Körpers oder Teilchens, die ein Beobachter registriert, der sich in einem Inertialsystem gegenüber dem Körper oder dem Teil­ chen in Ruhe befindet, wird als Ruhemasse m0 bezeichnet. Werden aber z. B. Elektronen durch elektrische Felder beschleunigt, dann zeigt sich, dass ihre Masse nicht konstant ist, sondern mit der Geschwindig­ keit zunimmt. Der Zusammenhang zwischen der Masse und der Geschwindigkeit ist im nachfolgenden Diagramm dargestellt. m } m0

Bereits 1904 berech­ nete der österrei­ chische Physiker f riedriCh h AseNöhrl (1874 –1915), dass der elektromagne­ tischen Feldenergie E   eine Trägheit von } c2 entspricht. Wichtige Vorarbei­ ten leistete auch der französische Mathematiker und Physiker J ules h eNri p oiNCAré (1854 –1912).

Bei den im Alltag auftretenden Ge­ schwindigkeiten ist die Massezunahme vernachlässigbar. 1  der Selbst bei } 10 Lichtgeschwindig­ keit vergrößert sich die Masse nur um den Faktor 1,005.

4 3 2 1 0

527

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

}vc

Die Masse eines Körpers oder Teilchens nimmt mit seiner Geschwin­ digkeit zu. Allgemein gilt: m

0 m = } } 2   = k · m0

√ 

v    1 – } 2 c

m m0 v k

Masse des bewegten Körpers oder Teilchens Ruhemasse Geschwindigkeit Lorentzfaktor

Die Masse m eines bewegten Körpers oder Teilchens wird im Unterschied zur Ruhemasse auch als relativistische Masse oder als dynamische Masse bezeichnet.

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Der Zusammenhang zwischen Masse und Geschwindigkeit kann mithilfe des Impulserhaltungssatzes hergeleitet werden. Experi­ mentell wurde die Vergrößerung der Masse mit der Geschwindigkeit erstmals 1908/1909 durch die Physiker K AufMANN und b uCherer nachge­ wiesen.

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528

Spezielle Relativitätstheorie

In den meisten Fällen ist es aus­ reichend, mit dem gerundeten Wert c = 300 000 } km   s

m   = 3,0 · 108 } s

zu rechnen.

Wie schnell müsste sich ein Körper bewegen, damit seine Masse doppelt so groß wie die Ruhemasse wird? Gesucht: v Gegeben: m = 2 m0 c = 3,0 · 108 } m s   Lösung: m0 Die Umstellung der Gleichung m = } } 2  nach v ergibt:

√ 

1 – } v 2   

√ 

} m02

c

√ 

} m 2

v = c 1 – } 2    = 3,0 · 108 } m 0 2     s   · 1 – } m

4m0

m v = 2,6 · 108 } s   Die Wechselwirkung zwischen Elementar­ teilchen wird in Detektoren (b Abb.) registriert.

Ergebnis: Damit die Masse eines Körpers doppelt so groß wie seine Ruhemasse ist, müsste er sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 260 000 } km   be­ s wegen. Das sind ca. 87 % der Vakuumlichtgeschwindigkeit und mehr km als die Lichtgeschwindigkeit in Wasser (225 000 } )  . s Die relativistische Massezunahme spielt in der Physik vor allem bei Teilchenbeschleu­ nigern eine Rolle. In solchen Beschleuni­ gern werden verschiedene Teilchen, z. B. Elektronen oder Protonen, nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Um die Teilchen durch Magnetfelder auf eine Kreisbahn zu zwingen, sind aufgrund der relativistischen Masse entsprechend starke Magnetfelder erforderlich. Schon bei einer Beschleunigung durch eine Spannung von 10 000 V erreichen Elektronen ca. 20 % der Lichtgeschwindig­ keit. In Beschleunigern werden k­Werte von 100 bis 50 000 erreicht. Äquivalenz von Masse und Energie In einer grundlegenden Arbeit, die A lbert e iNsteiN (1879 –1955) 1905 unter dem Titel „Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energiegehalt abhän­ gig?“ veröffentlichte, stellte er fest: „Die Masse eines Körpers ist ein Maß für dessen Energiegehalt.“ Er traf dort die fundamentale Feststellung:

Diese Gleichung ist die wahrscheinlich bekannteste physi­ kalische Gleichung. Sie hat fundamen­ tale Bedeutung.

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Die Gesamtenergie eines Körpers und seine dynamische Masse sind zueinander proportional. Masse und Energie sind äquivalent. Es gilt: E = m · c 2

E Gesamtenergie eines Körpers m Masse eines Körpers c Vakuumlichtgeschwindigkeit

14.03.11 11:56



Relativistische Dynamik und Ausblick

Äquivalenz von Energie und Masse bedeutet, dass jeder Art von Energie eine Masse zuzuordnen ist und umgekehrt jeder Masse eine Energie zuge­ ordnet werden kann. Daraus ergibt sich: – In jedem abgeschlossenen System ist die Erhaltung der Energie gleich­ bedeutend mit der Erhaltung der Masse. In relativistischer Betrachtungs­ weise umfasst somit der allgemeine Energieerhaltungssatz den Satz von der Erhaltung der Masse. Dieser wiederum wäre einem Satz von der Er­ haltung der dynamischen Masse äquivalent. In der Physik ist es aber üb­ lich, den Energieerhaltungssatz in den Vordergrund zu stellen. – Der Zusammenhang zwischen Energie und Masse ist nicht auf mecha­ nische Vorgänge beschränkt, sondern gilt für beliebige Vorgänge in der Makrophysik und in der Mikrophysik. Wird einem Körper Wärme zu­ geführt, so erhöht sich seine in­ nere Energie. Das führt zu ei­ nem entsprechenden Zuwachs an Masse. Wird z. B. 1 Liter Wasser von 20 °C auf 100 °C erhitzt, so muss ihm eine Energie von 335 kJ zugeführt werden. Das entspricht einer Masse von ∆m = } E2  = 3,7 · 10–12 kg.

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