Die französische Politik Paps Leos IX.: Ein Beitrag zur Geschichte des Papsttums im elften Jahrhundert [Reprint 2022 ed.] 9783112692981


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Table of contents :
Vorwort
Inhalts-Uebersicht
Einleitung
I. Vorbereitende Schritte; die Berufung des Konzils von Reims
II. Das Konzil von Reims
III. Folgen des Reimser Konzils; die römische Synode von 1050
IV. Nachwirkungen des ersten Auftretens Leos und Rückgang der bisherigen Erfolge
V. Die letzten Äusserungen der französischen Politik Leos IX
Schluss
Exkurs: Zur Chronologie in den Beziehungen des Grafen Gaufred von Anjou zu Leo IX
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Die französische Politik Paps Leos IX.: Ein Beitrag zur Geschichte des Papsttums im elften Jahrhundert [Reprint 2022 ed.]
 9783112692981

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Die

französische Politik Papst Leos IX. Ein Beitrag

zur Geschichte des Papsttums im elften Jahrhundert.

Von

Wilhelm Bröcking.

Stuttgart. G. J. G ö s c h e n s c h e

Verlagshandlung.

1891.

27

Die

französische Politik Papst Leos IX. Ein Beitrag

zur Geschichte des Papsttums im elften Jahrhundert.

Von

Wilhelm Bröcking.

Stuttgart. G. J. G ö s c h e n s c h e V e r l a g s h a n d l u n g . 1891.

Druck ron C a r l B e m b o l d In Heilbronn,

Vorwort. eussere Verhältnisse haben es verschuldet, dass die vorliegende Arbeit, welche bereits im Dezember Manuskripte

vollständig

abgeschlossen war,

1888 im

erst jetzt der

Oeffentlichkeit übergeben werden kann. Die Arbeit giebt sich lediglich als einen V e r s u c h , dem Leser, soweit es bei dem mangelhaften Stande der Ueberlieferung möglich ist, ein einigermassen deutliches Bild von der Politik zu geben, welche Leo IX., der erste der Keformpäpste, dem ein nachhaltiges Wirken beschieden war, Angelegenheiten

gegenüber ins Werk

führen gesucht hat. billiger Weise

den französischen

gesetzt und durchzu-

Ob dieser Versuch gelungen ist, muss

dem Urteile

berufener

Forscher

überlassen

bleiben. Von

litterarischen Vorarbeiten,

welche

den Verfasser

beim Gange der Untersuchung hätten leiten können, war so gut wie Nichts vorhanden, nur für die Anfänge des zweiten Abendmahlstreites, welche noch in das Pontifikat Leos I X . fallen, hat Verfasser sich an die musterhafte Abhandlung L . Schwabes über diesen Gegenstand halten können. (Vgl. hierzu S. 52, N. 2). Von neuerer Litteratur ist seit Fertigstellung des Manuskripts dem Verfasser Nichts bekannt geworden, was ihn zu einer Aenderung

seiner Auffassung im Ganzen oder seiner

Darstellung in einzelnen Punkten hätte veranlassen können.

IY Indessen wird Verfasser für jeden Hinweis dankbar sein, der ihn eines Besseren belehren sollte. Die Arbeit verdankt ihre Entstehung

einer Anregung

des Herrn Dr. S. L ö w e n f e l d , Dozenten der Geschichte an der Universität Berlin. fasser gestattet sein,

Möge es daher zum Schlüsse dem Verdem Erstgenannten,

seinem verehrten

Lehrer, an dieser Stelle für die warme Teilnahme, welche er der Untersuchung bei ihrem Entstehen, ihrem Fortschreiten und ihrer schliesslichen Vollendung hat angedeihen lassen, hiemit seinen aufrichtigen Dank geziemend auszusprechen. Hamburg, im August 1891.

Der Verfasser.

Inhalts-Uebersicht. Seite.

Einleitung I. Vorbereitende Schritte; die Berufung des Konzils von Reims II. Das Konzil von Reims III. Folgen des Reimser Konzils; die römische Synode von 1050

1 . 2 .18 . 35

IV. Nachwirkungen des ersten Auftretens Leos und Rückgang der bisherigen Erfolge 56 V. Die letzten Äusserungen der französischen Politik Leos IX. Schluss

. 79 92

Exkurs: Zur Chronologie in den Beziehungen des Grafen Gaufred von Anjou zu Leo IX 99

w ie die Kurie in der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts im Allgemeinen nicht in der Lage w a r , eine über die nächsten Angelegenheiten hinausgreifende Politik zu betreiben, so war sie auch nicht im Stande, auf die kirchlichen und somit auf die politischen Yerhältnisse Frankreichs irgend eine nennenswerte Einwirkung auszuüben. Es hat zwar keine Unterbrechung der gegenseitigen Beziehungen stattgefunden, allein, da dieselben sich meistenteils auf rein geistliche Dinge beschränkten, so lässt sich kaum von einem massgebenden Einflüsse, den die Kurie in Frankreich ausgeübt hätte, sprechen; vielmehr kann man die Wahrnehmung machen, dass gerade in dieser Zeit und besonders in Frankreich das Ansehen des römischen Stuhles tief darniederlag. Wenn wir unter Anderem hören, dass französische Bischöfe öffentlich, in Gegenwart eines päpstlichen Legaten, die Drohung aussprechen konnten, sie würden ihnen unbequeme päpstliche Bullen ins Feuer werfen, 1 ) und wenn wir lesen, dass ein Papst dieser Zeit selbst — es ist Johann XVIII. 2 ) — in einem Briefe an den französischen König über die offenbare Missachtung, mit welcher der Kurie in Frankreich begegnet werde, Klage führte, 3 ) so können wir daraus entnehmen, dass solche Aeusserungen nur möglich waren zu einer Zeit, in welcher von einer energischen Politik der ') S. Vita Gauzlini abbatis . . . ed. Ewald in: Neues Archiv . . . III., p. 357. ') 1003—1009. *) Vita Gauzlini 1. c. (Vgl. Jaffe-Löwenfeld, Regesta pontificum Romanorum [J.-L.] No. 3958). Man vergleiche ferner die kühnen Worte, welche dieser Papst wegen seiner offenkundigen Simonie von dem Abte Wilhelm von Dijon zu hören bekam (s. M. G. S. S. IV., p. 657). Vgl. Baxmann, Die Politik der Päpste von Gregor I. bis auf Gregor VII., II., p. 179. B r ö c k i n g , Die franz. Politik Leos IX.

1

Kurie keine Rede sein konnte. Der Versuch, in Frankreich festen Fuss zu fassen, musste für den Zeitpunkt verspart werden, in welchem das Papsttum, seiner schmählichen Ohnmacht entrissen, wieder sicheren Boden unter sich fühlte und neue Kräfte gesammelt hatte. Dieser Zeitpunkt trat bekanntlich ein, nachdem der deutsche König Heinrich III. das Werk der Reform mit starker Hand in Angriff genommen und damit den Grund zu einer neuen Epoche in der Entwicklung der päpstlichen Macht gelegt hatte. Seit den Synoden von Sutri und Rom, von welchen man mit Recht die Wiedergeburt des Papsttums datiert, 1 ) war es vorauszusehen, dass die Kurie überhaupt wieder eine kraftvollere Politik aufnehmen und demgeinäss auch die französischen Angelegenheiten in den Bereich ihrer Bestrebungen ziehen würde. Die beiden ersten von Heinrich III. eingesetzten Päpste 2 ) hatten jedoch den Stuhl Petri zu kurze Zeit inne, als dass irgend welche Pläne in dieser Richtung erwogen, geschweige denn zur Ausführung gelangen konnten. Erst ihrem Nachfolger Leo IX. war es vorbehalten, wie auf allen anderen Gebieten, so auch in dem der auswärtigen und im Besonderen der französischen Politik neue Bahnen einzuschlagen.

I.

Vorbereitende Schritte; die Berufung des Konzils von Reims. Gerade für die Beziehungen der Kurie zu Frankreich war es von Bedeutung, dass in der Person Leos IX. ein Bischof von Toul 3 ) den päpstlichen Thron bestieg4). Die ') Vgl. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, II., p. 417. •) Clemens II. (1046 Dez. 24/25. bis 1047 Okt. 9.) und Damasus II. (1047 Dez. 25. bis 1048 Aug. 9). ") Leo IX. (Bruno) war seit 1026 Bischof von Toul, s. Giesebrecht, 1. c. p. 455. 4 ) Sein Pontifikat dauerte von 1048—1054.



3



geographische Lage des Bistums Toul war eine derartige, dass die politischen Vorgänge, welche sich im Westen abspielten, die Aufmerksamkeit des Bischofs in gleichem Maasse in Anspruch nehmen mussten, wie die Angelegenheiten des deutschen Reiches; wurde doch von den lothringischen Kirchenfürsten am meisten der Bischof von Toul durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden Reichen in den wichtigsten Interessen seines Bistums berührt 1 ). Die Kenntnis der französischen Verhältnisse war für den Bischof von Toul von grosser Wichtigkeit, und gerade in dieser Hinsicht war Bruno, der spätere Papst Leo IX., unter den deutschen Kirchenfürsten eine Autorität bedeutenden Ranges. Seine wiederholte Verwendung als Unterhändler zwischen dem deutschen und dem französischen Könige2) zeigt, welches Vertrauen in dieser Beziehung auf-ihn gesetzt wurde, und die glücklichen Erfolge seiner gesandtschaftlichen Thätigkeit, welche ihm auch die Anerkennung des französischen Hofes einbrachten 3 ), wären nicht möglich gewesen, wenn er nicht mit diplomatischer Geschicklichkeit eine gründliche Einsicht in die einschlägigen Verhältnisse verbunden hätte. Es ergiebt sich hieraus von selbst, dass Leo IX. daran gedacht haben wird, sobald die allgemeine Lage es ihm nur gestatten würde, seine Kenntnis der Zustände in den französischen Gebieten zum Zwecke der kurialen Politik zu verwerten, und in der That hat Leo schon bei Antritt seiner Reise nach Rom, nachdem er soeben von Heinrich III. zum Papste ernannt war 4 ), sich mit der Absicht getragen, in möglichst kürzester Frist in die französischen Verhältnisse zu Gunsten der Reform — diese ist ja im eigentlichen Sinne das treibende Moment der kurialen Politik für die nächste Folgezeit — *) Vgl. hierüber Steindorff, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Heinrich III., II., p. 43. 2 ) Vgl. über die gesandtschaftliche Thätigkeit Leos in den Jahren 1032 und 1048 Giesebrecht 1. c. p. 455, 456. *) S. Giesebrecht 1. c. p. 455. 4 ) Seine Ernennung erfolgte im Dezember 1048, s. JafK-Löwenfeld 1. c. I., p. 529.



4



einzugreifen1). Allein, bevor er sich zum selbständigen Handeln entschloss, schien es Leo offenbar geraten, seine eigene Urteilsfähigkeit von einer anderen Seite her, welche ebenfalls mit den französischen Verhältnissen vertraut war, zu unterstützen. In diesem Sinne werden wir die Berufung eines der angesehensten Kirchenfürsten der Zeit, des Erzbischofs Halinard von Lyon, nach Rom aufzufassen haben. Diese Berufung erfolgte2) gleich nach der Weihe Leos — am 12. Februar 1049 wurde dieselbe vollzogen3), — und sie verdient Beachtung, weil Halinard jedenfalls in hohem Grade den betonten Anforderungen zu genügen schien. Halinard war von Geburt Franzose, er gehörte einer vornehmen Familie des Herzogtums Burgund 4 ) an und hatte seine Erziehung an den Bischofssitzen von Autun und Langres genossen5). Der strengen Auffassung der Gluniacenser über den geistlichen Wandel ergeben, war er Abt des Klosters Saint-Benigne zu Dijon geworden6), und schon in dieser Stellung hatte er den Beweis geliefert, dass die Kirche in ihm einen eifrigen Yorkämpfer der reformatorischen Ideen ihr eigen nenne 7 ). Sodann war er dank der von ihm zur Schau getragenen Gesinnung im Jahre 1046 auf den Erzstuhl von Lyon, dessen Besetzung in den Händen des deutschen Königs lag8),

') Nach seiner Ernennung zum Papst äusserte Leo dem Abte Herimar von Saint-Remi gegenüber, er werde nach Reims zur Weihe einer neu erbauten Basilika kommen, „etsi alia nulla se revocet ecclesiae utilitas". Anselmi Historia dedicationis ecclesiae S. Remigii cap. 7, ap. Migne, Patrologia latina, Tom. 142, p. 1421. 2 ) S. J.-L. 4153. s ) S. J.-L. I. p. 530. ') S. Chron. S. Benigni Divionensis in Analecta Divionensia (Dijon 1875), p. 182. 5

) 1. c. p. 182, 183. 1. c. p. 185. ') 1. c. p. 182 sq. B ) Burgund gehörte bekanntlich seit dem Jahre 1032 zum deutschen Reiche.



gelangt. 1 )

Er

französischen damals

stand

5



in hoher Gunst

Hofe,2)

und

eine

seiner Persönlichkeit

am

wie

deutschen

grosse

zumass,

wie

Bedeutung

am man

beweist unter A n d e r e m

der Umstand, dass Halinard nach dem T o d e Clemens II. v o n einer

römischen

Gesandtschaft

ins A u g e gefasst Hinsichtlich

der

sich nun Halinard Bischof

von

Nachfolger

Verwaltung

in einer

Toul.

tischer Beziehung in seiner

als

des

letzteren

wurde.8)

Der

seiner

Erzdiöcese

ähnlichen L a g e

Sitz

des

befand

wie Leo IX.

Erzbistums

stand

in

z w a r unter dem deutschen K ö n i g e , 4 )

Eigenschaft

als Metropolit

war

allein

der Erzbischof

L y o n mit seinen Interessen vorzugsweise im W e s t e n

als polivon

engagiert.

Seine Suffraganbistümer lagen sämtlich auf französischem B o den,

nämlich

wesentlich

im

unter

Die Vertrautheit gebenden setzung Amtes, genügte,

Herzogtume dem

mit

den

Beziehungen für

eine

Burgund,

Einflüsse aus

war

wirksame

und dass Halinard dafür bürgten

des

diesen

daher

und

sie

standen

französischen

Königs. 6 )

Verhältnissen

sich

die

notwendige

Ausübung

des

er-

Voraus-

metropolitanen

vollkommen

dieser Voraussetzung

seine H e r k u n f t

und sein ganzer Bil-

dungsgang. Es w i r d jedenfalls

auf

Seiten

Leos

IX.

eine

ganz

be-

wusste Absicht vorgelegen haben, als er noch in den A n f ä n g e n seines Pontifikats gerade diesen Kirchenfürsten

in seine Nähe

') Chron. S. Benigni 1. c. p. 186 (M. G. S. S. VII., p. 235). Vgl. Steindorff, Jahrbücher . . . I., p. 303. — Halinard weigerte sich übrigens dem Könige den Eid der Treue zu leisten, und er drang mit dieser Weigerung durch, unterstützt durch den Bischof Bruno von Toul. Heinrich III. gab ihm das Erzbistum mit Verzicht auf die Leistung des Eides, ein Seitenstück zu der Erhebung Leos IX., der bekanntlich dem Könige gegenüber das Prinzip der kanonischen Wahl zu wahren wusste. S. Steindorff 1. c. I , p. 303, II., p. 56. s ) Chron. S. Benigni 1. c. p. 186 (M. G. S. S. VII., p. 235). 3 ) Anal. Divion. p. 190 (M. G. S. S. VII., p. 237). Steindorff 1. c. II., p. 53. Giesebrecht, Kaiserzeit II., p. 436. *) Vgl. oben p. 4, n. 8. ') Die Besetzung der burgundischen Bistümer lag in den Händen des Königs, nicht des Herzogs, s. Warnkönig und Stein, Französische Staats- und Kechtsgeschichte, I., p. 223.



6



berief; es wird auch ausdrücklich hervorgehoben, dass diese zeitige Berufung erfolgte, damit Halinard an der ersten römischen Synode, welche Leo im April 1049 abhielt, 1 ) teilnehmen könnte, und schon jetzt, bei seiner Anwesenheit in Rom, 2 ) werden Vorbesprechungen zwischen dem Papste und dem Erzbischof hinsichtlich des nunmehr einzuschlagenden Weges, um auch in Frankreich ans Ziel zu kommen, stattgefunden haben. Wenn es uns auch nicht direkt bezeugt ist, dass Halinards Einfluss in dem angedeuteten Sinne bei Leo IX. thätig gewesen ist, so spricht doch alles, was wir sonst über das Verhältnis der beiden Persönlichkeiten wissen, für eine solche Auffassung. Halinard genoss auf alle Fälle das Vertrauen des Papstes in hohem Grade; hatte die beiden schon vor der Erhebung Brunos gelegentlich der Ernennung Halinards zum Erzbischof eine gemeinsam vertretene Auffassung über die Leistung des" Treueides zusammengeführt, 3 ) so gestalteten sich nunmehr ihre Beziehungen immer inniger. Halinard verblieb von Leos erster Synode an fast ununterbrochen in der Begleitung des Papstes, bis dieser im Juli 1052 seine Reise nach Ungarn antrat. 4 ) Wir finden ihn im Herbste des Jahres 1049 auf dem Konzile zu Reims, 5 ) und wiederum auf der römischen Ostersynode des Jahres 1050.6) Er begleitete ferner den Papst auf seiner zweiten französischen Reise im Herbste 1050,7) und nahm überhaupt an den wichtigsten Schritten Leos persönlichen Anteil. Der Papst bediente sich sogar des Erzbischofs als Unterhändler ') S. J.-L. I., p. 530. ") Seine Unterschrift findet sich unter zwei Bullen, welche den Verhandlungen der Synode ihre Entstehung verdanken, s. J.-L. 4158 und 4163. s ) S. oben p. 5, n. 1. 4 ) S. J.-L. I., p. 542. ») Anselm. 1. c. p. 1431. ") Ende April des Jahres, s. J.-L., I., p. 536, Chron. S. Benigni in MG. SS., VII., p. 237. Ueber die falsche chronologische Angabe der Quelle s. Steindorff, Jahrbücher, II., p. 456. ') S. Chron. S. Benigni 1. c. Vgl. J.-L. ad ann. 1050, Oktober 3. (I., p. 538).



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in seinem Streite mit den Normannen, 1 ) und schliesslich übertrug ihm L e o seine Stellvertretung in R o m für die Zeit, in welcher er selbst w e g e n der ungarischen Angelegenheit fern sein würde. 1 ) Diese Momente lassen uns deutlich erkennen, dass Halinard jedenfalls einer der bedeutendsten Berater Leos IX. in politischen Angelegenheiten war, und es liegt ausserordentlich nahe, diese Stellung des Erzbischofs zum P a p s t e in erster Linie für die französische Politik der Kurie in Anschlag zu bringen. Wir werden daher einen beträchtlichen Teil der von Leo IX. in der Folgezeit in jener Richtung getroffenen Massnahmen vor allem auf die Einwirkung Halinards zurückzuführen h a b e n . 2 ) ') S. Chron. S. Benigni 1. c. ) An dieser Stelle sei der Nachricht des Chron. S. Ben. (M. G. S. S. VII., p. 237) gedacht, dass Leo zugleich mit Halinard sämtliche Bischöfe „Galliens", also auch die französischen, zu seiner ersten Synode berufen habe. Diese Angabe unterliegt jcdoch schweren Bedenken. Es steht fest, dass der Ladung, wenn sie wirklich ergangen war, kein einziger französischer Bischof Folge geleistet hat — Sudendorfs Annahme (Berengarius Turonensis, p. 1'7), dass Bischof Eusebius von Angers zur Synode in Rom gewesen sei, ist unrichtig, s. darüber Schwabe, Studien zur Geschichte des zweiten Abendmahlstreites (Leipzig 1887), p. 42; obenso nennt Hinschius, System des kathol. Kirchenreclits, III., p. 518, n. 8, irrtümlich den Bischof Hugo von Nevers unter den Teilnehmern der römischen Synode vom Jahre 1049, — weder wissen die anderen gleichzeitigen Quellen (z. B. der gut unterrichtete Hermann von Reichenau) von einer Beteiligung des französischen Episkopats an dieser Synode, noch findet sich die Unterschrift eines einzigen französischen Bischofs unter einer der mit der Synode in Zusammenhang stehenden Urkunden. Ausserdem aber dürfte eine solche Massregel den Intentionen Leos, soweit wir dieselben erkennen können, kaum entsprochen haben. Leo trug sich mit der Absicht persönlich nach Frankreich zu kommen (s. oben p. 4, n. 1), und zwar, wie man annehmen muss, in möglichst kürzester Frist, d. h., sobald er am Sitze des Papsttums das Wichtigste geordnet hätte, sollte seinem Erscheinen auf französischem Boden entgegengesehen werden. Wie es daher zunächst überflüssig erscheinen muss, dass Leo, nachdem er kaum in Rom festen Fuss gefasst, den französischen Episkopat noch kurz vorher zu sich beschied, so muss es vor allem auffallen, dass späterhin in Reims mit keinem Worte dieser angeblich ersten Anknüpfung gedacht worden ist. Aus den Verhandlungen zu Reims gewinnt man im 2



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So bedeutete denn die Heranziehung des Erzbischofs den ersten Schritt, welchen Leo that, um eine wirksame Politik in Betreff der französischen Angelegenheiten einzuleiten, und es sollte nur eine verhältnismässig kurze Zeit verfliessen, bis die in dieser Hinsicht gehegten Pläne zur Ausführung kamen. Während die Kurie bei ihrer Politik in Deutschland und zum grössten Teil auch in Italien wesentlich nur mit dem deutschen Kaiser als dem allein in Betracht kommenden Vertreter der weltlichen Macht zu rechnen hatte, befand sie sich in dieser Hinsicht Frankreich gegenüber in einer durchaus anderen Lage. Das Frankreich des elften Jahrhunderts zerfiel in mehrere faktisch selbständige Staaten, welche nur durch das lose Band des Lehensverhältnisses zu einem Ganzen vereinigt waren. 1 ) War der französische König auch der Lehensherr der grossen Vasallen, so hatte er doch auf das politische Leben der Vasallenstaaten keinen Einfluss. Er musste die landesherrliche Gewalt mit den Grossvasallen teilen, 2 ) und diese Teilung ging so weit, dass der König auf die kirchlichen Verhältnisse nur in den Kronlanden seinen Einfluss geltend machen konnte, während dieselben in den anderen Gebieten dem Einflüsse der grossen Vasallen unterworfen waren. Es gab demgemäss „reichsunmittelbare" Bistümer 3 ) und LandesGegenteil den Eindruck, dass Leo IX. vorher mit dem französischen Klerus in keinerlei direkte Verbindung getreten ist. Alle diese Momente sprechen gegen die Richtigkeit jener Angabe, und da das Chronicon auch sonst in seinen Angaben ungenau ist (s. Steindorff 1. c. IT., p. 456 und Schwabe, Studien . . . p. 26, n. 1), so wird man auch in unserem Falle von der Verwertung seiner Nachricht Abstand nehmen, dieselbe vielmehr als ungenügend beglaubigt und den thatsächlichen Verhältnissen zu wenig entsprechend zurückweisen müssen. ') „Das Reich der Franken (Franzosen) ist ein grosser, auf den Feudalverband sich stützender Bundesstaat". Warnkönig und Stein 1. c. I., p. 202. s ) Warnkönig und Stein 1. c , p. 205. ') D. h. solche, die unter dem Könige standen, s. Warnkönig und Stein 1. c.( p. 222.



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bistümer 1 ), die Besetzung der ersteren stand dem Könige zu, die Besetzung der letzteren lag in den Händen der betreffenden Vasallen. Indem also die Bischöfe, die hervorragendsten Organe der Kirche, gruppenweise von verschiedenen Herren abhängig waren, verstand es sich von selbst, dass eine Auseinandersetzung mit einem derselben, wenn es auch der König war, der Kurie keineswegs die Gewähr bot, für das ganze französische Gebiet bindende Abmachungen erzielen zu können. Ein in dem unmittelbaren Gebiete des Königs erzielter Erfolg konnte vielleicht eine moralische Wirkung auf das Verhalten der übrigen Machthaber ausüben, rechtlich aber konnte er keine Wirkung haben. Leo IX. war offenbar über diese Lage der Dinge durchaus nicht im Unklaren, und, wie wir sehen werden, hat er vielmehr seine Politik danach eingerichtet. Er verzichtete zunächst darauf, seine Pläne für den ganzen Westen zur Ausführung zu bringen 2 ) und beschränkte sich vielmehr auf den Norden des Reiches3), wo der königliche Einfluss vorzugsweise massgebend war 4 ), demgemäss hat er fürs erste die Verhältnisse in den Gebieten südlich der Loire ganz ausser Acht gelassen. Der Gedanke, der den Papst hierbei leitete, wird gewesen sein, zunächst in den Gebietsteilen des angesehensten der weltlichen Herren Frankreichs festen Fuss zu fassen, um von dort aus die übrigen Staaten in den Bereich seiner Politik zu ziehen. Mit dem Könige also, dem Herzoge von Francien und dem Landesherrn der wichtigsten nördlichen Bistümer, galt es zunächst sich auseinander zu setzen, und wie Leo IX. ') D. Ii. solche, deren Bischöfe landsässig, also Herzögen, Grafen, j a sogar Vicegrafen auf dieselbe Weise untergeben waren, wie die reichsunmittelbaren dem Könige, 1. c. ') Giesebrecht, Kaiserzeit, II., p. 459, nimmt das Gegenteil an, wie wir sehen werden, mit Unrecht. S. im besonderen unten p. 13, n. 4. *) Die Normandie allerdings ausgenommen; dagegen lag in Flandern die Besetzung der Bistümer in den Händen des Königs, s. Warnkönig und Stein 1. c., p. 223. Ueber Burgund s. oben p. 5, n. 5.



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diese Aufgabe gelöst hat, zeigt die Art und Weise, in welcher das Konzil von Reims vom Papste berufen und gehalten wurde. Als Leo IX. vor seiner Reise nach Rom dem Abte Herimar von Saint-Remi die Zusage erteilte, er werde seine Basilika persönlich weihen1), hatte er zwar den Gedanken laut werden lassen, dass das Interesse der Kirche wohl sein persönliches Eingreifen in die französischen Verhältnisse erfordern werde 2 ), allein begreiflicher Weise war er damals noch nicht in der Lage, näher anzugeben, wie dieser Gedanke ins Leben treten sollte. Der Abt Herimar konnte also mit Bestimmtheit nur wissen, dass Leo die neue Basilika in Reims persönlich zu weihen gedenke; als nun die Kunde kam, dass der Papst, nachdem er eben erst in Rom und Italien notdürftig Ordnung geschaffen, seine Reise zum Kaiser nach Deutschland angetreten habe, schien dem Abte die Erfüllung der ihm vom Papste erteilten Zusage nahe 8 ), und er beeilte sich deshalb, diejenigen Schritte zu thun, welche er zur Vorbereitung dieses Ereignisses für nötig hielt. Es handelte sich jetzt darum, dass ein Papst seit mehr als einem Jahrhundert zum ersten Male wieder den französischen Boden betreten würde 4 ), und es lag auf der flachen Hand, dass ein solcher Besuch dem französischen Könige, in dessen unmittelbarem Gebiete das Erzbistum Reims lag, nicht gleichgültig sein konnte. Demgemäss kam es darauf an, den Herrscher für das Vorhaben zu gewinnen, und zu diesem Zwecke begab sich Abt Herimar an den französischen Hof 8 ). Er traf den König Pfingsten (14. Mai) in Laon, und trug *) S. oben p. 4, n. 1. ) S. vor. Note. *) S. Anselm, 1. c. p. 1421. *) Vgl. Giesebrecht 1. c. p. 459. Der letzte Papst, der den wcstfränkischen Boden betreten hatte, war Johann VIII, gewesen, der im Jahre 878 zu Troyes ein Konzil abhielt (s. Hefele, Konziliengeschichte, IV., p. 527 ff.). 6 ) Anselm, 1. c. J



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ihm sein Anliegen vor 1 ). Aus den Worten unseres Gewährsmannes geht deutlich hervor, dass der Abt nicht einfach um die Teilnahme des Königs bat, um dadurch der Feier zu grösserem Glänze zu verhelfen, sondern dass er vielmehr die königliche Genehmigung für die durch den Papst in Reims zu vollziehende Weihe, und damit also für den Letzteren die Erlaubnis, den französischen Boden betreten zu dürfen, nachsuchte2). Gleichzeitig wünschte der Abt die Anwesenheit der Bischöfe und weltlichen Grossen, und da er diesen Wunsch beim Könige vorbrachte, so zeigt dies, hinsichtlich der Bischöfe, dass es in des Letzteren Macht stand, über die Frage, ob die kirchlichen Würdenträger sich offiziell an der Feier beteiligen sollten, zu entscheiden. Der König erteilte zwar eine dem Abte erwünschte Antwort, allein die Klausel8), welche er der Zusage seines persönlichen Erscheinens beifügte, lässt erkennen, dass der König doch schon damals die Möglichkeit oder vielmehr die Notwendigkeit einer Verhinderung, wenn es nämlich nicht bei dem Akte der Weihe sein Bewenden haben würde, ins Auge fasste. Und die Folge lehrte, dass die Bedenken, welche doch diese Haltung des Königs bestimmten, nicht ohne Grund waren. Wie hier noch einmal hervorgehoben werden soll, hatte der Abt mit dem Könige nur über die beabsichtigte Weihe unterhandelt, von etwas Anderem konnte ja überhaupt damals noch keine Rede sein. Mit dem erhaltenen Bescheide begab sich Herimar nach Köln, wo er mit Leo IX. zusammentraf (29. Juni) 4). Und jetzt traten die weitergehenden Absichten, welche der Papst mit dem Besuche des französischen

' ) 1. C.

') 1. c. . . . eiusque (i. e. regis) consilium et favorem expetit de praefato templo apostolica consecrando benedictione, monens et postulans, ut his agendis suatn praesentiam exhibeat et episcopos regnique suos principes secum interesse faciat. s

) „nisi alicuius impedimenti intercesserit casus", 1. c. ) Anselm 1. c., p. 1422.

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Gebietes verband, deutlich hervor. Er wollte bei Gelegenheit der Feier zugleich ein Konzil zu Reims abhalten und bestimmte hierfür die drei Tage vom 3. bis 5. Oktober 10491). Hatte Leo IX. sich auch schon länger mit dieser Absicht getragen, so war sie doch bis zu diesem Zeitpunkte noch nicht bekannt geworden, wäre Letzteres der Fall gewesen, kein Zweifel, der Bescheid, welchen Abt Herimar zu Laon erhalten, hätte anders gelautet. Mit der Erklärung des Papstes, er gedenke in Reims ein Konzil zu halten, kam ein neues Moment in die Gestaltung der Dinge. Nach den rechtlichen Anschauungen, wie sie damals auf französischer Seite vertreten wurden 2 ), bedurfte es zur Ausführung des Planes einer Verständigung mit dem französischen Könige, und ebenso ist von kurialer Seite späterhin in einem ähnlichen Falle die Notwendigkeit anerkannt worden, dass für die Abhaltung eines Konzils unter Vorsitz des Papstes auf französischem Boden vorher die Genehmigung des Königs einzuholen sei3). Wir hören nun nichts davon, dass Leo IX. irgend welche Schritte in diesem Sinne gethan hat, und es scheint vielmehr festzustehen, dass der Papst den französischen König von seiner Absicht, in Reims ein Konzil zu halten, überhaupt offiziell nicht in Kenntnis gesetzt hat. Leo hat es jedenfalls ') 1. c. ') S. unten p. 15, n. 6. 3 ) Stephan IX. schrieb im Jahre 1057 an Erzbischof Gervasius von Reims (s. J.-L. 4372) u. A.: „De concilio Remis habendo quid aliud dicendum, nisi quod b. m. Victor Dei iudicio hinc est raptus, et quod tu, sicut inter v o s — nicht nos, s. den ältesten Abdruck bei Duchesne, Histor. Francor. Script. IV, p. 198 — convenit, non remandasti, an in hoc esset regis consensus." Aus diesen Worten geht 1. hervor, dass Viktor II. schon in Reims ein Konzil zu halten gedachte, 2. dass Stephan IX. diesen Plan aufzunehmen im Sinne hatte, 3. dass er zur Ausführung desselben die königliche Erlaubuis für nötig hielt. Was im Jahre 1057 Gültigkeit hatte, muss so, wie die Dinge damals lagen, jedenfalls auch im Jahre 1049 gültig gewesen sein.



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nicht für nötig g e h a l t e n , jenen A n s c h a u u n g e n R e c h n u n g zu tragen 1 ); m a n kann nicht s a g e n , dass er sie nicht k a n n t e , m a n m u s s vielmehr a n n e h m e n , dass er sie nicht kennen wollte. Der P a p s t ging demgemäss ganz einseitig vor und erliess von T o u l aus — er hatte sich inzwischen dorthin begeben 2 ) — a m 14. September 1 0 4 9 die Einladungsschreiben zu einem in R e i m s Anfang Oktober zu haltenden Konzil 8 ). Auf französischer Seite wurden dadurch zur Teilnahme aufgefordert die Bischöfe u n d A e b t e Franciens, Burgunds, 4 Flanderns und der N o r m a n d i e ) , in überwiegender Zahl also diejenigen, welche unmittelbar unter d e m Könige standen. — Nicht geladen waren die Bischöfe und A e b t e aus den sämtlichen Diöcesen südlich der Loire. — Erst auf diesem ') Der Gedanke ist nicht abzuweisen, dass Leo IX. sich zu einem solchen Vorgehen entschliessen konnte, weil er an dem deutschen Kaiser einen mächtigen Rückhalt besass (vgl. Giesebrecht, 1. c. II. p. 459). 2 ) S. J.-L I. p. 532. 8 ) S. J.-L. 4174. *) Die Einladungsschreiben sind von Toul aus an die Bischöfe und Aebte „circumiacentium regionum" gerichtet (s. Anselm 1. c., vgl. J.-L. II. p. 710, Add. et Corr. ad nr. 4174). Ein Blick auf die Karte lehrt, dass unter letzterer Bezeichnung nur Lothringen, Burgund (das deutsche und das französische) und Francien verstanden sein können, diejenigen Gebiete, welche im Wesentlichen den kirchlichen Provinzen Trief, Besançon, Lyon, Sens, Tours, Reims entsprechen. Leo hat also hiernach in Reims 1. nicht nur französische, sondern auch deutsche Geistliche, 2. nicht Vertreter sämtlicher französischer Diöcesen erwartet, sondern nur solche aus den Diöcesen nördlich der Loire — die bretonischen Bischöfe wohl ausgenommen, s. unten, p. 30, n. 2. — Man hat das bisher, abgesehen von Will, Die Anfänge der Restauration der Kirche, I., p. 42. — Dieser spricht wenigstens von „benachbarten Sprengeln" — übersehen. Mit diesem Ergebnis stimmt auch die Präsenzliste des Konzils, welche Anselm uns aufbewahrt hat (1. c. p. 1431): wir linden deutsche und französische Bischöfe und Aebte aus den genannten Gebieten und Prozinzen anwesend, ausser denselben nur Bischöfe aus der Normandie ; mag also Anselms



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W e g e hat also der König das Nähere über die Festsetzung des Konzils erfahren 1 ). Es blieb n u n abzuwarten, ob der P a p s t mit diesem Vorgehen Erfolg haben und mit seinen Forderungen ohne Weiteres durchdringen würde. Auf französischer Seite w a r die Stimmung den kurialen P l ä n e n keineswegs günstig: mit einein Konzile, das unter Vorsitz des P a p s t e s die Grundsätze der R e f o r m im weitesten Sinne zur Geltung bringen und die seither zwischen dem römischen Stuhle u n d der französischen Kirche gelockerte Verbindung wieder enger gestalten sollte, w a r dort N i e m a n d e m gedient, weder der weltlichen Macht noch der Geistlichkeit 2 ). Der Letzteren drohte zweifellos der Verlust der selbstständigen S t e l l u n g , welche sie bisher R o m gegenüber eingenommen h a t t e , und ausserdem entsprachen die Eigenschaften ihrer Mitglieder sehr wenig D e m jenigen, w a s die reformatorische Richtung von der Geistlichkeit Angabe wegen des letzteren Punktes nicht genau sein, soviel steht fest, dass keine Diöcese südlich der Loire vertreten war (s. auch Steindorff, 1. c. II. p. 88). Ich glaube daher, dass Leo IX. zunächst die Verhältnisse im Süden des Reichs ausser •Acht liess, um dafür im Norden seine Politik nachdrücklicher zur Geltung bringen zu können. (Es sind übrigens gar keine Beziehungen der südlichen Diöcesen zum Reimser Konzil nachzuweisen.) — Die Bezeichnung „französisches NationalKonzil", welche' man durcligehends auf die Reimser Synode angewendet findet, (s. z. B. Giesebrecht 1. c. p. 459), ist daher durchaus nicht am Platze, denn die zwei Voraussetzungen, welche allein diese Bezeichnung rechtfertigen, 1. dass in Reims nur französische Diöcesen vertreten waren, bez. vertreten sein sollten, und 2. dass alle französischen Diöcesen vertreten sein sollten, werden, wie wir sahen, nicht erfüllt. *) Die Einladungsschreiben, welche Abt Herimar nach seiner Rückkehr aus Köln von Reims aus entsandte (s. Anselm, 1. c. p. 1422), sind an die Laienwelt gerichtet („sanctae eccl~esiae fideles") und betreffen einzig die Weihe der Basilika. *) Das zeigen die Vorgänge am Hofe des Königs, welche sich an die päpstliche Berufung knüpften, s. weiter unten. — Giesebrecht behauptet (1. c. p. 459), dass die Ideen Clunys damals „selbst unter vielen Bischöfen Frankreichs Anerkennung gefunden" hätten, mir ist jedoch kein einziger dieser Art bekannt.



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verlangte. Ebenso würde das Königtum voraussichtlich in einer wichtigen Position bedroht werden: die bisherige, bei der Besetzung der geistlichen Aemter übliche Praxis stand ebenfalls in einem zu starken Gegensatze zu den Forderungen der Reform, als dass sie derselben nicht zum Opfer hätte fallen müssen. Wenn die kanonische Wahl auch prinzipiell von weltlicher Seite anerkannt wurde 1 ), so hinderte dies nicht, dass faktisch um diese Zeit wenigstens die Besetzung der Bistümer dem königlichen Einflüsse unterlag und meistens auf simonistischem Wege vor sich ging2). Es erklärt sich daher, dass die massgebenden Kreise dem geplanten Konzil geradezu feindlich gegenüber standen. Man wünschte die Ausführung der kurialen Absichten zu hintertreiben und suchte nunmehr in diesem Sinne auf den König, von dessen Haltung jetzt alles abhing, einzuwirken. Sowohl weltliche Grosse, — bei diesen scheinen allerdings nur persönliche Motive gewirkt zu haben 3 ) — als auch Mitglieder des hohen Klerus, zu welchen wir sicher den Bischof Gebuin von Laon 4 ) und sehr wahrscheinlich auch den Erzbischof Gilduin von Sens5), sowie die Bischöfe von Beauvais5) und Amiens6) zu rechnen haben, vereinigten zu dem beabsichtigten Zwecke ihre Anstrengungen. In diesen Kreisen vertrat man die Anschauung, dass dem Könige das Recht zustehe, dem Papste das Betreten des französischen Bodens zu untersagen 6 ), man hätte also erwarten dürfen, dass demgemäss ') S. darüber Warnkönig und Stein, 1. c. p. 220, Schaffner, Gesch. der Rechtsverfassung Frankreichs, II. p. 622. Vgl. Hinschius, 1. c. II., p. 539. ') S. einzelne Fälle bei Hinschius, 1. c. p. 538, n. 4. ') S. Anselm, 1. c. p. 1422. 4 ) S. Anselm, 1. c. p. 1438. 5 ) Von den Bischöfen, welche sich der Heerfahrt des Königs angeschlossen hatten, wurden der Erzbischof von Sens, sowie die Bischöfe von Beauvais und Amiens „nominatim" exkommuniciert (s. Anselm, 1. c. p. 1430), diese müssen also bei den antikurialen Bestrebungen in hervorragendem Masse beteiligt gewesen sein. Anselm, I.e. p. 1422: „. . . regi Francorum suggerunt, regni sui decus annihilari, si in eo Romani pontificis auetoritatem dominari permitteret; vel si eidem . . occurrens praesentiae suae favorem ad



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der König aufgefordert werden würde, von seinem Rechte Gebrauch zu machen. Das hätte offenbar zu einem offenen Bruche mit der Kurie führen müssen, und davor scheute man bei alle dem doch zurück. Indessen suchte und fand man einen Ausweg, um trotzdem die unbequemen Pläne, welche Leo IX. mit der Abhaltung des Konzils verfolgte, zu vereiteln: dieser Zweck liess sich am besten durch Fernhalten der unter dem Könige stehenden Bischöfe und Aebte erreichen, und man erteilte demgemäss dem Herrscher den Rat, dieselben — da sie zudem den mit materiellen Mitteln am reichsten ausgestatteten Stand repräsentierten 1 ) — neben seinen weltlichen Vasallen zu einer allgemeinen Heerfahrt, welche die Unterdrückung aufständischer Regungen zum Ziele haben sollte, aufzubieten 2 ). König Heinrich I. beschloss, da er sich offenbar nicht mächtig genug fühlte, um der Kurie direkt in den Weg zu treten, diesen Rat zu befolgen. Er trug sich mit der Hoffnung, den Papst durch die Vorstellung, dass er seiner Bischöfe und Aebte bei jenem Unternehmen dringend bedürfe, zum Aufgeben seines Planes zu bewegen, und knüpfte durch Vermittelung des Bischofs von Senlis Verhandlungen mit Leo IX. an 3 ). Damit verzichtete er schon darauf, das Erscheinen des Papstes auf französischem Boden von seiner Willensentschliessung abhängig zu machen, ja, er überliess

cogendum concilium exhiberet. Addunt etiam, quod nullus antecessorum eius id reperiatur aliquando concessisse, ut ob similem causam in Franciae urbes ingressus pateret alicui papae; " Wenn auch die Behauptung, dass keiner der Vorgänger Heinrichs I. einem Papste zu dem erwähnten Zwecke das Betreten des französischen Bodens gestattet habe, historisch falsch ist — Johann VIII. hatte im Jahre 878 westfränkischen Boden betreten, s. oben p. 10, n. 4. —, so geht doch aus den angeführten Worten hervor, dass dem Könige jenes Recht wenigstens beigelegt wurde. ') „penes quos maxima pars facultatum regni est", Anselm, 1. c. p. 1423. •) 1. c. ') 1. c.



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dadurch die Entscheidung, ob das Konzil stattfinden solle oder nicht, genau genommen, dem guten Willen Leos. Denn wenn auch das Fernhalten der Bischöfe und Aebte in Aussicht gestellt wurde, so hing es doch von Leo ab, ob er darin einen zwingenden Grund sehen würde, um seine jedenfalls wohl erwogenen Pläne einfach fallen zu lassen. Leo IX. war dazu keineswegs entschlossen. Es war ihm deutlich gemacht worden, wenn ihm der König auch für eine spätere Reise nach Frankreich einen ehrenvollen Empfang zugesichert hatte 1 ), dass fortan jeder Schritt, welchen er im Verfolge seiner Politik den französischen Verhältnissen gegenüber thun würde, in den massgebenden Kreisen mit unverhohlenem Misstrauen aufgenommen werden würde. Und gerade desshalb scheute er sich durchaus nicht, im Hinblick auf die unter dem französischen Klerus sich regende Opposition aus dem Widerstreit der königlichen und päpstlichen Interessen eine Prinzipienfrage zu machen: er liess dem Könige einfach erklären, er werde auf alle Fälle nach Reims kommen und daselbst das Konzil abhalten, „si qui divinae religionis amatores convenerint" 2 ). Er hielt somit die an den hohen % Klerus ergangenen Einladungen aufrecht, und verlangte also, dass die Bischöfe und Aebte mit Hintansetzung ihrer Lehenspflicht dem Rufe des kirchlichen Oberhauptes Folge leisten sollten. Jetzt machte auch der König Ernst, er nahm den ihm hingeworfenen Fehdehandschuh auf und entbot thatsächlich die ihm untergebenen Bischöfe und Aebte neben seinen weltlichen Vasallen zu einer allgemeinen Heerfahrt 3 ). Das Aufgebot hatte zur Folge, dass die Mitglieder des hohen Klerus Franciens, selbst wenn sie nicht zu jenen Wortführern der antikurialen Partei gehörten 4 ), sich in ihrer überwiegenden Mehrzahl für den König gegen den Papst entschieden, indem

») 1. c. ') 1. c. *) l c. *) 8. Anselm. 1. c. B r ü c k i a g , Die franz. Politik Leos IX.

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sie sich der Heerfahrt anschlössen 1 ), — unter ihnen auch Abt Herimar von Saint-Remi 2 ), — und so schien also der Sieg vorläufig dem Königtume verbleiben zu sollen. II.

Das Konzil von Reims3). Leo IX. erhielt die Kunde von diesem Vorgange noch in Toul: Abt Herimar war von dem Könige vom Heere entlassen worden und begab sich nach seiner Entlassung direkt zum Papste, den er noch in Toul antraf4). Leo hat nun, wie es scheint, keinen Augenblick, trotzdem er den für ihn so ungünstigen Ausfall erfahren hatte, gezögert 5 ), das angekündigte Konzil in Reims zu eröffnen und zu leiten. Der Umstand, dass ein Teil des hohen Klerus, wenn auch nur ein geringer, sich dem Zuge des Königs nicht angeschlossen hatte, mochte ihm genügen, um ihn wenigstens auf eine teilweise Vertretung des französischen Elements hoffen zu lassen, schlimmsten Falls wird Leo nichts darin gefunden haben, die Synode ') 1. c. Vgl. unten p. 19. Die Heerfahrt fällt Ende August oder Anfang September, s. Steindorff 1. c. II., p. 87 n. 3. Schwabe, Studien, p. 56, vermutet, dass der Zug gegen den Grafen Gaufred von Anjou gerichtet gewesen sei. — Uebrigens erscheint mir der Ausdruck „Reichsheerfahrt", welchen Steindorff (1. c. p. 87) gebraucht, missverständlich, da es sich kaum um eine Heerfahrt des ganzen Reiches, sondern wohl nur um eine solche des Herzogtums Francien handelt. *) Anselm. 1. c. ') Ueber das Reimser Konzil handeln Hefele, Konziliengeschichte (2. Aufl.) IV., p. 722 ff. — im Wesentlichen eine Uebersetzung Anselms, — Steindorff, Jahrbücher, II., p. 88 ff., Giesebrecht, Kaiserzeit, II, p. 459 ff., Baxmann, Die Politik der Päpste, II., p. 223 ff. Von der älteren Literatur ist zu nennen Will, Die Anfänge der Restauration der Kirche, I., p. 42 ff. Die Hauptquelle ist der Bericht Anselms, abgedruckt bei Migne, Patr. lat. tom. 142, p. 1415 sq., bei Watterich, Pontificum Romanorum . . . vitae, I., p. 113 sq. 4 ) S. Anselm bei Migne 1. c., p. 1423. 5 ) Bei Anselm (1. c.) heisst es vom Abte Herimar mit Bezug auf Leo IX.: »(qui reversus . . . Romanum antistitem . . . expetit) eumque pro regiis mandatis iam diu conceptum propositum non permutasse cognoscens etc."



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mit seinem Gefolge und den aus Deutschland kommenden Geistlichen zu halten 1 ). So brach Leo denn von Toul auf, und am 19. September 1049 traf er in Reims ein2). Nachdem die Empfangsfeierlichkeiten vorüber waren 3 ), und nachdem Leo die neue Basilika geweiht hatte 4 ), konnte er am 3. Oktober das Konzil eröffnen. Es zeigte sich nun, dass von den geladenen Bischöfen Franciens und Burgunds, welche vom Könige abhängig waren, nur ein Drittel dem Rufe des Papstes Folge geleistet hatte, indem im Ganzen acht Bischöfe aus Francien und Burgund sich in Reims einfanden 5 ), und die zahlreichen Abteien Franciens hatten insgesamt nur 11 Vertreter entsandt 8 ). Von den in Francien selbst domizilierten Metropoliten war nur der Erzbischof Guido von Reims zur Stelle, Arnulf von Tours hatte *) Wie wir sahen, waren die Einladungsschreiben nicht nur auf Mitglieder des französischen Clerus beschränkt worden, s. oben p. 13, n. 4. a

) S. J.-L. L, p. 532. ") Näheres bei Hefele 1. c., p. 725. 4

) S. J.-L. 1. c. ') Aus der Provinz Reims waren anwesend der Erzbischof Guido von Reims, die Bischöfe von Soissons, Terouanne, Senlis ; aus der Provinz Sens der Bischof von Nevers ; aus der Provinz Tours die Bischöfe von Angers und Nantes; aus der Provinz Lyon der Bischof von Langres. (Ueber die kirchliche Einteilung Frankreichs s. Schaffner 1. c., II., p. 645 ff.) Die übrigen Bischöfe, 18 an der Zahl, fehlten. Die Präsenzliste s. bei Anselm 1. c., p. 1431. ") Von den 17 bei Anselm (1. c.) aufgezählten Aebten sind 10 aus der Provinz Reims und drei aus der Provinz Lyon — unter den letzteren sind zwei exemte, der von Cluny und der von Poutières. — die übrigen sind nicht französische. Ich glaube, dass überhaupt nur diese 17 in Reims anwesend waren; die Zahl 50, von welcher Anselm spricht, bezieht sich offenbar auf Aebte und Kleriker zusammen. Nach Nennung der 17 Aebte fährt Anselm nämlich f o r t : „deinde ceteri, qui, ut superius relatum est, simul fuerunt quinquaginta". Oben aber heisst es (I. c., p. 1430) : „ . . . congregati sunt . . . episcopi . . . cum quinquaginta fere abbatibus et aliis ecclesiastici ordinis complurimis". D