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German Pages 374 [380] Year 1978
Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter von
Walter Ullmann
W DE
G_ 1978 Walter de Gruyter - Berlin - New York
SAMMLUNG GÖSCHEN 2211
Titel der Originalausgabe: A Short History of the Papacy in the Middle Ages © 1972 by Walter Ullmann Erschienen bei Methuen u. Co. Ltd. London, England Ins Deutsche übertragen von Angelika Seifert
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Ullmann, Walter Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter. — 1. Aufl. — Berlin, New York : de Gruyter, 1978. (Sammlung Göschen; Bd. 2211) Einheitssacht.: A short history of the papacy in the Middle Ages (dt.) ISBN 3-11-006505-3
1978 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · Karl J. Trübner Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz: Walter Pieper, Würzburg Druck: Saladruck Einband: Lüderitz & Bauer, Berlin
V O R W O R T ZUR DEUTSCHEN
AUSGABE
E s ist für mich eine nicht unverständliche Genugtuung, daß dieser Abriß der mittelalterlichen Papstgeschichte nunmehr auch auf deutsch erscheint, nachdem ihm eine italienische Übersetzung unter dem Titel Il Papato
nel Medioevo
(Rom-Bari, 1 9 7 4 ) vorangegangen ist. W i e dort
habe ich auch hier die bibliographischen Angaben um einige Zusätze ergänzt. Sie betreffen hauptsächlich Sekundärliteratur, die seit der 2. (englischen) Auflage ( 1 9 7 4 ) erschienen ist. Bei den Literaturangaben habe ich keineswegs Vollständigkeit angestrebt, weil sie bloß der Orientierung dienen sollen. E s ist das Anliegen dieses Abrisses, dem Leser des 20. Jahrhunderts das Werden, den Fortschritt, die Blüte und den Niedergang einer auf universaler Ebene sich entfaltenden
Institution
vor Augen zu führen, und zwar einer Institution, die auf kühne Weise geschichtliche und außergeschichtliche, menschliche und göttliche Normen auf sich anzuwenden verstand und unbeirrbar Herrschaftsgrundsätzen folgte, die aus einem G u ß waren, und ohne sichtbare Nahtstellen religiöse, juristische, theologische und philosophische Elemente in sich vereinigte. Eine Untersuchung der Frage, ob die Grundlage dieser päpstlichen Herrschaftsstruktur auch richtig war, gehört nicht in den Kompetenzbereich des Historikers, dessen Aufgabe es ist, eine Erklärung für die zivilisatorische Ausstrahlungskraft des mittelalterlichen
Papsttums
anzustreben, um damit eine historisch faßbare Institution dem Verständnis näher zu bringen. E s kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß die Wirksamkeit des Papsttums das Antlitz des europäischen Mittelalters entscheidend geprägt hat. Dem entspricht, daß das mittelalterliche Papsttum
zu einem
Menschheitsentwicklung
unabdingbaren
Teil
der
geworden war und daher
abendländischen als
geschichtliche
G r ö ß e einen wesentlichen Beitrag zum Selbstverständnis des modernen Zeitalters zu leisten imstande ist. Möge auch die deutsche Ausgabe eine wohkvollende Aufnahme erfahren und das Interesse der studierenden Jugend an einer sich selbst verwirklichenden Institution wachrufen. Cambridge, Sommer 1977.
W . U.
VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE Dieses Buch will in erster Linie die Entwicklung des mittelalterlichen Papsttums als Institution in Umrissen aufzeigen. Im ganzen umspannt es dessen Geschichte von den bescheidenen und unbedeutenden Anfängen im Spätrömischen Reich bis zu seinem allmählichen Niedergang im Zeitalter der Renaissance. Kernpunkt ist das Papsttum, nicht die einzelnen Päpste. Allerdings treten einzelne unentbehrliche Figuren in den Vordergrund, da eine Institution nur durch Menschen wirksam werden kann, aber sie sind nur ausführende Organe im Dienste der Idee, die durch die Institution verkörpert wird. Zweifellos gab es große und hervorragende Persönlichkeiten, als Träger des Amts wurden sie jedoch von der Institution selbst geformt und geführt. Eine Geschichte des mittelalterlichen Papsttums ist deshalb nicht die Summe einzelner Papstbiographien. Die Geschichte des mittelalterlichen Papsttums ist die Geschichte einer Idee; in seiner Entstehung und Zusammensetzung war dieser Ideenkomplex die von Zeit und Ort abhängige Auffassung des Christentums. Er fand seine Verkörperung und Manifestation im Organismus des Papsttums, welcher sich ausschließlich von dieser überpersönlichen Idee nährte. Mit Recht läßt sich sagen, daß es das Papsttum war, das im Früh- und Hochmittelalter die Päpste führte — das Amt absorbierte die Person des Papstes. Eben dieser Sachverhalt ist es, der das mittelalterliche Papsttum zu einer Institution sui generis machte und jeden Vergleich mit anderen Herrschaftsformen — in König- oder Kaiserreichen, Städten, Körperschaften, Fürstentümern, herrschenden Dynastien usw. — sinnlos erscheinen läßt. Denn das Papsttum arbeitete nach einem verhältnismäßig genauen Programm, es beruhte auf einer Konzeption, die es sich nicht selbst gegeben hatte, sondern die ihm durch einen besonderen göttlichen Auftrag verliehen worden war. Ob diese These als Lehrmeinung haltbar ist, hat nicht der Historiker zu entscheiden. Seine Aussage kann lediglich dahingehen, daß das Papsttum die einzige Institution Europas oder des westlichen Zivilisationskreises ist, welche das nachapostolische und das atomare Zeitalter miteinander verbindet: als Institution hat es Entstehung, Wachstum, Blüte, Niedergang und Ende mächtiger Reiche, Völker und sogar ganzer Zivilisationen miterlebt; es war Zeuge von radikalen weltgeschichtlichen Umwälzungen, von Weltkriegen und Volkserhebungen solchen Ausmaßes,
Vorwort zur ersten Auflage
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daß sie gänzlich neuartige politische und soziale Strukturen mit sidi brachten. Da der Kernpunkt das Papsttum ist und nicht die Päpste, liegt die Betonung auf der organischen Entwicklung der Institution. Einzelne Päpste treten nur in ihrer Eigenschaft als Vermittler und Werkzeug der päpstlichen Idee in Erscheinung. Folglich wird bestimmten Entwicklungen und Richtungen weniger Aufmerksamkeit geschenkt als anderen, während umgekehrt etwa die Entfaltung der päpstlichen Idee in Raum und Zeit im Vordergrund stehen — eine angesichts der Thematik des Buchs verständliche Unterscheidung. Der Versuch einer Darstellung der historischen Entwicklung des Papsttums als Institution mußte unternommen werden: Gesdiichten der Päpste gibt es genug. Meiner Meinung nach ist dem allgemein interessierten Leser und dem Geschichtsstudenten, für den dieses Buch in der Hauptsache bestimmt ist, mit der Konzentration auf die entscheidenden Dinge und Merkmale auch besser gedient als mit einer bloßen Anhäufung von Tatsachen, die oft, wenn überhaupt, nur dürftig zusammengehalten werden durch eine zufällig erhaltene Quelle oder, noch häufiger, durch ihr gleichermaßen zufälliges Auftreten innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Durch das ganze Buch hindurch habe ich einen Punkt betont, dessen Behandlung in einer Arbeit über das Papsttum (im Unterschied zu einer über die Päpste) unerläßlich ist, nämlich die Rolle Konstantinopels in der Entwicklung der päpstlichen Institution. Die kaiserliche Regierung in Konstantinopel war von entscheidender Bedeutung für die Richtung, in welcher sich Antlitz und Aufbau des Papsttums entwickelten: dieser Punkt wurde bisher nicht genügend hervorgehoben, muß aber zum Verständnis der Geschichte der päpstlichen Institution betont werden. In mehr als einer Beziehung war die Geschichte des mittelalterlichen Papsttums mit der Existenz des byzantinischen Reichs unlösbar verbunden. Um es kurz auszudrücken, in den entscheidenden Punkten wurde der Weg des Papsttums vielfach durch die Herausforderungen seitens Konstantinopels und die päpstliche Reaktion darauf bestimmt. Abschließend soll festgestellt werden, daß dieses Buch auch den bescheidenen Versuch darstellt, historische Faktizität mit Ideen zu verknüpfen, da die Konzentration auf das eine und der Ausschluß des anderen nicht mehr angemessen erscheint; auf jeden Fall sind beide ohnehin zu eng miteinander verwoben, um künstlich getrennt zu werden. Im Lauf der Jahre wurde mir häufig nahegelegt, ein Buch dieser Art zu verfassen. Es bedarf wohl kaum besonderer Betonung, daß ich mich nur sehr zögernd zu diesem Unternehmen entschloß, denn wer schreckt nicht zurück bei der Vorstellung, innerhalb der gesetzten Grenzen einen so umfassenden Zeitraum und vor allem ein so zentrales
VI
Vorwort zur ersten Auflage
Thema wie das mittelalterliche Papsttum darzustellen? Was midi schließlich dodi zur Annahme all dieser Vorschläge bewog, war die Überlegung, daß etwa ein Vierteljahrhundert lang alle meine Vorlesungen in irgendeiner Weise dieses Thema behandelt hatten; es bildete den Kern meiner Lehrtätigkeit, war zum Teil audi jahrelang Inhalt meiner Forschungsarbeit und fand seinen Niedersdilag in Veröffentlichungen, die mit dem Gegenstand dieses Buchs verwandt sind. Nur mir ist bekannt, wieviel dieses Werk anderen verdankt; wieviel Anregung und Ermutigung ich durch Kollegen und Freunde erhielt, die mir Exemplare und Sonderdrucke ihrer Werke zur Verfügung stellten, die zu übersehen mir sehr zum Schaden gereicht hätte; zu wieviel Dank ich vor allem meinen vielen Schülern, Studenten und Doktoranden, verpflichtet bin, die jahrelang in meinen Übungen, Seminaren und Sprechstunden Nachsicht mit mir hatten und deren frische und gänzlich ungekünstelte Art für mich immer eine gesunde Anregung bedeutete. An dieser Stelle will ich ihnen allen herzlich danken: vielleicht merkten sie selbst nicht, wie sehr ich schätzte, was sie in jugendlichem Eifer vorbrachten. Schließlich gilt, wie schon bei früheren Gelegenheiten, diesmal mein besonderer Dank meiner Frau für ihre Ermutigung und unentbehrliche Hilfe, vor allem aber für ihre selbstlose und verständnisvolle Geduld während der Entstehungsphase dieses Buchs, einer Zeit voll Druck, Kummer und Widrigkeiten. Für die Leser, die gern bestimmte Punkte weiterverfolgen möchten, habe ich einige „Bibliographische Hinweise" angehängt: sie enthalten Hinweise auf primäres und sekundäres Quellenmaterial. Sie sind nur als ganz grobe Anhaltspunkte gedacht und dienen nicht als Ersatz für eine vollständige Bibliographie. Cambridge, 18. Februar 1971
W.U.
VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Dieses Buch ist der Versuch einer mittelalterlichen Papstgeschichte, die die lineare geschichtliche Erzählart mit einer Darstellug der geistigen, rechtlichen, verfassungs- und verwaltungsgeschichtlichen Entenwicklungen zu vereinigen trachtet. Diesen neuartigen Versuch unternahm ich seinerzeit nur mit großem Unbehagen, wurde aber durch die Aufnahme des Buchs in Fachkreisen und unter Studenten belohnt und ermutigt. Wesentliche Änderungen waren nicht nötig, aber ich habe bei dieser Gelegenheit einige kleinere Irrtümer und ein paar Druckfehler verbessert sowie die Sekundärliteratur in einigen Punkten auf den neuesten Stand gebracht. Möge dieses Buch auch weiterhin seinem ursprünglichen Zweck dienen, nämlich der Einführung interessierter Studenten in die geschichtliche Entwicklung einer der zentralen und faszinierendsten Institutionen des mittelalterlichen Europa. Cambridge, 29. Juli 1973
W.U.
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort zur deutschen Ausgabe
III
Vorwort zur ersten Auflage
IV
Vorwort zur zweiten Auflage
VII
I. Das Papsttum im spätrömischen Reich
1
II. Die Auseinandersetzung zwischen Papsttum und kaiserlicher Regierung
24
I I I . Das Papsttum und die Bekehrung Englands
46
IV. Die W e n d u n g des Papsttums zum Westen
64
V. Papsttum und Abendland
83
VI. Das deutsche Kaisertum und das Papsttum
107
V I I . Das Zeitalter Gregors V I I
132
V I I I . Spannungen und Konflikte
162
IX. Das mittelalterliche Papsttum auf seinem H ö h e p u n k t
.
189
X. Zentralismus und Kurie X I . Allmählicher Niedergang der päpstlichen Autorität .
214 .
.
.
X I I . Avignon, Rom u n d Konstanz
237 264
X I I I . Die letzte Phase in der Geschichte des mittelalterlichen Papsttums
290
Abkürzungsverzeidinis
316
Bibliographische Hinweise
319
Liste der mittelalterlichen Päpste
350
Register
354
I. DAS PAPSTTUM IM SPÄTRÖMISCHEN REICH Die Verfügung vom Jahre 313, mit der Kaiser Konstantin der Große nicht nur der christlichen Kirche Freiheit der Religionsausübung zugestand, sondern auch die Rückgabe des während der Verfolgungen beschlagnahmten Kirchenbesitzes anordnete, hatte zwingend weitreichende Folgen für die römische Stadtkirche. Sie hatte während der vorausgehenden eineinhalb Jahrhunderte eine Art Führungsstellung in religiösen Lehrfragen erlangt. Die konstantinische Regelung erkannte diese Sachlage an. Darüberhinaus war der Kirche Roms durch eine Reihe früherer Schriftsteller und Theologen, die bestimmte Bibelstellen, namentlich aus dem Neuen Testament, auf sie bezogen, ein Vorrang eingeräumt worden. Beachtenswert dabei ist, daß dieser biblisch begründete Vorrang der römischen Kirche von Schriftstellern und Kirchenlehrern außerhalb Roms vertreten wurde. Diese Tatsache muß im Auge behalten werden, will man die historische Situation richtig einschätzen: weder vor, noch beträchtliche Zeit nach dem konstantinischen Frieden gab es von Seiten der römischen Kirche selbst irgendeinen Hinweis auf eine biblische Begründung ihrer Vorrangstellung unter den christlichen Gemeinden. Der Beratungsmechanismus, den die römische Kirche in den Jahrhunderten vor Konstantin entwickelt hatte, stand völlig in Einklang mit dem Prinzip von Herrschaft durch Recht. Denn die Synoden (oder Konzilien), die häufig in Rom unter dem Vorsitz des römischen Bischofs abgehalten wurden, waren Versammlungen, auf denen strittige Fragen erörtert und schließlich in Form von cánones, d. h. Dekreten, beschlossen wurden. Diese Verfahrensart stärkte das Ansehen der Kirche Roms ganz beträchtlich, denn die Synoden hatten großes Gewicht — nicht, weil sie unter dem Vorsitz des römischen Bischofs stattfanden, sondern weil eine Berufung an eine andere, höhere Instanz nicht möglich war. Zum Zeitpunkt der Regelung von 313 hatte die römische Kirche eine zwar etwas größere, aber rein moralische Autorität im Vergleich zu anderen Kirchen, so wie Rom eben größeres Gewicht hatte als etwa Mailand oder Marseille. Es findet sich aber noch kein Hinweis darauf, daß die römische Kirche einen gesetzlich oder verfassungsrechtlich verankerten Vorrang innehatte. Das höhere moralische Ansehen jedoch, das sie besaß, war eine sehr wichtige Voraussetzung für die spätere Entwicklung der Frage des päpstlichen Primats.
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
Die unmittelbarste Auswirkung der konstantinisdien Regelung auf die römische Kirche war, daß sie — wie jede andere Kirche im Römischen Reich auch — zu einer Persönlichkeit im Rechtssinne gemäß den Vorstellungen des römischen Rechts wurde. Diese Anerkennung als korporativer Verband hatte in ihrem Fall ersichtlich bedeutendere Folgen als bei anderen Kirchen. Die römische Kirche wurde dadurch dem öffentlichen römischen Recht unterstellt. Sie war — wie die ganze christliche Gemeinde, die Gesamtheit der Kirche — eine öffentlich-rechtliche Körperschaft geworden mit allen damit verbundenen rechtlichen Folgen. Außerdem war schon zu Beginn des 4. Jahrhunderts ihre innere Organisation höher entwickelt und umfassender als die der übrigen Kirchen im Kaiserreich. So hatte ζ. B. in der vorangegangenen Generation Papst Cornelius in einer Mitteilung an Antiochien (im Jahre 253) ganz nebenbei erwähnt, zur römischen Kirche gehörten außer ihrem Bischof 46 Priester, 7 Diakone, 7 Subdiakone, 52 Exorzisten, Lektoren und Pförtner, das Dienstpersonal und natürlich die Mitglieder ohne amtlichen Rang nicht gerechnet. Daß diese Gemeinde einer Organisation bedurfte, versteht sich von selbst. Die Römer waren schon immer für ihr Organisationstalent bekannt gewesen, und in der Tat weisen die vorhandenen Quellen auf eine hochentwickelte Struktur hin. Als deshalb Konstantin der römischen Kirche Rechtspersönlichkeit verlieh, war es für sie von unschätzbarem Vorteil, über eine schon vorhandene, beträchtlich hochstehende Gliederung zu verfügen. Die kaiserliche Herrschaft des 4. Jahrhunderts war das klassische Beispiel einer Monarchie. In diesem Jahrhundert begann die römische Kirche einigen der sogenannten petrinologischen Programmpunkte besondere Beachtung zu schenken, wie sie von Schriftstellern wie Tertullian und Cyprian vertreten wurden. Da im Mittelpunkt dieser Thesen Stellung und Funktion des hl. Petrus als Haupt der Apostel standen, kristallisierten sich aus verständlichen Gründen bei den römischen Bischöfen monarchische Tendenzen heraus. Wie dem auch sei, es gab im Rom des 4. Jahrhunderts eine sehr ausgeprägte Strömung, die sich vom Polytheismus ab- und dem Monotheismus zuwandte — die eine Gottheit ersetzte die vielen. Diese philosophisch-religiöse Tendenz erwies sich als sehr vorteilhaft für die monarchischen Neigungen des Papsttums (wie die allmählich üblich werdende Bezeichnung für die römische Kirche lautete). Tatsächlich sprach auch Konstantin selbst im sog. Edikt von Mailand (313) von der „Gottheit auf dem himmlischen Thron" und unterstrich damit die Lehre von dem einen höchsten Gott, die ja den Kern des christlichen Bekenntnisses bildet. Nachdem Konstantin seinen Regierungssitz nach Byzantium verlegt hatte (der Stadt am Bosporus,
Das Papsttum im spätrömischen Reich
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die bald seinen Namen tragen sollte, Konstantinopel), bediente er sich in seinem Bemühen um die Wiederherstellung und Erhaltung der politischen und religiösen Einheit des Reichs eines Instruments, das gewöhnlich auch die römische Kirche benutzt hatte: der Synode. Schon im Jahr nach der Mailänder Erklärung berief er ein Konzil nach Arles, das noch immer als die erste von einem nicht-christlichen Herrscher einberufene Kirchenversammlung gilt. Ihr Ziel war es, voneinander abweichende Lehrmeinungen innerhalb des Christentums auf einen Nenner zu bringen. Die Verlegung des kaiserlichen Sitzes von Rom nach Byzantium hatte sofort einen Bedeutungszuwachs für die östlichen Provinzen zur Folge, während aber gleichzeitig die Rolle der römischen Kirche dadurch in Mitleidenschaft gezogen wurde und Rom selbst in seiner Bedeutung sank. Auf dem von Konstantin einberufenen großen Konzil von Nicäa (325), dessen Aufgabe es war, eine gemeinsame Grundlage für die verschiedenen christlichen Richtungen zu finden, waren mehrere hundert Bischöfe anwesend, während die römische Kirche nur durch zwei Priester vertreten war. Das Gewichtsverhältnis neigte so sehr dem Osten zu, daß insgesamt nicht mehr als vier westliche Bischöfe zugegen waren, wobei das Haupt dieser kleinen Gruppe, der fünfte westliche Bischof, Hosius von Cordoba, als kaiserlicher Berater fungierte. Die Bedeutung dieser Sachlage wird unschwer klar: in den Entscheidungen des Ersten Allgemeinen Konzils spielte die römische Kirche nicht einmal eine untergeordnete Rolle, obwohl ihr eine spätere Geschichtsschreibung die Führung dieser Kirchenversammlung zuschrieb. Die Einberufung dieses Konzils, seine Zusammensetzung und das Übergewicht der östlichen Teilnehmer waren bedeutungsvolle Anzeichen. überaus wichtig in diesem Zusammenhang ist die Bezeichnung „Neu-Rom" für Byzantium, die Konstantin in seiner Eröffnungsrede verwendete — er schlug damit das Leitmotiv eines neuen größeren Zusammenhangs an. Für die Stadt Rom und also auch für die Stellung der römischen Kirche war die Bedeutung dieser Umbenennung klar: Konstantinopel war der administrative und politische Mittelpunkt des Reichs geworden. Dieser Umstand sollte den Weg der römischen Kirche weitestgehend bestimmen. Vor allem konnte, da die römische Kirche nun — wie jede andere — dem römischen Recht unterstand, das ja das ius in sacris mit einschloß, das Recht des Kaisers, ein Konzil einzuberufen und sich in die Angelegenheiten der christlichen, einschließlich der römischen Kirche zu mischen, vom verfassungsrechtlichen Standpunkt keinesfalls in Frage gestellt werden. Diese unmittelbare kaiserliche Autorität in kirchlichen Dingen war ja gerade einer der Inhalte der konstantinischen Regelung.
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
Die Bezeichnung des Kaisers als pontifex maximus (oberster Priester), ein Amt, das er nach altem römischem Gewohnheitsrecht ohnehin innehatte, war deshalb kein leerer Titel. So erhielt der erstarkte kaiserliche Absolutismus eine kräftige Bestätigung, einerseits durch den Einfluß des christlichen Monotheismus, andererseits infolge der Eingliederung der ganzen christlichen Kirche in das sakral-öffentliche Recht. Der Kaiser hatte dadurch ein einzigartiges Gesetzgebungsmonopol in kirchlichen Dingen. Auf diesen Sachverhalt sollte besonderes Augenmerk gelenkt werden, weil er zu einem guten Teil die wachsenden Spannungen zwischen Konstantinopel und dem Papsttum erklärt, Spannungen, die allmählich zur Spaltung in Ost und West führten. Das Drama, das sich im folgenden Jahrtausend abspielte, hatte seine Ursache größtenteils in dieser verfassungsrechtlichen Konstruktion der konstantinischen Regelung. Obwohl bisher kaum erkannt, war dieser Aspekt von höchster Bedeutung für die Reichsregierung in Konstantinopel. Durch die Zielsetzung der kaiserlichen Regierung, nämlich die Reichseinheit wiederherzustellen und zu erhalten, wird erklärlich, warum die Kirche Roms als die zentrale Kirche im Reich sich besonderer kaiserlicher Privilegien erfreuen sollte. Der Kaiser verbesserte ihre materielle Lage durch besondere Schenkungen — die tausend Jahre später Zielscheibe für Dantes beißende Kommentare waren — und begann ein bemerkenswertes Aufbauprogramm, das in seiner Großzügigkeit auch von späteren Herrschern nicht übertroffen wurde. Der römische Bischof erhielt einen Sitz, wie es sich für den Bischof der ersten Stadt im Reich geziemte — den Lateranpalast — und daneben begann der Kaiser den Bau der bischöflichen Kirche. Nicht unerwähnt sollte hier die andere römische Kirche — die St. Peters-Basilika — bleiben; nach ihrer Vollendung wurden angeblich die sterblichen Überreste des Apostels hierhin überführt. Innere organisatorische Maßnahmen begleiteten diese Verbesserung der äußerlich-materiellen Lage. Die römische Kirche begann nun, Strukturen der kaiserlichen Herrschaft nachzuahmen. Dieser Vorgang sollte während der ersten Zeit ihrer Entwicklung von höchster Bedeutung werden. Nach kaiserlichem Muster wurde eine Kanzlei geschaffen und über die ein- und auslaufende Post im Lateranarchiv Register geführt. Darüberhinaus erfreuten sich die Kleriker der römischen Kirche infolge der kaiserlichen Gesetzgebung bald sehr vieler besonderer Privilegen, die auf ihre Exemtion von öffentlichen Lasten, besonders von Steuern, hinausliefen und sie in allen Streitigkeiten, die Fragen des Glaubens, der kirchlichen Lehre und der Disziplin betrafen, von der Rechtsprechung durch kaiserliche Gerichtshöfe befreiten (23. Juni 318). Selbst reine Zivilfälle mußten einem kaiserlichen Gericht entzogen und der
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bischöflichen Entscheidung unterworfen werden, wenn auch nur eine der Parteien dies wünschte. Eine paradoxe Situation ergab sich jedoch dadurch, daß gerade die Freiheit der Entfaltung, die den christlichen Kirchen durch kaiserlichen Erlaß gewährt worden war, zur Entstehung einer ganzen Reihe von Sonderlehren führte, vor allem im Osten. Ernsthafte innere Zerrissenheit war die Folge. Es fehlte eine zentrale Autorität zur endgültigen Beilegung strittiger Punkte. Die einzige Gewalt dieser Art war die Reichsregierung. Wollte sie den Zerfall der christlichen Gemeinschaft in verschiedene Fraktionen, Gruppen und Sekten verhindern, so hatte sie wohl keine andere Wahl, als allen Kirchen die Einheit aufzuzwingen; andernfalls wäre das vorrangige Ziel, das Konstantin mit der Befreiung der christlichen Kirche verfolgt hatte, zunichte gemacht worden. Für das Jahr 343 wurde durch kaiserlichen Erlaß ein Konzil nach Sardica (Sofia) einberufen, aber es erreichte wenig außer einer Bekräftigung der überragenden Funktion des römischen Bischofs, weil „er die Erinnerung an den hl. Petrus aufrechterhielt". Die Vagheit dieser dogmengeschichtlich gewiß interessanten Aussage ist wahrscheinlich verantwortlich für den geringen praktischen Widerhall des Dekrets, das die Primatstellung der römischen Kirche nicht ohne Zweideutigkeit behauptete. Das kaiserliche Vorgehen, mit dem eine Einheit erzwungen werden sollte, schuf eine Situation, in der der römische Bischof stark unter Druck gesetzt wurde: im Jahr 355 verbannte Kaiser Konstantius Liberius, den Bischof von Rom, bis dieser sich fügte. Dieses Ergebnis machte deutlich, welch großes Interesse die kaiserliche Regierung damals daran hatte, die Zustimmung der römischen Kirche für ihren Plan, die Einheit des christlichen Glaubens, der nach Konstantins Willen das Ferment des Reichsorganismus sein sollte, zu gewinnen. Als Kirche der Reichshauptstadt besaß die römische Stadtkirche eine vorrangige und überlegene Autorität, sodaß ihre Zustimmung zu allen geplanten kirchlichen und religiösen Maßnahmen im Interesse des römischen Reichs lag. So wurde durch die kaiserliche Politik der Boden bereitet für den späteren juristischen Vorrang und Primat der römischen Kirche. In der Geschichte des Papsttums — und der Christenheit — war das Dekret Kaiser Theodosius' !.. (27. Februar 380) von grundlegender Bedeutung. Es machte das Christentum in der Gestalt, die die Kirchen von Rom und Alexandria ihm aufgeprägt hatten, zur Religion des römischen Reichs. Im wesentlichen akzeptierte dieser Erlaß ganz den Standpunkt Roms und Alexandrias, nämlich das strikte Festhalten an den Dekreten von Nicäa und die Verwerfung des Arianismus. Der Kern des kaiserlichen Erlasses war, daß alle Reichsuntertanen von jetzt an die Religion annehmen mußten, „die der Apostel Gottes (d. h. Christi), der
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
hl. Petrus, den Römern überliefert hat und zu der sich nun der ,Pontifex' Damasus und seine apostolische Heiligkeit, der Bischof Peter von Alexandria, bekennen". Dann folgte die nizänische Trinitätserklärung, daß jeder Verstoß gegen dieses Bekenntnis Ketzerei und deshalb gegen das Reich selbst gerichtet sei. Die Gleichberechtigung, die in diesem Dekret des Theodosius zwischen den Kirchen Roms und Alexandrias hergestellt worden war, bestand nicht länger als ein Jahr. Im Jahre 381, bei Gelegenheit des Zweiten Allgemeinen Konzils, wurde der Platz der Kirche Alexandrias von der Konstantinopels eingenommen. Höchst bedeutungsvoll erhielt sie den Namen „Kirche von Neu-Rom" und den Rang unmittelbar nach der römischen Kirche. Die Kirche von Konstantinopel war zu der Stellung aufgestiegen, die bisher Alexandria innegehabt hatte, weil Konstantinopel die Hauptstadt des Reichs war, und der Vorrang, der Rom immer noch zugestanden wurde, beruhte auf ähnlichen Überlegungen: Rom war die alte Hauptstadt. Im Hinblick auf spätere Entwicklungen muß jedoch betont werden, daß Theodosius in seinem Edikt, das die Erlasse dieser Synode (ergangen am 30. Juli 381) bestätigte, Rom oder die römische Kirche überhaupt nicht erwähnte. Ganz im Einklang mit dem konstantinischen Standpunkt betonte er die alleinige Autorität der kaiserlichen Regierung über die Rechtgläubigkeit der Bischöfe (und damit aller Christen) zu wachen. Damit machte die Regierung ganz klar, daß Rom und seine Kirche auf einen niedrigeren Rang verwiesen werden sollten. Rom sollte nur noch als historische Stätte Bedeutung haben. Dieser neuen Position der römischen Kirche gab das Dekret des Konzils von Konstantinopel Ausdruck, indem es allen Bischöfen Einmischung in die Zuständigkeiten einer anderen Diözese untersagte. Seine Verwirklichung machte es Rom unmöglich, in Angelegenheiten Kontantinopels mitzureden. Dort lag nunmehr eindeutig der Schwerpunkt der Kirche. Nur vor diesem Hintergrund kann die folgende Entwicklung der römischen Kirche als Institution verstanden werden. Die Jahrzehnte vom späten 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts waren eine Zeit des Wachstums und der Reifung der die päpstliche Herrschaft tragenden Grundsätze und der institutionellen Entwicklung der römischen Kirche selbst. Es kann gar nicht stark genug betont werden, daß sich diese Entwicklung überwiegend als eine Reaktion auf die Herausforderung der päpstlichen Position durch die kaiserliche Regierung in Konstantinopel darstellte. Ein bedeutender Schritt in Richtung auf Institutionalisierung wurde von Damasus getan, dem ersten Papst, der von der römischen Kirche beständig als vom „apostolischen Stuhl" („sedes apostolica") sprach.
Das Papsttum im spätrömischen Reich
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Diese Bezeichnung, die während des folgenden Jahrtausends üblich werden sollte, erhob für die römische Kirche den Anspruch auf eine Monopolstellung, indem sie ihr einen höheren Rang und eine besondere Stellung unter allen übrigen Kirchen zusprach. I n Entgegnung auf die These des Konzils von Konstantinopel erklärte das in Rom 3 8 2 abgehaltene Konzil, die römische Kirche sei nicht durch irgendwelche synodalen Dekrete (ein kühner Hieb gegen das Konzil von Konstantinopel), sondern durch zwei Apostel, Petrus und Paulus, gegründet worden. Von nun an konnte die römische Kirche nicht nur zweifache apostolische Stiftung für sich in Anspruch nehmen — und keine andere konnte sich auf so vornehme Ahnen berufen — , sondern diese W ü r d e hob auch ganz klar den Unterschied zur Kirche von Konstantinopel hervor, die, jung wie sie war, nur dadurch, daß sie im Verwaltungszentrum des Reichs ihren Sitz hatte, zu ihrer Stellung gelangt war. Der Hinweis auf eine gottgewollte römische Kirche war eine weitere Aussage, die das Zweite Allgemeine Konzil von Konstantinopel herausforderte. Daß diese römische Synode vom Jahre 3 8 2 die historische Rechtfertigung der römischen Vorrangstellung durch ausdrücklichen Verweis auf eine göttliche Verfügung ersetzte, indem sie eine Stiftung durch Petrus (und, entsprechend dem synodalen Dekret, Paulus) geltend machte, war ein gewaltiger theoretischer Schritt nach vorn. Darüberhinaus arbeitete diese Synode von 3 8 2 mit der gewichtigen und schlagkräftigen Formel vom „Primat der römischen Kirche". Kein anderer Begriff, Programmpunkt oder Gedanke sollte eine ähnlich entscheidende Rolle spielen; ein sehr großer Teil der späteren päpstlichen Geschichte kreiste um Inhalt und Bedeutung des „Primats der römischen Kirche". Indem er so wiederholt Funktion und Stellung des hl. Petrus betonte, verschaffte der Pontifikat des Damasus der grundlegenden petrinologischen These amtlichen Eingang. Dieses Programm war schon vorher von Theologen, Schriftstellern und Literaten an die Öffentlichkeit gebracht worden, hatte aber noch keine amtliche Billigung in der päpstlichen Lehre oder Ideologie gefunden. Nur zwei dieser
Schriftsteller
seien hier erwähnt, Cyprian und Tertullian, weil das Papsttum ihre petrinologischen Thesen voll in sein Programm aufnahm und sie so dessen W e g mitbestimmten. Der erstere prägte den Begriff des
„Stuhles
des hl. Petrus" („cathedra P e t r i " ) , wobei er ihn eigens und ausschließlich auf die römische Kirche anwandte, während der letztere aufzeigte, wie sich christliche Lehrsätze unter dem Einfluß des römischen Rechts tatsächlich zu ihrem eigenen Vorteil voll ausgereift darstellen ließen. Römische Rechtswissenschaft wurde in den Dienst der christlichen Lehre und Philosophie gestellt — das bleibende Vermächtnis Tertullians. Was die römische Kirche ihm in dieser Hinsicht verdankte, ist noch immer
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nicht voll anerkannt. Denn gerade diese Anwendung juristischer Grundsätze ermöglichte es dem Papsttum, sich zu einer herrschaftlichen Anstalt auszubilden, die die Führung der Christen im Rahmen und mit den Mitteln des Rechts übernahm. Seit seinen frühesten Anfängen war das Papsttum auf römischem Boden und in römischer Umgebung herangereift. Wie sehr auch diese Verrech tlichung der Kirche Roms mißverstanden worden ist, das große Vermächtnis, welches die Institution dem späteren mittelalterlichen (und modernen) Europa hinterlassen hat, ist unleugbar, denn auf öffentlichem Gebiet war es in erster Linie die römische Kirche als Rechtsanstalt, die die Brücke schlug zwischen dem rohen, ungebildeten, barbarischen Westen und der alt-ehrwürdigen, reifen und voll entwickelten römischen Zivilisation. Nur das Papsttum in Rom bildete die feste Klammer. Indem es die Idee der antiken Rechtsstaatlichkeit weitervermittelte, hat das Papsttum einen grundlegenden, vielleicht seinen wesentlichsten Beitrag zur Entstehung und Entfaltung Europas geleistet. Voll verständlich ist deshalb, warum das Papsttum als Rechts- und Verwaltungsinstitution unschwer eine Reihe verwaltungstechnischer Mittel von der hochentwickelten und reifen Praxis kaiserlicher Herrschaft entlieh. Darunter fällt besonders die Art der Kommunikation mit den kirchlichen Autoritäten außerhalb Rom ins Auge. Papst Siricius, der unmittelbare Nachfolger des Damasus, war der erste, der jenen Brieftypus verwandte, der von da an das Werkzeug der päpstlichen Herrschaft werden sollte. Diese sogenannten päpstlichen Dekretalen orientierten sich an den „Dekreten" und „Antworten" („responsa"), die der Kaiser den Statthaltern der Provinzen zugehen ließ und durch die er strittige Rechtsfragen entschied. Im Jahre 385 sandte der Papst eine Dekretale an die spanischen Bischöfe, die älteste vorhandene Dekretale und ein rechtsgeschichtlich schlechthin unschätzbares Dokument. Wie schon der Name besagt, war eine Dekretale ein rechtsverbindlicher Brief, der strittige Punkte und Fragen mit letzter Autorität regelte („decernere ->- decretum est" ). Dieses Mittel an sich war schon Symptom für päpstliche Zentralisationsbestrebungen und den Autoritätsanspruch des Papsttums. Die Dekretale war eine juristische Entscheidung in einem konkreten Fall, aber — und es ist besonders wichtig dies festzuhalten — infolge der Allgemeingültigkeit päpstlicher Autorität erhielt auch sie allgemeingültigen Charakter. Diese älteste erhaltene Dekretale des Siricius stellte Programmpunkte auf, die in der Folgezeit zum unabdingbaren Gedankengut von Zehntausenden päpstlicher Dekretalen wurden. Der Papst sprach hier von sich als dem Erben des hl. Petrus, der eben in dieser Eigenschaft die Lasten aller zu tragen habe, und übernahm damit (nach dem paulini-
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sehen Muster) die Verantwortung für die ganze Christenheit als rechtlich verstandene Gesamtkörperschaft. Im Sinne der römischen Synode von 382 brachte diese Dekretale den petrinischen Nachfolgeanspruch mit der paulinischen Idee in Verbindung, daß auf dem Papst die Sorge für alle Kirchen ruhe (II Cor. 11.28). Petrinische und pàulinische Elemente flössen zusammen und vereinten sich mit juristischer Präzision und Eleganz. Vom rein juristischen Standpunkt war diese Dekretale des Siricius ein Meisterwerk an Subtilität, das den Einfluß der römischen Rechtswissenschaft auf das in der Entstehung begriffene Papsttum deutlich zutagetreten läßt. Nur von daher wird verständlich, daß, wieder ganz in Übereinstimmung mit kaiserlicher Praxis, seit den achtziger Jahren des 4. Jahrhunderts dem päpstlichen Archiv besondere Sorgfalt zugewendet wurde. Es war sozusagen die immer und ohne weiteres leicht zugängliche Schatzkammer päpstlicher Verlautbarungen. Von nicht geringerer Bedeutung in der Geschichte des Papsttums war die Anregung von Papst Damasus, der hl. Hieronymus möge die Bibel in ein ebenso leicht verständliches wie modernes Latein übertragen. Die Frucht dieser Anregung liegt in der Übersetzung vor, die später als die Vulgata bekannt geworden ist. Die ursprünglichen hebräischen und griechischen Texte der Bibel standen nun in einer lateinischen Sprache zur Verfügung, wie sie von den gebildeten Schichten Roms gegen Ende des 4. Jahrhunderts gesprochen wurde. Da aber ein Großteil vor allem des Alten Testaments stark mit juristischen Begriffsinhalten durchsetzt war, bot sich die Verwendung der römischen Rechtssprache zur Wiedergabe alttestamentarischer Ausdrücke von selbst an. Die Ausdrucksformen und -weisen des römischen Rechts wurden so ganz unmerklich in den Vulgatatext eingeflochten. W e r im Mittelalter die Bibel las, nahm gleichzeitig die Grundlagen der römischen Rechtswissenschaft in sich auf. Es wird gewöhnlich nicht beachtet, daß die lateinische Bibel für die Vermittlung der römischen Rechtsgedanken an das europäische Mittelalter von höchstem Einfluß war. Es versteht sich wohl von selbst, daß für das Papsttum ein brauchbarer und eleganter lateinischer Bibeltext von unschätzbarem Wert war. Betont werden muß jedoch auch, daß der Charakter des Papsttums als Rechtsanstalt in der Vulgata eine kräftige Stütze fand: der Dienst, den diese Übersetzung dem frühen und dem vollentwickelten Papsttum geleistet hat, ist bisher kaum erkannt worden, verdient aber nichtsdestoweniger eine angemessene Würdigung. Obwohl seit dem späten 4. Jahrhundert die hervorragende Stellung des hl. Petrus innerhalb der Stadtgrenzen Roms im Wesentlichen anerkannt war, und obwohl sein (und des hl. Paulus) Märtyrertod in Rom allgemein Glauben fand, war soweit noch kein Versuch unternommen
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worden, jedenfalls nicht von Seiten des Papsttums, das päpstliche Amt ausschließlich juristisch zu begründen. Es mochte zwar viel vom „apostolischen Stuhl", vom „Erben des hl. Petrus", und so weiter gesprochen werden, aber selbst wenn es dafür in der Bibel indirekte Andeutungen gegeben hätte, so fehlte dodi eine klare, unzweideutige Aussage zur Nachfolge Petri. Angesichts des Standpunkts jedoch, den das Papsttum seit Damasus bezogen hatte, machte sich das Bedürfnis nach einer eindeutigen historischen Begründung dieser Ansichten und Aussagen immer stärker fühlbar. Das Fehlen einer stichhaltigen, grundsätzlichen biblischen Erklärung muß damals als ein ernsthafter Mangel empfunden worden sein. So war es sicher kein Zufall, daß um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert ein am Ende des 2. Jahrhunderts entstandenes, ursprünglich griechisches Dokument durch Rufinus von Aquileja, der durch seine Übersetzung der Kirchengeschichte des Eusebius besser bekannt ist, ins Lateinische übertragen wurde. Dieses Schriftstück lieferte das fehlende Glied zwischen dem hl. Petrus und den Päpsten in Rom als seinen legitimen Nachfolgern. Eben hier wurde nun die entscheidende Bibelstelle in vollem Wortlaut zitiert, wo nämlich Christus dem hl. Petrus die Schlüssel des himmlischen Königreichs aushändigt, sodaß, was Petrus auf Erden löst, auch im Himmel gelöst sei, und was Petrus auf Erden bände, auch im Himmel gebunden sein solle. Diese Bevollmächtigung des hl. Petrus durch Christus hatte durch und durch formalrechtlichen Charakter, stand aber auch in Einklang mit jüdischer Tradition. Der juristische Inhalt dieser Matthäus-Stelle (Matt. 16. 18 f.) war womöglich in der lateinischen Übersetzung noch klarer herausgearbeitet, indem sie die für das römische Recht typischen Begriffe solvere (lösen) und ligare (binden) als Schlüsselbegriffe dieser Aussage verwendete. Die Bedeutung dieses Schriftstücks rechtfertigt einige zusätzliche Bemerkungen. Es stammt von einem unbekannten Verfasser und gibt vor, ein Brief von Papst Clemens I. — einer geschichtlichen Persönlichkeit — an den hl. Jakobus zu sein. Clemens macht in dieser Fälschung dem Bruder Christi von letzten Verfügungen Mitteilung, die Petrus getroffen habe, als er sein Ende nahe fühlte. Petrus habe, heißt es, die christliche Gemeinde Roms um sich versammelt und zu ihr folgende unmißverständliche Worte gesprochen: Ich (Petrus), verleihe ihm (Clemens) die Gewalt zu binden und zu lösen, sodaß, was immer er (Clemens) auf Erden entscheidet, im Himmel gutgeheißen wird, denn er bindet, was gebunden, und löst, was gelöst sein soll. Das war als letztwillige, öffentlich verkündete Verfügung gedacht, über deren Absicht kein Zweifel aufkommen konnte. Es handelte sich um einen Einsetzungsbericht, demzufolge Clemens der erste Papst nach
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Petrus war und von diesem vor der Versammlung der Römer zum Nachfolger ernannt wurde. Dieser Punkt war für den anonymen Verfasser des (griechischen) Schriftstücks von soldier Wichtigkeit, daß er mehrmals darauf zurückkam. Das Rechtsinstitut der Nachfolge schuf das „historisch" greifbare Verbindungsglied zwischen Petrus und den römischen Päpsten. Die lateinische Übersetzung des Rufinus erschien genau zur rechten Zeit. Aber, wie bei ihm üblich, übersetzte er nicht nur, sondern schmückte den griechischen Originaltext aus, frischte ihn auf und erhöhte die Bedeutung einiger Punkte, indem er stärkere Ausdrücke als der griechische Text verwendete. Was diesen Brief von Papst Clemens zu einer so hochbedeutsamen Urkunde macht, ist die geschickte Art, mit der die Aufmerksamkeit auf den juristischen Aspekt des päpstlichen Amtes gelenkt wurde. Natürlich gab es noch andere Bischofssitze, die der hl. Petrus gegründet hatte, vor allem Antiocheia, aber nur am römischen Sitz hatte Petrus einen Nachfolger eingesetzt. Das Schriftstück unterstrich so Besonderheit und Einmaligkeit des einzigen Nachfolgers Petri, es nahm sich besondere Mühe, auf die Nachfolger von Clemens hinzuweisen, indem es die Nachfolge als zentralen Begriff hinstellte. Während jeder Bischof als Nachfolger der Gesamtheit der Apostel galt, wurde der Bischof von Rom zum alleinigen Nachfolger des Hauptes der Apostel. Der Verfasser dieses Schreibens wollte den Rechtstitel des einen und einzigen Nachfolgers Petri präzise herausarbeiten und ihn auf diese Weise allen übrigen Bischöfen scharf gegenüberstellen. Als einziger Nachfolger des hl. Petrus konnte der Papst genauso handeln, wie Petrus selbst kraft der ihm von Christus übertragenen Gewalt gehandelt hätte. Sicherlich war in dieser Urkunde der Gedanke an eine rechtsgültig übertragene Alleinherrschaft eingeschlossen. Die spätere institutionelle Entwicklung des Papsttums verdankte dieser Epistel, die immer und immer wieder bis hin zum 16. Jahrhundert als letzte Autorität angerufen wurde, außerordentlich viel. Und vom frühen 5. Jahrhundert an wurden die entscheidenden Zeilen bei Matthäus während eines Jahrtausends, wenn nicht noch länger, — sichtbar oder unsichtbar — Hauptbestandteil einer jeden offiziellen päpstlichen Urkunde, Mitteilung oder Erklärung. Kurz, die lateinische Übersetzung dieses griechischen Schriftstücks bringt den geistigen und rechtlichen Inhaltsreichtum dieser Stelle bei Matthäus intensiv zum Vorschein. Als Folge wurde sie der unverrückbare Grundstein des mittelalterlichen Papsttums. Darüberhinaus erhielt das alleinige Verbindungsglied zwischen dem hl. Petrus und der römischen Kirche — ihre Petrinität — auch allegorische Darstellung. So wurde ζ. B. die paulinische Metapher des Körpers, den alle Christen bildeten, ausgeweitet durch die Betonung
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der lebenswichtigen Rolle, die das Haupt des Körpers, hier Petrus selbst und seine Nachfolger, in diesem Schema spielte. Außerdem erklärte der Papst in der schon erwähnten Dekretale des Siricius, daß die Mitglieder der Kirche immer beim „Haupt des Körpers" Zuflucht nehmen könnten. Dieses Bild von Haupt und Gliedern eines Körpers sollte aus Sprache und Denken des mittelalterlichen Papsttums nicht mehr verschwinden. Allegorien waren besonders geeignet, einige ganz grundlegende Themen möglichst eindrucksvoll und einprägsam darzustellen. Der Beitrag, den metaphorische Ausdrucksformen zur Festigung der päpstlichen Position leisteten, sollte fürwahr nicht unterbewertet werden. Sie sind verläßliche Zeugen für die Geisteshaltung ihrer Zeit und auch — wie in diesem besonderen Fall — selbst Wirkkräfte, die die historische Entfaltung des Papsttums vorantrieben. Es war deshalb nicht zu verwundern, daß das Papsttum schon im frühen 5. Jahrhundert den Anspruch erhob, Quelle und Ursprung ( „exordium" ) der Christenheit zu sein, im bildlichen wie im wörtlichen Sinn. Einige andere Faktoren verhalfen dem Papsttum im frühen 5. Jahrhundert zur vollen Verwirklichung seiner monarchischen Position. Das erste Jahrzehnt erlebte die gewaltige Invasion wilder Horden, die unter Alarich 410 Rom plünderten. Die Stadt war machtlos, denn die kaiserliche Regierung hatte sich auf Kosten des Westens mehr und mehr auf den Osten konzentriert, eine Politik, die die westliche Reichshälfte den Angriffen der germanischen Stämme praktisch wehrlos auslieferte. Weil aber der Schwerpunkt in Konstantinopel lag, hatte die kaiserliche Regierung weniger Gelegenheit, Kontrolle über das Papsttum auszuüben, welches, durch die Umstände einfach gezwungen, wenigstens in Rom eine aktiv führende Rolle übernahm. Dadurch wird verständlich, daß sich das Papsttum bemerkenswert schnell zu einer Herrschaftsinstitution entwickelte. Die Flut der Dekretalen während des Pontifikats Innozenz'I. erreichte einen Höchststand an Quantität wie an Qualität. Sie waren an italienische, spanische, gallische und afrikanische Metropoliten und Bischöfe gerichtet und bildeten den Grundstock aller späteren päpstlichen Dekretalensammlungen. An Stil, Aufbau und vor allem juristischem Scharfblick und Spürsinn waren sie ihren kaiserlichen Vorbildern (den Reskripten) durchaus ebenbürtig. Die Sprache dieser frühen Dekretalen war die einer autoritativen Herrschaft; sie waren überlegen und sachlich und strotzten von juristischer Weisheit. Der ihnen zugrundeliegende Gedanke wurde oft genug wiederholt: kein Bischof dürfe ungestraft eine päpstliche Dekretale oder Entscheidung einer Synode mißachten — ein Standpunkt, wie er schon in den Dekretalen des Siricius zum Ausdruck kam. Coelestin I. erklärte, „das Recht (verkörpert in den päpstlichen Dekretalen) sollte uns beherrschen und wir, als seine
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Empfänger, sollten versuchen, ihm zu dienen, nicht es zu beherrschen". Wohl nirgends, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt, wurde die Auffassung von der Herrschaft des Rechts im Rahmen einer öffentlichen Körperschaft so nachdrücklich betont. Diese Anschauung wurde noch gewichtiger, gemessen an der gleichzeitigen Brutalität, den Schrecknissen und anderen Begleiterscheinungen der Barbareneinfälle. Ein Vermächtnis des Papsttums aus dem 5. Jahrhundert war die Erkenntnis, daß eine zivilisierte Herrschaft nur im Rahmen des Rechts voll zur Geltung kommen könne. Das in den Dekretalen verkörperte und vertretene päpstliche Recht trug entscheidend zur Formung der mittelalterlichen Gesellschaft bei und gab ihr eine Prägung, die immer noch nicht genügend gewürdigt wird. Sinn der Dekretalen war es, die göttliche Satzung gemäß dem päpstlichen Programm auszulegen und den irdischen, menschlichen Gegebenheiten anzupassen. Recht warAusflußdes göttlichen Wesens, konnte aber der Menschheit nur durch entsprechend befähigte Organe nahegebracht werden. Dieser Punkt sollte im Laufe des 5. Jahrhunderts entscheidende Bedeutung erlangen, als nämlich das römische Reich, sicherlich nicht zu Unrecht, mit der oikumene,
d. h. mit der weltweiten Vereinigung aller
Christen, gleichgesetzt wurde. Das von den Päpsten in ihren Dekretalen verkündete Recht leitete seine Verbindlichkeit nicht von menschlicher Zustimmung oder Billigung oder überhaupt von weltlichen Erwägungen ab, sondern vom Glauben des Christen an die durch Gott verliehene Herrschaft über die Welt. Gott, so glaubte man, wirkte durch die Vermittlung geeigneter Beamter. Und da der monarchische Grundgedanke seine stärkste Stütze an der petrinologischen Idee, d. h. der Petrinität der römischen Kirche, hatte, ergab sich eine zentralisierte Form der Regierung ganz von selbst; das wurde unmißverständlich in einer der Dekretalen Innozenz' I. ausgedrückt, derzufolge alle „schweren" Fälle vor den apostolischen Stuhl gebracht werden müßten. Die Bedeutung dieses von Innozenz verkündeten Prinzips lag darin, daß es Einheitlichkeit und Einheit der christlichen Gemeinschaft sicherstellte. Von diesem Standpunkt aus gesehen, konnte logischerweise nur der Papst bestimmen, was ein „schwerer" Fall sei. Insofern trug diese Einrichtung entscheidend dazu bei, das Papsttum in seinen Herrschaftsfunktionen zu stärken. Bemerkenswert ist außerdem die Tatsache, daß Innozenz das zentralistische Prinzip ausdrücklich aus einer Stelle im Alten Testament (Ex. 1 8 . 2 2 ) herleitete, nach der Moses den Rat erhalten hatte, Richter über das Volk zu setzen, sich jedoch alle größeren Fälle vorzubehalten. Diese Überlegung kennzeichnet den Anfang der päpstlichen Herrschaftsausübung, die die Bibel zur unmittelbaren Legitimationsgrundlage für päpstliche Machtansprüche benützte. In jenen
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Bereichen, die von Bedeutung für das diristliche Gemeinwesen waren, sollte die päpstliche Autorität nicht auf Tradition, Geschichte, synodalen Statuten und anderen von Menschenhand stammenden Grundlagen ruhen. Verglichen mit jeder anderen Herrschaft, die sidi historisch entwickelt hatte, war dies eine einzigartige Erscheinung. Die Realität sollte einer Idee unterworfen werden, die in ihren Grundbestandteilen die Summe christlichen Glaubens war. Kurz, die päpstliche Herrschaft über die Gesamtheit der Christen folgte zwar äußerlich, der Form nach, dem Muster des kaiserlichen Reskripts, unterschied sich aber innerlich, dem Wesen nach, von seinem Vorbild. Denn das Wesen, die Seele des päpstlichen Rechts flöß aus der Hl. Schrift. Man kann diesen Gedanken auch so ausdrücken, daß das Papsttum das göttliche Gesetz der Bibel auslegte und den Erfordernissen der Herrschaft über die Christenheit anpaßte. Folglich war der vorausgegangene historische Ablauf, wenn auch nicht völlig belanglos, so doch jedenfalls stark in den Hintergrund auf Kosten einer Idee gedrängt worden. Die Ergänzung zu dem Rechtsgrundsatz, daß alle wichtigeren Fälle an die römische Kirche verwiesen werden mußten, bildete der amtliche Ausspruch Bonifaz' I., das Papsttum sei förmlich die apostolische Spitze („apostolicum culmen"), und von seinem Urteil könne es daher keine Berufung an eine andere Gewalt oder Instanz geben. Das war ein Standpunkt, wie ihn schon im Jahre 418 Papst Zosimus vertreten hatte. Die Appellation an ein Konzil oder an den kaiserlichen Gerichtshof war hiermit ausgeschlossen und die monarchische Regierungsform recht wirkungsvoll davor bewahrt, ausgehöhlt oder umgangen zu werden. Diese Entwicklung, die sich in einer so kurzen Zeitspanne und inmitten der ungünstigsten äußeren Umstände vollzogen hatte, legt sehr überzeugend Beweis dafür ab, wie wohlgerüstet, wendig und hellhörig das Papsttum bei der Formulierung einiger seiner wesentlichen Grundsätze vermittels des einfachen Werkzeugs der Dekretale zu Werke ging. In einer scheinbar ganz und gar routinemäßigen Dekretale legte Coelestin I. im Jahre 429 das Prinzip der (päpstlichen) Führung in allgemeingültigen Begriffen fest. Während des ganzen Mitteltalters und darüberhinaus wurde seine These auf die eine oder andere Weise immer wieder aufgegriffen: das Volk solle geführt werden und nicht selbst führen (ducendus est populus, sed non sequendus). Die Autorität der römischen Kirche beschränkte sich auf die Kirchen des Westens. Auf die östlichen Kirchen hatte das Papsttum sehr wenig Einfluß. Es stimmt, daß die westliche Reichshälfte immer viel weniger Neigung zu theologischen und philosophischen Problemen zeigte als die östliche. Dort nahm ein Problem wie etwa das gleichzeitige Gott- und Menschsein Christi sehr erhebliche Ausmaße an. Diese christologische
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Frage spaltete den Osten in mehrere sich bekriegende Parteien. Um einen Kompromiß zwischen den miteinander in Fehde liegenden theologischen Schulen des Ostens zu finden, berief der Kaiser ein Konzil nach Ephesus (431), welches als das Dritte Allgemeine Konzil der römischen Antike gilt. Aus dem Osten war es gut besucht, aus dem Westen aber zog es nicht viele Geistliche an. Immerhin reiste eine dreiköpfige päpstliche Gesandtschaft zu der Versammlung und beteiligte sich auch an den Diskussionen. Sie verfocht die petrinische These in wohltönenden und wuchtigen Worten. Ihr Führer erklärte in der Sitzung vom 11. 7. 431, daß, wie jedermann wisse, der hl. Petrus als Haupt der Apostel der Grundstein der ganzen Kirche und daß sein Nachfolger und locum tenens der Papst in Rom, Coelestin I., sei. Von welch grundlegender Bedeutung diese von der römischen Gesandtschaft auf dem Konzil von Ephesus abgegebene Erklärung war, wird durch ihre Wiederkehr in zahllosen amtlichen päpstlichen Aussagen hinsichtlich der fortdauernden und nie erlöschenden Wirkung des Primats Petri von Leo I. bis zum Vatikanischen Dekret von 1870 erwiesen. In der Formulierung der konziliaren Dekrete und in den vorausgehenden Verhandlungen spielte jedoch das Papsttum und die päpstliche Gesandtschaft trotz dieser auftrumpfenden, aber rein akademischen Feststellungen auf dem Konzil eine untergeordnete Rolle. Im päpstlichen Archiv wurden diese theoretischen Äußerungen indessen sorgfältig aufbewahrt. Der große Vorteil, den das Archiv als eine wahre ideologische Schatzkammer bot — der sich jeder benötigte Beleg entnehmen ließ — begann sich bemerkbar zu machen. Mit Leo dem Großen wurde die erste Phase der Geschichte des Paptstums abgeschlossen. Während seines Pontifikats erhielt der päpstlich-monarchische Primat seine endgültige theoretische Ausformung. Und eben infolge dieser abschließenden Prägung traten die Unterschiede der Zielsetzungen, Grundlagen und Strukturen zwischen dem Papsttum und der kaiserlichen Regierung in Konstantinopel voll zutage. Die Kluft war zu augenfällig, um noch länger ignoriert zu werden. Leos imposantes und doch sehr einfaches Lehrgebäude sollte bis in die Neuzeit seinen Platz behaupten. Er selbst war nicht der Erfinder der These vom Primat, sondern knüpfte nur einige Stränge kunstvoll zusammen. Indem er juristische, theologische und biblische Argumente miteinander verband, baute er eine Theorie päpstlich-monarchischer Herrschaft auf, die das Papsttum viele Stürme überstehen ließ. Von Herkunft und Erziehung Römer, vereinigte er in seiner Person den praxiserprobten Diplomaten und den abstrakten Denker: die eine Seite ergänzte die andere, und was sie beide kennzeichnete, war echte römische Einfachheit. Kraft seines päpstlichen Amts war Leo Mitglied der römischen Ge-
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sandtschaft, die dem drohend heranrückenden Hunnenkönig in Norditalien, in der Nähe von Mantua, im Jahre 452 entgegentrat. Diese Gesandtschaft (und nicht nur der Papst allein, wie die Legende später erzählte) brachte Attila davon ab, weiter in Richtung Rom vorzudringen und ersparte damit Italien große Verwüstung. Leo war es audi, der drei Jahre später Geiserich, den Wandalenherrscher, der die Stadt besetzt hatte, vom Morden, Brennen und Foltern abhielt; freilich war Rom audi so noch zwei Wochen lang der Schauplatz von Plünderung und tausendfacher Geiselnahme durch die einfallenden Truppen. Aber was Leo in lehrmäßiger Hinsicht erreichte, stellte die Verdienste, die er sich durch Linderung der Besatzungsfolgen erwarb, bei weitem in den Schatten. Er bediente sich des römischen Rechts, um die Stellung des Papstes als Nachfolgers Petri klar herauszuarbeiten, so wie es schon seine Vorgänger wiederholt versucht hatten. Aber Leo begründete diesen Nachfolgegrundsatz auf eine Weise, wie es nur ein glänzender Jurist vermochte. Er zog das römische Erbrecht heran, demzufolge der Erbe rechtlich an die Stelle des Verstorbenen tritt und in jeder Hinsicht sein Rechtsnachfolger wird, in seine Rechtsposition einrückt und seine Hinterlassenschaft mitsamt den daraufliegenden Ansprüchen und Belastungen übernimmt; kurz, die Rechte und Pflichten des Erblassers gehen auf den Erben als seinen Nachfolger über. Das „historische" Bindeglied zwischen dem hl. Petrus und den Päpsten war durch den angeblichen Brief Clemens' I. an den hl. Jakobus in Jerusalem (s.o. S. 10) geschaffen. Auf dieser Grundlage baute Leo seine juristische These von der Erbfolge auf, derzufolge die Päpste Erben der von Christus auf Petrus übertragenen Funktionen waren, nicht aber Erben seiner persönlichen Eigenschaften und Verdienste, die, wie es sich von selbst verstand, nicht übertragen und vererbt werden konnten. Mit anderen Worten, der Papst hatte das Amt, die objektive Rechtsstellung, die Gewalt des hl. Petrus geerbt, nicht aber dessen subjektives Verdienst, Christus als den Sohn Gottes erkannt zu haben. Leo drückte diesen juristischen Sachverhalt in der Bezeichnung des Papstes als „unwürdigen Erben des hl. Petrus" (indignus haeres b. Petri) aus — eine Formulierung, die ebenfalls der Zeit bis zum heutigen Tag standhielt. Objektiven Sinn in dieser bündigen Formulierung haben die Begriffe „Nachfolge" und „Erbe" ; im subjektiven Sinn muß die Aussage über die persönliche Unwürdigkeit des Papstes in der Nachfolge des Amts verstanden werden. Da nun der Papst Stellung und Amt des hl. Petrus fortführte, war er (nicht „apostolus", aber) „apostolicus" — daher die Selbstverständlichkeit, mit der dieses neue Adjektiv auf den römischen Stuhl angewandt wurde.
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Der große Fortschritt dieser leoninischen These lag in der Trennung von (objektivem) Amt (welches mit dem des hl. Petrus identisch war) und (subjektiver) Persönlichkeit des Papstes. Vom herrschaftlichen Standpunkt gesehen war nur das päpstliche Amt, das Papsttum an sich, von Bedeutung, nicht die rein subjektive Persönlichkeit des Papstes: es war völlig unerheblich, ob er „gut" oder „schlecht" sei. In der Tat hat es in der Menschheitsgeschichte schwerlich jemals Herrschaften gegeben, die eine so prägnante, programmatische Leitidee zu ihrer Verfügung hatten wie das Papsttum seit Leo I. Erstens war nach den Grundsätzen des römischen Rechts der Papst als Amtsträger vom hl. Petrus selbst nicht unterscheidbar. Zweitens setzte der Papst als Amtsträger die RecA/ipersönlichkeit des ersten „Papstes" fort, was zur Folge hatte, daß kein Papst in dieser seiner Funktion seinem unmittelbaren Vorgänger, sondern vielmehr nur dem hl. Petrus selbst ohne Mittelsmann nachfolgte; zwischen Petrus und den späteren Trägern des Amts gab es kein Zwischenglied. Drittens konnte das so ererbte Amt nur nach rein objektiven Kriterien gemessen werden, oder, umgekehrt, subjektive Maßstäbe und persönliche Qualifikation waren, was Wirkungskreis und Bereich des Amtes anging, ohne Belang. Anders ausgedrückt, im Rahmen der Lehre vom päpstlichen Primat war die Gültigkeit eines päpstlichen Rechtssatzes, Dekrets oder Urteils nicht von moralischen Qualitäten der Heiligkeit oder anderen subjektiv-sittlichen Maßstäben, wie man sie an die Person des Papstes anlegen kann, abhängig, sondern allein davon, ob das Urteil oder Dekret rechtlich verbindlich und gültig aus dem päpstlichen Amt flöß, ein Erfordernis, das objektiv meßbar war. Diese grundlegende Unterscheidung zwischen dem (objektiven) Amt und seinem (subjektiven) Träger war von entscheidender Bedeutung für das mittelalterliche Papsttum, denn nur auf das objektiv verstandene Recht oder Urteil, nicht auf die Person, die es aussprach, kam es an. Kurz, das Amt verschlang den Menschen. Der Eckpfeiler des Papsttums war das Amt als solches: der Papst als Träger des Amts wurde als ausübendes Werkzeug begriffen, d. h., er hatte das abstrakte Programm des Papsttums in die Wirklichkeit umzusetzen. Leos Vermächtnis war so die gründliche Entpersonalisierung des päpstlichen Amts. Daß dieses Amt (das mittelalterliche Papsttum als Institution) durch Päpste mit äußerst zweifelhaftem oder gar kriminellem Charakter keinen Schaden nahm, verdankte es sicher der Auswirkung dieses Grundsatzes, der die Person des Papstes beiseiteschob und lediglich das Amt als Erbschaft Petri gelten ließ. Anders gesehen gipfelte das leoninische Schema in der Auffassung vom Papsttum als einem Herrschaftsorgan. Und Herrschaft bedeutete
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zu jeder Zeit die autoritative Führung und Lenkung einer Gemeinschaft, Körperschaft oder der Gesellschaft in grundsätzlichen Bereichen. In diesem Fall war innerhalb der Grenzen der Primatsthese gemäß der Auslegung der Matthäusstelle durch Leo I. die Lenkung der Kirche in Form und Zielsetzung von Christus selbst eingesetzt worden. Sie galt als die erhabenste Form der Monarchie, weil Gott selbst sie errichtet hatte. Zweck dieser Einrichtung war es, die christliche Gemeinde ihrem schließlichen Ziel, der Erlösung, zuzuführen. Grundlage der Regierung war die rechtlich verstandene Übertragung der Gewalt zu binden und zu lösen — Bezeichnungen, die dem Alten Testament entstammten und dem Ohr des rechtlich geschulten Römers vertraut klangen (s.o.S. 10). Die umfassenden Gewalten, die der Papst geerbt hatte, stellten in Leos Worten eine „plenitudo potestatis", eine Fülle von Macht dar. Diese päpstliche Machtfülle war deshalb ein durch und durch juristischer Begriff und kann nur aus diesem Blickwinkel und vor dem Hintergrund des römischen Rechts begriffen werden. Diese Seite des päpstliches Amtes war es, die in der späteren Terminologie rechtsprechende Gewalt („potestas iurisdictionis" ) genannt wurde. Um daher Papst zu werden, zu sein oder als solcher zu handeln, war es nie (und ist es immer noch nicht) notwendig, dem „geistlichen Stand" anzugehören, d.h., zum Priester ordiniert oder zum Bischof geweiht worden zu sein. Das päpstliche Amt setzt keinerlei geistlichen Rang voraus, deshalb konnte (und kann) jeder christliche Laie Papst werden. Zum Zeitpunkt ihrer Wahl oder Ernennung sind sehr wenige mittelalterliche Päpste Priester oder Bischöfe gewesen. Die leoninische Lehre hob die doppelte Grundlage, die in der entscheidenden Stelle bei Matthäus enthalten war, scharf hervor. Christus hat eine neue Gemeinschaft — die Kirche als Verband aller Christen — geschaffen und gleichzeitig die Form der Herrschaft über diese Gemeinschaft, nämlich die Alleinherrschaft, festgesetzt. Die so gegründete Gemeinschaft und deren so eingesetzte Herrschaft waren daher von Anfang an aneinander gebunden — das war der Kern der leoninischen und späteren päpstlichen Lehre. Folglich war die Kirche auf dem Felsen, d. h. auf St. Petrus, gegründet, und Christus hatte ihn mit „Vollmachten" ausgestattet, diese Gemeinschaft in Übereinstimmung mit seinen göttlichen Plänen zu lenken. Diese Vollmachten waren mit der Gewalt Christi identisch. Nach päpstlicher Doktrin erbte deshalb der Papst die Gesamtheit der Herrschaft Petri. Dieses leoninische Verständnis der Monarchie hatte große Ähnlichkeit mit der zeitgenössischen Monarchie des römischen Kaisers. Und Leo I. — wie schon Bonifaz I. (422) vor ihm — zögerte auch nicht, den römisch-kaiserlichen Begriff des principatus auf das päpstliche Konzept des Primats anzuwenden. Das Papst-
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tum behauptete von sich stets, den principatus innezuhaben, was in der Tat die verfassungsrechtliche Bezeichnung für die römisch-kaiserliche Monarchie seit dem 1. Jahrhundert war. Sie bedeutete die höchste jurisdiktioneile Gewalt, die ja eben das Papsttum innerhalb der gesamten christlichen Gemeinde, innerhalb der Kirche, für sich beanspruchte. Der Papst wirkte im Namen und in direkter Nachfolge Petri, und von Petrus selbst wurde in päpstlichen Kreisen als dem princeps gesprochen, wiederum eine Bezeichnung, die im kaiserlichen Lager seit der Zeit des Augustus im 1. Jahrhundert gebräuchlich war. Aber ungeachtet dieser begrifflichen Entlehnungen aus der römischen Staatslehre zog Leo in seiner Fixierung der päpstlichen Primatstellung einen scharfen Trennungsstrich zwischen dem principatus des Papsttums und dem principatus des Kaisertums. Zum richtigen Verständnis der Entwicklung des Papsttums muß an die päpstliche Ansicht erinnert werder>, daß sein principatus nichts mit Geschichte zu tun habe, weil er sich unmittelbar auf einen einzigen göttlichen Gründungsausspruch zurückführen ließ. Die Errichtung der petrinischen Papstmonarchie wurde als Verwirklichung des souveränen göttlichen Willens begriffen. Dagegen stammte der principatus der kaiserlichen Herrschaft in erster Linie aus der Geschichte, aus menschlicher Organisation, Verwaltung und Verfassung; er war das Ergebnis historischen Wachstums, betrieben und bewirkt von Menschenhand und nur in zweiter Linie insofern gottgewollt, als alle Gewalt von Gott stammte. Historisch bedeutsamer war die Tatsache, daß seit unvordenklichen Zeiten ein Teil des römischen öffentlichen Rechts das „ius in sacris" bildete. Daran hatte sich nichts , geändert, und nichts sollte sich daran ändern, daß nämlich das Recht, das die „heiligen Angelegenheiten" betraf, einer der drei Hauptpfeiler des öffentlichen Rechts war, nur daß seit der christlichen Ära kirchliche Angelegenheiten miteinbezogen wurden. Kontrollorgan für das öffentliche Recht war stets der Kaiser. Der Kern der päpstlichen Auffassung lag darin, daß historische Zusammenhänge bloße Anhängsel des übergeschichtlichen göttlichen Willens waren, während für die kaiserliche Herrschaft Geschichte primäre und die göttliche Sanktion sekundäre Bedeutung hatte. M. a. W . , für das Papsttum war die geschichtliche Entwicklung nichts anderes als eine in Zeit und Raum erfolgte Bestätigung dessen, was in der Bibel stand, vor allem im Neuen Testament, dem die Begründung des Papsttums als Institution entstammte. Für das Kaisertum galt in jeder Beziehung genau das umgekehrte Verhältnis: die von Gott gewollte Ordnung diente als wirksame Bestätigung der voraufgegangenen historischen Entwicklung. Daß gerade unter Leos Pontifikat die erste Kaiserkrönung durch den Patriarchen von Konstantinopel stattfand (451), war deshalb
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von höchster Bedeutung: die Krönung sollte Symbol dafür sein, daß der Kaiser Gottes Billigung gefunden hatte — sie hatte deshalb nur bestätigenden und deklaratorischen Charakter (ganz im Gegensatz zu den späteren Kaiserkrönungen des Westens, s.u. S. 175f.). In der Tat lag während des folgenden Jahrtausends die Stärke des römischen Kaisertums in seinen rein historischen (statt ideologischen) Ansprüchen. Für das Papsttum sprachen dagegen verhältnismäßig wenig historische Fakten und Daten. Umso wichtiger war der religiös untermauerte Grundsatz, d. h. die Auffassung des Papstes als des Nachfolgers Petri, dem der Aufbau der Kirche aufgetragen war. Die unterschiedlich große Bedeutung, die der Geschichte bzw. der Ekklesiologie durch Kaiser- und Papsttum beigemessen wurde, erklärt ein weiterer Umstand, der sich in der Mitte des 5. Jahrhunderts herausbildete und die Beziehungen zwischen beiden Mächten erheblich beeinflußte. Ein und derselbe Personenverband ließ sich unter zwei völlig verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Die vom Kaiser beherrschte Körperschaft oder Gemeinschaft war das Römische Reich, dem auch der Papst angehörte. Der Verband, dessen Führung der Papst beanspruchte, war die Kirche, der auch der Kaiser angehörte. Grob ausgedrückt, Reich und Kirche waren identisch. Das Reich war eine historisch gewachsene Einheit, in der das irdisch-menschliche Element naturgemäß vorherrschte, obwohl das Kaisertum von Gott gewollt und sanktioniert worden war. Die Kirche andererseits war göttlichen Ursprungs; ihre Leitung, in der das menschliche Element keine Rolle spielte (s. o. S. 18), war im Augenblick der Gründung durch eine besondere göttliche Verfügung eingesetzt worden. Daß ein und derselbe Personenverband aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden konnte, hatte zur Folge, daß jede Perspektive zwangsläufig die der betreifenden Führungsinstanz war, denn das Kaiserreich konnte nur von einem Kaiser beherrscht werden und die Kirche nach päpstlichen Prämissen nur durch einen Papst. Es wird sich in Kürze zeigen, wie sehr diese Doppelnatur ein und derselben Körperschaft die Geschichte sowohl des Kaiser- als auch des Papsttums prägte; sie führte endlich zum Schisma zwischen Ost und West und im Anschluß daran zum Aufstieg des abendländischen Europa. In diesem Zusammenhang verdient der Inhalt der römisch-byzantinischen Kaiserkrönung nähere Betrachtung. Im Rahmen dieser Krönung, so wie sie sich bis zum Fall Konstantinopels im Jahre 1453, darstellte, fehlt es nicht an Zeugnissen einerseits für die Auffassung vom Vorrang des historischen Werdens und der historischen Wurzeln des Kaisertums, und andererseits für die rein bestätigende und sekundäre Rolle, die göttlichen und religiösen Dingen zugewiesen wurde. In der Sache fügte
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diese Krönung dem Ansehen des Kaisers oder seiner Autorität oder Macht nichts hinzu; in Bezug auf seinen Status als sogenannter „Stellvertreter Gottes" auf Erden, war die Krönung völlig belanglos. Sie bestätigte feierlich einen Stand der Dinge wie er bereits existierte, nämlidi daß der Kaiser (der Autokrator) der Repräsentant des Pantokrators (Gottes) auf Erden war. Sie war ein bloßes kirchliches Ritual, vollzogen vom Patriarchen von Konstantinopel, der selbst seine Bestallung dem Kaiser verdankte. Nirgendwo anders als bei der Kaiserkrönung kommt vielleicht der Vorrang, der den historischen Grundlagen des Kaisertums vor seiner religiösen Legitimation eingeräumt wurde, so klar zum Ausdruck: sie war eine erhabene Feier ohne jede ideologische Bedeutung. Die wesentlich unterschiedliche Rolle, die der Geschichte und der Religion (oder dem Glauben) zukommt, spiegelt sich schließlich in zwei der wichtigsten Dekrete, die das Vierte Allgemeine Konzil, das von Chalcedon, im Jahre 451 erließ. Seine Einberufung war unter anderem ver· anlaßt worden durch die noch immer ungelösten christologischen Streitigkeiten in der östlichen Reichshälfte. W i e das kaiserliche Einladungsschreiben sich ausdrückte, wurde es zusammenberufen, „um den wahren Glauben festzulegen". Es zählte mehr als 600 Teilnehmer, von denen jedoch nicht mehr als fünf aus dem Westen kamen: zwei afrikanische und drei päpstliche Legaten, deren Anspruch auf den Vorsitz von dem kaiserlichen Geschäftsausschuß, dem die Organisation des Konzils übertragen war, rundheraus abgewiesen wurde. Die Frage, die östliche Theologen und Geistliche erhitzt hatte, war, allgemein gesagt, die nach der genauen Beziehung zwischen menschlicher und göttlicher Natur in Christus. Leos I. sogenannter „Dogmatischer Brief", den die päpstlichen Legaten auf der Sitzung vom 10. Oktober 451 verlasen, war der größte — wenn auch der letzte — Triumph, der dem Papsttum im Osten beschieden sein sollte. Dieser Brief offenbarte ein erhebliches Maß römischstaatsmännischen Geschicks und Feingefühls in der Handhabung hochexplosiver Stoffe: offensichtlich den theologischen Standpunkt des Westens widerspiegelnd, enthielt er eine schlichte Formel, die alle noch so unterschiedlichen Standpunkte zu befriedigen schien. Die Versammlung erhob sich und stimmte einhellig der Erklärung zu mit den berühmten Worten: „Der hl. Petrus hat durch Leo gesprochen". Das war ein Triumph, wie kein anderer Papst ihn verdient und erzielt hatte — für seine Argumentation in diesem Dokument erhielt Leo dreizehnhundert Jahre später den Rang eines „Doktors der Kirche" zugesprochen. Aber es war ein kurzlebiger Triumph des Papsttums. Nur ein kleiner Schritt trennt diese Siegesklänge von den bitteren Mißtönen, die das Ende desselben Konzils von Chalcedon begleiteten. In seinem 17. Kapi-
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tel verfügte das Konzil, daß der öffentlich-rechtliche, zivile Status einer Stadt auch ihren kirchlichen Rang bestimmen solle, ein Standpunkt, wie er auf dem Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 (s. o. S. 6) schon eindeutig angesprochen und vom Papsttum entschieden zurückgewiesen worden war. Das 28. Kapitel von Chalcedon (in das auch die konstantinopolitanischen Konzilsschlüsse sorgfältig eingearbeitet wurden) legte fest, daß Neu-Rom (Konstantinopel) einen Rang ähnlich dem AltRoms besitze. Hier hatte das ganze konstantinische Kirchensystem einen weithin sichtbaren Sieg errungen. Was zählte, waren die historischen und verfassungsrechtlichen Gegebenheiten. Konstantinopel war der Amtssitz des Kaisers, also auch Reichshauptstadt, und diese Stellung spiegelte sich im erhöhten Rang des Patriarchen wider — das war eindeutig der Sinn des 17. Kapitels. Was Rom und Konstantinopel gemeinsam hatten, war derselbe Ehrenrang — das besagte eindeutig das 28. Kapitel. Daß Rom derselbe Rang wie Neu-Rom zugestanden wurde, beruhte auf der Überlegung, daß es dem Reich seinen Namen gab; und Konstantinopel besaß den gleichen Ehrenrang wie Rom, weil es zur administrativen und politischen Hauptstadt des römischen Reiches geworden war. Diese beiden Kapitel des Konzils von Chalcedon zusammengenommen trieben die verhängnisvolle Entwicklung voran, die zur Spaltung zwischen Ost und West führen sollte. Aber das Konzil schwieg zu dem einen, vom päpstlichen Standpunkt allein wesentlichen Punkt, nämlich dem Primat der römischen Kirche. Aus dem Zusammenhang läßt sich freilich schließen, daß dieser Anspruch in den beiden schon erwähnten Kapiteln eindeutig zurückgewiesen wurde. War doch Rom zum Zeitpunkt der Konzilssitzung kaum noch eine Stadt, in der geordnete Verhältnisse herrschten. Es ist daher kein Wunder, daß die römischen Legaten auf dem Konzil sofort heftig gegen die Dekrete Einspruch erhoben, die Unterzeichnung verweigerten und unter Protest abreisten. Nirgends wohl tat sich die tiefe Kluft zwischen kaiserlich-konstantinischem und päpstlich-petrinischem Standpunkt deutlicher auf als in diesen zwei Dekreten. Die Akklamation Kaiser Martians durch das Konzil in der Sitzung vom 25. Oktober 451 als „Neuer Konstantin" und „König und Priester" war zweifellos als Zurückweisung dessen gedacht, was man auf dem Konzil und bei der Reichsregierung als römisch-päpstliche Anmaßungen empfand, denn die römische Kirche hatte in diesen Jahren ihre Ansprüche auf den Primat immer häufiger und mit gesteigertem Nachdruck erhoben. Andererseits war verständlich, warum die kaiserliche Regierung sich standhaft und konsequent weigerte, vom „Prinzipat der römischen Kirche" zu sprechen. Vom Papsttum inspiriert erließ der weströmische Kaiser Valentinian
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I I I . (425—455) am 17. Juli 445 ein Edikt, welches die Konsolidierung der päpstlichen Autorität und Vormachtstellung kräftig förderte. Dieser kaiserliche Erlaß (der in der östlichen und damals ungleich wichtigeren Reichshälfte keine Geltung hatte) erkannte den jurisdiktionellen Vorrang des Papsttums voll an, denn „nichts sollte gegen oder ohne den höchsten Willen der römischen Kirche geschehen". Gemäß diesem kaiserlich-amtlichen Erlaß hatte die römische Kirche eine dreifache Grundlage: „die Verdienste des hl. Petrus", Rang und Würde der Stadt Rom und einen synodalen Beschluß (womit Valentinian das später von Rom erweiterte Kapitel 6 des Konzils von Nicäa meinte, in dem es hieß: „Die römische Kirche hatte den Primat immer innegehabt"). Es unterliegt keinem Zweifel, daß einer der Gründe für den Erlaß das Bemühen war, eine geordnete kirchliche Organisation aufrechtzuerhalten und, wenn möglich, eine Wiederholung dessen zu vermeiden, was im Osten zu beobachten war. Für das Papsttum war das Edikt höchst bedeutsam: es war eine weltliche und kaiserliche Bestätigung seines Anspruchs auf den Primat. In seiner Auswirkung muß der Erlaß gleich neben das Kaiserliche Gesetz vom Jahre 380 gestellt werden, das das Christentum zur alleinigen Religion des Reiches machte. Der päpstliche Anspruch auf den jurisdiktioneilen Primat wurde, das sollte betont werden, durch dieses Edikt nicht bewilligt, sondern erheblich erweitert; er wurde in eine Verfassungsbestimmung umgewandelt. Die Einzelbestimmungen dieses Erlasses sind von einigem Interesse: was immer durch die Autorität der römischen Kirche entschieden worden sei oder noch entschieden werden würde, sollte bindenden Charakter haben und deshalb Gesetz (lex) sein. Darüberhinaus stellte die Verletzung dieses kaiserlichen Edikts und infolgedessen die Mißachtung des päpstlichen Primats das Verbrechen der Majestätsbeleidigung dar: schließlich handelte es sich um den Verstoß gegen eine Verfassungsbestimmung. So läßt sich füglich die Behauptung rechtfertigen, daß sich um die Mitte des fünften Jahrhunderts die weitere Entwicklung des Papsttums an einem nicht zu fernen Horizont abzuzeichnen beginnt.
II. DIE AUSEINANDERSETZUNG ZWISCHEN PAPSTTUM UND KAISERLICHER REGIERUNG Die Epoche zwischen dem Konzil von Chalcedon und dem Pontifikat Gregors ließ die Umrisse der späteren Entwicklung deutlich sichtbar werden. Nachdem das konstantinische Projekt von der kaiserlichen Regierung voll verwirklicht worden war, sah sich das Papsttum während dieses Zeitraums gezwungen, zu einer Reihe wesentlicher Fragen Stellung zu beziehen, vor allem deshalb, weil es sich durch die Haltung der Reichsregierung in seinem Auftrag, Beruf und Daseinszweck ernstlich bedroht fühlte. Darüber hinaus dienten die Grundsätze, die das Papsttum im späten 5. Jahrhundert entwickelte, später als unverrückbare Grundlage und fester Rückhalt. Es ist von entscheidender Bedeutung, daß sich Ausdruck und Aufbau des mittelalterlichen Papsttums gerade damals und in besonderer Beziehung zur Reichsregierung in Konstantinopel formten. Diese so erarbeiteten Grundsätze waren das Rückgrat des mittelalterlichen Papsttums, das sich durch die Reichsregierung veranlaßt sah, seine Stellung und seinen Standort innerhalb der christlichen Gemeinschaft klar festzulegen. Die schicksalshaft enge Bindung des Papsttums an die Stadt Rom, die einstige Hauptstadt des Reichs, die Übernahme römischer Herrschaftsgrundsätze und ihr Einbau in das eigene System liefern die geschichtliche Erklärung für den folgenden Konflikt mit der Reichsregierung. Das Papsttum des Mittelalters war weitgehend Erzeugnis des Ringens zwischen dem Papsttum und Konstantinopel im 5. Jahrhundert. Die Auseinandersetzung fand innerhalb der Reichsgrenzen und daher unter römischen Voraussetzungen statt. Programm und Sendungsbewußtsein des Papsttums gewannen in diesem heftigen Konflikt feste Gestalt und Gliederung und wurden in ihren Umrissen deutlich erkennbar; das Papsttum, das aus dieser Auseinandersetzung hervorging, trat in seine mittelalterliche Epoche ein. Ferner erlebten die westlichen Reichsteile politisch, wirtschaftlich, vielleicht auch sozial und kulturell eine recht tiefgehende Entfremdung gegenüber dem Osten. Die kraftlosen kaiserlichen Regierungen des Westens — im Vergleich mit der starken Hand, die in Konstantinopel die Macht ausübte, erschienen sie noch schwächer — ließen in Rom und Italien ein Vakuum entstehen, ein Umstand, welcher den Aufstieg des Papsttums als Herrschaftsinstitution beträchtlich förderte. Je schwächer jedoch der Westen wurde, desto lautstärker beteuerte der Osten den
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wahrhaft römischen Charakter des Reichs. Entsprechend stark war der Widerhall, den der Untergang der westlichen Reichshälfte gegen Ende des 5. Jahrhunderts im Osten auslöste; dieser betrachtete sich nun als alleinigen Erben und Nachfahren des großen alten Reichs, das den Namen Roms trug und von Rom seinen Ursprung genommen hatte. Byzanz, das sollte nicht aus den Augen verloren werden, wurde sidi seiner „römischen Mission" mehr und mehr bewußt, weil, und nicht obwohl, Rom zum Rang einer musealen Stätte herabgesunken war; was einst für (Alt-) Rom galt, wurde nun einfach auf Neu-Rom übertragen. J e mehr sich die Situation im Italien des 6. Jahrhunderts verschlechterte, desto nachdrücklicher bestanden die Herrscher in Konstantinopel auf ihrer Rolle als wahre „römische" Kaiser. Dieses Rollenverständnis verstärkte noch die weltlichen und geistlichen Funktionen des Kaisers, entsprechend dem alten römisch-konstantinischen Vorbild, das sich in den Mantel christlicher Herrschaft hüllte. Obwohl der alte römische princeps eine äußere Wandlung durchgemacht hatte, blieb er im Grunde, was er gewesen war: immer noch war er „König und Priester", jedenfalls auf dem Gebiet kirchlicher Organisation. Immer noch war er „göttlich" ; seine Gesetze waren noch „heilig", und er trug noch den Titel eines „pontifex inclytus" („edelster Priester"). All dies war offensichtlich das durch das Christentum abgewandelte Vermächtnis der altrömischen Verfassungsordnung, in der das ius in sacris als Teil des öffentlichen Rechts dem Kaiser unterstellt war (s. auch o. S. 2, 3, 19). Die kirchliche Situation im Osten forderte in der Tat eine Anteilnahme des Kaisers an kirchlichen Maßnahmen heraus. Denn unter den höheren Geistlichen herrschte in Fragen der Lehre beträchtliche Unruhe, die den kaiserlichen Hof mit erfaßte. Wieder handelte es sich um christologische Streitfragen, die inzwischen beängstigende Formen angenommen hatten und die Einheit des Reichs ernstlich bedrohten. Die Monophysiten, für die Christus nur eine Natur besaß, stießen mit den Anhängern des Kompromisses von Chalcedon zusammen, und durch den Patriarchen Acacius, den kaiserlichen Hofprälaten, wurde auch der Hof in diese Auseinandersetzungen unmittelbar hineingezogen. Zur Wiederherstellung der Einheit, und um beide Lager zufriedenzustellen, erließ Kaiser Zeno 482 ein Edikt, bekannt als Henotikon, das die kaiserliche Glaubensformel enthielt. Die tiefere Bedeutung dieses kaiserlichen Edikts lag darin, daß es allein aus kaiserlicher Autorität und ohne jede Konsultation, geschweige denn Sanktion, einer Synode erlassen worden war und Lehre wie Glauben in einer Weise festlegte, die praktisch im Gegensatz zum sorgfältig formulierten Kompromiß von Chalcedon stand. Tatsächlich wurde im Henotikon erstmals greifbar und deutlich, wie sich das kaiserliche Regime rasch zu einer christlichen Neuauflage
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der alten römischen Monarchie entwickelte. Nach dem Vorbild des älteren römischen Kaisertums betrachtete sich der Kaiser als von Gott ernanntes Sprachrohr Christi auf Erden; über die Verkündigung dessen hinaus, was er im Interesse der Einheit für den richtigen Glauben hielt, war es ihm völlig klar, daß konkrete administrative Maßnahmen gegen alle jene, die sich der neuen kaiserlichen Glaubensformel widersetzten, ergriffen werden müßten, um dogmatische Aussagen durchzusetzen. Kurz, mehrere zögernde oder widerspenstige Bischöfe wurden durch kaiserliches Urteil ihrer Ämter enthoben, andere, nachgiebigere, an ihre Stelle gesetzt, in einigen Fällen auch hochstehende und führende Geistliche auf Grund ihres Widerstands wegen Majestätsbeleidigung unter Anklage gestellt. Eine kurze Schilderung der Lage, wie sie sich im Ostteil des Reichs in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts herausgebildet hatte, war für das Verständnis am Platze. Denn diese (und zahlreiche andere) Vorgänge hatten einen nachhaltigen Einfluß auf das Papsttum in Rom. Hier war das päpstliche Amt erstmals in die Hände eines Mitglieds des Senatorenadels gelangt: Felix III., der erste Papst, der nicht aus den niederen Schichten des römischen Volkes stammte und deshalb mit der Denkungsart der herrschenden Klassen vertraut war. Felix, Sohn eines Priesters, war Witwer und Vater einiger Kinder, als er zum Papst gewählt wurde; er verfügte über reiche Erfahrung im weltlichen Leben und vor allem in seiner Amtsführung über die Unterstützung durch einen der fähigsten Köpfe der päpstlichen Kanzlei, seinen späteren Nachfolger, Papst Gelasius I. Die Pontifikate Felix' III. und Gelasius' I. bilden eine Einheit, die sich am passendsten als Abschlußphase des überragend wichtigen leoninischen Zeitalters kennzeichnen läßt. Sie revidierten und präzisierten in technischen Begriffen, was revidiert und definiert werden mußte. So, wie sich die Lage entwickelt hatte, war tatsächlich manche Klarstellung seitens des Papsttums vonnöten, denn die von Neu-Rom rücksichtslos ergriffenen dogmatischen und kirchenrechtlichen Maßnahmen trafen die Institution der römischen Kirche in ihrem Lebensnerv. Tatsächlich stellte die Politik der kaiserlichen Regierung in Konstantinopel die Grundlagen des Papsttums selbst und ihren politischen Zweck in Frage. Das Papsttum glaubte sich von Gott mit der Herrschaft, Lenkung und autoritativen Leitung aller Christen betraut. Die jüngsten kaiserlichen Maßnahmen bedeuteten eine wahrhaftige Herausforderung für das Papsttum, das sich an der Ausführung seines göttlichen Auftrags behindert sah. So wurde es gezwungen, eine Reihe von Grundsätzen zu definieren und zu präzisieren, die sich teils aus der leoninischen Primatsthese ergaben, teils sie weiterentwickelten. Während der letzten Jahr-
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zehnte des 5. Jahrhunderts erhielt die päpstliche Grundauffassung weitere starke Unterstützung durch nicht-päpstliche, private Schriften römischer Provenienz, die erste nicht-offizielle Unterstützung des Papsttums aus der römisch-lateinischen W e l t . Daraus entstand das erste ernstzunehmende Schisma zwischen R o m und Konstantinopel; d. h. nach außen hin w a r es ein Schisma zwischen dem Papsttum und dem Patriarchat von Konstantinopel, aber in Wirklichkeit zwischen dem Papsttum und der Reichsregierung, die sich hinter den Patriarchen Acacius stellte. Bei dem Problem, das sich dem Papsttum in den achtziger J a h r e n des 5 . Jahrhunderts stellte, ging es um nicht weniger als um den Grundsatz der Eignung und Befähigung zur Lenkung der Kirche als der Vereinigung aller Christen. Die beiden alternativen Deutungen des Römischen Reichs gewannen in diesem Zusammenhang praktische Bedeutung. W i e erinnerlich (s. o. S. 2 0 ) , gab es für die kaiserliche Regierung keinen Unterschied zwischen dem bestehenden und dem vergangenen Römischen Reich, obgleich das neue Reich inzwischen durch das einigende Band des christlichen Glaubens zusammengehalten wurde. D e m Papsttum seinerseits konnte diese selbe Gemeinschaft als
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mit der Kirche erscheinen, deren Ausmaß sich eben mit dem des Römischen Reichs deckte. Daher diese alles erschütternde Auseinandersetzung darüber, wer diese Einheit regieren, wer sie leiten solle. Das Papsttum hielt an der Auffassung fest, daß die Gemeinschaft, die ja die Gesamtkirche darstellte, in allen Fragen des christlichen Glaubens, der allseits als das einigende und stützende Element des Reichs anerkannt war, von dem einzig dafür geeigneten Organ, nämlich dem von G o t t eingesetzten apostolischen Stuhl, geleitet werden müsse; obgleich der Kaiser in diesen! System eine unentbehrliche Rolle spielte, sollte er konsequenterweise bloß die theoretischen Verkündigungen des Papstes in die Praxis umsetzen, indem er sie in erzwingbare gesetzliche Maßnahmen umwandelte. Umgekehrt argumentierte die Reichsregierung, daß die entscheidende Rolle des christlichen Glaubens im Römischen Reich den Kaiser zur Aufsicht über alles ermächtige, was Glauben, Religion und Kirchenverfassung betraf, also genau die Dinge, die das Papsttum dem Kaiser vorenthalten wollte. Der kaiserliche Standpunkt hatte seinen Ursprung im altrömischen Grundsatz des Rechts, daß religiöse Angelegenheiten dem Kaiser unterstanden ( s . a . o. S. 2 5 ) . Beide, Kaiser und Papst, verstanden Herrschaft als die autoritäre Lenkung der Christengemeinschaft in Hinblick auf die Grunderfordernisse christlichen Lebens; gerade an diesem Punkt zeigte sich indessen, daß die päpstliche Ideologie beträchtlich größere Stärke und innere Spannkraft besaß als die kaiserliche, und das kam nicht von ungefähr, stellte doch das Papsttum grundsätzlich die Ideen über die Tatsachen, während das
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Kaisertum stets den Vorrang der historischen Tatsachen vor den Ideen betonte. Damals pochte das Papsttum immer wieder auf sein exklusives Recht, in Form allgemeiner Sätze die Grundbelange christlichen Lebens zu bestimmen. Wieder einmal leistete ihm dabei die alte römische Verfassung gute Dienste: sie lieferte ihm den Begriff der auctoritas, der die endgültige, höchste und unwiderrufliche Beilegung von strittigen Fragen bezeichnete. Auctoritas, wie das Papsttum sie von nun an beanspruchte, bedeutete die Befugnis, der christlichen Gemeinschaft die großen Richtlinien in verbindlicher Form vorzulegen. Solcher Art war die Idee, die hinter dem (römischen) Begriff vom principatus der römischen Kirche stand; dieser Begriff seinerseits war der verfassungsrechtliche Ausdruck für das Wesen der römischen Monarchie. Diese fundamentalen Auffassungen finden sich in einer Reihe von offiziellen päpstlichen Verlautbarungen aus den letzten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts. Sowohl als Sekretär Felix' I I I . wie als Papst formulierte Gelasius I. in Bezug auf die jeweilige Situation die Idee der Papstmonarchie. So vergrößerte er jenen Vorrat an leitenden Ideen, aus dem das mittelalterliche Papsttum seine Kraft schöpfte. Er verfocht die Auffassung, daß beide, Kaiser und Papst, für die Regierung der Welt (die für ihn immer noch identisch mit dem Römischen Reich war) notwendig seien, obwohl jedem eine unterschiedliche Funktion aufgetragen sei. Der Papst besaß die auctoritas, die noch dazu geheiligt und unverletzlich (sacrata) war und die „autoritativ" und definitiv alles entschied, was den Verband der Christenheit unmittelbar betraf, wie etwa die Festsetzung von Glaubensartikeln, die kirchliche Organisation und die kirchliche Rechtsprechung, in anderen Worten, eben die Dinge, die die christliche Gesellschaft zu einem lebendigen Leib machten. In diesem System besaß der Kaiser nicht mehr als „königliche Gewalt". Gelasius war der Meinung, Gott habte den Kaiser ausgezeichnet, indem er ihm die höchste verfügbare Macht übergeben habe. Sie verpflichtete ihn als Empfänger eines göttlichen Geschenks und überhaupt als christlichen Herrscher, durch kaiserliches Gesetz zu erzwingen, „was die geheiligte Autorität der Priester" vorschrieb. Um sich ganz klar auszudrücken und sich dem gleichzeitig regierenden Kaiser voll verständlich zu machen, hob Gelasius die Rolle hervor, die die Päpste beim Jüngsten Gericht spielen würden, war es doch ihre Aufgabe (und nicht die der Kaiser), Rechenschaft darüber abzulegen, wie die Kaiser dem von Gott in Form der „königlichen Gewalt" in sie gesetzten Vertrauen gerecht geworden waren. Die Grundzüge dieser gelasianischen Auffassung — zu Recht ist sie die Magna Charta des mittelalterlichen Papsttums genannt worden — waren erstens, daß innerhalb der christlichen Gemeinschaft Herrschaft
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eine Gabe Gottes sei, ein göttliches Pfand, das zum Nutzen der Kirdie als ihrerseits göttlicher Gründung, verwandt werden müsse; zweitens der Grundsatz der Arbeitsteilung, die in der christlichen Gemeinschaft herrschen solle: die höchste Führungsautorität lag beim Papst, soweit grundsätzliche Fragen im Spiel waren, aber der Kaiser, dessen Gewalt zweifellos von Gott kam (denn alle Gewalt stammte von Gott), sollte als Ausführungsorgan des Papsttums fungieren, auf daß der Zweck, um dessentwillen es den Kaiser als christlichen Herrscher gab, erfüllt werde. In Gelasius' Gedankengebäude war dem Kaiser als weltlicher Macht eine ganz bestimmte, göttlich fixierte Aufgabe zugewiesen, nämlich die Überwachung der Gesamtkirche und der Schutz des umfassenden Verbands der Christenheit. Daher die Forderung an die Kaiser, ihre Regierungshandlungen und -maßnahmen dem vom Papsttum vorgegebenen Muster anzugleichen. Die historische Bedeutung dieser gelasianischen Doktrin lag darin, daß sie den Standort jeder weltlichen Gewalt, die je in der christlichen Gemeinschaft eine Rolle spielen sollte, klärend festlegte. Der Kaiser, und später der König, war ein Glied der Kirche, die unter der Herrschaft des päpstlichen Monarchen stand. Aufgabe des weltlichen Herrschers war es, zu lernen, nicht zu lehren, was christlich sei (und was nicht). Um die Herrschaft über die Gesamtkirche ausüben zu können, hatte der Papst, nach der Auffassung des Gelasius, vom hl. Petrus das Recht geerbt, zu binden und zu lösen. So gewann die petrinologische These an Präzision. Nach Gelasius war die petrinische Gewalt allumfassend und nichts von ihr ausgenommen (was schon Leo I. mit dem Ausdruck „Fülle der Macht" bezeichnet hatte). Krönung des gelasianischen Systems war die Forderung nach Exemtion der Geistlichen von weltlicher Rechtsprechung: einige der Bischöfe, die durch die kaiserliche Regierung abgesetzt worden waren, mochten wohl des Hochverrats schuldig gewesen sein, aber als ordinierte Mitglieder der Kirche unterstanden sie nicht dem kaiserlichen Gericht. Der Grundsatz des „Klerikerprivilegs", das in der späteren mittelalterlichen Kirchengeschichte eine so bedeutende Rolle spielen sollte, wurde hier schon deutlich vorskizziert. Die unmittelbare Folgerung daraus war, daß auch der Papst von niemand gerichtet werden konnte — ein Herrschaftsgrundsatz, der schon zwei Generationen vorher leise angekündigt worden war (s, o. S. 14). Die Grundlagen des petrinischen und monarchischen päpstlichen Programms fanden ihre klassische Formulierung in Gelasius' eigenen Worten: Niemand darf sich je, welchen menschlichen Einwand er auch vorbringen mag, überheblich über das Amt dessen setzen, der durch Christi Verfügung über alle und jeden gesetzt worden ist und den die Gesamtkirche von jeher als ihr Haupt anerkannt hat.
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Erklärungen wie diese enthüllen den hohen Grad des Selbstbewußtseins und -Verständnisses, das das Papsttum gegen Ende des 5. Jahrhunderts besaß. Sie spiegeln eine Einstellung des Trotzes gegen die Herrschaftsmaßnahmen der „göttlichen Majestät", atmen aber vor allem einen Geist der Unabhängigkeit, ja Kühnheit. Sie zeigen, wie sowohl äußerliche Faktoren, etwa der Zusammenbruch der Regierung in Rom, als auch innere Faktoren wie der Rückgriff auf unanfechtbare biblische und göttliche Aussagen, gemeinsam dazu beigetragen hatten, dem Papsttum seine Funktion und seine Verantwortung innerhalb der christlichen Gemeinschaft bewußt zu machen. Diese und viele andere päpstliche Verkündigungen dieser Zeit offenbaren das Vertrauen des Papsttums in die Festigkeit seiner eigenen Grundlagen. Das Papsttum war noch eine zarte Pflanze, und doch erklärte Gelasius dem Kaiser, er solle sich wegen der Rolle, die er im Schisma zwischen Alt- und Neu-Rom gespielt habe, als „verdammt" betrachten, was soviel hieß wie ihn zu exkommunizieren — eine kühne Herausforderung der kaiserlichen Autorität durch einen Papst, der schließlich verfassungsrechtlich ein Untertan des Kaisers war. Das Papsttum des späten 5. Jahrhunderts machte somit nicht nur deutlich, daß in einer christlichen Gemeinschaft kein Raum für eine autonome (weltliche) Gewalt war, sondern daß auch die kurz zuvor vom Kaiser erlassenen Vorschriften über Lehre, Organisation und Disziplin durchweg zu verdammen waren. Denn die „rechte" Ordnung der Dinge in einer christlichen Welt war das genaue Gegenteil dessen, was die Reichsregierung angestrebt hatte. Von seinem Standpunkt aus konnte das Papsttum die jüngst erlassenen kaiserlichen Gesetze nicht ohne entschiedenen Protest hinnehmen: das aber bedeutete Schisma zwischen der römischen und byzantinischen Kirche; der erste ernsthafte Bruch zwischen Rom und Konstantinopel. Mit seinem starken Rückhalt in der Hl. Schrift und im religiösen Glauben fühlte sich das Papsttum mit seinen Vorwürfen völlig im Recht, indem es sogar die Spaltung in Kauf nahm. Die Sätze über das päpstliche Herrschaftssystem waren gewiß kaum mehr als theoretische Aussagen, aber dadurch, daß sie in mehrere Sammlungen des kanonischen Rechts Eingang fanden, trugen sie doch dazu bei, den Geist späterer Generationen nachhaltig zu prägen. Diese Erklärungen unterschieden nicht immer zwischen der tatsächlichen Ausübung von Macht und dem bloßen Anspruch darauf; aber dasselbe gilt ja in beträchtlichem Maße für das mittelalterliche Papsttum überhaupt. Die herrischen Erklärungen des Papsttums wurden durch zwei literarische Erzeugnisse nicht-päpstlicher Herkunft ergänzt. Das eine bestand aus zwei zusammengehörigen Werken, die einem Schüler des hl. Paulus aus der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts zugeschrieben wur-
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den, in Wirklichkeit aber von einem unbekannten Autor um 480 verfaßt wurden, dem (vom echten Dionysius, dem Schüler des hl. Paulus, zu unterscheidenden) Pseudo-Dionysius. Besonders interessant ist, daß dieser Verfasser nicht nur erstmals den Gedanken einer hierarchischen Ordnung darlegte, sondern audi den Begriff der „Hierarchie" selbst prägte. Ihm zufolge bestand das Wesen der hierarchischen Ordnung darin, daß Gott in der kirchlichen und himmlischen Gemeinschaft eine Rangordnung eingerichtet hatte, und daß diesen Rängen bestimmte Befugnisse und Funktionen zugeordnet waren. Die Feinheit dieses Schemas und die geschickte Kombination zweier bisher unverbundener Begriffe (hiereus und archos) wurden indirekt zur Stütze des päpstlichen Programms. Denn das strikte monarchische Prinzip, das dem Papsttum vorschwebte, war praktisch nur mit Hilfe eines sorgfältig dufchdachten Systems von höheren und niederen Rängen, folglich durch die Delegation von Macht seitens des höchsten Monarchen zu realisieren und durchzusetzen. Ohne Übertreibung kann man sagen, daß die Schriften des Pseudo-Dionysius das petrinologische System des Papsttums kräftig vorantrieben. Nunmehr konnte man von einer absteigenden Herrschaftsthese sprechen, denn die Macht stieg, wie man glaubte, vom höchsten Wesen, von Gott, zu den tieferen Rängen und Ämtern herab, deren jedes die ihm zugewiesene Stellung und Funktion wahrnahm. Wahrscheinlich wird sich die Identität dieses Verfassers nie feststellen lassen; noch unwahrscheinlicher ist, daß je irgendeine Verbindung zwischen ihm und der römischen Kirche bestanden hat. Das zweite literarische Erzeugnis dieses Zeitalters bewegte sich auf einer Ebene, die man als erdverbunden ansehen könnte. Es handelt sich um die sogenannte Legende des hl. Silvester, die zwischen 480 und 490 von einem unbekannten Autor verfaßt wurde. Diese Schrift war später Anlaß zu einer der einflußreichsten Fälschungen der Geschichte (s. u. S. 69 f.). Ihre Darstellung war so lebendig und die Erzählart so geschickt, daß sie während des ganzen Mittelalters viel gelesen wurde und allgemein bekannt war. Mit großem Reichtum an Detail schilderte sie die Bekehrung Konstantins des Großen, der damals schon eine legendäre Gestalt war. Aber hinter dieser scheinbar harmlosen Fassade versteckte sich ein klarer Plan. Der Autor wollte auf subtile Art zeigen, wie Konstantinopel zur Hauptstadt des Reichs geworden war. Wie erinnerlich, hatte dieser hauptstädtische Rang Konstantinopels auf den Allgemeinen Konzilien eine wichtige Rolle gespielt, und sie diente der kaiserlichen Regierung als Rechtfertigung für ihre Kirchen- und Glaubenspolitik (s. o. S. 22, 24). Was unseren Verfasser ganz offensichtlich beschäftigte, war die Frage, wie Konstantinopel zu dieser Stellung gekommen war; er versuchte sie zu beantworten, indem er das Papsttum und
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Silvester selbst in seine Geschichte hineinbaute. Geschickt vermittelte seine Fabel den Eindruck, als ob es letztlich das Papsttum gewesen sei, das Konstantinopel zu seiner hervorragenden Stellung verholfen habe. Nachdem Konstantins Verlegung des Regierungssitzes von Rom nach Konstantinopel nichts an seinem Status als Kaiser geändert hatte, schilderte die Erzählung in lebhaften Farben, wie der Kaiser dem Papst seine Zerknirschung zeigte. Er ging so weit zu beschreiben, wie Konstantin sich vor Silvester zu Boden warf, ohne kaiserliche Gewänder und Insignien. Aus Güte vergab ihm Silvester seine Sünden und investierte ihn wieder mit seinen kaiserlichen Symbolen und Gewändern, sodaß sein Umzug nach Konstantinopel nun mit päpstlichem Einverständnis erfolgte; das wurde jedoch nicht ausdrücklich gesagt, sondern nur leise angedeutet. Aber aufmerksame Zeitgenossen und spätere Leser begriffen, worum es ging. Es sei betont, daß natürlich an der ganzen Geschichte kein Kömchen Wahrheit ist und Silvester in Konstantins Entschluß, nach Konstantinopel zu ziehen, nicht die geringste Rolle gespielt hatte. Aber es muß gleichfalls betont werden, daß diese Darstellung auf zweifache Weise gelesen werden kann, — als gefühlvoller Roman und als Geschehensdeutung. Dieser zweite Aspekt war es, der die Vorstellungskraft des Fälschers im 8. Jahrhundert fesselte (s.u. S. 69 f.). Kurz gesagt, diese Legende wollte das bisher fehlende Verbindungsglied zwischen dem Papsttum und dem Aufstieg Konstantinopels zur Reichshauptstadt herstellen, ein Vorgang, der nur durch die päpstliche Einwilligung zu Konstantins Umzug möglich wurde. Die Ansprüche, die im 17. und 28. Kapitel des Konzils von Chalcedon erhoben worden waren (s. o. S. 22), können nur dann recht verstanden werden, wenn sie vor dem Hintergrund der Umstände gesehen werden, die zum Aufstieg Konstantinopels zur Hauptstadt führten: das jedenfalls war der Eindruck, den diese Legende hervorzurufen wünschte. Ein Ereignis von vorrangiger historischer Bedeutung war die Bekehrung des Frankenkönigs Chlodwig zum Katholizismus. Rein historisch ist es sicher bemerkenswert, daß diese Bekehrung in einem Zeitalter stattfand, in dem sich viele grundsätzliche Begriffe hinsichtlich der Herrschaft durch das Papsttum zu entwickeln begannen. Die Rolle, die Konstantin im Römischen Reich und in dessen kirchlicher Organisation gespielt hatte, sollte im Westen von Chlodwig, dem „neuen Konstantin", übernommen werden. Während jedoch die Kirchenpolitik des wahren Konstantin auf altrömischen Strukturen ruhte, wurden die Franken im Lauf der Zeit zu unentbehrlichen Werkzeugen in der Hand des Papsttums. Der römische Ursprung der fränkischen Auffassung von Religion und Kirche verhinderte den Ausbruch ähnlich tiefer christologischer und
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anderer theologischer Kontroversen, wie sie die östliche Reichshälfte zerrissen hatten. Obwohl der „neue Konstantin" die militärischen und weltlichen Reste römischer Herrschaft in seinen Reichen tilgte, akzeptierte er doch vollständig die römischen Organisationsformen der Kirche. Historisch gesehen verschaffte die Bekehrung Chlodwigs dem Papsttum eine Ausgangsstellung, die ihm Sicherheit gewährte und von der aus es seine Strategie entfalten konnte. Doch genau zur gleichen Zeit begannen die ersten inneren ideologischen Risse das Papsttum in Rom zu erschüttern. Sie sollten zu ernsthaften Parteikämpfen und Spannungen im Schoß der römischen Kirche führen. Zwei Parteien hatten sich herausgebildet, die von völlig verschiedenen Vorstellungen ausgingen; die eine hielt es für fruchtlos, in den Grenzen und unter den Bedingungen des römischen Reiches Erfolg zu suchen, die andere wünschte eine friedliche Verständigung mit der kaiserlichen Regierung in Konstantinopel. Eine Mehrheit der Wähler zog den Diakon Symmachus als Nachfolger des kürzlich verstorbenen Papstes Anastasius' II. vor, während eine nicht unbeträchtliche Minderheit den römischen Erzpriester Laurentius erkor. Beide Parteien schritten unabhängig voneinander am selben Tag und beinahe zur gleichen Stunde zur Wahl (22. November 498). Dieses päpstliche Schisma war entstanden, weil die Partei des Symmachus eine strikte Einhaltung der leoninisch-gelasianischen Grundsätze verfocht und daher eine unverfälschte römische Politik verfolgte, während die laurentianische Partei für die Verständigung mit dem Kaiserreich eintrat und, um der Einheit der Kirche willen, der Annahme eines modifizierten Henotikon nicht gänzlich abgeneigt war. Unfähig oder nicht willens, den Konflikt zu beenden, appellierten beide Parteien an die Besatzungsmacht in Italien, den Gotenkönig Theoderich den Großen, der jedoch nicht Katholik, sondern Arianer war. Er erklärte Symmachus zum rechtmäßigen Papst, und zwar auf Grund der Tatsache, daß er früher als Laurentius in den geistigen Stand getreten und daß er von einer Mehrheit gewählt worden sei. Die Intervention eines weltlichen Herrschers (der nicht einmal ein Katholik war) in Angelegenheiten der römischen Kirche wurde von manchen zeitgenössischen Chronisten mit einiger Bestürzung beobachtet. Unterstützt durch einflußreiche Mitglieder des konservativen römischen Adels, erhoben die Laurentianer schwerwiegende Anklagen gegen Symmachus. Das Ergebnis war, daß Theoderich ein Konzil einberief — einer der ersten Fälle, daß ein Konzil von einem einfachen König einberufen wurde — das die Anschuldigungen überprüfen sollte. Höchst bezeichnend endete die Synode mit der eindeutigen Bekräftigung der päpstlichen Souveränität, dem Grundsatz huldigend, daß niemand über den
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apostolischen Stuhl zu Gericht sitzen dürfe. Erst der strenge Befehl Theoderichs, alle Kirchen Roms der Aufsicht des Symmachus zu unterstellen, beendete das Schisma, das einen Vorgeschmack auf viele ähnliche Vorfälle der Zukunft gab. Dieses interne päpstliche Schisma war der Anlaß zu einer bis zu diesem Zeitpunkt unbekannten Anzahl von Fälschungen. Eine der sogenannten symmachianischen Fälschungen (der Name bedeutet nicht, daß der Papst selbst beteiligt war) erfand eine Synode von Sinuessa während der Regierungszeit Diokletians samt Reden und Erklärungen, die zur Rechtfertigung der römischen Synode vom Jahre 501 bestimmt waren. Eine andere Fälschung erdichtete ein weiteres Konzil, das von Papst Silvester, der rasch legendären Ruf gewann, einberufen und geleitet worden sei und an dem auch der kürzlich getaufte Konstantin teilgenommen habe. Der Fälschung zufolge waren hier eine Menge von Dekreten erlassen worden, deren letztes die Aufmerksamkeit im besonderen auf sich zog: „Niemand kann über den ersten (apostolischen) Stuhl, der jedem das ihm zustehende Recht widerfahren läßt, zu Gericht sitzen. Weder Kaiser noch Könige, weder der gesamte Klerus nodi das Volk kann den höchsten Richter richten". Diese symmachianischen Fälschungen übten einen sehr starken Einfluß aus, da sie thematisch unmittelbar das Papsttum betrafen. Sie fanden Eingang in einige kanonistische Rechtssammlungen und bildeten sozusagen das verfassungsrechtliche Rüdegrat der päpstlichen Position. Der Satz „Der erste (apostolische) Stuhl kann von niemandem gerichtet werden" tut überzeugend dar, wie genau der Fälscher die Bedeutung der persönlichen Souveränität des Papstes erfaßt hatte; seine Gewalt stammte nicht von jenen, die ihn gewählt hatten, also konnte sie ihm von ihnen nicht wieder genommen werden. In anderen Worten, der Papst bildete einen ihm allein eigenen Stand. Kein Wunder, daß diese These noch immer ein wesentlicher Bestandteil des heutigen kanonischen Rechts ist (can. 1556). Hätte sich der Fälscher jedoch etwas mehr in älteren päpstlichen Rechtsquellen ausgekannt, so hätte er es nicht nötig gehabt, zu gefälschten oder erfundenen Erklärungen seine Zuflucht zu nehmen. Denn kaum zwei Generationen vorher hatten zwei Päpste, Zosimus und Bonifaz I., Anschauungen vertreten, die im wesentlichen mit denen der Fälschung identisch waren (s.o. S. 14). Der Vorzug der Fälschung lag allerdings in ihrer besseren, genaueren und eindrucksvolleren Diktion. Das frühe 6. Jahrhundert war eine Epoche, die auch für die päpstliche Historiographie Bedeutung gewann. Eine der kostbarsten Quellen für die Zeitspanne zwischen dem frühen 6. und der Mitte des 9. Jahrhunderts war das sogenannte Papstbuch (Liber Pontificalis), welches damals
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begonnen und von jeweils zeitgenössischen Verfassern, bei denen es sich höchstwahrscheinlich um Schreiber der päpstlichen Kanzlei handelte, weitergeführt wurde. Die Einträge zu jedem Pontifikat waren eine Mischung aus bloßer Schilderung und Kommentierung von Ereignissen und Entwicklungen; auch die Beweggründe der Päpste wurden verzeichnet. Es handelt sich hier um den vielleicht ersten Fall „offiziöser Historiographie" , die ohne Zweifel halbamtlich war, deshalb aber nicht unzuverlässig ist. Im Gegenteil, die einzelnen Verfasser erzählten niemals ganze Unwahrheiten, verfälschten auch keine Darstellungen oder Situationen, wenn sie auch bestimmte Entwicklungen oder Vorfälle etwas aufpolierten und herausstellten. Der heutige Leser dieser Einträge muß dauernd auf der Hut sein, denn hinter oft recht harmlosen Aussagen versteckt sich manchmal ein wichtiger Schlüssel zu den wahren Motiven der handelnden Personen. Der eindeutige Zweck dieses Buches war es, ein leicht zugängliches Hilfsmittel zur internen Benutzung in die Hand zu geben, in dem die päpstliche Politik in ihrem Bezug zum großen Zeitgeschehen festgehalten war. Der Stil der Eintragungen ist sachlich, ohne Anspruch auf literarische Schönheit oder Glättung und manchmal sogar recht ungehobelt, wenn auch die Unmittelbarkeit und Frische der Ereignisberichte den heutigen Leser gelegentlich frappieren. W i e einseitig sie auch vom päpstlichen Blickwinkel aus gesehen sind, stellen diese Aufzeichnungen, weil absolut zeitgenössischer Herkunft, doch das wertvollste Quellenmaterial für weite Strecken päpstlicher Geschichte dar. Keine dieser Bemerkungen gilt jedoch für die dem Pontifikat Anastasius' II. (496—498) vorausgehenden Einträge. In auffälligem Gegensatz zu den späteren Berichten sind sie recht wirklichkeitsfremd. Vom 1. Jahrhundert an erwiesen sie sich als eine Kombination von historischer Einbildungskraft, Wunschdenken und Fiktion, einschließlich der Bereitwilligkeit, fehlende Fakten jederzeit zu erdichten. Als Quellen päpstlicher Geschichte sind sie ganz und gar unmaßgeblich. Seit dem frühen 6. Jahrhundert jedoch war die Herausbildung einer Gruppe von Schriftstellern, die man päpstliche Hofhistoriker nennen könnte, ein neues Zeichen für das wachsende Selbstbewußtsein der Institution. Aber zwischen der hochentwickelten Herrschaftstheorie des Papsttums und der Wirklichkeit herrschte immer noch eine beträchtliche Diskrepanz; konkrete päpstliche Unternehmungen sind im frühen 6. Jahrhundert noch kaum zu entdecken. Im Gegenteil, es entstand die paradoxe Situation, daß das Papsttum trotz seines ausgefeilten Programms während der ersten drei Jahrzehnte dieses Jahrhunderts unter dem wuchtigen Einfluß der Goten stand. Sie setzten die Päpste ein, die ihnen fügsam erschienen. In der Zwischenzeit wurde das akazianische Schisma
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unter Papst Hormisdas beigelegt; sein Pontifikat fiel mit der Regierungszeit Justins I. (518—527) zusammen, der seinerseits schon entscheidend unter dem Einfluß seines Neffen, Justinian, stand. Zweifellos dank Justinians Überzeugungskraft machte Justin im Jahre 519 Annäherungsversuche an Papst Hormisdas, der sie mit lebhaftem Interesse aufgriff. Die kaiserliche Regierung erkannte jetzt die römisdie Kirche als höchste Instanz in allen Fragen des christlichen Glaubens und der kirchlichen Lehre an. Nach langwierigen Verhandlungen wurden dieser und andere Punkte in der sogenannten Unionsformel (519) festgehalten, die, jedenfalls oberflächlich, das Ende des etwa dreißig Jahre alten Schismas anzeigte. Was der Formel ihre spezifisch historische Note gab, war die Bezeichnung der römischen Kirche als die einzige apostolische Kirche, die, gemäß Christi Verheißung, den wahren und reinen katholischen Glauben immer bewahrt habe. Diese Formulierung des Lehrprimats (primatus magisteri!) der römischen Kirche wurde 1350 Jahre später anläßlich des Unfehlbarkeitsdogmas des Ersten Vatikanischen Konzils wieder benutzt. Aber in ihrer unmittelbaren Wirkung war diese Formel nur eine ad èoc-Regelung, der es an Überzeugungskraft fehlte, jedenfalls was die kaiserliche Regierung angeht, die von „zwei Reichen" und den „zwei Kirchen" Alt- und Neu-Roms sprach. Rein äußerlich mochte sie wie ein Sieg des Papsttums erscheinen, aber selbst das ist zweifelhaft, denn die Verständigung war nicht mehr als eine wohlkalkulierte Maßnahme von Seiten Justinians. In Wirklichkeit war er der treibende Geist, und seine Absicht war es, den Boden für seine Wiedereroberungspolitik zu bereiten; wollte er Italien zurückerobern und die fremden Goten vertreiben, und sollte das Römische Reich in altem Glänze wiedererstehen, so mußte zweifellos die römische Kirche, die jahrhundertelang als die Hauptkirche der Christenheit gegolten hatte, irgendwie befriedet und durch einen angemessenen Status abgefunden werden. Im System Justinians war die römische Kirche ein wesentlicher Bestandteil des Römischen Reichs, aber ihre Rolle sollte auf die Aufgaben, die der Kaiser selbst ihr zuwies, beschränkt bleiben. In dieser Wiedergeburt des Römischen Reichs mußte die Kirche der historischen Stadt, die dem Reich ja seinen ehrwürdigen Namen gegeben hatte, einen angemessenen Rang erhalten. So wie die Stadt Rom bei Zeitgenossen in höherem Ansehen stand als andere Städte, so sollte auch ihr Bischof, der Papst, einen Rang über dem der übrigen Patriarchen erhalten. Die Regelung von 519 wollte dem Papsttum niemals auch nur annähernd einen jurisdiktionellen Primat zugestehen; die Geschichte von Justinians Herrschaft sollte dies voll bestätigen. Bedenkt man ihren altrömischen Hintergrund und besonders die traditionelle Einbettung
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des ius sacrum in das öffentliche kaiserliche Recht, wie hätte die Reichsregierung auch in Anbetracht der jüngsten Geschichte, einer Anerkennung des päpstlichen principatus je zustimmen können? Die Regelung zwischen Justin und Hormisdas beendete zwar das akazianisdie Schisma, aber, wie ähnliche Vereinbarungen zwischen Rom und Konstantinopel bis zum 15. Jahrhundert hin zeigen werden, waren solche Einigungen bei allem Beifall der Öffentlichkeit bestenfalls von vorübergehender Geltung, schlimmstenfalls aber von vorneherein ohne Wirkung. Einer der Gründe, weshalb der „Frieden" vom Jahre 519 vom Papsttum mit Begeisterung begrüßt wurde, war die Aussicht, daß er eine Erleichterung vom Druck des Gotenregimes zu verschaffen versprach. Mit den Goten verband das Papsttum ja viel weniger als mit der kaiserlichen Regierung in Konstantinopel, mit der es trotz der grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten in Fragen der Kirchenherrschaft wenigstens die Bande des altrömischen Erbes teilte. Trotzdem fuhren die Goten fort, das Papsttum als Werkzeug zu benützen, wie der herrische Befehl Theoderichs des Großen an Papst Johannes I., er solle sich persönlich bei der kaiserlichen Regierung für die Anhänger des Arianismus verwenden, deutlich beweist. Kurz zuvor erlassene kaiserliche Gesetze hatten sich gegen die Arianer gerichtet, und das Papsttum sollte nun kaiserliche Gunsterweise für sie erwirken. Die Reise Johannes' I. nach Konstantinopel war das erste päpstliche Unternehmen dieser Art; von da an fanden bis zum Pontifikat Konstantins, das im Jahre 710 den letzten Besuch dieser Art verzeichnet, solche päpstlichen Reisen zum kaiserlichen Gerichtshof häufig statt: nur wenige erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen. Wie zu vermuten war, erwies sich die Mission Johannes' I. als Fehlschlag; bei seiner Rückkunft warf Theoderich ihn ins Verließ, wo er im selben Jahr starb, in dem auch Theoderich sein Leben beendete (526). Daß ein Papst gezwungen werden konnte, sich für die Anhänger irriger und ketzerischer Lehren zu verwenden, denn das war der Arianismus zweifellos, war eine der größten Demütigungen, die dem Papsttum je widerfuhr, und läßt sich nur durch die Drohung mit roher Gewalt erklären. Inzwischen war der Einfluß von Kaiser Justins Neffen Justinian auf die Politik der kaiserlichen Regierung noch gestiegen. Mit dem Beginn seiner Alleinherrschaft nach dem Tode des Onkels im Jahre 527 begann eine neue Phase in der Geschichte des Römischen Reichs und des Papsttums. Die Regierung Justinians I. bildete für die Idee eines römischen Kaisertums in christlichem Gewand einen Gipfelpunkt. Justinians epochemachende Kodifizierung des römischen Rechts wird von hier aus verständlich; von seinem römisch-kaiserlichen Standpunkt aus war es plausibel, daß der Monarch als von Gott eingesetzter Herrscher des
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ganzen Universums keinen anderen Herrscher neben sich dulden konnte, der den Anspruch auf höchste Autorität in eben jenen Angelegenheiten erhob, die der Kaiser, weil sie unmittelbar das Wohl des Reichs angingen, für seine eigene Regierungskompetenz beanspruchte. Mit einigem Recht ist zwar seine Herrschaft etwas schwerfällig als Caesaropapismus bezeichnet worden, aber in Wirklichkeit war sie nichts weiter als ein erneuerter Konstantinismus christlicher Färbung. Den Grundsatz, wonach das sakrale Recht zum öffentlichen Recht gehörte, hatte Justinian in fertiger Gestalt übernommen, und er hielt es deshalb im Interesse der Allgemeinheit für sein Recht und seine Pflicht, sich mit „sakralen" Angelegenheiten zu befassen (s. a.o. S. 2, 3, 19). Das altrömische Kaisertum war im christlichen Kaisertum aufgegangen. Somit wird begreiflich, wie Justinian, der fast vierzig Jahre lang regierte, auf das Schicksal des Papsttums und damit auf die mittelalterliche — und schließlich auch auf die neueste — Geschichte Europas eine so tiefgreifende Wirkung ausüben konnte. Sein Ziel war die Wiederherstellung des alten Römischen Reichs in vermehrtem Ruhm und erhöhtem Glanz. Zu diesem Zweck ging er an die Wiedereroberung Italiens; aus demselben Grund sollte die alte Stadt Rom einen Status erhalten, der ihrer Bedeutung als Geburtsort des Reichs entsprach. Vor diesem Hintergrund wird insbesondere verständlich, was Justinian dazu bewog, der päpstlichen Kirche als der römischen Kirche par excellence erhöhten Rang zuzugestehen. Damit ging er aber nicht so weit, auch ihren jurisdiktioneilen Primat anzuerkennen. Kein Herrscher hat den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit stärker betont als Justinian. Ein jurisdiktioneller Primat des Papsttums (ein päpstlicher principatus) war schon aus diesem Grunde ausgeschlossen. In seiner langen Geschichte war das Papsttum kaum je einer handgreiflicheren Gefährdung ausgesetzt als durch dieses, im alten römischen Recht verankerte Herrschaftsprogramm Justinians, das, was nicht vergessen werden darf, bei der gesamten kirchlichen Hierarchie im östlichen Reichsteil volle Unterstützung fand. Tatsächlich riefen am Ende einer Sitzung des Konzils von Konstantinopel vom Jahre 535 die Teilnehmer aus, nichts in der Kirche dürfe ohne Einwilligung und Beifall des Kaisers geschehen. Aus der Sicht der kaiserlichen Regierung war ein anderer Standpunkt in der Tat unannehmbar. Eben weil das Gesetz den kaiserlichen Willen in allen Angelegenheiten von öffentlichem Belang kundtat und weil Justinian sich für einen ebenso ausgezeichneten Theologen wie Herrscher hielt, gab er zahlreiche Erklärungen zu rein theologischen Fragen ab; solche kaiserlichen Stellungnahmen wandelte er, wann immer es ihm angemessen und ratsam erschien, in Gesetze um. Noch dazu beschäftigten sich diese gesetz-
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geberischen Maßnahmen bevorzugt mit kirchlicher Organisation. Das mußte den Widerstand des Papsttums hervorrufen. So erfüllt war Justinian von der Idee, daß er allein der Stellvertreter Christi auf Erden und der gottgewollte Herrscher des Universums sei und daß sein durch göttliche Eingebung gelenkter Wille die Welt regiere (daher sein Titel Kosmokrator), daß seine Gesetzgebung praktisch in jeden Bereich des kirchlichen Lebens eingriff. Auf ganz besondere Weise aber betraf sie das Papsttum, das sich außerstande sah, seinen Anspruch auf jurisdiktionellen Primat durchzusetzen. Wie Justinian selbst in einer seiner Verordnungen festlegte, war es seine Pflicht, den Untertanen durch Gesetz den wahren Glauben zu vermitteln. Der Kaiser als Gesetzgeber war in der Tat „Gott, der auf Erden wandelte". Justinians Gesetzgebung gegen Ketzerei, gegen die letzten Reste des Heidentums und^gegen das praktizierte Judentum hatte jedoch starken Einfluß auf spätere westliche Entwicklungen; alle diese legislativen Maßnahmen wurden in seinem durch spätere Zusätze ergänzten Codex an die Nachwelt überliefert. Kein Wunder, daß seine häufige Einmischung in die äußerst verwickelten theologischen Streitigkeiten der östlichen Reichshälfte schließlich ernstliche geistige Unruhen nach sich zog. Bei der mangelnden Unterscheidung von „Religion" und „Politik" in Konstantinopel löste eben jede solche Verkündung beträchtlichen „politischen" Widerhall aus. Justinians Standpunkt findet sich am besten in einem seiner eigenen Gesetze zusammengefaßt. Er verkündete darin, daß Priestertum und kaiserliche Regierung derselben göttlichen Quelle entsprängen. Denn Gott hatte beide Organe geschaffen, damit sich die eine mit „den göttlichen Dingen", die andere mit „den menschlichen Angelegenheiten" befasse. Wie er an gleicher Stelle vermerkte, verwendete die kaiserliche Regierung besondere Sorgfalt auf die Auswahl kirchlicher Beamter, eben weil diese sich mit „den göttlichen Dingen", die die Grundlagen des Reichs bildeten, beschäftigten. Er legte damit nicht nur den kaiserlichen Grundsatz der Arbeitsteilung fest — der in bemerkenswerter Weise der Auffassung ähnelte, die Papst Gelasius dreißig Jahre vorher dargelegt hatte (s.o. S. 28 f.) und doch deren gerades Gegenteil war — sondern begründete zugleich das kaiserliche Recht, die notwendigen kirchlichen, disziplinaren und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, zumal in Fragen der Ernennung, Beförderung und Entlassung. Handelte es sich doch dabei um Angelegenheiten des öffentlichen Rechts, das ja auch das geistliche Recht in sich begriff (s. o. S. 2, 3). Das Papsttum war eben eines der Patriarchate innerhalb des Römischen Reichs. So sah die klassische Anwendung konstantinischer Grundsätze auf christliche Verhältnisse aus. An diesem Gesetz hielt das byzantinische Reich bis zu seinem Ende im Jahre 1453 fest; auch königlichen und kaiserlichen Regierun-
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gen in Westeuropa diente es als theoretisches Muster, das bei passender Gelegenheit zur Nachahmung gelangte. Das bis ins feinste ausgefeilte Zeremoniell und Ritual, das den Kaiser in Konstantinopel seit dem Beginn des 6. Jahrhunderts umgab, steigerte sein Ansehen ganz ungemein. Es vereinigte auf höchst vieldeutige Weise orientalische, jüdische, hellenistische und frühchristliche rituelle Züge. Sie ließen den Kaiser als beinahe göttliche Person erscheinen. Auch erklärte Justinian selbst, daß die Gesetze aus seinem göttlichen Mund hervorgingen. Er allein als Gottes Stellvertreter auf Erden sei Garant für die Einheit, den Frieden und die Eintracht von Reich und Kirche. Der himmlische Monarch, der Pantokrator, habe im Kaiser seinen irdischen Statthalter in Gestalt des Kosmokrators gefunden; in leichter Abänderung jener Paulusstelle („Ein Gott, ein Glauben, eine Taufe", Eph. 4.5.) übernahm Byzanz dasselbe monarchische und unitarische Motiv in der Formel „Ein Reich, ein Gesetz, eine Kirche". Die Palastgebäude waren heilig, die kaiserlichen Besprechungen mit den engsten Beratern wurden „heilige Konsistorien" genannt; an bestimmten Tagen ließ sich der Kaiser durch seine höchsten Beamten vermittels der Akklamation feiern; an anderen Festtagen speiste er mit dem Patriarchen von Konstantinopel (den er selbst ernannt hatte) und anderen Würdenträgern nach einem Zeremoniell, das an das Abendmahl erinnerte; kaiserliche Erlasse, Befehle und Schreiben waren symbolisch verziert und mit Miniaturen versehen, die auf die halbgöttliche Natur der kaiserlicher Person hinwiesen: deshalb verbeugte sich der Untertan beim Empfang eines kaiserlichen Dekrets und küßte die Gesetzesrolle mit Ehrerbietung. Dieser reiche Symbolismus war lediglich ein weiteres Mittel, die Grundlinien der kaiserlichen Ideologie zur Erscheinung zu bringen: abstrakter Geist und konkreter Symbolismus ergänzten einander vorzüglich, überdies konnten Beschwerden und Einwände gegen kaiserliche Entscheidungen eine Anklage wegen Hochverrats gegen die göttliche Majestät des Kaisers nach sich ziehen. Und eben hiervon fühlte sich das Papsttum ganz besonders und unmittelbar betroffen. So ist es nicht verwunderlich, daß es durch Justinians Herrschaftsausübung schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Nicht nur in den kaiserlichen Gesetzen, auch in den synodalen Dekreten wurde der päpstliche Anspruch auf jurisdiktionellen Primat mit Begründungen zurückgewiesen, die ersichtlich aus der kaiserlichen Ideologie stammten. Sogar der reine Lehrprimat, der also nur die Glaubenslehre, nicht die Jurisdiktion betraf, wurde während des Pontifikats des Vigilius, der im Jahre 537 nur mit Hilfe des Rom-Eroberers Beiisar Papst geworden war, in Frage gestellt. Vigilius' Rivale, Papst Silverius (536—537), ein Sohn von Papst Hormisdas, wurde von der kaiserlichen Regierung ver-
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b a n n t . E s gelang Vigilius, die Annäherungsversuche der Kaiserin Theodora abzuwehren, die die monophysitischen Anschauungen nach Kräften förderte und in ihrem B e m ü h e n , sie nach dem W e s t e n zu verpflanzen, bei Papst Vigilius Unterstützung suchte. W i e zu erwarten, waren ihre Anstrengungen vergebens.
Vigilius widerstand der
Versuchung,
o b w o h l ein neuerlicher kaiserlicher A n l a u f zwei J a h r e später die ganze berechnende Raffinesse der byzantinischen P o l i t i k enthüllte. U m die M o n o p h y s i t e n zu beruhigen und sie im I n t e r e s s e der Reichseinheit für die kaiserliche Sache einzuspannen, verurteilte J u s t i n i a n die Schriften von drei T h e o l o g e n , die, alle der Schule Antiochias angehörend, dem Monophysitismus feindlich gegenüber standen. E s handelte sich um die W e r k e von T h e o d o r von Mopsvestia, T h e o d o r von Zypern und I b a s von Edessa. D a s V e r b o t s e d i k t sprach von „drei K a p i t e l n "
(das
h e i ß t , den „drei T i t e l n " ) , und u n t e r diesem N a m e n ist die Angelegenheit in die Geschichte eingegangen. A b e r das P a p s t t u m hielt an den christologischen B e s t i m m u n g e n des Konzils von Chalcedon fest (s. o. S. 2 2 ) . Als Vigilius von
J u s t i n i a n um sein Einverständnis
gebeten
wurde, weigerte er sich, die Verurteilung gutzuheißen. Daraufhin setzte die Regierung
ihn hart unter Druck. E r wurde vor den
kaiserlichen
T h r o n in K o n s t a n t i n o p e l gebracht; hier brach er zusammen und Schloß sich der kaiserlichen Verurteilung der „drei K a p i t e l " an, b e t o n t e aber, daß die W a h r h e i t beim Konzil von Chalcedon liege ( O s t e r n 5 4 8 ) . M i t einigem Recht glaubte man im W e s t e n , d a ß diese päpstliche Zustimmung gewaltsam erpreßt worden sei, und einige afrikanische Bischöfe gingen so w e i t , den Papst zu e x k o m m u n i z i e r e n . D a s w a r das Startsignal für eine äußerst scharf geführte P o l e m i k der A f r i k a n e r gegen die A n m a ß u n g e n der justinianischen Kirchenpolitik. Sprecher der afrikanischen O p p o s i t i o n gegen die kaiserliche P o l i t i k w a r Facundus von H e r m i a n e , der in seinen W e r k e n
die Grundlagen
byzantinischer
Herrschaftsstruktur erbittert angriff. Erschreckt durch die heftige Reaktion auf sein E i n l e n k e n zog Vigilius seine V e r u r t e i l u n g der „drei Kapitel" zurück, erklärte sie für rechtsgültig und untersagte jeden Widerstand gegen sie. J u s t i n i a n
jedoch sicherte sich unverzüglich
weitere
päpstliche „ U n t e r s t ü t z u n g " . Seiner Freiheit und aller seiner B e r a t e r beraubt, brach der k r a n k e Vigilius im D e z e m b e r 5 5 3 ein zweites Mal zusammen und erklärte seine A b l e h n u n g der „drei K a p i t e l " und sein Einverständnis
mit ihrer V e r u r t e i l u n g :
er bestätigte die
Beschlüssse
des 5 . Allgemeinen Konzils ( J u n i 5 5 3 ) vollauf. E r s t jetzt durfte er nach R o m zurückkehren; er sollte es jedoch nie Wiedersehen, da er unterwegs starb. D i e Vigilius-Angelegenheit w a r ein Skandal und ein O m e n zugleich. D i e byzantinische Regierung unternahm alles, um das Einverständnis
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der römischen Kirche in Fragen der „römischen" Politik zu gewinnen. Ob unter demselben Druck wie Vigilius oder nicht, audi die Päpste Pelagius I. und Johannes III. blieben bei der vom Kaiser vorgeschriebenen Ablehnung der „drei Kapitel", was zur Folge hatte, daß sich die Provinzen von Mailand und Aquileja einige Jahrzehnte lang von der römischen Kirche trennten. Was Wunder, daß das Ansehen und die Macht des Papsttums nicht nur in Italien, sondern auch in anderen Provinzen, vor allem in Afrika, Schaden litten. Wenn je eine Regierung Terror unter dem Deckmantel von Rechtmäßigkeit und „Göttlichkeit" des Monarchen ausgeübt hat, dann diese byzantinische Regierung des 6. Jahrhunderts. Gegen solche Nötigung konnte sich auch das bestdurchdachte System oder Programm nicht durchsetzen. Was dem Außenstehenden auffällt, ist der absolute und grelle Kontrast zwischen der heranreifenden Herrschaftsdoktrin des Papsttums und der grausamen Wirklichkeit. Indessen war das von Justinian verfolgte Ziel — die Einheit des „Römischen" Reichs — so sehr Wunschbild, daß der Kontrast mit der tatsächlichen Situation in der Mitte des 6. Jahrhunderts kaum krasser ausfallen konnte. Um sich von der Lage ein wahrheitsgetreues Bild machen zu können, darf man die kulturelle Trennung von Ost und West nicht außer Acht lassen. Bei der Betrachtung der verfassungsrechtlichen Entwicklung des Papsttums sollte die Feindseligkeit der Bevölkerung Italiens gegen die byzantinischen Eroberer in Rechnung gezogen werden. Ähnliches Gewicht muß der allgemeinen Stimmung gegenüber dem Papsttum beigemessen werden, das in dieser unsicheren Zeit als eine der wenigen stabilen Institutionen galt. Auch die Verlegung des kaiserlichen Exarchats von Rom nach Ravenna ist in diesem Zusammenhang entsprechend zu würdigen. Obwohl Justinians Streitkräfte als „Römer" gekommen waren, die Italien zurückerobern und wieder dem römischen Reich eingliedern wollten, sah die italienische Bevölkerung sie nur als Besatzungsmacht. Sie sprachen weder die einheimische Sprache, noch zeigten sie große Achtung vor den Institutionen und Gebräuchen, zu deren Verteidigung sie gekommen waren. Die Italiener betrachteten sie eher als „Griechen" denn als „Römer". Ist es unter diesen Umständen verwunderlich, wenn Rom und Italien die byzantinischen Streitkräfte voller Mißtrauen und keinesfalls als die Befreier von fremdem Joch ansahen? Das Eindringen der Langobarden im Jahre 568 bereitete praktisch allen Träumen von einer Wiedereroberung Italiens ein Ende. Ihr Vordringen sollte für das Schicksal des Papsttums eine entscheidene Rolle spielen. Das Erscheinen der Langobarden auf italienischem Boden beschleunigte erheblich die Entwicklung, in deren Verlauf das Papsttum sich
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seiner römischen Vergangenheit u n d der darin beschlossenen Möglichkeiten immer stärker b e w u ß t w u r d e . Von kaiserlicher G e w a l t u n d Autorität war in Rom wenig übrig geblieben, nachdem der Exarch endgültig seinen Regierungssitz nach Ravenna verlegt hatte. I n diesen Zusammenhang gehört, daß Justinian aus rein verwaltungstechnischen G r ü n d e n den italienischen Bischöfen und auch dem Papsttum in Rom beträchtliche Macht zugestand. So w u r d e es letzterem möglich, zwischen der Reichsregierung in Konstantinopel u n d d e n eindringenden langobardischen H e e r e n eine Art Mittlerstellung zu beziehen; wenn sich die Notwendigkeit dazu ergab, verhandelte der Papst mit den Eroberern als mehr oder weniger selbständiges Organ. Nicht nur der Rückgang der militärischen Macht des Reichs in Italien, auch die Schwierigkeit und Schwerfälligkeit der Verständigung sowie des Verkehrs mit Konstantinopel erwies sich als vorteilhaft f ü r die Entwicklung der päpstlichen Institution als eines de facto unabhängigen Organs in Italien. I m Gegensatz zu früheren Einfallen von germanischen Stämmen kamen die Langobarden nicht als Freunde des Römischen Reichs, sondern als seine Zerstörer. W o immer sie sich festsetzten, erlosch das kaiserliche System. Anstelle der städtischen entstand eine rein ländliche Verwaltung. In rascher Folge gründeten die Langobarden Herzogtümer, Trient u n d Friaul im Norden, Benevent und Spoleto im Süden, sodaß Rom u n d seine unmittelbare Umgebung zwischen langobardischen Bollwerken eingeschlossen waren: der sogenannte römische Dukat (der „ducatus Romanus") u n d der südlichste Teil Italiens, Neapel und Sizilien, blieben nominell kaiserliche Territorien. Zu der Verschiedenheit der öffentlichen Verwaltung — die eine städtisch, die andere ländlich — trat noch eine tiefe religiöse Differenz hinzu. Die Langobarden kamen teils als Heiden, teils als Arianer, wurden aber allmählich zum Katholizismus bekehrt. Seit das Papsttum in den Besitz reicher und großräumiger Landgüter gelangt war, kam es mit den Langobarden nicht selten in unmittelbare Berührung. Die päpstlichen Besitztümer, Patrimonien genannt, bestanden aus einer Reihe großer Latifundien, die von entsprechend weiten Ländereien umgeben waren. Hier in diesen Patrimonien, die über ganz Italien und auch Dalmatien, Gallien, Afrika, Sardinien und Korsika verteilt waren, bauten die Päpste ein erstrangiges Verwaltungssystem ganz in römischem Stil auf, mit römischen Klerikern, römischem Recht und römischen Verfahrensarten. Sie waren Muster rationeller u n d geplanter Verwaltung inmitten halbbarbarischer germanischer Siedlungen. In der Tat war das Papsttum zu E n d e des 6. Jahrhunderts der größte Privatgrundbesitzer Westeuropas. Die Patrimonien ermöglichten nicht nur engen Kontakt mit den langobardischen Siegern in Italien, sondern
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bildeten auch auf Grund ihrer erstklassigen Verwaltung für die Stadt Rom und ihre Umgebung eine Versorgungsbasis. Die Einkünfte der päpstlichen Güter dienten zur Unterstützung der einheimischen Bevölkerung wie auch bedürftiger Klöster und Kirchen, und sie trugen den päpstlichen Haushalt. Der ehemals krasse Unterschied zwischen städtischer und ländlicher Verwaltung wurde allmählich verwischt, und parallel dazu stieg der Anteil des Katholizismus in der lombardischen Bevölkerung auf Kosten des Arianismus. Aber für lange Zeit blieben die Langobarden ein fremdländisches Element auf der italienischen Halbinsel. In institutionsgeschichtlicher Sicht hinterließ die kaiserliche Gesetzgebung aus der Mitte des 6. Jahrhunderts für das Verfahren der Papsterhebung ein bedeutendes Vermächtnis. Bis dahin war die Erhebung eines Papstes auf fast die gleiche Weise wie die jedes anderen Bischofs erfolgt. Schließlich war der Papst im Grunde nichts anderes als der Bischof von Rom. Das heißt, er wurde vom Klerus und der Laienschaft gewählt, denen sich die Nachbarbischöfe, vor allem die von Ostia, Albano und Porto zugesellten; sie weihten den gewählten Kandidaten zum Bischof. Bei dieser Regelung blieb es während des gesamten Mittelalters. Es gibt nun genügend Beweismaterial dafür, daß die steigende Bedeutung des päpstlichen Amtes die stets wache Aufmerksamkeit der Reichsregierung in steigendem Maße auf sich zog. Waren deshalb bei einer Wahl wirkliche oder angebliche Unregelmäßigkeiten vorgekommen oder war ein Kandidat gewählt worden, dessen oppositionelle Haltung gegenüber der kaiserlichen Religions- und Kirchenpolitik notorisch war, trat der Kaiser in Aktion. Während des ganzen 6. Jahrhunderts stellten die Mitglieder des alten römischen Adels bei weitem den größten Teil der Papstkandidaten. Die gesetzlich gültige Form der Papstwahl wurde schließlich durch kaiserlichen Erlaß im Jahre 555 festgelegt. Diese Form ist im sogenannten Liber Diurnus überliefert, einem Handbuch der päpstlichen Kanzlei, das die Formeln für die häufigsten Verfassungs- und Rechtsmaßnahmen enthielt, mit denen sich die Kanzlei zu befassen hatte. Das in diesem Formelbuch festgelegte Verfahren verlangte bei Vakanz des päpstlichen Stuhls die Benachrichtigung des Exarchen von Ravenna. Die Wahl selbst sollte drei Tage nach der Beerdigung des verstorbenen Papstes stattfinden. Der höhere römische Klerus und der Laienadel hatten an der Wahl hervorragenden Anteil, sodaß man von einer römischen Oligarchie sprechen konnte, die die Papstwahl manipulierte. Verlangt wurde nun eine notarielle Niederschrift des Wahlvorgangs, die dann an die kaiserliche Kanzlei in Konstantinopel zur Bestätigung der Wahl durch den Kaiser selbst geschickt wurde. Die Weihe eines gewählten Kandidaten durfte
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nicht ohne das kaiserliche fiat vollzogen werden. Erst im Jahre 684 wurde infolge der durch widrige Reiseumstände hervorgerufenen Verzögerungen der Exarch von Ravenna ermächtigt, die W a h l im Namen des Kaisers zu bestätigen. Es finden sich vereinzelte Fälle, w o nach kaiserlichem Vorbild der Papst noch zu Lebzeiten einen Nachfolger „designierte" , aber der geistliche wie der weltliche Adel Roms widersetzten sich diesem Plan, der daher auch nie Bedeutung erlangte. Das Verfahren, das im Liber Diurnus niedergelegt war, blieb bis zum Bruch mit der kaiserlichen Regierung im 8. Jahrhundert, als zeitweise der fränkische König die Stelle des Exarchen einnahm, gültiges Verfassungsrecht.
III. DAS PAPSTTUM UND DIE BEKEHRUNG ENGLANDS Es wäre schwierig, in der Geschichte des mittelalterlichen Papsttums einen Pontifikat von größerer historischer Bedeutung als den Gregors I. zu finden. Ohne übertreibung kann man sagen, daß seit dem Ende des 6. Jahrhunderts eine Kette von Ereignissen in Bewegung geriet, deren Wirkung weit über die mittelalterliche Epoche hinausging; für die Entwicklung des Papsttums als einer Herrschaftsinstitution wurde die Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung. Gregor I. gehörte noch der alten römisch-kaiserlichen Welt an, aber er erkannte bereits die in den germanischen Völkern liegenden Entfaltungsund Lebenskräfte. Der enge Rahmen, in dem sich das Papsttum bis dahin bewegt hatte, wurde durch ihn gesprengt. Mag diese Feststellung auch banal klingen, Gregor I. war eine der wenigen historischen Persönlichkeiten, die aus der Geschichte lernten, entsprechend handelten und deren Leistungen deshalb weltweite Bedeutung erlangten. In Rom geboren und aufgewachsen — er entstammte einer alten römischen Adelsfamilie, und einer seiner Vorfahren war Papst Felix III. (s. o. S. 26) — vereinigte er in seiner Person alle typisch römischen Wesenszüge: Klarheit der Gedankenführung, Ordnungssinn, Achtung vor dem Recht, in dem er sich auf Grund seiner praktischen Erfahrung überlegen auskannte, gesunden Menschenverstand und die Fähigkeit, eine Situation so zu beurteilen, wie sie war und nicht, wie sie hätte sein sollen. Seine Gedankengänge waren nicht originell, und obwohl der lateinische Stil seiner amtlichen Schreiben an die Reichsregierung in Kontantinopel in keiner Weise dem seiner großen Amtsvorgänger, etwa Leos I., nachstand, konnte er sich doch auch recht wohl eines ungeschliffenen Lateins bedienen, wollte er die halbgebildeten, niederen geistlichen Kreise fernab von Rom erreichen. Obgleich er zeitweise die Mönchskutte getragen hatte, waren ihm doch das römische Recht und die Verfahrenswege bei öffentlichen Geschäften wohl vertraut, überdies erfüllte er alle Voraussetzungen, die von einem Botschafter auf exponiertem Außenposten verlangt werden: er besaß Geschicklichkeit, Takt, Wendigkeit verbunden mit Festigkeit, Diskretion und Scharfsinn, und vor allem objektive Urteilsfähigkeit. Papst Pelagius II. hatte ihn als sogenannten päpstlichen Apokrisiar, d. h. päpstlichen Botschafter, nach Konstantinopel gesandt, eine Mission, in der der spätere Papst viele Erfahrungen sammelte. Hier in Konstantinopel beobachtete er klar, wie
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sehr kaiserliche Geschichte, Ideologie und Praxis verknöchert und erstarrt waren. Realistisch wie er war, zog er die naheliegende Schlußfolgerung, daß die Auflehnung gegen dieses historisch bedingte kaiserliche Herrschaftssystem ebenso gefährlich wie zwecklos gewesen wäre, so bedauerlich auch die Einmischung der Reichsregierung in die kirchliche Organisation und Lehre sein mochte. Gregor I. machte sich nicht die geringste Hoffnung auf Anerkennung des päpstlichen Jurisdiktionsprimats durch Konstantinopel, zumal als sich gegen Ende des 6. Jahrhunderts die alten Bande zwischen Byzanz und Italien rasch zu lockern begannen. Als Jurist war er sich darüber im klaren, daß jeder gewaltsame Versuch in dieser Richtung eine Hochverratsklage nach sich ziehen würde; außerdem hätte der Papst als Untertan des Kaisers für einen solchen Angriff auf dessen „göttliche" Stellung und Autorität schwerste Bestrafung gewärtigen müssen. Die Gründe, die das Papsttum für seinen Anspruch auf den Jurisdiktionsprimat ins Feld führte — die petrinische Nachfolge — hatten auf die Reichsregierung und die herrschenden Kreise in Konstantinopel nicht den geringsten Eindruck gemacht. Während seines Aufenthaltes als Gesandter in Konstantinopel hatte Gregor genügend Gelegenheit zu der Beobachtung gehabt, daß päpstliche Argumente in Neu-Rom gar keinen Widerhall fanden. Am 3. September 590 wurde Gregor zum Papst gewählt, und vom ersten Tag seines Pontifikats an vereinigte er alle Merkmale eines Herrschers in sich. Der beachtlich hoch entwickelte institutionelle Apparat des Papsttums war ihm offensichtlich eine große Hilfe, insbesondere die Kanzlei, die Registratur und die Haushaltsämter, die mit der wirtschaftlichen und finanziellen Verwaltung der ausgedehnten und verstreuten Patrimonien betraut waren. Gregors persönliche Fähigkeiten wurden durch diesen einsatzbereiten Verwaltungsapparat wirksam ergänzt. Seine überlegene Behandlung aller die Stadt Rom und ihre Umgebung (den Dukat von Rom) unmittelbar betreffenden Angelegenheiten und seine Entschiedenheit und Zielstrebigkeit angesichts widriger Umstände gewannen ihm die Zuneigung der römischen Bevölkerung. Bei der ihm eigenen Berücksichtigung aller Einzelheiten ließ er nie die Verfolgung seiner großangelegten strategischen Pläne aus den Augen. Vom historischen Standpunkt besonders beachtenswert ist die Tatsache, daß amtliche päpstliche Register erstmals aus der Zeit seines Pontifikats erhalten sind, zwar in Form einer späteren, aber doch echten Abschrift. Diese Register bilden eine unschätzbare Informationsquelle, weil sie große Teile der gesamten amtlichen Korrespondenz Gregors I. mit dem Osten und dem Westen enthalten. Als Mann von außerordentlicher Energie verfaßte er auch eine Reihe von Büchern, die wir heute als Populär-
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literatur bezeichnen würden, teils zur erbaulichen Belehrung, teils für pastorale Zwecke bestimmt. So unbedeutend diese Bücher und vor allem seine Predigten und Bibelinterpretationen als geistige Leistungen auch sein mögen, so gewaltig war doch ihr Einfluß auf die mittelalterliche Geistesgeschichte. Es ist keine übertreibung zu behaupten, daß die stark vom Augustinismus beeinflußten mittelalterlichen Denkschemata hauptsächlich dem Einfluß gregorianischer Schriften zu verdanken sind, die viele augustinische Ideen erst „volkstümlich" machten. Nicht länger haltbar ist jedoch die Annahme, daß Gregor für die Fortschritte in der Liturgie und der Kirchenmusik verantwortlich sei, die ihm Legende und fromme übertreibung angedichtet haben. Besondere Erwähnung verdient Gregors starkes Interesse für die päpstlichen Patrimonien. Durch geschickte Leitung und Organisation wurde ihr Ertrag verbessert und dadurch vor allem Nahrung für die einheimische Bevölkerung gewonnen. Der totale Zusammenbruch der kaiserlichen Verwaltung in Rom und Umgebung war· zu einer ernsten Bedrohung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung geworden, zumal wenn die proletarischen Massen unter Hungersnöten litten. Die großzügige Verteilung lebensnotwendiger Güter aus den päpstlichen Patrimonien an die hungernde Bevölkerung rettete schließlich die Lage. Ganz ungewollt war das Papsttum so in die Verwaltung öffentlicher und sozialer Angelegenheiten hineingeraten. Diese Sachlage prägte sich während Gregors Pontifikat immer stärker aus, als nicht nur große Lösegeldsummen an die Langobarden zu zahlen waren, sondern auch Tausende von Flüchtlingen nach Rom strömten. Hinzu kamen noch Naturkatastrophen, Überschwemmungen, die Hunderte von Familien obdachlos machten. Zeitweise wurde sogar der Unterhalt der in Rom stationierten kaiserlichen Garnison aus päpstlichen Vorräten bestritten. Kurz, die Verantwortung für die Verwaltung und das soziale Leben in Rom war ganz auf das Papsttum übergegangen. So wird verständlich, daß es neue Organisationsformen entwickelte, die, obgleich reichlich improvisiert, entsprechenden Erfolg zeitigten, um späteren Entwicklungen als Grundlage zu dienen, insbesondere im Bereich des Finanzwesens und der Volkswohlfahrt. Selbstverständlich trug diese Entwicklung fördernd zum Gedeih und Nutzen der Institution des Papsttums bei. Seine größte historische Wirkung erzielte der Pontifikat Gregors des Großen aber nicht in, sondern außerhalb Roms. Denn das Papsttum begann nun, den brachliegenden Boden der im Westen siedelnden germanischen Völker zu bearbeiten und römisch-kirchlichen Einflüssen zu öffnen. Es dürfte schwierig sein, die Tragweite dieser ersten päpstlichen Annäherung an die noch halb-barbarischen westlichen Völkerschaften voll zu ermessen. In mancher Beziehung könnte man die Missionierung Gal-
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liens und Britanniens mit der Entdeckung der neuen Welt an der Wende zur Neuzeit vergleichen. Was Gregor zu einem so gewagten Unternehmen wie der Missionierung des Westens veranlaßte, läßt sich wohl nur aus den Erfahrungen seiner Botschafterzeit in Konstantinopel erklären. W i e schon erwähnt, wurde ihm dort klar, wie sinnlos und gefährlich jeder Versuch gewesen wäre, den römischen Primatsanspruch gegen den Willen der kaiserlichen Regierung durchzusetzen. Diese historische Einsicht eines einzelnen Menschen sollte die Karte der Welt verändern. Das Dilemma, vor das sich Gregor gestellt sah, war folgendes. Entweder das Papsttum akzeptierte die Herrschaftsauffassung Konstantinopels, die ihm die Rolle eines Patriarchats ohne entsprechende Herrschaftsbereiche zugedachte, oder es hielt an dem auf göttliche Berufung gegründeten Anspruch auf eigene freie Machtausübung (im leoninischen und gelasianischen Sinne) fest; in diesem Fall mußte es gegen die zahlreichen kaiserlichen Eingriffe in den kirchlichen und religiösen Bereich Protest erheben. Hier aber geriet das Papsttum in eine sehr schwierige Situation, denn W i d e r s t a n d und Protest gegen Entscheidungen der „göttlichen" kaiserlichen Majestät zogen schwerwiegende Anklagen nach sich. Es überrascht durchaus nicht, daß Gregor I. sich für die zweite Alternative entschied. Er beschloß, auf der freien Ausübung von Herrschaft und auf dem Jurisdiktionsprimat des Papsttums zu bestehen. W e i t e r h i n war er sich darüber im Klaren, das das Papsttum, sollte es seine wahren Interessen angemessen wahrzunehmen im Stande sein, sich freier Entfaltungsmöglichkeiten versichern müßte, ohne unter der ständigen Drohung mit ernsten Anklagen durch die Reichsregierung leben zu müssen. Das aber bedeutete, daß es seinen praktischen Einfluß auf Gebiete ausdehnen müsse, die nicht nur der kaiserlichen Regierung nicht unterstanden, sondern auch für sie ohne Interesse waren. Praktisch bedeutete dies die Ausdehnung des päpstlichen Aktionsradius über Spanien, Gallien und Britannien. Es war eine ebenso einfache w i e wirkungsvolle Lösung. Im September 595 w u r d e die Vorhut jener Mission verabschiedet, die den W e g für eine der erfolgreichsten missionarischen Unternehmungen des Mittelalters bereitete. England wurde durch die vom hl. Augustin (von Canterbury) angeführten Missionare zum römischen Christentum bekehrt und sollte eines der Länder werden, die dem frühmittelalterlichen Papsttum am treuesten ergeben blieben. In Gallien wurden die bereits bestehenden Bindungen an das Papsttum erheblich verstärkt, während in Spanien der glänzende, hochbegabte Zeitgenosse Gregors, Erzbischof Isidor von Sevilla, römische und germanische Bildungselemente wirkungsvoll miteinander verschmolz: Isidors Einfluß auf das Mittelalter kann quantitativ kaum gemessen werden. Die westgotischen
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Könige Spaniens waren damals schon zum Katholizismus bekehrt; sie fühlten sich als edite Repräsentanten des römischen Christentums und waren deshalb für römische Einflüsse höchst empfänglich. Mit einem Wort, in diesen drei stabilen westlichen Königreichen stand einer Verwirklichung der römischen Primatansprüche nichts im Wege. Aber mit dem Verschwinden des westgotischen Reichs in Spanien schon ein Jahrhundert später (im Jahre 711) ging der religiöse und kirchliche Schwerpunkt des Westens an das angelsächsische England über. Aus der fernsten Ecke Europas, aus seinem am spätesten bekehrten Teil kam der stärkste missionarische Anstoß, der nach und nach zur Bekehrung weiter Gebiete Europas, insbesondere des späteren Deutschland und Mitteleuropa, führte. Zwischen dem Ende des 6. und der Mitte des 8. Jahrhunderts wurden stabile Grundlagen für das eindrucksvolle Bauwerk des späteren lateinischen Abendlandes gelegt. In der Tat, dies war der greifbare Ertrag der Missionierung Englands durch Gregor den Großen. Kaum eine Unternehmung wurde je von einem so eindrucksvollen Erfolg gekrönt. Wie Gibbon einmal bemerkte, benötigte Caesar für die Eroberung Britanniens sechs Legionen, während Gregor dasselbe Ziel mit vierzig Mönchen erreichte. Mit vollem Recht kann Gregor der „Vater Europas" genannt werden. Dieses Europa war von römischer Herkunft und trug echt römische Merkmale. Das Band, das Europa einte, war der Glaube, wie ihn die römische Kirche lehrte. Ein rein physischer oder geographischer Begriff sollte eine geistig-kulturelle Einheit werden, zusammengehalten von inneren Kräften, unter denen der christliche Glaube in seiner römischen Form die lebendigste und stärkste war. In prophetischer Vision sah Gregor diese europäische Einheit als die Einheit eines christlichen Gemeinwesens („societas reipublicae christianae"), dessen wesentliche Bestandteile römischen und kirchlichen Ursprungs waren. Wie schon bemerkt, ist die Papstgeschichte in entscheidenden Punkten durch die Herausforderung seitens des Ostens bestimmt worden, die das Papsttum zur Klärung seines eigenen Standpunkts und damit zur Fortentwicklung seines Programms zwang. Ein weiteres Beispiel dafür wird am amtlichen päpstlichen Titel sichtbar. Die Annahme des Titels „Diener der Diener Gottes" durch den Papst war die Folge einer von Gregor — vielleicht fälschlich so — empfundenen Provokation durch den Patriarchen von Konstantinopel. Spätestens seit dem frühen 6. Jahrhundert nannte dieser sich „ökumenischer Patriarch". Seiner Auffassung nach entsprach sein Status als höchster kirchlicher Beamter der Universalität des Kaisers selbst — ein Reflex des kaiserlichen Standpunkts, wonach der zivile Status einer örtlichkeit auch deren kirchlichen Rang bestimmte (s. o. S. 22). Der Sinn dieses Titels lag zweifellos
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darin, daß die Patriarchen einen universellen Primat derselben Art für sich beanspruchten, wie das Papsttum ihn seit jeher aus der Hl. Schrift und der Geschichte für sich abgeleitet hatte. Indem er sich „Diener der Diener Gottes" nannte, betonte Gregor den Kontrast zwischen seiner, von christlicher Demut bestimmten, Auffassung und jener byzantinischen, die hinter der hochtrabenden Benennung des Patriarchen stand. Aber gerade damit erhöhte er das päpstliche Amt (vielleicht in Anspielung auf Matth. 23. 11—12; Lukas 9 . 4 8 ) . Von einigem Interesse ist die Tatsache, daß durch Gregors Protest gegen die von ihm gerügte Arroganz des Patriarchen in der Titelfrage (Gregor übersah geflissentlich, daß nicht der zeitgenössische Patriarch den Titel geprägt hatte) seine langjährige Freundschaft mit dem Patriarchen Johannes IV. jäh in die Brüche ging. Der Streit zwischen den beiden Männern — das ist höchst bedeutungsvoll — brach unmittelbar vor der Abreise der Missionsvorhut nach Gallien und Britannien aus. Der Patriarch Johannes konnte zwar keine Ahnung haben, was seinen päpstlichen Freund so plötzlich verärgert hatte, doch gab es nichtsdestoweniger gute Gründe für den päpstlichen Protest. Zweck der missionarischen Unternehmung Gregors war es, den päpstlichen Primatsanspruch seiner Verwirklichung näherzubringen; zu diesem Zeitpunkt nicht gegen die „Überheblichkeit" des Patriarchen zu protestieren, hätte den Sinn und Zweck des Unternehmens in Frage gestellt. Ohne diesen Protest hätte das Papsttum stillschweigend zugegeben, daß der Titel des Patriarchen tatsächlich dessen Rang und Position widerspiegelte. Ohne Zweifel erwartete sich Gregor, der ja die Situation in Konstantinopel bestens kannte, nichts von seinem Protest, aber um den Erfolg seiner Mission sicherzustellen, sah er sich zu seinem Einspruch und zur Annahme eines gleichsam entgegengesetzten Titels gezwungen. Mit der W a h l eines Demutstitels übernahm der Papst nicht nur das Wesen dieser christlichen Tugend in die Amtssprache, sondern folgte auch Justinians Beispiel, der mit seinen selbstgewählten Kaisertiteln gelegentlich ähnliche Demutsanwandlungen bekundet hatte. Die von Gregor geprägte Bezeichnung blieb bis über das Mittelalter hinaus bestehen. Während des Pontifikats Gregors I. schuf das Papsttum die Grundlagen für seinen späteren mächtigen Einfluß in Westeuropa. J e stärker der päpstliche Einfluß dort wurde, desto mehr ging er im Osten zurück. Tatsächlich war bereits während Gregors Pontifikat ein deutlicher Unterschied in der Art zu erkennen, wie der Papst sich westlichen und östlichen Herrschern gegenüber ausdrückte. Zu westlichen Herrschern sprach er wie ein Regent, der Befehle erteilt und die Ausführung seiner Anweisungen von denen erwartet, die er seine „Söhne" nennt. In seiner amtlichen Korrespondenz mit dem Osten erschien er immer als der
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Untertan des Kaisers, den er nie mit „Sohn" anredete und dem er nie Befehle erteilte. Während der Gedanke des päpstlichen principatus im Vordergrund von Gregors Verhandlungen mit westlichen Regierungen stand, ist dieser Begriff in seiner gesamten amtlichen Korrespondenz mit der kaiserlichen Regierung nicht zu finden. Diese Unterschiedlichkeit sollte nicht als doppelzüngige Politik verurteilt, sondern als das Ergebnis einer realistischen Beurteilung der zeitgenössischen Situation verstanden werden. Während der Zeitspanne, in der er seine Stellung im Westen aufbaute, folgte Gregor hauptsächlich dem Grundsatz, jeden Ärger mit Konstantinopel zu vermeiden. Eine Politik der Zweigleisigkeit — eines für den Osten und eines für den Westen — war der einzigartige Beitrag dieses Papstes zur Geschichte des Papsttums. Die militärische und innenpolitische Lage in Italien kam dem Papsttum offensichtlich sehr entgegen. Gregor führte mit den Langobarden Verhandlungen, als sei er der unabhängige Vizekönig Italiens. Das wurde besonders augenfällig während der Belagerung Roms und der Besetzung der umliegenden Bezirke durch die Langobarden. Durch Zahlung der astronomischen Summe von 500 Pfund in Gold wendete Gregor weitere Angriffe der Langobarden ab — eine zwar demütigende, aber wirklichkeitsnahe Entscheidung. Die kaiserliche Politik billigte solche Verhandlungen mit den Eindringlingen nicht, woran die amtlichen Mitteilungen an Gregor auch keinen Zweifel ließen. Als Ziel schwebte der Reichsregierung offenbar ein erneuter Anlauf zur Rückeroberung Italiens und die Errichtung einer neuen kaiserlichen Herrschaft, wohl straffer noch als unter Justinian, vor. Mit Takt, Umsicht und geschicktem Manövrieren erreichte dagegen Gregor i. J. 596 sein eigenes Ziel, Frieden mit den Langobarden, deren Königspaar Agilulf und Theodolinde katholisch waren. Dieses Vorgehen und die sich daraus ergebende de factoHerrschaft des Papstes in Italien trugen viel zur Erhöhung des Ansehens und des guten Namens der Institution selber bei, und zwar nicht nur in Italien. In seiner Stellung als eigentlicher Herrscher Italiens kam Gregor der Nachfolger des Kaisers Mauritius, der Emporkömmling, Mörder und Usurpator Phokas, sehr gelegen; wieder war es sein vorrangiges Ziel, den neuen Kaiser nicht zu Maßnahmen zu reizen, die sich für die großen päpstlichen Planungen als schädlich erweisen könnten. Auf seiner Grabinschrift wurde Gregor „Konsul Gottes" („Consul Dei") genannt, eine Bezeichnung, in der das heidnische wie das christliche Rom treffenden Ausdruck fanden. Gregor war eher Diplomat, Unterhändler, Mann des praktischen Verstandes und Missionar, als Denker und Gelehrter von der Art Leos I. oder Gelasius' I. Indem er auf ihren Ideen aufbaute, gelang aber gerade ihm der alles umwälzende Vorstoß in die germanische Welt. Durch die Verbindung des lateinischen
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Rom mit den naturhaften germanischen Nationen entstand das Europa, dessen geistiger Vater Gregor der Große ist. Auffällig ist der Kontrast zwischen der objektiv historischen Bedeutung des gregorianischen Pontifikats und dem völligen Fehlen jeglicher zeitgenössischen Anerkennung seiner Leistungen. Die wesentlichste und nächststehende Quelle, das halbamtliche Papstbuch, stufte Gregor in keiner Weise höher ein als seine unmittelbaren Vorgänger. In Wirklichkeit war aber der Einfluß des Papsttums in den folgenden Jahrzehnten sehr gering. Es war, wie man es nennen könnte, das Zeitalter der „byzantinischen Gefangenschaft" des Papsttums, überdies hatten Gregors unmittelbare Nachfolger nicht genügend Klugheit, Weitblick oder praktischen Verstand, um die Richtung weiterzuverfolgen, die Gregor eingeschlagen hatte. Das liegt allerdings großenteils auch an der äußerst kurzen Dauer ihrer Pontifikate. Während der ersten zwanzig Jahre nach Gregors Tod (am 12. März 604) gab es nicht weniger als fünf Päpste, und zwischen den einzelnen Pontifikaten lagen lange Vakanzen, bedingt durch die Verzögerungen, die die Einholung der kaiserlichen Bestätigung für den gewählten Kandidaten mit sich brachte. Unter diesen Umständen war eine klare und konsequente Fortsetzung der gelasianischen oder gregorianischen Politik kaum zu erwarten. Ferner wurde die allgemeine Unsicherheit, die in ganz Italien zu spüren war, noch dadurch verstärkt, daß sich die nunmehr hervortretende feindselige Stimmung der italienischen Bevölkerung gegen die verbliebenen byzantinischen Beamten, die sich als Griechen von den Einheimischen fernhielten und absonderten, jetzt bemerkbar machte. Ein weiterer erschwerender Faktor war die Feindschaft zwischen Italienern und Langobarden. Nimmt man alle diese Umstände zusammen, so war die damalige Situation auf der Halbinsel kaum dazu angetan, die Päpste zu einer Entfaltung ihrer Fähigkeit in der Ausübung von Herrschermacht anzueifern. Diese klägliche Lage Roms und Italiens war in erster Linie für den geringen Widerstand des Papsttums gegen byzantinische Einmischungen in den religiösen Bereich verantwortlich. Wieder einmal benützte die kaiserliche Regierung das Papsttum nur als Werkzeug bei der Verfolgung ihrer reichsrechtlichen Ziele. Kaiser Heraklius (610—641) wurde zu Beginn seiner Regierung durch den bedrohlichen Vormarsch der Perser in Richtung Bosporus stark unter Druck gesetzt. Gegen Ende seiner Herrschaft entstanden dem Reich weitere Schwierigkeiten durch die islamische Gefahr, nachdem schon vorher in kurzen Abständen wertvolle Provinzen an die siegreichen Araber verloren gegangen waren. Besonders verwundbare Reichsteile waren Ägypten und Syrien, aber in beiden Ländern war die monophysitische Lehre nodi stark vertreten. Hinter dieser religiösen Konstellation verbargen sich starke politische Spannun-
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gen, da der Monophysitismus ja unmittelbar auch Stellung und Stand des Kaisers berührte. Sollte also der äußerst bedrohliche Vormarsch der Moslems aufgehalten werden, so war die Einheit des Reichs eine unabdingbare Notwendigkeit geworden. Um nun den Anhängern des Monophysitismus entgegenzukommen, versuchte Sergius, der Patriarch von Konstantinopel, zweifellos auf Anregung des Kaisers, den Streit wenigstens oberflächlich beizulegen, indem er die christologische Frage in einem neuen Licht darstellte: nicht ob Christus eine oder zwei Naturen habe, müsse die Frage lauten, sondern ob er eine oder zwei Energien (eine menschliche und eine göttliche) und einen oder zwei Willen (einen menschlichen und einen göttlichen) besitze. Der Patriarch löste das Problem mit der Erklärung, in Christus sei nur eine Energie und ein Wille. Die Frage, inwieweit hier noch ein Unterschied zum Monophysitismus vorlag, ist in unserem Zusammenhang bedeutungslos. Von Bedeutung ist dagegen, daß Byzanz, um dieser Lehrmeinung mehr Gewicht zu verleihen, an das Papsttum herantrat. Der amtierende Papst, Honorius I., war sich ganz offensichtlich der weiteren dogmatischen und politischen Verwicklungen der neuen Lehre nicht bewußt, als er recht naiv die Auffassung des Patriarchen bestätigte. Dieser Glaube wurde Monenergismus und Monotheletismus (eine Energie, ein Wille) genannt. Im Jahre 638 erschien daraufhin ein weiteres kaiserliches Glaubensdekret, die sogenannte Ekthesis, von der man sich die endgültige Beilegung aller christologischen Streitigkeiten versprach. Im selben Jahr starb Honorius I. Nun aber regte sich im Westen Widerstand. Die neuerliche Glaubensfestlegung durch kaiserliches Edikt wurde sofort ein Angriffsziel des Westens, der darin eine Verletzung des nun beinahe 200 Jahre alten Chalcedonense sah. Um weitere Debatten, die das innere Gefüge und die Widerstandskraft des Reichs noch mehr geschwächt hätten, zu ersticken, erließ Kaiser Konstans II. 648 den sogenannten Typos, der jede weitere Erörterung der Frage untersagte. In diesem Dekret heißt es: „Durch göttliche Eingebung erleuchtet wünschen wir die Flamme der Zwietracht zu löschen. Deshalb bestimmen wir für alle unsere Untertanen (also einschließlich des Papstes, wie zu bemerken ist), daß von jetzt an die Erörterung, ob Christus einen oder zwei Willen besitze, verboten ist. Wer gegen diesen Befehl handelt, wird sich vor dem schrecklichen Gericht Gottes verantworten müssen und darüberhinaus unserer Strafe verfallen, was für einen Bischof die Entlassung, für einen Adeligen die Konfiskation seines Besitzes, für einen gewöhnlichen Untertanen Exil und Folter bedeutet". Genau ein Jahr nach Erlaß dieses Gesetzes, am 5. Oktober 649, berief Papst Martin I. eine Synode in den Lateran. Es war die Tat eines Papstes, der zu unbedingtem Widerstand gegen kaiserliche Gesetzgebung
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in Glaubensfragen entschlossen war. Die Synode bekräftigte nicht nur die Lehre von den zwei Willen und den zwei Energien in Christus. Sie exkommunizierte audi öffentlich den Patriarchen von Konstantinopel und eine Reihe führender östlicher Geistlicher — in Anbetracht der Situation ein äußerst mutiger, ja kühner Schritt. Martin hatte sich bereits das Mißfallen des Kaisers zugezogen, weil er vor Erhalt der kaiserlichen Wahlbestätigung päpstliche Amtshandlungen vollzogen und sich zum Bischof hatte weihen lassen. Aus kaiserlicher wie aus päpstlicher Sicht war die Lage äußerst ernst und gespannt. Auf der einen Seite stand ein Papst, der trotz Androhung schrecklicher Strafen ausdrücklich die Anerkennung des kaiserlichen Urteilsspruches verweigerte; allerdings war es genau genommen nicht das Papsttum, sondern eine römische Synode, die dem Dekret Seiner Majestät Widerstand geleistet hatte. Auf der anderen Seite stand der Typos, der verfassungsrechtlich ein kaiserliches Gesetz war. Der synodale Beschluß stellte eine gezielte Mißachtung dieses Gesetzes dar, durch das sich der Kaiser, der sich für Gottes Stellvertreter hielt, zu einer religiösen Frage erklärt hatte. So befahl die kaiserliche Regierung dem Exarchen Olympios die Verhaftung des rebellischen Papstes und seine Überführung nach Konstantinopel. Der Kaiser scheint sich der Unzuverlässigkeit seines eigenen Beamten nicht bewußt gewesen zu sein, denn sobald der Exarch zur Vollstreckung des Haftbefehls in Rom angelangt war, erhob er sich mit Unterstützung der letzten in Rom stationierten kaiserlichen Milizsoldaten gegen den Kaiser. Er rief sich selbst zum Kaiser des Westens aus; sein Mitkaiser war Valentinian. Daß Martin I. sich diesem Unternehmen nicht entgegenstellte, war keinesfalls genügend Grund, um darauf eine Anklage wegen Verbrechens gegen ihn zu erheben. Aber genau das tat die kaiserliche Regierung, nachdem Olympios im Kampf gegen die Araber im Jahre 652 gefallen war. Die schwerste aller Anklagen, die des Hochverrats, wurde gegen den Papst erhoben. Der Nachfolger des Olympios marschierte mit einer starken und zuverlässigen Miliztruppe nach Rom und vollstreckte den Haftbefehl gegen den Papst am 17. Juni 653. Das Begleitkommando des Exarchen benahm sich eher wie Barbaren denn wie kaiserliche Soldaten, es zerschlug die Leuchter und die Möbel im Lateranpalast. Gemäß dem Haftbefehl wurde der Papst vom Exarchen abgesetzt und sofort nach Konstantinopel gebracht. Nachdem der Papst 93 Tage lang gefangengehalten worden war, begann einer der größten Schauprozesse von Byzanz. Zeugen der Anklage waren allesamt Offiziere der Miliztruppe, die sich am Putsch unter Olympios beteiligt hatten. Durch diese Aussage retteten sie ihre eigene Haut, denn wenn jemand wegen Hochverrats hätte angeklagt werden müssen, so waren es diese Offiziere. Mar-
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tin I. deckte das Spiel auf, aber ohne Erfolg. Sobald er auf dogmatische oder religiöse Fragen zu sprechen kam, wurde er vom Vorsitzenden Richter unterbrochen: „Nichts über Lehrfragen, du stehst hier unter der Anklage des Hochverrats". Der Ausgang war vorauszusehen. Martin wurde für schuldig befunden und auf die Krim verbannt. Dort starb er am 26. September 655. Dieser Pontifikat zeigt, wie weit die kaiserliche Regierung zur Erhaltung ihres Herrschaftssystems zu gehen bereit war; aber er zeigt auch, welchen Gefahren das Papsttum schon bei dem Versuch ausgesetzt war, seine Aufgaben in einer christlichen Gesellschaft selbst in engstem religiösen Rahmen zu erfüllen. In der Tat war jeder Widerstand gegen die göttlichen Majestäten, zu denen sich die Kaiser in Konstantinopel selbst erhoben hatten, nicht nur sinnlos, er war auch gefährlich. Diese Episode stand nicht für sich allein. Nicht nur der Westen widersetzte sich heftig, mit allerdings wirklich untauglichen Mitteln, den dogmatischen Regelungen des Kaisers, auch im Osten regte sich Widerstand. Einer der Kritiker der kaiserlichen Regierung war Maximus, später der Bekenner genannt, der in scharfen, beißenden, wohlfundierten Schriften gegen die Anmaßung „päpstlicher Gewalt" durch die Kaiser heftig polemisierte. Zusammen mit seinen Mitarbeitern wurde er in Rom verhaftet und vor das kaiserliche Gericht gezerrt. Im Mai 655 wurde er zur Verbannung verurteilt; trotz mehrerer Versuche, ihn von seinem papstfreundlichen Standpunkt abzubringen, blieb er fest und beharrte selbst angesichts von Drohungen darauf, daß der Kaiser kein Recht auf Entscheidung von Glaubensfragen und auf Einmischung in religiöse Angelegenheiten habe, zu deren Wahrnehmung nach seiner Auffassung allein das Papsttum berufen sei. Nachdem alle Überredungsversuche nichts gefruchtet hatten, erfuhren er und seine Mitstreiter das ganze Maß des kaiserlichen Zornes: die Zunge wurde ihnen herausgeschnitten und die rechte Hand abgehackt. Sieben Jahre nach seinem Prozeß starb Maximus im Exil am 13. August 662. Es ist nicht verwunderlich, daß diese und andere Regierungsmaßnahmen das Papsttum offensichtlich einschüchterten. Die zunehmende „Byzantinisierung" des Papsttums in den folgenden Jahrzehnten findet darin ihre Erklärung. So übernahm die päpstliche Kanzlei die typisch byzantinische, unterwürfig-kriecherische Form der Anrede und des Stils im amtlichen Schriftverkehr; rein äußerlich jedenfalls begann das Papsttum durch seine Kanzlei von der kaiserlichen Majestät in einer Art zu sprechen, als ob es sich den kaiserlichen Plänen gefügt hätte. Es war in der Tat eine grausige Zurschaustellung kaiserlicher Macht — einem Rückfall in die Vergangenheit vergleichbar — als derselbe Kaiser, der Martin verurteilt hatte, nach Rom kam und in geisterhafter Art von
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Papst Vitalian mit gebührendem A u f w a n d u n d P r u n k empfangen wurde. Es war der letzte Besuch eines „römischen Kaisers" in der Stadt, die dem Reich ihren N a m e n gegeben hatte: ein Abschiedsbesuch, der wie symbolisch fünf Jahrzehnte vor dem Abschiedsbesuch des Papstes in Konstantinopel stattfand. Die sechziger u n d siebziger Jahre des 7. Jahrhunderts mußten einem zeitgenössischen Beobachter den Eindruck vermitteln, das P a p s t t u m habe sich endgültig dem Terror der kaiserlichen Regierung gebeugt. Die schweren Verluste Konstantinopels infolge des arabischen Vormarsches u n d die Besetzung kaiserlicher Gebiete auf dem Balkan durch die Bulgaren ließ die kaiserliche Regierung wieder einmal zu einer Taktik greifen, die sie schon früher unter ähnlichen Umständen angewandt hatte, wobei der religionspolitische Vorstoß diesmal allerdings in entgegengesetzter Richtung erfolgte. Um den westlichen Reichsteil (sofern man davon überhaupt noch als von einer Verwaltungseinheit sprechen konnte) f ü r die kaiserliche Politik zu gewinnen, empfahl es sich, das P a p s t t u m irgendwie zu besänftigen. Daher mußten Mittel u n d W e g e gef u n d e n werden, u m zu legalisieren, was bisher illegale religiöse Lehren waren. Für November 680 berief der Kaiser das 6. Allgemeine Konzil. In der in Rom im Jahre 680 abgehaltenen Ostersynode formulierte Papst Agatho den päpstlichen Standpunkt mit der trotzigen Betonung des päpstlichen Lehrprimats. Die unmißverständliche Botschaft an Kaiser Konstantin IV. lautete: die römische Kirche sei seine Mutter, und man habe ihr noch nie einen I r r t u m nachweisen können. Unter Bezug auf die päpstliche Lehrmeinung über die Existenz zweier Willen in Christus verwarf nun das Allgemeine Konzil alles, was bisher beschlossen und befolgt worden war. Die neue Lehre verkündete die Existenz zweier Willen in Christus und verurteilte auch alle früheren Gegner dieser Lehre als Ketzer — einschließlich des Patriarchen Sergius und des Papstes Honorius I. Aber das Ziel, f ü r den Westen und den Osten eine gemeinsame religiöse Grundlage zu schaffen, ließ sich doch nicht verwirklichen. Das von Kaiser Justinian I I . f ü r das Jahr 692 einberufene Konzil sollte ein bloßer Anhang des 6. Allgemeinen Konzils werden: es erließ lediglich ergänzende Vorschriften. Das Papsttum war nicht einmal eingeladen worden, und doch waren die zahlreichen Dekrete (die bis heute das Leben in der Ostkirche regeln) eine Erneuerung vieler früherer Gesetze, die den Westen ganz allgemein u n d das Papsttum im besonderen verletzt hatten. Daß diese Dekrete die ohnehin weite Kluft zwischen Ost und West noch verbreiterten, ist nicht so entscheidend wie die strikte Forderung des Kaisers, der Papst — obwohl weder zum Konzil eingeladen, noch dort vertreten oder um seine Meinung befragt — solle sie unterzeichnen. Sechs Riesen-
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rollen mit den Sitzungsprotokollen und den Unterschriften der Teilnehmer wurden nach Rom gesandt und der Papst in herrischem Ton zur Unterschrift aufgefordert; er verweigerte sie entschieden, obwohl ihm das Schicksal Martins I. angedroht worden war. Zwei hohe päpstliche Beamte, Bischof Peter von Porto und der päpstliche Berater Bonifaz, wurden sofort festgenommen und in Ketten nach Konstantinopel gebracht. Die offene Feindseligkeit der römischen Bevölkerung hinderte den kaiserlichen Offizier und seine Soldaten jedoch an der Vollstrekkung des Haftbefehls gegen den Papst (Sergius I.) selbst; die Menge war so erbittert über den Verhaftungsversuch, daß der Befehlshaber floh und sich unter dem Bett des Papstes versteckte. Stattdessen wurde Bischof Felix von Ravenna inhaftiert, nach Konstantinopel geschleppt, mit den anderen „Aufrührern" vor Gericht gestellt, verurteilt, geblendet und verbannt. Daß die byzantinische Regierung zu solchen Mitteln griff, zeigt ihren Tiefstand und ihre tatsächliche Schwäche. Selbst so kühne Behauptungen dieses selben Justinian I I . wie zum Beispiel, er sei von Gott eigens als Schutzherr des christlichen Glaubens ausersehen, konnten die tiefsitzende Unsicherheit seines Regimes nicht verdecken. Denn alle Beteuerungen bezüglich der engen Bindungen zwischen Kaiser und Gott waren an die Adresse der römischen Kirche gerichtet. Das Papsttum jedoch schien sich nicht mehr einschüchtern zu lassen; die Dekrete des Konzils vom Jahre 692 wurden für unannehmbar und deshalb für ungültig erklärt. Daraufhin wurde Papst Konstantin zu einer Aussprache nach Konstantinopel zitiert; er folgte der Aufforderung jedoch nur unter der Bedingung, daß ihm sicheres Geleit gewährt würde; die Regierung in Konstantinopel ging darauf ein. Es sollte der Abschiedsbesuch des Papsttums in Konstantinopel werden (i. J . 711). Kein Papst setzte mehr den Fuß in die Stadt des großen Konstantin. Die Vorladung des Papstes nach Konstantinopel deutete, wenigstens rein äußerlich, einen Wandel in der kaiserlichen Politik an, indem man vom bloßen Terror zu Verhandlungen und sanften Überredungsversuchen überging. Das alles hatte jedoch nur ein Ziel, nämlich die Einwilligung des Papsttums in die recht weitgehenden Beschlüsse vom Jahre 692 zu erwirken. In der Tat wurde der Papst mit großen Ehren, ja fast mit pompöser Schau, von den höchsten Regierungsbeamten in Konstantinopel empfangen und schließlich auch vom Kaiser selbst, der sogar die Proskynese (den Fußfall) vor dem Papst vollzog, die päpstlichen Füße küßte und die Privilegien der römischen Kirche bestätigte, alles in der offensichtlichen Absicht, den Widerstand des Papstes zu zermürben. E s folgten lang hingezogene Verhandlungen zwischen Kaiser und Papst in der Nähe von Konstantinopel, die aber, wenn überhaupt, nur
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ein mageres Ergebnis zeitigten. Jedenfalls blieb der Papst in den wesentlichen Punkten hart und unnachgiebig, und infolge seiner Ablehnung setzten sich auch die Dekrete im Westen nie durch. Unter dem Nachfolger Justinians I I . erhielt das Papsttum unerwartet die Gewißheit, sogar unter so ungünstigen Bedingungen seine Standfestigkeit zu beweisen. Justinians unmittelbarer Nachfolger Phillipikos Bardanes verdammte aus eigener Machtvollkommenheit die christolo gische Entscheidung des 6. Allgemeinen Konzils und verfügte eine Rückkehr zur früheren (häretischen) Anschauung von dem einen Willen in Christus. Gegen diese kaiserliche Entscheidung — eine neuerliche Kehrtwendung innerhalb ein und derselben Generation — protestierte der Papst unverzüglich. Er ging sogar so weit, Phillipikos als Kaiser seine Anerkennung zu verweigern: dessen Name fand keine Erwähnung in päpstlichen Urkunden, sein Bildnis wurde nicht auf päpstlichen Münzen oder, wie es Brauch war, bei Prozessionen in den Straßen Roms gezeigt; es wurden auch keine Gebete für ihn in den Gottesdiensten im Lateran gesprochen. Ernsthafte Unruhen in Rom waren die Folge dieser oppositionellen päpstlichen Haltung; mehr als dreißig Personen wurden in Straßenkämpfen getötet. Das Papstttum hatte gemeinsame Sache mit der römischen Bevölkerung gegen die kaiserliche Garnison gemacht. Weiteres Blutvergießen wurde durch die persönliche Intervention des Papstes verhindert, der damit entgegen dem Ratschlag der städtischen Beamten und seiner eigenen Räte handelte, die es auf eine weitere „Kraftprobe" mit der Miliz ankommen lassen wollten. Vom historischen Standpunkt interessant ist die Tatsache, daß das Papsttum stark genug war, einem Kaiser in Konstantinopel die Anerkennung zu versagen; es war, als ob Kaiser und Papst die Rollen vertauscht hätten. Zum richtigen Verständnis dieser Sachlage sollte ein Blick auf das „andere Ende" Europas geworfen werden. Während das Papsttum Gegenstand und Zielscheibe kaiserlicher Tyrannei war und ihm dabei ständig die überlegene Zivilisation des Ostens vorgehalten wurde, erfuhr es in den Ländern Westeuropas eine gänzlich andere Behandlung. Der Westen akzeptierte ohne weiteres die Autorität des hl. Petrus, was die Grundlage der Verbindung zwischen ihm und der römischen Kirche und dem Papst bildete. Für England und Gallien war das Papsttum eine gottgewollte und von Gott eingesetzte Anstalt, die in ganz besonderem Sinne zur Ausführung des Vermächtnisses Christi an Petrus ausersehen war. Die rückhaltlose Verehrung, die Gallien, England und die jüngst bekehrten Germanenstämme dem Papsttum entgegenbrachten, stand in scharfem Gegensatz zu der Behandlung, die das Papsttum zwei Jahrhunderte lang durch die legitime kaiserliche Regierung erduldet hatte. E s soll jedoch betont werden, daß die Ver-
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ehrung im Westen und die Einschüchterung durch den Osten derselben Wurzel entstammten: der Petrinität des Papsttums. Gerade wegen der engen Verbindung zwischen dem hl. Petrus und dem Papsttum und dank der Nachfolge in die petrinisdie Gewalt vermochte der Papst dem Westen eine so tiefe Achtung, Scheu und Ehrfurcht einzuflößen. Eben diese Verbindung und dieselbe Gewalt veranlaßten den Osten zu seiner despotischen Behandlung der päpstlichen Anstalt. Wieder können die Begriffe „Glaube" und „Geschichte" zur Erklärung der Situation beitragen. Für den Westen, dem Geschichte fehlte, stand der (christliche) Glaube im Vordergrund; für den Osten war die (römische) Geschichte und die historische Fortdauer des Römischen Reichs von grundsätzlicher Bedeutung, während dem Glauben nur eine zweitrangige, den Interessen des Reichs untergeordnete Rolle zufiel (s. a. o. S. 19). Konkret ausgedrückt, die starken Bindungen zwischen dem angelsächsischen England und dem Papsttum entstanden genau zu der Zeit, als die kaiserliche Regierung mit der Ausübung ihres Schreckensregiments über das Papsttum begonnen hatte. Viele Könige und Fürsten unternahmen Pilgerschaften an das Grab des hl. Petrus; die römische Kirche erhielt zahllose und umfangreiche Schenkungen; und als die angelsächsischen Missionsbemühungen bei den Friesen und anderen deutschen Stämmen in vollem Gange waren, wiesen die Missionare selbst dem Papsttum eine führende Rolle dabei zu. Dies geschah nicht so sehr, weil der Papst diese Rolle beanspruchte, sondern deshalb, weil der Aufbau einer kirchlichen Organisation in den Missionsgebieten seine richtungweisende Lenkung durch das Papsttum als nützlich erscheinen ließ. Diese Entwicklung begann unter Sergius I., der Willibrord, den großen Missionar Frieslands und Norddeutschlands, mit weitgehenden Vollmachten ausstattete. Willibrord wurde sogar vom Papst selbst im Jahre 695 zum Erzbischof der Friesen geweiht und änderte seinen angelsächsischen Namen in Clemens um, wie der angeblich erste Nachfolger Petri geheißen hatte. Das an sich unbedeutende Ereignis wirft Licht auf die starke Macht, die die religiöse Idee der Wiedergeburt um die Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert über die Menschen hatte. Ähnliches war schon bei einer früheren Gelegenheit festzustellen: anläßlich seiner Pilgerreise nach Rom dankte der angelsächsische König Caedwalla im Jahre 689 ab, um von Papst Sergius auf den Namen Peter getauft zu werden. Von großer historischer Tragweite war die Bekehrung der germanischen Stämme östlich des Rheins, eine höchst verwickelte und gefährliche Angelegenheit, die von Seiten des Missionsführers, Winfried, großes taktisches Geschick verlangte. Papst Gregor II. hatte ihn im Jahre 722 zum Missionsbischof der Deutschen geweiht. Als Zeichen seiner Wiedergeburt wechselte auch er seinen natürlichen Namen und
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nannte sich Bonifatius nach dem römischen Märtyrer. Seine Erhebung zum Bischof hatte insofern besondere Bedeutung, als er dem Papst einen speziellen Gehorsamseid leistete. Dadurch wurden die neu errichtete kirchliche Organisation in den bekehrten deutschen Ländern und das Papsttum noch fester aneinander gekettet. Die Bedeutung dieser Entwicklung kann gar nicht stark genug betont werden. Auch die zweifellos echte Liebe der Missionare zum hl. Petrus — daher die unwiderstehliche Anziehungskraft des petrinischen Rom — liefert eine Erklärung dafür, daß so viele Kirchen nördlich der Alpen dem hl. Petrus (einige auch Paulus) gewidmet wurden. Zahlreiche klösterliche Niederlassungen folgten, und auch sie offenbarten dieselbe Anhänglichkeit an Rom. Der päpstliche Anspruch aus dem späten 4. Jahrhundert, die römische Kirche sei Quelle und Ursprung der Christenheit (s. o. S. 7 und S. 12), nahm durch die angelsächsischen Missionare konkrete Gestalt an, vor allem vermöge der Wirkung ihrer eigenen kirchlichen Gründungen in den bekehrten Ländern. Von der abstrakt-theoretischen Formulierung dieses Anspruchs, die ihm Damasus und Innozenz I. verliehen hatten, hatten die Missionare ganz sicherlich keine Kenntnis. Im Jahre 732 wurde Bonifatius zum Erzbischof und Abgesandten des apostolischen Stuhls ernannt, dessen Wirkungsbereich die ganze kirchliche Organisation in den ausgedehnten fränkischen und friesischen Gebieten umfaßte. Infolge dieser raschen Ausbreitung des Christentums über Mittel-, Nord- und Nordwesteuropa konnte das Papsttum von Anfang an einen äußerst starken und dauerhaften Einfluß auf diese Reiche und ihren kirchlichen Aufbau ausüben. Es scheint überflüssig, diesen Punkt zu betonen. W a s aber betont werden muß, ist die Tatsache, daß die in fränkischen Gebieten abgehaltenen Konzilien und ihre Dekrete unmittelbar unter päpstlichem Einfluß standen und deshalb unverfälschtes römisches Christentum verkörperten. Die deutsche Kirche war von Anfang an die einzige Landeskirche, die durch die vereinten Bemühungen des Papsttums und der ausführenden Missionare ins Leben gerufen worden war. So wird der Ton päpstlichen Trotzes gegenüber den kaiserlichen Terrormaßnahmen um die Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert leicht verständlich. Diesmal war es das Papsttum, das mit der Herausforderung begann. An den jungen, kräftigen Germanenvölkern hatte es einen starken und durch keinerlei Zweifel beeinträchtigten Rückhalt gefunden, der seine Haltung gegenüber Byzanz seit dem zweiten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts voll begreiflich macht. Daß das Papsttum dem neuen Kaiser die Anerkennung versagte, kann als Vorspiel zu den späteren päpstlichen Versuchen gelten, die kaiserliche Umklammerung vollends abzuschütteln. Mit seiner Weigerung bestand Papst Konstantin lediglich auf den päpstlichen Primatrechten. Auf
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derselben Grundlage hatte das Papsttum die Beschlüsse einer vom Kaiser einberufenen Synode verdammt und einem Kaiser die Anerkennung verweigert, der in päpstlichen Augen ein Ketzer war. So verhalf das Zusammenspiel verschiedener Umstände dem Papsttum zu seinem Erfolg, vor allem der Niedergang der kaiserlichen Herrschaft in Rom und Italien und die starke moralische Unterstützung durch die germanischen Völker. Dabei darf nicht vergessen werden, daß sich an der verfassungsrechtlichen Stellung der Stadt Rom und damit des Papsttums nicht das geringste geändert hatte. Rein rechtlich gehörten beide noch dem Reich an, auch wenn dessen Einfluß recht unsicher geworden war und das Papsttum in der gläubigen Ergebenheit der Franken und anderer Völker gegenüber der römischen Kirche und den Nachfolgern Petri über einen kräftigen Rückhalt verfügte. Die Lage war zweifellos prekär und erforderte Feingefühl, Mut und Voraussicht. Denn seit den zwanziger und dreißiger Jahren des 8. Jahrhunderts war die Erkenntnis unausweichlich geworden, daß dem Papsttum als Herrschaftsinstitution innerhalb des Reichs keine Zukunft beschieden war. Kennzeichen jeder Herrschaft, die diesen Namen verdient ist die Befugnis, zu bestimmen, was Recht und was Unrecht sein soll. Die Normen in einer wahrhaft christlichen Gemeinschaft waren eben christlich, und dem Papsttum, das sich zum Erlaß der Normen allein berechtigt fühlte, wurde die Ausübung dieses grundlegenden Herrschaftsrechts durch Neu-Rom verweigert. Existenz und Zukunft des Papsttums als der Institution, der die autoritative Leitung der christlichen Gemeinschaft, eben der Kirche, oblag, standen auf dem Spiel. Im dritten und vierten Jahrzehnt des 8. Jahrhundert befand sich das Papsttum in einem Dilemma: sollte es im Reich verbleiben oder sollte es — wörtlich und bildlich — den Boden verlassen, der es solange genährt hatte? Einerseits waren Denkungsart und Ethos, war der ganze Aufbau der päpstlichen Institution durch und durch römisch. In dieser Beziehung, auf rein geistiger Ebene, war sie eng mit der Reichsregierung verbunden, mit der sie ja schließlich viele Voraussetzungen teilte. Andererseits waren da die germanischen Völker jenseits der Alpen, mit denen das Papsttum praktisch nichts gemein hatte, die kulturell und geistig bei weitem nicht an das Niveau der römischen oder italienischen Bevölkerung heranreichten, ganz zu schweigen von dem der byzantinischen Gesellschaft. Richtet man jedoch seine Aufmerksamkeit auf die eine Funktion, die dem Papsttum immer als die wichtigste erschienen war, nämlich die Leitung der Kirche auf dem Boden des Rechts, so wird der Ausweg aus dem Dilemma sofort erkennbar. Solange das Papsttum Teil des Römischen Reichs war, blieb ihm, wie die traurige Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts gelehrt hatte, keine Hoffnung, jemals seine Primats-
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redite auszuüben. Und eben dies schien ihm für das Wohl der Christenheit unentbehrlich. Einen Ausweg aus dem Dilemma wies der unerschütterliche Glaube der germanischen Völker an die petrinische Nachfolge des Papstes. Folgerichtig endete der Weg, den das Papsttum einschlagen sollte, mit seiner Befreiung von den Fesseln, die ihm die verfassungsrechtliche Bindung an das Reich auferlegt hatte. Ziel war die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit und die ungehinderte Entfaltung der Primatsrechte, was jedoch praktisch die Durchtrennung der jahrhundertealten Bindungen an das Römische Reich bedeutete. Es bedeutete ferner die Lösung des Papsttums aus dem verfassungsrechtlichen Rahmen des Römischen Reichs. Praktisch gesehen, blieb ihm kein anderer Weg offen. Damit begann ein völlig neues Kapitel, nicht nur in der Geschichte des Papsttums, sondern auch Europas. Diese schwierige Lage, in der sich das Papsttum befand, kann auch anders gedeutet werden. Als Institution war es sozusagen in das Gefüge des schon bestehenden Reichs hineingewachsen. Aber, und diese Überlegung ist von äußerster Wichtigkeit, als Institution, deren Aufgabe die Führung, Lenkung und Herrschaft über ein christliches Volk vermittels eines auf dem Glauben ruhenden Rechts war, unterschied es sich grundlegend von jeder anderen Herrschaft. Ihm fehlten die Truppen, die Miliz, die Polizei und vieles andere Zubehör einer öffentlichen Herrschaftsbehörde. Es konnte seine Primatstellung nur behaupten, wenn es sich gegen rohe physische Gewaltausübung abzusichern imstande war. Die kaiserliche Regierung hatte aber zur Genüge bewiesen, daß sie nicht nur keine Zusammenarbeit mit dem Papsttum suchte — wie sie mehr als zweihundert Jahre zuvor Gelasius I. in seinem amtlichen Schreiben vom Kaiser gefordert hatte (s. o. S. 28) —, sondern ihm im Gegenteil Hindernisse in den Weg legte, es mit Verachtung, Feindseligkeit, schließlich mit Terror behandelte. In den dreißiger und vierziger Jahren des 8. Jahrhunderts fand sich keine andere Lösung, als die unerschütterliche Verehrung der germanischen Völkerschaften für den hl. Petrus und seinen Nachfolgern im Interesse der päpstlichen Politik zu nutzen. Indem das Papsttum diesen W e g beschritt, der in sich schwerste Gefahren barg, folgte es als Institution nicht nur seiner Sendung und Berufung, sondern bewirkte auch eine tiefgreifende Veränderung auf der religiösen, geistigen und schließlich auch auf der politischen Landkarte des mittelalterlichen wie des modernen Europa. Tatsächlich war dieser Weg bereits durch Gregor den Großen angedeutet worden.
IV. DIE WENDUNG DES PAPSTTUMS ZUM WESTEN In die trübe, schwüle und erdrückende Atmosphäre, die die Beziehungen zwischen dem Papsttum und der Reichsregierung kennzeichneten, blies ein frischer Wind, als an die Spitze beider Institutionen zwei neue Männer traten — der zweite Gregor, ein echter Römer, und der dritte Leo (717—741), ein Syrer, Begründer einer neuen Dynastie und als Heerführer der Retter Konstantinopels vor den verheerenden arabischen Angriffen, deren Erfolg den Gang der Geschichte hätte ändern können. Zur Durchführung seines Planes, Italien als byzantinisches Hoheitsgebiet wiederzugewinnen, erließ Leo III. strenge Steuergesetze für Italien und Sizilien, die dem Papst als dem größten privaten Grundbesitzer schweren wirtschaftlichen Schaden zufügten. Wieder einmal verweigerte ein Papst sein Einverständnis. Die einheimische Bevölkerung stand ganz auf seiner Seite. Diese unverhüllte Trotzhaltung war umso kühner als der Papst praktisch kaiserlicher Vizekönig in Italien war. W i e nicht anders zu erwarten, führte die Androhung schwerster Anklagen gegen ihn lediglich zu einer Versteifung seiner Haltung. Die kaiserliche Regierung erklärte — vielleicht in weisem Rückblick auf frühere Erfahrungen —, sie wolle von jeglichen Anklagen Abstand nehmen, falls der Papst sich zur Veröffentlichung des kaiserlichen Verbots bezüglich der Bilderverehrung verpflichte. Die dogmatische Diskussion hatte sich von christologischen Erklärungen ab- und liturgischen und doxologischen Fragen zugewandt. Im Osten hatte es schon immer einen gewissen Widerstand gegen die Verwendung von Bildern als Kultgegenständen gegeben, zuerst von Seiten der orthodoxen Juden, dann seitens des Islams und auch einiger Christen, die die bildliche Darstellung Christi für reine Abgötterei hielten. In seinem Dekret ordnete Leo I I I . zunächst die Entfernung und im Jahre 726 die Zerstörung aller Bilder an; gleichzeitig forderte er die Bischöfe dazu auf, ihre Zustimmung zu geben. Sogar in Konstantinopel regte sich einiger Widerstand gegen dieses Gesetz, der Westen aber lehnte es einstimmig ab. Ihren Sprecher fand die Opposition des Westens dabei im Papsttum unter Gregor II., der seinem Namen in jeder Beziehung Ehre machte. Er weigerte sich rundheraus, auf den von Leo I I I . vorgeschlagenen Handel einzugehen, worauf die Regierung Schiffe und Soldaten zur Verhaftung des Papstes nach Italien entsandte. Sie erlitten Schiffbruch und erreichten nie ihr Ziel. Wirkungsvoller war der kaiserliche Befehl zur
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Konfiszierung aller päpstlichen Güter in Kalabrien und Sizilien, die Herauslösung ganz Siziliens und aller Balkanländer aus dem päpstlichen Jurisdiktionsbereich sowie ihre Eingliederung in den Patriarchat von Konstantinopel, eine Maßnahme, die nie wieder rückgängig gemacht wurde. Ganz offensichtlich fügten diese zwei Schritte — die Konfiszierung und die kirchliche Neuorganisation — dem Papsttum érheblichen Schaden auf kirchlichem und auf wirtschaftlichem Gebiet zu. Der Papst begann nun, im offiziellen Schriftverkehr den Kaiser persönlich mit unerhörter Grobheit und voller Geringschätzung anzugreifen, unter Mißachtung sämtlicher Höflichkeitsregeln und -floskeln. Das ganze kaiserliche Herrschaftssystem wurde dabei gnadenlos zerpflückt. Und was das Wesentlichste war, das Papsttum sprach nun ganz offen von einer Loslösung vom Reich. Daß sich der Papst auf derart gefährlichen Boden vorwagte, zeigt, wie sicher er sich fühlte — trotz des Hinweises kaiserlicher Beamter auf das Schicksal Martins I. Er hatte mit seiner ablehnenden Haltung in der Bilderangelegenheit tatsächlich den ganzen Westen hinter sich. Auch hier war der Unterschied zwischen dem Osten und dem Westen weitgehend durch das unterschiedliche kulturelle Niveau bedingt. Der Westen war noch primitiv, und bildliche Darstellungen biblischer oder religiöser Themen waren besonders geeignet, einer in ihrer überwältigenden Mehrheit analphabethischen Bevölkerung schwierige religiöse Sachverhalte zu erklären. Der Standpunkt, den das Papsttum in dieser Frage bezog, ist aus zeitgenössischer Sicht vollauf verständlich. Außerdem stellten die kaiserlichen Dekrete eine weitere empörende Verletzung päpstlicher Jurisdiktionsrechte dar. In seinen Angriffen auf den Kaiser ging Gregor II. so weit zu erklären, daß „der ganze Westen dem Apostelfürsten Treuebeweise liefere, und falls ihr Männer zur Zerstörung der heiligen Bilder herschickt, möchte ich euch lieber warnen: wir werden unschuldig sein an dem Blut, welches dabei vergossen werden wird . . . ihr habt kein Recht, dogmatische Satzungen zu erlassen; euer Geist eignet sich nicht für die Lehre, er ist zu ungeschlacht und kriegerisch". Worauf der Kaiser mit dem stereotypen, unter den gegebenen Umständen hohl klingenden Satz erwiderte: „Ich bin König und Priester". Was diese päpstlichen Aussagen in den Rang bedeutender historischer Zeugnisse erhebt, ist die Tatsache, daß der Papst sich damit von der Treuepflicht dem Reich gegenüber lossagte und seine innersten Absichten und Gedanken enthüllte. Vom päpstlichen Standpunkt aus gab es nun zwei Alternativen zur Beendigung dieser unerfreulichen KaiserPapstbeziehung. Das Papsttum konnte rein äußerlich das Hoheitsgebiet des Kaisers verlassen und seinen Sitz irgendwo im fränkischen Reich aufschlagen. Dies war eindeutig der von Gregor I I . verfolgte Plan. Es
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konnte aber auch das Reich verlassen, ohne sich physisch aus ihm zu entfernen, indem es vielmehr aus dem Reichskörper ein Stück Land herauslöste, welches dann nicht mehr unter kaiserlicher, sondern allein unter päpstlicher Rechtshoheit stand. Schließlich entschied es sich für die zweite Alternative, und zwar aus gutem Grund. Denn ungeachtet der Sicherheit, die das Papsttum in den fränkischen Gebieten gefunden hätte, hätte die Entscheidung für die erste Alternative der Institution nichtwiedergutzumachende Nachteile zugefügt. Ohne die unmittelbare und konkrete Verbindung zum hl. Petrus und zu Rom hätte das Papsttum schweren Schaden genommen — es hätte eben jenes Schicksal erlitten, das ihm sechs Jahrhunderte später während des avignonesischen Exils, nachdem seine Machtstellung ihren Höhepunkt im Hochmittelalter erreicht hatte, zuteil wurde. Um wieviel schädlicher wäre eine gewaltsame Loslösung vom petrinischen Rom in der Mitte des 8. Jahrhunderts gewesen, als das Papsttum noch eine vergleichsweise zarte Pflanze war! Die Entscheidung für die zweite Alternative führte zur Errichtung des Kirchenstaats in Mittelitalien. Was dieser Begriff bezeichnet, deckt sich teilweise mit den päpstlichen Gütern in Italien, unterscheidet sich aber dennoch grundlegend von ihnen; denn der Kirchenstaat stellte ein souveränes Hoheitsgebiet dar, das nicht dem privaten, sondern dem öffentlichen Recht angehörte und vor allem dem Schutz des Frankenkönigs unterstand. Unter den germanischen Völkern hatten die Franken seit der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert ohne Unterbrechung gute Beziehungen zum Papsttum unterhalten. In seinem Schreiben an den Kaiser hatte Gregor I I . die Franken im Sinne gehabt, die die Byzantiner gern „Barbaren" hießen, die vom Papsttum aber auf Grund ihrer Ergebenheit für den hl. Petrus und seinen Nachfolger zu Recht in den höchsten Tönen gelobt werden konnten: diese Politik hatte schon der erste Gregor verfolgt, und auch der zweite wandte diesen Kunstgriff erfolgreich an. Während seines Pontifikats wurden die Beziehungen zwischen ihm und der inzwischen gefestigten fränkischen Kirchenorganisation besonders eng. Gleichzeitig wurde die Kraftlosigkeit des kaiserlichen Regiments in Italien unzweideutig klar. Ein nach zeitgenössischen Kriterien angestellter Vergleich zwischen der Institution des Papsttums und der kaiserlichen Verwaltung fiel auf Grund der stabilen Verhältnisse, die im Papsttum obwalteten, zweifellos zu dessen Gunsten aus. Die befriedigende Entwicklung der fränkisch-päpstlichen Beziehungen ging sicherlich zurück auf die engen Bande, die die Missionare und die neu ernannten kirchlichen Beamten an die römische Kirche knüpften. Auf Grund der von Jahr zu Jahr fortschreitenden Schwächung der kaiserlichen Herrschaft nahmen die Langobarden ihre Angriffe auf kaiserliches
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Gebiet wieder mit Nachdruck auf und begannen anscheinend auch Rom zu bedrohen. Die Langobarden wurden in der Tat zu einer Quelle dauernder beträchtlicher Sorgen für das Papsttum, obwohl die päpstlichen Befürchtungen zeitweise weit übertrieben gewesen sein mochten. Die — tatsächliche oder bloß in der Vorstellung existierende — Bedrohung durch die Langobarden ließ in Gregor III. den Plan reifen, sich der kaiserlichen Herrschaft zu entziehen. Die ersten päpstlichen Appelle an die Franken um Rettung vor der langobardischen Bedrohung richteten sich insbesonders an die Adresse Karl Martells, der eben (738—39) bei Tours und Poitiers die Araber geschlagen hatte. Das päpstliche Angebot eines Konsulpostens im Dukat von Rom war neben reichen Geschenken ersichtlich als Köder für ihn gedacht; sogar die Ketten des hl. Petrus wurden an den Franken gesandt. Aber ungeachtet solcher Auszeichnungen lehnte Karl Martell jegliche Einmischung in italienische oder langobardische Angelegenheiten mit großer Bestimmtheit ab. Schließlich herrschte zwischen ihm und den Langobarden das beste Einvernehmen, und er sah nicht ein, weshalb er sie sich durch eine Intervention in Italien zu Feinden machen sollte. So wurde das Papsttum um eine Erfahrung reicher. Sollte sein Vorhaben gelingen, so mußte es sorgfältiger vorbereitet und bis ins einzelne geplant werden. Die Lage in Italien verschlechterte sich ständig. Im Jahre 751 vertrieben die Langobarden den Exarchen aus Ravenna und die kaiserliche Garnison von italienischem Boden. Sie trafen unmißverständliche Vorbereitungen für einen Vormarsch nach dem Süden und richteten ihre Angriffsspitzen gegen Rom; sie besetzten weite Landstriche, aus denen sie 'alle noch verbliebenen kaiserlichen Truppen vertrieben, soweit sie sie nicht zu Gefangenen machten. Genau gleichzeitig entstanden auch im fränkischen Reich Unruhen. Seit den vierziger Jahren des 8. Jahrhunderts machten sich bei den Merowingern Degenerationserscheinungen bemerkbar, die die Regierungsunfähigkeit der alten Dynastie endgültig erwiesen. Einige Jahrzehnte lang hatte die tatsächliche Gewalt in den Händen der königlichen Hausmeier gelegen, die die Situation mit Recht für widersinnig hielten. Während der Regierungszeit Childerichs III. beschloß der Hausmeier Pippin der Jüngere (ein Sohn Karl Martells), diesem Zustand ein Ende zu bereiten. Sein Plan war es, die regierende Dynastie zu stürzen und sich selbst zum König zu machen. Da es sich dabei offenkundig um einen sehr weitgehenden Schritt handelte, bemühte sich Pippin um die Zustimmung der angesehensten Autorität der westlichen Welt, des Papsttums. Um also die nötige Legitimation und Sanktion für seinen Staatsstreich zu erhalten, näherte sich Pippin dem Papst. Dieses Verfahren in einer Angelegenheit, bei der es um
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nichts geringeres ging als um die Absetzung eines rechtmäßigen Königs, bezeugte ganz offenbar das Ausmaß päpstlichen Ansehens jenseits der Alpen. Die Antwort von Papst Zacharias auf die wohldurchdachte und -formulierte Frage· Pippins lautete, derjenige solle König sein und König heißen, bei dem die tatsächliche Gewalt liege, und nicht der, der sie nur dem Namen nach besäße. Im selben Schreiben ordnete der Papst die Erhebung Pippins zum König an. Gedeckt durch diese ausdrückliche päpstliche Sanktion und Billigung (im Jahre 750), ließ Pippin sich in Soissons formell zum König der Franken wählen, und setzte gleichzeitig Childerich ab. Ein Jahr später wurde er von Erzbischof Bonifatius zum König gesalbt. Es war die erste Königssalbung eines fränkischen Herrschers. Um die päpstliche Handlungsweise richtig einzuschätzen, darf man nicht von den verfeinerten Moralvorstellungen des 20. Jahrhunderts ausgehen. Man sollte die Maßstäbe der damaligen Zeit, der Mitte des 8. Jahrhunderts, anlegen, und nach ihnen hatte die päpstliche Sanktionierungshandlung nichts Verwerfliches an sich. In der Tat erschien die fränkische Monarchie dem Papsttum ein höchst geeignetes Instrument, für sich die Freiheit zu gewinnen, die es anstrebte. Denn auch eine bloß nominelle kaiserliche Herrschaft bildete für das Papsttum noch eine ständige Gefahr, da sie der vollen Entfaltung seines Herrschaftsanspruchs entgegenstand. Nicht vergessen werden sollte die Gleichzeitigkeit der drei Ereignisse: der päpstlichen Billigung des fränkischen Putsches, der Vertreibung des Exarchen aus Ravenna und schließlich der Bedrohung Roms durch die Langobarden. All dies ereignete sich in einer Zeitspanne von kaum mehr als einem Jahr: die päpstliche Antwort ging im späten Frühjahr 750 ab, Ravenna fiel genau ein Jahr später, und Pippin wurde im Frühherbst 751 gesalbt. Diese Situation bot reichlich Gelegenheit zur Entfaltung von Initiativen, die der Papst tatsächlich rasch ergriff. Unter besonderem fränkischen Geleitschutz, um den er gebeten hatte, brach Stefan II. Mitte Oktober 753 von Rom in das Frankenreich auf. Er kam in Ponthion (in der Nähe von Vitry-le-François) am Dreikönigstage 754 an. Es war gerade vierzig Jahre her, daß ein Papst die letzte Fahrt nach Konstantinopel unternommen hatte — dieser Zug ins Frankenland war die erste Papstreise nach dem Westen. Die beiden Reisen symbolisierten das Ende und den Anfang von Epochen. Daß die päpstliche Fahrt von langer Hand und gut vorbereitet worden war, ist hinlänglich durch die von Pippin auf die Bitte des Papstes hin entsandte fränkische Eskorte erwiesen. Daß der Papst dieser Reise die größte Dringlichkeit zumaß, geht daraus hervor, daß er sie noch unmittelbar vor Anbruch des Winters antrat, ungeachtet der Beschwerlichkeiten, die bei der überquerung der Alpen zu erwarten waren. Es
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entbehrt nicht einer g e w i s s e n Ironie, d a ß zwei Wochen vor Aufbruch der fränkisch-römischen Reisegesellschaft ganz u n e r w a r t e t eine byzantinische Gesandtschaft in R o m eintraf mit der W e i s u n g an den Papst, sich beim Langobardenkönig Aistulf f ü r die Rückgabe v o n Reichsland an den Kaiser zu v e r w e n d e n . W i e befohlen begaben sich Stephan I I . u n d sein Gefolge (zu dem jetzt auch der kaiserliche Gesandte zählte) nach Pavia, dem H a u p t q u a r t i e r Aistulfs, der, w i e e r w a r t e t , jedes Gespräch ü b e r eine Gebietsrückgabe ablehnte. P a v i a lag ohnehin günstig auf dem W e g ins Frankenreich. Die W e i g e r u n g des Langobardenkönigs w a r für den Papst natürlich vorauszusehen gewesen. Nichts k o n n t e ihm ferner liegen als die Rückgabe von Land an das Kaisertum. Der Zweck seiner Reise von R o m nach P a v i a w a r doppeldeutiger Natur: einerseits v e r w e n d e t e er sich f ü r die Interessen des Kaisers, dessen Herrschaft er sich andererseits doch gleichzeitig zu entziehen suchte. Der eine Reisezweck stand in krassem Gegensatz zum anderen. Die V e r h a n d l u n g e n zwischen Stefan II. und P i p p i n ergaben, d a ß der König dem Papst, oder v i e l m e h r dem hl. Petrus, die Rückerstattung der von den Langobarden geraubten Ländereien ( w i e des Exarchats von R a v e n n a u n d vieler anderer Gebiete) versprach. Als Gegenleistung verbot der Papst unter A n d r o h u n g der E x k o m m u n i k a t i o n die W a h l eines nicht zur Sippe Pippins gehörigen Königs. E t w a s später, im Frühjahr 754, salbte der Papst den König in St. Denis und ernannte ihn zum Patricius R o m a n o r u m . Die ideelle Bedeutung dieser päpstlichen Salbung — der Papst selber w u r d e , w i e nicht vergessen w e r d e n darf, damals noch nicht gesalbt — w a r , d a ß an die Stelle des Charismas des Blutes (verkörpert in der M e r o w i n g e r d v n a s t i e ) das Charisma der göttlichen G n a d e trat, das der Papst d e m Usurpator Pippin verlieh. Dieser löste schließlich sein Versprechen in zwei Feldzügen ein. Er schlug die Langobarden vernichtend und übergab die eroberten Länder d e m hl. Petrus und d a m i t dem P a p s t t u m in einer feierlichen Schenkungsurkunde, die beim G r a b des hl. Petrus in dessen Basilika hinterlegt w u r d e (im Frühsommer 7 5 6 ) . Das ist, in Kürze, die Entstehungsgeschichte des Kirchenstaates, der auch den Exarchat von R a v e n n a und andere Gebiete Mittelitaliens mit einschloß. Sowohl das Recht, Pippin zum Patricius Romanorum, d. h. zum militärischen Schutzherrn der Römer, zu ernennen, als auch der päpstliche Anspruch auf die Gebiete, die Pippin dem P a p s t t u m „zurückgab", beruhten auf einer als Konstantinische Schenkung bekannten Fälschung. Dieses Schriftstück, das seinerseits auf ein Phantasieprodukt des späten 5. J a h r h u n d e r t s ( s . o . S. 31 f.) zurückging, stellte die Behauptung auf, Kaiser Konstantin habe vor seiner Abreise nach Konstantinopel dem amtierenden Papst Silvester große, w e n n auch nicht näher umschriebene
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Provinzen und Gebiete in Italien und der westlichen Welt, alle Inseln und obendrein den Lateranpalast als päpstlichen Amtssitz übereignet, dazu angeblich auch das Recht, kaiserliche Insignien und Gewänder zu tragen und cónsules und patrioti zu ernennen. Für Stephan II. wie für Pippin war diese Urkunde die Grundlage ihres Handelns; allerdings ist mit Sicherheit anzunehmen, daß letzterer nicht ahnte, was es mit diesem Dokument auf sich hatte, das den urkundlichen Nachweis für die Rechtmäßigkeit päpstlicher Besitzansprüche lieferte. Die Hauptsache war, daß Pippin, soweit er betroffen war, die Verteidigung der Rechte Petri übernahm. In dieser Eigenschaft entriß er den Langobarden die geraubten Gebiete und übergab sie dem hl. Petrus, zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar durch das Papsttum. In letzter Minute meldete auch der rechtmäßige Eigentümer, der Kaiser, durch einen Sonderbotschafter an den siegreichen Eroberer seine Ansprüche an und verlangte die Rückerstattung der fraglichen Gebiete. Der Franke lehnte diesen Wunsch rundweg ab mit der Begründung, er habe diese Ländereien zwar auf Grund seines persönlichen Sieges in Besitz genommen, es sei dies jedoch im Namen des hl. Petrus geschehen. Da der kaiserliche Gesandte selbstverständlich nichts ahnte von der Existenz des dokumentarisch untermauerten päpstlichen Anspruchs auf Rückerstattung dieser Gebiete, mußte ihn Pippins Antwort recht verblüffen: was hatte denn der hl. Petrus mit diesen Ländereien zu schaffen? Kurz, Pippin handelte als Werkzeug zur Wiedergutmachtung eines dem hl. Petrus und dem Papsttum von den Langobarden zugefügten Unrechts. In verruchter Art hatten sie dem Papst den Besitz gestohlen, den Kaiser Konstantin ihm als immerwährendes Geschenk zugeeignet hatte. Pippins Feldzüge und Unternehmungen entsprachen in ihrem Umfang ganz dem Maß an Treue und Glauben, das der Papst letztlich für Pippins Seelenrettung für notwendig erachtete. Er war der Rächer Petri, weil er nur auf diesem Wege ewiges Heil erlangen konnte. In zahlreichen Schreiben stellte der Papst ganz klar heraus, daß im Falle von Pippins Weigerung, die erbetene Unterstützung zu leisten, alle Kirchen in seinem Reich und die gesamte christliche Religion dem Niedergang anheimfallen, wenn nicht gar sich völlig auflösen würden, wodurch auch sein Königtum in Mitleidenschaft gezogen werde. Pippins Feldzüge und die daraus folgende Errichtung des Kirchenstaats waren der handgreifliche Beweis für die Verehrung Petri und seines Nachfolgers durch die Franken. Der Kirchenstaat Schloß nicht nur Teile der (sich im päpstlichen Privatbesitz befindlichen) Patrimonien, sondern auch Bezirke und Ländereien mit ein, die das Papsttum niemals besessen hatte. Die von Pippin erwirkte Schenkung war ganz offenbar eine Bestätigung der fingierten Schenkung Konstantins.
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Der Kirchenstaat (oder das Patrimonium Petri, wie es während des gesamten Mittelalters bis zum Jahre 1870 genannt wurde) stand nun unter dem Schutz des fränkischen Königs und unter der unangefochtenen Herrschaft des Papstes. Seine Grenzen waren keineswegs festgelegt, und eben diese Unbestimmtheit veranlaßte das Papsttum, bei dem Franken auf weitere Schenkungen zu dringen — allerdings ohne unmittelbaren Erfolg. Seiner Jugend entsprechend hatte der junge Staat das natürliche Bedürfnis nach Wachstum und Ausdehnung. Nach seiner staatsrechtlichen Gründung erschien das Bild des Kaisers aber noch einige Jahre lang auf den päpstlichen Münzen; die päpstliche Kanzlei datierte amtliche Urkunden weiterhin nach den Regierungsjahren des Kaisers; und es gab noch weitere Anzeichen, die das wahre Ausmaß des eingetretenen Wandels nicht sogleich offenkundig erscheinen ließen. In einer Hinsicht jedoch hatte die Übernahme der Herrschaft in weiten Teilen Italiens durch den Papst fast unmittelbare Folgen. Der alte römische Adel trat hervor und verlangte stärkeren Anteil an der Papsterhebung, war doch seit dem Tode des Exarchen die kaiserliche Bestätigung zumindest in der Praxis außer Gebrauch gekommen. Gestörte Wahlvorgänge veranlaßten das Papsttum zum Erlaß des ersten wirklichen und tauglichen Wahlgesetzes. Unter dem Vorsitz des Papstes beschäftigte sich die römische Synode vom Jahre 769 mit dieser Angelegenheit und erließ die Verordnung, daß kein Laie sich an der Papstwahl beteiligen dürfe. Dieser Erlaß wurde die Grundlage für eine spätere, viel wirksamere Papstwahlordnung. Ihm fehlte jedoch zunächst die Rückendeckung seitens einer Macht, die willens und fähig war, die Autorität des gewählten Papstes wenn nötig zu stützen. Für diese Rolle eines Schutzherrn bot sich eindeutig der fränkische König an. Pippin selbst war zwar nie dazu zu bewegen gewesen, den Titel eines Patricius der Römer zu führen, mochte er auch die dem Amt entsprechenden Verpflichtungen übernommen haben. Sein Sohn aber verwandte vom Augenblick des Herrschaftsantritts an auch den Titel, und er erwies sich der an das Amt geknüpften Erwartungen als vollauf würdig. In diesem Zusammenhang kam der päpstlichen Ausformung des Christentums einige Bedeutung zu. Der Unterschied zwischen Römern und Christen war im Westen völlig verwischt. Ein Römer galt als Christ, und ein Christ als Römer. Dieses in zeitgenössischen Quellen vielfach bezeugte Phänomen war eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung Westeuropas zu einer Einheit von betont römischer Prägung und stand in Gegensatz zum griechisch-byzantinischen Charakter des „römischen" Reichs. W i e dem auch sei, in seiner Funktion als Patricius Romanorum, d. h. als militärischer Schutzherr der Römer, die im allgemeinen mit den Christen identifiziert wurden, bestätigte Karl
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der Große die Schenkung seines Vaters und fügte den bereits dem Papsttum „zurückerstatteten" Gebieten später noch beträchtliche italienische Ländereien hinzu: ganz Venetien und Istrien, obgleich dem Namen nach noch byzantinisch, gehörten nun ebenso w i e die Herzogtümer von Spoleto und Benevent und die Insel Korsika zum päpstlichen Patrimonium. Am Rande zu bemerken ist, daß Venetien und Istrien nicht in der Hand der Langobarden gewesen waren. Voraussetzung für diese Besitzverlagerung war die erfolgreiche Unterwerfung aller langobardischen Herrschaftsreste in Italien und die Annahme des Titels „König der Langobarden" durch Karl den Großen. W a s vom langobardischen Königreich noch übrig gewesen war, hörte seit dem Jahrre 774 auf zu bestehen. Wiederholte dringende päpstliche Forderungen nach Rückerstattung weiterer Gebiete — die dazugehörigen Urkunden lagen, so wurde versichert, alle im päpstlichen Archiv bereit — hatten jedoch wenig Erfolg. Karls Wunsch nach Einsichtnahme in diese Urkunden wurde zurückgewiesen, womit aber weitere päpstliche Gebietsansprüche zum Schweigen verurteilt wurden. Die historisch augenfälligste und wesentlichste Folge von Karls Oberhoheit in Italien war die allmähliche Lösung der letzten Bande zwischen Konstantinopel und dem Papsttum. Hadrian I. datierte die päpstlichen Urkunden nicht mehr nach den Regierungsjahren des Kaisers, sondern nach denen Karls des Großen; die Münzen im päpstlichen Patrimonium zeigten nicht mehr das kaiserliche, sondern das päpstliche Bildnis; auch das Mosaik im Lateran, das den hl. Petrus bei der Verleihung der Standarte an Karl den Großen und des Palliums an den Papst darstellte, war von einiger Symbolkraft. Solche und ähnliche Anzeichen mehrten sich gegen Ende des Jahrhunderts. In mancher Hinsicht trifft zu, daß der fränkische König die Stelle des byzantinischen Kaisers einnahm; ein Wechsel, der dazu führte, daß die Wahl eines Papstes künftig dem fränkischen Hof und nicht mehr einem kaiserlichen Beamten angezeigt wurde. Hinter der rein äußerlichen Ersetzung des einen Oberherrn durch den anderen, verbarg sich der äußerst wesentliche Unterschied, daß Karl der Große, in scharfem Gegensatz zum Kaiser, die petrinische Grundlage des Papsttums unangefochten gelten ließ. Im Gegenteil, seine echte und tiefe Verehrung für den hl. Petrus und dessen Nachfolger ließ eine solche Opposition, wie Konstantinopel sie betrieben hatte, von vorneherein nicht zu. Vielmehr unterstützte Karl das Papsttum gerade dort, w o der Kaiser Unterdrückungsmaßnahmen gegen die päpstliche Institution ergriffen hatte. Aber trotz seiner Überzeugung, daß das Papsttum der von Gott ausersehene Hort des wahren christlichen Glaubens sei und daß es als Institution — und nicht unbedingt der einzelne Papst
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— das geeignete Organ zur Verkündung der Lehre sei, war Karl doch der Meinung, daß zu einer wirksamen Lenkung des Christenvolkes Lehre allein nicht genüge. W a s er im allgemeinen dem Papst.zugestand — und hier lag der wahre Unterschied zu Byzanz — war der Lehrprimat, d. h. die päpstliche Vorrangstellung in Fragen der Religion, des Glaubens und des Dogmas. Diese Einstellung Karls des Großen macht das rasche Eindringen päpstlicher Ideen überall im Frankenreich verständlich, vor allem was Einzelheiten der Liturgie und der Klerikerausbildung anging. Karl, der sich sehr um die Verbreitung von päpstlich autorisiertem Schriftgut in seinem Reich bemühte, forderte insbesondere das Gregor I. zugeschriebene Sakramentar und das von Hadrian I. später erweiterte kirchliche Gesetzbuch des Dionysius (frühes 6. Jahrhundert) an. Die römische Liturgie erhielt in den fränkischen Gebieten ein festes Heimatrecht; auch in seinem eigenen großen Gesetzgebungswerk war Karl immer bemüht, den päpstlichen Geist der einzelnen Dekrete zu betonen. Aber trotz dieser starken römischen Orientierung Karls in religiösen Angelegenheiten gewann das Papsttum nur allzubald Klarheit über die Richtung, die Karls Herrschaft einzuschlagen sich anschickte. Bei näherem Zusehen häuften sich die Ähnlichkeiten mit byzantinischen Praktiken, von denen das Papsttum für immer befreit zu sein geglaubt hatte. Diese Gleichartigkeit westlicher und östlicher Herrschaftsmethoden war nicht wirklich verwunderlich, da beide eine straffe monarchische Herrschaftspraxis befolgten. Auch aus Karls gleichbleibendem überragendem Ziel, im Westen das zu sein, was der Kaiser im Osten war, ergab sich zwangsläufig eine Gleichförmigkeit der Herrschaftsweise. Nicht nur hier, auch in Randbereichen waren die Ähnlichkeiten verhältnismäßig stark ausgeprägt. Als Papst Leo III. in den Jahren 798—9 beträchtliche Schwierigkeiten mit den Stadtrömern hatte, unternahm er die mühselige Reise nach Paderborn, um den Patricius der Römer um Unterstützung in Rom zu bitten. Bei Gelegenheit dieses Besuchs lernte er auch das Bauvorhaben kennen, mit dem sich Karl damals gerade beschäftigte, nämlich die Kaiserpfalz in Aachen, die von Zeitgenossen gelegentlich die verdächtige Bezeichnung „das zweite Rom" erhielt. Dem Papst müssen dabei unbehagliche Erinnerungen durch den Kopf gegangen sein, vor allem, als er erfuhr, daß neben dem Münster auch ein sogenanntes „sacrum palatium" und ein anderes, „Lateran" genanntes, ausdrücklich als „Haus des Bischofs" bezeichnetes Gebäude geplant waren — all dies mußte beunruhigende Vergleiche mit Konstantinopel und der kaiserlichen Herrschaft nahelegen. Dieses Bauvorhaben ließ die Umsiedlung des Papstes von Rom nach Aachen möglich erscheinen, wo seine Stellung leicht zu
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der Rolle hätte herabsinken können, die der Patriarch in Konstantinopel spielte, nämlich der des kaiserlichen Hauskaplans. Karl der Große unternahm zwar den Feldzug zur Befreiung Leos III. aus den Klauen der aufrührerischen römischen Bevölkerung, aber der Papst ergrifi die Initiative in einer anderen Richtung. Es gibt keine Stütze für die Behauptung, Karl habe Leo regelrecht den Prozeß machen lassen. Die Tatsachen liegen anders: über die von den Römern gegen den Papst erhobenen Vorwürfe wurde auf einer großen Versammlung hoher Geistlicher, fränkischer Fürsten und anderer hochgestellter Laien in der Basilika des hl. Petrus ausführlich verhandelt; aber mit einem feierlichen Schwur leugnete der Papst alle Vergehen und Anklagepunkte. Er leistete diesen Eid infolge der einstimmig gefaßten Bekräftigung des alten, aber bisher nie angewandten Grundsatzes, daß der Papst von niemandem gerichtet werden könne (s. o. S. 34). Die Bedeutung dieser ersten Anwendung dieses Prinzips kann nicht hoch genug angeschlagen werden. Als Sachwalter und Nachfolger des hl. Petrus stand der Papst über dem Recht. Die praktische Anwendung des Grundsatzes war vom päpstlichen Standpunkt aus für die geschichtliche Entwicklung der päpstlichen Herrschaft viel wesentlicher als die Ereignisse, die damit verbunden waren. Die nämliche Versammlung beschloß am 23. Dezember 800 die Erhebung des Frankenkönigs Karls des Großen zum Kaiser. Dem zeitgenössischen Bericht nach stimmte Karl diesem Vorschlag in aller Demut zu. Denn nach damals gültigen Regeln stand der Thron in Konstantinopel vakant, da eine Frau, Irene, dort herrschte. Die letztgenannte Tatsache muß gegen den Hintergrund der tiefen Verehrung der Frankenvölker für den hl. Petrus und den besorgniserregenden Eindrücken, die der Papst von den Aachener Bauprojekten anläßlich seines Paderborner Besuchs gewonnen hatte, gesehen werden, um die nunmehr folgenden Ereignisse entsprechend verstehen und würdigen zu können. Wie dem auch sei, Karl der Große war der unwidersprochen anerkannte Herrscher Europas zwischen Pyrenäen und Elbe; ohne zu übertreiben konnte man ihn auch den Herrn des Westens — soweit er bekannt und erschlossen war — nennen. Der äußerst wendige, hellhörige und realistisch denkende Leo III. kam rasch zu der Schlußfolgerung, daß all die bisherige Entwicklung sich leicht zum Vorteil des Papsttums ausnutzen ließe. So war er es, der die Initiative ergriff und damit die dynamische Stoßkraft fortsetzte, die in den letzten Jahrzehnten die päpstlichen Maßnahmen charakterisiert hatte. Solange das Papsttum die Initiative nicht aus den Händen gab, und so die jeweilige Gegebenheit für die eigene Sache nutzte, war ihm, wie der Gang
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der Geschichte noch zeigen sollte, im großen u n d ganzen Erfolg beschieden. Das Werkzeug, das ihm den entscheidenden Schritt zur Befreiung ermöglichen sollte, lag bereit. Es war die Konstantinische Schenkung, die in ihrer überlieferten F o r m in den frühen fünfziger Jahren des 8. Jahrhunderts angefertigt worden war u n d n u n dem päpstlichen Plan dienstbar gemacht w u r d e (s. o. S. 69 f.). Sie hatte dem Papsttum bereits in seinen Ansprüchen auf Gebietserwerb gute Dienste geleistet. Einzelne Stellen aus der Fälschung fanden unauffällig Eingang in amtliche päpstlich Verlautbarungen. Weiterhin bemühte sich diese „Urkunde", an H a n d ihrer Vorlage (s. o. S. 31 f.) aufzuzeigen, wie Konstantinopel „in Wirklichkeit" zu seiner Rolle als Reichshauptstadt gekommen sei. Konstantins G r ü n d e für die Verlegung seines Regierungssitzes von Rom nach Konstantinopel wurden in symbolische Ereignisse und Gesten gekleidet, die im wesentlichen darauf hinausliefen, daß Konstantin Papst Silvester die Kaiserkrone übergeben, dieser aber abgelehnt habe, sie zu tragen. Der Sinn war eindeutig. Die Krone war des Papstes Eigentum, weil sie ihm vom Kaiser geschenkt wurde; er überließ jedoch ihre Benutzung dem Kaiser, der sich daraufhin nach Konstantinopel begab. So verstanden, gelangte die Kaiserkrone mit päpstlichem Einverständnis von Rom nach Konstantinopel, und sie blieb dort nur, solange dieses Einverständnis andauerte. Auf diese Weise war, nach Darstellung der Konstantinischen Schenkung, Konstantinopel Reichshauptstadt geworden u n d geblieben. Es soll in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, welch entscheidende Rolle Konstantinopel als H a u p t s t a d t auf kirchlichem Gebiet in den Dekreten von Chalcedon und späteren Konzilieii gespielt (s.o. S. 22) und wie mächtig gerade die Tatsache der hauptstädtischen Funktion von Konstantinopel die Regierungsmaßnahmen der Kaiser bestimmt hatte. Da im Jahre 800 der Thron in Konstantinopel als vakant galt und auch die übrigen Umstände einen päpstlichen Vorstoß zu begünstigen schienen, entschloß sich Leo I I I . während der Weihnachtsmesse nach einem schon abgesprochenen Plan zum Handeln. Daß Karl der Große sich erst zwei Tage vorher zur „Annahme des Kaisertitels" bereit erklärt hatte, war zweifellos ein besonders gewichtiger Umstand. Leo I I I . zelebrierte die Weihnachtsmesse nicht, wie erwartet, in Santa Maria Maggiore, sondern in St. Peter — gerade jener Kirche, die bei den Franken das höchste Ansehen genoß. W ä h r e n d dieses Gottesdienstes setzte der Papst Karl dem Großen genau in dem Augenblick, in dem dieser sich von seiner knieenden Stellung erhob, eine „äußerst wertvolle Krone" aufs H a u p t , worauf die versammelte Menge in vorher eingeübte Akklamationen ausbrach, sodaß er nun (um die zuverlässigste
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Quelle zu zitieren) „als Kaiser der Römer aufgestellt worden war" („constitutus est imperator Romanorum"). Die Bedeutung, die das Volk in St. Peter der „Krönung" gab, wirkte auf Karl etwas überraschend, denn die Funktion, zu deren Übernahme er sich bereit gefunden hatte, war die eines Kaisers, nicht die eines „Kaisers der Römer". Dieser Titel beinhaltete eine ganz spezielle Funktion. In Wirklichkeit war Kaiser der Römer der Kaiser in Konstantinopel, der geschichtliche Nachfolger des alten römischen Kaisers und Erbe seines universalen Herrschaftsanspruchs. Dies war aber nicht die Funktion, die Karl der Große übernehmen wollte. Ein „Kaiser" war nichts anderes als ein gehobener König, der über mehrere Völker herrschte, und nur diese Rolle hatte er kurz vor Weihnachten akzeptiert. Hier tat sich deutlich eine breite Kluft zwischen päpstlicher und kaiserlicher Auffassung auf. Hätte Karl die Rolle eines universalen Herrschers im Sinne des ursprünglichen vollentwickelten römischen Kaisertums übernommen, so hätte dies — wie vom Papst sicher beabsichtigt — für das Ostreich den Verlust der Legitimität und für Karl selbst die Anerkennung als „wahrer" römischer Kaiser zur Folge gehabt. Karls Absicht aber ging im Gegenteil dahin, im Westen zu werden, was der Kaiser im Osten war. Sein Ziel war Gleichberechtigung oder Koexistenz mit dem Ostreich. Aber der Schritt war getan, er eröffnete für die zeitgenössische und zukünftige politische Gestaltung Europas eine neue Dimension. W a s geschehen war, konnte nicht rückgängig gemacht werden, obgleich dem Vorfall in liturgischer oder dogmatischer Hinsicht keinerlei Bedeutung zukam. Der fränkische König war nicht gesalbt, es waren keine besonderen Gebete über ihn gesprochen worden: der Papst hatte eine rein symbolische Handlung vorgenommen. Nicht unbeachtet sollte jedoch die Tatsache bleiben, daß kein Papst je zuvor einen Kaiser in Rom gekrönt hatte. Obzwar ihm die Kaiserkrönung in Konstantinopel durch den Patriarchen zweifellos als Muster gedient hatte — man denke vor allem an die Akklamationen — konnte der Papst andererseits nur sehr wenig vom byzantinischen Ritual entlehnen, denn in dessen Mittelpunkt stand der Kaiser als Kosmokrator und höchster irdischer Herrscher, dessen Machtausübung das Papsttum besonders berührte. Außer den Akklamationen konnte also eigentlich nichts für die römische „Krönung" übernommen werden. So lassen sich Schlichtheit und Formlosigkeit dieser „Krönung" des Weihnachtstages 800, auch etwa das völlige Fehlen von Gebeten für den Kaiser leicht erklären. Der Bericht der einen fränkischen Quelle, Leo III. habe den neugekrönten Kaiser „adoriert", bezieht sich nach aller Wahrscheinlichkeit auf eine rein symbolische Verbeugung des Papstes vor Karl. Durch diesen Schachzug wollte das Papsttum mögliche, von der kai-
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serlichen R e g i e r u n g in Konstantinopel her drohende Gefahren von vornherein a b w e n d e n . Vor allen Dingen w u r d e d a m i t der Loslösungsprozeß, der gerade fünfzig J a h r e vorher begonnen hatte, abgeschlossen. Mittelpunkt der christlichen W e l t sollte R o m , nicht Aachen oder Konstantinopel sein. Karls des Großen eigenes Programm, das er lange vor diesen Ereignissen formuliert hatte, konnte das P a p s t t u m in seinem Entschluß n u r bestärken, R o m w i e d e r zum M i t t e l p u n k t der Christenheit zu machen, w a r doch ein Christ identisch mit einem R ö m e r . Karl f ü h r t e seine Eroberungszüge mit dem Ziel der A u s b r e i t u n g des christlichen G l a u b e n s päpstlicher Prägung; er w u r d e „Rektor Europas" genannt, da er ü b e r das „Königreich Europa" herrschte. A b e r dieses Europa w a r nicht mehr jene geistig amorphe, k u l t u r e l l ungestaltete Landmasse. Es w u r d e allmählich zu einer geistig in sich geschlossenen, vom christlichen G l a u b e n zusammengehaltenen Einheit verschmolzen. Dieser G l a u b e w a r römisch-päpstlicher H e r k u n f t und Prägung. Das Römische Reich, über das Karl nun als römischer Kaiser gebot ( w i e sein offizieller Titel anzeigte), w a r nur eine andere Bezeichnung für das „christliche Reich", das sich mit jenem Königreich Europa deckte. Zudem veranschaulichte die Inschrift auf Karls Kaisersiegel die W i e d e r g e b u r t des alten (heidnischen) Römischen Reichs als eines christlichen Reichs — kurz, hier w a r e i n e Einheit entstanden, die nicht durch ethnische oder geschichtliche Bande, sondern durch die feste K l a m m e r des Glaubens, w i e ihn d i e petrinische Kirche R o m s v e r k ü n d e t e , zusammengehalten wurde. Aus weiterer P e r s p e k t i v e aber warf dieses Weihnachtsgeschehen ein äußerst ernstes Problem auf: w e r w a r der recht- und gesetzmäßige Kaiser der R ö m e r ? Die Frage verdient die Beachtung des Historikers. W a r der römische Kaiser derjenige, den der Papst dazu erhoben h a t t e oder w a r es der, der in Konstantinopel herrschte? In diesem P u n k t rief das päpstliche Vorgehen w e l t w e i t e Erschütterungen, w i e w i r heute sagen w ü r d e n , hervor. Denn f ü r den Kaiser von Konstantinopel w a r die Vorstellung von einem Kaiser i m m e r die von einem Kaiser der Römer, der Anspruch auf A u s ü b u n g oder Ausdehnung einer universalen Herrschaft erhob. Das Vorgehen des Papstes w u r d e in Konstantinopel zunächst als lächerlich und dann als bedeutungslose A n m a ß u n g e m p f u n d e n . In der A r g u m e n t a t i o n des Ostens w a r der Kaiser in Konstantinopel der eine u n d einzige historische Nachfolger der alten römischen Caesaren; religiöse Überlegungen spielten dabei keine Rolle. Andererseits betrachtete der W e s t e n dieselbe Angelegenheit nicht vom historischen, sondern vom religiösen S t a n d p u n k t aus. W i e d e r zeigte sich der Gegensatz zwischen Ost u n d W e s t als der Gegensatz von Geschichte und G l a u b e n ( s . o . S. 14, 19, 2 2 ) . Diese Differenz nahm nun recht praktische Formen
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an. In den Augen des Ostens war das Reich eine historische, in denen des Westens eine religiöse, auf dem römischen Glauben beruhende Einheit. Es ist leicht einzusehen, daß die Voraussetzungen für die Herrschaft über ein als historische Einheit empfundenes Reich sich von denjenigen unterschieden, die der Herrscher eines Reichs zu erfüllen hatte, das sich als eine Manifestation des Glaubens verstand. Im ersteren sollten Armee, Senat und Volk bei der Erhebung eines Kaisers zusammenwirken; im letzteren erfolgte die Ernennung durch ein autorisiertes Organ der Kirche, eben weil die Einheit ekklesiologisch verstanden wurde. Da der römische Kaisergedanke aber den Grundsatz der Universalität mit einschloß, konnte der Kaiser nur von einer Instanz geschaffen werden, die schon dieselbe Universalität verkörperte, und das konnte nur das Papsttum sein. Diese von Grund auf andersartige Auffassung vom Wesen des Reichs erklärt auch einen weiteren grundlegenden Unterschied im Verfahren der Kaiserkrönung. Wie schon erwähnt, hatte die Krönung durch den Patriarchen in Konstantinopel niemals eine konstitutive Funktion besessen. Die verfassungsrechtliche Stellung des Kaisers blieb gänzlich unabhängig von seiner Krönung, die deshalb rein deklaratorischen Charakter hatte. Das heißt, der bereits amtierende Kaiser wurde der Welt in einem feierlichen und öffentlichen, kirchlich ausgestalteten Ritual vorgestellt. Demgegenüber sollte die Krönung durch den Papst in Rom konstitutiven Charakter besitzen. Der Kaiser mußte ein König sein, bevor er die kaiserliche Krone erhielt: erst durch die Krönung wurde er Kaiser. Der Papst setzte gleichsam einen Sonderbeamten auf universaler Ebene ein. Diesen Amtsträger sah er im Grunde immer noch als Patricius der Römer, d. h. als militärische Instanz an, dem Gott durch das Papsttum den äußeren Schutz der römischen Christenheit anvertraut hatte. Der Grund, weshalb der Kaiser in Konstantinopel für dieses Amt niemals in Frage kam, war ohne weiteres ersichtlich. Nicht nur, daß er die Sonderstellung der römischen Kirche innerhalb einer christlichen Welt nicht anerkannte, er hatte auch gegen ihre Verfügungen Einwände und Vorbehalte erhoben und die Päpste tyrannisiert. Folgerichtig konnte das Papsttum vom Kaiser persönliche Eignung für sein Amt verlangen, ein Grundsatz, der in Konstantinopel völlig unerheblich war. Nichts veranschaulicht den grundlegenden Unterschied zwischen byzantinischem und römischem Kaisertum besser als die Einführung eines spezifisch westlichen Details in den Ritus der Kaisererhebung. Da der römische Kaiser den Schutz einer ungeachtet ihrer Bezeichnung als „Römisches Reich" im Grunde kirchlichen Einheit zu übernehmen hatte, sollte sein Amt auch ein spezifisch kirchliches, religiöses Gepräge erhal-
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ten. Diesem Zweck diente die seit dem Jahre 816 vom Papst vorgenommne Salbung, eine Handlung, die die göttliche Herkunft und damit den wesentlich religiösen Charakter des Kaisertums deutlich herausstellte. Vermöge der Salbung wurde durch den Papst das Band zwischen Kaiser und Gott geknüpft, denn der Gesalbte empfing die Gnade Gottes, was als eine Gunst Gottes ausgelegt wurde, sodaß der Kaiser seine Macht als göttliche Vergünstigung, vermittelt durch den Papst, erhalten hatte. Durch dieses Merkmal hob sich die westliche Kaiserkrönung höchst eindrucksvoll von der Krönungspraxis in Konstantinopel ab, wo eine Salbung, da das östliche Kaisertum auf dem Boden der Geschichte stand, begreiflicherweise keinen Platz hatte. Der byzantinische Kaiser war Nachfolger der alten römischen Kaiser, eine Salbung hätte in seinem Fall keine Funktion gehabt. Erst viel später ließ man eine symbolische Salbung zu. Vom religiösen wie vom ideologischen Standpunkt aus wies das Geschehen am Weihnachtstag 800 ernsthafte Mängel auf. Eine Reihe nicht zu übersehender Anzeichen deuten darauf hin, daß Karl der Große viele byzantinische Bräuche nachzunahmen begann, um wenigstens äußerlich die Gleichberechtigung beider Reiche zu dokumentieren. Der frischgekrönte Kaiser begab sich niemals mehr nach Rom. Zu den Bräuchen, die er von Byzanz übernahm, zählte auch die Ernennung eines Alitkaisers. Im Jahre 813 erhob Karl ohne jede Rücksicht auf die päpstlichen Ansichten oder Interessen seinen ältesten Sohn Ludwig I. zum Mitkaiser. Mit einigem Recht war der Papst beunruhigt über Tendenzen in Karls Herrschaftsausübung, die eine Wiederholung von byzantinischen Herrschaftsmaßnahmen im Westen zumindest möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich werden ließen. Für das Papsttum sprach alles dafür, wieder energisch selbst die Initiative zu ergreifen, durch die es sich in Zeiten der Gefahr immer ausgezeichnet hatte. Stephan IV. (V.) scheute im Oktober 816 — kaum zwei Jahre nach dem Tod Karls des Großen — nicht die Reise nach Reims, um Ludwig I. zum Kaiser zu krönen, obwohl diesem die Kaiserwürde drei Jahre vorher durch seinen Vater verliehen worden war; vor allem aber unternahm der Papst diese Reise, um Ludwig zu salben und so den grundlegenden Unterschied zwischen diesem und dem byzantinischen Kaiser aller Welt sichtbar zu machen. Auf diese Weise behob der Papst auch die Mängel, die sechzehn Jahre vorher der Krönung Karls anhafteten. Nach Augenzeugenberichten wurde Ludwig mit der Krone Konstantins I., die der Papst mitgebracht hatte, gekrönt — ein weiterer Beweis für den fortdauernden Einfluß der Konstantinischen Schenkung. Besondere liturgische Gebete wurden über Ludwig gesprochen — auch dies ein Indiz für die Sorgfalt der Vorbereitung. Ferner waren die Römer diesmal völlig
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ausgeschlossen, zählte doch die päpstliche Reisegruppe nur sehr wenig Mitglieder. Wie ausgezeichnet das Vorhaben vorbereitet worden war, zeigt auch der dreifache Fußfall Ludwigs vor dem Papst unmittelbar nach dessen Ankunft in Reims. Kaum geringere Bedeutung kommt der Anrede Ludwigs als „zweiter David" in den päpstlichen Begrüßungsworten zu. Besonders bemerkenswert aber ist diese Krönung durch die Verknüpfung von westlichen mit östlichen Elementen; dem Krönungsakt (der aus Byzanz stammte) wurde die Salbung angegliedert: nach alttestamentarischem Vorbild ausgebildet, wurde sie als äußeres Zeichen der göttlichen Gunst verstanden, durch die der Empfänger Herrschaft erhielt. Dieser Gedanke hatte hinter der Salbung der westgotischen Könige gestanden, von wo höchstwahrscheinlich die Franken diesen Brauch übernommen hatten, als sie, beginnend mit Pippin dem Kleinen, die Königssalbung einführten. Karl der Große wurde ja dann selbst dreimal durch Päpste gesalbt. Entscheidend aber ist, daß bisher nur Könige gesalbt worden waren. Im Oktober 816 erteilte der Papst erstmals die Salbung anläßlich einer Kaiserkrönung. Zum erstenmal erscheinen hier Salbung und Krönung als die beiden tragenden Säulen bei der kirchlicherseits organisierten Kaisererhebung. Von da an sollte das Ritual aller Kaiser- und Königskrönungen aus diesen beiden Teilakten bestehen. Dabei stand im Mittelpunkt des westlichen Krönungszeremoniells nicht die Krönung selbst, sondern die Salbung des Herrschers. Der Zweck der Kaisersalbung war es insbesondere, dem Papsttum als der „Quelle" und „Mutter" der universalen Kirche einen militärischen Schutzherrn zu verschaffen. Die Salbung zählte zu den Sakramenten, die nur durch einen dazu befähigten kirchlichen Amtsträger gespendet werden konnten. Daher auch die Bezeichnung jedes vom Papst gekrönten Kaisers als „besonderen Sohnes der Kirche", ein Merkmal, durch das er sich deutlich vom byzantinischen Kaiser unterschied, der zur Annahme dieser Kindschaftsbeziehung niemals bereit gewesen war. In dieser Bezeichnung waren die Ober- und die Untertöne von Orthodoxie und Irrglauben deutlich herauszuhören; tatsächlich behauptete nur einige Jahrzehnte später, aber noch im 9. Jahrhundert, der westliche Kaiser eben auf Grund der vom Papst empfangenen Salbung den „rechten", den orthodoxen Glauben zu haben, während der östliche Kaiser das von sich nicht behaupten könne. Die vom Papsttum im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert konsequent verfolgte Linie ging dahin, rein religiöse Themen und sakramentale Elemente für Dinge nutzbar zu machen, die man später ohne Zögern als „große Politik" bezeichnet hätte. Den Boden dafür hatte das Papsttum sorgfältig bereitet. Kirchliche Denkungs- und Handlungsweise hatte alle
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Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens im europäischen Westen durchdrungen. Der Dynamik und Initiative, die das Papsttum im Rahmen der Salbung entwickelte, kommt umso größere Bedeutung zu, als es zu diesem Zeitpunkt noch keine Bischofssalbung gab, und daß die Päpste selbst dieses Sakrament nicht empfingen. Sie begannen erst über hundert Jahre später sich salben zu lassen, als nördlich der Alpen nach dem Vorbild der Königserhebung die Salbung schon fester Bestandteil der Bischofsweihe geworden war. Als Sakrament verlieh die Salbung dem Gesalbten eine gewisse Heiligkeit. Man glaubte, daß sie sein ganzes Wesen verändere und ihn zum „Gesalbten des Herrn" (Christus Domini) mache. Diese alttestamentarische Lehre entsprach auch der mittelalterlichen Auffassung von der Salbung. Der zu Salbende mußte sozusagen seine ursprüngliche Kriegernatur abstreifen und wurde zum neuen Rang eines Streiters Christi erhoben, wie der viel verwendete zeitgenössische Ausdruck lautete, berufen zur Verteidigung der Kirche als der von Christus selbst gestifteten Gemeinschaft, insbesondere zum Schutz des Papsttums als ihres Herrschaftsorgans. I m L a u f e der schiede zwischen
Z e i t e r g a b e n sich jedoch ganz g r u n d l e g e n d e königlicher u n d
kaiserlicher
Salbung.
Unter-
Während
für
K ö n i g s s a l b u n g e n C h r i s m a v e r w e n d e t w u r d e , w u r d e für K a i s e r s a l b u n g e n ein liturgisch m i n d e r w e r t i g e s ö l v e r w e n d e t , d e m s a k r a m e n t a l e r C h a r a k ter nicht u n b e d i n g t zugesprochen w u r d e . D e r K ö n i g w u r d e in erster L i n i e am H a u p t gesalbt, der K a i s e r am rechten A r m u n d zwischen den S c h u l t e r b l ä t t e r n zur symbolischen H e i l i g u n g des Sitzes seiner physischen S t ä r k e . W i e P a p s t J o h a n n e s V I I I . im 9 . J a h r h u n d e r t f e s t s t e l l t e , w u r d e d e m K a i s e r anläßlich s e i n e r K r ö n u n g durch G n a d e zuteil, was C h r i s t u s k r a f t s e i n e r N a t u r b e s a ß . D i e E n t w i c k l u n g der K a i s e r s a l b u n g f ü h r t e allmählich (anders als die K ö n i g s s a l b u n g ) dazu, d a ß der K a i s e r den Vorteil verlor, den er als ein „ b l o ß e r " K ö n i g besessen h a t t e : die S a l b u n g h o b seine n e u e F u n k t i o n
als v o m P a p s t eigens b e s t a l l t e r
universaler
Schutzherr h e r v o r (s. a. u. S . 1 7 5 f . ) . u n d diese n e u e F u n k t i o n sog die alte K ö n i g s f u n k t i o n
auf. S o w i r d verständlich,
w e s h a l b die
Kaiser-
k r ö n u n g später als der K ö n i g s k r ö n u n g symbolisch u n t e r l e g e n galt. E s fällt h e u t e schwer, d e n g r o ß e n Fortschritt zu ermessen und zu würd i g e n , den das P a p s t t u m um die W e n d e v o m 8. zum 9. J a h r h u n d e r t gemacht h a t t e . D i e k u l t u r e l l e
und
„politische"
Landkarte Europas
war
durch die M e t h o d i k , Z i e l s t r e b i g k e i t und E n e r g i e , mit der ein zunächst a b s t r a k t e s P r o g r a m m in die W i r k l i c h k e i t umgesetzt w o r d e n war, gänzlich v e r ä n d e r t w o r d e n . D i e s e W i r k l i c h k e i t war allerdings in höchstem M a ß e g e e i g n e t , L e h r e u n d P r o g r a m m des P a p s t t u m s a u f z u n e h m e n . D e n n sie fielen auf e i n e n durch u n d durch religiösen B o d e n . D i e
Werkzeuge,
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deren sich das Papsttum bediente, entstammten offensichtlich derselben religiösen Quelle, die diesen Boden speiste. Mit einem Wort, es bestand die seltene Übereinstimmung zwischen Aufnahmebedingungen, Mitteln und Zwecken. Von einer höheren historischen Warte aus gesehen, war dies alles die Frucht der epochemachenden Missionspolitik Gregors I. Seiner Dynamik ist die Öffnung des brachliegenden westlichen Bodens für römisch-kirchliche Einflüsse zu verdanken, die im 9. Jahrhundert reifste Erfolge brachten. Es war dies das Jahrhundert, welches den Beginn einer historischen Entwicklung erlebte, in deren Verlauf Europa zu einer festgefügten geistigen, auf dem Boden des römischen Glaubens ruhenden Einheit wurde.
V. PAPSTTUM UND ABENDLAND Geistesgeschichtlich gesehen, fielen die Fortschritte des Papsttums im frühen 9. Jahrhundert mit der Endphase der Verflechtung der römischen mit den christlichen und den germanischen Elementen im Westen zusammen. Die unauflösbare Verschmelzung dieser drei Stränge, die Abschleifung der scharfen Kanten ihrer Eigencharaktere ließen eine mehr oder minder homogene Synthese entstehen. Daraus ergab sich die große zivilisatorische Wirkung, die der enge Zusammenschluß des Nordens, Südens und Westens Europas mit sich brachte. Durch seinen engen Kontakt vor allem mit den Völkern nördlich der Alpen nahm das Papsttum im Lauf der Zeit seinerseits viele nicht-römische, germanische Züge in sich auf. Dies wurde besonders deutlich auf dem Gebiet der Liturgie, der Symbolik und sogar des Boden- und Eigentumsrechts. Auf der anderen Seite beeinflußte diese ausgesprochen westliche Orientierung des Papsttums auch sein Verhältnis zu Konstantinopel. Denn zu der verfassungsrechtlichen und „politischen", d. h. rechtlichen Unabhängigkeit, die das Papsttum inzwischen gegenüber dem byzantinischen Reich erlangt hatte, kam nun eine Entfremdung auf kulturellem und geistigem Gebiet, die schon seit sehr geraumer Zeit bemerkbar gewesen war, sich aber nun rasch verstärkte und vertiefte. Die Bande, die bisher das päpstliche Rom und das kaiserliche Konstantinopel zusammengehalten hatten, waren zerschnitten. Diese zweifache Loslösung des Papsttums von Konstantinopel beschleunigte sehr erheblich die Entwicklung des abendländischen, lateinisch ausgerichteten Europa zu einer lebensfähigen Einheit. W i l l man die starken, widerstandsfähigen Bindungen zwischen dem Papst und den kraftvollen nordischen Völkern voll erfassen, so darf man diese gegenseitige Beeinflussung im Westen nicht aus den Augen verlieren. Daß seit den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen Papsttum und fränkischer Monarchie bestand, ist leicht verständlich. Die Franken waren dem Papsttum als militärische Beschützer gegenüber den unbotmäßigen Römern unentbehrlich, vor allem gegenüber dem städtischen Adel, der sich von der vereinten Macht des Papstes und der Franken um seinen Erfolg „geprellt" fühlte. Die Spannungen zwischen Papst und Stadtadel waren bereits in den heftigen Szenen bei der Wahl Stephans III. und während des Pontifikats Leos III. fühlbar geworden. Anläßlich der Wahl Eugens II. im
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Jahre 824 brachen erneut ernsthafte Unruhen aus. Daraufhin erließ der Mitkaiser Lothar I. im Namen seines Vaters eine Konstitution zum Schutze des Papstes vor den Machenschaften des römischen Stadtadels. Hierin wurde festgesetzt, daß der Papst den westlichen Kaiser jeweils davon unterrichten solle, daß eine W a h l stattgefunden habe; seine Bischofsweihe sollte dann in Gegenwart des kaiserlichen Gesandten als des Garanten der öffentlichen Ordnung vorgenommen werden. Das Muster für diese Konstitution war ganz eindeutig die alte byzantinische Regelung, nach der ein Papst seine W a h l dem Kaiser anzeigen mußte, allerdings mit dem erheblichen Unterschied, daß die Benachrichtigung des westlichen Kaisers den Zweck verfolgte, von ihm die Sicherung friedlicher Zustände bei der Weihe des neuen Papstes in Rom gewährleisten zu lassen. Die Konstitution wurde im Interesse des Papstes erlassen. Eine fränkische Kontrolle der Institution des Papsttums oder eine nachträgliche Anerkennung des gewählten Papstes durch den fränkischen Hof war nicht beabsichtigt. Umgekehrt war der päpstliche Einfluß auf die Franken recht beträchtlich, zumal Ludwig I. sich mehr durch Frömmigkeit als durch Herrschertüchtigkeit auszeichnete. Seine Schwäche und sein durch eine engstirnige klerikale Erziehung begrenzter Horizont hatten verheerende Folgen für seine Reiche und eröffneten dem Papsttum ausgedehnte Einflußmöglichkeiten in Fragen, zu deren theoretischer Klärung es noch nicht Gelegenheit gehabt hatte. Die päpstliche Einmischung in die Streitigkeiten zwischen Ludwig dem Frommen und seinen Söhnen kann beim besten Willen nicht auf der Erfolgsseite des Papsttums verbucht werden. Nicht nur, daß sich der Papst auf ziemlich linkische Art in diese unerbaulichen Zwistigkeiten einmischte — die Intervention Gregors IV. in Frankreich im Jahre 833 war eine bedauernswerte und klägliche Episode, da er sich auf die Seite der rebellischen Söhne stellte — er traf damit auch empfindliche Stellen des fränkischen Episkopats (was langanhaltende Folgen hatte). In den dreißiger Jahren des 9. Jahrhunderts trat die Spannung zwischen Papst und Episkopat erstmals hervor, und zwar eben deshalb, weil die Bischöfe die päpstliche Einmischung als einen Übergriff in ihre Rechte ansahen. Damals begann der Episkopat als Widersacher des Papsttums hervorzutreten, und die Päpste fanden es mit der Zeit immer schwieriger, mit diesem Gegner fertig zu werden. An der Wurzel dieser Spannung und späteren Auseinandersetzung stand ein Interpretationsproblem: war die Gewalt zu binden und zu lösen ausschließlich dem hl. Petrus (und daher allen seinen Nachfolgern, den Päpsten) oder allen Aposteln und daher den Bischöfen als ihren Nachfolgern erteilt worden? Das Papsttum hielt fest und konsequent an ersterem, der Episkopat ebenso unerschüt-
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terlich an letzterem Standpunkt fest. Beide Auffassungen beriefen sich auf das Matthäusevangelium, allerdings auf verschiedene Stellen: das Papsttum auf Matth. 16. 18 f., die Bischöfe auf 18. 18. Ganz offensichtlich wurde hier· der innerste Kern der Frage nach Funktion und Stellung des Papsttums als monarchischer Institution berührt. W i e die Geschichte der päpstlich-bischöflichen Beziehung zeigt, war eine Versöhnung der Standpunkte nicht möglich, ein ernsthafter Versuch dazu wurde auch von keiner Seite unternommen. Das Problem blieb während des ganzen Mittelalters ungelöst. Das Papsttum zielte auf monarchische Zentralisierung ab, die Bischöfe jedoch strebten eine Dezentralisierung und die Errichtung genau abgegrenzter territorialer Einheiten in der Form von Diözesen an. Was jedoch das Papsttum des 9. Jahrhunderts betraf, so mußte es dafür sorgen, daß seine im Oktober 816 so hoffnungsvoll eingeleiteten Pläne zu einem erfolgreichen Absdiluß gebracht wurden. Bei der Durchführung seines Programms erfuhr es seitens der fränkischen Könige, deren Maßnahmen und Absichten sich mit den päpstlichen Plänen eng berührten, kräftige Unterstützung. Die Könige hatten allen Grund, ihre Stellung gegen den aufsteigenden fränkischen Adel zu festigen, der in den fränkischen Bischöfen seine mächtigsten Anhänger fand. Schritt für Schritt erfocht das Papsttum genau im Verlauf eines dreiviertel Jahrhunderts seit Karls d. Gr. Krönung einen entscheidenden Sieg auf dem Gebiet, dem es die größte Bedeutung beimaß. Es handelte sich um die Erhebung des römischen Kaisers, denn nur hier konnte der lateinische Charakter dieses Reichs oder, umgekehrt, die griechische Prägung des Ostreichs, das sich zu Unrecht „Römisches Reich" nannte, überzeugend demonstriert werden. Darüberhinaus galt nach zeitgenössischen Voraussetzungen diese Erhebung des römischen Kaisers durch den Papst als der schlagkräftigste Beweis für die souveräne Unabhängigkeit des Papsttums vom byzantinischen Reich. Insoweit das Papsttum betroffen ist, war die im 5. Jahrhundert begonnene Entwicklung im 9. Jahrhundert abgeschlossen. Während seinerzeit die Herausforderung durch die Reichsregierung das Papsttum zur Klärung und Festlegung seiner unverrückbaren Grundsätze gezwungen hatte (s. oben S. 24), unternahm es jetzt im 9. Jahrhundert Schritte, diese Grundsätze in die Wirklichkeit umzusetzen; es stellte seinerseits das Kaiserreich in Konstantinopel in Frage und leugnete praktisch, wenn auch nicht ausdrücklich dessen Charakter als Römisches Reich. Diese Konzentration des Papsttums auf seine Beziehung zum Kaiserreich auf Kosten vieler anderer Aufgaben, die sich die Institution sehr wohl hätte angelegen sein lassen können — wie etwa Missionen, Bekehrungen, die Herstellung stabiler Verhältnisse in Rom, Ausbau und Ent-
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wicklung der Liturgie, Förderung der Bildung, Verbesserung der Volkswohlfahrt, um nur einige dieser Aufgaben zu nennen — war zwar unleugbar ein Vermächtnis der Vergangenheit, aber auch wegweisend für die Zukunft. Indem es sozusagen seine Entwicklungs- und Lehrjahre im Römischen Reich verbracht hatte, war das Papsttum nicht imstande, sich diesem stärksten Einfluß seiner Umgebung zu entziehen. Als es den historischen Schauplatz betrat, stand Konstantinopel im Vordergrund, denn die päpstlichen Grundsätze wurden erstmals klar formuliert, nachdem das Papsttum sich durch die byzantinischen Maßnahmen herausgefordert fühlte. Nun im 9. Jahrhundert wurden diese Grundsätze in eine politische Strategie umgegossen, die „weltweiten" Widerhall auslöste. Diese Entwicklung zu beurteilen und zu bewerten, ist nicht Sache des Historikers. Er kann lediglich erklären, inwiefern und weshalb die Politik des Papsttums während des ganzen Mittelalters unter dem nicht auszulöschenden Einfluß seiner von Konstantinopel überschatteten Kindheit und Jugend stand. Die traumatischen Erfahrungen seiner Jugendzeit hinterließen beim mittelalterlichen Papsttum untilgbare Spuren. Mittelbar und unmittelbar übte Byzanz während dieser Epoche einen entscheidenden Einfluß auf das Papsttum aus, wodurch sich in mancher Beziehung die vorrangige päpstliche Beschäftigung mit Angelegenheiten des Reichs erklärt. Obwohl Karl der Große Ludwig den Frommen zu seinem Mitkaiser ernannt und im Jahre 813 auch gekrönt hatte, reiste Stephan IV. drei Jahre später nach Reims und bekräftigte damit die von Leo III. begonnene Politik (s. oben S. 73 f.). Im Jahre 817 machte Ludwig seinen Sohn Lothar I. zum Mitkaiser; dennoch erhielt dieser sechs Jahre später eine Einladung von Papst Paschalis I., er möge nach Rom kommen, um dort die Kaiserkrone zu empfangen. Salbung und Krönung fanden am Ostersonntag 823 statt; es war die erste vollwertige Krönung in der St. Peters-Basilika, fortan Krönungsstätte der Kaiser. Bei dieser Gelegenheit verlieh der Papst dem Kaiser erstmals ein Schwert. Die Symbolik war eindeutig, denn sie wies auf den Zweck seines Kaisertums hin. Von nun an war das Schwert bei jeder Kaiserkrönung ein wesentliches Symbol. Im Jahre 850 war es der Vater Lothar I., der jetzt den Papst um Salbung und Krönung seines Sohnes Ludwig II. ersuchte, eine Bitte, der gnädig entsprochen wurde. Wieder tat die Entwicklung der Symbolik einen bedeutsamen Schritt voran. Die Konstantinische Schenkung hatte vorgesehen, daß der Kaiser als Zeichen seiner Demut und Unterwerfung für eine kurze Strecke das Pferd des Papstes führen sollte. Dieses Symbol fand hier zum erstenmal Anwendung. Die Krönung vom Jahre 850 war auch insofern bedeutungsvoll, als der Papst keine Einladung ergehen lassen mußte, da Lothar selbst ihn demütig darum ge-
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beten hatte. Auch hatte Lothar seinen Sohn nicht zum Mitkaiser ernannt. Ludwig war nicht einmal König, und so wurde seine Krönung zum „König der Langobarden" durch den Papst im Jahre 844 besonders wichtig, da erst Ludwigs königlicher Status dem Papst seine Krönung zum Kaiser ermöglichte. W i r erinnern uns, daß im Gegensatz zu Byzanz der Kaiser des Westens jeweils einen bereits herrschenden König absorbierte. 25 Jahre später, im Jahre 875, hatte das Papsttum seine Stellung und Autorität so gestärkt, daß es nunmehr in der Lage war, das vakante kaiserliche Amt eigenmächtig zu besetzen, indem es Karl den Kahlen, den westfränkischen König, „erwählte, nominierte und aufstellte". Es war, wie Papst Johannes V I I I . behauptete, „göttliche Eingebung" , die ihn dazu veranlaßte, die Kaiserkrone Karl anzubieten, der seit vielen Jahren König war. Als dieser zwei Jahre später starb, nutzte der Papst die Gelegenheit und schraubte die päpstlichen Ansprüche noch höher, indem er den Italienern einschärfte, sie sollten ohne vorherige päpstliche Einwilligung niemanden als König akzeptieren. Anders ausgedrückt, der Begriff des langobardischen Königs sollte durch den des „Königs der Italiker" ersetzt werden. Der Sinn dieses Plans lag darin, daß das Amt des italienischen Königs die Voraussetzung für das Kaisertum sein sollte. Diese Herrschaft über das italienische Königreich („regnum italicum") war eine weitere Quelle für den päpstlichen Anspruch auf Prüfung und Bestätigung des kaiserlichen Kandidaten, der ja schließlich über tatsächliche Gewalt in Italien verfügte und deshalb für den mittelalterlichen Kirchenstaat von größtem Interesse war. Die Kaiser, die das Papsttum um die Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert erhob, waren ohne Bedeutung, da es sich um bloße Schattenherrscher handelte. Diese rasche Entwicklung im 9. Jahrhundert offenbarte deutlich den Sieg der päpstlichen Thematik im Westen. Widerspruchslos nahmen die fränkischen Könige die päpstlichen Grundsätze und Herrschaftsvorstellungen in der Frage der Kaisererhebung hin. Das heißt, im Westen war es eine Selbstverständlichkeit, daß derjenige der „wahre" römische Kaiser war, der vom Papst dazu erhoben worden war, und das „wahre" Römische Reich war das Gebiet, über das der vom Papst eingesetzte Monarch herrschte. Diese Aufassung erwies sich als mächtige Stützung des gleichzeitig aufkommenden Gedankens eines unabhängigen Europa, dessen äußere Erscheinung römisch-lateinisch war und dessen inneres Wesen auf dem vom Papsttum verkündeten Glauben beruhte. Umgekehrt waren die von Byzanz beherrschten Länder nicht „römisch", da sie nicht dem römischen Glauben anhingen und infolgedessen nicht zu Europa gehörten. Die Spaltung Europas in zwei getrennte Hälften wurde nun Wirklichkeit. Die eine Hälfte war lateinisch, die andere griechisch.
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Sofort wurde die Folgerung gezogen, die griechische Hälfte habe sich selbst aus Europa ausgeschlossen, weil sie nicht-römischen Charakter trug. Europa war römisch und lateinisch; was außerhalb der lateinischen Grenzen lag, war nicht mehr Europa. In diesem Schema spielte der Westkaiser eine wichtige Rolle. Er war als der militärische, übernationale Beschützer der Reiche gedacht, die aus dem Glauben Roms ihre Seelennahrung zogen. Andererseits waren die Franken dadurch ganz unvermittelt in die Weltpolitik hineingeraten. Nachdem sie die päpstliche Ideologie zu ihrer eigenen gemacht hatten, mußten sie irgendwie in ein Verhältnis der Rivalität zu Konstantinopel und seiner Regierung treten. J e mehr die päpstliche Auffassung von einem römischen Kaisertum feste Gestalt und allgemeine Anerkennung gewann, desto mehr näherte sich diese Rivalität einem offenen Konflikt, denn es konnten nicht zwei Kaiser nebeneinander existieren, die beide den Anspruch auf universale Herrschaft erhoben. Seit dem 9. Jahrhundert stand jeder der beiden Kaiser als Symbol für eine Weltanschauung, die die Übertragung einer im Grunde religiösen Idee auf die Ebene der Reichspolitik darstellte: Gefolgschaft oder Ablehnung gegenüber dem vom Papst verkündeten Glauben. Dabei darf nicht übersehen werden, daß erst durch die dynamischen und initiativenreichen Maßnahmen des Papsttums die unterschiedlichen Auffassungen Roms und Konstantinopels in kirchlichen und dogmatischen Fragen auf eine „weltpolitische" Ebene verlagert worden waren. Die Bedeutung dieser Entwicklung kann gar nicht überschätzt werden. Zwei Blöcke standen einander gegenüber, von denen jeder sich mit einer Ideologie oder, um in der Sprache des 9. Jahrhunderts zu bleiben, mit eigenen religiösen und kirchlichen Auffassungen identifizierte. Europa als westlich-lateinischer Machtblock begann im 9. Jahrhundert seine triumphale Laufbahn. Das Bedürfnis des Papsttums nach einem starken militärischen Schutzherrn wurde vielleicht zu keiner Zeit so dringend spürbar wie im 9. Jahrhundert, als Italien und vor allem die Stadt Rom mit dem Papsttum ernsthaft von den Sarazenen bedroht wurden. Nach der Einnahme Siziliens, wo die byzantinische Verwaltung praktisch völlig beseitigt wurde, verwüsteten sie Süditalien und rückten weiter gegen Rom vor. Dort zerstörten sie im Jahre 846 die Vorstädte und plünderten St. Peter und andere alte Baulichkeiten. Sogar das päpstliche Archiv litt stark unter den Raubzügen der Sarazenen. Angesichts der akuten Bedrohung durch die Araber ergab sich für das Papsttum, abgesehen von der ideologischen Motivation dieser Maßnahme, die zwingende Notwendigkeit, sich einen universalen Schutzherrn in der Gestalt des römischen Kaisers zu erwählen. Gleichzeitig griff der Papst aber auch zur Selbsthilfe.
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Zum Schutz gegen die Sarazenen erbaute Leo IV. eine starke Mauer und zusätzliche Befestigungen in der Nähe des Vatikans. Der Teil Roms, der mit einer Mauer umgeben wurde, trägt noch heute den Namen Leostadt. Durch griechische Seestreitkräfte erlitten die Sarazenen im Jahre 849 bei Ostia eine entscheidende Niederlage, aber Sizilien hatte davon kaum einen Vorteil. Die weströmischen Kaiser konnten dem arg bedrängten Papsttum keinerlei wirksame Hilfe zukommen lassen, da sie sich selbst mehrerer Angriffe zu erwehren hatten. Beinahe gleichzeitig hatten die Normannen ihre Beutezüge in die fränkischen Reiche begonnen, deren Randgebiete ihren Plünderungen in besonderem Maße ausgesetzt waren. Zur selben Zeit aber, um die Mitte des 9. Jahrhunderts, entstand im Frankenreich eine geistige Macht, die im Laufe der Zeit einen starken und maßgeblichen Einfluß auf das Papsttum ausüben sollte. Von der klaren Betonung, die Karl der Große und seine Nachfolger auf den römisch-lateinischen Charakter des fränkischen Reichs und vor allem seiner Kirchenorganisation legten, gingen lebhafte Impulse auf die Pflege kirchlichen Brauch- und Schrifttums aus. Es wurde studiert, gesammelt, kommentiert und erlangte rasch autoritative Geltung. Dieses kirchliche Schrifttum und ebenso das kirchliche Recht waren unzweifelhaft lateinischen Ursprungs und römisch-kirchlicher Herkunft. Die Verbesserung des fränkischen Bildungswesens zeitigte hier jedoch Folgen, die Karl der Große und seine Berater auf diesem Gebiet nicht vorhergesehen hatten. Diejenigen, die in den Genuß der erweiterten und vertieften Geistesbildung kamen, entwickelten einen geschärften kritischen Sinn. In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts bildete sich in den Frankenreichen eine geistige Elite heraus. Ihre Anschauungen verdankten der Wiedererweckung oder Wiederentdeckung von altem Kirchenrecht und patristischer Literatur ihre Prägung. Die Ansichten dieser fränkischen Intelligenzschichten über Herrschaft und Reich stimmten durchaus nicht mit den Auffassungen überein, die die Könige selbst vertraten und die in ihren Gesetzen zum Ausdruck kamen. Ein erstes erkennbares Zeichen dieses neu geweckten kritischen Geistes sind die zahlreichen und gut besuchten fränkischen Konzilien zu Beginn des 9. Jahrhunderts. Obwohl die meisten dieser Versammlungen vom Kaiser einberufen waren, erließen sie dodi Dekrete und äußerten Lehrmeinungen, die mit dem königlichen bzw. kaiserlichen Herrschaftssystem weder ausdrücklich noch stillschweigend konform gingen. W i e die Synodaldekrete dieser lebensvollen Kirchenversammlungen zeigen, fiel die von so altehrwürdigem Recht und Schrifttum genährte „neue Bildung" auf fruchtbaren Boden. Den fränkischen Konzilien lag die Botschaft am Herzen, daß nur diejenige königliche Regierung sich
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christlich nennen könne, die die christlichen Lehren, und zwar in der Auslegung, die der durch die neue Bildung qualifizierte Klerus ihr gab, in die Wirklichkeit umsetzte. Denn — und das war der kritische Punkt — die Entscheidung darüber, welches Lehrstück in eine erzwingbare Rechtsbestimmung umzuwandeln sei, sollte ganz offenbar dem Klerus überlassen werden. E r verlangte für sich buchstäblich die Führung und Entscheidung nicht nur in kirchlichen Rechts- und Lehrfragen, sondern auch im öffentlichen und sozialen Bereich. Der scharfe durchdringende Geist dieser fränkischen Elite verfehlte nicht, die Kluft aufzudecken, die sich zwischen Idee und Wirklichkeit auftat, d. h. zwischen dem kirchlichen, geistigen und religiösen Normensystem einerseits und den tatsächlichen Zuständen auf irdischem, weltlichem und staatlichem Gebiet andererseits. Diese Verhältnisse im Frankenreich sollten nicht aus den Augen verloren werden: sie bildeten den fruchtbaren Boden, auf dem der schon erwähnte fränkische Episkopalismus gedeihen konnte. Denn der allgemeine Grundton der konziliaren Auffassungen und Dekrete war episkopalistisch. Vom Papsttum war kaum je die Rede. Im Gegenteil, ein entfernter Beobachter hätte vielleicht die Existenz des Papsttums als kirchlicher Instanz völlig übersehen können. Was die Bischöfe als Hauptbeschwerde gegen das fränkisch-königliche System vorzubringen hatten, war die Amtseinsetzung von Geistlichen (aller Ränge) durch den König (oder untergeordnete weltliche Herren). Es handelt sich um das sogenannte Eigenkirchenwesen, demgemäß der Grundeigentümer das Recht hatte, auf seinem Land eine Kirche zu errichten, die sein Eigentum blieb und für die er deshalb einfach einen Geistlichen bestimmte. Die so eingesetzten Kleriker fielen unter die Gerichtsbarkeit des weltlichen Herrn. So ergab sich ein weiterer Beschwerdepunkt für die Bischöfe, daß nämlich durch das Eigenkirchenwesen ihre Freiheit eingeschränkt wurde und sie sich der Überwachung durch den König beugen mußten. Ihre Argumentation ging dahin, daß Kleriker von weltlicher Jurisdiktion und von der Bindung an das weltliche Recht befreit sein sollten. Als die „Auserwählten des Herrn" fielen sie ausschließlich unter kirchliche Rechtsprechung. Diese Auffassungen wurden mit Nachdruck vertreten — Agobard von Lyon etwa war einer der schärfsten Kritiker des herrschenden Systems — es fehlte ihnen aber eine rechtliche Grundlage. Lehren, auf die sie sich stützen konnten, waren zur Genüge vorhanden, aber Lehren ohne entsprechende gesetzliche Regelung waren — und sind — ziemlich wertlos. In eben diesen Zusammenhang sind die handgreiflichen und weitreichenden Auswirkungen einzuordnen, die die Hebung des Bildungsniveaus zeitigte. Die neue Schicht hochgebildeter Kleriker war bestens
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gerüstet und verfügte über einen reichen Fundus an Lehren, denen sie, eben vermittels ihrer höheren Bildung, eine Form zu geben vermochten, die vorgab, Recht darzustellen. Denn ihre Auffassung war offensichtlich, daß Recht, wo es fehlte, erfunden werden durfte. Und so wurde es denn auch erfunden, im Herzen des fränkischen Reichsgebiets in oder in der Nähe von Reims, um die Mitte des 9. Jahrhunderts. Es handelte sich um die pseudo-isidorische Kanones-Sammlung, die große Fälschung, die für die Geschichte des Papsttums von besonderem Interesse ist. Der Sammler nennt sich im Vorwort Isidor Mercator. Eine äußerst begabte und fähige Gruppe von Geistlichen hatte diese Sammlung zusammengestellt. Obwohl wenigstens ein Drittel der päpstlichen Dekrete und des übrigen Rechtsguts frei erfunden war und obgleich auch das übrige aus zurechtfrisierten oder entstellten, und nur zum Teil aus echten Belegen bestand, wäre es ganz unhistorisch gedacht, wollte man an diesem Werk die verfeinerten sittlichen Maßstäbe unserer Zeit anlegen. In seinem Kern war es keine Erfindung. Erdichtet war lediglich das gesetzte Recht; nicht erdichtet war die Lehre oder Ideologie, die hinter diesem Recht stand Diese Ideologie war bereits über einen längeren Zeitraum hinweg vertreten worden. Nur so läßt sich erklären, warum die umfangreiche Fälschung auf einen so fruchtbaren Boden fiel: er war schon so bearbeitet worden, daß das gefälschte Material auf ihm Wurzel fassen konnte, überdies umgaben die Fälscher ihr Machwerk mit einer Aura von Autorität, indem sie behaupteten, bei ihrer Sammlung päpstlicher und synodaler Dekrete handle es sich um die Erweiterung einer kanonischen Rechtssammlung, die sie fälschlicherweise Isidor von Sevilla zuschrieben. Hauptangriffspunkt der Fälscher war die weltliche oder königliche Gerichtsbarkeit. Aber es war ihnen klar, daß dem Angriff gegen die weit verbreitete und allgemein akzeptierte Praxis nur Erfolg beschieden sein würde, wenn er seine einzige Waffe, das Recht, in der römischen Kirche, der Grundfeste und Quelle des Christentums, verankerte. Nur die Fiktion, daß die „gesammelten" (in Wirklichkeit gefälschten) Rechtssätze auf das Papsttum zurückgingen, verlieh diesem Recht die benötigte Autorität und den nötigen Nachdruck; und zwar beides in umso stärkerem Maße, je älter das Dekret bzw. der päpstliche Rechtsakt waren, die sich dann auch umso schwieriger auf ihre Echtheit hin kontrollieren ließen. Mit der Aufnahme der „Dekretalen" aus den frühen Anfängen des Papsttums wollten die Fälscher dem Werk den Stempel frühchristlicher Autorität aufprägen. Obgleich das Motiv des päpstlichen Primats im Pseudo-Isidor so häufig angeschlagen war, war es doch hier lediglich Mittel zum Zweck. In Anbetracht der Dringlichkeit der Umstände und der Schwäche des Papsttums in den Jahren, in denen diese Fälschung
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entstand (845—853), lag in den Augen der Fälscher die Gefahr fern, daß der päpstliche Primatsanspruch je praktische Verwirklichung fände. Im Endeffekt war es jedoch das Papsttum, das den größten Gewinn daraus zog, nicht der Episkopat. Die Fälscher kleideten ihre Ideologie und ihr Programm in sehr alte Papstdekrete oder Konzilskanones des christlichen Altertums. Die „päpstlichen Dekrete" dieser Sammlung begannen mit dem angeblichen Schreiben Clemens' I. an den hl. Jacobus (s. o. S. 10 f.), das die Fälscher gleich um das Doppelte verlängerten. Ziel dieses Werks war es ganz offenbar, den Episkopat von der Laiengewalt zu befreien und die erzbischöfliche Macht zu schwächen. Die alten Dekrete sollten den unverfälscht frühchristlichen Standpunkt darlegen, wie er in den päpstlichen Dekretalen seinen Ausdruck gefunden hatte. Die bei PseudoIsidor ständig wiederkehrende Betonung des römischen Primats hatte nur instrumentale Funktion. Die „päpstlichen Dekrete" dienten als Beweismaterial. Die Fälscher gaben sich unendliche Mühe, in jedem einzelnen dieser Dekrete nachzuweisen, daß die römische Kirche die Mutter aller Kirchen, daß sie mit dem Christentum identisch und der Quell aller jurisdiktionellen und herrscherlichen Gewalt sei. Das Papsttum hatte dann einen Teil seiner eigenen Gewalt an untergeordnete Kirchen, vor allem an die Bischöfe delegiert. Diese nahmen so an der päpstlichen Gewalt teil und konnten mithin den Anspruch auf eben die Immunität erheben, die dem Papsttum zugestanden wurde. Die Betonung wurde auf das „päpstliche" Recht gelegt, demzufolge für Klagen gegen Bischöfe der Papst die zuständige Instanz war. Die Dekrete eines Konzils hatten nur Gültigkeit, wenn es von einem Papst einberufen worden war. Klagen von Laien gegen Bischöfe wurden praktisch unmöglich gemacht. Die Dekrete bestanden auf einer strikten hierarchischen Ordnung, sowohl innerhalb der Kirche wie auch in der Gesellschaft im allgemeinen. Daß auch die Konstantinische Schenkung in diesem Band auftauchte, verstand sich von selbst. W i e schon erwähnt, enthielten diese gefälschten Dekrete praktisch nichts, was nicht schon gesagt oder wenigstens in früheren, echten Quellen impliziert gewesen wäre. Aber indem ältere und zeitgenössische Standpunkte durch die Verkleidung in Papstdekrete mit dem Glorienschein der Legalität umgeben wurden, arbeiteten die Fälscher, ohne es zu wollen, für die Sache des Papsttums. Diese kanonistische Rechtssammlung hatte auch den Vorteil, daß sie alle synodalen Erlasse und Verfügungen des Papsttums von seinen ersten Anfängen bis hin zu Gregor II. in einem handlichen Nachschlagewerk zusammenfaßte. Ideologisches Material von beachtlichem Umfang wurde in diese zahlreichen Dekrete eingearbeitet — und das alles lag nun zwischen zwei Buchdek-
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kein vor. W i e ihre spätere Geschichte beweisen sollte, übten die pseudoisidorischen Dekretalen einen beispiellosen Einfluß auf die Papstgesdiichte aus. Sie lieferten dem Papsttum, was ihm bis zur Mitte des 9. Jahrhundert gefehlt hatte, nämlich das alte Recht in Form von päpstlichen Rechtssatzungen aus dem ersten, zweiten und dritten Jahrhundert. Pseudo-Isidor ist als eines der einflußreichsten Fälschungsmachwerke in der Geschichte des mittelalterlichen (und vielleicht auch des modernen) Europa einzustufen. In der verbreiteten, k e i n e s w e g s e n d g ü l t i g e n Ausgabe füllt das Material über siebenhundert eng bedruckte Seiten. A b e r Pseudo-Isidor w a r nicht das einzige G e b r ä u jener Zeit. Das andere W e r k , das ebenfalls in den vierziger J a h r e n des 9. J a h r h u n d e r t s entstand, w a r f ü r das P a p s t t u m von nebensächlichem Interesse. Diese S a m m l u n g eines Diakons der M a i n z e r Kirche, B e n e d i k t u s Levita, verfolgte dasselbe Ziel w i e Pseudo-Isidor, nämlich die Befreiung der Bischöfe insbesondere von der Herrschaft des Laienadels und der Metropoliten, aber diese Rechtfertigungsschrift stützte sich auf königliche u n d kaiserliche Gesetze von angeblich hohem Alter. Auch sie w a r M i t t e l zum Zweck. B e n e d i k t u s Levita w a r ein ansehnlicher Begleitband des PseudoIsidor, den er durch weltliche Rechtsnormen ergänzte, die alle in Form königlicher u n d kaiserlicher Gesetze den „alten" Stand der Dinge beschrieben. Auch hier begegnet derselbe T h e m e n k r e i s w i e bei PseudoIsidor: der päpstliche P r i m a t , die Überwachung der Synoden durch das P a p s t t u m , I m m u n i t ä t e n , u s w . A b e r das W e r k (mit 1721 Kapiteln), erfaßte nie eine so breite Öffentlichkeit u n d reichte nie an den Einfluß von Pseudo-Isidor heran. Für das P a p s t t u m e r w i e s sich Pseudo-Isidor als Geschenk Gottes, d e n n hier w u r d e in der Sprache des Rechts genau das ausgedrückt, w a s das P a p s t t u m so lange gefordert hatte. Es teilte aus begreiflichen Gründen die vordergründige Zielsetzung der Fälschung, w a r aber vorrangig an ihren hintergründigen Tendenzen interessiert. M i t anderen W o r t e n , die Rangordnung w u r d e u m g e k e h r t . W a s für Pseudo-Isidor nur als Bew e i s g r u n d diente, w a r f ü r das P a p s t t u m von wesentlichem Belang. Von seinem S t a n d p u n k t kam es auf das Recht an, sein Recht, das hier mit der W ü r d e des Alters u n d dem Adel der H e r k u n f t einherschritt. Und w a s das W e r d e n Europas betraf, so trugen diese Fälschungen in großem U m f a n g zur H e r a u s b i l d u n g gemeinsamer D e n k s t r u k t u r e n bei, die gleichzeitig antik, rechtlich, christlich und päpstlich geprägt w a r e n . Diese einig e n d e W i r k u n g der großen Fälschungen sollte gehörig g e w ü r d i g t werden. Bis hin zu Gratian um die M i t t e des 12. J a h r h u n d e r t s w a r PseudoIsidor eines der wichtigsten Quellenbücher für spätere kanonistische R e d i t s s a m m l u n g e n . Noch im 14. J a h r h u n d e r t w a r e n Handschriften
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pseudo-isidorischer „Dekrete" über ganz Europa verbreitet. Die zeitgenössischen Päpste waren sich der in diesem Werk liegenden Möglichkeiten voll bewußt. Obgleich vielleicht schon Leo IV. in den Jahren 853—854 die Fälschung benützt hatte, war wohl Nikolaus I. der erste Papst, der sich ausdrücklich auf Pseudo-Isidor berief. Dabei sollte man allerdings berücksichtigen, daß er sich der wahren Natur des Werkes, dessen er sich da bediente, nicht bewußt war. Nikolaus erkannte wohl audi in diesem Buch einen Faktor, der die Zusammenschweißung Europas zu einer homogenen kirchlichen Einheit unter römisch-päpstlicher Führung fördern konnte. In der Geschichte des Papsttums kommt dem Pontifikat Nikolaus' I. die gleiche Bedeutung zu wie der Amtszeit Gregors I. vor oder der Gregors VII. nach ihm. Sein kurzer Pontifikat von gerade neun Jahren hinterließ im kirchlichen und sozialen Leben seiner Zeit seine Spuren. Nikolaus hatte das Temperament eines geborenen Herrschers und Herrn, wie die Vielzahl seiner Dekrete hinreichend zeigt. Könige, Kaiser, Patriarchen, Erzbischöfe und Bisdiöfe behandelte er wie untergeordnete Befehlsempfänger. Seinen Anordnungen war unverzüglich Folge zu leisten. Seine Zielvorstellung war ein autonomer, die Königreiche übergreifender Verband von Christen, der seine verbindlichen Leitlinien allein vom Papsttum entgegennahm. Während seines Pontifikats begann jener Aufstieg des Papsttums, der schließlich nach Überwindung vieler Widrigkeiten seinen Höhepunkt unter Innozenz III. erreichte. Auf dem Papsttum in Rom ruhte die gesamte religiöse und soziale Ordnung der Welt — so sah Nikolaus die Rolle des Papsttums, und in diesem Sinne herrschte er. Er war kein origineller Geist, aber ein Meister in der Kunst, überliefertes Material nutzbar zu machen und so zu einem in sich geschlossenen Ganzen zusammenzufügen, daß es auf die Verhältnisse seiner Zeit anwendbar wurde. Aus der Mehrzahl seiner Dekrete wurden zahlreiche Auszüge in spätere kanonistische Redhtssammlungen übernommen. Seine Zusammenarbeit mit dem gebildeten Bibliothekar Anastasius war ein praktisches Beispiel harmonischer, gegenseitiger Unterstützung; der eine steuerte Autorität und Strategie bei, der andere die intellektuelle und taktische Ausrüstung. Es wäre irreführend, Papst Nikolaus den „Schöpfer" oder „Baumeister" des Papsttums zu nennen — zahlreiche Architekten hatten zahlreiche Steine zum Bau des Papsttums zusammengetragen, wobei allerdings Nikolaus sicherlich in der ersten Reihe stand. Seine Amtszeit war durch die praktische Anwendung der petrinischen Theorie gekennzeichnet. Die zeitgenössischen Umstände boten reichlich Gelegenheit, den abstrakten Grundsatz in konkrete Maßnahmen zu übertragen. Eine seiner frühen Handlungen war es, den Erzbischof Jo-
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hannes von Ravenna in seine Schranken zu verweisen. Dieser hatte seine Macht durch eine kirchenstaatähnliche Organisation zu erweitern versucht, mit der Folge, daß die Provinz Ravenna auf dem besten W e g e war, sich vom Papsttum weitgehend unabhängig zu machen. Auf der Provinzialsynode vom J a h r e 8 6 1 wurde der Erzbischof zur Rücknahme seiner Schritte veranlaßt, die den Grundsätzen des päpstlichen Primatrechts widersprachen. Während Nikolaus hier im Interesse der kirchlichen Disziplin handelte, gab ihm die Eheaffäre König Lothars I I . von Lotharingien eine erste Gelegenheit, erfolgreich in eine Heiratsangelegenheit einzugreifen, die er freilich zugleich zum Anlaß nahm, den Vorrang der päpstlichen vor der erzbischöflichen Autorität energisch zu vertreten. Denn hinter dem König standen zwei der mächtigsten Erzbischöfe und deren Suffragane. Der strittige Punkt war die Frage nach der Rechtsstellung von Lothars Gemahlin: als er im J a h r e 8 5 5 König wurde, war er nach germanischem Recht mit Waldrada, einer Adeligen, verheiratet, von der er drei Kinder hatte. Diese Art der frei auflösbaren E h e (der sog. Friedelehe) hatte nach allgemeiner Ansicht geringere Geltung als eine unauflösliche Verbindung. Bald nach seiner Thronbesteigung Schloß Lothar eine zweite, unauflösliche E h e mit dem Edelfräulein Theutberga, das ihm jedoch keine Kinder gebar. So hegte er den Wunsch, zu Waldrada zurückzukehren und seine E h e mit ihr in den Rang einer unlösbaren Bindung erheben zu lassen. Die Erzbischöfe (Gunther) von Köln und (Thietgaud) von Trier und ihre Suffragane unterstützen und rechtfertigten diesen Plan; aber der Papst, energisch unterstützt von Hinkmar, dem machtvollen Erzbischof von Reims, entschied zugunsten der zweiten Ehe. Waldrada wurde zu einer bloßen Konkubine abgewertet, Theutberga dagegen als die allein rechtmäßige Ehefrau Lothars anerkannt. Die Bedeutung dieser päpstlichen Intervention lag darin, daß sie nur eine Art der Eheschließung gelten ließ und so der alten germanischen Sitte ein Ende bereitete, derzufolge jede einmal geschlossene E h e ohne Formalitäten wieder aufgelöst werden konnte. Die römische
Synode
vom Jahre 8 2 6 hatte immerhin die Auflösung einer E h e bei Untreue der Frau erlaubt. Darüberhinaus wurden beide Erzbischöfe von Papst Nikolaus abgesetzt und in den Lateran zitiert (Oktober 8 6 3 ) ;
dieser
Schritt schuf einen äußerst gewichtigen Präzedenzfall und zeigte, wie sehr die päpstliche Autorität gewachsen war. Des weiteren sollten die beiden vakanten Erzbistümer nur mit päpstlicher Zustimmung neu besetzt werden können. Noch zwei Generationen vorher hätte kein Papst es gewagt, zwei der mächtigsten Erzbischöfe Westeuropas abzusetzen. D a ß es nun möglich war, läßt sich wenigstens teilweise aus dem veränderten Zeitgeist erklären. W i e lautstark die beiden Erzbischöfe auch
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protestierten, sie fanden keine Unterstützung. Positiven Widerhall fand dagegen das Vorgehen des Papstes, der sich nach zeitgenössischer Auffassung als Beschützer und Wächter einer unschuldigen und hilflosen Frau erwiesen hatte. Schließlich war diese Heiratsangelegenheit auch insofern von Bedeutung, als ein Papst zum erstenmal zu Gericht saß über einen König, dem ganz unerwartet der Kirchenbann angedroht wurde, ein Schicksal, vor dem der Tod des Papstes ihn dann bewahrte. Aber es war doch ein warnendes Vorzeichen. Nikolaus hielt sich sogar für stark genug, einen der mächtigsten und einflußreichsten Kirchenfürsten herauszufordern: Erzbischof Hinkmar von Reims, der einen seiner Suffraganbischöfe, Rothad von Soissons, u. a. deswegen exkommuniziert hatte, weil er eine erzbischöfliche Maßnahme für seine Diözese abgewiesen hatte. Rothad appellierte an den Papst, und Nikolaus setzte ihn im Jahre 864 wieder ein. Nikolaus konnte über die Wendung, die die Sache genommen hatte, sehr zufrieden sein. Bischöfliche Angelegenheiten waren als sog. „schwerwiegende Fälle" („causae maiores") vom Papsttum immer schon für seine Rechtssprechung beansprucht worden, auch ohne vorausgehende Appellation. Daß dabei erzbischöfliche Rechte Schaden litten, war vom päpstlichen Standpunkt aus nicht im geringsten bedauerlich, denn das Papsttum hatte auf diese Weise mehr Gelegenheit zur Intervention. Offenbar bezog sich Nikolaus in dieser cause célèbre auf die pseudo-isidorischen Dekretalen, die ihm bei der Schwächung erzbischöflicher Gewalt starke Schützenhilfe leisteten. Hinkmar seinerseits erblickte die Ursache für seine Niederlage nicht in der Rechtslage, sondern allein in der überlegenen Autorität und im Ansehen des Papsttums. Zweifellos spielte aber dessen Unterstützung durch die pseudo-isidorischen Dekretalen dabei eine beträchtliche Rolle. Hinkmars Fall ist recht instruktiv, war er doch sonst ein einflußreicher Verfechter päpstlicher Ansprüche. Seine Lage erhellt das Dilemma, in dem sich viele Geistliche jener Zeit befanden. Ganz im Gegensatz zu der Entscheidung der römischen Synode vom Jahre 826, die das Eigenkirchenwesen bestätigt hatte, griff Nikolaus gemeinsam mit fränkischen Schriftstellern dieses System, in dem er einen Verstoß gegen menschliches und göttliches Recht sah, heftigst an. Die der Kirche übertragenen Ländereien hätten, w i e die Kirche selbst, vermöge der Übertragung göttlichen Charakter und seien demzufolge der Verfügung durch Laien entzogen. Ebenso bestimmt wie Nikolaus im Westen an den päpstlichen Primatrechten festhielt, beharrte er auch auf den Rechten des Papsttums im Osten. Die zeitgenössischen Zustände in Konstantinopel erlaubten es ihm, das alte Thema der päpstlichen Petrusnachfolge wieder einmal mit Nachdruck zu verfolgen. Der Patriarch Ignatius hatte sich öffentlich ge-
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w e i g e r t , d e m Kaiser die K o m m u n i o n zu erteilen, w e i l dieser ( w i e der Patriarch b e h a u p t e t e ) Inzest begangen hatte. Übrigens gehörte Ignatius zu den u l t r a k o n s e r v a t i v e n Kreisen bei H o f . Der Zorn des Kaisers führte kurzerhand zur Absetzung des Patriarchen; an seiner Stelle ernannte er Photius, den kaiserlichen Sekretär, Befehlshaber d e r Palastwache und einen der fähigsten Köpfe und der besten Gelehrten seiner Zeit, der nach vollzogener Erhebung innerhalb von fünf aufeinanderfolgenden Tagen durch die verschiedenen geistlichen R ä n g e u n d Stationen hindurch zur W ü r d e des hauptstädtischen Patriarchats hinaufgehievt w u r d e . Diese Erhöhung hatte jedoch w e i t e r e innerbyzantinische Auseinandersetzungen zur Folge. Die A n h ä n g e r des Ignatius setzten Photius ab und exkommunizierten ihn, worauf dieser und seine Gefolgsleute mit gleicher M ü n z e zurückzahlten. Dieser R i ß innerhalb der byzantinischen Kirche k o n n t e k a u m die ernsthaften hintergründigen politischen Spannungen verbergen. In dieser schwierigen Situation lud Kaiser Michael I I I . den Papst ein, Gesandte zu einem Konzil abzuordnen, das er in der Angelegenheit des ikonoklastischen Problems abzuhalten gedachte, jener noch immer ungelösten Streitfrage, die in den letzten hundert Jahren d i a m e t r a l widersprüchliche Rechts- und Lehrbestimmungen hervorgebracht hatte. Gleichzeitig informierte Photius, w i e es Brauch w a r , den Papst von seiner Erhebung. Nikolaus I. e r k a n n t e sofort die Chancen, die sich aus dieser Situation ergaben. Für ihn w a r e n die Absetzung des Ignatius und die Ernennung des Photius Angelegenheiten, die den Papst unmittelbar angingen und allein unter seine J u r i s d i k t i o n fielen. Es w a r e n bischöfliche und daher „gewichtigere Fälle" (sog. „causae m a i o r e s " ) , f ü r die sich die römische Kirche stets als allein zuständig angesehen hatte. Er zitierte die Stellen bei M a t t h ä u s , die sich auf die Primatsrolle des Papstes als des Nachfolgers des hl. Petrus bezogen, und e r w ä h n t e nachdrücklich das Konzil von Sardica, welches das P a p s t t u m als rechtmäßige Instanz f ü r alle „schwerwiegenden Fälle" eingesetzt hatte (s. o. S. 4 und S. 13). Er entsandte auch Legaten nach Konstantinopel, um die Angelegenheit dort untersuchen zu lassen. Diese Reaktion zeigte, w i e stark sich das Papsttum fühlte, nämlich stark genug f ü r einen Kurs, den der Patriarch und, w a s noch wichtiger w a r , die kaiserliche Regierung hinter ihm, nur als Herausforderung durch das P a p s t t u m empfinden konnten. O b w o h l Nikolaus die e n d g ü l t i g e gerichtliche Entscheidung sich selbst vorbehalten hatte, b e k r ä f t i g t e n die Legaten in Konstantinopel nach bloß kurzer Untersuchung die Absetzung des Ignatius, die k u r z vorher auf einem großen Konzil in Konstantinopel feierlich v e r k ü n d e t worden w a r . Nachdem er einen vollständigen Bericht erhalten hatte, enthob Nikolaus auf einer römischen Provinzialsynode die Legaten ihres Amtes,
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erklärte ihre Entscheidung für nichtig, weil sie ihre Kompetenz überschritten hätten, und setzte Ignatius wieder als Patriarchen von Konstantinopel ein, — in den Augen der kaiserlichen Regierung eine bewußte Provokation. Photius wurde vom Papst aufgefordert, nicht länger an der Funktion eines „Patriarchen" festzuhalten, da seine Erhebung und Weihe ungültig gewesen seien; für den Fall der Mißachtung des päpstlichen Urteils wurde ihm die Exkommunikation angedroht. Wie in ähnlichen früheren Konflikten war die wahre Zielscheibe ganz offenbar der Kaiser selbst und erst in zweiter Linie der Patriarch. Tatsächlich forderte der Kaiser, nachdem er von dem päpstlichen Urteilsspruch Kenntnis erhalten hatte, in scharfen Worten seinen sofortigen Widerruf. Mit der für ihn typischen geistigen Überlegenheit entwickelte Nikolaus — nun da er sich seiner Stellung im Westen sicher war — die Argumente für den päpstlichen Primat. Aber in Photius hatte er einen ebenbürtigen Rivalen gefunden. Photius seinerseits verteidigte seine eigene Stellung mit all den wohlbekannten byzantinischen Argumenten, und seine Angriffe auf das Papsttum waren so heftig und leidenschaftlich, daß sich der Papst wiederum zu einer Antwort im gleichen Ton gezwungen sah. In einem Frontalangriff auf den Kaiser selbst betonte Nikolaus in scharfer Form die These vom römischen Primat und focht dabei sogar die Funktion des Kaisers als Kaiser der Römer an. „Du nennst dich Kaiser der Römer und verstehst nicht einmal die Sprache der Römer, das Lateinische, welches du verachtest." Nikolaus ging so weit, dem Kaiser vorzuhalten, die römische Kirche sei seine Mutter, die ihm gnädig Herrschaftsgewalt verliehen habe. Der Wille Gottes werde allein durch das Papsttum vermittelt. Von einer höheren historischen Warte aus gesehen zeigt dieser scharfe, ja hemmungslose Wortwechsel zwischen Konstantinopel und Rom, daß beide Seiten die Hoffnung auf Versöhnung aufgegeben hatten. Sie kam auch in der Tat nicht zustande. Von der kaiserlichen Regierung gestützt, versammelte Photius im Jahre 867 eine Synode in Konstantinopel, die Nikolaus zum Ketzer erklärte (ohne ihm Gelegenheit zu seiner Verteidigung zu geben), ihn exkommunizierte und als Papst absetzte. Was bisher vereinzelte Entfremdungserscheinungen waren, wurde nun der Sache nach zum Schisma zwischen Ost und West. Die Lage verschlimmerte sich durch die bulgarische Mission. Im Jahre 864 hatte der bulgarische König das Christentum angenommen. Kaiser Michael I I I . war zwar sein Pate, aber Photius weigerte sich, dem königlichen Wunsch nach Errichtung eines bulgarischen Patriarchats nachzukommen. Daraufhin wandte sich der König an den Papst; Nikolaus ergriff freudig die Gelegenheit und entsandte römische Missionare.
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Gleichzeitig schickte er ein sehr ausführliches, bis in alle Einzelheiten gehendes Schreiben an die Bulgaren, das buchstäblich kein Thema von Belang unberührt ließ. W e d e r vorher noch nachher hat das Papsttum seine entscheidenden dogmatischen kirchenpolitischen Thesen in einer, technisch gesehen, bloßen Gesandtschaftsinstruktion, so haargenau dargelegt. Photius seinerseits brandmarkte die römische Mission nicht nur als unerwünschte Intervention, sondern als faktischen Eingriff in Gebiete, die von Rechts wegen der Jurisdiktion des Patriarchen von Konstantinopel unterstanden. In den Augen Photius' waren alle diese Unternehmungen lediglich Ausdruck päpstlicher Selbstüberhebung. E r verfluchte einige der wesentlichsten römischen Lehrsätze als ketzerisch und geißelte heftig die Anmaßung des Papsttums, byzantinische
Weihen
nicht gelten zu lassen. Am photianischen Schisma wird erkennbar, daß die Kluft zwischen Ost und W e s t zu weit geworden war, um noch überbrückbar zu sein. Alles, was sich vernünftigerweise erwarten ließ, war ein notgedrungener Waffenstillstand auf Zeit. Der tiefere Sinn dieses Schisma lag darin, daß der lateinische Westen, das Abendland, dem griechischen Osten gegenüberstand. Oder mit anderen W o r t e n , die Spaltung zwischen Ost und West hatte sowohl glaubens- wie kirchenpolitische Ursachen. Diese Teilung hatte auf die Gestaltung Europas während des Mittelalters und noch darüberhinaus weitgehende Auswirkungen. In den Augen des W e stens war Grieche gleichbedeutend mit Ketzer. Das Papsttum erkannte die in dieser Situation enthaltenen Möglichkeiten und nützte sie voll aus. Und in der T a t hatte der Westen in den sechziger Jahren des 9. Jahrhunderts mächtige und wirkungsvolle Fortschritte gemacht, die das Ziel, den Zusammenschluß zu einer in sich geschlossenen Einheit, bedeutend näher brachten. Dies war größtenteils der Bewegung zu verdanken, die als karolingische Renaissance bekannt ist und in ihren Grundzügen ausschließlich lateinisch ausgerichtet war. I m Laufe des 9. Jahrhunderts erreichte das geistige Niveau der fränkischen Gesellschaft eine bemerkenswerte Höhe, und dies auf allen Gebieten: der Dogmatik, der Liturgie, der Frömmigkeitsbezeugung, der Bibelauslegung, der Geschichtsschreibung und der Hagiographie. Zum erstenmal in der Geschichte Europas erschienen auch Bücher, die sich speziell mit den Problemen von Herrschaft im öffentlichen Bereich beschäftigten. Der geistige Aufschwung brachte Leben und neue Kraft in die Literatur. E s entfaltete sich die erste Blüte einer europäischen Kultur eigener Prägung und Färbung. Sie verschmolz verschiedene, oft unvereinbare Überlieferungsstränge, allen voran die germanischen, christlichen, römischen und päpstlichen. Das entscheidende Merkmal dieser Kultur war ihr tief religiöser Grundzug, wodurch sich auch ohne weiteres
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erklärt, weshalb sie gleichzeitig von Rom gelenkt und lateinisch orientiert war. Daß das Papsttum am Aufbau Europas (im abendländischen Sinn) wesentlich mitgewirkt hatte, wurde schon erwähnt, aber der photianische Streit gab ihm neue Entfaltungsmöglichkeiten. Mit Scharfsinn erkannte Nikolaus I. die geistige Bereitschaft des Westens und nützte die Situation, indem er nichts unterließ, um den ohnehin schon klar als eine ideologische Einheit auftretenden Westen in seinem ganzen Umfang für den Kampf gegen die Ansprüche des Ostens zu gewinnen. Die Voraussetzungen dafür waren ausnehmend günstig, zumal Photius die ganze westliche Kirche in übler Weise angegriffen hatte. Nichts konnte wirkungsvoller sein als ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen. In einem Rundbrief an wichtige Bischöfe bat der Papst um deren Stellungnahme im römisch-byzantinischen Konflikt. Er unternahm diesen Schritt, weil er die westliche Reaktion vorhersah — totale Ablehnung des östlichen Standpunkts und Zusammenschluß des Westens zur Unterstützung des Papsttums. Obwohl es um alte Streitpunkte ging, hatten sie inzwischen „weltpolitische" Dimensionen erlangt. W a s zunächst eine rein kirchliche Auseinandersetzung zwischen Rom und Byzanz gewesen war, ergriff nun das damalige Westeuropa und das gesamte Oströmische Reich. Bemerkenswert ist die Bereitwilligkeit, mit der Könige und Geistliche im Westen auf den Rundbrief Nikolaus' I. eingingen und dem Papsttum in seinem Kampf gegen Konstantinopel zur Seite traten. Daraus erklärt sich die unverzügliche Formulierung der westlichen Antwort. Der Westen sprach nun eine einheitliche Sprache und hatte eine gemeinsame Überzeugung. Das W e r k des Papsttums und der fränkischen Herrscher fand seine Erfüllung in der einstimmigen Verurteilung sowohl der Grundlagen als auch der Methoden der oströmischen Herrschaft. Nichts ist für Einigkeit förderlicher als ein gemeinsamer Gegner. W a s die byzantinische Herausforderung und das daraus entstehende akazianische Schisma im 5. Jahrhundert (s. o. S. 25 f., 35) für die Klärung der wichtigsten päpstlichen Grundsätze bewirkte, wurde nun im 9. Jahrhundert durch die photianische Herausforderung und Kirchenspaltung erreicht. Nachträgliche Überbrückungsversuche konnten die Tiefe des Risses nicht verbergen, der sich zwischen Ost und West aufgetan hatte. Kurz, Idee und Begriff Europa ließen sich nur mehr auf jenen Teil des Kontinents anwenden, der auf dem Untergrund der maßgeblichen römischen Voraussetzungen und der lateinischen Kultur aufgebaut war. Europa war eine geistige Wesenheit geworden und nicht mehr nur ein geographischer Begriff. Sein einigendes Band war der christliche Glaube, so wie ihn das Papsttum fixiert hatte. Da das Oströmische Reich diesen vom Nachfolger des Apostelfürsten verkündeten Glauben nicht annahm,
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war es nicht mehr ein Teil Europas und aus diesem Grunde ketzerisch. Europa war mit dem lateinischen Westen, das heißt dem Abendland, gleichbedeutend geworden. Der Osten lag außerhalb Europas. Obwohl der Bruch zwischen Rom und Konstantinopel ganz offensichtlich war, wurden doch Versuche zur Beilegung des Streits unternommen. Bald nach dem Tod Nikolaus' I. ermöglichte ein Wechsel in der byzantinischen Regierung — Michael III. wurde von Basilius I., dem Makedonier, ermordet — die Wiedereinsetzung des Ignatius. In ihrer üblichen hinhaltenden Art schlugen Kaiser und Patriarch die Einberufung eines neuerlichen Konzils nach Konstantinopel vor. Diese mäßig besuchte Kirchenversammlung fand in den Wintermonaten 869—870 statt. Sie war vom Kaiser einberufen worden, aber den Vorsitz führten drei päpstliche Legaten. Erst im 12. Jahrhundert wurde diesem Konzil ökumenischer Rang verliehen; von da an galt es als das 8. Allgemeine Konzil. Seine Erlasse wurde im Osten nie veröffentlicht und erlangten dort auch keine Gültigkeit. Wieder bekannte sich die Versammlung zu einer Unionsformel, die ebenso wirkungslos war wie ähnliche frühere Versuche. Es war auch das letzte Konzil, zu dem das Papsttum (Hadrian II.) Legaten entsandte. Kurz nach seinem Ende warf die Entwicklung der bulgarischen Angelegenheit einen tiefen Schatten über Rom und seine Beziehungen zu Konstantinopel. Am Ende ging Bulgarien dem Westen unwiderruflich verloren. Dieser Rückschlag für das Papsttum war von erneuten und entschlossenen Angriffen der Sarazenen in Süditalien begleitet. Ludwig II. als weströmischer Kaiser und somit als militärischer Verteidiger der „Römer" erwies sich zwar als entscheidende Stütze des Papsttums und der westlichen Christenheit, indem er sich den Eindringlingen entgegenstellte, aber sein früher Tod im Jahre 875 bereitete dem tapferen Widerstand der kaiserlichen Truppen ein Ende. Papst Johannes VIII. selbst befehligte eine Flotte, die das Papsttum aus eigenen Mitteln ausgerüstet hatte; in mehreren Unternehmungen führte er diese Seestreitkräfte erfolgreich gegen die Sarazenen. In steigendem Maße zog das Papsttum jedoch die Aufmerksamkeit des römischen Adels auf sich, vor allem seit die fränkischen Herrscher durch die dauernden Angriffe der Normannen im Norden und die Einfälle der Ungarn im Osten stark unter Druck geraten waren, während zugleich die Araber in Spanien ihre Angriffe in Richtung Norden wieder aufnahmen, überdies starb Karl der Kahle (der Nachfolger Ludwigs II.) nach nur zwei Regierungsjahren als Kaiser, und seine unmittelbaren Nachfolger waren bloße Schattenfiguren, absolut unfähig, ihre Pflichten als Kaiser zu erfüllen. Um die Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert war das Papsttum deshalb in besonderem Maße Angriffen ausgesetzt und leicht verwundbar.
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Tatsächlich schien die italienische Halbinsel nur noch das Beuteziel für alle möglichen Abenteurer und Kriegsleute zu sein, sofern sie nur in der Lage waren, Gefolgsscharen aufzubieten. Beeindruckt von den häufigen päpstlichen Hilferufen an Herrscher nördlich der Alpen eilten auch Männer nach Italien, die allerdings wenig Achtung für das kulturelle Erbe mitbrachten, dessen Verteidigung sie übernehmen sollten. Sich selbst überlassen, wurde das Papsttum in diesen Jahrzehnten mehr und mehr zum Spielball römischer Adelsparteien. Im frühen 10. Jahrhundert zeigte es sich, daß die Institution noch immer auf die aktive wirksame Unterstützung seitens eines weltlichen Herrschers angewiesen war. Um den bei jeder neuen Papstwahl ausbrechenden Aufständen vorzubeugen, griff eine Synode unter dem Vorsitz Johannes' IX. im Jahre 898 auf die erstmals durch Lothar I. im Jahre 824 verfügte Wahlordnung zurück (s.o. S. 84). Die Synode bestand darauf, daß der ordnungsgemäß gewählte Papst nur in Anwesenheit kaiserlicher Gesandter geweiht werden dürfe: sie wollte die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gewährleisten. Unter den obwaltenden Umständen war dieser Erlaß — er wurde bald darauf durch die Synode von Ravenna bestätigt — kaum mehr als eine leere Geste, waren doch die „Gesandten" so machtlos wie ihre „Kaiser", nunmehr die Herzöge von Spoleto, die das Kaisertum zu einem bloßen Schemen werden ließen. In der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts zeichneten sich gewisse Merkmale in der Umgebung des Papsttums ab. Der römische Adel hatte inzwischen an Macht gewonnen. Entscheidend war, daß dieser römische Adel — in krassem Gegensatz zum Adel nördlich der Alpen — sich nicht in erster Linie auf Grundbesitz stützte, sondern überwiegend in römisch-städtischen Verhältnissen verwurzelt war. Er war deshalb in keiner Weise auf Waffendienst eingestellt, sondern beschäftigte sich vornehmlich mit machtpolitischen Intrigen, verzettelte sich in Machenschaften und Ränkespielen. Da seit zwei Jahrhunderten der Papst Herr der Stadt Rom war, ging es dem römischen Adel bei der Kontrolle über das Papsttum letztlich um die Herrschaft über die Stadt, ihre Einkünfte und Finanzen. Zu vermerken wäre auch, daß diese römischen Adeligen, die mehr auf lokale Intrigen als auf männliche Bewährung im Kriegshandwerk bedacht waren, sich nicht durch ritterliche Tapferkeit gegen die Sarazenen oder andere Räuberbanden ausgezeichnet hatten. Es leuchtet ein, daß als Folge dieser widrigen Umstände das päpstliche Ansehen ganz erheblich zu leiden hatte. Der „natürliche" Beschützer des Papsttums, der weströmische Kaiser, war von der Bildfläche verschwunden, und an seine Stelle war noch kein zuverlässiger Nachfolger getreten, der bereit gewesen wäre, die Funktion eines Schutzherrn der Christenheit zu übernehmen.
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übrigens trugen noch weitere Umstände dazu bei, die die Entwicklung des Papsttums in diesem Zeitraum durchaus nicht förderten. Vom Jahre 896 bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts folgten viele Päpste sehr rasch aufeinander, manche von ihnen regierten nur ein paar Tage, andere einige Monate und sehr wenige mehr als 10 Jahre. Schon diese Tatsache allein hätte genügt, die Verfolgung einer einigermaßen konsequenten kirchenpolitischen Linie zu verhindern, und sie tat es natürlich erst recht in Verbindung mit den ungeordneten Zuständen in und außerhalb Roms. Ferner war der päpstliche Beamtenapparat zwar durchaus in der Lage, der normalen Schwierigkeiten Herr zu werden, aber er war noch nicht anpassungsfähig genug, um den wiederholten heftigen Schock zu überwinden, den die häufigen Pontifikatswechsel der Institution und der reibungslosen Abwicklung ihrer Tätigkeiten zufügten. Auch die Persönlichkeiten der Päpste wirkten sich in dieser Periode schädlich auf das Papsttum aus. Offensichtlich trugen die schwankenden außenpolitischen Verhältnisse und die erschreckende Unsicherheit in Rom und Italien dazu bei, Charakter, Widerstandskraft und ganz allgemein die Moral der damaligen Päpste zu schwächen. Es sah aus, als ob ihre Persönlichkeiten den allgemein sichtbaren Verfall widerspiegelten, dessen Ursachen im Wechsel der Dynastien, vor allem dem Aussterben der Karolinger, und in den wilden Angriffen auf den noch immer schwächlichen Kern Europas, Italien und Deutschland, zu erblicken sind. Nicht zu Unrecht wird diese Epoche das „Finstere Zeitalter" (saeculum obscurum) des Papsttums genannt. Äußerlich erkennbar, beinahe symbolisch, begann es mit den schaurigen Szenen nach dem Pontifikat des Formosus. Bis dahin war es Regel gewesen, daß ein Bischof, der (im bildhaften Sinn) als mit seiner Diözese verheiratet galt, nicht Papst werden konnte, weil er sonst ein „bigamus", d.h. zweimal verheiratet wäre. Diese Vorschrift (zum ersten Mal im 15. Kapitel von Nicäa erlassen) wurde zuerst durch Papst Marinus außer Kraft gesetzt (882), der zur Zeit seiner Papsterhebung Bischof gewesen war, ein Umstand, der offensichtlich übersehen wurde. Als Formosus zum Papst gewählt wurde, war er Bischof von Porto. Nach seinem Tod wurde deshalb von seinem Nachfolger Stephan V I . Anklage gegen ihn erhoben. Stephan ließ den toten Papst exhumieren. Die Leiche wurde in vollem päpstlichen Ornat auf einen Thron gesetzt und vor ein Gericht gestellt, das die „Leichen-Komödie" aufführte: der tote Formosus wurde für schuldig befunden, öffentlich entkleidet und in den Tiber geworfen (im Jahre S97). Bald danach drang aber die aufgebrachte römische Volksmenge in den Lateran ein und warf Stephan in den Kerker, wo er einige Tage später von gedungenen Mördern erdrosselt wurde. In rascher Aufeinanderfolge (Stephans unmittelbarer Nach-
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folger, Bonifaz VI., hatte das päpstliche Amt sogar nur drei Wochen inne) regierte nun Romanus weniger als vier Monate und Theodor II. zwanzig Tage lang, obwohl beide eines natürlichen Todes gestorben zu sein scheinen. Im Jahre 903 wurde L e o V . vom Gegenpapst Christophorus gefangengesetzt, der seinereits wieder einige Monate später (im Januar 904) vom ehemaligen römischen Diakon Sergius III. vertrieben wurde; Sergius erhielt weitgehende Unterstützung durch Theophylakt, den päpstlichen Finanzberater und Oberbefehlshaber der römischen Miliz. Nach seiner W a h l zum Papst machte Sergius kurzen Prozeß mit Leo V. und Christophorus und ließ beide im Gefängnis ermorden. Mit Sergius III. gelangte ein echter Vertreter der TheophylaktSippschaft an die Macht. Diese Familie übte von nun an einen maßgeblichen und verhängnisvollen Einfluß auf das Papsttum aus, das jahrzehntelang zum Spielball dieser römischen Adelspartei wurde. Theophylakts Frau Theodora und ihre Töchter Theodora· die Jüngere und Marozia fügten seiner Machtgier noch sexuelle Begierde hinzu. Es gibt keinen unmittelbaren Beweis dafür, daß Sergius selbst mit Marozia ein Verhältnis hatte und daß der spätere Papst Johannes XI. aus dieser Verbindung hervorging, obgleich entsprechende Gerüchte umgingen. W i e Sergius I I I . waren auch die meisten seiner Nachfolger unmittelbar abhängig von dem neuen Adelsregiment, das Rom und das Papsttum nach seinen eigenen Vorstellungen und Plänen kontrollierte. Es trug alle Züge jener Art kleinlicher Diktatur, die lokale Adelscliquen kennzeichnet. Nach Tbeophylakts Tod nahm Marozia mit der für weibliche Tyrannen charakteristischen Zielstrebigkeit und Unbarmherzigkeit die Zügel selbst in die Hand. Als Papst Johannes X., der Nachfolger des Sergius, schwachen Protest gegen dieses Regime erhob, wurden er und sein Bruder eingekerkert und alsbald ermordert. Nach Ablauf der zwei kurzen Pontifikate Leos VI. und Stephans V I I . setzte Marozia die „Wahl" ihres eigenen unehelichen Sohnes, Johannes XI., durch, zu dessen ersten Regierungsmaßnahmen die Entsendung von Legaten nach Konstantinopel gehörte, um den vom Kaiser ernannten Patriarchen, den sechzehnjährigen Theophylaktos (des Kaisers eigenen Sohn), zu weihen, der sich in seiner dreiundzwanzigjährigen Amtstätigkeit als Patriarch mehr durch seine Pferdekenntnis als in der Theologie oder Liturgie hervortat. Die Weiberherrschaft in Rom ging schließlich sogar Marozas ehelichem Sohn Alberich zu weit. Er erhob Einspruch gegen die dritte Ehe seiner Mutter mit Hugo von Provence und wiegelte sogar die römische Volksmenge gegen Hugo auf, der aus Rom vertrieben wurde. Dann ließ Alberich seine Mutter einsperren. Vom Jahre 933 bis zu seinem Tod im Jahre 954 war der wahre
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Herr und Meister der Stadt Rom und des Papsttums dieser junge Alberich, der sich „Herzog und Senator der R ö m e r " nannte. E r nahm alle päpstlichen Ernennungen vor, einschließlich der des päpstlichen Dienstpersonals. Keiner der so ernannten Päpste schien sich der Erfordernisse bewußt zu sein, die das päpstliche Amt an seinen Träger stellte, obschon keiner auf das Niveau Sergius' I I I . hinabsank. E s finden sich vielmehr sogar Anhaltspunkte dafür, daß der von Cluny ausstrahlende Reformgeist auch in Rom ein Echo auslöste und Anhänger fand, unter ihnen Alberich selbst. E r ließ die römischen Senatoren einen Eid darauf schwören, daß sie nach seinem T o d seinen Sohn Oktavian zum Papst wählen würden. Dieser Fall trat im folgenden J a h r , 9 5 5 , mit dem T o d e von Papst Agapet I I . ein. Man konnte den Eindruck gewinnen, daß Alberich sich die Ernennung des oströmischen Kaisersohnes zum Patriarchen von Konstantinopel zum Vorbild genommen hatte. I m Jahre 9 5 5 wurde Oktavian Papst. E r war der erste Papst, der bei Amtsantritt seinen Namen wechselte, und führte damit einen neuen Brauch ein. Es wäre auch für einen Papst kaum passend gewesen, den Namen Oktavian zu tragen. E r wurde Johannes X I I . , und trotz seines lasterhaften Wesens und seiner Jugend solte er ganz ohne eigenes Zutun zu einer der wichtigsten Figuren der Geschichte zwar nicht Europas, so doch des Papsttums werden. E r vereinigte in seiner Person die Aufgaben des weltlichen und des geistlichen Herrschers Roms ( p r i n c e p s und
pontifex).
Angesichts der verworrenen Verhältnisse, die in Rom und Italien in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts herrschten, ist die Frage berechtigt, weshalb Byzanz keine Anstalten traf, seine Macht in Italien oder in Rom wiederherzustellen und eine gewisse Kontrolle über das Papsttum an sich zu ziehen. Die Antwort lag in der äußerst schwierigen innen- und außenpolitischen Lage, in der sich Byzanz befand. Nach innen war die Regierung damit beschäftigt, dem Aufstieg der feudalistischen Adelsherrschaft Einhalt zu gebieten, eine Aufgabe, die alle innenpolitischen Kräfte in Anspruch nahm, während gleichzeitig von außen der Bulgarenkönig Symeon Ostrom ernsthaft bedrohte und ein neues Reich an der Stelle des alten Byzanz errichten wollte. Sein Plan zerschlug sich zwar, aber die Kräfte des Ost-Reiches wurden dennoch bis zum Äußersten angespannt. Sporadische ungarische Einfalle und
Angriffe
konnten zurückgeschlagen werden, aber die größte Gefahr von außen drohte an den Ostgrenzen von Seiten der Araber und machte die Konzentration aller vorhandenen Streitkräfte auf den Mittelmeerinseln und in Syrien und Mesopotamien notwendig. Für den Westen waren keine nennenswerten Truppen verfügbar, aber das berührte kaum die kaiserlichen Endabsichten im Westen. Daß das Papsttum zu dieser Zeit von
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Einmischungen seitens der Reidisregierung verschont blieb, lag nicht zuletzt an der Bereitwilligkeit, mit der sich manche Päpste den Forderungen aus Konstantinopel beugten. Diese Nachgiebigkeit läßt sich aus der außenpolitischen Linie erklären, die die in R o m herrschende Adelsclique verfolgte. Ihr Ziel war es, jede Reibung mit Konstantinopel zu vermeiden. Die Päpste als bloße Handlanger der Stadtregenten spiegelten getreulich die Wünsche ihrer Herren wider. D i e Tatsache, daß das Papsttum diese Epoche — eine der dunkelsten in seiner Geschichte — überhaupt überlebte, verdankt es einmal dem unstreitig historischen Charakter seiner petrinischen Ansprüche, zum andern der unvermindert glühenden Verehrung, die die Völker des Nordens dem petrinischen R o m entgegenbrachten, und schließlich der äußerst wirksamen Unterscheidung zwischen der Person des Papstes und dem päpstlichen Amt. Vielleicht hat kein anderer Grundsatz dem päpstlichen A m t so bedeutende Dienste geleistet wie dieser. Mochten die meisten Päpste dieser Zeit auch von minderem Charakter gewesen und ihrem Beruf untreu geworden sein, das päpstliche Amt und die mit ihm verbundenen Gewalten wurden davon keineswegs in Mitleidenschaft gezogen. Zur Ausübung der Herrschaft war allein das Amt maßgeblich, nicht der Charakter oder die Persönlichkeit des herrschenden Papstes. Gleichgültig, ob sie Heilige, Schufte oder bloße Nullen waren, die von ihnen erlassenen Rechtssätze und Dekrete hingen nicht im mindesten von ihrem Charakter ab. W a s zählte, waren die vom Papsttum verkündeten Normen, nicht, aus wessen Munde sie kamen. Die Päpste führten ihre ausgedehnte Korrespondenz fort, verliehen oder bestätigten
Im-
munitäten und Exemtionen, erließen Anweisungen für Bischofswahlen (vereinzelt wurde auch das königliche Recht der Bischofsernennung bekräftigt), sandten Ermahnungsschreiben an Fürsten, Bittschriften an Könige usw., während nebenbei noch der Entwurf von synodalen Dekreten zu ihren Aufgaben gehörte. Das Personal der päpstlichen Kanzlei (Kanzler, Notare, Schreiber usw.) ist uns durch die erhaltenen Urkunden bekannt. Rein quantitativ gingen die Regierungsmaßnahmen sicherlich zurück, aber der Institutionsapparat funktionierte unabhängig vom Charakter der Päpste. Mit Recht ließe sich sagen, daß das Papsttum als Institution dringend des Schutzes vor den Päpsten bedurft hätte. Wieder war es der Kaiser des Westens, der ihm diesen Schutz gewährte.
VI. DAS DEUTSCHE K A I S E R T U M UND DAS
PAPSTTUM
U m die M i t t e des 10. J a h r h u n d e r t s war das P a p s t t u m auf einem Tiefstand angelangt, der sich scharf abhob von der kraftvollen J u g e n d der neuen Dynastie in den ostfränkischen T e i l e n des ehemaligen Karolingerreichs. Sie bildeten den K e r n des späteren mittelalterlichen Deutschland. D i e Dynastie der Sachsenkönige, von Heinrich I . im J a h r e 9 1 9 begründet, wurde während der Regierungszeit seines Sohnes O t t o des G r o ß e n (936—973)
rasch zu der führenden europäischen Macht —
hier ent-
stand der flächenmäßig, militärisch, wirtschaftlich und in mancher Hinsicht auch kulturell mächtigste Staat Europas. Schwungvolle Entschlossenheit, jugendliche Spannkraft und eine vorausschauende P o l i t i k , gepaart mit kluger Einsicht in die Begrenztheit der eigenen M i t t e l zeichneten ihn aus. D e r Sieg über die Ungarn im J a h r e 9 5 1 drängte das Königtum O t t o s I . förmlich in die R o l l e des Verteidigers des abendländischen W e s t e n s . D e r G r u n d für die Stabilität und den Fortschritt im I n n e r n des Reichs ist im wesentlichen in der festen K o n t r o l l e zu sehen, die der K ö n i g über die Einsetzung der hohen Geistlichen ausübte, vor allem der Bischöfe und Ä b t e , die in ihrer Stellung ausnahmslos auf die eine oder andere W e i s e vom K ö n i g abhingen. Grundlage dieser königlichen Macht war das Eigenkirchenwesen (s. o. S. 9 0 ) , das, nun auf die verfassungsrechtliche und soziale E b e n e übertragen, neue Bedeutung gewann. I m 1 0 . J a h r h u n d e r t w a r praktisch jede Kirche, jedes K l o s t e r und jeder Bischofssitz vom K ö n i g t u m abhängig. D i e Geistlichen gewährleisteten die Durchführung der königlichen P o l i t i k ; o h n e diese hochgebildeten und fähigen M ä n n e r wäre die erfolgreiche Verwaltung und Regierung eines so weiträumigen Reichs schier ein D i n g der Unmöglichkeit gewesen. E r s t der Aufstieg O t t o s I . machte es möglich, d a ß das doppelte Vermächtnis der Karolinger-Dynastie und des P a p s t t u m s voll verwirklicht wurde. D i e W e i t e der von O t t o beherrschten G e b i e t e Heß den Reichsgedanken so, w i e er zur Zeit Karls des G r o ß e n lebendig war, wenn auch nicht in derselben geographischen Ausdehnung, Wiederaufleben;
Karls
W i r k u n g auf die Phantasie die Nachwelt war im L a u f e der Zeit noch gewachsen. Auch die I d e e eines geeinten homogenen Europa mit R o m als B r e n n p u n k t erfuhr durch diese W i e d e r b e l e b u n g des Kaisergedankens einen mächtigen A n s t o ß . Antik-römische und christlich-römische M o t i v e verschmolzen so zu einer E i n h e i t . Bestand zwischen dem latinisierten
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Westen und Byzanz auch keine offene Feindschaft, so gehörte eine latente Furcht vor dem Ostreich doch untrennbar zur westlichen Ideologie und zur römischen Reichsidee. Die Hauptlast des westlichen Widerstands gegen das Ostreich lag nun auf den Schultern des Kaisers, war doch, wie schon gesagt, für zwei Herrscher mit universalem Herrschaftsanspruch auf der W e l t kein Platz. In diesem Zusammenhang gewinnt die Tatsache, daß byzantinische Truppen in den fünfziger Jahren des 10. Jahrhunderts militärische Operationen in Süditalien eröffneten, eine gewisse Bedeutung. Die Lage in Italien und Rom war reif geworden für eine Intervention von außen. Am 22. November 950 ließ sich Graf Berengar von Ivrea zum König von Italien ausrufen und krönen. In Adelheid, der W i t w e seines schwachen Vorgängers, sah Berengar eine Gefahr für seine ohnehin wankende Stellung, und er ließ sie gefangen setzen. Sie konnte entkommen und bat den mächtigen Sachsenkönig Otto um Hilfe. Im September 951 zog Otto nach Italien und eröffnete damit die lange, fünf Jahrhunderte durchziehende Reihe von Italienzügen deutscher Könige. Er machte sich zum König der Langobarden und nahm Adelheid zur Frau. Höchst bedeutungsvoll ist, daß er gleichzeitig eine Bittschrift an Papst Agapet II. sandte, in der er um die Kaiserkrone bat. Auf Betreiben des römischen Senators Alberich wurde dieses Gesuch abgelehnt. Weniger als zehn Jahre später ergab sich für Otto die ersehnte Gelegenheit zum Einschreiten. Berengar hatte seine Angriffe wieder aufgenommen, Rom war bedroht. Papst Johannes XII. wandte sich an Otto mit der Bitte um Hilfe — ein Schritt, der für das Schicksal des Papsttums, Italiens, Deutschlands und Europas gewaltige Folgen nach sich zog. Das Ereignis ruft die Erinnerung an ein ähnliches päpstliches Gesuch wach, das gerade zwei Jahrhunderte zurücklag (s. o. S. 67 f.). Ottos rasches Eingehen auf dieses Ansinnen zeigt, wie stark der Einfluß des karolingisch-päpstlichen Vermächtnisses in ihm wirkte. Als mächtigster Herrscher Europas empfand er, daß sein Königtum seiner wahren Machtposition, die nach zeitgenössischen Maßstäben inzwischen universalen Charakter erlangt hatte, nicht mehr entsprach. Seiner Meinung nach wurde nur die Kaiserwürde seiner tatsächlichen Macht voll gerecht: aus den Vorgängen des 9. Jahrhunderts war bereits eine realpolitische und geistige Tradition geworden. Von besonderem Interesse für Otto — ebenso wie für das Papsttum und den Kirchenstaat — war aber in diesem Zusammenhang der bedrohliche Vormarsch byzantinischer Streitkräfte in Süditalien, wo die Oströmer ihre Stellungen nicht nur befestigt hatten, sondern auch mit den Herzögen von Benevent und Capua zu einer Verständigung gelangt waren. Diese Situation unmittelbar vor den Toren des Kirchenstaates und die bedrohliche Nähe der
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feindlichen Truppen, die kaum 90 Kilometer von Rom entfernt am Garigliano standen, mußten den Papst und den deutschen König gleichermaßen beunruhigen, waren doch beider Interessen im Süden Italiens deutlich gefährdet. Die Übereinstimmung der päpstlichen Ziele und der deutsch-königlichen Interessen führte am 2. Februar 962 in der Person Ottos I. zur Wiedergeburt des westlich-römisdien Kaisertums. Dieselbe Problemverschlingung lag vor, nur diesmal in viel ausgeprägterer Form, wie zu der Zeit von Ottos großem Vorbild, Karl dem Großen. Nach dem Willen von Papst Johannes XII. sollte Otto der militärische Schutzherr der römischen Kirche werden, deren Interessen er in Zukunft zu vertreten hatte. Nur so ist das Ausspielen der letzten päpstlichen Trumpfkarte zu verstehen: in Anerkennung seiner Dienste sollte Otto Kaiser werden. Letztlicher Zweck dieser Strategie war es, den westlichen Kaiser für die päpstliche „Weltpolitik" einzuspannen. Denn in erster Linie wurde dieses Kaisertum dem Regime in Konstantinopel entgegengestellt. Päpstliche Verlautbarungen sollten ungehindert auch im „Kaiserreich" des Ostens ihre Gültigkeit besitzen. Dazu kam es jedoch erst im Jahre 1204. Zwar ging die Initiative in dieser Angelegenheit eindeutig vom Papsttum aus, aber Ottos eigene Planungen und Bestrebungen übten doch einen gewissen Einfluß auf die päpstliche Politik aus. W i e dem auch sei, selbst einem Papst von so minderwertigem Charakter wie Johannes XII. gelang es, dem mächtigen Sachsenfürsten die Unentbehrlichkeit des Papstes für die Kaisererhebung klar vor Augen zu führen. Johannes ließ eine Prunkabschrift der Konstantinischen Schenkung anfertigen, die er dem frischgekrönten Kaiser überreichte. Ob der Empfänger die Bedeutung dieses Geschenks auch voll zu würdigen verstand, läßt sich nicht mehr entscheiden. Zumindest ließ es keinen Zweifel an den päpstlichen Absichten, denn die Urkunde übersetzte die päpstliche Ideologie und Thematik in eine unmißverständliche und kühle Rechtssprache. Elf Tage nach seiner Krönung bestätigte Otto die Karolingische Schenkung und die päpstlichen Besitzungen in einem feierlichen Vertrag mit Johannes X I I . Am folgenden Tag, dem 14. Februar 962, machte er Anstalten, in seiner neuen Funktion als amtlich bestallter Schutzherr der römischen Kirche die feindlichen Truppen zu unterwerfen. Die Art, wie er diese Aufgabe löste, kam für das Papsttum recht unerwartet: er ließ die Bewohner der eroberten Gebiete einen Treueid auf seine eigene Person, nicht auf den Papst, schwören — eine zweifellos etwas ungewöhnliche Weise, die römische Kirche zu schützen. Der Papst geriet außer sich. Er rief seine ursprünglichen Feinde, einschließlich Berengar, zu seiner Hilfe. Sogar mit Byzanz nahm er Verbindung auf. In Rom zettelte er einen Aufstand gegen die kaiserlichen Beamten an. Wie die
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Dinge lagen, sah Otto sich im Herbst 963 zur Rückkehr nach Rom gezwungen, wo er eine Synode einberief, auf der er selbst den Vorsitz führte. Der vor die Versammlung zitierte Papst weigerte sich, zu erscheinen. Daraufhin setzte die Synode ihn ab, wobei sie den Grundsatz von der rechtlichen Unantastbarkeit des Papstes außer Acht ließ, und ernannte Leo V I I I . zu seinem Nachfolger, einen Laien, der innerhalb eines einzigen Tages durch alle Weihegrade gehetzt wurde. Im päpstlichen Bemühen um Unterstützung durch Feinde des Kaisers konnte Otto nur Verrat sehen. Um eine Wiederholung solcher päpstlicher Intrigen von vornherein auszuschließen, erweiterte Otto den mit Johannes X I I . eineinhalb Jahre zuvor geschlossenen Vertrag ohne päpstliches Wissen, indem er die Klausel einschob, jeder neu gewählte Papst solle einen Eid vor dem kaiserlichen Gesandten ablegen. In diesem Eid, den der Papst vor seiner Weihe schwören sollte, mußte er versprechen, allen seinen Verpflichtungen gegenüber dem Kaiser nachzukommen. Eben auf Grund ihrer Unbestimmtheit besaß diese Klausel streng verbindlichen Charakter, und der Vertrag (das sog. Ottonianum) wurde fast ein Jahrhundert lang die verfassungsrechtliche Grundlage für die häufigen kaiserlichen Interventionen bei der Erhebung von Päpsten. In der Praxis ermöglichte die von Otto vorgenommene Erweiterung den Deutschen einfach die Ernennung eines neuen Papstes, wann immer die Situation dies erforderlich machte. Das kaiserliche Eingreifen war eine konkrete Notwendigkeit, sollte die römische Kirche in Zukunft besser geeignete Hirten bekommen, als sie in der jüngsten Vergangenheit besessen hatte. Otto I. machte persönlich die Erfahrung, wie notwendig sein Einschreiten war. Er hatte Rom kaum verlassen, als (der abgesetzte) Johannes X I I . zurückkehrte, Leo V I I I . mit Hilfe der römischen Bevölkerung vertrieb und im Februar 964 den Vorsitz einer Synode übernahm. Der Spruch dieser Versammlung war das genaue Gegenteil dessen, was in der Synode drei Monate vorher beschlossen worden war. Leo V I I I . wurde abgesetzt und verbannt, und Johannes nahm furchtbare Rache an seinen Gegnern. Er selbst wurde bald darauf bei einem seiner nächtlichen Abenteuer im Hause eines römischen Bürgers ermordet. Sein Nachfolger wurde Benedikt V., der jedoch nicht die Zustimmung des Kaisers fand. Nach seiner Rückkunft nach Rom im Juni 964 schickte Otto Benedikt in die Verbannung und setzte Leo V I I I . wieder ein. Zwei Jahre später machten die Schwierigkeiten, in die der ebenfalls von Otto ernannte Johannes X I I I . geriet, ein erneutes Einschreiten des Kaisers nötig; an Weihnachten 967 ließ er seinen Sohn Otto II. zum Mitkaiser krönen. Infolge der häufigen Abwesenheit Ottos II. von Rom wurden die Päpste in viele ernsthafte Schwierigkeiten verwickelt. Rom und das
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Papsttum wurden etwa vierzig Jahre lang von der Adelspartei der Crescentier beherrscht. Da die ständige Anwesenheit des Kaisers oder hinreichend starker kaiserlicher Truppen in Rom offenbar unmöglich war, mußte das Papsttum in seiner Arbeit als Herrschaftsorgan sozusagen etwas „zurückschalten". Der ohnehin häufige Wechsel und die kurze Dauer der Pontifikate, ferner die Ermordung (ζ. B. Benedikts VI., Bonifaz' V I I . und Johannes' X I V . ) und Absetzung von Päpsten waren nicht geeignet, sich günstig auf eine Ausdehnung der päpstlichen Herrschaft auszuwirken, obschon die Institution als solche dabei auffällig wenig Schaden nahm (s. audi u. S. 113 ff.). Die Schreckensherrschaft der Crescentier ermutigte schließlich Papst Johannes XV., Sohn eines römischen Priesters, den neuen Anwärter auf die Kaiserkrone um Hilfe anzurufen. Otto I I I . war für volljährig erklärt worden und kam gerade rechtzeitig nach Rom, um einen Nachfolger für Johannes zu ernennen (im Jahre 996). Seine W a h l fiel auf seinen vierundzwanzigjährigen Vetter Brun, ein Mitglied der königlichen Hofkapelle, den ersten Deutschen auf dem Papstthron. Er regierte unter dem Namen Gregor V. und krönte Otto zum Kaiser. Nach Ottos Abreise wiegelte jedoch Crescentius die römische Bevölkerung wieder auf, vertrieb Gregor V. und ernannte den Erzbischof von Piacenza, Johannes XVI., als Gegenpapst. Nach seiner Rückkehr setzte Otto Gregor wieder in seine Rechte ein, ließ Johannes blenden und einkerkern, während Crescentius enthauptet wurde. Zweifellos hatte Otto trotz seiner Jugend (im Jahre 996 war er erst sechzehn Jahre alt) mit Gregor eine glänzende Wahl getroffen und nach dessen Tod gelang ihm ein nicht weniger glänzender Griff mit der Wahl seines ehemaligen Erziehers und Lehrers, des Erzbischofs von Ravenna, der als Papst Silvester II. regierte. Dem mächtigen Einfluß dieses Mannes ist es zu verdanken, daß die römische Reichsidee den jungen Kaiser anfeuerte, der seine gesamte Politik auf ihr aufbaute. Rom sollte die Hauptstadt der Welt sein, nicht Konstantinopel, und er, der Kaiser, sollte die alleinige universale Herrschaft ausüben. Die unterschiedslose Übernahme der byzantinischen Symbole, Zeremonien, Ämter und Titel diente dazu, dieses letzte Ziel des Kaisers sichtbar zu verdeutlichen. Im Rahmen seiner universalen Herrschaftspläne erhielt Rom die Rolle der Hauptstadt und das Papsttum die Funktion einer Mutter aller Kirchen, während der Papst die Stellung des höchsten Metropoliten einnahm, aber — hier lag der Kernpunkt seiner Aspirationen — ungeachtet dieses hohen Ranges, der Würde und Autorität, die er der römischen Kirche und dem Papst einräumte, hingen diese Ehren und Funktionen als Zugeständnisse gänzlich vom Willen des Kaisers ab. Insofern war er wirklich nicht mehr als ein Abbild seines byzantinischen Kollegen. Durch die Wiederherstellung des Kirchenstaates erwies sich Otto auch
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als großzügiger Wohltäter des Papsttums. In einer — bis heute erhaltenen — feierlichen Urkunde erklärte er alle vorangegangenen Schenkungen und Verleihungen als null und nichtig, wobei er vor allem jene Besitzurkunde, auf der die Kirche Roms ihre Ansprüche auf die Gebiete des späteren Kirchenstaates aufbaute, als reine Phantasie entlarvte. Zum erstenmal während des Mittelalters wurde die Konstantinische Schenkung als das bezeichnet, was sie war — eine Fälschung. Otto überantwortete dem Papsttum nun aber aus eigener kaiserlicher Machtvollkommenheit die Ländereien, aus denen sich der Kirchenstaat zusammensetzte. Nach seiner Auffassung handelte es sich bei diesen Gebieten um kaiserlichen Besitz, den er durch Vermittlung des Papsttums dem hl. Petrus übertrug. Da hiernach einige Jahre vergingen, bis wieder ein deutscher König nach Rom kam, geriet die Stadt erneut in die Parteikämpfe römischer Adelsgeschlechter, bei denen sich diesmal die Tuskulaner durchsetzten, die ein ähnliches Regiment wie vor ihnen die Crescfentier errichteten. Jedenfalls wurden die ohnehin kurzen Pontifikate allzu oft durch Gegenpäpste gestört, die nicht besser als ihre „rechtmäßig" ernannten Kollegen waren. Die Rivalität zweier Päpste (Benedikts V I I I . und Gregors) führte schließlich den tief religiösen König Heinrich II. nach Rom, und mit seinem Kommen wurden die ersten praktischen Anzeichen der so dringend nötigen Reform von Papsttum und Stadtregierung am Horizont sichtbar. Heinrich II. (von Eugen I I I . im Jahre 1146 heiliggesprochen) war ein eifriger Verfechter der von den Mönchen des Klosters Cluny ausgehenden und inzwischen weithin anerkannten Reformbewegung. Ihr wesentlichster Programmpunkt war die Erneuerung der christlichen Gemeinschaft. Heinrichs Kirchenpolitik in Deutschland baute ganz auf den cluniazensischen Idealen auf. Mit fester Hand vergab er persönlich die höheren geistlichen Ämter, übte strenge Disziplinaraufsicht und stellte so sicher, daß vakante Stellen nur an fähige und weitsichtige Männer gelangten. Auch auf die römische Kirche wollte er dieses System anwenden. So bot sich der deutsche König in seiner Eigenschaft als Kaiserkandidat für die Vermittlung der Reformidee nach Rom und für die Erneuerung des Papsttums wie von selbst an. Eines der ersten deutlichen Anzeichen in dieser Richtung wurde kurz nach Heinrichs Kaiserkrönung durch Benedikt V I I I . im Jahre 1014 sichtbar. Heinrich hatte beim Papst durchgesetzt, daß dieser für ein ordnungsgemäßes Verhalten der päpstlichen Beamten in Rom und im Kirchenstaat Sorge tragen sollte, damit die Institution des Papsttums und die Geistlichkeit eine entsprechende allgemeine Wertschätzung genössen. Vor allem in der weitverbreiteten Entfremdung von Kirchengut, in dem lasterhaften und unmoralischen Lebenswandel der niederen
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Geistlichkeit, in der Tatsache, daß Priester im Ehestand oder im Konkubinat lebten, und in der Praxis der Simonie (d. h. der Ämterkäuflichkeit) offenbarte sich eine Moral, die den üblen Ruf der Geistlichkeit und der päpstlichen Beamten begründete. Denn wie sollte eine Erneuerung der christlichen Gesellschaft möglich sein, wenn die geistlichen Würdenträger soldi schwerwiegende und unübersehbare Verstöße gegen Recht und Sitte begingen? Das große Konzil von Pavia vom Jahre 1022, bei dem Kaiser und Papst gemeinsam den Vorsitz führten, erließ eine Reihe von Dekreten, die auf eben diese Erneuerung der Gesellschaft im allgemeinen und des Klerus im besonderen abzielten. Nichts kennzeichnet die Schwäche des Papsttums in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts besser als eine völlige Hilflosigkeit während der Regierungszeit des ersten Salierkönigs in Deutschland. Konrad II. bekundete nur ein äußerst geringes Interesse am Schicksal des Papsttums, war zur Folge hatte, daß die Tuskulaner-Partei in Rom erneut den Ton angab. Das führte wieder zur Erhebung eines achtzehnjährigen Jünglings zum Papst (Benedikt IX.), dessen anstößiges Benehmen sogar die Römer zum Einschreiten veranlaßte. Im Jahre 1044 wurde auf Grund eines weiteren Aufstandes der Bischof von Sabina als Papst Silvester III. erhoben, aber es gelang ihm nicht, sich gegen Benedikt durchzusetzen. Von den Römern angegriffen, verzichtete dann aber Benedikt gegen eine Entschädigung von tausend Pfund Silber zugunsten seines Patensohnes Johannes Gratian, der als Gregor VI. der dritte Papst innerhalb eines einzigen Jahres wurde. Es war in der Tat ein Skandalstück, das hier aufgeführt wurde und kundtat, wie tief die „Mutter aller Kirchen" und „der Nachfolger Petri" gesunken waren. Umso bemerkenswerter ist es, daß die Institution selbst sogar bei diesem Tiefstand der päpstlichen Moral keinen Schaden an ihrem Ansehen und ihrer Autorität litt, jedenfalls nicht in den Augen desjenigen, von dem allein wirksame Hilfe zu erwarten war — des deutschen Königs. Nicht nur die Institution als solche hatte durch das Betragen und den Charakter der Päpste keinerlei Schaden genommen, auch die Idee des Kaisertums war nicht ins Wanken geraten, nämlich die Uberzeugung, daß die Krönung und Erhebung eines Kaisers gültig nur durch den Papst in Rom, von welch minderem Charakter er selbst auch sein mochte, vorgenommen werden konnte. Trotz der, selbst nach zeitgenössischen Kriterien, charakterlichen Verkommenheit der einzelnen Päpste, die während jener hundertfünfzig Jahre als „Nachfolger des hl. Petrus" regierten, kamen der Institution selbst doch eine Reihe äußerer Umstände zugute. So funktionierte z. B. der Verwaltungsapparat, die Beamtenschaft, wie man sie nennen könnte, reibungslos obgleich ihre Produktivität stark zurückging. Aber immer noch strömte eine verhältnismäßig große Anzahl von Briefen aus der
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päpstlichen Kanzlei, nach wie vor wurden Ratschläge, Ermahnungen und Befehle in allen möglichen Angelegenheiten und an alle möglichen Menschen in den verschiedensten Stellungen erteilt. Könige und andere weltliche Herren gründeten Bistümer und Abteien erst, nachdem die Billigung des Papsttums eingeholt worden war. Kirchen, Klöster und andere kirchliche Einrichtungen in ganz Europa wurden mit feierlichen päpstlichen Privilegien ausgestattet; bereits gewährte Immunitäten und ähnliche Rechtstitel wurden in Urkunden bestätigt, die nichts von der Eleganz, dem Wohlklang und der Erhabenheit von Sprache und Inhalt einbüßten, durch die sich die Papsturkunden immer ausgezeichnet hatten. Kurz, das Amt funktionierte wie bisher ungeachtet des minderen Charakters der einzelnen Amtsinhaber. Für die Außenwelt — und dies verdient betont zu werden — war nur die Institution an sich von Bedeutung, nicht die Persönlichkeiten der einzelnen Päpste, die bei den Zeitgenossen äußerst geringes Interesse hervorriefen. So erhielt der alte päpstliche Gründsatz (vgl. o. S. 16 ff.) der Unterscheidung zwischen dem Amt und seinem Träger in diesen anderthalb Jahrhunderten eine höchst eindrucksvolle Rechtfertigung. Aus dem erhaltenen Quellenmaterial geht hervor, daß die Zahl der Pilgerschaften nach Rom kaum zurückging. Den Pilgern ging es um den Besuch der Gräber der Apostel Petrus und Paulus. Daneben war die Verehrung der übrigen Reliquien Roms ein weiterer Anreiz, der viele Wallfahrer in die „ewige Stadt" zog. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang ein weiterer, höchst bedeutsamer Umstand. In fünfundsechzig Jahren krönten die Päpste in der St. Peters-Basilika nicht weniger als fünf deutsche Könige zu Kaisern der Römer. Die erste Krönung war die Ottos I. im Jahre 962, die letzte die Konrads II. im Jahre 1027, die durch die Anwesenheit und Mitwirkung zweier Könige, Knuts von England und Rudolfs von Burgund, in ihrer gesamteuropäischen Bedeutung unterstrichen wurde. Es bedarf keiner außergewöhnlichen historischen Vorstellungskraft, sich ein Bild davon zu machen, wie eindrucksvoll diese Krönungszeremonien waren und wieviele Menschen bei solchen Gelegenheiten in Rom anwesend waren und den Festlichkeiten beiwohnten — darunter auch der verantwortliche Teil der damaligen Gesellschaft. Entsprechend gewichtig ist vor allem auch die Idee, die im Kaiserkrönungszeremoniell in unzweideutiger Sprache und Symbolik zum Ausdruck kam. Selbst der stumpfsinnigste Zeitgenosse konnte den Sinn einer Kaiserkrönung und die Idee, die sich dahinter verbarg, nicht mißverstehen. Gebete, Gesten, symbolische Handlungen und Herrschaftszeichen verdeutlichen alle dasselbe, nämlich daß die Krönung durch den Papst für die Erhebung eines Königs zum römischen Kaiser unabdingbar sei. Ohne aktive päpstliche
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Mitwirkung gab es im Westen keinen Kaiser — hier lag der grundsätzliche Unterschied zu den Verhältnissen im Ostreich (s. auch o. S. 19 ff.). Aber, und das ist der Kernpunkt des Problems, nicht der Papst als Person, nicht Johannes, Silvester oder Benedikt waren von Bedeutung, sondern das Amt, das sie als konstituierende Krönungsorgane auswies. Die Institution des Papsttums, nicht der einzelne Papst, stand bei diesen denkwürdigen und geschichtlich bedeutsamen Krönungen im Vordergrund und hinterließ einen tiefen, unauslöschlichen Eindruck bei den Zeitgenossen. Die „moralische Verkommenheit", das „anstößige Verhalten" einiger Päpste fand in diesem Zusammenhang geringe, wenn überhaupt Beachtung. Allein auf das objektiv verstandene Amt, die päpstliche Institution, kam es an, nicht auf die subjektiv bewertete Persönlichkeit des Papstes. Daß die tiefstehende Moral der Päpste in diesen Jahrzehnten der Institution nicht schadete, ist nur vor dem Hintergrund des mittelalterlichen Weltbildes und der zeitgenössischen Anschauungsweise zu verstehen, deren Beurteilungsmaßstäbe überwiegend objektiv ausgerichtet waren. Auch an anderer Stelle wird deutlich, daß die Achtung vor der Institution unerschütterlich war. Seit Karl dem Großen waren missionarische Unternehmungen erfolgreich durchgeführt worden. Dabei ist bemerkenswert, daß, mit Ausnahme von England im späten 6. Jahrhundert, das Papsttum im Frühmittelalter keine Mission von sich aus in Gang setzte. Die Bekehrung der Heiden lag fast ausschließlich in der Hand von Königen, und die fränkischen und späteren deutschen Herrscher konnten sich hier hohe Verdienste erwerben. Waren aber die Missionen erst einmal zu einem vorläufigen Ziel gelangt, so wurde die kirchliche Organisation der bekehrten Gebiete oder Länder und damit die Einschaltung des Papsttums notwendig. Eine ganze Reihe missionarischer Unternehmungen hatte ihre Wurzel im 9. Jahrhundert. Ζ. B. wurden Missionare von Salzburg nach Mähren gesandt. Böhmen fand Anschluß an die Gemeinschaft der Christen, obgleich die Mission hier erst im Jahre 973 vollendet wurde, als das neugegründete Bistum Prag durch Benedikt VI. in den Mainzer Sprengel eingegliedert wurde. Die Bekehrung von Dänemark und Schweden wurde von Ludwig I. begonnen, mit dem neubegründeten Erzbistum Hamburg als Zentrum der nordischen Mission, ein Projekt, das den besonderen Beifall Gregors IV. fand (später wurde der Metropolitansitz allerdings nach Bremen verlegt, das die erzbischöfliche Kirche für Skandinavien wurde). Auch Island und Grönland wurden Gegenstand von Bekehrungsbemühungen und gerieten so in das Wirkungsfeld des Papsttums. Erhöhte Bedeutung erlangte die slawische Mission, die ihren Anfang im 10. Jahrhundert nahm und dem ersten Sachsenkaiser besonders am
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Herzen lag. Otto I. wirkte mit bei der Gründung des Erzbistums Magdeburg als dem Stützpunkt seiner Missionsbemühungen und erhielt schließlich am 20. April 967 die ausdrückliche Unterstützung von Papst Johannes X I I I . Magdeburg war nun Sitz eines Metropoliten und spielte auch in der polnischen Mission eine große Rolle. Otto I I I . gründete das Bistum Gnesen, eine Maßnahme, die unverzüglich die Billigung Silvesters II. fand, der auch Brun von Querfurt dazu ermunterte, die Leitung dieser Mission zu übernehmen, nachdem er zum Erzbischof von Magdeburg geweiht worden war. Auch Ungarn wurde im Laufe des 10. Jahrhunderts zum christlichen Glauben bekehrt. Der ungarische Herrscher Stephan hatte Heinrichs II. Schwester geheiratet und wurde im Jahre 1001 in Gran zum König von Ungarn gesalbt und gekrönt: ob er gleichzeitig in ein Gefolgschaftsverhältnis zum Papst trat, und ob Silvester ihm tatsächlich eine Krone schickte (wie vom Papsttum im 11. Jahrhundert behauptet), bleibt zweifelhaft. Der Erzbischof von Gran wurde der Metropolit Ungarns, dem zehn Bischöfe unterstanden. Sowohl Ungarn wie Polen wurden vom Papsttum als vorgeschobene Außenposten des lateinischen Europa gegen den schismatischen, nichteuropäischen, griechischen Osten angesehen. Kurz, trotz des charakterlichen Tiefstands der Päpste während dieses Zeitraums hatten Autorität, Ansehen und Stellung des Papsttums nicht Schaden gelitten, wie seine kirchenpolitischen und organisatorischen Unternehmungen im Norden, Westen und Nordosten Europas zeigen. Alle diese Länder fielen theoretisch unter die Jurisdiktion des Papsttums, mochte seine tatsächliche Gewalt auch begrenzt sein. Vor dieser Kulisse ist die spätere Entwicklung zu sehen, die das Papsttum zum wirksamen Mittelpunkt Europas machte. In diesem Zusammenhang fiel noch ein anderer Umstand ins Gewicht, nämlich die Exemtion von Klöstern von der vorgeschriebenen Kontrolle durch die Diözesanbischöfe (Erlaß des Konzils von Nicäa, Kapitel 4). Obwohl dieses Dekret nie aufgehoben wurde, begann das Papsttum seit dem 7. Jahrhundert, verschiedenen Klöstern auf ihre Bitte hin Privilegien zu gewähren, die auf ihre Exemtion von der Gerichtsbarkeit des örtlichen Bischofs hinausliefen. Eines der ersten, das ein derartiges Privileg erhielt, war das Kloster des hl. Kolumban im italienischen Bobbio (im Jahre 628). Mit dieser Verleihung klösterlicher Exemtionen demonstrierte das Papsttum in handgreiflicher und anschaulicher Weise den päpstlichen Primat, wobei sich sein Wirkungsbereich allerdings verständlicherweise auf den Westen Europas beschränkte: zu keiner Zeit wurde ein Papst von einem Kloster des Ostens um die Verleihung der Exemtion gebeten — ein überzeugendes Beispiel dafür, in wie unterschiedlichem Maße sich die päpstliche Macht im Osten und im
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Westen durchsetzte. Im Westen wurde diese Gewährung von Klosterexemtionen — die das ausschließliche Recht des Papsttums war — eine wesentliche Quelle für die Macht des Papsttums selbst, vor allem seit dieses Privileg an Cluny und die zahlreichen ihm nachgebildeten Klöster verliehen worden war. Es bedarf keines besonderen historischen Verständnisses, sich darüber klar zu werden, wie eng die Bande waren, die das Papsttum auf diese Weise mit Klöstern in ganz Europa knüpfte, und wie feinmaschig das Netz, das die klösterlichen Enklaven in den einzelnen Diözesen mit dem Papsttum verband. Auf diese Weise wurde ein unmittelbarer Kontakt zu begüterten und einflußreichen, von Rom aus überwachten Niederlassungen hergestellt, und die bischöfliche Gewalt erfuhr eine ganz beträchtliche Schwächung — dies umsomehr, als seit dem 12. Jahrhundert ganze Orden von der bischöflichen Jurisdiktion eximiert wurden. Eine ähnliche Entwicklung, die gewissermaßen königliche Maßnahmen ergänzte, ist im 11. Jahrhundert zu beobachten: manche Klöster, die bereits unter königlicher Schirmherrschaft standen, erhielten darüber hinaus noch den Sonderschutz des Papsttums und gelangten so — wie es hieß — „in das Eigentum des hl. Petrus"; sie erfreuten sich eines erhöhten Schutzes vor Ausbeutung und Übergriffen seitens der Herzöge, Grundbesitzer und adeliger Herren: das Kloster genoß die sog. „libertas Romana". Für das Papsttum bedeuteten diese Verleihungen eine Quelle zusätzlichen Einkommens, denn die betreffenden Klöster mußten einen jährlichen „census" zahlen. Nur wenige^ mittelalterliche Herrscher waren von einem so tiefen religiösen Ernst erfüllt oder fühlten stärker die Bürde des christlichen Herrscneramtes als der zweite König aus dem Geschlecht der Salier, Heinrich III. Für einen Mann seiner Anschauungen mußte das Schauspiel, das die drei gleichzeitig regierenden Päpste in der Mitte der vierziger Jahre boten, schier unerträglich sein. Schließlich war das Wohl und Wehe der römischen Kirche auch seine Angelegenheit und er ihr als christlicher König in besonderer Weise verpflichtet, obgleich diese Verpflichtung sich rein äußerlich nicht von seinen Pflichten gegenüber bischöflichen oder erzbischöflichen Kirchen und Abteien in seinem eigenen, nun stark erweiterten, Herrschaftsbereich unterschied. Als eifriger Förderer der cluniazensischen Reformbewegung hatte er bei der Auswahl seiner Reichsbischöfe und -äbte äußerste Sorgfalt walten lassen. Wenige mittelalterliche Herrscher wandten den Eignungsgrundsatz so gewissenhaft an wie Heinrich III. Der Erfolg gab seinen Auswahlkriterien recht. In der deutschen Kirche konnte man in den höheren Klerikerrängen Männer finden, die, von ausschließlich subjektiv-moralicher Warte aus, manchen der in Rom regierenden Päpste weit überlegen waren.
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Mit starkem militärischen Geleit rückte der König nach Italien vor, wo er am 20. Dezember 1046 auf der Synode von Sutri Hof hielt. Diese Synode setzte Silvester I I I . ab und verbannte Gregor VI. Begleitet vom römischen Diakon Hildebrand ließ Gregor sich in Köln nieder. Drei Tage später, am 23. Dezember 1046, führte Heinrich I I I . wiederum den Vorsitz über eine Synode, die die Absetzung Benedikts IX. verfügte, sodaß nun der Weg für einen neuen Papst frei war. In seiner Eigenschaft als Patricius der Römer designierte Heinrich Bischof Suidger von Bamberg für das höchste Kirchenamt. Somit gelangte wieder ein deutscher Geistlicher auf den päpstlichen Stuhl. Am Weihnachtstag 1046 krönte Clemens II. seinerseits Heinrich zum Kaiser der Römer. Ganz in Einklang mit dem Ottonianum und in Erneuerung seiner Rolle als patricius Romanorum sollte der Kaiser noch drei weitere Päpste einsetzen, bevor sein frühzeitiger Tod im Jahre 1056 sein Kaiser- und· Königreich in finsterste Zeiten stürzte. Die von ihm ernannten Päpste waren alle geistig so hochstehend und moralisch so einwandfrei, daß sie den Anforderungen des Amts voll entsprachen. Die Tatsache, daß sie Deutsche waren, bewies nur, wie sorgfältig Heinrich bei seinen Ernennungen in Deutschland vorgegangen war. Das Verbot der Erhebung von Bischöfen zur Papstwürde kam außer Gebrauch und wurde schließlich, im Jahre 1059, ganz aufgehoben (s. u. S. 126). So widersinnig es auch klingen mag, gerade diese neuen Männer waren es, die eine neue Zeit heraufführten, die just jene auf Gewohnheit beruhende Übung, durch die sie selbst das höchste Kirchenamt erlangt hatten, heftigst bekämpfte. In der Tat hatte nunmehr das Papsttum als Institution die dem Amt entsprechenden und bestens geeigneten Träger erhalten. Eben diesen Männern wurde die augenfällige Kluft voll bewußt, die zwischen der Institution des Papsttums und den Persönlichkeiten ihrer Vorgänger bestand. Sie sahen nur zu gut, daß die Päpste praktisch von Laienfürsten (oder vom römischen Adel) eingesetzt worden waren. Tatsächlich waren von den fünfundzwanzig Päpsten, die zwischen den Jahren 955 und 1057 regierten, zwölf unmittelbar vom Kaiser, die restlichen vom römischen Adel ernannt worden, während fünf Päpste überdies von einem Kaiser abgesetzt oder davongejagt worden waren, über den Grundsatz, daß der Papst nicht gerichtet werden dürfe, setzte man sich angesichts des Charakters der meisten dieser Päpste nur umso leichter hinweg. Der dringendsten Reform bedurfte das Verfahren der Papsterhebung. Eine Änderung hier konnte aber nicht lediglich in einer Anpassung oder Zwischenlösung bestehen, vielmehr mußte damit ein ganzes System mitsamt seinen Wurzeln beseitigt werden. Denn das bisher geübte System war bloßes Symptom einer mit dem Wesen des Papsttums unvereinbaren Weltanschauung. Dieses System der Einmi-
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sdiung in und der Entscheidung von kirchlichen Angelegenheiten durch Laien hatte seine Wurzeln im Eigenkirchenwesen. Zwei Voraussetzungen machten es möglich, daß die päpstlicherseits angestrebten Reformen in erstaunlich kurzer Zeit in die Praxis umgesetzt werden konnten: einmal die Tatsache, daß der Verwaltungsapparat mit seinen verschiedenen Ämtern und Abteilungen von dem moralischen Tiefstand der Päpste kaum in Mitleidenschaft gezogen worden war und deshalb nach wie vor klaglos funktionierte. Er konnte leicht ausgebaut werden. Um eine erhöhte Leistungsfähigkeit zu erzielen, bedurfte es aber einer intensiven Leitung und gesteuerter Kontrolle des Apparats. Vor allem die päpstliche Kanzlei, das Nervenzentrum der Institution, hatte keinerlei Schaden genommen. Die zweite Voraussetzung betraf die Tatsache, daß es ein reichlich ausgestattetes Lehrsystem gab, das einer Reform als Grundlage dienen konnte. Es lag in ausgereifter Form vor, denn das herrschaftliche Programm des Papsttums hatte seit der Mitte des 5. Jahrhunderts einen hohen Entwicklungsgrad erreicht. Mit anderen Worten, es gab ein Programm, und auch einen Apparat, der zu seiner Durchführung taugte. Die folgenden Jahrzehnte zeigten, mit welcher Entschlossenheit sich das Papsttum bemühte, dieses Programm auf universaler Ebene zur Anwendung zu bringen. Während der Herrschafts- und Verwaltungsapparat am Sitz des Papstes, im Lateranpalast, wirkte, kamen die Männer, die das Reformprogramm handhabten und es zu einer treibenden Kraft im Bereich der zeitgenössischen Gesellschaft machten, von jenseits der Alpen. In dieser Hinsicht repräsentierten sie den Gedanken einer einheitlichen europäischen Gesellschaft innerhalb der Mauern der römischen Kirche. Diese Entwicklung, in deren Lauf das Papsttum zum übernationalen Repräsentanten einer europäischen Gesellschaft wurde, begann mit dem Pontifikat Leos IX., der im Alter von 47 Jahren als Verwandter Heinrichs III. von diesem eingesetzt worden war. Ganz entscheidendes Gewicht gewann dabei die Tatsache, daß Leo — Bischof von Toul — die Annahme seiner Ernennung davon abhängig machte, daß bestimmte kanonische Bedingungen erfüllt würden; seine Ernennung sollte durch eine Wahlhandlung der Geistlichkeit und des Volkes von Rom ratifiziert werden. Heinrich III. nahm die Bedeutung dieser Bedingung nicht wahr. Leo IX. kann wohl als ein klassischer Vertreter der cluniazensischen Bewegung angesehen werden, die, wie schon erwähnt, auf die sittliche Erneuerung der gesamten Gesellschaft und insbesondere der Geistlichkeit abzielte. Als die anstößigsten Mißstände empfanden die Anhänger von Cluny die Simonie, also die Käuflichkeit kirchlicher Ämter, und die Priesterehe. Aber von Anbeginn seiner Amtszeit an war Leo sich noch einer weiteren Notwendigkeit bewußt, nämlich des Aufbaus einer viel strafferen, wirksameren
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päpstlichen Zentralregierung als dies bisher je versucht worden war. Mit Scharfblick und Klarsicht erfaßte Leo die Möglichkeiten, die in dem schon funktionierenden Herrschafts- und Verwaltungsapparat beschlossen lagen. Dringend nötig war nach seiner Auffassung, daß frisches Blut in die Verwaltung der römischen Kirche kam und die wichtigsten Stellen neu besetzt wurden. Zu diesem Zweck berief er einige der fähigsten Köpfe von nördlich der Alpen nach Rom, und zwar in erster Linie aus Kreisen, zu denen er als Bischof von Toul engen Kontakt gehabt hatte. Aus dem Kloster Remiremont in seiner ehemaligen Diözese berief er Hugo Candidus. Aus dem lothringischen Kloster Moyenmoutier ließ er Humbert kommen, aus dem Domkapitel von Lüttich Friedrich, den Bruder Herzog Gottfrieds von Lothringen. Schließlich erreichte auch Hildebrand, der im Kloster Cluny Zuflucht gefunden hatte, die Aufforderung Leos, ihn nach Rom zu begleiten. Sie alle, und mit ihnen eine Reihe von weniger bedeutenden Männern, folgten dem Ruf mit Freuden und prägten dem Papsttum alsbald ihren Stempel auf. Sie begannen, auf die Lösung der anfallenden Probleme ihre eigenen Thesen und die von ihnen vertretenen Lehren anzuwenden und erreichten so innerhalb eines knappen Jahrzehnts eine Erneuerung des Papsttums als Herrschaftsinstitution. Diese hervorragenden Männer wurden mit verantwortungsvollen Posten betraut und erhielten somit reichlich Gelegenheit, ihre bis dahin ungenutzten Fähigkeiten und Kräfte zu entfalten. Eine Reihe von ihnen wurde in den Kardinalsrang erhoben. Vor allem die Kanzlei wurde eine der leistungsfähigsten Abteilungen der päpstlichen Verwaltung. Humbert zeichnete sich außerdem durch seine literarischen Werke aus, die alle um dieselbe Frage kreisten, wie nämlich die rechte Ordnung in einer christlichen Welt herzustellen sei. Durch die Art, wie er diese brennende Frage behandelte, war seine Leistung in der Tat hervorragend. Seine Werke verraten den Geist des Meisters, der mit allen Verästelungen dieses Themas eng vertraut ist. Uberlegen beherrschte ei die offizielle politische Programmatik des Papsttums ebenso wie das Schrifttum des Altertums und des frühen Mittelalters. Auch auf dem Gebiet des Rechts war er ein Kenner. Daß er in der geradezu unerschöpflichen Quelle päpstlichen Rechts — dem Pseudo-Isidor — eine Fälschung vor sich hatte, konnte er nicht wissen. Die Bedeutung seiner Schriften, insbesondere seines langen Traktats gegen die Simonie, lag jedoch darin, daß sich mit ihnen eine neue Art der Literatur herausbildete, nämlich eine polemische Publizistik, die nicht nur von höchster Gelehrsamkeit zeugte, sondern sich auch als Mittel der Einflußnahme auf die öffentliche Meinungsbildung eignete. Humberts umfangreicher Traktat war eines der ersten Werke, das sich in seinem Engagement für
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das päpstliche Programm strikt an seine Aufgabe hielt, ohne dadurch etwas an Gründlichkeit und Gelehrsamkeit preiszugeben. Mit scharf geschliffenen Waffen und mit Nachdruck forderte Humbert die Abschaffung des Eigenkirchenwesens, da es den einer christlichen Gemeinschaft
gemäßen Grundsätzen diamentral
entgegengesetzt
sei.
Nach seiner Vorstellung sollte in dieser Gemeinschaft kein kirchliches A m t durch einen weltlichen Herrn verliehen werden, sei es selbst der König oder Kaiser. Seine offene Verurteilung von Simonie und Priesterehe und die Argumente, die er dafür ins Feld führte, wiesen den W e g für eine Erneuerung der Gesellschaft und für die nachfolgende Gesetzgebung. Aber all diese Fragen standen zurück hinter der einen, die das praktische Lebenswerk und die Schriften Humberts wie aller übrigen neuen Mitglieder der römischen Kurie beherrschte: die konsequente, unerschütterliche und unermüdlich wiederholte Betonung der zentralen päpstlichen Forderung — des Primats. Die neuen Männer erkannten die Möglichkeiten, die dieser alte, schon in die Jahre gekommene päpstliche Grundsatz in sich barg und wie nützlich und heilsam sich seine Anwendung auf die zeitgenössische Gesellschaft für die Christenheit auswirken müsse. Ihnen erschien die Ausübung dieses Primatialgrundsatzes als die einzige und sicherste Gewähr für die erfolgreiche Erneuerung der Gesellschaft im allgemeinen und der Geistlichkeit im besonderen. Es war ihnen auch klar, wieviel ungenutztes und doch fertiges Material sich im Schoß der römischen Kirche angesammelt hatte. Diese kraftvollen und energiegeladenen Männer, die sich mit keiner Halbheit zufrieden gaben, gingen mit einer Begeisterung, einer Kühnheit und einem Eifer ans W e r k , die selbst in der langen Geschichte des Papsttums kaum ihresgleichen
finden.
Beginnend mit dem Pontifikat Leos I X . zog das Papsttum großen Nutzen aus dem Schwung und der Zielstrebigkeit dieser weitblickenden Gruppe von Männern, deren Ziel es war, das theoretische päpstliche Gedankengut
in
die geschichtliche Wirklichkeit
umzusetzen.
Hilde-
brands große Begabung auf dem Gebiet der Verwaltung wurde sogleich erkannt; neben seinem Amt als Vorstand des Benediktinerklosters St. Paul extra muros erhielt er auch die Verwaltung der päpstlichen Finanzen übertragen. Als Mitglied des inneren päpstlichen Rats und auf Grund der entschiedenen und kraftvollen Art, mit der er seine Anschauungen durchzusetzen verstand, übte er seit seiner Rückkehr nach Rom einen entscheidenden Einfluß auf das Geschick des Papsttums aus. Auch als Legat wurde er des öfteren verwendet. Durch das neue Gesandtschaftswesen, das damals am Beginn seines glanzvollen Aufstiegs stand, blieb der Papst in unmittelbarer Verbindung mit entfernten kirchlichen und weltlichen Autoritäten, vor allem in Fragen heiklerer Natur. Dekretalen
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und Legaten wurden zum Hauptwerkzeug der päpstlichen Politik. Die Missionen, die Hildebrand und eine Reihe anderer hervorragender Männer der römischen Kirche, wie etwa Petrus Damiani, unternahmen, zeigten sogleich den großen Vorteil dieser unmittelbaren Kontakte, bei denen Themen zur Sprache kommen konnten, die andernfalls im langwierigen schriftlichen Verkehr leicht an Gewicht und Klarheit verloren, zumal wenn man bedenkt, wie unzureichend und gefahrbringend die Verbindungswege noch waren. Der Legat wurde zum persönlichen Vertreter des Papstes, d. h. er verkörperte in sich selbst den päpstlichen Primat. Aber durch seine häufigen Reisen nach Frankreich und Deutschland, ganz zu schweigen von solchen innerhalb Italiens, setzte Leo auch persönlich den Primatialgrundsatz in die Praxis um. Häufig hielt er Versammlungen mit dem Diözesan- und Provinzialklerus ab, berief bei solchen Gelegenheiten auch wiederholt Synoden ein und stellte so die erstrebenswerte persönliche Verbindung nach unten her. Hauptanliegen dieser Versammlungen war der Kampf gegen Simonie und Priesterehe. Um beides auszumerzen, erließen die Synoden zahlreiche Dekrete und erhielten dabei die volle Unterstützung Heinrichs I I I . Solche Synoden wurden z. B. in Pavia, Reims, Mainz, Vercelli, Mantua, Salerno und natürlich auch in Rom abgehalten. Aber wichtiger noch als die Vielzahl der Synoden war die Wirkung, die das persönliche Erscheinen des Papstes als des lebendigen Nachfolgers Petri auf die teilnehmende Geistlichkeit und die beobachtenden Laien hatte. Die Primatstellung des Papsttums konnte gleichsam mit eigenen Augen miterlebt werden. So erklärte das Konzil von Reims (im Jahre 1049), das unter dem Vorsitz Leos tagte, daß der Papst allein der universale Primas (ind der „apostolicus" sei, eine höchst bedeutungsvolle Aussage, vergleicht man sie mit der Anschauung, die in Byzanz herrschte. Während das tatsächliche und unmittelbare Ergebnis der synodalen Gesetzgebung nicht überschätzt werden sollte, bestand ihre Hauptwirkung darin, daß die Institution des Papsttums rein äußerlich in maßgeblichen kirchlichen Zentren Europas festen Fuß zu fassen vermochte. Das Papsttum begann, in der Ferne nicht nur Beachtung und Ansehen zu finden, sondern auch in Fleisch und Blut in Erscheinung zu treten und entsprechend seine Machtansprüche zu unterbauen und zu verfestigen. Die klare Einsicht in die Pflichten, die die Übernahme des päpstlichen Amts mit sich brachte, erklärt auch die Maßnahmen, die das Papsttum während Leos IX. Pontifikat gegen die anhaltende Bedrohung durch die Normannen ergriff, die seit dem Jahr 1016 in Süditalien siedelten und Kirchen und Klöster plünderten und zerstörten. Leos Ruf nach einem Befreiungskrieg im Zeichen des hl. Petrus — der höchstwahrscheinlich
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von Hildebrand stammte — fand lebhaftes Echo. Im Jahre 1052 machte der Papst einen Besuch beim Kaiser, der ihm das Herzogtum Benevent überließ. Nach seiner Rückkehr nach Rom stellte Leo ein Heer auf, dessen Führung er selbst übernahm, dem aber von den Normannen eine schwere Niederlage zugefügt wurde. Im Juni 1053 setzten sie den Papst gefangen und ließen ihn erst neun Monate später wieder frei. Die süditalienischen Vorgänge und dazu der lautstark verkündete Primatsanspruch verwickelten das Papsttum erneut in eine Auseinandersetzung mit Konstantinopel, dessen Kirche unter der Leitung des Patriarchen Kerullarios (1043—1058) stand. Für das Papsttum war der Verlust Süditaliens an den Patriarchat von Konstantinopel im 8. Jahrhundert (s. o. S. 64 f.) immer ein wunder Punkt und ein schwerer Verlust gewesen. Aber eine aktive päpstliche Politik in Süditalien erweckte den Argwohn des Patriarchen von Konstantinopel, dessen Ansprüche augenscheinlich unersättlich waren. Kerullarios ließ die lateinischen Kirchen in Konstantinopel schließen und die wenigen lateinischen Klöster dort beschlagnahmen. Kampflustig erklärten er und seine Anhänger, der westliche Brauch, ungesäuertes Brot zu verabreichen, sei unkanonisch und durch nichts gerechtfertigt: die Hostie sei, so wurde behauptet, ungeweiht. In Rundschreiben, Pamphleten und Briefen entfachten Kerullarios und seine Helfer den Konflikt mit dem Papsttum und dem Abendland. Ihre Argumente waren alle alt und schon oftmals benutzt, neu war lediglich die äußerst beleidigende Sprache, in der sie formuliert wurden. Humbert, der die amtlichen päpstlichen Schreiben entwarf, nahm die Herausforderung an. In seinen kämpferischen und leidenschaftlichen Briefen an den Osten stellte er den Primatsanspruch des Papsttums in den Mittelpunkt und untermauerte seine Argumente reichlich mit Zitaten aus der Konstantinischen Schenkung und anderen fragwürdigen Quellen. Die straffe Argumentation und das erdrückende Gewicht der kanonischen Quellen und der Kirchengeschichte — von beiden hatte man in Byzanz recht wenig Kenntnis — erzeugten in Konstantinopel die Wirkung, die vorauszusehen gewesen war: die Gegenangriffe verloren auch ihren letzten Rest von „diplomatischer" Glätte. Für byzantinische Ohren war zweifellos verletzend die meisterliche Art, in der die römische Kanzlei mit einer Fülle von gelehrten, historischen, dogmatischen und rechtlichen Argumenten die Angriffe abwehrte. Ihrem Gehalt nach aber boten weder die westlichen noch die östlichen Äußerungen neue Gesichtspunkte. Wohl um eine unmittelbare Verbindung zu Konstantinopel herzustellen, brach eine dreiköpfige päpstliche Gesandtschaft, deren Mitglieder Humbert als ihr Sprecher, Friedrich von Lothringen (der nachmalige Stephan X.) und Erzbischof Peter von Amalfi waren, im Früh-
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jähr 1054 nach Konstantinopel auf, aber weder der Patriarch noch die Legaten konnten sich über den W e r t oder die Durchführbarkeit eines Waffenstillstandes irgendwelchen Illusionen hingeben. In Konstantinopel wiegelte der Patriarch die Bevölkerung gegen die Lateiner auf, denen er die Zelebrierung der Meßfeier verwehrte. Die Begegnungen der Delegation mit dem Patriarchen und dem Kaiser verliefen kühl und blieben, wie vorauszusehen, ohne Erfolg. Daraufhin legte am 16. Juli 1054 Humbert vor den Augen der gesamten Kirchengemeinde den schon vorbereiteten päpstlichen Exkommunikationserlaß gegen Kerullarios und seine Anhänger ganz unvermittelt und mit dramatischer Geste auf den Hochalter der Hagia Sophia. Byzanz sah in diesem Schritt eine reine Provokation. Der Patriarch exkommunizierte seinerseits die Legaten und mit ihnen alle ihre Anhänger. Die latente Spaltung war zu einem offenen Schisma zwischen Ost- und Westkirche geworden. Die dramatische Inszenierung des Bannspruchs im Jahre 1054 war lediglich der letzte Akt einer sich schon lange hinziehenden Tragödie. Bei all den dogmatischen Unstimmigkeiten verschiedener Schattierungen und Bedeutungsgrade stand immer die Auseinandersetzung um die Primatstellung des Papsttums im Mittelpunkt. Nun, da die Primatstellung zum Angelpunkt päpstlicher Politik geworden war, kam der offene Bruch mit Byzanz nicht ganz überraschend. Die slawischen Fürstentümer (Bulgarien, Serbien und Rußland), die von Byzanz abhingen, folgten dessen Beispiel und unterstützten die byzantinische Politik. Auch hier trat der bislang verborgene Stand der Dinge nunmehr offen zutage. Angesichts der vorangegangenen Entwicklung, die zum offenen Bruch drängte, ist die — häufig gestellte — Frage nach der formalen Gültigkeit der Exkommunikation des Kerullarios unerheblich. Es ist uns nicht bekannt, ob Humbert von der Vakanz des päpstlichen Stuhles Kenntnis hatte — Leo IX. war im April 1054 verstorben, und bis Juli war noch kein Nachfolger ernannt worden — aber das ist auch belanglos, denn rechtlich besehen war er Legat des Apostolischen Stuhles und nicht eines bestimmten Papstes. Seine Amtsgewalt als Legat blieb deshalb vom Tod dieses Papstes unberührt. Die Frage nach der Gültigkeit der Exkommunikation wurde überdies damals auch nicht ernstlich erwogen. In der Geschichte des Papsttums bildeten die zwei auf die Amtszeit Leos IX. folgenden kurzen Pontifikate eine sehr entscheidende Übergangsepoche. Viktor II., vordem kaiserlicher Kanzler, war der letzte deutsche Bischof auf dem Papstthron und, was noch wichtiger ist, der letzte von einem Kaiser eingesetzte Papst; außerdem behielt er sein Bistum (Eichstätt). Auch er hat die Fähigkeiten Hildebrands erkannt und ihn bei einer Reihe von Missionen als Legaten verwendet. Vor allem auf französischen Konzilien, die sich mit Reformmaßnahmen be-
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faßten, tat sich dieser päpstliche Gesandte hervor. Kaum ein anderer Umstand macht den geistigen Wandel in der römischen Kirche deutlicher als die Art und Weise sowie die Eile, mit der der Nachfolger Viktors bestellt wurde. Mit dem T o d Heinrichs I I I . im Oktober 1056 verschwand auch das alte System der kaiserlichen Herrschaft. In dem Abgang Heinrichs lag tiefe Symbolik: der noch junge Kaiser empfahl auf dem Totenbett seinen sechsjährigen Sohn, den späteren Heinrich IV., Papst Viktor II., der freilich dem Kaiser schon am 28. Juli 1057 ins G r a b folgen sollte. Um Machenschaften der römischen Adelsparteien zuvorzukommen, ging die hohe römische Geistlichkeit in aller Eile an die Wahl eines Nachfolgers und erkor vier Tage nach Viktors Tod den Abt von Monte Casino, Friedrich von Lothringen, zum Papst. Die römische Kirche fühlte sich auch stark genug, den deutschen Hof, wo die Kaiserwitwe Agnes die Regentschaft übernommen hatte, vollständig zu ignorieren. Bald nach seiner Wahl entsandte Stephan, der neue Papst, Hildebrand als päpstlichen Sonderbotschafter an den deutschen Hof, um die Stuhlbesteigung des neuen Oberhirten anzuzeigen. Man wollte den Hof ganz offensichtlich vor vollendete Tatsachen stellen. Der kaiserliche Hof, der in den vergangenen einhundert Jahren einen so entscheidenden Einfluß auf das Schicksal des Papsttums ausgeübt hatte, wurde nun lediglich von dem in Kenntnis gesetzt, was bereits geschehen war. Die Regierung machte keinen Versuch, sich auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen ihres inzwischen gewohnheitsrechtlich verankerten Interventionsrechts zu berufen. Diese zwei kurzen Pontifikate bezeugen unmißverständlich das neue Selbstgefühl des Papsttums. Vor allem während Stephans Amtszeit wurden Stärke und Einsatzfähigkeit des römischen Adels wie des deutschen Hofs auf die Probe gestellt. Aus beider Laschheit und Entschlußlosigkeit zogen die Männer der römischen Kirche die notwendigen Folgerungen. Zwar versuchten die Tuskulaner nach Stephans Tod erneut, ihren Kandidaten (Benedikt X.) durchzusetzen, aber die Gruppe, die nunmehr die Leitung des Papsttums übernommen hatte, verweigerte ihnen die Gefolgschaft und wartete, dem Wunsch des sterbenden Papstes entsprechend, auf die Rückkehr Hildebrands von seiner Mission am deutschen Hof. Im Dezember 1058 fand die förmliche Wahl von Stephans Nachfolger statt. Die Entscheidung für den Bischof von Florenz, Nikolaus II., bedeutete einen Einschnitt in der Geschichte des Papsttums. Von hier datiert sein steiler Aufstieg zu der beherrschenden Stellung, von der aus es das Geschick Europas während der nächsten zwei Jahrhunderte entscheidend mitbestimmte. Den Männern in der Umgebung des Papstes war klar geworden, — die jüngsten Ereignisse, die zur Erhebung Benedikts X . geführt hatten, bestätigten diese Erkenntnis — daß eine freie,
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kanonische Papstwahl ohne Intervention seitens des örtlichen Adels oder, was entscheidender war, des deutschen Königs oder Kaisers die unbedingte Voraussetzung dafür war, daß das Papsttum die Rolle spielen konnte, die ihm ihrer Meinung nach und gemäß seinem eigenen gereiften Programm zustand. Der Zeitpunkt für die Einleitung entschiedener Maßnahmen war besonders geeignet, lag doch in Deutschland die Regentschaft in den Händen der schwachen und nachgiebigen Agnes, Witwe Heinrichs III. und Mutter des künftigen Königs. Die Lateransynode vom April 1059 befaßte sich unter dem Vorsitz Nikolaus' II. unverzüglich mit dem zentralen Problem der Papstwahl. Durch Dekret wurde die freie Wahl des Papstes verfügt: als erstes sollten die Kardinalbischöfe allein über den Kandidaten beraten, dann den Kardinalklerus beiziehen; die übrige Geistlichkeit und die Bevölkerung Roms sollten der Wahl zustimmen. In einer wahrscheinlich bewußt vage gehaltenen Bestimmung wurden der künftige König (Heinrich IV.) und seine Nachfolger erwähnt, denen die ihnen gebührende Achtung und Ehre zu erweisen sei, eine Formulierung, die später auf die verschiedenste Weise ausgelegt wurde. Mit diesem Dekret hatte das Papsttum in seinem Drang nach Freiheit einen gewaltigen Schritt nach vorn getan. Das Dekret legt überzeugend dar, wie wohlgerüstet die Männer an der Spitze der römischen Kirche waren, als sie die erste Gelegenheit wahrnahmen, eine geregelte Wahl des Nachfolgers Petri sicherzustellen. Das Dekret baute auf dem Boden der im Jahre 769 erlassenen Bestimmungen auf. Die Bedeutung dieses synodalen Erlasses kann in mehreren Punkten zusammengefaßt werden. Erstens schuf er eine stabile Grundlage für den alten päpstlichen Standpunkt, daß nur geeignete und qualifizierte Männer die Wahl eines bestimmten Amtsträgers vornehmen sollten. Zweitens sollte die Wahl frei von der Intervention durch Organe außerhalb des Wahlkörpers vor sich gehen. Drittens wurde die Nichtwählbarkeit von Bischöfen aufgehoben; dieses Verbot war schon vorher unbeachtet geblieben. Viertens durften die Kardinalbischöfe nun, falls ihre Entscheidungsfreiheit in Rom eingeschränkt war, die Wahl außerhalb Roms vornehmen, und der so gewählte und eingesetzte Papst übernahm unverzüglich sein Amt als Nachfolger Petri. Fünftens kennzeichnete das Dekret den Beginn des Kardinalskollegiums als einer eigens mit der Wahl des Papstes betrauten, zugleich auch beratenden Körperschaft. Nach dem Vorbild des Sprachgebrauchs am byzantinischen Hof hießen die förmlichen Sitzungen des Papstes mit den Kardinälen „Konsistorien" . Wie Petrus Damiani es ausdrückte, wurde das Kardinalskollegium der Senat des Papstes, der ähnliche Funktionen wie der alte römische Senat wahrnahm. Hier zeigte sich wieder einmal, in welchem
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Ausmaß von bereits bestehenden Ämtern Gebrauch gemacht wurde; nichts wäre ja irreführender als die Annahme, erst das Wahldekret habe die Kardinäle zu Würdenträgern der Gesamtkirche erhoben. Das Hervortreten des Kardinalskollegiums als einer besonderen Körperschaft ist vielmehr ein fast klassisches Beispiel dafür, wie in der römischen Kirche eine schon vorhandene Institution allmählich aus dem Schatten hervortrat. Die Kardinäle als besondere Würdenträger gab es in Rom mit Gewißheit seit dem 6. Jahrhundert, und im Lauf der Zeit hatten sie bestimmte auszeichnende Funktionen übernommen. Es gab nunmehr sieben Kardinalbischöfe, nämlich die Bischöfe von Ostia, Albano, Porto, Silva Candida, Palestrina, Sabina und Tusculum, wobei der erstgenannte (wie heute noch) der Rangälteste war. Sie hatten bis zu diesem Zeitpunkt gewisse liturgische Aufgaben in der Laterankirche wahrzunehmen und wurden daher auch „Lateranbischöfe" genannt. Außerdem gab es achtundzwanzig Kardinalpriester, die ursprünglich die Häupter der achtundzwanzig innerhalb der Stadtmauern gelegenen Kirchen waren und bei Gottesdiensten im Lateran nach fester Ordnung ebenfalls Dienst taten. Schließlich gab es noch die Kardinaldiakone. Ursprünglich waren sie die Geistlichen, die seit Hadrian I. die achtzehn sogenannten Diakonatskirchen Roms verwalteten und denen die Sorge um die öffentliche Wohlfahrt anvertraut war, wie etwa die Verteilung von Nahrungsmitteln und Getreide an die Armen, die Versorgung bedürftiger Pilger und ähnliches; auch sie waren nach bestimmten Regeln an den Meßfeiern im Lateran beteiligt. Als vollständige Körperschaft bildeten diese drei Gruppen (Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakone) das Kardinalskollegium, welches seit dem Ende des 11. Jahrhunderts als Institution erscheint und als solche bis in die neueste Zeit wirkte. Ohne die vorausgehende Entwicklung wäre die Herausbildung einer so gut organisierten Körperschaft innerhalb von knapp fünfzig Jahren undenkbar gewesen. Seit dem frühen 12. Jahrhundert wurden einzelne Kardinäle für schwierigere und wichtige Gesandtschaften verwendet; zur selben Zeit wurde ihnen die Leitung einiger besonderer Abteilungen in der Verwaltung der römischen Kirche übertragen, wie etwa der Kanzlei, der Kammer usw. In mancher Beziehung ähnelte das Kardinalskollegium einem Domkapitel, und tatsächlich sprach die Wahlordnung von 1059 von den Kardinalsbischöfen alsvon Quasi-Metropoliten (s. a. u. S. 215 f.). Erst nach 1059 läßt sich mit Recht von einer römischen Kurie sprechen. Mit diesem Begriff war die körperschaftliche Organisation der römischen Kirche gemeint. Gemeinsam mit den Kardinälen bildete der Papst die höchste Herrschaftsinstanz der Christenheit. Schon unter Leo IX. war eine Reihe hervorragender Männer nach Rom berufen wor-
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den (s. o. S. 120), die vom Papst in den Kardinalsrang erhoben wurden, w i e ζ. B. Humbert, Hugo und bald darauf audi Petrus Damiani. Diese außerordentlich begabten Männer drückten ihrerseits von dem Augenblick an, wo sie sich dem päpstlichen Kreis anschlossen, der Institution ihren Stempel auf. Die Leitung des Papsttums lag zu einem großen Teil in ihren Händen, und als Hildebrand Ende 1059 Archidiakon der römischen Kirche wurde, fand die Kurie in ihm nicht nur einen Mann der Reform, der sich eifrig, zuweilen auch ungestüm, darum bemühte, das Papsttum in Übereinstimmung mit der alten Lehr- und Rechtsüberlieferung als zentrale Herrschaftsanstalt zu festigen, sondern darüberhinaus auch einen Mann, der auf Grund seiner zahlreichen Gesandtschaftsreisen mit den Verhältnissen in verschiedenen Teilen Westeuropas bestens vertraut war. Diese Männer hatten eine eiserne Willensstärke, und kraft ihres überlegenen geistigen Rüstzeugs beherrschten sie das Programm, das sie zur Anwendung bringen wollten. Die Maßnahmen, die sie in Bezug auf die Papstwahl getroffen haften, waren nur ein Anfang. Ein anderer Erlaß der Lateransynode vom Jahre 1059 ordnete an, was man einen Laienboykott nennen könnte, nämlich das Verbot für Laien, an Gottesdiensten teilzunehmen, die in den Händen von beweibten Priestern lagen. Den Geistlichen selbst wurde der Bann angedroht, falls sie ihre Konkubinen nicht entließen. Vor allem aber durfte kein Kleriker mehr sein kirchliches Amt aus den Händen eines Laien entgegennehmen, gleichgültig ob gegen Bezahlung oder nicht: dies war eines der ersten Dekrete, das die Investitur mit einem kirchlichen Amt durch Laien feierlich brandmarkte. Daß auch die Simonie verurteilt wurde, versteht sich von selbst. W i e so oft bei gesetzlichen Maßnahmen des Mittelalters war der Erfolg begrenzt, und zwar zum Teil schon deshalb, weil der Verwaltungsapparat zu ihrer Durchführung noch fehlte. Sie zeigten indes, daß die römische Kurie jedenfalls theoretisch gerüstet war; sie spiegelten den mächtigen Einfluß Kardinal Humberts wider. Die staatsmännische Klugheit und Weitsicht der Männer an der Spitze der Kurie zeigt sich wohl am besten in der Art, wie sich das Papsttum den Rücken deckte. Man gab sich an der Kurie keinerlei Illusionen hin über die wahre Natur der weitreichenden Entscheidungen, die gefällt, und der Dekrete, die erlassen worden waren. Zugegeben, Deutschland hatte keinen König, sondern nur eine schwache Regentschaft, und im römischen Adel herrschte zu Beginn des Jahres 1059 eine gewisse Verwirrung; aber diese günstigen Umstände waren vielleicht nur vorübergehender Natur, und es war ratsam, sich militärischer Hilfe zu versichern, wo auch immer man sie erhalten konnte. Daß die Normannen in Süditalien schließlich die Rolle des militärischen Schutzherrn für das Papsttum übernahmen, geht wahrscheinlich auf die Initiative Hilde-
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brands u n d des Abtes Desiderius von Monte Cassino (des späteren Viktor I I I . ) zurück: die päpstliche Politik, wie sie Leo I X . u n d Stephan verfolgt hatten, w u r d e hier geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Den Normannen selbst kam die Annäherung der Kurie unmittelbar nach Beendigung der Lateransynode nicht im mindesten ungelegen, denn auf diese unerwartete Weise konnten sie ihre eigene Position, gestärkt d u r d i die öffentliche päpstliche Sanktion und Legitimation, beträchtlich verbessern. I m Juli u n d August 1059 w u r d e in Melfi (Apulien) nicht nur Frieden mit den Normannen geschlossen, sie wurden gleichzeitig auch Vasallen der römischen Kirche. Es war dies die erste tatsächliche Belehnung seitens des Papsttums. Graf Richard erhielt Capua, während Herzog Robert Guiscard mit Kalabrien, Apulien und Sizilien (das sich noch in H ä n d e n der Sarazenen befand) belehnt wurde. Kein W u n d e r , daß sich der deutsche H o f , wie hilflos und schwach seine Führung auch sein mochte, durch diese päpstlichen Schritte besorgt zeigte, denn die deutschen Könige Konrad I I . und Heinrich I I I . hatten den Normannen erst kurz vorher fast genau dieselben Gebiete als kaiserliche Lehen überlassen. Grundlage des päpstlichen Belehnungsaktes war die Konstantinische Schenkung. Beide Normannenfürsten sagten den Päpsten die jährliche Zahlung von Lehnsgeldern zu, vor allem aber übernahmen sie ihren militärischen Schutz und verbürgten sich f ü r die Freiheit der Papstwahl. Die historische Bedeutung dieses Vertrages zwischen dem Papsttum und den Normannen lag zum einen in den starken Bindungen, die nun zwischen beiden Mächten geknüpft wurden und die die Geschichte des Papsttums bis ins 14. Jahrhundert hinein nachhaltig beeinflussen sollten, zum anderen darin, daß der Papst zum Lehnsherren wurde. Bleibt man bei der strengen päpstlichen Auslegung, so war Lehnsherr eigentlich der hl. Petrus, dessen Stelle der amtierende Papst vertrat. Während der folgenden hundertfünfzig Jahre sollte die päpstliche Kurie zur mächtigsten Feudalmacht Europas werden. Die Papstkrönung Nikolaus' I I . ist ein weiterer, überzeugender Hinweis auf das wachsende Selbstgefühl und Selbstverständnis des Papsttums. Das überlieferte Quellenmaterial läßt den Schluß zu, daß dies die erste päpstliche Krönung überhaupt war. Das Papsttum übernahm damit ein weiteres typisches Element königlicher und kaiserlicher Symbolik. Dennoch bestand ein beträchtlicher Unterschied zwischen den beiden Krönungsarten. W ä h r e n d ein König seine W ü r d e erst durch die Krönung oder, genau genommen, durch die Salbung erhielt, bis zu deren Ausführung er nicht mehr als ein Thronanwärter war, fügte die päpstliche Krönung dem Rang, der W ü r d e und dem Aufgabenbereich des Mannes nichts hinzu, der schon durch seine Wahl zum Papst Nachfolger
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des hl. Petrus geworden war (daher die noch heute bestehende Möglichkeit, einen Laien zum Papst zu machen). Ähnliches wie für die Königskrönung gilt audi für die durch den Papst vorgenommene Kaiserkrönung, denn der König, der zum Kaiser erhoben wurde, empfing diese Würde erst durch die Salbung und Krönung in der St. Peters-Basilika. Die päpstliche Krönung dagegen sollte mit Hilfe sichtbarer, leicht verständlicher und jedermann vertrauter Mittel die monarchische Stellung des Papstes versinnbildlichen. Die Krönung war buchstäblich Symbol für den monarchischen Charakter der päpstlichen Herrschaft. Hingegen bestand zwischen der byzantinischen Kaiserkrönung und der Papstkrönung in Rom eine gewisse Verwandtschaft: in beiden Fällen verlieh nicht erst die Zeremonie dem Amtsinhaber seine neue Würde. In beiden Fällen auch war es der Zweck der Krönung, die Stellung des Herrschers für die Außenwelt zu verdeutlichen. Weder dem byzantinischen Kaiser noch dem Papst wurde seine Würde erst durch die Krönung verliehen, deren Funktion somit rein deklaratorisch und nicht konstitutiv war wie die der Kaiser- und Königskrönungen des Westens. Das Zeremoniell der Papstkrönung wurde später beträchtlich ausgestaltet und nahm auch die symbolische Handlung der Inthronisation in sich auf (zu einigen andern Einzelheiten s.u. S. 217 f.). Vergleicht man die Situation der römischen Kirche in den vierziger Jahren des 11. Jahrhunderts mit der Lage der Dinge etwa zwanzig Jahre später, so läßt sich feststellen, daß, wie günstig auch die Umstände für das Papsttum gewesen sein mochten (vor allem die Vakanz des Kaisertums nach Heinrichs III. Tod), sein erstaunlich schneller Aufstieg nicht allein auf das zufällige Zusammentreffen von günstigen Umständen zurückzuführen ist. Die nächstliegende und überzeugendste Erklärung ist, daß die Institution selbst während der vorhergegangenen düsteren Epoche keinen Schaden genommen hatte. Was nottat, war die Umwandlung des schon funktionierenden Organismus in einen einsatzbereiten Apparat. Vor allem sollte beachtet werden, daß ein fertiges Programm vorlag, das auf ein hohes Alter und vornehmste Herkunft zurückblikken konnte. Auch waren jetzt eben jene Männer vorhanden, die den bestehenden Apparat ganz in den Dienst dieses ideologischen Programms stellten. Die Verbindung beider Faktoren schuf eine sichere Grundlage für den steilen Aufstieg des Papsttums in den folgenden Jahrzehnten. Mit anderen Worten, was in der Entwicklung des Papsttums seit den sechziger Jahren „neu" erscheint, war nicht das Programm, sondern vielmehr das Bemühen, es mit äußerster Konsequenz und mit großem Kraftaufwand auf die zeitgebundenen Gegebenheiten anzuwenden und es in die Wirklichkeit umzusetzen. Ganz offensichtlich waren für ein solches Vorhaben Persönlichkeiten mit entsprechenden Fähigkeiten vonnöten.
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Eine solche Situation ermöglichte einem Mann den Aufstieg, der bereits eine entscheidende Rolle im Geschick des Papsttums gespielt hatte. Hildebrand — Gregor V I I . war die Verkörperung der päpstlichen Ideologie und Programmatik. Er sollte dem ausgehenden 11. Jahrhundert das päpstliche Weltverständnis aufprägen. Das Papsttum stand zunächst unter dem beherrschenden Einfluß Hildebrands und alsbald unter der Führung von Gregor V I I . W a s bisher bloße programmatische Überlegungen waren, erhielt nun feste Gestalt in Zeit und Raum. Unter seiner unerschrockenen Führung wurde das Papsttum durch seine eigene innere Stärke und sein Programm zu einer Institution von europäischen Ausmaßen. Das Papsttum hatte Hildebrand geschaffen, und umgekehrt sollte Gregor V I I . es zum Mittelpunkt der europäischen Institutionen machen. Die im 5. Jahrhundert entstandene Auffassung, die römische Kirche sei die Mutter aller Kirchen, begann sich der Wirklichkeit zu nähern, mochte diese Mutter auch zuweilen eine harte Mutter und der Papst als Monarch ein gestrenger Vater sein.
VII. DAS ZEITALTER GREGORS V I I . Während der Epoche, die dem Pontifikat Gregors VII. unmittelbar vorausging, unter Alexander II., eignete der päpstlichen Politik dieselbe schwungvolle Dynamik, die sie schon seit dem Jahre 1046 gekennzeichnet hatte. Sie offenbarte sich in zweierlei Hinsicht und auf unterschiedlichen Gebieten und hatte lang andauernde Folgen. Es handelte sich erstens um die Ausweitung von teilweise bereits eingeleiteten Maßnahmen, nämlich die Belehnung schwacher oder ungesicherter Herrscher. Das Papsttum zeigte neuerdings beträchtliches Interesse an kriegerischen Unternehmungen, wie sie von Königen und Fürsten nur allzu häufig veranstaltet wurden. Ihnen war eine solche spontane päpstliche Anteilnahme höchst willkommen, mochten sich auch ihre Beweggründe gänzlich von denen des Papsttums unterscheiden. Indem es in der einen oder anderen dieser Verwicklungen offen Partei ergriff, hoffte das Papsttum zweifellos militärische Verbündete zu gewinnen (eine Hoffnung, die durch die kommenden Ereignisse durchaus nicht immer erfüllt werden sollte) und sein Ansehen und seinen Einfluß stärken und ausdehnen zu können. Die päpstliche Billigung eines Feldzugs fand ihren Ausdruck in der Entsendung der Fahne Petri. Sie war das Symbol dafür, daß die jeweilige militärische Operation im Interesse der christlichen Gerechtigkeit erfolgte, worüber sich der Papst das alleinige und letzte Entscheidungsrecht vorbehielt. Alexander I I . hatte mehrfach Gelegenheit, das päpstliche Banner an kämpfende Fürsten zu senden. Der berühmteste Fall ist der Wilhelms (des Eroberers), als er sich zur Einnahme Englands rüstete (im Jahre 1066); andere Beispiele während Alexanders Pontifikat waren Roger von Sizilien (1064), Wilhelm von Aquitanien (1064—65) und Erlembald von Mailand, usw. Diese Beispiele ließen sich leicht vermehren. Ihnen allen erteilte der Papst für ihre Feldzüge den Segen des hl. Petrus: es war eine öffentliche Weihe von Kriegen oder kriegsähnlichen Unternehmungen. Ohne Zweifel trug diese Politik ein revolutionäres und dynamisches Gepräge, insbesondere dann, wenn solche Feldzüge gegen eine, nach zeitgenössischen Maßstäben, völlig rechtmäßige Herrschaft gerichtet waren. Noch in anderer Weise zeigte sich die Dynamik der päpstlichen Politik während Alexanders Pontifikat. Wie schon erwähnt, hatte das Papsttum die Erkenntnis gewonnen, daß eines der schlimmsten Übel der Zeit das Eigenkirchenwesen war, demzufolge Laienherren Geistlichen
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ihr kirchliches A m t verliehen. Auf diesem System beruhte die gesamte öffentliche O r d n u n g ; seine volle Bedeutung erlangte es aber nicht so sehr bei den niederen, sondern bei den bischöflichen, erzbischöflidien u n d Klosterkirchen, eben weil die Loyalität von Bischöfen u n d Äbten wesentliche Voraussetzung f ü r eine stabile königliche Herrschaft war. Entscheidend war, daß das bestehende System den energischen Versuchen des Papsttums, es zu beseitigen, mit äußerstem Mißtrauen begegnete. Solange das päpstliche Programm abstrakt u n d auf die Theorie beschränkt blieb, mochte es f ü r harmlos gehalten werden. Sobald das Papsttum aber begann, schon längst vorgetragene Lehren in die Praxis umzusetzen, w u r d e die in diesem Versuch enthaltene, ernstliche Bedrohung der auf diesem System aufgebauten, herrschenden öffentlichen O r d n u n g offenbar. Das Programm selbst enthielt naturgemäß keine Aussagen über die Mittel zu seiner Durchführung und Anwendung. Sie wurden von den Männern ersonnen, die damals, nämlich seit den sechziger Jahren des 11. Jahrhunderts, die Geschicke des Papsttums lenkten. Man versteht, weshalb der grundbesitzende Adel und die westeuropäischen Könige zusammen mit den Nutznießern dieses Systems, den Bischöfen, Äbten usw. das konservative Rückgrat der zeitgenössischen Gesellschaft bildeten. I m Eigenkirchenwesen besaß der reiche, landbesitzende Teil der Gesellschaft sein wirksamstes ökonomisches und herrschaftliches Machtinstrument. Die Feststellung, daß die „Habenichtse", einschließlich des niederen Klerus, die überwältigende Mehrheit des Volkes bildeten, besagt nichts anderes als daß W o h l s t a n d nur bei einer begünstigten Minderheit zu finden war. Bereits erwähnt w u r d e der Erlaß der Lateransynode vom Jahre 1059, der Laien die Teilnahme an Gottesdiensten verwehrte, die von im Konkubinat lebenden Priestern verrichtet wurden. Mit dieser M a ß n a h m e sollte offensichtlich der traditionellen Art der Rekrutierung von Priesternachwuchs f ü r die Dienste an der christlichen Gemeinschaft energisch entgegengetreten werden. Mit ihrem Angriff auf diese Rekrutierungsmethode trafen aber die Synodalen die Wurzeln der zeitgenössischen Gesellschaft. Sie verbündeten sich mit sozialen G r u p p e n , die weder zum Stand der Priester, noch zu dem des landbesitzenden Laienadels gehörten; der Boykott, zu dem das Papsttum die Laien aufrief, war ein Angriff gegen die W o h l h a b e n d e n und Begüterten, die über kirchliche Ämter und P f r ü n d e n verfügten. W ä h r e n d dieses Dekret (und alle seine späteren Erneuerungen durch verschiedene Konzilien) sich gegen die grundbesitzende Schicht richtete, gab es gleichzeitig eine ähnliche Entwicklung in den Städten. Sie war nicht durch ein Konzil, sondern allein durch das Papsttum in Bewegung gesetzt worden. Die Annäherung der Kurie an die proletarischen Mas-
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sen der italienischen Städte war ein weiterer versteckter Angriff gegen die konservativen, traditionalistischen Kräfte, denn audi in den Städten waren sie es, die an Praktiken festhielten, die das Papsttum mit Stumpf und Stiel verdammte: Simonie, Priesterehe, vor allem aber die Rolle, die diese Oberschicht bei der Vergabe kirchlicher Präbenden, einschließlich der Ernennung von Bischöfen, Erzbischöfen und Metropoliten, spielte. Ein bemerkenswertes Beispiel für dieses Bündnis zwischen dem Papsttum und den unteren und untersten Schichten liefert Mailand in den sechziger Jahren des 11. Jahrhunderts. Denn hier unterstützte das Papsttum mit ganzer Kraft die sogenannten Patarini (italienisch pattar! = Lumpen- oder Altkleiderhändler), die das Rückgrat einer zugleich sozial, wirtschaftlich und politisch orientierten Bewegung bildeten, die gegen die wohlhabenden und einflußreichen Schichten in der Stadt gerichtet war. Diese norditalienische Bewegung, die von selbst und ohne alle päpstliche Hilfe entstanden war, fand nun im Papsttum einen mächtigen Bundesgenossen, wenngleich die Motive, die die beiden verbanden, zweifellos äußerst verschiedener Natur waren. Worauf es aber ankam und was beide teilten, war die Gegnerschaft zum bestehenden überkommenen Aufbau der Gesellschaft. In der Pataria lag der Keim und Ansatz einer Massenbewegung, die sich in erster Linie aus niederen Laienund Klerikergruppen zusammensetzte, gegen die im Adel konzentrierten konservativen Mächte. Indem es diese Massenbewegung in den Dienst ihres Programms stellte, tat das Papsttum einen wahrhaft revolutionären Schritt. Denn die städtischen Ratsherren und die Mitglieder der hohen Geistlichkeit einschließlich der Erzbischöfe entstammten in Mailand, wie überall sonst, jenen Bevölkerungsschichten, die das Papsttum für die Krankheiten, die die Gesellschaft befallen hatten, in erster Linie verantwortlich machte. Als Alexander II. (bevor er Bischof von Lucca wurde, war er einer der mächtigsten Befürworter dieser Bewegung) das päpstliche Banner an den Ritter Erlembald, den Anführer der Patarini, sandte, wurde ein für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlich starkes Band geknüpft. Die Bewegung erhielt den Segen des hl. Petrus. Die militante und ganz weltlich ausgerichtete Bewegung marschierte Seite an Seite mit päpstlichen und kirchlichen Kräften. Die Initiative für diese Allianz stammte von Hildebrand, dem während seiner Gesandtschaftstätigkeit in Mailand klar geworden war, welche Möglichkeiten in dieser Bewegung steckten und wieviel Gewinn beide Seiten aus einer Verbindung ziehen konnten. Das Papsttum erkannte bald, daß ein Bündnis mit diesen Kräften einem Frontalangriff auf das System vorzuziehen war. Die Situation in Mailand erwies sich als entscheidend und typisch für die spätere Entwicklung. Erzbischof Guido hatte zwar unter dem
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Eindruck der Legation Kardinal Petrus Damianis im Jahre 1 0 6 0 einige der päpstlichen Programmpunkte akzeptiert, aber seine Stellung in Mailand wurde trotzdem unhaltbar. Zehn J a h r e später dankte er ab und sandte Ring und Stab an König Heinrich I V . zurück, eine Geste, mit der er anerkannte, daß er seine Stellung Heinrichs Vorgänger, Kaiser Heinrich I I I . , verdankte. Ein Zusammenstoß der sich bekämpfenden Gewalten wurde damit unvermeidlich, denn in der Zwischenzeit hatte sich das päpstliche Bündnis mit den neuen revolutionären Kräften sehr gefestigt. Der deutsche König mußte sich wohl oder übel der Angelegenheit annehmen, war doch Mailand der Schlüssel für die Herrschaft über die Lombardei. Der alte Bischofssitz des hl. Ambrosius wurde der Schauplatz eines grimmigen Streits, bei dem grundsätzliche weltliche wie kirchliche Fragen auf dem Spiel standen. Heinrich I V . , im Einvernehmen mit den konservativen Elementen, ließ alle Annäherungsversuche der Patarini unbeachtet und setzte Gottfried, Abkömmling eines alten mailändischen Adelsgeschlechtes, zum Erzbischof ein; die lombardischen Bischöfe, treue Anhänger des herkömmlichen Systems und Gefolgsleute Heinrichs I V . , erteilten ihm alsbald die Bischofsweihe, nachdem der König ihn vorher investiert hatte. Auf Anregung des Papstes und mit bewaffneter Nachhilfe Erlembalds, der auch die Volksmassen auf seine Seite brachte, wählten die Patarini (am 6. Januar 1072) Atto, ebenfalls einen Geistlichen aus Mailand, der aber bescheidenen Verhältnissen entstammte. Die Stadt wurde von ernsthaften Unruhen erschüttert, und es kam schließlich zur offenen Konfrontation zwischen dem Papsttum und den konservativen Gruppierungen. Alexander I I . erkannte Atto förmlich an und bannte fünf Räte Heinrichs I V . unter dem Vorwand, sie und nicht der König hätten die W e i h e Gottfrieds durch die lombardischen Bischöfe veranlaßt. Hinter dieser Maßnahme stand jedoch Heinrichs Mutter, die ihren jungen Sohn dem Einfluß eben dieser Räte entziehen wollte; deshalb wurden gegen den König selbst keine Schritte erwogen. Dies war die Lage, die Hildebrand vorfand, als der Papst Gregor V I I . wurde. Die eifrige Tätigkeit der Kurie, während Alexanders Pontifikat ganz von Hildebrand beherrscht, zeigte sich auch in der Festigung der päpstlichen Beziehungen zu den Normannen, nachdem einige Schwierigkeiten aus dem W e g e geräumt waren; auch das war Hildebrands Verdienst. Ermutigt durch das Papsttum vertrieb Robert Guiscard (im Jahre 1071) die letzten Reste byzantinischer Besatzungstruppen aus dem südlichen Teil Siziliens, welches nun auch in organisatorischer Hinsicht in den päpstlichen Einflußbereich geriet. Seit dem Jahre 1072 waren auch die Sarazenen aus Sizilien vertrieben, und die Lehnsmänner des Papstes beherrschten nun den gesamten Süden der Halbinsel. Bei dieser Gele-
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genheit erhielt audi Robert die päpstliche Fahne. Die Unterwerfung Süditaliens und Siziliens unter normannisch-päpstliche Herrschaft sollte für das Papsttum und das Westreich, aber auch für Europa insgesamt, entscheidende Bedeutung erlangen. Durch die Eroberung Englands hatte das Papsttum gehofft, auf eine andere normannische Macht Einfluß zu gewinnen, vor allem in der Besetzung der zahlreichen vakanten englischen Bischofssitze; Alexander und seine Nachfolger mußten aber feststellen, daß die anglonormannischen Könige recht widerspenstige „Söhne der römischen Kirche" waren. Kein geringeres Gewicht hatte die Verbindung, die das Papsttum mit Aragon, dann mit Kastilien und Leon, den christlichen Königreichen Spaniens, zu knüpfen begann. Im Jahre 1068 wurde König Sancho Ramirez von Aragon Lehnsmann des Papstes und führte die römische Liturgie ein; seit dem Jahre 1080 zahlte Aragon jährliche Lehnsabgaben an die Kurie. Wieder war Hildebrand der treibende Geist; er war es auch, der dafür sorgte, daß die normannischen und französischen Truppen, die mit der Rückeroberung Spaniens befaßt waren, durch das Papsttum Unterstützung erhielten. Bei dieser Gelegenheit gewährte das Papsttum erstmals allen Teilnehmern an diesem Feldzug den Ablaß — einem Feldzug, der in seiner äußeren Aufmachung wie ein Kreuzzug wirkte, wenn er auch nicht so genannt wurde. Es läßt sich ermessen, wie rasch das Papsttum durch diese expansive Politik christlicher Fürsten und durch die aktive päpstliche Teilnahme daran seit den frühen siebziger Jahren zum Brennpunkt im politischen Geschehen Europas zu werden begann. Es stand nicht nur in unmittelbarem Kontakt zu nahezu allen europäischen Fürsten, sondern hatte auch Beziehungen zu Kräften angeknüpft, die bisher als bedeutungslos gegolten hatten, nämlich die sozial und wirtschaftlich untergeordneten schwachen Schichten, insbesondere in den lombardischen Städten Mailand, Cremona, Piacenza u. a. Kurz, in einem Zeitraum von weniger als fünfundzwanzig Jahren hatte das Papsttum in ganz Europa seine Präsenz fühlbar und seinen Einfluß geltend gemacht. Zu Beginn der siebziger Jahre lebten viele der Männer nicht mehr, die mitgeholfen hatten, Ansehen und Autorität des Papsttums zu heben; an ihre Stelle war eine neue, nicht weniger tüchtige Generation getreten. Nach dem Tode Gottfrieds von Lothringen (i. J . 1069) nahm seine Schwiegertochter Mathilde von Tuszien eine Schlüsselstellung in Italien ein: während der folgenden stürmischen Jahre war sie eine unerschütterliche und zuverlässige Anhängerin des Papsttums. Im Jahre 1072 starb Petrus Damiani, der Kardinalbischof von Ostia; im selben Jahr zog sich der mächtige deutsche Kirchenfürst Anno, Erzbischof von Köln, aus der aktiven Politik zurück, nachdem er jahrelang Deutsch-
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land praktisch regiert hatte; auch verschiedene andere hervorragende u n d bedeutsame M ä n n e r beendeten ihre irdische L a u f b a h n . Im J a h r e 1073 starb A l e x a n d e r I I . ; außer Kardinal H u g o C a n d i d u s u n d dem Kardinal, der f ü r d i e Bibliothek u n d die Kanzlei verantwortlich w a r , überlebte keine der übrigen Führergestalten der Kurie seinen Pontifik a t . Die treibende Kraft hinter der kurialen Politik w a r n u n m e h r Hildebrand, dessen T ä t i g k e i t an der Kurie die Brücke schlug zwischen jener Zeit, die noch drei Päpste als Nachfolger des hl. Petrus erlebt hatte, u n d der neuen Epoche, in der das Papsttum begann, eine entscheidende Rolle in der europäischen Politik zu spielen. U n t e r d e m Druck der Volksmassen und auf völlig regelwidrige W e i s e w u r d e der Archidiakon H i l d e b r a n d einen Tag nach Alexanders Tod Papst Gregor V I I . Er gehört zu jenen historischen Gestalten, die in der Geschichte des Papstt u m s und Europas eine unauslöschliche Spur hinterlassen haben. W i e wenig eindrucksvoll er auch als Mensch gewesen sein mag, als Papst jedenfalls verkörperte er das päpstliche Programm w i e kein anderer vor und nur w e n i g e nach ihm. Er brachte neue Lebenskraft in das Programm der Institution, das im Lauf der J a h r h u n d e r t e entstanden u n d herangereift w a r , und er w a n d t e es ohne Abstriche auf die W i r k lichkeit an. Zweifellos lag eine gewisse dämonische W i l l e n s k r a f t in seiner Natur, aber in einer rauhen erbarmungslosen W e l t hätte dies wenig gezählt, hätte er sich nicht auf ein voll entwickeltes Herrschaftsprogramm und den päpstlichen V e r w a l t u n g s a p p a r a t stützen können. Beide Voraussetzungen lagen in vollem A u s m a ß e vor. W i e d e r h o l t und, w i e sich nachweisen läßt, zu Recht, betonte er, er w e n d e lediglich alte Dekrete, Gesetze und Auffassungen an, seine Sendung sei es, die reine, abstrakte Ideologie in konkrete päpstliche M a ß n a h m e n umzusetzen, um das zeitgenössische Leben im christlichen Sinne zu gestalten. Neu während seines Pontifikats w a r bloß die u n g e s t ü m e Art der A u s f ü h r u n g der alten D e k r e t e und Lehren, nicht aber deren Inhalt. Die konsequente A n w e n d u n g einer bislang rein abstrakt formulierten Ideologie löst bei Zeitgenossen, die sich der vollen W i r k u n g dieser Ideologie plötzlich gegenübergestellt sehen, verständlicherweise schwere Erschütterungen aus. Die alles andere überragende Forderung des gregorianischen Papsttums — und der folgenden Pontifikate — w a r die Lösung der Geistlichkeit aus den Fesseln, die der germanische, gänzlich unrömische A u f b a u der Gesellschaft ihr auferlegt hatte. Sollte diese Befreiung gelingen, so mußte sich die zeitgenössische soziale S t r u k t u r einer tiefgreifenden Veränderung unterziehen. Um dieses Ziel zu erreichen, mußte die königlichmonarchische Herrschaftsgewalt in ihre Schranken verwiesen werden, w a s seinerseits die Frage nach Stellung und Funktion eines christlichen Königs in einer christlichen Gemeinschaft a u f w a r f . Die Angleichung die-
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ser Gemeinschaft an die Gesetze und Maximen des Christentums war notwendig geworden. Deren Auslegung und Formulierung war aber gerade Aufgabe und Funktion des Papsttums. Daher auch die konsequente Betonung des päpstlichen Primats. Päpstliche Gesetze und Urteilssprüche, so wurde behauptet, hätten göttliche Billigung gefunden. Dieses System sollte entweder durch unmittelbare Anweisungen untergeordneter Beamter oder mit Hilfe des Gesandtschaftswesens funktionieren. Es ist klar, daß dies eine straffe hierarchische Ordnung voraussetzte, an deren Spitze der Papst als monarchischer Herrscher stand. Die strikte Anwendung des monarchischen Herrschaftsgrundsatzes wurde als das einzige Mittel angesehen, die Mängel, an denen die zeitgenössische Gesellschaft litt, zu beheben: nämlich Priesterehe und Simonie, Laieninvestitur und auch die rechtsetzende Tätigkeit von Bischöfen, Erzbischöfen und Provinzialsynoden. Alle diese herkömmlichen Erscheinungen im öffentlichen Leben standen der Ausübung päpstlich-monarchischer Herrschaft im Wege. Der Schlachtruf, den man gewählt hatte — Freiheit für die Kirche — war ein Hinweis auf die Voraussetzungen, von denen man ausging, w i e auf die Forderungen und Zielsetzungen des Papsttums. Gregor V I I . war kein Mann großer Bildung, aber er beherrschte die Grundbegriffe der päpstlichen Herrschaftslehre so meisterlich wie wenige, wenn überhaupt einer, seiner Vorgänger. Er hatte sie sich während der langen, ereignisreichen und schwierigen Jahre, die seinem Pontifikat vorausgingen, angeeignet. Unter seinen Programmpunkten ragte vor allem die These hervor von der Kirche als dem organischen, körperschaftlichen Zusammenschluß aller Christen, der Geitlichen wie der Laien, die eine Gemeinschaft ohne irgendwelche Einengungen durch territoriale Grenzen bildeten: es war eine universale Gemeinschaft, deren Charakter ebenso geistlicher wie weltlicher und irdischer Natur war. Aus diesem Wesen der Kirche folgte, daß ihre Leitung ausschließlich in den Händen von Organen liegen durfte, die durch ihr geistliches Amt zur Ausübung der die christliche Gemeinschaft berührenden Führungsaufgaben ausgewiesen waren. Daher die nachdrückliche Forderung nach Freiheit für diese qualifizierten Amtsträger. Auch in dieser Hinsicht war (wie Gregor nie müde wurde zu betonen) ein hierarchischer Aufbau vonnöten, sollte Einigkeit erreicht und Uneinigkeit vermieden werden, sowie die Umsetzung der abstrakten Gerechtigkeit in konkrete Rechtsmaßnahmen. Diese Idee der Gerechtigkeit sollte von nun an in allen Regierungshandlungen des Papsttums wirksam werden. Gerechtigkeit in ihrem christlichen Gewand sollte zum Urgrund des Rechts werden, das die Gesellschaft in Ordnung hielt, und deshalb konnte die Formulierung und Auslegung des Rechts nur qualifizierten Amtsträgern anvertraut werden. Dies war letzten Endes die Funktion des Papsttums,
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und das Appellationsrecht an die römische Kirche als dem Sitz der Gerechtigkeit war so vom päpstlichen Weltbild aus gesehen nicht unbegründet. W a s immer auch das Papsttum verlautbarte, trug (dem Anspruch nach) den Stempel göttlicher Sanktionierung und erforderte folglich bedingungslosen Gehorsam. Ungehorsam ließ einen deutlichen Mangel an Demut — einer höchst bedeutsamen christlichen Tugend — erkennen. Gregor betrachtete sich als die Re-Inkarnation des hl. Petrus wie des hl. Paulus. Diese „apostolische" Verwandtschaft erklärt auch, weshalb er mehr als zwei Monate mit seiner Weihe wartete. Nach seiner W a h l am 22. April 1073 wurde er Ende Mai ordiniert und am 30. Juni, dem Sonntag nach Peter und Paul (29. Juni), geweiht. Nichtsdestoweniger handelte er in der Zwischenzeit schon als Papst, d. h. als wahrer Herrscher genau so wie nach seiner Weihe. Diese Tatsache kann uns als ein besonders klarer Beweis für die verfassungsrechtliche Stellung des Papstes dienen, der vom Augenblick seiner W a h l an als amtierender Herrscher galt, auch wenn er ein Laie oder nur ein Diakon, also noch nicht im Besitz der Priesterweihe war. Falls (was ungewiß ist) Gregor Heinrich IV. seine Wahl meldete, war dies eine reine Anzeige und keine Bitte um königliche Bestätigung. Die ersten Jahre dieses Pontifikats ließen aufgestaute Energie und Willenskraft in aller Intensität zutage treten. Überall herrschte rege Geschäftigkeit. Der Leitgedanke über allem war die Ausweitung der päpstlichen Autorität, und als eines der Mittel dazu diente die Belehnung von Fürsten, wie sie jüngst mit so nachhaltiger Wirkung eingeführt worden war. Die Entsendung päpstlicher Gesandtschaften nach Spanien und die dringende Bitte um Mitwirkung französischer Adeliger bei der Rückeroberung des Landes gingen in die gleiche Richtung. Auch hier erhob das Papsttum, gestützt auf die Konstantinische Schenkung, den Anspruch auf den Besitz Spaniens, das Papst Silvester übereignet worden sei. Der nämliche Anspruch richtete sich auf Sardinien und Korsika. Wurden neue Eroberungen gemacht, so mußte das eroberte Land einen jährlichen Zins an Rom zahlen. In Frankreich erhob das Papsttum ähnliche Ansprüche auf jährliche Zahlungen, vor allem in Form einer Haussteuer. Es war vorauszusehen, daß diese Forderungen nicht günstig aufgenommen werden würden, zumal Philipp I. ohnehin kein Befürworter kurialer Ansprüche war. Vielmehr verchlechterten sich damals die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Papsttum zusehends. Päpstliche Vorwürfe gegen Philipp wegen simonistischer Maßnahmen zeitigten kaum ein greifbares Ergebnis, es blieb bei der Drohung, ihn seiner königlichen Macht zu entheben. Der Versuch des Papsttums, sich die neue Dynastie Englands durch ein Vasallitätsverhältnis unterzuordnen, schlug in erster Linie wegen eines Mißverständnisses fehl, hervor-
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gerufen durch ein päpstliches Schreiben, das die Zahlung des Peterspfennigs forderte. Der Bruch mit Byzanz lag noch keine zwanzig Jahre zurück, als Gregor Papst wurde, aber schon beschäftigte er sich mit dem Unternehmen eines Feldzugs gegen den Osten. Dieser Plan war ein Vorläufer der Kreuzzugsbewegung etwa zwanzig Jahre später. W i e Gregor offen bekannte, war es sein Ziel, den päpstlichen Primat in Konstantinopel durchzusetzen, um das Schisma zu beenden. Der Feldzug, den er selbst als „General und Papst" leiten sollte und für den er französische Adelige und einige italienische Ritter (die seiner Behauptung nach bereits fünfzigtausend Soldaten zugesagt hatten) anwarb, kam nicht zustande, da andere, dringlichere Aufgaben im Vordergrund standen. Der Plan hatte auch die unruhigen Normannen im Süden einbezogen, die, wie Gregor gehofft hatte, schon durch eine bloße Zurschaustellung von Macht von weiteren Angriffen auf päpstliches Gebiet abgeschreckt werden würden. Unbeirrt durch solche Fehlkalkulationen warf man in Rom sogar ein Auge auf die Randgebiete Europas. Um die Verbindung zu Dänemark herzustellen, bot Gregor dem Sohn des dänischen Königs Sven II. Kroatien und Dalmatien als Lehen an; da die Dänen darauf nicht eingingen, wurde König Zvonimir von Kroatien päpstlicher Lehnsmann dieser Gebiete. Gleichzeitig wurde dem Sohn des aus Rußland vertriebenen Herrschers Isjaslaw das Königreich Kiew als päpstliches Lehen oder, genauer gesagt, als Lehen des hl. Petrus versprochen. Die Beziehungen der Kurie zu Polen und Böhmen — letzteres unter der Jurisdiktion des Erzbischofs von Mainz — wurden von der Lage in Deutschland überschattet. Auf der anderen Seite verursachte Ungarn in den siebziger Jahren Unwillen in Rom. Das Papsttum hatte mit Berufung darauf, daß Stephan sein Land Silvester II. geschenkt habe, ein besonderes Verhältnis zu Ungarn beansprucht (s. o. S. 116). Nach Meinung der Kurie begründete dieses Geschenk die päpstliche Lehenshoheit. Der regierende König, Salomon, hatte jedoch die Schwester Heinrichs IV. geheiratet und war zu einem Lehnsmann des Reichs geworden. Angesichts der Bedeutung, die das Papsttum Ungarn beimaß, war Gregor nicht willens, diese Lage der Dinge hinzunehmen und ermunterte den ungarischen Rebellen Geisa, die Waffen gegen Salomon zu ergreifen, der petrinisches Besitztum wider alles Recht und allen religiösen Gehorsam entfremdet habe; „Petrus selbst habe durch seinen Schiedsspruch königliche Gewalt auf den Rebellen übertragen", erklärte der Papst, als er die Herrscherrechte vom rechtmäßigen König auf dessen rebellischen Untertanen übertrug. Die päpstliche Doktrin, wonach Reiche von einem Herrscher auf einen anderen übertragen werden konnten, findet sich hier
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erstmals erwähnt. Die praktische W i r k u n g dieser päpstlich verfügten Herrschaftsübertragung entsprach freilich keinesfalls der auf diese Angelegenheit verwandten Anstrengung. G r u n d u n d Voraussetzung war in all diesen Fällen, daß der Papst als unmittelbarer Nachfolger Petri monarchische Gewalt geerbt habe. Sie u m f a ß t e das gesamte christliche Leben von der Wiege bis zum Grabe: nichts u n d niemand konnte sich der päpstlichen Jurisdiktion entziehen. Dieser Grundsatz der päpstlichen Vollgewalt in einem ganzheitlichen Sinne liefert die Erklärung dafür, daß Gregor sich mit Halbheiten und Teilergebnissen nicht zufrieden gab. Zur Ergänzung seines Programms bediente sich das Papsttum n u n in erster Linie des Rechts. Schon als Archidiakon hatte Gregor Petrus Damiani ungestüm gedrängt, eine kleine Sammlung all jener Rechtssätze herauszugeben, die „die Prärogativen der römischen Kirche" betrafen. Das erste Rechtsbuch, das wahrscheinlich Gregors Ansprüchen genügt hätte, war nicht das Buch Damianis, sondern die Sammlung, die möglicherweise Kardinal H u m b e r t in den späten fünfziger Jahren zusammengestellt hatte: sie bestand zum größten Teil aus Auszügen aus Pseudo-Isidor. W ä h r e n d der siebziger u n d achtziger Jahre entstanden eine Reihe anderer Sammlungen, die sich mit den „Leitlinien f ü r das christliche Leben" in einer christlichen Gesellschaft befaßten. Obgleich privaten Ursprungs hatten all diese W e r k e die Primatstellung des Papsttums zum Thema. Diese zahlreichen Sammlungen w u r d e n Grundlagen f ü r die Rechtssammlungen aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, die höheren systematischen und fachmännischen Anforderungen entsprachen. G e m ä ß seiner eigenen Definition erhob dieses Recht den Anspruch, „kanonisch", d . h . Norm zu sein f ü r das richtige Leben in einer christlichen Gemeinschaft. Allerdings hat sich darüber hinaus der Rest einer amtlichen Sammlung kanonischen Rechts erhalten. Sie ist Teil des amtlichen Registers von Gregors Pontifikat und enthält die Kapitelüberschriften einer Rechtssammlung, die inzwischen verloren gegangen ist. In prägnanter und bündiger Ausdrucksweise zeigen diese Kapitelüberschriften einige der „Prärogativen" der römischen Kirche auf, so wie Gregor sie niedergelegt wünschte und wie er sie auch als Papst anwendete. Die Eintragungen stammen aus dem zweiten Jahr seines Pontifikats, unmittelbar nach der Fastensynode vom Jahr 1075 und sind unter dem Namen „Dictatus Papae" bekannt, obgleich diese Bezeichnung nicht ganz zutrifft, da sie sich auch in zahlreichen anderen Eintragungen im amtlichen Register des Papsttums findet. Die siebenundzwanzig Kapitelüberschriften befassen sich mit der Gewalt des Papstes und der Bischöfe. I h n e n zufolge war der Papst der universale Bischof, dessen Befugnisse nicht (wie die des einzelnen Bischofs) auf eine einzelne Diözese oder ein be-
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stimmtes Gebiet beschränkt waren, sondern der vielmehr in allen Angelegenheiten der Christenheit, die er als sog. causae maiores beurteilte, ein Interventionsrecht hatte. Er selbst konnte alle richten, aber von niemandem, auch keinem Konzil, gerichtet werden. Er konnte Bischöfe absetzen, versetzen und wieder einsetzen. Er allein konnte Gesetze erlassen, die für die ganze Christenheit Gültigkeit besaßen; er konnte Diözesen teilen oder zusammenlegen. Er beanspruchte den Vorsitz über Synoden für seine Legaten und das Recht der Einberufung allgemeiner Konzilien; Synodal-Dekrete sollten erst wirksam werden, wenn sie die Billigung des Papstes gefunden hatten. Er konnte Appellationen annehmen und in schwebenden Verfahren das endgültige Urteil sprechen. Andere Kapitelüberschriften dieses Dictatus Papae befaßten sich mit den Beziehungen des Papsttums zu christlichen Fürsten. Der Papst hatte das Recht, Kaiser abzusetzen (Könige wurden nicht erwähnt; der einzige Kaiser, der für eine Absetzung in Frage gekommen wäre, war der byzantinische, da es im Westen zu diesem Zeitpunkt keinen Kaiser gab). Weiterhin war er berechtigt, die Untertanen eines Herrschers von ihrem Untertanen- und Treueid zu entbinden. Nur der Papst konnte von den Fürsten verlangen, daß sie seine Füße küßten — offensichtlich ein Bezug auf das geltende westliche Kaiserkrönungszeremoniell, bei dem der kaiserliche Kandidat die Füße des Papstes küßte, bevor der Ritus auf den Stufen der St. Peters-Basilika begann. Als echter Monarch war der Papst allein auch berechtigt, kaiserliche Insignien zu tragen — diese Bestimmung entnahm die Kapitelüberschrift (nr. 8) der Konstantinischen Schenkung. Schließlich erlangte er mit der rechtmäßigen Übernahme des Amtes den Status eines Heiligen, womit selbstverständlich nicht ein „heiliger" Charakter im persönlichen oder liturgischen Sinne gemeint war: die Heiligkeit sollte einfach das allumfassende Ausmaß der petrinischen Gewalt, die der Papst geerbt hatte, klar herausstellen — die Gewalt, zu binden und zu lösen, hatte ihre Wirkungen gleicherweise auf Erden wie im Himmel. Den Höhepunkt aber bilden die vielleicht wichtigsten Kapitelüberschriften, die herausstellten, daß die römische Kirche von Christus gegründet sei und daß sie nie geirrt habe und auch nie irren werde. Ganz in Einklang mit den von Hormisdas und Agatho I. vertretenen Grundsätzen wurde hier der Institution als solcher Unfehlbarkeit zugeschrieben (s. o. S. 36, 57). Vom historischen Standpunkt enthalten diese Kapitelüberschriften nichts, was nicht schon vorher in päpstlichen Dekreten oder in literarischen Werken gesagt worden wäre. Sie waren eine zugespitzte juristische Zusammenfassung dessen, was das Papsttum als seine wesentlichen und ausschließlichen Rechte ansah, und eben deshalb fanden sie überhaupt Eingang in das amtliche päpstliche Register. Sie sind der Schlüssel zum
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Verständnis der späteren päpstlichen Maßnahmen. Da sie durch und durch römisch-lateinischen Charakter hatten, standen sie in scharfem Gegensatz zu den noch immer wirksamen germanischen Gewohnheitsrechten. In der Kampfansage an die gewohnheitsmäßig verbürgte Übung lag die wahre und tiefere Bedeutung des „Dictatus". Er gründete sich auf einen geistigen Hintergrund, der sich vielfach und in entscheidender Hinsicht schärfstens von den germanischen Grundlagen der Gesellschaft abhob: hier war Treue und Gefolgschaft die tragende und bindende Kraft, während im römischen System eine straff hierarchische Ordnung der Gesellschaft galt, von der man behauptete, sie sei göttlichen Ursprungs. Aus demselben Grunde wurde behauptet, auch die vom Papsttum verkündeten Satzungen seien göttlicher Herkunft. Insgesamt stellte der „Dictatus" einen sehr ernstzunehmenden Angriff auf weite Bereiche der bestehenden sozialen Gegebenheiten dar. Konkret ausgedrückt war das Ziel dieses Angriffs das Eigenkirchenwesen. Seine äußerlich sichtbare und faßliche Erscheinungsform — die Investitur eines Klerikers mit einem Kirchenamt durch einen Laien — symbolisierte die Herrschaft von Laien über den Klerus. Dieses System gehörte zu den tief verwurzelten Merkmalen der germanischen Tradition und hatte naturgemäß einen starken Einfluß auf das Gefüge der Gesellschaft. Nach herrschender Auffassung war keine ordnungsgemäße Herrschaft denkbar, wo nicht der König (oder ein anderer Laienherr) den Pfründeninhaber durch Investitur auch in sein geistliches Amt einsetzte. Die schon erwähnten früheren Dekrete gegen die Investitur (wie auch gegen Simonie und Priesterehe) zeitigten angesichts der allgemeinen Verbreitung dieser zum Gewohnheitsrecht gewordenen Übung wenig Erfolg. Aber das Papsttum war offensichtlich nicht willens, diese Bräuche, die es vom Standpunkt der Lehre aus für verwerflich und für dem Wohl der Gesellschaft abträglich hielt, noch länger zu dulden. Daher die Erneuerung des Verbots der Laieninvestitur auf der Fastensynode vom Jahre 1075 (in der der Dictatus eine Rolle gespielt hatte), obwohl dieses neue Verbot nicht allgemein veröffentlicht wurde und auch die sogenannten Niederkirchen anscheinend nicht berührte. Das allgemeine und unzweideutige Verbot der Laieninvestitur wurde auf der Fastensynode des Jahres 1078 verkündet. Selbstverständlich richteten sich die früheren Erlasse gegen alle Herrscher Westeuropas, aber am unmittelbarsten war der deutsche König Heinrich IV. betroffen. Sein Herrschaftsbereich war nicht nur territorial der ausgedehnteste und nach zeitgenössischen Maßstäben bestorganisierte Europas, dessen öffentliches Verwaltungswesen eben deshalb unter den Auswirkungen dieser jüngsten Verbote am meisten zu leiden haben würde, sondern er selbst war überdies, ging man von der Überlieferung aus, wahrscheinlich
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der nächste Anwärter auf die Kaiserkrone mit beträchtlichem Interesse an Italien und der Lombardei, wodurch wiederum in erster Linie das Papsttum betroffen war. Die Mailänder Angelegenheit war noch keineswegs beigelegt (s. o. S. 134 f.). Zur Vervollständigung des Bildes muß noch erwähnt werden, daß Gregor im Jahre 1075 Heinrich IV. in ganz und gar unmißverständlichen Worten die Investitur von hohen Geistlichen untersagt hatte, der König jedoch damit fortfuhr, und zwar nicht nur in Deutschland, was das Papsttum zu diesem Zeitpunkt weniger berührt hätte, sondern vor allem auch in Italien. Im selben Jahr noch ernannte er Bischöfe für Spoleto und Fermo; einen dritten Mann setzte er ohne Bedenken auf das Erzbistum Mailand (während Gottfried als geweihter Erzbischof seinen Stuhl nicht in Besitz zu nehmen vermochte, ja sich in Mailand nicht einmal halten konnte), sodaß es hier nun drei Anwärter gab (Gottfried, Atto und nun auch Theobald), von denen zwei Kandidaten des Königs waren. Das war eine Situation, die sich sozusagen unmittelbar vor den Toren des Laterans entwickelt hatte und die kein Papst auf die Dauer hinnehmen konnte. Die Kampfansage, die Gregor am 8. Dezember 1075 an Heinrich IV. ergehen ließ, war als Ultimatum gedacht und wurde auch als solches verstanden. In herrischem Ton wurde der König aufgefordert, sich jedes weiteren Verkehrs mit seinen von Alexander II. gebannten Räten zu enthalten (s.o. S. 135; der Bann wurde für eine ansteckende Krankheit gehalten). Ihm wurde weiter vorgeworfen, göttliches und kanonisches Recht durch die Ernennung von Bischöfen und Äbten mißachtet zu haben und das Schicksal Sauls angedroht, falls er diese Warnung unbeachtet lasse. Mit diesem Schreiben begann der vielleicht grimmigste und erbittertste Kampf zwischen einem König und dem Papsttum, den das Mittelalter erlebt hat. Auf beiden Seiten wurde er um grundsätzliche Fragen geführt, und eine dieser Fragen betraf die entscheidende Herrschaft über den Klerus. Sollte diese Herrschaft, wie es bislang üblich war, in den Händen des Königs oder anderer Laienherrerç bleiben oder an das Papsttum gelangen, dessen Ansprüche sich auf das neubegründete kanonische und auf die Auslegung des göttlichen Rechts gründeten? Für die erste Lösung sprachen Geschichte, Tradition und Brauchtum; der Geist des Christentums und die mittelalterliche kirchliche Lehre dagegen verlangten die Oberhoheit des Papsttums. In mancher Beziehung erinnert dieser Kampf an den Konflikt zwischen Rom und Konstantinopel im 5. Jahrhundert, bei dem sich ebenfalls Geschichte und Glauben gegenüberstanden. Heinrich IV. nahm die Herausforderung an; wie jeder andere König hatte er keine andere Wahl, da die Herrschaft im Reich zum großen Teil auf der königlichen Kontrolle über den Klerus, zumal den höheren,
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ruhte. Ermutigt durch den jüngsten Sieg über die Sachsen berief Heinrich für Ende Januar 1076 eine Synode seiner Bischöfe nach Worms. Politischer Spürsinn und diplomatisches Geschick scheinen sowohl den König als auch die Synode verlassen zu haben; sie ließen sich weitgehend von den Klatschgeschichten des Kardinals Hugo Candidus beeinflussen (der sich aus anderen Gründen, die mit dieser Sache gar nichts zu tun hatten, mit Gregor überworfen hatte). Gregors Angriffen gegen Simonie und Priesterehe, vor allem aber gegen die Investitur durch den König, widersetzten sich die deutschen (und die lombardischen) Bischöfe, die dem päpstlichen Programm, das ihnen für die bestehende Ordnung gefährlich erschien, ohnehin feindlich gegenüberstanden. Diese Wormser Versammlung beantwortete das Ultimatum mit dem Vorwurf, der Papst, der beinahe drei Jahre lang sein Amt unangefochten versehen hatte, sei unkanonisch gewählt gewesen; als der „falsche Mönch Hildebrand" wurde er aufgefordert, „vom apostolischen Stuhl herabzusteigen" . In den Augen der Synode standen Gregors kirchliche Maßnahmen ganz im Widerspruch zum kanonischen Recht. Anstatt aber den Papst als den schuldigen Angreifer zu brandmarken, ließ ihn dieser trotzige, um nicht zu sagen, verzweifelte Schritt in den Augen der Welt als Opfer eines mutwilligen Angriffs seitens der Deutschen erscheinen. Die Antwort des Papstes, wenige Wochen später auf der Fastensynode verkündet, bewegte sich auf derselben Linie, war aber ungleich wirkungsvoller: König Heinrich IV. wurde gebannt und (vorläufig) seiner königlichen Würde enthoben, seine" Untertanen von dem ihm geleisteten Treu- und Gehorsamseid entbunden. Heute im 20. Jahrhundert können wir die Dramatik dieser Schritte kaum richtig nachfühlen. Kein König war je von einem Papst gebannt oder an der Ausübung seiner königlichen Macht gehindert worden; und das alles geschah kaum dreißig Jahre, nachdem der Vater des jungen Heinrich, Heinrich III., eine Reihe von Päpsten ein- und abgesetzt hatte. Ferner wurden alle deutschen Bischöfe, die an der Wormser Erklärung mitgewirkt hatten, suspendiert, falls sie nicht bis zum 1. August 1076 widerriefen, während ihr Sprecher, der Erzbischof von Mainz, ebenso wie die lombardischen Bischöfe gebannt wurden. In den folgenden Wochen zeigten der König und seine Räte einen staunenswerten Mangel an Klugheit und Weitblick. In Utrecht, wo er das Osterfest feierte, nahm Heinrich in vollem königlichen Ornat und in Begleitung einer großen Anzahl von Bischöfen an den Festgottesdiensten teil und erklärte Gregor VII., den „Mönch Hildebrand", als Papst für abgesetzt. Noch nie war ein Papst durch eine einfache, einige tausend Meilen entfernt abgegebene Erklärung abgesetzt worden. Wenn früher Päpste abgesetzt worden waren, dann hatte stets der König mit seinem Heer in Rom gestanden.
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Alle diese trotzigen Erklärungen seitens Heinrichs und seiner Regierung konnten die Schwächen seiner Position nicht verbergen, denn obwohl er in gewissem Umfang die Unterstützung Englands, Frankreichs und Süditaliens und zunächst auch der Bischöfe besaß, zeigten die nachfolgenden Monate nur allzu klar, daß Heinrich den Kriegsschauplatz betreten hatte, ohne ausreichend gerüstet zu sein. Er hatte die allgemeine Stimmung seiner Zeit grundsätzlich falsch beurteilt, einer Zeit, die im großen und ganzen (und nicht nur unter dem Einfluß des Papsttums) die Voraussetzungen, von denen Gregor V I I . ausging, von sich aus ohnehin akzeptierte. Während der Sommermonate wurden schwere Fehler begangen; militärisch geriet der König in eine äußerst schlimme Lage, als die kürzlich geschlagenen Sachsen mit einigen aufrührerischen süddeutschen Fürsten gemeinsame Sache machten. Diejenigen, die sich bis zum Oktober 1076 noch nicht von ihm abgewandt hatten, wurden von päpstlichen Legaten zu diesem Schritt überredet; viele, die noch zögerten, konnten von der Richtigkeit der päpstlichen Maßnahmen und von der Unverantwortlichkeit des königlichen Vorgehens überzeugt werden. Als Heinrich im Oktober 1076 von den meisten seiner Anhänger verlassen war, versprach er, sich jeder Regierungshandlung zu enthalten und, vom Tage seines Bannes an gerechnet, binnen Jahr und Tag die Lösung davon zu erlangen; gleichzeitig luden die deutschen Fürsten den Papst ein, auf einem Reichstag in Augsburg im kommenden Februar 1077 den Vorsitz zu übernehmen und zwischen ihnen und dem König als Schiedsrichter zu entscheiden. Kurz darauf brach Heinrich in Begleitung seiner engsten Umgebung nach Italien auf, um den Papst, der bereits unterwegs nach Deutschland war, zu treffen. Die äußerste Strenge dieses Winters — sogar der Rhein war zugefroren — zwang Gregor zu einem Aufenthalt in der Lombardei, wo er im Schloß der Markgräfin Mathilde von Tuszien, in Canossa (am Fuß des Appenin), die Geleittruppe der deutschen Fürsten erwartete. Nach einer gefährlichen und qualvollen überquerung der Alpen über den Mont Cenis bat Heinrich eben hier in Canossa den Papst um ein Zusammentreffen. Die Unterredungen begannen am 25. Januar 1077 und waren nach drei Tagen beendet. Der Papst konnte nicht umhin, Heinrich wieder in die Gemeinschaft der Kirche aufzunehmen, aber, wie Gregor drei Jahre später ausdrücklich feststellte, er setzte Heinrich nicht wieder in sein Königtum ein, da bis zu jenem bevorstehenden Reichstag in Augsburg „die ganze Angelegenheit noch in der Schwebe gewesen sei". Die Lösung des Königs vom Bann war an die Bedingung geknüpft, daß Heinrich dem Papst auf seinem Weg nach Deutschland keine Hindernisse in den W e g legte. Daß Gregor ihn nach w i e vor als König betrachtete, dem allerdings die Ausübung seiner königlichen Ge-
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wait im Augenblick verwehrt war, wird hinlänglich durch die Tatsache bewiesen, daß königlichem Brauch gemäß, Heinrich den Eid
(„Ich,
König Heinrich"), der seine Zusagen bestätigte, nicht persönlich, sondern durch den Mund zweier Bischöfe ablegte. Auch während der folgenden drei J a h r e bezog sich Gregor in amtlichen Schreiben auf Heinrich als König. Das Problem der königlichen Investituren kam in Canossa nicht zur Sprache. Die Bedeutung von Canossa und seiner unmittelbaren Vorgeschichte lag in der Tatsache, daß ein König, der gebannt worden war, beim Papst um Absolution nachgesucht (und sie erhalten) hatte. Zum ersten Mal konnte der Papst seine Autorität gegenüber dem mächtigsten Fürsten Europas zur Geltung bringen und diesen zwingen, im Büßergewand vor ihm zu erscheinen. Dies und die rasche Abfolge der Ereignisse
—
es war noch nicht einmal zwei Jahre her, seit die Synode im Jahre 1 0 7 5 das Investiturverbot erlassen hatte —
waren ein überzeugender
Be-
weis für die Brüchigkeit der königlichen Gewalt und die Kraft und den Rückhalt, die das Papsttum in den vergangenen zwei Jahrzehnten seit Heinrichs I I I . Tod gewonnen hatte. Nun wurde deutlich, daß die päpstlichen Herrschaftsansprüche auf fruchtbaren Boden gefallen waren. W i e anders wäre es sonst zu erklären, daß das Papsttum, dessen Beziehungen zu den Normannen, seinem einzigen militärischen Verbündeten, zu jener Zeit nicht besonders herzlich waren, mit solch bemerkenswerter Zuversicht so gewaltige Fortschritte machen konnte? Das Bild wäre unvollkommen, wollte man die anfangs stolze und trotzige Unterstützung, die Heinrich durch die lombardischen Bischöfe und den dortigen Adel erhielt, unerwähnt lassen. Aber die deutschen Bischöfe, deren Beispiel ihre lombardischen Amtsbrüder bald folgten, hielten es für klug, einer nach dem andern das Lager des Königs zu verlassen und sich auf die Seite zu schlagen, die zu gewinnen schien. Beharrliches Festhalten an Grundsätzen kann wohl kaum als eine der Stärken der mittelalterlichen Bischöfe angesehen werden. E s ist dennoch verständlich, daß die rasche Aufeinanderfolge dieser dramatischen Ereignisse und ihr nicht weniger dramatischer Ausgang in Canossa auf die Zeitgenossen stärksten Eindruck machte. Einige von ihnen waren offenbar durch den Bann eines „Königs von Gottes Gnaden" und durch die Lösung seiner Untertanen von der Treue, die sie ihm geschworen hatten, tief betroffen. Gregor gab sich große Mühe, diese Bedenken durch die Erklärung zu zertreuen, die Gewalt des Papstes zu binden und zu lösen sei allumfassend, niemand sei von ihr ausgenommen, nicht einmal ein König, und keine Angelegenheit entziehe sich der päpstlichen Jurisdiktion. W e n n , so argumentierte er, der apostolische Stuhl die Gewalt hatte, in geistigen Dingen Recht zu sprechen,
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warum dann nicht auch in irdischen und weltlichen Dingen? Jeder Kleriker bis hinunter zum niedersten Exorzisten war jedem Laienherrscher an Rang überlegen, denn er war ein „geistiger Kaiser", dem die Laien unterstanden. Hinter diesen mit Nachdruck und Konsequenz verbreiteten Thesen erscheint eine Auffassung von der Gesellschaft und ihrem Aufbau, die in krassem Widerspruch zu Tradition und Wirklichkeit stand. Der Konflikt zwischen Tradition und Geschichte einerseits und der kirchlichen Ideologie andererseits, bündelte sich im Kampf ihrer beiden Repräsentanten, König und Papst. Aus anderem Blickwinkel war dieser Konflikt eine Auseinandersetzung zwischen germanischer und römischer Welt. Letzten Endes siegte das kirchliche Rom, und zwar in allererster Linie auf Grund seiner geistigen Überlegenheit. Die germanisch-königliche Seite hatte dem nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Eine weitere wesentliche Begleiterscheinung dieser epochemachenden Ereignisse der siebziger Jahre war das Auftauchen einer ganz neuen publizistischen Literatur von Parteischriften, Pamphleten und Traktaten zu Einzelthemen. Ihr Ziel war es, die öffentliche Meinung im Sinne der einen oder der anderen der kämpfenden Parteien zu beeinflussen. Einige der Verfasser ergriffen offen Partei, aber die Mehrheit bemühte sich um strenge Sachlichkeit. Hinter all dem stand natürlich keine zentrale Lenkung, keine organisierte Propaganda, wie wir es heute nennen würden. Die wuchernde Fülle der Streitschriften zeigt einfach, daß Männer vorhanden waren, die über das notwendige intellektuelle Rüstzeug verfügten, und daß der Streit nach der nicht unberechtigten Auffassung der Zeitgenossen nicht nur die .Stellung oder Funktion eines Königs oder eines Papstes, sondern alle Schichten der Gesellschaft betraf. Stand und Rang der Laien in der christlichen Gemeinschaft wurden in Frage gestellt, ebenso ihre Beziehungen zum Klerus. Hier lag in der Tat das Kernproblem; nur so wird verständlich, weshalb einige Zeitgenossen die Auswirkungen des Streits mit den Erschütterungen eines Erdbebens verglichen. Was sich hier abspielte, war eine Revolte von oben. Die Säulen, die die Gesellschaft trugen, schienen zu bersten. Das Publikum, das mit diesen Schriften angesprochen wurde, war klein, aber der Kreis derer, die mittelbar beeinflußt wurden, erweiterte sich rasch. Während die Verfasser auf Seiten des Königs ganz in der Defensive blieben und von den Ereignissen meist überrascht wurden, zeigten sich die Anhänger des Papstes in geistiger Bereitschaft, ihr Ziel, durch das die rechte Ordnung in die Gesellschaft gebracht werden sollte, klar darzulegen und zu begründen. Die unmittelbare Wirkung der Ereignisse von Canossa bestand darin, daß Heinrich zwar nicht in sein Königtum wiedereingesetzt, aber vom
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Bann gelöst war u n d deshalb die Regierungsgeschäfte wieder übernehmen konnte, w e n n auch mit verminderter Autorität. Mit seiner harten u n d unnachgiebigen Handlungsweise machte sich der Papst eine Reihe deutscher Fürsten zu Feinden, die nicht zu Rate gezogen, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt worden waren. Am 15. März 1077 wählten sie in Forchheim in Bayern einen Gegenkönig in der Person Rudolfs von Rheinfelden, eines Schwagers Heinrichs IV.: der Papst w u r d e nicht u m Rat gefragt. Es kam in Deutschland zum Bürgerkrieg. O b w o h l im März das W e t t e r f ü r Gregors Weiterreise nach Deutschland gut genug gewesen wäre, machten die Verhältnisse in Rom seine sofortige Rückkehr dorthin nötig. Aber seinen Plan, in Deutschland einem Reichstag vorzusetzen, gab er nie auf. Durch seine starre H a l t u n g in dieser Frage wurde nicht nur der Bürgerkrieg verlängert, auch Heinrichs Lage begann sich etwas zum Besseren zu wenden, denn die Zauderer glaubten, bei Gregor Unschlüssigkeit und Unbeständigkeit zu entdecken. Trotz eifriger päpstlicher Aktivität in allen Richtungen bestand die Gefahr, daß das Papsttum in Deutschland die Initiative verlor; seine Einsicht in diese Situation erklärt, weshalb Gregor Heinrich ein zweites Mal bannte u n d ihn auf der Fastensynode des Jahres 1080 endgültig absetzte. Der Bruch war vollständig und nicht mehr heilbar. Auch dieser päpstlichen Maßnahme gingen, wie schon den entsprechenden Schritten vier Jahre vorher, feierliche Gebete an Petrus und Paulus voraus. Der Papst erbat ihre H i l f e und tat der W e l t kund, in welcher Weise er den deutschen König bestraft hatte; er erklärte, er habe das Recht, Kaiser- u n d Königreiche, Fürstentümer und alle übrigen Besitztümer der Menschen einzuziehen u n d sie nach seinem Ermessen Würdigeren zu übertragen. Hinter diesem Urteil stand die These, daß aller Besitz eines Christen — sei es ein Reich oder ein sonstiges G u t — diesem durch göttliche Gnade zuteil geworden sei (nach dem paulinischen Grundsatz „Durch die Gnade Gottes bin ich was ich bin") und daher als eine Angelegenheit der göttlichen Gnade ganz folgerichtig unter die Jurisdiktion des Papstes fiel. Gegen eben diese Anwendung des Grundsatzes auf sich selbst hatte Heinrich sich seinerzeit mit der Erklärung verwahrt, er als gesalbter König, als „Gesalbter des H e r r n " , unterstehe nicht der päpstlichen Jurisdiktion u n d könne von niemandem, auch nicht vom Papst, angetastet werden. Zur Unterstützung dieser These zog er die W o r t e Davids heran: „Rühre meinen Gesalbten nicht an". Das „Gebet" an die beiden Apostel war Gregors Antwort und zugleich die Formulierung eines päpstlichen Rechtsgrundsatzes, der f ü r den Rest des Mittelalters Gültigkeit behielt. Die folgenden Ereignisse vollendeten, was in den Jahren 1076 und 1077 begonnen worden war. Umgeben von einigen seiner Bischöfe —
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die meisten von ihnen hatten sich den Bannspruch des Papstes zugezogen — leitete Heinrich am 13. Mai 1080 eine Synode in Mainz, auf der die endgültige Absetzung Gregors VII. beschlossen wurde. Auf der Synode von Brixen am 25. Juni 1080, an der auch einige lombardische und burgundische Bischöfe teilnahmen, wurde der Erzbischof Wibert von Ravenna, der ehemalige Kanzler des Königs in Italien und einer von jenen, die Gregor ihres Amtes enthoben und gebannt hatte, zum Gegenpapst gewählt. Was seinen Werdegang, seine Bildung und auch seine gesellschaftliche Herkunft betraf, war Clemens III. seinem Rivalen weit überlegen. Er gehörte zur konservativen Gruppe der nördlichen Bischöfe; mit einer Annahme der Wahl trat neben das Königsschisma in Deutschland nun ein Papstschisma. Aber erst vier Jahre später konnten Clemens und Heinrich ihren Fuß in die Stadt Rom setzen. Zu Ostern des Jahres 1084 wurde Heinrich von Clemens III. in der St. Peters-Basilika zum Kaiser der Römer gekrönt, an derselben Stätte, an der Clemens selbst kurz zuvor (am 24. März 1084) zum Papst gekrönt worden war. Inzwischen hatte Gregor sich in die Engelsburg geflüchtet, seit die Römer, voran der römische Adel, wegen der Gefahren, denen seine Amtsführung die Stadt aussetzte, ihm ihre Feindseligkeit, um nicht zu sagen ihren Haß, offen gezeigt hatten. In der Tat waren sie es gewesen, die Heinrich und seinen Papst nach Rom gebeten hatten. Der Grad dieser Feindseligkeit kann vielleicht am besten am gleichzeitigen Abfall von dreizehn seiner Kardinäle und der höchsten Kurienbeamten ermessen werden. In dieser Stunde höchster Not wandte sich Gregor an die Normannen, und Robert Guiscard kam ihm zu Hilfe. Er vertrieb zwar die Deutschen, aber die Zerstörung Roms durch die Normannen empörte die Römer gegen sie, sodaß sie fliehen und den Papst mit sich nehmen mußten. Ihn machten die Römer für all das Unglück verantwortlich, das die Stadt heimsuchte. Gregor flüchtete nach Monte Cassino und später nach Salerno, wo er am 25. Mai 1085 von fast aller Welt verlassen starb. Nach einem der ereignisreichsten und dramatischsten Pontifikate schien das Papsttum eine entscheidende Schlacht verloren zu haben. Zurück blieben, wie nach einem Wirbelsturm, Trümmer und Verwüstung. Daß Gregor einen strategischen (und nicht nur taktischen) Fehler beging, als er sich mit der königlichen Macht anlegte, kann keinem berechtigten Zweifel unterliegen. Heinrich IV. war nur König und nicht Kaiser, und das Papsttum hatte zu jener Zeit nicht genügend Rüstzeug zu seiner Verfügung, um dieses heikelste aller heiklen Probleme in Angriff zu nehmen. Nur in Fragen, die das römische Kaisertum angingen, war das Papsttum wohlgerüstet, und mit den nötigen Argumenten ver-
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sehen, aber dieses Problem stand im Investiturstreit nie zur Debatte. Erst unter Innozenz I I I . zog das Papsttum die Lehre aus Gregors Fehler: mit volltönenden Worten verkündigte es, die deutsche Königsfrage fiele, im Gegensatz zur Kaiserfrage, nicht in seine Kompetenz. Nichtsdestoweniger erklärt Gregors strategischer Fehler, weshalb vielen seiner ideologischen Anhänger ernste Zweifel aufstiegen und sie ihn schließlich, von der Richtigkeit seines Vorgehens nicht länger überzeugt, verließen. E s war nicht so sehr das Verbot der Laieninvestitur und die damit aufgeworfenen Probleme, die eine Reihe von einflußreichen Zeitgenossen veranlaßten, sich von der päpstlichen Partei zu trennen. Was vielmehr so starke Zweifel unter vielen seiner Anhänger aufkommen ließ, war Gregors offener Angriff auf das Königtum und sein Anspruch, in eigener Person und letzter Instanz den rechtmäßigen deutschen König zu bestimmen. Überdies waren durch den päpstlichen Anspruch, über die Rechtmäßigkeit eines Herrschers zu entscheiden, auch alle übrigen Könige Europas unmittelbar betroffen. Obgleich zu Ende dieses stürmischen Pontifikats der vorherrschende Eindruck der von Fehlschlag, wenn nicht gar von Katastrophe war, so erzeugte doch der furchtlose und konsequente Versuch der Verwirklichung alter und ausgereifter päpstlich-hierokratischer Ideen eine eigene Dynamik, die allmählich, aber stetig die königliche Kompetenz in kirchlichen Angelegenheiten aushöhlte und zurückdrängte. Denn den Grundstein und das einigende Band der christlichen Gemeinschaft bildete der Glaube; und in diesem Bereich beanspruchte das Papsttum das ausschließliche Recht, das abschließende Urteil abgeben zu können. Alles in allem hatte die in germanisches Brauchtum eingebettete und den Nährboden der zeitgenössischen Gesellschaft tief durchdringende Tradition durch diesen Frontalangriff der römisch-kirchlichen Ideologie einen schweren Schlag erlitten, von dessen Wunden sie sich trotz anfänglicher Machtdemonstration und vorübergehender Scheinerfolge nie ganz erholte. Das germanische System war in der Tat zu schlicht, spröde und ungeschliffen, um dem Angriff der hochentwickelten ausgeklügelten römischen Ideologie standhalten zu können. Auf öffentlich-rechtlicher, herrscherlicher Ebene war die Auseinandersetzung um Stellung und Funktion von König und Papst innerhalb der christlichen Gemeinschaft gegangen. In dem von ihr eingeführten, zwar alten, aber dehnbaren Begriff der Ordnung hatte die päpstlichhierokratische Seite eine Waffe zur Hand, der die königliche Seite nichts anderes als Geschichte und Tradition entgegensetzen konnte. In diesem Zusammenhang soll Gregor den hochbedeutsamen Ausspruch getan haben: „Der Herr hat nicht gesagt »ich bin die Tradition« sondern »ich bin die Wahrheit«". Hier wird in straffer Form ausgesprochen, was
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
König und Papst voneinander trennte — der eine repräsentierte Geschichte und Tradition, der andere vertrat ein wohldurchdachtes Programm. „Wahrheit" und „Tradition" fallen nicht unbedingt zusammen. Die Auswirkungen dieser Auseinandersetzung reichten jedoch viel tiefer, denn, wie schon angedeutet, der König stand in bestimmter, ganz entscheidender Hinsicht sozusagen als Symbol für den Laienstand, der sich zu Recht von der Geistlichkeit angegriffen fühlte. Daher nicht nur die schon erwähnte Flutwelle „publizistischer" Literatur, sondern auch die Suche der Laienöffentlichkeit nach einem Stützpunkt oder einer Plattform, von der aus sich die von der hierokratischen Seite vorgebrachten Argumente widerlegen ließen. In diesem Zusammenhang mag nur auf zwei besonders hervorstechende Entwicklungen hingewiesen werden, die durch die Verwirklichung des päpstlichen Programms vorangetrieben wurden. Es handelte sich einmal um die Nutzbarmachung des römischen Rechts in Gestalt des justinianischen Corpus. Gerade weil die Partei der Hierokraten so sehr auf das Recht pochte, schien die meistversprechende Strategie eines Gegenangriffs darin zu liegen, daß man sich gegen das vom Papsttum geschaffene oder angewandte Recht für die eigenen Ziele des vorhandenen, verfügbaren römischen Rechts bediente. Denn dieses römische Recht war wenigstens das Recht von Laienherrschern. Letzten Endes jedoch erwies sich auch diese Hilfsquelle als ziemlich wertlos, denn es handelte sich in erster Linie um spätrömisches Kaiserrecht, das von genau den gleichen ideologischen Voraussetzungen ausging, die sich im entstehenden päpstlich-kanonischen Recht aufweisen lassen. Mit dem römischen Recht, zumal dem Codex, hatte das Königtum die falsche Waffe für den richtigen Zweck gewählt, denn das römische Recht befaßte sich nirgends mit königlichem Recht: die ganze Konzeption eines Königtums war den römischen Kaisern, den Vorgängern und Nachfolgern Justinians, unbekannt. Kurz, das römische Recht, das erstmals im Jahre 1084 ins Gefecht geführt wurde, war nicht das Mittel und konnte es auch gar nicht sein, um die hierokratische Ideologie umzustoßen. Dazu wäre entweder eine germanisch fundierte — zum Unterschied von einer auf bloßem Brauchtum aufgebauten — oder eine völlig anders beschaffene Ideologie vonnöten gewesen. Das germanische Gedankengut hatte keinen erkennbaren Wortführer, selbst wenn es auf dieser Seite etwas gegeben hätte, was einer Ideologie auch nur von ferne ähnelte; diese konnte aber nur in der aristotelischen Weltanschauung gefunden werden, die noch nicht zugänglich war. Jahrhundertelang hatte das Erziehungswesen in den Händen Geistlicher gelegen, und so wird leicht verständlich, weshalb die königliche Seite so wenig in der Hand hatte, womit sie zurückschlagen konnte. Die Waagschale neigte sich
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sichtlich zugunsten der römisch-kirchlichen Ideologie. Irgendwie schwebte der königlichen Seite die unscharfe Erkenntnis von der Notwendigkeit einer begrifflich verstandenen Körperschaft vor, die autonom, auf sich selbst beruhend und unabhängig war: es handelte sidi um den Begriff des Staates. Aber die (überwiegend theokratischen und religiösen) Grundlagen des königlichen Systems wirkten der Errichtung eines Gebildes entgegen, das begrifflich den Charakter des Staates getragen hätte. Der königlichen Seite fehlten die Werkzeuge zum Aufbau eines wirksamen Gegengewichts zu den ekklesiologisch bedingten Forderungen der Kirche. Erst die Wiederentdeckung des Aristoteles im 13. Jahrhundert lieferte diese «Waffen. Die andere Entwicklung stand mit der Wiederbelebung des römischen Rechts in unmittelbarem Zusammenhang. W i e wenig wirksam auch die Unterstützung war, die die königliche Partei aus ihm schöpfte, so enthielt es doch, eben weil es das Recht eines Laienherrschers war, einige Elemente, die, geschickt verwendet, die Wirksamkeit des päpstlich-hierokratischen Systems einschränken konnten. Voraussetzung für die sinnvolle Nutzung des römischen Rechts war somit die wissenschaftliche Durchdringung seines Aufbaus und Gefüges und seiner Grundsätze. Es war dies eine wissenschaftliche Methode, die nur durch lange Schulung erworben und beherrscht werden konnte — mit anderen Worten, hier handelte es sich um einen Faktor, der sich für die Entstehung der Universitäten als förderlich erwies. Auf die Entwicklung der politischen Ideen des Mittelalters wirkte das Studium des römischen Rechts äußerst belebend; im Lauf der Zeit wurde es für die Staatslehre und die Wissenschaft der Politik unentbehrlich. Die Universitäten des Mittelalters kamen zunächst den Bedürfnissen des späten 11. und frühen 12. Jahrhunderts entgegen, wodurch sich auch erklärt, daß die ersten Lehrer und Schüler allesamt Laien waren. Es war kein Zufall, daß das erste literarische Erzeugnis, welches das römische Recht als Werkzeug gegen das päpstlich-kanonische Recht ins Feld führte, aus Ravenna kam, dessen Universität jedoch bald vom benachbarten Bologna verdrängt wurde. Bologna wurde die Hochburg des Rechtsstudiums im Mittelalter; es verdankte seine Entstehung unmittelbar der Auseinandersetzung zwischen dem Papsttum und Kaiser Heinrich V., dem Sohn und Nachfolger Heinrichs IV. Noch auf eine weitere, ebenfalls mittelbare Art, leistete das Papsttum seinen Beitrag zur zeitgenössischen Gelehrsamkeit. Urban II. war es, der als zweitnächster Nachfolger Gregors VII. in einem scheinbar routinemäßigen Verwaltungsakt etwas begründete, was alsbald eine besondere Methode der Forschung werden sollte. Eben weil das Papsttum dem Recht eine solch entscheidende Bedeutung beimaß, und weil viele
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Kurze Geschidite des Papsttums im Mittelalter
Entscheidungen, zu verschiedenen Zeiten erlassen, sich häufig widersprachen, entstand natürlich oft die Frage, welche von diesen maßgeblichen Entscheidungen im gegebenen Fall anzuwenden sei. Der Ratschluß, den Urban aus konkretem Anlaß fand, lautete: angesichts der Tatsache, daß Rechtsbestimmungen Ausfluß des menschlichen Geistes sind und dieser als eine Gabe Gottes sich unmöglich selbst widersprechen kann, ist es Sache der Rechtsauslegung und -anwendung, die augenfälligsten Widersprüche zu lösen. Das Mittel dazu sollte der Denkprozeß der distinctio sein. Es müsse, so riet er, unterschieden werden zwischen Rechtssätzen, die unveränderlich, und solchen, die, durch zeitliche, örtliche oder personelle Erfordernisse bedingt, veränderlich sind. Mit dieser Unterscheidung hatte das Papsttum sich auf festen Boden gestellt und ein Prinzip formuliert, das unendliche Variationsmöglichkeiten in sich barg. In ausgereiftem Zustand ließ sich die von Urban vorgeschlagene Methode der Distinktion auf das kanonische wie auf das römische Recht, auf die Theologie wie auf die Philosophie, kurz auf alle Gebiete des Wissens anwenden, litten sie doch alle unter demselben Mangel, nämlich dem Widerspruch. Die vielfach erwünschte Harmonie zwischen der im Geiste und der in der Wirklichkeit bestehenden Welt verlangte eine Methode, durch die die contrarietates (wie die Bezeichnung für die Gegensätze lautete) aufgelöst werden konnten, und so ging aus Urbans Empfehlung unmittelbar die dialektische Forschungsmethode hervor. Sie sollte die gesamte Wissenschaft befruchten. Was dem Papsttum nach Gregor nottat, war eine Epoche, die frei war von aller Dramatik, von plötzlichen Erschütterungen und erbitterten Beschuldigungen und Auseinandersetzungen, ein Zeitraum, in dem Gregors Grundsätze ohne drastische Umwälzungen verwirklicht werden konnten. Urban, dessen Regierung sich durch Geschmeidigkeit und Nachgiebigkeit, durch Kaltblütigkeit und Anpassungsfähigkeit auszeichnete, verfolgte doch im Grunde dasselbe Ziel wie sein großer Vorgänger. Abweichend war bloß die äußerliche Art, in der er die päpstlich-hierokratischen Ideen zu verwirklichen suchte: der Gregorianismus kleidete sich in aristokratische Eleganz und Überlegenheit und verlor so an Schärfe. Die umstrittenen Fragen, die zum Investiturstreit geführt hatten, waren in Frankreich und England natürlich genau so gegeben wie in Deutschland. Dank den Bemühungen Bischof Ivos von Chartres und der diplomatischen Geschicklichkeit Urbans II., der selbst ein Franzose war, wurde im Jahre 1098 eine Übereinkunft für Frankreich erzielt: sie beruhte auf einer Unterscheidung, die von Guido von Ferrara, einem hervorragenden italienischen Gelehrten, stammte und die kirchlichen Funktionen eines Bischofs (oder Abtes) von seinen Rechten als weltlicher Grund- und Landesherr gedanklich abtrennte. Folgerichtig konnte ihm
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sein kirchliches Amt nur von einem hierfür kompetenten geistlichen Organ, die weltlichen Herrschaftsrechte dagegen (Grundherrschaft, Gericht, Heerbann usw., einschließlich der sog. Regalien) durch Verfügung des Königs oder eines anderen Laienherrn verliehen werden. Dies war die Formel, die Ivo annahm und die einige Jahre später (im Jahre 1105) auch vom englischen Konkordat übernommen wurde. Der Papst selbst war an dieser Übereinkunft nicht unmittelbar beteiligt, gab ihr aber seine Billigung. Unter Urban I I . erreichte das Papsttum allmählich die Position, die Gregor angestrebt hate. In mehrfacher Beziehung vollendete dieser Pontifikat, was Urbans Vorgänger begonnen hatte, so in Frankreich und vor allem in Spanien, wo mit dem Wiederaufbau des kirchlichen Gefüges begonnen wurde. Die geistige und sittliche Führung Europas ging nunmehr in die Hände des Papsttums über — dies war das wirkliche Vermächtnis von Gregors Pontifikat. Nichts gibt uns ein besseres Bild von dem gesteigerten Ansehen, das das Papsttum nunmehr genoß, als die höchst erfolgreiche Wiederaufnahme des Kreuzzugsgedankens — er stammte ursprünglich von Gregor V I I . — durch Urban I I . E r schätzte die Tiefe der religiösen Leidenschaft und Begeisterung
bei
den
französischen
und
lothringischen
Bauernmassen richtig ein, bezog aber auch die eben erst entstandene Ritterschaft —
die milites
— , ursprünglich Kriegsleute und höhere
Dienstmannen großer Herren, mit in seine Rechnung ein. Es gelang ihm, die französischen Volksmassen zu begeistern und für sich zu gewinnen, und er war dabei geschickt genug, auch die richtigen Prediger auszusuchen, die die Kreuzzugsidee propagierten. Die Folge war beinahe eine Massenpsychose, die, von neuem Glaubenseifer genährt, auch durch Kreuzfahrerprivilegien
angeheizt
wurde:
Ablässe,
Immunität
von
Steuern und Zöllen wurden gewährt, private Schulden gestundet. Der Kreuzfahrer wurde Mitglied der päpstlichen „Familie" und genoß verstärkten persönlichen Schutz. Die Kreuzzüge waren immer spezifisch päpstliche Unternehmungen und standen unter der Führung des Papsttums, wenn auch nicht so buchstäblich, wie Gregor es sich vorgestellt hatte. Sie boten Gelegenheit, im Dienste eines religiösen Ideals und in einem Feldzugsunternehmen, das durch die augustinische Theorie vom gerechten Krieg legitimiert war, aufgestaute Energien abzuführen. Es sollte aber nicht vergessen werden, daß zur Befreiung des Heiligen Landes, die allgemein als der vorrangige Beweggrund gilt, ein weiteres, mindestens ebenso starkes Motiv kam, nämlich die Durchsetzung der päpstlichen Primatsrechte in Konstantinopel und die Beilegung des Schismas. Dies war jedenfalls nach Gregors eigenen Worten sein Hauptmotiv.
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
Daß so viele Kreuzzugsunternehmen unglücklich, wenn nicht gar in Katastrophen endeten, lag an den Fehlern in der Organisation, an Mängeln bei der Vorbereitung und an der Unzulänglichkeit der Heeresführung. Das Papsttum hatte die Bewegung zwar erfolgreich in Gang gesetzt, besaß aber nicht die Mittel, die einzelnen Unternehmungen durchzuführen oder in den eroberten Gebieten befriedigende Bedingungen herzustellen. Abgesehen von einzelnen und vorübergehenden Erfolgen erwies es sich als undurchführbar, den sozialen Aufbau Westeuropas auf sozial und kulturell gänzlich anders strukturierte Gebiete zu übertragen — die einheimische Bevölkerung empfand die Befreier allzu häufig als Eroberer. Zu dieser Schwierigkeit gesellte sich noch ein anderes, verwandtes Problem, nämlich die Bereitstellung von geeigneten Geistlichen für die nach westlich-lateinischem Muster organisierten Kirchen. Das Mißtrauen und der Argwohn, mit dem Konstantinopel — nicht zu Unrecht — den Kreuzzugsheeren, die häufig byzantinisches Gebiet brandschatzten und plünderten, begegnete, schadeten ihrer Sache; und Konstantinopel hatte angesichts der Angriffslust der westlichen, vom Kaiser befehligten Heere, allen Grund, für die Sicherheit seines Reiches zu fürchten. Dieses Bild zeichnete sich bereits deutlich während des ersten Kreuzzuges ab, der, jedenfalls was Europa anlangt, die unbestrittene Führungsstellung des Papsttums begründete und bestätigte, eines der zahlreichen Vermächtnisse Gregors V I I . Betonung verdient die Tatsache, daß am ersten Kreuzzug, den das Papsttum so erfolgreich in die Wege geleitet hatte, fast keine Deutschen teilnahmen. Das erklärt sich dadurch, daß der Zwist des Papsttums mit dem Reich noch weit davon entfernt war, zur Zufriedenheit beider Parteien beigelegt zu werden. Daß die Abkommen mit England und Frankreich verhältnismäßig mühelos zustande kamen, lag daran, daß keines dieser Länder in wirtschaftlicher oder strategisch-militärischer Hinsicht an Italien interessiert war und ihre Könige nicht nach dem Kaisertum trachteten; ihre Beziehungen zum Papsttum waren niemals so eng wie die des deutschen Königtums. Die Geschichte lastete schwer auf dem Papsttum in seinem Verhältnis zum Deutschen Reich. Wilhelm der Eroberer bewies ganz ohne Zweifel bei der Einsetzung seiner Bischöfe eine gute Hand, aber das Papsttum war ihm dafür nicht unbedingt erkenntlich, denn ihm ging es in erster Linie um die Wahrung seiner Grundsätze, und für diese hatte wiederum Wilhelm wenig übrig. Vom päpstlichen Standpunkt hätte die Herrschaftsausübung Wilhelms viel strengeren Tadel verdient als die Heinrichs IV., und zwar nicht nur wegen der zahlreichen königlichen Bischofsernennungen, sondern auch wegen seiner Gesetzgebung. Urban II. machte Wilhelm II. das Zugeständnis, daß päpstliche Legaten England nur mit königlicher
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Das Zeitalter Gregors V I I . Erlaubnis
betreten
dürften.
Die Beziehungen Anselms von
Canter-
bury zu seinem König waren die eines hochgesinnten Anhängers päpstlicher Grundsätze gregorianischer Prägung zu einem Mann, bei dem sie nicht den geringsten Widerhall fanden. Anselm ging ins E x i l . Nach seiner Thronbesteigung rief Heinrich I . den Erzbisdiof zurück, der jedoch, unter Hinweis auf die wiederholte päpstliche und synodale Gesetzgebung zur Investitur, einen Stuhl zurückwies, den er dem König verdankt hätte. Anselm, soeben noch an Synoden beteiligt, die das Verbot der Laieninvestitur eingeschärft hatten, ging ein zweites Mal ins Exil. Diese seine Reaktion stieß aber nicht nur beim König, sondern auch bei der überwiegenden Mehrheit der englischen Bischöfe auf Widerstand. Übereinstimmend wurde ihm entgegengehalten, daß die Investitur durch den König guter alter Brauch sei. Unter dem Eindruck der Geschlossenheit dieser Opposition legte Anselm dem Papst nahe, das allgemeine Verbot für England zu lockern. Bei Paschalis I I . stieß indessen dieser Vorschlag auf trotzige Ablehnung. Um sich nun den angekündigten kirchlichen Strafmaßnahmen zu entziehen, Schloß Heinrich I . endlich (im Juli 1105) mit Anselm eine Übereinkunft, durch die er auf die Investitur mit Ring und Stab verzichtete; Anselm seinerseits gestand den Bischöfen die Ablegung des Lehnseides zu. Diese Regelung bedurfte der Bestätigung durch den Papst, die schließlich auch erfolgte. W e d e r in Frankreich noch in England ergaben sich zusätzliche Probleme. Der deutsche König hingegen war sozusagen der voraussichtliche Kaiser der Römer, an dem der Papst als seiner eigenen Schöpfung immer schon ein maßgebliches Interesse hatte und weiterhin haben sollte. Nach dem Zusammenstoß mit dem deutschen Herrscher hätte es sehr wenig staatsmännisches Geschick bezeugt, auch gegenüber den westlichen Königen eine starr dogmatische Haltung zu beziehen. Dies war der Leitgedanke einer päpstlichen Politik, die im späten 11. Jahrhundert begann, im 12. und 13. Jahrhundert klarere Züge annahm und zur Folge hatte, daß das Königtum in England und Frankreich Kräfte sammeln und fast ungehindert durch das Papsttum sich stetig
emporarbeiten
konnte, während Deutschland mit seinen italienischen Interessen und seinen starken Bindungen an das Papsttum ideologisch, kirchlich und militärisch zum Schlachtfeld der Parteien wurde. Der Hauptgrund dafür, daß sich in Deutschland der Ausgleich im späten 11. und frühen 12. Jahrhundert verzögerte, lag aber nicht nur in dieser engen, historisch bedingten Verstrickung Deutschlands in die italienischen und päpstlichen Angelegenheiten,
sondern auch in der
Macht und dem Reichtum der deutschen Bischöfe und Äbte, die in dieser Hinsicht ihre Amtsbrüder in England und Frankreich weit in den
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
Schatten stellten. Obgleich es vor seiner Thronbesteigung im Jahre 1106 zunächst nicht so ausgesehen hatte, bezog Heinrichs IV. Zweitältester Sohn, Heinrich V., in der Investiturfrage einen Standpunkt, der sich in nichts von dem seines Vaters unterschied. Sein Streben nach der Kaiserkrone führte schließlich eine Entscheidung herbei. Mit einem mächtigen Heer zog er nach Rom, um vom Papst, der ja als einziger die kaiserliche Würde übertragen konnte, die Krönung zu erzwingen. Noch vor der (verunglückten) Krönung gelangten Paschalis und Heinrich als kaiserlicher Anwärter zu einer Übereinkunft. Der Papst fand sich bereit, die Bischöfe zu veranlassen, alle ihre weltlichen Positionen und Rechtstitel, wie sie unter den sogenannten Regalien zusammengefaßt waren, preiszugeben, sodaß sie in Zuknuft von Opfergaben und Almosen der Gläubigen hätten leben müssen. Die Bischöfe und Äbte sollten also dem König ihre sämtlichen Güter, Besitztümer, Minen, Hundertschaften usw. zurückgeben. Als Gegenleistung war der König bereit, das Recht auf Investitur aufzugeben — eine leere Geste, da die Bischöfe ohnehin jede Bedeutung für das öffentliche Leben verloren hätten. Als aber bei Gelegenheit der geplanten Kaiserkrönung am 12. Februar 1111 Paschalis diesen Vertrag verlas, entstand in der St. Peters-Basilika ein solcher Aufruhr, daß es unmöglich war, die Krönung durchzuführen. Geistliche wie weltliche Fürsten stellten sich mit großer Entschiedenheit gegen diese Regelung, jene, weil sie von der Stellung mächtiger Fürsten zu einem Leben in Armut und Elend herabsinken würden, diese, weil sie den plötzlichen, durch eine so beträchtliche Besitzanhäufung verursachten Machtzuwachs des Königs fürchteten. Der Papst weigerte sich, mit der Krönung fortzufahren, worauf Heinrich V. kurzen Prozeß machte, Paschalis mitsamt seinen Kardinälen gefangennahm und in einer „ehrenvollen" Haft außerhalb Roms festhielt. Nach zwei Monaten war Paschalis' Widerstandskraft gebrochen, und er gab nach: er gestand Heinrich die Fortsetzung der Investitur mit Ring und Stab zu und gab sich mit dem bloßen Versprechen des Königs zufrieden, keine kanonischen Wahlen zu behindern — wiederum eine bloße Geste; außerdem erhielt Heinrich die päpstliche Zusage einer vollständigen Amnestie für sein Verhalten am 12. Februar, verbunden mit der Versicherung, er werde niemals gebannt werden. Am 13. April 1111 fand die Kaiserkrönung statt. Der rechtlichen Form und Sprache nach ein päpstliches Privilegium (da das Papsttum Rechte zugestanden hatte), war dieses Abkommen nach allen Regeln ungültig. Es war die Folge einer Erpressung, da der Papst als Gefangener kein freier Verhandlungspartner war. Unabhängig davon erregte aber schon der Inhalt der neuen Regelung, sobald er bekannt wurde, in der westlichen Christenheit, natürlich Deutschland
Das Zeitalter Gregors VII. ausgenommen, einen Sturm der Entrüstung. Das Privilegium ein Pravilegium
159 wurde als
gebrandmarkt, weil es alles zugestand, was so lange
Zeit durch das Papsttum, die Synoden und die überwältigende Meinung in der Kirche verurteilt worden war. Die bis in alle Einzelheiten gehenden Rechtfertigungsschreiben Paschalis' II. und, unabhängig von ihnen, Heinrichs V., in denen beide die Vorzüge der Übereinkunft hervorhoben, riefen nur noch mehr Proteste hervor. Die Opposition war vor allem in Frankreich stark, wo Erzbischof Guido von Vienne und Abt Gottfried von Vendóme zwar nicht das Papsttum, wohl aber diesen Papst scharf kritisierten. Der Primas von Frankreich, Erzbischof Joscelin von Lyon, spielte mit dem Gedanken, eine Synode einzuberufen und das Privilegium
als häretisch verdammen zu lassen. Nur Ivo von
Chartres war es zu verdanken, daß die Gefahr eines Schismas abgewendet wurde. Auf der Lateransynode vom März 1112 wurde Paschalis sich der Stärke des Widerstandes bewußt und nahm nahezu alle seine Zugeständnisse mit der Erklärung zurück, er verwerfe und verdamme alles das, was Gregor V I I . und Urban I I . verworfen und verdammt hätten. Auch die französische Synode vom Jahre 1112 erklärte die Urkunde für null und nichtig, verdammte die Laieninvestituren als ketzerisch, bannte Heinrich V. als einen zweiten Judas und bedrohte Paschalis mit der Absetzung, falls er die (französischen) Synodaldekrete nicht bestätige. Paschalis kam zwar diesen Forderungen nicht sogleich öffentlich nach, zumal er sich durch den Schwur, Heinrich wegen seiner Gefangennahme nicht zu bannen, gebunden fühlte; seine Legaten, die Kardinäle Kuno (von Palestrina) urfd Dietrich, belegten jedoch den Kaiser mit dem Bann. Die Lateransynode vom März 1116, unter dem Vorsitz von Pachalis tagend, machte sich die Ansichten der französischen Synode von 1112 zu eigen, erklärte die Laieninvestitur für ketzerisch und bestätigte die Handlungsweise der Kardinäle, wodurch sich die formelle Wiederholung des über Heinrich verhängten Banns erübrigte. Sogar in Deutschland war die Stimmung inzwischen fast ganz auf die gregorianische Linie umgeschlagen, und der von Heinrich V . ernannte Gegenpapst
(Gre-
gor V I I I . ) , führte ein bloßes Schattendasein. Der lang hingezogene Zermürbungskrieg begann Früchte zu tragen. Die Entschiedenheit und Konsequenz, mit der der päpstliche Standpunkt (allerdings nicht immer durch den Papst selbst) festgehalten worden war, bereitete schließlich auch in Deutschland den Boden für eine endgültige Übereinkunft mit dem Papsttum. Im wesentlichen unterschied sie sich nicht von den Abkommen mit England und Frankreich ein Vierteljahrhundert vorher. Die Verhandlungen, die im Frühjahr 1119 begannen, zogen sich zwar sehr lange hin, aber am Ende bestimmte
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
die allgemeine Erschöpfung, die auf deutscher Seite herrschte, auch den Kaiser und seine Räte zum Einlenken. Das Konkordat, ein echter Kompromiß, dem Monate harten und intensiven Feilschens und Verhandeins geduldiger und geschickter Gesandter vorausgegangen waren, setzte fest, daß der König (oder Kaiser) auf die Investitur mit Ring und Stab verzichtete und zumindest die höheren Geistlichen kanonisch, d. h. frei und ohne Einflußnahme seitens des weltlichen Herrschers gewählt werden sollten, um anschließend durch den Metropoliten in ihre Kirchenämter eingeführt zu werden. Der König durfte bei der Wahl immerhin anwesend sein; im Falle einer Meinungsverschiedenheit sollte die sogenannte pars sanior entscheiden (d. h., der, was Stellung und Autorität betraf, gewichtigere und bedeutendere Teil der Wähler, nicht einfach die zahlenmäßige Mehrheit) ; der König hatte das Urteil des Metropoliten und der Bischöfe der Provinz zu beachten. Nach seiner Wahl, und zwar in Deutschland noch vor der Weihe, wurde der Kandidat vom Herrscher mit der Übergabe des Szepters in sein Lehen eingesetzt; in Burgund und Italien sollte die Weihe vorausgehen und die herrscherliche Belehnung ihr innerhalb von sechs Monaten folgen. Diese Regelung war nur als ein Provisorium gedacht, aber, wie es mit solchen Provisorien eben geht, sie neigen dazu, in einen dauerhaften Zustand überzugehen. So geschah es auch mit jenem Vertrag, der am 23. September 1122 in Worms geschlossen wurde. Das sogenannte Wormser Konkordat war voller Problematik. Die Rechte, die dem König zugestanden wurden, galten nur für Heinrich V. persönlich, während er seine Zugeständnisse an die Institution des Papsttums, nicht an den Papst, Calixt I I . , den ehemaligen Erzbischof von Vienne (s. o. S. 159) machte. Der Grundsatz der pars sanior bedeutete zusammen mit der Bestimmung über die Anwesenheit des Königs bei der Wahlhandlung geradezu eine Einladung, den königlichen Willen zum entscheidenden Faktor werden zu lassen, obgleich der König sich später nicht persönlich an der Wahl beteiligte. Ferner kamen die Wähler selbst — gewöhnlich die Domkapitel — in ihrer überwältigenden Mehrheit aus dem Adel, dessen Einfluß auf die Wahlen somit legalisiert wurde. Einige dieser Schwierigkeiten ließen sich solange nicht aus der Welt schaffen, wie das Papsttum noch nicht über eine eigene Rechtsinstitution und Organisation verfügte, womit es in gewisser Hinsicht die Wahlen zu den höheren Kirchenämtern kontrollieren konnte. Das aber war erst ein Jahrhundert später der Fall. In einem Punkt war das Wormser Konkordat klar und unzweideutig: das Eigenkirchenwesen — aus päpstlicher Sicht das anstößigste aller germanischen Systemelemente — wurde beseitigt, Kirchenamt und Kirchenlehen scharf voneinander unterschieden. Ersteres war ausschließlich Sache des Kle-
Das Zeitalter Gregors VII.
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rus, den Laienhände nicht besudeln durften, und Ring und Stab erhielten ihre ursprüngliche Bedeutung als kirchliche Symbole zurück. Das kirchliche Beneficium andererseits war ausschließlich Sache des Laienherrschers und sollte in der damals üblichen Weise, nämlich durch das Szepter, übertragen werden. Aber die überragende Bedeutung dieser Ubereinkunft lag darin, daß die Einflußnahme des Herrschers auf Zusammensetzung, Aufbau und Organisation des kirchlichen Wahlkörpers ausgeschlossen wurde. Im großen und ganzen erfüllte das Konkordat, eben weil es ein bloßer Kompromiß war, seinen Zweck, indem es der traurigen Auseinandersetzung ein Ende bereitete. Dieser Kompromiß bezeugt aber auch, daß die geistlichen und weltlichen Fürsten Deutschlands nunmehr den jurisdiktionellen sowie den Lehrprimat des Papsttums anerkannten. Die Laieninvestitur war endgültig abgeschafft, der italienische Episkopat wurde durch die Konkordatsregelung nahezu vom Kaiser unabhängig. Offensichtlich zeigte Worms auf diese Weise den Niedergang der königlich-kaiserlichen Macht in Deutschland an. Durch das erste Laterankonzil vom Jahre 1123 wurde das Abkommen feierlich ratifiziert. Zwischen Heinrich III. und seinem Enkel, Heinrich V., in den Jahren 1046 bis 1122, hatten sich Stellung, Macht und Ansehen des Papsttums grundlegend verändert. Aber der Institution fehlte noch die Verfassung und das Rechtssystem, die den Aufgaben und Funktionen des Papsttums als einem Machtzentrum der europäischen Politik angemessen waren.
VIII. SPANNUNGEN UND KONFLIKTE Im 12. Jahrhundert fand sich das Papsttum in zwei Konfrontationen verwickelt, deren jede in engem Zusammenhang mit seinem geschichtlichen Werdegang stand. Spannungen innerhalb der Kurie, die sich zu bitteren Feindseligkeiten im Rahmen der Stadtkirche verschärften und schließlich zum Schisma ausweiteten, waren eine Auswirkung der wiederbelebten Rivalitäten unter den römischen Adelsgeschlechtern. Diese Spannung brach im Kardinalskollegium auf, das den Papst wählte und ihm gleichzeitig als Beratungsgremium zur Seite stand; hier sollten die widerstreitenden Parteiinteressen zuerst aufeinanderstoßen. Es handelte sich freilich nicht einfach um die Wiederbelebung alter Familienfehden, die sich lediglich in das Kardinalskollegium verlagert hätten. Vielmehr war ein neuer Adel entstanden, eine reiche Finanzclique mit ausgedehntem Güterbesitz und weitgefächerten wirtschaftlichen Interessen, auch im internationalen Geldverleih. Die Familie, die sich in den zwanziger Jahren des 12. Jahrhunderts in den Vordergrund geschoben hatte, waren die Pierleoni; ihre Stärke lag fast ausschließlich in den Bargeldkrediten, die sie seit dem Pontifikat Urbans II. dem Papsttum gewährten. Die andere Spannungsquelle war Deutschland; häufig genug überlagerten und addierten sich diese intern-stadtrömischen und die „außenpolitischen" Spannungen. Im Ergebnis des Investiturstreits war die deutsche Herrschaft ernstlich geschwächt. Die Grundlagen des deutschen Königtums, wie sie sich historisch herausgebildet hatten, waren durch die konsequente Verwirklichung der römisch-päpstlichen Ideologie unwirksam gemacht worden. Aber, und das war entscheidend, jetzt, wo das Königtum nicht mehr auf seine germanischen Grundlagen bauen konnte, begann es, die im römischen Kaisertum beschlossenen Möglichkeiten umso kräftiger und lebhafter zu erfassen. Nicht nur der ganze Komplex des römischen Rechts lag bereit, es fehlten auch nicht die Sachverständigen, um es auszulegen; sie waren an den Universitäten, vornehmlich in Bologna, geschult. Diese monarchisch interpretierte, juristisch untermauerte Herrschaft erhob nun Ansprüche, die in den Augen des Papsttums, ihres Schöpfers, mit ihrem Wesen ganz und gar nicht vereinbar waren. Daher die Spannungen und die schweren Konflikte, die seit der Mitte des 12. Jahrhunderts auf das Papsttum wie auf das Reich bedrohliche Schatten warfen.
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Die Vakanz des päpstlichen Stuhles, durch den Tod Calixt's II. im Jahre 1 1 2 4 entstanden, brachte die beiden Fraktionen im Kardinalskollegium in offenen Gegensatz zueinander. Der Partei der Pierleoni, jener reichen Familie, die erst recht kürzlich vom Judentum zum christlichen Glauben übergetreten war, gelang es, die W a h l ihres Kandidaten, des Kardinalpriesters Theobald, unter dem Namen Coelestin II. durchzusetzen. Unmittelbar nachdem er die einstimmige Wahl angenommen hatte, das Te Deum war noch kaum verklungen, drang eine bewaffnete Truppe der Frangipani-Partei unter Führung des Kardinals Aimerich in den Lateran ein und vertrieb gewaltsam den frischgewählten Papst. Dieser legte sein Amt nieder, nachdem er sich in dem Handgemenge Verletzungen zugezogen hatte, an denen er bald darauf starb. Die Kardinäle nahmen den Rücktritt an, schritten ein zweites Mal zur W a h l und entschieden sich für den Kandidaten der konservativen Frangipani, den Kardinalbischof von Ostia, als Honorius II. Genau zur gleichen Zeit bestieg in Deutschland ein neuer Herrscher den Thron, Lothar I I I . von Supplinburg, der von A n b e g i n n an eifrig um eine Einigung mit dem P a p s t t u m bemüht w a r . D i e g e w a n d e l t e Zeitstimmung w i r d am besten veranschaulicht durch Lothars demütige Bitte um päpstliche Bestätigung seiner W a h l , ein sicherlich außergewöhnliches Ansuchen, das dem Papsttum eine neue Möglichkeit der Intervention in deutschen Königswahlen eröffnete. Dieses Gesuch machte deutlich, w i e w e i t g e h e n d d a s päpstliche Programm bereits akzeptiert w o r d e n w a r . Inzwischen griffen aber die Normannen von Süditalien und Sizilien aus A p u l i e n an, das dem Papst als Lehnsherrn unterstand. Durch die Vereinigung A p u l i e n s mit Sizilien bildete sich ein mächtiger und gutorganisierter normannischer Machtblock, eine Situation, die das P a p s t t u m nicht gleichmütig hinnehmen konnte. Der Papst belegte Roger I I . von Sizilien unverzüglich mit d e m Bann und eröffnete gegen ihn einen schlecht vorbereiteten Feldzug. Im Vertrag von Benevent (am 22. August 1128) k a m es jedoch zu einer Einigung mit diesem mächtigen König, deren Bedingungen allerdings mehr die eines Waffenstillstands waren als einer endgültigen R e g e l u n g ; man hatte sich auf einen Kompromiß geeinigt. G e z w u n g e n , sich auf die normannische Frage zu konzentrieren, verbrachte der Papst viel Zeit fern vom Lateran, w o sich unterdessen die Spannungen innerhalb des Kardinalskollegiums verstärkten. Kardinal Aimerich w a r der leitende Kopf in der Kurie geworden, und w ä h r e n d Honorius' Pontifikat übte er einen starken Einfluß auf die Kardinalsernennungen aus. Nach dem Tode des Honorius kam ein erneuter Ausbruch der Rivalität zwischen den Pierleoni und den Frangipani im Kardinalskollegium nicht überraschend. Die sechzehn jüngeren Kardinäle,
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Kurze Gesdiidhte des Papsttums im Mittelalter
die der Partei der Frangipani angehörten und in der Mehrzahl ihr Amt unter Aimerichs Einfluß erhalten hatten, wählten überstürzt den Kardinal Gregor Papareschi zum Papst (Innozenz II.)· Noch in derselben Nacht, nur einige Stunden später (am 13.—14. April 1130) weigerten sich die übrigen vierzehn Wahlkardinäle, die über die Machenschaften ihrer Kollegen völlig im Dunkeln gelassen und vor vollendete Tatsachen gestellt worden waren, die Gültigkeit dieser „Wahl" anzuerkennen, und schritten in San Marco in Rom zur W a h l des Kardinals Petrus Pierleoni, der sich Anaklet II. nannte. Ebenfalls in derselben Nacht schlossen sich diesen vierzehn Wählern zehn Mitglieder der anderen Partei an, sodaß Anaklet mit Recht behaupten konnte, er habe die Mehrheit des Kardinalskollegiums hinter sich. Anaklet war ein unmittelbarer Nachkomme eines reichen Bankiers, der erst zwei Generationen vorher getauft worden war. Diese Doppelwahl ließ die Mängel des Papstwahldekrets vom Jahre 1059, das für einen Fall dieser Art keine Vorsorge getroffen hatte, zu Tage treten. Die W a h l Innozenz' II. war übrigens unmittelbar im Anschluß an die Beerdigung Honorius' II. vorgenommen worden, der ganz ohne Feierlichkeit und in großer Hast am Abend des 13. April beigesetzt worden war. Gewiß, diese W a h l hatte den zeitlichen Vorrang auf ihrer Seite. Auch wurde Innozenz unmittelbar nach der Akklamation durch die sechzehn Kardinäle inthronisiert; Anaklet andererseits war aber letztlich durch die Mehrheit der Kardinäle gewählt worden. Da keiner der beiden Päpste nachgeben wollte, wurde das Schisma, das bereits bei der W a h l Honorius' II. vor der Tür gestanden hatte, zur Realität. Rom selbst erkannte nur Anaklet II. an, und zwar auf Grund des mächtigen Einflusses, den die Pierleoni auf das Stadtregiment besaßen; ihre Bankiers gaben zur Unterstützung ihrer Kandidaten beträchtliche Summen aus. Innozenz II. mußte aus der Stadt fliehen. Das Papsttum als Institution litt unter diesem Schisma weniger als man erwartet hätte. Es ging ersichtlich nicht um Grundsätzliches; augenscheinlich war aber die brutale Wahlmanipulation, die ihrerseits die Mängel des Wahlverfahrens aufdeckte. Es wurde deutlich, daß gänzlich unpäpstliche, um nicht zu sagen unkirchliche, Interessen auf die W a h l maßgeblich Einfluß nehmen konnten. Die Wurzeln der Illegalität lagen nicht mehr außerhalb der Kurie, sondern im Schöße des Kardinalskollegiums. Nicht-kirchliche Interessengruppen benützten dieses kleine, abgeschlossene Gremium als Operationsfeld und brachten in ihm ihre Forderungen laut und vernehmlich vor. Weiterhin ist von Interesse, daß es nicht länger von den Stadtrömern, sondern ausschließlich von den europäischen Großmächten abhing, welcher der beiden Rivalen anerkannt wurde. Paradoxerweise zeigte dieses Schisma endgültig, welche
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Stellung das Papsttum in Europa erlangt hatte. Da es, wie gesagt, schwerlich um grundsätzliche Fragen ging, verfielen die Schriften und öffentlichen Kundgebungen zugunsten des einen oder des anderen Papstes leicht in einen Ton der Verleumdung und Hetze; die Partei Innozenz' I I . entwickelte hierin eine besondere Boshaftigkeit, indem sie in ziemlich undiristlichem Geist die jüdische Herkunft Anaklets I I . zur Hauptzielscheibe ihrer Polemik machte. Obgleich Anaklet in R o m der unbestrittene Herr war, hatte Innozenz zweifellos die volle Unterstützung des Auslands. Die drei entscheidenden Mächte waren Frankreich, England und Deutschland, und in allen drei Ländern setzten sich einflußreiche Kräfte für Innozenz ein, der enge Beziehungen zu den alten und neuen Mönchsorden unterhielt. In Frankreich war es Bernhard von Clairvaux — er sollte bald der ungekrönte Kaiser Europas werden — , der die französische Regierung und den Klerus überredete, Innozenz als rechtmäßigen Papst anzuerkennen: auf der Synode von Étampes im September 1130 wurde Innozenz feierlich und förmlich als Nachfolger Petri bestätigt. Nur wenige Monate später folgte Heinrich I. von England dem Vorbild Ludwigs V I . von Frankreich; Innozenz verdankte seine Anerkennung durch Heinrich unter anderem auch den Überredungskünsten Bernhards. In Deutschland war der Gründer des Prämonstratenserordens Norbert von Xanten ein eifriger Verfechter der Sache Innozenz', den Lothar, die hohe Geistlichkeit und die weltlichen Fürsten als Haupt der Christenheit anerkannten: die Synode von Würzburg vom Oktober 1130 erklärte für das Reich förmlich die Gefolgschaft gegenüber Innozenz. Dieser Haltung schlossen sich große Teile des christlichen Spanien und die meisten Bischöfe der Lombardei an. Obwohl Anaklet außer in Rom nur in Schottland und Sizilien (Roger I I . ) Anerkennung fand, zeitigten die gemeinsamen Anstrengungen Bernhards, Lothars und Innozenz' selbst, Anaklet zu verdrängen, keinerlei Erfolg. In der Zwischenzeit war Lothar von Innozenz I I . in der Lateranbasilika zum Kaiser gekrönt worden, da die Leostadt und der Vatikan fest in der Hand Anaklets und seiner Streitkräfte waren. Aber sobald sein kaiserlicher Beschützer die Stadt verlassen hatte, erwies sich Innozenz als zu schwach, um seine Schattenexistenz in Rom zu behaupten: wieder mußte er im Ausland Zuflucht suchen. Versuche, das Schisma dadurch zu beenden, daß die Sachfragen einem aus je drei Kardinälen von jeder Seite zusammengesetzten Tribunal vorgelegt wurden, schlugen fehl. Erst der Tod Anaklets am 25. Januar 1138 beendete diese makabre Episode, die so ganz und gar bar aller Ideen und Grundsätze war, denn Anaklets Nachfolger, Kardinal Gregor Conti (Viktor I V . ) , unterwarf sich Innozenz nach knapp zwei Monaten.
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Kurze Gesdiichte des Papsttums im Mittelalter
Aber obgleich die dreißiger Jahre wenig zum päpstlichen Ideengehalt beitrugen, verdienen einige Züge dieser Zeit nähere Betrachtung. Zunächst ist zu erwähnen, daß Frankreich dem Papsttum Obdach gewährte und damit eine Tradition fortsetzte, die ganz unauffällig unter Urban I I . , der Herkunft nach selbst Franzose, ihren Anfang genommen hatte. Da Rom sich als so unsicherer Sitz für das Papsttum erwiesen hatte, hatten einzelne Päpste recht häufig im Ausland Zuflucht nehmen müssen, wobei meistens Frankreich das Gastgeberland gewesen war. Die Beziehungen zwischen dem Papsttum und Frankreich wurden langsam, aber sicher zu innigen Bindungen. Denn der Gedanke des theokratischen Königtums fiel in Frankreich auf besonders fruchtbaren Boden. Diese Idee des „Königs von Gottes Gnaden" hatte ihren Ursprung in der Legende Chlodwigs, derzufolge bei seiner Taufe ein Fläschchen mit heiligem ö l vom Himmel gebracht worden war, mit dem alle rechtmäßigen Könige Frankreichs gesalbt werden sollten. Die Legende vom heiligen ö l war zwar bereits zu Zeiten Hinkmars im 9. Jahrhundert in Frankreich allgemein bekannt; erst bei der Krönung des jungen Ludwig V I I . durch Papst Innozenz I I . in Reims im Oktober 1131 wurde aber das Chlodwigs-Öl erstmals für eine Königssalbung verwendet — und zwar durch den Papst. Von da an gab dieses Öl dem französischen König die besondere Würde des „allerchristlichsten" unter den europäischen Königen; die politische und verfassungsmäßige Entwicklung Frankreichs wurde zu einem guten Teil von der Wirkung dieser Legende unterstützt. Beide, das Papsttum und die französische Monarchie, zogen wechselseitig in erheblichem Maße Nutzen aus dem theokratischen Gedankengut. Die Entfaltung der Theologiestudien und die folgende Herausbildung der französischen Universitäten, insbesondere der von Paris, die von gewaltigen geistigen und wissenschaftlichen Fortschritten begleitet war, erfreuten sich voller Unterstützung von selten des Papsttums, dessen Ideen, zumal in politischen Fragen, bei den französischen Königen auf Verständnis und Anteilnahme trafen. Frankreich sollte die Hochburg der mittelalterlichen Scholastik werden, in seinem Königtum die theokratische Herrschaftsidee ihre sichtbarste Verwirklichung finden. Von Frankreich auch wird das Papsttum später vernichtende Schläge empfangen, eben weil hier der monarchische Gedanke mit Hilfe des Papsttums so tiefe Wurzeln geschlagen hatte (s. u. S. 258 ff.). Es war sicherlich kein Zufall, daß dem Papsttum in den dreißiger Jahren eine nicht unwichtige Rolle als Schiedsrichter in einem neuen geistigen Bereich zufiel, der aber weit über den unmittelbar akademischen Rahmen hinausstrahlte. In Frankreich entfaltete Abälard seine unmittelbare Wirkung, einer der geistreichsten Köpfe des Mittelalters.
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Er provozierte heftige Reaktionen der konservativen Kräfte mit der nachdrücklich festgehaltenen Überzeugung, daß der W e g zur Wahrheit beim Zweifel beginne; nichts sollte ohne kritische Prüfung geglaubt werden. Ein derartiger Standpunkt konnte auf die traditionelle Weltanschauung, die den reinen Glauben zum Fundament hatte, verheerende Auswirkungen haben. Abälards Lehre fand sogleich ihre Anhänger. Sie mußte auf leidenschaftlichen Widerstand stoßen, da die Grundlagen der Gesellschaft und die allgemein akzeptierte Weltsicht durch sie ernsthaft bedroht schienen. Heftige und scharfe Angriffe Bernhards von Clairvaux auf dem Konzil von Sens im Jahre 1 1 4 0 brachten es dahin, daß eine Reihe von Abälards Lehren als ketzerisch verdammt wurden. Abälard appellierte selbst an das Papsttum; Innozenz II. bestätigte das Urteil und erlegte Abälard ewiges Schweigen auf. Dieser Fall beweist nicht nur, daß das Papsttum in so komplizierten theologischen und philosophischen Fragen, wie Abälard sie aufgeworfen hatte, als letztinstanzlicher Richter anerkannt war, sondern darüber hinaus, wieviel Einfluß Bernhard auf das Papsttum hatte und wie genau er und Innozenz die philosophischen, theologischen und vor allem die herrscherlichen Konsequenzen erfaßten, die, zumal im französischen Bereich, in Abälards Gedankengebäude miteinbegriffen waren. Genau zur selben Zeit machten sich in Italien die ersten grollenden Anzeichen eines Volksaufstandes gegen den höheren Klerus und auch unmittelbar gegen das P a p s t t u m fühlbar. A n f ü h r e r dieser Bewegung, d i e zunächst örtlichen C h a r a k t e r hatte, w a r der Augustinermönch Arnold von Brescia, der A b ä l a r d s Denkansatz auf die sozialökonomische Ebene zu verlagern schien. Zunächst in Brescia, bald auch in großen Teilen Italiens, einschließlich Roms, g e w a n n er mit seinen demagogischen Angriffen auf die von der hohen Geistlichkeit angehäuften Reichtümer viele Anhänger. Sein Programm gipfelte in der Forderung, der Klerus solle zur apostolischen A r m u t zurückkehren und von freiwilligen Almosen der Gläubigen leben. W i e d e r e r k a n n t e n die herrschenden Kreise die Gefahren, die in diesen Ansichten beschlossen lagen; Innozenz II. verurteilte A r n o l d auf dem zweiten Laterankonzil vom J a h r e 1139 als Schismatiker und Ketzer — nicht ganz klar ist, w a s genau ihm zur Last gelegt w u r d e — und verbannte ihn aus Italien. A r n o l d w a n d t e sich nach Frankreich, w o er sich Abälard zugesellte; er fuhr fort, in der Öffentlichkeit zu lehren und zog, w i e zu e r w a r t e n , die A u f m e r k s a m k e i t der Geistlichkeit auf sich, die ihn (zusammen mit A b ä l a r d ) in Sens verurteilte; ebensowenig u n e r w a r t e t verbannte ihn nun der französische König seinerseits aus Frankreich. Die R e a k t i o n e n des hohen Klerus, des Papsttums und des französischen Königs w a r e n deshalb vorhersehbar, w e i l A r n o l d die G r u n d l a g e n einer jeden dieser Institutionen an-
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griff. Sein späterer Lebensweg führte ihn nach Rom, wo zur Hauptzielscheibe seiner Angriffe das Papsttum und zu seinem Hauptziel die Errichtung einer römischen Republik wurde. Arnold und Abälard können als Vorläufer neuer Entwicklungen gelten, von denen das Papsttum in ganz vordringlicher Weise betroffen werden sollte. Ebenfalls während des Pontifikats Innozenz' II., aber äußerlich ohne päpstliches Zutun, bildete sich eine neue Kraft heraus, die das Papsttum ganz unmittelbar und entscheidend anging — das kanonistische Rechtsstudium an der Universität von Bologna. Im Jahre 1 1 4 0 verfaßte hier der Camaldunensermönch Gratian, der eigenen Absicht und dem Ergebnis nach, ein Lehrbuch des kanonischen Rechts, in dem er sich der neuen dialektischen Methode bediente, um die zahlreichen Widersprüche in den Tausenden von päpstlichen Dekreten und den Väteraussagen, von königlichen und kaiserlichen Gesetzen, die er in sein W e r k aufgenommen hatte, zu beseitigen. Zu Recht ist Gratian der Vater der Kanonistik genannt worden. Kanonistische Bildung übte von da an einen mächtigen Einfluß auf die Rechtswissenschaft ebenso wie auf die Theologie und die Staatslehre aus. Neben einer Schule für römisches Recht gab es an der Universität von Bologna nun auch eine für das Kirchenrecht. Die Entwicklung, die mit der Sammlung des Kirchenrechts (möglicherweise durch Humbert von Silva Candida) in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen hatte, gelangte nun zu einem krönenden Abschluß. Von dem Augenblick an, wo Gratian sein Werk in die Welt setzte, blühte diese Schule des Kirchenrechts auf; ihre praktische Bedeutung lag darin, daß der Kirche und vor allem dem Papsttum endlich geschulte Juristen zur Verfügung standen. Einen juristischen Fachberuf hatte es bisher nicht gegeben. Dieses Angebot von Juristen, die sich im römischen w i e im kirchlichen Recht auskannten, gewann für das Papsttum allergrößtes Gewicht. Als Herrschaftsinstitution mußte es auf Schritt und Tritt mit dem Recht operieren, aber Fachleute mit juristischer Spezialausbildung hatten ihm gefehlt. Es gab intelligente und fleißige Amateure an der Kurie, aber es war klar, daß sie nicht länger genügten, um die weitverzweigten Angelegenheiten des Papsttums zu erledigen. Daher der Eifer, mit dem das Papsttum die Entwicklung der kanonistischen Rechtsschule in Bologna beobachtete; daher auch gleichzeitig das Aufkommen der großen Juristenpäpste, angefangen mit Alexander I I I . (einem Schüler Gratians und Lehrer in Bologna), bis zum 14. Jahrhundert hin. Dieser Tatbestand verdient besondere Erwähnung, da keiner der weltlichen Herrscher eine so gründliche rechtliche Schulung und eine so enge praktische Vertrautheit mit Rechtsangelegenheiten mitbrachte, wie die Päpste sie besaßen. Als Gesetzgeber und Richter
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hatten sie alsbald einen unschätzbaren Vorteil vor allen zeitgenössischen weltlichen Herrschern — sicherlich ein einmaliger Tatbestand in der europäischen Staatengeschichte. Aber nicht nur die Kurie konnte jetzt mit fachlich ausgebildetem Personal besetzt werden, auch die dringend benötigten Sonderabteilungen konnten eingerichtet werden, um der Flut von Berufungen und Beschwerden an die römische Kirche als obersten Gerichtshof der Christenheit Herr zu werden. Indem es diese unzähligen Fälle regelte, wurde das neue Kirchenrecht — in scharfem Gegensatz zum römischen Recht — zu einem lebendigen Recht, das sich unmittelbar aus aktuellen Problemen, aus konkreten Situationen ergab. Das päpstliche Recht fand seine Ausdrucksform in der Dekretale (s. oben S. 8 und S. 12), deren Grundton in der praktischen Anwendung des päpstlichen Jurisdiktionsprimats lag. Erst jetzt, seit der Mitte des 12. Jahrhunderts, nachdem eine ausgebildete Technik zur Verfügung stand, konnte dieser Primatsanspruch den geeigneten Ausdruck finden. Die Tausende von päpstlichen Dekretalen enthielten das Recht, das von einem zum anderen Ende des mittelalterlichen Europa gültig und auf alle Stände und Situationen, auf alles, was für die Wohlfahrt der christlichen Gesellschaft Belang hatte, Anwendbarkeit erheischte. Erst von da an wurde die päpstliche Monarchie zu einer wirklichen und wahren Zentralregierung der Christenheit (soweit diese den päpstlichen Anspruch auf Primat anerkannte), da sie nunmehr die Mittel besaß, den monarchischen Grundsatz in die Wirklichkeit umzusetzen, d. h. das Recht und das es anwendende Gericht. Das besagt nicht, daß Gratians Sammlung neues Rechtsmaterial enthielt. Ganz im Gegenteil, denn sorgfältig und gewissenhaft verwendete er in seinem Werk nur solches Rechtsmaterial, das bereits in frühere Sammlungen aufgenommen war, wie etwa die Hunderte von Auszügen aus Pseudo-Isidor; nur daß eben diese anderen Sammlungen für die Lösung der vielen Widersprüche keinen Ausweg gefunden hatten. Durch die überlegene Kenntnis des römischen Rechts, über die die früheren Sammler nicht verfügt hatten, und die meisterhafte Handhabung der dialektischen Methode begründete Gratians W e r k die echte Wissenschaft der Kanonistik und schuf damit die Voraussetzung für die sach- und fachgemäße Setzung und Anwendung des päpstlichen Rechts. W a s Rom im 9. Jahrhunderts von Reims in der Form eines Rechtsbuchs erhalten hatte, gab ihm im 12. Jahrhundert Bologna in Gestalt der Rechtsgelehrsamkeit. Das Papsttum hatte nunmehr für die Leitung der Christenheit ein anpassungsfähiges, brauchbares Werkzeug zu seiner Verfügung. Ein neues Zeitalter in der Geschichte der Papstmonarchie war angebrochen. Die realistische Erkenntnis der rechtsetzenden Autorität des Papst-
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
turns ermutigte Erzbischöfe, Bischöfe und andere, niederere Glieder der Geistlichkeit, ihm alle nur denkbaren Streitfragen zu unterbreiten. Die Folge war, daß die Kurie mit Rechtsstreitigkeiten aus praktisch allen Teilen der Christenheit, soweit sie nicht Konstantinopel unterstanden, bestürmt, um nicht zu sagen überflutet, wurde. Kein anderer beschreibt uns die Sachlage lebendiger als Bernhard von Clairvaux, dessen Schüler, der Zisterzienserabt Bernhard von Pisa, Papst Eugen I I I . geworden war. Zu diesem Zeitpunkt, in den vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts, war ganz deutlich geworden, daß das Papsttum trotz der Probleme, mit denen es in Rom zu tun hatte, in ganz Westeuropa als Herrschaftsorgan anerkannt wurde. In seinem W e r k „De consideratione"·, das dem neuen Papst gewidmet war, brandmarkte der „ungekrönte Kaiser Europas" in scharfen Tönen den Lärm und die Geschäftigkeit, die den Besucher der Kurie erwarteten: es war wenig von Meditation, von Gebet, von einem Leben zu verspüren, das der Erkenntnis Gottes gewidmet war — kurz, Bernhard meinte, das Papsttum sei allzusehr der Gefahr der Verweltlichung ausgesetzt. W a s den ehemaligen Lehrer des Papstes insbesondere bekümmerte, war, wie er es nannte, das Getöse, das die Gesetze Justinians und die Vermischung des weltlichen mit dem göttlichen Recht erregten. Bernhard fand, es sei nicht Sache des Papstes, sich zu solchen Nebensächlichkeiten herabzulassen. Seine wahre Berufung als Monarch bestünde darin, über und außerhalb der christlichen Gemeinschaft zu stehen und sich nicht in das Gezänk ihrer Glieder einzulassen. Bernhards Traktat übte einen mächtigen Einfluß auf die kommenden Papstgenerationen aus, denn in unnachahmlicher, prägnanter Sprache legte er eine Reihe fundamentaler Thesen nieder, die sich in den amtlichen Verlautbarungen späterer Pontifikate erkennbar wiederfinden. Bernhard versuchte, die Lehre von der Mittlerschaft des Papstes zwischen Gott und den Menschen logisch weiterzuentwickeln; für ihn war der Papst „Fleisch vom Fleisch Gottes, Geist vom Geist Gottes" und hatte daher „in seiner Eigenschaft als Papst nicht seinesgleichen auf Erden" . Folglich umfaßte seine Herrschaft die ganze W e l t , da er der alleinige Stellvertreter Christi auf Erden war. Königliche und priesterliche Gewalt waren auf einzigartige Weise in ihm vereint, er war der „höchste Priester und König". Bernhard gab der Zwei-Schwerter-Theorie ihre endgültige Formulierung; sie wurde die im Mittelalter allgemein anerkannte Allegorie der höchsten Herrschaftsgewalt. Ihrzufolge besaß der Papst beide Schwerter (die Stelle 22. 38 im Lukasevangelium diente als Grundlage), nämlich das sogenannte geistliche Schwert, das er selbst führte, und das weltliche (das wirkliche) Schwert, das er an den weltlichen Fürsten weiterreichte, auf daß dieser es für ihn nach seinem
Spannungen und Konflikte
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Willen führe. Hier verlieh der Heilige einfach der alten paulinisdien Auffassung allegorischen Ausdruck, indem er begründete, weshalb der Fürst überhaupt ein Schwert besaß — nämlich zur Unterdrückung und Ausmerzung des Bösen. W a s die Grundfragen der christlichen Gesellschaft anging, so konnte allein der Papst autoritativ festsetzen, was böse sei und der Ausmerzung bedürfe — so lautete Bernhards Botschaft. Diese Allegorie war schon seit der Kaiserkrönung vom J a h r e 8 2 3 immer wieder symbolisch veranschaulicht worden: während der Krönungszeremonie übergab der Papst dem Kaiser das Schwert. Die Symbolik ließ keinen Zweifel an der Bedeutung dieser Geste zu, da das Schwert vom Altar Petri genommen wurde (die entsprechende Symbolik war die des Palliums, das vom selben Altar genommen wurde). Eben auf Grund seiner erhabenen Auffassung vom Papst als Weltherrscher verabscheute es Bernhard, daß sich der päpstliche Gerichtshof mit allen möglichen kleinlichen Zänkereien abgab: die päpstliche Autorität sollte ihre volle Stärke in jenen Angelegenheiten entfalten, die Aufbau, W o h l
und
Zweck der christlichen Gemeinschaft wesentlich betrafen. Die Autorität des Papstes sollte direktiv wirken, — die Ausführung dessen, was verfügt war, lag nicht in seiner Hand (oder der des Priesters), denn zu eben diesem Zweck gab es ja den weltlichen Fürsten, der das Schwert führte. Nach Bernhard sollte der Papst der höchste monarchische Aufseher (der speculator)
aller Christen sein. Dem lag die Auffassung zu-
grunde, jeder, ob Papst, König oder Kaiser, habe die ihm zustehenden Funktionen wahrzunehmen. Die christliche Gemeinschaft war ein organischer Leib, der nur lebensfähig blieb, wenn jedes seiner Glieder innerhalb des ihm zugewiesenen Bereichs auf dasselbe Ziel hinarbeitete; andernfalls würden Unordnung und Anarchie entstehen und die christliche Gemeinde am Ende zusammenbrechen. Die tiefe Wirkung, die dieser Traktat auf das Papsttum
ausübte,
wurde bereits erwähnt. E s ist deshalb kein Zufall, daß der Papst sich von nun an als Stellvertreter Christi bezeichnete, ein Begriff, der im Grunde dasselbe besagte wie die Bezeichnung „Nachfolger P e t r i " , der aber noch deutlicher herausstellte, daß Petrus von Christus selbst mit stellvertretender Gewalt ausgestattet worden war und daß der Papst als sein Nachfolger ebenso stellvertretend handelte, wie Christus gehandelt hätte. Diese Vorstellung vom Papst als dem Stellvertreter Christi betonte also das Verhältnis der päpstlichen Gewalt zu Christus selbst. Eugen I I I . , der getreue Schüler Bernhards, erklärte kurz und bündig, die ganze W e l t wisse ja, daß Christus dem heiligen Petrus alle Rechte des irdischen und des himmlischen Reichs anvertraut habe. Während Eugens Pontifikat bot sich aber keine rechte Gelegenheit zur Entfaltung dieser Ansprüche, obwohl das Papsttum gleichzeitig die
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Kurze Gesdiidite des Papsttums im Mittelalter
Ausweitung seines Einflußbereiches bis nach Irland erlebte, wo der Kardinallegat Johannes Paparo im Jahre 1152 einer nationalirischen Synode vorsaß, die die irische Diözesangliederung festlegte und die römische Liturgie förmlich einführte. Der unmittelbare päpstliche Einfluß dehnte sich ferner bis weit in den Norden aus, wo im Jahre 1150 der Kardinallegat Nikolaus Breakspear die Unabhängigkeit der norwegischen Kirche verfügte, indem er das Bistum Drontheim von Lund abtrennte und es in ein bis über die Faröer- und Orkneyinseln, Island und Grönland ausgedehntes Erzbistum mit zehn Suffraganbischöfen umwandelte. Im selben Jahr begann die schwedische Kirche, den Peterspfennig zu bezahlen, und auf einer großen schwedischen Synode unter dem Vorsitz des päpstlichen Kardinallegaten wurden eine Reihe römischer Dekrete als Gesetze für die skandinavische Kirche verkündet. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wanderten päpstliche Sendschreiben von den sonnigen Küsten des Mittelmeeres bis hinaus zu den von immerwährendem Winter umgebenen Inseln des Nordmeeres. Der zweite Kreuzzug (1147—48), von Eugen III. verkündet, endete zwar mit einem völligen Mißerfolg, hatte aber nichtsdestoweniger einige bemerkenswerte Züge: im Kreuzzugsaufruf wurde, wenn auch als ein zweites, untergeordnetes Ziel, die Durchsetzung des römischen Primats in Konstantinopel genannt. Bernhards Kreuzzugspredigt hatte glänzenden Erfolg, denn nicht nur die Franzosen, die ursprünglich als die einzigen Teilnehmer vorgesehen waren, sondern auch der erste Stauferkönig Konrad III. und sein Neffe, der junge Herzog Friedrich von Schwaben (der spätere Barbarossa), wie auch zahlreiche andere süddeutsche Fürsten entschlossen sich zur Teilnahme. Eine weitere Kreuzfahrt wurde im Norden Europas gegen die Wenden ausgerufen; zu ihrem Führer ernannte der Papst den hochbedeutenden Bischof Anselm von Havelberg. Auch in negativer Hinsicht war dieser Pontifikat für die Geschichte des Papsttums von Bedeutung. Seit den späten vierziger Jahren hatte sich die versteckte Unzufriedenheit der römischen Bevölkerung mit dem Papst in offene Feindschaft umgewandelt, nachdem Arnold von Brescia seine Tätigkeit wieder entfaltet hatte. Seine Bewegung gewann viele Anhänger im niederen römischen Klerus und in dem sich allmählich herausbildenden Stadtbürgertum Roms. Mit großer rednerischer Gewandtheit leitete er „Volksversammlungen", in denen er die Vergangenheit Roms verherrlichte und in scharfen Worten den Reichtum und den Geiz der Kardinäle, aber auch des Papstes anprangerte: der Papst sei „nicht ein apostolischer Mann, sondern ein Mann des Blutes". Diese Vorwürfe, die zweifellos verfrüht kamen und deshalb keinen nachhaltigen Eindruck hinterließen, waren dennoch ein Zeichen für die
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Stimmung großer Teile der römischen Bevölkerung. Arnolds Traum von einer römischen Republik, die, frei von allen Bindungen an das Papst- oder Kaisertum, über die Welt herrschte, sagte den Römern ohne Zweifel zu; aber er brachte auch eine festgefügte Front von Gegnern auf den Plan, die vom Papsttum und den übrigen Kräften der Tradition gebildet wurde und sicher auch Konrad III. in ihren Reihen gesehen hätte, wäre er nicht anderweitig beschäftigt gewesen. Trotz ihrer augenscheinlichen Stärke setzte aber diese konservative Front nicht durch, daß der Papst in Rom wieder festen Fuß faßte. Im Rückblick erscheint diese Phase der Papstgeschichte, die die Pontifikate Innozenz' II. und Eugens III. umspannt, als eine Zeit des Übergangs, in der das Alte sich langsam in etwas Neues umwandelte, das aber immerhin seinerseits auch historisch bedingt blieb. Denn seit der Mitte der fünfziger Jahre des 12. Jahrhunderts nahm die Gestalt des Papsttums viel festere Umrisse an, als sie sie bisher besessen hatte, und dasselbe galt für den vom Papst geschaffenen Schutzherrn des Westens, den römischen Kaiser. Die nächsten Jahrzehnte waren überschattet von scharfen Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser. Dabei ging es jedoch nicht mehr um die römischen oder germanischen Herrschaftsgrundlagen, sondern um Rom in der zweifachen Bedeutung dieses Begriffs: das alte, weltliche und das päpstlich-kirchliche Rom. Aus weiterer Perspektive könnte man fast an eine Neuauflage des Konflikts zwischen dem Papsttum und Konstantinopel im 5. Jahrhundert denken. Die mörderische Auseinandersetzung zwischen dem Papsttum und dem Stauferreich sollte über ein Jahrhundert währen. Der weströmische Kaiser begann nun, das römische Recht für sein Herrschaftssystem einzuspannen. In der Form, die Justinian ihm gegeben hatte, bildete es, vor allem der Codex, eine starke ideologische Festung des Kaisertums. Als sogenannte Kaiser der Römer hielten sich die deutschen Herrscher für die unmittelbaren Nachfolger der alten römischen Caesaren — daher die Bereitwilligkeit, mit der sie das alte römische Recht übernahmen. Die Bearbeitung des römischen Rechts in Bologna gewann für die Kaiser nunmehr unmittelbare Aktualität; seit der Mitte des 12. Jahrhunderts verfügten sie über eine Schicht berufsmäßiger Juristen, also von Kennern jener Wissenschaft, die eine ideologische Stütze des Reichs bildete. Kaum je hat wohl ein Rechtssystem einer Herrschaft so bedeutende Dienste geleistet oder, umgekehrt, eine Herrschaft von einem Rechtssystem (das dieser Herrschaft im Grunde fremd war) so viel ideologische Unterstützung erhalten, wie sie den staufischen Herrschern, in erster Linie Friedrich I., seitens des römischen Rechts zuteil wurde. Zum Verständnis der nun folgenden Auseinandersetzung sollte nicht
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
außer Acht gelassen werden, daß das westliche Kaisertum eine Schöpfung des Papsttums war. Während des ganzen Mittelalters gab es keinen Kaiser ohne die aktive Mitwirkung des Papsttums. Die vorausgehende Entwicklung der Ideologie, die Praxis und das Ritual der Krönung, wie sie sich seit dem 9. Jahrhundert durchgesetzt hatten, unterstrichen zur Genüge dieses Vorrecht des Papsttums. Die fränkischen und deutschen Könige nahmen diesen päpstlichen Standpunkt ohne Vorbehalte an. Sie erlangten die Kaiserwürde, weil das Papsttum ihre demütigen Bitten darum erhörte. Indem der Papst seinen guten Willen (im Fachausdruck favor apostolicus) zeigte, verwandelte sich eine rein deutsche Herrschaft in ein römisch-universales Kaisertum. Schon dadurch, daß der künftige Kaiser den Papst demütig darum bat, zeigte sich, daß er kein Recht und keinen Anspruch auf die Kaisererhebung hatte. Diese Bitte und die unzweideutigen Vorbereitungshandlungen wie dann auch das Krönungsritual selbst schlossen jeden Rechtstitel auf das Kaisertum von dieser Seite aus. Die Institution war ja auch zu ganz bestimmten Zwecken geschaffen worden, nämlich als Schutzmacht für das Papsttum und als Gegengewicht gegen Konstantinopel. Dies war der ursprüngliche Plan, und er erfuhr im Mittelalter keine Veränderung. Um seinen Anspruch auf den römischen Kaiserthron zu rechtfertigen und sein Recht auf universale Herrschaft geltend zu machen (denn die Weltherrschaft war nicht teilbar, s. o. S. 77), mußte der westliche Kaiser eine distanzierte, wenn nicht offen feindselige Stellung gegenüber Konstantinopel beziehen. Insofern stimmten die päpstlichen und kaiserlichen Interessen überein. Aber im „innenpolitischen" Bereich entstand seit der Mitte des 12. Jahrhunderts zwischen Papst und Kaiser ein schriller Mißklang. Die Ursache dafür lag hauptsächlich darin, daß die deutschen Herrscher nicht zwischen Sein und Schein zu unterscheiden vermochten. Dem Schein nach war der vom Papst kreierte Kaiser tatsächlich universaler Herrscher und Nachfolger der römischen Caesaren. Eben weil der alte Herrscher Roms souverän gewesen war und seine Machtfülle im allgemein zugänglichen römischen Recht breit ausgeführt war, unterschied sich der mittelalterliche Kaiser des Westens in seiner Herrschaft bald in keiner Weise mehr vom Kaiser in Konstantinopel (für den natürlich dasselbe römische Recht galt). Diese Akzentverlagerung vom deutschen Königtum auf das römische Kaisertum war der auffälligste Vorgang der Stauferzeit zwischen der Mitte des 12. und der Mitte des 13. Jahrhunderts. Da der Staufer Friedrich Barbarossa dieses weltliche Römertum anstrebte, wird das aktive Interesse verständlich, das er der Universität von Bologna zuwandte und mit dem er das Studium des römischen Rechts förderte. Diese Anteilname zeigte, welch entscheidende Bedeu-
Spannungen und Konflikte
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tung die neue Dynastie den ideologischen Wurzeln ihrer Macht beimaß. Das alte römische Recht war so sehr ihr „eigenes" Recht, daß staufisdie Gesetze und Dekrete in dieses Recht aufgenommen und schließlich zu einem festen Bestandteil desselben wurden. Damit stimmt überein, daß die Kreuzzugsheere, die die Staufer aufstellten, „römische Heere" hießen, ebenso wie die Reichsfürsten manchmal Fürsten der Römer („principes Romanorum") genannt wurden. Den Stauferkaisern schien das römische Recht dem germanisdien Brauchtum überlegen: es lag in schriftlicher Form vor, kam von den wahrhaft christlichen Kaisern des Altertums her, stellte ein Muster an Rechtspflege dar und wurde an den Universitäten des Mittelalters mit aller Gelehrsamkeit ausgelegt. Die Herrschaftstheorie, die in diesem alten römischen Recht enthalten war, bildete das Rückgrat der kaiserlichen Herrschaft, .auf ihr bauten die Absichten und Bestrebungen des römischen Kaisertums im Westen auf. Vor allem aber war das römische öffentliche Recht geradezu wie geschaffen, um der Reichsregierung jene Kontrolle über die Hierarchie zu sichern, die es im Laufe des Investiturkampfes eingebüßt hatte. Und dieses römische ius publicum, das sich auf alles Sakrale, auf die Priester und die Magistratur erstreckte (das ius publicum bestand „in sacris, in sacerdotibus et in magistratibus" wie man in den Digesten im ersten Buch und ersten Titel lesen konnte), war in der Tat ein scharf geschliffenes Schwert in den Händen einer entschlossenen Regierung, wie ja auch später in Frankreich und England, wo Gallikanismus und Anglikanismus aus dieser Sicht historisch und juristisch erklärbar werden. Andererseits war es bei Licht besehen nie die Absicht des Papsttums gewesen, in Gestalt des westlichen Kaisers eine autonome Herrschaft ins Leben zu rufen. Sein Plan war es vielmehr, sich in der Person eines Herrschers einen Beamten namens „Kaiser der Römer" zu verschaffen. Als universale Macht beanspruchte das Papsttum für sich das Recht, einen Schutzherrn auf universaler Ebene einzusetzen, und diese Funktion konnte nur von einem Herrscher wahrgenommen werden, der den Namen „Kaiser der Römer" trug. Nach der Absicht des Papsttums sollte diese seine Eigenschöpfung nur dem Namen und der Erscheinung, nicht seinem Wesen und der Wirklichkeit nach römischer Kaiser sein. Das Papsttum machte nie ein Hehl daraus, daß es für seinen Sohn (den sog. ftlius specialis) niemals Autonomie in dem Sinne geplant hatte, wie sie die römischen Kaiser besessen hatten. Das ganze ausgefeilte Krönungsritual, sein Vorspiel und seine Symbolik einschließlich der Salbung (s.o. S. 81) übermittelten selbst den stumpfsinnigsten Zeitgenossen die Ideen, die ihnen auf Seiten des Papsttums zugrundelagen. Die Übergabe des Schwertes (s. o. S. 170 f.) bedeutete die Ver-
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
leihung physischer Gewalt durch den Papst, und der begleitende Gebetstext erläuterte den Grund, weshalb der Kaiser sie empfing — eine konkrete Darlegung der alten paulinisch-isidorischen Ideen. Um ferner keinen Zweifel an der Rolle dieses vom Papst geschaffenen Kaisertums und an seiner subalternen Beamtenfunktion aufkommen zu lassen, wurden nie Vorkehrungen für die Inthronisation des westlichen Kaisers getroffen; nämlich deshalb nicht, weil ja einem Beamten kein Thron zustand. Dieser bewußte Verzicht auf ein Inthronisationszeremoniell veranschaulichte überzeugend, was das Papsttum mit der Einsetzung dieses Herrschers, der „Kaiser der Römer" hieß, im Schilde führte. Bei weltlichen Königskrönungen war die Thronsetzung ein wesentlicher und feierlicher Akt. Daß sie bei der Kaiserkrönung überhaupt nicht in Erscheinung trat, war deshalb höchst aufschlußreich. Stellt man die kaiserliche und päpstliche Auffassung nebeneinander, die des deutschen Herrschers, der sich für den „wahren" Nachfolger der alten Caesaren hielt und die des Papsttums, das im Kaiser einen Beamten sah, der sein Schwert auf Wunsch des Papstes zu führen hatte, so wird leicht verständlich, wie explosiv die Lage werden konnte, sobald sie sich an den schwelenden Streitfragen entzündete. Dazu kam es Mitte der fünfziger Jahre. Die Jahre 1153—54 können als eine entscheidende Phase in der Geschichte des Papsttums angesehen werden. Innerhalb von sechs Wochen starben Schüler und Lehrer: Papst Eugen I I I . am 8. Juli und Bernhard am 20. August 1153; einige Monate später verschied auch König Roger II. von Sizilien (am 26. Februar 1154). In Deutschland sank König Konrad III. unerwartet am 15. Februar 1152 ins Grab; ihm folgte unverzüglich (am 4. März 1152) Friedrich von Schwaben auf dem Thron, bekannt als Friedrich I. Barbarossa, einer der mächtigsten und begabtesten deutschen Herrscher des Mittelalters, der fast vierzig Jahre lang regierte, während in England der angevinische König Heinrich II. im Dezember 1154 den Thron bestieg — zwei Könige, deren Regierungsziele einander nicht unähnlich waren. Zwei Wochen bevor Heinrich II. den Kanal überquerte, wurde sein Landsmann, Kardinal Nikolaus Breakspear, Papst. Hadrian IV. war ein versierter Diplomat, der überlegt, ausgewogen und zielstrebig regierte. Man kann sagen, daß während seines Pontifikats das Papsttum den Aufstieg zu jener schwindelnden Höhe begann, die es unter Innozenz III. erreichen sollte. Während seiner Regierungszeit machten sich aber auch die ersten Erschütterungen der Auseinandersetzung zwischen dem Papsttum und der Stauferdynastie bemerkbar. Hadrian erbte von seinem Vorgänger einen Beistandspakt, der Anfang des Jahres 1153 mit dem deutschen König geschlossen worden war, den Vertrag von Konstanz, demzufolge die Kaiserkrönung stillschweigend von der Befreiung
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Roms vor der Bedrohung durch Arnold von Brescia und seine Anhän ger abhängig gemacht wurde; der König als der „ergebene und besondere Helfer des Papsttums" (sein advocatus)
sollte außerdem die Stadt
R o m der päpstlichen Herrschaft unterwerfen, den Kirchenstaat verteidigen und bei der Rückgewinnung verlorener Gebiete behilflich sein; beide Parteien sagten sich gegenseitige Unterstützung zu in ihren Bemühungen, die byzantinische Bedrohung Italiens durch den „Griechenkönig" Manuel Comnenos abzuwehren, der dem Vorbild Justinians folgend sich gerade zu einem letzten Feldzug anschickte, um Italien mit Konstantinopel wiederzuvereinen. I m Gegensatz zu seinen unmittelbaren Vorgängern suchte Friedrich beim Papst nicht förmlich um die Kaiserkrönung nach, sondern zeigte ihm einfach seine W a h l in einer Sprache an, die ganz an Justinians hochfahrende Ausdrucksweise erinnerte. Die Kurie fühlte den Stachel zweifellos und erwiderte, der Papst billige die W a h l
„mit dem gütigen
Wohlwollen des apostolischen Stuhles" — also durch eine freiwillige Entscheidung, die am königlichen Hof zweifellos entsprechend verstanden wurde. Während der Vorbereitungen zur Krönung im Jahre 1 1 5 5 ereignete sich der erste Zwischenfall, als der König sich weigerte, gewisse rituelle Dienstleistungen zu erfüllen, aus denen seiner Auffassung nach völlig unannehmbare Schlußfolgerungen hätten gezogen werden können. Obgleich an sich von geringer Bedeutung, war diese Weigerung doch ein Omen. Die Kurie mißtraute ohne Zweifel den Absichten des Staufers. W i e sehr aber auch der Volkstribun Arnold um die Gunst des Königs warb, indem er ihm sogar die Kaiserkrone anbot, wollte Friedrich doch mit dem aufrührerischen Pöbel nichts zu schaffen haben. Arnold wurde gefangen genommen, seinem Gegner, dem Papst, ausgeliefert und gehängt. Die Römer zeigten wenig Begeisterung für den neuen König. Seine selbstbewußte, ja anmaßende Rede beim Einzug in Rom wurde frostig aufgenommen. Rom, so erklärte er, sein Senat und sein Reich seien an die Deutschen übergegangen — die Erklärung durch wen und wie, blieb er schuldig; er sei es, der nunmehr die Gesetze erlasse, nicht das Volk von Rom. Aus Furcht vor Feindseligkeiten und Störungen seitens der Römer mußte die Kaiserkrönung am Samstag dem 18. Juni 1 1 5 5 (anstatt wie üblich am Sonntag) in aller Heimlichkeit vorgenommen werden, um die Römer irrezuführen, all dies in ziemlichem Mißverhältnis zum Anspruch des „Beherrschers der W e l t und Herrn der R ö m e r " , der mit seinen Heeren gekommen war. In den Augen der Römer war natürlich auch Hadrian mit in die Sache verwickelt, und er zog mit dem neugekrönten Kaiser, der sich zu einem raschen Rückzug entschlossen hatte, davon. Die Beziehungen zwischen der Kurie und dem selbstbewußten Kaiser
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verschlechterten sich rasch, als das Papsttum zu der Meinung gelangte, Friedrich habe es versäumt, den Vertrag von Konstanz gegen die Normannen zu erfüllen, die in Süditalien vorrückten und den Kirchenstaat bedrohten. Mangels Unterstützung fand sich Hadrian IV. im Jahre 1156 zu einer Übereinkunft mit König Wilhelm I. von Sizilien (dem Sohn Rogers II.) genötigt, der sich als Lehnsmann des Papstes bekannte. Die alte Beziehung zwischen Papsttum und Normannen w a r wieder hergestellt. Friedrich seinerseits betrachtete nun den Vertrag von Konstanz als vom Papst gebrochen. Noch inmitten dieser gegenseitigen Beschuldigungen kam es zu einem Vorfall, der zeigte, wie tief die Kluft war, die das Papsttum von der Stauferideologie trennte. Auf seiner Rückreise von Rom nach Schweden wurde Erzbischof Eskil im Sommer 1157 in Deutschland gefangen genommen, und trotz wiederholter päpstlicher Aufforderungen schob Friedrich seine Freilassung hinaus. In zwei Sonderschreiben, die von Legaten im Oktober 1157 nach Besançon gebracht wurden, wo der Kaiser gerade Hochzeit feierte, beschwerte sich der Papst über das Verhalten des Kaisers: er solle sich angesichts der erst kürzlich vom Papst empfangenen Wohltaten nicht undankbar zeigen. Bei der öffentlichen Verlesung dieser Briefe durch den kaiserlichen Kanzler Rainald von Dassel wurde der entscheidende Ausdruck „beneficium conferre" im Deutschen (denn der römische Kaiser verstand kein Latein) mit einer lehensrechtlichen Wendung wiedergegeben, die implizierte, daß das Reich ein Lehen und der Kaiser der Vasall des Papsttums sei. Das war schlicht ein Ubersetzungsfehler. Die päpstliche Kanzlei verwendete den Ausdruck „beneficium" ganz in seiner gewöhnlichen und harmlosen lateinischen Bedeutung. Allerdings war es bei dieser Gelegenheit schon demütigend genug für den stolzen Staufer, daran erinnert zu werden, daß er die Kaiserkrome als eine „Wohltat" (ein „beneficium" = wörtlich genommen „bonum factum") vom Papsttum empfangen habe, also nicht als etwas, das ihm von Rechts wegen zustand. Das entsprach aber ganz der Tradition und der Ideologie, wie auch die folgende Korrespondenz deutlich macht. Aber der Schaden war nun einmal angerichtet: ein heftiger Aufruhr entstand, das Leben der Legaten war bedroht, zumal als einer von ihnen, vielleicht nicht ganz zu Unrecht, danach fragte, von wem sonst als vom Papst Friedrich sein Reich erhalten habe. Mit großer Bestimmtheit wurden die Legaten aufgefordert, die Versammlung in Besançon unverzüglich zu verlassen. Man ist versucht, anzunehmen, daß der kaiserlichen Kanzlei dieser Vorfall willkommen kam; Manifeste wurden erlassen, die den Standpunkt der Staufer verkündeten: der Kaiser empfange seine Gewalt unmittelbar von Gott, und die Kaiserkrone sei eine göttliche Wohltat („divinum beneficium"), die Kaiserkrönung durch
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den Papst aber nicht m e h r als ein deklaratorischer A k t von gewisser liturgischer Feierlichkeit, nicht jedoch, wie der Papst behauptete, ein A k t , der den König zum Kaiser der R ö m e r machte. Mit anderen W o r ten, die Krönung w a r ein öffentliches Schauspiel ohne jede verfassungsrechtliche Bedeutung. Hiemit näherte sich der staufische
Standpunkt
der Auffassung von Byzanz und der dortigen Praxis, w o die Krönung durch den Patriarchen die Funktion hatte, die die Krönung durch den Papst nach Meinung der Deutschen haben sollte. Friedrich hatte dies unmißverständlich
angedeutet, als er sich bei vereinzelten
Anlässen
schon zwei bzw. drei J a h r e vor seiner Kaiserkrönung in amtlichen Urkunden als „Kaiser der R ö m e r " bezeichnete. D a ß eines dieser Schreiben sogar nach R o m ging, war eindeutig als ein Gegenschlag auf die päpstliche Bestätigung seiner W a h l zum König gedacht (s. o. S. 1 7 7 ) . Die Deutschen bestanden darauf, daß sie ein Recht auf die Kaiserkrone hätten, weil sich der deutsche König von der A n n a h m e der W a h l an als „König der R ö m e r "
( R e x Romanorum)
bezeichnete und als
solcher
einen Rechtstitel auf die Kaiserwürde (der R ö m e r ) erhob. Mit der Kür zum deutschen König wurde er automatisch „König der R ö m e r " , eine Stellung und Funktion, die die Deutschen seit Heinrich V. durchgehend bezogen und die sie bis in die Neuzeit hielten. E i n e r der Legaten, und zwar derjenige, der die Verlegenheit bereitende Frage gestellt hatte, war der päpstliche Kanzler, Kardinal Roland, der kaum zwei J a h r e später Hadrian I V . auf dem Papstthron
nach-
folgte. W i e erwähnt, war er ein Schüler G r a t i a n s und selbst ein Magister von Bologna gewesen. M i t ihm begann die Dynastie der großen J u r i s t e n p ä p s t e . E i n J a h r vor seiner W a h l jedoch war die Lage für das Papsttum äußerst ernst geworden. W ä h r e n d seines Italienfeldzugs im J a h r e 1 1 5 8 unterwarf Friedrich das halbzerstörte Mailand und die gesamte Lombardei unmittelbar der deutschen Herrschaft. A u f dem berühmten Reichstag von Roncaglia (im S e p t e m b e r 1 1 5 8 ) verkündete er in juristischer
Formulierung
die Hoheitsrechte
des Reichs
in
Nord-
italien, was die Einschränkung, wenn nicht gar die völlige Abschaffung der gut entwickelten
Selbstverwaltung der lombardischen
Städte zur
Folge hatte und, soweit das Papsttum betroffen war, schlicht die Unterwerfung von T e i l e n des Kirchenstaats unter die kaiserliche J u r i s d i k t i o n bedeutete. H i e r in Roncaglia wurde das ideologische Bündnis zwischen dem Stauferreich und den gelehrten Legisten gefestigt. D i e Bedeutung dieses Bundes ist bislang nicht voll erkannt worden. M i t anderen W o r ten, der Kaiser, vom römischen Recht und seinen geschulten
Interpre-
ten kräftig unterstützt, regierte nach Art seines byzantinischen
Amts-
kollegen: Bischöfe und Erzbischöfe wurden einfach eingesetzt, und die
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter
Kirche im Reich, einschließlich Burgunds und der Lombardei, spielte die Rolle eines kaiserlichen Beamtenapparats. Eine eiserne und geschickte Hand hatte begonnen, das Schicksal des Reichs zu gestalten — und dies nicht mehr auf der Grundlage nunmehr veralteter deutscher Traditionen und Bräuche, sondern aufbauend auf dem weltlichen Römertum, dem römischen Redit und seiner Ideenwelt. Seit dem Jahre 1158 war das Reich das sacrum Imperium, das Heilige Reich, ein Begriff, der seine von Gott verfügte Sendung zum Ausdruck brachte und ein Territorium bezeichnete, das auch die sancta Dei ecclesia mit einschloß. Die Bezeichnung des Reichs als „sacrum" (und nicht „sanctum") war eine weitere Entlehnung von Rom und seinem „ius sacrum" (s. oben S. 3, 19 und 27). Nicht nur das römische Recht, auch die begleitenden Fachausdrücke und Attribute für den Kaiser selbst, der sich mehr und mehr in das Gewand eines römischen Caesaren hüllte und eine Reihe altrömischer Attribute annahm, fielen in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Die folgenden Jahrzehnte waren überschattet von der Konfrontation des weltlichen mit dem geistlichen Rom. In der Kurie selbst und vor allem im Kardinalskollegium gab es eine kleine Minderheit, die dieser Wiedererstehung des weltlichen Rom nicht unfreundlich gegenüberstand, wie gekünstelt sie uns auch erscheinen mag. Diese Fraktion zog auch der nach Süden ausgerichteten normannischen Politik Hadrians IV. eine nördlich orientierte Politik vor. Zu beachten ist, daß es nunmehr unterschiedliche ideologische Standpunkte waren und nicht mehr die Reflexe römischer Adelsfehden, die Uneinigkeit in die Kurie trugen. Die Spannung entlud sich anläßlich der W a h l von Hadrians Nachfolger. Diese Veranstaltung (noch immer nicht in allen Einzelheiten erforscht) war ein zügelloses und unwürdiges Spektakel. Eines ist sicher: in ihrer überwältigenden Mehrheit wählten die Kardinalbischöfe den päpstlichen Kanzler Roland, und die Mehrzahl der Kardinalpriester und -diakone schloß sich ihnen an. Kaum war Kardinal Roland gewählt, als die lautstarke Oppositionspartei Kardinal Oktavian als Papst verlangte; in dieser Forderung wurde die Partei von einer Menge von Römern, Laien wie Geistlichen, unterstützt. Das Ergebnis dieser noch nie dagewesenen Ereignisse war, daß Roland, nunmehr Alexander III., und die überwältigende Mehrheit der Kardinäle im Borgho in Rom Zuflucht suchen mußten. Nur eine Handvoll Kardinäle blieb bei Oktavian (Viktor IV.). Vor dem Hintergrund der römisch-rechtlichen Ideologie, der Friedrich so überzeugt anhing, kam ihm diese Situation wahrscheinlich nicht ungelegen. Dafür, daß er oder sein Kanzler Rainald bei den Vorgängen um die W a h l am 7. September 1159 ihre Hand im Spiel gehabt hatten, gibt es allerdings keinen Hinweis. Alexanders erste Amtshandlung
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als Papst war die Exkommunikation des Gegenpapstes Viktor I V . — es lag gerade etwas über zwanzig Jahre zurück, daß das letzte Schisma beendet worden war. Für Friedrich war dies der Anlaß, sich nach Art der römischen Caesaren als Schiedsrichter zwischen die streitenden Parteien zu stellen. Unter ausdrücklichem Hinweis auf seine antiken Vorbilder berief er f ü r den Februar 1160 eine Synode nach Pavia, die als Versammlung der gesamten Christenheit gedacht war u n d den Streit zwischen Alexander und Viktor entscheiden sollte. In Nachahmung Konstantins eröffnete Friedrich diese Synode mit einer Ansprache, die sich bei näherem Zusehen als eine wörtliche Entlehnung der Eröffnungsrede herausstellt, die Konstantin d. G r . beim Konzil von Nikäa gehalten haben soll. Gleich seinem großen Vorbild nahm Friedrich nicht an den Beratungen der Bischöfe teil. Trotz des ganzen A u f w a n d s war das Konzil nicht mehr als eine kleine Z u s a m m e n k u n f t kaisertreuer Bischöfe, verglichen mit Friedrichs hochfliegenden Plänen nichts als ein Schlag ins Wasser. Anstatt selbst zu erscheinen, exkommunizierte Alexander den Kaiser u n d entband seine Untertanen von ihrem Treueid: der Kaiser habe kein Recht, über den Papst zu Gericht zu sitzen, denn dieser könne von niemandem gerichtet werden, und er sei auch nicht einmal berechtigt, ein Konzil einzuberufen. Der englische und französische Episkopat wies Friedrich die kalte Schulter; seine Abwesenheit deutete darauf hin, daß ihm die Pläne Friedrichs allmählich klar wurden. W i e vorherzusehen, entschied die Synode, Viktor sei der rechtmäßige Papst. Außer in Deutschland und einem Teil Norditaliens blieb diese synodale Entscheidung ohne Wirkung. Alexander war praktisch im ganzen Westen anerkannt. Auf G r u n d von Berichten über die Unruhen bei der Wahl erkannten Heinrich I I . von England und Ludwig V I I . von Frankreich E n d e Juli 1160 in Beauvais Alexander als rechtmäßigen Papst an. Anders ausgedrückt, die beiden Großmächte des Westens wollten nicht vorgeschrieben bekommen, welchem Papst sie Treue schuldig seien. Im selben J a h r erklärte auch Spanien Alexander seine Ergebenheit. Der Patriarch von Jerusalem und seine Priesterschaft überredeten gleichfalls den König von Jerusalem auf einer Synode in Nazareth zur Anerkennung Alexanders als rechtmäßigen Papstes. O b w o h l auch ungarische Legaten an der Synode von Pavia teilgenommen und f ü r Viktor gestimmt hatten, bewog die überwältigende Unterstützung, die Alexander in Europa fand, und ganz besonders die Haltung der französischen und englischen Könige und Bischöfe den ungarischen König und den ungarischen Episkopat, f ü r Alexander Partei zu ergreifen. Auch die skandinavischen Länder traten auf seine Seite. Sogar Manuel Comnenos, der byzantinische Kaiser, machte Annäherungsversuche und gab zu verstehen, um einer Lösung des leidigen Zweikaiserproblems willen sei er
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bereit, sich von Alexander III. zum Kaiser der Römer krönen zu lassen. Aber Alexander war sich der Kluft zwischen Konstantinopel und dem Papsttum — bedingt durch die byzantinische Weigerung, den römischen Primat anzuerkennen — allzusehr bewußt, um dieses Angebot ernstzunehmen, welches er aller Wahrscheinlichkeit nach als das erkannte, was es war, nämlich als ein bloßes taktisches Manöver, um den gefährlichen deutschen Westkaiser zu überlisten. Audi Süditalien, Sizilien und Venedig erkannten Alexander an, und sogar eine Reihe lombardischer Städte folgte ihrem Beispiel. Nur in Deutschland, wo sich Viktor „kraft kaiserlicher Gnade behaupten konnte, fand er offene Unterstützung, die allerdings bald nachließ, als mehrere einflußreiche Bischöfe und Erzbischöfe den Papst des Kaisers im Stich ließen. Viktor war nicht mehr als ein bloßer Name; nur einmal verließ er Norditalien zu einem kurzen Aufenthalt in Deutschland; es gelang ihm nie, in Rom Fuß zu fassen. Es erübrigt sich, näher auf diese heftige Auseinandersetzung einzugehen; das weltliche Rom, wie die Staufer es vertraten, stand gegen das geistliche Rom, wie es durch das Papsttum unter Alexander III. repräsentiert war, der während langer Abschnitte seiner zwedundzwanzigjährigen Regierung nicht in Rom oder nicht einmal in Italien residieren konte, das zeitweise fest in der Hand kaiserlicher Beamter war. Erneute Versuche Friedrichs, Frankreich auf seine Seite zu ziehen, schlugen fehl, da Ludwig VII. allmählich begriff, daß die vom Kaiser verfolgten Ziele letztlich Frankreich zum Schaden gereichen würden, war doch der Kaiser der Römer der „Herr der Welt" (dominus mundi), was für Frankreich einen unangenehmen Unterton hatte. Verständlich, daß Frankreich ziemlich nervös wurde, wann immer die Staufer ihre Ideologie und den wiederbelebten römischen Reichsgedanken in die Wirklichkeit umzusetzen drohten. Wenn etwa während der wiederholten, lang hingezogenen Verhandlungen die kaiserlichen Gesandten die französischen (und englischen) Könige als reguli (d. h. als kleine Könige) bezeichneten, enthüllte die kaiserliche Diplomatie allzu deutlich ihre Absichten. In England hatte diese kaiserlich-römische Politik dieselbe Wirkung. Trotz der gespannten Beziehungen zwischen Heinrich II. und dem Papsttum ließ der König sich nicht von Friedrich ködern. Die Gelegenheit zur Beendigung des Schismas, die sich durch Viktors natürlichen Tod im Jahre 1164 ergab, wurde von Friedrich Barbarossa nicht wahrgenommen; mit Kardinal Wido als Paschalis III. ernannte er einen Nachfolger für Viktor. Seine Halsstarrigkeit, die durch keine andere Überlegung zu rechtfertigen ist als die phantastische Vorstellung vom Römischen Reich, ließ sogar den deutschen Episkopat die Leere dieser kaiserlichen Politik erkennen. Um diese Opposition bereits im
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Keim zu ersticken, verfiel Friedrichs Ratgeber Rainald, der mit Redit in den Franzosen Alexanders stärksten Rückhalt vermutete, auf den Gedanken, einen Keil zwischen Ludwig VII. und Heinrich II. zu treiben. Rainalds Gesandtschaft an Heinrich erwirkte in Rouen im April 1 1 6 5 einen Freundschaftspakt zwischen Kaiser und König und ein recht vages Versprechen Heinrichs, er werde in Zukunft vielleicht Paschalis III. anerkennen. So gestärkt berief der Kaiser im Mai 1 1 6 5 einen großen Reichstag nach Würzburg, an dem auch eine englische Gesandtschaft teilnahm. Der Trumpf, den Rainald bei diesem Reichstag in der Hand hielt, waren die erfolgreichen Verhandlungen von Rouen. Friedrich leistete — gegen alle Tradition und Sitte — einen feierlichen Schwur, er werde Alexander niemals anerkennen und niemals Absolution von ihm erbitten (in beiden Fällen sollte dieses „niemals" nur kurze Lebensdauer haben). Die weltlichen und geistlichen Fürsten hatten denselben Eid zu leisten; schenkt man indes zeitgenössischen Quellen Glauben, taten einige der anwesenden Bischöfe es nur unter schweren Gewissensbedenken. Was Heinrich II. anging, so stimmte die englische Gesandtschaft diesen Beschlüssen zu, obwohl der König sich durch die Zustimmung seiner Legaten nicht gebunden fühlte; dies war verständlich angesichts der treuen Anhängerschaft des englischen Episkopats an Alexander (die Heinrich selbst teilte). Die Art, wie die in Würzburg gefaßten Beschlüsse in die Praxis umgesetzt wurden, enthüllte die Unbarmherzigkeit des Kaisers. An Einschüchterungs- und Terrormaßnahmen fehlte es dabei nicht. Die „Heiligsprechung" Karls des Großen im Dezember 1 1 6 5 war nicht mehr als eine Geste. Bei seinem Verjuch, Alexander selbst in die Knie zu zwingen, ging Friedrich ähnlich vor w i e in Deutschland. Nach einem Stimmungsumschwung in Rom konnte Alexander gegen Ende des Jahres 1165 seinen Sitz nach Rom verlegen; gleichzeitig begann Friedrich, für seinen vierten Italienzug zu rüsten. Sein Ziel war die Ausschaltung, nicht des Papsttums, sondern Alexanders als Papst, um so seine Forderung zu verwirklichen, daß es nur „einen Gott, einen Papst, einen Kaiser" geben solle. Die Lombarden hatten denselben Eid zu leisten, den die deutschen Bischöfe in Würzburg abgelegt hatten, und in einigen Fällen ersetzte Friedrich alexandertreue Bischöfe durch Männer seiner Überzeugung. Mächtige deutsche Heere unter dem Befehl Rainalds von Köln und Christians von Mainz erschienen vor den Toren Roms. Mit H i l f e eines Überraschungsmanövers besetzten sie Tusculum am Pfingstmontag 1167. Nach einem raschen und entschiedenen Angriff fiel Rom Anfang Juli vor der überlegenen Macht der Deutschen. Rainald hatte dem Angriff die Forderung an die Römer vorausgeschickt, den Papst und alle seine Kardinäle auszuliefern, w a s sie jedoch verweigerten. Auch Friedrichs
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Aufforderung an den Papst, abzudanken, woraufhin er den Gegenpapst fallen lassen wolle, um den Weg für eine neue, einmütige W a h l freizumachen, hatte, wie vorauszusehen, keinen Erfolg: Alexander erkannte, daß dies nur ein Schachzug war, um die Kontrolle des Kaisers über das Papsttum zu erneuern. Er floh. Mit angemessenem Pomp und Staat wurde nun der Gegenpapst in der St. Peters-Basilika gekrönt und eingesetzt, und am 1. August 1167 krönte er seinerseits Friedrich und seine Gemahlin. Eine Malariaepidemie raffte die kaiserlichen Heere hinweg und zwang Friedrich zum Rückzug aus Rom. Unter den Opfern der Seuche befanden sich auch der getreue Rainald, ein Dutzend Bischöfe und zahlreiche Fürsten. Ohne Übertreibung läßt sich sagen, daß Friedrich seinem Ziel nicht näher gekommen war: Alexander und die Kurie waren frei, der Kaiser gebot nicht über das Papsttum. Der deutsche Rückzug war das Signal für die Bildung einer Liga von zweiundzwanzig lombardischen Städten zum Widerstand gegen die deutsche Herrschaft in Italien. Der neue Gegenpapst, Calixt III., der ohne kaiserliche Beteiligung von einer sehr kleinen Zahl der gegen Alexander arbeitenden Partei gewählt worden war, wurde von der kaiserlichen Regierung nur halbherzig unterstützt. Umso stärkeren Einfluß übte sie jedoch auf die Besetzung vakanter Bischofssitze aus, die alle an Gegner Alexanders gingen: was zählte, war allein das Wohlwollen des Kaisers, zumal bei strittigen Wahlen. Dies führte jedoch zum Abbruch wieder aufgenommener Verhandlungen zwischen Friedrich und Alexander (in den Jahren 1169—70). Alexander war nicht willens, die Ernennungen anzuerkennen, die in der Zwischenzeit vorgenommen worden waren. In den frühen siebziger Jahren bildete die Lombardische Liga mit der Kurie und den Anhängern Alexanders eine gemeinsame Front von imponierender Macht — eine gefährliche Konstellation für die kaiserliche Regierung. Um dieses Bündnis zu zerschlagen trat Friedrich seinen fünften Italienzug an: er endete in einer weiteren Niederlage des Kaisers. Der überwältigende Sieg der lombardischen Heere bei Legnano veranlaßte Friedrich, seinen Gegenpapst ganz fallen zu lassen und ernstlich die Versöhnung mit Alexander zu suchen. Nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen wurde schließlich der Frieden wiederhergestellt und das Schisma, das zwanzig Jahre gedauert hatte, beendet. Im Frieden von Venedig (im Juli 1177) wurde Friedrich vom Bann gelöst, nachdem er bereitwillig und vorbehaltlos Alexander III. als rechtmäßigen Papst anerkannt und die Rückerstattung aller widerrechtlich vorenthaltenen Güter und Gebiete versprochen hatte. Wenn eine kaiserliche Politik gegenüber dem Papsttum je Schifibruch erlitten hatte, dann war es die Friedrichs, wenn auch die in Deutschland während des Schismas vorgenommenen Ordinationen und Weihen von der Kurie
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insgesamt anerkannt wurden. Die Wiederbelebung der römischen Herrschaftsidee war nur Mittel zur neuerlichen Aufrichtung der kaiserlichen Kontrolle über das Papsttum. In Deutschland jedoch hatte der Frieden von Venedig keine unmittelbare Einschränkung des kaiserlichen Einflusses auf kirchlichem Gebiet zur Folge. Die Rückkehr Alexanders nach Rom im März 1178 bedeutete die Wiederherstellung des Kirchenstaates. Wie schon bei früheren Gelegenheiten geschehen, berief Alexander für das folgende Jahr das dritte Laterankonzil (Einzelheiten s. u. S. 216, 226). Während Alexanders Pontifikat, obwohl er vom Schisma und von der Auseinandersetzung mit dem „bevorzugten Sohn der römischen Kirche" (dem deutschen Kaiser) überschattet war, wurde die Autorität des Papstes auf den westlichsten Außenposten Europas, auf Irland, ausgedehnt, das Heinrich I I . von England im Jahre 1171 endgültig eroberte, und zwar zur gleichen Zeit, als seine Beziehungen zum Papsttum infolge der Auseinandersetzung mit Thomas Becket äußerst gespannt waren. Der Streit war entstanden, nachdem der König in Clarendon (im Jahre 1164) die Rechte des königlichen Hofs über den englischen Klerus gesetzlich verankert hatte. Besonderes Interesse verdienen das Verbot von Appellationen nach Rom, das königliche Genehmigungsrecht für Reisen von Klerikern ins Ausland, die Regelung des Verfahrens bei Bischofswahlen, die in der königlichen Kapelle abzuhalten waren und die strikte Einschränkung der geistlichen Immunität gegenüber der königlichen Rechtsprechung. Dieser letzte Punkt war es, der in erster Linie auf heftige Gegnerschaft stieß; die Konstitutionen von Clarendon wurden von Erzbischof Thomas Becket als Verletzung des Klerikerprivilegs angesehen, demzufolge Geistliche von der Jurisdiktion des Königs oder anderer Laienherren ausgenommen waren. Der König stand auf dem Standpunkt, daß die Kleriker ebenso seine Untertanen seien wie die Laien. Ferner sahen die Konstitutionen vor, den schuldigen Kleriker einer doppelten Bestrafung zu unterwerfen — einer kirchlichen durch das Gericht des Bischofs und einer königlichen durch den weltlichen Gerichtshof. Becket floh außer Landes und erklärte die Konstitutionen von Clarendon für null und nichtig; er exkommunizierte die königlichen Ratgeber (u. a. Johann von Oxford, Richard von Ilchester, Hugo von St. Ciaire usw.) und drohte auch Heinrich mit kirchlichen Maßnahmen. Auch der Papst verurteilte einige Artikel der Konstitutionen. Die Stellung des Papsttums war in diesen Jahren besonders schwierig, da gerade damals der Kaiser in Deutschland, Burgund und Italien harte Maßnahmen gegen Alexander ergriffen hatte; dazu kamen Differenzen unter den englischen Bischöfen und Heinrichs feste Entschlossenheit, seine Macht über den Klerus zu behaupten, in erster Linie um
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nach den Wirren in der Regierungszeit seines Vorgängers Frieden und Ordnung zu wahren; die Situation wurde ferner dadurch verschlimmert, daß Heinrich seinen Sohn (nach französischem Vorbild, aber entgegen der englischen Tradition) zu seinem Mitkönig machte und ihn durch den Erzbischof von York (am 14. Juni 1170) krönen ließ, da der Erzbischof von Canterbury im Exil lebte. Auch die Wesensart der streitenden Parteihäupter trug keineswegs zu einer raschen Einigung bei: lange, sich mühsam hinziehende Verhandlungen führten endlich am 23. Juli 1170 in Fréteval zu einer Übereinkunft zwischen dem König und dem gebannten Erzbischof. Diese Regelung wich jedoch einigen der wesentlichsten Streitpunkte aus; auch gab der König kein bindendes Versprechen. Kardinal Albert von Morra (der spätere Gregor VIII.) zitierte Jeremias 13.23, als er dieses Abkommen zwischen Heinrich und Thomas prüfte. Beckets Gegner, vor allem Erzbischof Roger von York und der Bischof von London, waren noch nicht zum Schweigen gebracht, als Becket im Dezember desselben Jahres zurückkehrte. Am 29. Dezember wurde er von einigen Rittern ermordet, die einen Zornausbruch Heinrichs II., von diesem später bitter bereut, wörtlich genommen hatten. Dieser sinnlose Mord beschleunigte jedoch nur den endgültigen Vertragsabschluß zwischen König und Papsttum in Avranches am 21. Mai 1172. Heinrich nahm einige der anstößigen Klauseln der Konstitutionen von Clarendon zurück und leistete den von Alexander geforderten Schadensersatz. So häufig Alexander auch gezwungen war, Rom zu verlassen und für längere Zeiträume in Frankreich Zuflucht zu suchen, so muß ihm doch in der Geschichte des Papsttums die größte Bedeutung beigemessen werden. Sein Pontifikat kennzeichnet die Zeit des Übergangs von Gregor VII. zu Innozenz III. Eben weil ihm die Qualitäten dieser beiden Päpste fehlten, vor allem Originalität, Vorstellungskraft und wahres staatsmännisches Geschick, er aber nichtsdestoweniger ein gewissenhafter Verwalter von ausdauernder und hartnäckiger Sachlichkeit war, ging das Papsttum aus seinem Pontifikat gestärkt hervor, es genoß höheres Ansehen und war widerstandsfähiger als je zuvor. Es war gerade diese Mittelmäßigkeit, wenn nicht gar die dem Verwalter häufig eigene starrsinnige Beschränktheit, die das Papsttum angesichts der heftigen kaiserlichen Angriffe sich behaupten und kräftigen ließen. Der kaiserliche Plan, das Papsttum in einen Patriarchat des Reichs zu verwandeln, wurde vereitelt. Trotz des Schismas, trotz der unleugbaren Gefahr für das Papsttum, trotz der Gegenpäpste und der Feindseligkeit der Römer, und vor allem, trotz der ausgedehnten Aufenthalte hatte das Papsttum als Institution nicht den geringsten Schaden genommen. Im Gegenteil, es hatte bewiesen, daß es als Institution die heftigsten Stürme
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überstehen konnte; dies w a r möglich, weil dieser mittelmäßige und völlig unoriginelle Papst gleichzeitig der erste geschulte Jurist von beachtlichem Geschick und Rang war. E i n Jurist ist selten dazu berufen, Phantasie zu entfalten. Als Papst w a r es seine vorrangige Aufgabe, die Theorie des Kirchenrechts, das er selbst in Bologna gelehrt hatte, in die Praxis umzusetzen. D a s P a p s t t u m als I n s t i t u t i o n war auf A m t s t r ä g e r von der A r t Alexanders I I I . angewiesen. E s verdient hervorgehoben zu werden, d a ß sich Alexander in größeren Angelegenheiten nie hervortat und ü b e r kein konstruktives, positives P r o g r a m m verfügte, aber die Bedeutung seines Pontifikats liegt in der K o n s e q u e n z , mit der T h e o r i e zu R e a l i t ä t wurde. Seine Rechtssprüche, seine D e k r e t e , kurz seine kirchliche Gesetzgebung war genau das, was das Papsttum zu dieser Zeit benötigte. F a s t viereinhalbtausend D e k r e t a l e n aus seiner Regierungszeit sind noch erhalten
—
es k o m m e n noch immer neue ans Licht — , und seine Gesetzgebung steuerte den quantitativ größten Beitrag zum späteren amtlichen kirchlichen Rechtsbuch bei, den j e ein einzelner Papst geleistet hat. Seine D e k r e t a l e n schufen lebendes Recht, da sie sich mit allen die damalige christliche Gesellschaft betreffenden Fragen b e f a ß t e n . Sie wurden an so weitauseinanderliegende O r t e entsandt wie D u r h a m und Salerno, Salamanca in Spanien, Upsala und L i n k ö p i n g in Schweden, das portugiesische Braga und das irische Armagh, Prag in B ö h m e n , G r a n in Ungarn und K r a k a u in P o l e n ; unter ihren häufigsten Adressaten waren die Könige von D ä n e m a r k , England, Frankreich, Ungarn, Portugal, Schottland und Schweden. U n t e r den Rechtsfragen, mit denen sich die D e k r e t a l e n b e f a ß t e n , waren Ehestreitigkeiten, Lehens-, W a h l - , Gesandtschafts-, Disziplinar· und gerichtliche Kompetenzangelegenheiten, Strafverfahren und Fragen, die geistliche Körperschaften betrafen, die R e c h t e von Domkapiteln, die Veräußerung von G ü t e r n während einer V a k a n z ,
Eide,
geistliche Pflichten, E r n e n n u n g von B e a m t e n , Zehntfragen, Zinse und G ü l t e n , P r ä b e n d e n , I m m u n i t ä t e n , extensive und einschränkende Auslegung des
Rechts, Verfassungsprobleme,
Appellationsgerichtsbarkeit,
um nur einige der gesetzgeberischen M a ß n a h m e n zu nennen, die bis Pfingsten 1 9 1 8 , w e n n nicht länger, in K r a f t b l i e b e n . W ä h r e n d dieses Pontifikats setzte sich ganz unauffällig eine entscheidende Entwicklung durch. Sie betraf das Eigenkirchenwesen, das durch die päpstlichen D e k r e t a l e n abgeschafft wurde: sie verwandelten die von G r a t i a n vorgegebene T h e o r i e in erzwingbares Recht. D e r
Grundherr
wurde sozusagen seiner Kirche enteignet und zu ihrem P a t r o n (oder advocatus)
gemacht, ein A m t , an das b e s t i m m t e Pflichten geknüpft waren.
Dieses Patronatsrecht über die einzelne Kirche war mit einer lichen Sache v e r k n ü p f t "
„geist-
(nämlich der Kirche), was zur Folge hatte, daß
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Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelauel;
alle Patronatsfragen unter die kirchliche Rechtsprechung fielen. Durch die Gesetzgebung Alexanders wurde die Theorie Gratians zum allgemeingültigen Redit, das erst den Investiturstreit rechtskräftig und endgültig beendete. Schließlich trug die Gesetzgebung dieses Pontifikats auch zur Konsolidierung der päpstlichen Verwaltung bei. Der Mechanismus, der Verwaltungsapparat und seine Organisation wurden weitestgehend während Alexanders Regierungszeit entwickelt. Während der begabte deutsche Gegenspieler des Papsttums kaum etwas von bleibendem Wert schuf, einem Phantom in Gestalt des fremdartigen römischen Herrschaftsgedankens nachjagte und wenige konstruktive Ideen entwickelte, machte es Alexander durch seine beständige, bescheidene und unauffällige Regierungsweise möglich, daß das Papsttum zur zentralen Institution der europäischen Politik wurde.
IX. DAS MITTELALTERLICHE PAPSTTUM AUF SEINEM HÖHEPUNKT Der Ertrag, den der Friedensvertrag von Venedig dem Papsttum brachte, war nicht überwältigend, weder in Deutschland, wo die päpstlichen Forderungen nach „Wahlfreiheit" nur auf dem Pergament standen — schien doch der deutsche Episkopat die kaiserliche der päpstlichen Herrschaft vorzuziehen — noch in Italien, wo kaiserliche Truppen große Teile der mathildischen Ländereien besetzt hielten, die das Papsttum als zum Kirchenstaat gehörig beanspruchte. Aber das lange Schisma innerhalb der römischen Kirche und die Streitigkeiten zwischen Papsttum und Reich verfehlten nicht ihre Wirkung auf die Zeitgenossen. Sie zogen dem Papsttum Kritik zu, die leicht zur Opposition werden konnte. Denn die westliche Welt erlebte in den siebziger und achtziger Jahren des 12. Jahrhunderts eine Welle von ketzerischen Sekten, Bewegungen und Gruppen, deren gemeinsamer Nenner der Widerwille gegen ein amtlich fixiertes und gesetzlich angewandtes Christentum war. Diese Bewegungen traten spontan und unabhängig voneinander in verschiedenen Teilen Europas auf. Es handelt sich um ein Phänomen, das den starken sozialen Einfluß bezeugt, den kirchliche Institutionen inzwischen erlangt hatten, vor allem aber das Papsttum, das durch die Anzahl seiner Dekretalen die Gesellschaft im Griff zu halten suchte. Diese nonkonformistischen Sekten gediehen prächtig in Ländern, in denen das theokratische zentralistische Herrschaftssystem fest verankert schien und praktiziert wurde, wie etwa in Frankreich, Flandern, Süddeutschland und im Rheinland. Umgekehrt war die Reaktion dort, wo die Ideologie weniger weit entwickelt war, entsprechend schwächer, wodurch sich etwa das Fehlen jeglicher erwähnenswerter Ketzerbewegungen in England erklären könnte. Da die theokratische Herrschaftstheorie unmittelbar auf religiösen Grundlagen aufbaute, mußten die nonkonformistischen Bewegungen den theokratischen Herrschaftsträgern schaden. So wird erklärlich, weshalb Kaiser (Friedrich I.) und Papst sofort gemeinsame Sache machten, als diese Ketzerbewegungen Ausmaße annahmen, von denen beide Gefahren für sich befürchteten. Hier waren sie sich sofort einig, da beide ihre Grundlagen bedroht fühlten. Auf der Synode von Verona im Oktober 1184, deren Zweck, die Klärung der Trierer Doppelwahl, nicht erreicht wurde, erließen Kaiser und Papst ein gemeinsames Dekret ge-
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gen die Häresie. Seine Bedeutung lag darin, daß es bestimmte Richtlinien niederlegte, nach denen Aussagen, Ansichten oder bestimmte Ausdrücke als ketzerisch erklärt werden konnten; zugleich wurden schwere Strafen für die Anhänger solcher Sekten festgesetzt, vor allem für Laien, die nach ihrer Verurteilung durch das geistliche Gericht der weltlichen Justiz zur Sonderbehandlung (dem Scheiterhaufen) übergeben wurden. Der andere bemerkenswerte Punkt war, daß alle weltlichen Autoritäten wie Grafen, Freiherrn, Amtleute usw. gehalten waren, den Klerus auf Aufforderung der zuständigen kirchlichen Autoritäten bei der Bekämpfung der Ketzer zu unterstützen. Widerspenstigen weltlichen Herren wurden Exkommunikation, Interdikt und Amtsenthebung angedroht, während widersetzliche Städte mit einem Handelsboykott belegt werden sollten. Dieser Erlaß war das erste allgemeine Gesetz zur Bekämpfung -der Häresie, und er blieb die Grundlage für die spätere Ketzergesetzgebung. Kennzeichen der Häresie war die Nichtübereinstimmung mit Satzungen des Papsttums (wie schon Gregor VII. erklärt hatte, s.u. S. 207); der Stauferkaiser akzeptierte und bekräftigte diesen Erlaß und erkannte damit stillschweigend an, in welchem Maße seine eigene Position vom päpstlich fixierten Glauben abhing. Unmißverständlich wurde die weltliche Gewalt gesetzlich dazu verpflichtet, Häresie auf Geheiß der kirchlichen Würdenträger auszumerzen. Gleichzeitig jedoch verfolgte Friedrich seinen römisch-rechtlichen Reichsgedanken, dessen Voraussetzungen gänzlich anderer Natur waren als die, die er soeben in Verona bekräftigt hatte. Während seiner gesamten Regierungszeit bemühte er sich eher, als der Beherrscher des Papsttums statt als dessen eigenes ausersehener Schutzherr aufzutreten. So war das Papsttum gezwungen, sich in die Defensive zurückzuziehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Dennoch, solange Friedrich seine Weltreichspläne nach außen leitete, d. h. gegen Konstantinopel, befand er sich mit dem Papsttum im vollsten Einvernehmen. Denn hier verfolgten beide tatsächlich dasselbe Ziel, nämlich die Zurückdrängung, um nicht zu sagen die Vernichtung des byzantinischen Reichs, wäre doch dadurch das Ziel des Kaisers, der eine und einzige römische Kaiser zu sein, und dasjenige des Papsttums, seinen Primat auch im Osten zur Anerkennung zu bringen, gleichzeitig erreicht worden. Wie schon erwähnt, bestand ein scharfer Gegensatz zwischen dieser Harmonie im Bereich der „äußeren" und dem konfliktreichen Rahmen der „inneren" Angelegenheiten. Denn in Übereinstimmung mit seinen Reichsplänen, die dem Papsttum nur die Stellung eines kaiserlichen Patriarchats einräumten, forderte Friedrich vom Papst für seinen Sohn Heinrich (VI.) die Kaiserkrönung. Lucius III. und Urban III. weigerten sich beide rundheraus,
Das mittelalterliche Papsttum auf seinem Höhepunkt
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dieser byzantinischen Einrichtung des Mitkaisers ihren Segen zu erteilen, worauf Friedrich fast den ganzen Kirchenstaat besetzte. Daß er seinem Sohn den Titel eines „Caesar" verlieh, offenbarte seine Pläne ebenso deutlich wie die Verheiratung Heinrichs mit der sizilianischen Prinzessin Konstanze, der Tochter Rogers II. Dies war in der Tat ein Meisterstreich, denn Konstanze würde mit Gewißheit das Königreich Sizilien erben, und ihrem Gemahl, dem Staufer Heinrich VI., fiel dann dieses ganze Reich zu, das dem Papst seit der Mitte des 1 1 . Jahrhunderts als Rückhalt und Zuflucht gedient hatte. Das Papsttum war in Gefahr, physisch eingekreist und isoliert zu werden. Im Einklang mit seinen weitreichenden außenpolitischen Plänen hatte Friedrichs Plan zusätzlich — wahrscheinlich sogar in erster Linie — strategische Beweggründe, die es wiederum verständlich machen, warum sich das Papsttum unter Urban III. der Heirat nicht widersetzte. Im Gegenteil, päpstliche Legaten waren bei der Hochzeitsfeier am 27. Januar 1 1 8 6 im Mailänder Dom zugegen. Denn in strategischer Sicht war Sizilien besonders wertvoll: es war das Sprungbrett nach dem Osten und der einzig brauchbare Zugang zum Meer, den das Reich besaß. Auf alle Fälle sollte diese Heirat für das Papsttum (und nicht weniger für das Reich) höchst bedeutsam werden, da sich die deutsche Herrschaft in Sizilien tatsächlich durchsetzte, und dadurch das Schicksal des Papsttums im 13. Jahrhundert entscheidend bestimmte. Obgleich der dritte Kreuzzug auf die I n i t i a t i v e des P a p s t t u m s zurückging — Papst Gregor V I I I . v e r k ü n d e t e ihn durch eine E n z y k l i k a , da J e r u s a l e m 1 1 8 7 an die M o s l e m s verloren gegangen w a r — lagen Leitung und Organisation ganz in den H ä n d e n Friedrichs I., der über ein großes, gut gerüstetes H e e r gebot. Er erhielt tatkräftige Unterstützung durch d i e Könige Englands und Frankreichs, die in ihren Reichen den „Saladinzehnten" erhoben. Es w a r der letzte Kreuzzug w a h r h a f t universalen Charakters. Allein durch sein militärisches Gewicht fiel dem Kaiser die f ü h r e n d e Position von selbst zu. Seine Stellung als Oberbefehlshaber gab ihm Gelegenheit, den Anspruch zu verwirklichen, der d e m römischen Reichsgedanken anhaftete, indem er die k ü h n e Forderung stellte, das „Königreich Griechenland" (Byzanz) solle hinfort ihm unterstehen. Dies jedenfalls b e k a m der Kaiser von Konstantinopel im J a h r e 1 1 8 9 von d e m Kreuzfahrer Friedrich zu hören, der bedrohliche Vorbereitungen zur Eroberung Konstantinopels traf und sich als „den einen Monarchen" bezeichnete, dem alle übrigen Herrscher Gehorsam schuldeten; zu ihnen zählte er nicht nur den Kaiser des Ostens, sondern auch die Könige des W e s t e n s , die bereits mit dem geringschätzenden A t t r i b u t „reguli" (kleine Könige) bedacht worden w a r e n . Ein letztes M a l gelang es den Byzantinern, durch Zugeständnisse die lebensbedroh-
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lidie Gefährdung ihres Reichs abzuwehren. Friedrich Barbarossa war dem Ziel, das Papsttum zu einem Patriarchat des Deutschen Reichs herabzudrücken, so nahe wie kein anderer vor ihm, als er am 10. Juni 1190 beim Durchschwimmen eines Flusses im Nahen Osten ertrank. Die Feindseligkeit, die die Kurie im „inneren" Bereich gegen die Stauferdynastie hegte, war sehr wohl verständlich und sollte während der Regierungszeit Innozenz' I I I . zur vollen Entfaltung kommen. Jedenfalls änderte der Tod Friedrichs nichts an der Bedrohung des Papsttums. Im Gegenteil, Heinrich V I . war rücksichtslos entschlossen, die Politik seines Vaters im Hinblick auf das Papsttum, auf Sizilien und auf Konstantinopel fortzuführen. Der fünfundzwanzigjährige König sah sich in der Person Papst Coelestins I I I . einem der erfahrensten und geschicktesten Kurienmänner gegenübergestellt; er war genau sechzig Jahre jünger als der Papst, der ihn am Ostermontag, den 15. April 1191 zum Kaiser krönte. Trotz päpstlicher Einwendungen und Warnungen begann Heinrich sich Siziliens zu bemächtigen, auf das er als das Erbe seiner Frau Konstanze Anspruch erhob. Am Weihnachtstag 1194 wurde er vom Erzbischof von Messina zum König von Sizilien gekrönt, am 26. Dezember wurde sein einziger Sohn, Friedrich Roger, geboren. Die Vereinigung dieses südlichsten Königreichs mit dem Deutschen Reich stellte eine tödliche Bedrohung für das Papsttum dar. Jeder Staufer war sorgsam darauf bedacht, seine Nachfolge zu sichern. Im Falle Heinrichs V I . lief das auf eine Sicherung von Friedrichs künftiger königlicher (und kaiserlicher) Stellung hinaus, und das Papsttum war in diese Angelegenheit unmittelbar verstrickt. Auf dem Reichstag von Würzburg im Jahre 1196 stimmten die deutschen Fürsten nur halbherzig Heinrichs Vorschlag zu, das „römische Königtum" nach dem Vorbild anderer zeitgenössischer Monarchien erblich zu machen. Nun galten die Begriffe „Römisches Königreich" und „König der Römer" als eine Vorstufe zum vollen römischen Kaisertum, das nur vom Papsttum vergeben werden konnte. Aber in der Argumentation der Deutschen begründete der Titel „König der Römer" (rex Romanorum) einen Rechtsanspruch auf die Krönung durch den Papst und darüberhinaus die Ausübung tatsächlicher physischer und königlicher Gewalt in einigen Gebieten Italiens, deren manche vom Papsttum als Teil des Kirchenstaates beansprucht wurden oder besetzt waren. Für die Deutschen war diese königliche Stellung in Italien unentbehrlich, denn was wäre das für ein römischer Kaiser gewesen, der keine tatsächliche Herrschaft in Italien ausübte? Er wäre eine Chimäre gewesen wie der römische Kaiser in Konstantinopel, der keinerlei praktische königliche Gewalt in Italien besaß. Aber dieses Amt des „Königs der Römer" war vom Papsttum nie offiziell anerkannt worden; das überrascht nicht angesichts der
Das mittelalterliche Papsttum auf seinem Höhepunkt
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historischen Entwicklung im 12. Jahrhundert, denn es hätte die förmliche Anerkennung der deutschen Herrschaft in Italien über unbestimmte Gebiete impliziert, einschließlich von Territorien, die das Papsttum beanspruchte oder in Besitz hielt. Auf demselben Reichstag von Würzburg, auf dem er auch Vorbereitungen für einen Kreuzzug traf, war Heinrich eifrig darum bemüht, die Nachfolgefrage zu regeln, und dazu war eine förmliche päpstliche Anerkennung des Nachfolgers unentbehrlich. Daher kam es zwischen Heinrich VI. und Coelestin III. im Oktober des Jahres 1196 zu Verhandlungen mit dem Ziel, den Knaben Friedrich vom Papst taufen und zum römischen König salben zu lassen. Die Verhandlungen fanden unter größter Geheimhaltung statt und zogen sich fast zwei Wochen hin, blieben jedoch ergebnislos, da das Papsttum niemals der Verewigung von Zuständen zustimmen konnte, die seinen eigenen Interessen in Italien so völlig zuwiderliefen. Schließlich war zur selben Zeit der größte Teil des Kirchenstaats von deutschen Truppen besetzt. Die Salbung zum König der Römer hätte Friedrich eben jene Rechte eingeräumt, die das Papsttum ihm nicht zugestehen wollte, weil damit erstens die deutsche Herrschaft in Italien, wo die Territorialgrenzen ohnehin fließend waren, legitimiert worden wäre, und weil zweitens die Kaiserkrönung des Königs der Römer dann wirklich nur noch eine reine Formsache oder Zeremonie gewesen wäre — was eben jenen Standpunkt bestätigt hätte, den die Staufer immer vertreten hatten und der der päpstlichen Auffassung, wonach der Papst erst durch die Kaiserkrönung über die Eignung seines starken Armes entschied, diametral entgegenstand: die Krönung hätte nur mehr deklaratorischen und nicht mehr konstitutiven Charakter gehabt. Das Scheitern dieser Verhandlungen war das Startsignal für den raschen Aufstieg des Papsttums, nachdem es in den Jahrzehnten zuvor verängstigt und in die Enge getrieben schien. Für das Papsttum als Institution waren die Jahre um 1195 von besonderer Bedeutung. Wenn es je einen Monarchen gab, der seine Herrschaft ganz auf den Grundlagen des römischen Reichs und Rechts aufbaute und wahrlich ein römischer Caesar war, dann Heinrich VI. Er beherrschte Europa vom Tweed bis zum Bosporus (Richard I. von England war sein Gefangener und Vasall); das byzantinische Reich hatte er erfolgreich geschwächt und eingekreist, die Könige von Armenien und Kilikien zu seinen Untertanen gemacht. Und doch war es das Papsttum, dem die Zukunft gehörte, nicht das „römische" Stauferreich. Das Papsttum war der einzige wahre „Gewinner" in der jahrhundertelangen Auseinandersetzung zwischen Ost und West, als Konstantinopel endlich von den westlichen Heeren erobert wurde. Damit erreichte das Papsttum sein Ziel, nämlich
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die Anerkennung des römischen Primats in Byzan2. Konstantinopel und das byzantinische Reich fielen dem Papsttum wie eine reife Frucht in den Schoß. Die staufischen Absichten und Angriffe hatten das Ostreich so zermürbt, daß die Errichtung eines päpstlich orientierten Lateinischen Kaiserreichs keine übermenschlichen Anstrengungen kostete. Die Lage der Dinge nach dem unerwartet frühen Tod Heinrichs VI. am 28. September 1197 wirkte sich für das Papsttum günstig aus. Der zweiundneunzig jährige Coelestin III. folgte dem jungen Kaiser Anfang Januar 1198 ins Grab. Die Kardinäle, dem neuen Wahlgesetz des dritten Laterankonzils (s.u. S. 216) Folge leistend, schritten rasch zur Wahl des Kardinals Lothar von Segni als Nachfolger Petri. Innozenz III. fand eine Lage vor, wie sie günstiger kaum ein anderer Papst vor oder nach ihm angetroffen hatte. Friedrich, der Erbe des sizilischen und deutschen Throns, war gerade drei Jahre alt; die Bewohner Italiens waren der deutschen Herrschaft, der Zerstörungen und Besetzungen überdrüssig. In Deutschland entstand ein heftiger Parteienstreit, der im Lauf des Jahres 1198 zu einer Doppelwahl führte: auf der einen Seite stand Philipp von Schwaben, Anwärter der Stauferpartei und Bruder des verstorbenen Heinrich, auf der anderen Seite Otto von Braunschweig, der Kandidat der mächtigen Weifenpartei. Die deutsche Herrschaft in Süditalien und Sizilien brach praktisch völlig zusammen, ja mit dem Tod der Kaiserin Konstanze im November 1198 wurde der Papst nach dem Willen der Verstorbenen der Vormund Friedrichs (II.) und der Lehnsoberherr des sizilischen Reichs. Byzanz war durch die hohen Lösegeldzahlungen an die Deutschen und durch heftige Thronstreitigkeiten geschwächt. In den kanonistischen Rechtsschulen war eine Herrschaftsideologie gereift, die kanonistische Rechtswissenschaft blühte — Innozenz selbst war bei dem hervorragenden Kanonisten Huguccio in Bologna und bei Peter von Corbeil in Paris in die Lehre gegangen. Auch besaß Innozenz genau die richtigen Eigenschaften und fachlichen Voraussetzungen. Ein kraftvoller, zielstrebiger und unermüdlicher Arbeiter, ein Mann von Vorstellungskraft, der sich dennoch auf das Mögliche und Vollstreckbare konzentrierte, ein Mensch, dessen methodischer und ordnungsliebender Geist sich in außergewöhnlicher Klarheit des mündlichen und schriftlichen Wortes und in der seltenen Gabe ausdrückte, in jeder Sache den Kern zu erfassen. Er war ein geistlicher Herrscher, dem mehr an der Durchsetzung christlicher Grundsätze als an äußerlichem Formalismus gelegen war. Hinzu kam noch ein überragender Verstand, der ihn allen seinen Zeitgenossen überlegen machte und der es ihm gestattete, auch verwickelte Situationen in leicht verständlichen Begriffen zu analysieren. Diese Eigenschaften wurden noch durch einen für ihn typischen Wesenszug ergänzt: den ausgeprägten Sinn für
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Humor und die geistreiche Art, die vor allem zur Geltung kamen, wenn er als höchster Richter den Konsistorien präsidierte, die für gewöhnlich dreimal wöchentlich zusammentraten. Indessen, wie bei hervorragender geistiger Begabung so häufig der Fall, fehlte es ihm fast völlig an Menschenkenntnis und entsprechend an der Einsicht, aus welch niederen Beweggründen die Menschen, seien sie Erzbischöfe, Fürsten oder Könige, handeln können. Wie ein roter Faden zieht sich die Vorstellung durch seinen Pontifikat, die weltliche Wirklichkeit lasse sich durch die den Ideen innewohnende Kraft beherrschen. Auf dieser Voraussetzung baute er seine Politik auf, und daran scheiterte er in eben jenen Fragen, denen er seinen besonderen Eifer zuwandte. Dennoch ist bemerkenswert, daß bis zu seiner Wahl — er war nur Diakon, als er zum Papst gewählt wurde — seine literarischen, juristischen und intellektuellen Fähigkeiten noch kaum hervorgetreten waren. Obgleich er in den inneren Ratsgremien der Kurie eine größere Rolle gespielt hatte, als man ihm gewöhnlich einräumt, ist das aus seiner Kardinalszeit stammende Buch „über die Verachtung der Welt" unbedeutend und platt, voll von weinerlicher Sentimentalität und Gemeinplätzen, und stammte es nicht vom späteren Innozenz I I I . , wäre es zu Recht in Vergessenheit geraten. Erst die Wahl scheint den Kardinal Lothar verwandelt zu haben: wenn je einer, dann war er der Herrscher par excellence, der Meister der päpstlichen Ideologie und des päpstlichen Rechts. Hier fand das Papsttum einen Repräsentanten, der zu wissen glaubte, wie die günstigen Umstände zum Vorteil der Institution zu nutzen waren. Kurz, Innozenz I I I . war der Mann, der der Vollendung des von Gregor V I I . in Angriff genommenen Werkes, der Übersetzung der abstrakten päpstlichen Ideologie in die Wirklichkeit, am nächsten kam. Während seines Pontifikates wurde das Papsttum zum Brennpunkt der europäischen Politik. Er hatte das Glück, das institutionelle Gerüst des Papsttums, einen durchorganisierten, gegliederten und spezialisierten Kurienapparat ausgebildet vorzufinden. In seinen Grundfunktionen war er während der vorangegangenen Jahrzehnte bitterer Auseinandersetzungen erhalten geblieben. Der bestehende Apparat für die Herrschaft über die christliche Gemeinschaft wurde nunmehr einem der fähigsten Nachfolger Petri anvertraut, der seine ererbte Gewalt als Stellvertreter Christi ausübte. Als regierendem Papst wurde Innozenz I I I . bewußt, daß das Kurienpersonal und gewisse üble Praktiken, die sich in den verschiedenen Abteilungen der Kurie eingenistet hatten, seiner besonderen Aufmerksamkeit bedurften. Noch vor seiner Weihe und Krönung (am 22. Februar 1198, sechs Wochen nach seiner Wahl) ging er an eine Neuord-
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nung des gesamten kurialen Apparates, indem er mit all den Schmarotzern und Müßiggängern, die sich in den einzelnen Abteilungen breitgemacht hatten, kurzen Prozeß machte und die Institution säuberte und rationalisierte. Gleichzeitig nahm er die Stadtverwaltung in die Hand; innerhalb von buchstäblich wenigen Wochen wurden die Vorsteher der zivilen Verwaltung, wie etwa der Präfekt und der Justitiar, durch Männer seiner Wahl ersetzt. So legte Innozenz die Grundlage für die beispielhafte Organisation der kurialen Beamtenschaft, die in der Tat unentbehrlich war, wollte die Kurie ihren mannigfaltigen Aufgaben ordnungsgemäß nachkommen. All dies jedoch war Teil eines viel größeren Plans, der darauf abzielte, das Papsttum zu einer wirkungsvollen, in Italien fest verwurzelten Herrschaftsinstitution zu machen. Deshalb begann er auch schon in den ersten Wochen seines Pontifikats die Politik der sogenannten Rekuperationen, d. h. der Wiedererlangung von Gebieten, die das Papsttum als rechtmäßigen, ihm widerrechtlich entfremdeten Besitz beanspruchte. Da die territoriale Ausdehnung der beanspruchten Gebiete nirgends genau festgelegt war und da ferner manche Besitzansprüche auf gefälschten Urkunden (wie etwa der Konstantinischen Schenkung) beruhten, blieb einem Papst mit diplomatischem Geschick viel taktischer Spielraum. Einige der Ansprüche, die Innozenz im Zuge seiner Rekuperationspolitik erhob, mögen zwar phantastisch erscheinen, aber es gelang ihm doch, in Mittelitalien den Kirchenstaat wiederherzustellen, der sich aus päpstlicher Sicht in einem traurigen Zustand befunden hatte. Deutsche Amtleute, Rektoren, Verwalter usw. wurden durch päpstliche ersetzt. Der Erfolg dieser Politik war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß Innozenz die feindlichen Gefühle in Italien geschickt nutzte und manchmal Töne anschlug, die ein späteres Zeitalter nationalistisch genannt hätte, wie „unser süßes Italien", „das Interesse Italiens fordert die Rückgewinnung von Gebieten und deren Beherrschung durch den Papst" und ähnliche Wendungen mehr; dabei waren nationalistische Gefühle einem Papst von Innozenz' Art gänzlich fremd. Alle diese Schönredereien zielten auf die Zurückdrängung der deutschen Macht in Italien ab, oder, um in der Sprache der Zeit zu bleiben, auf die allmähliche Aushöhlung der Idee des „römischen Königtums". Es ist noch nicht allgemein erkannt worden, daß weder die Idee, noch der Begriff, noch das Amt des „Königs der Römer" in Innozenz' Programm oder Wortschatz vorkommt. Die Forschung hat bisher noch nicht zur Kenntnis genommen, daß er nicht ein einziges Mal diesen Begriff verwendete. Für ihn gab es einen deutschen, einen französischen, einen englischen, aber keinen römischen König, der rechtmäßige Gewalt in Italien ausüben und vor allem auf die römische Kaiserwürde Anspruch
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zu erheben gehabt hätte. Die Politik der Rekuperationen w a r bei Innozenz unauflöslich mit dieser Ablehnung des römischen Königtums verbunden. Nicht zu Unrecht ist Innozenz der zweite Begründer des Kirchenstaats genannt worden. Die Politik der Rekuperationen verdankte ihre raschen Anfangserfolge sicherlich der Thronvakanz, die in Deutschland durch den T o d Heinrichs V I . im September 1 1 9 7 entstanden war. Ferner war auch das Machtvakuum in Konstantinopel für das Papsttum ein Ansporn zu raschem Handeln. D e r W a h l Philipps von Schwaben durch die Stauferpartei im März 1 1 9 8 folgte die W a h l O t t o s von Braunschweig durch die Weifen, die teils aus ideologischen, teils aus wirtschaftlich-kommerziellen Gründen
entschlossen waren,
keinen weiteren Staufer auf
dem
T h r o n zu dulden (die W e i f e n hatten ihren Hauptstützpunkt im Rheinland, und ihr Anführer war Erzbischof Adolf von K ö l n ; daher spielten Handelsbeziehungen zu England in ihrer Politik eine Rolle). Obwohl diese Doppelwahl für das Papsttum von allergrößtem Interesse war, rriachte Innozenz mehr als zwei Jahre lang keine Anstalten, sich in Deutschland einzumischen, so sorgsam und genau er auch die Entwicklung der Lage im Auge behielt. E s war offensichtlich, daß er mit dem W e i f e n sympathisierte, aber als Papst, d. h. als derjenige, der die Kaiserkrone an einen der beiden Bewerber zu vergeben hatte, verharrte er nach außen hin in der unparteiischen Haltung eines Schiedsrichters bis zu dem Zeitpunkt, wo Anfang des Jahres 1 2 0 1 die päpstlichen Interessen seine aktive Intervention gebieterisch verlangten. Wieviel
Bedeu-
tung er der Angelegenheit beimaß, wird daraus ersichtlich, daß er für alle amtlichen Schreiben, die er in der Sache des Kaisertums empfing oder absandte, ein eigenes Register anlegen Heß. Diese Korrespondenz zeigt die überragende Gewandtheit dieses Papstes und seine unübertreffliche Geschicklichkeit in der Handhabung brisanter Angelegenheiten. D e r K a m p f zwischen Philipp und O t t o bot Innozenz gute Gelegenheit, die päpstlichen Grundsätze bezüglich der Regierung der christlichen Gesellschaft
in
unzweideutiger
Sprache
darzulegen.
Der
stautìschen
T h e s e , daß der gewählte deutsche König als „König der R ö m e r "
ein
Recht auf die Kaiserkrone habe, trat Innozenz entschieden entgegen; er bestand darauf, daß die Verleihung der Kaiserwürde eine lische", d . h . päpstliche G n a d e sei, die an die Erfüllung
„aposto-
bestimmter
Bedingungen geknüpft war. ü b r i g e n s liefere die Geschichte bis herab zur G e g e n w a r t genügend Beweise dafür, daß die Stauferdynastie immer der Widersacher des P a p s t t u m s gewesen sei. So wies Innozenz alle Ansprüche Philipps zurück, der erklärt hatte, er werde „in naher Z u k u n f t " nach R o m k o m m e n , um die K r o n e vom Papst entgegenzunehmen. Auch
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die Ansprüche, die im Namen des jungen Friedrich I I . erhoben wurden, wies er zurück, nicht nur weil Friedrich ein Staufer, sondern weil er aus anderen Gründen ungeeignet sei. Innozenz entschied also zugunsten des Weifenkandidaten Otto, und der Hauptbeweggrund für diese Entscheidung war die Tatsache, daß Otto zu einer Reihe von Zugeständnissen bereit war, die sich in das Italienprogramm des Papsttums einfügten: Otto sagte praktisch den Verzicht auf die deutschen Rechte in Italien zu. Vor allem zerstreute er mit seinem Versprechen, die päpstlichen Rekuperationen voll anzuerkennen, alle Furcht vor der drohenden Vereinigung des Reichs mit Sizilien unter staufischer Herrschaft. Innozenz' Entscheidung in der Kaiserfrage hing in Wirklichkeit nur von der Überlegung ab, welcher der zwei Anwärter dem Papsttum in Italien weniger Kummer bereiten würde. Aber Innozenz konnte das Problem, das in den erfolglosen Verhandlungen zwischen Heinrich V I . und Coelestin I I I . im Jahre 1196 (s.o. S. 193) seinen Ursprung hatte, nicht in so brutaler Einfachheit in Worte fassen, ohne beide Anwärter auf die Kaiserkrone zu brüskieren; daher die Betonung seiner Rolle als Kaisermacher und die Darlegung der päpstlichen Kaisertheorie, die jetzt ihre abschließende Formulierung erhielt: der Papst als Stellvertreter Christi hatte allein das Recht, den universalen Schutzherrn der Christenheit einzusetzen, der deshalb als ein bloßer Gehilfe (oder Vogt) des Papsttums bei der Erfüllung seiner universalen Ziele verstanden wurde. Innozenz betonte das Recht der Deutschen, ihren König zu wählen; die Entscheidung über seine Beförderung zum Kaiser aber liege beim Papst; denn es war der apostolische Stuhl gewesen, der das Kaisertum bei der Krönung Karls des Großen von Konstantinopel nach dem Westen übertragen hatte (die sogenannte Theorie der Translation des Kaisertums). Für das Papsttum war der Kaiser ein Beamter, den es eigens als seinen universalen starken Arm geschaffen hatte und der die Universalität seiner Schöpferin, der römischen Kirche, widerspiegelte; daher auch in diesem Zusammenhang die wiederholte Betonung des Sonne-Mond-Gleichnisses, empfing doch der Mond sein Licht von der Sonne. Dem Kaiser waren bestimmte Pflichten auferlegt; damit er ihnen nachkommen könne, übertrug ihm der Papst die Vollgewalt. Wie weit sie gehen sollte, oblag letztlich der Entscheidung des Papsttums. Deshalb war die Einsetzung des Kaisers „grundsätzlich und letztlich" (principaliter et finaliter) Sache des Papsttums. Was seine königliche Würde betraf, so war der Kaiser deutscher König (daher Innozenz' Weigerung, bei deutschen Wahlen zu intervenieren) und nicht „König der Römer" mit königlichen Rechten in Italien. In seiner kaiserlichen Funktion hingegen war er ein päpstlicher Beamter (daher das Fehlen eines kaiserlichen Thrones, s.o. S. 176), dessen Ge-
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wait rein begrifflich ebenso universalen Charakter hatte wie die des Papstes, der ihn geschaffen hatte. Diese kaiserliche Gewalt durfte nur auf Verlangen des Papsttums ausgeübt werden — hier wird das Vermächtnis von Bernhards Lehren sichtbar, der Kaiser habe den Wünschen des Papstes gemäß zu handeln. Kurz, Innozenz nahm den Thronstreit Philipps und Ottos zum Anlaß, seine Theorie vom Kaisertum endgültig zu formulieren. Sie bildete auch den Hintergrund für den vierten Kreuzzug, dessen aktive Vorbereitung in die frühen Jahre von Innozenz' Pontifikat fiel. Trotz anfänglicher Erfolge Ottos in den Jahren zwischen 1201 und 1203, die er gänzlich der beständigen diplomatischen Unterstützung durch Innozenz verdankte, begannen die deutschen Fürsten, weltliche wie kirchliche, sich allmählich von den Weifen abzuwenden. Obwohl noch immer exkommuniziert — was allerdings in Deutschland nicht allgemein bekannt war — machte Philipp Fortschritte, bis schließlich, im Jahre 1205, Otto ganz verlassen dastand. Im wechselnden Schicksal der beiden Widersacher spielte Innozenz' Schwäche, sein Mangel an Menschenkenntnis, eine wesentliche Rolle. Otto war ein wertloser, untauglicher, stümperhafter und gänzlich unzuverlässiger Prahler, den Erzbischof Adolf von Köln, die Hauptstütze der Weifen, fallen ließ, nachdem er den Kölner Kirchenschatz verpfändet und die Weifenpartei geschröpft hatte. Im Jahre 1205 bot er Philipp die deutsche Krone oder vielmehr die des römischen Königs an, nachdem er sieben Jahre vorher in Aachen Otto gekrönt und inthronisiert hatte: am 6. Januar 1205 salbte, krönte und inthronisierte Adolf als der rechtmäßige Krönungsbischof seinen ehemals scharf angegriffenen, um nicht zu sagen verfolgten Gegner am richtigen Ort — in der Pfalz Karls des Großen, in Aachen. Erst jetzt dämmerte es Innozenz, daß es unmöglich war, allein mit Ideen zu herrschen und daß die Wirklichkeit nicht durch die Geschlossenheit der abstrakten Gedanken zu meistern war. Innozenz war gezwungen, die veränderte Lage zur Kenntnis zu nehmen, zumal Philipp und seine Partei nunmehr zu einer Reihe von Zugeständnissen bereit waren, die sie während der früheren Phase der Auseinandersetzung verweigert hatten. Unmittelbar vor dem Zusammentritt einer aus päpstlichen und staufischen Gesandten zusammengesetzten Kommission, die die Übereinkunft besiegeln sollte, wurde Philipp im Juni 1208 ermordet. Der Mord stand in keinerlei Zusammenhang mit dem Thronkampf gegen Otto, der nun jedoch nichts unversucht ließ, seine alte Stellung wiederzuerlangen. Da der Bürgerkrieg in Deutschland bereits gute zehn Jahre gedauert hatte, machte sich ein allgemeiner überdruß fühlbar. Auch das Papsttum wollte diese Angelegenheit endlich beenden, und am 4. Oktober 1209 krönte Inno-
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zenz I I I . Otto zum Kaiser der Römer, um erst jetzt festzustellen, was für einem Menschen er seine Unterstützung gewährt hatte. Otto vergaß alle seine früheren Versprechungen und wandelte sich von einem Weifen in einen Kaiser mit staufischen Zielen. Sein Versuch, im Jahre 1210 Süditalien zu besetzen und Truppen nach Sizilien überzusetzen wie auch seine Bemühungen, päpstlich „rekuperierte" Gebiete durch Belehnung deutscher Amtleute (ζ. B. mit Spoleto, Ancona, der Romagna) der deutschen Jurisdiktion zu unterstellen, zogen nachdrückliche Strafmaßnahmen durch Innozenz nach sich, nämlich die Bannung des Kaisers kaum ein Jahr nach seiner Krönung. Trotz einer glänzenden Strategie und einer perfekten Beherrschung der päpstlichen Ideologie und Geschichte, hatte Innozenz' Politik völligen Schiffbruch erlitten, wie er selbst in seinen Briefen an deutsche Bischöfe eingestand: er habe das Schwert geschmiedet, durch das er nun geschlagen werde. Er wandte auf sich die Worte aus dem ersten Buch Samuel 1 5 . 1 1 an: „Es reut mich, daß ich Saul zum König gemacht habe". In zahlreichen Botschaften konnte er den Namen Ottos nicht ohne Verwünschungen dieser Art erwähnen. Der junge Hohenstaufe Friedrich II., das Mündel des Papstes, wurde nun im Jahre 1211 von den deutschen Fürsten förmlich zum König gewählt. E r versprach, Sizilien niemals mit Deutschland zu vereinigen. Nach seiner Mainzer Krönung zum „König der Römer" (d. h. König von Deutschland) im Jahre 1212 erneuerte er in der Goldbulle von Eger im Jahre 1213 das Versprechen, das der Weife Otto zehn Jahre vorher bezüglich der päpstlichen Rekuperationen und der freien geistlichen Wahlen gegeben hatte. Ottos Schicksal war besiegelt, und zwar zuletzt nicht infolge päpstlicher Politik oder List, sondern durch die Niederlage, die er und sein englischer Bundesgenosse gegen die vereinigten Heere Philipps I I . von Frankreich und Friedrichs I I . bei Bouvines im Jahre 1214 erlitten. Das Papsttum galt in diesem Jahrzehnt unter Innozenz I I I . als die Verkörperung von Recht und Ordnung bei jenen, die ohne diesen Halt zum Opfer von Anarchie und Willkür geworden wären. Aber Appellationen an die Kurie machten auch Interventionen in die Angelegenheiten zahlreicher Königreiche nötig. So verschlechterten sich Innozenz' Beziehungen zu Frankreich, für das er wie viele andere Oberhirten eine nostalgische Vorliebe empfand, im Gefolge der Eheaffaire Philipp Augusts. Philipp hatte Agnes von Meran seiner rechtmäßigen Frau Ingeborg von Dänemark vorgezogen, die er verstieß. Diese Angelegenheit hatte ernste Auswirkungen in der Öffentlichkeit, weil einer der wenigen Anhänger Ottos, der Dänenkönig Waldemar II., Ingeborgs Bruder war. Um nun Waldemar nicht zu erzürnen und die Sache der Staufer nicht unversehens zu fördern, ergriff Innozenz strenge Maßnahmen und
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zwang Philipp, seine Frau Ingeborg zurückzunehmen. Gleichzeitig legitimierte er aber bereitwillig die unehelichen Kinder, die Agnes geboren hatte — eine Geste, die an Frankreich u n d Philipp August nicht verloren war. Auch England w u r d e der Schauplatz päpstlicher Interventionen, zumal König Johann enge Beziehungen zu O t t o von Braunschweig unterhielt. Innozenz übte deshalb mit dem König trotz dessen Eigenmächtigkeiten in manchen kirchlichen Angelegenheiten eine gewisse Nachsicht. Aber eine Reihe von Streitfällen, die ihm zu O h r e n u n d vor sein Gericht gelangten, erforderten schließlich doch seine Intervention. Dazu gehörte auch der Streit u m den Stuhl des Erzbischofs von Canterbury. Die Vakanz des Erzbistums im Jahre 1205 u n d König Johanns Politik machten eine Einmischung durch Innozenz nötig. Die W a h l war ohne Zweifel gegen alle Regel gewesen. Die Mönche in Canterburry hatten zunächst den Subprior Reginald gewählt, aber bald danach u n d unter dem Druck des Königs ihren Kandidaten fallen gealssen u n d an seiner Stelle den Bischof von Norwich, einen Günstling des Königs, erkoren. Als die Sache vor den päpstlichen Gerichtshof kam, annullierte Innozenz beide „Wahlen", u n d die in Rom anwesenden Mönche wählten Kardinal Stephen Langton, der gleichzeitig mit Innozenz die Pariser Universität besucht hatte und den der Papst im Jahre 1207 persönlich in Viterbo weihte. Aber der König weigerte sich, Langton zu akzeptieren; er w u r d e exkommuniziert, nachdem zuvor im März 1208 das Land mit dem Interdikt belegt worden war, sodaß keine Gottesdienste mehr abgehalten Vvurden. Viele Bischöfe flohen und beredeten den Papst, Johanns Untertanen von ihrem Treueid zu entbinden, was Innozenz schließlich auch tat. Philipp von Frankreich wurde von ihm ermächtigt, in England einzufallen und es zu erobern. Emsige französische Kriegsvorbereitungen bewegten Johann zum Einlenken; am 13. Mai 1213 gab er nach, zumal die englischen Fürsten ebenfalls begonnen hatten, sich gegen ihn zu erheben. Er entschied sich, Vasall des Papstes zu werden, was bedeutete, daß er nun u n t e r dessen besonderem Schutz stand. Langton w u r d e als Erzbischof von Canterbury anerkannt. Das päpstliche Interdikt, das mehr als fünf Jahre in Kraft gewesen war, hatte große Not über das Land gebracht, zumal obendrein die päpstlichen Steuerforderungen die Engländer gegen die Kurie aufgebracht hatten. Der päpstlichen Lehnsherrschaft über England gingen die Belehnungen anderer Herrscher voraus. So war Bulgarien unter seinem König Joannitza päpstliches Lehen geworden. Besondere Bedeutung f ü r Europa gewann damals die spanische Halbinsel. Aragon erneuerte unter König Peter I I . den aus dem Jahre 1089 stammenden, im Laufe des
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12. Jahrhunderts aber erloschenen Vertrag, wonach das Land ein Lehen des Papsttums war. Im Jahre 1204 wurde Peter als päpstlicher Lehnsmann von Innozenz persönlich gekrönt; zudem erhielt der Papst die Zusage freier und kanonischer Wahlen. Auch Portugal und Kastilien erneuerten ihre Lehnsverträge mit dem Papsttum, und die gemeinsamen militärischen Bemühungen Navarras, Kastiliens, Aragons und Portugals besiegelten schließlich das Schicksal der Araber auf der Pyrenäenhalbinsel. Am 16. Juli 1212 erlitten sie die entscheidende Niederlage, und das Papsttum konnte mit der kirchlichen Organisation der befreiten Gebiete beginnen, eine Aufgabe, die dadurch, daß diese Reiche Lehen des Papsttums waren, wesentlich erleichtert wurde. Dem Papsttum des frühen 13. Jahrhunderts stand eine größere Anzahl von Vasallen zur Verfügung als jeder anderen Macht in Europa. Im Norden und Nordosten Europas entwickelte das Papsttum seine Wirksamkeit, indem es die im Gang befindlichen missionarischen Unternehmungen förderte, vor allem in Livland. Zur Unterstützung des dortigen Bischofs Albert rief Innozenz die Christen Sachsens und Westphalens auf, anstelle von Pilgerfahrten nach Rom die Waffen gegen die Heiden in Livland zu ergreifen. Dieses Beispiel der Missionierung des Nord-Ostens Europas wurde später auch von anderen Päpsten und von den Deutschen befolgt. Auch in Norwegen und Schweden fand Innozenz Anlaß, in Nachfolgestreitigkeiten einzugreifen. Dem Markgrafen von Böhmen, Ottokar, gestand der Papst im Einvernehmen mit Otto IV. die Annahme von Titel, Funktionen und Privilegien eines Königs zu. Damit wurde Böhmen zum Königreich, was es bis in die Neuzeit blieb. Auch in Ungarn griff das Papsttum in die Auseinandersetzung zwischen König Emmerich und seinem Bruder Andreas ein. Kurz, Wirken und Einfluß des Papsttums waren in ganz Europa spürbar. Die Kurie wurde das geschäftigste Herrschaftszentrum der damaligen „Welt". Erst in diesem Zusammenhang kann die Bedeutung des vierten Kreuzzugs voll ermessen werden. Vom Anbeginn seines Pontifikats an betrachtete Innozenz den Kreuzzug als eine seiner dringlichen Aufgaben. Er erlegte dem Klerus eine eigene Kreuzzugssteuer auf (ein Vierzigstel seiner Einkünfte). Unter der Leitung von Herzog Bonifaz von Montferrat brach das Kreuzfahrerheer im November 1202 auf venezianischen Schiffen aus Italien auf, aber anstatt, wie ursprünglich beabsichtigt, nach Ägypten zu segeln, nahmen die Kreuzritter zuerst (trotz ausdrücklichen päpstlichen Verbots) Zara (das jetzige Zadar) ein und wandten sich dann nach Konstantinopel — es traf also genau das ein, was die Byzantiner immer befürchtet hatten. Die Kreuzfahrer belagerten die Stadt, gingen schließlich im April 1204 zu einem heftigen Angriff über und verwüsteten diese alte Kulturstätte in schamloser Weise. Konstan-
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tinopel wurde von den westlichen Heeren besetzt, die ein Lateinisches Kaiserreich mit lateinischer Kirchenorganisation erriditeten. Obgleich dieser Gang der Dinge von Innozenz nicht geplant war, begrüßte er die Vereinigung der römischen mit der griechischen Kirche, die sich unmittelbar aus dem Fall von Konstantinopel und der Besetzung der Stadt ergab, dennoch von Herzen. Das seit dem 5. Jahrhundert vom Papsttum angestrebte Ziel wurde endlich erreicht — die Durchsetzung des päpstlichen Primats in Konstantinopel. Aus seiner Sidit hatte der Papst wirklich Grund zu dem Jubelruf, die byzantinische Kirche sei zu ihrer Mutter, der römischen Kirche, zurückgekehrt; oder, wie sich Innozenz audi ausdrückte, die byzantinische Kirche war durch ihre Unterwerfung unter den römischen Primat zu neuer Kindschaft wiedergeboren. Päpstliche Botschaften gingen nun bis Vorderasien. W a s dem Deutschen Reich nicht geglückt war, fiel dem Papsttum in den Schoß. Innozenz war sogar des Glaubens, die heiligen Stätten wären niemals verloren gegangen, wäre das Reich früher von den Griechen an die Lateiner übergegangen. Das Lateinische Kaiserreich hielt sich bis zum J a h r e 1261 und diente d e m P a p s t t u m als Basis für seine Missionen nach R u ß l a n d , u m die Vereinigung der Kirchen zu vollenden. Dem lateinischen Patriarchat in Konstantinopel — aufgeblasen durch einen riesigen V e r w a l t u n g s s t a b und eine ausgedehnte (lateinische) Hierarchie — w u r d e von der Bevölkerung nur Feindseligkeit entgegengebracht, aber wenigstens auf dem Pergament w a r das Schisma beendet. Die Organisation der lateinischen Kirche des Ostens bedeutete eine schwere finanzielle Belastung für das Papsttum, mit der es allerdings zunächst recht gut fertig w u r d e . Im J a h r e 1213 rief Innozenz zu einem neuen Kreuzzug gegen den Islam auf: er hätte im J a h r e 1217 beginnen sollen. Angesichts dieser weitgespannten Tätigkeit der Kurie und der Auffassung vom Christentum, die sich in ihr widerspiegelte, nimmt das Anwachsen einer Opposition nicht W u n d e r , die allerdings zunächst nicht gegen das P a p s t t u m als Institution gerichtet w a r . Die bessere Erziehung großer Teile der Bevölkerung förderte eine kritische H a l t u n g gegenüber einer legalistisch-starren und nur aus Satzungen bestehenden Art des Christentums. Die Hauptbeschwerden der — zugegeben kleinen — Oppositionsgruppen richteten sich dagegen, d a ß der höhere Klerus seine Predigtpflichten vernachlässigte und zuviele Reichtümer anhäufte. Es bestand eine g e w i s s e Verwandtschaft zu früheren A u f l e h n u n g e n , w i e derjenigen Arnolds von Brescia. Diesmal jedoch richtete sich die Opposition gegen das Prinzip der rechtlich fixierten Auslegung des Christent u m s an sich, und sie w a r daher viel grundsätzlicher als frühere Oppositionsbewegungen. Die beiden Schlachtrufe hießen also: W a n d e r p r e digt und apostolische A r m u t . Anzeichen dieses widersetzlichen Geistes
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fanden sich in der ganzen westlichen Christenheit. Sie waren schon deutlich in Erscheinung getreten, als Innozenz Papst wurde. In der Behandlung seiner Gegner zeichnete er sich durch seine Intelligenz, sein Einfühlungsvermögen gegenüber den Erfordernissen der Zeit und seine allgemeine Menschlichkeit vor allen seinen Vorgängern oder Nachfolgern aus. Die starre, unbeugsame, dogmatische Haltung gegenüber dem Problem des Nonkonformismus, wie sie vielleicht am besten in Alexanders I I I . phantasieloser und linkischer Behandlung der Waldenserfrage in Erscheinung trat, wich bei Innozenz I I I . einer abgewogenen, den jeweiligen Umständen Rechnung tragenden Haltung. Beim Umgang mit Nonkonformisten und Abtrünnigen ließ er sich von ähnlichen Grundsätzen leiten, wie sie den Arzt bei der Behandlung einer Krankheit bestimmen, nämlich dem Bemühen, zunächst die Symptome festzustellen, um aus ihnen die Ursache erschließen zu können. Die Therapie sollte sich auf die Beseitigung solcher Irrtümer beschränken, die dem Christentum in seiner Substanz geschadet hätten. Unwesentliche Meinungsunterschiede sollten dagegen nicht zu sehr ins Gewicht fallen. Es ging darum, so viele Abtrünnige wie möglich in die Kirche zurückzuholen, indem man ihnen Zugeständnisse machte, die das Wesen des Dogmas oder den Kern der Lehre nicht beeinträchtigten. Blieben diese Bemühungen erfolglos und beharrten die Irrgläubigen auf ihren Praktiken und Lehren, dann erst sollten die Ketzergesetze in ihrer ganzen Schärfe zur Anwendung gebracht werden. Diese Politik zeitigte in ihren Grundzügen beträchtlichen Erfolg, jedoch bei weitem nicht in dem Ausmaß, das sein Initiator erhofft hatte, sei es, weil die Krankheit für die Behandlungsart, die er vorschlug, schon viel zu weit fortgeschritten war, sei es, weil die Nonkonformisten keine straffe Organisation besaßen und weil ihre ausgedehnte Vielfalt die Kommunikation mit ihnen erschwerte. Ferner war das Papsttum weitgehend auf die Mitarbeit der Bischöfe angewiesen, denen es an dem notwendigen Verständnis und Unterscheidungsvermögen gebrach. Ihre Reaktion auf die aufgeklärte Politik des Papsttums war alles in allem recht armselig. Für sie war ein Nonkonformist ein Ketzer, der verurteilt werden mußte; und da die Zielscheibe der Kritik die bischöfliche Vernachlässigung der Predigt und ähnliches mehr war, ist die ablehnende Haltung der Bischöfe menschlich sogar verständlich. W o die Abtrünnigen jedoch in mehr oder weniger eng umgrenzten Gemeinden oder Gegenden lebten, war es leichter, mit ihren Anführern Kontakt aufzunehmen. Dies gelang ζ. B. mit den Humiliaten in Norditalien, den Armen Männern von Lyon, den Trinitariern und ähnlichen Gemeinschaften. In all diesen Fällen wurden Kompromißlösungen gefunden,
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durch die ansehnliche Gruppen von Nonkonformisten einen Lebensraum innerhalb der Kirche zugewiesen erhielten. Es mag paradox klingen, aber in gewissem Sinne ließ sich Innozenz selbst zur „Häresie" bekehren, als er dem spanischen Subprior Dominicus und seinem Bischof Diego von Osma vor ihrer Rückreise von Rom nach Spanien (im Jahre 1206) dazu riet, äußerlich dasselbe Gebaren anzunehmen, durch das sich die Ketzer auszeichneten, d. h. herumzustreifen in zerlumpter Kleidung und zu predigen nach Art der Wanderprediger, vor allem auch die Waldenser und andere Ketzer zu öffentlichen Diskussionen zu provozieren, dabei aber jederzeit die orthodoxe Lehre zu vertreten. Die erste nachweisbare Begegnung zwischen Dominicus und Diego und den Ketzern fand Anfang des Jahres 1207 in Pamiers in Südfrankreich statt. Sie kann als der Beginn der Bewegung der Bettelbrüder angesehen werden, jener Wanderprediger, die die rechtgläubige Lehre mit gleicher Energie verfochten wie das Armutsideal. Die Dominikanerbrüder (der Predigerorden) entwickelten sich aus diesem an sich unbedeutenden Ereignis; unter Innozenz' Nachfolger wurden sie von der Kirche als eigener Orden anerkannt. In der Bekämpfung der Ketzerbewegungen waren die Dominikaner eine ebenso starke Macht wie die andere Gruppe, die Anhänger des hl. Franziskus von Assisi (der spätere Minoritenorden). Diese hatten einen gänzlich andersartigen Ursprung. Zunächst waren sie ganz unorthodox. Ihr Gründer verschmolz das Doppelziel von apostolischer Armut und Predigt in einer viel individuelleren Lehre als die Dominikaner. Auf das Gesuch des hl. Franziskus hin und auf Grund der kraftvollen Unterstützung durch Kardinal Ugolini erhob Innozenz keinen Widerspruch gegen die kleine Gruppe, die sich um Franziskus geschart hatte (im Jahre 1210), vorausgesetzt sie blieb ihrem Führer und dieser wiederum dem Papst gegenüber verantwortlich. Die Gruppe vergrößerte sich rasch, obwohl sie für weniger scharfsinnige Bischöfe kaum von richtigen Häretikern zu unterscheiden war; der regionale Widerstand gegen die neue Bewegung war zeitweilig heftig. Auch auf dem vierten Laterankonzil hatten die Synodalen durchaus keine günstige Meinung von den zwei neuen Orden. Es ist jedoch in der Tat unbestreitbar, daß die beiden Bettelorden dem wuchernden Anschwellen von Häresien im 13. Jahrhundert einen Damm entgegensetzten. Letztlich verdankten sie ihre erfolgreiche Laufbahn Innozenz' vorausschauender Politik, \vie wenig sie auch in die bestehende kirchliche Organisation hineinpaßten. Auf Grund ihres flexiblen und anpassungsfähigen Aufbaus war es ihnen jedoch möglich, Kontakte zu Bevölkerungsgruppen herzustellen, die bisher durch den Weltklerus, vor allem die höhere Geistlichkeit, aber auch durch die Mönche nicht
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erreicht worden waren, nämlich die Stadtbevölkerung, die im Lauf des 13. Jahrhunderts in raschem Anwachsen begriffen war. In scharfem Gegensatz zu dieser aufgeklärten Politik steht Innozenz' Behandlung der Albigenserfrage — sie wirkt nicht nur wie die gerade Umkehrung seiner bisherigen Politik, sondern läßt sich auch nach Innozenz' eigenen Maßstäben nur schwer erklären. Denn daß er den Kreuzzug gegen die Albigenser predigte, war nichts anderes als eine feierliche Kriegserklärung gegen eine europäische, nämlich französische Sekte. Die Albigenser hatten sich zwar in Südfrankreich stark verbreitet und zählten einflußreiche Bürger zu ihren Anhängern; zugegeben auch, daß sie (als Katharer) offene Gegner des zeitgenössischen Christentums waren und alle seine materiellen und institutionellen Erscheinungsformen, wie etwa die hl. Messe und die Sakramente, als gotteslästerliche Praktiken geißelten, während sie zu gleicher Zeit allerdings ihr eigenes Ritual entwickelten. Es trifft auch zu, daß ihre Prediger — hingebungsvoll und eifernd — keine Mühe hatten, einen anklagenden Finger gegen das Luxusleben zeitgenössischer Prälaten zu erheben, und daß die praktische Anwendung einiger ihrer Ansichten ernsthafte Auswirkungen auf das politische und soziale Leben gezeitigt hätte. Es entspricht überdies der Wahrheit, daß Innozenz, als die Albigenser sich ausbreiteten und immer größere Teile der südfranzösischen Bevölkerung an sich zu binden begannen, einige Zisterziensermönche als Legaten abordnete, die aber durch ihr Auftreten und ihre aufreizend prunkhafte Lebensweise die Lage nur verschlimmerten. Als dann aber Peter von Castelnau, einer dieser päpstlichen Legaten, ermordet wurde, erklärte Innozenz der ganzen Gegend den Krieg, indem er einen Kreuzzug ausrief. Trotz dringender Aufforderungen blieb Philipp I I . August unerschütterlich bei seiner Weigerung, sich daran zu beteiligen. Die Gesamtleitung des päpstlichen Kreuzzugs lag in den Händen Abt Arnald Amalricis, gleichfalls eines Zisterziensers, während die Streitkräfte unter dem Oberbefehl Simons von Montford standen. Der Krieg wurde auf beiden Seiten mit bestialischer Grausamkeit geführt; während der Belagerung von Beziers durch die „Kreuzfahrer" ereigneten sich im Jahre 1209 unbeschreibliche Scheußlichkeiten. Das ursprüngliche Ziel, die Ausrottung der albigensischen Irrlehre, wurde immer mehr in den Hintergrund gedrängt; den Vordergrund beherrschten zum einen Teil die landhungrigen Bestrebungen der französischen Fürsten, zum anderen die Präbendenjagd der Legaten: Arnald ζ. B. ergatterte das Erzbistum von Narbonne, nachdem es in die Hände der „Kreuzfahrer" gefallen war. Aus der Sicht der Geschichte des Papsttums fügte dieser Feldzug dem Ansehen der Institution in dieser Gegend schweren Schaden zu. Erst im 14. Jahrhundert
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gelang es, die schlimmsten Erscheinungsformen dieser Irrlehre völlig auszurotten. Was nun die Verkündigung eines Kreuzzugs gegen Christen durch Innozenz betrifft — wobei er allerdings, wie betont werden muß, diese Auswüchse der Kriegführung mißbilligte — so mag die Erklärung hiefür zum Teil in dem Beispiel Konstantinopels liegen und in den Bemühungen des Papsttums, seinen Primat über die byzantinischen Christen, die ja audi als Ketzer bezeichnet wurden, wenn nötig mit militärischen Mitteln auszudehnen (s. o. S. 140), zum Teil auch in der Auffassung der Häresie als eines Verbrechens der Majestätsbeleidigung, des Hochverrats gegen die göttliche Majestät, wie Innozenz selbst in einer Dekretale etwa zehn Jahre vorher sie gedeutet hatte. Hier war dargelegt, daß ein Vergehen gegen die göttliche Majestät mindestens die gleiche Bestrafung verdiene wie ein Vergehen gegen eine weltliche Majestät. Der geistige Hintergrund dieser Ausführungen war der Begriff der Majestätsbeleidigung im römischen Recht, das dem Juristen Innozenz die benötigte Handhabe bot und das juristische Rüstzeug lieferte. Ein überzeugter und eingefleischter Ketzer — und es bestand kein Zweifel, daß dies auf die Albigenser zutraf, wenn audi der niedere ortsansässige Klerus und zahlreiche Laien mit ihnen sympathisierten — galt ihm nicht als Christ, so wie er dies Wort verstand, widersetzte er sich doch freiwillig und bewußt der Autorität der römischen Kirche. Diese Auffassung bewegte sich ganz im Rahmen der Ideen Gregors V I I . , der ebenfalls, möglicherweise mit dem Blick auf Konstantinopel, erklärt hatte, daß, „wer mit der römischen Kirche nicht übereinstimme, nicht als Katholik gelten solle". Auch in einem noch so gedrängten Überblick über diesen ausnehmend wichtigen Pontifikat darf ein kurzer Hinweis auf die Vorteile, die die Institution in rein rechtlichen Angelegenheiten aus ihm zog, nicht fehlen. Denn Innozenz I I I . war der erste Papst, der eine amtliche Zusammenstellung des Kirchenrechts veröffentlichte. Bisher waren alle Sammlungen, Kodifikationen, Auszüge und Zusammenfassungen rein privater Natur gewesen, ungeachtet des amtlichen Charakters der einzelnen päpstlichen Dekretalen. Ein deutliches Bedürfnis nach Sammlungen der neuen päpstlichen Rechtserlasse seit Gratians Decretum (s. u. S. 228) machte sich im praktischen Bereich in den verschiedenen Kanzleien und Gerichtshöfen und an den Rechtsschulen bemerkbar. Gratians Decretum wurde nun durch eine Reihe sachkundig geordneter und umfassender Sammlungen ergänzt, die die gewaltige Masse den Dekretalen entsprechend nach inhaltlichen Gesichtspunkten zusammenfaßten. Ein Regent von Innozenz' Fähigkeit, Erfahrung und Vorstellungskraft
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war sich darüber im klaren, daß die über gan2 Europa ausgedehnte Körperschaft der Christenheit nur gedeihen konnte, wenn ihr Recht durch das Papsttum geprägt war. Die Register Innozenz' III. — nach derjenigen Gregors VII. die zweite fast vollständig erhaltene Registersammlung, da alle übrigen zerstört, verloren oder nur in späteren Abschriften erhalten sind — stellten so die einzige und zentrale Quelle für die Tausende von Dekretalen dar, die in alle Richtungen der damaligen Christenheit gesandt wurden. Was aber der Papst als gültiges Recht in einer Dekretale niedergelegt hatte, die nach Durham in England gesandt wurde, konnte schwerlich in, sagen wir, Gnesen oder Krakau in Osteuropa bekannt sein. Mit anderen Worten, die Vorbildlichkeit seiner Register ermöglichte es Innozenz, eine eigene Sammlung jener Dekretalen herauszugeben, die inhaltschwer und gewichtig genug erschienen, um als amtliche Ergänzung zu Gratian zu dienen. Ferner ist an dieser Sammlung bedeutsam, daß sie an die Universität von Bologna gesandt wurde, ein Beweis für den hohen Grad des Ansehens, das die dortige Rechtsschule beim Papsttum genoß. In der Tat schien das der einzig mögliche Weg, eine Sammlung dieser Art zu verbreiten. Die Doktoren in Bologna hatten nun einen authentischen Text zu ihrer Verfügung, den sie, um aus der Präambel zu zitieren, in ihrem Unterricht ebenso wie bei Gericht verwenden konnten. Der Schritt, den die Kanzlei Innozenz' hier unternahm, leitete die lange, ehrwürdige Reihe päpstlicher Sammlungen des kanonischen Rechts ein. Gipfelpunkt von Innozenz' Pontifikat und Krönung seines gesetzgeberischen Werkes war das vierte Laterankonzil, dessen erste Sitzung am 11. November 1215 stattfand. Die Teilnahme von etwa siebzig Patriarchen und Erzbischöfen (aus West und Ost), fast vierhundert Bischöfen und mehr als achthundert Äbten, Prioren und anderen Klosterleuten verlieh diesem Konzil außerordentlichen Rang; es war das erste wahrhaft universale Konzil des mittelalterlichen Abendlandes und sollte auch an Bedeutung hinter den großen Konzilien des christlichen Altertums nicht zurückbleiben. Dieser Punkt wurde von Innozenz in seinem Einberufungsedikt hervorgehoben. Daß es ein universales Konzil war, geht schon aus der Tatsache hervor, daß die Führer der Christenheit aus verschiedenen Gegenden, Ständen und Orden eingeladen waren und auch teilnahmen; sie hatten sich versammelt, um die allgemeine Wohlfahrt der Kirche zu erörtern. Daher waren im Gegensatz zu den Laterankonzilien des 12. Jahrhunderts die Teilnehmer nicht nur Bischöfe, sondern auch Äbte und Pröpste und die Bevollmächtigten weltlicher Herren. Sie alle verkörperten die Christenheit, die Innozenz als Stellvertreter Christi lenkte, denn (wie schon Alexander III. mit einem Zitat aus Bernhard von Clairvaux angedeutet hatte) ihm war nicht nur die Gewalt über
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das Priestertum, sondern auch über das weltliche Leben anvertraut. Die Versammlung bezeugte so eindrucksvoll die Stellung und Funktion des Papsttums als des monarchischen Herrschaftsorgans der Christenheit. Mit anderen Worten, Innozenz setzte das alte Bild von der Kirche als der Versammlung aller Gläubigen in eine wirkliche Versammlung um, indem er die Führer jener beiden Stände, der Laien und des Klerus, zusammenrief, aus denen die Kirche bestand. D i e Universalität dieses Konzils f a n d auch in seiner umfassenden gesetzgeberischen T ä t i g k e i t Ausdruck; siebzig D e k r e t e w u r d e n verabschiedet, die zum Teil l a n g a t m i g e juristische A u s f ü h r u n g e n zu schwierigen T h e m e n w a r e n . S i e können als die Zusammenfassung der legislativen T ä t i g k e i t dieses Pontifikats gelten. Nach dem V o r b i l d der Konzile des christlichen A l t e r t u m s begann auch diese Kirchenversammlung mit einer Festsetzung des Glaubensbekenntnisses, so d a ß k ü n f t i g auch nach dem Gesetz eine zuverlässige Unterscheidung zwischen rechtgläubigen Christen und H ä r e t i k e r n möglich w a r . I h r folgte logischerweise das Dekret, das die M a ß n a h m e n festsetzte, die zur Ausmerzung von Irrlehren und zur Ausrottung von Irrgläubigen zu ergreifen w a r e n . I n mancherlei Hinsicht verfeinerte dieses neue Gesetz noch das Dekret Lucius' I I I . (s. o. S. 189 f.), indem es auch die gesellschaftliche Isolierung der Häresieverdächtigen verfügte und w e i t e r h i n bestimmte, d a ß verurteilte Ketzer der weltlichen G e w a l t zur Sonderbehandlung überstellt w e r d e n sollten; w e n n die weltliche G e w a l t es versäumte, ihr Land von Ketzern zu reinigen, erging an katholische Fürsten die A u f f o r d e r u n g , einzuschreiten und die betroffenen Länder zu besetzen. Genau festgelegte Maßnahmen w a r e n auch gegen die „Mitläufer" von Ketzern zu ergreifen. Andere Dekrete machten die jährliche Einberufung von Provinzialsynoden zur gesetzlichen Vorschrift, w ä h r e n d den Orden, w i e e t w a den Augustinern und Benediktinern, auferlegt w u r d e , alle drei J a h r e Generalkapitel abzuhalten. Die G r ü n d u n g neuer Orden w u r d e verboten — den in der Entstehung begriffenen Bettelorden w u r d e hier vorübergehend Einhalt geboten — , die Verehrung neuer R e l i q u i e n von der Billigung des Papsttums abhängig gemacht. J e d e m Christen w u r d e n die Ablegung der hl. Beichte und der Empfang der hl. Kommunion einmal im J a h r zur Pflicht gemacht, w e n n möglich zur Osterzeit. Eine Reihe von Dekreten befaßte sich mit den J u d e n , die an ihrer Kleidung Unterscheid u n g s m e r k m a l e tragen sollten, um den V e r k e h r zwischen Christen und J u d e n f r a u e n und J u d e n und Christenfrauen zu unterbinden. Eigene Dekrete behandelten den Kreuzzug, der gerade anlief, und die Ablässe und Steuern, die der Klerus h i e f ü r zu entrichten hatte (ein Zwanzigstel), w ä h r e n d der Papst und die Kardinäle ein Zehntel ihres Einkommens abzweigen mußten. Zwischen christlichen Fürsten sollten vier
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Jahre lang die Waffen schweigen. Kein Punkt, der von Bedeutung für das Papsttum war oder seine Interessen irgend betraf, wurde in diesen Dekreten vergessen, deren präzise Diktion eine bemerkenswerte Formulierungsgabe erkennen läßt. Predigtwesen, Klerusausbildung, Präbendenvergabe, Wahlen, Zeremonienwesen, Ehefragen, Kirchenzehnt, Disziplin, Jurisdiktions- und Appellationsfragen usw. bilden den Inhalt dieser Dekretmasse. Die universale Gesetzgebung dieses Konzils entsprach seinem ökumenischen Charakter. Das Papsttum auf seinem Höhepunkt unter Innozenz III. entwikkelte wenig neue Ideen oder Grundsätze. Der Beobachter stellt fest, daß bekanntes Gedankengut in denkwürdige Wendungen und Ausdrücke gekleidet wurde. Denn die programmatischen Ideen des Papsttums waren nun voll ausgereift und gipfelten in der Funktion des Papstes als des Stellvertreters Christi, was keine wesentliche Veränderung seiner Stellung bedeutete (s. o. S. 171). Innozenz zog offensichtlich die Konsequenz aus diesem Standpunkt, als er erklärte, daß er in seiner amtlichen Eigenschaft zwischen Gott und den Menschen gesetzt und so weniger als Gott, aber mehr als ein Mensch sei. Diese Aussage ist nicht immer richtig verstanden worden. Knapp und deutlich drückte sie die zeitgenössische Vorstellung von der persönlichen Souveränität des Papstes aus, der in seiner amtlichen Eigenschaft über und außerhalb der Kirche stand, die ihm zwar anvertraut war, von der er aber seine Gewalt nicht empfing. Diese war ihm vielmehr von Christus durch den hl. Petrus gegeben worden, auf daß er das christliche Gemeinwesen lenke und leite. So war er „über" die Kirche „gesetzt". Die „Superiorität" ( = Souveränität) gegenüber der Kirche als der Gemeinschaft aller Gläubigen hatte schon der alte, von Leo I. im 5. Jahrhundert geprägte Begriff der „Vollgewalt" gemeint, der genau mit dem päpstlichen Vikariat Christi, das auf der petrinischen Autorität gründete, zusammenfiel. Daher erklärte Innozenz so häufig, daß er als einziger Monarch die Vollgewalt besitze, die er zum Teil nach dem Grundsatz der Arbeitsteilung nach unten weitergab, sodaß die niedereren Verwalter, die einen Teil seiner Gewalt empfingen, von ihm sagen konnten, was das Johannesevangelium (1. 16.) von Christus sagte: „Und von seiner Fülle haben wir alle genommen". Dieser „höhere" Stand des Papstes erklärt auch, weshalb von da an die Worte des Propheten „Ich habe dich über die Völker und Königreiche gesetzt" auf den Papst in seiner amtlichen Funktion Anwendung fanden: auch dies nur eine andere Art, die monarchische Gewalt in biblischer Sprache auszudrücken. Diese Vollgewalt offenbarte sich nach Innozenz' Auffassung vornehmlich in dem päpstlichen Anspruch auf allumfassende Jurisdiktion. Eben weil das christliche Gemeinwesen ihm anvertraut war, war es Aufgabe
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des Papstes, es in einer Weise zu lenken, daß es schließlich sein Ziel, die Erlösung, erreichte. Daraus ergab sich der päpstliche Anspruch auf universale Rechtsprechung, den Innozenz auf dem Begriff der Sünde als des Feindes der christlichen Gemeinschaft aufbaute. Wann immer es deshalb um Sünde ging, kam die päpstliche Jurisdiktion ins Spiel. Auf Grund der Sünde (ratione peccati), wie er es bezeichnete, hatte das Papsttum das Recht, in jeder Rechtsangelegenheit zu intervenieren, mochte sie noch so weltlicher, vorübergehender, irdischer Natur sein. Von diesem Standpunkt aus wird der päpstliche Anspruch auf Kontrolle über die weltlichen Herrscher verständlich, ebenso wie sein eifrig gehütetes, historisch gewachsenes Vorrecht, sich in Gestalt des Kaisers der Römer seinen eigenen universalen Beschützer zu schaffen. Umso begreiflicher, daß das Papsttum unter diesen Umständen großen Eifer auf die Verfeinerung des Rituals der Kaiserkrönung verwandte. Innozenz selbst ordnete die Ausarbeitung eines neuen Krönungsritus an, der die im bisherigen Ritus verwandte Symbolik weiterentwickelte. Sein Zeremoniell stellte die päpstliche Machtfülle symbolisch dar und unterstrich die Rolle des Papstes als des einzigen Organs, das kaiserliche Macht vergab. Es war der letzte Papstritus für Kaiserkrönungen. Während Innozenz' Pontifikat fand diese Vollgewalt des Papstes häufig in Gleichnissen ihren Ausdruck, die für Zeitgenossen kaum mißverständlich waren. Eine dieser Allegorien war die schon erwähnte ZweiSchwerter-Theorie, die in ihrer abstrakten Form endgültig von Bernhard formuliert worden war und in Innozenz' Krönungszeremoniell darin Ausdruck erhielt, daß der Papst dem Kaiser bei der Krönung das Schwert verlieh, indem er es ihm umgürtete, um so symbolisch zu zeigen, von wo und wem dem Kaiser seine physische Stärke komme. Auch die Allegorie von Sonne und Mond war ein Ausdruck für die höchste monarchische Gewalt, derzufolge der Mond, der Kaiser, sein Licht von der Sonne, dem Papst, empfing. Zuweilen wurde die Kaiser-Papst-Beziehung im Gleichnis von Körper und Seele dargestellt: der Seele als dem belebenden Element entsprach das Recht, das das Papsttum für die Christenheit erlassen hatte, der ihrerseits die Rolle des Körpers (der Körperschaft) zufiel. Die in dieser Allegorie verborgene Ideologie ist eine der Wurzeln für die Herrschaft des Rechts — eine öffentliche Körperschaft konnte (und kann) nur mit Hilfe des Rechts existieren, das in diesem Fall auf dem vom Papsttum ausgelegten Glauben und erlassenen Recht beruhte. Dem Körper, hier der christlichen Körperschaft, haucht die Seele, hier das Recht, das Leben ein. Dies ist der tiefere Sinn der anima-corpus-kWegorit: sie drückt die Idee des Rechtsstaats aus. Es kann kein vernünftiger Zweifel bestehen, daß zur Zeit Inno-
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zenζ' I I I . das Papsttum seinen Gipfelpunkt erreicht hatte. Innozenz erscheint in der Tat als der Papst, der mit vollendetem Geschick das Programm des Papsttums verwirklicht hat, der Papst, der nach mehr als siebenhundert Jahren den innersten Wunsch des Papsttums, in religiöser, moralischer und politischer Hinsicht zur zentralen Institution Europas zu werden, in die Tat umsetzte. Das Papsttum galt als das Nervenzentrum einer einmalig homogenen Gemeinschaft, die auf dem päpstlich fixierten Glauben beruhte. Eben dieser Erfolg ließ das entscheidende Problem von Glauben und Recht deutlich zutagetreten. Der mancherorts entschlossene Widerstand gegen das Papsttum, nicht so sehr gegen Innozenz selbst, schien darauf hinzudeuten, daß Religion und Recht, wie das Papsttum sie handhabte, als miteinander unvereinbar empfunden wurden — die eine ganz innerlich und formlos, das andere äußerlich und formalisiert. Der päpstliche Grundsatz von der Vereinbarkeit von Religion und Recht, ja die päpstliche Gewißheit, daß die christliche Religion in ihrer vollen Verwirklichung der Ergänzung durch das Recht bedürfe, trafen in zunehmendem Maße auf Skepsis und Zweifel. Dieses schwierigste aller schwierigen Probleme zeigte während Innozenz' Pontifikat seine Wesensart. Zusammen mit dem unerschütterlichen Grundsatz Innozenz', die Ideen allein besiegten die Wirklichkeit, mag diese Überlegung in mancher Hinsicht eine Erklärung für die unleugbare Tatsache liefern, daß dem Papsttum trotz seiner zuweilen glänzend durchdachten Strategie der Erfolg dennoch versagt blieb. Der vierte Kreuzzug war aus historischer Sicht eine absolute Katastrophe; die deutsche, die sizilianische und die Kaiserfrage waren am Ende dieses Pontifikats völlig ungelöst; der Kreuzzugsgedanke verlor an Würde durch das Albigenserabenteuer, das bald zum Vorbild für weitere ähnliche Unternehmungen wurde; wachsender Widerstand gegen den päpstlichen Zentralismus machte sich bei den Bischöfen bemerkbar; desgleichen vermehrten sich die häretischen Sekten trotz Innozenz' weitsichtiger Politik; eine Reihe von Königen, unter ihnen der französische, fühlte sich beunruhigt durch die päpstliche Politik, die ihnen schwankend und zaudernd, wenn nicht gar willkürlich erschien, wie etwa in der Behandlung der englischen Frage unter König Johann ohne Land im Jahre 1213. Es bleibt jedoch auch die unumstößliche Tatsache bestehen, daß das Ansehen des Papsttums als Herrschaftsinstitution und als Schiedsrichter in allen Fragen, die die zeitgenössische christliche Gesellschaft in ihrem Lebensnerv trafen, niemals höher stand als am 16. Juli 1216, als Innozenz für immer die Augen Schloß. Sein Pontifikat offenbart gleichzeitig die Stärke und die Schwäche des Papsttums als Herrschaftsinstitution. Seine Stärke lag in der Formulierung, Festsetzung und Anwen-
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dung der mittelalterlichen christlichen Lehre, in seinem grundsätzlichen Glauben daran, daß es die Gesellschaft durch den Gedanken des Christentums, wie er im Recht verkörpert war, formen könne — ein großartiger Versuch und ein ebenso großartiges Ziel, dessen Schwäche jedodi darin lag, daß es kaum zu verwirklichen war. Die Wirklichkeit und die natürliche Schwäche des Menschen waren nicht durch Ideen allein zu meistern. Während keiner anderen Phase in der Geschichte des mittelalterlichen Papsttums bestand ein so scharfer Gegensatz zwischen der Wirklichkeit und dem idealen christlichen Motiv der Wiedergeburt, der wahrhaften Wiedergeburt der Menschheit.
X. ZENTRALISMUS UND KURIE Das frühe 13. Jahrhundert bietet uns eine gute Möglichkeit, den institutionellen Aufbau der Kurie im Hochmittelalter zu überblicken. In diesem Begriff ist die Gesamtheit der Ämter, Abteilungen und Sonderinstitutionen eingeschlossen, die mit der leigslativen, finanziellen, administrativen und exekutiven Tätigkeit des Papsttums als des Mittelpunkts der westlichen Christenheit befaßt waren. Ferner besaß die Kurie, wie jede andere Hofhaltung, auch eine Rechtsabteilung zur Vorbereitung jener Fälle, die vor das höchste Gericht kamen, dem der Papst selbst vorsaß; daneben gab es Organisations- und Verwaltungsabteilungen, wie sie jeder Herrscher — damals wie heute — zur Erledigung seiner Aufgaben zur Verfügung haben mußte. Als universaler Herrscher benötigte der Papst in erster Linie einen gut organisierten Hof, war ihm doch auf die eine oder andere Weise die ganze Christenheit Untertan. Dies erforderte ein weitgespanntes Netz von Ämtern, ganz abgesehen von jenen Abteilungen, die für die Verwaltung der Stadt und des Kirchenstaats zuständig waren. Als monarchischer Herrscher beanspruchte der Papst nicht nur den Besitz aller Inseln (auf der Grundlage der Konstantinischen Schenkung), sondern, wie erwähnt, war er darüberhinaus noch der oberste Lehnsherr für eine größere Anzahl von Ländern. Als allgemeiner „Aufseher" (speculator) war es sein Recht, Fürsten abzusetzen, Untertanen von ihrem Treueid zu entbinden, Könige zu erheben und zu krönen (wie etwa in Kroatien, Dalmatien, Sizilien, Armenien, Bulgarien, Litauen usw.) und Länder zu vergeben, wie es mit der Languedoc, mit Estland, Rußland und anderen Gebieten geschah. In dieser Eigenschaft eines „Aufsehers" konnte er die Entsendung von Truppen zur Unterstützung eines Herrschers anordnen, andererseits Kampfhandlungen untersagen oder militärische Hilfeleistungen unterbinden wie es in Georgien unter Gregor IX. der Fall war. Er konnte in eroberten oder Überfallenen Ländern die Erhaltung der Rechtsordnung verlangen, wie etwa in Irland. Er konnte ein Königreich einem anderen Herrscher übertragen, wie es während des Pontifikats Gregors V I I . mit Ungarn geschah und auch unter späteren Päpsten verschiedentlich geplant war. Mit demselben Rechtstitel hielt er sich für legitimiert, Gesetze aufzuheben, so etwa im August 1215 die englische Magna Charta (mit der Begründung, sie beeinträchtigte die königliche Macht) oder später, im Jahr 1274, den
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„Sachsenspiegel" in Deutschland, da er den Versuch unternahm, das Recht des Papstes zur Exkommunikation des Kaisers einzuschränken. Als zentrale Institution des christlichen Europa, handelte das Papsttum auch als das Organ, das Verträge zwischen Königen und Ländern ratifizierte; daher auch sein Recht, den Handel mit bestimmten Gemeinden zu untersagen, über Städte ein Handelsembargo zu verhängen. Da auch öffentliche Landstraßen und Flüsse unter dem besonderen Schutz des Papsttums standen, traf alle jene die Strafe der Kirche, die eigenmächtig Zölle erhoben und Abgaben forderten. Diese und ähnliche Maßnahmen liefen unter dem Oberbegriff der päpstlichen „Universal-Herrschaft" (von Gregor V I I . und Innozenz III. als „universale regimen" bezeichnet) und durch „allgemeines Interesse" („publica utilitas") des ganzen christlichen Gemeinwesens begründet. Angesichts einer so verantwortungsvollen, weit ausgreifenden und komplizierten Art von Herrschaft wird leicht verständlich, daß ein Amtsapparat vonnöten war, der all diese Aufgaben zu erfüllen vermochte. Angesichts der Gewalt, die der Nachfolger des hl. Petrus und Stellvertreter Christi innehatte, war seine Wahl immer eine höchst bedeutsame Angelegenheit für das Papsttum als Herrschaftsinstitution. Die Einsetzung des päpstlichen Monarchen erforderte bis ins Einzelne gehende Regelungen. Selbst die knappste Übersicht über das Vorgehen bei Papstwahlen muß darauf hinweisen, daß es ursprünglich Klerus und Volk von Rom waren, die den römischen Bischof wählten; unter der Einwirkung von Adel und Kaiser bestimmte aber die Synode vom Jahre 769 die römischen Presbyter und Diakone als rechtmäßige Papstwähler und schränkte das Mitwirkungsrecht des römischen Laienadels auf eine bloße Akklamation ein. Während des Frühmittelalters hatte es eine streng befolgte Regelung gegeben, die die W a h l eines Bischofs aus einer anderen Diözese untersagte (s. o. S. 103). Das Dekret vom Jahre 769 wurde allerdings in weit größerem Umfang mißachtet als befolgt. Vor allem während der Regierungszeit der Sachsen und Salier war die Einsetzung der Päpste Angelegenheit der Reichsregierung. Der entscheidende Durchbruch kam, wie erwähnt (s. o. S. 126 f.), mit dem Jahr 1059, als die Papstwahl erstmals auf der Grundlage von Erfahrung und Ideologie geregelt wurde und das Kardinalskollegium ins Leben trat. Die Kardinalbischöfe hatten nach diesem Dekret zwar die entscheidenden Stimmen, aber ihnen gesellten sich bald die viel zahlreicheren Kardinalpriester und -diakone zu, ein Verfahren, das sich seit dem Ende des 11. Jahrhunderts deutlich abzeichnete. Beachtenswert ist, daß der Einfluß des Adels sozusagen durch die „Hintertür" wieder wirksam wurde, nämlich durch die Kardinäle, die selbst der einen oder an-
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deren Adelspartei angehörten (s. o. S. 162 ff.). Der schwerwiegende Mangel des Wahldekrets vom Jahre 1059 war freilich, daß es für den Fall der Unstimmigkeit keinerlei Regelung vorsah. Diese Unterlassung wurde im dritten Laterankonzil im Jahre 1179 nachgeholt. Das hier verabschiedete Dekret war übrigens eine der ersten mittelalterlichen Vorschriften, die eine rein zahlenmäßige Mehrheitsregelung vorsah. Fortan sollten alle Kardinäle, gleich welchen Ranges, als Wähler gleichberechtigt sein; für eine gültige Wahl war eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die Bevölkerung Roms, der Kaiser und der römische Klerus waren vom Wahlverfahren ausgeschlossen. Zusätzliche Bedeutung gewann dieses Dekret dadurch, daß es die Annahme der Wahl durch den Kandidaten zum einzigen juristisch gültigen Kriterium machte. Gewisse, schon bisher in Übung gestandene Bräuche, wie etwa Weihe und Krönung, waren vom juristischen Standpunkt unerheblich. Vom Augenblick der Wahl und ihrer Annahme an hatte der Kandidat volle Herrschaftsgewalt. Häufig genug waren die Päpste zum Zeitpunkt ihrer Wahl nicht einmal ordinierte Priester, geschweige denn geweihte Bischöfe. Manchmal vergingen Wochen und Monate, bis der Papst ordiniert oder geweiht war. Der juristische Charakter des päpstlichen Amts trat hier deutlich hervor. Daß das zahlenmäßige Mehrheitsprinzip übernommen wurde (und nicht die üblichen qualitativen Kriterien den Ausschlag gaben), lag einfach daran, daß zwischen den einzelnen Kardinälen in ihrer Eigenschaft als Wähler kein Unterschied bestand: so blieb nur noch das Auszählen nach Köpfen. Dieser Erlaß vom Jahre 1179 — Licet de vitanda — ist bis zum heutigen Tag die Norm für alle päpstlichen Wahlen geblieben. Daß sich der Papstname vom Taufnamen des Papstes unterschied, zeigte an, daß die Person des Papstes sich durch die Wahl aus einem einfachen Christen in den Nachfolger Petri verwandelte. Geradeso wie der Taufname die Wiedergeburt des gewöhnlichen Christen anzeigte, sollte der Papstname die Wiedergeburt des Papstes hervorheben. Durch eine Reihe von Verfeinerungen und Änderungen wurde das ursprüngliche Dekret vom Jahre 1179 modifiziert. Mitte des 13. Jahrhunderts ordnete Innozenz IV. an, daß die Wahl an jenem Ort vorzunehmen sei, an dem der päpstliche Stuhl durch den Tod des Vorgängers vakant geworden war, und daß niemand sich selbst wählen dürfe. Von großer Bedeutung war das vom zweiten Konzil von Lyon (im Jahre 1274) erlassene Dekret (Ubi periculum), das für die Papstwahl das Konklave vorschrieb und in allen Einzelheiten regelte, bis hin zur Versorgung der Kardinäle mit Essen, während sie im Konklave tagten. Auf dem Konzil von Vienne (im Jahre 1311) erließ Clemens V. weitere Vorschriften, die exkommunizierten oder vom Dienst suspendierten Kardinälen die
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Teilnahme an der Wahl gestatteten. In ihren oligarchisch ausgerichteten Bestrebungen kamen die Kardinäle um die Mitte des 14. Jahrhunderts anläßlich der Wahl Innozenz' V I . auf die Idee, sich im Konklave untereinander abzusprechen, daß derjenige aus ihren Reihen, den die Wahl treffen würde, eine Anzahl eigens aufgeführter Punkte befolgen würde, die den Herrschaftsspielraum des künftigen Papstes stark einengten. Obwohl diese päpstlichen Wahlverträge (Kapitulationen, wie sie nach dem Vorbild ähnlicher Vorgänge bei Königswahlen hießen) in Gegenwart eines Notars feierlich beschworen wurden und bis ins 16. Jahrhundert hinein zu immer länger werdenden und detaillierteren Listen anwuchsen, wurde ihre Befolgung doch von jedem Papst mit der Begründung verweigert, er sei bei der Ablegung des Schwures nur Kardinal gewesen, habe aber als Papst seinen Stand verändert und sei deshalb nicht mehr an seinen Eid gebunden. Sobald der zum Papst Gewählte die Annahme der Wahl bekundet hatte, warf der Archidiakon der römischen Kirche ihm das Purpurgewand über, verlieh ihm den Papstnamen und sprach die Worte „ich investiere dich mit der römischen Kirche" (wobei der Begriff „investieren" hier in seiner ursprünglichen Bedeutung von „einkleiden" gebraucht wurde). Daraufhin führten zwei Kardinäle den Papst zum Altar der Laterankirche (der Papstkirche), wo er inthronisiert wurde, während der Lateranchor das Te Deum anstimmte. Auf dem Thron sitzend nahm der Papst die Huldigungen der Kardinäle entgegen, die seine Füße küßten, woraufhin er sie als Zeichen seiner besonderen Gunst auf den Mund küßte. Danach wurde der Papst für kurze Zeit auf die sogenannte sedes stercoraria (einen Nachtstuhl) gesetzt, um die Worte aus dem ersten Buch Samuels 2 . 8 Wirklichkeit werden zu lassen: „Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, daß er ihn setze unter die Fürsten" (vgl. auch Ps. 112. 7); dann hieß man ihn aufstehen, um so den Wandel symbolisch darzustellen. Daraufhin wurde er durch alle Säle und Zimmer des Laterans geführt, was die Besitzergreifung auch des Palastes symbolisieren sollte. Nach diesem Rundgang zog er vor die Lateranbasilika hinaus, wo zwei Sitze aufgestellt waren, deren einer den Stuhl des hl. Petrus, der andere den des hl. Paulus darstellte; die römische Kirche sollte ja von ihnen beiden gegründet worden sein (s. o. S. 7). Nach der Konstantinischen Schenkung waren diese zwei Stühle dem Papsttum vom Kaiser selbst verliehen worden. Der Papst mußte sich auf beide Stühle setzen, um darzutun, daß seine Stellung auf beiden Aposteln ruhe. Nachdem der Archidiakon ihm einen Stab, das Sinnbild der Gerechtigkeit, überreicht hatte, umgürtete der Prior der Kardinalsdiakone ihn mit einem roten Gürtel, an dem zwölf Siegel hingen, die die zwölf
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Apostel symbolisierten: eine deutliche Demonstration des Papalismus in Konfrontation mit dem Episkopalismus. Falls der Gewählte noch nicht Bischof war, wurde er am darauffolgenden Sonntag in der St. Peters-Basilika geweiht. Unter all diesen symbolischen Handlungen ragt eine an Bedeutung hervor: der Archidiakon nahm das Pallium, das Zeichen bischöflicher Gewalt, vom Altar des hl. Petrus und überreichte es dem Papst, während die Kardinalbischöfe ostentativ im Hintergrund gehalten wurden, um ja nicht die Idee aufkommen zu lassen, der Papst habe seine Gewalt von einem Kardinal oder einem Bischof erhalten. M i t dem Pallium bekleidet, zelebrierte der Papst die erste Messe in seiner neuen Funktion. Die Papstkrönung weist wenig bemerkenswerte Züge auf. Aus verständlichen Gründen war der Hauptakteur wiederum der Prior der Kardinaldiakone, der dem Papst die Bischofsmitra vom Haupte nahm und sie durch die Tiara, die päpstliche Krone, auch regnum genannt, ersetzte. Seit der ersten schriftlich belegten Papstkrönung im Jahre 1059 war die Papstkrone — angeregt durch die Konstantinische Schenkung — eine Art Mitra mit zwei Goldringen als oberer und unterer Einfassung der Goldborte. Sie sollten die päpstliche Macht in den beiden Bereichen symbolisieren. Diese Kopfbedeckung sollte den Papst dem Kaiser ähnlich machen, wie schon Gregor V I I . gefordert hatte, als er eine Reihe kaiserlicher Gewänder für den päpstlichen Gebrauch übernahm. Hier ist die Parallelität zwischen Papst und (Ost- und West-) Kaiser allerdings bemerkenswert, denn auch der Kaiser hatte seine Mitra, trug sie aber unter der Kaiserkrone; beim Papst dagegen dienten Mitra und Krone zwei verschiedenen Zwecken, wie Innozenz III. mit der Bemerkung klarstellte: als höchster Priester trage er die Mitra, als weltlicher Herrscher die Tiara. Während des 13. Jahrhunderts wurde die Krone immer reicher verziert, bis sie im frühen 14. Jahrhundert fast die Pracht westlicher Kaiserkronen erreichte, nunmehr übrigens mit drei Ringen versehen — wahrscheinlich nach dem Vorbild der drei Kronen des Westkaisers: der deutschen, der lombardischen und der Reichskrone, die alle in der Papstkrone enthalten waren. Das Hauptberatungsgremium des Papsttums war das Kardinalskollegium, das gegen Ende des 11. Jahrhunderts seine endgültige Form erhielt. Es bestand aus sieben Kardinalbischöfen, achtundzwanzig Kardinalpriestern und achtzehn Kardinaldiakonen. Sie setzten sich nicht mehr aus den Reihen der römischen Familien zusammen, sondern kamen praktisch aus allen europäischen Völkern, mußten doch in den regelmäßig abgehaltenen Konsistorialsitzungen, wie die Zusammenkünfte von Papst und Kardinälen genannt wurden, die regionalen Bedürfnisse, Übungen und Gebräuche berücksichtigt werden. Die übernationale Zu-
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sammensetzung des Kardinalskollegiums spiegelte den kosmopolitischen Charakter des Papsttums wider. D i e Erhebung der Kardinäle war ein persönliches Vorrecht des Papstes; während eines Schismas vergrößerte die Entstehung zweier Kollegien noch die Schwierigkeiten, die einer Beendigung der Spaltung im W e g e standen. Seit d e m frühen 12. Jahrhundert gerieten die ursprünglichen liturgischen Pflichten der Kardinäle immer mehr in Vergessenheit, obwohl bis zum E n d e des 14. Jahrhunderts jeder Kardinal verpflichtet war, an der K u r i e zu residieren. D i e Hauptvorrechte der Kardinäle waren die Wahl des Papstes, ihre Funktion als päpstliche Sonderlegaten, zumal in Verbindung mit schwierigen weltlichen Angelegenheiten, und ihr Anrecht auf die Leitung bedeutender kurialer Abteilungen. D a s H a u p t der Kardinäle war, und ist bis heute, der Kardinalbischof von Ostia (Hostiensis), der die Papstweihe und die Kaisersalbung vornahm. U m die W e n d e vom 12. zum 13. Jahrhundert besaßen die Kardinäle ihre eigene K a s s e und Finanzverwaltung. Ferner hatten sie ihren Anteil an allen Einkünften der Kurie, der zeitweise die H ä l f t e der Gesamteinnahmen betrug, dazu bestimmte Prozentsätze von Sondererträgen wie dem Peterspfenning und ähnlichen regelmäßigen Zahlungen. I m L a u f e der Zeit häuften die einzelnen Kardinäle eine M a s s e von Präbenden an, deren Erträge noch zu ihren Einnahmen hinzukamen. D a s Kardinalskollegium war zwar die beratende Körperschaft des Papstes — nach dem Vorbild des römischen Senats, wie Petrus Damiani sagte — , aber es gab doch oft ernsthafte Spannungen zwischen dem Papst und den Kardinälen. Bei diesen Streitigkeiten ging es meist um den Status der Kardinäle: war das Kardinalsamt eine Einrichtung des göttlichen oder des menschlichen Rechts? Welche Rechte besaßen die Kardinäle, die nicht der Bestätigung durch den Papst bedurften? Konnte der Papst ohne Gegenzeichnung der Kardinäle feierliche
Privilegien
erteilen? Konnte er ohne ihre Zustimmung Recht setzen?
Inwieweit
konnten das Kollegium oder einzelne Kardinäle dem Papst ihre Ansichten aufzwingen? Welche Rechte standen ihnen während der Vakanz des Papststuhles zu? D a die Ernennung der Kardinäle Vorrecht des Papstes war, zogen einige Päpste zur Vermeidung von Spannungen es vor, die vakanten Kardinalssitze nicht wieder zu besetzen und die Zahl der Kardinäle auf buchstäblich eine Handvoll zusammenschrumpfen zu lassen, wie es in der Mitte des 13. Jahrhunderts geschah. Die Frage nach dem göttlichen oder menschlichen Ursprung der Kardinalswürde wurde erst im Jahre 1439 durch Eugen IV. mit der Erklärung beantwortet, der Inhaber dieses Amtes übe Jurisdiktionsgewalt
aus,
und das Amt selbst sei vom hl. Petrus begründet worden; die Kardinäle seien „Teil des päpstlichen Leibes" — ein Ausdruck, der dem rö-
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mischen Recht entlehnt war, wo dieselbe innige Beziehung zwischen den römischen Senatoren und dem Kaiser festgelegt war — und erfreuten sich so besonderen päpstlichen Schutzes und eigener Privilegien. Angriffe auf Kardinäle zählten deshalb zu den Verbrechen der Majestätsbeleidigung, waren sie doch mittelbar gegen den Papst persönlich gerichtet. Die anderen Fragen fanden niemals eine offizielle Entscheidung, aber sie ließen keinen Zweifel an den oligarchischen Tendenzen, die das Kollegium zumeist an den Tag legte und die während des großen Schismas voll zu Tage traten (s.u. S. 280). Das päpstliche Gesandtschaftswesen lag zum allergrößten Teil in Händen der Kardinäle. Sie waren sozusagen der verlängerte Arm des Papsttums, der die päpstlichen Interessen Königen, Kaisern, Patriarchen, Provinzialkonzilien und Synoden gegenüber vertrat. Kardinallegaten wurden legati a latere (d. h. pontificis) genannt, was soviel wie persönliche Gesandte des Papstes bedeutete. Sie hatten gewöhnlich Jurisdiktionsvollmacht, die die bischöfliche und erzbischöfliche Jurisdiktion ubertraf, ausgenommen allerdings die sogenannten Reservatfälle (causae maiores), die ausdrücklich dem Papst vorbehalten waren. Ein päpstlicher Gesandter, der nicht den Kardinalsrang bekleidete, war ein legatus missus mit klar abgegrenzter Gewalt, während für Sondermissionen päpstliche Nuntien entsandt wurden. Man kann nicht sagen, daß päpstliche Legaten sich in den Ländern, in denen sie tätig waren, immer großer Beliebtheit erfreuten, denn ihr Verhalten war oft anmaßend, sie mischten sich in örtliche Streitigkeiten ein und hielten zuweilen Legatensynoden ab, was die zuständigen Bischöfe übelnahmen. Abgesehen davon mußten die päpstlichen Legaten aus örtlichen Mitteln unterhalten werden, was oftmals eine arge Belastung bedeutete, zumal diese Herren an einen großartigen Lebensstil gewöhnt waren. Einen niederen Rang bekleideten die sogenannten legati nati, ihrer Stellung nach Erzbischöfe, die in ihrer Jurisdiktionsgewalt jedoch eingeschränkt waren: durch ein besonders päpstliches „Privileg" erhielten sie einen Dauerstatus als Legaten; ihre Hauptaufgabe war es, als Appellationsgerichtshof zu fungieren. Sie erfreuten sich einer gewissen Ehrenstellung und hatten einige liturgische Vorrechte. Unter den bedeutenderen legati nati befanden sich die Erzbischöfe von Canterbury, Reims und Salzburg. Das Legatensystem stellte eines der Werkzeuge dar, mit denen die päpstliche Zentralregierung arbeitete. Sein Gegenstück bildete die enge Verbindung der Bischöfe mit dem Papsttum. Der Eid, den seit Gregor V I I . jeder neu geweihte Bischof zu leisten hatte, band ihn fest an des Papsttum (s. auch u. S. 231). Es war ein strenger Gehorsamseid, der die These von der absteigenden Herrschaftsgewalt in ihrer hierarchischen Form verdeutlicht. Der Eid machte auch regelmäßige Besuche beim
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Papsttum, die sogenannte visitatio liminum (nämlich apostolorum), zur Pflicht. Ihr Zweck war es, den Papst über den wahren Stand der Dinge in den einzelnen Diözesen in Kenntnis zu setzen, sodaß die Zentralregierung vollständig informiert und im Besitz aller entscheidenden Fakten war. Das Recht gestattete dem Bischof, einen nuntius für die Berichterstattung zu ernennen; daraus entwickelte sich im Lauf der Zeit das Institut der mehr oder weniger ständigen Prokuratoren an der Kurie. Sie könnten mit bischöflichen Legaten verglichen werden und waren so das Gegenstück zu den päpstlichen Legaten. Seit dem späten 13. Jahrhundert unterhielten auch eine Reihe von Königen Prokuratoren an der Kurie, die man mit modernen Botschaftern vergleichen könnte. Geographisch bedingte Entfernungen und daraus entstehende Kommunikationsschwierigkeiten bieten eine Erklärung für die unterschiedlichen zeitlichen Abstände, mit denen die Bischöfe ihre Besuche in Rom abzustatten hatten (sie schwankten zwischen einem und fünf Jahren). Entsprechend hatte das Pallium, das die Metropoliten ( = Erzbischöfe) —und vereinzelt, als Zeichen besonderer päpstlicher Gunst, auch Bischöfe — vom Papst persönlich empfingen, den Zweck, stärkere Bindungen zwischen ihnen und dem Papsttum zu knüpfen: die Verleihung des Palliums war seit der Mitte des 9. Jahrhunderts zum festen Brauch geworden. Das Papsttum war der Ansicht, das Pallium symbolisiere die rechtliche Abhängigkeit des Metropoliten vom Papsttum. Die erzbischöfliche Gewalt erfuhr dadurch eine entscheidende Schwächung (s. auch u. S. 231 f.), zumal erzbischöfliche Fragen als causae maiores ohnehin unmittelbar unter die Jurisdiktion des Papstes fielen. Genau besehen fand der Jurisdiktionsprimat des Papsttums seinen Ausdruck auf recht vielgestaltige und dennoch in sich geschlossene Weise. An erster Stelle kam die Rechtssetzung durch den Papst selbst. Nach strengen Rechtsmaßstäben war jedoch der päpstliche Rechtssatz, wie er in der Dekretale verkörpert war, kein Gesetz im modernen oder spätrömischen Sinn, sondern eine endgültig verbindliche Regelung, die für einen bestimmten oder mehrere Einzelfälle erlassen wurde, aber dadurch, daß sie vom Papsttum als einer universalen Institution ausging, zwangsläufig selbst universalen Charakter annahm, d. h. allgemein verbindlich war und Recht für die gesamte Christenheit schuf. In mancher Hinsicht ließe sich das Papstrecht mit dem kasuistischen englischen Gewohnheitsrecht vergleichen. Gesetze im spätrömischen oder modernen Sinn wurden dagegen auf allgemeinen Konzilien erlassen (s. u. S. 225 f.). Bei der Festsetzung von Normen war das Papsttum frei und ungebunden und nur in einer Hinsicht eingeschränkt, nämlich durch das göttliche Recht. Denn es galt Gratians Auffassung, daß es das Papsttum sei, das den Dekreten und den Erlassen anderer
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legislativer Körperschaften, einschließlich der Konzilien, rechtliche Verbindlichkeit verlieh. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß das Papsttum mit der Verabschiedung einer Dekretale in dreifacher Eigenschaft tätig wurde, d. h. in herrschaftlicher, legislativer und judizieller. Die päpstliche Entscheidung in einem Einzelfall bedeutete in der Praxis die Ausübung von Jurisdiktionsgewalt, die, schuf sie auch kein neues Recht, doch jedenfalls bestehendes Recht anwandte, abwandelte oder autoritativ auslegte. Rechtsetzende und richterliche Funktionen wurden nicht nur nicht getrennt, sondern vielmehr eng und programmatisch miteinander verschmolzen. Da die Herrschaftsgewalt des Papstes auch richterliche und legislative Funktionen umfaßte, waren „Recht" und „Politik", um sich der modernen Ausdrücke zu bedienen, eng miteinander verflochten und verquickt. Zu keiner Zeit war das Papsttum durch oder an das Recht selbst gebunden. Hier herrschte vielmehr die Vorstellung von einer richtig verstandenen Souveränität. Kein Papst war an die Vorschriften seines Vorgängers, eines allgemeinen Konzils oder irgendeines anderen Organs gebunden; mit einem Federstrich konnten alte, ehrwürdige Rechtssatzungen annulliert werden. Dessen ungeachtet hielten doch gesetzgeberische Weisheit und Vorsicht die Päpste von der Wahrnehmung dieses Hoheitsrechtes ab, und im großen und ganzen kann das Dekretalenrecht eher als ein Beweis für den Fortschrittsgeist und den Wirklichkeitssinn gelten, von denen die rechtsetzenden Päpste beseelt waren. Sie verbesserten, modifizierten und explizierten, was bislang nur impliziert gewesen sein mochte. Anstatt alles umzustürzen, griffen die päpstlichen Dekretalen die Tradition weiterführend auf. Die Grundlage dieses unabhängigen päpstlichen Willens war die Fülle jurisdiktioneller Gewalt. Der päpstliche Primat trat auch in den sogenannten „Privilegien" und im Dispensationswesen in Erscheinung. Für beide galt, daß der Papst in bestehendes Recht eingriff. Das „Privileg" setzte Recht. Es war eine Exemtion vom gemeinen Recht der Kirche und verlieh an Personen, Gruppen oder sogar Gegenstände Rechte, die es andernfalls nicht gegeben hätte. Dazu gehörten ζ. B. die Steuerfreiheit, besondere Arten von Schutz, die Exemtion von Klöstern und Orden von der Gewalt der Bischöfe und anderes mehr. Die „Privilegien" waren feierliche Urkunden, die oft recht freizügig vergeben wurden; wer sich teure und langwierige Verfahren leisten konnte, bemühte sich um sie. Auch bei der Dispensation handelte es sich zwar um Exemtionen von bestehendem Recht, aber sie galt nur einer bestimmten Person oder einem besonderen Fall und setzte deshalb kein Recht. Häufig genug rechtfertigte
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Innozenz I I I . die dispensatorische Gewalt des Papsttums mit dem Hinweis auf seine Machtfülle; sein Namensvetter, der vierte Innozenz, fügte dem Mitte des 13. Jahrhunderts hinzu, daß das Papsttum für Dispensationen vom gültigen Recht keine Begründungen schuldig sei. Sie befaßten sich mit der Aufhebung von Hindernissen, wie etwa unehelicher Geburt, Altersbeschränkungen, körperlichen Gebrechen, Ehehindernissen und ähnlichem. Alle drei Äußerungen des päpstlichen Primats
—
die Dekretale, das „Privileg" und die Dispensation — hielten sich wenigstens in der Theorie an den von Bernhard von Clairvaux vertretenen Grundsatz: der Papst solle immer im Auge behalten, was erlaubt, zweckdienlich und schicklich sei. Manche, die sogenannten „causae maiores", waren dem Papst allein vorbehalten. Es handelte sich um Angelegenheiten, die Bischöfe, Kardinäle und Kaiser betrafen, auch körperliche Vergehen gegen Kleriker; hier war keine Delegierung des Falles möglich. E r mußte jeweils vor dem gesamten Konsistorium behandelt werden. Ferner gab es noch andere Reservatfälle, wie etwa das Piratenwesen auf den Meeren, Nahrungsmittelembargos gegen Rom und bestimmte Verbrechen innerhalb des Kirchenstaates, über die nur das Papsttum befinden konnte und für die es einen Sondergerichtshof gab. In einer Zusammenfassung wurden diese Reservatfälle und die jeweils verhängten Strafmaßnahmen jährlich am Gründonnerstag veröffentlicht; daher begann die entsprechende päpstliche Bulle mit den Worten In coena
Domini,
und zwar erstmals
während des Pontifikats Honorius' I I I . Der päpstliche Primat kam auch in der endgültigen Festlegung allgemeiner liturgischer Formen zum Ausdruck. Die für die bischöflichen Funktionen und Gottesdienste überaus bedeutsame Liturgie setzte sich ursprünglich aus deutschen und römischen Elementen zusammen. Das sogenannte römisch-deutsche Pontificale war im späten 11. Jahrhundert schlicht zu einem römischen Pontificale geworden, das, des öfteren revidiert, schließlich unter Innozenz I I I . seine endgültige mittelalterliche Fassung erhielt. Auch die Kanonisation war ein liturgischer Akt, der seit dem späten 10. Jahrhundert (Heiligsprechung Bischof Ulrichs von Augsburg durch Papst Johannes X V . ) allmählich zu einem Vorrecht des Papsttums wurde. Die Kanonisation Einzelner, die damit in den Kreis der allein anerkannten Fürsprecher bei Christus aufgenommmen wurden, war ein Recht, das ausschließlich dem Papsttum vorbehalten war. Innozenz I I I . gründete dieses Recht unmittelbar auf die päpstliche Vollgewalt. Bis zum frühen 12. Jahrhundert waren volkstümliche „Erhebungen" in den Rang der Heiligkeit ebenso wie bischöfliche „Beförderungen", häufig unter Mitwirkung von Synoden, durchaus gang und gäbe; im Zuge der päpstlichen Zentralisation wurden sie jedoch gegen
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Ende des Jahrhunderts gänzlich abgeschafft. Hand in Hand damit ging die Festsetzung von Feiertagen durch die Kurie. Augenfällige Beispiele sind das Fronleichnamsfest, von Urban IV. begründet, und der Dreifaltigkeitssonntag, den Johannes X X I I . im Jahre 1334 einführte. Der tägliche Anfall von Rechtshändeln begann die Kurie in immer wachsender Flut aus allen Teilen der Christenheit zu erreichen; häufig handelte es sich um ganz belanglose Angelegenheiten, in denen weltliche, religiöse und kirchliche Belange unentwirrbar ineinanderflossen. Um die Flut der einlaufenden Fälle einzudämmen, verfügte Alexander III., daß der übliche Instanzenweg eingehalten werden müsse, bevor der päpstliche Gerichtshof angerufen werde. Die päpstlichen Hofrichter und die Kanzlei waren nicht länger in der Lage, mit der Masse der Fälle fertig zu werden, sodaß zur Untersuchung und sofortigen Entscheidung der Fälle an Ort und Stelle Unterrichter eingesetzt wurden. Gewöhnlich wurden dafür Geistliche verwendet, die über juristische Ausbildung, Erfahrung und zusätzlich auch Ortskenntnisse verfügten, wie etwa in England Baldwin von Worcester, Abt Johann von Ford und andere mehr. Nachdem sie entschieden hatten, konnte der Fall mittels Appellation vor den päpstlichen Gerichtshof gebracht werden, dem der Papst häufig persönlich vorsaß. Er hatte seinerseits in Gestalt der Auditoren einen riesigen Beamtenapparat zu seiner Verfügung, der mit der Vorbereitung der Fälle betraut war. Die meisten von ihnen waren junge Absolventen der Universität Bologna, die in dieser Arbeit praktische Erfahrung sammelten. Im 14. Jahrhundert bildeten die Auditoren ihren eigenen Gerichtshof, die sogenannte Rota Romana, die von da an als Berufungsinstanz fungierte; ihre Protokolle sind zum großen Teil bis heute erhalten. Fälle, die entweder von der Sache her oder durch die darin betroffenen Personen schwerer wogen, wurden häufig im Konsistorium behandelt. Im modernen Sprachgebrauch würde man sie als internationale Streitfragen bezeichnen. So konnte das Papsttum kriegführenden Parteien die Einstellung der Kampfhandlungen gebieten oder die Einleitung von Friedens- und Waffenstillstandsverhandlungen anordnen. Ferner verfügte das päpstliche Gericht Strafmaßnahmen gegen Städte oder die Konfiszierung öffentlichen Eigentums. Durch den Schiedsspruch des Papsttums wechselten Herrschaften in die Hände anderer Organe oder Herrscher über. Königreiche entstanden, neue Könige wurden durch den Schiedsspruch des päpstlichen Gerichts eingesetzt. Stadtrechte wurden für ungültig erklärt, die Bevölkerung eines bestimmten Gebietes oder eines Landes angehalten, bestimmte Gesetze nicht zu befolgen. Der allumfassende Charakter dieser päpstlichen Rechtsprechung wirkte sich auf ganz Europa aus, von der Iberischen Halbinsel bis nach Westruß-
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land, von Schottland und Skandinavien bis nach Sizilien, um im 13. Jahrhundert sogar auf Gebiete außerhalb Europas überzugreifen, zumal als die volle Wirkung der Kreuzzüge fühlbar wurde. Es handelte sich um eine wahrhaft universale Rechtsprechung, wie sie nicht einmal das Altertum erlebt hatte. Die richterlichen Maßnahmen des Papsttums waren Entscheidungen auf übernationaler, überstaatlicher Ebene. Der päpstliche Gerichtshof war praktisch ein übernationales Tribunal. Während päpstliche Dekretalen und „Privilegien" eine Quelle des Rechts bildeten, stellten die Beschlüsse von Synoden und Konzilien eine zweite dar. Bis hin zur M i t t e des 11. Jahrhunderts hatte das Papsttum, je nach Bedarf, sogenannte römische Provinzialsynoden einberufen, um sich mit den italienischen Prälaten zu beraten; mit der Herausbildung des Kardinalskollegiums starben aber diese Provinzialsynoden aus, und ihre Aufgaben wurden von den regelmäßigen Zusammenkünften übernommen, die der Papst mit den Kardinälen im Konsistorium abhielt, das, wie schon erwähnt, lediglich beratenden Charakter hatte. M i t dem Verschwinden dieser römischen Synoden trat eine andere Art von Synoden in Erscheinung — das sogenannte römische Plenarkonzil, das anfangs, vornehmlich unter Gregor V I I . und Urban I I . , in der Fastenzeit abgehalten wurde und legislative Macht besaßt; seine Zusammensetzung wurde erweitert, so daß ihm nun auch Nicht-Italiener angehörten: so eignete diesen neuen Konzilien derselbe kosmopolitische Status wie dem Kardinalskollegium. Sie waren es, die — gewöhnlich im Lateran abgehalten — zu den vier großen Laterankonzilien hinleiteten, die als Allgemeine Konzilien der Kirche gehen. Sie waren auf die pseudo-isidorische Norm begründet, daß eine Synode, um universale Geltung zu besitzen, vom Papst einberufen und geleitet und ihre Dekrete von ihm bestätigt sein müßten. Mit dem Erscheinen der Laterankonzilien
verschwanden
die römischen Plenar- oder Papstsynoden. Alle vier großen Laterankonzilien kennzeichneten eine eigene Phase in der Entwicklung des Papsttums. E s handelte sich um größere gesetzgebende Versammlungen, die sich mit allen die Gesamtheit der Christen angehenden Fragen befaßten. Ihre Dekrete (oder Kanones) setzten Recht in der vollen Bedeutung dieses Wortes und sind technisch vom modernen Gesetz, wie es von Parlamenten verabschiedet wird, nicht zu unterscheiden. Die Mehrzahl der Dekrete fand Eingang in Kirchenrechtssammlungen und wurde so leicht zugänglich. Das erste Laterankonzil (das
9. Allgemeine
Konzil)
im Jahre 1123
bedeutete
das
formelle
Ende des Investiturstreits, indem es das Wormser Konkordat bestätigte (s. o. S. 161). Gleichzeitig wurden eine Reihe von Disziplinarbestimmungen verabschiedet, wie etwa gegen die Priesterehe und über die persönlichen Eignungsbedingungen für die Haushälterinnen der Kleri-
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ker, angefangen beim Subdiakon; der Verkauf kirchlichen Besitzes wurde zum Sakrileg erklärt; Ablaß wurde jenen gewährt, die auszogen, Jerusalem gegen die Moslems zu verteidigen, besonderer päpstlicher Schutz Pilgern und Kreuzfahrern zugesagt; Geldfälschern wurde die Exkommunikation angedroht; die kanonische Wahl eines Bischofs war nun die Voraussetzung für seine Weihe; die Ordinationen wurden streng geregelt und die monarchische Gewalt des Bischofs innerhalb der Diözese wiederholt eingeschärft. Das zweite Laterankonzil (das 10. Allgemeine Konzil) im Jahre 1139 sollte das Ende des Schismas zwischen Innozenz II. und Anaklet besiegeln. Wieder ging es um Disziplinarfragen, hauptsächlich in Hinsicht auf verheiratete Geistliche, denen amtliche Strafmaßnahmen angedroht wurden (man sollte bedenken, daß beim niederen ländlichen Klerus die Ehelosigkeit erst später in diesem Jahrhundert die Regel wurde, in Skandinavien, Polen und Spanien sogar noch später); die Verweigerung des Zehnten galt nunmehr als Sakrileg; es wurde verboten, daß Mönche und Regularkanoniker aus finanziellen Rücksichten Rechtswissenschaft und Medizin studierten; der Verkehr mit gebannten Personen (die als mit einer ansteckenden Krankheit behaftet galten) wurde untersagt; weltliche Fürsten sollten Zwang gegen Ketzer ausüben; alle Ordinationen durch den (früheren) Gegenpapst sollten ungültig sein; es sollte einen besonderen Schutz für Kleriker vor physischen Verletzungen geben, die zur „causa major" erhoben wurden. Auf dem 3. Laterankonzil, das Alexander III. im Jahre 1179 am Ende des Schismas und seiner Auseinandersetzung mit Friedrich I. abhielt, war der vielleicht wesentlichste Erlaß der bereits erwähnte Kanon zur Regelung der Papstwahl. Andere Dekrete befaßten sich mit dem Mindestalter von Priestern bei Empfang der Bischofsweihe (30 Jahre), von denen auch eheliche Geburt gefordert wurde; Turniere wurden verboten, visitierende Kirchenobere hatten auf eine ordentliche Versorgung seitens der Gläubigen der Diözese Anspruch. Eine der einflußreichsten und glänzendsten Kirchenversammlungen war das 4. Laterankonzil Innozenz' III. im Jahre 1215 (über seine Eigenschaft als echtes ökumenisches Konzil s. o. S. 208). Erst in allerjüngster Zeit gab es wieder so viele Teilnehmer auf einem Konzil. Auf einige seiner Dekrete wurde bereits hingewiesen. Hier sind noch einige andere von Bedeutung zu nennen, wie etwa die Neudefinierung der inquisitorischen Gewalt des Bischofs oder das Verbot von Zweikämpfen und Gottesurteilen; Maßnahmen, um die Häufung von kirchlichen Benefizien zu verhindern; die Neufestsetzung der jurisdiktioneilen Abgrenzung von geistlichen und weltlichen Gerichten; die Beschränkung des Eheverbots wegen verwandtschaftlicher Beziehungen auf den vierten Grad (bisher bis zum
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siebten Grad); die Bestimmung, daß der Zehnt jeweils festgesetzt werden mußte, bevor die übrigen Abgaben abgezogen wurden, und die Kontrolle der Zinszahlungen an jüdische Geldverleiher. Schließlich forderte das Konzil zu einem zweiten Kreuzzug zur Rückgewinnung des Heiligen Landes auf. Im 13. Jahrhundert fanden zwei weitere Allgemeine Konzilien statt, beide in Lyon. Das erste Konzil von Lyon unter Innozenz IV. im Juli 1245 war ganz überschattet von dem heftigen Entscheidungskampf zwischen dem Papsttum und dem Stauferkaiser Friedrich II. Friedrich wurde auf diesem Konzil feierlich gebannt und abgesetzt; daneben wurden aber bei dieser Gelegenheit eine große Anzahl rein disziplinarrechtlicher Kanones verabschiedet, die frühere Dekrete auf Grund neuerer Erfahrungen modifizierten und ergänzten. Andere Kanones befaßten sich mit dem Verfahrensrecht, dem Kampf gegen Ketzer und Ungläubige, darunter die Tartaren, und forderten zu einem neuen Kreuzzug auf. Das zweite Konzil von Lyon vom Jahre 1274 unter Gregor X. zählte eine weit größere Anzahl von Teilnehmern und war eine wahrhaft ökumenische Versammlung. Hauptthema bildete die Union zwischen West- und Ostkirche, und entsprechende Gesetze beendeten das Schisma für eine kurze Zeit. Von den übrigen einunddreißig Kanones, die verdienen erwähnt zu werden, handelte einer von der Unterdrückung aller nach dem Jahre 1215 und ohne päpstliche Billigung gegründeten religiösen Orden, was das Ende einiger kleiner Bettelorden zur Folge hatte; ein anderer verbot die „commenda", d. h. Präbenden, deren Besitz nicht der Ausübung geistlicher Amtspflichten diente, sondern deren Nutznießung für den Kleriker ein zusätzliches Einkommen bedeutete, ohne ihm entsprechende Pflichten aufzuerlegen; wieder ein anderer betonte die alleinige Kompetenz des Bischofs, das Sakrament der hl. Firmung auszuteilen; die Eignung von Ordinanden war Thema eines weiteren Kanons; wieder ein anderer verurteilte die Auffassung, Christus habe der Hierarchie den Besitz von Eigentum verboten. Manches deutet daraufhin, daß die auf diesem Konzil praktizierte Abstimmung nach Nationen von den Universitäten entlehnt und kirchlichen Bedürfnissen angepaßt worden war, ein Grundsatz, der auf dem nächsten Allgemeinen Konzil deutlich sichtbar wurde. Das Konzil von Vienne unter Clemens V. (1311—12) wurde dem Papst vom französischen König geradezu aufgezwungen, der seinen Streit mit Bonifaz VIII. und den Tempelrittern (s. u. S. 266) öffentlich behandelt haben wollte; es wurden aber auch eine Reihe anderer Dekrete verabschiedet, deren wesentlichstes sich mit den Bettelmönchen befaßte, ihren Besitzungen, der Armutsfrage und mit ihren Rechten im Verhältnis zum Pfarrklerus. Angesichts der nunmehr recht lebhaften Missionstätigkeit unter den Moslems und anderen Völkern in Syrien
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und Nordafrika war das Konzil von Vienne sich der Notwendigkeit bewußt, diese Unternehmungen durch Missionsorganisationen und durch Pflege der orientalischen Sprachen zu fördern. Es wurde angeordnet, an einer Reihe von Universitäten Lehrstühle der orientalischen Sprachen (einschließlich des Arabischen und Hebräischen) zu errichten, darunter auch in Oxford und Salamanca. Eine ganz besondere Prägung erhielt dieses Konzil dadurch, daß ihm die Notwendigkeit mehr oder weniger umwälzender Reformen in allen Gliederungen des kirchlichen Organismus bewußt war. Diese Erkenntnis zog sich wie ein roter Faden durch alle Beratungen des Konzils, und aus historischer Sicht kam sie nicht zu spät. Heutzutage wird es von Studenten, Anwälten und Richtern als selbstverständlich hingenommen, daß ihnen jederzeit die neueste Ausgabe der gültigen Rechtsbestimmungen zur Hand ist. Im Hochmittelalter war dies jedoch keineswegs der Fall, mochte auch das Papsttum immer d i e unbedingte Notwendigkeit der Rechtlichkeit und seine eigene Stellung als Rechtsinstitution betont haben. Die Lage änderte sich mit dem Erscheinen von Gratians Decretum am maßgeblichen Ort, der Universität von Bologna. Das Bedürfnis nach einem Recht für die ganze Christenheit wurde seit den vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts durch die Flut von Dekretalen gestillt; andererseits aber hatte dies die große Schwierigkeit zur Folge, daß das neue Dekretalenrecht nicht immer zugänglich war und man sich nicht immer auf dem Laufenden halten konnte (s. o. S. 207). So wird gut verständlich, weshalb es in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zu einer wahren Flut von Dekretalensammlungen kam, die sozusagen „außerhalb des Decretutns wanderten" (extravagaré). In der Fachsprache hießen sie „extravagante Dekretalen". Da diese Sammlungen (an denen die Engländer in den siebziger und achtziger Jahren hervorragenden Anteil hatten) alle privaten Ursprungs waren, unterschieden sie sich nicht nur stark in ihrer Thematik, sondern auch nach Umfang und Ausmaß. Der Bologneser Doktor Bernhard von Pavia stellte auf der Grundlage aller vorhergehenden Sammlungen eine neue zusammen, die als die Compilatio Prima (ca. 1190) bekannt wurde und alle Dekretalen und Konzilsschlüsse seit Gratian umfaßte. Bernhard teilte sein W e r k in fünf Bücher ein, eine Gliederung, die bis zum Jahre 1918 üblich blieb: (1) „iudex" (Verfassungs- und Verwaltungsrecht); (2) Judicium" (Verfahrensrecht und Zuständigkeit); (3) „clerus" (das Recht, das sich speziell mit geistlicher Disziplin befaßte); (4) „sponsalia" (Eherecht); (5) „crimen" (Strafrecht und Strafen). Diese Sammlung wurde in Bologna und auch in anderen Rechtsschulen unverzüglich übernommen, in ihrem Nutzwert aber durch das neue Dekretalenrecht alsbald wieder verdrängt.
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Ihr folgten die Kompilation des Magister Gilbert (zu Beginn des Jahres 1203 vollendet) mit den Dekretalen, die zwischen Alexander I I I . und Innozenz I I I . (Ende Dezember 1202) erlassen wurden, und die des Magister Alanus, die im Jahre 1209 abgeschlossenen wurde und die Dekretalen vor Innozenz I I I . , die sich nicht in früheren Sammlungen fanden, zusammen mit Innozenz' eigenen enthielt. Beide, Gilbert und Alanus, waren englische Magister, die in Bologna lehrten. Wie schon erwähnt, war es dann Papst Innozenz I I I . , der die erste amtlichpäpstliche Kirchenrechtssammlung herausgab, die als Compilatici Tertia bekannt ist; ihr folgte die Kompilation des Magister Johannes (eines Wallisers in Bologna), der Gilbert und Alanus in einer Sammlung vereinigte, der sogenannten Secunda, da sie das Dekretalenmaterial enthielt, das der Tertia vorausging. Aber alle diese Sammlungen wurden wiederum überholt durch die Dekretalen, die nach dem Jahre 1210 durch Innozenz erlassen wurden, und vor allem durch die Gesetzgebung des 4. Laterankonzils. Dieser unsichere Stand der Dinge veranlaßte einen Deutschen, Johannes Teutonicus, ebenfalls in Bologna, die Quarta (im Jahre 1216) zu verfassen, der wiederum die zweite amtliche Sammlung, die Compilatici Quinta von Honorius I I I . im Jahre 1225 folgte. Es erfordert kein hohes Maß an historischer Vorstellungskraft, sich die Unsicherheit zu vergegenwärtigen, die in den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts in Rechtsfragen herrschte. Eben diese Überlegung bewog Gregor I X . , einer Kommission unter dem hl. Raimund von Pennafort den Auftrag zu erteilen, ein Gesetzbuch zusammenzustellen, das alle früheren Sammlungen in sich enthielt. Dieses große Werk, das Justinians Codex zum Vorbild hatte, wurde im Jahre 1234 abgeschlossen: am 5. September erschien der Liber Extra (wobei extra außerhalb Gratians Decretum bedeutete), und im gleichen Zug wurden alle vorhergegangenen Sammlungen für ungültig erklärt. Der Liber Extra war ein amtlicher und universal gültiger Codex des Kirchenrechts. Die eifrige legislatorische Betriebsamkeit des Papsttums und der Konzilien im 13. Jahrhundert machte weitere Sammlungen dieses neuen Rechts erforderlich; dies führte schließlich zum Liber Sextus, der offiziell von Bonifaz V I I I . am 3. März 1298 verkündet wurde. Sein Name deutet darauf hin, daß er ein Anhang zu den fünf Büchern des Liber Extra war. Die letzte mittelalterliche Sammlung enthielt Dekretalen und Dekrete des Konzils von Vienne, die zwar erst von Johannes X X I I . am 25. Oktober 1317 veröffentlicht wurden, aber Clementinen hießen, da das Material nur bis zu Clemens V. reichte. Im Gegensatz zu früheren Sammlungen entkräfteten die Clementinen nicht jene Dekretalen, die nicht in ihnen enthalten waren; die päpstlichen Dekrete z.B., die Philipp IV. von Frankreich betrafen, behielten ihre volle Gültigkeit, ob-
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wohl sie nicht in die Clementinen aufgenommen waren. Dieses ganze Corpus (Liber Extra, Sextus und Clementinen) bildete das Recht der Kirche und des Papsttums bis zum Jahre 1918. Da Erziehung und Ausbildung während des ganzen Mittelalters eine Angelegenheit der Kirche war, wandte das Papsttum den Universitäten seine besondere Aufmerksamkeit zu, zumal als das Hochschulwesen im 12. Jahrhundert volle Gestalt annahm. In der Tat mußte eine Hochschule — außer Paris, Bologna, Oxford und Cambridge —, um diesen Namen zu verdienen, entweder vom Kaiser oder vom Papst gegründet sein. Bemerkenswerte päpstliche Gründungen waren Toulouse (1229), Rom (1244) und Grenoble (1339). Die enge Verbindung des Papsttums mit Bologna wurde bereits erwähnt. Als allgemeine Ausbildungsstätte war die Universität von Paris immer Gegenstand besonderer päpstlicher Fürsorge, vor allem unter Innozenz III. und Gregor IX. Darüberhinaus waren in den meisten mittelalterlichen Universitäten die Verwaltungsbeamten hohe kirchliche Würdenträger; die Universitätsstatuten wurden vom Papsttum bestätigt, das sich gelegentlich in die Handhabung und die praktische Interpretation der Statuten einmischte und sehr um die Erhaltung bestimmter Freiheiten und Immunitäten bemüht war, derer sich die Universitäten erfreuten. Dies erklärt die Einrichtung von sogenannten „Konservatoren" an einigen Universitäten, denen der Schutz der Scholaren vor Übergriffen durch andere Organe anvertraut war. Welche aktive Anteilnahme das Papsttum an den Universitäten und dem Lehrbetrieb nahm, läßt sich z.B. an dem Verbot des Aristotelesstudiums an der Pariser Universität (bis geeignete Sicherungen gefunden wären), oder an der Förderung der orientalischen Sprachen und vor allem der Rechtswissenschaft ersehen. Diese allseitige Anteilnahme des Papsttums an den Universitäten mag nichts anderes als eine Ausweitung der Vorschrift Eugens II. aus dem Jahre 826 sein, wonach das Schulwesen unter bischöflicher Aufsicht stehen sollte. Daher auch das unmittelbare Interesse des Papsttums an der Erteilung der Lehrbefugnis, die als eine Angelegenheit des Bischofs galt und für die strenge Prüfungen vorgeschrieben waren. Im 13. Jahrhundert waren die meisten Universitäten, die diesen Namen verdienten (ob Magister- oder Studentenuniversitäten, spielte keine Rolle), von Rechts wegen kirchliche Institutionen, die schließlich unter päpstlicher Aufsicht standen. Sogar das vielbegehrte Recht des Doktors, überall zu lehren (das ius ubique docendi), wurde Inhalt eines Papstdekrets unter Nikolaus IV., womit das hauptsächliche Kennzeichen der Universität festgelegt wurde: sie war eine wahrhaft ökumenische Institution. Die aktive Unterstützung, die das Papsttum den Universitäten von Paris und Bologna immer gewährte, spiegelte den päpstlichen Primat gleich-
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sam in seiner zweifachen Form wider. Der Lehrprimat (primatus magisterio) zeigte sich in dem päpstlichen Interesse an Paris und seiner theologischen und philosophischen Schule, während der päpstliche Jurisdiktionsprimat (primatus iurisdictionis) ein ebenso starkes Interesse an Bologna hervorrief, wo es bis zum Jahre 1364 keine theologische Fakultät gab. Die allumfassende Aufsicht über das Erziehungswesen war jedoch nur ein kleiner Ausschnitt aus der universalen Kontrollgewalt, die das Papsttum seit dem 12. Jahrhundert in den verschiedenen Ländern teils durch geeignete kirchliche Beamte, teils durch Kardinallegaten ausübte, teils auch durch die Bischöfe, die durch ihre Verpflichtung zu regelmäßigen Rombesuchen noch stärker an das Papsttum gebunden wurden. Auf dieser Pflicht konnte umso leichter bestanden werden, als nach der herrschenden Lehrmeinung seit Leo I. der Bischof an der Sorge des Papstes für die Kirche teilzunehmen hatte. Der Episkopat — der ernsthafteste Gegner des Papsttums im Mittelalter — wurde so immer abhängiger vom Papsttum und geriet immer mehr unter seine Kontrolle; diese Entwicklung wurde durch die erwähnte Lehrmeinung stark unterstützt, und trat in dem Gehorsamseid gegenüber dem Papsttum (nicht dem einzelnen Papst) zu Tage (s.o. S. 220 f.). Der päpstliche Vorschlag aus dem späten 11. Jahrhundert, den Bischöfen den Titel „von Gottes und des apostolischen Stuhles Gnaden" zu verleihen, fand freilich nicht die begeisterte und ungetrübte Zustimmung des Episkopats. Hand in Hand damit führten die päpstlichen Maßnahmen zur Schwächung der erzbischöflichen Gewalt. Die Vorliebe des Papsttums für die Bischofswahl durch die Domkapitel ließ seinen Einfluß auf die Besetzung vakanter Bischofsstühle anwachsen. Bei strittigen Wahlen oder wenn das Kapitel einen ungeeigneten oder mit einem kanonischen Hindernis behafteten Kandidaten gewählt hatte, der ζ. Β nicht das nötige Mindestalter besaß oder unehelich geboren war, wurden diese Fälle vor das päpstliche Gericht gezogen. Die Folge war eine Weiterentwicklung des Heimfallrechts (bereits auf der Fastensynode vom Jahre 1080 von Gregor V I I . verfügt), das es dem Papsttum ermöglichte, in besonderen Fällen vakante Stühle selbst zu besetzen. Diesem Verfahren stand die „Postulation" nahe: der Wahlkörper „postulierte" (d. h. nominierte) einen Kandidaten, dem ein kanonisches Hindernis anhaftete, sonst aber geeignet war. Im 13. Jahrhundert bildete sich auch die Einrichtung der päpstlichen „Reservationen" heraus, derzufolge die Päpste sich unter bestimmten Umständen die Besetzung vakanter Kirchenämter vorbehielten, wie etwa bei Tod des Amtsinhabers an der Kurie oder bei seiner Beförderung oder Versetzung in ein anderes Amt. Eng damit verwandt waren die päpstlichen „Provisionen", die ebenfalls auf
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der päpstlichen Vollgewalt gründeten; beginnend unter Coelestin III., aber erst unter seinem Nachfolger voll entwickelt, berechtigten sie den Papst, jemanden für eine vakante Präbende zu benennen, aber auch für eine solche, deren Vakanz bevorstand (sogenannte „Expektanzen" ). Ohne Zweifel war eine unmittelbare Besetzung durch den Papst in vielen Fällen ein Vorteil, obgleich sie insgesamt beim hohen und niedrigen Klerus und bei den weltlichen Mächten auf heftige Ablehnung stieß; um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert hielt das Papsttum es für klüger, die „Provisionen" auf einige mehr oder weniger festgelegte Anlässe zu beschränken. Aber der Zentralismus war bereits zu weit fortgeschritten, um noch wirkungsvoll beschränkt zu werden, und Johannes XXII. stützte sich bei seiner Herrschaftsausübung im 14. Jahrhundert weitgehend auf die „Provisionen" und „Reservationen". Der weitverbreitete und heftige Widerstand gegen dieses System war verständlich, nicht nur aus allgemeinen, sondern auch aus finanziellen Gründen, da alle diese Einrichtungen päpstliche Einnahmequellen darstellten. Es kann daher nicht überraschen, daß das Papsttum beträchtliche Aufmerksamkeit auf die Entwicklung kurialer Finanzabteilungen verwandte. Eine der ältesten kurialen Abteilungen war die Apostolische Kammer, deren Hauptaufgabe von jeher in der Verwaltung der päpstlichen Finanzen gelegen hatte. An ihrer Spitze stand entweder ein Bischof oder ein Kardinal. Angesichts der Häufigkeit finanzieller Streitfälle gab es innerhalb der Kammer eine eigene Finanzgerichtsabteilung. Noch größere Bedeutung erhielt die Kammer im 13. Jahrhundert, als das Papsttum auf der Grundlage seiner Vollgewalt immer öfter von dem Recht Gebrauch machte, dem Klerus eine allgemeine Steuer aufzuerlegen. Das System des Zehnten und der Kreuzzugsabgaben wurde gestrafft. Der Zug zur Monopolisierung wurde sichtbar, als das Papsttum — übrigens ohne Erfolg — den weltlichen Mächten eigene Besteuerungen des Klerus untersagte. Die Spitzfindigkeit der päpstlichen Kämmerer, der Vorsteher der Kammer, bei der Erfindung immer neuer Abgaben und Zölle kannte keine Grenzen. Daß dieses raffinierte Finanzsystem der Kurie schwerste Besorgnis und schließlich Widerstand und Haß hervorrief, ist verständlich, zumal wenn man bedenkt, mit welcher Regelmäßigkeit, ja Rücksichtslosigkeit, die päpstlichen Steuern eingezogen wurden. Hier können nur einige aufgezählt werden. Der Peterspfennig, den England, Irland, Polen, Ungarn, Norwegen, Dänemark und Schweden zahlten, erbrachte beträchtliche Summen. Der päpstliche Zehnt bildete seit dem Ende des 12. Jahrhunderts die ergiebigste Einnahmequelle des Papsttums. Innozenz IV. setzte eigene päpstliche Steuereintreiber in den verschiedenen Ländern ein. Nach Schätzungen brachte diese Abgabe gegen Ende des 13. Jahrhunderts annähernd
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800 000 Pfund ein, etwa das Dreifache der Gesamteinnahmen des französischen Königs. Der päpstliche Liber censuum stellt eine ganz hervorragende Quelle für die regulären kurialen Einnahmen dar (einschließlich der Renten, Gebühren und Steuern für die ganze Kirche). Eine weitere Einnahmequelle waren die Servitien (Servitia) und die Annaten; erstere waren Steuern, die jeder Prälat bei Übernahme seines Bischofssitzes (oder eines anderen Prälatenamtes) im Konsistorium aus der Hand des Papstes an die päpstliche Kammer zu entrichten hatte, vorausgesetzt die jährlichen Einkünfte der Präbende betrugen mehr als hundert Gulden. Diese Steuer wurde auch von jenen erhoben, die das Pallium vom Papst empfingen, ebenso von Bischöfen, die von der erzbischöflichen Gerichtsbarkeit eximiert wurden. Auch Bischöfe, deren Wahl vom Papst bestätigt wurde oder die selbst von ihm bestallt worden waren, mußten das Servitium entrichten. Es betrug ein Drittel der Einkünfte des ersten Jahres, und diese Summe wurde gleichmäßig zwischen dem Papst und den Kardinälen aufgeteilt. Zusätzlich zu diesen Servitien waren noch Bearbeitungsgebühren an die päpstliche Kanzlei zu zahlen. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurde eine Weihegebühr von denjenigen Bischöfen und Prälaten erhoben, die vom Papst persönlich die Weihe empfingen; auch diese Gebühr belief sich auf ein Drittel des jährlichen Einkommens (für Köln und Salzburg ζ. B. betrug die Summe 10 000 Gulden). Die Annaten dagegen waren Gebühren für Präbenden, die der Papst außerhalb des Konsistoriums verlieh, d. h. niedere Präbenden. Diese Abgabe betrug ursprünglich die Hälfte des Einkommens des ersten Jahres — gerade in diesem Zusammenhang wurden die Provisionen und Reservationen für das Papsttum so besonders wesentlich; Johannes X X I I . ging so weit, alle Präbenden in der Kirche, die in den Jahren zwischen 1318 und 1321 vakant wurden, zu besteuern. Durch verschiedene Methoden war es seinen Nachfolgern möglich, diese Einrichtung noch zu verfeinern und zu einer drückenden Steuer zu machen. Für routinemäßige Leistungen in den Kurienabteilungen, wie etwa der Kanzlei und später der Rota, gab es gestaffelte Gebührensätze für jede vorgenommene Amtshandlung. Im 14. Jahrhundert war das päpstliche Finanzsystem nicht nur das bestorganisierte Steuersystem Europas, wie verwickelt sein Apparat und wie groß die Zahl der dabei Beschäftigten auch sein mochten, sondern darüberhinaus ein System, das eben auf Grund seiner Leistungsfähigkeit ganz ohne Rücksicht auf den Einzelnen und seine Umstände arbeitete: Strafen waren immer zur Hand. Am Vorabend der Reformation gab es kaum noch eine Angelegenheit, einschließlich der Ablässe, die nicht auf irgendeine Weise mit Geld
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verbunden war, um den ständig wachsenden päpstlichen Amtsapparat zu füttern. Neben der apostolischen Kammer übertraf die Kanzlei alle übrigen Kurienabteilungen an Bedeutung. Sie bildete das Nervenzentrum der päpstlichen Herrschaft, denn hier wurden Dekretalen, Dekrete, Anweisungen, Urteilsspruche, Bullen, „Privilegien", kurz das gesamte Urkundenmaterial im wahrsten Sinn des Wortes hergestellt, kopiert, mundiert, ausgefertigt und in den päpstlichen Registern archivalisch festgehalten. Die Kanzlei war außerdem die größte der kurialen Abteilungen, jedenfalls was die Personalstärke betrifft. Vorsteher des Amts war der Vizekanzler (das Amt des Kanzlers war durch Honorius III. abgeschafft worden); unter seiner Aufsicht standen die Notare, die Schreiber, die Korrektoren, die Abbreviatoren und die Beamten, die speziell mit der Siegelung der Urkunden befaßt waren. Das Kanzleipersonal ging häufig in die dreistelligen Zahlen. All die zahlreichen Kundgebungen des päpstlichen Primats nahmen auf die eine oder andere Weise ihren Anfang in der Kanzlei, ob es sich nun um den Erlaß eines feierlichen „Privilegs" oder bloß um Dispens von einer Behinderung handelte oder um sogenannte Gratialangelegenheiten (zu unterscheiden von den sog. Justizangelegenheiten), oder um die Ernennung von Bischöfen oder Etzbischöfen, um eine Exkommunikation oder Absetzung, eine Enzyklika oder eine Appellation, um die Bestätigung von Wahlen oder Immunitäten, um die Verleihung einer Charta, die Bestätigung einer Universität und ihrer Statuten oder den Erlaß von Tausenden von Dekretalen. Während des 13. Jahrhunderts verließen weit über 50 000 registermäßig festgehaltene Urkunden die päpstliche Kanzlei. In ihre Kompetenz fiel auch die Registrierung und daher die Anfertigung von Kopien früherer Dokumente und, auf Verlangen der betroffenen Parteien und bei Entrichtung festgesetzter Gebühren, die Vorbereitung von Prozeßakten. Kurz, alle Fäden der päpstlichen Herrschaft liefen in diesem Amt zusammen, das, technisch gesehen, ein Muster an amtlicher Zuverlässigkeit war und eine organisatorische Leistung verkörperte, wie sie im mittelalterlichen Europa nicht ihresgleichen fand. Es ist erwiesen, daß die Kanzlei seit dem 5. Jahrhundert Register der auslaufenden (und teils auch der einlaufenden) Post zu führen begann, obgleich von der Zeit vor Innozenz III. nur ein einziges Originalregister erhalten ist — dasjenige Gregors VII. Das gesamte Register Gregors I. ist uns in einer Kopie aus dem 11. Jahrhundert überliefert; weiterhin existieren einige Bruchstücke amtlicher päpstlicher Register aus dem 9. Jahrhundert. Angefangen bei Innozenz III. sind inzwischen alle Register des 13. Jahrhunderts veröffentlicht. Der komplizierte und vielgestaltige Charakter der kurialen Geschäfte machte im 14. Jahrhundert die Führung getrenn-
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ter Register erforderlich, die nur ganz spezielle Angelegenheiten enthielten, z. B. Politik, Staatsgeheimnisse, Routineangelegenheiten, Finanzwesen, Petitionen usw. W ä h r e n d Kanzlei und Kammer Verwaltungsorgane waren, w u r d e die eigentliche juristische Arbeit im päpstlichen Gerichtshof geleistet, der aus zwei Kammern bestand: der Pönitentiarie (für Gewissensfragen, f ü r das innere Forum und für Reservatsfälle) und dem Gerichtshof des heiligen Palastes ( a u d i e n t i a sacri palatii). A n der Spitze der Pönitentiarie stand ein Kardinalpönitentiar mit einer Reihe von untergeordneten Beamten; im Laufe des 14. Jahrhunderts dehnte diese Kammer ihre Kompetenzen aus und behandelte auch Indulte, Dispensationen, Befreiung von Irregularität und ähnliches. Richterliche Entscheidungen in der strengen Bedeutung des W o r t e s w u r d e n von dem Gerichtshof getroffen, der seit der zweiten H ä l f t e des 12. Jahrhunderts zu einem Appellationsgericht für niedere Gerichtshöfe und vor allem für die delegierte Rechtsprechung geworden war. Aber selbst diese Einschränkung konnte der Flut der einlaufenden Fälle nicht Herr werden, und nur das drastische Verbot von Appellationen in bestimmten Fällen (appellatione remota) gewährleistete ein ordentliches Funktionieren des Gerichts. Sein Personal w u r d e erweitert durch die Aufnahme von Auditoren, die in erster Linie aus den Reihen der capellani stammten, der jüngsten Absolventen der Rechtsschulen. Natürlich hatte der Gerichtshof die Möglichkeit, — von der er auch häufig Gebrauch machte, — wichtige Fälle dem Konsistorium vorzulegen. Wahlstreitigkeiten und „schwerere Fälle" waren nach wie vor dem persönlichen Spruch des Papstes als des höchsten Richters vorbehalten. Unter Johannes X X I I . wurde dieses Gericht im Jahre 1331 zur Rota Romana, die für Zivilw i e Strafrechtsfälle zuständig war. Innozenz I I I . schuf eine eigene, an die Kammer angegliederte Dienststelle — die audientia litterarum contradictarum —, die richterliche Funktionen besaß und gewöhnlich öffentlich tagte. Ihre Aufgabe bestand darin, einen Fall vorzubereiten, das Prozeßmaterial zu sichten, Rechtsstreitigkeiten durch Kompromißvorschläge beizulegen und delegierte Richter zu ernennen. Offensichtlich entsprach diese Abteilung einem Bedürfnis der Zeit, denn sie vergrößerte sich während des 13. Jahrhunderts rapide: sie erhielt eine eigene Verfassung und Organisation, und da mündliche Verhandlungen weitgehend außer Gebrauch kamen und von schriftlichen Verfahren abgelöst wurden, konnten die von den Parteien vorgebrachten Einwände und Einsprüche in ruhiger Atmosphäre und fern vom Getriebe des eigentlichen Gerichtshofs geprüft werden: Kompromißlösungen ließen sich so leichter finden.
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Während praktisch alle Kurienämter mit Klerikern besetzt waren, bildeten gewöhnlich Laien das Personal der kurialen Haushaltsämter. Das Küchenpersonal des Papstes bestand ebenso wie die Masse der Köche (und Küchenhilfen) der Kardinäle aus Laien, Auch für den Dienst in den Stallungen, die weitaus größer als die jedes westlichen Königs waren, wurden Laien verwendet: Reitknechte, Wärter und Stalljungen bildeten eine eigene, organisierte Vereinigung innerhalb des Kurienpersonals. Denn die Wartung der Pferde und Ställe des Papstes und der Kardinäle war für die Aufrechterhaltung eines ordentlichen Kommunikationssystems von nicht geringerer Bedeutung als für die Unterbringung der Dutzende von Pferden der Gesandtschaften, Legaten, Prokuratoren und der übrigen Reisenden, die geschäftlich an der Kurie zu tun hatten. Die Abteilungen der päpstlichen Boten und Meldeläufer und der Kurienpolizei, sowie der Dienstboten, des Hauspersonals, der Schmiede, Sattler, Schneider und Dienstmägde lagen natürlich ganz in den Händen von Laien. Diese kurze Übersicht zeigt, daß die Kurie eines der bestgeführten und eindrucksvollsten Verwaltungszentren des mittelalterlichen Europa war. Ihre Ausdehnung, die bis ins einzelne waltende Sorgfalt und die Mannigfaltigkeit der Geschäfte sind Zeugnis für den universalen Charakter der päpstlichen Herrschaft selbst. Durch ständige Anpassung und Angleichung an neue Gegebenheiten gelang es diesem Riesenapparat, reibungslos zu funktionieren — und das trotz so vieler äußerlicher Krisen, Konflikte und Widrigkeiten, ungeachtet auch der häufigen und langen Abwesenheit ein2elner Päpste von Rom. Dieses reibungslose Wirken des Papsttums war nicht zuletzt auf die innere Stärke, Spannkraft und Organisation der Kurie zurückzuführen, die sie sich im Lauf einer lange andauernden historischen Entwicklung angeeignet hatte. Was bei einer Betrachtung der Kurie des weiteren klar zum Vorschein kommt, ist nicht nur ihre Kontinuität, ihre jahrhundertelange allmähliche Entfaltung, sondern vor allem auch der Geist, der sie und ihre zahlreichen Ableger immer beseelte — das Recht, die Vorstellung von der Herrschaft von Recht und Gerechtigkeit. Der Historiker der Neuzeit mag ganz und gar nicht einverstanden sein mit der Art, mit der das Papsttum vom Recht Gebrauch machte, wie es auch bei einer Reihe von Zeitgenossen unzweideutig auf Widerstand stieß, aber nichts kann aus der folgenden historischen Entwicklung das Vermächtnis löschen, das das Papsttum hinterließ — den Gedanken einer auf dem Recht gegründeten Ordnung.
XI. ALLMÄHLICHER NIEDERGANG DER PÄPSTLICHEN AUTORITÄT Die Macht des Papsttums lag im Bereich der Religion und des Geistes; solche vom Geiste geleitete Gewalt hat sich seit jeher als widerstandsfähiger und kraftvoller erwiesen als physische Gewalt. Im 13. Jahrhundert bildete das einigende Band, das Europa zusammenhielt, ein gemeinsamer Glaube, der in der Hauptsache vom Papsttum festgesetzt war — trotz einzelner regionaler oder örtlicher Unterschiede, die jedoch sein Wesen nicht berührten. Vor allem auf staatsrechtlichem Gebiet hinterließ dieser einigende Glaube seinen unauslöschlichen Abdruck in der unangefochtenen Idee der theokratischen Herrschaft. Ihre Grundlage war nichts anderes als der Glaube an den von Gott eingesetzten Herrscher, eben jenes Motiv, dem das Papsttum in seiner langen Geschichte gefolgt war. Diese Herrschaft war ferner durch ein ausgefeiltes Salbungs- und Krönungszeremoniell gestützt. Auch das Papsttum selbst baute auf diesen selben theokratischen Prämissen auf, zu denen noch eine klar definierte, biblisch dokumentierte Erklärung Christi an den hl. Petrus hinzukam, dessen Erbe der Papst war. Diese Bemerkungen sind unerläßlich für das bessere Verständnis der Maßnahmen, die das Papsttum im 13. Jahrhundert gegen die schon erwähnten Ketzerbewegungen ergriff. Sie waren zwar keineswegs antichristlich oder antireligiös orientiert, gingen aber doch von Voraussetzungen aus, die einen ernsten Angriff auf den päpstlicherseits ausgelegten und rechtlich fixierten Glauben darstellten. Einige der von den Sekten vorgebrachten Lehren trafen unmittelbar die Wurzeln des allgemein anerkannten Glaubens, darunter besonders den für unerläßlich gehaltenen Grundsatz, daß das Priestertum allein göttliche Gunst und Gnade vermittle. Der Widerstand gegen diesen Grundsatz rührte nicht nur schwer an ein wesentliches Dogma des katholischen Priestertums, er ließ auch einen ernsten Zweifel an der Institution des Papsttums selbst wie überhaupt an jedem betont theokratischen Herrschertum erkennen. Geistliche wie weltliche Gewalten hatten bereits begonnen, sich diesen Angriffen auf ihre gemeinsamen Grundlagen zu widersetzen: das von Papst Lucius III. und Kaiser Friedrich I. gemeinsam erlassene Dekret (s. o. S. 189 f.) war ein erster Schritt in diese Richtung. Technisch gesehen stellte der betreffende Kanon des 4. Laterankonzils (Kap. 3) nur eine juristische Verfeinerung dieser ersten gemeinsamen Maßnahme dar.
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Die harmonische Zusammenarbeit von Papsttum und weltlichen Herrschern in der Abwehr ketzerischer Angriffe hatte auch noch andere Aspekte. Es war zwar das geistliche Gericht, das den Angeklagten zu einem Ketzer erklärte, aber die Strafmaßnahme (der Begriff hierfür in der päpstlichen Gesetzgebung war „animadversione debita", was soviel wie angemessene Bestrafung bedeutete) wurde nicht vom geistlichen Gerichtshof, sondern von weltlichen Richtern festgesetzt. Abgesehen von Justinians Dekret über die Verbrennung „ketzerischer Bücher" und von den vereinzelten Fällen von Ketzerverbrennungen durch die frühen Kapetingerkönige begann die wirkliche königliche Ketzergesetzgebung erst mit Peter II. von Aragon, dem Vasallen des Papstes, der im Jahre 1198 für Ketzer die Todesstrafe als angemessene Bestrafung festsetzte. Friedrich II. erließ in seinen kaiserlichen Krönungsedikten vom November 1220 nicht nur strenge Bestimmungen gegen die Ketzer, sondern setzte auch seinerseits den Tod auf dem Scheiterhaufen als Strafmaß fest. Die Kirche ging dabei mit den Mitteln der Inquisition vor, aber dieses Verfahren wurde im einzelnen erst ausgearbeitet, nachdem die weltlichen Herrscher die Todesstrafe schon verfügt hatten. Die mittelalterliche Inquisition, wie das Papsttum sie während des Pontifikats Gregors IX. ausarbeitete, war im Grunde kein völlig neues Verfahren, denn seit dem Frühmittelalter hatten die Bischöfe das Recht (und die Pflicht), Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zu untersuchen, unter denen natürlich auch die Reinheit des Glaubens eine Rolle spielte. Auch Könige verfuhren nach dieser Methode, die als Inquisition bezeichnet wurde. Unter den gegebenen Umständen des 13. Jahrhunderts erschien jedoch die bischöfliche Inquisition nicht nur als zu langsam und schwerfällig, sie bedeutete auch eine zusätzliche Belastung der ohnehin mit Verwaltungsaufgaben überbürdeten Bischöfe. Die päpstliche Inquisition war deshalb als Ergänzung und Vervollständigung der bischöflichen Inquisition gedacht, die von der päpstlichen Gesetzgebung in keiner Weise beeinträchtigt wurde. Daß in der Praxis und infolge der viel größeren Wirksamkeit der päpstlichen Inquisition die bischöfliche Gewalt auf natürliche Weise und notgedrungen beeinträchtigt wurde, lag auf der Hand und verärgerte den Episkopat nicht wenig. Von unmittelbarem Interesse ist jedoch, daß ausgesprochen theokratische Herrscher, wie die Könige von Frankreich, Aragon, Kastilien, teils auch von Deutschland, Böhmen und Ungarn die Arbeit der Inquisition in jeder Beziehung förderten. Der Grund dafür sollte inzwischen klar sein. Mag aber auch die päpstliche Einrichtung der Inquisition historisch erklärbar und durch die Umstände bedingt sein, die in diesem Verfahren verkörperten juristischen Grundsätze hatten kaum irgendeine Ähnlich-
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keit mit jenen Grundsätzen, die allgemein anerkannt und vom Papsttum selbst dauernd und mit Nachdruck vertreten wurden. Ganz wenige Vorschriften des vollausgereiften inquisitorischen Verfahrens konnten auch nur mit den primitivsten Forderungen von Gerechtigkeit in Einklang gebracht werden. Andererseits jedoch gab es seitens der Bevölkerung sehr wenig, wenn überhaupt, Widerstand gegen die Methoden der Inquisition, vielmehr wurde häufig nadi öffentlichen Hinrichtungen von Ketzern verlangt. Die Begründung des Papsttums für die Ergreifung von Maßnahmen und Verfahrensformen, die überall, w o die päpstlichen Inquisitoren auftauchten, Angst und Schrecken verbreiteten, ging zum Teil dahin, daß der Glauben, der Fels und Grundstein der zeitgenössischen Gesellschaft, vor Angriffen geschützt und in seiner Reinheit erhalten werden müsse. Da Häresie als Hochverrat gegen die monarchische Stellung, d. h., gegen die Majestät des Papstes galt, dessen Vollgewalt (wie sie vom Papsttum während des 13. Jahrhunderts und vor allem durch Bonifaz V I I I . formuliert worden war) sie leugnete, ging man von den Kautelen des ordentlichen Gerichtsverfahrens ab. Die Lage verlangte nach einer Notlösung, und so nahm das Papsttum seine Zuflucht zu Mitteln, die unter normalen Umständen abgelehnt worden wären. Daß dabei der einzelne Christ zu leiden hatte, wurde ohne Zögern in Kauf genommen; worauf es ankam, war die Gesundheit, das Wohlergehen der ganzen Gemeinschaft, der gesamten Kirche, nicht ihrer einzelnen Glieder. Der Grundsatz, der dieser Weltanschauung zu ihrem Aufstieg verhalf, lautete, daß das einzelne Glied nur um der gesamten Gemeinschaft willen da war. Der Einzelne, der den einen oder anderen Glaubensartikel verletzte, verwirkte alle Rechte, die ihm das Recht sonst zugestanden hätte. In jedem Fall war nach dem Vorbild des hl. Paulus ein Ketzer als ein die öffentliche Ordnung und die Gesellschaft bedrohendes Glied anzusehen, die übrigens nicht von einem modemliberalen Standpunkt aus beurteilt werden darf. Die päpstliche Inquisition ist nur aus zeitgenössischer mittelalterlicher Sicht zu verstehen, die keinerlei Gedanken- oder Redefreiheit kannte in Fragen, die das Wesen des Glaubens betrafen. Daher war die Abirrung vom päpstlich fixierten Glauben nicht nur (wie es hieß) ein Zeichen geistiger Anmaßung, sondern mehr noch ein Akt der Widersetzlichkeit gegen die verordnete Obrigkeit, die das alleinige Entscheidungsrecht in allen Fragen beanspruchte, die die religiösen Grundlagen der Gesellschaft angingen. Da nach päpstlicher Argumentation die Häresie eine ansteckende Krankheit war, bestand immer die Gefahr, daß sie sich ausbreitete und den Zusammenbruch der gesamten christlichen Gemeinschaft verursachte. Im wesentlichen bestand die päpstliche Inquisition darin, daß eigens
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beauftragte Inquisitoren, die verständlicherweise in der Hauptsache den beweglichen Wanderorden wie Dominikanern und Franziskanern angehörten, ausgesandt wurden, um alle Angelegenheiten zu untersuchen, die eine Anklage wegen Ketzerei begründen konnten. Jedes Mitglied der Gemeinde mußte dem Inquisitor jedes Anzeichen und jeden Verdacht von Häresie zur Kenntnis bringen. Die Verhandlungen waren geheim, der Verdächtige oder Angeklagte wußte nicht, wer die Informanten waren, es gab kein Kreuzverhör für die Zeugen, die überführte Meineidige, Gebannte, Verbrecher oder sogar Komplizen gewesen sein mochten. Der Angeklagte kannte keine Einzelheiten der Anklage, eine Appellation an ein höheres Gericht war ausgeschlossen, da die Inquisitoren selbst kraft „apostolischer Autorität" tätig waren und ihr Urteilsspruch in Wahrheit ein päpstlicher Spruch war. Kein anderer als einer der größten Juristenpäpste, Innozenz IV., hieß die Anwendung der Folter gut. Sie bot den Inquisitoren reichlich Gelegenheit, ihre Erfindungsgabe zu entfalten. Sie wurde nicht angewendet, um die Wahrheit zu ermitteln, sondern um ein Geständnis zu erpressen; sie war nur insofern eingeschränkt, als sie nicht nochmals gegen denselben Angeklagten angewandt werden durfte. Diese Vorschrift konnte jedoch leicht umgangen werden, indem man die Folter „fortsetzte", falls der Angeklagte sein unter der Folter erpreßtes Geständnis widerrief. Niemals gab es einen Freispruch: juristisch wesentlich war, daß es nach einem solchen Urteilsspruch kein weiteres Verfahren gab. Ohne Zweifel war die päpstliche Inquisition eine Maßnahme, die nur vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Gegebenheiten verständlich wird. Eben weil das mittelalterliche Christentum bis in die entferntesten Winkel des öffentlichen privaten Lebens drang, wurde praktisch jeder und alles davon berührt. Das Papsttum galt und betrachtete sich selbst als Hüter des Glaubens und als rechtsetzendes Organ in allen Fragen des Glaubens, auf dem die Gesamtheit des christlichen Europa ruhte. Keine selbstbewußte Regierung hätte die Verbreitung von Meinungen, Ansichten und Vorstellungen zugelassen, die der Gesellschaft und ihren Grundlagen zuwiderliefen. Das Papsttum hätte es als eine Vernachlässigung seiner ihm von Gott auferlegten Pflichten angesehen, hätte es nichts zur Ausrottung zerstörerischer Bewegungen und ihrer Anstifter unternommen. Wie verabscheuungswürdig die angewandten Methoden nach modernen Gesichtspunkten auch sein mochten, sie entstammten dem Spätrömischen Reich und können deshalb nur vor ihrem historischen Hintergrund verständlich werden. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde eine sehr allmähliche, jedoch deutlich erkennbare Verschiebung in der päpstlichen Politik bemerkbar. Infolge der heftigen Auseinandersetzung zwischen
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Friedrich I I . und dem Papsttum kam es zu weitaus engeren Beziehungen als bisher zwischen dem Papsttum und Frankreich, das, nach dem päpstlichen Sprachgebrauch, vom rex christianissimus
beherrscht wurde.
Der Konflikt mit dem Stauferkaiser war praktisch eine Fortsetzung des im 12. Jahrhundert ausgefochtenen Kampfes, mit dem Unterschied, daß die Streitfragen sich schärfer herauskristallisiert hatten und klarer definiert waren. Es trifft zu, daß es in dem Konflikt zwischen Honorius I I I . und Friedrich ursprünglich um die Erfüllung von Friedrichs Zusage ging, den vom 4. Laterankonzil beschlossenen Kreuzzug durchzuführen. W i e auf dem Konzil vorgesehen, begann er im Jahre 1217, aber die Unfähigkeit der Heerführung, unvorhergesehene militärische Hindernisse und Schwierigkeiten mit dem Nachschub führten zum Zusammenbruch des Unternehmens. Friedrich hatte beiseite gestanden, obgleich er im Jahre 1220 sein Versprechen erneuerte und sogar einige Schiffe mit Nachschub nach Ägypten entsandte, die jedoch zu spät und zu wenig Hilfe brachten. Diese Entwicklung warf einen Schatten auf die königlich-päpstlichen Beziehungen, die sich rasch verschlechterten, seit Friedrich — in einem meisterlichen diplomatischen Streich, der ihn als wahren Schüler seines Vormunds (Innozenz' I I I . ) auswies — seinen Sohn Heinrich, der schon seit dem Jahre 1212 König von Sizilien war, auch zum deutschen König wählen ließ (als Gegenleistung machte er große Zugeständnisse an die geistlichen Fürsten), sodaß nun eben jene Lage eingetreten war, die der Papst immer gefürchtet hatte, nämlich die Vereinigung Siziliens mit dem Reich —
und das, obwohl Friedrich Sizilien feierlich als päpstliches
Lehen anerkannt und (gemäß einer Übereinkunft mit Innozenz vom Jahre 1216) auf eine Personalunion zwischen Sizilien und dem Deutschen Reich für seine Person verzichtet hatte. Daß die beiden Königreiche nicht in der Person des Vaters, sondern in der des Sohnes vereinigt waren, widersprach dem Abkommen mit Innozenz I I I . nicht dem Buchstaben, wohl aber dem Geist nach. Nicht einmal die lang erwartete Kaiserkrönung Friedrichs durch Honorius I I I . im Jahre 1220 führte zu einer Änderung seiner Pläne oder zu einer konkreten Vorbereitung des versprochenen Kreuzzugs. Er wurde immer und immer wieder hinausgeschoben, bis er schließlich und endlich im Jahre 1227 ernsthaft in Gang kam; aber wenige Tage nach der Abfahrt von Brindisi wurde die Flotte von einer Ruhrepidemie heimgesucht, die sie zur Umkehr zwang. Dem Papsttum schien dies nur eine schlaue Ausflucht, und Friedrich wurde auf Grund des ganz unhaltbaren Vorwurfs, das Kreuzzugsversprechen gebrochen zu haben, gebannt. Im Sommer des folgenden Jahres wurde das Unternehmen unter günstigeren Vorzeichen erneut begonnen, und dem gebannten Kaiser gelang es, einen Küstenstreifen in
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Palästina einzunehmen, dazu Jerusalem, Bethlehem und Nazareth (im Jahre 1229). Diplomatische Verhandlungen mit dem Sultan hatten im Vertrag von Jaffa zu diesem Erfolg geführt. Friedrich verpflichtete sich, die Moslems in Jerusalem unbehelligt und unangefochten zu lassen. Mit einem wendigen diplomatischen Schachzug und unter minimalem Einsatz von See- und Landstreitkräften hatte Friedrich, der gebannte Kreuzfahrer, Erfolg, wo bislang riesige Heere Schiffbruch und Niederlagen erlitten hatten. Da er noch exkommuniziert war, krönte sich Friedrich selbst (am 18. März 1229) in der Kirche des hl'. Grabes zum König von Jerusalem. Anstatt Friedrich als Belohnung für seinen beachtlichen Erfolg nunmehr vom Banne zu lösen, fürchtete Gregor IX. für die Sicherheit des Kirchenstaates, und päpstliche Truppen fielen in Apulien ein. Die Rückkehr des Kaisers führte zu einer vernichtenden Niederlage des Papstheeres. Der Frieden, der zwischen dem Papst und dem (nunmehr vom Bann gelösten) Kaiser in Ceprano im Jahre 1230 geschlossen wurde, war jedoch nur ein Waffenstillstand. Wie konnten Glauben und Vertrauen wiederhergestellt werden, nachdem nicht nur bewaffnete Feindseligkeiten, sondern auch tiefgehende ideologische Unterschiede die Kluft zwischen beiden Seiten offenbart hatten? Denn Friedrichs Plan war es, die Idee des römischen Kaisertums in die Wirklichkeit umzusetzen, und einer seiner ersten Schritte in dieser Richtung bestand darin, die Rolle des Beamten, des päpstlichen Handlangers abzustreifen. Dies war nur möglich, wenn er zuvor wirkliche, physische — zu unterscheiden von vermeintlicher — Kontrolle über Italien ausübte: daher Friedrichs Angriffe auf die lombardischen Städte, mit denen er die kaiserliche Stellung in Norditalien festigen wollte. Trotz päpstlicher Unterstützung wurden die lombardischen Streitkräfte in Cortenuovo im Jahr 1237 vernichtend geschlagen. Die kaiserliche Forderung nach bedingungsloser Ergebung nahmen sie jedoch nicht an. Daß sich in der Zwischenzeit die Beziehungen zwischen dem Papsttum und Friedrich wieder verschlechtert hatten, war vorhersehbar gewesen — teils wegen fortgesetzter und erfolgreicher kaiserlicher Angriffe auf den Kirchenstaat, teils wegen der Vermählung von Friedrichs Sohn Enzio mit der Erbin von Sardinien (hierin folgte der Kaiser deutlich dem Beispiel seines Großvaters), teils, weil Enzio in der Folge König von Sardinien wurde, das jedoch auf der Grundlage der Konstantinischen Schenkung vom Papsttum als sein Besitz beansprucht wurde, der nicht zur Verfügung des Kaisers stand; teils auch, weil Rom fortan die Reichshauptstadt werden sollte mit einem wirklichen (nicht nur einem vermeintlichen) römischen Kaiser an der Spitze. Mit anderen Worten, eine historisch und kirchlich bedingte Ideologie, die das Papst-
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tum ursprünglich für seine eigenen Zwecke geschafien hatte, sollte in grausige Wirklichkeit umgesetzt werden. Der Schöpfer dieses Gedankens, das Papsttum, war in Gefahr, vom Untergebenen überwältigt zu werden, der nicht länger die Rolle spielen wollte, die ihm die Ideologie zugewiesen hatte, sondern ernstlich nach dem Rang des historischen Kaisers des römisch-christlichen Altertums trachtete. Friedrichs Vorhaben erhielt natürlich kräftige Unterstützung durch das Verschwinden des Oströmischen Reiches von der politischen Landkarte: nun gab es in der Tat wirklich nur einen römischen Kaiser in der Gestalt Friedrichs II., gekrönt auf Grund der apostolischen Gnade des Papsttums. Wirksam unterstützt durch begabte Gelehrte und Schriftsteller — die allerdings stets im Hintergrund verblieben — ließ Friedrich in seinem amtlichen Schriftverkehr die alten kaiserlichen Allegorien und Tugenden und die hochtrabende Ausdrucksweise der antiken römisch-kaiserlichen Kanzlei Wiederaufleben, die in der Vergöttlichung des Kaisers gipfelte, in der Anmaßung antik-kaiserlicher Attribute seiner Person, seiner Stellung und seiner Macht. Es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß Friedrich entschlossen war, diese Idee in die Tat umzusetzen. Die offensichtliche Bedrohung, der der Kirchenstaat ausgesetzt war, veranlaßte den Papst dazu, gegen Friedrich II. am Palmsonntag 1239 erneut in aller Feierlichkeit den Bannstrahl zu schleudern. Das war das Signal für den Ausbruch einer ideologischen Auseinandersetzung, die an Heftigkeit, Grausamkeit, Leidenschaftlichkeit und Mißachtung sämtlicher herkömmlicher Kriegsregeln ihresgleichen in der mittelalterlichen Geschichte sucht. Es war ein Vernichtungskampf. Denn, wer auch immer als Sieger hervorging, er würde gegenüber dem Besiegten keine Gnade walten lassen. Aus anderer Sicht jedoch ist dieser Konflikt aus drei Gründen von besonderer Bedeutung. Erstens, anders als im Investiturstreit, wurde die Propaganda zentral gelenkt, sogar offen manipuliert; auf beiden Seiten waren die Flugschriften, Manifeste und Enzykliken Meisterwerke an Stil, Diktion und Rhetorik. Sie waren nicht länger gelehrte, pedantische Traktate wie im Investiturstreit, sondern Abhandlungen, die darauf hinzielten, Emotionen aufzurühren und eine Atmosphäre zu schaffen, die wiederum die Voraussetzung für die folgenden Maßnahmen schuf. Zweitens vertrat die kaiserliche Propaganda ein Herrschaftsschema, das, zwar zu seiner Zeit eindrucksvoll, dennoch unbeabsichtigt allen theokratischweltlichen Herrschaftsformen zuwiderlief. Für Friedrich waren die zeitgenössischen Päpste die Personifizierung des Antichrist, denen vor einem Allgemeinen Konzil der Prozeß hätte gemacht werden müssen. Zielscheibe des Angriffs war nicht so sehr das Papsttum als Institution wie die persönliche Verworfenheit der Amtsträger: so wurde das ganze alte päpstliche System durch die kaiserliche Propaganda auf den Kopf ge-
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stellt, ein System, das immer das Amt in den Vordergrund gerückt, die Persönlichkeit des einzelnen Papstes aber f ü r zweitrangig befunden hatte. Ferner war die Einberufung eines Allgemeinen Konzils besonders bedeutsam, weil es die ersten Erschütterungen ankündigte, die später in die konziliare Bewegung einmündeten (s.u. S. 283 f.). Die kaiserliche Propaganda ließ keinen Zweifel an dem Hauptanliegen dieser Bewegung: daß nämlich der Papst seine Gewalt von der gesamten Kirche, der Gemeinschaft der Gläubigen ableite, die durch das Allgemeine Konzil und das Kardinalskollegium repräsentiert wurde und handelte. Daher das Verlangen der Reichsregierung an die Kardinäle, ein Allgemeines Konzil einzuberufen. Aus dieser Sicht lag die päpstliche Gewalt bei der Gesamtheit der Christen, der der Papst verantwortlich blieb und die ihn, sollte sich die Notwendigkeit ergeben, mit Hilfe des Allgemeinen Konzils absetzen konnte. Demgegenüber konnte der Kaiser selber nur von Gott allein gerichtet werden, von dem er seine Gewalt unmittelbar empfangen hatte. Im Rahmen der kaiserlichen Propaganda galt deshalb das aufsteigende Herrschaftssystem für das Papsttum, umgekehrt das absteigende System für den Kaiser, eben weil er der römische Kaiser war. Die Zeit war nicht mehr fern, wo das aufsteigende System (die sog. Aszendenzthese) gegen jede theokratische weltliche Herrschaft propagandistisch ins Feld geführt wurde. In mehr als einer Beziehung nahm deshalb diese kaiserliche Ideologie einen Großteil der späteren Entwicklung voraus. Drittens ermächtigte ihn seine Stellung als Kaiser der Römer, die Interessen aller europäischen Könige zu vertreten: er war der „Herr der Welt", der dominus mundi, und die päpstlichen Angriffe auf ihn trafen in Wirklichkeit alle weltlichen Herrscher. Daher Friedrichs Aufforderung an die Könige und Fürsten der westlichen Königreiche, ihm in seinem Kampf gegen die Päpste zu Hilfe zu kommen. Die Appelle scheinen besonders erfolglos in England geblieben zu sein, und sie zeitigten auch in Frankreich nur einen recht mäßigen Erfolg. Dieser ideologische Kampf war vom Aufeinanderprall der Waffen begleitet. Friedrich besetzte große Teile des Kirchenstaates und richtete seine Angriffsspitzen gegen Rom, während die von Gregor IX. aufgehetzten Venetianer das kaiserliche Apulien zu erobern versuchten. Schließlich berief Gregor für Ostern 1241 ein Allgemeines Konzil nach Rom und ergriff so eben jene Maßnahme, die Friedrich vorgeschlagen hatte, die er nun jedoch erfolgreich verhinderte, indem er mehr als hundert Prälaten auf ihrem Weg zum Konzil gefangennahm; unter ihnen waren drei Legaten, zwei Kardinäle und einige Erzbischöfe und Bi-
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schöfe. Nicht weniger folgenreich war der plötzliche Tod, der Gregor I X . am 22. August 1241 ereilte. Genau zu der Zeit, als die beiden Führer der europäischen Christenheit in einem mörderischen Bruderkrieg miteinander rangen, war die Mongolen von Asien bis nach Europa vorgedrungen, hatten in den Jahren 1 2 3 1 — 1 2 4 0 Rußland und im Frühjahr 1241 Ungarn erobert und schickten sich an, auch Schlesien, Mähren und den südlichen Teil Polens in Besitz zu nehmen. Dieses rasche Vordringen kam gänzlich unvorhergesehen und bedeutete für den Rest Europas eine akute Gefahr, die nur durdi interne mongolische Erbstreitigkeiten abgewendet wurde. Kaiser Friedrich I I . schien die Größe dieser Gefahr erkannt zu haben, obwohl er selbst gerade mit der Belagerung Roms beschäftigt war, bei dessen Einwohnern er eine gewisse Unterstützung für seine Pläne gefunden hatte. Um sicher zu gehen, daß die Wahl des neuen Papstes nicht ungebührlich hinausgeschoben oder von der Bevölkerung beeinflußt
wurde,
sperrte der Senator Roms (das Haupt der zivilen Verwaltung) die Kardinäle in ein altes Gebäude, wo sie bis zur Beendigung der Wahl bleiben mußten. Diese Erfahrung mit dem ersten päpstlichen Konklave — die Idee, die Wähler einzusperren, hatte in einigen
lombardischen
Städten ihr Vorbild — hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck bei den Kardinälen, denn abgesehen von der unerträglichen Hitze in Rom, waren die hygienischen Bedingungen und das Verhalten der polizeilichen Bewacher des baufälligen Gebäudes unbeschreiblich. Der Gestank, den der liegenbleibende Kot verbreitete, war unerträglich. Einer der Kardinäle starb während des Konklave, die übrigen durften das Gebäude nicht einmal für die Beerdigung verlassen. Weder Ä m e noch Diener wurden zur Versorgung der kranken Kardinäle eingelassen. Doch trotz dieser unmenschlichen Bedingungen taten sich die Kardinäle schwer, eine Zweidrittelmehrheit zu finden. Erst als der Senator drohte, den Leichnam Gregors I X . exhumieren und in vollem päpstlichen Ornat den Römern vorführen zu lassen, wurde am 25. Oktober 1241 der Kardinalbischof von Sabina, Coelestin I V . , einstimmig gewählt. Der alte Mann erkrankte und starb schon 17 Tage später. Unmittelbar nach der Wahl hatten die Kardinäle Rom verlassen, um Schlimmerem zu entgehen. Die Vakanz dauerte praktisch zwei Jahre. Sie erklärt sich durch die unsicheren Verhältnisse in Rom, durch die Verhandlungen um die Freilassung der beiden noch gefangen gehaltenen Kardinäle und durch die harten Bedingungen, die Friedrich an ihre Freilassung
knüpfte.
Schließlich
wurde am 25. Juni 1243 in Anagni Kardinal Sinibaldus Fliscus einstimmig als Innozenz I V . gewählt. Man hielt ihn für unbelastet von den früheren Auseinandersetzungen und deshalb für eher geeignet, zu einer
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Übereinkunft mit dem Kaiser zu gelangen. Wie Gregor IX. war Innozenz IV. ein hervorragender Jurist und Kanonist. Verhandlungen, die zwischen Papst und Kaiser eingeleitet wurden, scheiterten an der lombardischen und der sizilischen Frage, die aber beide in Wirklichkeit nur nebensächliche Bedeutung hatten, während die wesentlichen Streitpunkte — die Stellung des Kaisers und die Rolle des Papstes innerhalb der Kirche — unberührt blieben. Auf Grund der Verhältnisse, die im Sommer 1244 in Italien herrschten, floh der päpstliche Hof nach Lyon, das nur dem Namen nach auf kaiserlichem Gebiet lag und doch auch nicht französisch war. Um dem schwärenden Konflikt ein Ende zu bereiten, berief Innozenz für Juli 1245 ein Allgemeines Konzil ein, vor dem Friedrich sich in mehreren Anklagepunkten verteidigen sollte. Als Allgemeines Konzil (das 13.) geplant, war dieses Konzil von Lyon doch weit davon entfernt, die ganze Christenheit zu repräsentieren, denn in der Hauptsache nahmen nur spanische, französische und einige englische Prälaten daran teil. Friedrichs Anwalt, Thaddaeus von Suessa, schlug eine Vertagung vor, da der Angeklagte nicht genügend Zeit gehabt habe, seine Verteidigung vorzubereiten, aber das Konzil lehnte diesen Antrag ab und schritt am 17. Juli 1245 zur feierlichen Exkommunikation und Absetzung Friedrichs als Kaiser der Römer. Er wurde für schuldig befunden, der Häresie anzuhängen, seinen Eid als päpstlicher Vasall gebrochen und in verbrecherischer Weise Prälaten auf ihrem Weg zum Allgemeinen Konzil (im Jahre 1241) festgenommen und gefangen gehalten zu haben. Alle Eide, die ihm geschworen waren, wurden f ü r ungültig erklärt und das Kurfürstenkollegium in Deutschland aufgefordert, zu einer neuen Wahl zu schreiten. O b das Urteil weise war, wird immer eine strittige Frage bleiben. Daß es vom formaljuristischen Standpunkt gültig war, unterliegt keinem Zweifel. Als Rechtskommentator legte Innozenz IV. später selbst seinen Urteilsspruch aus, dem der Gedanke zugrundelag, daß das römische Kaisertum in der Auffassung des Papsttums gänzlich unvereinbar war mit der Rolle, die der Staufer ihm zugedacht hatte. Innozenz bediente sich der Zwei-Schwerter-Theorie; der Kaiser sei vom Papsttum nur für einen ganz bestimmten Zweck eingesetzt worden und könne deshalb von ihm wiederum enthront und abgesetzt werden, wenn er sich als ungeeignet erwies. Nach Innozenz IV. war das Papsttum berechtigt, das Reich nach Belieben einem anderen zu „übertragen" ; folglich konnte es das Kaisertum etwa den Fran2osen anbieten. Daß das Papsttum einen Kreuzzug gegen den „abtrünnigen und ketzerischen" Kaiser predigte, war von seinem Standpunkt aus verständlich, obwohl die Weisheit dieses Vorgehens stark angezweifelt wurde. Erst einige Zeit nach dem Tode des „Erzfeindes der römischen Kirche" (Friedrich II.) im Jahre
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1250 zog der päpstliche Hof von Lyon nach Rom zurück. Da ein Staufer vom Papsttum um keinen Preis als Nachfolger Friedrichs hingenommen werden konnte, wurde der Kreuzzug gegen Friedrich nun zu einem Kreuzzug gegen seinen Sohn Konrad IV., seit dem Jahre 1237 deutscher König, ausgeweitet. Auf unwürdige Weise angelte das Papsttum nach einem „geeigneten" künftigen Kaiser und bot die Würde mehr oder weniger unwilligen oder ungeeigneten Anwärtern an; das führte zum sogenannten Interregnum in Deutschland, das bis zur Wahl Rudolfs von Habsburg am 10. Oktober 1273 andauerte. Die Absetzung Friedrichs auf dem Konzil von Lyon machte einen tiefen Eindruck auf das zeitgenössische Europa. Während Friedrichs letzter Lebensjahre wurde die kaiserliche Kanzlei noch einmal äußerst geschäftig. Sie schüttete eine wahre Flut von Manifesten, Enzykliken und Aufrufen an Menschen aller möglichen Arten und Ränge aus. Immer wieder rief sie Europa auf, sich gegen den Antichrist in der Person des Papstes zu erheben — noch immer gab es keinen Hinweis darauf, daß das Papsttum als Institution die Zielscheibe der Angriffe war — und den Klerus einschließlich des Papstes zur apostolischen Armut, zu der von Christus selbst vorgelebten Einfachheit zurückzuzwingen. Bedenkt man, in welchen Verhältnissen Päpste, Kardinäle und Prälaten lebten, so fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, daß diese Art von Aufrufen auf fruchtbaren Boden fallen mußte. Der tödliche Streit zwischen den beiden Herrschern veranlaßte den französischen König Ludwig IX., seine erfolglose Vermittlung anzubieten — aber schon der Versuch zeigte, wie wenig er sich der unüberbrückbaren Kluft zwischen den kriegführenden Parteien bewußt war. Je heftiger der Angriff des Kaisers war, desto leidenschaftlicher auch die Reaktion. Nicht nur, daß diejenigen, die zu den Waffen gegen Friedrich griffen, großzügig mit allen Kreuzfahrerprivilegien bedacht wurden, das Papsttum ging sogar so weit, alle kirchlichen Strafmaßnahmen gegen Kritiker der Stellung des Papstes in Anwendung zu bringen; die Maßnahmen, deren man sich dabei bediente, schlossen auch die Verweigerung des päpstlichen Dispenses in Ehefragen nicht aus. Aus historischer Sicht kann die vom Papsttum seit den zwanziger Jahren gegen den Stauferkaiser verfolgte Politik weder klug noch staatsmännisch genannt werden. Für das Papsttum folgte aus diesen Ereignissen eine Revision seiner jahrhundertealten Politik gegenüber dem Reich und eine entschiedene Hinwendung zu Frankreich. Die Folge für Europa war eine deutliche Lockerung der Bindungen zwischen den einzelnen Fürsten und Völkern und dem Papsttum. Das Ende der Stauferherrschaft kennzeichnete, aus päpstlicher wie aus staufischer Sicht, in jeder Beziehung das Ende des mittelalterlichen Reichs als einer universal verstandenen Einrichtung
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von europäischer Bedeutung. Das Reich wurde mehr und mehr zur rein deutschen Angelegenheit. Es bedarf kaum besonderer Erwähnung, daß dieser Schrumpfungsprozeß auf das Papsttum zurückwirken mußte. Im Augenblick aber von weit größerer Bedeutung war die Tatsache, daß das Ende der Stauferherrschaft eine Richtung in der päpstlichen Politik beschleunigte, die freilich weniger Konsequenz und Bestimmtheit zeigte, als es die Geschichte des Papsttums hätte vermuten lassen. Nachdem es den erprobten, zügigen und geraden Weg verlassen hatte, verwickelte, ja verstrickte sich das Papsttum allzusehr in die inneren Probleme einzelner Reiche und Fürstentümer. Die bisherige Geschlossenheit seiner Politik wurde durch ein Konglomerat von politischen Schachzügen ersetzt, die nicht miteinander in Einklang zu bringen waren. Aber obwohl sich das Papsttum, während der dreißiger und vierziger Jahre des 13. Jahrhundert ganz durch den Kampf gegen die Staufer gefesselt, in den folgenden Jahrzehnten auf die Probleme der französischen und englischen Politik konzentrierte, fuhr es doch fort, die Ausweitung seiner Autorität zu betreiben, indem es missionarische Bestrebungen aktiv unterstützte und zu etwas zweifelhaften Unternehmungen aufrief, die als „Kreuzzüge" bezeichnet wurden. Die Unterwerfung Nordosteuropas unter das Christentum wurde während dieses Zeitraums abgeschlossen. Der Deutschherrenorden, gegen Ende des 12. Jahrhunderts gegründet, war das Hauptwerkzeug bei der Bekehrung Preußens zum Christentum. Das Papsttum leitete auch die Missionsbemühungen im Baltikum. Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre bestätigte es durch seinen Legaten Wilhelm von Modena vier preußische Bischofssitze. Ebenfalls während des Pontifikats Innozenz' IV. wurde Litauen endgültig christianisiert. Aber auch weit nach Asien hinein wandte das Papsttum seinen Blick. Die Bettelorden waren die Organe, mit deren Hilfe die Kurie an die Bekehrung der Mongolen in Asien ging, die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts große Teile Chinas beherrschten; nachdem es sich mit dem Bericht des Venetianers Marco Polo vertraut gemacht hatte, erkannte das Papsttum unter Nikolaus IV. die hier verborgen liegenden Möglichkeiten und entsandte Franziskanermönche an den Hof des Mongolenherrschers in China. Im Jahre 1299 wurde Peking vom ersten Europäer, dem Franziskaner Arnold von Köln, besucht. Einige Jahre später errichtete Clemens V. in China ein Erzbistum mit einer Reihe von (hauptsächlich franziskanischen) Suffraganbischöfen. Der Kreuzzugsgedanke erfuhr gleichzeitig seine letzte Steigerung und seinen endgültigen Schiííbruch. Das Papsttum predigte Kreuzzüge gegen Christen, wie die Stedinger Bauern in Deutschland, weil sie ihrem Bischof die Steuerzahlung verweigert hatten, oder gegen Friedrich II. oder später seinen Sohn Konrad IV., ganz abgesehen von den Albi-
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gensern zu Beginn des Jahrhunderts. Im Heiligen Land selbst ging Jerusalem (vom gebannten Friedrich II. im Jahre 1229 erobert) im Jahre 1244 endgültig verloren, und die europäischen Völker zeigten in ihrem Kreuzzugseifer unverkennbare Ermüdungserscheinungen. Innozenz IV. spürte dieses Nachlassen und gab den Plan auf, den er ursprünglich auf dem Konzil von Lyon hatte verkünden wollen. Anstatt eines Kreuzzugs gegen die Mongolen entsandte er Dominikaner und Franziskaner als Boten zu ihrem Herrscher — hiemit begann die Missionsarbeit, die in der Praxis die Kreuzzüge ersetzen sollte. Obwohl Papst Gregor X. nodi einen Kreuzzug im Sinne hatte — nachdem das Unternehmen Ludwigs IX. im Jahre 1270 zu einem ruhmlosen Ende gelangt war — und obwohl das zweite Konzil von Lyon im Jahre 1274 eine neue Kreuzzugssteuer erhob, war die Reaktion Europas auf diesen Aufruf wie auf die Steuerausschreibung praktisch gleich null. Im Laufe der nächsten Jahre ging Palästina den Christen endgültig verloren. Trotz förmlicher Kreuzzugsversprechen der Könige von England und Frankreich in den Jahren 1312—13 wurde nichts mehr erreicht. Denn inzwischen beschäftigten andere, unmittelbarer drückende Probleme das Papsttum und die westlichen Reiche. Die Todfeindschaft gegen die Stauferdynastie ließ das Papsttum seine Bande mit Frankreich, dem Heimatland einiger Päpste, nur umso enger knüpfen. Die Orientierung nach Frankreich wird am besten veranschaulicht durch die päpstliche Vorliebe für Franzosen im Kardinalsamt wie in allen übrigen vakanten Ämtern der Kurie. Zu alledem bot das Papsttum Karl von Anjou, dem Bruder Ludwigs IX., die Krone von Sizilien und Neapel an, die-er jedoch erst in blutigen Schlachten erobern mußte. Der letzte rechtmäßige Staufer, Konradin, wurde, kaum sechzehn Jahre alt, gefangengenommen und zusammen mit seinen Begleitern am 28. Oktober 1268 in Neapel als Verräter gehängt. Es fehlt zwar der Beweis, daß dieses schaurige Ende des Staufererben vom Papst veranlaßt war, aber Konradins Bitte um eine Intervention des Papstes bei den Franzosen, die ihn gefangengenommen hatten, war jedenfalls ohne Wirkung geblieben. Diese Verstrickung des Papsttums in die Politik der führenden europäischen Macht, Frankreichs, gereichte der Institution kaum zum Vorteil. Auch kümmerten sich Karl von Anjou und seine unmittelbaren Nachfolger, obwohl sie Lehnsmänner des Papstes waren, weniger um päpstliche und kirchliche Rechte als die Staufer. Aber auf Grund seiner Beziehungen verstand es Karl, sich einige der Kardinäle zu verpflichten; das erklärt die Unfähigkeit des Kardinalskollegiums, nach dem Tode von Clemens IV. eine Zweidrittelmehrheit zustandezubringen: die Vakanz dauerte drei Jahre. In der Zwischenzeit war Deutschland noch immer ohne König, und die öffentliche Unsicherheit verschlechterte sich
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täglich; wichtige Entscheidungen, die nur vom Papst getroffen werden konnten, mußten aufgeschoben werden; Kirchenangelegenheiten in ganz Europa waren davon betroffen; die Lage im Heiligen Land war für die Christen praktisch unhaltbar geworden. Seit dem Jahre 1261 war das „Lateinische Kaiserreich" von Konstantinopel von der Bildfläche verschwunden und das alte „griechische" Reich unter Michael Palaeologus (1261—82) wieder auferstanden. Ein etwas gekräftigtes Papsttum unter Gregor X. versuchte, diese äußerst schwierige Situation zu meistern. In zweifacher Hinsicht begann das Papsttum wieder etwas von seiner alten Stärke zu zeigen. Da war erstens die herrische Anweisung an das Kurfürstenkolleg, innerhalb einer bestimmten Frist zur Wahl zu schreiten, andernfalls würde das Kaisertum von den Deutschen auf die Franzosen übertragen werden. Das Ergebnis war die Wahl des ersten Habsburgers, Rudolf, zum deutschen König, wenngleich das Papsttum auch immer behauptete, es selbst habe „den König der Römer ernannt (oder benannt)" (wohl ein Mißverständnis der Äußerungen Innozenz' III). Aus Gründen, die in diesem Zusammenhang völlig belanglos sind, erlangte Rudolf von Habsburg nie die Kaiserwürde und -krone. Das zweite, vom kirchlichen wie vom päpstlichen Standpunkt aus entscheidende Ereignis dieses Pontifikats war das zweite Konzil von Lyon im Jahre 1274 (das 14. Allgemeine Konzil), das, abgesehen von den bereits erwähnten Dekreten, Gesetze erließ, die Wucher, kirchliche Immunität, Entweihung von Kirchen durch Handelstätigkeit und Vergeltungsmaßnahmen betrafen, weiterhin auch zwei Maßnahmen von der allergrößten Bedeutung traf, deren eine nur vorübergehender Natur war, während die andere bis heute Gültigkeit hat. Die erste war die Wiedervereinigung der Kirchen des Westens und des Ostens, eine Verfügung, die in Konstantinopel soviel Widerstand und Feindseligkeit hervorrief, daß sie sich schließlich als folgenlos erwies. Die griechische Gesandtschaft erkannte den päpstlichen Primat voll an, während das Papsttum die griechische Liturgie duldete. Zieht man die jüngsten Erfahrungen Konstantinopels mit den Lateinern in Betracht und dazu den historisch und kulturell bedingten Abgrund, der den Osten vom Westen trennte, bleibt nur die Erklärung, daß es die äußerst ernste Bedrohung seines Reichs durch die herannahenden Türken war, die den griechischen Kaiser bewog, zu dieser Union sein Einverständnis zu geben. Sie war ein totgeborenes Kind, obwohl die byzantinische Reichsregierung versuchte, sie mit roher Gewalt durchzusetzen. Den Gnadenstoß erhielt sie durch das Papsttum, das, unter dem Einfluß Karls von Anjou, dem griechischen Kaiser Unterstützung von Ketzern und Schismatikern vorwarf. Diese Behauptung diente dem unersättlichen Anjou
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als Vorwand für einen Angriff auf Konstantinopel, um es als Militärmacht vom Mittelmeer zu verdrängen. Die andere Maßnahme des Konzils betraf das obligatorische Konklave des Kardinalskollegiums. Diese Bestimmung hat die Zeiten überdauert, obwohl die Kardinäle auf dem Konzil einstimmig dagegen protestiert hatten, vermutlich, weil das Dekret die Einkünfte der Kardinäle auf die Dauer ihres Aufenthalts im Konklave sperrte. Die übrigen anwesenden Prälaten stimmten mit derselben Einmütigkeit für die Annahme des vom Papst vorgebrachten Dekrets. Sein Hauptzweck indessen, die Beschleunigung der Wahl, wurde nicht immer erreicht, zumal die römischen Adelsfamilien wieder Zugang zum Kardinalskollegium gefunden hatten. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts traten mehr und mehr die mächtigen Familien der Colonna und Orsini in den Vordergrund. In der Geschichte des mittelalterlichen Papsttums bietet die zweite Hälfte dieses Jahrhunders ein Bild der Gegensätze. Einerseits arbeitete, was die päpstliche und kuriale Verwaltung anbetraf, der Apparat mit einer Reibungslosigkeit, Geschmeidigkeit und Zuverlässigkeit, die vielen Herrschaftsträgern auch außerhalb des Mittelalters zur Ehre gereicht hätten. Die Wirksamkeit der Organisation war nahezu vollkommen, die Maschinerie lief wie geölt, und das Personal, auf das sie sich stützte, war erfahren und hingebungsvoll. Andererseits jedoch ließen die Stärke, der Schwung, die dynamische Triebkraft, die energische Tatkraft, die früher das Papsttum gekennzeichnet hatten, in demselben Maße nach, wie seine organisatorische Leistungsfähigkeit stieg. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß in den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts das Ansehen wie auch die Autorität des Papsttums allmählich in ganz Europa niedergingen, mancherorts sogar eine wahrhaftige Ablehnung erfuhren. Die Erklärung hierfür ist nur zum Teil beim Papsttum zu suchen. Zunächst waren da die langen Vakanzen, von denen einige zwei bis drei Jahre dauerten, und die große Anzahl von Päpsten. Während der vierzig Jahre, die zwischen dem Tod Innozenz' III. und der Stuhlbesteigung Alexanders IV. vergingen, regierten nur drei Päpste; während der folgenden vierzig Jahre (von 1254—94) gab es dagegen nicht weniger als elf und überdies eine Vakanz von sieben Jahren, während in einem Jahr (1276—77) gar drei Päpste nacheinander regierten. Es versteht sich von selbst, daß solche Umstände für die reibungslose Arbeit der Institution nicht eben förderlich waren. Vom historischen Standpunkt wesentlich ist auch die Tatsache, daß während dieses Zeitraums die Kardinäle zu einer Stellung gelangten, die die Geschichte des Papsttums in immer steigendem Maße beeinflussen sollte. Abgesehen von den Parteiungen innerhalb des Kardinalskollegiums ließen die langen Va-
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kanzen in den Kardinälen die Neigung zu einer obligardiisdien Herrschaftsform heranreifen, eine Tendenz, die sich vorläufig nodi unter der Oberfläche hielt, genau ein Jahrhundert später aber mit voller Gewalt ausbrach. Die Fragen, die das Große Schisma aufrührte, warfen ihre Schatten bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück. Zu diesem Sachverhalt kam noch die Art, wie das Papsttum als Institution und einige Päpste als Einzelpersönlichkeiten mit der staufischen Dynastie verfuhren, und die damit verbundenen politischen Ämterschiebungen zugunsten der französischen (und englischen) Könige, nicht zu vergessen die päpstlichen Angebote an verschiedene Könige bezüglich Siziliens und Neapels. Zu einer abgerundeten Einschätzung der Lage sollte weiter der Hinweis auf die Tatsache nicht fehlen, daß im Dienste der Franzosen alle möglichen kirchlichen Strafmaßnahmen ergriffen wurden, nachdem sich die einheimische Bevölkerung gegen die drückende Herrschaft Karls von Anjou erhoben (Sizilianische Vesper am Ostermontag 1282) und Peter III. von Aragon zum König von Sizilien gewählt hatte. Das Papsttum bannte ihn, verhängte über Sizilien das Interdikt, setzte als oberster Lehnsherr den neuen Herrscher ab und versäumte es auch nicht, einen Kreuzzug gegen ihn zu predigen. Keine dieser Maßnahmen hatte eine erwähnenswerte Wirkung. Aber unbeeindruckt von diesem Mißerfolg und um die Franzosen zu besänftigen, bot nun Papst Martin IV. Karl von Valois das Königreich Aragon an und rief wiederum zum Kreuzzug auf, diesmal zur Eroberung Aragons als eines päpstlichen Lehens. Die Operationen des Heeres und der Flotte endeten in der voraussehbaren Katastrophe. Dies sind nur Beispiele (die leicht zu vermehren wären) für die Art, wie das Papsttum seine Angelegenheiten im späten 13. Jahrhundert führte; es bedarf danach keiner großen Vorstellungskraft, den Autoritätsschwund des Papsttums zu verstehen. Erfolg in der Vergangenheit garantiert nicht unbedingt auch Erfolge in der Zukunft. Auf einer Linie mit dieser Politik stand die leichtfertige (nicht: mißbräuchliche) Beanspruchung der päpstlichen Vollgewalt. Ihrem Wesen nach war diese Macht auf rechtliche und theologische Voraussetzungen gegründet, was ihre Überzeugungskraft in einer christlichen Gemeinschaft nur erhöhte; wie aber, wann und wo sie anzuwenden war, war nicht eine Frage von Recht und Theologie, sondern einfach von Klugheit und angewandter Psychologie. Der Mißbrauch dieser Vollgewalt in Angelegenheiten finanzieller oder territorialer Natur schuf ein Klima, das im Verein mit der übermäßigen Schärfe der päpstlichen Inquisition (ihrerseits ein päpstlicher Gerichtshof) zur Schwächung des päpstlichen Einflusses auf die zeitgenössischen Christen führen mußte. Die kirchlichen Strafmaßnahmen verloren an Schärfe und allmählich auch an Wirk-
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samkeit, ganz abgesehen davon, daß die geringe Anzahl von möglichen Strafen größere Feinheiten und Abstufungen ohnehin nicht zuließ. Kurz, die zweifelnden Stimmen, denen Äußerungen der offenen Kritik am Papsttum als Institution zur Seite traten, ertönten deutlicher, lauter und eindringlicher als je zuvor in der Geschichte des Papsttums. In diesem Zusammenhang und zu einer richtigen Einschätzung der Kräfte, die hier am W e r k waren, ist die große intellektuelle Macht nicht zu vergessen, die die Universitäten darstellten, deren Daseinszweck eben die Schulung eines kritischen Geistes war, zumal im Rahmen der Rechtswissenschaft, die dem Papsttum so sehr am Herzen lag. Ferner begann das Laientum immer mehr Anteil am öffentlichen Geschehen zu nehmen, wodurch es mit den Folgen der päpstlichen Politik in unmittelbare Berührung kam. Die rasche Entwicklung der Städte und die damit verbundene Herausbildung neuer Laienschichten in ihren Mauern schuf zusätzliche Bevölkerungsgruppen, die der zeitgenössischen Politik des Papsttums mit Zurückhaltung, ja Feindeseligkeit gegenüberstanden. Diese neuen Gruppen bildeten den Kern des dritten Standes — des Bürgertums — unbelastet von Traditionen und frei von den Fesseln, die die Stände der geistlichen und weltlichen Herren einzwängten. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam es auch zu einer geistigen Revolution, die zumindest mittelbar zu der wachsenden Entfremdung zwischen dem damaligen Europa und dem Papsttum beitrug. Diese geistige Umwälzung war eine Folge der Anpassung der aristotelischen Lehren an die christlichen Doktrinen, eine Arbeit, die in erster Linie das W e r k Thomas von Aquins war. Daraus entwickelte sich die Auffassung vom Individuum als Bürger, schroff im Unterschied zur Auffassung des Einzelnen als einem der Obrigkeit unterworfenen Wesen, als einem Untertanen. Die Folge war die Beseitigung einer ganzen Reihe von Voraussetzungen, auf die sich das Papsttum in seiner Beziehung zu den Gliedern der Kirche bislang gestützt hatte. Es war eine Umwälzung, die in den Städten und bei den neuen Laienschichten auf besonders fruchtbaren Boden fiel. Die Auffassung vom Menschen als Naturwesen leitete die Epoche des Humanismus ein, der sein Hauptaugenmerk nicht mehr auf den Christen richtete, sondern auf seine Menschennatur, sein natürliches Wesen. Die Entstehung des Humanismus und das Auftreten des Bürgers als Trägers angeborener Rechte und Pflichten bedeutete eine gefahrenvolle Untergrabung der Autorität des Papsttums als der Institution, von der die Christen als Untertanen Lehrsätze empfingen, gekleidet in die Sprache des Rechts, dem sie als Untertanen gehorchen mußten. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Papsttum war diese geistige Revolution Wasser auf die Mühlen der antipäpstlichen Kritiker. Zwischen der päpstlichen Theorie
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des Christentums und der Wirklichkeit päpstlicher Herrschaft tat sich eine Kluft auf, die kein aufgeschlossener, wachsamer Zeitgenosse übersehen konnte. Somit war der Boden für neue politische Theorien bereitet. Eine weitere Folge dieser geistigen Revolution, die das Papsttum als Herrschaftsorgan unmittelbar betraf, war die Ausbildung des Begriffs des Staates als der Körperschaft der Bürger. Wenigstens lehrmäßig wurde die Ansicht vertreten, daß es neben der übermenschlichen, übernatürlichen Kirche den Verband eines rein menschlichen, natürlichen Staates gab. Bei ihm fand das Papsttum immer geringeren Widerhall. Nach eigener Definition herrschte das Papsttum über eine ausschließlich christliche Körperschaft, deren Ziele jenseits dieser Welt lagen, während das Ziel des Staates erklärtermaßen in ihr zu finden war. Die gläubigen Christen empfingen als Untertanen ihr Recht letztenendes vom Papsttum; die autonomen Bürger machten mittelbar (durch ihre gewählten Vertreter) oder unmittelbar ihre eigenen Gesetze. Eine ganze Anzahl von Grundvoraussetzungen der päpstlichen Autorität waren mit den Grundlagen, auf denen der Staat ruhte, nicht in Einklang zu bringen. Die Kirche versinnbildlichte das absteigende System von Herrschaft und Recht, der Staat sein aufsteigendes Gegenstück. Hand in Hand mit der Wiederentdeckung des „natürlichen Menschen", mit dem Auftreten des freien Bürgers und des Staates auf dem Felde der Politik ging die Entwicklung einer richtig verstandenen Naturwissenschaft. Vor allem das Vordringen der Volkssprachen und die Verbreitung eines volkstümlichen Schrifttums waren Anzeichen für das wachsende Bewußtsein der Unterschiede zwischen den einzelnen Völkern. Diese erstaunlich rasche Verbreitung volkstümlicher Literatur, Kirchen- und Volkslieder eingeschlossen, ganz zu schweigen von volkssprachlichen Bibelübersetzungen hatte an sich nichts mit dem Papsttum zu tun, muß aber bei der Erwägung der Gründe für den Niedergang der päpstlichen Autorität mit in Rechnung gezogen werden. Als universale Sprache war das Lateinische einer der mächtigsten Faktoren, die zu dem Gedanken der Universalität beitrugen. Die Vorherrschaft des Lateinischen wurde durch das Vordringen der Volkssprachen gebrochen, ein Prozeß, der auf den Universalismus in Theorie und Praxis und von daher auch auf das Papsttum als universale Herrschaft seine Auswirkungen zeitigen mußte. Auch der gleichzeitige Niedergang und die Schwächung des Reichs als politischen Machtfaktors und die Bevorzugung Englands und Frankreichs durch das Papsttum, wie auch seine daraus folgende Verstrickung in ihre Angelegenheiten müssen mit in Rechnung gestellt werden, will man den Autoritätsschwund des Papsttums voll begreifen. Seine jahrhundertelange Konzentration auf das Kai-
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sertum hatte es für eine ganze Reihe von Mißständen in diesen Reichen blind gemacht, während sie zur gleichen Zeit in Deutschland seine Empörung hervorriefen. So erhielten die Monarchien Englands und Frankreichs Gelegenheit zu erstarken, und zwar vermöge gerade jener Mittel, die das Papsttum andernorts so scharf verurteilt hatte. An dieser Stelle verdient eine weitere Überlegung Beachtung, nämlich das allmähliche Schwinden eines objektiven Gesichtspunktes, der auf der Anschauung von einer rein objektiven, ein für allemal festgesetzten Ordnung der W e l t beruhte. Diese objektive Anschauungsweise wich nun mehr und mehr einem Subjektivismus, der das Papsttum seit dem Ende des 13. Jahrhunderts schwer in Mitleidenschaft zog. W i r sahen, wie er sich erstmals in den polemischen Schreiben der Kanzlei Friedrichs II. hervorgewagt hatte (s. o. S. 243, 247). Nach dem Programm des Papsttums, wie es seit der Mitte des 5. Jahrhunderts unmißverständlich vorlag und gehandhabt wurde, zählte nicht die Person des einzelnen Papstes, sondern das päpstliche Amt, mit anderen Worten, die Institution als solche. Diese bedeutsame päpstliche Unterscheidung zwischen Amt und Person begann sich nunmehr zu verwischen. Allmählich rückte die Persönlichkeit des Papstes in den Vordergrund, man begann zu fragen, ob er moralisch „gut" oder „schlecht" sei. Das päpstliche Recht als unpersönliche Instanz trat hinter dem subjektiven Urteil über den Papst als Menschen zurück. Die objektive Gültigkeit des Rechts — sein einziges Kriterium — wurde durch die subjektive Beurteilung der Person des Papstes verdrängt. W a s somit ein Beobachter des Papsttums in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erleben konnte, war die allmähliche, aber unbezweifelbare Auflösung Europas als einer zusammenhängenden kirchlichen Einheit, sein Zerfall in unabhängige autonome Gebilde, die bald Nationalstaaten heißen sollten. Diese Zersplitterung kündigte den Verfall des Papsttums als universaler Herrschaftsinstanz an. Vor solchem Hintergrund ist das Papsttum um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert zu sehen und zu verstehen. Bonifaz V I I I . löste Coelestin V. ab, den Papst, der jene subjektiven Anforderungen an den „guten" Papst erfüllte — den „Engelspapst", eine mystische Erscheinung —, der aber auch eindeutig eine Kompromißentscheidung der Kardinäle gewesen war, als sie sich nach dem Tode Nikolaus' IV. siebenundzwanzig Monate lang auf keinen Kandidaten hatten einigen können. Coelestin war ohne Zweifel ein frommer, heiliger, wohlmeinender Einsiedler, als Herrscher aber gänzlich ungeeignet, da er ohne Ausbildung und Erfahrung und von klösterlicher Sinnesart geprägt war. In Erkenntnis seiner Unfähigkeit zog er sich — möglicherweise nicht ohne Zutun seines Nachfolgers — nach fünf Monaten von seinem Amt zurück.
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In mandier Hinsicht eine anachronistische Gestalt, war Kardinal Benedikt Gaetani, der nun als Bonifaz VIII. den Stuhl bestieg, jedoch ein klassischer Vertreter des alten päpstlichen Grundsatzes, daß Tatsachen von Ideen beherrscht werden konnten und sollten. Ohne Zweifel hatte das Papsttum in ihm einen Herrscher gefunden, der auf Grund seiner Erfahrungen und seiner Rechtskenntnisse wußte, was von ihm verlangt wurde, nämlich universale Herrschaft von Umfang und Inhalt her, soweit es die Erfordernisse der Christenheit verlangten. Aber sein Pontifikat war durch die erwähnten vorangegangenen Vorgänge und Entwicklungen aufs schwerste belastet. Mit all dem schweren Geschütz, das ihm zur Verfügung stand, versuchte Bonifaz die feindliche Welle aufzuhalten, die drohend gegen das Papsttum heranbrandete. Ob in Italien oder anderswo, überall erlitt das Papsttum trotz der Verwendung aller seiner alten Argumente und Waffen eine Niederlage nach der anderen. Es sah sich gezwungen, die aragonesische Herrschaft in Sizilien förmlich anzuerkennen. Florenz war durch die internen Parteiungen zwischen den „Schwarzen" und den „Weißen" zerrissen; erstere neigten der päpstlichen Weltsicht zu, während letztere zu einer mehr weltlichen Anschauung geneigt waren: päpstliche Legaten entschieden sich für die ersteren, letztere wurden vertrieben. Dantes Bild vom Papst war von einer gewissen dichterischen Gerechtigkeit. Andererseits hatten die Florentiner Karl von Valois, den päpstlich-militärischen Schirmherrn der „Schwarzen", selbst verjagt. Eine ähnliche Niederlage erlitt Bonifaz in Dänemark, das er ebenfalls mit dem Interdikt belegt hatte: der König hatte trotz einer schließlichen Übereinkunft mit dem Papsttum den Erzbischof von Lund daran gehindert, an seinen Sitz zurückzukehren, ein Zwischenfall, der sein Gegenstück in den Vorgängen in England zu Beginn des Jahrhunderts hatte. Nicht einmal in Ungarn, wo die Thronfolge wieder einmal strittig war, konnte der Papst seine Autorität geltend machen. Mit ähnlicher Schärfe wiesen (im Jahre 1301) das englische Parlament und Eduard I. den päpstlichen Anspruch zurück, Schottland sei ein Lehen des Papsttums: dieser Anspruch sei „unerhört", „unverständlich" und den königlichen Interessen „abträglich" ; kräftige Unterstützung bezog diese Zurückweisung noch aus der gefälschten, romanhaften Geschichte der Briten von Geoffrey von Monmouth, so daß das Papsttum nun mit der nämlichen Waffe der „historischen Präzedenz" geschlagen wurde, die es selbst immer so wirkungsvoll einzusetzen gewußt hatte. In Deutschland hatte Bonifaz zwar mehr Glück, aber kaum größeren praktischen Erfolg. Nachdem er zunächst Albrecht I. von Österreich als Aufrührer gebrandmarkt hatte, änderte er seinen Ton rasch, als sich der König ganz der traditionellen päpstlichen Auffassung vom
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Kaisertum unterwarf und die Rechte des Papsttums über das Reidi anerkannte. Da Albrecht I. mit Philipp IV. von Frankreich verbündet war, sah Bonifaz in ihm ein bloßes Werkzeug jenes Frankreich, das im Aufstieg zur beherrschenden Macht Europas begriffen war. Die unterschiedliche Art, wie Frankreich und Deutschland auf die päpstlichen Ansprüche reagierten, war gleichzeitig Symptom und Folge der vorangegangenen päpstlichen Politik gegenüber beiden Königreichen. Während der deutsche König die Grundvorstellungen des Papsttums akzeptierte, wies der französische König diese selben Theorien und Ansprüche, als sie an ihn herangetragen wurden, rundweg zurück. Bonifaz war nicht nur ohne jede Originalität — keine einzige neue Idee regte sich während seines Pontifikats — , er war auch ein Mann von sehr konservativer Geistesart, der sich des tiefgreifenden Wandels erst allmählich bewußt wurde, der in den vorangegangenen Jahrzehnten stattgefunden hatte. Der Kapetingerkönig von Frankreich hatte das Erbe der Staufer angetreten, weil das Papsttum in Frankreich — und auch in England — eben jene Maßnahmen übersehen hatte, die im Reich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts seinen Zorn so sehr erregt hatten. Das Papsttum unternahm nunmehr den Versuch, sich zu jener überragenden Vormachtstellung in Europa zu erheben, die es seinem Programm nach schon immer beansprucht hatte. Aber sein Gegenüber war nicht mehr ein von ihm selbst erhobener Kaiser, sondern ein „bloßer" König, einer jener Herrscher, die von ihm (und in seinem Kielwasser auch von den Kaisern) so verächtlich als „Königlein" (reguli) betitelt worden waren. Keines der päpstlichen Argumente, die jahrhundertelang so sorgfältig geschmiedet, so gewissenhaft im päpstlichen Archiv aufbewahrt, so geschickt seit dem 11. Jahrhundert ins Feld geführt worden waren, ließ sich auf einen „bloßen" König anwenden; von allen Königen Europas war er als der „Allerchristlichste" angeredet und dazu durch das ö l , das der Himmel unmittelbar zu seiner Salbung herabgesandt hatte (das sogenannte Chlodwigsöl), besonders ausgezeichnet worden; die Bestimmungen der Konstantinischen Schenkung ließen sich kaum auf Frankreich anwenden; das Sonne-Mond-Gleichnis wollte hier überhaupt nicht passen. W i e schon angedeutet (s. o. S. 200 f.), hatte Innozenz I I I . einen unbewußten und ungewollten Beitrag zur Stärkung Frankreichs geleistet, als er Philipp August als einen Herrscher anerkannte, der keinen „Herrn in weltlichen Angelegenheiten" über sich habe. Es war dies nur eine Bekräftigung der französischen Souveränität, gedacht als Gegenschlag gegen die universalen Machtbestrebungen der Staufer. Diese Äußerung Innozenz' I I I . sollte sich aber im frühen 14. Jahrhundert in der Aus-
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bildung der Landeshoheit niederschlagen. Hinzu kam noch die Bevorzugung, die Frankreich während des ganzen 13. Jahrhunderts seitens des Papsttums erfahren hatte. Am Ende wurde das Übel, an dem das Papsttum litt — historisch bedingt, wie es war — nun beinahe tödlich. Das Papsttum konnte seine römische Herkunft und seine unabänderlichen Bindungen an die römische Ideologie und Vergangenheit nicht verleugnen; das erklärt die Aufmerksamkeit, die es den „römischen" Angelegenheiten und dem ganzen Komplex der Reichsideologie zuwendete. Könige hatte es immer als quantité négligeable betrachtet. Was für das Papsttum eine Rolle spielte, war das Römische Reich, das seine eigene Schöpfung und als Instrument gegen den „römischen" Kaiser in Konstantinopel gedacht war. Die Bürde dieses römischen Erbes ließ das Papsttum die Entfaltungsmöglichkeiten übersehen, die in den „bloßen" Königen schlummerten. Das Herrschaftsprogramm des Papsttums war durchaus römisch und daher nahezu unanwendbar auf Könige, die keine römischen Kaiser waren und diese Würde auch nicht anstrebten. Aber andererseits war es römisches Recht, von dem die Landesherren nunmehr auch ausgiebigen Gebrauch machten, vor allem der französische König. Gerade am Ende des 13. Jahrhunderts wurde das Schlagwort vom Rex in regno suo imperator hochbedeutsam, denn damit gab der Landesherr kund, daß ihm in seinem Königtum die gleichen Rechte im öffentlichen Bereich zustünden wie dem spätrömischen Kaiser. Das ius publicum, das sich auf Sakralangelegenheiten, auf die Priester und den Beamtenapparat erstreckte, gab dem König das Mittel in die Hand, seine Kontrolle über die Hierarchie kräftig auszuüben, womit der Gallikanismus — und später auch der Anglikanismus — im engsten Zusammenhang stehen. In der Auseinandersetzung zwischen dem Papsttum und Philipp IV. von Frankreich ging es um die üblichen Fragen: das Recht des Königs zur Besteuerung des Klerus und die königliche Gerichtsbarkeit über die Geistlichen. Indem er Philipp diese Rechte absprach, bediente sich Bonifaz einer alten, ja abgedroschenen Sprache, die nicht mehr viel Eindruck machte. Veranlassung für den königlichen Steuerdruck auf den Klerus war der Krieg gegen England. Philipp benötigte zweifellos diese finanzielle Unterstützung gegen den wirtschaftlich viel besser gestellten Eduard I. Die päpstliche Verfügung aus dem Jahre 1296, verkündet in der Bulle Clerich laicos (einer Erklärung des hl. Hieronymus, die in Gratians Oecretum überliefert war und über die Abneigung berichtete, die die Laien gegen den Klerus hegten), legte in allgemeiner und verpflichtender Form fest, daß kein König ohne vorherige päpstliche Billigung das Recht zur Besteuerung des Klerus habe; Philipp machte nun kurzen Prozeß. Die Ausfuhr von Gold und Silber wurde verbo-
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ten — ein schwerer Schlag für die päpstlichen Finanzen —, die päpstlichen Steuereintreiber wurden ausgewiesen. Eduard I. drohte den englischen Klerikern mit dem Bann, falls sie die Zahlung des Fünften einstellten, den die große Mehrheit weiter entrichtete. Zwar wurde im Jahre 1297 ein Kompromiß gefunden — das Papsttum gestattete freiwillige Geschenke an die königlichen Schatzkammern —, aber dieser Waffenstillstand brachte keine Lösung, und im Jahre 1301 flammte der Konflikt erneut auf, als Bernhard Saisset, Bischof der neuerrichteten Diözese von Pamiers (von Bonifaz selbst im Jahre 1295 gegründet) sich vor einem königlichen Gericht unter dem Vorsitz des Kanzlers Pierre Flotte wegen Verrats, beleidigender Äußerungen gegen den König, Simonie und Ketzerei verantworten mußte, für schuldig befunden und dem Erzbischof zur Verwahrung hinter Schloß und Riegel übergeben wurde. Der Papst wurde ausführlich darüber unterrichtet und aufgefordert, Saisset seines Amtes zu entheben und zu bestrafen; ohne die ihm zugesandten Akten auch nur durchzusehen, verweigerte Bonifaz rundheraus seine Zustimmung und forderte die sofortige Haftentlassung des Bischofs. In der Zwischenzeit hatten sich jedoch schwere Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Kurie ergeben. Die Kardinäle aus der Familie der Colonna waren empört über eine päpstliche Entscheidung, die den Besitz ihrer Familie bedrohte. In ihnen hatte das Papsttum bittere und entschlossene Feinde gegen sich. Daß es damals nicht zu einem Schisma kam, lag in erster Linie an den Spannungen zwischen dem Papsttum und Frankreich. Nachdem Bonifaz die Colonna-Kardinäle ihrer Ämter enthoben hatte, klagten sie ihn an wegen der Rolle, die er angeblich beim Rücktritt Coelestins V. gespielt hatte; nun waren sie es, die an ein Allgemeines Konzil appellierten, von dem sie ein Verfahren gegen den Papst forderten: Friedrich II. diente offensichtlich als Vorbild. Der Papst ergriff die strengsten Maßnahmen gegen die Partei der Colonna: ihre Stadt Palestrina wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Familie aller ihrer Güter und Besitztümer beraubt — sie selbst samt und sonders ihren Todfeinden, den Orsini, und den Gaetani, Bonifaz' eigener Familie, überantwortet. Nur die überstürzte Flucht an den französischen Hof rettete ihnen das Leben. In der Geschichte des Papsttums und der Kirche spielte das Jubiläum des Jahres 1300 keine geringe Rolle. Unbeeindruckt vom deutlich sichtbaren Wandel in der religiösen Stimmung, inszenierte Bonifaz ein großes Schauspiel in Rom, um das Jubiläumsjahr 1300 zu begehen. Hier bot sich ihm eine Gelegenheit, päpstlichen „Prunk und Staat" wie in alten Zeiten zu entfalten, womit er offenbar die Absicht erfolgte, seinen etwas angeschlagenen Ruf zu heben. Das Jubiläum bewog ihn, den
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ersten allgemeinen Ablaß für einhundert Jahre jenen Massen zu gewähren, die nach Rom zum „großen Fest" gepilgert waren. Es wäre ihm jedoch ein leichtes gewesen, die Zurückhaltung, ja Ablehnung gegenüber der päpstlichen Ideologie zu vernehmen, die die höheren Ränge an den europäischen Höfen erfüllte. Der Raus A des Jubiläums jahres verführte ihn zu einer Verwechslung von Sein und Schein, und er forderte nunmehr herrisch von Philipp I V . die Freilassung des gefangengehaltenen Bischofs Saisset. Gleichzeitig wurden alle dem König gewährten Privilegien wiederrufen. Das war das Signal für den französischen König, zu Beginn des Jahres 1302 zum Angriff überzugehen. Die königliche Kanzlei — von Mitgliedern der neu aufgestiegenen Bourgeoisie gut besetzt und von den Colonna-Kardinälen beraten — begann in Verbindung mit Mitgliedern der Universität von Paris das Land mit königlichen Erlassen und angeblichen Erwiderungen auf päpstliche Schreiben zu überfluten. Die Kanzlei ging sogar so weit, einen päpstlichen Brief zu fälschen, der öffentlich verbrannt wurde, und sie fabrizierte eine Antwort, die mit folgenden Worten an den Papst begann: „Deine äußerste Einfalt soll wissen, daß wir (den König) niemandem unterworfen sind sie wurde niemals abgesandt. Die Kanzlei stellte ferner eine Anklageschrift zusammen, die neunundzwanzig Anklagepunkte gegen Bonifaz enthielt, unter anderem Gotteslästerung, Simonie, Ketzerei, Mord an Coelestin V., Unzucht und ähnliches, um in die Anrufung eines Allgemeinen Konzils zu münden. Gleichzeitig wurde die öffentliche Meinung durch eine Flut von Flugschriften und zentral gelenkten Propagandaschriften angeheizt, die alte Probleme in ganz neuem Licht darstellten. Mitglieder der Universität veröffentlichten gelehrte Abhandlungen, in denen römisches Recht und aristotelische Argumente den Kern des Angriffs auf das Papsttum im allgemeinen und auf den Papst im besonderen bildeten. Diese Jahre gaben einen warnenden Vorgeschmack auf die propagandistischen Möglichkeiten, die der gut geführten Kanzlei einer entschlossenen Regierung zur Verfügung standen. Bonifaz gelang es, im November 1302 in Rom ein Konzil abzuhalten. Trotz königlichen Verbots nahmen neununddreißig französische Prälaten daran teil. Auf diesem Konzil wurde angeblich am 18. November 1302 die berühmte Bulle Unam Sanctam verkündet. Im Gegensatz zur publizistischen Literatur, die die französische Kanzlei gegen das Papsttum produzierte, enthielt dieser päpstliche Erlaß kein einziges neues Argument. Neu war lediglich die sehr geschickte Art, mit der die Aussagen Cyprians, Hugos von Sankt Viktor, Bernhards von Clairvaux, Thomas' von Aquin und kanonistische Autoritäten zusammengeflickt und in ein einheitliches Ganzes verwoben wurden. Der letzte Satz, daß
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es für das Seelenheil jeden menschlichen Wesens unerläßlich sei, den Gesetzen der römischen Kirche zu gehorchen, war die wörtliche Wiederholung einer These Thomas' von Aquin. Die Urkunde, die ferner eine Reihe von Thesen enthielt, die gefälschten Quellen entstammten, darunter in zugespitzter Form die Zwei-Schwerter-Theorie, faßte prägnant das gesamte päpstliche Gesellschafts- und Herrschaftsprogramm zusammen — ein Programm, das zu dieser Zeit nur mehr von historischem Interesse war. Ό nam Sanctam war der wohltönende, stolze und selbstbewußte Schwanengesang des mittelalterlichen Papsttums. Die Bulle versuchte, die durch die neuen aristotelisch-thomistischen Lehren hart angeschlagene päpstliche Gesellschafts- und Staatslehre in straffster Fassung den Zeitgenossen vorzustellen; die Wirkung war minimal. Zum gleichen Zeitpunkt jedoch kam dem französischen König und seinen Räten ein äußerst wirkungsvoller Einfall, der sich den damals in Mode kommenden Gedanken des Vertretungs- und Mitspracherechts des dritten Standes in wesentlichen öffentlichen Belangen zunutze madite. Auf einer groß angelegten Versammlung aller drei Stände im Juni 1303 — zu beachten ist ihre großartige Inszenierung — wurden eine Reihe von Reden von mehr oder weniger hervorragenden Führungspersönlichkeiten gehalten, einschließlich Bettelmönchen und Universitätsprofessoren, die in einer kurzen Ansprache des Königs gipfelten. Alle Reden wiederholten in verschiedenen Nuancen die schon erwähnten Anklagen gegen Bonifaz. Die Versammlung beschloß als eine Angelegenheit von öffentlichem Belang, der Papst solle sich vor einem Allgemeinen Konzil verantworten. Diese Entschließung wurde in ganz Frankreich bekannt gemacht, Städte und Dörfer wurden aufgefordert die in ihnen enthaltene Petition zu unterzeichnen. Von den Orden weigerten sich nur siebzehn Zisterzienser- und einige Dominikanerklöster, sich den Forderungen der königlichen Kommissare zu beugen, was ihnen strenge •Maßregeln einbrachte. Im Ausland bekannt wurde nicht die ziemlich grobe Art, mit der die königlichen Beamten zu Werke gingen, sondern nur die Resolution vom Juni 1303. Bei der Kurie löste sie wahre Bestürzung aus, da der Gegner nicht länger ein König, sondern offensichtlich ein ganzes Volk war — ein propagandistischer Meisterstreich seitens des Königs und Wilhelms von Playsian. Die Kluft zwischen der Bulle Unam Sanctam und der französischen Resolution hätte gar nicht überzeugender unterstrichen werden können — hier die mustergültige und übersichtliche Redaktion einer schon überholten Ideologie, dort ein zuversichtlich in die Zukunft weisendes Programm. Daß die Versammlung in Wirklichkeit eine inszenierte, und zwar ausgezeichnet inszenierte, Machenschaft war, wurde ihren Teilnehmern nicht sofort bewußt. Der König gab vor, der ausführende Sprecher und Vertreter für das fran-
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zösische Volk zu sein: es sei seine Pflicht, wirksame Regierungsmaßnahmen zu ergreifen, um den Willen der Nation Wirklichkeit werden zu lassen. Der geniale Streich seitens der königlichen Regisseure bestand in der klugen Mobilisierung jener amorphen Masse in Verbindung mit dem Grundsatz der Repräsentation. Die einzige Waffe, die dem Papsttum verblieb, war die feierliche Exkommunikation des Königs und die Entbindung seiner Untertanen von ihrem Treueid. Dieser Schritt war schon seit längerem vorbereitet, sicherlich seit eineinhalb Jahren. Der König war entschlossen, die Veröffentlichung des Dekrets, die für den 8. September 1303 in Anagni geplant war, zu verhindern. In der Nacht vom 7. zum 8. September stürmte ein Trupp Soldaten unter der Führung Wilhelms von Nogaret, beraten von Sciarra Colonna, den Papstpalast in Anagni, forderte den sofortigen Rücktritt des Papstes und seine Auslieferung an die Soldaten, die Rückerstattung der Colonna-Besitztümer und die Aushändigung aller verfügbaren Gelder. Bonifaz wies alle Forderungen zurück und bot sein Leben dagegen an. Während Colonna dieses letzte päpstliche Angebot sicherlich angenommen hätte, siegte Nogarets größere Weisheit, denn was konnte ein toter Papst ihm oder seinem Herrn schon nützen? Der Zorn über diesen Überfall verbreitete sich rasch in der ganzen Stadt, und die Einwohner von Anagni befreiten den gefangenen Papst und seine Begleiter in den Morgenstunden des 8. September. Einen Monat später starb Bonifaz am 12. Oktober als ein gebrochener Mann; er wurde in dem von ihm selbst errichteten Mausoleum bestattet. Die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert zeigte, daß das Papsttum — mochte es auch geschickt von einem Mann geleitet sein, der einem Gregor VII., Innozenz III. oder IV. nicht nachstand, von derselben universalen Geisteskraft beseelt war, wenn er auch nicht über deren staatsmännisches Geschick verfügte — nicht länger jenen Widerhall hervorrufen konnte, der noch ein halbes Jahrhundert vorher als selbstverständlich vorausgesetzt worden wäre. Der bloße Gedanke an einen bewaffneten Trupp, der die Behausung Innozenz' III. stürmte und seine Gefangennahme forderte, hätte wie ein verteufeltes Hirngespinst angemutet. Nun aber, keine neunzig Jahre später, tat eine französische Truppe genau dies und zeigte, welche tiefgreifenden Veränderungen stattgefunden hatten und wie sehr die Autorität des Papsttums als Institution in der Zwischenzeit gelitten hatte. Es waren die bereits erwähnte neue geistige Bewegung und die Kräfte, die zwar an sich dem Papsttum nicht feindlich gesinnt waren, ihm aber im Zusammenwirken und unter diesen gegebenen Umständen Schaden zufügten. Nicht mehr "die Versöhnung des Glaubens mit der Vernunft war das vorrangige Problem, sondern die Auffassung von der Natur und vom natürlichen Menschen hat-
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ten das Weltbild verändert. Außerdem konnte es keinem aufgeweckten Zeitgenossen entgangen sein, daß die höchsten kurialen Würdenträger einen moralischen Tiefstand erreicht hatten, der noch zwei Generationen zuvor undenkbar gewesen wäre. Die Colonna-Kardinäle'sowie der päpstliche Kardinallegat (Kardinal Jean le Moine) waren es gewesen, die dem französischen Hof die ideologische Munition geliefert hatten. Ferner hatten sich die nationalen Monarchien zu fertigen Staaten herausgebildet, denen der Gedanke der Universalität fremd war und deren Partikularismus durch die Unterschiede in Sprache, Kultur und Lebensweise genährt wurde. Ziele und Anschauungen der Nationalstaaten und des Papsttums begannen weit auseinanderzuklaffen. Den nationalen Argumenten hatte das Papsttum nichts entgegenzusetzen. Genau das spürte Philipp IV., und es machte ihn seines Erfolges sicher. Paradoxerweise war es gerade das Papsttum gewesen, das seit dem 11. Jahrhundert durch die Unterschätzung der Kraft jener Monarchen, die schon ein Gregor VII. bloße „Königlein" (reguli) genannt hatte und durch seine fast ausschließliche Konzentration auf das römische Reich und das römische Kaisertum zu dieser Entwicklung entscheidend beigetragen hatte. Die Nationalstaaten nährten einen Geist, der letzten Endes den Untergang des Papsttums als Brennpunkt Europas herbeiführen sollte. Mit Bonifaz' Pontifikat endete und begann eine Phase in der Geschichte des Papsttums.
XII. AVIGNON, ROM UND KONSTANZ Die Heftigkeit der Auseinandersetzung zwischen dem Papsttum und Frankreich und schließlich die Anwendung von Gewalt gegen den Papst persönlich löste bei der Kurie einen Schock aus, der sich jedoch in gewisser Weise als heilsam erwies. Eine Woche nach Bonifaz' Tod wurde sein Nachfolger gewählt (Benedikt XI.). Das Papsttum trat nun in eine Epoche ein, die man angemessen mit „Beschwichtigungspolitik gegenüber Frankreich" überschreiben könnte. Ein Großteil der Maßnahmen, die Bonifaz gegen Philipp ergriffen hatte, wurde zurückgenommen, sogar die Colonna-Kardinäle vom Bann gelöst, wenn auch nicht sofort wieder in das Kardinalskollegium aufgenommen. Unter den neuen, von Benedikt XI. im Juni 1304 ernannten Kardinälen war der englische Dominikanergeneral Walter Winterbourne, der nach dem Tode Benedikts im Juli 1304 in dem langhingezogenen Konklave, das sich um einen geeigneten Nachfolger bemühte, eine Rolle spielen sollte: er hatte nichts mit der Politik Bonifaz' zu tun gehabt, und überdies konnte man ihm als Engländer nicht allzugroße Sympathien für Frankreich vorwerfen. Kurz, er war ein Außenseiter und als „ehrlicher Makler" bemüht, den Schaden wiedergutzumachen, der die Institution befallen hatte. Er wurde sogar, als er sich im November 1304 in Perugia dem Konklave zugesellte, als Kandidat aufgestellt, erhielt aber nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. Schließlich wurde am 5. Juni 1305 durch zehn von fünfzehn Kardinälen der Erzbischof von Bordeaux gewählt. Unter den gegebenen Umständen war dies eine weise Wahl. Clemens V. war von Erziehung und Weltanschauung Franzose, als Untertan Eduards I. aber Engländer und, da bisher nicht Mitglied der Kurie, in keiner Weise als Parteigänger abgestempelt. Ein dunkler Schatten lag über dem Papsttum. Der Prozeß gegen Bonifaz VIII. und seine Exhumierung, von den Franzosen hartnäckig verlangt, schwebte als Drohung über ihm. Philipp war entschlossen, diese Drohung wahrzumachen, und er hatte eine Menge echten und weniger echten Beweismaterials gegen seinen toten Feind gesammelt. Aber das Papsttum verharrte nicht weniger hartnäckig, wenn auch nur, um einen Präzedenzfall zu vermeiden, in seinem Entschluß, dieses Verfahren zu verhindern; zusätzlich zu der ideologischen und politischen Niederlage hätte es ein Schauspiel öffentlicher Demütigung eben jenes Papstes bedeutet, der wie keiner vor ihm und wenige nach ihm als Stellvertreter
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Gottes auf Erden gehandelt, gesprochen und geurteilt hatte. Das Instrument, dessen sich die französische Monarchie zu ihrem Vorteil zu bedienen verstand, waren die Templer, ein Ritterorden, dem seine Regel von Bernhard von Clairvaux (im Jahre 1128) gegeben worden war, bevor er kurz darauf (im Jahre 1139) durch Innozenz II. die Exemtion erhalten hatte; nach dem Verlust des Heiligen Landes im späten 13. Jahrhundert blieben ihm freilich nur noch wenige praktische Aufgaben. Der Orden gedieh und erfreute sich besonders in Frankreich erheblichen Reichtums. Er hatte die Zahl seiner Mitglieder und seiner Häuser vermehrt; mit der Ausweitung des Handels zwischen Westeuropa und dem Orient begannen die Templer sich nach Art mittelalterlicher Geldverleiher zu betätigen. Auch hatten viele Leute ihre Juwelen und andere persönliche Schätze bei ihnen in Frankreich hinterlegt, sodaß der Orden eine beachtenswerte Wirtschaftsmacht darstellte. Als Orden erfreuten sich die Templer ohnehin vieler Privilegien und Immunitäten. Da Philipps wirtschaftliche Lage nicht sonderlich stabil war, kam er auf den Gedanken, die Templer — oder vielmehr ihren Reichtum — als Faustpfand zu benützen: das Damoklesschwert des posthumen Verfahrens gegen Bonifaz wegen Ketzerei, Unzucht usw. hing über dem Haupte des Papsttums. Der Vorschlag, das Verfahren könne abgewendet werden, falls sich das Papsttum in der Frage der Templer entgegenkommend zeige, wurde so von der Kurie lebhaft aufgenommen. Die Art, wie der französische Hof vorging, zeigt wieder einmal, was in einem Zeitalter ohne Rundfunk, Tagespresse, öffentliche Anschläge oder andere Massenmedien dennoch erreicht werden konnte. Schon im ersten Jahr des Clementinischen Pontifikats wurde mit Anklagen wegen Sodomie und Gotteslästerung gegen einige ihrer vornehmen Mitglieder Druck auf die Templer ausgeübt. In Vorwegnahme ähnlicher moderner Maßnahmen wurden sie verurteilt, ihre Häuser und Besitztümer beschlagnahmt. Bald war auch der Papst an der Reihe, der, mit dem Vorwurf konfrontiert, Ketzer unterstützt und begünstigt zu haben, die Bischöfe und Inquisitoren in allen Ländern anwies, die Templer auf ihre Rechtgläubigkeit hin zu überprüfen. Mancher Templer beendete sein Leben auf dem Scheiterhaufen. Clemens V. erreichte, daß das endgültige Urteil über die Zukunft des Ordens von einem Allgemeinen Konzil gesprochen werden solle, das er nach Vienne zusammenrief, wo es nach einigen Vertagungen im Jahr 1311 zusammentrat. Obwohl das Papsttum niemals die Absicht gehegt hatte, Rom zu verlassen — Clemens traf sogar unmittelbar nach seiner Wahl Vorbereitungen für seine Reise von Bordeaux nach Rom — so schob der Papst doch seine Abreise von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr hinaus. Er war ein kränklicher Mann und wollte sich nicht den Strapazen einer
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Alpenüberquerung aussetzen. So wurde er im Jahre 1305 in Lyon in der Allerheiligenkirche inthronisiert und gekrönt: beim Vorbeimarsch der Prozession stürzte eine Mauer ein und erschlug einige Würdenträger; der Papst selbst wurde vom Pferd gestoßen und verlor einen kostbaren Edelstein aus der Tiara, die ihm vom Kopf gefallen und über das Pflaster gerollt war. Natii seiner Krönung ernannte er unverzüglich neun neue Kardinäle, bis auf einen alle Franzosen, vier davon seine Neffen. Clemens gab zwar den Gedanken, nach Rom zurückzukehren, nie ganz auf, aber er fühlte sida dodi mehr in der Gascogne zuhause. Eineinhalb Jahre lang residierte er in Poitiers und fühlte sich nicht stark genug, den ganzen kurialen Apparat nach Rom übersiedeln zu lassen. Die Colonna-Kardinäle wurden wieder voll eingesetzt; von der Bulle Unam Sanctam wurde erklärt, sie sei auf Frankreich nicht anwendbar. Wegen der Nähe zu Vienne, wo das Konziel stattfinden sollte, schlug Clemens seine Residenz im Jahre 1309 in Avignon auf, obschon er auch jetzt nicht die Absicht hatte, dort zu bleiben. Er selbst verbrachte in Avignon jeweils nur kurze Zeit, da er immer Gegenden vorzog, die seiner schwachen Gesundheit zuträglicher waren. Wie rasch Ansehen, Autorität und Aufgabenbereich des Papsttums schrumpften, läßt sich vielleicht am besten an der Person dieses Clemens' V. ablesen, der in seinem römisch-päpstlichen Gewände ein gasconischer Geistlicher blieb. Das Konzil von Vienne verdient kaum seinen Rang als ein Allgemeines Konzil (das 15.) der Kirche. Zwar nahmen dreihundert Prälaten daran teil, aber es hatte sich doch nur mit einem Punkt zu befassen, nämlich den Templern und ihrem Reichtum. Dank der Geschicklichkeit der französischen Abordnung hing das Verfahren gegen Bonifaz wie ein Damoklesschwert über dem Papsttum; die päpstliche Abordnung war geradeso wie bisher bestrebt, dieses öffentliche Schauspiel zu vermeiden. Die französische Gesandtschaft brauchte nicht lange, um mit Hilfe eines päpstlichen Verwaltungsakts ihr Ziel zu erreichen: die Auflösung des Ordens. Dieser päpstliche Erlaß vom 22. März 1312 wurde sodann dem gesamten Konzil vorgelegt, das ihm ordnungsgemäß zustimmte (Vox in excelso, 3. April 1312). Die Begründung, die das Dekret für die Auflösung lieferte, lautete, der Orden erfülle nicht mehr die Aufgaben, für die er geschaffen worden sei, er habe seine Funktionen im Heiligen Land verloren, und sein hohes Ansehen sei während der vergangenen Jahre schwer erschüttert worden. Nach langem unwürdigen Hin und Her wurden seine Güter und Besitztümer, seine ganze Habe durch päpstliche und konziliare Erlasse unter den Johannitern und dem französischen Fiskus aufgeteilt. Der Preis, den das Papsttum für die Niederschlagung des Verfahrens gegen den toten Bonifaz zahlte, war in der Tat hoch. Zweifellos muß die Art, wie das Papsttum diese Angelegenheit
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abwickelte, seinem Ansehen schwer geschadet haben. Sicherlich ist die Feststellung berechtigt, daß nur ein geringes M a ß an politischem Gespür und die Beachtung, sei es audi nur in bescheidenem Umfang, einiger päpstlicher Grundsätze — jener Grundsätze, die, Ironie des Schicksals, knapp ein Jahrzehnt vorher mit soviel Aufsehen verkündet worden waren — die päpstliche Autorität zum großen Teil hätten retten können. Die Erklärung ist zum Teil — aber nur zum Teil — darin zu finden, daß das Papsttum zum erstenmal einem entschlossenen und rücksichtslosen König gegenüberstand, der die Achillesferse des Gegners erkannt hatte — seine Universalität, seine römische Bindung und von daher die Tatsache, daß es einem Nationalstaat gegenüber ideologisch nicht gerüstet war. Mehr noch, es kennzeichnet das Papsttum des frühen 14. Jahrhunderts, daß es durch die Bulle von 1 3 1 3 (Pastoralis
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Gedanken des Nationalstaates und seiner territorialen Souveränität bekräftigte, in diesem Fall zwar speziell auf Sizilien gemünzt, aber auch auf andere Länder und Prorinzen anwendbar. Historisch gesehen stellen die Amtszeiten Bonifaz' V I I I . und Clemens' V . die zwei Pole dar, zwischen denen das Pendel der päpstlichen Politik hin und her geschlagen hatte. Ideologisch bieten sie ein Bild des Gegensatzes. Denn Clemens' Pontifikat leugnete wenn auch nicht theoretisch, so doch sicherlich praktisch die historisch bedingten Grundlagen, auf denen Bonifaz' Pontifikat aufgebaut hatte. Das soll nicht heißen, daß Bonifaz' Politik viel Chancen auf Erfolg hatte, denn das Papsttum war in den vorangegangenen Jahrzehnten mit den neuen Kräften nicht zu einer Einigung gelangt; aber Bonifaz stand jedenfalls auf dem Boden der traditionellen päpstlichen Politik, während unter Clemens der Mangel an Erfahrung und staatsmännischer Kompetenz, an Schulung und Vorstellungskraft eine wahre Kehrtwendung des Papsttums herbeiführte. W a s blieb, waren wenig mehr als Nachhutgefechte, die kaum ein Programm genannt werden konnten. Verloren war die moralische, geistige und autoritative Führungsrolle, die das Papsttum in Europa in Jahrhunderten konsequenter, konzentrierter, sorgfältiger, dynamischer und vorausschauender Arbeit aufgebaut hatte. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß das Papsttum durch seinen Aufenthalt in Avignon ein Anhängsel Frankreichs oder der französischen Politik geworden wäre. Dies trifft nicht zu, mochten die Zeitgenossen auch noch so sehr davon überzeugt gewesen sein. Aber das Papsttum war nunmehr gezwungen, eine Politik zu verfolgen, die in ihrem Ton nicht mehr herrisch, anmaßend und autoritär war und in ihrer Tendenz auf friedliche Lösungen hinauslief. Kennzeichnend für das frühe 14. Jahrhundert war auch das Erscheinen des ersten Buches, das sich, von der Hand Jakobs von Viterbo, aus-
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schließlich mit dem Begriff der Kirche beschäftigte. Der Schluß liegt nahe, daß bis dahin keine Notwendigkeit bestand, diesem Thema ein eigenes Buch zu widmen, daß dieses Bedürfnis nunmehr aber deutlich empfunden wurde. Ferner erschien während des Pontifikats Johannes' X X I I . , als das Papsttum sich endgültig in Avignon niedergelassen hatte, eines der geistreichsten, durchschlagendsten und überzeugendsten Bücher, das — hierin lag seine eigentliche Bedeutung — Argumente aus dem römischen Recht und aus der aristotelischen Philosophie gegen das Papsttum als Institution ins Feld führte und es damit an seinen Wurzeln traf. Der Titel, „Defensor pacts", wie auch der Inhalt des von Marsilius von Padua, vormals (1311—12) Rektor der Universität Paris, verfaßten Buches machte den Zeitgenossen klar, daß es nach Auffassung des Verfassers das Papsttum war, das den Frieden in der Welt störte. Erst durch Beseitigung der Inquisition und ihrer Herrschaftsbefugnis war er nach Marsilius' Meinung wieder herzustellen. Gleichzeitig schritt von theologischer Seite her Wilhelm von Ockham zum Angriff, indem er die Persönlichkeiten der zeitgenössischen Päpste heftig geißelte. In etwas feinerer Form, aber nicht weniger deutlich als Marsilius' Kritik, war der Widerstand gegen das Papsttum in Werken wie der „Monarchia'' zu spüren, in der Dante der Institution des Papsttums jeglichen Herrschaftscharakter absprach. Die französischen Publizisten zu Beginn dieses Jahrhunderts hatten zu dieser Art polemischen Schrifttums zwar schon einige Vorarbeit geleistet, aber keiner von ihnen, vielleicht mit der Ausnahme von Johannes Parisiensis und Pierre Dubois, ging in seinen Angriffen auf den Papst und das Papsttum so weit wie Dante, Marsilius und Ockham. Wie dem avignonesischen Papsttum wirkungsvolle Mittel fehlten, die Nationalstaaten in «ein System zu integrieren, ermangelte ihm in gewissem Maße auch eine wirksame Ideologie, um die Angriffe dieser Publizisten abzuwehren. Verurteilung und Exkommunikation der Verfasser — Dantes Buch blieb bis zum Jahre 1908 auf dem amtlichen päpstlichen Index — und das ewige, ermüdend-eintönige Wiederkäuen alten, kaum mehr relevanten Ideenguts reichten sicherlich nicht aus, um diese Flut aufzuhalten. Natürlich gab es zeitgenössische Autoren wie Augustinus Triumphus oder Alvarus Pelagius, die mit Gelehrsamkeit und schneidender Schärfe sowie mit Hilfe des ganzen angehäuften päpstlich hierarchischen Rüstzeugs das Programm einer universalen päpstlichen Monarchie verfochten; aber diese Streiter nahmen die Argumente der Gegenseite kaum zur Kenntnis, und sie gelangten mit einer gewiß eindrucksvollen Logik häufig zu Schlüssen und Standpunkten, die das Papsttum selbst kaum für sich beanspruchte und die es nun, im Verlauf des 14. Jahrhunderts, in keiner Weise mehr durchsetzen konnte.
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Darüber hinaus gab es zahlreiche zweitrangige Publizisten auf beiden Seiten, aber die Wirklichkeit ließ sich nicht mehr von einer Ideologie gestalten, die so gut wie ausschließlich auf den Glauben gegründet war. Wenn es in Kreisen der Philosophen sogar hieß, daß es die Erfahrung und die Beobachtung der Naturvorgänge sei, die allein zähle und daß Gläubigkeit als Beweisgrundlage nicht sicher oder nicht stark genug sei, dann hatte das päpstlich-hierokratische System in der Tat einige seiner stärksten Pfeiler verloren. Die schnell aufsteigende Schule der Naturalisten, die im späten 13. Jahrhundert den Ausdruck „Naturwissenschaft" prägte, erwies sich in Verbindung mit den übrigen ideologischen Richtungen für die Entfaltung der päpstlichen Ideen als ernsthaftes Hindernis. Vor diesem ideologischen Hintergrund erinnert die Auseinandersetzung zwischen dem Papsttum und Ludwig IV. dem Bayern, nur mehr von ferne an die Tage, als Kaisertum und Papsttum miteinander um Grundsätze fochten. Zwar verwendeten beide Seiten dieselbe Sprache, dieselben Zwangsmaßnahmen, dieselbe wechselseitige Kritik, aber das alles spiegelte nur blaß die vorangegangenen Auseinandersetzungen wider. Was dem Konflikt seine besondere Würze gab, war die Steigerung der päpstlichen Forderungen, die sich, so schien es, aus der inneren Logik der päpstlichen Argumente beinahe von selbst ergab. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür war die These, daß nur das Papsttum zur Ernennung eines kaiserlichen Stellvertreters in Italien berechtigt sei und daß im Falle einer Vakanz des Kaisertums der Papst selbst die Rolle eines kaiserlichen Vikars im ganzen Reich übernahm. Eine Gelegenheit zur Anwendung dieser Thesen ergab sich bei der Doppelwahl von Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Bayern im Jahre 1314. Obschon beide an das Papsttum herantraten — wir sollten nicht vergessen, daß das Reich selbst damals praktisch nicht mehr als ein deutsches Fürstentum war — , war Johannes X X I I . in der italienischen Frage sehr empfindlich. Die Sicherheit, ja die Existenz des Kirchenstaates, dieser einzigen nennenswerten Einkommensquelle des avignonesischen Papsttums, war wieder in Gefahr. Daher wurde der von Ludwig ernannte kaiserliche Vikar für Italien vom Papst ab- und an seine Stelle Robert von Neapel eingesetzt, dessen Ächtung durch Kaiser Heinrich V I I . nur wenige Jahre zuvor Clemens V. zu seiner bekannten Bulle Pastoralis cura (s. o. S. 267) veranlaßt hatte. Als Ludwig im Jahre 1322 seinen Gegenspieler besiegte und sich deshalb, nicht zu Unrecht, als den alleinigen Anwärter auf die Kaiserkrone sah, blieb Johannes unbeugsam bei seiner Ablehnung. Auf Grund seiner Proteste gegen die Einmischung des Papstes und wegen Ausübung herrschaft-
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lieber Gewalt ohne päpstliche Billigung wurde Ludwig am 23. I I I . 1324 gebannt, seine Untertanen mußten ihm den Gehorsam aufkündigen. In der folgenden berühmten Appellation von Sachsenhausen forderte Ludwig ein Allgemeines Konzil und kritisierte das Papsttum scharf dafür, daß es bei der Verfolgung seiner politischen Interessen kirchliche Strafmaßnahmen anwandte; er nannte den Papst einen Ketzer, weil er den ketzerischen Flügel des Franziskanerordens unterstützt hatte. Das Papsttum erwiderte in scharfer Form: Absetzung und Exkommunikation des Königs, Interdikt über alle seine Anhänger. Johannes, der sowohl Recht als auch Lehre beherrschte, konnte all die alten hierarchisch-rechtlichen Argumente vorbringen, aber unter den veränderten Umständen blieben sie ohne Wirkung. Gleichzeitig wurde der orthodoxe Flüge:! der Franziskaner vom Papsttum mit schonungsloser Gewalt verfolgt, sodaß Ockham, Marsilius und Michael von Cesena (der frühere General der Franziskaner) als Verbannte an Ludwigs Hof flohen. Kaum je zuvor hatte sich eine größere und glänzendere Schar von geistreichen Männern vor dem Papsttum an einen königlichen Hof geflüchtet. Kein namhafter Verteidiger trat für das Papsttum auf den Plan. Im Jahre 1328 enthob Ludwig den Papst auf Grund seiner Häresie und anderer Verbrechen seines Amtes und entzog dem Papsttum Rom und den Kirchenstaat. Nach dem Vorbild der Staufer ernannte Ludwig seinen eigenen Papst in der Person Nikolaus' V., eines Franziskaners. Sciarra Colonna als Stadtpräfekt und Vertreter der römischen Bevölkerung krönte Ludwig in St. Peter; gesalbt wurde er von dem gebannten Bischof Albert von Venedig. Ludwig bat den Gegenpapst um eine Wiederholung der Krönung unter Beachtung des traditionellen Zeremoniells. Der Gegenpapst Nikolaus V. zog sich von seiner etwas exponierten Stellung zurück, als der Papst in Avignon zu einem Kreuzzug gegen Ludwig, den Kaiser der Römer, aufrief. Die kaiserliche Konstitution Licet iuris (endgültig bestätigt im Jahre 1338) zog den alten Ansprüchen des Papsttums in Bezug auf Reich und Kaiser enge Grenzen. Sie bestritt das päpstliche Recht, den kaiserlichen Anwärter zu begutachten; für den Fall päpstlicher Weigerung, den König zum Kaiser der Römer zu krönen, sollte jeder Bischof oder Erzbischof berechtigt sein, diese Handlung vorzunehmen. Dies könnte als erster Schritt auf dem Weg zur Goldenen Bulle gelten (s. u. S. 275). Die allgemeine Orientierungslosigkeit Johannes' X X I I . , sogar in rein theologischen Fragen, zeigte sich auch in einigen seiner persönlichen Ansichten, für die er sich die Kritik von Leuten zuzog, denen ein Urteil in diesen Dingen zustand. Es war ein Schauspiel, wie es die christliche Welt noch nicht erlebt hatte. Nicht nur politische Gegner, auch qualifizierte Theologen nannten den Papst einen Ketzer. Auf seinem
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Totenbett widerrief der Neunzigjährige seine irrige Meinung bezüglich der sogenannten visio beatifica. Der Häresieverdacht schien nicht ganz unbegründet gewesen zu sein, obwohl Johannes sowohl einer der besten Kanonisten als auch ein erstklassiger Kenner der Rechtswissenschaft war. Die Anklage betraf seine Ansichten über die Armut Christi, die zumindest theologisch anfechtbar waren. Als ausgezeichneter
Anwalt
war Johannes X X I I . besonders um die gründliche Revision des päpstlichen Verwaltungsapparates bemüht. Diese Neuorganisation der kurialen Ämter war notwendig geworden auf Grund der starken Ausweitung der Geschäfte, mit denen sich die Kurie zu befassen hatte. I n der Zwischenzeit verschlechterte sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage Roms und des Kirchenstaates, während der H o f in Avignon mehr und mehr Geld verschlang. So unternahm die päpstliche Kurie angestrengte Versuche, die Ordnung in Italien wiederherzustellen, wofür wiederum mehr Geld benötigt wurde. Der Ausweg war eine beträchtliche Erhöhung kurialer Steuern und die Ausdehnung der Liste von Ämtern und Präbenden, deren Besetzung im Falle ihrer Vakanz dem Papsttum vorbehalten war. Parallel zu dieser Erweiterung der päpstlichen Reservationen lief die fortschreitende Steigerung der an das Papsttum zu entrichtenden Gebühren. In Verbindung mit dem bereits vorhandenen Antiklerikalismus und der schwelenden
antipäpstlichen
Stimmung, die mit einem gesteigerten Nationalgefühl in England einhergingen, führte dies zur papstfeindlichen Gesetzgebung Eduards
III.
Die Statuten „Provisors" und „Praemunire" (aus den Jahren 1 3 5 1 — 5 3 ) trafen die Wurzeln dieser päpstlichen Finanzpolitik und zeigten, mit welcher Kühle England dem Papsttum gegenüberstand. So überrascht es kaum mehr, daß gleichzeitig das englische Parlament das Zugeständnis König Johanns an das Papsttum zurücknahm: auch dem Namen nach war England nicht länger ein Lehen des Papsttums. Der ausgedehnte Verwaltungsapparat stellte wohl den kostspieligsten Ausgabenposten der ganzen Kurie dar. Das Personal bestand aus Hunderten von Notaren, Referendaren, Registratoren, Schreibern, Abbreviatoren, Korrektoren, Bullatoren, ganz abgesehen von den höheren Beamten, wie dem Vizekanzler der Kurie und seinem eigenen Stab. Das Registrieren, Korrigieren, Datieren und Siegeln der Tausende von Urkunden verlangte eine hochentwickelte Organisation. Besonders die Eingaben um Präbenden und Benefizien gingen in die Zehntausende (z. B . unter Johannes X X I I . um die 65 0 0 0 , unter Clemens V I . über 90 0 0 0 ; unter Innozenz V I . etwa 30 0 0 0 usw.) J e d e Petition mußte in einem komplizierten Verfahren geprüft werden, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wurde. Dazu kam die politische
Korrespondenz
mit Fürsten, Königen und Potentaten, die eine eigene Registerführung
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erforderte, damit die verschiedenen Arten der kurialen Korrespondenz leicht und schnell zur Hand waren. Angesichts der hohen Bedeutung, die die Finanzen erlangt hatten, wurde dem Register der apostolischen Kammer, der Finanzabteilung der Kurie, besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Auch hier machten der verwickelte Mechanismus der Kurie und der päpstlichen Einnahmen und Ausgaben eine Neuorganisation notwendig. Die Erfindungsgabe des avignonesischen Papsttums auf dem Gebiet der Verwaltung und der Finanzen kannte keine Grenzen. Nicht zu vergessen ist, daß die Ausgaben der Kurie zuweilen astronomische Höhen erreichten. Avignon wurde eine der wichtigen Städte Europas, die meisten Bankhäuser hatten dort Niederlassungen. Die Küchen, Speisekammern und Keller, die Kleidung und liturgische Gewandung des Personals, die Schatzkammer und die Bibliothek, die neuen Gebäude, die Reparatur und Instandhaltung der alten, die Ausrüstung der Wachen, Almosenzahlungen und Wohltätigkeitsstiftungen usw. verschlangen riesige Summen. Die normalen jährlichen Ausgaben in Avignon schwankten zwischen 230 000 und 480 000 Golddukaten, zu denen aber noch eine Menge außerordentlicher Leistungen hinzukamen, insbesondere in Verbindung mit der weitgestreuten Missionstätigkeit. Unter die außergewöhnlichen Ausgaben fiel auch die Errichtung des Papstpalastes in Avignon und der Erwerb der Grafschaft Avignon vom Königreich Neapel durch Clemens VI. im Jahre 1348. Die Zahl der Franzosen im Kardinalskollegium stieg. Zwar lag der Gedanke an eine Rückkehr nach Rom den Päpsten nie ganz fern, doch seine Verwirklichung stand auf einem andern Blatt. Rom selbst bemühte sich, das Papsttum zur Rückkehr zu veranlassen, weil es damit die etwas anachronistische Hoffnung verband, die Stadt in altem Glanz wiedererstehen zu lassen. Cola di Rienzo, ein wahrer Volkstribun, ja Demagoge, machte sich zum Sprecher der Römer und wurde der „Tribun der Freiheit, des Friedens und der Gerechtigkeit, der Befreier der heiligen römischen Republik". Es gelang ihm, bei den Römern sehnsüchtige Erinnerungen wachzurufen und ihnen den Glauben an ihre Sendung als Schöpfer eines weltweiten Reichs einzupflanzen. Diese Wiederbelebung der altrömischen Tradition war ebenso ergreifend wie vergeblich. Das Papsttum war offensichtlich in Avignon zu gut untergebracht, um durch diese plumpe List sofort nach Rom zurückgelockt zu werden. Der Kardinallegat Bertrand von Deux vertrat die päpstlichen Interessen in Italien. Einen sehr willkommenen Vorwand für einen Aufschub der Rückkehr lieferte die Pest, die einen Aufbruch nach Italien unklug erscheinen ließ. In den Jahren zwischen 1348 und 1352 dezimierte der schwarze Tod die Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes. Kurienämter verwaisten; Orden, Gemeinden, Dörfer und Städte schrumpften in erschreckendem
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Maße zusammen. Diese furchtbare Geißel zwang das Papsttum, sich der mehr praktischen Aufgabe des Überlebens zu widmen. In der Zwischenzeit wurde die letzte päpstlich-kaiserliche Auseinandersetzung mit unverminderter Heftigkeit fortgeführt. W a s Johannes X X I I . nicht hatte erreichen können, wurde von seinem Nachfolger Benedikt X I I . erneut versucht; seine Bemühungen um eine Regelung schlugen jedoch fehl, denn das Papsttum schien nunmehr allen Wirklichkeitssinn verloren zu haben. Ockham hatte sein schärfstes Gift für diesen Papst aufgespart, der ohnedies kein Mann von großem Format war. Die Auseinandersetzung erreichte ihren Abschluß und Höhepunkt in der feierlichen und in der Heftigkeit ihres Tones kaum zu überbietenden Exkommunikation Ludwigs durch Clemens VI., nachdem der Kaiser gänzlich unannehmbare und völlig überspannte päpstliche Bedingungen für eine Übereinkunft (im April 1346) abgelehnt hatte. Es war ein Zermürbungskrieg, aus dem beide Seiten erheblich geschwächt hervorgingen. In Deutschland, das beinahe zwei Jahrzehnte mit dem Interdikt belegt war, verloren die kirchlichen Autoritäten bei der Bevölkerung, die dem Klerus mißtraute und sich vom Papsttum verraten fühlte, an Ansehen. Religion und Moral litten in ganz Europa großen Schaden; überall schössen antireligiöse und antiklerikale Sekten aus dem Boden. Es war zweifellos höchst bedeutungsvoll, daß Ludwig der Bayer, nachdem Nikolaus V. seine ohnehin etwas klägliche Rolle als Gegenpapst im Jahre 1330 aufgegeben hatte, es nicht der Mühe wert fand, einen neuen Gegenpapst zu ernennen, obwohl er doch Johannes XXII. ab- und nie „wiedereingesetzt" hatte. Ludwig war einer der wenigen Herrscher, die als Gebannte starben. W a s vom echten religiösen Eifer geblieben war, rettete sich in die Mystik, die seit den dreißiger Jahren üppig zu blühen begann. Es war klar geworden, daß die beiden Gegner nur die Schatten ihrer eigenen Vergangenheit waren. Das Papsttum kämpfte allein für seine Interessen in Italien; das Reich war nichts weiter als ein deutsches Königreich, das seine italienischen Belange durch das Papsttum gefährdet sah. Seit das Reich aber zu einem deutschen Fürstentum herabgesunken war, keimte auch hier ein unfertiger Nationalismus auf, der unweigerlich eine Entfremdung vom Papsttum, dem vermeintlichen Werkzeug Frankreichs, zur Folge hatte. Nicht nur die religiösen Bande begannen sich zu lockern, auch die historischen Bindungen, die jahrhundertelang die Interessen Deutschlands und des Papsttums so eng zusammengehalten hatten, büßten viel von ihrer Festigkeit ein. Die Ausdehnung der kurialen Geschäfte in Avignon mußte in der Praxis, wenn auch natürlich nicht in der Theorie, zwangsläufig zu einer Art oligarchischer Herrschaft führen, denn verständlicherweise wurde
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es für den Papst immer schwieriger, den Überblick über die zahlreichen Abteilungen der Kurie zu behalten. Die Folge war, daß die Kardinäle allmählich Kompetenzen wahrnahmen, die sie während der römischen Zeit sicherlich nie besessen hatten. Um diesem Sachverhalt eine annähernd verfassungsmäßige Grundlage zu geben, erfanden die Kardinäle die sogenannten Wahlkapitulationen (s. o. S. 217), deren erste sie bei Gelegenheit der W a h l Innozenz' VI. im Dezember 1352 durchzusetzen vermochten. Sie kamen überein, daß derjenige unter ihnen, der gewählt wurde, sich zu folgenden Punkten verpflichten müsse: die Zahl der Kardinäle sollte zwanzig nicht übersteigen; bei der Ernennung eines Kardinals war der Papst an eine Zweidrittelmehrheit der Kardinäle gebunden. Alle Einnahmen der Kurie mußten gleichmäßig zwischen dem Papst und den Kardinälen aufgeteilt werden; für die Verwandten des Papstes sollte es keine einflußreichen Posten geben. Dies war die erste Wahlkapitulation, der viele weitere folgen sollten. Die Praxis blieb bis über die Reformation hinaus bestehen, die Kapitulationen wurden länger und länger, die dem Papst auferlegten Beschränkungen immer zahlreicher; nach seiner W a h l freilich hielt sich kein Papst förmlich an sie gebunden, da sie als unvereinbar mit der päpstlichen Vollgewalt galten. Innozenz VI. selbst weigerte sich, getreu dem Eid zu handeln, den er im Konklave geschworen hatte. In der Praxis fand man sich allerdings mit einer Art von oligarchischer Herrschaft weiterhin ab. W a s dem Papsttum in Avignon indessen fortgesetzte und berechtigte Sorgen bereitete, war die Lage der Dinge in der Stadt Rom und im Kirchenstaat, die inzwischen ganz der päpstlichen Kontrolle entzogen waren. Die wahren Herrscher dort waren kleine örtliche Tyrannen. Innozenz VI. wußte die Qualitäten eines seiner Kardinäle zu schätzen, des Kardinals Egidio Albornoz, der gleichzeitig Heerführer, Jurist und Diplomat war. Mit einer nur mäßig großen Streitmacht, die er sehr geschickt führte, gelang ihm die Eroberung des Kirchenstaates, dem er eine Verfassung (die sogenannte Egidianische Verfassung) gab, die den Fährnissen der Zeit standhielt und bis zur Auflösung des Kirchenstaates gültig blieb. Der Kardinal ließ Cola di Rienzo, der in der Zwischenzeit ein etwas abenteuerliches Leben geführt hatte, nach Rom zurückkehren, nachdem der Papst ihn aus dem Gefängnis in Avignon entlassen hatte; in einem Scharmützel fand Cola bald nach seiner Rückkehr (am 8. Oktober 1354) den Tod. Nachdem Rom nun mehr oder weniger sicher in „päpstlichen" Händen war, konnte schließlich und endlich eine „rechtmäßige" Kaiserkrönung vorgenommen werden: der Kardinalbischof von Ostia handelte im Auftrag des Papstes, als er am 5. April 1355 Ludwigs IV. Nachfolger, Karl IV., krönte, der, obwohl „Kaiser der Römer" die Stadt schnell wie-
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der verließ, um nach Deutschland zurückzukehren. Der schemenhafte Charakter des römischen Kaisertums spiegelte sich in der Krönung durch einen Kardinal im Namen eines abwesenden Papstes wider. Wahrscheinlich in Erkenntnis dieser nackten und harten Wirklichkeit erließ Karl I V . im Jahre 1 3 5 6 die sogenannte Goldene Konstitution Licet
Bulle,
die ζ. T . auf der
iuris (s. o. S. 2 7 0 ) aufbaute. I h r e wichtigste Bestim-
mung war, daß der deutsche König vom Augenblick seiner W a h l an ein Recht darauf hatte, zum Kaiser der Römer gekrönt zu werden; der Papst als Mitwirkender, geschweige als die Instanz, durch deren Gnade die Kaiserkrone zu erlangen war, wurde in der ganzen langen Urkunde nicht einmal erwähnt. Das bisher so eifersüchtig behütete Recht des Papsttums, an der Erhebung des römischen Kaisers mitzuwirken, war stillschweigend beiseitegeschoben. Dies war der W e g , den das Papsttum seit Friedrich I I . bis zu Karl I V . zurückgelegt hatte: sein Protest gegen die Goldene
Bulle
blieb ergebnislos. Das Gesetz zeigt auch, daß der
Kaiser nichts weiter als ein gehobener deutscher Herrscher war. Den Gedanken des Universalismus hatte das Papsttum ebenso wie das Kaisertum fallen gelassen. Besondere Beachtung verdient die Initiative, die das avignonesische Papsttum in missionarischen Unternehmungen entwickelte und mit der es sie laufend unterstützte. So erkannte Johannes X X I I . ζ. B. die asiatischen Kirchen an und errichtete selbst eine neue Provinz in Sultaniyah mit sechs (armenischen) Suffraganen; eine neue Diözese wurde in Quilon in Indien errichtet. Auch Äthiopien rückte in das Blickfeld der Missionare; Ostafrika südlich des Äquators war wohl ebenfalls ein Missionsziel; päpstliche Legaten berichteten über den Erfolg der asiatischen Missionsunternehmen, aber auch hier schlug die Pest Lücken, die kaum zu füllen waren. Den Universitäten in Europa wandte das avignonesische Papsttum seine besondere Unterstützung zu. W i e n wurde im Jahre 1365 mit der persönlichen Anteilnahme Papst Urbans V . gegründet;
eine
theologische Fakultät (die erste in Italien) wurde in Bologna errichtet; Toulouse, Paris und Montpellier erhielten ebenfalls von Urban V . neue Privilegien. Während Urbans Pontifikat wurde auch die Frage der Rückkehr nach Rom besonders akut, da Karl I V . und andere, unter ihnen Katharina von Siena, dem Papst in lebhaften Farben den Schaden vorstellten, den das Ansehen der Institution durch den fortdauernden Aufenthalt
in
Avignon litt; der Kurie wurde vorgehalten, daß in den Augen der Zeitgenossen die französische Monarchie einen übermäßigen Einfluß auf das Papsttum ausübte. Urban konnte diesen gewichtigen Gründen nicht länger widerstehen; im Jahre 1367 begannen er und der Hof mit der Umsiedlung, wobei sie zunächst in Viterbo Station machten, bevor sie im
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Oktober 1367 Rom betraten. Der Lateran wurde als Amtssitz durch den Vatikan abgelöst. Doch verglichen mit der Sicherheit, Behaglichkeit und Sorgenfreiheit, deren sich das Papsttum in Avignon erfreut hatte, erwies sich der Aufenthalt in Rom, das auf den Stand eines großen Dorfes herabgesunken war, als reizlos, und der kurz vorher erfolgte Tod von Albornoz beraubte das Papsttum eines wirksamen militärischen Verteidigers, der sich auch in unerwarteten Lagen zurechtfand. Die Wiederaufnahme von Feindseligkeiten zwischen England und Frankreich (während des Hundertjährigen Krieges) veranlaßte Urban zur Rückkehr nach Avignon, w o die Kurie bessere Vermittlungsmöglichkeiten zu haben glaubte als im entfernten Rom. Am 23. September 1370 war die Kurie wieder zurück, weniger als drei Monate später starb der Papst. Es war klar, daß die „römische" Frage gelöst werden mußte, zumal die Truppen des Visconti versuchten, päpstliches Gebiet zurückzuerobern. Das Abkommen, das Gregor X I . mit den Rebellen traf, brachte Florenz, bislang bei der Partei des Papsttums, auf die Seite der Gegner. Es wurde mit dem Interdikt belegt und von bretonischen Söldnern angegriffen. Dieses Schauspiel war kennzeichnend für den allgemeinen, überall wahrzunehmenden Verfall. Aber die dringenden Bitten Katharinas von Siena und Birgittas von Schweden, Avignon für immer zu verlassen, trafen beim Papsttum unter Gregor XI. nicht auf taube Ohren. Tatsächlich zog die Kurie am 17. Januar 1377 wieder in Rom ein, w o sie ihre Residenz wiederum im Vatikan aufschlug, hinfort Amtssitz des Papsttums. Die sogenannte Babylonische Gefangenschaft des Papsttums war zu Ende. Die unmittelbare und dringliche Aufgabe, in Rom wieder einmal festen Fuß zu fassen, beschäftigte es zunächst mehr als Probleme der allgemeinen Papstpolitik. Der elfte Gregor regierte nur vierzehn Monate: er starb am 27. März 1378. In ganz Europa hatte das Papsttum einen fast nicht wiedergutzumachenden Verlust an Ansehen und Autorität hinzunehmen. Paradoxerweise nährte das Papsttum selbst den Geist des Nationalismus in Europa nicht wenig — teils durch seine Wirtschafte- und Finanzpolitik, teils durch seine vermutete Abhängigkeit von Frankreich, teils durch die Vergabe fetter Präbenden in anderen Ländern an Landesfremde, in der Hauptsache Italiener und Franzosen, und teils durch die unpersönliche, ja herzlose Art, mit der die päpstlichen Steuereintreiber ihrem Geschäft nachgingen. Auch sie waren meistens Fremde im Ausland. Immer häufiger wurde das Papsttum einfach als ausländische Macht empfunden. Angefacht wurde der Nationalismus vor allem auch durch die Beförderung ausländischer Prälaten, auch Kardinäle, auf kirchliche Stellen in Ländern, deren Sprache sie nicht einmal verstanden. Sie küm-
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merten sich wenig um jene, die ihrer Fürsorge, oder um die Kirchen, die ihrer O b h u t anvertraut waren. Dies und die Berichte von Leuten, die in Avignon geschäftlich zu tun hatten, über den luxuriösen Lebensstil an der Kurie erregte nicht nur den Unwillen der Zeitgenossen, sondern setzte das Papsttum auch dort, wo man es am wenigsten erwartete, einer offenen Feindseligkeit aus; da das Bildungsniveau allmählich gestiegen war — schließlich war das 14. Jahrhundert das Zeitalter, das die Gründung vieler Universitäten, Kollegien und Schulen erlebte — , stellten auch immer größere Teile der Bevölkerung die Grundlagen, ja die Daseinsberechtigung des Papsttums als Institution in Frage. Keine Schriften sind aus dieser Zeit erhalten, die sich der Sache des zeitgenössischen Papsttums annehmen, überdies hatte sich, wie angedeutet, die Stadt R o m auf den Stand eines großen Dorfes zurückentwickelt. Gras wuchs auf den Stufen der St. Peters-Basilika, w o auch die Ziegen grasten. Die städtische Verwaltung und Organisation war lahm und daher vorwiegend erfolglos, wo sie noch funktionierte, korrupt. V o r diesem Hintergrund fand die Wahl eines Nachfolgers für Gregor X I . statt. Seit beinahe achtzig Jahren war es die erste Papstwahl in Rom. Die römischen Stadtbehörden drängten die Kardinäle zur W a h l eines Römers oder wenigstens eines Italieners, um damit eine gewisse Sicherheit zu haben, daß der neue Papst nicht nach Avignon zurückgehen würde, wie Gregor X I . es unverkennbar beabsichtigt hatte. Als die Kardinäle sich im Konklave versammelt hatten, forderte der römische Pöbel draußen so lärmend und brüllend, wie nur der römische Pöbel es kann, einen Römer. Das Konklave dauerte bis in die Nacht vom 7. zum 8. April 1378, als sich nach langen, reiflichen Erwägungen alle Kardinäle bis auf vier für ein Nicht-Mitglied des Kollegs entschieden. Sie wählten den Erzbischof von Bari, Bartolomeo Frignano. Mit der Wahl — nicht ganz unähnlich der Wahl Clemens' V . (s. o. S. 2 6 4 ) —
wurde eine Kompromißlösung gefunden. Prignano war weder Rö-
mer noch Italiener noch Franzose, sondern von Geburt und Erziehung Neapolitaner; (durch das Haus von Anjou hatte Neapel eine enge Bindung an Frankreich). Nachdem er Neapel in seiner frühen Jugend verlassen hatte und in der kirchlichen Hierarchie hoch aufgestiegen war. waren sein Auftreten und seine Anschauungen in keiner W e i s e ausgeprägt französisch oder italienisch oder römisch. Als früherer Kanzler der Kurie in Avignon, wo er fast seine gesamte Laufbahn verbracht hatte, verfügte er über weitläufige Erfahrungen im Verwaltungswesen. E r hatte in Avignon sozusagen an der Spitze des päpstlichen Beamtenapparates gestanden und kannte die Arbeit der Kurie, da er unmittelbar den Reihen der Kurienbeamten entstammte. E r war ein zuverlässiger, tüchtiger, fleißig arbeitender Beamter, der alle die Vorzüge, aber
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auch die Schwächen und Grenzen eines Beamten in sich vereinigte. Zu keiner Zeit war er mit Politik oder grundlegenden Entscheidungen befaßt gewesen. Er hatte sogar in der johlenden Menge außerhalb des Konklave gestanden, ohne zu wissen, daß sein Name zuvorderst auf der Liste der Kardinäle stand. Als er zur Annahme der Wahl vor das Konklave beordert wurde, wurde der Ruf in der Menge mißverstanden, worauf die eingeschüchterten Kardinäle, anstatt ihn der Menge zu präsentieren, einen achtzigjährigen Kardinal den neugewählten Papst spielen ließen; sie zeigten ihn der Menge (wobei sie ihn von hinten stützen mußten, um ihn am Umfallen zu hindern) und „inthronisierten" ihn vor den Augen aller. Am Nachmittag des folgenden Tages jedoch wurde die Wahl Prignanos wiederholt und im Konklave bestätigt. Die Lage außerhalb des Konklave war zwar äußerst gespannt, aber es gibt kein Anzeichen dafür, daß die Kardinäle bei ihrer Wahl des Erzbischofs von Bari unter Druck standen. Im Gegenteil, die Wahl Prignanos, Urbans VI., bewies, daß das Kollegium Drohungen widerstanden hatte. Es kam auch nicht zu Aufständen, als die Wahl am folgenden Tag förmlich verkündet wurde. Auch aus den Reihen der Kardinäle oder von anderer Seite regte sich kein Widerstand, und es wurde nicht die Behauptung erhoben, daß die Wahl wegen Druckes von der Straße ungültig sei. Am darauf folgenden Sonntag wurde Urban VI. feierlich mit Prunk und Staat in St. Peter inthronisiert; er handelte als rechtmäßig gewählter Papst, nahm den Vorsitz bei Konsistorien ein und verlieh Privilegien an Kardinäle, die ihm ihre demütigen Gesuche unterbreiteten. Mit einem Wort, Urban handelte und herrschte unangefochten als Papst. Aber während dieser entscheidenden Wochen, die seiner Wahl folgten, zeigte er seine wahren Schwächen: ein zügelloses Temperament, Größenwahn und äußerst verletzendes Benehmen im Konsistorium. Die Bürde des Papsttums war offenbar zu schwer für einen Mann, der kein geborener Herrscher, sondern ein vorbildlicher Verwaltungsbeamter war. Sein Ziel als Papst war es, die in Avignon geübte oligarchische „Verfassung" durch die Alleinherrschaft des Papstes zu ersetzen. Ob unter den gegebenen Umständen eine solche Politik gerechtfertigt war, die sich andererseits in einigen kleinlichen (durch die damalige Armut der Kirche notwendig gewordenen) „Reform" maßnahmen erschöpfte, kann bezweifelt werden. Keinem Zweifel unterliegen jedoch die Taktlosigkeit und Unklugheit, mit der er seine politischen Ziele verfolgte. Vergleicht man Urbans Verhalten mit seinem Zustand in späteren Jahren, so lassen sich schon damals deutliche Anzeichen einer geistigen Umnachtung feststellen. Sein Aufstieg von der Spitze des Beamtenapparates zum höchsten kirchlichen Herrschaftsamt war zu plötzlich und zu steil gewesen.
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Das Problem, dem sich die Kardinäle gegenübersahen — jeder von ihnen war zur Zielscheibe grober, zorniger und beleidigender Bemerkungen seitens des Papstes geworden — konnte innerhalb der bestehenden Verfassung nicht gelöst werden. W a s sollte mit einem Papst geschehen, der sich als herrschaftsunfähig erwies? Im Frühsommer 1378 war den Kardinälen klar geworden, daß Urban als Papst gänzlich ungeeignet war; da das Recht ihnen keine andere Alternative bot als die Anfechtung der W a h l selbst, griffen sie diesen Vorwand auf und erklärten die Wahl für null und nichtig, weil sie unter Zwang und Furcht stattgefunden habe. Es war dies die einzige von der Verfassung zugelassene Möglichkeit. Einer nach dem andern verließen die Kardinäle Rom, sodaß bis zum 21. Juni mit der Ausnahme von vier Italienern alle sich in Anagni niedergelassen hatten. Von dort aus informierten sie Europa in mehreren Manifesten, Urban sei unkanonisch gewählt worden und daher ein Eindringling, der Heilige Stuhl müsse als vakant angesehen werden. Sie legten Urban die Abdankung und die Rückkehr ins Privatleben nahe. Trotz einer Reihe von Bemühungen, den Bruch zwischen dem Papst und seinen Wählern zu kitten, wurde die Kluft nur breiter. Drei italienische Kardinäle — der vierte war zu alt und schwach für die Reise und starb dann auch am 7. September — gesellten sich nunmehr zu ihren Kollegen, die jeden von ihnen einzeln davon überzeugten, er werde der nächste Papst sein. Als schließlich am 20. September das Kardinalskollegium in Fondi zur W a h l schritt, ging Clemens VII., ehemals Kardinal Robert von Genf, einstimmig gewählt daraus hervor, weil jeder der drei italienischen Kardinäle im Glauben, selbst der künftige Papst zu sein, sich der Stimme enthalten hatte. Zwei Monate später bannte Papst Urban VI. Papst Clemens VII., der in gleicher Münze zurückzahlte. Die Exkommunikation des Gegenpapstes durch den Papst und umgekehrt sollte sich noch mehrmals fast vier Jahrzehnte lang wiederholen. Bemerkenswert an dieser „Doppelwahl" war, daß ein und dasselbe Kardinalskollegium innerhalb von wenigen Monaten zwei Päpste gewählt hatte. Dies war in den zahlreichen Schismen vorher noch nie der Fall gewesen. Die Kardinäle hatten Urban VI. während der ersten fünf Monate nach seiner Wahl als den rechtmäßigen Papst anerkannt. Sie hatten Gunstbeweise von ihm erbeten, sogar noch als sie sich nach Anagni und Fondi zurückgezogen hatten. Clemens' Exkommunikation durch Urban und die Angriffe durch Urbans Truppen zwangen die clementinische Kurie, Italien zu verlassen und sich nach Avignon zu begeben. Die Unordnung, Verwirrung und der sich daraus ergebende Widerstreit von Obödienzen in der ganzen Christenheit ist für einen Beobachter aus dem 20. Jahrhundert kaum faßbar. Zwei Päpste wetterten
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gegeneinander, jeder mit dem Anspruch, er sei der alleinige Vertreter Christi, und zwei Kardinalskollegien standen gegeneinander. Wie sollte der gewöhnliche Christ entscheiden, wer der rechtmäßige Papst sei? Die Folge war, daß einige Klöster zwei Äbte und zwei Prioren hatten, Gemeinden zwei Pfarrer usw. Europa war in zwei Hälften gespalten: Frankreich, Schottland, Aragon, Kastilien und Navarra waren Anhänger Clemens' V I I . , während der größere Teil Italiens, Deutschland, Ungarn, England, Polen und Skandinavien hinter Urban V I . standen; Portugal konnte sich lange nicht entscheiden; das Königreich Neapel schwankte von Clemens zu Urban und wieder zurück, nachdem eine Reihe urbanistischer Kardinäle zu Clemens übergelaufen war. Die universale Kirche erlebte den Tiefpunkt des Papsttums, das ihr wegweisender Führer hätte sein sollen. Die Gewissensqualen, die viele zeitgenössische Christen dabei durchlitten, sind heute kaum vorstellbar. Wenigstens nebenbei sollte erwähnt werden, daß das Papsttum — wieder einmal, ohne es zu beabsichtigen — seinen Teil dazu beitrug, daß die Urteilskraft des einzelnen geschärft und so der Boden für das Christentum der Reformation bereitet wurde. Auf die Einzelheiten der Entwicklungen in Rom und Avignon kann hier nicht eingegangen werden. Die Feststellung muß genügen, daß das Papsttum in Rom in seinem Widerstand gegen jeden echten Schlichtungsversuch und gegen alle Anstrengungen, der anstößigen Situation ein Ende zu bereiten, dem Papsttum in Avignon an Widerspenstigkeit, Hartnäckigkeit und Unlauterkeit in nichts nachstand. Die Behauptung, daß die Verfassung der Kirche und des Papsttums an schweren Mängeln litt, ist eine Binsenwahrheit. Den Kardinälen war dieser Mangel natürlich bewußt. Ihr Plan war es, eine regelrechte Oligarchie zu errichten, in der der Papst einem primus inter pares gleichkam, etwa nach dem Muster eines heutigen Premierministers. Aber dieser Plan erhielt außerhalb des Kardinalskollegiums keine Unterstützung und wurde stillschweigend wieder fallengelassen. Am meisten Anklang fand der Vorschlag, das Allgemeine Konzil der Kirche in ein wirkungsvolles und repräsentatives Herrschaftsorgan umzuwandeln. Dieser Gedanke gewann allmählich an Boden und setzte die Kette von Ereignissen in Bewegung, die das große Schisma beenden sollten. Kaum zwei Jahre nach dessen Ausbruch erschien die erste Flut von Traktaten, die die Einberufung eines Allgemeinen Konzils befürworteten — das Problem war aber: wer sollte es einberufen, da es, um als Allgemeines Konzil zu gelten, vom Papst einberufen werden mußte? Von welchem Papst? J e länger das Schisma andauerte, desto deutlicher kristallisierten sich die Ansichten über die Mittel zu seiner Beendigung heraus. Eine weitere bedeutsame Entwicklung war die Rolle, die die Universitäten
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und ihre Professoren als Medien der öffentlichen Meinungsbildung zu spielen begannen. Im großen und ganzen wurden drei Vorschläge gemacht: (1) die via cessionis: beide Päpste sollten abdanken, um eine Neuwahl zu ermöglichen — jedoch waren weder die römischen noch die avignonesischen Päpste für diese Lösung zu gewinnen; (2) die via concilii·. die meisten Universitäten unterstützten diesen Plan, demzufolge ein Allgemeines Konzil darüber befinden sollte, wer der rechtmäßige Papst sei — dieser Schritt scheiterte an den kanonischen und den erwähnten praktischen Schwierigkeiten; in seiner ganzen Geschichte war das Papsttum dem Allgemeinen Konzil ohnehin nie gewogen gewesen, da es sich seiner förmlichen Kontrolle entzog; (3) die via compromissi, derzufolge jeder Papst den Spruch eines Schiedsgerichts annehmen sollte — ein Vorschlag, der wegen seiner Undurchführbarkeit nie viele Anhänger fand. Als keine dieser Maßnahmen einen Ausweg versprach, gewann ein vierter Vorschlag allmählich an Boden: die Anhänger beider Päpste sollten ihnen Gehorsam und Treue aufkündigen. Dieser W e g , die via subtractions, w u r d e von der Pariser Universität und vom französischen König empfohlen und zeitweise sogar beschritten, allerdings ohne greifbaren Erfolg. Richard II. von England w u r d e um seine Unterstützung gebeten. Er folgte dem Ratschlag der Universität Cambridge (dem sich auch Oxford kurz darauf anschloß), als er den Plan aus einer Reihe von Gründen ablehnte u n d zur fortgesetzten Treue gegenüber dem römischen Papsttum riet. Diese akademischen Ansichten, die die Unterstützung der höchsten Regierungskreise hatten, wurden von einer noch nicht dagewesenen Flut von Schriften in ganz Westeuropa begleitet. Keines dieser W e r k e sprach sich für die päpstliche Alleinherrschaft aus — dieser Grundsatz war ebenso tot w i e der konziliare Gedanke lebendig war. Trotz der überwältigenden und lautstarken Bekenntnisse zu einer gesteigerten monarchischen Herrschaft des Papsttums kaum mehr als eine Generation zuvor, fand das Papsttum als solches nun keinen einzigen Verteidiger mehr. Dies war vielleicht das deutlichste Zeichen dafür, wie sehr das Papsttum durch seine Herrschaftsausübung während der voraufgegangenen Jahrzehnte seiner eigenen Herrschaftsideologie geschadet hatte. Oder, mit anderen W o r t e n : Programm und Praxis klafften weit auseinander. Eine Lösung schien in Sicht, als der römische Papst, Gregor X I I . , entsprechend seinen Wahlzusagen, sich bereit erklärte, mit seinem Rivalen aus Avignon, Benedikt X I I I . , zusammentreffen, aber den römischen und avignonesischen Legaten gelang es nicht, einen beiden Seiten genehmen Treffpunkt zu finden. Als auch dieser Versuch scheiterte, verließen beinahe alle Kardinäle Gregor im Jahre 1408 und forderten ein
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Allgemeines Konzil; ferner entsandten sie Briefe an die europäischen Höfe, in denen sie vom Stellvertreter Christi an ein Allgemeines Konzil appellierten. Inzwischen hatte der konziliare Gedanke alle Welt ergriffen, sogar die Kardinäle in Avignon, die sich mit ihren römischen Kollegen im Jahre 1409 in Pisa zusammentaten, wo dann tatsächlich ein Konzil stattfand, unter dessen Teilnehmern sich einige der bekanntesten Gelehrten befanden, wie Pierre d'Ailly, Kanzler der Pariser Universität, und Johannes Gerson, sein Nachfolger und einer der führenden Theologen der Zeit. Die Theorie, daß die höchste Gewalt beim Konzil lag, war nunmehr allgemein anerkannt: in Pisa waren 24 Kardinäle, 4 Patriarchen, 80 Bischöfe und 102 bischöfliche Abgesandte, 87 Äbte und an die 200 Gesandte von Klöstern, über 40 Prioren, Vertreter von 13 Universitäten, zahlreiche Abgesandte der Domkapitel, Bettelorden usw. anwesend. Das Ergebnis war, daß das Konzil beide Päpste zu offenkundigen Ketzern und Schismatikern erklärte, absetzte und einen neuen Papst wählte, Alexander V., Erzbischof von Mailand und Kardinal auf Seiten des römischen Papsttums. Die Christenheit hatte nunmehr drei Päpste, da keiner der beiden andern die Gültigkeit des Konzils von Pisa anerkannte. Diese schändliche Situation mit drei Päpsten, drei Kurienverwaltungen, drei Kardinalskollegien und dem übrigen Apparat, der sich aus einer dreifachen Führerschaft der Christenheit ergab, wurde durch den frühen Tod Alexanders V. und die Notwendigkeit einer neuerlichen Wahlhandlung verschlimmert. Ein glänzender militärischer Führer, Feldherr und General wurde zum Nachfolger Petri erhoben. Johannes XXIII. hatte seine Sporen als erfolgreicher Befehlshaber päpstlicher Truppen verdient, obschon er später auch geistlichen Rang erlangte. Von einem Papst seiner Art war keine Versöhnung zu erwarten. Da er ganz offensichtlich unfähig war, sich ohne Hilfe eines weltlichen Herrschers zu halten, erbat er die Unterstützung König Sigismunds von Deutschland, der sich schon früher für die Pisaner Linie ausgesprochen hatte. Durch zeitgenössische Schriften, vor allem des hervorragenden Dietrich von Niem, überzeugt, daß in Notfällen der Herrscher nach dem Vorbild der alten christlichen Kaiser ein Allgemeines Konzil einberufen solle, folgte Sigismund diesem Beispiel und berief, obwohl erst Anwärter auf die Kaiserkrone (erst im Jahre 1433 wurde er zum Kaiser gekrönt), am 30. Oktober 1413 ein Konzil nach Konstanz, das seine Sitzungen im Herbst des folgenden Jahres aufnehmen sollte. In gewisser Hinsicht war dies eine praktische Anwendung historischer Erkenntnisse auf ein konkretes Problem. Das Edikt Johannes' XXIII. zur Einberufung des Konzils folgte am 9. Dezember. Gregor XII. (der römische Papst) und
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Benedikt X I I I . weigerten sich, diese Einladung anzuerkennen, ebenso die spanischen Königreiche und Schottland. Nach einigen unvermeidlichen Aufschüben begann das Konzil von Konstanz am 5. November 1414 seine Sitzungen unter dem Vorsitz Johannes' X X I I I . Die Zahl der Teilnehmer war zwar nicht groß — die meisten nahmen eine abwartende Haltung ein — aber die Ankunft König Sigismunds am Heiligen Abend und seine spätere aktive Teilnahme veranlaßten viele, die noch gezögert hatten, nach Konstanz zu strömen, sodaß Anfang des Jahres 1415 29 Kardinäle, 33 Erzbischöfe, 3 Patriarchen, weit über 300 Bischöfe, zahlreiche Abte, Prioren, Professoren der Theologie und des kanonischen Rechts und Vertreter gekrönter und gesalbter Häupter in Konstanz weilten. Es war vielleicht das eindrucksvollste Konzil des Mittelalters. Seine Bedeutung lag darin, daß seine Verfügungen einen eindeutigen Sieg des Konziliarismus und eine überzeugende Niederlage des päpstlich-hierokratischen Systems darstellten. Die wesentliche Idee des Konziliarismus war, daß die Gewalt nicht beim päpstlichen Monarchen lag, sondern bei der Kirche selbst, die durch das Allgemeine Konzil vertreten war. In diesem System war der Papst nur ein Sprecher des Allgemeinen Konzils und letzten Endes der Kirche. Von ihr empfing er seine Gewalt, und ihr blieb er folglich verantwortlich. Bislang Herr der Kirche, wurde er nun zu ihrem Diener. Der Papst wurde ein Beamter, ein Organ der Kirche, die die ihm vom Allgemeinen Konzil übertragene Gewalt beschränken, modifizieren oder ganz zurücknehmen konnte. Der Konziliarismus war das genaue Gegenteil des päpstlichen Absolutismus. Er verkörperte die praktische Anwendung des aufsteigenden Herrschaftssystems (Aszendenzthese) und die Verwerfung des bisher praktisch unangefochtenen absteigenden Systems (Deszendenzthese). In ersterem ruhte die Macht des Papstes auf dem Konsens und Willen der gesamten Christenheit (der Kirche), vertreten im Allgemeinen Konzil; in letzterem vergab der Papst als Stellvertreter Christi Rechte an die Kirche und übertrug einen Teil seiner Gewalt an gewisse Amtsträger wie etwa die Bischöfe. Innerhalb des päpstlich-monarchischen Systems waren die Rechte der Kirche und ihrer Beamten letztlich diejenigen, die der Papst an sie abgetreten hatte — in Anwendung der petrinischen Worte; im konziliaren System verdankt der Papst seine Stellung und seine Rechte der Kirche durch die Vermittlung des Allgemeinen Konzils, dessen Hauptamtsträger er wurde. Das eine System Schloß das 'andere aus. Oder, anders ausgedrückt: die Souveränität lag allein beim Papst (so der päpstlich-hierokratische Standpunkt), oder sie lag bei der gesamten Kirche (so der konziliare Stand-
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punkt). Die eine Souveränität war persönlich und individuell, die andere korporativ, kollektivistisch. Hatte der Ernst der Lage — zuerst ein Schisma mit zwei, dann mit drei Päpsten, das die Christenheit spaltete und bis auf die Grundlagen erschütterte — zweifellos den zeitgenössischen Boden für die Aufnahme des Konziliarismus bereitet, so waren doch seine Hauptbestandteile nicht erst während des Schismas geformt worden, sondern blickten auf eine lange Geschichte zurück. Da waren die Lehren der Juristen, die die Kirche als eine Körperschaft ansahen, deren Haupt an die Entscheidungen ihrer Mitglieder gebunden war; da war die politische Theorie eines Marsilius von Padua, derzufolge alle politische und legislative Gewalt in den Händen des Volkes lag; da waren die juristischen und verfassungsrechtlichen Doktrinen eines Bartolus und seiner Schule, die, von der Wirklichkeit der italienischen Stadtstaaten ausgehend, die politische Gewalt der Gesamtheit der durch ein Parlament handelnden Bürgerschaft zuschrieben; schließlich war da die wachsende Kenntnis der Zustände in der Urkirche, wo Volk und Klerus ihre Beamten gewählt hatten. Fügt man alledem den allgemeinen Niedergang der päpstlichen Autorität und die weit verbreitete Unzufriedenheit, verursacht durch das tatsächliche und allenthalben anstößige und mit Christentum kaum zu vereinbarende Verhalten der Prälaten und Päpste hinzu, so wird nicht nur die Schwemme von konziliaristischen Pamphleten, Büchern und Abhandlungen in den Jahrzehnten vor Konstanz verständlich, sondern auch die Aufnahmebereitschaft des Bodens für diese „demokratischen" Ansichten. Sowohl die Verfahrensweise wie die Verfügungen des Konzils von Konstanz zeugen von den vorherrschenden Meinungstendenzen. Die drei wesentlichen Verhandlungspunkte waren: die Beendigung des Schismas, geistliche Reformen und die Verdammung gewisser Irrlehren. Der Grundsatz der Abstimmung nach Nationen, der schon in früheren Konzilien praktiziert worden war, wurde übernommen und verfeinert: es gab vier Nationen, die französische, die italienische, die englische und die deutsche, zu denen später eine fünfte, die spanische, kam. Alle endgültigen Beschlüsse mußten einstimmig gefaßt werden. Die Hoffnung Johannes' XXIII., als der alleinige rechtmäßige Papst anerkannt zu werden, erfüllte sich nicht. Als er die allgemeine Feindseligkeit spürte, hielt er es für weise, aus Konstanz zu fliehen, aber er wurde gefaßt und bis Dezember 1417 in Schutzhaft gehalten. Im Juli 1415 entsandte der römische Papst, Gregor XII., eine Legation, die das Konzil anerkannte und seinen Rücktritt anbot. Der avignonesische Papst, der hitzige Spanier Benedikt XIII., erfaßte nicht, wann die Grenze erreicht war; er verlegte seinen Amtssitz auf eine kleine Insel vor der katalanischen
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Küste und nicht einmal die persönliche Intervention König Sigismunds konnte ihn umstimmen. Das Konzil setzte ihn schließlich durch Erlaß vom 26. Juli 1417 ab, und die spanischen Königreiche, die ihn bis dahin als einzige anerkannt hatten, begannen sich am Konzil zu beteiligen. Endlich war der Weg frei. Mit der nötigen Zweidrittelmehrheit wählten die anwesenden dreiundzwanzig Kardinäle zusammen mit je sechs Vertretern der fünf Nationen in einem Konklave, das am 11. November 1417 in einer der großen Lagerhallen am Ufer des Bodensees stattfand, den Kardinal O t t o Colonna. Als Teilnehmer des Konzils von Pisa und Anhänger der pisanischen Politik, ging Martin V . als der Papst des Allgemeinen Konzils zur Beendigung des Schismas hervor. Die causa unionis
war somit gelöst.
Der Gedanke der Nation als Einheit hatte auf dem Konzil von Konstanz eine besondere Betonung erhalten und sollte im politischen und kirchlichen Leben der Folgezeit seinen festen Platz einnehmen. Der Grundsatz der Abstimmung nach Nationen — von den Universitäten übernommen — nährte zweifelsfrei nationale Gesinnungen und Gefühle, zumal wenn er in so überragend wichtigen Fragen angewandt wurde, wie sie in Konstanz auf der Tagesordnung standen. E r wurde von den Organisatoren und den Ausschüssen befürwortet und damit zum Verfassungsgrundsatz der Gesamtkirche erhoben. Für das bessere Verständnis der umwälzenden Ereignisse des 16. Jahrhunderts, der Reformation und des Aufstiegs der Nationalkirchen, liegt hier eine wesentliche Voraussetzung. Offenbar war die Wirkung des zersetzenden und ätzenden Gifts, das im „nationalen Gedanken" lag, damals noch nicht erkennbar, aber sie muß in Rechnung gestellt werden, will man die historischen Ausweitungen richtig beurteilen. Von den in Konstanz erlassenen Dekreten verdienen jene besondere Erwähnung, die dem konziliaren Gedanken vollen Ausdruck verliehen. Eines befaßt sich mit dem Wesen des Allgemeinen Konzils und seiner Gewalt: das Konzil war eine rechtmäßige Versammlung, die die gesamte Kirche vertrat und ihre Gewalt unmittelbar von Christus herleitete; folglich war jeder Amtsträger, einschließlich des Papstes selbst, dem Konzil unter Androhung von Strafen Gehorsam schuldig, vornehmlich in Fragen des Glaubens, der Reform und der Beseitigung des Schismas. Es war kaum möglich, den konziliaren Gedanken in eine klarere Sprache zu fassen, die zugleich den Zusammenbruch des päpstlich-hierokratischen Systems besser wiedergab: der Papst mußte sich den versammelten Vertretern der Kirche beugen — ein unstreitiger Sieg des aufsteigenden Herrschaftssystems, wie es von Bartolus und Marsilius eine Generation vorher verkündet und von Dietrich von Niem,
Gerson,
d'Ailly und einer Vielzahl weiterer Größen schmackhaft vorgesetzt wor-
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den war. Ob dieses Dekret Teil des allgemeinen Kirchenredits sein sollte oder ob es nur in Hinsicht auf die augenblicklichen Umstände erlassen worden war, ist nicht ganz sicher. Das zweite Dekret von unmittelbarer Bedeutung forderte die regelmäßige Abhaltung von Allgemeinen Konzilien, und zwar das erste fünf Jahre nach Konstanz, das nächste sieben Jahre danach und dann alle zehn Jahre. Auf der vierzigsten und dreiundvierzigsten Sitzung (am 30. Oktober 1417 und am 21. März 1418) wurde eine weitere Reihe folgenreicher Dekrete erlassen. Sie waren das Werk zuständiger Ausschüsse und zeigten, wie sorgfältig die einzelnen Punkte besprochen worden waren. Zu diesen Dekreten zählen Maßnahmen zur Verhinderung eines neuen Schismas: Verordnungen, die sich mit der „Reform der Kirche an Haupt und Gliedern" befaßten; das Glaubensbekenntnis, das jeder neugewählte Papst ablegen mußte; die Aufhebung aller Exemtionen, die während des Schismas gewährt worden waren; die Beschränkung des päpstlichen Besteuerungsrechts; die Bestätigung früherer Disziplinargesetze bezüglich der Tonsur und der geistlichen Kleidung; die Zusammensetzung des Kardinalskollegiums und die Zahl der Kardinäle aus den jeweiligen Nationen; schließlich die Exkommunikationen und Ablässe. Einige dieser Dekrete waren Teil von Sonderabmachungen zwischen Martin V. und bestimmten Nationen (der deutschen einschließlich Polens und Ungarns; der lateinischen einschließlich der französischen, italienischen und spanischen; und der englischen), und diese Abkommen wurden erstmals Konkordate (concordala) genannt. Abgesehen von ihrer inhaltlichen Aussage sind sie vor allem ein neuerlicher Hinweis auf den hohen Rang, den die einzelnen Nationen erlangt hatten. Die Bedeutung dieser Konkordate feg im wesentlichen darin, daß sich das Papsttum, das sich bislang als über den Reichen, Völkern und Nationen stehend verstanden hatte, nunmehr durch den Abschluß solcher Verträge mit den Nationen in Fragen spezifisch päpstlicher und kirchlicher Natur (wie die Zusammensetzung des Kardinalskollegiums, päpstliches Steuerwesen, Ernennungen, Exkommunikation und Ablässe) rechtlich binden ließ. Dies war ein Schritt von größter Bedeutung. Das Papsttum sah sich schlicht als eine Macht auf gleicher Ebene mit bestimmten Nationen, die ohne Bedenken als Nationalstaaten bezeichnet werden könnten. Diesem Tatbestand ist bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden: die Anfänge der Spaltung, zu der es genau ein Jahrhundert später kam, sind in der Entstehung dieser Konkordate zu suchen. Während Konzil und Papsttum den Gedanken der Nation als eigener Wesenheit und Rechtspersönlichkeit einmütig bekräftigten, erließ auf der anderen Seite dieses selbe Konzil Dekrete, die die Ausrottung
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angeblich ketzerischer Ansichten zum Ziel hatten, obwohl diese Häresien stark von nationalen Gefühlen durchtränkt waren. Die theologischen Ansichten des tschechischen Theologieprofessors der Universität Prag Johannes Hus wurden ohne Einschränkung als ketzerisch verurteilt. Unter dem Deckmantel theologischer Spekulation und Disputation gaben Hus' Ansichten einem starken Nationalismus Ausdruck, der sich scharf von den traditionellen universalen Lehrmeinungen des Papsttums und den allgemein gültigen religiösen Dogmen abhob. Die in Konstanz versammelte geistliche Elite verurteilte daher Hus und seinen Gefährten Hieronymus von Prag zum Tode auf dem Scheiterhaufen; das Urteil wurde ordnungsgemäß vollstreckt — löste aber damit in Böhmen heftige nationale Leidenschaften aus. Hier hatten sich, vielleicht zum erstenmal, Theologie und Nationalismus
zusammengetan.
Die Folgen waren hitzige Aufstände und bittere, gegen das Papsttum gerichtete nationalistische Äußerungen in ganz Böhmen. Dasselbe Konzil erklärte im Interesse der causa fidei gewisse Lehren des Oxforder Gelehrten John Wyclif, der großen Einfluß auf Hus ausgeübt hatte, als ketzerisch und verfügte die Exhumierung seines Leichnams. Auch Wyclifs Lehren waren von nationalen Gefühlen durchsetzt, die ihm bei seinem Angriff auf das Papsttum als Institution Rückhalt gaben. Seine Lehren fielen im zeitgenössischen England auf fruchtbaren Boden. Auch aus dieser Sicht und in Verbindung mit den volkssprachlichen Bibelübersetzungen erscheint die Ausbildung von Nationalkirchen als historisch bedingt. Aber nichts veranschaulicht die zeitgenössische Auffassung vom Papsttum wohl besser als das Angebot König Sigismunds an Martin V., seinen Sitz in Deutschland aufzuschlagen, und eine ähnliche Aufforderung des französischen Königs an den Papst, nach Avignon zurückzukehren. In den Augen führender Zeitgenossen war das Papsttum einfach zu einer Macht unter den anderen Mächten in Europa herabgesunken. Formell bestätigte das Papsttum niemals die Dekrete des Konzils von Konstanz. Nur wenigen wurde dies damals bewußt, denn nach vierzig verheerenden Jahren des Schismas war jedermann befriedigt darüber, daß die Kirche nunmehr wenigstens wieder ein unumstrittenes Haupt hatte. In diesen vier Jahrzehnten hatten nicht nur Ansehen und Autorität des Papsttums in Europa schwer gelitten, sondern auch die Institution selbst ernsthaften Schaden genommen. Die Stadt Rom war von der Königin von Neapel, Johanna I I . , und der Rest des Kirchenstaats von verschiedenen Abenteurern besetzt. Erst im Jahre 1420 und nach zahlreichen Zugeständnissen konnte das Papsttum nach Rom zurückkehren — einer verödeten Ortschaft, von den Besitzenden verlassen, ohne Hinterland für Handel und Gewerbe, lebensfähig nur
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durch die Anwesenheit des Papsttums; die St. Peters-Basilika und die Laterankirche waren Ruinen. Zu diesen äußerlichen Schwierigkeiten, denen sich das Papsttum bei seiner Rückkehr gegenübersah, gesellte sich noch der Zustand Italiens selbst. Die aufblühenden Städte wie Venedig, Genua, Pisa und Florenz, waren mächtige und unabhängige Stadtstaaten geworden, während die Königreiche Neapel und Sizilien im Süden Frankreich und Aragon Gelegenheit zur Einmischung in innere Angelegenheiten der Halbinsel boten. Der Kirchenstaat befand sich, wie schon erwähnt, in Händen von Condottieri. In dieser gefährlichen Lage sah sich das zurückgekehrte Papsttum gezwungen, alle seine Kräfte zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung zusammenzufassen und vor allem den Kirchenstaat als die territoriale und materielle Grundlage der Institution wieder aufzubauen. Trotz ernsthafter Hindernisse war das Papsttum auf diesem Gebiet erfolgreich. Der Kirchenstaat geriet wieder unter päpstliche Kontrolle, jedenfalls für kurze Zeit, bis unter Eugen IV. eine endgültige Regelung gefunden wurde. Man begreift daher, daß Martin und die Kurie bei der Ausführung jenes Konstanzer Beschlusses, der nach fünf Jahren ein neues Konzil vorgesehen hatte, wenig Begeisterung an den Tag legten. Um dem Dekret jedoch formell Genüge zu leisten, berief Martin für April 1423 ein Konzil nach Pavia, das wegen einer Epidemie im Juni nach Siena verlegt wurde, bald darauf jedoch wegen der sehr geringen Teilnehmerzahl wieder aufgelöst wurde. Aus dem gleichen Grund wurde auch kein einziges Reformdekret verabschiedet. Dadurch nicht entmutigt, doch mit wenig Eifer berief Martin, wie in Konstanz angeordnet, für das Jahr 1431 ein Konzil nach Basel: den Vorsitz sollte Kardinal Cesarini führen. Eine Erklärung für den Mangel an Interesse, dem auch das Konzil von Pavia-Siena begegnet war, bietet unter anderem der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England, der eben ein entscheidendes Stadium erreicht hatte und die französischen und englischen Prälaten fernhielt; auch unter den deutschen, polnischen, ungarischen und skandinavischen Prälaten hatte sich zweifellos eine gewisse Konzils-Müdigkeit breitgemacht. Denn die unmittelbaren Nachwirkungen des Großen Schismas und des eindrucksvollen Konzils von Konstanz waren Teilnahmslosigkeit und Verwirrung. Ganz deutlich befand man sich in einer Übergangsperiode: das Alte war noch nicht alt genug, um durch das Neue ersetzt zu werden, das seinerseits noch zu neu war, um festen Fuß zu fassen. Die zwanziger Jahre des 15. Jahrhunderts zeigen das Bild einer christlichen Welt, die unter Unglücksschlägen litt, deren Schwere in der heutigen Zeit kaum zu ermessen ist. Weder das Papsttum noch das Kardinalskollegium, weder die hohe Geistlichkeit, noch die großen Theoretiker der vorange-
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gangenen Jahrzehnte vermochten irgendeinen Hinweis darauf zu geben, wie die Zukunft der Christenheit aussehen sollte. Die große Frage, die ohne Antwort blieb, lautete: würde der Papst die Reform in die Hand nehmen oder würde das Allgemeine Konzil es tun? Würde die Papstmonarchie oder würde das repräsentative Allgemeine Konzil die künftige Autorität sein, in deren Händen Schicksal und Wiederherstellung des zerrissenen Christentums lagen? Würde die Herrschaft der Kirche auf dem absteigenden — dem traditionellen und bis zum Schisma kaum in Frage gestellten — Herrschaftssystem aufgebaut sein oder auf seinem aufsteigenden Gegenstück, wie es der Schlachtruf der Konziliaristen und aller jener verlangte, die um die Beseitigung des Schismas bemüht gewesen waren? W a r die via antiqua
oder die via moderna
das europäische Christentum beschreiten würde?
der Weg, den
In den
zwanziger
und dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts hätte man unmöglich eine befriedigende Antwort auf diese Fragen geben können, in denen, bei näherer Betrachtung und aus historischer Sicht, einige der entscheidenden Faktoren beschlossen lagen, die die Katastrophe des 16. Jahrhunderts heraufführen sollten.
XIII. DIE LETZTE PHASE IN DER GESCHICHTE DES MITTELALTERLICHEN PAPSTTUMS Die Epoche nach dem Konzil von Konstanz litt unter ihrem Erbe: Verwirrung, religiöse Trägheit, Gleichgültigkeit gegenüber der Kirche, moralischer Verfall, Unsicherheit hatten sich breit gemacht. Die traditionellen Wegweiser waren verschwunden oder hatten an Bedeutung verloren. Die Grundlagen der zeitgenössischen Gesellschaft waren ernsthaft erschüttert. Vor allem das Papsttum wurde von entschlossenen Gegnern angegriffen, den radikalen Konziliaristen. Nachdem die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit den Zeitgenossen noch allzu gut im Gedächtnis hafteten, fiel es dem Papsttum schwer, die Rolle eines Förderers der „Reform der Kirche an Haupt und Gliedern" glaubwürdig übernehmen zu können. Denn dies war in der Epoche nach Konstanz überall das Schlagwort geworden, und es bedarf keiner großen historischen Vorstellungskraft, sich darüber klar zu werden, wieviel leichter den Konziliaristen die Behauptung fiel, das Konzil eigne sich für die Rolle eines Reformorgans weit besser als das monarchische Papsttum. Der Gegensatz zwischen monarchischem Papsttum und Konziliarismus wurde jedoch in den dreißiger Jahren von einem gänzlich anderen Problem überschattet, das mit dem Gezänk zwischen dem Papsttum und seinen Gegnern nichts zu tun hatte. Das Problem betraf die gefährdete Lage des Ostreichs, das auf allen Seiten von den herannahenden Türken bedroht war. Der Schrecken, den diese Bedrohung in ganz Europa auslöste, wurde vom Papsttum mit besonderem Eifer registriert. Das Ostreich hatte in den Anfangsstadien der Entwicklung des Papsttums im 5. Jahrhundert eine entscheidende Rolle gespielt, und es sollte eine ganz ähnliche, wenn auch weniger unmittelbare Rolle genau ein Jahrtausend später in der letzten Phase des mittelalterlichen Papsttums spielen. Um die Unterstützung des Westens gegen die Türken zu gewinnen, griff der byzantinische Kaiser zu einem Mittel, von dem er sich einen unfehlbaren Erfolg versprach. Wieder einmal bot er die Vereinigung der beiden Kirchen an. Dies setzte allerdings voraus, daß er den päpstlichen Primatsanspruch anerkannte. Dieses Problem hatte die schwere Auseinandersetzung zwischen Papsttum und byzantinischem Reich im 5. Jahrhundert verursacht; es hatte dann die Entfremdung zwischen den beiden Hälften der Christenheit und den allmählichen Bruch zwischen Ost und West, zwischen Neu-Rom und Alt-Rom herbeigeführt,
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der nur vorübergehend, im Jahre 1274, hatte überbrückt werden können. Da das Papsttum seinen Anspruch auf den Universalprimat (d. h. Lehr- und Jurisdiktionsprimat) niemals aufgegeben hatte, erschien das Angebot des byzantinischen Kaisers in dieser Stunde äußerster Not in der Tat als die Erfüllung jenes Zieles, das das Papsttum seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts verfolgt hatte. Nun, da Byzanz so stark unter Druck und seine Existenz als christlicher Staat auf dem Spiele stand, schien es fast sicher, daß der päpstliche Primat über Kontantinopel nun zu guter Letzt doch noch Wirklichkeit werden sollte. W i e erinnerlich, hatte Martin V. gemäß dem Dekret des Konzils von Konstanz für das Jahr 1431 ein Konzil nach Basel einberufen. Nach seinem Tod am 20. Februar desselben Jahres, ging dieses Vermächtnis auf seinen Nachfolger, Eugen IV., über. Bis zum Dezember 1431 waren aber erst so wenig Teilnehmer in Basel eingetroffen (nur drei Bischöfe, vierzehn Äbte und ungefähr ebensoviele Professoren der Theologie), daß Eugen die Versammlung auflöste, bevor sie formal als Konzil eröffnet werden konnte. Die Weisheit dieser Maßnahme mag angesichts der vorherrschenden zeitgenössischen Stimmung bezweifelt werden. Sofort erhoben die Teilnehmer einen scharf gefaßten Einspruch gegen diese päpstliche Entscheidung (gegen die eine Reihe von Kardinälen gestimmt hatte), und nur durch die Bemühungen Sigismunds wurde ein offener Bruch zwischen Konzil und Papst abgewendet. Die Basler, die von Deutschland, England, Frankreich, Schottland und Burgund unterstützt wurden, hatten bereits mit der Absetzung Eugens IV. gedroht. Im Dezember 1433 wurde dem Papst klar, daß es zweckmäßig wäre, seine Entscheidung rückgängig zu machen, und er erkannte die Versammlung formell als Allgemeines Konzil an. Zu diesem Zeitpunkt schien das Basler Konzil, dessen Teilnehmerzahl sich inzwischen ständig vergrößert hatte, ganz den Zuschnitt eines europäischen Parlaments angenommen zu haben. Eine Reihe von Reformdekreten wurde erlassen, die sich in der Hauptsache mit der Disziplin des Klerus befaßten. aber auch einige, die die Zahl der Kardinäle festlegten, sich mit der Regierung des Kirchenstaats beschäftigten und die an die Kurie zu entrichtenden Steuern wenn auch nicht ganz abschafften, so doch herabsetzten. Ob diese Verfügung klug war, mag wohl bezweifelt werden, da das Einkommen der Kurie dadurch stark gelitten hätte. Der Papst fühlte sich angegriffen, und die Beziehungen zwischen ihm und dem Konzil verschlechterten sich in der Folge rasch. An diesem Punkt begann der byzantinische Vorschlag einer Union zwischen Ost und West das Problem von monarchischer Papst-Verfassung oder konziliarer Verfassung entscheidend zu beeinflussen. Obwohl sich diese Verknüpfung der Probleme ganz zufällig ergab, war sie doch
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für den Ablauf der nachfolgenden Entwicklung von ursächlicher Bedeutung. Die Ankunft der griechischen Gesandtschaft machte die Bestimmung eines Ortes nötig, der allen Seiten genehm war. Aus historischen und ideologischen Gründen entschied sich das Papsttum sofort für einen Ort in Italien — Rom als die nächstliegende Möglichkeit kam wegen der beträchtlichen Unruhen und gelegentlichen Aufstände nicht in Betracht. Nachdem schließlich die Primatsfrage ein so überwältigend „römisches" Problem war, schien dem Papsttum ein Versammlungsort außerhalb Italiens nicht annehmbar. Ganz unberührt von solchen Überlegungen wünschten andererseits die Basler Konzilsväter eine Fortsetzung des Konzils in Basel, Avignon oder irgendeiner Stadt Savoyens: dies war jedenfalls die Auffassung der in Basel versammelten Mehrheit, wobei sich nicht ausschließen läßt, daß der französische König, Karl VII., sie beeinflußt hatte. Eine Minderheit in Basel unterstützte die päpstliche Anregung, eine italienische Stadt zu wählen, die dann wiederum vom Papsttum im Mai 1437 aufgegriffen wurde. Mit der Forderung, Eugen wegen Ungehorsams gegenüber einem konziliaren Beschluß den Prozeß zu machen, begannen die Konzilsväter nun ernsthaft gegen das Papsttum loszuschlagen. Das Papsttum seinerseits machte sich den Standpunkt der Minderheit von Basel als des „gewichtigeren Teils" (pars sanior) zu eigen, und mit Dekret vom 18. Dezember 1437 verlegte es das Konzil offiziell von Basel nach Ferrara — dem in Aussicht genommenen Tagungsort des Unionskonzils. Der Vorsitzende des Konzils von Basel, Kardinal Cesarini, und die Minderheit einschließlich Nikolaus' von Cues ließen die „Fortschrittlichen" in Basel zurück und stießen zu den traditionellen Kräften ·— die Spaltung lag offen zu Tage. Der kausale Zusammenhang zwischen dem Unionsprojekt und der Grundsatzfrage, Papst oder Konzil, wird zwar selten begriffen, muß aber beachtet werden, denn wir haben hier das erste Glied in einer langen und verworrenen Kette von Ereignissen vor uns, die allmählich zu einer gewissen Restauration des Papsttums führten. Jedenfalls erwies sich wieder einmal die Bedeutung von Byzanz als entscheidend. Noch vom Schwung der konziliaren Bewegung ergriffen reagierten die Basler auf die päpstliche Initiative mit offenem Zorn. Sie drohten dem Papst mit Amtsenthebung und forderten von ihm die amtliche Bestätigung bestimmter Artikel, darunter des konziliaren Glaubensbekenntnisses, wonach das Konzil als von Gott inspirierte Versammlung dem Papsttum überlegen sei. Offensichtlich war dies nur ein herausfordernder Schachzug, dessen Ergebnis sich voraussehen ließ. Nachdem er die Konzilsforderungen abgelehnt hatte, wurde Eugen vom Konzil von Basel abgesetzt. Er ließ diese Maßnahme jedoch unbeachtet und eröffnete im Januar 1438 das Konzil von Ferrara, wo einige fruchtbare Diskus-
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sionen begannen, während zugleich die Sicherheit der Mitglieder — deren Zahl langsam stieg — durch eine Seuche gefährdet wurde. Zu Beginn des Jahres 1439 wurde das Konzil von Ferrara nach Florenz verlegt. Die Basler hatten inzwischen in der Hussitenfrage beträchtlichen Erfolg verbuchen können. Da die Kreuzzüge gegen die Hussiten nichts gefruchtet hatten, war es zu Verhandlungen zwischen dem Basler Konzil (vertreten durch Johannes von Ragusa, Johannes von Palomar und Aegidius Charlier) und den Hussiten (vertreten durch Johannes Rokycana, Prokopius dem Großen und Peter Payne) gekommen, die schließlich, am 5. Juli 1436 in Iglau, in den sogenannten Kompaktaten zu einem Übereinkommen führten. Sie wurden vom Basler Konzil ratifiziert, aber vom Papsttum niemals bestätigt. Die hauptsächliche, wenn nicht ausschließliche Aufgabe des Konzils von Florenz bestand darin, eine Union mit dem Osten zu erreichen unter Bedingungen, die nicht bloß als rein äußerliche Formulierungen gedacht waren. Der Osten hatte eine zahlenstarke, gelehrte und wendige Gesandtschaft unter der Führung der Erzbischöfe Bessarion von Nicäa und Isidor von Kiew abgeordnet. Am 6. Juli 1439 wurde im Dekret Laetentur, das der Kaiser und alle 43 Mitglieder der Gesandtschaft persönlich unterzeichneten, die lang ersehnte Union bekannt gegeben. Aber das Schicksal dieser Union unterschied sich in keiner Weise von dem ihrer Vorgängerin von Lyon vom Jahre 1274. Die kulturelle, religiöse, kirchliche und politische Kluft war längst zu tief geworden, um noch überbrückt werden zu können, wie annehmbar die Bedingungen den Hauptbeteiligten auch erscheinen mochten. Der Widerstand in Konstantinopel war zu stark, um von Kaiser Johannes V I I I . überspielt werden zu können. Aber vor allem verschwand schließlich innerhalb der nächsten eineinhalb Jahrzehnte die einst so stolze, glänzende Nachfolgerin des alten Imperium Romanum von der Landkarte und wurde eine Beute der türkischen Horden. Ein Reich, einst Träger geistigen Erbes mit einer fruchtbaren Kultur und an zivilisatorischer Ausstrahlung von keinem anderen in Europa übertroffen, war unter die Stiefel der barbarischen Türken geraten. Die jahrhundertealten inneren Spannungen und die kirchliche Trennung vom Westen hatten das Reich ausgehöhlt und zu seinem Zusammenbruch beigetragen: sie hatten die Kräfte des Reichs angefressen. Das byzantinische Erbe wurde von Rußland angetreten, das sich als äußerliches Symbol seiner Fortführung des „Römischen" Reiches den kaiserlichen Doppeladler anmaßte. Ivan I I I . (1462—1505) beanspruchte auf Grund seiner Ehe mit der Nichte des letzten Palaiologen den Thron für sich. Die bislang nicht unfreundliche Haltung der Zaren gegenüber dem Papsttum verwandelte sich nunmehr in offene Feindseligkeit, die bis zur Revolution von 1917 bestehen blieb
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Aus der Sicht des Papsttums war jedoch die Union, wie unwirksam sie in der Tat auch bleiben mochte, ein großer Erfolg, mochte auch das Konzil von Florenz weit davon entfernt sein, die Christenheit voll zu repräsentieren. Die anwesenden Prälaten waren beinahe alle Italiener, mit Ausnahme von drei spanischen, zwei irischen und je einem Bischof aus Polen und Portugal. Nur Burgund und die angevinischen Reiche hatten Delegationen entsandt. Im weit entfernten Basel kamen die Dinge gar nicht zur Zufriedenheit der Konzilsväter voran. An die Stelle des abgesetzten Eugen I V . wählten sie den Herzog Amadäus von Savoyen, einen Witwer, der als Felix V. der letzte Gegenpapst in der Geschichte des Papsttums wurde — er war Symbol wie auch Symptom für die Lage der Dinge um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Basler erhielten starke Unterstützung vom französischen Klerus und König, deren Neigung, die gallikanische Kirche zu bevorzugen, in der Pragmatischen Sanktion von Bourges (vom 7. Juli 1438) ihren Niederschlag fand. Sie verstärkte den königlichen Einfluß auf die Ernennung der Geistlichen ganz beträchtlich und bestand darauf, das Konzil sei dem Papst als seinem Exekutivorgan bedingungslos überlegen. Die Sanktion übernahm nicht weniger als dreiundzwanzig Dekrete von Basel in das französische Landesrecht und legte damit die Grundlage für den Gallikanismus. Es ist in der Tat verständlich, daß zwischen Basel und Frankreich eine Interessengemeinsamkeit bestand. Aber die Basler begannen trotz dieser und anderer aktiver Unterstützung rasch an Zustrom und Ansehen in ganz Europa zu verlieren — nicht so sehr, weil ihre Ansichten als unannehmbar galten, sondern vielmehr weil ihre eigenen lautstärksten und treuesten Wortführer ihr Lager verließen und zum Papsttum überliefen, dessen Institution sie jahrelang heftig bekämpft hatten. Der Sekretär des Konzils, der spätere Pius I I . , war eine jener Größen, die Basel verließen und ihr Glück beim Papsttum suchten; ein anderer war Panormitanus, einer der großen Konziliaristen und ein hervorragender Kanonist. Nachdem die Auflösung einmal begonnen hatte, gab es kein Halten mehr. Zunächst war es nur die Qualität der Uberläufer, die die Stellung des Konzils schwächte, aber bald mußte es auch quantitative Verluste hinnehmen. In Deutschland erklärten sich die Landesfürsten in der Auseinandersetzung zwischen Papst und Gegenpapst (und damit Basel) neutral, wobei sich allerdings schwer sagen läßt, was diese Neutralität in der Praxis bedeutete, zumal im Mai 1439 einige Basler Dekrete als geltendes Recht übernommen wurden (das sogenannte instrumentum acceptations). Um die Mitte der vierziger Jahre hatten sich einige Kurfürsten und andere deutsche Landesfürsten offen dem Papsttum angeschlossen, dem seine Legaten gute Dienste erwiesen, besonders der spätere Papst
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Nikolaus V. Das Reich und die Kurie schlossen im Februar 1448 das sogenannte „Wiener Konkordat", das zusammen mit früheren Konkordaten einen vorübergehenden Erfolg des Papsttums bedeutete. Im ganzen gesehen legalisierte dieses Abkommen eine Menge päpstlicher Forderungen und traf eine Reihe vernünftiger finanzieller Regelungen. In mancherlei Hinsicht war das „Wiener Konkordat" (das formell bis zum Jahre 1803 in Kraft blieb) das genaue Gegenstück der Pragmatischen Sanktion von Bourges. Es läßt sich kaum bezweifeln, daß seit der Mitte des 15. Jahrhunderts der Konziliarismus seine Hauptstoßkraft verloren hatte und daß aus dem grundlegenden Konflikt das Papsttum als Sieger hervorgegangen war, das innerhalb eines eingeschränkten Handlungsspielraums langsam, aber sicher etwas von der Stellung zurückeroberte, die es zur Zeit des Aufenthalts in Avignon und vor allem während des Schismas eingebüßt hatte. Zur richtigen Beurteilung sollte man sich vor Augen halten, daß gegen Ende des Konstanzer Konzils kaum noch ein Schatten der ehemaligen Autorität und Macht des Papsttums erkennbar gewesen war. Und doch hatte die Institution innerhalb von kaum mehr als 30 Jahren wieder beträchtlich an Ansehen gewonnen, das freilich von der Stellung, die es im Hochmittelalter gehabt hatte, weit entfernt blieb. W i e läßt sich diese teilweise Wiederherstellung der päpstlichen Autorität erklären? Die Erklärung liegt sicherlich nicht beim Papsttum selbst, sondern im Konziliarismus und seinen Anhängern. Sie waren es, die als erste lautstark ein neues System verkündeten, um dann ihr eigenes Lager zu verlassen und zu den „alten Vorfahren" zurückzukehren. Wie häufig und wie lauthals die Konziliaristen auch erklärten, die ursprüngliche Gewalt liege bei der Kirche, ihre Auffassung von der Kirche war bei näherem Hinsehen doch recht beschränkt. Sie verstanden unter der Kirche die Priesterschaft, d. h. ihre ordinierten Mitglieder. Mit anderen Worten, trotz ihrer hochtrabenden und „fortschrittlichen" Forderungen waren die Konziliaristen wenig mehr als eine Neuauflage der altmodischen Episkopalisten, deren Programm sich von dem ihren nicht tiefgreifend unterschied. Gemeinsam war ihnen die Abneigung gegen die monarchische Primatsstellung des Papstes, d. h. die Weigerung, die monarchische Herrschaft des Papsttums anzuerkennen. Aber während die früheren Episkopalisten im großen und ganzen kein positives Ziel formuliert, sondern in der Hauptsache, wenn nicht ausschließlich, die von Einmischungen des Papsttums ungestörte Herrschaft in ihren Diözesen angestrebt hatten, legten die Konziliaristen ein positives Programm vor, indem sie die Kontrolle des Papsttums durch das Allgemeine Konzil forderten. Das Konzil, das diese Funktion ausüben sollte, war in
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Wirklichkeit nichts weiter als eine Versammlung des höheren Klerus. Die gelehrten Laien zählten nicht. Zwar nahmen Abgesandte von Königen in Konstanz und Basel teil, aber sie Varen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete theokratischer Herrscher gekommen, die rein gedanklich der hohen Geistlichkeit näher standen als den gebildeten Laien oder dem niederen Klerus. Die Gefahr, die nun zwischen Papsttum und theokratischen Herrschern zu einer Allianz führte — und zum Teil auch die Rückkehr vieler Konziliaristen auf die Seite des Papsttums erklärt —• bestand in der Bedrohung, die der Konziliarismus für den traditionellen Aufbau der Gesellschaft bedeutete. Auf zahlreichen Reichstagen und Fürstenversammlungen der vierziger Jahre des 15. Jahrhunderts wurde von vielen einflußreichen Sprechern der Einwand vorgebracht, die Annahme des Konziliarismus — eine kaum verhüllte Form der Aszendenzthese von Herrschaft und Recht — führe zu äußerster Unordnung und Verwirrung im öffentlichen Leben, weil er Könige und Fürsten ständig den Parteiungen und Launen und den Demagogen des Volks aussetze, die, anstatt beherrscht zu werden, bald die Beherrscher ihrer Herren, der Könige — und Päpste — sein würden. In grellen Farben und in düsteren Prophezeiungen wurde auf Reichstagen wie in Mainz, Frankfurt, Nürnberg und anderswo das Gespenst von Aufruhr und Anarchie beschworen. „Unaussprechliche und unerträgliche" Folgen, so hieß es, müßten sich aus der Anwendung der im Konziliarismus enthaltenen Grundsätze auf die weltliche Politik ergeben. In apokalyptischen Wendungen wurden die verheerenden Folgen prophezeit, die die Verwirklichung der Aszendenzthese nach sich ziehen würde. Begabte Schriftsteller unterstützten diese Sprecher. Das Ergebnis dieser Propaganda war ernsthafte Besorgnis auf Seiten der weltlichen Regierungen, die sich nicht weniger als das Papsttum der Bedrohung durch die „neumodische", „demokratische" Entwicklung ausgesetzt sahen. Kurz, es ging um nichts anderes als die Erhaltung des status quo gegen die neuen, rasch aufsteigenden Gruppen, Schichten und Kreise der Bevölkerung — gegen den erfolgreichen Aufstieg des dritten Standes. Es ging, anders gesagt, darum, ob sich die monarchische Herrschaft im traditionellen Sinn gegen den Ansturm der „Volks" massen, einschließlich der gebildeten Laien, des gebildeten niederen Klerus, der wohlhabenden, erfolgreichen weltlichen Kaufleute und anderer behaupten konnte. Diese neuen Schichten waren es, die die weltlichen Herrscher und Fürsten und das Papsttum in ein gemeinsames Lager trieben. Daß es zu keinen Auseinandersetzungen (nach bekanntem Muster) zwischen den Königen und dem Papsttum für den Rest des 15. Jahrhunderts kam, war in der Tat kein Zufall. Sicherlich gab es genug Explosions-
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stofi, der in früheren Zeiten zu neuen hitzigen Konflikten aufgeflammt wäre, aber Papst und weltliche Monarchen sahen sidi einem gemeinsamen Gegner gegenüber, dem aufsteigenden, gebildeten städtischen Bürgertum. Daher die Bereitschaft des Papsttums und der Monarchien, miteinander Konkordate abzuschließen. Hier zeigte sich ferner, daß das Papsttum sich als Macht nicht von anderen europäischen Mächten unterschied und seinen Sitz nur zufällig in Italien hatte. Oder, aus wieder anderer Sicht, die Tatsache, daß Felix V. der letzte Gegenpapst blieb — die Rolle, die er während seiner „Amts" zeit spielte, war wahrlich erbärmlich — , war ein deutliches Zeichen dafür, wie tief der Nachfolger Petri gesunken war. Sein Amt und seine Würde wurden nicht mehr als erstrebenswert empfunden. Dieser schlichten und doch hoch bedeutsamen Tatsache scheint zu wenig Aufmerksamkeit zuteil zu werden. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts und während der folgenden Jahrzehnte wurden seitens der herrschenden Schichten verschiedene Versuche unternommen, jene Teile der Bevölkerung in Schach zu halten, die nach Beteiligung an der Regierung in Staat und Kirche drängten. E s waren dies die ersten Anzeichen der Reformation, die zwar in erster Linie auf religiöse und kirchliche Anliegen zurückging, aber doch auch einen starken Einfluß auf die weltlich-politische Struktur ausübte. Man muß deshalb auf die noch immer mächtige Front der herrschenden Kräfte verweisen und ihren Versuch, das neue bürgerliche Element zurückzudrängen, also genau jene Bevölkerungsgruppen, an die sich die Reformation im frühen 16. Jahrhundert so erfolgreich wandte. Eine kluge Regie hätte die in diesen Kräften steckenden Möglichkeiten fördern und sie für ein gemeinsames und konstruktives neues Programm gewinnen können. Ferner schenkten die herrschenden Schichten in ihrem Bemühen, den status quo zu erhalten, der allgemeinen Losung „Reform der Kirche an Haupt und Gliedern" nur mehr geringe Beachtung. Da das Papsttum auf Grund seiner Verfassung seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf die
Wiederherstellung
der
monarchischen
Herrschaftsform
richten
mußte, konnte es sich mit den Mißständen, die geradezu nach einer Reform schrieen, nicht mehr befassen. Gute Absichten, die vorhanden sein mochten, wurden durch die Rolle vereitelt, die das Papsttum in Italien zu spielen gezwungen war:
teils durch seine Versuche, das
päpstliche Patrimonium als lebensfähigen Staat zu erhalten, teils, weil es in den tödlichen Kampf zwischen mächtigen Stadtstaaten wie Genua, Venedig und Mailand hineingezogen wurde; teils auch, weil päpstliche Interessen mit den beiden großen Mittelmeermächten, Frankreich und Spanien, die ihre Fühler auf die italienische Halbinsel ausstreckten, unmittelbar in Konflikt gerieten. All dies bildete für das Papsttum eine
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damnosa hereditas der vorangegangenen historischen Entwicklung. Besonders Spanien und Frankreich versuchten, auf der Halbinsel eine Hegemonialstellung zu errichten. So wird verständlich, warum das Papsttum eine Reform vernachlässigte, die nach wie vor allgemein und dringlich gefordert wurde. Mit einem Wort, das Papsttum schrumpfte mehr und mehr zu einer mittelitalienischen Macht zusammen, wie sich deutlich an der Bildung der großen italienischen Liga (im Jahre 1455) erweist, der das Papsttum, Florenz, Venedig und Mailand angehörten, und es fand immer weniger Gelegenheit, sich mit jenen universalen und grundsätzlichen Fragen zu beschäftigen, die es vormals mit so meisterhafter Geschicklichkeit gehandhabt hatte. Genau ein Jahrtausend vorher hatte Konstantinopel in der Geschichte des Papsttums als einer universalen Institution eine entscheidende Rolle zu spielen begonnen, und vielleicht war es symbolisch, daß der Fall Konstantinopels mit dem Niedergang zusammentraf, der nun das Papsttum als eine universale Herrschaftsinstanz heimzusuchen begann. Um ein abgerundetes Bild von der Lage zu gewinnen, in der sich das Papsttum im 15. Jahrhundert befand, ist es ratsam, diejenigen Kräfte dem Verständnis zugänglich zu machen, die, ganz und gar unabhängig von der Institution, dennoch sehr unmittelbar auf vielfältige und abträgliche Weise auf sie einwirkten. Denn dies war auch das Zeitalter, in dem Humanismus und Renaissance ihre erste Blüte entfalteten. In besonderer Weise verantwortlich für die Verringerung des päpstlichen Ansehens und unauflöslich verbunden mit Humanismus und Renaissance war die Aufmerksamkeit, die dem Individuum als solchem zugewandt wurde, d. h. dem Einzelnen in seiner Eigenschaft als Mensch (als homo). Mehr und mehr zählte die natürliche Humanität des Menschen und nicht der Mensch als Mitglied der Kirche (s. a. o. S. 253). Der Humanismus bewirkte eine Wiedergeburt des natürlichen Menschen, d. h. eine Wiedergeburt des Menschen, der bildlich verstanden vom Taufwasser hinweggespült worden war. Der Christ und der natürliche Mensch waren zwei gänzlich verschiedene Wesen. Der Einzelne wurde in einer Doppelrolle gesehen, in der des natürlichen Menschen und in der des Christen. In ersterer Eigenschaft folgte er seinem natürlichen Urteil, den Normen und Gesetzen, die die Natur ihm eingepflanzt hatte. Kurz, er wurde autonom und folglich ein unabhängiger Bürger. In letzterer Eigenschaft war er ein bloßer Untertan und folgte den Normen, die ihm von einer höheren Autorität gegeben wurden. Der Aufstieg des Individuums als freien Bürgers fiel zusammen mit dem Erwachen und der Ausbildung des neuen Staatsbegrifis; beide berührten wesentlich Funktion, Autorität und Stellung des Papsttums. Denn das Papsttum war — so lautete sein Programm seit der Mitte
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des 5. Jahrhunderts — in erster Linie eine Herrschafts-, d. h. eine Reditsinstitution, aie die Rechtsnormen für die gläubigen Untertanen festlegte. Aber die Wiederentdeckung des natürlichen Menschen auf privatsittlichem und des freien Bürgers auf öffentlich-politischem Gebiet veränderte das Bild grundlegend, und das vor allem nach den unruhigen Zeiten des Großen Schismas und der konziliaren Bewegung. Denn als natürlicher Mensch (und Bürger) gehorchte der Einzelne seinem Gewissen, d. h., er begann sich in religiösen Fragen ein eigenes Urteil zu bilden und seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Das aber bedeutete, daß das Papsttum nun als Herrschaftsinstitution entsprechend weniger ins Gewicht fiel. Es war gewiß kein Zufall, daß im 15. Jahrhundert so viel persönlicher religiöser Eifer in Erscheinung trat, etwa in der Mystik, in der Imitatio Christi von Thomas von Kempen, in den Schriften Johanns von Godi und Johann Wesels oder in den höchst eigenwilligen Predigten Johanns von Capestranos in Österreich, Schlesien und Böhmen. Es gab noch zahlreiche weitere Erscheinungen solcher individueller Religiosität, die die Abkehr von der äußerlich verrechtlichten und formalisierten Art religiösen Gehorsams bezeugten, um an ihrer Stelle die persönliche, innige und unmittelbare Beziehung zu Christus zu setzen, die nicht mehr der Priester als Mittler zwischen Gott und dem Menschen bedurfte. Ein aufmerksamer Beobachter der geistigen Strömungen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hätte eine auffällige Abwendung von der orthodoxen und traditionellen „kollektiven" Weltsicht beobachten können, derzufolge die Christenheit sich erst vermittels des Papsttums, seines Rechts und seiner Dekretalen entsprechenden Ausdruck verschaffen konnte. Folglich gewannen jetzt die Urteilskraft des Einzelnen und seine Verantwortlichkeit für sein irdisches Verhalten vor Gott an Gewicht. Zieht man auch die übrigen, bereits erwähnten Umstände in Betracht, so wird man feststellen, daß sich das Papsttum im Verlauf des 15. Jahrhunderts einem geistigen und religiösen Ansturm gegenüber sah, den aufzuhalten es nicht gerüstet war. Das üppige Gedeihen von Humanismus und Renaissance und ihre praktischen Äußerungen waren gewichtige Faktoren, die den Einfluß des Papsttums schwächten und den Weg für das Programm der Reformatoren des 16. Jahrhunderts ebneten. Denn der Einfluß, den das Papsttum vermittels des Rechts auf die Gläubigen ausgeübt hatte, verringerte sich in gleichem Maße, wie der des individualistischen Humanismus wuchs. Mehr und mehr wurde die Daseinsberechtigung des Papsttums als einer öffentlich-rechtlichen Herrschaftsanstalt in Frage gestellt, denn die Religion, das Gewissen des Einzelnen und seine Bindung an und zu Gott schienen nicht länger lenkbar zu sein durch das stumpfe Instrument des Rechts. In Ver-
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bindung mit der allzu lebhaften Erinnerung der Zeitgenossen an die jüngste Vergangenheit kennzeichnete diese Loslösung vom Papsttum deutlich das Ziel des (wiedergeborenen) Individuums, nämlich die Befreiung von allen einengenden Fesseln auf religiösem Gebiet. Nur so konnte das Individuum die unmittelbare Verbindung zu Gott herstellen. Sogar in seiner allernächsten Umgebung mußte das Papsttum gegen gewisse Freiheitsbestrebungen ankämpfen. Von noch unmittelbarerer Bedeutung war der Umstand, daß die Stadt Rom wieder einmal zum Tummelplatz republikanischer Herrschaftsideen wurde, diesmal durdh den Humanisten Stefano Porcara. Der Aufstand wurde mit scharfen Maßnahmen unterdrückt, die die öffentliche Hinrichtung aller Rädelsführer in Rom miteinschlossen. All dies stand in krassem Gegensatz zu dem Glanz und Prunk, der nur ein Jahr vorher in Rom entfaltet worden war, als der erste der Habsburger sich der letzten in Rom vorgenommenen Kaiserkrönung unterzog (am 19. März 1452). Dieses Ereignis war wohl ein Symbol. Zum letzten Mal war Alt-Rom der Schauplatz einer Kaiserkrönung — ein Jahr, bevor Neu-Rom endgültig von der Landkarte verschwand (im Jahre 1453). Es ist, als kennzeichneten diese beiden Ereignisse das Ende der mittelalterlichen Romidee in ihrer geistlichen und weltlichen Erscheinungsform. Bologna hatte sich praktisch selbständig gemacht, was vom Papsttum, zu Recht, als gefährliches Zeichen angesehen wurde. Die Existenz des Kirchenstaats war bedroht, und es wurden unverzüglich Maßnahmen ergriffen, um seiner Auflösung entgegenzuwirken. Es sollte nicht übersehen werden, wie mächtig der Einfluß von Humanismus und Renaissance in kultureller Hinsicht war, wurde doch das Papsttum selbst in ihren Bannkreis hineingezogen, um sich schließlich als einer der vornehmsten Förderer ihrer kulturellen Ausdrucksformen zu erweisen. Es betätigte sich als Mäzen gegenüber einer Reihe von Schriftstellern und Philosophen; besonders bemerkenswert war die Art, wie es die kritische Gelehrsamkeit förderte. Humanisten wie Poggio und Lorenzo Valla wurden eingeladen, in Rom zu arbeiten, obgleich Valla (und, unabhängig von ihm, Nikolaus von Cues) zu dem unbestreitbaren Ergebnis kommen sollte, daß die berühmte Konstantinische Schenkung eine ungeheure Fälschung war. Zahlreiche klassische und patristische, griechische und lateinische Handschriften häuften sich in Rom an. Unter Nikolaus V. wurden weit über tausend und unter Sixtus IV. sogar noch mehr Handschriften in der Vatikanischen Bibliothek gesammelt, die zum größten und bestorganisierten Zentralarchiv für alles verfügbare Handschriftenmaterial wurde. Nikolaus V. ist es zu verdanken, daß eine Menge von Handschriften Augustins, Bonaven-
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turas und Thomas' von Aquin nodi heute erhalten sind. Sobald wieder geordnete Verhältnisse eingetreten waren, ging das Papsttum ganz im Geiste einer kulturellen Renaissance in großem Stile an den Wiederaufbau der Stadt Rom — die zum größten Teil in Trümmern lag — und an die Errichtung, wo nötig auch die Wiederherstellung von Befestigungen, die angesichts feindlicher Nachbarn notwendig waren. Die Renovierung einer Reihe von Basiliken machte Rom zum Paradies für die Künstler; einige der größten Maler ihrer Zeit, Perugino, Roselli, Botticelli, Pinturicchio und viele andere mehr erhielten einen Ruf nach Rom. Es wurde mit dem Bau eines der eindrucksvollsten Renaissancepaläste, des Palazzo Venezia, begonnen, der bis zum heutigen Tag eines der prächtigsten römischen Bauwerke darstellt. Die Wiederherstellung der römischen Wasserleitung (Acqua vergine) war eine weitere Leistung des Renaissancepapsttums. Unter ihm wurden die Sixtinische Kapelle und eine Reihe von Kirchen errichtet, wie Santa Maria del Popolo und Santa Maria della Pace. Um die Wende des 16. Jahrhunderts ergingen Rufe an Michelangelo, Raffael, Bramante und andere, nach Rom zu kommen und dem Papsttum ihre Talente zur Verfügung zu stellen; sie haben Rom in vieler Hinsicht zu dem gemacht, was es in den Augen staunender Besucher noch heute ist. Es wäre aber irrig, anzunehmen, daß die Faszination des Humanismus auf seine kulturellen Äußerungen beschränkt blieb. Die Päpste, in der Hauptsache Italiener, fühlten sich verständlicherweise recht stark vom Humanismus in seinen mannigfachen Formen angezogen. Jene Freisetzung der „Humanität" und die befreiende Wirkung, die sie auch auf die Päpste ausübte, erklärt wenigstens zum Teil die Lage der Dinge am Vorabend der Reformation. Eine wahre Umwertung der Werte zeichnete sich ab. Ursprünglich hatte die Institution den einzelnen Papst aufgesaugt, der nicht mehr und nicht weniger als ein Beamter war (s. o. S. 16ff.). Nunmehr jedoch rückte auf Grund der Rolle und des Ranges, die dem Individuum zufielen, der einstige Beamte an die Stelle der Institution, bis das Papsttum als Institution so sehr in den Hintergrund trat, daß nur noch wenige Spuren seiner ehemaligen Autorität und Stellung als Herrschaftsinstanz sichtbar zurückblieben. Es ist ratsam, auf den Stand der Dinge hinzuweisen, wie er sich im späten 15. Jahrhundert darstellte. Die Persönlichkeiten der Päpste waren es, die zählten und den Ton angaben, einen Ton mit all den Verdiensten und Schwächen des italienischen Humanismus des 15. Jahrhunderts. Nicht mehr das unpersönliche Amt mit seinem Kompetenzbereich war ausschlaggebend, sondern der persönliche Charakter des einzelnen Papstes, seine „bumanitas" ; damit kam aber gerade jener Grundsatz zum Zug, den die päpstliche Ideologie seit der Mitte des
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5. Jahrhunderts energisch und erfolgreich zurückgewiesen hatte. Diese Umkehrung der Dinge erklärt die scharfe und deutliche Kluft zwischen dieser Epoche und dem Hochmittelalter. Ursprünglich waren Urteil oder Rechtssatz des Papsttums entscheidend, unabhängig von der Person des jeweiligen Papstes; als aber die Institution ihre Autorität eingebüßt hatte, blieb allein das Recht des Papstes als einer Einzelperson bestehen; damit aber war eine gänzlich neue Sachlage entstanden. Sobald allerdings Handlungen und Verhalten des einzelnen Papstes kritisch geprüft wurden, standen sie zu dieser Zeit sehr häufig moralisch auf viel niederer Stufe als die Verhaltensweisen seiner Zeitgenossen, die dem Stellvertreter Christi auf Erden an gesellschaftlichem Rang weit unterlegen waren. Schon ein ganz flüchtiger Überblick zeigt die Folgen dieser Umkehrung des Verhältnisses von Papst und Papsttum auf. In Erfüllung der Konkordate mußte das Papsttum eine Reihe von Kardinälen aus bestimmten Ländern ernennen. Das führte unverzüglich zur Bildung von Parteiungen innerhalb des Kardinalskollegiums, in dem nationale Differenzen recht stark in den Vordergrund traten — die Wirkung war etwa dieselbe wie zu jener Zeit, als der eingesessene römische Adel seine Mitglieder in das Kollegium eingeschleust hatte (s. o. S. 104 f., 110 f.). Um sich nun ein wirksames Gegengewicht gegen königliche Einflüsse zu verschaffen, griffen die Päpste zur List des Nepotismus, der jedoch eine unvermeidbar demoralisierende Wirkung auf die Päpste und die Kurie ausübte. Calixt III. etwa erhob zwei Jünglinge, beide seine Neffen, in den Kardinalsrang, einer von ihnen ein Borgia, der spätere Alexander VI.; Sixtus IV. machte nicht weniger als fünf seiner Neffen zu Kardinälen, während kurz darauf Innozenz VIII. einen dreizehnjährigen Sprößling der Familie Medici ernannte, den späteren Leo X. Nepotismus in großem Stil, beinahe berufsmäßig betrieben, blieb keineswegs auf das Kardinalskollegium beschränkt, sondern führte vielfach zu Korruption und Amtsmißbrauch in den Abteilungen der Kurie, in die auch höchste Beamten und Würdenträger verwickelt waren. Bestechung und Simonie waren an der spätmittelalterlichen Kurie an der Tagesordnung. Persönliche Sekretäre der Päpste und andere hochgestellte Beamte fälschten gegen Zahlung beträchtlicher Barsummen päpstliche Dekrete, Privilegien und Bullen. Infolge ihres Verhaltens in der Öffentlichkeit und im Privatleben konnten die meisten der damaligen Päpste nicht nur ihren Mitmenschen keinen Respekt einflößen, sie fielen vielmehr überall der Verachtung anheim. Während Pius II. nur einen unehelichen Sohn besaß, hatte Innozenz VIII. einen Sohn und eine Tochter, auf deren Wohlergehen er mehr Sorge verwandte als auf das päpstliche Amt: in der Freude, die es ihm bereitete, die Hochzeit
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seines legitimierten Sohnes mit einer Tochter aus der Familie der Medici im Vatikanspalast zu veranstalten, spiegelten sich eher väterlichleibliche Instinkte als väterlich-geistliches Pflichtgefühl wider. Es überrascht kaum mehr, daß er die päpstliche Tiara und fàst alle päpstlichen Schätze verpfändete. Kaum zwei Jahre später (im November 1488) veranstaltete derselbe Papst eine weitere prächtige Hochzeitsfeier im Vatikan, diesmal für seine Enkelin Peretta (Tochter seiner Tochter Theodorina), die den reichen Kaufmann Usodinare aus Genua heiratete. Der berüchtigte Borgia, Alexander VI., brüstete sich öffentlich damit, durch Simonie zum päpstlichen Amt gelangt zu sein, und sein Verhältnis mit Vanozza de Cataneis, einer verheirateten Adeligen, deren Palast nur einen Steinwurf vom Vatikan entfernt lag, war stadtbekannt; die Folgen dieser Verbindung, vier Kinder, waren nicht weniger notorisch. Ihre Skandale wurden von ihrem päpstlichen Vater vertuscht, auch als einer von ihnen einen Kardinal vergiftete und päpstliche Lehensleute ihres Besitzes beraubte. Es ist kaum verwunderlich, daß leidenschaftliche Prediger und Verfechter einschneidender Reformen und Erneuerungen ihr Leben auf dem Scheiterhaufen beendeten; daß Alexander zu" mindest teilweise für den Tod Girolamo Savonarolas verantwortlich war, steht außer Zweifel. Eine Vergleichsgröße wäre etwa die Hinrichtung Franz' von Assisi durch Innozenz III., wenn auch im Fall Savonarolas die florentinische Innenpolitik eine gewisse Rolle spielte. Daß die Häufung von Pfründen in noch nie dagewesenem Ausmaße von und an der Kurie praktiziert wurde, erscheint im Vergleich mit den übrigen Krebsleiden des Papsttums um die Wende zum 16. Jahrhunderts noch als harmloses Übel. Die Verwicklung der Renaissancepäpste in inneritalienische Streitigkeiten, in Ränkespiele, Verschwörungen und Finanzskandale rundet das Bild einer Folge von — nach jedem Maßstab — durch und durch demoralisierten Päpsten ab. Dies sind nur einige Beispiele, um das Wesen der Päpste zur Blütezeit des italienischen Humanismus zu charakterisieren. Da nach den Grundsätzen des Humanismus der Einzelne der vorrangige, wenn nicht alleinige Gegenstand der Beurteilung und Bewertung war, ist es ganz verständlich, warum Zeitgenossen sich mehr auf die Bewertung der Päpste selbst und weniger auf die des Papsttums konzentrierten. Die Erniedrigung der Institution war eine Folge der Umkehrung des Verhältnisses von Amt und Person, die die Päpste selbst mit herbeigeführt hatten. Das zeigte sich deutlich in dem völligen Versagen des Papsttums, seinen Einfluß auf Gebieten geltend zu machen, an denen es immer aktiven Anteil genommen hatte. In den fünfziger und sechziger Jahren war es sich der Gefahr wohl bewußt, die der türkische Vormarsch für Europa bedeutete. Aber der päpstliche Aufruf an die Na-
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tionalstaaten zu einem Kreuzzug gegen die Türken schlug fehl, obwohl der Papst selbst, der Katalane Calixt III., eine kleine Flotte ausgerüstet hatte. Heftiger Widerstand regte sich vor allem in Deutschland (das aus historischen Gründen nodi immer an päpstlichen und an italienischen Angelegenheiten regen Anteil nahm); die Ausschreibung einer neuerlichen Kreuzzugssteuer wurde mit Mißfallen aufgenommen, ein Sturm von erbosten Protesten gegen Papsttum und Päpste brach los. Wie wenig die Päpste galten, läßt sich an dem — völlig gerechtfertigten und gutgemeinten — Versuch abschätzen, für das Jahr 1458 einen europäischen Kongreß der Herrscher nach Rom einzuberufen: die von Calixt ausgegangenen Einladungen waren ein Fiasko. Der Gedanke wurde von seinem unmittelbaren Nachfolger, Pius II., wieder aufgegriffen, der in Mantua von Ende des Jahres 1459 bis ins nächste Jahr hinein den Vorsitz über einen europäischen Kongreß führte, der sich nur durch die geringe Anzahl der Teilnehmer hervortat. Mit Ausnahme von ein paar hübschen und wohlgefeilten Reden wurde nichts geleistet. Ganz offensichtlich existierte ein vereinigtes christliches Europa bloß noch in der Theorie, von der Autorität des Papstes war nichts mehr zu spüren. In der Zwischenzeit wurden die Zustände innerhalb der Kurie (wie auch allgemein beim höheren Klerus) immer unerträglicher. Große Hoffnung wurde deshalb auf den eben erwähnten neuen Papst gesetzt, einen leidenschaftlichen, ehemaligen Konziliaristen und glänzenden öffentlichen Redner, Aeneas Silvius Piccolomini. Erst Bischof von Triest, dann von Siena und unmittelbar vor Übernahme des Pontifikats auch Kardinal, konnte Pius II. wohl die Hoffnung erwecken, er wüßte, wie das unumgängliche Reformwerk in Angriff zu nehmen sei. Er war mit dem Charakter von Klerus und Laienschaft, hoher und niederer, vertraut, da er sich in Kreisen bewegt hatte, zu denen nur wenige Sterbliche damals Zugang hatten; als Kardinal waren ihm die Mißstände in der Kurie bekannt; als Mann von wahrer Gelehrsamkeit und historischen Kenntnissen besaß er ausreichend Überblick über die Mittel, die die Abwärtsentwicklung des Papsttums hätten aufhalten können. Aber keine dieser Erwartungen erfüllte sich, obwohl er den Kardinal Nikolaus von Cues einen Reformplan auszuarbeiten ließ: dem Plan blieb der Erfolg versagt. Im Jahre 1461 zogen die Franzosen, von Pius II. dazu überredet, zwar formell die Pragmatische Sanktion von Bourges zurück, aber König Ludwig XI. setzte die „Gallikanischen Freiheiten" nur wenige Jahre später praktisch wieder an ihren alten Platz. Als ihm seine konziliaristische Vergangenheit vorgehalten wurde, erwiderte Pius schroff: „Verwerft Aeneas, nehmt Pius an" („Aeneam rejicite, Pium recipite"). Es war sicherlich ein Schock und eine Enttäuschung, als der ehemalige Konziliarist jedem mit Exkommunikation drohte, der die Ein-
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berufung eines Allgemeinen Konzils forderte. Das war eine totale Kehrtwendung. Dem König von Böhmen, Georg Podiebrad, wurde im Jahre 1462 der Bann angedroht, als er sich nicht von den Utraquisiten, einer Splittergruppe der Hussiten, lossagte: diese Maßnahme seitens eines ehemaligen Baslers mußte auf seinen Charakter einen Schatten werfen, hatte doch das Konzil von Basel ausdrücklich die Kommunion in beiderlei Gestalt gebilligt (s. o. S. 2 9 3 ) . Aber Böhmen war in geographischer und militärischer Hinsicht höchst bedeutungsvoll für den Kreuzzug gegen die Türken, die schon bis Ungarn vorgedrungen waren, und niemand befürwortete diesen Kreuzzug eindringlicher als Pius, der in Nachahmung Gregors V I I . die Absicht ankündigte, den Kreuzzug gegen den Islam persönlich anzuführen — ein Zeichen von phantastischer Wirklichkeitsfremdheit. Sein Tod am 15. August 1464 machte seinen Plan zunichte. Zur selben Zeit verfolgte Podiebrad den Plan eines Zusammenschlusses der europäischen Staaten als des einzig wirksamen Mittels zur Abwendung der türkischen Bedrohung. Das Leitwort war nicht Krieg, sondern pax et iustitia,
aber auch dieses Vorhaben scheiterte.
Der traurige Stand der Dinge an der Kurie gegen Ende des 15. Jahrhunderts spiegelte sich getreu in den einzelnen Abteilungen und Ämtern wider. Vor allem die päpstliche Kanzlei bot ein erbärmliches Bild. Seit den Zeiten des Schismas hatte ihre musterhafte Organisation schwer gelitten, halbherzige Versuche, wieder eine strikte Ordnung herzustellen, führten nur zu sinnlosen Halbheiten. Auch das Kanzleipersonal spiegelte diese Zustände wider: häufige Abwesenheiten, Ämterhäufung und vor allem Bestechlichkeit in bisher nie dagewesenem Maße waren an der Tagesordnung. Kauf und Verkauf von Kurienämtern suchten sich nicht einmal mehr ernstlich zu verbergen. Entsprechend litt auch die Registerführung der amtlichen päpstlichen Urkunden — und das trotz Neuerungen im Registraturwesen;
bis zum heutigen Tag stellt
das
Durchforsten der Papstregister des 15. Jahrhunderts für den historischen Forscher kein großes Vergnügen dar. Der institutionelle Abstieg des Papsttums auf das Niveau der Zweitrangigkeit findet kaum irgendwo überzeugenderen Ausdruck als in dem Tiefstand, auf den die Kurienämter herabgesunken waren. In mancher Hinsicht bot das Papsttum in den letzten Jahrzehnten vor der großen Revolution das Bild eines führenden italienischen Hofes. Der Papst war ein italienischer Fürst, seine Interessen lokal beschränkt und egoistisch, er selbst ein Schatten seiner Vergangenheit, mechanisch Waffen verwendend, die einer gänzlich anderen Epoche angehörten und ihre Geltung völlig verloren hatten. So ging, als der böhmische König Georg Podiebrad im Jahre 1465 vom Papst gebannt und abgesetzt wurde, eine der wesentlichsten Stützen des Kreuzzugsvorhabens ge-
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gen die Türken verloren: Paul II. rief nun stattdessen zu einem Kreuzzug gegen Podiebrad auf. Leidenschaftliche nationalistische Ausbrüche waren die Folge dieses päpstlichen Vorgehens, der Bürgerkrieg brach aus, neue Sozial- und Wirtschaftsprogramme fanden Verbreitung (z.B. Peter Cheltschizkis Agrarreform, die böhmischen Brüder u. s. w.). Ganz ungewollt beschwor das Papsttum wieder einmal Kräfte herauf, die mit bloß mittelmäßigem staatsmännischen Geschick zum Vorteil des Papsttums und des europäischen Christentums hätten genutzt werden können. Stattdessen schufen die Päpste Revolutionäre und Märtyrer. Diese böhmische Angelegenheit war jedoch kein Einzelfall. Ähnliche nationale Reaktionen waren in England zu beobachten und, wie schon erwähnt, auch in Frankreich und Deutschland. Der höhere und niedere Klerus in diesen Reichen zeigte einen erheblichen Grad an Unabhängigkeit gegenüber den Päpsten, die sich mancherorts eine nicht unverdiente Schmähung und Verachtung zuzogen. Wie paradox es auch scheinen mag, das Kardinalskollegium war sich der dringenden Notwendigkeit bewußt, über eine Reform nicht nur zu sprechen, sondern konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um wenigstens die schlimmsten Auswüchse von Amtsmißbrauch und Bestechung zu beschneiden. Die Kardinäle bemühten sich darum, daß Papst Paul II. seine beschworene Wahlkapitulation einhielt, aber umsonst: in seiner neuen amtlichen Funktion widerrief der Papst seinen Eid. Doch trotz ihrer so offen zur Schau getragenen „Humanität" hoben die Päpste des späten 15. Jahrhunderts eindringlicher und betonter denn je ihre Stellung als Stellvertreter Christi und die Vollgewalt hervor, über die sie verfügten, samt all den übrigen abgegriffenen Phrasen. Dieser Mangel an Realismus und vor allem die Kluft, die das innerste Wesen und den Kern des Christentums von der Praxis trennte, die die offiziellen Häupter der organisierten Christenheit übten, war so groß, daß auch der stumpfsinnigste Zeitgenosse nicht an ihr vorübergehen konnte. Es ist darum verständlich, daß der Widerstand gegen das Papsttum und die Päpste in den Jahrzehnten vor der Reformation merklich und stetig wuchs, und daß er sich weitaus deutlicher, härter und schärfer äußerte als je zuvor. Zwar unternahmen einige Schriftsteller den wackeren Versuch, das Papsttum zu verteidigen, aber sie offenbarten dabei eine ganz unglaubliche geistige Armut und Naivität. Ihre Schriften waren von einer geradezu beispiellosen Langeweile, es fehlten ihnen die zündenden Ideen und das Verständnis für die wirklichen und dringenden Bedürfnisse der Zeit. Sie käuten lediglich die abgestandenen und inzwischen gänzlich überlebten hierokratischen Argumente aus dem 12. und 13. Jahrhundert wider. Die meisten von ihnen hatten noch nicht einmal von Aristoteles Kenntnis genommen. Wenn je der Begriff „reaktionär"
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anwendbar war, dann auf diese Literatur. Sogar das Papsttum unter Alexander VI. war sich — im Gegensatz zu seinen Verteidigern — der Notwendigkeit eines wohldurchdachten Reformprogramms bewußt. Eine von Alexander berufene, mit weitgehenden Vollmachten ausgestattete Kommission von tüchtigen Kardinälen und Theologen arbeitete ein brauchbares Projekt aus und faßte seine Empfehlungen in einem päpstlichen Reformdekret zusammen, das jedoch nie verkündet wurde. Vielleicht kann es als Symbol gelten, daß an der Schwelle zur Neuzeit die Konstantinische Schenkung zum letzten Mal als Beweismittel in Anspruch genommen wurde und zwar von keinem anderen als Alexander VI. Er war es, der sich in zwei amtlichen Schreiben (allerdings nicht in Dekreten oder Bullen) aus dem Jahre 1493 der Schenkung bediente, als er für die neuentdeckten überseeischen Ländereien und Missionsgebiete die Aufteilung in einen spanischen und einen portugiesischen Einflußbereich anregte. Da sich die territorialen Interessen beider Mächte überschnitten, schlug Alexander eine Demarkationslinie vor (die Portugal und Spanien audi akzeptierten) und verhinderte so einen ersten Kolonialkrieg. Die heutigen Interessengebiete Spaniens und Portugals in Südamerika bezeugen noch diese Regelung, der die letzte konkrete Anwendung der Konstantinischen Schenkung zugrundelag. Ein ebenso dauerndes, wenn auch nicht so positives Vermächtnis dieses Pontifikats war die französische Intervention in Norditalien. Um seine eigene Stellung in Mittelitalien zu festigen, stiftete Alexander den französischen König Karl V I I I . zum Einmarsch im Norden Italiens an, ein Schritt, dessen Folgen bis ins 19. Jahrhundert fühlbar blieben. Trotz innerer Spannungen an der Kurie bemühte sich das Papsttum unter Julius II. (nach dem Vorbild Innozenz' III.), wenn auch mit unzureichenden Mitteln, seine Autorität im Kirchenstaat wieder herzustellen, verlorene Ländereien zurückzuerobern und ein Programm auf die Beine zu stellen, das im großen und ganzen auf die Idee der Einigung Italiens hinauslief. Aber diese Ziele des Papsttums kamen mit denen anderer europäischer Staaten in Konflikt und verwickelten die Kurie noch weiter in inneritalienische Zwistigkeiten und sogar in offene Kriege, zumal gegen Venedig. Charakteristisch für die Lage der Dinge an der Kurie am Vorabend der Reformation war, daß das Kardinalskollegium in Erinnerung an das entsprechende Dekret von Konstanz Julius II. vor das im Jahre 1511 nach Pisa einberufene Konzil zitierte. Die Anklage lautete, er habe sein vor der Wahl gegebenes Wort bezüglich der Einberufung eines Allgemeinen Konzils gebrochen. Gerissen wie nur ein Renaissancepapst berief Julius in der Erkenntnis, daß Kaiser Maximilian I. und König Heinrich VIII. diesem Konzil von Pisa keineswegs abgeneigt gegenüberstanden und daß Frankreich sich ebenso ent-
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schlossen wie eh und je jede päpstliche Einmischung in Angelegenheiten seiner Krone oder seines Staates verbat, in aller Eile für das folgende Jahr sein eigenes Konzil in den Lateran. Nicht weniger charakteristisch für die Lage der Dinge im frühen 16. Jahrhundert war der Plan des (noch ungekrönten) Kaisers Maximilian I., sich des Papsttums selbst zu bemächtigen. Einen Monat nach Einberufung des Laterankonzils wurde Julius II. am 17. August 1511 plötzlich schwer krank; allgemein erwartete man seinen baldigen Tod. In diesem Augenblick griff Maximilian ältere Pläne (aus den Jahren 1493 und 1503) wieder auf, die nunmehr konkret in den Dienst seiner italienischen Interessen gestellt wurden. Er wollte entweder selbst Papst werden oder, dabei sogar das Risiko eines Schismas in Kauf nehmend, Gegenpapst. Der entscheidende Punkt war, daß die deutsche Kirche entweder ihn selbst als Papst oder einen deutschen Patriarchen zum Oberhaupt gehabt hätte. In diesem Zusammenhang war das Konzil von Pisa für Maximilian von Nutzen, der in den kirchlichen Abmachungen der französischen Krone ein nachahmenswertes Vorbild sah. Der mutmaßliche Urheber dieses Plans war Matthäus Lang, Bischof von Gurk in Kärnten, der mit Frankreich und Spanien über die Durchführung verhandelte. Die Gesamtsumme, die in das geplante Geschäft gesteckt werden sollte, erreichte die astronomische Höhe von über 500 000 Dukaten. Die Genesung Julius' II., die Aufkündigung der Unterstützung Maximilians seitens Spaniens und Frankreichs und vor allem das Scheitern von Pisa durchkreuzten einen Plan, der sehr wohl zum Epilog des spätmittelalterlichen Papsttums hätte werden können. Am 10. Mai 1512 eröffnete Julius II. feierlich das 5. Laterankonzil, das letzte Konzil des Mittelalters. Seine hauptsächliche Leistung war die Bestätigung des Konkordats von 1516 zwischen der Kurie und Frankreich. Die Kündigung der Pragmatischen Sanktion durch Frankreich erkaufte sich das Papsttum jedoch mit einem hohen Preis. Es gestand Franz I. das Recht zur Ernennung aller französischen Erzbischöfe (10), Bischöfe (82) und nahezu aller Äbte und Prioren (an die 500) zu; der König verpflichtete sich dafür, nur geeignete Männer zu ernennen, wobei er freilich die Eignungskriterien selbst festlegen konnte. Auch eine Menge wirtschaftlicher Vorteile erwuchsen Frankreich aus dieser Vereinbarung. Appellationen an das Papsttum waren nur in den sogenannten „causae maiores" gestattet — eine Bestimmung, die angesichts des königlichen Besetzungsrechts kaum Bedeutung gewann. Die Behauptung ist nicht übertrieben, daß die gallikanische Kirche mit aktiver Unterstützung des Papstes eine feste verfassungsmäßige Grundlage erhielt. Aber die Übereinkunft rief den starken Widerstand der Pariser Uni-
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versität hervor, die in ihr so etwas wie die Selbstzerstörung des Papsttums sah. W i e dem auch sei, am 19. Dezember 1516 bestätigte das Laterankonzil voll und ganz dieses Konkordat, das bis hin zur französischen Revolution, wenn nicht sogar bis zum Jahre 1906, in Geltung blieb. Das 5. Laterankonzil erließ auch eine Reihe längst überfälliger Reformdekrete. Sie waren recht bescheiden in ihrer Reichweite; so betrafen sie etwa die Neuorganisation bestimmter Kurienabteilungen, kanonische Wahlhindernisse, die Versammlung regelmäßiger Diözesansynoden, die Einschränkung der Präbendenhäufung und ähnliches mehr. Es mochte scheinen, als sei diese Art von Gesetzgebung nur Fassade. Das Papsttum zeigte sich hier wohl in einer sehr schlimmen, zwielichtigen Lage: anstatt auf der Durchführung des Rechts zu bestehen, dispensierte es von der Beobachtung dieser Dekrete. Dabei wurde wieder das gesamte päpstliche Arsenal aufgefahren, einschließlich der Vollgewalt. In mancherlei Hinsicht war das 5. Laterankonzil zugleich der konziliare Schwanengesang des mittelalterlichen Papsttums und ein Vorspiel des Tridentinischen Konzils, das im gleichen Jahrhundert folgen sollte. Denn noch während das 5. Laterankonzil tagte, begann Martin Luther seinen Angriff gegen die römische Kirche, und zwar mit Argumenten und in einer Sprache, die ein unmittelbares und lebhaftes Edio fanden. Das Papsttum, das Konzil und die höheren Ränge der Hierarchie fühlten sich jedoch durchaus sicher, unantastbar und geschützt. In gänzlicher Unkenntnis der veränderten Stimmung und Tendenz der Zeit achteten sie nicht auf den Gegner aus Deutschland und ordneten ihn in ihr vertrautes Schema lediglich eines weiteren aufrührerischen Ketzers ein, mit dem man nach der gewohnten Weise verfahren konnte. Luther war es, der die geistigen Veränderungen sehr richtig erfaßte und entsprechend handelte. Seine Schmähreden waren nur Ausdruck dei Empfindungen vieler Zeitgenossen: nationalistisch, anti-päpstlich, antirömisch; auch wirtschaftliche wie finanzielle Hintergründe ließ er nicht unberücksichtigt; er stimmte seine Angriffe so ab, daß er gerade jene Gruppen und Schichten der zeitgenössischen Gesellschaft ansprach, die unmittelbar von der Politik „Roms" betroffen waren. Noch ein Jahrhundert vorher hätte die Beurteilung der Lage durch die herrschende Schicht Roms vielleicht noch zugetroffen, aber die Umstände hatten sich zum Nachteil für die Stützen der herrschenden Ordnung verändert. Anstatt die Interessen der gesamten Christenheit zu verfolgen, indem er den Kreuzzugsplan gegen die Türken konsequent weiterverfolgte, wandte Leo X. in jenen hochwichtigen Jahren seine ganze Aufmerksamkeit nur einer einzigen Angelegenheit zu — dem Erwerb des Herzogtums Spoleto für seinen Neffen Lorenzo. Dies war der Hintergrund
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für den Mordversuch am Papst durch eine Kardinalsverschwörung. Ein Leo war es gewesen, der durdi die von ihm entwickelten Grundsätze den schließlichen Triumph des mittelalterlichen Papsttums eingeleitet hatte, und ein Leo war es nun, während dessen Pontifikats das Papsttum ruhmlos jene Epoche beschloß, an deren Anfang Leo der Große gestanden hatte. Zwischen beiden Pontifikaten liegt gut ein Jahrtausend harter Kämpfe, glänzender Erfolge und düsterer Fehlschläge. An dieser Stelle muß die Frage gestellt werden: wie ist es zu erklären, daß die Institution im Verlauf des 15. und am Beginn des 16. Jahrhunderts unaufhaltsam weiter in den Abgrund hineinglitt? Die Frage läßt sich auch anders stellen: warum gelang den Reformatoren des 16. Jahrhunderts mit verhältnismäßig wenig Aufwand, was zahlreichen anderen vor ihnen mißlungen war? Inwieweit hatte das Papsttum selbst einen Anteil an dem Erfolg Luthers und der übrigen Reformatoren? Ein Teil der Antwort liegt nicht im Papsttum als Institution, sondern in den Männern, denen die Institution und damit die gesamte Kirche damals anvertraut war, den Päpsten und ihrer persönlichen Beschaffenheit. Der Charakter der eben beschriebenen Päpste war entschieden nicht dazu angetan, das nötige Vertrauen in ihre Fähigkeiten als Führer der Christenheit zu erwecken oder zu erhalten. Sicherlich hatte es während der vorangegangenen Jahrhunderte Päpste gegeben, die ihren Nachfolgern im 15. Jahrhundert ebenbürtig waren, kaum aber jemals eine so lange und ununterbrochene Reihe von unwürdigen Individuen. Jedenfalls waren die Verhältnisse des 15. Jahrhunderts grundlegend verschieden von denen zum Beispiel des 10. Jahrhunderts. Nur selten wird jedoch die Tatsache erkannt, daß es der Humanismus war, der das Todesurteil über die Institution fällte, indem er, wie schon erwähnt, nicht mehr das objektive Recht, die überpersönliche Ordnung, die formalrechtliche Verfassung, die äußerliche Institution und den Verwaltungsapparat des Papsttums gelten ließ, sondern den Wert des Einzelnen betonte, unabhängig von Amt oder Institution, kurz den Menschen selbst. Dieser Gedanke war es, der lange unter der Oberfläche geschlummert hatte und manchmal klar sichtbar wurde, um dann mystische oder visionäre Vorstellungen wie die vom „Engelspapst" hervorzubringen (s. o. S. 255). Das 15. Jahrhundert indessen erlebte einerseits die Befreiung des Einzelnen von den Fesseln, die ihm eine objektive Weltordnung auferlegt hatte — einen Prozeß, der auf die Päpste als Einzelpersönlichkeiten (die ihrerseits befreit wurden) zurückwirkte — und andererseits die zunehmende Ausschaltung objektiver, institutionalisierter Organisationen und Ordnungen. Eine unmittelbare Folge des befreienden Humanismus war die, wenn auch nicht völlige Abschaf-
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fung, so dodi drastische Verringerung der Wirksamkeit bestehender objektiver und institutionalisierter Herrschaftsformen; davon wurde in erster Linie und am meisten das Papsttum selbst betroffen, denn gerade seine Institution ruhte erklärtermaßen in ihrer ganzen Existenz auf der Kosmologie einer objektiven, gottgewollten Ordnung. (In Parenthese wäre anzumerken, daß alle theokratischen Herrsdiaftsformen dieser Gefahr ausgesetzt waren, allerdings keineswegs so unmittelbar wie das Papsttum). Der Humanismus konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die vom Menschen geschaffene Ordnung. Die kollektive, genossenschaftliche, unpersönliche Ordnung der Dinge wurde durch eine individuelle, personale, verinnerlichte Ordnung ersetzt. Diese Überlegungen sollten begreiflich machen, wie und warum es den Zeitgenossen gelang, so erfolgreiche, wohlformulierte, wohlgezielte und heftige Angriffe gegen die Persönlichkeiten der Päpste zu richten. Sie erweisen die ernsthafte Schwäche des Papsttums. Keinerlei Vorkehrungen waren für den Fall getroffen, daß sich ein Papst als für sein Amt unfähig oder gänzlich ungeeignet erwies. Während dieser Mangel bei Urban VI. in dramatischer Weise zum Ausbruch kam, war eine weitere Krankheitserscheinung — man könnte von einer schleichenden Lähmung sprechen — die Beziehung zwischen Papst und Kardinälen. Dieses Problem war noch nicht gelöst, und in seinem Hintergrund stand das viel größere Problem der Beziehungen zwischen dem Papsttum und dem Episkopat — eine weitere offene Frage. Empfing der Bischof seine Herrschaftsgewalt vom Papsttum oder nicht? Der Widerhall dieses Problems war bis in die jüngste'Zeit hinein zu spüren. Solche entscheidenden Verfassungsmängel zeigten indes auf, daß das monarchische Papsttum den zunehmend verwickelten Problemen der spätmittelalterlichen Gesellschaft offenbar nicht mehr gewachsen war. Schon seit der Mitte des 13. Jahrhunderts war die päpstliche Monarchie Zielscheibe von Angriffen gewesen. Von Friedrich II. über den Konflikt Bonifaz' VIII. mit seinen Kardinälen bis hin zu Urban VI., vor allem aber während des 15. Jahrhunderts, kehrte dasselbe Thema unaufhörlich wieder: das Widerspiel von oligarchischen Bestrebungen der Kardinäle und der Bewahrung der monarchischen Funktion durch die Päpste. Mehr als einmal sollte das Kardinalskollegium eine verantwortlichere und vernünftigere Stellung als das Papsttum beziehen, sicherlich im 15. und frühen 16. Jahrhundert. Während des Früh- und Hochmittelalters hatte die monarchische Herrschaftsform unter den gegebenen sozialen, politischen und kulturellen Verhältnissen zweifellos die besten Ergebnisse erzielt, ein Beweis übrigens, daß die monarchische Herrschaftsform des Papsttums zeitbedingt war. Es war offensichtlich unfähig, sich mit dem komplizierten und un-
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durdisiditigen sozialen Medianismus auseinanderzusetzen, der ihm seit dem Ende des 13. Jahrhunderts entgegentrat. Aber zur zeitgenössischen Konzentration auf das Individuum und zur gleichzeitigen Abkehr vom institutionalisierten Christentum gesellte sich noch die immer breiter werdende Kluft zwischen christlicher Lehre und Wirklichkeit. Der wache und hellhörige Christ sah sich gezwungen, die bisher unbestrittene Rolle der Geistlichen und vor allem der Päpste als Vermittler der Sakramente in Frage zu stellen. Ein unüberbrückbarer und breiter Abgrund hatte sich zwischen Wort und Tat aufgetan, zwischen Dogma und Praxis, zwischen dem Anspruch des Papsttums als Institution und der Handlungsweise der Päpste. Der Heiligen Schrift als der Grundlage von Dogma, Theorie und Lehre wurde eine geschärfte, kritische Aufmerksamkeit zugewandt; die unvermeidliche Folge war Kritik an der Lebensweise derjenigen, die von Berufs wegen die Bibel auslegten. Mit anderen Worten, die Heilige Schrift begann als die einzige Quelle der Inspiration und des Glaubens für den Einzelnen seit dem 14. Jahrhundert eine Rolle zu spielen, die ihr bislang nicht zugekommen war und nicht hätte zukommen können, teils weil das Papsttum als die letzte Instanz in der Auslegung der Heiligen Schrift galt, teils weil sie nicht in den Volkssprachen vorlag, zum Teil auch, weil sie dem gewöhnlichen Sterblichen fast nie zugänglich war. All dies hatte sich nunmehr gewandelt. Die Rolle des Papsttums wurde zwar nicht geleugnet, aber doch in Frage gestellt; die Bibel lag in den Volkssprachen vor und bildete eine ausreichend verläßliche Grundlage auch für die Beurteilung des Papsttums und der Päpste; die gleichzeitige Erfindung des Buchdrucks veränderte die Lage von Grund auf. Nicht nur, daß die Bibel in steigender Auflage verbreitet werden konnte und so in die Hände jener gelangte, die bisher wenig Möglichkeit hatten, sie zu besitzen; auch Gelehrte, Philosophen, Schriftsteller und Demagogen waren nunmehr in der Lage, ihre Gedanken — und ihre Angriffe auf das Papsttum — in einem Ausmaße zu verbreiten, das man sich nur wenige Jahrzehnte zuvor noch nicht hätte träumen lassen. Das Papsttum hatte seine dynamische Initiative an Kräfte verloren, die wenig mit der Institution gemein hatten, weder in religiöser oder ideologischer noch in politischer Hinsicht. Das Papsttum besaß nichts, womit es die Flut neuer Ideen und vor allem die neue Strömung religiösen und kirchlichen Denkens hätte aufhalten können. Ihm blieb nur die Zuflucht zu den abgenutzten und verstaubten Argumenten, den veralteten, stumpfen und verrosteten Straf- und Zwangsmaßnahmen, die, falls überhaupt ernstgenommen, jedenfalls keinen großen Eindruck mehr machten. Das Verständigungsmittel, dessen sich das Papsttum bediente, war nicht auf die Massen
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abgestimmt: das Lateinische war die Sprache der Gelehrten und der Scholastik, aber neue Strömungen hatten die Massen ergriffen und waren in Bevölkerungskreise eingedrungen, die bisher beiseite gestanden hatten, weil ihnen in kirchlichen, politischen und religiösen Angelegenheiten ein Mitspradierecht fehlte. Der Prediger, Redner und Agitator aber war in der Lage, diese neuen und „befreiten" Massen zu erreichen, indem er sie in der Volkssprache anredete. Ihm gelang es, die Gefühle und Empfindungen klar auszudrücken, von denen seine Zuhörer nur ganz vage und dumpfe Vorstellungen hatten. Der mächtigste Verbündete des Humanismus war zweifellos die Volkssprache. Was Luther lehrte, schrieb und predigte, war nichts anderes, als was eine Reihe von zeitgenössischen Landsleuten bereits unreflektiert empfunden hatten; er sprach es in ihrer Sprache aus. Für das Papsttum des 15. Jahrhunderts war die Zeit zum Stillstand gekommen, denn die gewaltige geistige Entwicklung und Umorientierung, die dieses Jahrhundert kennzeichnete, war an den Päpsten vorbeigegangen. Sie lebten in einer vergangenen Welt. Blindheit, Taubheit und Wirklichkeitsferne ließen das Papsttum unter Leo X. auf Luther mit überlegener Verachtung herabschauen. Man verkannte die Möglichkeiten, die in der hier verfochtenen neuen Art des Christentums beschlossen lagen und die mit beängstigender Geschwindigkeit immer neue Kreise und Schichten der Gesellschaft ergriffen. Ein verhängnisvolles Gefühl der Sicherheit benebelte das Papsttum, das gewohnt war, nach rückwärts zu blicken und nun ein Opfer seiner eigenen Geschichte wurde. Es konnte sich der drückenden Last seiner Tradition und Geschichte nicht mehr entledigen. Seit jeher hatte das Papsttum seine Stellung durch die Geschichte gestärkt — nun wurde es durch seine eigene Geschichte daran gehindert, mit den neuen Kräften zu einer Verständigung, zu einem Ausgleich zu kommen. So hemmte seine Vergangenheit seine „Befreiung", mochten auch einzelne Päpste als Individuen von der Welle des Humanismus befreit worden sein. Der Erfolg der Reformatoren war nicht in erster Linie der inneren Stärke ihres Programms zuzuschreiben; er lag einmal in der klaren Formulierung und Verkündigung von Mängeln und Beschwerden, die so viele zeitgenössische Christen bedrückten, zum andern in der Tatsache, daß genau die Schichten der Christenheit von ihnen angesprochen wurden, die trotz ihrer Befähigung noch keinen Zugang zum Herrschaftsapparat der Kirche gefunden hatten: Teilnahme und Mitspracherecht waren ihnen aus inzwischen nicht mehr gültigen Gründen verweigert worden. Der niedere Klerus und das gebildete und politisch wachsame Bürgertum waren von der gleichbleibenden Starrheit, dem „autoritären" und monarchischen Aufbau des Kirchenregiments in besonderem Maße
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betroffen. Dies ist einer der Gründe, weshalb noch zwei Generationen zuvor die Reformatoren sicherlich nicht den gleichen Widerhall gefunden hätten. Denn es sollte nicht vergessen werden, daß im 15. Jahrhundert bedeutende Fortschritte auf allen Gebieten der Selbstverwaltung gemacht worden waren, zumal in der Gemeindeverwaltung, in den städtischen Zünften, vor allem audi in Organisation und Struktur der Stände der verschiedenen Königreiche, im Reichstag, usw. Hier waren eben jene Elemente, besonders der Ritterstand und das gebildete Bürgertum, die von jedem Mitspracherecht in der Kirche ausgeschlossen waren, zu bedeutender Stellung aufgestiegen. Auch die Verfassung der Universitäten und der Kollegien ist mit in Rechnung zu ziehen, will man aufzeigen, wie weit Selbstverwaltung im 15. Jahrhundert geübt wurde und verbreitet war. Wiederum läßt sich sagen, daß eine wesentliche Entwicklung am Papsttum vorbeigegangen war, das nur stumpfe und unwirksame Disziplinarmaßnahmen zu seiner Verfügung hatte, als der Angriff gegen Ideen und Formen der Kirche in seiner vollen Wucht zum Ausbruch kam. Die ideologische Verteidigung des Papsttums bestand in einem mechanischen Wiederkäuen von Lehren, die für ganz anders geartete Verhältnisse geschaffen worden waren. Sie hatten kaum eine Beziehung zu dem neuartigen Christentum, das durch seinen Widerstand gegen das verrechtlichte, in starre Formen gegossene Christentum, wie das Papsttum es verkündete, eine starke Anziehungskraft ausübte. Das Feuer, dem Luther die Rechtsbücher des Papsttums übergab, war mehr als ein bloß symbolischer Protest. Es war Ausdruck der Gewißheit, daß die Erlangung des Heils nicht von der Erfüllung der vom Papsttum auferlegten Rechtspflichten abhing, sondern von der unmittelbaren Verbindung des Christen zu Gott und seinem Gehorsam gegenüber Gottes Geboten, im Einklang mit seinem Gewissen. In dieser religösen Lehre gab es wenig Raum für das Papsttum, so wie es sich selbst verstanden hatte und im Mittelalter gesehen worden war. Erst nachdem es eine Talsohle durchwandert, eine Krise von bisher beispielloser Härte überwunden und sich langsam den veränderten Umständen angepaßt hatte, konnte die Institution in geläuterter Form wiedererstehen, freilich mit veränderter Einflußmöglichkeit. Nicht die Reformation war es, die das Schicksal des mittelalterlichen Papsttums besiegelte, sondern das Papsttum des 15. Jahrhunderts selbst, indem die Institution in den Hintergrund trat und ihr Platz von einer Reihe von Individuen eingenommen wurde, die nichts weiter als begüterte italienische Fürsten waren und deren Qualifikation für das hohe Amt sich bezweifeln ließ, welchen Maßstab man auch anlegte. Von anderer Warte aus ließe sich sagen, daß sich das Papsttum nicht
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rechtzeitig von der schweren Krankheit erholt hatte, die es sich im Großen Schisma zugezogen hatte; und das Heilmittel, das eine Wiederholung hätte verhindern sollen — der Konziliarismus — zehrte nur wiederum umso nachhaltiger an den Kräften des Papsttums, ohne sein akutes Leiden zu heilen. Das Papsttum war als monarchische Anstalt in die Geschichte eingetreten, hatte es aber versäumt, sich neuen Situationen und Gegebenheiten anzupassen, die es — Ironie der Geschichte — selbst herbeigeführt hatte. Hierin liegt ein Paradox von wahrhaft historischen Dimensionen: durch sein unverfälscht monarchisches Wirken war das Papsttum zum Brennpunkt des europäischen Mittelalters geworden; sein Wirken in eben dieser monarchischen Rolle ließ es an der Schwelle zur Neuzeit zu einer verarmten Macht in Mittelitalien herabsinken.
ABKÜRZUNGEN ABA Abb AD ΑΗΡ APA ASP AUF Bettenson BECH Bibl., , bibl. / Caspar CMH CR CSEL DA DAC Decreta D(D) EHR Epp. FM Gesch. Hdb hist. HIb HL HZ Jbb. JE JK JL JEH JTS Kap. KGD KRG LdL Lit. LP M. MA
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Abhandlungen der bayerischen Akademie der Wissenschaften Abhandlungen Archiv für Diplomatile Archivium historiae pontificiae Abhandlungen der preußischen Akademie der Wissenschaften Archivio della società romana di storia patria Archiv für Urkundenforschung Η. Bettenson, Documents of the Christian Church (1948 und Neudrucke) Bibliothèque de l'école des chartes Bibliographie, bibliographisch E. Caspar, Geschichte des Papsttums (1930—3) Cambridge Medieval History W. Ulimann, The Carolingian Renaissance (1969) Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters Dictionnaire d'archéologie chrétienne et de liturgie Conciliorum oecumenicorum decreta, hsg. von J . Alberigo u. a. (21969) Diplom(ata) English Hist. Review Epistolae A. Fliehe - V. Martin, Histoire de l'église Geschichte Handbuch der Kirchengeschichte (Handbook of Church History) historisch, historical, histoire Historisches Jahrbuch J . Hefele - H. Leclercq, Histoire des conciles Historische Zeitschrift Jahrbücher Regesta Pontificum Romanorum, hsg. von P. Jaffé (Ewald; Kaltenbrunner; Löwenfeld) Journal of Ecclesiastical History Journal of Theological Studies Kapitel A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands ( 8 1963) Η. E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte ( 4 1964) MG Libelli de lite Literatur Liber Pontificalis J. D. Mansi, Sanctorum conciliorum amplissima collectio Mittelalter, Middle Ages, Moyen Age
Abkürzungen MG AA — Cone. — Const. — D — Epp. — SS MIÖG
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Monumenta Germaniae Histórica: Auetores antiquissimi MG Concilia MG Constitutiones MG Diplomata MG Epistolae MG Scriptores rerum Germanicarum Mitteilungen des Instituts für österreichische Gesdiiditsforsdiung Mitteilungen Mitt. NA Neues Archiv Orientala Christiana Periodica OCP Ordo Romanus OR PG W. Ullmann, The Growth of Papal Government in the MA (3-H966) PGP W. Ullmann, Principles of Government and Politics in the MA (21966) PGr Patrologia Graeca PL Patrologia Latina Β. Pulían, Sources for the history of medieval Europe from the Pulían mid-eighth to the mid· thirteenth century (1966) QFIAB Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken E. Eichmann, Quellen zur kirchlichen Rechtsgeschichte 2. Aufl. QRG (Neudruck 1968) H. Rahner, Kirche und Staat im frühen Christentum (1961) Rahner RHE Revue d'histoire ecclésiastique RHEF Revue d'histoire de l'église de France Register Reg. Regestum Innocentii papae super negotio Romani imperii RNI Römische Quartalschrift RQ RSC Rivista di storia della chiesa in Italia SB Sitzungsberichte SCH Studies in Church History, hsg. von G. J. Cuming und D. Baker Schubert H. v. Schubert, Geschichte der christlichen Kirche im Frühmittelalter (Neudruck 1962) F. X. Seppelt, Geschichte der Päpste Seppelt SG Studi Gregoriani, hsg. von G. B. Borino Studia Gratiana, hsg. von A. M. Stickler St. Grat. Studi e Testi ST Theologische Quartalschrift ThQ Transactions of the Royal Historical Society TRHS Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen TU Literatur Übers., übers. Übersetzung, übersetzt Urkunde(n) Urk. Liber Sextus VI Wattenbach-Levison, Geschichtsquellen des Mittelalters WL Liber Extra X Zeitschrift Ζ Zeitschrift für Kirchengeschichte ZKiG
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Abkürzungen Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte : ZRG Germanistische Abteilung ZRG Kanonistische Abteilung ZRG Romanistisdie Abteilung Alle anderen Abkürzungen erklären sich von selbst.
BIBLIOGRAPHISCHE
HINWEISE
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Bibliographische Hinweise
Α. M. Stickler, Historia iuris canonici (1950) A. van Hove, Prolegomena ad codicem iuris canonici (21945) Β) Nachschlagewerke: Dictionnaire du droit canonique (1935—65) Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques (noch nidit abgeschlossen) Dizionario ecclesiastico (1953—8) Lexikon für Theologie und Kirche (mit Suppl. Bdn.) (1957—68) New Catholic Encyclopedia (1967) Reallexikon für Antike und Christentum (noch nicht .abgeschlossen) Sacramentum mundi (1960—72) Theologische Realenzyklopädie (noch nicht abgeschlossen) 1. Kapitel A) Quellen J K 182—618; Codex Theodosianus (Neudruck 1954); Eusebius, Historia ecclesiastica (1903—8) ; C. H. Turner, Ecclesiae orientalis monumenta iuris antiquissimi, 2 Bde. (1899—1930); Ed. Schwartz, Die Kanonessammlungen der alten Reichskirche, in: Gesammelte Schriften IV (1960) 159—75; O. Seeck, Regesten der Kaiser und Päpste 311—476 (1919); Collectio Avellana, in: CSEL XXXV. ß) Literatur P. Batiffol, La paix constantienne (1929 und Neuauflagen); Caspar, 1,103— 617; Ed. Schwartz, Konstantin und die Kirche (21936); H. Doerries, Konstantin d. Gr. (1958); J. Gaudemet, L'église dans l'empire romain (1959); S. Calderone, Costantino e il cattolecismo (1962). 1 f. [Edikt von Mailand] Lactantius, De mortibus persecutorum c. 48, in: CSEL X X V I I , 228—33; 2 [Körperschaft] A. Ehrhardt, Das Corpus Christi und die Korporation im spätrömischen Recht: ZRG RA 70 (1953) 299—347 ; 71 (1954) 25—65. 2 [Monotheismus und Monarchie] E. Peterson, Theologische Traktate (1951) bes. 60—95; W. Ulimann, The cosmic theme of the Prima d e mentis and its significance for the concept of Roman Rulership, in: TU (1971) = Studia patristica (1971) 93—102. 3 [Arles] ¡VÍ 2, 470—1. Zur Religionspolitik Konstantins vgl. jetzt W. Ulimann, The constitutional significance of Constantine the Great's settlement, in: JEH 27 (1976) 1 S. 3 [Nicäa] Die Kanones in Decreta 4—15; Teilnehmer: C. H. Turner I, 36— 91, 97—101; I. Ortiz de Urbina, Nicée et Constantinople (1963), mit Übersetzung der Dekrete, 260—5 und der Bibl., 295—300; Ed. Schwara, Die Bischofslisten der Synoden von Chalkedon, Nikäa und Konstantinopel, in: Abh. Bayr. Ak. 1937; J . Vogt, Konstantin d. Gr. und sein Jahrhundert (21962), bes. 265 ff.; Perikles-Petros Joannou, Die Ostkirche und die Cathedra Petri im 4. Jahrhundert (1972). 4 f. [Exemtionen] Einige Dokumente bei Bettenson 23—6. 5 [Sardica] Kanones bei C.H.Turner I, 452—86 (griechisch); 489—531 (latein); Hamilton Hess, The Canons of the Council of Sardica (1958). 5 [Liherius] Caspar I, 176—80, 588—9. 5 f. [Theodosianisches Dekret] Cunetas Populos, in: Cod. Theod. 16, 12 ( = Cod. Just. I/i, 1).
Bibliographische Hinweise
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6 [ N e u - R o m ] M. Fuhrmann, Die Romidee der Spätantike, in: HZ 207 (1968) 529—61 ( 4 . - 6 . Jahrhundert). 6 f. [Damasus und die sedes apostolica'] P. Battifíol, Cathedra Petri (1938) 151—68; H. Rahner, in: Ζ. kath. Theol. 69; 1947) 3—36; L. M. Dewailly, in: Melanges de science religieuse, 5 (1948) 141—59; PG 4—7; zum apostolicas s. bes. M. J. Wilks, in: JTS n . s . 13 (1962) 290—317; 14 (1963) 311—54. 7 [Petrinologische These] PGP 94—96. Über den Petersthron vgl. Β. Sdîimmelpfennig in: QFIAB 53 (1973) 459—67 sowie H. Fillitz, Die Cathedra Petri: zur gegenwärtigen Forschungslage, in ΑΗΡ 11 (1973) 353 ff. 9 [ V u l g a t a ] G. Violardo, Il pensiero giuridico de s. Girolamo (1937), W. Ullmann, in: Settimana Spoleto 10 (1963) 181—228. 10 [Nachfolge Petri und Hl. Schrift] A. Rimoldi, L'apostolo san Pietro (1958); F. Refoulé, La primauté de Pierre dans les évangiles, in: Revue des sciences religieuses 38 (1964) 1—41. 10 [Brief Clemens'] W. Ullmann, The significance of the Epistola Clementis, in: JTS n. s. 11 (1960) 295—317 (hier audi bibl. Einzelheiten); d'ers., in: TU 79 (330—8. Zur Entwicklung des Rechtsgedankens in der frühen Kirche s. bes. L. Buisson, in: ZRG KA 52 (1966) 1—175. 12 [Dekretalen] A. v. Hove, 137—44; K R G 93—6; J. Gaudemet, La formation du droit séculier et du droit de l'église aux IVe et Ve siècles (1957). 14 [Zosimus und Bonifaz I ] P L 20, 676 (auch in Avellana 115—6) und Sp. 777—8; Coelestin I.: P L 50,437. 15 [ E p h e s u s ] Kanones in Decreta 52—6; Y. Congar, Le concile et les conciles (I960); Erklärung des Legaten: M. 4 , 1 2 9 5 (topoteretes = locum tenens). 15 fï. [Leo / . ] W. Ullmann, Leo I. and the theme of papal primacy, in: JTS n . s . 11 (1960) 25—51; zu den Anregungen von Leos Thesen auf die liturgische Verehrung des hl. Petrus s. F. Susmann, Il culto di s. Pietro a Roma dalla morte di Leonardo a Vitaliano, 461—672, in: ASP 84 (1964) 1—192; von rein hagiographischem Interesse ist O . Bertolini, Leone I Papa, in: ASP 89 (1967) 1—23 (der die neue Literatur ganz unberücksichtigt lä£t). 17 [Amt und Person] PGP 38—42. 18 f. [Prwcipatus (princeps] P. Batiffol, Cathedra Petri 169—98; J. Gaudemet, Le regime impérial, in: Studia et documenta historiae et iuris 26 (1960) 282—322. 19 f. [Byzantinische Krönung] O. Treitlinger, Die oströmische Reichs- und Kaiseridee, ( 2 1956) 16—43; A. Michel, Die Kaisermacht in der Ostkirche (1959) 132 ff. 21 [Chalkedon] Kanones in Decreta 59—79; Α. Grillmeier — H . Bacht (Hsg.), Chalkedon, 2 Bde. (1953); P.-Th. Camelot, Ephèse et Chalcédon (1962), mit Übersetzungen der Texte 228—33; Bibl. 241—8; W . de Vries, Die Struktur der Kirche gemäß dem Konzil von Chalkedon, in: OCP 35 (1969) 63—122, bes. 98—118. 21 [Petrus und Leo] Einzelheiten bei M. 6, 937—82. 22 [Chalkedon Kap. 28] P. Stephanou, Sedes apostolica, regia civitas, in OCP 33 (1967) 563—82. 23 [Edikt alentinians] Text in Xovellae Valenliniani I I I , tit. 16. in: G. Hanel, Corpus iuris Romani anteiustiniani (1844), fase. 6, 172—6. Die
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Bibliographische Hinweise
Formulierung der Präambel (S. 173) mag der Akklamation der Synodalen vom Jahre 535 sehr wohl als Vorbild gedient haben (s. u. 38). 2. Kapitel A) Quellen JK 619—1063; LP I, 255—311; A.Thiel, Epistolae Romanorum pontificum genuinae (1862); Avellana, in: CSEL XXXV; Pelagli I Papae Epistolae, hsg. von P. M. Gasso und C. M. Batlle (1956). B) Literatur P. BatiSol, Cathedra Petri (1938); L.Duchesne, L'église au VIe siècle (1925); G. Every, The Byzantine patriarchate 451—1204 (21961); Schubert 17—221; F. Dvornik, Bycance et la primauté romaine (1964); L. M. Hartmann, Geschichte Italiens im Mittelalter I l / i , 1—159; H. St. Β. Moss, in: CMH IV (1966) 3—42; FM. IV; HL. II, 881—1185; I I I , 1—237. 24 [Entfremdung zwischen West und Osti Η. Steinacker, Die römische Kirche und die griechischen Sprachkenntnisse des Frühmittelalters, in: MIÖG 62 (1954) 28—66; H. Kreilkamp, Rome and Constantinople in the .fifth century: a study in the relationship of patriarchal churches, in: The Jurist 31 (1971) 319—31. 25 [Kaiserliche Attribute] L. Bréhier et P. Batiffol, Les survivances du culte impérial romain (1920) (grundlegend); W. Ensslin, Gottkaiser und Kaiser von Gottes Gnaden, in: SB Bayr. Ak. (1946); P G 16 n. 3,24 n. 1; O. Treitlinger (s. o. 19f.,); A.Michel, Kaisermacht (s. o. 19f.) mit umfassenden Lit.angaben. Jeder der beiden Kaiser, Valentinian und Marcian, bezeichnet sich als ,pontifex inclytus' in der Urkunde, die die chalkedonensischen Beschlüsse bestätigt, siehe Ed. Schwartz, Acta conciliorum oecumenicorum, II—3 (1936) nr. 104, S. 346 f. Das Konzil selbst wurde durch Befehl ,divinissimi et piissimi' oder auch ,sacratissimi domini nostri Marciani' einberufen, ebd. S. 27, 262, 361, usw. Auch Kaiser Anastasius bezeichnete sich als ,pontifex inclitus', siehe Avellana (in CSEL. 35), nr. 113, S. 506. 25 [Monophysiten] W. H. C. Frend, The growth of monophysilism (1971). 25 [Henotikon] Text bei Evagrius, PGr 86, 2 Sp. 2620—5; Caspar II, 22—39, bes. 35 (der den Ubergang zum Caesaropapismus kennzeichnet). 26 [Felix III.'] Duchesne in: LP I, 253 Anm. 2. 26 [Gelasius f.] PG 17—28, 462—3; einige einschlägige Urkunden hsg. und übersetzt von H. Rahner, Kirche und Staat im Frühmittelalter (1962) Nr. 19—20c, S. 250—63; A. S. McGrade, Two fifth-century conceptions of papal primacy, in: Studies in Medieval and Renaissance History 7 (1969) 3 - 4 5 ; 27 [Akazianisches Schisma] Ed. Schwartz, Publizistische Aktenstücke zum akazianischen Schisma, in: Abk. Bayr. Ak. 10 (1934). 31 [Pseudo-Dionysius] B. Altaner, Patrologie (51958) 466—7; U. Riedinger, Der Verfasser der pseudo-dionys. Schriften, in: ZKiG 75 (1964) 146—52; vgl. auch W. Ullmann in TU (s. o. 2). 31 [Silvesterlegende] Text bei B. Mombritius, Sanctuarium seu vitae sanctorum (hsg. 1910) 508—24, z. T. auch bei C. B. Coleman, Constantine and early Christianity (1914) 217—27; PG 70—81 (weit. Lit.). 32 rChlodwig} Caspar II, 126—8, 762; J. M. Wallace-Hadrill, The LongHaired Kings (1961) 163—85, Early Germanic Kingship (1971), 18fi.; R. Weiss, Chlodwigs Taufe: Reims 508 (1971).
Bibliographisdie Hinweise
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33 [ L a u r e n t i a n i s c h e s Schisma] R. Cessi im ASP 42 (1919) 5—229; 43 (1920) 209—31 (grundlegend); Caspar II, 87—106, 758—61; W . Ensslin, Theoderich d. Gr. (1947); L. Duchesne, L'église (wie in B). 33 [ S y m m a c h i a n i s c h e Fälschungen] L. Duchesne in LP I/cxxii, cxxvi, cxxxiii-cxli. 34 [Zosimus, Bonifaz I., Coelestin /.] s.o. 12, 14. 34 [Liber Pontificalis] Bewundernswerte Darstellung von L. Duchesne in seiner Einführung zum LP; weitere Beobachtungen in Bd. III, hsg. von C. Vogel (1957), einschließl. der Mss. von Tortosa mit verbessertem Text für das 12. Jh. (143—71). S. a. H. Leclerq, s. v. in DAC IX, 3 5 4 - 4 5 9 ; O. Bertolini, Il Liber Pontificalis, in: Settimana Spoleto 17 (1970), 387—456; als Rechtsquelle s. G. Melville, Rechtssätze in Papstgeschichtswerken, in: ΑΗΡ 9 (1971) 377—400, bes. 384 ff. 36 [ H o r m i s d a s und die Überwindung des Schismas] Einschlägige Urkunden in Avellana, Nr. 89, 90, 116b, 159 (S. 338—43, 520—2, 607—10); zu Textproblemen vgl. Caspar II, 764—5; W. Haacke, Die Glaubensformel des Papstes Hormisdas (in: Analecta Gregoriana, 20 (1939)) auch R. Cessi, ASP 43 (1920) 209 ff. 36 [Justinian] Ed. Schwartz, Zur Kirchenpolitik Justinians, in: Gesammelte Schriften 4 (1960) 276—328; PG 31—8, 463 f.; H. Rahner (s. o. 26) 281—96; CMH IV, 2 (1967) 55—63, 105—30. 38 [ A k k l a m a t i o n durch das Konzil vom J. 5 3 5 ] M. 8, 969. Vgl. o. 23. 38 f. [Justinians Gesetzgebung] Belege in PG 34 n. 2; ferner F. A. Biener, Geschichte der Novellen Justinians (Neudruck 1970). 39 [ Justinians Arbeitsteilung] Novella 6, Präambel. 40 [ Z e r e m o n i e l l ] O. Treitinger (s. o. 19 f.); F. Dölger, Byzanz und die europäische Staatenwelt (hsg. 1964) 9—33, 70—115. 40 [Justinians göttlicher Mund] Cod. I ' x v i i , 1 (6); ..ein Gesetz als .göttliche Vorschrift' in Novella 13, Epilog. 40 [Reaktion des Papstes] Einige Urk. hsg. und übers, bei H. Rahner 298— 332. 40 f. [ V i g i l i u s ] Ed. Schwartz, Vigilius-Briefe, in: 5B Bayr. Ak. (1940); Caspar II, 234—86 (grundlegend); H. Rahner Urk. Nr. 28, S. 334—443; Facundus ebd., Nr. 24—6, S. 302—22. 41 [ „Drei Kapitel"] Facundus in PL 67, 527—854; W . Pewesin, Imperium, ecclesia universalis (1937) 3—18, 150—8; E. Stein, Histoire du bas empire II (1949) 632—88; R. Haacke, Die kaiserliche Politik in den Auseinandersetzungen um Chalkedon, in: Cbalkedon II (1953) 95—177, bes. 164 ff. und A. Grillmeier, ebd. 806—34. 41 [5. All gem. Konzil] Decreta 83—98: R. Devréesse, Le V e concile et L'ecumenicité, in: Misc. G. Mercati III (1946) 1—15. Über die petrinologische Bedeutung des Papstes Pelagius I. siehe jetzt M. Maccarrone, Fundamentum apostolicarum sodium: persistenze e sviluppi dell' ecclesiologia di Pelagio I nel!' Occidente latino tra i secoli XI e X I I , in: La Chiesa Greca in Italia dell Vili al XVI secolo (1973) 591—661. 44 [Liber Oiurnus] Th. Sickel. Der Uber Diurnus (1889); Lit. in PG 329 n. 2 und R. Buchner in W L , Die Rechtsquellen (1953) 55—7. Der Brief des Kaisers Honorius an Bonifaz I. im J. 419 ist die erste weltliche Intervention in den Mechanismus der Papstwahl: Avellana 83—4. Zum Problem des L D vgl. PG 329 Anm. 2, ferner L. Santifaller, Bemerkungen zum Liber Diurnus, in: MIÖG 78 (1970) 42—50.
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Bibliographische Hinweise
3. Kapitel A) Quellen JE 1066—2257; LP I, 312—425; Register Gregors I.: hsg. in MG Epp.l und II; P. Conte, Chiesa e primato nelle lettere dei papi del secolo VII (1971). B) Literatur Caspar II, 306—740; L. Bréhier, Grégoire le Grand, les états barbares et la conquête arabe (1938); ders., Le monde byzantin (Neudruck 1970); J. Haller, Papsttum I, 247—361; I. Herwegen, Antike, Germanentum und Christentum (1932); K. F. Stroheker, Germanentum und Spätantike (1965); A. Michel, Die Kaisermacht in der Ostkirche (1959); FM. V; HL. III, 238—600. 46 [Gregor I.] S. Brechter, Die Quellen zur Angelsachsenmission (1942); P. Batiffol, Grégoire le Grand (1929); Caspar 11,373—514; Schubert 189—201; PG 36—52, zusätzl. Lit. 465; C. Dagens in Recherches de science religieuse 58 (1970) 273—88; Wallace-Hadrill, Germanie Kingship, 28 ff. Siehe ferner M. Gibbs, The decrees of Agatho and the Gregorian plan for York, in: Speculum 48 (1973) 213—46. Der Aufsatz von K.-U. Jäschke, Frühes Christentum in Britannien, in: Arch. f . Kulturgesch. 56 (1974) 91 ff. bezeugt lobenswerten Fleiß, aber bedauerlich wenig Sachkenntnis. Allen Ernstes behauptet der Vf. das Bestehen „des Bistums York schon seit der Mitte des 2. Jahrhunderts, so daß sich bereits im späten 3. Jahrh. Kirchenprovinzen auf der Insel ausbilden konnten" (S. 92; vgl. auch S. 117). Es gibt hier noch andere köstliche Angaben und erheiternden Kleinkram, z. T. abgeleitet aus dem für ein Laienpublikum geschriebenen und durchaus keinerlei wissenschaftlichen Wert beanspruchenden Buch von H. Marsh, Dark Age Britain (1970). 49 [ I s i d o r von Sevilla] PL Bde. 81—84; Etymologies, hsg. von W. M. Lindsay (1911); weitere Lit. in WL fase. 1,81—91, bes. 86—7. 51 [Streit mit Johannes IV.] PG 37 Anm. 3. Zu beachten ist, daß Päpste im frühen 6. Jahrhundert als „universale Patriarchen" oder „Patriarchen der ganzen Welt" angesprochen worden sind („universi orbis terrae patriarcha"), z. B., Avellana in CSEL XXXV, 565, 614, 616, usw. (Hormisdas). 53 [Heraklius] G. Ostrogorsky, Geschichte des byzantinischen Staates (31964); ferner H. Rahner 347 ff. 54 [Ekthesis] M. 10, 992—5. 54 [Typos] M. 10,1029—30. 54f. [Martin /.] LP I. 336—42; Laterankonzil vom J. 649: M. 10, 863—8; Caspar in ZKiG 51 (1932) 75—156; Festnahme: JE 2078—81; H. Rahner 354—6; Prozeßbericht: ebd. (mit dt. Übers.) 366—91. Über Honorius I. siehe nunmehr G. Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit (1975). 55 [Lage im Exarchat] A. Guillou, Régionalisme et indépendence. dans l'empire byzantin au VIIe siècle: l'exemple de l'exarchat et de la pentapole d'Italie (1969). 56 [ M a x i m u s ] Prozeßbericht, Urteil und Verbannung: H. Rahner, Urk. 30, 31 S. 392—435. 57 [6. Allgemeines Konzil] Kanones in Decreta 100—6. 58 [Sergius Í.] LP I, 371—82. 58 [Konzil vom ]. 692 (Trullanum und Quinisexta)'] M. II, 921—38. 58 [Versuchte Festnahme des Sergius] LP I, 372—3; auch bei Rahner Urk. 32.
Bibliographische Hinweise
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58 [Papst Konstantin in Konstantinopel] LP I, 389—95 (S. 390—1). 59 [Philippikos Bardanes und Unruhen in Rom'] LP I, 391—2. 60 [Angelsachsen und Papsttum] England and the Continent in the eighth century (1948 und Neudruck) (grundlegend); Th. SAiefíer, WinfriedBonifatius und die christliche Grundlegung Europas {1954); H.Löwe, Oie karolingische Reichsgründung und der Südosten (1937). 61 [ B o n i f a z ] Seine Briefe in MG Epp. I I I , 215—433; G. W. Greenaway, Saint Boniface (1955). 62 f. [Dilemma des Papsttums] Scharfsinnige Bemerkungen von H. Steinacker in MIÖG 62 (1954) 28—66 (S. 61—3). 4. Kapitel A) Quellen J E 2153—2544; PL I, 396—523; I I , 1—51; F. Böhmer — E. Mühlbacher, Die Regesten des Kaiserreiches unter den Karolingern (21908); MG Epp. I I I , 469—657; IV, 19—29, 127—38, 144—6, 187—9; V, 1—104; MG Cone. I I / I; J. Haller, Quellen zur Geschichte der Entstehung des Kirchenstaates (1907); H. Löwe in WL fase. 2 (1953); ebd. R. Buchner, Die Rechtsquellen (1953). B) Literatur P. Bre2zi, Roma e l'impero medioevale 774—1252 (1947); E.Caspar, Das Papsttum unter fränkischer Herrschaft (1964); H. Beumann, Karl d. Gr.: Persönlichkeit und Geschichte (1965); L.Halphen, Charlemagne et l'empire Carolingien (21949); L.Duchesne Les premiers temps de l'état pontifical (1908); Schubert 288—390; Seppelt I I (21955); HL I I I , 1001—1145; PG Kap. 2, 3; FM VI, 17—70, 153—228; H á M I I / 1 , Kap. 1 - 4 , 10—15. 64 [Bilderstreit] E. Caspar, Papst Gregor I I . und der Bilderstreit, in: ZKiG 52 (1933) 29—86; einschlägige Texte der Papstbriefe (mit dt. Übs.) bei H. Rahner 438—59; M. Anastos, Iconoclasm and the imperial rule, in: CMH IV (1966 ) 61—104; G. Ostrogorsky (s. o. 53) Kap. 3. 67 [Papsttum und Pippin]LP I, 440—62; Annales regni Francorum in MG SS; Clausula in MG SS rer. Merov. I, 465; Codex Carolinus in MG Epp. I I I , 469—657, 479—507; L. Levillain, L'avènement de la dynastie carolingienne et les origines de l'état pontifical, in: BECH 94 (1933) 225—95; J. Haller, Die Karolinger und das Papsttum, in seinen Abh. zur Gesch. des MA (1944) 1—40; M. Wallace-Hadrill, Kingship (s. o. 32) 99 ff. 69 [Byzantinische Gesandtschaft] LP I, 444—6. 69 [Ponthion und Salbung] PG 52—74. 69 [Konstantinische Schenkung] Neu hsg, von H.Fuhrmann in Fontes Iuris Germanici Antiqui 10 (1968); ihre Verwendung durch die päpstl. Kanzlei: PG 59, Anm. 1, 60, 65 Anm. 3, 73 Anm. 2, 466. 480. Der Titel von N. Huyghebaerts Aufsatz, La Donation de Constantin ramenée à ses véritables proportions, in: RHE 71 (1976) 45 ff. verspricht zu viel: der Aufsatz zeigt zu wenig Verständnis für die voraufgehende geschichtliche und ideologisch bedingte Entwicklung, insbes. im Verhältnis zu Konstantinopel und der Legenda Silvestri. 71 [Identifizierung von Christen mit Römern] z. B. Bonifaz in MG Epp. I I I , 341, Nr. 73, Z. 19 f.; andere Quellen PG 62 Anm. 1, 2. 71 f. [Karl d. Gr. und das Papsttum] Cod. Carol, in MG Epp. I I I . 469 ff. (S. 559—636); Einhard, Vita Karóli in MG SS 1905). Für Einhard vgl. die Studien, die hauptsächlich den Symbolismus betreffen, in: Das Ein-
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Bibliographische Hinweise
hardskreuz, hsg. K. Hauck ( = Abhandlungen der Akad. der Wissensdiaften, Göttingen, 3. Folge, Nr. 87, 1974). MG Cone. 1,110—71 (Konzil von Frankfurt); LP I, 486—523, II, 1—4&; P. Classen, Karl d. Gr., das Papsttum und Byzanz, in: Karl d. Gr. (wie unter Β) I, 537—608 (neu hsg. 1968) (grundlegend); PG Kap. 3. 73 [Dionysio-Hadriana] Einzelheiten bei P. Fournier — G. Le Bras, Histoire des collections canoniques I (1933) 94—8; H. Mordek, Dionysio-Hadriana und Vêtus Gallica, in: ZRG KA 55 (1969) 39—63. 73 [ L e o III. und Paderborn'] H. Beumann in HZ 185 (1958) 515—49; Beschreibung des Bauprojekts in MG Poetae Latini I, 366 ff. und' bei Einhard, Vita Karoli, c. 32. Über Leo I I I . vgl. H.-G. Beck, Die Herkunft des Papstes Leo III., in: Frühmittelalterliche Studien 3 (1969) 131 ff. Krönung: Quellen zus. gestellt von H. Dannenbauer, Die Quellen zur Geschichte der Kaiserkrönung Karls d. Gr. (1931); R. Folz, Le couronnement impérial de Charlemagne (1964); L. Falkenstein, Der Lateran der karolingischen Pfalz zu Aachen (1966). 74 [Indemnität des Papstes] Erklärung der römischen Versammlung: LP II, 7; vgl. W„ Ulimann in SG IV (1952) 111—28, bes. 116 f.; Eid Leos: LP a. a. O.; MH Cone. II, 226; vgl. P. Classen 578 Anm. 200; H. Zimmermann, Papstabsetzungen des MA (1968) 30—7. 76 [Quellenbericht über die „Anbetung" durch den Papst] Annales regni Francorum 112. 78 [Byzantinische Krönung] O. Treitinger (s. o. 19 f.). 78 [Römischer Kaiser — West und Ost] W. Ohnsorge, Das Zweikaiserproblem (1947); Bedeutung der Krönung: CR Kap. 6. 79 f. [Päpstl. Vorgehen in Reims] PG Kap. 5; bes. E. Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland (1943) I, 39—50; Salbung und ihre Bedeutung: CR Kap. 4; Eva Müller in HJb (1938) 317—60; Dr. J . L. Nelsons ungedr. Diss. (Cambr. 1967) und dies, in Studies in Church History V I I (1971) 41—60. 80 [Westgoten und Franken (Salbung)] CR 69 Anm. 1 (Quellen und Lit.) 81 [Kaiser- und Königssalbung] PG 148—56, 225—7, 253—61; Königssalbung: CR 71 ff., 91—2; M. J. Wilks (s. u. 253) 242. 5. Kapitel A) Quellen J E 2545—3673; LP II, 49—245; MG Epp. V, 581—614; VI, 257—756, VII, 1—329, 334—70; MG Cone II, 2; K. Elze (Hsg.), Ordines coronationis imperiales, in: Fontes iuris Germanici antiqui (1960); Annales Fuldenses in MG SS; Regio von Prüm, Chronicon in MG SS\ H. Löwe in WL fase. 3 (1957) und 4 (1963); D. Lohrmann, Das Register Papst Johannes' VIII. (1968); H. Zimmermann, Papstregesten 911—1024 (1969). B) Literatur Gina Fasoli, I re d'Italia 888—962 (1949); CR Kap. 2 , 3 , 6 ; W. Ohnsorge, Abendland und Byzanz (1958); F. Dölger, Byzanz und die europäische Staatenwelt (Neudruck 1964), bes. 34—115, 282—369; D. Hay, Europa: the emergence of an idea (1957); A. Lapôtre, L'Europe et le siège à l'èpoche carolingienne (1895); FM VI, 273—302, 367^112, VII, 15—50; Hdb III/I Kap. 16—18, 21, 22, 27; HL IV, 1—786. 84 [Konstitution von 824 und Papstwahlen] W. Ullmann in Cambr. Hist.
Bibliographische Hinweise
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J. 11 (1953) 114—28; fragwürdige Prämissen bei O . Bertolini, Osservazioni sulla constitutio Romana . . . dell' 824, in: Studi medievali in onore dt Α. Stefano (1956) 43—76. 84 f. [ E p i s k o p a l i s m u s gegen Papalismus] PG Kap. 4; jetzt bes. R. L. Benson, The Bishop-Elect (1968). 86 f. [Kaiserkrönungen] E. Eichmann (s. o. 79 f.) 1,45—108; PG Kap. 5 Über die sog. „Imperatores Italiae" in der 2. H ä l f t e des 9. Jahrhunderts siehe die erschöpfende Studie von H . Zimmermann, Imperatores Italiae, int Historische Forschungen für Walter Schlesinger (1974) 379 ff. 89 [ L e o IV.] zu seinen Registerfragmenten s. W . Ulimann, Nos si aliquid incompetenter, in: Ephemerides iuris canonici 9 (1953) 312—36. 89 f. [Klerus im Frankenreich] C. Nissl, Oer Gerichtsstand des Clerus im Frankenreich (1886) (noch immer grundlegend). 91 [Pseudo-Isidor] hsg. von P. Hinschius, Decretales Pseudo-Isidorianae (Neudruck 1963); R. Buchner, Die Rechtsquellen (1953);Fournier — Le. Bras, Hist, des collections canoniques I, 127—230; Α. Μ. Stickler, Historia iuris canonici latini (1950) 117—43; KRG Kap. 17; E . H . D a v e n p o r t , Τ he false decretals (1916); J. Haller, Nikolaus I. und Pseudoisidor (1936); PG 167—89; H . Fuhrmann, Pseudo-Isidor in Rom vom E n d e der Karolingerzeit bis zum Reformpapsttum, in: ZKiG 78 (1967) 15—66; ders. in QFIAB 49 (1969) 313—39 (haupts. historiographisch); A. Marchetto, Episcopato e primato pontificio nelle decretali pseudo-isidoriane (1972); H . Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung der pseudo-isidorischen Fälschungen I (1972—74) (grundlegend). 94 [ N i k o l a u s /.] LP I I , 151—71; MG Epp. VI, 257—690; E. Pereis, Nikolaus I- und Anastasius (1920); K. Brandi, Ravenna und Rom, i n : A U F 9 (1926) 1—38; H . Fuhrmann in ZRG KA 44 (1958) 353—8; PG Kap. 7; Y. Congar in RSC 20 (1967) 393—410; ders., L'ecclésiologie du haut MA (1968) 206—25. 95 [Eheaffäre Lothars] MG Epp. VI, 209—40, 300—51; E. Ewig in Hdb. I I I / I . 148 ff. (beste neuere Darstellung). 96 [ H i n k m a r von Reims] H . Schrörs, Hinkmar von Reims (1884) (noch immer grundlegend); ferner CR Kap. 4; M. Andrieu, Le sacre episcopal d'àpres Hincmar, in: RHE 48 (1953) 22—73. 96 f. [ B y z a n z ] MG Epp.V1,433—610; Synodalkanones von Konstantinopel: H . G . B e c k in Hdb I I I / I , 197; J. Hergenröther, Photius, Patriarch von Constantinopel (Neudruck 1968) (grundlegend); F. D v o m i k , The Photian schism (1948); G . T . D e n n i s , T h e „anti-Greek" character of the Responsa ad Búlgaros of Nicholas I.?, in: OCP 24 (1958) 165—74 (nicht antigriechisch); D. M. Nicol, The byzantine view of Western Europe, in. Greek, Roman and Byzantine Studies 8 (1967) 315—36. 97 [Konzil von Konstantinopel] f ü r Einzelheiten s. D. Stiernon, Constantinople IV (1967). 99 [Geistiges Niveau] M. L. W . Laistner, Thought and Letters in Western Europe (21957) 251—385. 100 [ R u n d b r i e f ] CR Kap. 6. 101 [8. All gem. Konzil] Kanones in Decreta 142—62. 101 t A r a b e r ] F. E. Engreen in Speculum 21 (1946) 318—30; E. Ewig in Hdb I I I / I , 152—60. 101 [Hadrian II.] H . Grotz, Erbe wider Willen: Hadrian II. (867—72) und seine Zeit ( 1970).
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Bibliographische Hinweise
102 [ P a p s t w a h l d e k r e t (898)] M. 18,225, Kap. 10; HL IV, 7—8, 716—7. 103 [ F o r m o s u s ] J. Duhr, Le concile de Ravenne en 898: la réhabilitation du pape Formose, in: Recherches de science relig. 22 (1932) 541—79; bes. H. Zimmermann, Papstabsetzungen (s. o. 74) 53—73. 104 [ K i r c h e n s t a a t ] W. Kölmel, Rom und der Kirchenstaat im 10. ]h. (1935); B. Hamilton in Studies in Medieval and Renaissance History II (1965) 263—310; H. Zimmermann, a. a. O. 74—7. 105 [ C l u n y und Alberich] A. Rota, La riforma monastica del „princeps" Alberico, in: ASP 79 (1965) 11—23. 105 [ P a p s t n a m e n ] F. Krämer, Über die Anfänge und Beweggründe der Papstnamensänderungen im MA, in: RQ 51 (195$) 148—88, hier: 154— 6. Vgl. ferner, W. Reinhard, Papa Pius, in: Festschrift A. F ranzen, hgg. R. Bäumer (1972) 261 ff., bes. 273 ff. 105 [Ungarische Einfalle] G. Fasoli, Le incursioni ungare in Europa del seculo X (1946); C. A. Macartney, The Magyars in the ninth century (Neudrude 1970); G. Ostrogorsky (s. o. 59) 194—224. 6. Kapitel A) Quellen JL 3674—4468; LP 11,246—80; J. M. Watterich, Pontificum Romanorum ... Vitae (1862) I, 38—235, 623—739; M. Boye, Quellenkatalog der Synoden Deutschlands und Reichsitaliens, in: NA 48 (1930) 47—96; Liutprand von Cremona, Opera, 3. Aufl. in MH SS; R.Elze, Ordines (wie in 5. Kap. A); J. Deér, Das Papsttum und die süditalienischen Normannenstaaten 1053—1212 (1969) (Edit, aller einschlägigen Urk.). B) Literatur Jules Gay, Les papes du XIe siècle et la chrétienté (1926); R. Folz, La naissance du saint-empire (1967) (zahlreiche Texte ûbers. 185—354) R. Holtzmann, Gesch. der sächsischen Kaiserzeit (1943 und Neudruck) (grundlegend); P.E.Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio (Neudruck 1957); R. Morghen, Rinnovamento dell vita europea e riforma della chiesa nel sec. XI (1958); A. Cartellieri, Ber Aufstieg des Papsttums 1047—1095 (1936); FM V i l i , 51—176; Hdb III/I, Kap. 27, 28, 32, 42; HL IV, 777—1249; PG Kap. 8. 108 [ K r ö n u n g Ottos /.] E. Eidimann, Kaiserkrönung (s.o. 791) I, 129—49; P. E. Schramm, Kaiser, Könige und Päpste (1969) III, 153 ff., bes. 169- · 75. 108 [Byzanz und Süditdien] R. Holtzmann, 136—52, 184—201. 109 [ O t t o I. als römischer Kaiser] MG DD 1,318,322,324,329,346. 110 [Ottonianum] W. Ulimann, The Origins of the Ottonianum, in: Cambr. Hist. J. II (1953) 114—28. 110 [ Absetzung Johannes' XII] H. Zimmermann (s. o. 74) 77—98, 235—72. 110 [Tod Johannes' XII.] Liutprand, Historia Ottonis c. 20 in MG SS 173—4; LP II, 264: dieser „infelicissimus" Papst „verbrachte den größten Teil seines Lebens in Unzucht und Ausschweifung". 111 [Otto III.] M. Uhlirz, Jbb. des Deutschen Reichs unter Otto III. (1954). 112 [ Τ u s k u l a n e r p ä p s t e ] siehe KI.-J. Herrmann, Das Tuskulanerpapsttum (1012—1046): Benedikt VIII., Johannes XIX, Benedikt IX. (1973). 113 [Konzil von Pavia 1022] M.19, 343—56 bes. beschäftigt mit dem Konkubinat, Priestersöhnen und ähnl. Angelegenheiten); zu entsprechenden Bemühungen in der deutschen Kirche vgl. die Synode von Seligenstadt, M. 19, 396—404.
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115 f. [Slavenmission] A. P. Vlasto, The entry of the Slavs into Christendom (1970); K. Bosl, Der Eintritt Böhmens und Mährens in den westl. Kulturkreis, in: Collegium Carolinum (1958); Missionen nach Dänemark und Schweden: W. Seegrün, Das Papsttum und Skandinavien (1967) 18—64. 116 [Magdeburg] R. Holtzmann 182—5, 231—3, 415; Gnesen: ebd. 359—64. 116 [Ungarische Kirchenorganisation] G. Györffy, Zu den Anfängen der ungarischen Kirchenorganisation, in: ΑΗΡ 7 (1969) 79—113. 118 [Sutri] H. Zimmermann (s. o. 87) 114—39 (mit erschöpf. Bibl.). In diesem Zusammenhang vgl. noch H. Vollrath, Kaisertum und Patriziat in dien Anfängen des Investiturstreits, in: ZKiG 85 (1974) 11 ff. 118 [Päpste zwischen 955 und 1057] L. Santifaller, Zur Geschichte ottonischsalischen Reichskirchensystems, in: SB Wien 1954 (neu hsg. 1964) (sehr detaillierte Bibl.); auch O. Köhler, Die ottonische Reichskirche, in: Adel und Kirche·. Festgabe für Gerd Tellenbach (1968) 141—204. 118 [Papst als Bischof ] Daß die meisten Päpste des 11. Jh. vor Gregor V I I . , die vor Übernahme des päpstlichen Amts Bischöfe gewesen waren, ihre Bistümer behalten, zeigt W. Goetz, Papa qui et episcopus, in: ΑΗΡ 8 (1970) 27—59. 120 [Leo IX. und die lothringischen Kreise] H. Hoffmann, Von Cluny zum Investiturstreit, in: Archiv für Kulturgeschichte 45 (1963) 165—209. 120 [Cluniazenser] J. Leclerq,/l«x sources de la spiritualité occidentale (1964) 91—173; Η. E. J . Cowdrey, The Cluniacs and Gregorian Reform (1970): auch Seppelt I I I , 9-^19. 120 [Humbert] Contra simoniacos hsg. in LdL I, 95·—253; A.Michel, Oie Sentenzen des Kardinals Humbert (1943); ders. in SG 1,65—92; W. Ullmann in SG IV, 111—28; J . J . R y a n in Medieval Studies 20 (1958) 206—38; H. Hoesch, Die kanonischen Quellen im Werk Humberts von Moyenmoulier (1970); H. Fuhrmann, Über den Reformgeist der 74-Titel Sammlung („Diversorum patrum sententiae"), in Festschrift für H. Heimpel I I (1972) 1101 ff. (erschöpfende Literaturübersicht mit Kritik). 122 [Konzil von Reims 1049] M. 19, 738 C (Hauptdekrete gegen Simonie, Scheidung (c. 12) und Wahlgesuche durch Klerus und Volk, Sp. 741—2). 123 f. [Schisma vom J . 1054] Cornel. Will, Acta et Scripta (1861); A. Michel. Humbert und Kerullarios (1926—30); ders. in L'église et les églises I (1954) 341—441 ; M. Jugie, Le schisme byzantin (1940) vgl. H. Steinacker in MIÖG 62 (1954) 40: das Schisma „ist nur der sinnfällige Abschluß einer Entfremdung, die schon im 5. Jahrhundert eingesetzt und im 9. Jahrhundert wesentlich beendet ist"; D. M. Nicol, Byzantium and the papacy in the eleventh century, in: JEH 13 (1963) 1—20. Siehe zum Schisma jetzt vor allem E. Petruzzi, Rapporti di Leone I X con Constantinople in: Studi Medievali 14 (1973) 733—831 (Schluß noch nicht erschienen). 124 [Gültigkeit des Kirchenbanns] E.Hermann in OCP 8 (1942) 209—18 (Buchbesprechung). 125 [Nikolaus ¡I.] Einzelheiten der Wahl und Lit. bei J. Wollasch, Die Wahl des Papstes Nikolaus' II., in: Adel und Kirche (s. o. 128) 203— 20. Jetzt auch D. Hägermann, Zur Vorgeschichte des Pontifikats Nikolaus'II., in: ZKiG 81 (1970) 352—61; ders., Untersuchungen zum Papstwahldekret von 1059, in: ZRG KA 56 (1970) 157—93. 126 [Synode vom J. 1059] MG Const. I, 382 S. 5 3 9 - 4 0 ; 384 S. 547—8; H. G. Krause, Das Papstwahldekret 1059 und seme Rolle im Investitur-
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Bibliographische Hinweise
streit (1960 =SG VII); W. Stiirner, Salvo debito honore et reverentia, in: ZRG KA 54 (1968) 1—56; vgl. dazu H. Grundmann in DA 25 (1969) 234—6. Siehe noch W. Stürner, Das Papstwahldekret von 1059 und die Wahl Nikolaus' II., in: ZRG KA 59 (1973) 417 ff. 127 [ K a r d i n ä l e ] J. B. Sägmüller, Die Tätigkeit und Stellung der Kardinäle bis auf Bonifaz VIII. (1896) (grundlegend); H . W . Klewitz, Die Entstehung des Kardinalskollegiums, in: ZRG KA 25 (1936) 115—221; S. Kuttner, Cardinalis, in: Traditio 3 (1945) 129—214; M.Andrieu, L'origine du titre cardinal, in Misc. G. Mercati (= Studi e Testi 126) V (1946) 113—32; C.G.Fürst, Cardinalis (1967). 127 [Kurie] K.Jordan, Die Entstehung der römischen Kurie, in: ZRG KA 27 (1939) 96—152; ders. in SG 1,111—35; J. Sydow in DA II (1954) 18—73. 128 f. [ H i l d e b r a n d ] G. B. Borino, L'arcidiaconato di Ildebrando, in: SG III (1948) 463—516. 129 [Belehnungen in Süditalien] Die Eide Robert Guiscards und Richards von Capua in der Kirchenrechtssammlung von Deusdedit III, 285—6 (Hsg. W. von Glanvell 393 f.). Zum normann. Hintergrund bes. H. Hoffmann, Die Anfänge der Normannen in Süditalien, in: QFIAB 49 (1969) 95—144. Quellen bei J. Deér (wie in A). Ferner J. Déer, Das Papsttum und die Normannen (1972). 129 [ P a p s t k r ö n u n g ] F. Wasner, De consecratione, inthronizatione, coronatione summi pontificis, in: Apollinaris 8 (1935) 86—125, 249^81, 428—39; E. Eichmann, Weihe und Krönung des Papstes (1952). 7. Kapitel A) Quellen JL 4469—7177; LP II, 281—326, 331—79, III, 143—6; J. M. Watterich, Vitae (wie in 6. Kap. A) I, 239—620, 470—7, II, 1—153; Registrum Gregorii VII, hsg. von E. Caspar (Neudruck 1955); MG L. d. L. I—III; C. Erdmann, Die Briefe Heinrichs IV. (1937); Codex Udalrici, hsg. von Ph. Jaffé in Bibliotheca rerum Germanicarum V (1869) 38—388; E. E. Emerton, The correspondence of Gregory VII (1932). Β) Literatur Η. X. Arquillière, Saint Grégoire (1934 und Neudruck); R. Morghen, Gregorio VII (1952); Α. Brackmann, Gregor VII. und die kirchliche Reformbewegung in Deutschland, in: SG 11,7—30; W. v. den Steinen, Canossa, Heinrich IV. und die Kirche (1957); PG Kap. 9; A.Becker, Urban II. (1964ff.); S. Runciman, History of the crusades (1951 und Neudruck); E.Voosen, Papauté et pouvoir civil à l'époque de Grégoire VII (1927); FM V i l i , 13—390; Hdb III/I, Kap. 42—45, 49; HL V, 13—644. 132 [ P a p s t b a n n e r ] C. Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (1936 und Neudruck) 166—84. 134 [Palarla] H. E. Cowdrey, The papacy, the Patarenes and the church of Milan, in: TRHS 5. Serie, 18 (1968) 25—48; G.Miccoli, Per la storia della Pataria milanese, in seiner Chiesa Gregoriana (1967) 101—60; Vgl. noch G. Cracco, Pataria: opus et nomen, in: RSC 28 (1974) 357—87. 137 [Wahl Gregors] Reg. 1,1—3; s. auch W. Goez u. 154. 137 f. [Pontißkat Gregors VII.] Zu einigen fragwürdigen Schlüssen vgl. O. Capitani, Esista un „Eta Gregoriana"?, in: Riv. di storia e litteratura religiosa I (1965) 454—84; s. auch J. Gilchrist, Was there a Gregorian
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Reform Movement in the eleventh century?, in: Canadian Catholic Historian Association, Study Sessions Nr. 37 (1970), dessen Beurteilung dieses Pontifikats angezweifelt werden mag. Gregors nicht-registrierte Briefe sind neu hsg. und übers, von H. E. J. Cowdrey, The Epistolae va gantes of Pope Gregory VII (1972). Siehe noch R. Morghen, Gregorio VII e la riforma della chiesa nel sec. X I (1974). 140 [Feldzug gegen den Osten] Reg. 1 , 4 6 ; 1 1 , 3 1 , 3 7 , 4 9 . 140 [Solomon und Geisa (Ungarn)] J. Deér, Die heilige Krone Ungarm (1966) 72—9, 193—9; auch G. Stadtmüller in HJb 70 (1951) 65—110. 140 f. [Translatio regni] Reg. Gregors 11,70. Über die gregorianischen Dekrete, die Eingang fanden in spätere Rechtssammlungen, vgl. J. Gilchrist, The reception of Pope Gregory VII into the canon law (1073—1141), in: ZRG KA 59 (1973) 35—SI. 141 [Grundsatz der Universalität] PGP 33—7, 97—8; hier handelte es sich um das universale regimen, wie es in Gregors Reg. gefordert wird: Reg. Greg. I I , 44, 51; IV, 2 und 24; V I I I , 21 usw. Zum ganzheitlichen Grundsatz siehe M. Maccarrone, La teologia del primato romano del secolo X I , in: Le istituzioni ecclesiastiche della societas Christiana dei secoli XI— XII: papato, cardinalato ed episcopato (1974) 21—122. 141 [Monarchische Gewali] Ch. Schneider, Prophetisches Sacerdotium und heilsgeschichtliches Regnum im Dialog 1073—77 (1972). 141 [Rechtssammlungen] Fournier-Le Bras, Hist, des coll. can. 11,4—54; PG 359—73; Α. M. Stickler, Hist, iuris can. lat. 141 ff. [Dictatus papae] Reg. I I , 55a; K. Hofmann, Der Dictatus papae GregorsVII. (1933); G. B. Borino, Un ipotesi sul D. P. di Gregorio, in: ASP 67 (1944) 237—52; K.Hofmann in SG 1,531—7; S. Kuttner, ebd. I I , 387—401; Β. Jacqueline, A propos des Dictatus Papae: les auctoritates apostolicae sedis d'Avranches, in: Rev. historique de droit français et étranger 34 (1956) 569—74; H. Mordek, Proprie auctoritates apostolicae sedis: ein zweiter D.P.Gregors V I I . ? , Ln: DA 28 (1972) 105—32 mit Edition dieses neuen Texts. 142 [Unfehlbarkeit] Zu der (späteren) These der päpstlichen Unfehlbarkeit s Β. Tierney, Origins of papal infallibility IVO—1)50 (1972). 143 [Papst als Heiliger] W. Ullmann, D. P. 23 in retrospect and prospect, in. SG VI (1961) 229—64. 143 [Verkündung des Investiturverbots 1075] G. B. Borino in SG VI, 329— 64. 144 [Ultimatum und Reaktion in Deutschland] Reg. 111,8; MG Const. 1. 58—63 (S. 106— 111); Briefe Nr. 10—13. Der Wormser Urteilsspruch wird in Hinsicht auf den Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen genau untersucht von W. Goez: Zur Erhebung und ersten Absetzung Papst Gregors V I I . , in: RQ 63 (1968) 117—43; H. Zimmermann, Wurde Gregor V I I . in Worms abgesetzt?, in: MiÖG 78 (1970) 121—31. Über den angeblichen Eid Gregors (als Hildebrand) vor Heinrich I I I . vgl. jetzt T. Schmidt, Zu Hildebrands Eid vor Kaiser Heinrich I I I . , in ΑΗΡ 11 (1973) 374 ff. 145 [Bann und vorläufige Absetzung Heinrichs IV.] Reg. I I I , 10a. 146 [Tribur und Oppenheim] J . Fleckenstein, Heinrich IV. und der deutsche Episkopat, in: Adel und Kirche (s.o. 118) 221—36. Über die unmittelbare Nachwirkung von Tribur s. jetzt insbes. E. Hlawitschka, Zwischen Tribur und Canossa, in: HJb 94 (1974) 25—45.
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Bibliographische Hinweise
146 [Überquerung der Alpen] lebendige Beschreibung bei Lampert von Hersfeld in seinen Annales (hsg. 1957 mit dt. Übers.) 394—401. 146 f. [Canossa] Quellen gut zus. gestellt von K. Langosch, Die Briefe Hein richs IV. (1955) 113—27; H. X. Arquillière, Grégoire VII, à Canossa at-il réintégré Henri IV dans sa fonction royale?, in: SG IV (1952) 1—26. Erzählung des Hergangs bei Lampert, a. a. O. 402—13 (mit Vorsicht zu verwenden). „Angelegenheit in der Schwebe": Reg. VI, 12 („ita adhuc totius negotii causa suspensa est"); Heinrich wird von Gregor nach Canossa als „König" bezeichnet in Reg. IV, 22,24; V, 7,16; VI, 1,17a (2), 22, usw. Vgl. Reg. Vii, 3. Über Canossa vgl. nunmehr die umfassende Abhandlung von H. Zimmermann, Der Canossagang von 1077: Wirkungen und: Wirklichkeit, in: Abbandlungen der Akademie d. Wissenschaften und der Literatur: Mainz (Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse, nr. 5,1975). 148 [Publizistik] C. Mirbt, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII. (Neudruck 1965) (grundlegend). Zur Sache vgl. W. Ullmann, Von Canossa nach Pavia: Zum Strukturwandel der Herrschaftsgrundlagen im salischen und staufischen Zeitalter, in: HJb 93 (1973) 265—300. Die auf marxistischen Voraussetzungen aufgebaute Studie van E. Werner, Zwischen Canossa und Worms: Staat & Kirche 1077—1122 (1973) bleibt weit hinter dem heutigen Stand der Forschung zurück, ist einseitig und übersieht historisch wesentliche Faktoren. 149 [Endgültige Absetzung und Exkommunikation Heinrichs] Reg. VII, 14a. 151 [Gregor über Geschichte und Glaube] G. Ladner, Two Gregorian Letters, in: SG V (1958) 225—42. 152 [Römisches Recht] PG 382—7; W. Ullmann, Juristic obstacles to the emergence of the concept of the state in the MA, in: Annali di storia del diritto 13 (1969) 41—64 ( = Gedächtnisband für F. Calasse). 154 [Urbans Empfehlung] S. Löwenfeld, Epp. pontificum Romanorum ineditae (1885) Nr. 126 (S. 61 f.); zu der ganzen komplexen Frage der Entwicklung der scholastischen Methode als eines Werkzeugs zur Lösung der contrarietates s. S. Kuttners grundlegende Studie, die einen Wendepunkt bedeutet: Urban II. and the doctrine of interpretation, in: St. Grat. XV (1972) 53—76. Zum beginnenden Rechtsstudium in Ravenna und Bologna und die nachhaltenden Wirkungen dieser neuen Jurisprudenz, vgl W. Ullmann, Law and Politics in the Middle Ages (1975), bes. 83 ff. 154 f. [Beilegung des lnvestiturstreitsl Th. Schleifer, Die päpstlichen Legaten in Frankreich 870—1130 (1935); H. Hoffmann, Ivo von Chartres uni} die Lösung des Investiturstreits, in: DA 15 (1959) 383—440; A.Becker, Urban II. 1,187—226; englische Regelung: A. L. Poole, From Domesday Book to Magna Carta (1951) 177—84; Ν. Cantor, Church, kingship and lay investiture in England 1089—1135 (1958); Ζ. N. Brooke, The English Church and the Papacy (Neudruck 1969). 155 [Bedeutung des Investiturstreits] Κ. Bosl, Der Investiturstreit und seine Bedeutung für Europa, in seinem Mensch und Gesellschaft in der Geschichte Europas (1972) 121—40. 155 [Spanien] P. Kehr in APA (1926) nr. 1 und 2; (1928) nr. 4. 155 [Kreuzzug] A.Waas, Geschichte der Kreuzzüge 2 Bde. (1966); Η . E . Mayer, Geschichte der Kreuzzüge (1966); S.Runciman (wie unter B). Zur gefälschten Enyzklika von Sergius IV. mit dem Kreuzzugsaufruf (wahrscheinl. um 1096 hergestellt) s. A. Giesztor in Medievalia et Huma-
Bibliographische Hinweise
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nistica 5 ( 1 9 4 8 ) 3 — 2 3 , 6 ( 1 9 5 0 ) 3 — 3 4 . Kreuzfahrerverpfliditungen: J . A. Brundage in Traditio 24 (1968) 7 7 — 1 1 5 ; ders., Medieval canon law and the crusader (1969). Quellen zu den Kreuzzügen: Documents relatifs à l'histoire des croisades, hsg. von L'Académie des inscriptions et belleslettres (in Druck: bisher 9 Bde. erschienen). 155 [Römischer Primat über Konstantinopel} Reg. Gregors V I I . I I , 3. 158 [Paschalis II. und Heinrich V.i.J. 1 1 1 1 ] MG Const. 52); E . Eichmann, Kaiserkrönung I, 2 2 2 — 5 ; KGD Regalienbegriff siehe J . F r i e d , der Regalienbegriff hundert, in: DA 29 (1973) 4 5 0 — 5 2 8 (die Regalia
I, 8 3 — 1 0 1 (S. 1 3 4 — I I I , 8 9 7 — 9 0 5 . Zum im 11. und 12. Jahrs. Petri, S. 5 0 0 ff.).
159 [Pravilegium] Text in MG Const. I, 399 ( S . 5 7 1 — 3 ) ; M . 2 1 , 7 4 — 6 : Bann Heinrichs V. wegen Meineids und Gotteslästerung als „alter Judas" und Drohung eines Schismas auf dem Konzil von Vienne i. J . 1112; Lateransynode vom März 1116: M. 2 1 , 1 4 5 — 5 1 . 159 f. [Übereinkunft mit dem Reich] Quellen von Worms gut zusammengestellt bei W . F r i t z , Quellen zum Wormser Konkordat (1955). Zum Hintergrund bes. wesentlich M. J. Wilks, Ecclesiastica und Regalia, in SCH V I I (1971) 6 9 — 8 5 (Bedeutung der potestas iurisdictionis des Bi schofs; ferner R. L. Benson, s. o. 93. 8. Kapitel A) Quellen J L 7 1 8 1 — 1 4 0 5 6 ; Boso in LP I I , 3 7 9 - ^ ) 4 6 ; Watterich, Vitae (wie in VI A) I I , 1 5 7 — 6 4 9 ; Codex Udalnci hsg. von Ph. Jaffé (wie in V I I A)) V (1869j 3 8 8 — 4 6 9 ; einschlägige Urkunden auch in Q R G II und in S. M. Onory. Im. crisi del sacro romano impero (1951). Β) Literatur A. Cartellieri, Der Vorrang des Papsttums zur Zeit der Kreuzzüge (1941); K G D I V , 1 1 4 — 3 2 4 ; H. Beumann (Hsg.), Heidenmission und Kreuzzugsgedanke in der deutschen Ostpolitik des MA ( 1 9 6 3 ) ; R. Folz, L'idée d'empire en Ocadent du au XIV' siècle ( 1 9 5 3 ) ; Seppelt I I I , 1 6 5 — 3 1 8 ; F M . I X / 1 . 4 2 — 1 0 2 , 1 3 2 — 4 9 ; I X / 2 , 5 — 1 8 8 ; H í / M I I ' 2 , Kap. 1, 3, 8, 11; H L V. 6 4 5 — 1114; 162 [An der Kurie Spannungen] F. J . Schmale, Papsttum und Kurie zwi sehen Gregor V I I . und Innozenz 11., in -.Vortrage und Forschungen XII (1968) 2 2 7 — 4 2 . 163 [Wahl Honorius' II.} vita in LP I I I , 170—1. 163 [Südlicher Block] über die griechische Kirche und ihre „Union" mit der römischen Kirche s. P. Herde, Das Papsttum und die griechische Kirche in Süditalien vom 11. bis zum 13. J h . . in: Da 26 (1970) 1—46. 164 [Schisma vom J. 1 1 3 0 — 8 ] F. T. Schmale, Studien zum Schisma des Jahres 1130 (1961) (grundlegend). 165 [Innozenz II. in Deutschland] F. T. Schmalc, Bemühungen Innozenz* I I um seine Anerkennung in Deutschland, in: ZKiG 65 (1954) 2 4 — 6 8 . 166 f. [Abälard] Lit. bei M. Grabmann, Geschichte der kathol. Theologie (Neudruck 1961) 2 8 8 — 9 ; J . G. Sikes, Peter Abailard (1932); A.Giuliani, Abelardo e il diritto ( 1 9 6 4 ) ; D. Luscombe, The school of Peter Abelard (1969). 167 [Arnold von Brescia] G. W . Greenaway, Arnold of Brescia (1937); A. Frugoni, Arnaldo da Brescia nelle fonti del secolo X I I ( 1 9 5 4 ) ; auch
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Bibliographische Hinweise J . Benzinger, Invectiva in Romam: Romkritik vom 9. zum 12. Jahrb (1968). [Gratian] A. Van Hove, Prolegomena (wie unter „Allgemein") 337—48: A. M. Stickler, Hist, iuris can. lai. 200—17; S. Kuttner, St. Grat. I, 1 5 — 29; einschlägige Abhandlungen ebd. I — X I V ; KRG 276—83; zur hist. Rechtswissenschaft s. bes. C . G . F ü r s t , Zur Rechtslehre Gratians, in: ZRG KA 88 (1971) 276—84. [Große Juristenpäpste] R. James Long, Utrum iurista vel theologus plus perficiat ad regimen ecclesiae, in: Medieval Studies 30 (1968) 134—62. [Versorgung mit Juristen'] PG Kap. 11. [Bernhard von Clairvaux] De consideratione in PL 182,727—808; neu hsg. in S.Bernardi Opera ( 1963); Bernhard über Herrschaft: PG 4 2 6 — 37; vollst. Bibl. bei H. Wolter, Hdb I I I / 2 , 16—18. Vgl. zur Sache noch B. Jacqueline, Le pape et les Romains d'après le „De consideratione ad Eugenium papam" de S. Bernard, in: Mélanges offerts à Pierre AndrieuGuitrancourt (1973) 603 ff. [Stellvertreter Christi] Geschichte des Titels: M. Maccarone, Vicarius Christi: storia del titolo papale (1952) bes. 85—154. [Eugen III] H. Gleber, Papst Eugen III. (1936). [Nördliche Missionen] W. Seegrün (s. o. 115 f.) 146—99. [Arnold] s. o. 167. [Westreich und röm. Recht] P. Koschaker, Europa und das römische Recht (21958); W. Ullmann in L'Europa e il diritto romano (1954) 1 , 9 9 — 136; H. Appelt, Friedrich Barbarossa und das römische Recht, in: Römische Hist.Mitt.5 (1962) 18—34; ders. in SB Wien 252 (1967); einschlägige Faszikel in lus romanum medii aevi (in Druck). Zur Sache vgl noch W. Ullmann, art. cit. (oben 148) 280 ff. Bedauerlicherweise hat A. Haverkamp, Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien (1970) recht vage Vorstellungen vom Wesen und Einfluß des römischen Rechts gerade im Hinblick auf sein Forschungsobjekt (vgl. etwa S. 90—93). Das so naheliegende öffentliche römische Recht ist ihm völlig entgangen. Bei der Festlegung der Hoheitsrechte stand eben vor allem das ius publicum römischer Herkunft zur Seite (vgl. S. 346).
174 [Kaiserliche Theorie] R. Folz, (wie unter B); W. Ullmann, Reflexions on the medieval empire, in: TRHS 5. Serie 14 (1964) 89—108. 176 [Paulinisch-isidorische Theorie] PGP Kap. 3. 176 [Inthronisation] Kaiserliche Krönungsanordnungen, hsg. von R.Elze (s. o. 5. Kap. A). 176 ΓHadrian IV.] Boso in LP I I , 388—97; W. Ullmann, The pontificate of Adrian IV, in: Cambridge Hist. ]. I I (1955) 233—52. 177 [Manuel Comnenos] Zu Ost-West-Beziehungen s. H . G . B e c k , Byzanz und der Westen im 12. Jhdt., in: Vorträge und Forschungen X I I (1968) 227—42. 177 [Friedrich Í . ] M. Maccarrone, Papato e impero dalla elezione di F federico I alla morte di Adriano IV (1959) (grundlegend); M. Pacaut, Frederic Barbarousse (1968); P. Münz, Frederick Barbarossa (1969). Manuel Comnenos: P. Lamma, Comneni e Stauf er, 2 Bde. (1955—7); P.Classen, La politica di Manuele tra Federico I e le città italiane, in: Popolo e stato in Italia (1970) 265—79. Kaiserkrönung: Boso, 932 Ζ. 6 ff.; Maccarrone 105—40. Billigung der Wahl Friedrichs durch die Kurie: MG Const. I, 139, S. 194; H. Simonsfeld, Jbb. unter Friedrich I. (1908) 102; KGD IV, 198; Seppelt I I I , 206; H.Wolter in Hdb I I I / 2 , 71; Maccarrone 2 4 —
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8; Bedeutung nicht bemetkt von Münz und Pacaut. Vertrag von Konstanz: Maccarrone 41—81. [Vorfall in Besançon] W. Ulimann in Mise. Historiae Ponlificiae 18 (1954) 107—26; Maccarone 179—85; zum entscheidenden Bindeglied zwischen beneficium und favor apostolicus s. PGP 58—68; dieses unentbehrlichen Bindeglieds ist sich nicht bewußt W. Heinemeyer, Beneficium — non feudum, sed bonum factum, in: AD 15 (1969) 155—236. [Roncaglia und römisches Recht] s. o. 174. tAlexander III.] LP I I , 397—445; PL 200, 70 f. (lebendige Beschreibung der Wahl); Rahewin, Gesta Frederici in MG SS c. 60, S. 293, 2 9 7 — 307; M. Pacaut, Alexandre III (1956); D. Hägermann, Cluny und das Papstschisma 1159, in: AD 15 (1969) 237—50, bes. 240—3. Vgl. dazu noch R. Folz, Le saint empire romain germanique, in: Recueils de la société Jean Bodin, 31 (1973) 309—55. [Konzil von Pavia] MG Const. I, 181—90, S. 251—69. Teilnehmerzahl (50): Rahewin S. 319. Zum Konzil von Pavia und der römisch-rechtlichen Grundlage der Herrschaft Friedrichs vgl. W. Ullmann, wie o. 148, S. 291 ff. [Anerkennung Alexanders III. durch England und Frankreich] Mary G. Cheney in EHR 84 (1969) 474—98, bes. 480—7; J. Haller, I I / 2 , 149— 50, 560—1 (nicht in Toulouse im Herbst 1160, vgl. KGDIV, 258). [ R o u e n und Würzburg] MG Const. I, 181—90, S. 314—21. tHeiligsprechung Karls d. Gr.] R. Folz, Le souvenir et la légende de Charlemagne (1950) 203—38; ders., La chancellerie de Frederick I et la canonisation de Charlemagne, in: Moyen Age 70 (1964) 13—31. [„Unus Deus, unus papa, unus imperator"] MG Const. I, 182, S. 253. [Frieden von Venedig] MG Const. 1,259—73, S. 360—73. [Eroberung Irlands {Laudabiliter)] W. Ullmann, On the influence oí Geoffrey of Monmouth in English history, in: Speculum historíale (1966) ( = Festschrift für J. Spörl) 257—76,'bes. 268—75; J . A . W a t t , The Church and the two nations in medieval Ireland (1970) Kap. 1 und 2. [Konflikt mit Becket] C. R. Chenev, The punishment of criminous clerks, in: EHR 51 (1936) 215—37; Ch. Duggan in Bulletin Institute of Hist. Research 35 (1962) 1—22; ders., Richard of Ilchester, in: TRHS 5. Reihe. 16 (1966) 1—21, bes. 9—19; ders. in Ampleforth /. 75 (1970) 365—74; D. Knowles, Thomas Becket (1970). [Alexander als Kirchenrechtler] KRG 279—83; auch J. de Ghellinck, Le mouvement théologique du XIIe siècle ( 2 1948) 203—13. [Eigenkirche und Patronat] Gradan, XVI/vii. 30: Roland in seiner Summa (hsg. ν. F. Thaner) 56 ff.; Alexanders Dekretalen: X : III/xxxviii, 3 ff. Zu dem damit zusammenhangenden Patronatsrecht vgl. vor allem P. Landau, lus patronatus (1975). [Alexander und Friedrich] ausgewogene Einschätzung in KGD IV, 314— 16.
9. Kapitel A) Quellen J L . 14507—17678; P. 1—5316; J. M. Wattcrich, Vttae (wie in VI A)) I I , 650—741; Gesta Innocenta in PL 214, xvii-ccxxxviii; Register Innozenz' ΙΙΓ. in PL 214—16; O. Hageneder und A. Haidacher (Hsg.), Die Register Innozenz' III. (1. Pontifikatsjahr) (1964); Rege slum super negotio romani imperii (Hsg. F. Kempf (1947) und W. Holtzmann (1948)); C. R. Cheney und
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Bibliographisdie Hinweise
M.G.Cheney (Hsg.), The Letters of Innocent Wales (1967).
III
concerning
England
and
Β) Literatur P. Zerbi, Papato, impero e respublica Christiana dal 1187 al 1198 (1955); Ch.Duggan in C.H.Lawrence (Hsg.), The English Church and the Papacy (1965) 63—117; F. Kempf, Die Register Innozenz' III. (1945); A.Luchaire, Innocent III, 6 Bde. (1904—8); D. Waley, The papal state in the thirteenth century (1961); Seppelt 111,291—389; FM IX/2, 198—230; x; Hdb III/2, Kap. 11, 13, 15, 18—22; HL V, 1114—1408; KGD IV, 686—775. 189 f. [Verona] das Dekret Ad abolendam in X : V/vii, 9. Zu seinem Hintergrund s. G. Baaken, Unio regni ad Imperium, in: QFIAB 52 (1972) 2 1 9 — 97, bes. 227 ff. 191 [Heinrich VI. als „Caesar"] Verständlicherweise wies das Papsttum immer die Schöpfung eines Mitkaisers nach byzantinischem Vorbild zurück: W. Ohnsorge m ZRG GA 67 (1950) 309—39, bes. 328—32. 191 [Ehe Heinrichs VI. mit Konstanze] G. Baaken, a. a. O. (s. o. 202), der die ganze verwickelte Frage erneut untersucht. 191 [Gregor VIII.] W. Holtzmann, Die Dekretalen Gregors V I I I . , in: Festschrift L. Santifaller (1950) 113—24. 191 [Friedrich I. und Konstantinopel] Ansbert, Historia de expeditione Frederici, in: MG SS, 49—50; TRHS (s. o. 174) 101—3 (weitere Quellen; G. Ostrogorsky (s. o. 53) 335—8. Vgl. ferner V. Pfaff, Das Papsttum in der Weltpolitik des endenden 12. Jahrhunderts, in: MIÖG 82 (1974) 338—76. 192 [Heinrich VI. und die Kurie] ^fl. Ulimann, Dies ortus imperii, in: Atti Accurstani (1968) 11,661—96, bes. 680—3; G.Baaken, Die Verhandlungen zwischen Kaiser Heinrich VI. und Papst Coelestin I I I . in den Jahren 1195—97, in: DA 27 (1971) 457—513, der sich jedoch nicht mit dem Punkt befaßt, der für den Papst am meisten Gewicht hatte, nämlich die Anerkennung der Funktion des Rex Romanorum in Italien. 194 [Doppelwahl und Innozenz] E. Winkelmann, ]bb. unter Philipp von Schwaben und Otto IV. (1873) (noch grundlegend) bes. 131—271; F. Kempf, Die zwei Versprechen Ottos IV., in: Festschrift E. Stengel (1952) 359—84; vollst. Bibl. in H. Wolter, Hdb. III/2, 171—2, 178—80. 195 [Wahl und früher Pontifikat] Gesta (wie unter A) xvii ff. Sein De contemptu mundi neu hsg. von M. Maccarrone (1955). Zu Stil u. Diktion s. bes. L. Buisson in Adel und Kirche (s. o. 118) 458—76. 196 [Rekuperationen] J. Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens (1869) II, 284—492 (grundlegend). 196 [„König der Römer"] Dieser Zusammenhang ist bisher übersehen worden, vgl. W. Ullmann, „Dies ortus imperii" (s. o. 192) und art. cit. (oben 148) S. 285 ff. 197 [Innozenz, Staufer und Weifen] RNI nr. 14,18, 21, 29,61. 198 [Translatio imperii] W. Goez, Translatio imperii (1958) 137—98, bes. 157—68. 199 [Adolf von Köln] nunmehr von Innozenz, in RNI 116, ein Meineidiger, Verräter, Bestochener, usw. genannt, nachdem er sich auf ihn verlassen habe, RNI 16, 55; der Gedanke, einen Gegenkönig zu wählen, stammt von Adolf (nicht von Innozenz), der sogar den Kölner Kirchenschatz versetzte, um seine Pläne verwirklichen zu können, RNI 26. Einige Einzelheiten bei H. Stehkämpfer, Der Kölner Erzbischof Adolf und die deutsche
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Königswahl (1195—1205), in: HZ: Beiheft 2 (1973) 1—83, der sidi der tieferen ideologischen Implikation nicht bewußt ist; vgl. W. Ulimann (o. 192) 661 ff., bes. 680 ff. [Innozenz' Ordo und Ottos Kaiserkrönung] R. Elze, Ordines (s. o. 5. Kap. A) nr. X V I I I , S. 69—87; E. Eichmann, Kaiserkrönung I, 253—96. [ O t t o s Scheitern] Innozenz in E. Winkelmann, Acta imperii inedita (1880) nr. 1009, S. 677 (18. Jan. 1210); Reg. X I I I , 193; XV, 2 0 , 1 1 5 , 189; Exkommunikation und genaue Daten: A. Haidacher in Rom. Hist. Mitt. 3 (1960) 132—85; 4 (1961) 26—36; II (1969) 206—9. [Goldbutte von Eger] MG Const. 11,46—51, S. 57—63. [ E n g l a n d ] C.R.Cheney (Hsg.) und W. H. Semple (Übers.), Selected Letters of Pope Innocent III concerning England (1953); CanterburyWahl: M. D. Knowles in EHR 53 (1938) 211—20 (beste Darstellung). Interdikt: C.R.Cheney in TRHS 4. Serie, 31 (1949) 129—50; ders. in Bulletin John Rylands Library 31 (1948) 295—317; ders., The alleged déposition of King John, in: Studies presented to F. M.Powicke (1948) 100—16; ders., Innocent III and England (1976). [Bulgarien] Reg.V 11,1; s. auch H.Hirsch (s. u. 214) S. 26—8. [ S p a n i e n ] L. G. Valdeavellano, Historia de España (1952) 1015—69; P. Linehan, The Spanish Church and the Papacy in the thirteenth century (1971) (umfassende Bibl.). Ferner Β. Palacios Martin, La bula de Innczeneio III y le coronación de los reges de Aragón, in: Hispania 29 (1969) 485—504. [Portugal] H, Livermore, A new history of Portugal (Neudruck 1969) 61—80. [Päpstliche Lehen] H.Hirsch (s. u. 214) 9—11. [Ottokar von Böhmen] Reg. VII, 49, 52, 54, 55. [Ungarn] J. Deér, Die heilige Krone Ungarns (s. o. 140) 200—10; L. Tautu, Le conflit entre Johannitsa et Eméric roi de Hongrie 1201—1204, in: Mélanges Eugène Tisserant (= ST 233, 1964) III, 367—93; CMH IV (1966) 567—91. [4. Kreuzzug] A. Frolow, Recherches sur la déviation de la quatrième croisade (1955); S. Runciman (s. o. 7. Kap. B) 111,111—16; D. M. Nicol in CMH I V / 1 , 275—330; H.Roscher, Innozenz III. und die Kreuzziige (1969). Innozenz' Reaktion auf die Einnahme Konstantinopels: Reg. V I I . 203; V I I I , 19,24, 26; RSI 113 usw.; E. Kennan, Innocent I I I and the first political crusade, in: Traditio 27 (1971) 231—49. Siehe noch S. Kindlimann, Die Eroberung von Konstantinopel als politische Forderung des Westens im Hochmittelalter: Studien zur Entwicklung der Idee eines lateinischen Kaiserreichs in Byzanz (1969). [Lateinisches Kaiserreich] W. de Vries, Innozenz I I I . und der christliche Osten, in: ΑΗΡ 3 (1965) 87—126; I. IIusscv in Κ. M. Setton, Histon of the Crusades (21970) 11,123—52. und R . L . W o l f f , ebd. 153—276: auch P . H e r d e in DA 26 (19701 S. 15—19 (in Bezug auf Italien). [Lateinisches Patriarchat] R . L . W o l f f . a . a . O . f. [Irrlehren und Innozenz III.] II. Grundmann, Religiöse Bewegungen im MA (neu hsg. mit neuen Zusätzen 487—567) (1961) 70—169 (grundlegend); M. Maccarronc, Riforma e svilluppo della vita religiosa con Innocenzo, in: RSC 16 (19621 27—72. Zu Innozenz' Theologie und seinem religiösen Standpunkt s. bes. M. Maccarronc, Studi sul Innocenzo III (1972).
338
Bibliographische Hinweise
205 [Innozenz, Diego und Dominicus] Reg. VII, 76. 206 [Albigenser] A.P.Evans, The Albigensian crusade, in: K.M. Setton (s. o. 203) II, 277—324; D. Roche, L'église romaine et les cathares albigeois (1969). 207 [Heresie els Verbrechen der Majestätsbeleidigung] W. Ullmann, The significance of Innocent I l l ' s decretal „Vergentis", in: Etudes d'histoire du droit dediées à Gabriel Le Bras (1965) 729—43. 207 [Compilatio Tertia~i S. Kuttner, Repertorium der Kanonistik (1938) 355—69; KRG 285 f. 208 [4. Laterankonzil] Kanones in Decreta 203—48. Vollständige Bibl. in H. Wolter, Rdb I I I / 2 , 206—8; ferner R. Foreville (s. u. 225). „Allgemeines Konzil" : A. Hauck, Rezeption und Umbildung der allgemeinen Synode im MA, in: Hist. Vierteljahrschrift 10 (1907) 465—82, bes. 468—75 (grundlegend). 210 [Anwendung von Joh. 1,16 auf den Papst] Reg. I, 230. 211 [Herrschaftsgrundsätze] Reg. II, 123, 202,220; VII, 42; RNI 2,18,46; Sermo 2 in PL 217,657 (Papst geringer als Gott, aber mehr als der Mensch: medius constitutus)·, A.Hof, Plenitudo potestatis und „imitatio imperii" zur Zeit Innozenz'III., in: ZKiG 66 (1955) 39—71; PGP Teil I, Kap. 3, 4; B. Tierney in Speculum 37 (1962) 48—60. 211 [Zwei-Schwerter-Theorie] H. Hoffmann, Die beiden Schwerter im hohen MA, in: DA 20 (1964) 78—140 (hier auch Einzelheiten aus Η. M. Stick lers einschlägigen Abhandlungen); PG 430—7; Leib und Seele: W. Ullmann, Individual and Society in the MA (1967) 46—9,146; ders., Papst und König (1967) 37—41 (zusätzliche Quellen). 10. Kapitel 214 [Kurie] KRG 321—7 (Lit.); ferner B.Rusch, Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie des 13. Jahrhunderts (1936); K.Jordan, Die Entstehung der römischen Kurie, in: ZRG KA 28 (1939) 97—152. 214 [Absetzung von Herrschern] O. Hageneder in ΑΗΡ I (1963) 53—95; einen besonderen Fall (Sancho II. von Portugal) untersucht E. Peters, The Shadow King (1970) 135—69. Zur Einsetzung von Königen durch Päpste s. H. Hirsch, Das Recht der Königserhebung durch Kaiser und Papst im hohen MA (Neudruck 1962). Allgemeine Gewalt: Acta pontificia iuris gentium, hsg. von G. B. Pallieri und G. Vismara (1946); weiteres Material in PGP 82—6. Allgemein s. G. Le Bras, Institutions écclesiastiques de la chrétienté mediévale, 2 Bde. (1959—64); auch Β. Tierney in Medieval Studies, 27 (1965) 227—45; ferner W. Ullmann, The medieval papal court as an international tribunal, in: Virginia Journal of International Law (1971) (Festschrift für H. C. Dillard). 215 [Papstwahl] KRG 319—21. 216 [Licet de vitanda] X: I/vi, 6. 216 [Papstname] s.o. 105. Wiedergeburt: s. Innozenz III. u. 217. 216 [Konklave] VI: I/vi, 4; Clem. I/iii, 2. 217 [Kapitulationen] W. Ullmann, The legality of the papal electoral pacts, in: Ephemerides Iuris Canonici 12 (1956) 312—46. 217 [Wahlverfahren] E. Eichmann, Weihe (s.o. 129); F. Wasner (s.o. 129). 217 [Investitur und Inbesitznahme des Laterans] J. Hortal Sanchez, De initio potestatis primatialis Romani pontificis ( = Analecta Gregoriana 167 (1968) 37—70; zu Texten und den sedes stercoraria s. M. Andrieu,
Bibliographische Hinweise
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Le pontifical romain au MA (1940) 11,526; hier auch der Diakon, der den gewählten Papst fragt, welchen Namen er anzunehmen wünsche, I I I , 667—8, obgleich im 12. Jhdt. der Name noch vom Prior der römischen Diakone bestimmt wurde; s. auch die Ordo von Cencius in J . M. Watterich (s. o. 6. Kap. A) I, 13—14 (hier weitere Einzelheiten). Innozenz I I I . bestätigte letzteren Brauch: Reg. I X , 136. [ K r ö n u n g ] in Ergänzung zu F. Wasner, s. J . Hortal Sanchez ( a . a . O . bes. 71—89, 145—58; zum Archidiakon und dem Pallium s. M. Andrieu ( a . a . O . ) , Ordo X I I I A 6, S. 370. Siehe ferner unten S. 304 über spätmittelalterliche Krönungen (Pius II.). [ P a p s t k r o n e ] J.Braun, Die liturgische Gewandung im Okzident und Orient (Neudruck 1964) 502—9; E. Eichmann, Weibe (s. o. 129) 56—8. [Kardinalskollegium] s. o. 127. Für das 12. Jhdt. s. V. Pfaff, Die Kardinäle unter Coelestin I I I . , in: ZRG KA 52 (1966) (mit umfassender Lit. für das ganze Jahrhundert S. 332—3); für das 14. Jhdt. s. G. Mollat in: RHE 46 (1951) 22—212, 566—94. Göttlicher oder menschlicher Ursprung des Kardlnalats: W. Ullmann, Eugenius IV, Cardinal Kemp and Archbishop Chichele, in: Medieval Studies presented to Aubrey Gwynn (1961) 359—86; zu Nicht-Kurienkardinälen s. Κ. Ganzer, Die Entwicklung des auswärtigen Kardinalats im hohen AÎA (1963); bes. J . A . W a t t , The constitutional law of the College of Cardinals: Hostiensis to Johannes Andreae, in: Med. Studies 33 (1971) 127—57 (mit Edit, einiger wesentlicher Texte). Siehe ferner Α. A. Strnad, Kurienkardinäle und ihre Familie im 13. Jhdt., in: Rom. Hist. Mitt. 14 (1972) 201 ff. [Legaten] KRG 327 f. (Lit.); Κ. Walf, Die Entwicklung des päpstlichen Gesandtschaftswesens 1159—1815 (1966). Übertragung von Legatengewalt auf Könige: J. Deer, Der Anspruch der Herrscher des 12. Jahrhunderts auf die apostolische Legation, in: ΑΗΡ 2 (1964) 117—86 (bes. wesentlich für Sizilien) (Monarchia Sicilia)·, R.A.Schmutz, iMedieval representatives: legates, nuncios and judges delegate, in: St. Grat. 15 (1972) 443 ff. Für Skandinavien siehe W. Seegrün, Päpstliche Legaten in Skandinavien und Norddeutschiand am Ende des 12. Jahrhunderts, in: Aus Reichsgeschichte und Nordischer Geschichte, hsg. von H. Fuhrmann (1973) 209 ff. [Visitatio liminum] J. B. Sägmüller in TbQ 82 (1900) 69—117 (grundlegend) Th. Gottlob, Der kirchliche Amtseid der Bischöfe (Neudruck 1963). [Prokuratoren] R. Heckel, Das Aufkommen der ständigen Prokuratoren an der päpstlichen Kurie, in: Mise. Franceso Ehrle (= ST 38 (1924)) 11,290—321; auch P. Ilerde (s. u. 222) 80—100. [Pallium] J.Braun, Liturgische Gewandung (s. o. 218) 620—63. [Gratian über die Rechtskraft der Dekretalen] D. p. c. 16, C. X X V / i . Vgl. Justinian in Cod. I/xvii, 1 (6). Zum Kirchenrecht und der Kirchenrechtswissenschaft vgl. jetzt W. Ullmann, Law and Politics in the Middle Ages (1975) S. 119—89. [Souveränität des Papstes] W. Ullmann, The papacv as an institution of government, in: SCH I I (1965) 78—101. [Päpstliche Diplomatie] R. L. Poole, Lectures on the history of the chancery (1915); C. R. Cheney, The study of the medieval papal chancery (1966); W. Ullmann, On the heuristic value of medieval chancery products with special reference to papal documents, in: Annali della fon-
340
Bibliographische Hinweise
dazione italiana per la storia amministrativa I (1964) 117—36; Herde, Beiträge zum päpstlichen Kanzlei- und Urkundenwesen im 13. Jahrhundert (21967). Weitere Lit. in KRG 325, 335—6 (Privüeg und Dispens). 223 [Kurienämter] Vgl. den wesentlichen Beitrag von B. Schwarz, Die Organisation kurialer Schreiberkollegien von ihrer Entstehung bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts (1972) (bes. wichtig für das collegium der Schreiber von Kanzlei und Pönitentiarie (s. u. 235), dazu auch Edition der Eidesformeln der Kanzleischreiber und der Statuten für die Schreiber der Pönitentiarie (228 ff.). Für das Amt des Correctors, das auch unter Innozenz I I I . entstand, siehe insbes. B. Schwarz, Der Corrector litterarum apostolicarum: Entwicklung des Korrektorenamtes in der päpstlichen Kanzlei von Innozenz I I . bis Martin V., in: QFIAB 54 (1974) 122—91. 223 [Kanonisation] E. W. Kemp, Canonization and authority in the Western Church (1948). 224 [Delegierte Jurisdiktion] Ch. Duggan, Twelfth-century decretal collections (1963) Kap. 1 und 2 (hier auch weitere Lit.). Auditoren und Kapläne: R. Elze, Die päpstliche Kapelle, in: ZRG KA 38 (1950) 145—204; P. Herde, Audientia litterarum contradictarum: Untersuchungen über die Justizbriefe und die päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit vom 13. bis zum 16. Jahrhundert (1970); J . E. Sayers, Papal Judges Delegate in the Province of Canterbury (1971). 225 lAllgemeine Konzilien] 1. Lateran: cánones in Decreta 166—70; 2. Lateran: cánones ebd. 173—9; 3. Lateran: cánones ebd. 187—201; 4. Lateran: cánones ebd. 206—47; Ì.Lyon: cánones ebd. 254—77; 2. Lyon: cánones ebd. 285—307; Vienne·, ebd. 312—77. Die Einführungen zu den Texten der Dekrete enthalten nützliche Bibl. Teilnehmerlisten bei R. Foreville, Latran I, II, III et Lateran IV (1965) 387—95 und Bibl. 407—19; zu der inneren Organisation der Konzilien s. den römischen Ordo in M. Andrieu, Le pontifical romain I (1938), Ordo X X X V I , S. 255—60. S. ferner R. Foreville, Procédure et débats dans les conciles médiévaux du Latran, in: ESC 19 (1965) 21—37. Zu ihrem Einfluß auf das Recht im normannischen Sizilien s. H. Dilcher, Die Bedeutung der Laterankonzilien für das Recht im normannisch-staufischen Sizilien, in: ZRG KA 56 (1970) 243—74. Andererseits hatten sie, wie aus dem neuentdeckten Text des Konzils von Vienne vom J . 1289 zu ersehen ist, verhältnismäßig wenig Einfluß auf die französischen Provinzialkonzilien; s. dazu L. Boisset, Un concile provincial au treizième siècle: Vienne 1289 (1973). Siehe jetzt noch F.-J. Schmale, Systematisches zu den Konzilien des Reformpapsttums im 12. Jahrhundert, in: Annuarium Historiae Conciliorum 6 (1974) 21—39. 226 [4. Laterankonzil] s. auch o. 208. S. Kuttner und A. García y García, A new eye witness account of the Fourth Lateran Council, in: Traditio 20 (1964) 115—78; M. Maccarrone, Il I V concilio Lateranes in: Divinttas 2 (1961) 270—91. 228 f. [Kirchenrecht] A. van Hove, Prolegomena 338—69; KRG 276—93; J. Gaudemet, Droit canonique, in: Introduction bibliographique à l'histoire du droit et à l'ethnologie juridique, hsg. von J . Gillessen, Bd. B (1963); B. Paradisi in Studi Medievali 6 (1965) 1—133. 230 [UniversitätenJ H. Rashdall (Hsg. F. M. Powicke and A. D. Emden), The Universities of Europe in the MA (1936) I (für Paris und Bologna); I I (für die übrigen Universitäten des Festlands); A. B. Cobban, Episcopal
Bibliographische Hinweise
341
control in the medieval universities oí Northern Europe, in: SCH V (1969) 1—22; G. de Vergottini, Lo studio di Bologna: l'impero e il papato (1954); P. Classen in Heidelberger Jbb. 12 (1968) 72—92 (mit umfassender Lit.). S. vor allem Laetitia Boehm, Libertas scholastica und negotium scholare: Entstehung und Sozialprestige des akademischen Standes im MA, in; Universität und Gelehrtenstand (1970) 15—61, die sehr anregend den Aufstieg des akademischen Standes vor dem kirchlichen, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund des 12. und 13. Jhdts. darstellt. 231 [Päpstliche und bischöfliche Gewalt] Leo I. in seiner Ep. 14, c. 1 PG 8, 291; M . J . W i l k s in JTS n. s. 8 (1957) 71—91, 256—71; R.L.Benson, s. o. 84 f. 231 f. [ E x p e k t a n z e n , Reservationen, Provisionen] KRG 340 f.; K. Ganzer, Papsttum und Bistumsbesetzungen von Gregor IX. bis Bonifaz Vili. (1968). 232 [Apostolische Kammer] E. Fabre — L. Duchesne, Le Liber censuum (1889—1910); V. Pfafî, Der Liber censuum, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 44 (1957) 7 8 f f „ 105 ff., 220 ff.; 46 (1960) 71 ff.; 48 (1961) 360ff. (jährliches Einkommen gemäß dem Liber censuum etwa 100 Pfund Gold); W . E. Lunt, Papal Revenues in the MA, 2 Bde. (1934); P. Partner, Camera Papae: Problems of papal finance, in: J EH 4 (1953) 55—68. Speziali«, in Hdb III/2, 413 und KRG 350—1. Zum Verwaltungswesen vgl. nunmehr V. Pfaff, Die innere Verwaltung der Kirche unter Papst Coelestin III., mit Nachträgen zu den Papstregesten 1191— 1198, in: AD 18 (1972) 342—98. 234 [Kanzlei] F.Bock, Die erste urkundlich greifbare Ordnung des päpstlichen Archivs, in: MIÖG 62 (1954) 317—35; KRG 334—5. Zur Verfahrensart in der Kanzlei s. P. Herde (s. o. 222) 101—76. Zu den päpstlichen Registern s. o. 197; Zum Reg. Gregors V I I . PG 276 Anm. 2 und zusätzliche Lit. 472; auch A . M u r r a v in Traditio 22 (1966) 149— 201. Höchst verdienstvoll E. Pasztor, Per la storia dei registri pontifici nel due cento, in: Α Η Ρ 6 (1968) 71—112. Zur Organisation der Kanzlei im 14. Jhdt. s. Dietrich von Niem: Der Liber cancellariae apostolicae vorn Jahre 1380 und der stilus palatii abbreviatus. hsg. von G. Erler (Neudruck 1970). E.Pitz, Papstreskript und Kaiserreskript im MA (1971) Aber vgl. W . Stelzer in Rom. Hist. Mitt. 14 (1972) 207 ff. 234 [Päpstliche Register] Zu den Registern s. nun die ausgezeichnete Ein fiihrung von L. E. Boyle, A survey of the Vatican Archives and of ils medieval holdings (1972) (vgl. JEH 24 (1973) 292 f.); s. ferner H. Diener, Die großen Registerserien im Vat. Arch. (1378—1523). in: QFIAΒ 51 (1971) 305 ff. mit zahlreichen hilfreichen Tabellen. Uber die Kameralregister im 13. Jahrhundert vgl. die ausgezeichnete Studie von E. Pasztor, I registri camerali di lettre pontificie del sec. X I I I , in: ΑΗΡ 11 (1973) 7—84. Zum Kanzleipersonal siehe noch G. F. Nüske. Untersuchungen über das Personal der päpstlichen Kanzlei 1254—1304. in: AD 20 (1974) 39—240 (grundlegend). 235 [ G e r i c h t s h ö f e ] T. Majik, Die apostolische Pönitentiarie, in: RQ 50 (1955) 129—64; G. Mollat. Contribution à l'histoire de l'administration judiciaire de l'église romaine au X I V e siècle, in: RHE 33 (1936) 877— 928; G. Barraclough, Public notaries and the papal curia (1934); T. Reetz Kuriales Prozeßwcsen um 1340. in: AD 10 (1964) 395—414 (ein konkreter Fall). Weitere Lit. in KRG 326—7. Rota Romana: W . Ulimann in
342
Bibliographische Hinweise St. Grat. X I I I (1967) 457—89 (weitere Lit.); G. Dolezalek, Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen der Rota, in: ZRG KA 58 (1972) 1—106; G. Dolazalek und K . W . N ö r r , Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hsg. von H. Coing (1973) 849—56.
11. Kapitel A) Quellen Ρ 5317—25448; P. Pressutti (Hsg.), Regesta Honorii Papae III (1888); Register (unvollständig) von Gregor IX. bis zu Bonifaz VIII. hsg. von L'école française de Rome; MG Epistolae saeculi XIII e regestis pontificunt Romanorum selectae, 3 Bde. (1883); J.F.Böhmer — J. Ficker, Acta imperii selecta, 2 Bde. (1870); E. Winkelmann, Acta imperii inedita, 2 Bde. (1885); MG Const. II—IV, 1 (bis nr. 119, S. 96); J. L. A. Huillard-BréhoUes, Historia diplomatica Frederici II, 2 Bde. in 6 Teilen (1852—61). Β) Literatur Seppelt I I I , 390—578; FM X, 271—340; 427—60, 487—504; Hdb III/2,' Kap. 25—8, 31, 34—5; HL V, 1409—1710, VI, 1—467; L. Buisson, Potestas und Caritas: die päpstliche Gewalt im Spätmittelalter (1958). 237 [Ketzerbewegungen] A. S. Turberville, Medieval heresy and inquisition (1920); A.C.Shannon, The popes and heresy in the thirteenth century (1949); H. Maisonneuve, Etudes sur les origines de l'inquisition ( 2 1961)j W. Ullmann, Historical introduction to H. C. Lea, A history of the Inquisition in the MA (1962). Frühe Kapetinger und der Scheiterhaufen: M. 19, 373—4 (anno 1017). 237 [Ketzerfeindliche Gesetzgebung Friedrichs II.~¡ MGH Const. II, 85, S. 107—9. 242 [Krönung in Jerusalem] MG Const. II, 120—3, S. 160—7. 242 f. [Friedrich II. und das Papsttum] MG Const. I I nr. 116, 119, 126—49, 176—82, 224—34, 236—59, 262; KGD IV, 777—886. 245 [Päpstliches Konklave] K. Hampe, Ein ungedruckter Bericht über das Konklave von 1241 im spätrömischen Septizonium, in: SB Heidelberg 1913; K. Wenck, Das erste Konklave der Papstgeschichte, August bis Oktober 1241, in: QFIAB 18 (1926) 101—70. 246 [1. Konzil von Lyon] MG Const. II, 399—401; Ph. Pouzet, Le pape Innocent IV à Lyon: le concile de 1245, in: RHEF 15 (1929) 281—318; S. Kuttner, Die Konstitutionen des ersten Allgemeinen Konzils von Lyon, in: Studia et documenta historiae et iuris 6 (1940) 70—130; ders., L'édition romaine des conciles généraux et les actes du I concile de Lyon (1940); vgl. Decreta 259—77. Vgl. noch H. Wolter — H. Holstein, Lyon I — Lyon II (1972). 246 [Absetzung Friedrichs II.] Text in Decreta 254—9. 246 [Innozenz IV. als Rechtskommentator] J. A. Watt, The theory of papal monarchy in the thirteenth century (1965). 246 [Manifeste und Enzykliken] MG Const. II, 215, S. 290—8; 224, S. 308—12; MG E pp. sel. I, 672, S. 567; II, 184, S. 247; E. Winkelmann, Acta (wie unter A), I, 25, S. 23—5; 28, S. 25 f.; nr. 30—31, S. 28—36; nr. 43, 46, 48—9, S. 44—7, 49—51, 52—4. Der Erlaß Eger cui levia (ebd. II, 1035, S. 696—703) und seine Echtheit werden mit gutem Grund in Frage gestellt von P. Herde, Ein Pamphlet der päpstlichen Kurie gegen Friedrich II. von 1245—6, in: DA 23 (1967) 468—538
Bibliographische Hinweise
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(hier auch neue Textausgabe); W . Ullmann, Reflexions on the opposition
of Frederick I I to the papacy, in: Archivio
storico
Pugliese
13 (1960)
1—17. 247 t F r a n k r e i c h und das Papsttum'] G . Zeller, Les rois de France candidats à l'empire, in: Revue historique 173 ( 1 9 3 4 ) 2 7 3 — 3 1 1 , 4 9 8 — 5 3 4 . B.Schumacher, Geschichte Ost- und 'Westpreußens ( 3 1958) 248 [Missionen] 2 1 — 6 6 ; R. Hennig, Terrae incognitae ( 1 9 3 8 ) I I I nr. 1 2 5 — 2 8 , 1 3 1 — 3 ,
135, 149; G. Soranzo, II papato, l'Europa cristiana e il Tartari un seculo
di pentrazione occidentale Mongol mission (1955).
in Asia
(1930); C. Dawson, Mongolia:
The
2 4 9 [Konradin] Zu Einzelheiten s. A. Nitschke, Der Prozeß gegen Konradin, in: ZRG KA 56 (1970) 1 — 1 0 1 . 250 [Michael Palaeologus] D. J. Geanokoplos, Emperor Michael Palaeologus
and the West (1959).
2 5 0 [Gregor XJ L. Gatto, Il pontificato di Gregorio Χ (1959). 2 5 0 [2. Konzil von Lyon] S. Kuttner, Conciliar law in the making, in: Misc.
Pio
(1949) 11,39—81;
Paschini
Β. Roberg, Oie
Union
zwischen
der
griechischen und lateinischen Kirche auf dem zweiten Konzil von Lyon ( 1 9 6 4 ) ; Byzantinische Reaktion: D . Nicol in 5 C H V I I ( 1 9 7 1 ) 1 1 3 — 4 6 (mit umfassender Lit.). Cánones des Konzils in Decreta 2 8 5 — 3 0 7 . Vgl. noch M. Bertram, Zur wissenschaftlichen Bearbeitung der Konstitutionen Gregors X . , in QFIAB 53 ( 1 9 7 3 ) 459 ff.; über die Union selbst siehe J . Gill, T h e Church Union of the Council of Lyons (1274) portrayed in Greek documents, in: Orientalia Christiana Periodica 40 (1974) 5—45.
E. Pontieri, Ricerche sulla crisis della monarchia siciliana nel
252 [Sizilien]
secolo XIII (31959); Register der Anjous: I Registri della Angioina, 17 Bde. (1951—67). 252 [Spanien] P. Linehan (s. o. 201). 253 [Geistige Revolution] PGP 231—79; Individual and Society M. J . Wilks, The problem of sovereignty (1963) Ausweitung des aristotelischen Einflusses). 255 [Subjektivismus]
[Coelestin 255
255
PGP 102—8. F. X. Seppelt (Hsg.), Monumenta
99—152;
(auch wichtig für die
Coelestiniana
(1921);
A. Frugoni, Celestiniana ( 1 9 5 4 ) ; M. Bertram, Die Abdankung Papst Coelestins V. (1294) und die Kanonisten, in: ZRG KA 56 (1970) 1 — 1 0 1 .
[Bonifaz VIII.] G.Digard, Philippe le Bel et le s. siège, 2 Bde. (1936; (grundlegend); H. Wieruszowski, Vom Imperium zum nationalen Königtum
( 1 9 3 3 ) ; vollst. Bibl. in Hdb I I I / 2 , 3 4 0 — 2 .
[Schottland 256
V.]
cancellarla
als päpstliches
Lehen]
W. Ullmann in Speculum
historíale
(1965) 2 5 7 — 7 6 , bes. 2 6 4 — 8 .
260 [Königliche Räte in Frankreich] F. J. Pegues, The lawyers of the last Capetings (1962). Hauptquellen in P. Dupuy, Histoire du différend d'entre te 260 [Publizistik] pape et Philippe le Bel roy de France (Neudruck 1963). J . Rivière, Le
problème
de l'église et de l'état au temps de Philippe
R. Scholz, Die Publizistik
Marion Melville in RHEF
260 [Unam
sanctam]
le Bel (1926):
zur Zeit Philipps des Schönen (Neudruck 1970); 36 ( 1 9 5 0 )
5^-66.
Text in Extravagantes
communes
I viii, 1 ; auch bei
Mirbt 5. Ausg. nr. 372 und bei Denzinger, Enchiridion nr. 468. Über diesen Themenkreis vgl. W . Ullmann, Die Bulle Unam sanctam: Rückblick und Ausblick, in: Rom. Hist. Mitt. 16 (1974) 4 5 — 7 7 ; ders., Boniface V I I I and his contemporary scholarship, in: JTS 27 (1976) 5 8 — 8 7 .
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Bibliographische Hinweise
For the jubilee of 1300 vgl. jetzt R. Morghen, Bonifacio V i l i e il giubileo del 1300 nella storiografia moderna, in: Quaderni della Fondazione Camilio Caetani 1 (1975) 15—43. 261 [Königliche Versammlungen'] S. dazu Τ. Ν. Bisson, The general assemblies of Philip the Fair: their character re-considered, in: St. Grat. 15 (1972) 537 ff., bes. 548 ff. 262 [Anagni] H. G. Beck, William Hundleby's account of the Anagni outrage, in: Catholic Hist. Rev. 32 (1947) 190—225. Zum Attentat vg!. noch Duc de Lévis-Mirepoix, 7 Septembre 1303: l'attentat d'Anagni (1969). 12. Kapitel A) Quellen Vitae paparum Avenionensium, hsg. von G. Mollat, 4 Bde. 1916—22); H. Finke, Acta Aragonensia, 3 Bde. (1908—23); Register Clemens'V., 8 Bde. (1885), Indices (1948—57); Ausg. der Lettres secrètes et curiales Innozenz' VI., Urbans V. und Gregors XI. (in Bezug auf Frankreich) (im Druck); Repertorium Germanicum, hsg. von G. Tellenbach, E. Göller, U. Kühne (1916— 62); Analecta Vaticano-Belgica (1924—32); Vatikanische Quellen zur Geschichte der päpstlichen Hof- und Finanzverwaltung (im Erscheinen). B) Literatur G. Mollat, L'administration des états de l'église au XIVe siècle (1964); l0 ders., Les papes d'Avignon ( 1965); FM XIV, 3—199; Hdh I I I / 2 , Kap. 37— 40, 46—9; HL VI, 484—1406; VII, 1—582; Seppelt IV, 3—365. 264 [Walter Winterbourne] W. Ullmann, Curial exequies for Edward I and Edward I I I , in: JEH (1955) 26—36, bes. 28 Anm. 2. 264 [Clemens V.] G. Lizerand, Clement V et Philippe le Bel (1910); J. £ t Denton, Pope Clement V's career as a royal clerk, in: EHR 83 (1968) 303—14. 265 [Templer] Η. Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens, 2 Bde. (1907) (grundlegend); H. Neu, Bibliographie des Templerordens (1965); C. R. Cheney, The downfall of the Templars and a letter in their defence, in: Medieval Miscellany (hsg. von F. Whitehead u.a. 1965) 65—79. Zu den in dieser Angelegenheit berufenen Versammlungen s. T. Ν. Bisson, a. a. O. (s. o. 261). 266 [Konzil von Vienne] Kanones in Decreta 336—77; Verurteilung der Templer: 312—36; E.Müller, Das Konzil von Vienne (1934) (grund legend); J. Lecler, Vienne (1964). 267 [Pastoralis Cura] Text in Clem. I l / x i , 2; F. Calasso, I glossatori e la teorìa della sovranità ( 2 1951); K. Hitzfeld, Die letzte Gesandtschaft Heinrichs VII. nach Avignon und ihre Folgen, in: HJb 83 (1964) 43—53; W. Ullmann, A history of political thought in the MA (21970) 195—200. Vgl. zu ihrer weiterführenden Bedeutung W. Ullmann, Zur Entwicklung des Souveränitätsbegriffs im Spätmittelalter, in: Festschrift Nikolaus Grass (1975). S. auch E. Roteili und P. Schiera, Lo stato moderno: del medioevo all' età moderna (1971) und die bewundernswert systematische Darlegung von Gesichtspunkten bezüglich innerterritorialer Gesetzgebung A. Wolf, Die Gesetzgebung der entstehenden Territorialstaaten in Europa, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hsg. von H. Coing I (1973) 549 ff. 267 [Landeshoheit] Dieser Auffassung wurde in Kap. 8 und 11 der Goldenen
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Bulle (s. u. 275) bekräftigt: eine Appellation außerhalb der Grenzen Böhmens und der kurfürstlichen Länder war nicht zulässig. [ A v i g n o n ] G. Mollat (wie unter B); Y. Renouard, La papauté à Avignon (21962); Β. Guillemain, La cour pontificale d'Avignon (1963). f. [Jakob von Viterbo] H . X. Arquillière, Le plus ancien traité de l'église: Jacques de Viterbe (1926); M. J. Wilks, The idea of the Church as „unus homo perfectus" and its bearing on the medieval theory of sovereignty, in: Misc. historiae ecclesiasticae (1961) 30—49. Über die Ansichten der hier genannten Schriftsteller vgl. noch W. Ullmann, artt. citt. (s. o. 260) und dens., Dante's Monarchia as an illustration of a politico-religious Renovatio, in: Traditio-Krisis-Renovatio: Festschrift Winfried Zeller, hsg. von Β. Jaspert und R. Mohr (1976) 101 ff. [Augustinus Triumphus] M. J. Wilks, The problem of sovereignty in the later MA (1963) (eine erschöpfende Analyse und Synthese der Entwicklung der politischen Ideen in der ersten Hälfte des 14. Jhdts.). tPapsttum und Ludwig IV., der Bayer] H . S. Offler, Über die Prokuratorien Ludwigs des Bayern für die römische Kirche, in: DA 8 (1951) 461—87; ders., Empire and Papacy: the last struggle, in: TRSH 5. Serie 6 (1956) 21—47; O.Berthold (Hsg.), Kaiser, Volk und Avignon (1960); F.Bock, Reichsidee und Nationalstaaten (1943); H. O. Schwöbel, Der diplomatische Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie im Rahmen des kanonischen Absolutionsprozesses (1968); C. A. Lückerath, Zu den Rekonziliationsverhandlungen Ludwigs des Bayera in: DA 26 (1970) 549 ff. [Appellation von Sachsenhausen] Text in QRG I I , 179 f. [Provisionen und Finanzen] G. Barraclough, Papal Provisions (1935); W. E. Lunt, Financial relations of the papacy with England to 1327 (1939); M. McKisack, 'The Fourteenth Century (1959) 272—305. [Cola di Rienzo] E. Dupré — Theseider, I papi di Avinione e la questione romana (1939). [Egidio Albornoz'] J.Beneyto Perez, El Cardenal Albornoz (1950); seine Konstitutionen vom J. 1357 hsg. von P. Sella (1912). Α. Erler, Aegidius Albornoz als Gesetzgeber (1970); G. Catalano. La monarchia utriusquc potestatis nel capitolo 17 del libro IV delle costituzioni egidiane, in: Il diritto ecclesiastico 80 (1969) 211—26. [Goldene Bulle] Text bei K. Zeumer, Quellensammlung (21913) I, 192— 214. [Missionen] s. auch o. 248. [Urban VI.] Großes Schisma: W. Ullmann, The origins of the Great Schism (Neudruck 1967); Κ. Α. Fink, Zur Beurteilung des großen abendländischen Schismas, in: ZKiG 73 (1962) 335—43; R. G. Trexler, Rome on the eve of the Great Schism, in: Speculum 42 (1967) 489—509, A.Esch, Bankiers der Kirche im großen Schisma, in: QFIAB 46 (1966) 277—398; M. Souchon, Die Papstwahlen in der Zeit des Großen Schismas (Neudruck 1970). Finanzielle Lage während des Schismas: J. Favier, Les finances pontificales à l'époque du grand schisme de l'Occident 1378—1409 (1966). Neue Quellen über die Wahl Urbans VI. erschlossen von W. Brandmüller, Zur Frage nach der Gültigkeit der Wahl Urbans VI., in: Annuarium Hist. Conciliorum, 6 (1974) 78 ff., hier Edition 95 ff. Zum gleichen Thema siehe M. Dykmans, Du conclave d'Urbain VI au Grand Schisme, in ΑΗΡ 13 (1975) 207 ff. mit neuen Urkunden.
279 [Römische Kurie] Zum Einfluß der Neapolitaner in der zeitgenössischen
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Bibliographische Hinweise
römischen Kurie s. A. Esch, Das Papsttum unter der Herrschaft der Neapolitaner 1378—1415, in: Festschrift Hermann Heimpel I I (1972) 713—800. 280 [Avignonesisches Papsttum] Quellen s. Acta pseudo-pontificum: Clementis VII; Benedicti X I I ; Alexandri V; et Johannis X X I I I (1971). 281 [Richard II. und das Schisma] W. Ullmann, The University oí Cambridge and the Great Schism, in: JTS η. s. 9 (1958) 53—77 (hier auch Edition der amtlichen Antwort der Universität). Die Antwort von Oxford bei M. Harvey, The letter of Oxford university on the schism, 5 February 1399, in: Annuarium Hist. Conciliorum, 6 (1974) 121 ff. mit Edition. 282 [Konzil von Pisa] HL VII, 1—70, M. Harvey in SCH VII (1971) 197— 209. 282 [Johannes Gerson] S. E. Ozmet, The University and the Church: patterns of reform in Jean Gerson, in: Medievalia et Humanística η. s I (1970) 111—26. Zum Konzil von Konstanz vgl. noch H. Bookmann, Zur politischen Geschichte des Konstanzer Konzils, in: ZKiG 85 (1974) 45 ff. 283 [Konziliarismus] E . F . J a k o b , Essays in the conciliar epoch ( 3 1963); B. Tierney, Foundations of conciliar theory (Neudruck 1968); ders., Pope and Council: some new decretist texts, in: Medieval Studies 19 (1957) 197—218; K. A. Fink, Die konziliare Idee im späten MA, in: Vortrage und Forschungen 9 (1965) 119—35; W. Ullmann, De Bartoli sententia: Concilium representat mentem populi, in: Bartolus de Sassoferrato: Studi e documenti per il VI Centenario (1962) II, 705—33, bes. 730—2; zu Zabarella s. Origins of the Great Schism (s. o. 278) 191—231; Β. Tierney, Foundations 220—31; T. Sartori, Un discorso inedito de Franciscus Zabarella a Bonifacio IX sull'autorità del papa, in: RSC 20 (1966) 375— 88 (der typische Standpunkt eines Konziliaristen). J. Gill, Representation in the conciliar period, in -.SCH V I I (1971) 177—95. 283 f. [Konstanz] H.Finke, Acta concila Constanciensis, 4 Bde. (1896— 1926); erschöpfende Bibl. bei K . A . F i n k in Hdb III/2, 545—7; auch bei J. Gill, Constance et Bäle-Florence, hier auch Übers, wichtiger Texte . und Cánones; Β. Tierney, The problem of „Haec sancta", in: Essays presented to Bertie Wilkinson (1969) 354—70; ferner W. Brandmüller, Besitzt das Dekret „Haec sancta" dogmatische Verbindlichkeit?, in: RQ 62 (1967) 1—17. Zum Zeremoniell s. B. Schimmelpfennig, Zum Zeremoniell auf den Konzilien von Konstanz und Basel, in: QFIAB 49 (1969) 273—92. 286 [Konkordate] W. Bertrams, Der neuzeitliche Staatsgedanke und die Konkordate des ausgehenden MA (1942); Texte bei A. Mercati, Raccolta di concordati (1954). 286 [Martin V.] Wahlanzeige an die Universität Cambridge, in: ]TS (s. o. 281) 75—7; W. Brandmüller, Der Ubergang vom Pontifikat Martins V. zu Eugen IV., in: QFIAB 47 (1967) 596—629. Kirchenstaat: P.Partner, The papal state under Martin V. (1958); vgl. auch A.Esch, BonifazIX. und der Kirchenstaat (1969). 287 [Hus] M. Spinka, John H us at the Council of Constance (1965) (mit Übers, der lat. und tschech. Texte); ders., John Hus, a biography (1968); P. de Vooght, Obscurities anciennes autor de Jean Hus, in: RHE 66 (1971) 137 if.; ders., The letters of John Hus (engl. Übers, vom Lat. u. Tsch.) (1972). Ferner, R. Friedenthal, Ketzer und Rebell: Jan Hus und das Jahrhundert der Revolutionskriege (1972). 288 [Konzil von Siena] vgl. W. Brandmüller, Das Konzil von Pavia-Siena,
Bibliographische Hinweise
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2 Bände (Münster 1972—74). Die Edition läßt manches zu wünschen übrig, vgl. JEH 26 (1975) 182 ff. 13. Kapitel A) Quellen Concilium Basiiiense: Studien und Quellen zur Geschichte des Conzils von Basel, 8 Bde. (1896—1936); Aeneas Sylvius Piccolominus, De gestis Concila Basiliensis commenlariorum (hsg. von D. Hay) (1967); J. Haller in HZ 74 (1895) 385—406; Concilium Florentinum, documenta et scriptores (in Druck); Vespasiano da Bisticci, Vite di uomini del secolo XV (hsg. 1893); L. Pastor, Ungedruckte Akten zur Geschichte der Päpste 1376—1464 (1904). B) Literatur J. Haller, Papsttum und Kirchenreform (1908); Seppelt IV, 240—453 (mit umfassender Bibl. 455—504); Hdb III/2, Kap. 50, 51, 53, 55—7; HL VII, 663—1052; L. Pastor, Geschichte der Päpste (2. Ausg. und Neudrucke, Bd. I— I I I ) ; F. du Boulay in C. H. Lawrence, England and the Papacy (1965). 290 [ B y z a n z ] Ostrogorsky in CMH IV (1966) 379—87. 291 [Eugen IV. und die Konzilien] K . A . F i n k in Hdb III/2, 573—84; H. Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus, in: HZ 192 (1961) 529—83; E . F . J a c o b , Reflexions on the study of the general councils in the fifteenth century, in: Bulletin John Rylands Library 41 (1958) 26— 53; ders., Giuliano Cesarmi, ebd. 51 (1968) 104—26; A.Black, Monarch·/ and Community: political ideas in the later conciliar controversy 1430— 50 (1970). Zu den Finanzbeziehungen zwischen Eugen und Florenz s. J. Kirshner, Papa Eugenio IV e il monte comune, in: Archivio storico italiano 127 (1969) 339—82. 291 f. [Konzilien von Ferrara (Florenz) und Basel] Kanones in Decreta 431— 567. Florenz: J . G i l l , The Council of Florence (1959); ders., Constance et Bále-Florence (1965); Basel: P. Ourliac, Sociologie du concile de Bàie, in: RHE 56 (1961) 5—32; A. P. J. Meijknecht, Le concile de Bàie aperçu général sur les sources, ebd. 65 (1970) 465—73; Α. Ν. E. Schofield, Some aspects of English representation at the Council of Basle, in: SCH VII (1971) 219—29 (mit weiterer einschlägiger Lit. und Listen der Delegationsmitglieder); A. J. Black, ebd. 229 ff.; E. F. Jacob, Panormitanus and the Council of Basle, in: Proceedings of the Intern. Congresτ of medieval canon law III (1971) 205 ff.; W. Kramer, Die ekklesiologische Auseinandersetzung über die wahre Repräsentation auf dem Basler Konzil. in: Mise. Medicvalia 8 (1971) 202 ff. Zu den neuen Konzilsregelungen in Florenz s. R.Kay, The conciliar ordo of Eugenius IV, in: OCP 31 (1965) 295—304 (neu entdeckte Texte). 292 [Nikolaus von Cties~\ N.Grass (Hsg.), Cusanus Gedächtnisschrift (1970); E. Aleuthen, Nikolaus von Kues 1401—1464 (21964). 293 [Hussiten] M. Spinka, John ¡lus' concept of the Church (1966); F. G. Heymann, John Zaka and the Hussite Revolution (1955); Johannes de Ragusa: A. Krchnak, De vita et operibus loannis de Ragusio (— Latercnum n. s. 26) (1960); J. Kubelik, Jean de Raguse. in: Revue des sciencei religieuses 41 (1967) 150—68. Vorhussittische Reform: S. dazu R. E Weltsch, Archbishop John of Jenstein (1384—1400): Papalism, Humanism and Reform in Pre-Hussite Prague (1968). 293 [Laetentur] Lateinische und griechische Texte in Decreta 500—4. Über einen bisher unbekannten byzantinischen Vorschlag siehe W. Ullmann, A
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Bibliographische Hinweise
Greek démarche on the eve of the Council of Florence, in: J EH 26 (1975) 337 ff. 294 [Pragmatische Sanktion] Ν. Valois, Histoire de la pragmatique sanction de Bourges sous Charles VII (1907) (grundlegend). Neutralität: H. Angermeier (s. o. 291) 569—73. 2 9 5 f . [Konziliarismus und Papsttum] A.Black, Monarchy (s. o. 291) 8 5 — 129. Laien und Beteiligung: W. Ullmann, The papacy and the faithful, in: Recueil de la société Jean Bodin 25 (1965) 7—45, bes. 34—45. Siehe noch J . E. Biechler, Nicholas of Cusa and the end of the conciliar movement, in: Church History 44 (1975) 5ff. 297 [ K o n k o r d a t e ] A. Mercati s. o. 286. 297 [ R e f o r m v e r s u c h e ] J . Haller (wie unter B); H. Jedin, History of the Council of Trient (1958) 3—115; A. A. Strnad, Francesco Todeschini — Piccolominis Politik und Mäzenatentum im Quattrocento, in: Römische Hist. Mitt. 9 (1969) 102—425 (grundlegend; mit umfassender Lit.). Über einen sehr interessanten Reformvorschlag aus der Mitte des 15. Jahrhunderts siehe U. Montag, Ein Birgittinischer Reformentwurf für Papst und Kurie, in: Α Η Ρ 11 (1973) 113—48, Edition, hier 129 ff. 298 [Humanismus und der Bürger] K . A . F i n k in Hdb I I I / 2 , 625—33; W. Ullmann, Individual and Society in the MA, Kap. 3. Jetzt auch in deutscher Ausgabe (1974) mit erweiterten Literaturangaben, S. 128 ff. 300 [Letzte Kaiserkrönung] E. Eichmann, Kaiserkrönung 1 , 3 0 3 — 8 ; F. W a s ner, Päpstliches Zeremonienwesen im 15. Jahrh., in: ΑΗΡ 6 (1968) 113— 62, bes. 143—52 (wichtige neue Texte). 303 [Savonarola] Κ. Α. Fink in Hdb I I I / 2 , 664, bes. Anm. 23; L. Bolzono in RSC 23 (1969) 428—40. 304 [ R e f o r m v e r s u c h e ] H. Koller, Kaiserliche Politik und die Reformpläne des 15. Jahrhunderts, in: Festschrift für Hermann Heimpel I I (1972) 61 ff. 304 [Pius II. und seine konziliaristische Vergangenheit] Einschlägige Beiträge zum Gedächtnisband Enea Silvio Piccolomini, hsg. von D. Maffci (1970). Zu seiner Vergangenheit als Konziliarist s. H.Diener, Enea Silvio Piccolominis Weg von Basel nach Rom, in: Adel und Kirche (s. o. 118) 516—33). Siehe jetzt bes. B. Schimmelpfennig, Die Krönung dei Papstes im Mittelalter dargestellt am Beispiel der Krönung Pius' II., in: QFIAB 54 (1974) 192—270, mit vorzüglichen Analysen. 304 [Pius II. und der Kongreß von Mantua] Gesamtübersicht bei Α. A. Strnad, Johannes Hinderbachs Obödienz-Ansprache an Pius II., in: Römische Hist. Mitt. 10 (1968) 43—183 (mit umfassender Lit.). 304 [Kurienreform'] R. Haubst, Der Reformentwurf Pius' des Zweiten, in: RQ 49 (1954) 188—242 (Textedition 205 ff.). Über die Gesandtschaft von Nikolaus von Cues siehe D. Sullivan, Nicholas of Cusa as reformer, the papal legation to the Germanics 1451—1452, in: Medieval Studies 36 (1974) 382—428. 305 [Georg Podiehrad] F. G. Heymann, George of Bohemia, king of heretics (1965); J . Macek, Der Konziliarismus in der böhmischen Reformation, besonders in der Politik Georgs von Podiebrad, in: ZKiG 80 (1969) 312—30. 306 [Böhmische Sozialprogramme] P. Brock, The social and political doctrines of the Unity of Czech Brethren (1957); H. Kaminsky, Peter Chelcicky: Treatises on Christianity and the social order, in: Studies in Medieval and Renaissance History, hsg. von W. M. Bowsky (1964) I, 104—79.
Bibliographische Hinweise
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307 [Alexander VI. und die Konstantinische Schenkung] L. Weckmann, Las Bulas Alexandrinas (1949); A. Garcia-Gallo, Las bulas de Alejandro Vi y el ordenamiente (1958). 308 [Maximilian I. als Papst] H. Wiesflecker, Kaiser-Papst-Plan Maximilians i. J. 1511, in: MIÖG 71 (1963) 311—32. 308 [ Julius II. und das Konzil von Pisa] einschlägige Urkunden bei O. Raynaldus, Annales ecclesiastici (Bar-le-Duc 1873) 30,537—53; die genauen Rechtsauffassungen von Philippus Decius und dem Sekretär des Konzils, Zacharias Ferrerius, in: Melchior Goldast, Manarcbia (hsg. 1668) II, 1753—82; D. S. Chambers, Cardinal Bainbridge in the Court of Rome 1506—1514 (1965); C. Fusero, Giulio II (1965). Ferner W.Ullmann, Julius II and the schismatic cardinals, in: SCH ix (1972). 308 f. [}. Laterankonzil] Kanones in Decreta 511—631; Konkordat von 1516 A. Mercati (s. o. 286) 235—52; O. de la Brosse, Le pape et le concile: la comparison de leurs pouvoirs à la veille de la Réforme (1965). 309 [Leo Χ] Κ. M. Setton, Pope Leo X and the Turkish peril, in: Proceedings of the American Philosophical Society 112 (1969) 367—424.
LISTE DER MITTELALTERLICHEN PÄPSTE Diese Liste stützt sich auf das Annuario pontificio (hrsg. 1971), das aus A. Mercati, Medieval Studies 9 (1947) 71—80 übernommen wurde. Von den zwei zu Anfang eines Pontifikats angegebenen Daten bezieht sidi das erste auf den Tag der Wahl, das zweite auf den der Ordination oder Weihe (Krönung). Die Namen der Gegenpäpste sind in Klammern angeführt. Melchiades, 2. VII. 311 - 11.1. 314 Silvester I, 31.1. 314 - 31. X I I . 335 Marcus 18.1. 336 - 7. X. 336 Julius I, 6 . 1 1 . 3 7 7 - 1 2 . IV. 352 Liberius, 17. V. 352 - 24. IX. 366 (Felix II, 3 5 5 - 2 2 . XI. 365) Damasus I, 1. X. 366 - 11. X I I . 384 (Ursinus, 3 6 6 - 3 6 7 ) Siricius, 15. oder 22. oder 29. XII. 3 8 4 - 2 6 . XI. 399 Anastasius I, 27. XI. 399 - 19. XII. 401 Innozenz I, 22. XII. 401 - 12. III. 417 Zosimus, 18. III. 4 1 7 - 2 6 . X I I . 418 Bonifaz I, 28. oder 29. XII. 418 - 4. IX. 422 (Eulalius, 27. oder 29. XII. 418-419) Coelestin I, 10. IX. 422 - 27. VII. 432 Sixtus I I I , 31. VII. 4 3 2 - 19. VIII. 440 Leo I, 29. IX. 440 - 10. XI. 461 Hilarus, 19. XI. 461 - 29. II. 468 Simplicius, 3. III. 468 - 10. III. 483 Felix I I I , 13. III. 4 8 3 - 1. I I I . 492 Gelasius I, 1. III. 492 - 21. XI. 496 Anastasius II, 24. XI. 496 - 19. XI. 498 Symmachus, 22. XI. 498 - 19. VII. 514 (Laurentius, 498, 501-505) Hormisdas, 20. VII. 514 - 6. VIII. 523 Johannes I, 13. V I I I . 523 - 18. V. 526 Felix IV, 12. VII. 5 2 6 - 2 2 . IX. 530 Bonifaz II, 22. IX. 530 - 17. X. 532 (Dioskur, 22. IX. 530 - 14. X. 530)
Johannes II, 2.1. 533 - 8. V. 535 Agapet I, 13. V. 5 3 5 - 2 2 . IV. 536 Silverius, VI. 5 3 6 - 1 1 . XI. 537 Vigilius, 29. III. 5 3 7 - 7 . VI. 555 Pelagius I, 16. IV. 556 - 4. I I I . 561 Johannes I I I , 17. VII. 561 - 13. VII. 574 Benedikt I, 2. VI. 575 - 30. VII. 579 Pelagius II, 26. XI. 5 7 9 - 7 . II. 590 Gregory I, 3. IX. 590 - 12. I I I . 604 Sabinianus, 13. IX. 604 - 22. II. 606 Bonifaz I I I , 19. II. 607 - 12. XI. 607 Bonifaz IV, 25. V I I I . 608 - 8 . V. 615 Deusdedit oder Adeodatus I, 19. X. 6 1 5 - 8 . XI. 618 Bonifaz V, 23. XII. 619 - 25. X. 625 Honorius I, 27. X. 625 - 12. X. 638 Severinus, 28. V. 6 4 0 - 2 . VIII. 640 Johannes IV, 24. XII. 640 - 12. X. 642 Theodor I, 24. XI. 642 - 14. V. 649 Martin I, VII. 649 - 16. IX. 655 Eugen I, 10. VIII. 654 - 2. VI. 657 Vitalian, 30. VII. 657 - 27.1. 672 Adeodatus II, 11. IV. 672 - 17. VT. 676 Donus, 2. XI. 6 7 6 - 11. IV. 678 Agatho, 27. VI. 6 7 8 - 10.1.681 Leo II, 17. VIII. 682 - 3. VII. 683 Benedikt II, 26. VI. 684 - 8. V. 685 Johannes V, 23. VII. 685 - 2. V I I I . 686 Konon, 21. X. 686 - 21. IX. 687 (Theodor, 687) (Paschalis, 687) Sergius I, 15. XII. 687 - 8. IX. 701 Johannes VI, 30. X. 701 - 11.1. 705 Johannes VII, 1. I I I . 705 - 18. X 707 Sisinnius, 15.1. 708 - 4. II. 708
Liste der mittelalterlichen Päpste Constantinus, 25. I I I . 708 - 9. IV. 715 Gregor II, 19. V. 715 - 11. II. 731 Gregor I I I , 18. I I I . 7 3 1 - X I . 741 Zacharias, 10. X I I . 741 - 22. I I I . 752 Stephan II, 23. III. 752 - 25.111. 752 Stephan I I I , 26. III. 752 - 26. IV. 757 Paul I, IV, 29. V. 7 5 7 - 2 8 . VI. 767 (Constantinus, 28. VI, 5. VII. 767769) (Philipp, 31. VII. 768) Stephan IV, I, 7. VIII. 768 - 24.1. 772 Hadrian I, I, 9. II. 772 - 25. XII. 795 Leo III, 26, 27. XII. 7 9 5 - 12. VI. 816 Stephan V, 22. VI. 816 - 24.1. 817 Paschalis, 2 5 . 1 . 8 1 7 - 11.11.824 Eugen II, 11 - V. 824 - VIII. 827 Valentin VIII. 827 - IX. 827 Gregor IV, 8 2 7 - 1.844 (Johannes - 1.844) Sergius II, 1 . 8 4 4 - 2 7 . 1 . 8 4 7 Leo IV, 10. IV. 847 - 17. VII. 855 Benedikt I I I , VII, 29. IX. 855 - 17. IV. 858 (Anastasius, der Bibliothekar, VIII. 855 - IX. 855, gest. (ca) 880) Nicholaus I, 24. IV. 858 - 13. XI. 867 Hadrian II, 14. XII. 867 - 14. X I I . 872 Johannes VIII, 14. XII. 872 - 16. XII. 882 Marinus I, 16. X I I . 882 - 15. V. 884 Hadrian I I I , 17. V. 8 8 4 - I X . 885 Stephan VI, IX. 885 - 14. IX. 891 Formosus, Bishof von Porto, 6. X 8 9 1 - 4 . IV. 896 Bonifaz VI, IV. 896 - IV. 896 Stephan VII, V. 896 - VIII. 897 Romanus, VIII. 897 - XI. 897 Theodor II, X I I . 897 - XII. 897 Johannes IX, 1 . 8 9 8 - 1 . 9 0 0 Benedikt IV, I-11. 900 - VI 1. 90 3 Leo V, VII. 903 - IX. 903 (Christopherus VII. oder IX. 903 I. 904) Sergius I I I , 29.1. 904 - 14. IV. 911 Anastasius III, IV. 911 - VI. 913 Lando, VII. 913 - II. 914
351
Johannes X, I I I . 914 - V. 928 Leo VI, V. 9 2 8 - X I I . 928 Stephan V i l i , XII. 928 - II. 931 Johannes XI, I I - I I I . 931 - X I I . 935 Leo VII, 3 . 1 . 9 3 6 - 1 3 . VII. 939 Stephan IX, 14. VII. 939 - X. 942 Marinus II, 30. X. 942 - V. 946 Agapet II, 10. V. 946 - XII. 955 Johannes XII, 16. X I I . 955 - 14. V. 964 Leo V I I I , 4, 6. XII. 963 - 1. III. 965 Benedikt V, 22. V. 9 6 4 - 4 . VII. 96*) Johannes X I I I , 1. X. 965 - 6. IX. 972 Benedikt VI, 19.1. 973 - VI. 974 (Bonifaz VII, V I - V I I . 974; wieder VIII. 9 8 4 - V I I . 985) Benedikt VII, X. 974 - 10. VII. 983 Johannes XIV, XII. 983 - 20. VIII. 984 Johannes XV, VIII. 985 - I I I . 996 Gregor V, 3. V. 996 - 18. II. 999 (Johannes XVI, IV. 997 - II. 998) Silvester II, 2. IV. 999 - 12. V. 1003 Johannes XVII, VI. 1003 - XII. 1003 Johannes XVIII, I. 1004 - VII. 1009 Sergius IV, 31. VII. 1009 - 12. V. 1012 Benedikt VIII, 18. V. 1012 - 9. IV. 1024 (Gregor, 1012) Tohannes XIX, IV-V. 1024-1032 Benedikt IX, 1032-1044 Silvester III, 20.1.1045 - 10. I I I 1045 Benedikt IX (zum zweiten Mal), 10. IV. 1045- I . V . 1045 Gregor VI, 5. V. 1045 - 20. XII. 1046 Clemens II, 24, 25. XII. 1046-9. X. 1047 Benedikt IX (zum dritten Mal) 8. XI. 1047 - 17. VII. 1048 Damasus II, 17. VII. 1048-9. V i l i . 1048 Leo IX, 12. II. 1049 - 19. IV. 1054 Victor II, 13. IV. 1055 - 28. VII. 1057 Stephan X, 3. VIII. 1057-29. III. 1058 (Benedict X, 5. IV. 1058 24. I. 1059) Nicholaus II, 24.1. 1059 - 27. VII. 1061
352
Liste der mittelalterlichen Päpste
Alexander II, 1. X. 1061 - 21. IV. 1073 (Honorius II, 2 8 . X . 10611072) Gregor VII, 22. IV, 30. VI. 1 0 7 3 25. V. 1085 (Clemens III, 25. VI. 1080. 24. III. 1084 - 8. IX. 1100) Victor III, von Benevent, Dauferius (Desiderius), 24. V. 1086 - 1 6 . IX. 1087 Urban II, 12. III. 1088 - 29. VII. 1099 Paschalis II, 13, 14. VIII. 1099 - 21. I. 1118 (Theoderich, 1100, gest. 1102) (Albert, 1102) (Silvester IV, 18. XI. 1105-1111) Gelasius II, 24.1, 10. III. 1118 28.1.1119 (Gregor VIII, 8. III. 1118-1121, gest.?) Callixt II, 2, 9. II. 1 1 1 9 - 1 3 . XII. 1124 Honorius II, 15, 21. XII. 1 1 2 4 - 1 3 . II. 1130 (Coelestin II, XII. 1124) Innozenz II, 14, 2 3 . 1 1 . 1 1 3 0 - 2 4 . IX. 1143 (Analect II, 14, 23. IT. 1 1 3 0 - 2 5 . 1 . 1 1 3 8 ) (Victor IV, III. 1 1 3 8 - 2 9 . V. 1138, gest.?) Coelestin II, 26. IX, 3. X. 1 1 4 3 - 8 . III. 1144 Lucius II, 12. III. 1144 - 15. II. 1145 Eugen III, 15, 18. II. 1145 - 8. VII. 1153 Anastasius IV, 12. VII. 1153 - 3. XII. 1154 Hadrian IV, 4, 5. XII. 1 1 5 4 - 1 . IX. 1159 Alexander III, 7, 20. IX. 1159 - 30 VIII. 1181 (Victor IV, 7. IX, 4. X. 1 1 5 9 - 2 0 . IV. 1164) (Paschalis III, 22, 26. IV. 1164 - 20. IX. 1168) (Callixt III, IX. 1 1 6 8 - 2 9 . VIII. 1178) (Innozenz III, 29. IX. 1179 -1180) Lucius III, 1, 6. IX. 1 1 8 1 - 2 5 . IX. 1185 Urban III, 25. XI, 1. XII. 1185 2 0 . X . 1187 Gregor VIII, 21, 25. X. 1 1 8 7 - 1 7 XII. 1187 Clemens III, 19, 20. XII. 1187 III. 1191
Coelestin III, 30. III, 14. IV. 1191 -8.1.1198 Innozenz III, 8.1, 2 2 . 1 1 . 1 1 9 8 - 1 6 . VII. 1216 Honorius III, 18, 24. VII. 1216 18.III. 1227 Gregor IX, 19, 21. III. 1 2 2 7 - 2 2 . VIII. 1241 Coelestin IV, 25, 28. X. 1241 - 10. XI. 1241 Innozenz IV, 25, 28. VI. 1243 - 7. XII. 1254 Alexander IV, 12, 20. XII. 1 2 5 4 25.V. 1261 Urban IV, 29. VIII, 4. IX. 1 2 6 1 2. X.1264 Clemens IV, 5, 15. II. 1 2 6 5 - 2 9 . XI. 1268 Gregor X, 1. XI. 1271, 27. III. 1272 -10.1.1276 Innozenz V, 21.1, 22. II. 1276 - 22. VI. 1276 Hadrian V, 11. VII. 1 2 7 6 - 1 8 . VIII. 1276 Johannes XXI, 8, 20. IX. 1 2 7 6 - 2 0 . V.1277 Nikolaus III, 25. XI, 26. XII. 1277 - 2 2 . VIII. 1280 Martin IV, 22.11, 23. III. 1281 28. III. 1285 Honorius IV, 2. IV, 20. V. 1285 - 3 IV.1287 Nikolaus IV, 22. II. 1288 - 4. IV. 1292 Coelestin V, 5. VII, 29. VIII. 1294 13. XII. 1294 (gest. 19. V. 1296) Bonifaz VIII, 24. XII. 1294, 23.1. 1 2 9 5 - 11. X. 1303 Benedikt XI, 22, 27. X. 1303 - 7. VII. 1304 Clemens V, 5. VI, 14. XI. 1305 - 20. IV.1314 Johannes XXII, 7. VIII, 5. IX. 1316 - 4 . XII. 1334 (Nikolaus V, 12, 22. V. 1 3 2 8 - 2 5 . VIII. 1330, gest. 16. X. 1333) Benedikt XII, 20. XII. 1334, 8.1. 1 3 3 5 - 2 5 . IV. 1342 Clemens VI, 7, 19. V. 1342 - 6. XII. 1352 Innozenz VI, 18, 30. XII. 1352 - 12. IX.1362
Liste der mittelalterlichen Päpste Urban V, 28. IX, 6. XI. 1362 - 19. XII. 1370 Gregor XI, 30. XII. 1370, 5.1. 1371 - 2 6 . I I I . 1378 Urban VI, 8, 18. IV. 1378 - 15. X 1389 Bonifaz IX, 2, 9. XI. 1389 - 1. X. 1404 Innozenz VII, 17. X, 11. XI. 1404 - 6 . XI. 1406 Gregor XII, 30. XI, 19. XII. 1406 - 4 . VII. 1415 (Clemens VII, 20. IX, 31.X. 1378- 16. IX. 1394 (Benedikt X I I I , 28. IX, 11. X. 139423. V. 1423) (Alexander V, 26. VI, 7. VII. 1409 - 3. V. 1410) (Johannes X X I I I , 17, 25. V. 1410 - 29. V. 1415) Martin V, 11, 21. XI. 1417 - 20. I i . 1431 Eugen IV, 3, l l . I I I . 1 4 3 1 - 2 3 . i l .
353
1447 (Felix V, 5. XI. 1439, 24 VII. 1 4 4 0 - 7 . IV. 1449) Nikolaus V, 6, 19. III. 1447 - 24. III. 1455 Callixt III, 8, 20. IV. 1455 - 6. VIII. 1458 Pius II, 19. VIII, 3. IX. 1458-15. VIII. 1464 Paul II, 30. VIII, 16. IX. 1464 - 26. VII. 1471 Sixtus IV, 9, 25. V I I I . 1471 - 12. VIII. 1484 Innozenz VIII, 29. VIII, 12. IX. 1484-25. VII. 1492 Alexander VI, 11, 26. VIII. 1492 18. VIII. 1503 Pius I I I , 22. IX, I, 8. X. 1 5 0 3 - 1 8 . X.1503 Julius II, 31.X, 26. XI. 1503 - 2 1 . II. 1513 Leo X, 9, 19. III. 1513 - l . X I I . 1521
REGISTER (Abkürzungen: Β. = Bischof; Btm. = Bistum; Eb. = Erzbischof; Hg. = Herzog; Kard. = Kardinal; Kg. = König) Aachen 73, 74, 77, 199 Abälard 166 f. Abendmahl, kaiserl. 40 Ablaß 136, 155, 209, 233, 260, 286 Absetzung, von Bischöfen 142, 145; des Kaisers 142, 246 f.; von Königen 139, 142, 145, 149, 214, 252, 270; von Päpsten 110, 111, 145, 159, 270, 273, 292 Absteigendes Herrschaftssystem, s. Deszendenzthese Acacius, Patriarch 25, 27, 35, 100 Adel, deutscher 147, 149, 160; fränkischer 85, 133; langobardischer 147; römischer 26, 45, 46, 71, 84, 101, 102, 104 ff., 111, 112 f., 118, 125, 128, 150, 162 f., 180, 215, 251, 302 Adelheid, dt. Kaiserin 108 Adolf, Eb. v. Köln 197, 199 Aegidius Charlier 293 Ägypten 53, 202 Ämterhäufung 303, 305 Aeneas Silvius Piccolomini (Pius II.) 304 Äthiopien 275 Afrika 12, 41, 42, 43, 275 Agapet II., Papst 105, 108 Agatho, Papst 57, 142 Agilulf, Kg. der Langobarden 52 Agnes, dt. Kaiserin 125, 135 Agnes v. Meran 200 Agobard, Eb. v. Lyon 90 Aimerich, Kard. 163 f. Aistulf, Kg. der Langobarden 69 Alanus, Kanonist 229 Alarich 12 Alberich, Senator 104 f., 108 Albert v. Morra (Gregor V I I I . ) Albert, B. v. Riga 202 Albert, B. v. Venedig 270 Albigenser 206, 248 f.
186
Albornoz, s. Egidio Albornoz Albrecht I., dt. Kg. 256 f. Alexander (Päpste) I I . 132, 135 f., 137, 144; I I I . 168, 179 ff., 204, 208, 224, 226, 229; IV. 251; V. 282; V I . 303, 307 Alexandria 6 Allegorien, Verwendung von 11 f., 211 Sonne-Mond 198, 211, 257 Leib-Seele 211 s. auch Schwert Alvarus Pelagius 268 Amalrici, s. Arnaldus Amalrici Amt (kirchl.) und Lehen 154 f., 160 f. Amt (päpstl.) und Person des Papstes 16 f., 103, 106, 113, 114, 115, 118, 243 f., 255, 301 f., 303, 310, 314 Anaklet II., Gegenpapst 164, 226 Anagni 245, 262, 279 Anastasius II., Papst 33, 35 Anastasius Bibliothecarius 94 Ancona 200 Andreas von Ungarn 202 Angelsachsen 49 f., 51, 60; s. auch England Anjou, s. Karl von Anjou Annaten 233 Anno, Eb. ν. Köln 136 f. Anselm, Eb. v. Canterbury 157 Anselm, B. v. Havelberg 172 Antiochien 2, 11; Schule von 41 Apostolizität 7, 10 f., 17, 26, 34, 36, 61, 122, 139, 147, 172, 174 Appellationsgerichtshof, päpstl. 170, 224, 235 Apulien 129, 163, 242, 244 Aquileja 42; s. auch Rufinus ν Aquileja Aquin, s. Thomas v. Aquin Aquitanien, s. Wilhelm v. Aquitanien
Register Araber (Sarazenen, Moslems) 5 3 f., 55, 57, 64, 67, 88 f., 101, 105, 129 135, 191, 202, 226, 2 4 2 Aragon 136, 201, 238, 2 5 2 , 256, 280, 2 8 8 Arbeitsteilung 29, 39, 171 Archiv, päpstl. 4, 9, 15, 72, 88, 257, 300; s. audi Kanzlei, Register Arianismus 5, 33, 37, 4 3 Aristoteles 153, 230, 253, 260, 268, 306 Arles, Konzil v o n 3 A r m e Männer von Lyon 2 0 4 Armenien 193, 214, 275 Armut, apostolische 167, 172, 205, 206, 227, 271 A r n a l d u s A m a l r i c i , A b t 2 0 6 f. A r n o l d v. Brescia 167, 1 7 3 , 1 7 7 , 2 0 3 A r n o l d v. K ö l n , O F M 248 A s i e n 248, 2 7 5 Assisi, s. F r a n z v. Assisi Aszendenzthese (Aufsteigendes Herrschaftssystem) 244, 254, 2 8 3 , 2 8 5 , 289, 296 Attila 16 A t t o , Β. v. M a i l a n d 135, 144 A u e t o r i tas 2 8 Audicntia litterarum contradictarum (Dienststelle) 235 Auditoren 224, 235 Augsburg 146; s. auch Ulrich ν Augsburg A u g u s t i n , E b . v. C a n t e r b u r y 4 9 A u g u s t i r i s m u s 48, 300 Augustinus Triumphus 268 Augustus 19 A v i g n o n 66, 266 f., 287, 292 Avranches 186 Babylonische G e f a n g e n s c h a f t 276 B a l d w i n v. W o r c e s t e r 224 B a m b e r g , s. S u i d g e r , Β. v. B a m b e r g Bari 2 7 7 f. B a r t o l o m e o P r i g n a n o 2 7 7 f. Bartolus 284 Basilius I., byz. Kaiser 101 Basel. Konzil v o n 288, 291, 292, 293, 294, 2 9 6 Beauvais 181 Becket, s. T h o m a s Becket Belisar 40 B e n e d i k t ( P ä p s t e ) V. 110; V I . I l l ,
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115; V i l i . 112; I X . 113, 118, Χ. 125; X I . 264; X I I . 273; X I I I . Gegenpapst 281, 2 8 4 Benedictas Levita 9 3 Beneficium 178 Benevent 43 , 72, 108, 123, 163 Berengar v. Ivrea 108, 109 Bernhard v. Clairvaux 165, 167, 170 ff., 199, 208, 211, 223, 260, 265 Bernhard v. Pavia, Kanonist 228 Bernhard Saisset, B. v. Pamiers 259 Bertrand von D e u x , Kard. 272 Besançon 178 Bessarion, Eb. v. Nicäa 293 Bethlehem 242 Bettelorden 205, 227, 240, 249, 261 Beziers 206 Bildung, Erziehungswesen 90 f., 99, 107, 152, 2 0 3 , 210, 2 3 0 f., 253, 277, 296, 313 Birgitta v. Schweden 276 Bischöfe und Papsttum, s. Episkopat und Papsttum Bobbio 116 Böhmen 115, 140, 187, 202, 238. 287, 299, 305 f.; Böhmische Brüder 306; s. auch Georg Podiebrad, Kg. v. Böhmen; Ottokar v. Böhmen Bologna 153, 162, 168, 169, 173, 174, 179, 187, 208, 224, 2 2 8 , 229, 230, 275 B o n a v e n t u r a 300 f. B o n i f a t i u s ( W i n f r i e d ) 60 f., 6 8 Bonifaz ( P ä p s t e ) I. 14, 18, 34; V I . 104; V I I . I l l , 229, 2 3 9 ; V I I I . 227, 256 f i , 264, 265, 266, 267, 311 Bonifaz, päpstl. Rat 58 Bonifaz v. M o n t f e r r a t 202 Borgia, Familie 302 Botticelli 301 Bourges. Pragmatische S a n k t i o n v o n 294, 295, 304. 308 Bouvines 200 Bramante 301 B r e a k s p c a r , s. N i k o l a u s B r e a k s p e a r Bremen 115 Brescia, s. A r n o l d v. Brescia Bretonische S ö l d n e r 276 Brindisi 241
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Register
Brixen 150 Buchdruck 312 Bürger, Bürgertum 172, 206, 253, 254, 260, 284, 298 £., 313, 314 Burgund, s. Rudolf v. Burgund Bulgarien 57, 98 f., 101, 105, 124, 201, 214 Byzanz, s. Konstantinopel Caedwalla, angelsächischer Kg. 60 Calixt (Päpste) I I . 160, 163; I I I . Gegenpapst 184; I I I . 302, 304 Cambridge 230, 281 Canossa 146 ff. Canterbury, s. Anselm ν. Canterbury; Augustinus v. Canterbury: strittige Wahl von 201; Eb. als legatus natus 220 Capellani 235 Capestrano, s. Johannes v. Capestrano Capua 108; s. auch Richard v. Capua „causae maiores" (schwerere Fälle) 13, 96, 97, 142, 220, 221, 223, 226, 231 f., 235, 308 Ceprano 242 Cesarini, Kard. 288, 292 Cesena, s. Michael ν. Cesena Chalcedon, Konzil von 21 f., 24, 25, 32, 41, 54 Charlier, s. Aegidius Chartier Cheltschizki, s. Peter Cheltschizki Chartres, s. Ivo v. Chartres Childerich I I I . , fränk. Kg. 67 China 248 Chlodwig, fränk. Kg. 32 f. Chrisma 81 Christian, Eb. v. Mainz 183 Christologische Streitfragen 14 f., 21, 25, 32 f., 41, 54, 57, 59, 64 Christopherus, Gegenpapst 104 Clairvaux, s. Bernhard v. Clairvaux Clemens (Päpste) I. 10 f., 16, 92; I I . 118; I I I . Gegenpapst 150; IV. 249; V. 216, 227, 229, 264 ff., 277; V I . 272, 273; V I I . Gegenpapst 279 f. Clementinen 229 f. Clericis laicos, Bulle 258 Cluny 105, 112, 117, 119 Coelestin (Päpste) I. 12, 15; I I . 163;
I I I . 192 ff., 198, 232; IV. 245; V. ( „Engelspapst" ) 255, 260, 310 Cola di Rienzo 272, 274 Colonna, Familie 251, 259, 263, 264, 266; Otto 285; Sciarra 262, 270 Commenda 227 Compilationes antiquae 228 ff. Constitutum Constantini, s. Konstantinische Schenkung Cordoba, s. Hosius ν. Cordoba Cornelius, Papst 2 Cortenuovo, Schlacht von 142 Cremona 136 Crescentier 111 Cues, s. Nikolaus v. Cues Cyprian 2 Dänemark 115, 187, 200, 232, 255 D'Ailly, s. Pierre d'Ailly Dalmatien 140, 214 Damasus, Papst 6 ff., 61 Dante 2 5 5 , 2 6 8 Dassel, s. Rainald v. Dassel Dekretalen 8, 12, 14, 91, 96, 121, 169, 187, 207 f., 221 f., 225, 228, 234, 299 Dekretalensammlungen 12, 30, 34, 73, 91, 92, 93, 94, 141, 207, 225, 228 ff. Delegierte Jurisdiktion 92, 224, 235 Desiderius, Abt von Monte Cassino 129 Designation des päpstl. Nachfolgers 45 Deszendenzthese (absteigendes, fallendes Herrschaftssystem) 31, 92, 220, 244, 254, 283, 289 Deutschherrenorden 248 Deux, s. Bertrand v. Deux Dialektische Methode 154, 169 „Dictatus Papae" 141 ff. Diego, Β. v. Osma 205 Dietrich v. Niem 285 Diokletian 34 Dionysio-Hadriana, Kanones-Sammlung 73 Dionysius Exiguus 73 Dispens, päpstl. 222 f, 235, 247 Dominikaner 205, 240, 249, 261
Register Dominikus 205 Dreifaltigkeitssonntag 224 „Drei Kapitel"-Streit 41 f. Drontheim 172 Dubois, s. Pierre Dubois Ducatus Romanus 43, 47 Eduard, Kg. v. England I. 256, 258 f., 264; I I I . 271 Eger, Goldbulle von 200 Egidianische Verfassung 274 Egidio Albornoz, Kard. 274, 276 Ehe 95 Eichstätt, B. von 124 Eid, bischöfl. 220, 231 Eigenkirchenwesen 90, 96, 107, 121, 132 f., 143, 187 Eignungsgrundsatz 117 Ekthesis, Dekret 54 Emmerich, Kg. v. Ungarn 202 Engelsburg 150 „Engelspapst", s. Coelestin V. England 50, 59, 132, 135, 146, 157, 159, 165, 175, 176, 181 ff., 185 f., 187, 191, 197, 201, 214, 229, 232, 246, 249, 252, 254 f., 256, 258, 259, 264, 270, 276, 280, 281, 284, 287, 288, 291 E n t f r e m d u n g von Kirchengut 112, 139, 226 Enzio, Sohn Friedrichs I I . 242 Ephesus, Konzil von 15 Episkopat und Papsttum 12, 84 f., 90, 92, 95 f., 116 f., 133, 138, 141. 144, 145, 147, 189, 204, 205, 218, 220 f., 231, 238, 295, 311 Erlembald v. Mailand 134 Erzbischöfliche Gewalt 92, 94, 95 f.. 97, 220 f., 231, 233 Eskil, Eb. v. Lund 178 Estland 214 Étampes, Synode von 165 Eugen (Päpste) I I . 83, 230; I I I . 112, 170 ff.; 176; IV. 219, 288. 291 f., 294 Eusebius 10 Exarch, Exarchat, s. Ravenna Exkommunikation (Bann) von Bischöfen 96, 201 von Gegenpäpsten 181, 279 von Kaisern 30, 181, 200, 215, 227, 242, 243, 246, 270, 273
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von Königen 96, 145 f., 149, 201, 262, 305 von Patriarchen 55, 98, 124 von königl. Räten 135,144, 149 f. 198 Exemtionen 106, 116 f., 222 Expekatanzen 232 Facundus v. Hermiane 41 Fälschung von Geld 226 Fälschungen, französische 260 pseudoisidorische 91 symmachianisdie 34 Fahne, päpstl. 132, 136 Faröer-Inseln 172 Favor apostolicus 174 Feiertage 224 Felix (Päpste) I I I . 26, 28, 46; V. Gegenpapst 294, 297 Felix v. Ravenna 58 Fermo 144 Ferrara, Konzil von 292 f. Finanzen, päpstl. 47, 48, 102, 117, 121, 232 ff., 258, 271 f., 274, 276, 291, 295, 209 Flandern 189 Fliscus, s. Sinibaldus Fliscus Florenz 255, 276, 288, 297, 303; Konzil von 293, 294 Flotte, s. Pierre Flotte Folter 54 Fondi 279 Forchheim, Wahl von 149 Formosus, Papst 103 Frankreich 139, 146, 155, 157, 159. 165, 166, 167, 172, 175, 181 ff.. 187, 189, 191, 238, 241, 244, 246, 247, 249, 252, 254 f., 257 f., 261 ff„ 264 ff., 272, 273, 275, 276, 277, 280, 284, 286, 288, 291, 292, 297 f., 304, 306, 308 Franz v. Assisi 303 Franziskaner 205, 240, 248, 249 -Spiritualen 270 Frangipani, Familie 163 f. Frankfurt 296 Franken 62, 66 ff., 83 ff., 88 ff. Fréteval 186 Friedrich der Schöne, Hg. v. Öster reich 269 Friedrich v. Lothringen 120, 123, 125
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Register
Friedrich, dt. Kaiser I. (Barbarossa) 172, 173, 174, 176 ff., 189 ff., 226, 237 II., 192, 193, 198, 200, 227, 238, 241 ff., 255, 259, 275, 311; III., 300 Friesland 60 Fronleichnamsfest 224 Gaetani, Familie 256, 259 Gallikanische Kirche 175, 258, 294, 304, 308; s. auch Frankreich Gallien 43, 48 f., 59 Geblütsheiligkeit 69 Gebühren, päpstl. 223, 234, 271; s. auch Finanzen, päpstl.; Steuern Geisa (Ungarn) 140 Geiserich 16 Gelasius I., Papst 26, 28 ff., 52, 63 Genua 288, 297, 303 Genf, s. Robert v. Genf Geoffrey von Monmouth 256 Georg Podiebrad, Kg. v. Böhmen 305 Georgien 214 Germanenvölker 46 ff., 50 ff., 59, 61, 62, 66, 83 Germanische und römische Welt 148, 152 Germanisches Recht und Brauchtum 95, 137, 143, 151, 160, 162 ff., 175, 180 Geschichte und Glauben 14, 19 f.. 27 f., 60, 77, 144, 148, 151, 313 Gilbert, Kanonist 229 Gnesen, Btm. 116 Goch, s. Johannes v. Goch Goldbulle, s. Eger Goldene Bulle (1356) 270, 275 Gottfried, Hg. v. Lothringen 120 136 Gottfried, Eb. v. Mailand 135, 144 Gottfried v. Vendôme 159 Gran, Btm. 116 Gratian, Kanonist 168 f., 179, 187, 188, 207, 208, 221, 228, 258 Grenoble 230 Griechen 42, 53, 71, 85, 89, 99, 116, 177, 191, 203, 292 Grönland 115, 172 Gregor (Päpste) I. 24 ff., 46 ff., 63,
66, 73, 94, 234; II. 60, 64 ff., 92; I I I . 67; IV. 84, 115; V. I l l ; VI. 113, 118; V I I . 94, 131, Kap. 7 passim, J56, 159, 186, 190, 195. 207, 208, 214, 215, 218, 220, 225, 231, 234, 262, 263 Guido v. Ferrara 154 Guido v. Mailand 134 Guido v. Vienne (Calixt II.) 159, 160 Guiscard, s. Robert Guiscard Gunther, Eb. v. Köln 95 Habsburger, Dynastie 300; s. auch Rudolf v. Habsburg Hadrian (Päpste) I. 72, 73; II. 101; IV. 176 ff. Häresie, Ketzerei 6, 39, 57, 59, 62, 98, 167, 189 f., 204 ff., 209, 227, 237 ff., 246, 250, 259, 284, 287, 309; des Papstes 260, 265, 270 f., 282 Hagia Sophia 124 Hamburg 115 Haushalt, päpstl. 47, 236, 272 Havelberg, s. Anselm v. Havelberg Heidentum 39, 43, 115 „Heiliges Reich" 180 Heiligsprechung 183, 223 Heimfallrecht 231 Heinrich, Kge. v. England I. 157, 165; II. 176, 181 ff., 185 f.; V I I I . 307 Heinrich, dt. Kge. I. 107; II. 112, 116; I I I . 117 f., 122, 125,126, 129, 130, 135, 145; IV. 125, 126, 135, 139, 140, 143 ff., 153, 156, 158; V. 153, 158 ff., 179; VI. 190, 191. 192 ff., 197, 198; V I I . 269; (VII.) 241 Henolikon, Edikt 25, 33 Heraklius, byz. Kaiser 53 Hermiane, s. Facundus v. Hermiane Hierarchie 31, 38, 138, 143, 227, 277 Hierokratisches System 151, 152, 269, 283, 285 Hieronymus 9,258 Hieronymus v. Prag 287 Hildebrand, Erzdiakon (Gregor VII.) 118 ff.
Register Hinkmar, Eb. v. Reims 95, 9 6 , 1 0 6 Hofrichter, päpstl. 224 Honorius (Päpste) I. 54, 57; I I . 163, 164; I I I . 223, 229, 234, 241 Hormisdas, Papst 36, 37, 40, 142 Hosius v. Cordoba 3 Hugo Candidus, Kard. 120, 128, 136, 145 Hugo v. Provence 104 Hugo v. St. Ciaire 185 Hugo v. St. Victor 260 Huguccio, Kanonist 194 Humanismus 253, 262, 298 ff. Humbert v. Silvacandida (v. MoyenMoutier), Kard. 120 f., 123, 124, 128, 141, 168 Humiliaten 204 Hunnen 16 Hus, s. Johannes Hus Hussiten 293, 304 Ibas v. Edessa 41 Iglauer Kompaktaten 293 Ignatius, Patriarch 96 fi., 101 Ikonoklasmus 64, 97 Ilchester, s. Richard v. Ilchester In coena Domini, Bulle 223 Indien 275 Indulte 235 Ingeborg, Königin v. Frankreich 200 f. Innozenz (Päpste) I. 12, 13, 61; I I . 164 ff., 172,226, 265; I I I . 94, 176, 186, 192, 194 ff., 215, 218, 222, 226, 229, 230, 234, 235, 241, 250, 251, 257, 262, 303, 307; IV. 216, 222, 227, 232, 240, 245 f., 262; VI. 2 1 7 , 2 7 1 , 274; V I I I . 302 Inquisition 226, 238 ff., 252, 265 Insignien, kaiserl. 70, 142 Instrumentum acceptations, Dekret 294 Interdikt 190, 201, 252, 256, 270, 273, 276 Interregnum 247 Inthronisation 130, 176, 184, 217 f., 266, 278 Investitur (Laien-) 128, 135, 138, 143, 145, 147, 151, 157 ff. des Papstes 217 Investiturstreit 143 ff., 154, 159 f., 162, 188, 225, 243
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Irland 172, 185, 187, 214, 232, 294 Irene, byz. Kaiserin 74 Isidor, Eb. v. Kiew 293 Isidor v. Sevilla 49 Island 115, 172 Isjaslaw, russischer Prinz 140 ms in sacris 3, 19, 25, 37, 38, 39
180 ius ubique docendi 230 Iwan I I I . , russischer Zar 293 Ivo v. Chartres 154, 155, 159 Ivrea, s. Berengar ν. Ivrea Jaffa, Vertrag von 242 Jakobus, Apostel 10, 16, 92 Jakob v. Viterbo 267 Jean le Moine, Kard. 263 Jerusalem 16, 181, 191, 225, 242. 249 Joannitza, Kg. v. Bulgarien 201 Johann (Ohneland), Kg. v. England 201, 212, 271 Johanna, Königin v. Neapel 287 Johannes (Päpste) I. 37; I I I . 42; V I I I . 81, 87, 101; I X . 102; X. 104; X I . 104; X I I . 108; X I I I 110, 116; X I V . I l l ; XV. 223; X V I . I l l ; X X I I . 224, 229, 232, 233, 235, 268 ff., 275; X X I I I . 282 ff. Johannes V I I I , Palaeologus, byz. Kaiser 293 Johannes IV., Patriarch 51 Johannes v. Capestrano 299 Johannes Gerson 282, 285 Johannes v. Ford 224 Johannes von Goch 299 Johannes Hus 287 Johannes v. Oxford 185 Johannes v. Palomar 293 Johannes Paparo, Kardinallegat 172 Johannes Parisiensis 268 Johannes v. Ragusa 293 Johannes, Eb. v. Ravenna 94 f. Johannes v. Rokycana 293 Johannes Teutonicus, Kanonist 229 Johannes v. Wales, Kanonist 229 Johannes v. Wesel 299 Johanniterordcn 266 John Wyclif 287 Joscelin, Eb. v. Lvon 159 Juden 64, 226
360
Register
Judentum 39 Julius II., Papst 307 f. Justin I., röm Kaiser 36, 37 ff. Justinian, röm. Kaiser I. 36, 37, 51, 52, 152, 170, 173, 177, 229, 237, 238; I I . 57, 58, 59 Kaisertum (Idee) 20, 76 ff., 107 ff., 113, 114 f, 174, 176, 180 ff., 197, 198 f., 242, 256 f., 270, 275; Erhebung des Westkaisers 174, 198, 217, 258, 270, 275 Kalabrien 129 Kammer, apostolische 127, 232 ff., 272 Kanonisches Recht, s. Recht; Kirchenrecht Kanzlei, päpstl. 35, 44, 56, 106, 114, 119, 127, 208, 224, 233 f., 247, 305 königl. (französ.) 260 Kapitulationen 2 1 7 , 2 7 4 Kardinäle 120, 125, 126 ff., 150, 158, 164, 172, 180, 194, 215, 218 ff., 244, 245, 255, 274, 277 ff., 285, 286, 291, 302, 307, 310 Kardinallegaten 220, 232, 263, 272; s. auch Kardinalskollegium Kardinalat 219 ff., 249 Kardinalskollegium 126 f., 162 ff., 180, 215, 218 ff., 225, 249, 251, 272, 277 ff., 282, 286, 288, 302, 307, 311 Karl IV., dt. Kaiser 274 f. Karl, Kge. v. Frankreich V I I . 292; V I I I . 307 Karl der Große 72 ff., 85, 86, 107, 115, 183, 198, 199 Karl von Anjou 249, 250, 252; s. auch 277 Karl der Kahle 101 Karl Martell 67 Karl von Valois 252, 255 Kastilien 136, 202, 238, 280 Katharina v. Siena 275, 276 Kempen, s. Thomas v. Kempen Kerullarios, Patriarch 123 Kiew, s. Isidor, Eb. v. Kiew Kilikien 193 Kirchenstaat 60, 70 f., 72, 87, 108, U l f . , 177, 179, 189, 191, 196 f., 214, 223 , 242 f., 244, 269, 270,
274, 276 f., 287, 288, 291, 297, 300, 307 Klerikerprivileg 29, 185 Klöster, Exemtionen 114 Knut, Kg. v. England 114 Köln 197, 233, s. auch Adolf v. Köln; Anno v. Köln; Arnold v. Köln; Gunther v. Köln Könige, Erhebung durch das Papsttum 2 1 4 , 2 2 4 königl. Rechte 155, 158 Kolumban 116 Kompaktaten, s. Iglauer Kompaktaten Konklave 216, 217, 245, 251, 264, 274, 277 f., 285 Konkordate 286, 295, 297, 302, 308 Konkubinat 113, 128, 133, 153 Konrad II., dt. Kaiser 1 1 3 , 1 1 4 , 1 2 9 ; I I I . , dt. Kg. 172, 173, 176; IV., dt. Kg. 247, 248 Konradin 249 Konsens 283 Konsistorium, kaiserl. 40 päpstl. 126, 195, 224, 225, 233. 235, 278 Konstantin, Papst 37, 58, 61 Konstantin, röm. Kaiser I. 1 ff., 24, 31 f., 32, 33, 34, 58, 69 f., 75, 79, 181 Konstantin IV., byz. Kaiser 57 Konstantinische Schenkung 69 f., 75, 79, 86, 112, 139, 142, 196, 214, 217, 242, 257, 300, 307 Konstantinopel (Byzanz) Kap. 1 und 2 passim, 46 f., 49, 50, 57, 58, 64 f., 69, 72 ff., 83, 85, 96 f., 123 f., 140, 155 f., 170, 172, 173, 182, 191 f., 194, 197, 202 f., 207, 250 f., 291 f., 298 Konstans II., byz. Kaiser 54 Konstantius, röm. Kaiser 5 Konstanz, Konzil von 282 ff., 290, 291, 307; Vertrag von 176, 178 Konstanze, dt. Kaiserin, Erbin Siziliens 191, 192, 194 Konziliarismus 244, 281 ff., 290 ff. Konzilien, Allgemeine I. 3, 23; II. 6, 22; I I I . 15; IV. 21, 24; V. 41; V I . 57, 59; V I I I . 246; I X . - X V .
Register 225 fi., 244; X I I I . 246; X I V . 250; XV. 266 f.; X V I . 285 f.; X V I I . 292 f.; X V I I I . 307 ff.; Appellationen an 14, 244, 259, 260, 270, 280 f.; bei Pseudo-Isidor 92, 225; bei Gregor V I I . 142 fränkische 61, 89 f., 165; s. auch Synoden; s. auch einzelne Orte Konzilsrecht 15, 222, 225, 228 s. auch Konzilien, Allgemeine Korsika 43, 72, 139 Kosmokrator 39, 40, 76 Kreuzzüge 136, 140, 155 f., 203, 206, 209, 225, 226, 241 f., 246 f., 248 f., 252, 270, 293, 304, 305, 309; erster 156; zweiter 172; dritter 191; vierter 199, 202 f., 212 Krieg 132, 153, 209 f., 214, 224 Krim 56 Kroatien 140, 214 Krönung, byzantinische 19 f., 20 f., 76, 130, 179; Kaiser- 75 f., 79, 80, 86, 108, 114, 130, 142, 158, 171, 174, 175 f., 177, 178 f., 192, 193, 199, 211, 241, 270, 274, 282, 300; Königs- 130, 176, 200, 242; Papst- 129, 130, 195, 216 ff., 237, 266 Krone, Kaiser- 75, 79, 178, 218; Papst-, s. Tiara Kuno v. Palestrina, Kard. 159 Kurfürstenkolleg 246, 250, 294 Kurie, päpstl. 121, 127, 168, 169, 180, 195 f., 202, 214 ff., 231, 232 ff., 249, 259, 264, 271 f., 274, 276, 277, 282, 291, 295, 304, 305, 307, 309 kurulische Stühle 217 Laetentur, Dekret 293 Laien 18, 44, 71, 119, 121, 125 f . 128, 132, 138 f., 143 f., 148, 152, 153, 161, 190, 207, 209, 236, 253, 258, 296 Laienboykott 128, 133 Lang, s. Matthäus Lang Langobarden 42 ff., 52, 53, 67 ff., 87 Langton, s. Stephen Langton Languedoc 214
361
Lateran 4, 54, 55, 127, 163, 217, 276, 288, 308; Mosaiken 72 Lateransynoden (1059) 126, 128, 133, 164, 215 f.; (1075) 143, 144, 147; (1076) 145; (1078) 143; (1080) 149; (1112) 159; (1116) 159; I. (1123) 161, 225; I I . ( 1 1 3 9 ) 167, 226; I I I . (1179) 185, 194, 216, 226; IV. (1215) 205, 208 f., 226, 229, 237, 241; V. (1512> 308 f. Lateinisches Kaiserreich 203, 250 Laurentius, Gegenpapst 33 Legaten, päpstl. 121 f., 124, 142. 146, 156, 178, 183, 197, 220 f., 236, 248, 256, 294 Kardinallegaten 172, 179 Legatus a latere, missus, natus 220 Legnano 184 Lehnsherrschaft, päpstl. 129, 140, 178, 194, 201, 238, 241, 252, 256, 270, 2 7 1 , 3 0 3 Leichenkomödie 103 Leo (Päpste) I. 15 ff., 26 f., 29, 33, 46, 52, 210, 231, 310; I I I . 73 ff., 83, 86; IV. 89, 94; V. 104; VI. 104; V I I I . 110; I X . 119 ff., 127, 129; X. 302, 309 f., 313 Leo I I I . , byz. Kaiser 64 Leon, Königreich 136 Levita, s. Benedictus Levita Liber censuutn 232 Liber Diurnus 44, 45 Liber Extra 229 Liber Potitificalis 34 Liber Sextus 229 Liberius, Papst 5 libertas Romana 117 Licet de vitanda, Erlaß 216 Licet iuris, Konstitution 270, 275 Litauen 214, 248 Liturgie 48, 64, 73, 83, 86, 99, 136, 172, 219, 223. 250 Livland 202 Lombardei, Lombarden 135, 136, 144 ff., 165, 179, 180 182, 183, 246 Lombardische Liga 184 Lorenzo Valla 300 Lothar I., Kaiser 84, 86, 102 Lothar I I I . , dt. Kaiser 163, 165
362
Register
Lothar II., fränk. Kg. 95 Lothar v. Segni, Kard. (Innozenz III.) 194, 195 Lotharianum, Wahlordnung (824) 84, 102 Loth(a)ring(i)en 95, 120, 154 Lucius III., Papst 190, 209, 237 Ludwig, Kaiser I. (der Fromme) 79 f., 84, 86, 115; II. 86, 101 Ludwig IV. (der Bayer), dt. Kaiser 269 ff. Ludwig, Kge. v. Frankreich VI. 165. VII. 181, 182, 183; IX. 247, 249; XI. 304 Lund, Erzbistum 172, 256; s. auch Eskil, Eb. v. Lund Luther, s. Martin Luther Lyon 246, 247 f., 266; Konzilien von I. 227, 246 f.; II. 216, 227, 249, 250, 293; s. auch Agobard v. Lyon; Arme Männer v. Lyon; Joscelin, Eb. v. Lyon Mähren 115, 245 Magdeburg, Erzbistum 116 Magna Charta 28, 214 Mailand, Erzbistum 42, 140, 144 145 Stadt 1, 134 £., 136, 179, 296, 297,298; Edikt von 1 ff.; s. auch Christian v. Mailand; Erlembald v. Mailand; Gottfried, Eb. v. Mailand; Thebald v. Mailand Mainz, Erzbistum 93, 115, 122, 140, 145, 183, 282, 196; Synode von 150 Majestätsbeleidigung 207, 220 Mantua 16, 122, 304 Manuel Comnenos, byz. Kaiser 177, 181 Marco Polo 248 Marinus, Papst 103 Marozia 104 Marseille 1 Marsilius v. Padua 268, 270, 284 Martian, byz. Kaiser 22 Martin (Päpste) I. 54, 55 f., 58, 65; IV. 252; V. 285 ff., 291 Martin Luther 309, 313, 314 Mathilde v. Tuszien 136, 146, 189
Matthäus Lang, B. v. Gurk 308 Mauritius, byz. Kaiser 52 Maximilian I., dt. Kaiser 307 f. Maximus 56 Medici, Familie 302, 303 Mehrheitsprinzip 216 Melfi, Vertrag von 129 Merowinger 67, 69 Messina 192 Michael III., byz. Kaiser 97, 98, 101 Michael VIII. Palaeologus, byz. Kaiser 250 Michael v. Cesena, OFM 270 Michelangelo 301 Missionen 85, 98 f., 115 f., 122, 124, 202, 227, 248, 272, 275, 307 Mitkönigtum 186 Mitkaisertum 79, 86 f., 110, 191 Mitra 218 Mittlerrolle 98, 170, 178, 210, 237, 299, 312 Modena, s. Wilhelm ν. Modena Monarchie (Idee) 2, 13, 14, 29, 31, 141, 162, 170, 281, 311, 313, 315 Monmouth, s. Geoffrey v. Monmouth Mongolen 245, 248 f. Monoergismus 54 Monophysiten 25, 41, 54 Monotheismus 2 , 4 Monotheletismus 54 Monte Cassino 150; s. auch Desiderius, Abt v. Monte Cassino Montfort, s. Simon de Montfort Montferrat, s. Bonifaz v. Montferrat Montpellier 275 Mopsvestia, s. Theodor v. Mopsvestia Moyenmoutier, Kloster 120; s. a. Humbert v. Silvacandida Münzen, päpstl. 59, 71, 72 Mystizismus 273 Name, päpstl. 105, 216 Narbonne, Erzbistum 206 Nationalstaaten 255, 261 f., 263, 267, 268, 286, 303 f., 305 Nationalismus 196, 270, 276, 287, 306, 309 Nationen, Abstimmung nach 227, 284, 285 Naturalismus 254, 262, 269, 298 Navarra, Königreich 202, 280
Register Nazareth 242; Synode von 181 Neapel 43, 249, 252, 272, 277, 280, 287, 288 Nepotismus 302 Neu-Rom 3, 6, 22, 25, 26, 30, 36, 47, 290, 3 0 0 Nicäa, Konzil von 3, 5 f., 23, 103, 116, 181; s. auch Bessarion, Eb. v. Nicäa Niem, s. Dietrich v. Niem Nikolaus (Päpste) 1 . 9 4 ff.; II. 125, 129; IV. 230, 248, 255; V. 295, 300; V. Gegenpapst 270, 273 Nikolaus Breakspear, Kardinallegat (Hadrian IV.) 172, 176 Nikolaus v. Cues, Kard. 292, 300, 304 Nogaret, s. Wilhelm v. Nogaret Norbert v. Xanten 165 Normannen 101, 122, 128 f., 135 f., 150, 163, 178 f. Norwegen 172, 202, 232 nuntius 221 Nürnberg 296 Objektivismus 16 f., 255, 311 Ockham, s. Wilhelm ν. Ockham Öle, liturgische 81, 166; Chlodwigsöl 166, 257 Österreich 299 Oktavian (Johannes X I I . ) , Papst 105; Kard. 180 • Oligarchie (der Kardinäle) 217, 220, 252, 273, 280, 311 Olympios, Exarch 55 Orden 117,176,218,222,236,240, 254, 262, 276, 280 Ordinationen 227; byzantinische 99 schismatische 184, 226 orientalische Sprachen 228, 230 Orkney-Inseln 172 Orsini, Familie 251, 259 Osma, s. Diego, B. v. Osma Ostia 89. 127, 136, 163, 219, 274 Otto, dt. Kaiser I. 107 ff., 114; I I . 110; I I I . 111, 116; I V . 194, 197 ff., 201, 202 Otto Colonna, s. Colonna Ottokar, Kg. ν. Böhmen 202
363
Ottonianum 110, 118 Oxford 228, 230, 281, 287 Paderborn 73 f. Padua, s. Marsilius ν Padua Palästina 242, 249 Palestrina 127, 259; s. auch Kuno v. Palestrina Pallium 72, 171, 218, 221, 233 Palomar, s. Johannes ν. Palomar Pamiers, Bistum 205, 258; s. auch Bernhard Saisset, B. v. Pamiers Panormitanus, Kanonist 2 9 4 Paris 166, 201, 230, 268, 275, 281, 282, 308; s. audi Johannes Parisiensis pars sanier 160, 292 Paschalis (Päpste) I. 86; II. 157 ff.; III., Gegenpapst 182, 183 Pasloralis Cura, Bulle 267, 2 6 9 Patarini 134 Ρatricius Romanorum 69,71,73,78.
118
Patrimonien, päpstl. 43, 48, 64, 70, 73 Patristik 89 Paul II., Papst 306 Paulus, Apostel 7, 8 f., 30, 61, 114, 139, 149, 217, 238 Pavia 69; Konzilien von 113, 122, 181, 288 Payne, s. Peter Payne Peking 248 Pelagius (Päpste) I. 41 f.; II. 46 Pelagius, s. Alvarus Pelagius Pennafort, s. Raimund v. Pennafort Peretta, Enkelin Innozenz' V i l i . 303 Perser 53 Perugia 264 Perugino 301 Pest 272, 275 Peter, Kge. v. Aragon I I . 201 f., 238; I I I . 252 Petrus, Apostel 2 ff., 59 f., 61, 63. 84, 129, 139, 149, 217 Peter v. Alexandria 6 Peter v. Amalfi 123 Peter v. Castelnau 206 Peter Chcltschizki 306 Peter v. Corbeil 194 Petrus Damiani 122, 128, 135, 136, 141
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Register
Peter Payne 293 Petrus, Β. ν. Porto 58 Peterspfennig 140, 172, 219, 232 Petrinität 2, 7, 11, 15 ff., 31, 47, 60, 66, 96 Philipp, Kge. v. Frankreich I. 139; II. 200 f., 206; IV. 229, 257 ff. Philipp v. Schwaben, dt. Kg. 194, 197, 199 Phillipikos Bardanes, byz. Kaiser 59 Phokas, byz. Kaiser 52 Photius, Patriarch 97 f. Piacenza 136 Piccolomini, s. Aeneas Silvius Piccolomini Pierleoni, Familie 162 ff. Pierre d'Ailly, Kard. 282, 285 Pierre Dubois 268 Pierre Flotte 259 Pilgerschaften 60, 114, 226 Pinturicchio 301 Pippin der Jüngere, fränk. Kg. 67 ff.. 80 Pisa 288; Konzil von (1409) 282; (1511) 307 Pius II., Papst 294, 302, 304 f. Playsian, s. Wilhelm v. Playsian Podiebrad, s. Georg Podiebrad Pönitentiarie, päpstl. 235 Poggio 300 Poitiers 67, 266 Polen 116, 140, 187, 226, 232, 245. 280, 286, 288, 294 Ponthion 68 pontifex maximus 4, 104; inclyti,r 25 Pontificale, röm.-germanische 223 Porcaro, s. Stefano Porcaro Porto 58, 127; s. auch Petrus, B. v. Porto Portugal 187, 202, 294, 307 Postulation 231 Prag 115, 287; s. auch Hieronymus v. Prag Pragmatische Sanktion, s. Bourges Vravilegium 159 Prämonstratenser 165 Predigt 203, 210 Preußen 248 Priesterehe 113, 119, 121 f., 128, 134, 138, 143, 145, 225, 226
Prignano, s. Bartolomeo Prignano Primat, päpstl. 5, 7, 15, 18, 22, 36, 40, 49, 50 f., 61, 62 f., 73, 92, 96 ff., 116, 121 f., 123 f., 141, 155, 169, 172, 182, 190, 194, 203, 207, 221 ff., 230 f., 290 f., 292 princeps, principatus 18 f., 22, 25, 28, 37, 38, 52, 105, 175 Privilegien, päpstl. 116, 222, 225, 234 Prokopius der Große 293 Prokuratoren (an der Kurie) 221 Propaganda 148,243,247,260,261, 296 Proskynese 58 Provence, s. Hugo v. Provence Provision, päpstl. 231 f. Provisors und Praemunire, Statuten 271 Pseudo-Dionysius 31 Pseudo-Isidor 91 ff., 96, 120, 141, 176, 225 publica utilitas 215, 239 Publizistik 120, 148, 152, 243, 247, 260, 268, 280 ff., 284, 296 Raffael 301 Ragusa, s. Johannes v. Ragusa Raimund v. Pennafort 229 Rainald v. Dassel, Kanzler 178, 180, 183, 184 Ratifizierung von Verträgen 215 ration e peccati 211 Ravenna, Exarch von 42, 44, 67, 68, 69; Synode von 102 Universität von 153; s. auch Felix v. Ravenna; Johannes v. Ravenna Recht, göttliches 13, 144, 219, 221 kanonisches (Kirchen-) 89, 137, 141, 142, 144, 149, 152, 168 f., 187, 195, 221, 229 f., 255, 286 öffentliches römisches Recht 2, 3, 19, 25, 28, 37, 39, 46, 66, 180 römisches Recht 2, 7, 9, 16, 18, 27, 37, 43, 152 ff., 162, 168, 169, 173, 174 f., 180, 207, 219 f., 240, 260, 268 Recht und Glauben 13, 62 f., 88, 91, 92, 211, 212, 239, 240, 254 299, 302 Rechtsprechung, bischöfl. 126
Register kaiserl. 4, 25 f., 27, 29, 38, 47, 54,65 königl. 90, 91, 185 päpstl. 18, 23, 29, 36, 38, 47, 65, 92, 96, 97, 147 f., 149, 161, 169, 185, 187 f., 210, 211, 221, 222, 234 Rechtswissenschaft, römisch-kanonische 7, 153, 168, 226, 271 Reformation 233, 274, 285, 286, 289, 297, 301, 306, 310, 313 f. Register, päpstl. 4, 47, 141 f., 197, 208, 234 ff., 271, 272, 305 regnum italkum 87 romanum 192 regali 182, 191, 257, 263 Reims 79, 80, 86, 91, 122, 220; s. auch Hinkmar, Eb. v. Reims Reliquien 209 Rémiremont, Kloster 120 Renaissance, italienische 298 ff. ; s. auch Humanismus, Wiedergeburt Repräsentanz (Idee) 208, 261, 280, 283, 284, 285, 289 Reservatfälle, päpstl. 220, 223 Reservationen, päpstl. 231 f., 270 Rex Romanorum 179, 192, 196, 198, 199, 200, 250 Rheinfelden, s. Rudolf v. Rheinfelden Richard, Kge. v. England I. 193; I I . 281 Richard v. Capua 129 Richard v. Ilchester 185 Rienzo, s. Cola di Rienzo Robert v. Genf 279 Robert Guiscard 129, 135 f., 150 Robert der Weise, Kg. ν. Neapel 269 Römer (Christen) 1 3 , 2 0 , 2 7 , 4 2 , 7 1 , 77, 78, 101 Roger, Eb. v. York 186 Roger II., Kg. v. Sizilien 132, 163. 165, 176, 178, 191 Rokycana, s. Johannes v. Rokycana Roland Bandinelli, Kard. 179, 180 Romagna 200 Romanus, Papst 104 Roncaglia, Reichstag von 179 Roselli 301 Rola Romana 224, 233, 235 Rothad, Β. v. Soissons 96 Rouen 183
365
Rudolf v. Habsburg, dt. Kg. 247, 250 Rudolf v. Rheinfelden, dt. Gegenkönig 149 Rudolf, Kg. v. Burgund 114 Rufinus v. Aquileja 10, 11 Rußland 124, 140, 203, 214, 224 f., 245, 293 Sabina 127,245 Sachsenhausen, Appellation von 270 Sachsenspiegel 215 St. Claire, s. Hugo v. St. Ciaire St. Denis 69 St. Peters-Basilika 4, 69, 74, 75 f., 86, 88, 114, 130, 142, 150, 158, 183, 217, 270, 277, 278, 288 St. Victor, s. H u g o v. St. Victor Sakramentar 73 Saladin-Zehnt 191 Salamanca, Universität von 187, 228 Salbung 79, 80, 81, 86, 129, 166, 175, 193, 219 Salerno 122, 150, 187 Salomon, Kg. ν. Ungarn 140 Salzburg 115, 220, 233 Sancho Ramirez, Kg. v. Aragon 136 Sancho Ramirez II., Kg. v. Portugal 214 Santa Maria della Pace 301 Santa Maria del Popolo 301 Santa Maria Maggiore 75 Sardica, Konzil von 5, 97 Sardinien 43, 139, 242 Savonarola 303 Savoyen 292, 294 Schcidung 95 Scheiterhaufen, Verbrennung auf dem 190, 238, 287, 303 Schisma, Ost-West 20, 22, 24, 30, 98, 123, 140, 155, 203, 226, 250. 290, 291 Akazianisches 27, 30, 35, 37, 100; Anaklet I I . 164 f.. 226; Großes (1378) 220, 252. 279 ff.. 295, 299, 305, 315 Laurentianisches 33 f.; Photianisches 98 ff.; Victor IV. 180 ff., 226 Schlesien 245, 299 Scholastik 313
366
Register
Schottland 165, 187, 225, 256, 280, 283, 291 Schweden 115, 172, 187, 202, 232; s. audi Birgitta v. Schweden Schwert als Symbol 171, 175, 211; Zwei-Schwerter-Gleichnis 170 f., 211, 246, 261 Sciarra Colonna, s. Colonna Sciat tua maxima fatuitas 260 sedes apostolica 6 sedes stercoraria 217 Seeräuberei 223 Segni, s. Lothar ν. Segni Sens, Konzil von 167 Serbien 124 Sergius (Päpste) I. 58, 60; I I I . 104, 105 Sergius, Patriarch 54, 57 Servitien 233 Siena 304; Konzil von 288; s. auch Katharina v. Siena Sigismund, dt. Kg. 282 f., 287, 291 Silvacandida, s. Humbert v. Silvacandida Silverius, Papst 40 Silvester (Päpste) I. 34, 69, 75, 139; I I . 111, 116, 140; I I I . 113, 118 Silvesterlegende 31 f. Simon de Montfort 206 Simonie 119, 120 ff., 128, 134, 138, 139, 143, 145, 260, 302 Sinibaldus Fliscus, Kard. 245 Sinuessa, gefälschtes Konzil von 34 Siricius, Papst 8 f., 12 Sixtinische Kapelle 301 Sixtus IV., Papst 300, 302 Sizilien 43, 65, 88, 89, 129, 135, 163,165, 182, 191 f., 194,198, 212, 214, 225, 241, 246, 249, 252, 255, 288 Skandinavien 115, 172, 181, 225, 226, 280, 288 Slawen 115, 124 Soissons 68; s. auch Rothad v. Soissons Souveränität, päpstl. 30, 33, 74, 142, 210, 222, 283; fürstl. 257,267 Spanien 8, 12, 49, 50, 101, 136, 139, 165, 181, 187, 201, 224, 226, 246,
283, 284, 285, 286, 297 f., 307, 308 Spoleto 43, 72, 102, 144, 200, 309 Staat (Idee) 163, 254, 298 Stand, Dritter 253, 261, 296 Stallungen, päpstl. 236 Staufer, Dynastie 174 f., 182, 192, 194, 197, 247 ff., 252, 257, 270 Stedinger Bauern 248 Stefano Porcaro 300 Stephan (Päpste) I I . 68 f.; I I I . 83; IV. 79, 86; VI. 103; V I I . 104; I X . (X.) 123, 125, 129 Stephan, Kg. v. Ungarn 116, 140 Stephen Langton, Eb. v. Canterbury 201 Steuern 139, 202, 209, 222, 232 ff., 248, 249, 258, 271, 276, 286, 304; Exemtion von 4, 155, 222; kaiserliche 64 Subjektivismus 16 f., 115, 255, 310 f. Südamerika 307 Suessa, s. Thaddaeus v. Suessa Suidger, B. v. Bamberg 118 Sultaniyah 275 Sutri, Synode von 118 Sven II., Kg. v. Dänemark 140 Symbolik, byzantinische 40, 58, 76, 111 kaiserlich-westliche 86, 114, 129, 142, 175, 211; päpstliche 83, 86, 129, 132, 217 f.. 221 Symeon, Kg. v. Bulgarien 105 Symmachus, Papst 33 f. Synoden, römische 1, 9, 71, 95, 96, 97, 102, 110, 118, 122, 141, 143, 147, 225, 260 s. auch Konzilien, Allgemeine und einzelne Orte; deutsche 145; fränkische 61, 89; französische 159; irische 172; Konstantinopel (533) 38, 98 Syrien 53, 64, 105, 227 Tartaren 227 Templer 2 2 7 , 2 6 4 , 2 6 6 Tertullian 2, 7 Thaddaeus v. Suessa 246 Thebald v. Mailand 144 Theodolinde, langob. Königin Theodor II., Papst 104
52
Register Theodor v. Mopsvestia 41 Theodor ν. Zypern 41 Theodora, byz. Kaiserin 41 Theodora, Gemahlin Theophylakts 104 Theoderich der G r o ß e 33 f., 37 Theodorina, Tochter Innozenz' V I I I 303 Theodosius I., byz. Kaiser 5 f. Theophylakt, Patriarch 104 Theophylakt 104 Theutberga, Gemahlin Lothars I I . 95 Thietgaud, Eb. v. Trier 9.5 Thomas v. Aquin 253, 260, 301 Thomas Becket 185 f. Thomas v. Kempen 299 Thron als Symbol 82, 83, 112, 140, 187, 198; s. auch Inthronisation Thronfolge, kaiserl. 173, 174, 178 päpstl. 10 £., 11 f., 15, 16, 20, 60, 66, 72, 84, 97, 113 f., 126, 129, 165, 195, 215, 237, 297 Tiara 218, 266, 303 Titel, päpstlicher 51; bischöflicher 231 Toul, B. von 119,120 Toulouse 230, 275 Translatio imperii 177, 198, 246, 250 regni 140 f., 214, 224 der Bischofswürde 103, 118, 126, 142,215 Treueid, Entbindung vom 142, 145, 147, 181, 201, 214, 246, 262, 270 Trient, Konzil von 309 Triest 304 Trinitarier 204 Triumphus, s. Augustinus Triumphus Türken 250, 290, 293, 303 ff., 309 Tuskulaner, Familie 112, 113 Tuskulum 127, 183 Tuszien, s. Mathilde v. Tuszien Typos 55 Ubi periculum, Kanon 216 Ugolini, Kard. 205 Ulrich v. Augsburg 223 Ό nam Sanctam 260 f., 266 Unfehlbarkeit 36, 142 Ungarn 101, 107. 116, 140, 181, 187, 202, 214, 238, 245, 256, 280,
367
286,, 288, 305; s. auch Andreas v. Ungarn; Stephan, Kg. v. Ungarn Unionsformel (519) 36 Universalität, Grundsatz der 50, 76, 77, 8 1 , 8 8 , 1 0 8 , 111, 119, 122, 138, 141, 174, 175, 191, 199, 208 f , 211, 214, 215, 221, 224, 231, 236, 252, 254, 256, 263, 267, 268, 275, 280, 287, 291, 298 Universitäten 153, 162, 166, 174 f., 201, 208, 227 f., 230 f., 234, 253, 260, 261, 268, 275, 277, 280 f., 282, 285, 287, 308 f., 314 Unterrichter 224 Urban (Päpste) I I . 153 ff., 159, 162, 166, 225; I I I . 190, 191; IV. 224; V. 275; V I . 278 ff., 311 Urkunden, päpstl. 70, 72, 92, 106. 234 f.; s. auch Archiv, Kanzlei, Dekretalen, Dispense, Privilegien Usodinare 303 Utraquisten 305 Utrecht 145 Vakanz, päpstl. 44, 53, 245, 249, 151 f. Valentinian I I I . , weström. Kaiser 22 f. Valentinian, Mitkaiser (649-50) 55 Valla, s. Lorenzo Valla Valois, s. Karl v. Valois Vandalen 16 Vanozza de Cataneis 303 Vatikan 89, 165, 276, 300, 303; s. auch St. Peters-Basilika Venedig 182, 202, 244, 248, 288, 297, 298, 307; Frieden von 184, 189 Venetien 72 Vergeltungsmaßnahmen 224, 250 Verona. Synode von 189, 190 Vcrwaltungsapparat 103, 106, 113, 119, 120, 224, 234, 251, 271 f.. 278, 282 Vienne, Synode von 159; Allgemeines Konzil von 216, 227, 229, 265 f. Vigilius, Papst 40 f. Vikariat (Papst als Stellvertreter) Christi 170, 171. 195, 198, 208. 210, 215, 265, 282, 283, 302, 306 Viktor (Päpste) I I . 124, 125; I I I .
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Register
129; IV., Gegenpapst 165, 180, 181 Visconti 276 visitatio liminum 221, 231 Vitalian, Papst 57 Viterbo 201, 275; s. auch Jakob v. Viterbo Vizekanzler 234, 271 Vollgewalt, päpstl. 18, 29, 174, 198, 210 f., 224 f., 232, 239, 252, 274, 306, 309 kaiserl. 59, 199 Volkssprachen 254, 287, 312 f. Vox in excelso, Bulle 266 Vulgata 9 Wahlen, Bischofs160, 210, 231, 233 Papst- 44,71, 84,102,126 f., 163, 164, 180, 194, 215 ff., 219, 226, 235, 245, 249, 251, 264, 274, 276, 279, 282, 285, 286 (Glaubensbekenntnis), 309 Königs- 163,250 Wahldekrete, päpstl. 71, 102, 126 f., 164, 194, 215, 216, 226, 251 Wahlverträge, s. Kapitulationen Waldemar II., Kg. v. Dänemark 200 f. Waldenser 205 Waldrada 95 Walter Winterbourne, Dominikanergeneral 264 Weifen 194, 197, 199 Wesel, s. Johann v. Wesel Westgoten 49 f., 80
Wiedergeburt (Idee) 60, 77, 81, 203 213, 216, 298 f., 300 Wien 275; Konkordat von 295 Wilhelm, Kg. v. England I. (der Eroberer) 132, 156; II. 156 Wilhelm, Kg. v. Sizilien 178 Wilhelm v. Aquitanien 132 Wilhelm v. Modena 248 Wilhelm v. Nogaret 262 Wilhelm v. Ockham 268, 270, 273 Wilhelm v. Playsian 261 Willibrord (Clemens) 60 Winfried, s. Bonifatius Worcester, s. Baldwin v. Worcester Worms, Reichtag von 145 Wormser Konkordat 160, 225 Wucher 227,250 Würzburg 165, 183, 192, 193 Wyclif, s. John Wyclif Xanten, s. Norbert v. Xanten York, s. Roger v. York Zacharias, Papst 68 Zara (Zadar) 202 Zehnt 187, 210, 226, 232 Zeno, röm. Kaiser 25 Zins, jährlicher 139 Zisterzienser 206, 261 Zölibat 226 Zölle 232 Zosimus, Papst 14, 34 Zvonimir, Kg. v. Kroatien 140 Zypern, s. Theodor v. Zypern
w DE
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Erasmus von Rotterdam und seine Welt O k t a v . V I I I , 210 Seiten. 1977. Kartoniert D M 3 8 , - I S B N 3 11 007085 5 (de G r u y t e r Studienbuch)
H e n r y Chadwick
Die Kirche in der antiken Welt Aus dem Englischen von G e r h a r d M a y K l e i n - O k t a v . VI, 379 Seiten. 1972. K a r t o n i e r t D M 14,80 ISBN 3 11 002268 0 (Sammlung Göschen, Band 7002)
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Calvin K l e i n - O k t a v . 122 Seiten. 1971. Kartoniert D M 5,80 I S B N 3 11 001940 X (Sammlung Göschen, Band 3005)
Franz Lau
Luther 2., verbesserte Auflage K l e i n - O k t a v . 153 Seiten. 1966. Kartoniert D M 4,80 ISBN 3 11 006274 7 (Sammlung Göschen, Band 1187)
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Melanchthon K l e i n - O k t a v . 138 Seiten. 1960. Kartoniert D M 4,80 ISBN 3 11 006276 3 (Sammlung Göschen, Band 1190) Preisänderungen
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