Kunstschutz im besetzten Deutschland: Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944–1953) [1 ed.] 9783412514273, 9783412518080, 9783412514259


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Kunstschutz im besetzten Deutschland: Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944–1953) [1 ed.]
 9783412514273, 9783412518080, 9783412514259

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KUNSTSCHUTZ IM BESETZTEN DEUTSCHLAND RESTITUTION UND KULTURPOLITIK IN DER FRANZÖSISCHEN UND AMERIKANISCHEN BESATZUNGSZONE (1944–1953)

EMILY LÖFFLER

Brüche und Kontinuitäten Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus Band 3

Herausgegeben von Magdalena Bushart und Christian Fuhrmeister

Emily Löffler

Kunstschutz im besetzten Deutschland Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944 –1953)

2019 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Edith Standen (l.) und Rose Valland (r.) im Mai 1946, Archives du Ministère des Affaires Etrangéres et Européennes, Dossier Rose Valland, 20160007AC/19, PR 96/19. Korrektorat: Elena Mohr, Reiskirchen Satz: büro mn, Bielefeld Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51808-0

Inhalt Danksagung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsgeschichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenlage  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methode  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsklärungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunstrestitution als französisch-­amerikanische Interaktion 



7 9 14 21 23 32

........................... 

35

1. Von der Normandie nach Neuschwanstein  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die Entwicklung eines alliierten Kulturgüterschutzes zwischen transnationaler Kooperation und nationaler Abgrenzung  .. . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Der alliierte Vormarsch nach Deutschland und die Suche nach Kunstdepots  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Recherchen zum NS-Kunstraub: Produktion und Zirkulation von Wissen durch die ALIU  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    



37



37



47



60

2. Die Besatzungszeit 1945 – 1949  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  70 2.1 Token Restitutions  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  71 2.2 Verhandlungen über die alliierte Restitutionspolitik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  82 2.3 Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München  . . . .  100 2.4 Beispiele für einzelne Restitutionsfälle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  122 3. Die Zeit nach 1949  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Der Übergang zur Alliierten Hohen Kommission und die Deutschlandpolitik ab 1949  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Der alliierte Rückzug aus den Collecting Points  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Restitutionspraxis nach 1949  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



136



137 142 162

 

Kunstrestitution und Kulturpolitik  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  175

4. Von der récupération zur réconciliation?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  177 4.1 Sicherung von Kulturgütern in der französischen Zone: Eine Bestandsaufnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  180 4.2 Eine doppelte Aufgabenstellung? Die Sous-Direction des Beaux-Arts zwischen Kunstpolitik und récupération artistique  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  195 5.

Kulturpolitische Impulse in der amerikanischen Besatzungszone  . . . . . . . . . . . .  230 5.1 Die MFA&A als Kunstvermittler  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  231 5.2 Die Gründung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte  . . . . . . . . . . . . . . . . .  256

Restitution als Narrativ 

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6. „The loot business makes the best story“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Wer erzählt?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die Meistererzählung der „Rettungsmission“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Zusammenfassung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

   

261 263 266 277 309

7. „La Résistance au Musée“?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  312 7.1 Biografische Horizonte und Publikationen französischer Akteure  . . . . . . . .  313 7.2 Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs: Gibt es eine Meistererzählung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  326 8. Fazit 

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Tafelteil  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Archivverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenverzeichnis  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internetquellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6 I Inhalt

       

371 380 389 389 391 393 397 412 413

Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im August 2017 am Historischen Seminar der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Zu ihrem Entstehungsprozess haben zahlreiche Personen und Institutionen beigetragen, denen ich für ihre Unterstützung danken möchte. An erster Stelle möchte ich dabei meine Betreuer Ewald Frie und Johannes ­Großmann nennen und mich bedanken für ihre Offenheit gegenüber dem Projekt, zahlreiche konstruk­tive Gespräche und einen Blick auf das Wesentliche, wenn ich mich in Details zu verlieren drohte. Den Herausgebern Christian Fuhrmeister und Magdalena Bushart danke ich für die Aufnahme der vorliegenden Studie in die Reihe „Brüche und Kontinuitäten: Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus“. Die Geschwister-­­Boehringer-­Ingelheim-­ Stiftung hat die Drucklegung dieser Dissertation finanziell gefördert, und beim Böhlau Verlag haben Elena Mohr, Julia Beenken und Bettina Waringer mich kompetent betreut. Die Deutschen Historischen Institute in Paris und Washington, D. C. und das Deutsch-­ Französische Institut in Ludwigsburg haben mein Dissertationsprojekt mit Stipendien für Archiv- und Bibliotheksrecherchen gefördert und mir darüber hinaus die Möglichkeit gegeben, erste Überlegungen und Konzepte zur Diskussion zu stellen. In den verschiedenen Archiven haben mir zahlreiche Mitarbeiterinnen unterstützend beigestanden – namentlich nennen möchte ich insbesondere Anne Liskenne und Alain Prévet, die mir mit viel Geduld die Eigenheiten der französischen Archivbestände in den Archives diplomatiques und den Archives des Musées Nationaux nähergebracht haben. Für die Möglichkeit, mein Projekt in Forschungskolloquien und Workshops zu präsentieren, für fachliche Gespräche und hilfreiches Feedback danke ich Corinne ­Bouchoux, Christian Fuhrmeister, Christina Kott, Bénédicte Savoy und Didier Schulmann. Außerdem haben sich bei mehreren Treffen im Arbeitskreis Provenienzforschung e. V. Gespräche und Denkanstöße ergeben, die ich für die Drucklegung dieser Arbeit noch berücksichtigen konnte. Dem Cusanuswerk verdanke ich ein Promotionsstipendium, das mir für knapp drei Jahre die Freiheit verschaffte, mich ausschließlich der Forschung zu widmen. Weit über die eigentliche Förderzeit hinaus bot außerdem das Cusanushaus in Mehlem mir Raum für Feedback, kritische Diskussionen, Offenheit, Begegnungen und Phasen des Rückzugs. Fürs Mitdenken, Korrigieren, ­Kaffee, Nervennahrung, Gespräche, Pausen und Ablenkung aller Art danke ich ganz besonders meiner M ­ utter Marie-France und meiner Schwester Adeline, der Familie Pöschl sowie Martin Deuerlein, Almuth Ebke, Benedikt Erforth, Kristin Gitter, Esther Heyer, Bettina Hünerfauth, Martina Keck, Anna Knorreck, Andrea Konzen, Ursula Kummer, Julia Luibrand, Tobias Nägele, Amelie Sagasser und Stefanie Schnabel.

Widmen möchte ich diese Arbeit schließlich denen, bei denen ich mich nicht mehr persönlich für ihre Unterstützung bedanken kann, weil sie den Abschluss ­dieses Projekts nicht mehr erlebt haben. A mes grands-­­parents. C’est avec vous que cette histoire franco-­­allemande a commencé. Und ganz besonders meinem Vater. Du zählst. Mainz, im Februar 2019

8 I Danksagung

Einleitung Wiesbaden im Mai 1946 – zwei Frauen in Militäruniformen, die eine Amerikanerin, die andere Französin, posieren für ein Foto (Abb. 1). Sie stehen neben einer Ritterrüstung und präsentieren verschiedene Kunstwerke: die Amerikanerin, links der Rüstung, zeigt der Kamera ein Gemälde sowie den Kopf einer mittelalterlichen Steinskulptur. Die Französin, rechts, hält in der Linken ein kleinformatiges Gemälde mit einer Heiligendarstellung und in der Rechten den Körper eines Gekreuzigten, dem sowohl die Arme und Füße als auch das zugehörige Kreuz fehlen. Wer waren diese beiden Frauen, und was hat es mit den Objekten auf sich, die sie der Kamera präsentierten? Links im Bild posierte Edith Standen, eine gebürtige Britin, die in den 1920er Jahren in die USA ausgewandert war und die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte. Nach einem Studium der Kunstgeschichte und Museologie in Oxford und Harvard verwaltete sie die Kunstsammlung des amerikanischen Mäzens Joseph Widener, bis diese 1941 der neu gegründeten National Gallery of Art in Washington, D. C., gestiftet wurde. 1943 meldete sich Standen freiwillig für den Kriegsdienst im Women’s Army Corps. 1945 wurde sie Mitglied der Monuments, Fine Arts & Archives Section (MFA&A) und erfüllte bis 1947 verschiedene Funktionen im Bereich der Bergung, Sicherung und Restitution von Kulturgütern. Nach ihrer Rückkehr in die USA begann sie eine Karriere in der Textilienabteilung des Metropolitan Museum of Art in New York.1 Noch schillernder mutet der Werdegang der Französin rechts im Bild an. Rose Valland hatte die Ecole des Beaux-­­Arts in Lyon sowie die Ecole du Louvre in Paris absolviert und arbeitete seit den 1930ern als Attachée de conservation bénévole im Musée du Jeu de Paume, einer Außenstelle des Louvre für die zeitgenössischen Ecoles étrangères. Im November 1940, kurz nach dem Beginn der deutschen Besatzung in Frankreich, wurde das Jeu de Paume vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR ) requiriert, einer dem NS -Chefideologen Alfred Rosenberg unterstehenden Organisation, die zunächst mit der Beschlagnahme von „herrenlosen“ und „reichsfeindlichem“ Bibliotheks- und Archivmaterial beauftragt war, jedoch bald ihre Befugnisse auf die Beschlagnahme jüdischer Kunstsammlungen erweiterte. Das Jeu de Paume wurde in den vier Jahren der Besatzung zum Hauptquartier des ERR in Paris und diente als zentrale Sammelstelle für die beschlagnahmten Kunstwerke.2 Rose Valland gelang es durch die Vermittlung des Directeur des Musées de France, Jacques ­Jaujard, ihren Posten im Jeu de Paume beizubehalten, sodass sie systematisch Informationen über die ­Beschlagnahmen des ERR und die Abtransporte der Objekte nach Deutschland 1 Zu Edith Standens Biografie vgl. Simpson 1997, S. 324. 2 Zum ERR vgl. z. B. Heuß 2000, S. 95 – 134, und die Forschungen von Patricia Kennedy Grimsted, etwa Grimsted 2005, S. 392 – 413.

sammeln konnte.3 Zu Kriegsende war Valland daher diejenige, die über das profundeste Wissen zum Kulturgutraub der Nationalsozialisten in Frankreich verfügte, was sie für eine Schlüsselrolle in den im Herbst 1944 aufgenommenen Operationen zur Wiedererlangung der geraubten Kulturgüter prädestinierte. Als der französische Erziehungsminister René Capitant im November 1944 per Erlass die Commission de Récupération Artistique (CRA , Kommission zur Rückführung von Kulturgütern) ins Leben rief, wurde Valland zur Sekretärin der Kommission berufen. Außerdem wurde sie im Mai 1945 mit dem militärischen Rang eines Beaux-­­Arts-­­Offiziers ausgestattet nach Deutschland geschickt, wo sie bis 1953 verschiedene Missionen zur Rückführung von französischen Kulturgütern erfüllte. Eine dieser Missionen führte sie im Mai 1946 nach Wiesbaden, wo einer der vier großen ameri­ kanischen Central Collecting Points (CCP s) eingerichtet war, in dem in Auslagerungsdepots geborgene Kulturgüter zentralisiert, identifiziert, auf ihre Herkunft überprüft und für die Restitution an ihre Herkunftsländer vorbereitet wurden. Während ihrer Mission entstand das Foto, das Edith Standen und Rose Valland gemeinsam mit identifizierten Kulturgütern zeigt. Die Zusammenstellung der präsentierten Objekte verweist in verdichteter Form auf die verschiedenen Formen nationalsozialistischer Aneignungen während der Besatzung Frankreichs. Die Ritterrüstung etwa, die z­ wischen Standen und Valland positioniert ist, wurde 1940 im Rahmen der systematischen Beschlagnahmen von Militaria durch den „Sonderstab Heeresmuseen“ der deutschen Wehrmacht aus dem Musée de l’Armée im Pariser Invalidendom mitgenommen.4 Die französischen Militaria waren als Beutegut für die verschiedenen Armeemuseen im Deutschen Reich bestimmt, wo sie nach Kriegsende in diversen temporären Missionen in allen vier Besatzungszonen nach und nach ausfindig gemacht und anschließend nach Frankreich zurückgeschickt wurden. Das großformatige Gemälde mit der Katze und dem toten Hahn in Standens rechter und die auf Holz gemalte Darstellung von Johannes dem Täufer in Vallands linker Hand zählten beide zu den Ankäufen des Städelschen Kunstinstituts in Paris im Jahre 1941.5 Die fragmentarische Skulptur eines Gekreuzigten in Vallands rechter Hand wiederum war von der Städtischen Galerie Frankfurt beim Pariser Kunsthändler Charles Lemaire angekauft worden.6 All diese 3 Polack und Dagen 2011. 4 Es handelte sich dabei um die Rüstung des pfälzischen Kurfürsten Otto Heinrich, die von Wiesbaden aus mit Zwischenstopp im CCP Baden-­­Baden nach Paris zurückgeführt wurde. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1946 – 1950 (Neues Schloss Baden-­­Baden), AMAE 209SUP/503 P207, Inv.-Nr. 231, und Property Card WIE 262 Heidelberg, „Armour of Otto Hendrick“, NARA, RG 260, A1, Entry 500, M1947, Roll 99. 5 Property Card WIE 3766 Wildungen, Dutch, 17th century, „Cat and dead Cock“, in: NARA, RG 260, A 1, Entry 500, M1947, Roll 105, und Property Card WIE 4066/1, Dutch 1500 (Colijn de Coter), „St. John the Baptist“, in: NARA, RG 260, A1, Entry 500, M1947, Roll 101. 6 Property Card WIE 4108/2, „The good Thief on the cross“, in: NARA, RG 260, A1, Entry 500, M1947, Roll 109.

10 I Einleitung

Erwerbungen wurden von Frankreich als nichtig betrachtet, da sie unter den Bedingungen der Besatzung des Deutschen Reichs auf dem Kunstmarkt zustande gekommen waren; auch diese Objekte wurden daher aus Wiesbaden nach Paris zurückgeführt. Verweisen die Objektgeschichten auf Aneignung und Raub, so macht die Art, wie Valland und Standen die Objekte für die Kamera präsentierten, die alliierten Bemühungen um die Identifizierung und Rückgabe geraubter Kulturgüter sichtbar. Rose Valland, in französischer Uniform, repräsentiert dabei sowohl die Première Armée française als auch die CRA, während Edith Standen stellvertretend für die amerikanische MFA&A auftritt. Ihr Nebeneinander und ihr Präsentieren der Objekte für die Kamera versinnbildlicht die amerikanisch-­­französische Zusammenarbeit bei der Bergung und Restitution von Kulturgütern. Die praktische Notwendigkeit dieser Zusammenarbeit z­ wischen Franzosen und Amerikanern war durch die allgemeinen Rahmenbedingungen der Besatzung Deutschlands und Österreichs gegeben: Die Festlegung der Zonengrenzen hatte zur Folge, dass der überwiegende Großteil der Auslagerungsdepots, in denen der ERR oder der „Sonderauftrag Linz“ Raubgut französischer Provenienz gesichert hatten, sich in der amerikanischen Besatzungszone befand. Infolgedessen mussten die Franzosen für die Rückführung ­dieses Raubguts Abordnungen in die amerikanische Zone entsenden, die mit den amerikanischen Restitutionsorganen zusammenarbeiteten. Diese Zusammenarbeit wurde von sehr unterschiedlichen nationalen Eigeninteressen begleitet: Die USA waren im Zweiten Weltkrieg weder besetzt gewesen noch hatten sie schwere Kriegszerstörungen im eigenen Land erlitten. Sie traten nach dem Krieg als Siegermacht mit einer zunächst strafenden und später integrativen Besatzungspolitik auf, in der die Restitution von NS -Raubgut als Teil einer Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts konzipiert wurde. Mit der 1947 verabschiedeten Rückerstattungsgesetzgebung in der amerikanischen Zone sollten die Deutschen nicht nur zur Rückgabe von widerrechtlich entzogenem Eigentum verpflichtet, sondern durch die Einsetzung von Wiedergutmachungsämtern auch aktiv an der Umsetzung dieser Rückgaben beteiligt werden.7 Reparationen von Kriegsschäden wurden innerhalb der USA zwar diskutiert, die Restitution von Kulturgütern wurde jedoch letzten Endes nicht mit Reparationen verknüpft, zumal Reparationen für die USA nicht die höchste Priorität hatten. Anders verhielt es sich mit Frankreich, das in den vier Jahren der deutschen Besatzung besonders stark unter dem nationalsozialistischen Kulturgutraub gelitten hatte und daher ein großes Interesse zeigte, das geschädigte nationale Kulturerbe wiederherzustellen und Reparationen von Deutschland zu erhalten. Das Foto, das Valland und Standen Seite an Seite als Repräsentantinnen der jeweiligen amerikanischen und französischen Restitutionsprogramme zeigt, verweist insofern auf eine interalliierte Zusammenarbeit, die von unterschiedlichen politischen Kontexten und Interessen angetrieben war.

7 Vgl. dazu Lillteicher 2007, S. 43 – 62.

Einleitung  I  11

In der Forschung ist die Zusammenarbeit ­zwischen französischen und amerikanischen Akteuren bisher lediglich in Ansätzen behandelt worden. Die Kunsthistorikerin Iris Lauterbach zum Beispiel weist in ihrer Gesamtdarstellung zum Central Collecting Point München darauf hin, dass dort z­ wischen 1945 und 1949 mehrere französische Repräsentanten dafür zuständig waren, die Rücktransporte des Raubguts französischer Herkunft nach Paris zu organisieren, wo dann durch die Commission de Récupération Artistique die eigentliche Rückerstattung an die individuellen Eigentümer abgewickelt wurde.8 Arbeiten wie die von Michael J. Kurtz zur amerikanischen oder die von Claude Lorentz zur französischen Restitutionspolitik haben darüber hinaus die widerstreitenden Positionen Frankreichs und der USA bei der Erarbeitung einer Restitutionspolitik im Alliierten Kontrollrat aufgezeigt.9 In Memoiren beteiligter Akteure wie auch in populären Darstellungen wurde schließlich mehrfach hervorgehoben, dass Rose Valland vom MFA &A-Offizier James Rorimer in Paris überredet werden musste, ihr Wissen zum ERR preiszugeben, was die Entdeckung einiger wichtiger Depots in Neuschwanstein überhaupt erst ermöglicht habe – auf anekdotischer Basis ist insofern wiederholt darauf verwiesen worden, dass auch persönliche Beziehungen, informelle Treffen oder emotionale Faktoren wie gegenseitiges Vertrauen eine wichtige Rolle in der Zusammenarbeit gespielt haben.10 Wenngleich diese verschiedenen Aspekte der interalliierten Zusammenarbeit in groben Zügen bekannt sind, so sind sie jedoch bis heute vor allem aus französischer Perspektive noch nicht in ihrer Gesamtheit beleuchtet worden. Grundsätzlich ist der Forschungsstand zu den französischen Nachkriegsrestitutionen bislang lückenhaft und macht erst seit einigen Jahren nennenswerte Fortschritte, nicht zuletzt weil bis 2008 die Zugänglichkeit zu den Akten der CRA stark eingeschränkt war. Die vorliegende Studie hat daher zum Ziel, aus französischer und amerikanischer Perspektive zu beleuchten, wie die Rückführungen von französischen Kulturgütern aus dem besetzten Deutschland abliefen und wie sie sich in der jeweiligen Besatzungspolitik verorteten. Dabei sind drei Zugänge von besonderer Relevanz: Der erste betrifft die Situierung von Kunstrestitution in den Strukturen der jeweiligen alliierten Besatzungsverwaltungen; der zweite nimmt die Akteure in den Blick, die bei der Umsetzung von Kunstrestitution im Mittelpunkt standen; der dritte befasst sich mit den im Mittelpunkt der Restitutionen stehenden Objekten und der Art, wie sie wahrgenommen wurden. Das Thema Kunstrestitution verortete sich erstens politisch in den interalliierten Debatten und Verhandlungen um die Grundsatzfrage von Kriegsreparationen und Restitutionen. Für die Reparationen und Restitutionen waren die jeweiligen Wirtschaftsabteilungen der einzelnen Militärregierungen und der jeweiligen Kontrollratsgruppen in Berlin zuständig. 8 Lauterbach 2015, S. 101 – 106. 9 Kurtz 2006 und Lorentz 1998. 10 Vgl. Rorimer 1950, S. 110 – 116, und Valland 2014, S. 217 – 218. Vgl. dazu auch Edsel/Witter 2013, S. 239 – 258 und Muller et al. 2009, S. 13 – 18, für die fiktionalisierten Bearbeitungen dieser Darstellung.

12 I Einleitung

In die Praxis umgesetzt wurde Kunstrestitution jedoch mehrheitlich von Akteuren mit einer gewissen Expertise im Umgang mit Kulturgütern, die oftmals gleichzeitig mit kulturpoli­ tischen Aufgaben wie der Kontrolle von Museen oder der Durchführung von Ausstellungen als Teil der re-­­education der deutschen Bevölkerung betraut waren. Die MFA &A zum Beispiel organisierte in den Jahren 1946 bis 1949 insgesamt zehn Kunstausstellungen am CCP Wiesbaden und stand somit nicht nur aufgrund von Restitutionsfragen, sondern auch hinsichtlich kulturpolitischer Aktivitäten mit deutschen Museumsleuten in Kontakt. Diese Aktivitäten sind erst seit einigen Jahren in den Fokus der Forschung geraten und wurden von Tanja Bernsau, Iris Lauterbach und Dorothea Schöne untersucht.11 Ähnliche Befunde einer Koexistenz z­ wischen Kunstrestitution und Kulturpolitik lassen sich auch für die französische Zone feststellen; allerdings verhält sich die forschungsgeschichtliche Entwicklung hier umgekehrt zur Entwicklung für die US -Zone: Während die französische Kulturpolitik, insbesondere die umfassenden Ausstellungsprogramme der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts, bereits seit längerer Zeit ausführlich erforscht und als Keimzelle für die deutsch-­­französischen Kulturbeziehungen nach 1945 interpretiert wurde, hat sich die Forschung bislang kaum mit den Kunstrestitutionen in der französischen Besatzungszone befasst.12 Es ist jedoch davon auszugehen, dass ähnlich wie bei der MFA&A in der US-Zone auch in der französischen die Beaux-­­Arts-­­Offiziere sowohl für Restitution als auch für Kulturpolitik zuständig waren. Zweitens zeigt die genauere Betrachtung der Akteure, dass überwiegend Museumsleute und Kunsthistoriker, die kunsthistorische Expertise und hohe fachliche Qualifikationen mitbrachten, mit Kunstrestitution und Kulturpolitik betraut waren. Die Biografien von Standen und Valland sind durchaus exemplarisch für die Ausbildung, die MFA &A-Offiziere, aber auch Mitglieder der CRA oder die Beaux-­­Arts-­­Offiziere in der französischen Besatzungszone mitbrachten. Die Bildsprache der Fotos, auf denen die Akteure der alliierten Restitutionen gemeinsam mit den Objekten zu sehen sind, spielt im Übrigen häufig auf diese kunsthistorische Expertise an: Die Personen präsentieren der Kamera ausgepackte Objekte oder posieren bei ihrer Arbeit in den Lagerräumen, Restaurierungswerkstätten oder Fotoateliers der Collecting Points. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit sich diese Expertise, berufliches Ethos und Selbstverständnis sowie biografisch bedingte Erfahrungshorizonte auf ihre Arbeit bei Kunstrestitution und Kultur­ politik auswirkten. Drittens ist vor allem bei der Lektüre französischer Quellen die Verwendung des Begriffs patrimoine artistique als Bezeichnung für nach Frankreich zu restituierende Kulturgüter augenfällig. Der Begriff patrimoine leitet sich aus dem römischen Recht her und bezieht sich in seiner ursprünglichen Bedeutung auf Erbe bzw. Vermögenswerte, die unveräußerlich sind und innerhalb einer Familie von Generation zu Generation 11 Vgl. Bernsau 2013, S. 385 – 436, Lauterbach 2015, S. 198 – 218 und Schöne 2016, S. 22 – 91. 12 Vgl. z. B. Zauner 1994, S. 278, Defrance 1994, S. 126, und Schieder 2005, S. 30.

Einleitung  I  13

­weitergegeben werden. Seit den letzten rund 50 Jahren hat der Begriff im Französischen vor allem mit den Ergänzungen national oder culturel die Bedeutung von nationalem Kulturerbe erlangt, das als dem französischen Staat gehörend, unveräußerlich und besonders bewahrens- und schützenswert gilt.13 Bedenkt man, dass dieser Begriff in den Quellen zu den Kunstrestitutionen nach 1945 vor allem von französischen Spezialisten aus dem Kulturbereich verwendet wurde, so stellt sich die Frage, ­welche Konzepte von Kulturerbe diese Akteure vor Augen hatten und w ­ elchen Einfluss die Vorstellung von einem bestimmten patrimoine auf den Umgang mit Kulturgütern im unmittelbaren Nachkriegskontext hatte. Ausgehend von diesen Beobachtungen wird nachfolgend aus akteurszentrierter Perspektive untersucht, wie sich Kunstrestitution in der Besatzungspolitik im Verhältnis von Reparations- und Restitutionspolitik einerseits und Kulturpolitik andererseits situierte. Welche Rolle spielten Kunsthistoriker, Museumsleute, Architekten oder Archivare jeweils in der praktischen Umsetzung der Restitutionsprogramme, und inwieweit wirkten diese Kunstspezialisten auf die jeweilige Gestaltung von Restitution und Kulturpolitik ein? Wie interagierten französische und amerikanische Offiziere miteinander, und wie gingen sie mit deutschen Museumsleuten und Kunsthändlern um, die in den Kulturgutraub verstrickt gewesen waren? In welchem Bezug standen die französischen Rückführungen von Kulturgütern zu den Vorstellungen und Konzeptionen eines sogenannten französischen patrimoine artistique, wie sie unter französischen Kulturschaffenden kursierten? Wie stark wurden also die Aspekte der besatzungspolitischen Praxis, die mit dem Umgang mit Kultur­ gütern in Verbindung standen, durch bestimmte Vorstellungen von der Existenz eines zu bewahrenden oder wieder aufzubauenden nationalen Kulturerbes geprägt?

Forschungsgeschichte Die Thematik der alliierten Kunstrestitutionen knüpft nicht nur an die zeithistorische Forschung zur Geschichte der alliierten Besatzungs- und Kulturpolitik, sondern auch an die Forschung zum Kunst- und Kulturgutraub der Nationalsozialisten an. Wenngleich erste Ansätze zur Aufarbeitung des nationalsozialistischen Kulturgutraubs bereits in der Nachkriegszeit aufkamen,14 ergaben sich die wesentlichen Forschungsimpulse erst nach dem Ende des Kalten Kriegs, als die politische Neuordnung Osteuropas Debatten um offene Vermögensfragen und die Wiedergutmachung von historischem Unrecht anstieß und gleichzeitig viele Archivbestände erstmals zugänglich wurden, die die Erforschung dieser Zusammenhänge erlaubten. Ausgehend von internationalen Verhandlungen um die Entschädigung von Holocaust-­­Überlebenden in den osteuropäischen Staaten und Kontroversen 13 Vgl. dazu z. B. Chastel 1984 – 1992, S. 405 – 450, hier S. 405. 14 Vgl. z. B. Rave 1949 und Brenner 1963.

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um nachrichtenlose Bankkonten und sogenanntes NS -Raubgold in der Schweiz führte die Frage der Aufarbeitung offener Vermögensfragen europaweit zur Einsetzung nationaler Kommissionen zur Untersuchung der Verstrickungen der jeweiligen Regierungen in die Vermögensentzüge der NS -Zeit.15 Forciert wurde diese Aufarbeitung durch die USA , die den Holocaust explizit auf ihre außenpolitische Agenda setzten und eine Geschichtspolitik betrieben, die auch die weltweite Holocaust-­­Erinnerung transformierte, da sie den Umgang mit Vermögensentzug, Restitution und Wiedergutmachung zum integralen Bestandteil dieser Erinnerung machte.16 Diese geschichtspolitischen Entwicklungen auf der Makroebene hatten ihrerseits Rückwirkungen auf die Forschung speziell zum Kunst- und Kulturgutraub der Nationalsozialisten, die in den 1990ern neue Impulse erfuhr. Prägend waren dabei zunächst zwei amerikanische Studien: 1994 legte Lynn H. Nicholas mit „The Rape of Europa“ 17 eine bahnbrechende Untersuchung des Kulturgutraubs der Nationalsozialisten im Dritten Reich und während des Zweiten Weltkriegs vor, die bis heute als Standardwerk gilt. Zwei Jahre später veröffentlichte Jonathan Petropoulos seine Studie „Art as Politics in the Third Reich“, in der er die Strukturen und Entwicklungen der NS -Kunstpolitik nachzeichnete und die Kunstsammeltätigkeit der NS -Führungselite mit einem sozialanthropologischen Ansatz betrachtete.18 In Frankreich war die Entwicklung der Forschung zum NS-Kulturgutraub untrennbar mit den Debatten um die Beteiligung des Vichy-­­Regimes an der stufenweisen Enteignung, Deportation und Ermordung der französischen Juden verknüpft. Am 16. Juli 1995 erkannte Staatspräsident Jacques Chirac in einer Rede anlässlich der Gedenkveranstaltung an die „Rafle du Vel d’Hiv“ 19 erstmalig den Anteil der französischen Regierung unter deutscher Besatzung an der Verfolgung und Deportation der Juden in Frankreich an. Diesem Schritt waren jahrelange Kontroversen um die Anerkennung der Vichy-­­Beteiligung am Holocaust vorausgegangen, die sich auch nach der Chirac-­­Rede fortsetzten und nunmehr den Aspekt der Enteignungspolitik fokussierten. In einer Studie über die Vermögenswerte der Internierten von Drancy machte Serge Klarsfeld publik, dass Vermögenswerte von 15 Vgl. dazu Eizenstat 2003, Surmann 2012, Brunner et al. 2013a und Brunner et al. 2013b. Die Schweiz z. B. setzte 1997 eine unabhängige Expertenkommission unter dem Vorsitz von Jean-­­François Bergier ein, die die Transfers von Vermögenswerten in die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs aufarbeitete. 2001 veröffentlichte die Bergier-­­Kommission einen Teilbericht über die Rolle der Schweiz im NS-Kulturgutraub: Francini et al. 2001. 16 Vgl. dazu Surmann 2012, S. 248 – 254. 17 Nicholas 1994. 18 Petropoulos 1999 für die deutsche Übersetzung. 19 Als sogenannte „Rafle du Vel d’Hiv“ bzw. „Rafle du Vélodrome d’Hiver“ wird eine Großrazzia bezeichnet, die am 16. Juli 1942 im Großraum von Paris stattfand und bei der mehr als 13.000 Juden verhaftet wurden. Ein Teil von ihnen wurde direkt in Drancy interniert, für einen anderen Teil diente das Vélodrome d’Hiver, eine Sporthalle mit Radrennbahn im 15. Arrondissement, als vorläufiges Gefängnis. Conan und Rousso 2014, S. 33.

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französischen Juden dem Staat zugutegekommen und nie an ihre Eigentümer oder Erben restituiert worden waren. Zur gleichen Zeit veröffentlichte der französische Rechnungshof einen Bericht, der die französischen Nationalmuseen in die Kritik brachte. Er verwies auf die Auflösung der Commission de Récupération Artistique 1949 und die Restbestände an Kulturgütern, deren Eigentümer zum Zeitpunkt der Auflösung der CRA noch nicht ausfindig gemacht worden waren. Eine Auswahl d ­ ieses Restbestands war 1949 – 1953 als Sonderbestand „Musées Nationaux Récupération“ (MNR) in die Treuhänderschaft der französischen Nationalmuseen überantwortet worden. Die als Treuhänder fungierenden Museen wurden dabei verpflichtet, die Eigentümer ausfindig zu machen und die fraglichen Kulturgüter zu restituieren. Jedoch hatten die Nationalmuseen seit den 1950er Jahren nur einen verschwindend geringen Anteil an Eigentümer oder Erben zurückgegeben. Der Bericht des Rechnungshofs von 1996 kritisierte die Museen daher für ihre intransparente Handhabe der MNR und die fehlende Forschung zu ihren Eigentumsverhältnissen. Befeuert wurden die Debatten um die MNR durch die Publikation „Le musée disparu“ des Journalisten Hector Feliciano, die den Raub großer jüdischer Sammlungen in Frankreich durch nationalsozialistische Organisationen, die Situation des Pariser Kunstmarkts während der deutschen Besatzung sowie den französischen Umgang mit dem Kulturgutraub nach 1944 darstellte.20 In Reaktion auf die Debatten beauftragte Premierminister Alain Juppé im Frühjahr 1997 den ehemaligen Widerstandskämpfer und Politiker Jean Mattéoli mit der Gründung der „Mission d’Étude sur la Spoliation des Juifs“, die die Verstrickungen des französischen Staates in die Enteignung der französischen Juden in den Jahren 1940 bis 1944 erforschen sollte. Die Mission, die später nach ihrem Leiter als Mission Mattéoli bekannt wurde, publizierte 2000 einen Abschlussbericht sowie mehrere Einzelberichte zu „Arisierungen“ und der Plünderung von Bankkonten, Kunstwerken und Möbeln.21 Für den Teilbericht zum Raub von Kunstwerken unternahmen Isabelle le Masne de Chermont und Didier Schulmann eine Evaluation der Beteiligung der Vichy-­­Administration am Kunstraub und der erfolgten Nachkriegsrestitutionen und ermittelten Informationen zu Herkunft und Zusammensetzung der MNR. Sie kamen zu dem Schluss, dass der Kulturgutraub in Frankreich kein durch französische Gesetzesmaßnahmen sanktionierter staatlicher Raub gewesen sei, sondern von der Vichy-­­Regierung weitgehend abgelehnt wurde, die im Übrigen mehrfach versucht habe, die deutschen Übergriffe auf Kulturgüter zu verhindern.22 Die Nachkriegsrestitutionen der 20 Feliciano 2008. 21 Mission d’Étude sur la Spoliation des Juifs de France 2000. 22 Für diese Einschätzung gingen die Autoren von der grundlegenden Unterscheidung der Kategorien pillage und spoliation aus. Während spoliation die systematische, gesetzlich sanktionierte und durch eine französische Verwaltungsstruktur durchgeführte Enteignung und Beschlagnahme von Vermögenswerten meint, umschreibt pillage die Formen der Enteignung und Plünderung, die sich der gesetzlichen Legitimation durch das Vichy-­­Regime entzogen und gegen das Kriegsrecht verstießen.

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CRA schätzten Le Masne de Chermont und Schulmann als insgesamt sehr erfolgreich ein: von 61.322 wiedergefundenen und nach Frankreich zurückgekehrten Objekten konnten 45.441 restituiert werden. Die aus dem nicht restituierten Restbestand ausgewählten 2.143 MNR setzten sich, so die Ergebnisse der Provenienzrecherchen, wie folgt zusammen: rund 10 % konnten als nachweislich verfolgungsbedingt entzogen eingestuft werden, rund 65 % stammten aus Erwerbungen auf dem Pariser Kunstmarkt. Die Provenienz der restlichen 25 % war unvollständig oder unbekannt.23 Nach dem Abschluss ihrer Recherchen gab die Mission Mattéoli im Jahr 2000 eine Reihe von Empfehlungen an die französische Regierung zum Umgang mit dem Vichy-­­Erbe heraus. Neben Maßnahmen zur Vermittlung der Forschungsergebnisse und der weiteren Forschungsförderung 24 zielten diese auch auf den Umgang mit noch offenen Vermögensfragen ab. Die MNR wurden in einem gedruckten Katalog publiziert und als Online-­ Datenbank zugänglich gemacht.25 Mit der Commission pour l’Indemnisation des Victimes des Spoliations (CIVS) schaffte die französische Regierung ein unabhängiges Gremium, an das bis heute Anspruchsberechtigte, die nach dem Krieg keine Entschädigungen erhalten haben, mit Entschädigungsanträgen herantreten können. Die innerfranzösische Entwicklung situierte sich in einem Kontext gesamteuropäischer und transatlantischer diplomatischer Auseinandersetzungen um NS-Verstrickungen, den Holocaust und offene Vermögensfragen.26 Einen internationalen Kulminationspunkt erreichten die Debatten im Dezember 1998 mit der Washingtoner „Conference on Holocaust Era Assets“, bei der internationale Richtlinien für den Umgang mit NS-Raubgut verabschiedet

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Bezüglich des Raubs von Kulturgütern stellten Le Masne de Chermont und Schumann fest, dass es sich nicht um eine französische spoliation, sondern in erster Linie einen pillage durch deutsche Instanzen gehandelt habe. Mission d’Étude sur la Spoliation des Juifs de France 2000, S. 39, und Le Masne de Chermont 2000, S. 16 – 20. Le Masne de Chermont 2000, S. 60. Infolge der Empfehlungen der Mission Mattéoli wurde z. B. die Fondation pour la Mémoire de la Shoah gegründet, die als Gedenkstätte und Forschungsstätte zum Holocaust fungiert. Eine weitere Empfehlung betraf die Zugänglichkeit der Archive, die zum Zeitpunkt des Projektabschlusses der Mission Mattéoli für die Forschung noch weitgehend gesperrt waren. Vgl. Piketty 2000. Lesné/Roquebert 2004 und Ministère de la Culture (Hrsg.), Site Rose Valland – Musées Nationaux Récupération [Datenbank], URL: http://www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/pres.htm (abgerufen am 01. 03. 2016). Eine Auswahl der MNR wurde außerdem 2008 in der Ausstellung „A qui appartenaient ces tableaux?“ im Musée d’Art et d’histoire du Judaïsme in Paris und dem Israel Museum in Jerusalem gezeigt; Le Masne de Chermont 2008. Auch in Frankreich übten amerikanische Anwälte durch Sammelklagen politischen und juristischen Druck aus. Die französische Historikerin Claire Andrieu ist allerdings der Ansicht, dass weniger die amerikanischen Einflussfaktoren, sondern vor allem der innerfranzösische mediale Druck den Ausschlag für die Gründung der Mission Mattéoli gegeben hatte. Die amerikanischen Class Actions bestimmten jedoch durchaus mit, ­welche Kategorien von Enteignung in den Untersuchungen der Mission besonders stark gewichtet werden mussten. Vgl. Andrieu 2007, S. 148 – 149.

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wurden. Neben der Identifizierung von noch nicht rückerstatteten Kunstwerken und einer Erhöhung der Zugänglichkeit zu Aktenbeständen zur Erforschung des Kunstraubs fordern diese Richtlinien auch eine Suche nach rechtmäßigen Erben und nicht zuletzt die Aufforderung, „faire und gerechte Lösungen“ im Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenen und nicht zurückgegebenen Kulturgütern zu finden. Sowohl die USA als auch Deutschland und Frankreich haben diese Richtlinien ratifiziert.27 Infolge der Washingtoner Konferenz hat die deutsche Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern und kommunalen Spitzenverbänden die sogenannte „Gemeinsame Erklärung von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zur Auffindung und Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern, insbesondere aus jüdischem Besitz“ herausgegeben, in der sie sich zur Recherche nach und Restitution von NS-Raubgut verpflichtet hat.28 Das Bekanntwerden des „Schwabinger Kunstfunds“ im November 2013 hat den politischen Willen zur Überprüfung von Sammlungsbeständen und zur Identifizierung von Raubgut weiter forciert und dazu geführt, dass die finanzielle Förderung von Provenienzforschung weiter gestärkt wurde. Die allmähliche Institutionalisierung der Provenienzforschung hat auch auf die Forschungslandschaft zum national­ sozialistischen Kulturgutraub zurückgewirkt und zu einer Vervielfachung der Publikationen zum Thema beigetragen.29 Da an dieser Stelle kein abschließender Überblick über diese Veröffentlichungen erfolgen kann, sollen nur kurz die allgemeinen Entwicklungen der jüngeren Forschung skizziert werden. Eine der grundlegendsten und aufgrund ihres dezidierten Frankreich-­­Schwerpunkts auch für die vorliegende Studie relevantesten Arbeiten zu den Mechanismen des nationalsozialistischen Kulturgutraubs hat Anja Heuß bereits im Jahr 2000 mit ihrer Dissertation vorgelegt, in der sie den nationalsozialistischen Kulturgutraub in Frankreich und der Sowjetunion vergleichend untersucht hat. Heuß liefert darin eine Beschreibung der verschiedenen, nebeneinander koexistierenden und miteinander konkurrierenden NS-Rauborganisationen anhand ihrer eigenen Aktenüberlieferungen, also im Sinne einer Täterforschung, und zeigt außerdem, ­welche ideologischen Motive den Raub im besetzten Westdeutschland und im

27 Surmann 2012, S. 223 – 229. Der Wortlaut der Washington Principles kann u. a. auf www.lostart.de abgerufen werden: „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden (Washington Principles)“, in: Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (Hrsg.), Lost Art Internet Database [Datenbank], URL: http://www. lostart.de/Webs/DE/Datenbank/Grundlagen/WashingtonerPrinzipien.html;jsessionid=7E946780 B69CEAC84A01E99E02801528.m1 (abgerufen am 01. 03. 2016). 28 Vgl. „Gemeinsame Erklärung“, in: Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (Hrsg.), Lost Art Internet Database [Datenbank], URL: http://www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/Grundlagen/ GemeinsameErklaerung.html (abgerufen am 01. 03. 2016). 29 Einen Überblick über die Bandbreite der Studien bis 2012 gibt z. B. Welzbacher 2012. Dieser muss nun allerdings um eine ganze Reihe jüngerer Studien erweitert werden.

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Kontext des Vernichtungskriegs im Osten jeweils begleiteten.30 Einzelne Facetten ihrer Studie, etwa zum „Sonderauftrag Linz“ oder zu Hermann Görings Kunstsammlung, sind inzwischen in weiteren Einzelstudien aufgegriffen und vertieft worden.31 Neben diesen Studien zu den großen Rauborganisationen und NS -Kunstsammlungen ist das Forschungsfeld insgesamt von einer zunehmenden Vielzahl an Einzelstudien zu einzelnen Museen 32, Sammlern, Kunsthändlern und dem Kunstmarkt im „Dritten Reich“ geprägt.33 Nicht wenige dieser Studien sind direkt oder indirekt aus Provenienzforschungsprojekten an Museen und Archiven hervorgegangen und zeigen, dass diese stets über die empirische Erforschung des einzelnen Objekts hinausgeht und auch die Institutionengeschichte des jeweiligen Museums, die Vorgehensweisen der involvierten Akteure und die Dynamiken des zeitgenössischen Kunstmarkts berücksichtigen muss. Charakteristisch ist für sie daher oftmals ein an den Biografien einzelner Museumsleute oder an den Institutionengeschichten der Museen ausgerichteter empirischer Ansatz, der Handlungsspielräume und Anpassungsstrategien von Museumsleuten im „Dritten Reich“ ebenso offenlegt wie die vielfältigen personellen Vernetzungen z­ wischen Kunsthistorikern, Museumsleuten und der Führungselite in Ministerien und NS -Organisationen. Ergänzt werden diese Forschungsergebnisse außerdem durch zahlreiche Studien zur Kunstpolitik des „Dritten Reichs“, etwa dem Umgang mit „entarteter“ Kunst und NS -Kunst, aber auch die ideologische Vereinnahmung der Kunstgeschichte durch Fotokampagnen in besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkriegs.34 Vor allem in den letzten Jahren haben sich daher die Forschungen zu Kunstpolitik, Kunstmarkt, Händlern, Sammlern, Museumsleuten und einzelnen Museen zu einem zunehmend differenzierten Gesamtbild der allgemeinen Kunst- und Museumsgeschichte des „Dritten Reichs“ verdichtet. Die Zeit nach 1945 wird in der Mehrzahl dieser Studien allerdings nur relativ knapp auf personelle und institutionelle Kontinuitäten hin befragt; eine systematische Auseinandersetzung mit der Kunstrestitutionspraxis der Nachkriegszeit ist hingegen bislang kaum erfolgt.35 Im Vergleich zur deutschen Forschungsentwicklung seit dem Jahr 2000 blieb der Stand der Forschung in Frankreich seit dem Abschluss der Mission Mattéoli zunächst vergleichsweise statisch und hat sich erst in den letzten Jahren ausdifferenziert. So erschienen 2007 und 2008 zwei grundlegende Einzelstudien von Sophie Cœuré zum nationalsozialistischen

30 Heuß 2000. 31 Zum „Sonderauftrag Linz“ vgl. Löhr 2005, Schwarz 2004 und Iselt 2010. Löhrs Publikation ist 2016 in einer erweiterten und bearbeiteten Neuauflage erschienen. Zur Göring-­­Sammlung vgl. Von zur Mühlen und Feiber 2004, Löhr 2009 sowie Yeide 2009. 32 Vgl. z. B. Fleckner 2011 und Rosebrock 2011. 33 Zum Kunsthandel vgl. insbesondere Hopp 2012. Zu einzelnen Sammlergeschichten vgl. z. B. Gramlich 2015 und Bambi et al. 2015. 34 Vgl. z. B. Doll 2005, Heftrig 2008, Fuhrmeister 2011 und zuletzt Baensch et al. 2016. 35 Vgl. dazu auch Gramlich 2018, S. 248 – 249.

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Archivraub und der Nachkriegsgeschichte geraubter französischer Archivbestände 36 sowie von Martine Poulain zum NS -Bibliotheksraub in Frankreich.37 Verschiedene quelleneditorische Projekte haben sich außerdem mit der Rolle von Rose Valland und ihrem Nachlass auseinandergesetzt. So haben die Historiker Emmanuelle Polack und Philippe Dagen im Jahr 2011 die sogenannten „carnets Rose Valland“ – damit sind die handschriftlichen Notizen gemeint, in denen Valland ihrem Vorgesetzten Jacques Jaujard in den Jahren 1941 bis 1944 Informationen über den ERR zukommen ließ – in einer kommentierten Edition herausgegeben.38 2014 erfolgte in einem zweiten Schritt die Herausgabe der erstmals 1961 erschienenen und 1997 neu aufgelegten Memoiren von Rose Valland in einer kommentierten Neuauflage.39 Zusätzlich zu diesen quelleneditorischen Projekten sind seit 2011 zwei weitere Publikationen erschienen, die sich mit dem NS -Kulturgutraub in Frankreich und den Restitutionen der Nachkriegszeit auseinandersetzen. Die amerikanische Historikerin Elizabeth Campbell Karlsgodt hat eine Studie vorgelegt, in der sie die Beaux-­­Arts-­­Administration des Vichy-­­Regimes im Spannungsfeld von Besatzung, Kulturgutraub, Widerstand und Kollaboration analysiert.40 Im Frühjahr 2014 schließlich hat die Historikerin Corinne Bouchoux ihre Dissertation veröffentlicht, in der sie den politischen und medialen Umgang mit der Restitution von geraubten Kulturgütern ab 1945 bis 2008 nachzeichnet.41

36 Cœuré fokussiert insbesondere ­solche Aktenbestände, die im Anschluss an ihren Raub durch die Nationalsozialisten in Frankreich ein zweites Mal, ­dieses Mal durch sowjetische Trophäenkommissionen, geraubt wurden. Dabei fragt sie nach der Nutzung der geraubten Archivbestände in den jeweiligen Kontexten, in die sie durch den mehrfachen Raub versetzt wurden. Die Arbeit von Cœuré ist inzwischen in einer bearbeiteten Neuauflage erschienen, in die Rechercheergebnisse basierend auf dem zwischenzeitlich zugänglich gewordenen „fonds dit de la Récupération Artistique“ eingearbeitet werden konnten; Cœuré 2013. 37 Poulain beschreibt die Mechanismen des Bibliotheksraubs der Nationalsozialisten, aber auch die Kollaboration beispielsweise der Bibliothèque nationale de France und nimmt darüber hinaus in den Blick, w ­ elchen Einfluss ideologische Kontrollen und Verbote bestimmter Publikationen auf das Leseverhalten im besetzten Frankreich hatten. Die Neuauflage von 2013 schließt auch ein Kapitel zu den Restitutionen von geraubten Büchern ein, die ab 1945 von der Sous-­­Commission des Livres, einer Unterabteilung der CRA, durchgeführt wurden; Poulain 2008. 38 Polack/Dagen 2011. Die Bezeichnung von Vallands Notizen als „carnets“ durch den Titel der Quellenedition ist leicht irreführend, da es sich eben nicht um gebundene Notizbücher handelt, sondern um eine lose Folge von einzelnen Papieren bzw. durchnummerierten Folioblättern, die Valland regelmäßig alle paar Wochen oder Monate gebündelt an Jaujard übergab. 39 Valland 2014. 40 Karlsgodt 2011. 41 Bouchoux 2013.

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Quellenlage Die Phasen der Stagnation in der französischen Forschungsentwicklung sind auch auf den Umstand zurückzuführen, dass der wichtigste französische Aktenbestand zu Nachkriegsrestitutionen, nämlich der „fonds dit de la récupération artistique“ im Archiv des französischen Außenministeriums, bis 2008 einer Sperrfrist unterlag und der Forschung nicht zugänglich war. Auch nach seiner Freigabe zog sich die Klassifizierung des Bestands und die Erstellung eines einheitlichen Findbuchs über mehrere Jahre hin, was auch seiner Heterogenität und seiner komplexen Überlieferungsgeschichte geschuldet ist. Aufgrund der Zentralität dieser Akten für die vorliegende Studie soll Letztere kurz skizziert werden. Ein großer Teil des Bestands setzt sich aus den Akten zusammen, die die Commission de Récupération Artistique während ihres Bestehens z­ wischen 1944 und 1949 produziert hat. Diese Akten umfassten die diversen Karteien und Objektlisten, mit denen die aus Deutschland zurückgeführten Kulturgüter erfasst und katalogisiert wurden, sowie die Restitutionsanträge der Eigentümer. Neben diesen auf die eigentlichen Restitutionsvorgänge bezogenen Akten enthält der Bestand jedoch auch die Verwaltungsakten der CRA, ihre ­Korrespondenzen mit den alliierten Militärregierungen in Deutschland sowie ihre Schriftwechsel mit den ihr übergeordneten Ministerien. Aufgrund ihrer Zuständigkeit für Kulturgüter unterstand die CRA der Direction générale des Arts et Lettres im Erziehungsministerium. Da ihre Aufgabe aber letztlich auf die Restitution von geraubtem Eigentum abzielte, war sie zugleich dem Office des Biens et Intérêts Privés (OBIP) unterstellt, einem Spezialbüro, das nach dem E ­ rsten Weltkrieg erstmals ins Leben gerufen worden war, um die Restitution von materiellen Gütern aller Art aus dem Ausland an Frankreich abzuwickeln. Aufgrund der doppelten Rückbindung des OBIP an das Außen- sowie das Finanzministerium war die CRA nicht nur dem Erziehungsministerium, sondern auch dem Außen- und dem Finanzministerium untergeordnet. Nach der Auflösung der CRA im Dezember 1949 wurden sowohl die bis dato nicht restituierten Kulturgüter als auch die noch offenen Restitutionsanträge an das OBIP übergeben, das seinerseits die Restitutionsarbeit bis 1953 fortsetzte. Der Auflösung der CRA zum Trotz wurde gleichzeitig die Rückführung von Kulturgütern aus Deutschland fortgesetzt. Dazu wurden auch die in der französischen Besatzungszone angesiedelten französischen Behörden für die Restitution reorganisiert und in einem Service de Remise en Place des Œuvres d’Art (SRPOA) unter der Leitung von Rose Valland zusammengefasst. Hierzu wurden alle vor 1949 in der französischen Besatzungszone produzierten Akten zur récupération artistique 42, darunter die Karteien, Inventare und Korrespondenzen des CCP Baden-­­Baden, in den SRPOA überführt. Dies hatte zur Folge, dass die Akten zur récupération artistique in die französische Besatzungszone vollständig aus dem Gesamtbestand der französischen Besatzungsakten herausgelöst und demzufolge auch nicht an das Colmarer ­Besatzungsarchiv 42 Zum Begriff der récupération artistique vgl. den Abschnitt zur Begriffsklärung in dieser Einleitung.

Quellenlage  I  21

abgegeben wurden. Nach ihrer Rückkehr aus Deutschland nämlich wurde Rose Valland an die Spitze des Service de Protection des Œuvres d’Art berufen, wo sie weiterhin für Restitutionsfragen zuständig war. Damit sie in dieser Funktion die noch offenen Dossiers der récupération artistique weiter betreuen konnte, wurden nicht nur die Akten des SRPOA, sondern auch die der CRA und des OBIP 1955 der Direction des Musées de France überlassen. Somit wurden die Archives des Musées Nationaux offiziell für die Verwaltung dieser Archivbestände zuständig. Aus Platzgründen konnten die Restitutionsakten jedoch zu keinem Zeitpunkt in deren Depots eingegliedert werden, weshalb man sie außerhalb von Paris zwischenlagerte. Auch die Akten von Vallands Service de Protection des Œuvres d‘Art wurden nach ihrem Tod 1980 bis auf wenige Ausnahmen 43 ins Château Mailmaison in BoisPréau ausgelagert. Die Akten der CRA, des OBIP, der Sous-­­Direction des Beaux-­Arts und des CCP Baden-­­Baden, der französischen Missionen in der US-Zone, des SRPOA und des SPOA, aus denen sich der Bestand inzwischen zusammensetzte, waren zu ­diesem Zeitpunkt noch nie nach archivalischen Gesichtspunkten klassifiziert worden. 1992 wurden die Akten, die inzwischen informell als fonds Rose Valland bezeichnet wurden, aus Bois-­­Préau ins Archiv des französischen Außenministeriums überführt, blieb aber aus Datenschutzgründen für die Forschung gesperrt.44 1997 – 2000 erhielt die Mission Mattéoli eine Sondergenehmigung für die Recherchen in dem Archivbestand. In der Regel aber mussten die wichtigen Forschungsbeiträge dieser Zeit, etwa Lynn Nicholas’ „The Rape of Europa“ und Hector Felicianos „Le Musée disparu“, ohne diese Quellengrundlage auskommen. Auch nach der Freigabe des Bestands für die Forschung im Jahr 2008 blieb seine Zugänglichkeit faktisch eingeschränkt, da es kaum Findmittel gab, die einen vollständigen Eindruck der Bestandszusammensetzung vermitteln konnten. Erst seit 2014 sind vollständige Bestandsübersichten mit Kurzbeschreibungen aller 1062 Archivkartons online sowie in einer Datenbank im Repertoriensaal des Archivs abrufbar.45 Der „fonds dit de la récupération artistique“ ist nicht der einzige französische Aktenbestand, der Material zu den französischen Nachkriegsrestitutionen enthält. Da innerhalb der Besatzungszone die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts und ihre regionalen Ableger in den einzelnen Provinzen der Zone für die récupération artistique zuständig waren, finden sich auch in ihren Akten einzelne Hinweise auf die Restitution von NS-Raubgut. Da allerdings die 43 In den Archives des Musées Nationaux verblieben lediglich ein Teil der persönlichen Papiere ­Vallands, ihre an Jacques Jaujard adressierten Notizen aus dem Jeu de Paume sowie die Fotoabzüge, die sie sich beim ERR angeeignet hatte. 2015 sind diese Akten teils an die Archives diplomatiques abgegeben, teils zusammen mit dem Gesamtbestand der Archives des Musées Nationaux ins französische Nationalarchiv überführt worden. 44 Hamon 1995, S. 60 – 62. 45 Ministère des Affaires étrangères et européennes (Hrsg.), Archives diplomatiques: Fonds d’archives liés aux suites de la Seconde Guerre Mondiale [Website], URL: http://www.diplomatie.gouv.fr/ fr/archives-­­diplomatiques/s-­­orienter-­­dans-­­les-­­fonds-­­et-­­collections/fonds-­­et-­­collections-­­d-­­archives/ article/fonds-­­d-­­archives-­­lies-­­aux-­­suites#sommaire_1 (abgerufen am 07. 08. 2017).

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Mehrzahl der Akten zur récupération artistique in der französischen Besatzungszone 1949 an den SRPOA übergeben wurden und somit später im „fonds dit de la récupération artistique“ aufgingen, enthalten die Akten der Kulturabteilung der französischen Militärregierung nur noch fragmentarische Verweise auf das Restitutionsprogramm, die für sich genommen kein vollständiges Bild der récupération artistique in der französischen Besatzungszone wiedergeben können. Dieser Befund erklärt auch, warum in bisherigen Studien zur französischen Kunstpolitik die Rückführung von geraubten Kulturgütern als eher marginales Phänomen wahrgenommen wurde. Erst unter Einbezug der Aktenüberlieferung, die sich im „fonds dit de la récupération artistique“ befindet, ist eine detaillierte Rekonstruktion der Abläufe und Verwaltungsstrukturen bei der Rückführungen von Kulturgütern aus der französischen Besatzungszone überhaupt möglich. Querverweise auf die französischen Rückführungen von NS-Raubgut aus Deutschland finden sich auch im Archivmaterial zum amerikanischen Restitutionsprogramm, also den Central Collecting Points und der Tätigkeit der MFA&A, das sich in den National Archives and Records Administration (NARA) in College Park befindet und dort in der sogenannten „Ardelia Hall Collection“ zusammengefasst ist. Ein Teil dieser Überlieferung ist außerdem in Form von Kopien, die zu Beginn der 1950er Jahre für die Treuhandverwaltung für Kulturgut beim Auswärtigen Amt (TVK) angefertigt wurden, im Bundesarchiv Koblenz erhalten. Da die Überlieferungen in Washington und Koblenz nicht komplett deckungsgleich sind, ist vor allem für die Rekonstruktion der sukzessiven Übergabe der CCP-Restbestände in deutsche Treuhänderschaft eine Konsultation sowohl der National Archives als auch des Bundesarchivs unerlässlich. Zur Vervollständigung der US-Perspektive auf die Restitutionen tragen schließlich die Nachlässe von MFA&A-Offizieren wie James J. Rorimer, Thomas Carr Howe, Craig Hugh Smyth, Edith Standen oder S. Lane Faison in den Smithsonian Archives of American Art sowie dem Archiv der National Gallery of Art, Washington, D. C., sowie die Memoiren dieser Akteure bei.

Methode Die Kunstrestitutionen der Nachkriegszeit und ihre Verknüpfungen zu den alliierten kunstpolitischen Aktivitäten im besetzten Deutschland sind nicht allein in der Kontinuität der Forschungen zum nationalsozialistischen Kulturgutraub oder der Provenienzforschung zu verorten. Vielmehr stellen sie einen Nexus dar, an dem verschiedene historische, kunsthisto­ rische und nicht zuletzt juristische Forschungsrichtungen aufeinandertreffen. Das Thema Kunstrestitution lässt sich zum Beispiel in den größeren Kontext der Forschungen zu Rückerstattung und Wiedergutmachung einordnen und berührt insofern Fragen der deutschen Vergangenheitsbewältigung, Erinnerung und Geschichtspolitik.46 Aufgrund der juristischen 46 Vgl. dazu Goschler 2005, Goschler und Ther 2003 und zuletzt Brunner et al. 2013b.

Methode  I  23

Relevanz der Kunstrestitutionen der Nachkriegszeit für die heutige rechtliche Praxis bei Rückerstattungsforderungen existiert darüber hinaus ein Zweig der Rechtsgeschichte, der sich gezielt mit den juristischen Aspekten der alliierten Rückerstattungspolitik nach 1945 auseinandersetzt.47 Gleichzeitig verorten sich die Entwicklung der alliierten Restitutionspolitik, ihre praktische Umsetzung und die Frage nach ihrem Verhältnis zur jeweiligen Kulturpolitik innerhalb der Forschungen zur alliierten Besatzungsgeschichte. Schließlich lässt sich der Umgang mit Kulturgütern im Kontext von Krieg und Besatzung auch dem Forschungszweig der Geschichte der Kunstgeschichte sowie der Museumsgeschichte zuordnen, die sich beispielsweise mit dem Einfluss des napoleonischen Kunstraubs auf die Entstehungsgeschichte der öffentlichen Museen, aber auch mit der Politisierung der Kunstgeschichte durch Kunstschutz und Forschungsprojekte in besetzten Gebieten während des ­Ersten und Zweiten Weltkriegs befassen.48 Da nachfolgend die französischen und amerikanischen Restitutionsprogramme, ihre Interaktionen und ihre Verknüpfungen zur jeweiligen Kunst- und Kulturpolitik im Mittel­ punkt stehen, versteht sich die Untersuchung primär als Beitrag zur alliierten Besatzungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Bewusst wird dabei jedoch gerade nicht das Hauptaugenmerk auf die politischen Entscheidungsprozesse in Washington und Paris, der interalliierten Kommissionen, des Alliierten Kontrollrats und der oberen Ränge der jeweiligen Militärregierungen gelegt. Stattdessen wird ein akteurszentrierter Zugriff gewählt, der auf der Ebene der praktischen Umsetzung der Restitutionsprogramme sichtbar machen soll, ­welche transnationalen Interaktionen, Austauschprozesse, Bedeutungszuschreibungen und Formen von Wissenszirkulation den Umgang mit Kulturgütern im besetzten Deutschland begleiteten. Für diese Betrachtung von unten soll mitberücksichtigt werden, über w ­ elche biografischen und beruflichen Erfahrungen, Qualifikationen und Horizonte die jeweiligen Akteure, d. h. Kunsthistoriker, Museumsleute, Architekten und Archivare in der MFA &A und der französischen Section Beaux-­­Arts, verfügten und in welcher Form sie diese bei ihrer Tätigkeit einbrachten. Diese Herangehensweise ermöglicht es nicht nur, anhand des Spannungsverhältnisses von Restitution und Kulturpolitik einen Teil der Besatzungs­ geschichte in einer Perspektive zu betrachten, die die Bedeutung von Personenbeziehungen, individuellen Handlungsspielräumen und das Wechselspiel z­ wischen politischen Konzeptionen und deren praktischer Umsetzung hervorhebt. Der auf die Akteure in ihrer Eigenschaft als Experten fokussierte Zugriff eröffnet gleichzeitig den Blick für die Frage nach dem Verhältnis von Kunstgeschichte, Politik und Propaganda, wie sie die Geschichte der 47 Vgl. dazu z. B. Hartung 2004, Armbruster 2008 oder Hofacker 2004. 48 Zum napoleonischen Kunstraub und seiner Rückwirkung auf die Museumsgeschichte des 19. Jh., vgl. Savoy 2003. Zum Kunstschutz im ­Ersten Weltkrieg vgl. z. B. Kott 2006, zum Zweiten Weltkrieg vgl. Kott 2008. Zur politischen Vereinnahmung der Kunstgeschichte im Dritten Reich und ihre Verknüpfungen mit dem Kunstschutz in Westeuropa 1940 – 1944, vgl. auch Doll 2003 und Fuhrmeister 2011.

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­ unstgeschichte bereits für Forschungen zu Kunstraub und Kunstschutz vor 1945 gestellt K hat. Studien zur transnationalen Museumsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert zeigen, dass seit der napoleonischen Epoche und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verschiedene Kriege unter anderem von Diskussionen um Kunstraub aus vergangenen Konflikten und von wechselseitigen Rückforderungen von national bedeutsamen Kulturgütern begleitet waren. Sowohl im Deutsch-­­Französischen Krieg als auch im E ­ rsten Weltkrieg wurden auf deutscher Seite verschiedene Rückforderungen rund um Kulturgüter laut, die in der napoleonischen Zeit nach Frankreich verbracht und nicht restituiert worden waren. Am Ende des ­Ersten Weltkriegs forderten außerdem verschiedene französische Intellektuelle und Kunsthistoriker, dass Kriegsreparationen und Entschädigungen in Form von Kulturgütern aus deutschen Museen eingezogen werden sollten.49 Auf deutscher Seite wurde die Rückführung von Raubgütern aus napoleonischer Zeit im Zusammenhang des Zweiten Weltkriegs und der Besetzung Frankreichs ein weiteres Mal diskutiert, als der Generaldirektor der Berliner Museen Otto Kümmel mit der Erstellung von Listen mit zurückzuführenden Objekten beauftragt wurde. Nicht nur d ­ ieses Beispiel, sondern auch die Involvierung Wilhelm von Bodes in Rückforderungsdiskurse im ­Ersten Weltkrieg zeigt, dass diese wechselseitigen Rückforderungen von Raubgütern keine rein politischen Forderungen waren, sondern auch innerhalb des Museumsbereichs und bei Kunsthistorikern kursierten.50 Aus ­diesem Zusammenhang stellt sich einerseits die Frage, inwieweit der Kulturgutraub der Nationalsozialisten und die Restitutionen nach dem Kriegsende innerhalb einer längeren museumsund kunsthistorischen Kontinuitätslinie betrachtet werden müssen. Zum anderen schließt sich daran die Frage an, inwieweit die Restitutionen und kulturpolitischen Aktivitäten der MFA &A und der französischen Beaux-­­Arts-­­Offiziere einen Präzedenzfall und einen Bruch mit dieser Vorgeschichte der wechselseitigen Raubzüge und nationalen Rückforderungen von Kulturgütern darstellten. Dies schließt zugleich die Frage ein, inwieweit auch der alliierte Kunstschutz als Beispiel für die Politisierung von Kunstgeschichte im Kriegs- und Besatzungskontext betrachtet werden kann. Die auf die Akteure fokussierte Perspektive ermöglicht es somit, anhand eines Teils der alliierten Besatzungsgeschichte zugleich Rückschlüsse auf museumsgeschichtliche Entwicklungen sowie zeitgenössische Konzepte von europäischem Kulturerbe zu ziehen. Gezeigt werden soll letztlich, dass vor allem der französische Umgang mit Kulturgütern in der Nachkriegszeit, sowohl im Bereich der Restitutions- als auch der Kulturpolitik, nicht nur von einer bestimmten Vorstellung des französischen patrimoine artistique geprägt war, sondern ­diesem patrimoine auch eine wesentliche Funktion im Wiederaufbau und der Selbstvergewisserung Frankreichs als Kulturnation zukam. Demgegenüber spielte der Schutz der European treasures für die MFA&A vor allem im unmittelbaren Kriegskontext der Jahre 1944 – 1945 eine Rolle, als die Kunstschutzoffiziere die amerikanischen Truppen auf ihrem Vormarsch begleiteten 49 Vgl. dazu Kott 1997, hier S. 12 – 14 und S. 19 – 20. Vgl. auch Kott 2013, S. 1355 – 1358. 50 Kott 2013, S. 1356. Vgl. auch Savoy 2003, S. 293 – 314.

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und ihre Aufgabe als regelrechte „Rettungsmission“ der europäischen Kulturschätze verstanden. Besatzungspolitisch gesehen war der Stellenwert von sowohl Kunstrestitution als auch Kulturpolitik der MFA&A verhältnismäßig gering. Die Restitutionspolitik wurde erst ab dem Sommer 1945 im Alliierten Kontrollrat wirklich detailliert konzipiert und sollte bereits 1948 abgeschlossen werden. Kulturpolitische Programme wiederum gewannen erst ab etwa 1947 an Bedeutung und standen im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der amerikanischen Besatzungspolitik angesichts des heraufziehenden Kalten Kriegs. Das Narrativ einer „Rettungsmission“ der European treasures, wie es die Mitglieder der MFA&A selbst produzierten, stand insofern in einem gewissen Kontrast zur tatsächlichen politischen Relevanz ihrer Arbeit. Diese Kernthesen werden in drei Schritten analysiert. Im ersten Teil der Arbeit stehen zunächst die Interaktionen ­zwischen Franzosen und Amerikanern im Mittelpunkt. Restitution von Kulturgütern wurde im französisch-­­amerikanischen Verhältnis auf verschiedenen Wegen politisch verhandelt und inszeniert sowie praktisch umgesetzt. Die wechselseitigen Einflüsse und Rückkoppelungen ­zwischen politischen Entscheidungen, diplomatischen Verhandlungen und Restitutionspraxis sollen daher als Verflechtungen untersucht werden. Der Ansatz der Verflechtungsgeschichte bzw. der histoire croisée stellt eine Fortentwicklung des Ansatzes der transferts culturels oder des Kulturtransfers dar, der seinerseits in den späten 1980er Jahren von Michel Espagne und Michael Werner entwickelt wurde.51 Beide Ansätze liefern für die vorliegende Studie wichtige Impulse. Ausgangspunkt des Kulturtransfer-­­Ansatzes ist der Befund, dass nationale Kulturen nicht als abgeschlossene, völlig voneinander unabhängige Entitäten koexistieren, sondern sich vielmehr durch wechselseitige Austauschprozesse konstituieren. Dies geschieht über die Auseinandersetzung mit Elementen aus fremden Kulturen, die über Mechanismen der Rezeption und Adaption in die jeweils eigene Kultur übernommen oder aber zurückgewiesen werden.52 Der Ansatz des Kulturtransfers lässt sich sehr gut auf Forschungen zu Raub und Restitution beziehen. So stellt etwa Bénédicte Savoy in ihrer Studie zu den napoleonischen Raubzügen und den Restitutionen von 1815 die Frage, inwieweit der mehrfache materielle Transfer von Objekten deren ideelle Bedeutungszuschreibungen in den jeweiligen Empfängerkulturen veränderte oder den Transfer von Ideen, Konzepten oder Wissen bedingte. Sie zeigt auf, dass der Raub bestimmter Objekte überhaupt erst dazu führte, dass diese an ihren Herkunftsorten als national relevantes Kulturgut wahrgenommen wurden, und dass die museale Inszenierung der erbeuteten Güter im Musée Napoléon in Paris langfristig Modellcharakter für die Entwicklung von europäischen Museen im 19. Jahrhundert besaß.53 51 Espagne und Werner 1988. 52 Werner und Espagne 1988. 53 Savoy 2003, S. 416 – 418.

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Auch die Restitution von Kulturgütern nach dem Zweiten Weltkrieg lässt sich als Objekttransfer interpretieren und wirft insofern die Frage auf, inwieweit Kulturgüter, die durch die kriegs- und entzugsbedingten Ortswechsel aus ihren eigentlichen Kontexten herausgelöst und in neue hineinversetzt wurden, durch die Rückkehr in den ursprünglichen Kontext eine erneute Veränderung ihrer Bedeutungszuschreibungen erfahren. Der Kulturgutraub der Nationalsozialisten war nicht nur ein materieller, sondern auch geistiger und ideologischer Aneignungsprozess, bei dem geraubte Kulturgüter z. B. als Teil des germanischen Erbes umgedeutet oder für Forschungszwecke im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie herangezogen wurden.54 Aus d ­ iesem Befund ergibt sich die Frage, ob bei der Rückführung der Objekte die nationalsozialistische Aneignung quasi rückgängig gemacht wurde, indem die zurückgeführten Kulturgüter erneut mit anderer Bedeutung aufgeladen wurden. Durch die Betrachtung der Rückführung als Objekttransfer wird es somit möglich, die Bedeutungsebene der Kulturgüter selbst mit einzubeziehen und danach zu fragen, wie die Akteure mit den Objekten umgingen und ­welche Werte und Bedeutungen sie ihnen zuschrieben. Neben den objektbezogenen Perspektiven eröffnet der Transfer-­­Ansatz auch Zugänge zur Untersuchung der Akteursebene. So lässt sich etwa danach fragen, inwieweit die Interaktion und Zusammenarbeit von Amerikanern und Franzosen als Transfer begriffen werden kann, etwa wenn Informationen über die Lage von Kunstdepots oder bestimmte nationalsozialistische Rauborganisationen weitergegeben wurden. Handelte es sich dabei um einen ausgeglichenen Wissenstransfer, der in beide Richtungen funktionierte, oder flossen Informationen verstärkt von einer Richtung in die andere, aber nicht in gleichem Maße zurück? Unter dieser Perspektive können die Mechanismen des Wissenstransfers auch Aufschluss über die Dynamik der Zusammenarbeit ­zwischen Amerikanern und Franzosen geben. Die Verfechter der histoire croisée haben darauf hingewiesen, dass das Konzept der transferts culturels zwar diachrone Vorgänge wie Aneignungsprozesse und Interaktionen gut erfassen kann und dabei über nationale Bezugsrahmen und Kategorien reflektiert wird, sich die Untersuchungen aber dennoch weiterhin in eben diesen nationalen Bezugsrahmen bewegen und damit Kategorien konsolidieren, statt sie in Frage zu stellen.55 Kritisch wurde auch gesehen, dass der Kulturtransfer-­­Ansatz zwar die Untersuchung eines linearen Aneignungsprozesses ­zwischen zwei Entitäten ermögliche, jedoch die Rückwirkungen des Transfers auf seinen Ausgangspunkt – quasi die Rückkopplungseffekte des Prozesses – nur bedingt miteinbezogen werden könnten. Generell kann der Kulturtransfer-­­Ansatz darüber hinaus multilateralen Austauschprozessen nur in begrenztem Maß Rechnung tragen. Um dieser Multilateralität und den Rückbindungen von Transferprozessen an ihre Ausgangspunkte gerecht zu werden, schlagen Michael Werner und Bénédicte Zimmermann den Ansatz der histoire croisée vor, der eine pragmatische, von spezifischen Fragestellungen und Problemen ausgehende Herangehensweise sowie eine Pluralität der Blickwinkel fordert. 54 Heuß 2000, S. 276 und S. 350 – 355. 55 Werner 2002, S. 612 – 615.

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Mit den Schlagworten der Multiperspektivität und Reflexivität verbindet sich für sie der Anspruch, aus verschiedenen Perspektiven heraus an eine Problemstellung oder einen Gegenstand heranzutreten, dadurch a priori existierende Kategorisierungen in Frage zu stellen und nicht zuletzt den eigenen Beobachterstandpunkt als Forscher, der den Gegenstand konstruiert, mitzureflektieren.56 Die praktische Umsetzbarkeit von histoire croisée-­­Studien, die den Beobachterstandpunkt und Erkenntnisprozess des Forschers sichtbar machen und dadurch eine ständige Feinjustierung und Anpassung der eigenen Analysekategorien in diese einschließen, ist seither durchaus in Zweifel gezogen worden.57 Häufig werden daher die Verflechtung bzw. die entangled history oder auch die shared history als Alternativen für die histoire croisée angeführt. Auch bei ihnen geht es darum, multiperspektivisch an Fragestellungen heranzugehen und rein nationalgeschichtliche Bezugsrahmen zugunsten einer relationalen Perspektive aufzugeben, die Austauschprozesse und Interaktionen ­zwischen verschiedenen Entitäten in den Mittelpunkt rückt.58 Wie auch bei der histoire croisée sollen diese Prozesse in ihren jeweiligen Überkreuzungen und Interdependenzen betrachtet werden; anders als die histoire croisée bestehen sie jedoch weniger explizit auf der wiederholten Sichtbarmachung und Reflexion des eigenen Beobachterstandpunkts, was diese Ansätze praktikabler erscheinen lässt. Grundsätzlich herrscht inzwischen in der Forschung Konsens darüber, dass Vergleich, Transfer und Verflechtung nicht als konkurrierende, sondern sich ergänzende Konzepte zu betrachten sind und letztlich die jeweilige Fragestellung einer Studie ausschlaggebend dafür ist, ob ein Gegenstand eher als Transferprozess oder in einer Verflechtung begriffen werden muss.59 Für den Gegenstand der vorliegenden Studie soll der transfert culturel-­­Ansatz vor allem deshalb um die Perspektive der Verflechtungsgeschichte ergänzt werden, weil über das Konzept der Verflechtung die Vielfältigkeit der Interaktionen z­ wischen den verschiedenen französischen und amerikanischen Akteuren schärfer bestimmt werden kann. Die französisch­­ amerikanischen Interaktionen waren zwar, etwa über den Transfer von Wissenselementen oder den materiellen Objekttransfer bei der Restitution von Kunstwerken, von Kulturtransferprozessen begleitet. Allerdings handelt es sich bei den Interaktionen gerade nicht um lineare Transferbewegungen, sondern um multilaterale, sich überkreuzende Austauschprozesse, die

56 Ebd., S. 617 – 627. 57 Vgl. dazu z. B. Bauerkämpfer 2011, S. 48 – 49. 58 Die Begriffe der entangled oder shared history sind vor allem im Bereich der Postcolonial Studies geläufig. Verflechtung zielt in diesen Forschungszusammenhängen vor allem darauf ab, die eurozentrische Perspektive aufzugeben und stattdessen von einer Verwobenheit und Vielfältigkeit der Austauschbeziehungen ­zwischen Europa und der außereuropäischen Welt auszugehen. Vgl. Conrad und Randeria 2002, S. 18. 59 Arndt et al. 2011, S. 13 – 16.

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dementsprechend multiperspektivisch betrachtet werden müssen. Dies bedeutet nicht allein, dass die jeweiligen französischen und amerikanischen Akteure als zwei verschiedene Ausgangspunkte gefasst werden müssen, deren Zusammentreffen bei der Restitution von Kunstwerken einen Moment der Überkreuzung darstellt, aus dem das Phänomen Kunstrestitution nach dem Zweiten Weltkrieg seine spezifische transnationale Ausprägung entwickelte. Zugleich muss miteinbezogen werden, dass die Interaktionen z­ wischen Franzosen und Amerikanern auf verschiedenen Ebenen stattfanden, die ihrerseits miteinander verschränkt waren und aufeinander rückwirkten: Interagiert wurde zum einen in Form politischer Verhandlungen im Alliierten Kontrollrat sowie auf der Ebene der jeweiligen diplomatischen Vertretungen; zum anderen fanden Interaktionen bei der praktischen Restitutionsarbeit in den Central Collecting Points statt. Nicht immer waren diese Ebenen deckungsgleich. Zum Teil gab es auf der praktischen Ebene bereits erste Restitutionen, noch bevor der Kontrollrat über alle Einzelheiten der Restitutionspolitik entschieden hatte. Umgekehrt führten die teils langwierigen Debatten des Kontrollrats etwa zur Frage der restitution in kind, also der Idee, ein kriegsbedingt verschollenes oder zerstörtes Kulturgut durch die Aneignung eines gleichwertigen Kulturguts auszugleichen, zur Blockade bestimmter Austauschprozesse ­zwischen den einzelnen Besatzungszonen.60 Überdies stiegen ab 1948/49 mit dem allmählichen Rückzug der Amerikaner aus den Kunstrestitutionen die deutschen Treuhänder für die noch nicht restituierten Bestände zu neuen Verhandlungspartnern in der Restitutionspolitik auf. Auch diese Verschiebungen wirkten sich spezifisch auf sowohl die politische Aushandlung von Resti­ tution als auch ihre prak­tische Umsetzung aus. Der Verflechtungsansatz kann insofern dabei helfen, Rückkopplungen und Ungleichzeitigkeiten z­ wischen Politik und Praxis der Resti­ tutionen sichtbar zu machen und somit die Vielschichtigkeit der französisch-­­amerikanischen Zusammenarbeit und ihrer Beziehungen zu deutschen Akteuren hervorzuheben. Auch für den zweiten Teil der Arbeit, der sich innerhalb der französischen bzw. amerikanischen Besatzungszone mit dem jeweiligen Verhältnis ­zwischen Kunstrestitution und Kulturpolitik beschäftigt, bieten die Ansätze von Kulturtransfer und Verflechtung wesentliche methodische Grundlagen, speziell wenn man sie auf die jeweiligen Akteure in den Besatzungszonen bezieht. Für den Bereich der deutsch-­­französischen Kunstbeziehungen nach 1945 hat etwa Martin Schieder analysiert, inwieweit Beaux-­­Arts-­­Offiziere, Künstler oder Kunstkritiker in Deutschland als kulturelle Vermittler auftraten, die die Rezeption französischer Kunst im Deutschland der Nachkriegszeit – und umgekehrt der deutschen Kunst in Frankreich – ermöglichten.61 Auch die amerikanische Kunstpolitik und die Rezeption amerikanischer Kunst im Deutschland der ersten Nachkriegsjahrzehnte sind bereits als Formen transatlantischen Kulturtransfers untersucht worden.62 60 Zur juristischen Definition und den Problemen, die sich aus dem Konzept der restitution in kind ergeben, vgl. Hartung 2004, S. 65 – 67. 61 Schieder 2005, S. 19 – 73. 62 Vgl. Ruby 1999 und Schöne 2016.

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Um den Aspekt der Verflechtung müssen diese Forschungen insofern erweitert werden, als in der amerikanischen wie auch in der französischen Besatzungszone das kulturpolitische Programm und die Restitution von Kulturgütern personell miteinander verknüpft waren und somit wechselseitig aufeinander rückwirkten. Auch das Verhältnis von Restitution und Kulturpolitik wird daher im Bezugsrahmen der histoire croisée betrachtet. Da zur Restitution von Kulturgütern aus der französischen Besatzungszone bislang so gut wie keine Studien vorliegen, muss dabei zunächst evaluiert werden, wie das französische Restitutionsprogramm innerhalb der Zone überhaupt organisiert war, ehe sein Verhältnis zur französischen Kulturpolitik näher beleuchtet werden kann. Tatsächlich waren die Strukturen für Restitution in der französischen Besatzungszone ähnlich aufgebaut wie in der US-Zone: 1946 wurde in Baden-­­Baden ein Central Collecting Point eingerichtet, in dem NS-Raubgut aus den Auslagerungsdepots der französischen Zone zentralisiert wurden. Von hier aus wurden äußere Restitutionen an ehemals besetzte Länder sowie innere Restitutionen an deutsche Privatpersonen abgewickelt. Administrativ unterstand der Collecting Point der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts, also einer Unterabteilung der für die französische Kulturpolitik zuständigen Direction de l’Education Publique. Dieser doppelten Zuständigkeit zum Trotz entwickelten die Beaux-­­Arts-­­Offiziere in der französischen Zone schon sehr frühzeitig ein reges Kunstund Ausstellungsprogramm, das unabhängig von den französischen récupération artistique-­ Interessen die deutsch-­­französische Annäherung beförderte. Dass Restitutionen und Kulturpolitik de facto weitgehend unabhängig voneinander funktionierten, lässt sich auch für die amerikanische Besatzungszone konstatieren. Allerdings muss hier festgestellt werden, dass es letzten Endes gerade die Kunstschutz-­­Aktivitäten der MFA &A waren, die überhaupt den Ausgangspunkt für die ersten Ausstellungen in der amerikanischen Zone lieferten. Erst mit der institutionellen Stärkung der amerikanischen Kulturpolitik durch die Gründung der Educations & Religious Affairs Division (E&RA) 1948 verschoben sich die Aufgabenschwerpunkte der MFA&A, sodass die Kulturpolitik ein stärkeres und vom Restitutionsprogramm unabhängigeres Eigengewicht erhielt. Im dritten Teil der Studie schließlich wird untersucht, wie die Phänomene Raub und Restitution von den alliierten Akteuren selbst erfahren und erzählt wurden, welches Selbstverständnis der Kunstschützer sich aus diesen Erzählungen herleiten lässt und inwieweit Restitution als Narrativ gefasst werden kann. Aus den publizierten Ego-­­Dokumenten der MFA &A-Mitglieder wie Memoiren, Aufsätzen oder Vortragsskripten wird dabei die Meistererzählung einer „Rettungsmission“ der europäischen Kunstschätze sichtbar, die sich stark auf die Jahre 1944 und 1945 fokussiert, die eigentliche Restitutionsarbeit nur kursorisch und kulturpolitische Tätigkeiten der MFA &A in der Regel so gut wie gar nicht behandelt. Das Selbstverständnis ihrer Mitglieder als Kunstschützer konstruiert sich somit stark um die Bewahrung von Kulturgütern vor ihrer kriegsbedingten Zerstörung und die Etablierung eines Restitutionsprogramms. Die Probleme, die sich in den späten 1940ern um den Abschluss ­dieses Restitutionsprogramms bzw. seine Übergabe in deutsche Verantwortung ergaben, werden im offiziellen Narrativ der MFA &A tendenziell

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ausgeblendet. Demgegenüber können private Korrespondenzen ehemaliger MFA &A-­ Offiziere aus der Zeit des amerikanischen Rückzugs aus den Restitutionen zeigen, ­welche Divergenzen zu dieser Zeit ­zwischen der politischen Linie der USA und den Interessen der MFA &A-Mitglieder selbst bestanden. Im französischen Fall wiederum zeigt sich anhand der Untersuchung von Memoiren und Ego-­­Dokumenten zum Kunstschutz, dass dieser primär als Schutz von französischem patrimoine verstanden wurde und sich nicht so sehr auf die Zeit nach 1945, sondern vor allem auf die deutsche Besatzung der Jahre 1940 – 1944 bezog. Im Nachhinein konstruierten die französischen Museumsleute dabei häufig eine direkte Verknüpfung ­zwischen dem Schutz französischer Kunstsammlungen und Résistance-­­Aktivitäten. Die Zeit nach 1945 hingegen blieb in diesen Erzählungen meist eine Leerstelle. Speziell mit Bezug auf das französische Narrativ stellt sich daher die Frage, ob es überhaupt eine Meistererzählung der französischen Restitutionen gibt und in welchem Verhältnis ­dieses zum Schutz von Kunst und patrimoine während des Kriegs und der deutschen Besatzung steht. Die von Michael Werner und Bénédicte Zimmermann im Programm der histoire croisée artikulierte Forderung nach Reflexivität im Sinne einer Vergegenwärtigung des eigenen Beobachterpostens hält abschließend dazu an, deutlich zu machen, ­welche Themenaspekte in der vorliegenden Studie nicht vertiefend behandelt werden können und warum. Dies betrifft zum einen den Fokus auf zwei bestimmte Besatzungszonen anstelle einer Perspektive, die alle vier Besatzungszonen und ihre jeweiligen Interaktionen miteinander ins Verhältnis setzt. Zwar wäre eine Gesamtdarstellung aller vier Besatzungszonen, ihrer jeweiligen Restitutionspolitik samt ihrer praktischen Umsetzung und jeweiligen Verflechtungen untereinander sicher spannend und notwendig. Diese Vorgehensweise würde es jedoch deutlich erschweren, den hier gewählten Ansatz, Besatzungsgeschichte am Beispiel von Restitution und Kulturpolitik aus akteurszentrierter Perspektive zu untersuchen, mit angemessener Tiefe zu verfolgen. Die Auswahl gerade der französischen und der amerikanischen Zone liegt zunächst in dem Vorsatz begründet, die bislang wenig erforschten französischen Nachkriegsrestitutionen näher zu beleuchten und einzuordnen. Eine Untersuchung derselben ist jedoch ohne den Einbezug des amerikanischen Restitutionsprogramms nicht denkbar, das nicht nur quantitativ das bedeutendste aller Restitutionsprogramme in den vier Besatzungszonen darstellte, sondern auch Modellcharakter für die übrigen Zonen besaß und im Übrigen eine wichtige Voraussetzung dafür war, dass geraubte Kulturgüter überhaupt aus Deutschland nach Frankreich zurückkehren konnten. Gerade weil die Zusammenarbeit ­zwischen Franzosen und Amerikanern so zentral für die französischen Restitutionen war, soll diese ganz bewusst als Kontaktzone in den Mittelpunkt gerückt werden, in der sich die spezifischen politischen Interessen, aber auch gemeinsame Kommunikationsprozesse und Wissenszirkulation z­ wischen den Akteuren besonders deutlich herauskristallisieren. Nichtsdestotrotz werden stellenweise auch Interaktionen mit der britischen und sowje­tischen Besatzungszone eine Rolle spielen, selbst wenn sie nicht mit der gleichen Systematik behandelt werden können.

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Da zweitens das Ziel dieser Studie darin besteht, eine Gesamtdarstellung zu liefern, in der Strukturen, Formen der Wissenszirkulation sowie politische Prioritäten und Diskurse im Mittelpunkt stehen, kann in ­diesem Rahmen keine serielle Auswertung individueller Rückerstattungsdossiers oder Rekonstruktion der Nachkriegsschicksale einzelner Sammlungen erfolgen. Daher werden in den einzelnen Kapiteln nur hin und wieder Fallstudien den Fokus auf einzelne Objekte oder Objektgruppen richten, um auf der Mikroebene zu untersuchen, ­welche Zuschreibungen und Deutungen dieser Objekte in der Restitutionspraxis erfolgten.

Begriffsklärungen Im Folgenden sollen kurz einige Begriffe erläutert werden, die für die Studie von grundlegender Bedeutung sind, gleichzeitig aber aufgrund ihrer potenziellen Mehrdeutigkeit als problematisch betrachtet werden können.

Kunstwerke/Kulturgüter Der in dieser Studie verwendete Begriff der „Kunstrestitution“ könnte implizieren, dass die im Mittelpunkt der Studie stehenden Objekte ausschließlich Kunstwerke im engeren Sinne ­seien, d. h. Werke der bildenden Kunst wie Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen oder Kunsthandwerk. Tatsächlich waren aber die nationalsozialistischen Beschlagnahmen keineswegs auf Kunstgegenstände beschränkt, sondern umfassten auch Bücher, Archivmaterial, Judaika, kirchliche Kultgegenstände, Möbel, Musikinstrumente, archäologische Funde und wissenschaftliche Instrumente. Entsprechend weit gefasst sind daher auch die alliierten Definitionen von „work of art“ bzw. „objet d’art“.63 Wenn im Rahmen dieser Studie verkürzend der Begriff „Kunstrestitution“ verwendet wird, so geschieht dies daher eher aus pragmatischen Gründen. Zwar werden auf der Objektebene in den meisten Fallbeispielen Kunstgegenstände analysiert, auch weil sich um bestimmte Arten von Kulturgütern wie Bücher, Archivalien und Judaika spezifische Sonderformen 63 Die Definition von “objet d’art” durch die Commission de Récupération Artistique lautete: „Par objets d’art ou précieux, il faut entendre toute œuvre française ou étrangère de quelque époque qu’elle soit qui, par son origine, son ancienneté ou sa valeur esthétique présente un intérêt artistique, historique, scientifique, religieux ou documentaire, certain et reconnu, ainsi que les livres, les bibliothèques, les documents d’archives, les collections de quelque ordre qu’elles soient, dont la perte peut être estimée par la Commission comme un amoindrissement du patrimoine national.“ Florisoone 1946, S. 69. Eine ähnlich breit gefasste Definition von „cultural objects“ legte 1949 die Education & Cultural Relations Division der amerikanischen Militärregierung in ihren Grundsatzpapieren vor. Vgl. Draft Title 8, Educations and Cultural Relations Division, 28 February 1949, NARA, RG 260, M1926, Roll 8.

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der Bergung und Restitution entwickelten, die von der Kunstrestitution der CCPs bis zu einem gewissen Maß abgekoppelt und daher bereits in separaten Spezialstudien erforscht wurden.64 Einige Fallbeispiele werden aber ganz bewusst auch Typen von Kulturgütern einschließen, die nicht der klassischen Definition von Kunstwerken entsprechen – etwa Fotonegative oder historische Militaria aus dem Pariser Musée de l’Armée –, weil gerade an diesen sich besonders gut einige Spezifika der französisch-­­amerikanischen Interaktionen bzw. der französischen patrimoine-­­Interessen nachweisen lassen.

Restitution/récupération artistique/Rückführung Die Restitution von sogenanntem external loot, also Kulturgütern, die nicht auf dem Territorium des Deutschen Reichs, sondern in den besetzten Ländern Europas geraubt worden waren, war zwischenstaatlich geregelt. Kulturgüter, auch Privateigentum, wurden nicht an die individuellen Eigentümer aus den betreffenden Herkunftsländern zurückgegeben, sondern zunächst in die Treuhänderschaft von nationalen, durch die jeweiligen Regierungen legitimierten Kommissionen wie der Commission de Récupération Artistique übergeben. Erst nach der Rückkehr der Objekte in ihr Herkunftsland wurde dort innerstaatlich durch die CRA in Paris die eigentliche Rückgabe an den ursprünglichen Eigentümer abgewickelt. Im Fall der französischen Restitutionen nach 1945 wäre der Begriff der Restitution demzufolge nicht nur darauf zu beziehen, sondern müsste bereits den zwischenstaatlichen Akt der Übergabe der Kulturgüter an die französischen Delegierten am CCP in München bezeichnen. Tatsächlich zeigen die zeitgenössischen französischen Quellen jedoch, dass diese Übergaben keineswegs als restitutions bezeichnet wurden. Sehr viel geläufiger war im spezifischen Kontext von Kulturgütern der Begriff der récupération artistique, wörtlich also der „künstlerischen Rückführung“ oder der „Rückführung von Kunst“; bezeichnenderweise ist es sogar dieser Terminus und nicht restitution, der programmatisch im Titel der Commission de Récupération Artistique firmiert. Récupération artistique ist allerdings durchaus anders konnotiert als restitution. Restitution kann im Kriegs- und Nachkriegskontext auf materielle Güter aller Art bezogen werden und bildet in ­diesem Rahmen ein Begriffs- und Gegensatzpaar mit dem Begriff der Kriegsreparation. Der Begriff der récupération artistique dagegen beschränkt sich ausdrücklich auf Kulturgüter und bezeichnet gerade nicht wie 64 In der US -Zone etwa wurden Bücher, Archivalien und Judaika separat von den Collecting Points in einer eigenen Sammelstelle, dem Offenbach Archival Depot, verwahrt, da ihre Identifizierung und Restitution sowohl spezifische Sprachkenntnisse (Hebräisch) als auch eine eigene Methodik (Identifizierung z. B. anhand von Ex-­­libris-­­Marken) erforderte. Auch in Frankreich bildete sich mit der Sous-­­Commission des Livres innerhalb der CRA ein eigenes Organ heraus, das sich ausschließlich auf Bücher und Archivalien spezialisierte. Vgl. dazu Gallas 2013, Cœuré 2013 und Poulain 2008.

Begriffsklärungen  I  33

restitution einen formalen juristischen Rückgabeakt. Vielmehr schwingen in récupération Konnotationen mit, die einerseits den Prozess der materiellen Rückführung meinen, andererseits aber auch eine ideelle Aneignung oder sogar Vereinnahmung implizieren. Anders als restitution schließt récupération artistique also den gesamten Rückführungsprozess von der Bergung der Kulturgüter über ihre Übergabe in französische Hände an den CCPs bis hin zu ihrer Überführung nach Frankreich ein. Da dieser zeitgenössische Quellenbegriff somit sehr viel besser als „Restitution“ den von französisch-­­amerikanischen Interaktionen geprägten Prozess der Rückführung greifbar macht, der im Mittelpunkt dieser Studie steht, wird er bewusst als feststehender Begriff verwendet und auch nicht ins Deutsche übersetzt. Gegen eine Übersetzung mit „Rückführung“ spricht nicht nur, dass dieser Begriff die Konnotation der Vereinnahmung, die bei récupération mitschwingt, nur unzureichend wiedergibt. Dazu kommt, dass auch dem deutschen Terminus im spezifischen Kontext des nationalsozialistischen Kulturgutraubs eine gleichermaßen euphemistische wie aneignende Bedeutung anhaftet.65 „Rückführung“ wird daher stets in Anführungszeichen gesetzt, wenn seine nationalsozialistische, euphemistische Umdeutung betont werden soll; ohne Anführungszeichen wird er eher pragmatisch als Synonym für die récupération artistique bzw. den Rücktransfer von Kulturgütern französischer Provenienz nach Frankreich verwendet. NS -Begriffe wie „Drittes Reich“ oder „Sonderauftrag Linz“ werden in der vorliegenden

Studie in Anführungszeichen gesetzt. Auf die Verwendung der Begriffe „jüdisch“ und „arisch“ wird so weit wie möglich verzichtet. Wo sie sich nicht vermeiden ließen, beziehen sie sich ausschließlich auf die „rassische Definition“ im Nationalsozialismus, da diese Definition der verfolgungsbedingten Entziehung von Kulturgut durch das NS-Regime zugrunde lag und auch in der Nachkriegszeit die Grundlage für die juristischen Verfahren zu Rückerstattung und Entschädigung an die Opfer der Verfolgung bildete.

65 Mit dem Begriff der „Rückführung“ wurde z. B. der deutsche Anspruch auf Kulturgüter, die in napoleonischer Zeit nach Frankreich gelangt waren, legitimiert. Vgl. dazu Heuß 2000, S. 276 – 277.

34 I Einleitung

Kunstrestitution als französisch-­ amerikanische Interaktion

1. Von der Normandie nach Neuschwanstein Interaktionen 1944 – 1945 1.1 Die Entwicklung eines alliierten Kulturgüterschutzes zwischen transnationaler Kooperation und nationaler Abgrenzung 1.1.1 Die Roberts Commission und die Gründung der amerikanischen MFA&A Die Kriegszerstörungen und der Raub von Kulturgütern in Europa waren den Alliierten bereits frühzeitig bekannt und wurden schon 1941 beim Komitee der europäischen Exilregierungen in Großbritannien sowie interalliierten Finanzministertreffen diskutiert. Die Debatten um den Schutz und die Restitution von Eigentum mündeten am 5. Januar 1943 in die Verabschiedung einer interalliierten Erklärung über die Ungültigkeit von Enteignungen und Eigentumstransfers in den besetzten Gebieten.1 Wenngleich diese Grundsatzerklärung noch keine Restitutionen ankündigte, geschweige denn einen Modus für Restitutionen vorgab, so bildete sie doch die Basis für alle späteren politischen Überlegungen zur Gestaltung einer alliierten Restitutionspolitik. Innerhalb der USA gingen die ersten Impulse zum Schutz von Kulturgütern auf den europäischen Kriegsschauplätzen von zwei Gruppen aus, dem American Council of Learned Societies (ACLS ) und der American Defense Harvard Group. Letztere brachte im November 1942 beim Vorsitzenden des amerikanischen Supreme Court den Vorschlag ein, ein Sonderkomitee einzurichten, das sich mit Fragen des Kulturgüterschutzes auf den europäischen Kriegsschauplätzen auseinandersetzen sollte.2 Noch während dieser Vorschlag bei der US -Regierung beraten wurde, arbeiteten die American Defense Harvard Group und der ACLS bereits daran, für den amerikanischen Kriegseintritt in Europa Kartenmaterial und Listen zu Denkmälern und Museen zusammenzustellen, die vor Kriegseinwirkung geschützt werden mussten, das Fachwissen exilierter europäischer Kunstexperten einzuholen und diejenigen amerikanischen Kunstexperten zu mobilisieren, die bereits im Kriegsdienst waren.3 Nach der Gründung der American Commission for the Protection and Salvation of Historic and Artistic Monuments in War Areas im Juni 1943 intensivierten sich diese 1 Kurtz 2006, S. 43 – 47. 2 Nicholas 1994, S. 210 – 211. 3 Ebd., S. 221.

­ orarbeiten weiter. Der am 20. August 1943 offiziell durch das amerikanische State DepartV ment ins Leben gerufenen Kommission saß der Verfassungsrichter Owen J. Roberts vor, nach dem sie benannt wurde.4 Die Roberts Commission übernahm die Koordinierung der von ACLS und American Defense Harvard Group durchgeführten Erstellung von Listen, Karten und Handbüchern zu schützenswerten Kulturgütern. Außerdem griff sie auf das Personennetzwerk der beiden Gruppen zurück, um nach geeigneten Museumsleuten und Kunsthistorikern zu suchen, die bei der Invasion von Sizilien und der Normandie für die Durchführung von ersten Kunstschutzmaßnahmen zu den Armeen entsendet werden konnten. Um diese Entsendung praktisch vorzubereiten, wurde im Herbst 1943 bei der Civil Affairs Division (CAD ) des US War Departments die Monuments, Fine Arts & Archives Section (MFA &A) eingerichtet.5 Neben der Vorbereitung der Tätigkeiten der MFA &A bestand die zweite Hauptaufgabe der Roberts Commission darin, erste Leitlinien und Prinzipien für die Restitution geraubter Kulturgüter zu entwickeln. Hierfür stand sie in Kontakt mit verschiedenen europäischen Institutionen, die sich mit ähnlichen Fragestellungen auseinandersetzten, so etwa dem britischen MacMillan Committee und der von den europäischen Exilregierungen in London eingesetzten interalliierten Kommission für den Schutz und die Rückgabe von Kultur­ gütern unter dem Vorsitz des Franzosen Paul Vaucher.6 Wie die alliierte Restitutionspolitik konkret ausgestaltet werden sollte, ob sie zum Beispiel nach dem Länderprinzip erfolgen sollte oder durch ein interalliiertes Gremium, das länderübergreifend über Restitutionen entscheiden würde, blieb sowohl innerhalb der Vaucher Commission als auch im Austausch der verschiedenen Gremien vorerst offen. Einen wichtigen ersten Schritt für die Vorbereitung späterer Restitutionen erreichten die Kommissionen jedoch im September 1944 mit der Verabschiedung des alliierten Militärgesetzes Nr. 52, das das Einfrieren von Vermögenswerten in den von den Alliierten besetzten Territorien vorsah: Widerrechtlich entzogenes jüdisches Vermögen sowie dasjenige nationalsozialistischer Organisationen wurde somit unter alliierte Kontrolle gestellt und jegliche Kulturgütertransfers wurden vorerst untersagt.

4 Den stellvertretenden Vorsitz hatte David Finley, der Direktor der National Gallery of Art, inne. Mitglieder der Roberts Commission waren William B. Dinsmoor, Paul J. Sachs und Francis Henry Taylor, die bereits zuvor für den ACLS oder die American Defense Harvard Group tätig gewesen waren. Dazu kamen außerdem der Librarian of Congress Archibald McLeish, Huntingdon Cairns von der National Gallery of Art, Alfred E. Smith, ehemals Gouverneur von New York, und Herbert Lehmann von der Foreign Relief and Rehabilitation Corporation; Meyer 2000, S. 135. 5 Smyth 1988, S. 12. Vgl. auch Kurtz 2006, S. 54 – 55. 6 Kurtz 2006, S. 62 – 64.

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1.1.2 Erste Kontakte: Die MFA&A in Frankreich und die Gründungsphase der Commission de Récupération Artistique Der erste praktische Einsatz der MFA&A erfolgte bei der Invasion Italiens, wobei britische und amerikanische MFA&A-Offiziere eng zusammenarbeiten.7 Die anglo-­­amerikanische Kooperation setzte sich auch nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 fort. Das Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Forces (SHAEF), die zentrale Koordinierungsstelle der alliierten Streitkräfte, stattete nach der Landung jedes Army Command mit einem MFA&A-Offizier aus, der im jeweils besetzten Gebiet dafür sorgen sollte, dass Kriegsschäden an Kulturdenkmälern provisorisch behoben und historische Bauwerke vor Requisitionen durch Armeen geschützt wurden. In Frankreich, Belgien und den Nieder­ landen nahmen die MFA&A-Offizier außerdem unverzüglich Kontakt mit Museumsleuten und Archivaren vor Ort auf, um in Rücksprache mit diesen die Lagerungsorte von beweglichen Kulturgütern und ihren Zustand zu überprüfen.8 Mit dieser Aufgabenstellung setzte James J. Rorimer am 3. August 1944 aus Großbritannien in die Normandie über, nachdem sein Kollege George Stout bereits im Juli nach Frankreich aufgebrochen war. Beide waren in den ersten Wochen vorwiegend mit Inspektionen verschiedener Städte, K ­ irchen und Baudenkmäler in der gesamten Normandie beschäftigt.9 Kurz nach der Befreiung von Paris richtete SHAEF sein Hauptquartier in Versailles ein, um von dort aus die Verwaltung der befreiten Gebiete sowie den Kontakt zu den einzelnen Army Groups zu koordinieren. Noch Ende August fanden mehrere Unterredungen ­zwischen den MFA&A-Offizieren James Rorimer und George Stout, dem Directeur des Musées de France Jacques Jaujard sowie einigen Vertretern des französischen Erziehungsministeriums statt. Inhalt dieser Gespräche waren die mögliche Wiedereröffnung der Museen und die Übermittlung von Informationen zu Denkmälern und Museumsdepots, aber auch der nationalsozialistische Kulturgutraub, unter dem vor allem Privatsammlungen gelitten hätten. Dabei erfuhren die Amerikaner erstmals von der Nutzung des Musée du Jeu de Paume als „clearing house for securing and shipping stolen goods“ und dass „National Coll[ections] put four functionaries in the building under guise of acting as janitors etc. and worked out inventory and destination of most workers [sic].“ 10 Konkrete Maßnahmen, um die weiteren

7 Vgl. Nicholas 1994, S. 249 – 272. 8 Ross 1946, S. 119 – 120. 9 Rorimer, James J., Typescript Journal I, 3 August 1944 – 31 March 1945, National Gallery of Art, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 11. Basierend auf seinem Diensttagebuch fasste Rorimer das erste Kapitel seiner Memoiren ab, vgl. Rorimer 1950, S. 1 – 46. Zu George Stout vgl. sein Diensttagebuch: Stout, George L., Diary. Archives of American Art, Smithsonian Institution, George L. Stout Papers, REEL 1378. 10 Stout, Diary, Eintrag vom 29. August 1944. Vgl. auch Rorimer, Typescript Journal I, Eintrag vom 26. bis 31. August 1944.

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Schritte zur Suche und Rückführung geraubter Güter zu planen, wurden jedoch noch nicht ergriffen, da auf amerikanischer Seite die Inspektion und Sicherung von Monumenten und Museumssammlungen zunächst Vorrang hatte und die französische Beaux-­­Arts-­­Verwaltung erst einmal Kontakt mit der interalliierten Vaucher Commission in London aufnehmen wollte, um sich darüber zu informieren, w ­ elche Konzepte für den Schutz und die Rückgabe von Kulturgütern diese bereits entwickelt hatte.11 Infolge der Besprechungen wurde Rorimer zum MFA&A-Offizier für die Seine Section von SHAEF ernannt, was bedeutete, dass er für die Inspektion und Sicherung historischer Monumente in Paris und den umliegenden Départements verantwortlich war. Als amerikanischer Ansprechpartner für französische Kulturinstitutionen und Privatpersonen erhielt er außerdem durch Museumsleute, Kunsthändler und Galeristen bereits erste Hinweise auf geraubte Kunstwerke oder Sammlungen. Allerdings scheint Rorimer in dieser Zeit noch keine systematischen Recherchen zum Kulturgutraub der Nationalsozialisten oder zum Verbleib geraubter Sammlungen angestellt zu haben und verfolgte auch den Gründungsprozess der Commission de Récupération Artistique zunächst eher am Rande.12 Erst ab Dezember 1944 spielten gezieltere Recherchen zu den nationalsozialistischen Konfiskationen und dem Verbleib der geraubten Sammlungen bei seinen Tätigkeiten eine größere Rolle, und erst zu ­diesem Zeitpunkt sollte sich auch der Kontakt zu den französischen Stellen intensivieren.13 Parallel zur Etablierung der MFA&A bei der SHAEF Mission to France hatte es auch beim französischen Militär Bemühungen um den Aufbau von Spezialabteilungen für Kulturgüterschutz gegeben. Rose Valland erwähnt in ihren Memoiren, dass [p]eu de jours après la Libération, une dizaine de Français en uniforme étaient arrivés à Paris venant d’Alger. Ces officiers „Beaux-­­Arts“, sous la direction des commandants Christophe et Lecaplain, attendirent de pouvoir s’intégrer dans les états-­­majors alliés, afin de participer, le moment venu, à la campagne de récupération en Allemagne. Entre le débarquement et l’entrée des armées dans le Reich, la petite troupe, qui avait à son actif de brillantes missions, se désagrégea.14 11 Vgl. dazu Rosebrock 2011, S. 238 – 239, und Hamon 1997, S. 65 – 66. 12 Vgl. dazu Rorimer, James J., Third Report „Monuments, Fine Arts, and Archives“, Period 26 August–15 September 1944, September 20, 1944, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.5, Rorimer, Typescript Journal I, Einträge vom 9. und 11. September 1944. Siehe auch Rorimer 1950, S. 55 – 56, 65 – 68 und 86 – 87. Auf die Gründung der CRA verweist Rorimer erstmals im September 1944: „Saw Francis Taylor, Capt. Hammett and Capt. Ross. Talks over policies. In particular question of lists of looted works of art from private collections and dealers. A French committee is to be formed. They will handle lists. I shall forward as I have been doing all material I receive.“ Rorimer, James J., Typescript Journal I, Eintrag vom 10. September 1944. 13 Rorimer, Typescript Journal I, Eintrag vom 16. Dezember 1944. 14 Valland 2014, S. 220.

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In den Akten hat diese in Algier gegründete Beaux-­­Arts-­­Abteilung kaum Spuren hinterlassen. Lediglich in einer einzelnen Sachakte findet sich ein Hinweis, wonach Anfang September 1944 im Führungsstab des französischen Generals Cochet eine spezielle Abteilung unter der Leitung von Commandant Socard gegründet worden sei, deren Aufgaben jenen der MFA &A ähnelten: Sie sollte Notfallsicherungen von gefährdeten Denkmälern auf dem Operationsgebiet der französischen Truppen vornehmen, Inspektionsberichte über Kriegsschäden von Kulturdenkmälern abfassen, die Einquartierung von Truppen in denkmalgeschützten Gebäuden verhindern und Inventarlisten beweglicher Kulturgüter erstellen. Darüber hinaus war die Abteilung angehalten, erste Ermittlungen zu Zerstörungen und Plünderungen durch feindliche Truppen oder Privatpersonen aufzunehmen, (…) de manière à préparer tous dossiers avec les précisions nécessaires en vue de nos revendications en matière de restitution et de réparation. f ) dans toute la mesure du possible, faire opérer la restitution, la remise en place ou la mise en lieu sûr de tous les objets de valeur artistique ou culturelle dont il aura été possible de suivre la trace et de trouver les détenteurs.15

In den Archives Nationales existiert nur noch eine weitere Aktennotiz zur Gründung einer Beaux-­­Arts-­­Abteilung der französischen Armee, der zufolge ein Großteil der Delegation nicht mit Socard aus Algier nach Marseille hatte übersetzen können. Da die Akte bereits im September 1944 endet, gibt sie keinen Aufschluss darüber, ob die Delegation zu einem späteren Zeitpunkt nach Frankreich nachkommen konnte und inwieweit sie ihre Aufgabenstellung in die Praxis umsetzte.16 Lediglich Vermerke in Rorimers und Rose Vallands Memoiren sowie einige von Rorimers MFA&A-Berichten zeigen, dass die Beaux-­­Arts-­­Offiziere aus Algier zumindest für einen k­ urzen Zeitraum als Verbindungsoffiziere in die MFA&A SHAEF Mission to France eingebunden wurden.17 So hielt Rorimer im Februar 1945 in einem seiner Berichte fest, dass er einige Inspektionen von Gebäuden und Sammlungen in Paris gemeinsam mit einem Major Christophe vom Service de Protection des Monuments et Beaux-­­Arts durchgeführt habe.18

15 Boutaud de Lavilleon, Colonel, Instructions sur la protection des œuvres d’art, 6 septembre 1944, AN 20150044/29. 16 Vgl. dazu Clothilde Rouiller, Entrée „Alger“, in: „Les sources au travail. Les spoliations d’œuvres d’art par les nazis, 1933 – 2015“. Le Journal de l’Université d’été de la Bibliothèque Kandinsky, 2, 2015, S. 60. 17 Rorimer, James J., Eighth report „Monuments, Fine Arts and Archives“, Period 16 November – 1 Decem­ ber 1944, December 9, 1944, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.9. 18 Rorimer, James J., Eleventh and twelfth report (combined) „Monuments, Fine Arts and Archives“, Period January 1945, February 13, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.11.

Die Entwicklung eines alliierten Kulturgüterschutzes  I  41

Festzuhalten bleibt daher, dass bereits 1944 eine Beaux-­­Arts-­­Abteilung bei der aus Nordafrika kommenden französischen Armee existierte und diese später in Frankreich zumindest zeitweilig die amerikanischen und französischen Kunstschutz-­­Aktivitäten unterstützte. Jedoch ist anhand der Aktenüberlieferung nicht eindeutig zu klären, in welchem Umfang sie aktiv war, in welchem Verhältnis sie zur ab Herbst 1944 gegründeten Commission de Récupération Artistique stand oder ob es personelle Übereinstimmungen mit den späteren Beaux-­­Arts-­Offizieren bei der nach Deutschland einmarschierenden Première Armée française gab. Parallel zur Kontaktaufnahme mit der MFA&A und der interralliierten Vaucher Commission in London befasste sich die Direction des Musées de France unter Jaujard mit der Schaffung innerfranzösischer Strukturen für die Rückführung und Restitution von Kulturgütern. Bereits im August 1944 hatte die Museumsverwaltung mit der Sicherung geraubter Objekte begonnen und einen mit Kulturgütern beladenen Zug, der durch Sabotage der SNCF in einem Bahnhof bei Aulnay-­­sous-­­Bois nordöstlich von Paris liegen geblieben war, geborgen.19 Ab September 1944 begann die Commission de Récupération Artistique als zentrales Organ zur Sicherung, Identifizierung und Rückführung von geraubten französischen Kulturgütern Gestalt anzunehmen. Zwei Monate vor ihrer offiziellen Gründung traten die Kuratoren der einzelnen Abteilungen des Louvre zu einer vorbereitenden Sitzung unter dem Vorsitz von Jacques Jaujard zusammen, um die Prinzipien festzulegen, nach denen die CRA künftig operieren sollte. Diese lauteten wie folgt: 1) Dès le début de l’occupation des territoires ennemis, serait interdits sur tout ce territoire la vente et le déplacement des objets énumérés à l’article 1er du projet de décret ci-­­dessus reproduit. 2) Un court délai sera fixé pour la restitution des œuvres spoliées. 3) Les collections publiques allemandes seront considérées comme gage jusqu’à la clôture des opérations de la commission. 4) Dans le cas où un objet ne sera pas retrouvé, un objet de nature et de valeur équivalentes sera exigé à sa place. Le dédommagement du propriétaire de l’objet non retrouvé entrera dans le règlement général des réparations.20

Die ersten beiden Prinzipien stimmten mit zwei amerikanischen Grundsätzen, dem Verbot von Transaktionen mit Kunstwerken auf dem noch zu besetzenden deutschen Territorium 19 Vgl. dazu Polack und Dagen 2011, S. 99, Notizen vom 12. und 26. August 1944, folio 169. Siehe auch Valland 2014, S. 193 – 194, Jaujard, Jacques, Information pour le Directeur de l’Administration des Domaines sur les dépôts du bureau central du service allemand des saisis de biens juifs et sur les wagons arrêtés à Aulnay-­­sous-­­Bois, 31 août 1944, AN 20150044/99, und Valland, Rose, Etat des wagons du train d’Aulnay-­­sous-­­Bois, 21 octobre 1944, AN 20150044/99. 20 Commission de Récupération Artistique, Procès-­­verbal de la séance du 19 septembre 1944, AN 20150044/99.

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sowie der Festsetzung einer Frist zur Restitution des Raubguts, überein. Die beiden n ­ ächsten Punkte jedoch machten in programmatischer Weise den französischen Standpunkt zur sogenannten restitution in kind, also dem Ersatz verlorener Kulturgüter in Naturalien klar: Solange die französischen Rückführungsoperationen liefen, sollten deutsche Museumssammlungen als Faustpfänder behandelt werden, und für verschollene oder zerstörte Güter sollten gleichwertige und gleichartige Objekte als Ersatz beschafft werden. Die direkte Nennung der restitution in kind-­­Forderung nach dem Grundsatz über die Behandlung deutscher Sammlungen als Faustpfänder machte zugleich deutlich, aus w ­ elchen Beständen eventuelle Ersatz-­­Objekte für die restitution in kind herangezogen werden sollten. Der Passus über die Entschädigung der Eigentümer zerstörter oder verschollener Güter kündigte schließlich zwei Dinge an. Zum einen verdeutlichte er, dass Kunstrestitution aus Sicht der Mitglieder der Museumsverwaltung, die die Prinzipien der CRA erarbeiteten, durchaus mit Kriegsreparationen zu verrechnen sei. Zum anderen zeichnete sich implizit ab, dass die Objekte, die man als Ersatz für verschollene Gegenstände einfordern wollte, nicht an den individuellen Eigentümer weitergegeben werden, sondern an die französischen Museen gehen sollten; Privateigentümer hingegen sollten für ihre Verluste finanziell entschädigt werden. Tatsächlich sollte die restitution in kind, sowohl die Frage ihrer interalliierten Umsetzung als auch die praktische innerfranzösische Handhabe von möglicherweise aus deutschen Museumssammlungen zu erhaltenden Objekten, auf Jahre hinaus Teil der restitutionspolitischen Debatten im Alliierten Kontrollrat werden. Das Protokoll der Gründungssitzung der CRA machte somit auf programmatische Weise deutlich, wie Restitution und Reparation aus französischer Perspektive verknüpft waren und mit ­welchen Ansprüchen Frankreich sich in dieser Frage im Alliierten Kontrollrat positionieren würde. Offiziell wurde die CRA am 24. November 1944 per Dekret des französischen Erziehungsministers René Capitant ins Leben gerufen.21 Den Vorsitz übertrug das Erziehungsministerium an Albert S. Henraux, den ehemaligen Vorsitzenden der Société des Amis du Louvre; zur Sekretärin der CRA wurde Rose Valland berufen. De facto verfügte die CRA kurz nach ihrer Gründung weder über administratives Personal noch finanzielle und materielle Mittel, um bereits wirklich handlungsfähig zu sein. Ihre Tätigkeiten bis Sommer 1945 konzentrierten sich daher vor allem auf die Klärung von Grundsatzfragen. Da die CRA vom Erziehungsministerium eingesetzt war, war sie formal nicht dazu berechtigt, die Restitution von kriegsbedingt entzogenen Gütern selbst durchzuführen. Aus ­diesem Grund wurde sie zusätzlich dem Office des Biens et Intérets Privés (OBIP) beigeordnet, einem Sonderbüro zur Klärung von Vermögensfragen. Unter der doppelten Zuständigkeit des Außen- sowie des Finanzministeriums war das OBIP für die Rückführung und Restitution von Gütern zuständig, die französischen Staatsbürgern geraubt worden waren und im Zuge des Raubs,

21 Capitant, René, Arrêté instituant une Commission de Récupération Artistique, 24 novembre 1944, AMAE 209SUP/494 P182.

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der Plünderung oder Beschlagnahme französischen Boden verlassen hatten.22 Der künftige Ablauf der französischen Restitutionen aus dem Ausland sah vor, dass Anspruchsberechtigte ihre Anträge an das OBIP zu richten hatten, das sämtliche Anträge, die geraubte Kulturgüter betrafen, an die CRA übergab. Um die Zuständigkeiten von CRA und OBIP genau abgrenzen zu können, war es daher zunächst erforderlich, dass die CRA festlegte, w ­ elche Definition von Kulturgütern sie ihrer Arbeit zugrunde legte.23 Wie sich im Sommer 1945 zeigte, legte sie diese bewusst breit an: Par „objets d’art ou précieux“, il faut entendre toute œuvre française ou étrangère, de quelque époque qu’elle soit, qui, par son origine, son ancienneté ou sa valeur esthétique, présente un intérêt artistique, historique, scientifique, religieux ou documentaire, certain et reconnu, ainsi que les livres, les bibliothèques, les documents d’archives, les collections de quelque ordre q­ u’elles soient, dont la perte peut être estimée par la Commission comme un amoindrissement du patrimoine national.24

Neben der Klärung dieser grundlegenden Definitionen und der Entwicklung einer operativen Struktur für die künftigen Restitutionen standen außerdem von Anfang an das Sammeln von Informationen über den Kulturgutraub der Nationalsozialisten und der Austausch mit den übrigen Alliierten im Mittelpunkt der Aktivitäten der CRA. Bereits im November 1944 bemühte sich Albert Henraux darum, den Museumskurator Pierre-­­Louis Duchartre als französischen Verbindungsoffizier für Kulturgüterfragen in die SHAEF-Strukturen einzugliedern. Da Duchartre zu dieser Zeit zum Kriegsdienst einberufen war, musste Henraux in seinem Namen zunächst die Versetzung zur Mission Militaire pour les Affaires Allemandes (MMAA ) beantragen, die im November 1944 von Charles de Gaulle eingesetzt worden war, um die Organisation der französischen Besatzungsverwaltung in Deutschland vorzubereiten und Besatzungspersonal auszubilden.25 Die Versetzung Duchartres zur MMAA gelang problemlos; seine Einbindung in die SHAEF Mission to France erwies sich jedoch als langwieriger Prozess, da Duchartres Unterlagen mehrfach verloren gingen – noch im Frühjahr 1945 war daher sein Status als Verbindungsoffizier ungeklärt.26

22 Lorentz 1998, S. 115 – 117. 23 Commission de Récupération Artistique, Procès-­­verbal de la séance du 18 mai 1945, AN 20150044/99. 24 Commission de Récupération Artistique, Note sur les activités de la Commission de Récupération Artistique et ses résultats au 2 novembre 1945, AMAE 209SUP/540 P 246. 25 Henraux, Albert, Attestation et demande d’affectation pour le Commandant Duchartre, 22 novembre 1944, AN 20150497/240. Zur Mission Militaire pour les Affaires Allemandes vgl. Zauner 1994, S. 59. 26 Duchartre, Pierre-­­Louis, Lettre à Albert Henraux, avec une lettre au Lt. Col. Foulquies (SHAEF) en pièce jointe, 29 novembre 1944, AN 20150497/240, und Duchartre, Pierre-­­Louis, Résumé ­chronologique sur l’affectation de Duchartre à la Commission de Récupération Artistique, 15 février 1945, AN 20150497/240.

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Hinsichtlich der Frage der Auffindung geraubter Kulturgüter suchte die CRA zunächst den Kontakt zur Vaucher Commission in London, ging dann aber rasch dazu über, sich direkt mit der SHAEF Mission to France auszutauschen.27 Zu ­diesem Zeitpunkt hatte die SHAEF Mission bereits erste Informationen zu den Mechanismen nationalsozialistischer Aneignung von Kulturgütern in Frankreich zusammengetragen: 11. Coordination of Information available in Paris: Objects removed from France by the Germans fall into two important categories: a. Objects confiscated from the Jews. These included some of the finest collections in France and the French Government have [sic] a definite interest in their return. All passed through the Jeu de Paume and fairly complete lists can be made available by the French authorities. b. Objects purchased by official buyers for German museums, by official and semi-­­official buyers for Hitler and Göring and by private purchasers of important objects. Sales were sometimes forced sales, and often no export permit was sought from the French authorities. There are instances of an export permit being sought and refused on the ground that the object in question formed part of the national patrimony and the French Government would be a probable purchaser. In spite of such refusal the object often found its way to Germany. A list of objects for which an export license was refused will be available, but in the case of other sales detailed information of the firms of Schenker and Knauer in Paris through which most of the objects in question were forwarded to Germany. It is noted that MFA&A Supreme HQ AEF has agreed that the French officers to be seconded to them will be given the task of assisting MFA&A Supreme HQ AEF, Mission in assembling and sorting all the information available in Paris. This will provide a most valuable introduction to their world in the field.28

Die französischen Behörden hatten SHAEF überdies bereits mitgeteilt, dass neben den Exportlizenzen für ins Deutsche Reich ausgeführte Kulturgüter sowie Unterlagen von Speditionsunternehmen, die diesen Export umgesetzt hatten, Listen der beschlagnahmten und durch das Jeu de Paume abtransportierten Kulturgüter existierten. Allerdings waren diese Listen SHAEF noch nicht zugegangen. Die Zusammenarbeit z­ wischen der SHAEF Mission to France und der CRA beschränkte sich nicht allein auf die Ebene des Informationsaustauschs. Im Herbst 1944 führten James Rorimer und Rose Valland eine Überprüfung der Ladung des in Aulnay-­­sous-­­Bois angehaltenen Zugs und mehrere Inspektionen von Lagern und Wohnungen im Großraum Paris durch, die dem ERR zugeordnet werden konnten. Nach der Sichtung des vom ERR zurückgelassenen Materials wurden geraubte Güter wie Möbel und die materielle Ausstattung der NS-Organisation, etwa das Equipment des ERR-Fotolabors, an die französische 27 Valland 2014, S. 220, und Report on MFA&A for November 1944, NARA, RG 260, A 1, Entry 474 M1949, Roll 5. 28 Report on MFA&A for November 1944, NARA, RG 260, A 1, Entry 474 M1949, Roll 5.

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Verwaltung übergeben. Die Papiere hingegen, die Aufschluss über die Funktionsweise der Rauborganisation und den Verbleib ihrer nach Deutschland transferierten Bestände geben konnten, wurden zur Auswertung an SHAEF weitergeleitet. Geregelt war diese Vorgehensweise durch eine informelle Übereinkunft, die jedoch laut Rorimers Aussage noch im Februar 1945 nicht offiziell von amerikanischer Seite genehmigt worden war.29 Den Kontaktaufnahmen und gemeinschaftlich durchgeführten Recherchen zum Trotz war das Verhältnis ­zwischen der CRA und der SHAEF Mission to France zunächst von wechselseitiger Skepsis und tendenziellem Misstrauen geprägt. Die leitenden Offiziere der MFA&A sahen die französischen „Monuments“-Offiziere aus Algerien als unqualifiziert an und befürchteten, dass der CRA-Präsident Albert Henraux aufgrund seines Alters mit seiner Aufgabe überfordert sein könnte; außerdem hatten sie den Eindruck, dass einige Personen in den leitenden Positionen der französischen Beaux-­­Arts-­­Verwaltung sich nicht ausreichend für die Restitutionsfragen interessierten.30 Die Doppelung aus mangelndem Interesse an einer interalliierten Kooperation und Misstrauen gegenüber den militärischen Strukturen von SHAEF ließ die Amerikaner zeitweise sogar befürchten, dass die Franzosen sich langfristig gänzlich interalliierten Regelungen zur Restitution von Kulturgütern entziehen könnten: Feeling that in their own Zone, the French would want to set independently in locating or seizing works of art for own account (cf. van Puyvelde’s attempt at Ambleve to seize this for Belgium). French have become so used to getting around authority that it is hard to bring them back to „regular“ procedures. Difficult psychological problem.31

Umgekehrt waren aus französischer Sicht die Strukturen der komplexen Militärbürokratie von SHAEF schwer zu durchschauen, und der Informationsfluss blieb störungsanfällig, sodass die Installierung von Verbindungsoffizieren wie Pierre-­­Louis Duchartre vorerst scheiterte. Außerdem bestand der Eindruck, dass selbst die MFA&A-Leitungsebene Schwierigkeiten damit hatte, die Koordinierung z­ wischen SHAEF und den einzelnen Army Commands zu 29 Rorimer, James J., Ninth and tenth report (combined) „Monuments, Fine Arts and Archives“, Period December 1944, January 5, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.10, und Rorimer, James J., Eleventh and twelfth report (combined) „Monuments, Fine Arts and Archives“, Period January 1945, February 13, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.11. 30 Charles d’Orange, der französische Repräsentant in der Vaucher Commission, gibt etwa sein Engagement in der Kommission nur als Sprungbrett für seine weitere Karriere an, und auch Jacques Jaujard, der inzwischen zum Directeur général des Arts et Lettres ernannt worden war, zeigte größeres Interesse an dieser neuen Position als an Restitutionsfragen. Minute of a conference between Lt. Col. J. McDonnell (Br.), MFA&A Officer SHAEF Mission (France) and S/Ldr Cooper and Maj. Hammond, MFA&A BR and US CC on 25 January 1945, NARA, RG 260, A1, Entry 488, M1941, Roll 3. 31 Minute of a conference between Lt. Col. J. McDonnell (Br.), MFA&A Officer SHAEF Mission (France) and S/Ldr Cooper and Maj. Hammond, MFA&A BR and US CC on 25 January 1945, NARA, RG 260, A1, Entry 488, M1941, Roll 3.

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bewerkstelligen und den Anliegen des Kulturgüterschutzes beim Generalstab von SHAEF ausreichend Gehör zu verschaffen. Die französische Wahrnehmung der alliierten Militärbürokratie wirkte sich auch nachteilig auf die Zirkulation von Wissen zum Kulturgutraub zurück, da Rose Valland etwa sich lange weigerte, ihre im Jeu de Paume gesammelten Informationen zum ERR weiterzugeben, weil sie fürchtete, ihre Unterlagen gingen verloren und erreichten nicht rechtzeitig die relevanten Stellen.32 Um diese Gefahr zu umgehen, entschloss sie sich daher im Frühjahr 1945, ihr Wissen direkt mit MFA&A-Offizier James Rorimer zu teilen, kurz bevor dieser zur Seventh US Army versetzt wurde. Die Weitergabe findet sowohl in ihren eigenen Memoiren als auch in denen von James Rorimer Erwähnung. Von Valland selbst wird sie sachlich und knapp – mit einem Seitenhieb auf den Umstand, dass eine gleichzeitig an SHAEF weitergegebene Kopie ihrer Akten tatsächlich in deren bürokratischen Mühlen versickert sei und die MFA&A erst verspätet erreicht habe – nacherzählt.33 Rorimer hingegen schmückt die Weitergabe szenisch stark aus und betont dabei sowohl den informellen und privaten Kontext des zunächst mündlich stattfindenden Austauschs als auch den geradezu missionarischen Charakter der Aufgabe, für die er und Valland sich engagierten.34 Durch die jeweiligen Erzählweisen wird dieselbe Situation im einen Fall zu einem Schlüsselmoment mit beinahe konspirativem Charakter stilisiert, während sie im anderen lediglich eine knapp abgehandelte Episode bleibt. Auf ihren jeweiligen Kern reduziert, bleibt beiden Erzählungen jedoch gemeinsam, dass Vertrauen und ein gutes persönliches Verhältnis als ausschlaggebend für die Zirkulation von Informationen und effektives Handeln wahrgenommen wurden. Tatsächlich sollte sich auch in den Folgejahren zeigen, dass Faktoren wie Vertrauen und die Ausbildung persönlicher Beziehungen sich bestimmend auf die französisch-­­amerikanische Zusammenarbeit auswirkten.

1.2 Der alliierte Vormarsch nach Deutschland und die Suche nach Kunstdepots Der alliierte Vormarsch erreichte im Herbst 1944 die Grenzen des Deutschen Reichs. Ende Oktober 1944 betrat Walker Hancock als erster MFA &A-Offiziere in Aachen deutsches Territorium; in Lothringen und dem Elsass fanden im Dezember 1944 und Januar 1945 erste Inspektionen statt.35 Der Bericht des MFA&A-Offiziers Robert Posey zur Inspektion von Metz zeigt beispielhaft die Vorgehensweise der MFA&A-Offiziere der einzelnen Army 32 33 34 35

Valland 2014, S. 220. Ebd., S. 221 – 222. Rorimer 1950, S. 110 – 114. Ross, Marvin C., Report on Visit to Strasbourg, 10 – 17 December 10 – 17, 1944, AN 20144792/56, und Posey, Robert K., Report on Monuments, Fine Arts and Archives, Metz, March 16, 1945, AN 20150044/99.

Der alliierte Vormarsch nach Deutschland und die Suche nach Kunstdepots  I  47

­ ommands, um auf lokaler Ebene Informationen über Mechanismen des Raubs und den VerC bleib von Sammlungen in Erfahrung zu bringen. Da die Stadt als Teil von Elsass-­­Lothringen de facto vom Deutschen Reich annektiert worden war, waren die leitenden Positionen beim Denkmalamt, der Stadtbibliothek, dem Stadtarchiv und den Archives départementales durch Deutsche besetzt worden, während gleichzeitig das restliche französische Personal beibehalten wurde. Durch Befragungen Letzterer erfuhr Posey Details zum Raub einiger privater und öffentlicher Bibliotheken sowie zum von Heinrich Himmler angeordneten Abtransport der lothringischen Archive. Außerdem konnte er ermitteln, dass die abtransportieren Bestände in eine Saline bei Heilbronn sowie verschiedene Archivdepots in der Festung Ehrenbreitstein, Koblenz und Düsseldorf verbracht worden waren. Die Befragung ergab schließlich auch, dass Franz Graf Wolff-­­Metternich vom Kunstschutz zeitweilig in Metz zu tun gehabt hatte und aufgrund seines korrekten Auftretens und einer mutmaßlichen Nicht-­­NSDAP-Mitgliedschaft in positiver Erinnerung geblieben war.36 Poseys Bericht zeigt exemplarisch auf, wie sich die Prioritäten der MFA&A bei ihren Inspektionen verschoben: Waren in den frühen Reports für die Normandie und die Pariser Region zunächst vor allem die Sicherung von Denkmälern, die kursorische Überprüfung von Museumsdepots und der Kontakt mit französischen Museumsleuten prioritär gewesen, so rückten in den ehemals annektierten Gebieten und im Reichsgebiet die Vorgehensweisen der deutschen Besatzer beim Raub von Sammlungen sowie der Verbleib dieser Bestände in den Vordergrund. Ein ähnlicher Befund ergibt sich aus der Lektüre des Berichts von Marvin C. Ross zu Straßburg, der den Abtransport und Verbleib der Buntglasfenster des Straßburger Münsters skizziert und anschließend unter dem Unterpunkt „German Personnel“ aufführte, was er über das in Straßburg tätige deutsche Personal hatte herausfinden können. Als zentrale Figur kristallisierte sich hier Kurt Martin, der Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, heraus.37 Das Sammeln von Informationen zu deutschem Personal erfolgte mit dem Ziel, den Grad der jeweiligen Verstrickung der Personen in Vorgänge des Raubes oder der Beschlagnahme in Erfahrung zu bringen. Personen, deren Beteiligung am Kulturgutraub nachgewiesen werden konnten, sollten zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher von der Art Looting Investigation Unit (ALIU) befragt werden. Personen, die keine NSDAP-Mitglieder gewesen waren und sich vom Kulturgutraub ferngehalten hatten, konnten hingegen als potenzielle Kooperationspartner bei Bergungsarbeiten sowie einem künftigen kulturellen Wiederaufbau gehandelt werden. Die beiden bereits in den Reports von Posey und Ross genannten Personen, 36 Posey, Robert K., Report on Monuments, Fine Arts and Archives, Metz, March 16, 1945, AN 2015044/99. 37 Die Fenster des Straßburger Münsters waren 1939 in die Dordogne ausgelagert, nach der Annexion des Elsasses jedoch nach Straßburg zurückgeholt worden. Im November 1944 waren sie nach Heilbronn am Neckar überführt worden. Ross, Marvin C., Report on Visit to Strasbourg, December 10 – 17, 1944, AN 20144792/56.

48 I Von der Normandie nach Neuschwanstein

Franz Graf Wolff-­­Metternich und Kurt Martin, sollten sich in d ­ iesem Zusammenhang als ambivalente Fälle erweisen: Wolff-­­Metternich hatte als Leiter des Deutschen Kunstschutzes in Zusammen­arbeit mit Jacques Jaujard den Zugriff des Sonderkommandos Künsberg auf die Depots der französischen Nationalmuseen verhindert, war jedoch gleichzeitig in Fotokampagnen im besetzten Frankreich und die Erstellung von Listen für den sogenannten Kümmel-­­Bericht verstrickt.38 Wegen seines Einsatzes für die französischen Sammlungen, der mutmaßlich auf Betreiben Görings 1942 zu seiner Absetzung als Leiter des Kunstschutzes führte, sahen die Alliierten ihn dennoch positiv und suchten während des Einmarschs ins Rheinland aktiv nach ihm, um ihn zu befragen und mit ihm zusammenzuarbeiten.39 Kurt Martin wiederum hatte ab Mitte der 1930er Jahre die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe geleitet und war 1940 nach der Annexion des Elsasses zum Generaldirektor der Oberrheinischen Museen befördert worden, sodass ihm in Personalunion nicht nur die Leitung der Kunsthalle, sondern auch die der Straßburger Museen und die Oberaufsicht über die übrigen Museen der Region unterstand. Bereits vor dem Krieg gut mit seinem Vorgänger in Straßburg, dem französischen Kurator Hans Haug, befreundet, erwies Martin sich 1945 als kooperativ, wurde sowohl durch die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts als auch durch die MFA&A entlastet und in Projekte zum kulturellen Wiederaufbau eingebunden.40 Die Berichte von Posey und Ross können nicht nur die Vorgehensweise und Prioritäten der MFA&A im Feld exemplarisch beleuchten. Da sie in französischen Aktenkonvoluten überliefert sind, erlauben sie gleichzeitig Rückschlüsse auf die Kommunikation von Ermittlungsergebnissen der MFA&A an französische Stellen. Ross’ Bericht zu Straßburg findet sich in einer Akte der CRA, die sogenannte Bulletins de Renseignements (B. R.) enthält, d. h. Informationsbulletins, in denen die Kultursektion des 1944 neu gegründeten französischen Geheimdienstes, der Direction Générale des Etudes et Recherches (DGER) geheimdienstliche Informationen an Stellen weiterleitete, für die d ­ ieses Material relevant war. Die CRA bekam diese Bulletins ab Februar 1945 regelmäßig übermittelt, weil einige der darin zusammengestellten Informationen den Pariser Kunsthandel in den ersten Monaten seit der Befreiung oder laufende Ermittlungen zu geraubten Kunstsammlungen wie der Sammlung Schloss betrafen. Später leitete die DGER Abschriften einzelner sichergestellter ERR-Akten und Informationen zu Exportlizenzen für ins Deutsche Reich ausgeführte Kunstwerke weiter; in einigen Fällen enthielten die Bulletins auch Auszüge aus den Sitzungsprotokollen der CRA oder der Vaucher Commission in London.41 Dass der MFA&A-Report von Marvin C. Ross Teil dieser Akte ist, lässt darauf schließen, dass er ebenfalls zu den Informationen gehörte, die die DGER der CRA zukommen ließ. 38 39 40 41

Vgl. dazu auch Kott 2008, S. 383. Hancock 1946, S. 287. Rosebrock 2011, S. 253 – 261. Vgl. z. B. DGER, Bulletin de renseignements, 23 Mars, 1945, AN 20144792/56, und DGER, Bulletin de renseignements, avec compte-­­rendu de la commission Vaucher de la réunion du 2 mars 1945, 11 mai 1945, AN 20144792/56.

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Für Poseys Bericht ergibt sich aus dem Überlieferungszusammenhang, dass er im ­Februar 1945 zusammen mit einem weiteren Inspektionsbericht zur Haut-­­Koenigsburg durch einen Offizier der SHAEF Mission to France an Jacques Jaujard weitergeleitet wurde, der ihn wiede­ rum dem CRA-Präsidenten Henraux übergab.42 Die Berichte von Ross und Posey s­ tehen insofern auch exemplarisch für die Wege, auf denen Wissen zum Verbleib französischer Kunstbestände von den Amerikanern an die Franzosen kommuniziert wurde. Die besondere Relevanz gerade dieser beiden Berichte ergab sich aus ihrem Fokus auf den Verbleib französischer Sammlungen im vormals vom Deutschen Reich annektierten Elsass-­­Lothringen. Tatsächlich hatte sich die CRA unabhängig von der MFA&A bereits im Herbst 1944 um die Überprüfung der Situation in Straßburg bemüht. Hans Haug, der bis 1940 die Straßburger Museen geleitet und nach der Annexion von den Deutschen seines Amts enthoben worden war, hatte bereits vor der Befreiung der Stadt einen Kontakt mit Kurt Martin unterhalten, um über den Zustand der Straßburger Museen auf dem Laufenden zu bleiben. Noch im November 1944 kehrte er als Expert auprès de la CRA nach Straßburg zurück und unternahm unabhängig von Marvin C. Ross eine Überprüfung der von den Deutschen im Elsass als „reichsfeindlich“ beschlagnahmten privaten Kunstsammlungen. Im Dezember 1944 beauftragte Albert Henraux ihn mit der Liquidierung der Generaldirektion der oberrheinischen Museen.43 Durch den Kontakt mit Kurt Martin wusste Haug überdies bereits, ­welche Auslagerungsorte auf deutschem Reichsgebiet für den Verbleib elsässischer Bestände relevant waren; es handelte sich dabei um die Depots, von deren Existenz auch Posey und vor allem Ross im Zuge ihrer Inspektionen und Ermittlungen erfuhren.44 Das allmähliche Bekanntwerden von Bergungsdepots auf dem Reichsgebiet zeitgleich zum Vormarsch der Truppen brachte eine neue Dynamik in die Tätigkeiten der MFA&A wie der CRA und wirkte auch auf ihre Interaktion miteinander zurück. Ab dem Frühjahr 1945 entsendete die CRA Kunstexperten zur Première Armée française, die dort als Beaux-­ Arts-­­Offiziere die g­ leiche Funktion ausüben sollten wie die MFA&A bei den US-Armeen. Mehrfach interessierten sich infolgedessen die MFA&A und die Beaux-­­Arts-­­Offiziere für die gleichen Auslagerungsdepots; jedoch kamen direkte Kooperationen bei den Bergungen und Sicherungen dieser Depots kaum zustande.

42 Jones, F. W., Report on Monuments, Fine Arts and Archives, relating to Metz and Haut-­­Koenigsburg, February 13, 1945, AN 20150044/99. Der Inspektionsbericht zur Haut-­­Koenigsburg wurde durch einen Franzosen von der Première Armée française durchgeführt. Vgl. Bouley, Général Brigade de, Rapport sur les objets d’art au château de Haut-­­Koenigsburg, 17 janvier 1945, AN 20150044/99. 43 Vgl. dazu den Dokumentenanhang in Rosebrock 2011, S. 383 – 385. Dort finden sich als Faksimile abgedruckt ein Brief von Hans Haug an Albert Henraux vom 8. Dezember 1944 über die I­ nspektion der beschlagnahmten privaten Kunstsammlungen (Dok. 12, S. 383 – 384) sowie ein Ordre de M ­ ission an Hans Haug, der ihn zur Liquidierung der Generaldirektion der Oberrheinischen Museen bevollmächtigt (Dok. 13, S. 385). 44 Rosebrock 2011, S. 372 – 375, Dok. 10: Brief von Kurt Martin an Hans Haug, Ende September 1944.

50 I Von der Normandie nach Neuschwanstein

1.2.1 Die Entsendung französischer Beaux-Arts-Offiziere zur Première Armée française Der Vorschlag, französische Beaux-­­Arts-­­Experten an die Armeen abzuordnen, war bereits im September 1944 in der Gründungssitzung der CRA diskutiert worden und hatte die Einsetzung von Pierre-­­Louis Duchartre als Verbindungsoffizier bei der MFA&A-Abteilung der SHAEF Mission to France nach sich gezogen. Nach langem administrativem Hin und Her fungierte Duchartre im März 1945 tatsächlich – wenngleich immer noch inoffiziell – als Bindeglied ­zwischen der MFA&A und der mittlerweile im Jeu de Paume residierenden CRA. Nach wie vor war seine Anbindung nicht von allen zuständigen Stellen genehmigt; immerhin aber konnte Duchartre inzwischen auf die SHAEF-interne Dokumentation zum Kulturgutraub der Nationalsozialisten zurückgreifen.45 Eine stärkere Zusammenarbeit, etwa in Form eines gemeinsamen Vorrückens französischer Offiziere ins Deutsche Reich mit der MFA&A, war jedoch zu ­diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen. Stattdessen sprach sich der Leiter der MFA&A SHAEF Mission to France Geoffrey Webb für eine Entsendung französischer Beaux-­­Arts-­­Offiziere zur Première Armée française aus, die zu ­diesem Zeitpunkt in der Pfalz bereits auf deutschem Territorium stand und in der Nähe von Speyer die Überquerung des Rheins vorbereitete. Die Rekrutierung dieser Beaux-­­Arts-­­Offiziere wurde Ende April 1945 z­ wischen der CRA und der Mission Militaire pour les Affaires Allemandes besprochen. Michel ­Florisoone, der stellvertretende Direktor der CRA, begründete die dringende Notwendigkeit von Beaux-­ Arts-­­Offizieren bei der Première Armée française mit dem Verweis auf das von ihr okkupierte Territorium, das auch den Raum Füssen umfasste, von dem man wusste, dass sich dort bedeutende Auslagerungsdepots mit französischen Kunstwerken befanden. Auf Empfehlung der CRA erhielten infolgedessen Rose Valland sowie die Denkmalpfleger Jacques Dupont und Guy Gaudron ihre Marschbefehle und fanden sich Anfang Mai 1945 im Hauptquartier der Première Armée française in Lindau ein.46 Bereits vor d ­ iesem Eintreffen der Beaux-­­Arts-­­Offiziere hatte die Première Armée française erste Inspektionen von entdeckten Auslagerungsdepots durchgeführt. Lt.-Colonel Thomazo 45 Duchartre, Pierre-­­Louis, Lettre au Colonel Rotival sur son rapport avec la Commission Webb (SHAEF) – Organisation et affectation personnelle, 26 mars 1945, AN 20150497/240. 46 [Florisoone, Michel], Rapport au sujet d’une entrevue entre Florisoone, Bousquet et M. de la ­Tournelle le lundi 30 avril 1945, 4 mai 1945, AMAE 209SUP/370 P 1 Dossier II SD12. Die Aktennotiz weist darauf hin, dass auch der Louvre-­­Kurator Germain Bazin für die Mission in Deutschland ausgewählt worden sei, allerdings gibt es keinerlei Dokumente, die bestätigen, dass Bazin tatsächlich als Beaux-­­Arts-­­Offizier auf Mission in Deutschland war. Dafür war neben Valland, Gaudron, Dupont und dem Künstler Jean Rigaud auch der Museumskurator André Chamson zeitweilig in Lindau stationiert. Chamson war mit André Malraux an der Spitze der aus FFI-Kämpfern bestehenden „Brigade Alsace-­­Lorraine“ nach Deutschland einmarschiert, dort aber nicht als Beaux-­­Arts-­­Offizier tätig. Vgl. Valland 2014, S. 223.

Der alliierte Vormarsch nach Deutschland und die Suche nach Kunstdepots  I  51

vom für Zivilangelegenheiten zuständigen 5e bureau der Armee fasste am 6. April 1945 einen Bericht über „la recherche et protection des lieux de dépôt d’art, dans la zone d’opérations en Allemagne des troupes françaises“ ab, in dem er eine Anleitung zur Vorgehensweise bei der Sicherung von Depots gab und die zu d­ iesem Zeitpunkt bereits bekannten Depots auflistete.47 Offiziere, die Depots entdeckten, wurden angehalten, Maßnahmen zur materiellen Sicherung des Inhalts zu treffen, sodass die vorgefundenen Güter weder zerstört noch gestohlen werden konnten. Sollten die Sicherheitsbedingungen des Depots nicht ausreichen, war für die Umlagerung des Inhalts an einen sichereren Ort unter lokaler Aufsicht zu sorgen. Die Entdeckung wichtiger Depots musste außerdem per Bericht an die entsprechenden höheren Stellen der Première Armée française gemeldet werden. Unter den bereits entdeckten Depots nannte Thomazo einige kleinere Ortschaften in Baden und Württemberg, aber auch Füssen als „principal dépôt des œuvres d’art de Paris“ sowie die Saline von Heilbronn am Neckar.48 Die Liste wurde während des weiteren Vorrückens der Armee fortlaufend ergänzt, wobei jedoch jeweils nur auf ­solche Depot-­­Inhalte explizit verwiesen wurde, die eventuell französischer oder sonstiger nichtdeutscher Herkunft sein konnten.49 So s­ eien etwa im Gebäude des Karlsruher Kunstvereins „tableaux appartenant à des Alsaciens de Mulhouse“ und die Keller der sogenannten Maison Solms in Karlsruhe „pleins [sic] de toiles dont quelqu’unes [sic] d’origine française“ zu finden; des Weiteren beherberge das Landesarchiv Karlsruhe einige elsässische Archive. Die der Stadt Straßburg ­seien im Gebäude der Ständigen Kunstausstellung in Baden-­­Baden gefunden worden, dazu auch französische Bücher. Einige der kleineren Depots in den Gasthäusern kleinerer Dörfer enthielten außerdem französisches Mobiliar aus verschiedenen Epochen.50 Die Kurzbeschreibungen rundete Thomazo stets

47 Thomazo, Lt.-Col. Robert, Rapport sur la recherche et protection des lieux de dépôt d’art, dans la zone d’opérations en Allemagne des troupes françaises, 6 avril 1945, AMAE 209SUP/356 D57. 48 Ebd. 49 Thomazo, Lt.-Col. Robert, Lieux de dépôt d’œuvres d’art dans la zone d’opérations des troupes françaises, 15 avril 1945, AMAE 209SUP/356 D57, und Thomazo, Lt.-Col. Robert, Rapport sur l’état des Châteaux et dépôts d’œuvres d’art et d’archives de Karlsruhe et de ses environs, 30 avril 1945, AMAE Bade 4.228/2. Die am 30. April 1945 in die Liste aufgenommenen Ergänzungen stammen aus den Inspektionsberichten der Offiziere Rheims und Rigaud, die v. a. das Karlsruher Stadtgebiet sowie den näheren Umkreis von Karlsruhe inspiziert hatten. Vgl. Rheims, Capitaine Maurice, Extrait d’un rapport du capitaine Rheims de la 1ère Armée française relatif à sa visite à Carlsruhe aux derniers jours d’avril 1945, AMAE 209SUP/335 D22 – 12 sowie Rigaud, Lt Jean, Rapport sur l’état des châteaux et dépôts d’œuvres d’art et d’archives de Karlsruhe et de ses environs, 30 avril 1945, AMAE 209SUP/714 d2. Ergänzungen zu den Schlössern von Rastatt und Baden-­­Baden basierten auf der Inspektion beider Schlösser durch den Straßburger Museumsdirektor Hans Haug. Haug, Hans, Rapport sur l’état des châteaux et dépôts d’œuvres d’art et archives de Baden-­­Baden et Rastatt, 22 avril 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier I-2, SD1d. 50 Thomazo, Lt.-Col. Robert, Rapport sur l’état des Châteaux et dépôts d’œuvres d’art et d’archives de Karlsruhe et de ses environs, 30 avril 1945, AMAE Bade 4.228/2.

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mit Hinweis auf die bestehende Sicherung des Depots bzw. weitere zu ergreifende Sicherheitsmaßnahmen ab – nicht ohne Grund: An mehreren Orten, darunter die Schlösser in Rastatt sowie das Depot in der Seysselkaserne Germersheim, hatten französische Truppen geplündert oder waren Objekte von Unbekannten gestohlen worden. In allen Fällen wies Thomazo darauf hin, dass die Angelegenheit weiter verfolgt werden müsse, ganz besonders im Fall des Depots in Germersheim, das nach französischem Wissensstand den Privatbesitz des Gauleiters Josef Bürckel beherbergt hatte und in dem man wohl Raubgut aus französischem Eigentum vermutete. Insgesamt geht aus dem Bericht klar hervor, dass die Inspektion von Auslagerungsdepots auf dem Territorium der Première Armée française bereits vor dem Eintreffen der Pariser Beaux-­­Arts-­­Experten mit der festen Intention durchgeführt wurde, vor allem aus Frankreich geraubte oder verlagerte Güter zu sichern. Informationen über entdeckte Auslagerungsdepots wurden daher auch an Pariser Behörden zurückgemeldet – ein Bulletin der DGER gab beispielsweise am 6. Juni eine Liste der bislang entdeckten Depots auf dem von der Première Armée française kontrollierten Gebiet heraus, die Kulturgüter französischer Herkunft enthielten.51 Ausgehend von diesen Informationen wandte sich Albert Henraux von der CRA mehrfach persönlich an Beaux-­­Arts-­­Offiziere in Deutschland, um sich konkretere Informationen zu einigen der Depots geben zu lassen.52 Es ist dementsprechend wenig überraschend, dass auch die Inspektionen der Beaux-­­Arts-­­Offiziere der Première Armée française zunächst vor allem mit dem Ziel stattfanden, geraubte Kulturgüter französischer Herkunft zu suchen.

1.2.2 Im Kreuzfeuer französischer und amerikanischer Interessen: Neuschwanstein und Heilbronn Die hohe Priorität der Suche nach dem französischen NS-Raubgut war auch der Grund dafür, dass Rose Valland nach ihrer Ankunft in Süddeutschland Anfang Mai 1945 als Erstes das ERR-Depot in Neuschwanstein inspizieren wollte. Die Meldung, dass die Seventh US Army den Großraum Füssen eingenommen hatte, erging am 1. Mai, also noch bevor Valland aus Paris nach Deutschland aufgebrochen war. James Rorimer befand sich zu ­diesem Zeitpunkt bereits auf süddeutschem Territorium. Er machte sich am 3. Mai auf den Weg nach Füssen und inspizierte unterwegs das Kloster Buxheim bei Memmingen, das eine Doppelfunktion als Depot und Restaurierungswerkstatt des ERR erfüllte und unter anderem die geraubte französische Kunstsammlung David-­­Weill 51 DGER, Bulletin de renseignements avec le compte-­­rendu de la 16e séance de la Commission Vaucher du 6 avril 1945, 6 juin 1945, AN 20144792/56. 52 Henraux, Albert S., Demande de renseignements diverses adressée au Lt. Rigaud, 14 juin 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier II SD17.

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beherbergte. Am Tag darauf fuhr Rorimer weiter nach Neuschwanstein, wo er im Anschluss an die Inspektion des Schlosses eine Befragung der ERR-Mitglieder Günther Schiedlausky und Bruno Lohse vornahm, die sich im Bethanien-­­Kloster in Füssen versteckt hatten.53 Während der Inspektion konnten unter anderem ERR -Fotolabors, Kataloge und individuelle Akten zu den geraubten französischen Kunstsammlungen sichergestellt werden, die essentiell für die spätere Identifizierung der aufgefundenen Bestände und die Rekonstruktion ihrer Entzugsumstände und Eigentumsverhältnisse waren. Ein weiteres Konvolut an Korrespondenz ­zwischen dem ERR, Mitgliedern der Reichskanzlei und Hermann Göring wurde Rorimer durch Günther Schiedlausky ausgehändigt.54 Wenige Tage nach Rorimers erster Inspektion versuchten auch die Beaux-­­Arts-­­Offiziere der Première Armée française, Zugang zu den Depots in Buxheim und Neuschwanstein zu erhalten. Als Rose Valland am 11. Mai im Hauptquartier der französischen Armee in Lindau eintraf, hatten ihre Kollegen Jacques Dupont und Jean Rigaud bereits einen Passierschein für das unter der Kontrolle der US Seventh Army stehende Territorium beantragt, da sie zu ­diesem Zeitpunkt schon in Erfahrung gebracht hatten, dass auf dem von der französischen Armee kontrollierten Gebiet keine bedeutenden Raubgutdepots zu finden waren. Am 12. Mai erhielten sie von der amerikanischen Armee ein Telegramm, wonach die französischen Kunstexperten laut einer SHAEF-Direktive ihre Aktivitäten auf das Gebiet der Première Armée française beschränken müssten; noch am gleichen Nachmittag wurde jedoch von einer anderen amerikanischen Stelle eine Inspektionsfahrt nach Füssen, Kempten und Buxheim genehmigt.55 Dennoch wurde ihnen vor Ort der Zutritt zu den Depots verweigert, sodass Valland, Rigaud und Dupont sich darauf beschränkten, ihrerseits ein Verhör mit Günther Schiedlausky durchzuführen, bei dem dieser ihnen die Lage weiterer bereits bekannter ERR-Depots bestätigte und Auskünfte über den gegenwärtigen Aufenthaltsort einiger ERR-Mitglieder gab, die ihrerseits verhört werden könnten.56 Auf d ­ iesem Weg wurde den Franzosen bekannt, dass der Kunsthändler Gustav Rochlitz, der im besetzten Paris verschiedene Tauschgeschäfte mit 53 Rorimer, James J., Typescript Journal II, 14 April–30 September 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.2, Einträge vom 3. und 4. Mai 1945. 54 Vgl. den MFA&A-Report Rorimers für Mai 1945, Punkt 3) Documents: „a) A basic collection of German letters and memoranda from Göring, Rosenberg, Hitler, Bormann, von Keitel, Lammers, etc. allegedly taken from Dr. Voss of Dresden to Kogl and then by Dr. Bruno Lohse to Neuschwanstein, were taken by the undersigned from Dr. Schiedlausky. Mimeographed translations were forwarded under separate cover. The originals were delivered to G-2 Documents Section this H for microfilming and forwarding. The Göring interrogation dated 19 May 45 will be forwarded under separate cover.“ Rorimer, James J., Seventeenth Report (First for Germany), „Monuments, Fine Arts and Archives“ (Period: 15 April–31 May 1945), 3 juin 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.14. 55 Valland 2014, S. 225. 56 Valland, Rose; Dupont, Jacques; Rigaud, Lt. Jean, Rapport sur les dépôts en Allemagne, 16 mai 1945, AN 20150497/216.

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dem ERR vollzogen hatte, sich in der Nähe von Füssen aufhielt. Noch Ende Mai kehrten Valland und Rigaud daher nach Füssen zurück, um Rochlitz einem Verhör zu unterziehen – dessen Angaben zufolge kamen sie damit den Amerikanern zuvor, die zu ­diesem Zeitpunkt zwar Lohse und Schiedlausky, ihn aber nicht befragt hatten.57 In ihrem ersten Inspektionsbericht stellten Valland, Rigaud und Dupont der amerikanischen Kooperationsbereitschaft ein negatives Zeugnis aus: En résumé, si jusqu’ici la présence d’un officier, spécialisé auprès de chaque Etat-­­Major d’Armée, avait l’avantage d’organiser la protection des œuvres d’art au fur et à mesure de l’avance de cette armée; il apparaît depuis la capitulation allemande que ce parti a l’inconvénient de créer des barrières entre les différentes armées, et par conséquent, des difficultés multiples. De plus, il semble que l’on ait tendance à s’orienter vers une solution excluant le contrôle des différentes Commissions des pays occupés et spoliés par les Allemands au profit d’une Commission interalliée. Celle-­­ci serait chargée de toutes les recherches d’œuvres d’art pour les différents pays intéressés. Cette thèse aurait l’agrément américain, et au profit de cette Commission se trouveraient supprimées les interdictions auxquelles nous nous sommes heurtés. Pour l’instant, il est hors de doute que c’est la 7ème Armée Américaine qui contrôle le plus grand nombre de dépôts, c’est donc auprès d’elle qu’il faudrait s’efforcer d’accréditer un membre qualifié de la Commission de Récupération Artistique, à même, d’une part de renseigner les ­Services Américains sur la constitution des dépôts, d’interroger les agents allemands dont on connaît l’action et, d’autre part, de suivre au mieux des intérêts français, les étapes de la récupération.58

Der hier angesprochene Vorschlag, die Verantwortung für die Bergung von Depots und die Restitution von Beständen in die Hände einer interalliierten Kommission zu legen, sollte nie in die Praxis umgesetzt werden. Stattdessen wurden Informationen „about the progress of MFA &A discoveries“ offiziell über die SHAEF Mission to France an die französischen Stellen kommuniziert.59 Nur in Ausnahmefällen wurden darüber hinaus weitere Inspektionen durch französische Offiziere auf amerikanischem Gebiet autorisiert, so etwa im Juni 1945 diejenige Rose Vallands des Depots der Göring-­­Sammlung in Berchtesgaden.60 57 Rigaud, Lt. Jean; Valland, Rose, Rapport sur l’interrogatoire de Gustav Rochlitz, 30 mai 1945, AMAE 209SUP/714 d4. 58 Valland, Rose; Dupont, Jacques; Rigaud, Lt. Jean, Rapport sur les dépôts en Allemagne, 16 mai 1945, AMAE Bade 4.228/2. 59 Rorimer 1950, S. 189. Vgl. auch Kuhn, Charles; McDonnell, Aeneas; Special report on inspection of repositories of art conducted by Lt. Col. McDonnell of the SHAEF Mission to France and Lt. Kuhn, May 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.14. 60 Carolet, Lt.-Colonel, Ordre de mission pour Rose Valland de se rendre à Berchtesgaden, 12 juin 1945, AN 20150497/216. Den Bericht über ihre ab dem 14. Juni stattfindende Mission fasste Valland im August 1945 ab: Valland, Rose, Rapport sur des parties de la collection Göring à Berchtesgaden, 31 août 1945, AN 20150497/216.

Der alliierte Vormarsch nach Deutschland und die Suche nach Kunstdepots  I  55

Erst nach der Auflösung von SHAEF im Juli 1945 wurde eine dauerhaftere Abordnung von Experten der CRA in die amerikanische Besatzungszone erstmals angegangen. Pierre-­­Louis Duchartre, der ab Mai 1945 als CRA -Experte der zukünftigen französischen Kontrollratsgruppe in Berlin zugeordnet war, beantragte im Juli 1945 eine zeitweilige Versetzung zur MFA &A in Frankfurt. Nach der Auflösung von SHAEF hatte das United States Forces, European Territory (USFET) in Frankfurt/Höchst seine Zentrale eingerichtet, weshalb auch das Leitungsbüro der MFA &A unter Bancel LaFarge und Charles Kuhn dorthin verlegt wurde. Einmal mehr wurde jedoch Duchartres Versetzungsgesuch in den bürokratischen Mühlen zerrieben, und vorläufig blieb er lediglich CRA -Experte bei der französischen Kontrollratsgruppe. Erst im Oktober 1945 wurde seine Entsendung in die amerikanische Zone offiziell genehmigt.61 Die französischen Zugänglichkeitsprobleme zu den amerikanischen Depots bildeten keinen auf die ERR-Depots in Füssen beschränkten Einzelfall. Die Grenzziehung z­ wischen französisch und amerikanisch kontrollierten Territorien erwies sich auch als Hürde für die Inspektion der Salzmine von Heilbronn und die Identifizierung der dortigen Bestände und betraf hier nicht nur die Franzosen, sondern auch die Amerikaner. Die Bedeutung der Heilbronner Salzmine als Depot war sowohl Amerikanern als auch Franzosen bereits im Winter 1944/45 bekannt, seit Robert Posey, Marvin C. Ross und Hans Haug in Erfahrung gebracht hatten, dass Bestände aus Elsass-­­Lothringen – unter anderem die Fenster des Straßburger Münsters – dorthin verlagert worden waren. Eine erste Überprüfung des Depots unmittelbar nach der Einnahme von Heilbronn durch die Seventh US Army zeigte jedoch, dass die Aufzüge in die Minenschächte wegen Stromausfällen unzugänglich waren.62 Weder James Rorimer noch Hans Haug konnten das Depot daher in Augenschein nehmen, als sie beide jeweils Mitte April – unabhängig voneinander und offenbar auch ohne sich zu begegnen – nach Heilbronn kamen.63 Erst als Rorimer im Mai noch einmal dorthin zurückkehrte, fand er die Mine zugänglich vor und konnte feststellen, dass nur ein pharmazeutisches Depot, nicht aber die Kunst-­­Lagerräume innerhalb der Mine von Wasserschäden betroffen waren.64 61 SHAEF, Demande d’affectation temporaire de Pierre-­­Louis Duchartre à la MFA&A américaine pour coordonner les méthodes anglo-­­américaines et françaises de la MFA&A, 17 juin 1945, AN 21050497/240, Duchartre, Pierre-­­Louis, Lettre manuscrite au sujet de l’affectation de Duchartre à Francfort, 6 juillet 1945, AN 20150497/240, und Duchartre, Pierre-­­Louis, Premier rapport à M. Henraux au sujet de l’arrivée de Duchartre en zone américaine, 19 octobre 1945, AMAE 209SUP/467 P145. 62 Rorimer, Typescript Journal II, Einträge vom 16., 17. und 18. April 1945. Vgl. auch Rorimer, James J., Art repositories in and near Heilbronn a/Neckar, April 18, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.14. Die Stromausfälle hatten gleichzeitig die ungleich schwerwiegendere Konsequenz, dass das Pumpensystem, mit dem Grundwasser aus den Minenschächten herausgehalten werden sollte, ausfiel, sodass Wasserschäden an den Depots zu befürchten waren. 63 Haug, Hans, Rapport sur l’état du dépôt de Heilbronn s/Neckar, April 17, 1945, AN 20150797/216. 64 Rorimer, Typescript Journal II, Eintrag vom 25. Mai 1945.

56 I Von der Normandie nach Neuschwanstein

Auf französischer Seite bemühte sich im Mai 1945 der zukünftige Freiburger Beaux-­ Arts-­­Offizier Maurice Jardot um den Zutritt ins Depot. Wenngleich die Mine zu ­diesem Zeitpunkt wieder betreten werden konnte, wurde Jardot der Zutritt verweigert – James Rorimer legte später in einem Bericht dar, dass dies aus konservatorischen Gründen geschah, weil die Mine durch den Wassereintritt nach dem Stromausfall in Mitleidenschaft gezogen worden sei.65 Jardots versuchte Inspektion dürfte ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, als auch Valland, Rigaud und Dupont sich um den Zutritt zu den ERR -Depots bemühten, erfolgt sein. Die Abweisung französischer Offiziere bei den amerikanisch kontrollierten Depots war demnach kein Einzelfall, sondern folgte einer gewissen Systematik, vorgeblich jeweils aus konservatorischen Gründen und weil die Franzosen nicht die entsprechenden Genehmigungen von SHAEF mitbrachten. Mit denselben Begründungen wurden im Übrigen auch belgische Repräsentanten an amerikanischen Depots abgewiesen.66 Eventuell ist der Umstand, dass die alliierten Repräsentanten zunächst ferngehalten wurden, auf die bei der Leitungsebene der MFA &A geäußerte Befürchtung zurückzuführen, dass Franzosen und Belgier versuchen würden, Kunstwerke zu beschlagnahmen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wirkte sich aber auch die zu ­diesem Zeitpunkt noch ungeklärte interalliierte Restitutionspolitik auf die Zugänglichkeit der Depots aus; vermutlich war eine Anweisung ergangen, den französischen und belgischen Abgesandten keine Zutrittsgenehmigungen auszustellen, solange mit diesen Ländern noch keine klare restitutionspolitische Absprache bestand. Ein Wendepunkt kündigte sich erst im August 1945 an, als Georges Bousquet, Rose Valland und Pierre-­­Louis Duchartre, die zu ­diesem Zeitpunkt alle drei mit Zuständigkeiten für die récupération artistique an die französische Kontrollratsgruppe des Alliierten Kontrollrats angebunden waren, gemeinsam mit Mason Hammond von der MFA &A-Abteilung der amerikanischen Kontrollratsgruppe eine Reise durch die amerikanische Zone unternahmen, um Depots zu inspizieren und restitutionspolitische Fragen zu besprechen. Wie James Rorimer in seinem Diensttagebuch festhielt, traf die Gruppe am 12. August in Heidelberg ein, um dort mit ihm unter anderem über das Auslagerungsdepot Füssen und den Umgang mit deutschen Kriegsverbrechern zu diskutieren. Anschließend besuchte die Gruppe die Heilbronner Saline, 65 Morlière, Dépôt d’œuvres d’art français dans les Salines d’Heilbronn, 8 mai 1945, AMAE Bade 4.228/2. Vgl. auch Rorimer, James J., Report about the return of Strasbourg stained glass and objects from the Metz cathedral treasury, October 4, 1945, NGA , Gallery Archives, RG 28, MFAA -J2 f..4. 66 Unter Punkt 5) „Coordination of Monuments Activities“ schrieb Rorimer: „Contacts with G-5 Monuments Officers from SHAEF , SHAEF Mission to France, 6th and 12th Army Groups, 3rd Army, and various detachments have been maintained. This has made it possible to have a minimum of duplication. Representatives of the French Army from Paris and three Belgian officers came without competent orders. They were not able to complete their missions.“ Rorimer, James J., Seventeenth Report (First for Germany), „Monuments, Fine Arts and Archives“ (Period: 15 April–31 May 1945), June 3, 1945, NGA , Gallery Archives, RG 28, MFAA -J1, 1.14.

Der alliierte Vormarsch nach Deutschland und die Suche nach Kunstdepots  I  57

ehe Hammond mit den Franzosen nach Neuschwanstein und München weiterreiste.67 Die gemeinsame Inspektion Heilbronns stellte nicht nur die erste Gelegenheit für die Franzosen dar, überhaupt Zugang zur Saline zu erhalten und insbesondere die Buntglasfenster des Straßburger Münsters in Augenschein zu nehmen. Gleichzeitig bereitete sie den Weg für die Rückgabe der Fenster im Herbst 1945, genauso wie die französischen Besichtigungen von Neuschwanstein und dem zwischenzeitlich in München begründeten Central Collecting Point die späteren Rückführungen französischen Raubguts aus Füssen und München durch die Delegierten der CRA vorbereiteten. Die Grenzziehung z­ wischen den französisch und amerikanisch besetzten Gebieten wirkte sich nicht nur für die Franzosen auf die Zugänglichkeit der Heilbronner Saline aus. Da Kurt Martin von der Karlsruher Kunsthalle die Inventare mitgenommen hatte, befanden sie sich nach Kriegsende in der französischen Besatzungszone, weshalb Rorimer die Kontaktaufnahme mit Martin über die französische Militärregierung in Baden-­­Baden organisieren musste und erst im September 1945 die Erlaubnis erhielt, Martin persönlich zu treffen.68 Sehr viel schneller konnten indes die Franzosen ihrem Interesse an den Inventaren und Martins Expertise nachgehen. Unmittelbar nach Kriegsende wurde Martin von Maurice Jardot verhaftet und Hans Haug gegenübergestellt.69 Haug hatte seinerseits bereits im September 1944 einen Bericht über die Situation der Straßburger Museen abgefasst, in dem er Martin eine „attitude administrative et personnelle au-­­dessus de tout éloge“ bescheinigte und betonte, dass dieser stets auf eine Rückgabe der Straßburger Museen in die Hände Hans Haugs hingearbeitet hätte.70 Die Gegenüberstellung von Martin und Haug diente daher nur noch dazu, Martins Aussagen noch einmal zu überprüfen und ihn auch vor den Augen der französischen Militärregierung zu entlasten. In der Folgezeit wurde Martin von den französischen Beaux-­ Arts-­­Offizieren in die Bergung und Sicherung der Museumsdepots auf dem Gebiet der französischen Besatzungszone aktiv einbezogen; so begleitete er im Juni 1945 Rose Valland und Jean Rigaud auf eine Inspektionstour durch große Teile der Zone, bei der die größeren Depots wichtiger deutscher Museen wie die des Wallraf-­­Richartz-­­Museum Köln in Schloss Hohenzollern bei Hechingen, des Historischen Museums Frankfurt im Schloss Lichtenegg und der Karlsruher Museen in Lauffen, Badenweiler und Titisee überprüft wurden.71 Ziel 67 68 69 70

Rorimer, Typescript Journal II, Einträge vom 12. und 13. August 1945. Rorimer, Typescript Journal II, Eintrag vom 2. September 1945. Rosebrock 2011, S. 255. Hans Haug, Rapport sur la situation des Musées de Strasbourg à la veille de la libération de cette ville, 15 septembre 1944, zitiert nach: Rosebrock 2011, Dok. 9 im Dokumentenanhang, S. 368 – 371, hier S. 370. Im Dezember 1944 schickte Haug überdies einen zweiten Bericht an die CRA, in dem er seine positive Beurteilung Martins noch einmal ausdrücklich wiederholte. Vgl. Brief Hans Haugs an den Président de la Commission de Récupération Artistique Albert Henraux, 8. Dezember 1944, ebd., Dok. 12, S. 383 – 384. 71 Vgl. Martin, Kurt; Rigaud, Lt. Jean; Valland, Rose, Rapport sur l’état de différents dépôts d’œuvres d’art situés dans la zone contrôlée par la 1ère armée française, 9 juin 1945, AMAE Bade 4.228/2,

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der Tour war dabei jedoch weniger die Bergung der deutschen Museumssammlungen als vielmehr die Suche nach Kunstwerken französischer Herkunft; auf Burg Hohenzollern etwa wollte man den „fameux Van Gogh du Pont-­­Sainte-­­Marie“ 72 inspizieren, während man in Titisee und Meersburg bei Privatleuten Kunstwerke ausfindig machen konnte, die aus Tauschgeschäften mit dem ERR stammten.73 Die Quellen zu der Inspektionstour geben Einblick in die praktischen Tätigkeiten der Beaux-­­Arts-­­Offiziere der Première Armée française, verdeutlichen gleichzeitig aber auch, wie unbürokratisch Kurt Martin nach 1945 auf französischer Seite nicht nur entlastet, sondern unverzüglich in die Bergung von Depots eingebunden wurde. Demgegenüber brauchte die MFA&A deutlich länger, um nicht nur Kontakt zu Martin aufzubauen, sondern auch eine kritische Einschätzung seiner Rolle im Nationalsozialismus vorzunehmen. Der mit Nachforschungen zur Person Kurt Martins beauftragte MFA&A Intelligence Officer Walter Horn kam auf der Basis seiner Befragungen des Karlsruher und Straßburger Museumspersonals zu einem ähnlichen Schluss wie zuvor die französischen Behörden und „consider[ed] him worthy of holding a position of trust with Allied Military Government.“ 74 Infolgedessen band auch Rorimer Martin ab Herbst 1945 in verschiedene Besprechungen rund um die Handhabe von Restitutionen in Baden-­­Württemberg ein und nutzte die daraus gewonnenen Erkenntnisse als Basis, um mit dem Sous-­­Directeur des Beaux-­­Arts der französischen Militärregierung François Boucher erste Gespräche über eine französisch-­­amerikanische interzonale Regelung zu Restitutionen zu führen.75 Diese Besprechungen dürften sich vor allem auf die Fenster des Straßburger Münsters bezogen haben, die noch im September 1945 aus Heilbronn nach Straßburg zurück eskortiert werden sollten. Selbst wenn sie darüber hinaus grundsätzlichere Fragen zur Restitutionspolitik, etwa der Rückgabe von Kulturgütern über die Zonengrenzen hinweg, besprochen haben sollten, so dürfte dies kaum zu

72

73 74 75

Valland 2014, S. 227 – 228, und Rigaud, Lt. Jean (1945): Carnet, Eintrag vom 31. Mai 1945, vermutlich AN 20150497/216. Das Original des Notizbuchs wird von der Fondation „La Mémoire de Rose Valland“ verwahrt. Eine Kopie des Diensttagebuchs konnte bis 2015 in den Archives des Musées Nationaux eingesehen werden. Ob diese Kopie nach der Auflösung der Archives des Musées Nationaux an die Archives nationales oder die Archives diplomatiques abgegeben wurde, konnte die Autorin auch durch mehrfache Nachfrage bei den zuständigen Archiven nicht in Erfahrung bringen. Valland 2014, S. 227. Vallands Memoiren geben keinen Aufschluss darüber, warum gerade nach ­diesem Gemälde gezielt gesucht wurde, sondern weisen nur summarisch darauf hin, dass der Van Gogh später wiedergefunden wurde. Es handelte sich hierbei konkret um Kunstwerke, die der Händler Gustav Rochlitz in Tauschgeschäften vom ERR erhalten und eingelagert hatte. Valland 2014, S. 227, Anm. a. Horn, Walter, Report on Dr. Kurt Martin, October 2, 1945, NARA RG 260 A1, Entry 492, M1947, Roll 1. Rorimer, James J., Typescript Journal, 14 April–30 September 1945. NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.2, Einträge vom 11. – 12. sowie 20. – 24. September 1944.

Der alliierte Vormarsch nach Deutschland und die Suche nach Kunstdepots  I  59

in die Praxis umgesetzten Lösungen geführt haben – die Frage des Interzonentransfers von Kulturgütern wurde vom Alliierten Kontrollrat verhandelt, und eine Einigung z­ wischen der französischen und amerikanischen Zone wurde letztlich erst 1948 erzielt.

1.3 Recherchen zum NS-Kunstraub: Produktion und Zirkulation von Wissen durch die ALIU Parallel zum Vormarsch der MFA&A und der Gründung der CRA wurde bereits ab 1944 auf amerikanischer wie französischer Seite eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen des nationalsozialistischen Kulturgutraubs angestrebt. Im Herbst 1944 nahm die amerikanische Art Looting Investigation Unit (ALIU), eine Sonderabteilung des Office of Strategic Services (OSS ), ihre Ermittlungen auf, indem sie auf der Basis von geheimdienstlichen Informationen sowie den Vorarbeiten von Roberts Commission und Vaucher Commission belastendes Material und Listen der Personen, die verhört und strafrechtlich verfolgt werden mussten, zusammentrugen.76 Auch auf französischer Seite griffen die Behörden auf die Unterstützung des Geheimdienstes zurück, um Informationen über Akteure des Kulturgutraubs zu sammeln. Vor allem für die erste Jahreshälfte 1945 können die geheimdienstlichen Bulletins de Renseignements (B. R.) der Kultursektion der DGER einen Einblick in die Tätigkeiten der CRA und den Status Quo ihres Wissens über den nationalsozialistischen Kulturgutraub in Frankreich vermitteln. So enthalten die Bulletins zum Beispiel verschiedene Vermerke zum Pariser Kunsthandel, die sowohl die Zeit der deutschen Okkupation als auch die Entwicklung des Kunstmarkts seit der Befreiung betreffen. Unter der Beobachtung der DGER standen beispielsweise einige der bereits wiedereröffneten Galerien, die in der Besatzungszeit mit Deutschen gehandelt hatten. Im B. R. Nr. 10 vom 7. März 1945 wird berichtet, dass die Galerie Charpentier-­­Nasenta mit der „Exposition Oberle“ die Aktivitäten der Résistance feiere, während die Galerie Fabiani Benefizausstellungen zugunsten der Stage Door Canteen der alliierten Truppen bzw. zugunsten der Roten Armee veranstalte. Roger Dequoy habe mit einer Ausstellung „l’enfance britannique malheureuse“ unterstützt. In allen drei Fällen ging die DGER davon aus, dass diese patriotisch gefärbten oder gemeinnützig intendierten Ausstellungen als Vorwand dienten, um von den Geschäften abzulenken, die die Galerien während der deutschen Besatzung geführt hatten.77 In der Tat waren alle drei in geschäftliche Beziehungen mit deutschen Händlern und Käufern verwickelt gewesen: Die Galerie Charpentier hatte in mindestens einem Fall Kunstwerke direkt an Hermann Göring verkauft und mehrfach private Auktionen nur für deutsche Klienten abgehalten.78 Martin Fabiani, der Nachlassverwalter des Kunsthändlers Ambroise Vollard, war in Tauschgeschäfte mit dem 76 Vgl. Salter 2015, S. 263 – 264. 77 DGER, Bulletin de renseignements, 7 mars 1945, AN 20144792/56. 78 Vgl. Nicholas 1994, S. 155. Vgl. auch Feliciano 2008, S. 228 – 229.

60 I Von der Normandie nach Neuschwanstein

ERR verstrickt.79 Roger Dequoy schließlich, mit dem Fabiani in engem Kontakt stand, war

der Verwalter der „arisierten“ Galerie Wildenstein, der verschiedene Transaktionen mit dem für den „Sonderauftrag Linz“ tätigen Karl Haberstock und der Münchner Kunsthändlerin Maria Almas-­­Dietrich abgeschlossen hatte.80 Der Bericht über die Aktivitäten dieser Galerien sowie die Einschätzung ihrer Ausstellungstätigkeiten als Versuch der Reinwaschung zeigt nicht nur, dass die DGER – vermutlich auf der Grundlage der Daten in den Transportlisten von Schenker, eventuell auch basierend auf Informationen von Rose Valland zu Kontakten ­zwischen dem ERR und Pariser Kunsthändlern – durchaus über die Verstrickungen des Pariser Kunstmarkts der Jahre 1940 – 1944 Bescheid wusste. Zugleich wird deutlich, dass das im Paris der ersten Monate nach der Befreiung herrschende Klima der „épurations“ auch auf dem Kunstmarkt Wirkung zeigte und einige Kunsthändler versuchten, sich einer Bestrafung ihrer Kollaboration zu entziehen, indem sie sich demonstrativ zur Résistance und den Alliierten bekannten. Die DGER-Bulletins beschränkten sich nicht auf die Beobachtung des Kunstmarkts, sondern enthielten auch Angaben zu einzelnen Sammlern und dem Verbleib ihres Besitzes, etwa dem Fall der vom Commissariat Général aux Questions Juives beschlagnahmten und ­zwischen französischen Kunsthändlern, dem Louvre und NS-Rauborganisationen aufgeteilten Sammlung Schloss 81 sowie konfiszierten Sammlungen in Paris und der südfranzösischen Provinz. Bereits im Februar 1945 weist B. R. Nr. 8 außerdem auf Pläne der CRA hin, einen Untersuchungsrichter zu bestimmen, der die Aussagen von beraubten Personen als Zeugen anhören und gleichzeitig an zentraler Stelle belastende Informationen zu Verantwortlichen des Raubs sammeln sollte, die für die spätere strafrechtliche Verfolgung der Fälle genutzt werden konnten.82 Für den gleichen Zweck trug die DGER Aktenmaterial zum von H ­ ermann Göring befehligten Devisenschutzkommando und seinen Beschlagnahmen, Listen weiterer Speditionsfirmen sowie Korrespondenzen zu einzelnen Akteuren wie beispielsweise Gustav Rochlitz zusammen.83 79 Feliciano 2008, S. 191 – 192. 80 Ebd., S. 191. Vgl. auch Nicholas 1994, S. 157 – 159, und Petropoulos 2000, S. 87 – 89. 81 DGER, Bulletin de renseignements, 2 février 1945, AN 20144792/56. Zur Sammlung Schloss vgl. auch Feliciano 2008, S. 151 – 165, und Karlsgodt 2011, S. 218 – 223. 82 DGER, Bulletin de renseignement sur des affaires de biens saisis, 17 février 1945, AN 20144792/56. 83 DGER, Bulletin de renseignements, 23 mars 1945, AN 20133792/56. Eine umfassende Dokumentensammlung von ERR-Akten, Akten des Commissariat Général aux Questions Juives sowie Korrespondenzen ­zwischen Jacques Jaujard und dem Deutschen Kunstschutz übermittelte die DGER der Direction Générale des Arts et Lettres im Oktober 1945. Es handelt sich dabei vermutlich um die Akten, die Jean Cassou im Auftrag des Centre de Documentation Juive Contemporaine (CDJC) in einer Quellenedition zum NS -Kunstraub in Frankreich herausgab. Vgl. DGER , Recueil de documents français et allemands classés chronologiquement, concernant la saisie des œuvres d’art et matériel culturel en général, en contravention avec la Convention de la Haye, 29 octobre 1945, AN 20144792/56, und Cassou 1947.

Recherchen zum NS-Kunstraub  I  61

In der ersten Jahreshälfte 1945 – also zur Zeit kurz vor dem Einmarsch der alliierten Truppen im Deutschen Reich und vor der Entdeckung der großen Kulturgüterdepots – verfügten die DGER und die CRA somit bereits über grundlegende Informationen zum Pariser Kunstmarkt, einzelnen geschädigten Kunsteigentümern und dem Verbleib ihrer Sammlungen sowie zu NS-Rauborganisationen und vereinzelt auch deutschen Kunsthändlern.84 Diese Informationen wurden ab Mai 1945 durch Material vervollständigt, das die ALIU bis zu ­diesem Zeitpunkt zusammengetragen hatte: Von Spanien aus reiste Theodore Rousseau, einer der ALIU-Offiziere, nach Paris, um vor allem die Informationen weiterzugeben, die für eine strafrechtliche Verfolgung von Akteuren in Frankreich sowie für die Auffindung französischer Sammlungen relevant waren.85 Auch nach dem Einmarsch der amerikanischen und französischen Truppen ins Deutsche Reich setzte sich die französische Zusammenarbeit mit der ALIU fort. Anfang Juni 1945 richtete diese in Bad Aussee nahe dem Salzbergwerk Altaussee ein Interrogation Center ein, in das sie die wichtigsten Verantwortlichen für den NS -Kulturgutraub brachten, um sie zu verhören. Dorthin wurden unter anderem Bruno Lohse und Günther Schiedlausky gebracht, die bereits im Mai 1945 jeweils separat von James Rorimer und Rose Valland verhört worden waren.86 Im Zeitraum ­zwischen Juni und Oktober 1945 verhörte die ALIU über 70 Personen, darunter neben ERR -Mitgliedern auch Personen wie Karl Haberstock 87 und Hermann Voss 88, die mit dem „Sonderauftrag Linz“ in Verbindung gestanden hatten, oder den Verwalter von Hermann Görings Kunstsammlung, Walter Andreas Hofer 89. Um möglichen Widersprüchen oder Verschleierungen auf die Spur zu kommen, arbeitete die

84 Da sich das Aufgabenprofil der Section des Etudes Culturelles zunehmend hin zur Beobachtung des ausländischen Kulturlebens und der französischen Präsenz im Ausland verschob, setzte sich die Berichterstattung der DGER zum nationalsozialistischen Kulturgutraub jedoch nicht länger fort, sondern verschwand bereits ab der zweiten Hälfte des Jahres 1945 zunehmend aus ihrem Augenmerk. 85 Salter 2015, 264 – 265. 86 Vgl. dazu Rorimer 1950, S. 187, und Valland, Rose; Dupont, Jacques; Rigaud, Lt. Jean, Rapport sur les dépôts en Allemagne, 16 mai 1945, AMAE Bade 4.228/2. 87 Karl Haberstock, der als Agent für den „Sonderauftrag Linz“ Erwerbungen in Frankreich getätigt hatte, wurde am 19. Mai 1945 in Schloss Aschbach zum ersten Mal festgenommen und in Untersuchungshaft nach Würzburg gebracht, zunächst jedoch zeitweilig wieder freigelassen, ehe die ALIU ihn im August 1945 ein zweites Mal verhaftete und in Altaussee zu den Plänen für das Linzer „Führermuseum“ und seinen Ankäufen für das Projekt befragte. Vgl. Keßler 2008, S. 31. 88 Hermann Voss, ehemaliger Direktor des Wiesbadener Landesmuseums, hatte 1943 die Nachfolge des verstorbenen Hans Posse als Direktor der Dresdner Gemäldegalerie und die Gesamtleitung des „Sonderauftrags Linz“ angetreten. Vgl. Iselt 2010, S. 389 – 392. 89 Wie James Rorimer und Thomas Carr Howe in ihren Memoiren berichten, wurde Hofer im Mai 1945 am Bergungsdepot der Göring-­­Sammlung in Berchtesgaden festgesetzt, wo er sich als Helfer der MFA &A inszenierte, ehe er im Sommer 1945 nach Altaussee ins Verhörzentrum der ALIU eskortiert wurde. Vgl. Rorimer 1950, S. 205 – 213, und Howe 1946, S. 132 – 134 und S. 181 – 182.

62 I Von der Normandie nach Neuschwanstein

ALIU mit Verhörtechniken, bei denen sie bewusst die Aussagen verschiedener Personen

miteinander konfrontierten oder mehrere Personen gleichzeitig verhörten.90 Auf der Basis ihrer Verhörprotokolle erstellte die ALIU insgesamt 12 Detailed Interrogation Reports (DIR) zu den Hauptverantwortlichen des NS-Raubs sowie drei Consolidated Interrogation Reports (CIR), in denen sie aufbauend auf den Ergebnissen der individuellen Berichte zu Einzelpersonen die Aktivitäten des ERR, des „Sonderauftrags Linz“ sowie das Zustandekommen der Göring-­­Sammlung zusammenfassten. Sämtliche Berichte enthielten Empfehlungen über den weiteren Umgang mit den Verantwortlichen.91 Hermann Voss zum Beispiel sollte den Mitarbeitern des Münchner CCP für weitere Befragungen zur Verfügung stehen, weshalb er München in den ersten Nachkriegsjahren nicht verlassen durfte. Karl Haberstock wurde 1946 als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen vorgeladen, außerdem empfahl die ALIU in seinem Fall wie auch beim ERR-Mitglied Robert Scholz und Walter Andreas Hofer eine Anklage als Kriegsverbrecher. Allerdings wurde diese Empfehlung bei keinem der drei umgesetzt. Sowohl Scholz als auch Hofer und Haberstock scheinen vielmehr später ähnlich wie Voss dem CCP München für Befragungen und Identifizierungen einzelner Kunstwerke zur Verfügung gestanden zu haben.92 Günther Schiedlausky vom ERR, der sich von Anfang an kooperativ gegenüber der MFA&A und der ALIU gezeigt und James Rorimer schon bei seiner Festnahme in Füssen im Mai 1945 belastendes Aktenmaterial zum ERR überlassen hatte, wurde nicht strafrechtlich belangt, dafür aber als Zeuge für die Aktivitäten des ERR herangezogen.93 Bruno Lohse und Gustav Rochlitz wurden aufgrund ihrer Kollaboration mit dem ERR und Hermann Göring und der Rolle, die sie auf dem Pariser Kunstmarkt gespielt hatten, an die französische Justiz überstellt. Die Akten zu den Gerichtsprozessen, die nach dem Krieg vor der Cour de Justice du Département de la Seine unter dem Vorsitz des Richters Frapier stattfanden und bei denen sowohl Lohse als auch Rochlitz zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, finden sich heute in den Archives Nationales, unterliegen teilweise aber nach wie vor Sperrfristen.94 Unabhängig von den Gerichtsakten lassen auch die Akten der CRA und die Unterlagen von Rose Valland Rückschlüsse darüber zu, inwieweit die französische Strafverfolgung ­insbesondere von Bruno Lohse auf den Vorarbeiten der ALIU aufbaute und wo die f­ ranzösischen und amerikanischen Wahrnehmungen von Verantwortlichen des NS-Kulturgutraubs voneinander abwichen. 90 Salter 2015, S. 266. 91 Vgl. dazu Yeide 2007 und Salter 2015, S. 267 – 268. Detailed Interrogation Reports wurden zu Heinrich Hofmann, Ernst Buchner, Robert Scholz, Gustav Rochlitz, Günther Schiedlausky, Bruno Lohse, Gisela Limberger, Walter Andreas Hofer, Karl Kress, Walter Bornheim, Hermann Voss und Karl Haberstock erstellt. Vgl. NARA, RG 239, M1782. 92 Vgl. Iselt 2010, S. 392, Keßler 2008, S. 31, und Salter 2015, S. 270 und S. 278. Vgl. auch Petropoulos 2000, S. 141 – 142 und S. 278. 93 Salter 2015, S. 270, und Rorimer 1950, S. 188 – 189. 94 Die Akten zu Bruno Lohse, AN Z/6NL/8844, sind inzwischen uneingeschränkt zugänglich, während die Akten zu Gustav Rochlitz, AN Z/6/478 dossier 4554, nach Beantragung einer „dérogation“ eingesehen werden können.

Recherchen zum NS-Kunstraub  I  63

Fallstudie: Bruno Lohse Bruno Lohse (1911 – 2007) hatte in Berlin Kunstgeschichte und Philosophie studiert und war dort 1936 bis 1939 als Kunsthändler tätig. Zu dieser Zeit wurde er auch Mitglied der NSDAP . Ab Februar 1941 trat er in den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in Paris ein, in dem er schnell zu einer Schlüsselfigur neben Kurt von Behr, dem Leiter der Pariser Abteilung, aufstieg. Seine Aufgaben beim ERR umfassten unter anderem die Zusammenstellung der Ausstellungen, bei denen Hermann Göring aus den konfiszierten Beständen Objekte für seine Kunstsammlung auswählte. In dieser Funktion entwickelte sich Lohse rasch zum Vertrauensmann Görings beim ERR und trug dazu bei, dass dieser vor allem 1941 – 42 seinen Einfluss auf die Pariser Dienststelle des Einsatzstabs maßgeblich ausweiten konnte. Sowohl in seiner Funktion als Agent für Göring als auch im Namen des ERR unterhielt Lohse enge Kontakte zum Pariser Kunstmarkt und war in mehrere Tauschgeschäfte verwickelt, bei denen Göring, aber auch Agenten von anderen führenden NS -Funktionären Werke der als „entartet“ verfemten Moderne aus den Beständen des ERR bei Kunsthändlern wie Gustav Rochlitz, Roger Dequoy, Martin Fabiani und Jean-­­François Lefranc gegen die alter Meister eintauschten.95 Darüber hinaus war Lohse in prominenter Rolle in die Beschlagnahme und Aufteilung der Sammlung Schloss im Sommer 1943 verstrickt: Nachdem der Louvre von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht und 49 Gemälde ausgewählt hatte, kümmerte sich Lohse um die Aufteilung der verbleibenden Sammlung ­zwischen dem „Sonderauftrag Linz“, dem ERR und dem Kunsthändler Jean-­­François Lefranc.96 Im Sommer 1944 floh Lohse aus Frankreich ins Deutsche Reich, wo er zunächst in einem von Görings Regimentern in Berlin unterkam, ehe er im Frühjahr 1945 mit Günther Schiedlausky nach Neuschwanstein abbestellt wurde, 95 Zu Lohses Biografie vgl. Heuß 2000, S. 83 – 84. Zu seinen Aktivitäten für den ERR vgl. Feliciano 2008, S. 176 – 177, 180, 183. Vgl. auch Polack und Dagen 2011, S. 20 – 22 und die Kurzbiografie im Anhang, S. 111, und Petropoulos 2000, S. 91. Zum Geburtsjahr finden sich in der Literatur abweichende Angaben; während Anja Heuss und die Lost Art-­­Datenbank 1911 angeben, weist Emmanuelle Polack 1912 als Geburtsjahr aus. Lohse selbst gibt in einer schriftlichen Aussage vom 4. Juni 1945 den 17. September 1911 als Geburtsdatum an. Lohse, Bruno, Report prepared in jail in Füssen, June 4, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.14. 96 Die Sammlung des 1911 verstorbenen Industriellen Adolphe Schloss war berühmt für ihren Fokus auf holländischen Meistern des 17. Jahrhunderts und hatte deswegen sowohl bei Hitler als auch Göring früh Begehrlichkeiten geweckt. Ihre Lokalisierung in einem Schloss bei Tulle in Südwestfrankreich 1942 sorgte für heftige Interessenkonflikte ­zwischen deutschen Funktionären und Repräsentanten des Vichy-­­Regimes, an deren Ende der Louvre mit Hilfe eines Vorkaufsrechts den Verbleib von 49 Gemälden in Frankreich erreichen konnte. Weitere 262 Gemälde wurden für den „Sonderauftrag Linz“ ins Deutsche Reich geschafft und in München zwischengelagert; 22 Werke gingen an den Kunsthändler Jean-­­François Lefranc. Vgl. Karlsgodt 2011, S. 218 – 223, Feliciano 2008, S. 151 – 165, und Hopp und Klingen 2016, S. 79 – 80.

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um die dort ­gelagerten ERR -Akten zu überwachen.97 Am 5. Mai 1945 wurden beide im Bethanien-­­Kloster in Füssen von James Rorimer festgenommen, und Lohse wurde unter Arrest gestellt und mehreren Verhören unterzogen.98 Noch in Füssen fertigte Lohse eine erste schriftliche Aussage an, die vom Übersetzungsdienst der Seventh US Army ins Englische übertragen wurde. Darin versuchte er, seine Rolle beim ERR so weit wie möglich herunterzuspielen, indem er angab, seine Aufgaben hätten hauptsächlich darin bestanden, Inventare der zum Abtransport ins Deutsche Reich bestimmten beschlagnahmten Kunstwerke zu erstellen und kunsthistorische Expertisen zu ihrem Wert abzugeben. Sowohl er selbst als auch Schiedlausky hätten die Beschlagnahmen des ERR kritisch gesehen.99 Auf Hermann Görings Betreiben hin wäre seine Abordnung an den ERR verlängert worden, allerdings wäre er nunmehr stärker zu Görings Agenten auf dem Pariser Kunstmarkt geworden und hätte dadurch weniger mit den ERR -Beschlagnahmen zu tun gehabt. Dennoch hätte er mehrfach – vergeblich – um eine Versetzung zu einer Kampfeinheit gebeten, der aber auch nach seiner Rückkehr nach Berlin im Sommer 1944 nicht stattgegeben worden wäre. Den von ihm und Schiedlausky durchgeführten Transfer der ERR -Akten und Fotomaterialien nach Neuschwanstein stellte Lohse als eigenmächtige Entscheidung dar, das Material angesichts der v­ orrückenden alliierten Truppen und der zu erwartenden Restitutionen des NS -Raubguts vor einer Zerstörung in Sicherheit zu bringen.100 Mit der Behauptung, die Dokumente freiwillig an die MFA &A übergeben zu wollen, signalisierte Lohse Kooperationsbereitschaft; zweifellos erhoffte er sich daraus eine Strafmilderung. Um sich zusätzlich weiter zu entlasten, fügte er seiner Aussage eine Liste von rund 15 Personen oder Kunstgalerien hinzu, die er vor Repressalien geschützt haben wollte. Vergleicht man diese Selbstdarstellung mit denen anderer deutscher Kunsthändler aus dem Agentensystem Görings, so wird deutlich, wie stereotyp sie letztlich ist – Behauptungen, man habe jüdische Händler heimlich protegiert oder geschützt, finden sich vielfach sowohl in ALIU -Reports als auch in Spruchkammerakten und dienten dazu, die eigene Rolle im NS -Kulturgutraub klein zu reden und sich selbst zu entlasten.101 97 Vgl. Nicholas 1994, S. 292, und Petropoulos 2000, S. 138 – 139. 98 Rorimer 1950, S. 188. Rorimer, James J., Note on the interrogation of Bruno Lohse, June 2, 1945, NGA, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.14. 99 Wörtlich behauptete Lohse: „In the first place, I loathed the thoughts of confiscating other people’s property – as the son of an artist, I had frequented only circles of international artists; secondly, I did not intend to jeopardize my future.“ Lohse, Bruno, Report prepared in jail in Füssen, June 4, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.14. 100 Ebd. 101 Auch der Kunsthändler Karl Haberstock führte in seinem Spruchkammerverfahren als Argument zugunsten seiner Entlassung an, dass er jüdische Familien geschützt habe, und konnte sogar Briefe jüdischer Unterstützer vorlegen, um dies zu belegen. Vgl. Petropoulos 2000, S. 95 – 96. Christof Trepesch gibt dagegen an, dass diese Rettung jüdischer Familien nicht nur behauptet war, sondern

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Im Sommer 1945 wurde Lohse nach Altaussee gebracht und von James Plaut verhört. Der auf den Verhören basierende DIR Nr. 6 zu Lohse wurde am 15. August 1945 abgefasst und in französischer Übersetzung auch der Commission de Récupération Artistique zur Verfügung gestellt.102 Die allgemeinen Aussagen des Reports zu Lohses Werdegang, Kriegsdienst und Tätigkeit beim ERR stimmten mit den Angaben überein, die er bereits im Juni 1945 in seiner ersten schriftlichen Aussage gemacht hatte. Plaut gelang es jedoch herauszuarbeiten, dass Lohse beim ERR eine weitaus größere Rolle gespielt hatte, als dieser anfänglich behauptete. So war Lohse spätestens Ende 1942, als Kurt von Behr infolge einer internen Umstrukturierung des ERR zur neu gegründeten Dienststelle Westen wechselte, die die sogenannte Möbel-­­Aktion durchführen sollte, neben Walter Borchers zum de facto Stellvertreter von Robert Scholz aufgestiegen und genoss dort „a quasi-­­executive position“, in der er auch für die Konfiszierung von Kunstsammlungen zuständig war.103 Plaut wies außerdem darauf hin, dass Lohse in einige der Tauschgeschäfte des ERR s mit Kunsthändlern verwickelt gewesen sei, ohne dessen Rolle weiter zu präzisieren. Weitgehend unerwähnt blieb die Beschlagnahme der Sammlung Schloss unter Lohses Beteiligung. Dafür ging Plaut ausführlicher auf das Netzwerk an Personen ein, mit dem Lohse auf dem Kunstmarkt in Frankreich, aber auch in der Schweiz und den Niederlanden in Kontakt gewesen war, um Göring Kunstwerke zu beschaffen. Abschließend stellte Plaut die gegen Lohse erhobenen Vorwürfe – namentlich die Beschlagnahme von französischem Kunsteigentum, Diebstahl zum Zweck persönlicher Bereicherung, Bedrohung und Verfolgung verschiedener Individuen sowie die aktive Mitgliedschaft in der SS  – den Aussagen Lohses aus dessen Verhören gegenüber. Er kam zu dem Schluss, dass Lohse leugne, je von Kommissionen als Vermittler bei Kunstverkäufen profitiert, sich persönlich bereichert oder Personen bedroht, unter Druck gesetzt oder verfolgt zu haben, aber ohne Zweifel „a leading part in the confiscation of Jewish art property conducted by the Einsatzstab Rosenberg in Paris“ 104 gespielt habe. Um Lohses Aussagen zu prüfen, sei daher dringend eine Befragung weiterer ERR -Mitglieder oder Kunsthändler aus Lohses Netzwerk erforderlich. Vorerst empfahl Plaut, Lohse als Zeugen für die Kriegsverbrecherprozesse gegen Göring und den ERR einzusetzen.105 Infolgedessen wurde Lohse im September 1945 gemeinsam mit Haberstock sich je nach persönlichen Freundschaften und Vorlieben tatsächlich für einzelne jüdische Familien eingesetzt hatte, so etwa für die Nachkommen des Berliner Kunstmäzens James Simon. Trepesch 2008, S. 14. 102 Plaut, James S., Detailed Interrogation Report Nr. 6 – Bruno Lohse, August 15, 1945, NARA RG 239, M1782, Roll 10. Für die frz. Übersetzung des Reports vgl. Valland, Rose, Rapport sur l’interrogatoire de Bruno Lohse, figurant comme supplément au Consolidated Interrogation Report N° 1, Activités de l’Einsatzstab Rosenberg en France, 15 août 1945, AN 20150497/216. 103 Plaut, James S., Detailed Interrogation Report Nr. 6 – Bruno Lohse, August 15, 1945, NARA, RG 239, M1782, Roll 10. 104 Ebd. 105 Ebd.

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Görings Sekretärin Gisela Limberger in Freising interniert. Gleichzeitig befand S. Lane Faison in einem Memorandum an den CCP München, dass Lohse und Limberger das CCP -Personal mit ihrem Wissen über die Göring-­­Sammlung bzw. den ERR unterstützen könnten, da beide sich als kooperativ erwiesen hätten.106 Tatsächlich führte erst die Rezeption des ALIU -Reports zu Bruno Lohse durch die französischen Stellen dazu, dass seine Selbstdarstellung stärker in Zweifel gezogen wurde. Bei der Revision der Beurteilung Lohses kam vor allem Rose Valland eine Schlüsselposition zu. Valland kannte Lohse noch aus ihrer Zeit im Jeu de Paume 1941 – 1944 und hatte bereits zu dieser Zeit nicht nur Informationen zu den dort gelagerten und weiter verschickten Kunstsammlungen, sondern auch zu den Mitgliedern des ERR und ihren Beziehungen schriftlich festgehalten.107 In diesen Notizen hatte Valland frühzeitig darauf hingewiesen, dass Lohse Tauschgeschäfte ­zwischen dem ERR, Hermann Göring und Gustav Rochlitz vermittelt habe; ebenso hatte sie darin die internen Machtkämpfe des Einsatzstabs mitverfolgt und festgestellt, dass Lohse sich in der Leitung des Stabs ab Ende 1942 als faktischer Nachfolger von Behrs habe durchsetzen können.108 Ein Gutteil der Vorwürfe, mit denen die ALIU Lohse im Sommer 1945 bei den Verhören konfrontiert hatte, war von Valland selbst an die ALIU herangetragen worden, weshalb sie den fertigen Interrogation Report der ALIU einer entsprechend kritischen Lektüre unterzog. In ihrem Kommentar zu Plauts Report merkte sie an, dass Lohse sich ebenso intensiv wie Kurt von Behr um die Umsetzung der Beschlagnahmen gekümmert und mehreren ERR-Mitgliedern mit einer Überwachung durch die Gestapo gedroht habe.109 Bezüglich Lohses Verhältnis zu Pariser Kunsthändlern äußerte sie den Verdacht, dass die Idee der Tauschgeschäfte des ERR , um Werke alter Meister zu erhalten und moderne Kunstwerke abzustoßen, auf Lohse zurückzuführen sei, da diese Praxis erst nach dessen Wechsel zum ERR begonnen habe. Dabei sei Lohse nicht nur in die Tauschgeschäfte mit Rochlitz, sondern auch in Geschäfte mit Roger Dequoy und Martin Fabiani sowie Adolf Wüster verwickelt gewesen. Die Arrangements mit jüdischen Kunsthändlern wie Allen Loebl, die Lohse gegenüber der ALIU zu seiner Entlastung angeführt hatte, weil er durch seine Handelsgeschäfte die Händler oder deren Angehörige vor antisemitischer Verfolgung geschützt habe, wertete Valland nicht als genuinen Schutz der betroffenen Personen, sondern als Ausübung von Verfolgungsdruck, um Kollaboration zu

106 Faison, S. Lane, Memorandum on Gisela Limberger and Bruno Lohse, September 25, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 3.2. 107 Polack und Dagen 2011, S. 48 – 100. 108 Zu den Tauschgeschäften mit Rochlitz vgl. Polack und Dagen 2011, S. 64, Notiz von November 1942, Folio 64. Zu den internen Machtkämpfen und der Stärkung von Lohses Position nach dem Wechsel von Kurt von Behr zur Dienststelle Westen, vgl. ebd., S. 56, Notiz vom 8. Juni 1942, Folio 39, und S. 70, Folio 81. 109 Valland, Rose, Quelques considérations sur l’interrogatoire de Bruno Lohse, 15 août 1945, AN 20150497/216.

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erzwingen.110 Auch Lohses Verstrickung in die Beschlagnahme und Aufteilung der Sammlung Schloss, die in Plauts Report nur sehr kursorisch gestreift wurde, betrachtete sie als Beleg dafür, dass dessen Agieren auf dem Kunstmarkt weitaus intensiver und von persönlichem Profitinteresse geleitet gewesen sei, als er gegenüber der ALIU zugegeben habe. In ihrem Gesamturteil kam Valland zu dem Schluss, dass es Lohse gelungen sei, sich eine „personnalité apparente et fausse“ 111 zu erschaffen, mit der er über das tatsächliche Ausmaß seiner früheren Verantwortung hinwegzutäuschen versuchte – de facto sei er aber beinahe ebenso stark wie Kurt von Behr für die Verbrechen des ERR verantwortlich gewesen.112 Aus der Erkenntnis, dass ein Großteil von Lohses Aussagen durch französische Zeugen widerlegt oder zumindest angezweifelt werden musste, folgerte die ALIU im Januar 1946, dass Lohse weiteren Befragungen unterzogen werden müsse.113 Statt diese persönlich durchzuführen, empfahlen James Plaut und Theodore Rousseau, Lohse – der zu ­diesem Zeitpunkt als Zeuge für die Nürnberger Prozesse dort im Militärgefängnis einsaß – an französische Behörden zu überstellen. Zusammen mit Gustav Rochlitz wurde Lohse an Frankreich ausgeliefert, wo beide vor das Tribunal du Département de la Seine gestellt und zu Haftstrafen verurteilt wurden.114 Wahrscheinlich trat Rose Valland in Lohses Verfahren als Zeugin auf; allerdings enthalten die Gerichtsakten in den Archives Nationales dazu keine Belege, da sie überwiegend Beweismaterial zu Lohses Tätigkeiten für den ERR und Herman Göring, nicht aber Schriftverkehr zum eigentlichen Prozessverlauf enthalten.115 Lediglich in Vallands Nachlass finden sich einige verstreute Korrespondenzen aus dem Jahre 1949, aus denen 110 Mit Allen und Manon Loebl hatte Lohse ein Arrangement getroffen, wonach er sie vor Verfolgungsmaßnahmen schützte und im Gegenzug im Namen von Hermann Göring ein Vorkaufsrecht auf alle Kunstwerke, die durch die Loebl’sche Galerie Kleinberger gingen, erhielt. Zu Lohses Darstellung des Sachverhalts, der unwidersprochen auch in Plauts Interrogation Report aufgenommen wurde, vgl. Lohse, Bruno, Report prepared in jail in Füssen, June 4, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J1, 1.14. und Plaut, James S., Detailed Interrogation Report Nr. 6 – Bruno Lohse, August 15, 1945, NARA, RG 239, M1782, Roll 10. Valland kommentierte die entsprechende Passage im Report wie folgt: „Pourquoi Lohse s’est-­­il servi d’un juif de préférence à d’autres antiquaires? Sans doute parce qu’il savait le tenir à sa merci. De même pour Cailleux et pour Schoeller qu’il avait en mains pour des raisons similaires.“ Valland, Rose, Rapport sur l’interrogatoire de Bruno Lohse, figurant comme supplément au Consolidated Interrogation Report N° 1, Activités de l’Einsatzstab Rosenberg en France, AN 20150497/216. Auch in den Fällen der Kunsthändler Schoeller und Cailleux hatte Lohse zu Protokoll gegeben, er habe Familienmitglieder der beiden Händler vor der Internierung in Drancy bewahrt. 111 Valland, Rose, Quelques considérations sur l’interrogatoire de Bruno Lohse, 15 août 1945, AN 20150497/216. 112 Ebd. 113 Plaut, James S.; Rousseau, Theodore, Further interrogation of Bruno Lohse, January 12, 1946, AN 20150497/216. 114 Nicholas 1994, S. 384. 115 AN Z/6NL/8844.

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hervorgeht, dass Lohses erste Verurteilung in ein Berufungsverfahren mündete, in dem er belastende Aussagen zu Görings Chef-­­Einkäufer Walter Andreas Hofer machte, sodass die französischen Behörden um 1949/50 auch gegen Letzteren ermittelten.116 Außerdem wandte sich im März 1950 Bruno Lohses deutscher Anwalt an Rose Valland und kam im Zusammen­ hang der nach wie vor andauernden Revision des Verfahrens auf die Aussagen zurück, die Valland gegen Lohse gemacht hatte. Er unterstellte ihr, dass ihre kritische Einschätzung Lohses durch negative Aussagen anderer ehemaliger ERR-Mitglieder beeinflusst worden sei und bat sie, ihre Angaben zu Lohses ERR-Verstrickungen vor Gericht zu dessen Gunsten zu revidieren.117 Dass Valland auf diesen Vorschlag einging, muss bezweifelt werden, da sie noch in späteren internen Briefen deutlich auf ihrer ursprünglichen Einschätzung Lohses beharrte. Letzten Endes wurde Lohse aber im Frühjahr 1950 aus der französischen Haft entlassen und kehrte nach München zurück.

116 Harlin, Capitaine, Lettre à Rose Valland au sujet de Bruno Lohse, 8 septembre 1949, AN 20150497/216. 117 Voelkl, K., Lettre de l’avocat de Bruno Lohse à Rose Valland, 13 mars 1950, AN 20150497/216.

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2. Die Besatzungszeit 1945 – 1949 Waren die ersten französisch-­­amerikanischen Interaktionen bei der Bergung und Sicherung von Kulturgütern noch vom Kontext des alliierten Vormarschs und des Kriegsendes geprägt, so änderten sich spätestens mit der Einrichtung der Besatzungszonen ab September 1945 die administrativen wie politischen Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit. Mit der Auflösung von USFET und der Einrichtung der amerikanischen Militärregierung, dem Office of Military Government for Germany, US (OMGUS), wurde die Anbindung der MFA&A-Offiziere an die einzelnen Armeen aufgehoben; stattdessen wurde die MFA&A in die Restitution Branch der für Vermögenskontrolle zuständigen Property Division der US-Militärregierung integriert. Büros der MFA&A wurden daher sowohl in der zentralen Leitungsebene der Militärregierung als auch in den Landesregierungen für Groß-­­Hessen (OMGH), Bayern (OMGB) und Württemberg-­­Baden (OMGWB) eingerichtet.1 Auch in der US-Kontrollratsgruppe des Alliierten Kontrollrats in Berlin war die MFA&A mit einer kleinen Abteilung vertreten. Da weder auf den Kriegskonferenzen der „Großen Drei“ noch während der Potsdamer Konferenz finale Beschlüsse hinsichtlich der Frage der kulturellen Restitutionen getroffen worden waren, fiel es dem Alliierten Kontrollrat zu, über die Festlegung dieser Grundsätze zu befinden. Deren Ausarbeitung gestaltete sich teils sehr langwierig, weshalb die praktische Umsetzung der Rückführung und Restitution von NS -Raubgut de facto begann, noch bevor sie politisch in allen Details final geregelt worden war. Bereits im Juni 1945 hatten die Amerikaner mit der Einrichtung von Central Collecting Points in Marburg, München und Wiesbaden begonnen, in die über den Sommer hinweg sukzessiv das in Auslagerungsdepots wie Neuschwanstein, Altaussee oder Berchtesgaden aufgefundene NS -Raubgut, aber auch die ausgelagerten Sammlungen deutscher Museen überführt wurden.2 Ab Herbst 1945 erfolgten erste Restitutionen von geraubten Kulturgütern an ihre Herkunftsländer. Zum gleichen Zeitpunkt entsandte die Commission de Récupération Artistique offiziell zwei Repräsentanten an den CCP in München, die dort fortan französisches Raubgut identifizieren und dessen Rückkehr nach Frankreich organisieren sollten. Vor allem in der Anfangsphase der Restitutionen können daher Ungleichzeitigkeiten ­zwischen politischen Entscheidungsprozessen, diplomatischen Verhandlungen und Restitutionspraxis beobachtet werden. Diese verschiedenen Ebenen der Interaktion werden im folgenden Kapitel als Verflechtungen betrachtet. Ausgehend von der hochgradig symbolisch inszenierten Restitution der Fenster des Straßburger Münsters und der Ausstellung der „chefs-­­d’œuvre des collections 1 Kurtz 2006, S. 126. 2 Lauterbach 2015, S. 35 – 38.

privées françaises retrouvées en Allemagne“ werden sowohl die politische Konzeption der Restitutionspolitik als auch die Restitutionspraxis am CCP München untersucht und auf ihre wechselseitigen Einflüsse und Rückkoppelungen hin befragt.

2.1 Token Restitutions Le 25 septembre 1945, un gros camion américain, convoyé par une troupe armée, monte la rampe du Jardin des Tuileries et s’arrête devant la porte du Musée du Jeu de Paume: de l’énorme voiture, les soldats sortent 71 tableaux – 71 chefs-­­d’œuvre que la France avait perdu et qu’elle retrouve grâce à eux: la patrie a récupéré une partie de son patrimoine. Mais cette première restitution n’est que symbolique: par le geste gratuit, les Américains veulent prouver une fois de plus leur grande affectation pour la France et leur respect pour notre culture.3

Ähnliche Szenen hatten sich wenige Wochen zuvor in Belgien abgespielt: Am 20. August 1945 landete auf dem Brüsseler Flughafen ein Kleinflugzeug, das in mehreren Kisten die 17 Tafelbilder des Genter Altars enthielt.4 Der Altar, ein spätmittelalterliches Meisterwerk der Gebrüder van Eyck, war 1940 nach Pau in Südwestfrankreich ausgelagert worden, um ihn vor einem möglichen Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen. Nachdem das Deutsche Reich 1942 die südliche Zone Frankreichs besetzt hatte, wurde der Altar von einer deutschen Abordnung unter der Leitung des Münchner Museumsdirektors Ernst Buchner beschlagnahmt und zunächst nach Neuschwanstein und von dort aus weiter in die Salzmine von Altaussee überführt.5 Dort wurde er im Mai 1945 durch die MFA &A entdeckt und im August 1945 in den CCP München eingeliefert. Nach seiner Rückkehr nach Belgien fand am 3. September 1945 eine feierliche Restitutionszeremonie im Palais Royal in Brüssel statt, an der neben MFA&A-Offizier Mason Hammond zahlreiche amerikanische Diplomaten und Militärs teilnahmen.6 Vergleichbare symbolträchtige Rückgabezeremonien gab es auch in den Niederlanden und Polen. Im Oktober 1945 wurde die Rückgabe von 26 holländischen alten Meistern an die Niederlande mit einem Festakt im Rembrandt-­­Saal des Rijksmuseum in Amsterdam gefeiert. Neben Craig Hugh Smyth als Repräsentant der MFA&A nahmen an dem ­Bankett auch eine Delegation der US-Armee sowie der US-Botschafter für die Niederlande teil.7 Polen wiederum erhielt am 30. April 1946 den Veit-­­Stoß-­­Altar zurück. Die offizielle 3 Henraux 1947, S. 235 – 236. 4 Löhr 2005, S. 71. 5 Vgl. dazu Karlsgodt 2011, S. 238 – 240, und Kemperdick 2014, S. 65 – 66. Zur Rolle Ernst Buchners in der Beschlagnahme des Altars vgl. Sáez 2005, S. 151 – 152. 6 Kurtz 2006, S. 132. 7 Smyth 1988, S. 7 – 9.

Token Restitutions  I  71

Rückgabezeremonie am 5. Mai war jedoch infolge einer gewaltsam niedergeschlagenen antikommunistischen Demonstration am Tag zuvor von Tumulten und Anschuldigungen gegenüber amerikanischen Soldaten begleitet.8 Die sogenannten token restitutions, wie die amerikanische MFA&A diese ersten Rückgaben selbst intern bezeichnete, gingen auf einen Beschluss der Alliierten während der Potsdamer Konferenz im August 1945 zurück. Zum Zeitpunkt dieser Konferenz bestand noch keine Einigung der Siegermächte in der Frage, nach w ­ elchen Verfahren die Restitution von geraubten Kulturgütern erfolgen sollte. Damit sich die Restitutionen nicht allzu sehr verzögerten, wurde daher eine Interimslösung beschlossen, die zunächst die Rückgabe besonders wertvoller Kulturgüter aus nationalem Eigentum vorsah.9 Diese Rückgaben an nahezu alle beraubten west- und mitteleuropäischen Länder sind durch Textquellen, aber auch Fotomaterial gut dokumentiert. Diese Quellen lassen erkennen, wie die Rückgabe der fraglichen Kulturgüter als Medienereignis zelebriert wurde. Für Frankreich stellte die Lieferung von 71 Gemälden an die Commission de Récupération Artistique im September 1945 die erste, nicht aber die einzige token restitution dar. Anders als bei den symbolisch inszenierten Restitutionen des Genter Altars oder des Veit-­­Stoß-­­Altars wurde hier nicht staatliches Eigentum zurückgegeben: Bei den Gemälden handelte es sich ausschließlich um französische und niederländische alte Meister, die vom ERR beschlagnahmt worden und Eigentum verschiedener Mitglieder der Rothschild-­ Familie waren.10 Dennoch wurden sie nicht direkt an ihre privaten Eigentümer restituiert, sondern zunächst an eine staatliche Stelle übergeben. Ihre besondere Symbolträchtigkeit gewann diese Übergabe durch den Sitz der CRA im Jeu de Paume, also dem vormaligen Zwischenlager des ERR , da die Rückgabe der 71 Bilder an genau ­diesem Ort komplementär zu ihrem Abtransport wirkte. Der Symbolhaftigkeit des Jeu de Paume zum Trotz wurde die Rückgabe der 71 Gemälde an Frankreich nicht in besonderem Maß durch einen Festakt gefeiert oder inszeniert. Nicht zuletzt als Konsequenz dieser mangelnden Inszenierung regten amerikanische Vertreter die Idee an, mit den nach Frankreich zurückgekehrten Kunstwerken eine Ausstellung zu veranstalten. Sowohl diese Ausstellung als auch die Rückgabe der Buntglasfenster des Straßburger Münsters werden im Folgenden als Form symbolischer Interaktion ­zwischen Amerikanern und Franzosen untersucht.

8 Kurtz 2006, S. 134 – 136. 9 Kurtz 2006, S. 131. 10 Coulter, J. Hamilton and Florisoone, Michel: Received from the United States Government, on 22 Sept 1945 at the Jeu de Paume, Jardin des Tuileries, Paris, France the seventy one works of art listed below. National Archives and Records Administration, RG 260, A 1, Entry 515, September 22, 1945, NARA, RG 260, A1, Entry 515, M1946, Roll 20.

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2.1.1 Die Fenster des Straßburger Münsters als token restitution Die Buntglasfenster des Straßburger Münsters waren 1939 im Rahmen der Evakuierungen der französischen Nationalmuseen und Sicherungen der monuments historiques in die Dordogne überführt worden. Nach der deutschen Annexion des Elsasses im Sommer 1940 ordnete der zuständig gewordene Gauleiter Robert Wagner die Rückführung der Fenster nach Straßburg an.11 Die Fenster des Straßburger Münsters wurden infolgedessen zunächst in der Krypta der Kathedrale gelagert und im November 1944 zum Schutz vor der im Westen vorrückenden Frontlinie gemeinsam mit den Museumssammlungen der Karlsruher Kunsthalle und des Straßburger Musée des Beaux-­­Arts in die Saline von Heilbronn verbracht.12 Das Depot in Heilbronn wurde im April 1945 durch James Rorimer entdeckt; eine gemeinschaftliche Inspektion der Fenster durch amerikanische und französische Akteure kam jedoch erst im August 1945 zustande. An diese Inspektion durch die französisch-­ amerikanische Delegation bestehend aus Rose Valland, Pierre-­­Louis Duchartre, George Bousquet und Mason Hammond schloss sich die Freigabe der Fenster zur Restitution an die Stadt Straßburg an. Die Freigabe ist in gleich mehrfacher Hinsicht als Geste guten Willens seitens der USA zu werten. Erstens ist sie zeitlich in Bezug zu setzen mit der ebenfalls im August 1945 gefällten amerikanischen Entscheidung, den Genter Altar nach Belgien zurück zu eskortieren: Da Belgien seine erste token restitution bereits erhalten hatte, musste gegenüber Frankreich zeitnah eine vergleichbare Geste folgen. In beiden Fällen diente diese token restitution zweitens als Überbrückung bis zum tatsächlichen Beginn systematischer Rückführungen geraubter Kulturgüter. Speziell die Rückgabe der Fenster des Straßburger Münsters stand drittens im Zusammenhang mit den praktischen Restitutionsfragen, die in dieser Zeit das französisch-­­amerikanische Verhältnis dominierten. Gerade am Beispiel der Saline Heilbronn hatte sich über den Frühsommer hinweg herauskristallisiert, dass viele für Frankreich wichtige Auslagerungsdepots unzugänglich für die Franzosen blieben. Sowohl die gemeinschaftliche Inspektion der Mine durch französische und amerikanische Akteure als auch der anschließende Beschluss zur Freigabe der Fenster demonstrierte daher amerikanischen Kooperationswillen und zeigte symbolisch an, dass die französischen Rückführungsinteressen künftig stärkere Berücksichtigung erfahren sollten. In den folgenden Wochen wurden die Modalitäten der Rückgabe ­zwischen französischen und amerikanischen Akteuren verhandelt. Der Rücktransport der Fenster erfolgte am 17. September 1945; der Festakt, mit dem die Rückgabe zelebriert wurde, fand allerdings erst am 4. November statt.13 Das Programm des Festaktes sah vor, dass Kommissar Bollaert, der Präfekt des Département Bas-­­Rhin und der Militärgouverneur von Straßburg die amerikanischen und französischen Generäle samt Entourage vormittags an der Rheinbrücke bei 11 Rosebrock 2011, S. 77 – 82. 12 Ebd., S. 229 – 230. 13 Rorimer, Typescript Journal II, Eintrag vom 6. September 1945.

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Kehl in Empfang nahmen. Auf eine Kranzniederlegung am Monument aux Morts durch den Kommandanten der Seventh US Army, General Keyes, folgten eine Aufstellung der Truppen auf der Place Broglie, der Verleih militärischer Auszeichnungen an ausgewählte amerikanische Soldaten sowie eine Militärparade. Nachmittags fanden in der Kathedrale die Präsentation der Buntglasfenster sowie ein Festkonzert statt, an das sich für die militärischen Ehrengäste ein Rundgang durch Teile von Straßburg sowie ein Empfang im Rathaus der Stadt anschlossen.14 Auf amerikanischer Seite setzte sich die Liste der Ehrengäste aus verschiedenen hochrangigen Offizieren der Seventh US Army und der Militärregierung zusammen; für die MFA&A war neben dem Chief Bancel LaFarge und James Rorimer auch Robert A. Koch anwesend, der zwischenzeitlich die Leitung des MFA&A-Büros für Württemberg-­­Baden und somit auch die Betreuung der Depots in Heilbronn und Kochendorf übernommen hatte.15 Auf französischer Seite waren neben den Generälen de Viguier und Montsabert sowie den Repräsentanten der Stadt Straßburg unter anderem François Boucher und Michel François von der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts und Albert Henraux von der CRA zugegen. Henraux war es auch laut Rorimers privaten Korrespondenzen, der sich auf Rose Vallands Vorschlag hin bei den Pariser Ministerien um Rorimers Aufnahme in die Ehrenlegion bemüht und diese einen Tag vor der Restitutionszeremonie auch erreicht hatte.16 Der militärische Charakter des Festakts äußert sich nicht nur in der Wahl der Ehrengäste und dem Programmablauf der Feierlichkeiten, sondern spiegelt sich auch in den Fotos wider, die sich in Rorimers Nachlass im Archiv der National Gallery of Art sowie den Archives of American Art erhalten haben. In der fotografischen Inszenierung der Restitutionszeremonie spielen die Fenster des Münsters, deren Rückkehr ja erst den Anlass zu den Feierlichkeiten geboten hatte, kaum eine Rolle. Zwar ist die gotische Fassade des Münsters im Hintergrund einiger Fotos von der Militärparade sichtbar, und ein bis zwei Fotos zeigen Festredner bei der „présentation des vitraux retrouvés“ 17 im Inneren der Kathedrale, wo sie im von Ministranten gesäumten Altarbereich auftraten. Die Fenster an sich – oder etwa die Kisten, in denen sie verpackt waren – tauchen auf den Fotos jedoch kaum auf. Stattdessen rücken die Fotografien in Rorimers Nachlass seine Aufnahme in die französische Ehrenlegion und die anschließende Militärparade durch die Straßburger Altstadt in den Mittelpunkt und lassen allgemeinere Rückschlüsse auf den zeremoniellen

14 Programme de la cérémonie de la remise solennelle des vitraux de la cathédrale de Strasbourg, 4 novembre 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2 3.4. 15 Strasbourg Ceremonies for the return of the Cathedral stained glass – General officers to be chosen by the French, November 4, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2 3.4. 16 Rorimer, James J., Letter to his family describing the Légion d’Honneur ceremony in Strasbourg, November 4, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2 3.4, und Valland, Rose, Lettre à James Rorimer, 2 novembre 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2 3.4. 17 Programme de la cérémonie de la remise solennelle des vitraux de la cathédrale de Strasbourg, 4 novembre 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2 3.4.

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Rahmen der Feierlichkeiten zu. Sie zeigen, dass die Straßen der Altstadt mit Trikoloren geschmückt waren (Abb. 2) und auf dem Vorplatz vor dem Straßburger Münster Frauen in elsässischer Tracht die Militärparade in Empfang nahmen (Abb. 3). Sowohl das Präsentieren der französischen Nationalflagge als auch der in den Trachten zum Ausdruck kommende Verweis auf die kulturelle Besonderheit des Elsasses – nicht zuletzt auch in Abgrenzung zu den Germanisierungsversuchen während der Annexion durch das Deutsche Reich – verwiesen auf den französischen Sieg und die Befreiung des Elsasses von der deutschen Herrschaft. Die Trikolore machte zugleich die erneute Zugehörigkeit zum französischen Staat deutlich. Dass die amerikanischen Ehrengäste dabei einen Platz im Mittelpunkt der Paraden erhielten, deutete wiederum darauf hin, dass die Amerikaner eine entscheidende Rolle bei dieser Befreiung gespielt hatten. Eben jene Rolle der Amerikaner bei der Befreiung Frankreichs und insbesondere des Elsasses hob auch Emile Bollaert in seiner Festrede hervor, die in englischer Übersetzung in den Rorimer-­­Papers überliefert ist. Bollaert beschrieb ausführlich den Kampf um die Befreiung Westeuropas nach der Landung der Alliierten in der Normandie und betonte dabei den Heldenmut und die Uneigennützigkeit des amerikanischen Engagements im Krieg. Im Einsatz von James J. Rorimer für die Fenster des Straßburger Münsters – den Bollaert voller Pathos als ein Zuhilfeeilen unter Bombenhagel und Lebensgefahr beschrieb – verdichte sich exemplarisch der amerikanische Einsatz für die Rettung und Befreiung des unter Besatzung und Gefangenschaft leidenden Frankreichs.18 Die Rückkehr der Straßburger Fenster interpretierte Bollaert in d ­ iesem Zusammenhang als ­­Zeichen der Hoffnung und Versprechen für den Wiederaufbau Frankreichs: The Cathedral of Strasbourg, the sacred grand monument, the roots of which are so deeply in this Alsace ground, and the spire of which pierces into the French sky with an aerial Hymn, the cathedral of Strasbourg dresses its wounds, finds again its patrimony and revives to the light. 18 „France, at last liberated after 5 years of distressed captivity, our little Alsatian country at last reunated [sic] to her, that is the fruit of the magnificent allied effort. That is what the sons of American have done, sons whose heroic actions I am pleased to celebrate today. Doubtless, the boundless ocean, unsurmontable [sic] ditch, parted them with the old continent in fire, protected them against the devastating scourge. Still, they came, called alone by this [sic] moral forces which are the ornament of the human soul and which are on the basis of the Code of Honor of the really civilizated [sic] nations. What a comfort for us to remember such gestures in such a recent past. […] Sirs, Is it not the same philosophy we could draw of the object of this ceremony? Irreplacable [sic] objects of art ravished to the sacred patrimony of France, are buried in a mine shaft. The battle is raging. An American officer, Lt. Rorimer, has heard about the existence of this hiding. In the fracas of the bombs, risking his life, he rushes on to prevent a fanatic from exploding the gallery. A splendid gesture that ennobles a man and honours at the same time his fatherland.“ Bollaert, Emile, Translation of speech delivered on occasion of return of windows to the cathedral of Strasbourg, November 4, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2 3.4.

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What a most beautiful symbol of the bruised France, but on which the dawn of the resurrection is raising! The cathedral of Strasbourg: to day [sic] it will have back its window panes, its panes, art and thought treasures, where we see, as poems of hope and faith, the whole messianic and christian panorama.19

Das messianische Element von Aufopferung und Auferstehung zieht sich durch den gesamten Redetext. Auch der Materialität der restituierten Fenster schrieb Bollaert in ­diesem Zusammenhang eine besondere Symbolik zu: Die transparenten, farbigen Fenster – deren mittelalterliche Bildmotive der fränkischen Könige im Übrigen auch auf die französische Geschichte verwiesen 20 – würden nicht nur das vom Krieg gezeichnete Münster wieder vollständig machen und in neuem Glanz erstrahlen lassen; gleichzeitig ­seien die Fenster auch Lichtbringer, die die Rückkehr des Elsasses an Frankreich und insofern die nationale Erneuerung des erneut vollständig vereinten Landes ankündigten. Insgesamt präsentiert sich die Restitutionszeremonie um die Fenster des Straßburger Münsters als Inszenierung, die weniger die restituierten Objekte in den Mittelpunkt stellte, sondern die Restitution vielmehr zum Anlass nahm, mit einer Siegesfeier zugleich den nationalen Wiederaufbau Frankreichs zu zelebrieren. Die Symbolhaftigkeit des Ortes Straßburg wurde dabei sowohl in Reden als auch durch die feierliche Rahmung der Festivitäten betont, indem gleichermaßen elsässische Traditionen und die Zugehörigkeit zu Frankreich zur Schau gestellt wurden. Gleichzeitig stellte die Siegesfeier eine Geste der Dankbarkeit gegenüber den USA dar: Französische und amerikanische Militärs begingen die Feierlichkeiten miteinander, und die Würdigung und Auszeichnung amerikanischer Akteure nahm im Programm eine ebenso bedeutende Rolle ein wie die Restitutionszeremonie in der Kathedrale an sich.

2.1.2 Die Ausstellung „Les chefs-d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne“ Auch die Ausstellung „Les chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne“, die im Juni 1946 im Musée de l’Orangerie eröffnet wurde, hatte die Doppelfunktion der französischen Dankesgeste gegenüber den amerikanischen Verbündeten und einer gleichzeitigen Inszenierung von Sieg und nationalem Wiederaufbau. 19 Ebd. 20 Bei Rorimers englischsprachigem Durchschlag von Einladung und Programm der Feierlichkeiten finden sich einige Informationen zur Geschichte der Fenster. In dem Überblick wird explizit darauf hingewiesen, dass die fünf Fenster aus dem Bilderzyklus mit der Darstellung der fränkischen Könige bei der Restitutionszeremonie gezeigt werden sollten. Vgl. Program of the ceremony and background material on the stained glass (undated), NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2 3.4.

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Die Idee für eine Ausstellung von aus Deutschland zurückgekehrten Kulturgütern in Frankreich ging auf die Lieferung von 71 Gemälden aus der Rothschild-­­Sammlung an das Jeu de Paume im September 1945 zurück, die von keinerlei Restitutionszeremoniell begleitet wurde. Zwar hatten die Amerikaner eine Ausstellung der 71 Gemälde für wünschenswert gehalten. Da die Gemälde jedoch nur aus einer einzigen Sammlung stammten und somit die Bandbreite des nationalsozialistischen Raubs und der Restitutionen nicht angemessen widerspiegelten, lehnte die CRA das Ansinnen vorerst ab. Sie beschloss aber, aus den nachfolgenden Restitutionskonvois eine repräsentative Auswahl an Objekten zu treffen, die man in einer Ausstellung zeigen könnte.21 Bis zum Sommer 1946 trug die CRA eine Auswahl von rund 250 Objekten zusammen, die von 23 verschiedenen Privatsammlern stammten. Bewusst wählte sie für die Ausstellung nur ­solche Objekte aus, deren rechtmäßige Eigentümer bereits bekannt waren, und stellte durch Leihanfragen an diese sicher, dass sie mit einer Präsentation der Objekte einverstanden waren.22 Gleichzeitig sicherte ihnen die CRA zu, dass die Ausstellung in einem musealen Rahmen stattfinden und ihre Anonymität gewahrt würde.23 Tatsächlich blieben die Namen der beraubten Eigentümer sowohl in der Ausstellung als auch im Ausstellungskatalog ungenannt. Allerdings weckten diese kuratorische Entscheidung und der Titel der Ausstellung „Les chefs-­­d’œuvre des collections françaises retrouvées en Allemagne par la Commission de Récupération Artistique et les Services Alliés“ den irreführenden Eindruck, dass die Ausstellung öffentliches Eigentum zeige, weshalb der Titel nach Protesten für die zweite Auflage des zugehörigen Ausstellungskatalogs zu „Les chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises“ geändert wurde.24 Die Ausstellung wurde am 12. Juni 1946 im Musée de l’Orangerie eröffnet. Die Wahl ­dieses Ausstellungsorts hatte neben praktischen auch symbolische Gründe, lag die ­Orangerie im Jardin des Tuileries doch genau gegenüber dem Jeu de Paume, also dem Ort, der sowohl den Abtransport beschlagnahmter Sammlungen als auch ihre Rückkehr nach F ­ rankreich 21 Henraux, Albert S., Premier exposé à Jaujard sur l’exposition envisagée par la CRA, 18 octobre 1945, AMAE 209SUP/490 P177. 22 Diese Erlaubnis wurde nicht immer erteilt. Der Kunsthändler Paul Rosenberg etwa lehnte eine Leihanfrage der CRA ab mit der Begründung, dass seine Bilder seine Geschäftsgrundlage darstellten und dem Handel entzogen s­ eien, solange sie ausgestellt würden. Henraux, Albert S.; Rosenberg, Paul, Correspondance sur le prêt de tableaux de la collection Paul Rosenberg pour l’exposition à l’Orangerie, 14, 18 et 25 février 1946, AMAE 209SUP/490 P177. 23 Vgl. z. B. Henraux, Albert S., Demande au greffier qui s’occupe de la succession Mannheimer pour avoir des tableaux de la collection Mannheimer pour l’exposition à l’Orangerie, 21 janvier 1946, AMAE 209SUP/490 P177. Der erste große Restitutionskonvoi nach Frankreich wurde am 17. – 19. Oktober direkt in Neuschwanstein für den Transport nach Paris vorbereitet. Brye, Hubert de, Compte-­­rendu sur le premier convoi d’œuvres d’art acheminé depuis Füssen à Paris, 29 octobre 1945, AMAE 209SUP/113 A 44. 24 Le Masne de Chermont 2013, S. 1373.

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versinnbildlichte.25 Die zahlreichen Listen einzuladender Persönlichkeiten, die für die Ausstellungseröffnung angelegt wurden, zeugen von der hohen politischen Bedeutung der Veranstaltung: Neben den Mitgliedern des Conseil Artistique und der Direction des Musées Nationaux waren dies auf Pariser Seite unter anderem Repräsentanten des OBIP und der CRA sowie des Außen- und des Verteidigungsministeriums.26 Aus dem besetzten Deutschland wurden überdies diverse Mitglieder der französischen und amerikanischen Besatzungsverwaltung eingeladen.27 Die französisch-­­amerikanische Freundschaft war auch das bestimmende Thema der Ausstellungseröffnung, was sowohl aus internen Korrespondenzen zur Vorbereitung des Rahmenprogramms der Eröffnung als auch aus der Rede hervorgeht, die Erziehungsminister Marcel Naegelen auf einem Empfang der amerikanischen Gäste anlässlich der Ausstellungseröffnung hielt.28 Naegelens Rede war weniger eine Eröffnungsrede zur Ausstellung an sich als vielmehr an die MFA&A adressierte Dankesrede, in der Naegelen würdigte, dass 25 Diese Symbolik hob u. a. auch Albert Henraux in seinem Vorwort des Ausstellungskatalogs hervor: „C’est de ce beau jardin des Tuileries que les œuvres d’art étaient parties, c’est ce même jardin calme et tranquille de Le Nôtre qu’elles retrouvent aujourd’hui. Quel symbole de la victoire alliée et quelle preuve de la vanité du pillage des barbares!“ Ministère de l’Education nationale 1946, S. V. 26 Vgl. Listes de personnes à inviter Commission de Récupération Artistique sans date [Ende Mai, Anfang Juni 1946], AMAE 209SUP/490 P177, Liste des membres du conseil artistique des musées nationaux sans date [Anfang Juni 1946], AMAE 209SUP/490 P177. 27 Vgl. Petit, Alain; Glasser, Georges, Proposition d’une liste de personnes à inviter pour l’inauguration de l’exposition, 15 mai 1946, AMAE 209SUP/490 P177, und Coquebert de Neuville, Jacques, Liste complèmentaire des personnalités françaises de Baden-­­Baden qu’il conviendrait d’inviter, sans date, AMAE 209SUP/490 P177. Die Zusammenstellung einer Liste einzuladender amerikanischer Repräsentanten schließlich wurde von William Lovegrove übernommen, der als MFA&A-Verbindungsoffizier bei der CRA in Paris stationiert war und sich an den Vorbereitungen der Ausstellung beteiligte. Bei der Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung trat er gleichberechtigt neben Albert Henraux und Rose Valland vor die Presse, was noch einmal symbolisch die französisch-­­amerikanische Zusammenarbeit hervorhob, auf der das Zustandekommen der Ausstellung basierte. Lovegrove, William, Remise des invitations adressés aux officiers du Service MFA&A dont les noms ont été suggérés par Bancel LaFarge, 28 mai 1946, AMAE 209SUP /490 P177. Vgl. auch Le Masne de Chermont 2013, S. 1374. 28 Vgl. dazu z. B. Jaujards Einladungsschreiben an den US-Botschafter in Paris: „Je désire tout particulièrement que l’inauguration officielle de cette exposition […] soit considérée comme un hommage de la France reconnaissante au Gouvernement Américain; il me serait très agréable que vous ouvriez vous-­­même, à mes côtés, cette manifestation qui sera à la fois une révélation des plus belles œuvres des collections françaises et un symbole de l’amitié franco-­­américaine.“ Jaujard, Jacques, Lettre à l’ambassadeur des Etats-­­Unis, invitation de présider à l’ouverture de l’exposition „les chefs-­­d’œuvre de collections privées françaises retrouvées en Allemagne“, 5 juin 1946, AMAE 209SUP/490 P177. Das Abhalten eines Empfangs der MFA &A-Offiziere wahlweise im französischen Erziehungs­ ministerium oder in der Maison des Alliées hatte Albert Henraux bei Jacques Jaujard angeregt und für die Finanzierung bei der Assocation française d’Action Artistique des Außenministeriums um

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Grâce à vous, Messieurs, pas un des tableaux ni un des objets que les Allemands avaient volés dans les collections du patrimoine français et emportés au mépris du droit élémentaire des gens et du respect dû aux créations du génie, n’a eu à souffrir des bombardements nécessaires et des attaques, et c’est ainsi que tous les repaires où l’ennemi avait entassé les œuvres d’art sont tombés intacts entre vos mains. Le sort a voulu que ce soit dans la zone américaine que la grande majorité de ces dépôts ait été retrouvée. Vous avez alors, sous le commandement et avec le concours d’éminents professeurs de vos Universités et des principaux conservateurs de vos Musées, transformés en soldats, aussitôt établi, avec un merveilleux sens pratique et un sentiment quasi religieux comme on en porte aux reliques du passé, cette extraordinaire organisation de prospection, de fouilles et de recherches qui nous a permis déjà de retrouver la plus grande partie de nos chefs-­­d’œuvre.29

Abschließend widmete Naegelen die Ausstellung der MFA&A.30 Einen informellen Eindruck der Eröffnungsfeiern aus amerikanischer Perspektive gibt der MFA&A-Offizier Theodore Heinrich in einem Brief an seinen ehemaligen Kollegen Thomas Carr Howe wieder. Heinrich beschrieb dem bereits in die USA zurückgekehrten Howe allgemeine Eindrücke von der MFA&A-Arbeit in Wiesbaden 1946 und erwähnte dabei auch seine Reise nach Paris anlässlich des „opening of the restituted loot show“. Die Inhalte der Ausstellung finden bei ihm keine Erwähnung. Dafür wies Heinrich lakonisch darauf hin, dass Some of the official entertaining was rather awkward due to the official habit of considering no one below the rank of Colonel worthy of invitation, but René Mayer gave a good dinner which Gen. Koenig honored by his presence, Henraux gave a fine cocktail party, and Janet [Flanner, eine amerikanische Reporterin] gave a magnificent Déjeuner des Refusés for those not invited to a State lunch, namely Edith [Standen], Rose [Valland], Edgar Breitenbach and me.31

Trotz nomineller Würdigung der MFA &A-Arbeit an der Kriegsfront und in den Besatzungszonen wurden also gerade diejenigen, die mit der Praxis des Kulturgüterschutzes und der Restitutionsarbeit am meisten zu tun hatten, von Teilen der offiziellen Feierlichkeiten ausgeschlossen. Zum Teil war dies hierarchischem Denken geschuldet und indirekt darauf

Unterstützung angefragt. Henraux, Albert S., Demande à Jaujard d’accompagner l’ouverture de l’exposition d’une réception exclusive pour les officiers américains venus de Berlin et de Munich, 29 mai 1946, AMAE 209SUP/490 P177. 29 Naegelen, Marcel, Discours remerciant le travail des officiers américains MFA&A, juin 1946, AN 20150497/216. 30 Ebd. 31 Heinrich, Theodore A., Letter to Thomas Carr Howe relating the everday life in the Central ­Collecting Point Wiesbaden, July 15, 1946, Archives of American Art, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 9.

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zurückzuführen, dass die meisten MFA&A-Offiziere eher niedrige Ränge bekleideten; lediglich Major Bancel LaFarge erhielt eine Einladung zum erwähnten Staatsbankett. Zugleich zeigt die Priorisierung bei den Einladungen, die vor allem Vertreter aus Ministerien und diplomatischen Kreisen sowie hochrangige Militärs berücksichtigte, dass die Ausstellungseröffnung letztlich von politischen Akteuren vereinnahmt worden war, die mit Hilfe der Ausstellung eine cultural diplomacy verfolgten. Im Mittelpunkt der Eröffnungsfeiern standen insofern weniger die ausgestellten Kunstwerke und nur bis zu einem gewissen Grad die Verdienste der MFA&A – vielmehr diente die über die Ausstellung kommunizierte Rhetorik der französisch-­­amerikanischen Freundschaft der Pflege der Beziehungen z­ wischen ungleichen Alliierten. Diese politischen Motive waren auch der Hintergrund der vom französischen Außenministerium angeordneten Laufzeitverlängerung der Ausstellung bis Ende Oktober, damit sie zum Zeitpunkt der Pariser Friedenskonferenz noch von den internationalen Teilnehmern besichtigt werden konnte.32 Neben ihrer Funktion als Teil einer cultural diplomacy verfolgte die Ausstellung in ihrer inhaltlichen Konzeption noch eine zweite Agenda. Die ausgestellten Objekte versammelten mehrheitlich Gemälde, darunter Vermeers „Astronom“ aus der Rothschild-­­Sammlung, aber auch Werke von Renoir und Degas, Matisse oder Braque aus dem Eigentum der Brüder Paul und Léonce Rosenberg, außerdem Zeichnungen, einige Skulpturen sowie Möbel, Kunsthandwerk, Schmuck und Bücher, dazu die bereits erwähnten Fahnen aus dem Musée de l’Armée. Im hintersten Saal der Ausstellung hing eine große Deutschlandkarte, auf der mit Stecknadeln die Fundorte der Auslagerungsdepots verzeichnet waren.33 Außerdem waren die Objekte sowohl in der Ausstellung als auch im Katalog mit Vermerken zu ihrem Bestimmungsort im Anschluss an ihren Raub, etwa der „Sonderauftrag Linz“ oder die Göring­­ Sammlung, versehen. Insofern verfolgte die Ausstellung das vordergründige Ziel, über die Mechanismen des nationalsozialistischen Raubs in Frankreich aufzuklären.34 Die Erklärung der Mechanismen des Raubs anhand der wieder aufgefundenen und restituierten Kunstwerke diente gleichzeitig einer Verherrlichung des alliierten Sieges, zeugte die materielle Gegenwart der geraubten Kunstwerke in einem Pariser Museum doch letztlich vom Scheitern des 32 Direction Générale des Relations Culturelles, Décision de prolongation de l’exposition de la Récupération, 12 août 1946, AMAE 209SUP/490 P177. Nach dieser Verlängerung erfolgte eine zweite Verlängerung bis zum 3. November 1946. 33 „Dans la dernière salle du musée une carte de l’Allemagne […] piquée de petits drapeaux indique les endroits dans lesquels ont été retrouvées les caisses, car les Allemands n’avaient pas eu le temps de répartir les œuvres, et ils avaient entassé leur butin dans des mines de sel, des montagnes, etc… [sic]. La plupart de ces œuvres étaient destinées au musée hitlérien de Linz, d’autres avaient été choisies par Göring pour la collection d’Hitler et surtout pour la sienne propre.“ Direction des Informations, Circulaire sur l’ouverture de l’exposition „les chefs-­­d’œuvre des collections françaises retrouvées en Allemagne“, 12 juin 1946, AMAE 209SUP/490 P177. Der Zusatz „privées“ fehlte hier in der Titelangabe zur Ausstellung noch. 34 Vgl. Ministère de l’Education nationale 1946, S. III.

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­nationalsozialistischen Größenwahns. Nicht zufällig schmückte ausgerechnet Claude Monets „La Fête Nationale – Rue Montorgueil“ (Abb. 4) aus der Sammlung Lindon das Werbeplakat für die Ausstellung – ein Gemälde also, dessen Titel auf das Feiern der französischen Nation verwies und dessen Bildmotiv, ein Meer von Feiernden und Trikoloren, gleichzeitig die französischen Siegesfeiern nach dem Kriegsende heraufbeschwor.35 Das Gemälde war nicht das einzige Ausstellungsstück, das derart explizit auf eine Siegesrhetorik verwies: So wurde in einer Vitrine ein Exemplar des Versailler Vertrags zur Schau gestellt, und die aus dem Musée de l’Armée geliehenen Flaggen zeugten sowohl vom Deutsch-­­Französischen Krieg 1870 als auch von den napoleonischen Kriegen. Was speziell diese Objekte von den Kunstwerken aus den beschlagnahmten Privatsammlungen unterschied, war der Umstand, dass sie den alliierten Sieg von 1945 in eine längerfristige Kontinuität der deutsch-­­französischen Geschichte einordneten. Sie waren Träger vielschichtiger Bedeutungen. Das Exemplar des Versailler Vertrags etwa verwies auf den französischen Sieg am Ende des E ­ rsten Weltkriegs. Gleichzeitig war in die Geschichte des Vertrags als historischem Dokument und Archivgut jedoch auch die Raubgeschichte des Zweiten Weltkriegs eingeschrieben. Bereits 1940 hatte das Sonderkommando Künsberg im Auftrag des Auswärtigen Amts in umfassendem Stil französische Archive beschlagnahmt und dabei insbesondere diplomatische Akten zum ­Ersten Weltkrieg – darunter den Versailler Vertrag – „sichergestellt“, wie es im NS-Jargon hieß. Mit der Beschlagnahme des Vertrags sollte gemäß der NS-Ideologie die Erinnerung an den „Schandfrieden“ von Versailles ausgemerzt werden.36 Die Präsentation des nach dem Krieg restituierten Vertragsexemplars im Musée de l’Orangerie Seite an Seite mit den geraubten Kunstwerken wies insofern nicht nur auf den französischen Sieg nach dem ­Ersten Weltkrieg hin, sondern versinnbildlichte gleichzeitig sowohl den nationalsozialistischen Archivraub als auch – erneut – den alliierten Sieg über die NS-Ideologie. Noch langfristiger waren die Kontinuitäten, die durch die Fahnen aus dem Musée de l’Armée vergegenwärtigt wurden. Laut Ausstellungskatalog handelte es sich bei den beiden Leihgaben um: 271. – Etendards du 18e Chasseurs à cheval, 2e escadron. Ces étendards qui se trouvaient avec quatre autres au Musée de Munich depuis 1815, ont été remis au Musée de l’Armée par le Général Patton, Commandant la [sic] 3e Armée Américaine. 272. – Hampe, aigle et cravatée du drapeau du 36e RI, pris par les Allemands à Froeschwiller le 6 août 1870. Remis au Musée de l’Armée par le Général Patton, Commandant de la 3e Armée Américaine.37 35 Lindon, Raymond, Participation aux frais d’impression pour l’affiche de l’exposition, 3 mai 1946, AMAE 209SUP/490 P177. Da das Titelbild der Ausstellung aus der Sammlung Lindon stammte, erklärte sich Raymond Lindon bereit, einen Teil der Druckkosten für das Plakat zu übernehmen. 36 Cœuré 2013, S. 32. 37 Ministère de l’Education nationale 1946, S. 84.

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Somit waren die beiden Fahnen zwar durchaus über die Vermittlung der Amerikaner aus dem Militärmuseum München nach Paris zurückgekehrt – jedoch handelte es sich in keinem der beiden Fälle um Militaria, die 1940 von den Nationalsozialisten aus dem Musée de l’Armée geraubt worden waren. Vielmehr waren die Flaggen jeweils zum Zeitpunkt französischer Niederlagen – im Kontext der napoleonischen Kriege bzw. kurz vor der Schlacht von Sedan – von deutschen Truppen erbeutet und seither im Münchner Armeemuseum zur Schau gestellt worden. Die Rückgabe dieser beiden Fahnen an Frankreich fügte sich daher in militärische Traditionen der Kriegsbeute ein, wobei der Vorgang der Rückgabe an Frankreich eine Überschreibung der Symbolik der Fahnen implizierte: Hatte ihre Beutenahme durch deutsche Truppen in den Kriegen des 19. Jahrhunderts auf die französische Niederlage verwiesen, so verdeutlichte ihre Rückgabe nun den französischen Sieg, wenn nicht sogar eine Art Wiederherstellung der französischen Ehre. Gerade Letzteres bzw. die Bedeutung des französischen Nationalgefühls so kurz nach dem Ende von deutscher Besatzung, Vichy-­­Regime und Kollaboration waren die Th ­ emen, die letztlich anhand der Ausstellung verhandelt wurden. Die Inszenierung des Sieges verwies zwar stets auf die Rolle der Alliierten, insbesondere der Amerikaner, und war insofern als cultural diplomacy zu verstehen. Gleichzeitig implizierte die Siegesinszenierung jedoch auch eine Selbstdarstellung Frankreichs gerade nicht als befreite Nation, sondern als eine der Siegermächte. Den Kulturgütern, die in der Ausstellung als nationales französisches Kulturerbe präsentiert wurden – die Frage nach öffentlichem oder privatem Eigentum spielte für ihre Wahrnehmung als patrimoine français keine Rolle –, kam im Kontext der nationalen Selbstvergewisserung Frankreichs eine gleichermaßen memorielle wie zukunftweisende Funktion zu. In ihrer memoriellen Funktion verwiesen die Kulturgüter auf die Vergangenheit der Besatzung und des Raubes und die Exzesse der NS-Ideologie. Gleichzeitig war ihre Rückkehr nach Frankreich zukunftsweisend, da sie nicht nur das Überdauern der französischen Kultur, sondern zugleich auch nationalen Wiederaufbau symbolisierten.38 Mit der Ausstellung „Les chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises“ kommunizierte Frankreich daher sowohl nach innen als auch gegenüber den übrigen Alliierten seine nach wie vor ungebrochene kulturelle Bedeutung und seinen Status als Siegermacht.

2.2 Verhandlungen über die alliierte Restitutionspolitik Die cultural diplomacy der token restitutions und der Pariser Ausstellung von 1946 verortet sich in einen zeitlichen Kontext, in dem die alliierte Restitutionspolitik noch immer nicht

38 Le Masne de Chermont 2013, S. 1373 – 1374. Auf den spezifischen Zusammenhang z­ wischen Restitution und Gedächtnisbildung hat außerdem Elisabeth Gallas in ihrer Untersuchung des Offenbacher Archival Depot hingewiesen. Gallas 2013, S. 76.

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vollständig ausgearbeitet war, obwohl die Restitutionsfrage bereits vor Kriegsende erstmalig in verschiedenen Gremien beraten worden war. Bereits 1944 hatten sich Kommissionen wie die amerikanische Roberts Commission und die interalliierte Vaucher Commission mit Fragen der Restitution von Kulturgütern auseinandergesetzt. Jede dieser Kommissionen stellte zunächst grundsätzliche Überlegungen zur Definition von Kulturgütern, die als restituierbar gelten sollten, an und arbeitete Vorschläge zur Handhabe der Restitution von Kulturgütern aus. Die Roberts Commission, die als beratende Sonderkommission der US-Regierung gegründet worden war, kommunizierte ihre diesbezüglichen Vorschläge an das US State Department weiter, gewann jedoch den Eindruck, dass dort in der Frage der Restitutionen wenig Rücksicht auf die spezifische Besonderheit von Kulturgütern in Abgrenzung zur Restitution von Wirtschafts- und Industrie­gütern genommen wurde.39 Tatsächlich nahm das Thema Restitution in der amerikanischen Deutschlandpolitik zunächst eine verhältnismäßig geringe Rolle ein, und die USA vermieden lange Zeit eine explizite Stellungnahme. Auf interalliierter Ebene hingegen wurde die grundsätzliche Frage der Restitutionen und Reparationen – sowohl kultureller als auch wirtschaftlicher Art – bereits vor Kriegsende sowohl auf den Kriegskonferenzen der „Großen Drei“ als auch innerhalb der European Advisory Commission (EAC) diskutiert. In Letzterer war auch Frankreich ab 1945 vertreten und sprach sich von Anfang an für weitreichende Restitutionen aus, die auch das Prinzip der restitution in kind einschließen sollten, also den Grundsatz, dass verloren gegangene oder zerstörte Güter durch gleichwertige Äquivalente ersetzt werden sollten. Diese weitreichenden Forderungen resultierten aus dem Umstand, dass Frankreich aufgrund der NS-Besatzung und für die Stärkung des eigenen Wiederaufbaus ein sehr unmittelbares Interesse an Restitutionen hatte. Innerhalb der vier Siegermächte blieb Frankreich mit dieser Position jedoch isoliert, da weder die USA noch Großbritannien auf Restitutionen angewiesen waren und die Sowjetunion ihre eigenen Pläne zur Sicherung ihrer Interessen verfolgte. Die EAC konnte daher keine Einigung über gemeinsame Prinzipien hinsichtlich Restitutionen und Reparationen erzielen. Generell drohte die Restitutionsfrage zu ­diesem Zeitpunkt in grundsätzlicheren Debatten über die Gestaltung der Besetzung Deutschlands und der europäischen Nachkriegsordnung unterzugehen.40 Nach Kriegsende verlagerte sich der Schauplatz der Verhandlungen um die Restitutionspolitik in den Alliierten Kontrollrat. Dort wurde das Thema auf verschiedenen Ebenen verhandelt. Quadripartite Entscheidungen wurden in der Regel vom Kontrollrat an sich vorgenommen, d. h. von den vier Kommandanten der Besatzungszonen, die von ihren jeweiligen politischen Beratern assistiert wurden.41 Der Kontrollrat trat dreimal im Monat 39 Kurtz 2006, S. 64 – 65. 40 Kurtz 1997, S. 113. 41 Für die USA besetzte bis November 1945 General Eisenhower diesen Posten, gefolgt von General McNarney, der seinerseits im März 1947 von General Lucius D. Clay abgelöst wurde. Frankreich

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zusammen, wobei der Vorsitz ­zwischen den Kommandanten alternierte. Unterhalb dieser Ebene tagte das Coordinating Committee (CORC ), in dem die Generäle Clay (USA ), ­Robertson (Großbritannien), Sokolowski (Sowjetunion) sowie Koeltz (Frankreich) konfe­ rierten. Diesen beiden leitenden Ebenen wiederum waren mehrere Arbeitsgruppen (im Englischen als Directorates, im Französischen als Directoires bezeichnet) unterstellt, die Memoranden und Vorlagen erarbeiteten, auf deren Basis die Politik des Alliierten Kontrollrats beschlossen wurde. Für die Erarbeitung einer gemeinsamen Restitutionspolitik war das Directorate of Reparations, Deliveries and Restitution (DRDR) zuständig.42 In Ergänzung zu dieser quadripartiten Struktur des Alliierten Kontrollrats verfügte jede der vier Siegermächte über eine eigene Delegation in Berlin. In Analogie zu den jeweiligen Militärregierungen auf Zonenebene besaßen diese Kontrollratsgruppen eine nach den Abteilungen Außen-, Wirtschafts- und Kulturpolitik differenzierte interne Verwaltungsstruktur. Der Bereich der Restitutionspolitik war dabei in aller Regel der Wirtschafts- und Finanzabteilung zugeordnet. Im amerikanischen Fall war die Reparations, Deliveries and Restitutions Division für die Restitutionspolitik zuständig. Ihr war auch eine Abordnung der MFA&A unterstellt, die 1945 von MFA&A-Chief Bancel LaFarge sowie ab 1946 von Richard F. Howard geleitet wurde. Bei der Festlegung der amerikanischen Position zur Restitutionspolitik, die in Rücksprache ­zwischen Berlin und Washington geschah, verfügte die MFA&A also durchaus über Möglichkeiten zur Einflussnahme.43 Die Leitung der Division Réparations-­­Restitutions in der französischen Kontrollratsgruppe wiederum unterstand dem Ingenieur Georges Glasser, der ab 1946 diese Funktion in Personalunion mit der Leitung der Direction des Réparations-­­Restitutions in der französischen Besatzungszone ausübte.44 Die ab Ende 1946 von Rose Valland geleitete Section Beaux-­­Arts im Groupe français au Conseil de Contrôle (GFCC ) war jedoch nicht an die Restitutionsabteilung gekoppelt, sondern gehörte zur Division Education Publique et Affaires Culturelles unter der Leitung von Eugène Hepp.45 In puncto Restitutionspolitik stand die Pariser Commission de Récupération Artistique daher vor allem mit dem französischen Außenministerium in Verbindung, das seinerseits in Kontakt mit dem GFCC als Ganzem stand und sich mit ihm auch auf die restitutionspolitische Positionierung Frankreichs im Kontrollrat verständigte. Restitutionspolitik wurde insofern in einem Zusammenspiel verschiedener Akteurs­ ebenen und Einflussbereiche gestaltet. Die jeweiligen nationalen Positionen wurden in

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wurde von General Pierre Koenig repräsentiert, der bis Juni 1946 von General Louis Koeltz sowie anschließend General Roger Noiret vertreten wurde. Lorentz 1998, S. 78 – 80. Kurtz 2006, S. 112. Lorentz 1998, S. 81. Ebd., S. 82.

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­Rücksprache ­zwischen Kontrollratsgruppe und Regierungen festgelegt; ausgehend von diesen Positionen wiederum wurden in den Sitzungen des Directorate of Reparations, Deliveries and Restitutions gemeinsame Regelungen erarbeitet und diskutiert, die anschließend für finale Beschlüsse dem Coordination Committee und, sofern ­dieses sich nicht einigen konnte, dem eigentlichen Kontrollrat vorgelegt wurden. Das DRDR entschied sich frühzeitig dazu, die Frage der Kulturgüter als Sonderfall zu behandeln, der separat von Restitutionen und Reparationen im wirtschaftlichen und industriellen Sektor zu betrachten war. Als im September 1945 die ersten provisorischen Regelungen zur Restitutionsfrage erarbeitet wurden, waren Kulturgüter von diesen explizit ausgeschlossen worden. Stattdessen wurden sie in einem gesonderten Memorandum behandelt, das eine vorläufige Übereinkunft über Grundsätze für kulturelle Restitutionen erarbeitete.46 Der einstweilige Beschluss des CORC vom 12. Dezember 1945 umfasste erstens eine Definition dessen, was der Alliierte Kontrollrat unter „Kulturgut“ verstand, nämlich tout bien meuble d’importance ou de valeur religieuse, artistique, documentaire, pédagogique ou historique et dont la disparition constitue une perte pour le patrimoine culturel du pays. Cette définition comprend, en même temps que les œuvres d’art proprement dites, des objets tels que les instruments de musique rares, les livres et les manuscrits, les documents scientifiques de nature historique ou culturelle et tous les objets que l’on trouve généralement dans les musées, les collections, les bibliothèques et les archives historiques.47

Zweitens legte er fest, dass vorläufige Restitutionen von Kulturgütern sich nur auf ­solche beschränken sollten, die eindeutig identifiziert und ihrem Eigentümer zugeordnet werden konnten, und regelte drittens den Ablauf der Rücktransporte identifizierter und klar zugeordneter Objekte an ihre Ursprungsländer. Diese Bestimmungen, die zunächst als Provisorium verabschiedet wurden, damit Rückführungen von Kulturgütern in die Herkunftsländer offiziell beginnen konnten, wurden am 9. April 1946 in einem weiteren definitiven Beschluss über das Prozedere bei kulturellen Restitutionen bestätigt.48 Die token restitutions der zweiten Jahreshälfte von 1945 sind nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund dieser langwierigen restitutionspolitischen Verhandlungen zu verstehen. Aus amerikanischer Perspektive wirkten sie zu einem Zeitpunkt, an dem noch keine Einigkeit über den Modus der Restitutionen bestand, sowohl als Geste des guten Willens gegenüber den ehemals besetzten Ländern West- und Mitteleuropas als auch als Überbrückung bis zum eigentlichen Beginn von Rückführungen.

46 Ebd., S. 94 – 95. 47 Autorité alliée Contrôle, Directoire Réparations et Restitutions, Livraison provisoire de biens culturels au titre des restitutions, 12 décembre 1945, AMAE AC 469/2. 48 Lorentz 1998, S. 94 – 95.

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2.2.1 Ein amerikanischer Alleingang: Der Abtransport von 202 Berliner Bildern in die USA Die token restitutions fanden nicht nur zeitlich parallel zu den ersten restitutionspolitischen Grundsatzverhandlungen statt. Sie überschnitten sich zugleich mit einem politischen Alleingang der amerikanischen Militärregierung, der deutlich aufzeigt, dass die Frage, wie mit den unter alliierter Verwaltung stehenden Kulturgütern umzugehen war, auch innerhalb der verschiedenen amerikanischen Entscheidungsinstanzen – Regierung, War Department, Roberts Commission und Kontrollratsgruppe – durchaus unterschiedlich beantwortet wurde. Anfang November 1945 nämlich erhielt die MFA&A die Anordnung, dass rund 200 Gemälde aus deutschen Museumssammlungen in den Central Collecting Points verpackt und für einen Abtransport in die USA vorbereitet werden müssten. Die Pläne zum Abtransport deutscher Museumssammlungen waren erstmals am Rande der Potsdamer Konferenz in einem Memorandum der US -Kontrollratsgruppe fixiert worden, dessen Inhalte laut Sichtvermerk vom 29. Juli 1945 die Zustimmung von General Lucius D. Clay und Präsident Truman erhalten hatten. Das Memorandum kategorisierte die auf dem Gebiet der amerikanischen Besatzungszone aufgefundenen Kunstgegenstände in drei Kategorien: Kulturgüter, die aus öffentlichem und privatem Eigentum der von Deutschland besetzten Gebiete geraubt worden waren (Kategorien A und B) sowie Kunstwerke aus deutschen öffentlichen Sammlungen, die zum Schutz vor Kriegseinwirkung ausgelagert worden waren (Kategorie C). Die geraubten Kulturgüter der Kategorien A und B sollten, so der in dem Memorandum formulierte Vorschlag, möglichst bald an ihre rechtmäßigen Eigentümer bzw. Herkunftsländer zurückgeben werden. Für die Objekte der Kategorie C, also Kunstwerke aus deutschem öffentlichem Eigentum, lautete die Empfehlung: It is recommended that the works of art in Class „C“ be removed to the US as rapidly as arrange­ ments can be affected and distributed among the museums in the US properly equipped to handle these works of art. It is suggested that they be placed on exhibit in the US, but that an announcement be made to the public, to include the German people, that these works of art will be held in trusteeship for return to the German nation when it has re-­­earned its right to be considered as a nation.49

Offiziell wurde dieser Vorschlag damit begründet, dass es in Deutschland an Infrastruktur und geschultem Personal zur Sicherung der Auslagerungsdepots fehle; der Transfer in die USA sei daher als treuhänderische Verwaltung zu verstehen. Schnell wurde jedoch klar, dass das Sicherheitsargument von einigen Akteuren auch als Vorwand interpretiert 49 US Group Control Council, Policy document on art objects in US Zone, July 29, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497, M1947, Roll 70.

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werden konnte, um eine mögliche Nutzung von Kulturgütern als Kriegsreparationen zu verschleiern.50 Die nur bedingt stichhaltige Begründung des Abtransports rief amerikanische Kunst­ experten auf den Plan, die frühzeitig gegen das Vorhaben protestierten. John Nicholas Brown, der Kulturberater von General Eisenhower, legte im August 1945 in einer ausführlichen Stellungnahme dar, dass die Präsenz kompetenter amerikanischer Museumsleute in der US-Zone einen Abtransport unnötig machten und dieser sowohl die Beziehungen zu den übrigen Alliierten belasten als auch von anti-­­amerikanischer Propaganda geprägte negative Vorurteile bei den Deutschen befeuern werde.51 Auch die MFA&A-Büros der US-Kontrollratsgruppe in Berlin sowie des USFET-Hauptquartiers erhoben frühzeitig Einwände gegen die Transportpläne. In einer Zusammenkunft zur Einrichtung der US -Militärregierung legte MFA&A-Chief LaFarge ausführlich die Arbeit seiner Einheit dar, um die offizielle Begründung des Abtransports mit Sicherheits- und Personalmängeln zu widerlegen. Dabei betonte er die Bedeutung der MFA&A-Arbeit für die re-­­education der Deutschen und unterstrich, dass deutsche Museumssammlungen in Deutschland bleiben müssten, „because they transcend nationalism and belong to civilization [and] may help to educate Germany into an attitude which will make her a suitable member of the society of nations.“ 52 Ungeachtet dieser Proteste wurde zur gleichen Zeit in Washington darüber diskutiert, ob und unter w ­ elchen Bedingungen die abzutransportierenden Museumsbestände für Reparationsleistungen oder für eine restitution in kind herangezogen werden könnten. Wie Eisenhowers politischer Berater Robert Murphy im August 1945 in einem Memorandum an General Clay feststellte, sei das amerikanische State Department grundsätzlich nicht gegen eine Anwendung des Prinzips der restitution in kind, sofern sie auf einzigartige und unersetzliche Kulturgüter beschränkt bleibe; allerdings sollte diese Position in offiziellen Verlautbarungen besser nicht kommuniziert werden.53 Als das War Department sich im 50 Pauley, Edwin W., Memorandum for General Clay, 30 juillet 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497, M1947, Roll 70. 51 Brown, John Nicholas, Comments on Document „Art objects in US Zone“ transmitted b C of S to Col Jefferson D&R Division, US Group CC, under date 29 July 1945, August 9, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497, M1947, Roll 70. 52 LaFarge, Bancel, Speech on the restitution of works of art, delivered at the First Military Government Conference at Headquarters SHAEF on 27 f.and 29 August 1945, National Gallery of Art, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA -J2 f..5. 53 „The Department of State, while agreeing that the announcement made on the removal of German art to the United States should omit reference to German obligation to make replacement in kind, is disturbed by the view that Germans should not be required to replace looted art not found or destroyed. In the past the Department of State has always accepted replacement in kind with respect to restitution of art as distinct from restitution of objects of no unique cultural value. The Department transmitted to Winant on June 5 a draft agreement on restitution of art approved by State-­­War-­­Navy Coordinating Committee and the Roberts Commission which provided that ‚if

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September 1945 an die amerikanische Kontrollratsgruppe in Berlin wandte, um Informationen für die logistische Planung des Abtransports zu erhalten, betonte es daher, dass man eine mögliche Nutzung der Kulturgüter für eine restitution in kind erst dann konkret in Erwägung ziehen werde, wenn das State Department auch gewillt sei, eine ­solche Verwendung öffentlich anzukündigen.54 Während also die Umsetzung des Abtransports immer konkreter wurde, zögerten die amerikanischen Ministerien nach wie vor, dessen Zweck klar zu definieren und etwaige restitutions- und reparationspolitische Erwägungen offenzulegen. Für die konkrete Planung des Transports bat das War Department auch die Roberts Commission um Stellungnahme. Die in Befürworter und Gegner des Projekts gespaltene Commission berief ihrerseits John Nicholas Brown, den MFA&A-Offizier George Stout und James Plaut von der ALIU ein, um die praktische Dimension des Projekts zu evaluieren.55 Stout und Plaut sprachen sich gegenüber der Roberts Commission klar gegen den Abtransport aus, auch weil sie ihn aus konservatorischer Sicht für kontraproduktiv hielten. Diese Positionierung gab die Roberts Commission jedoch nicht an das War Department weiter, sondern vermied in ihrer ausweichenden Stellungnahme eine allzu klare Positionierung.56 George Stout argwöhnte daher später, dass die Verantwortlichen in Washington die Roberts Commission lediglich als Marionette vorgeschoben hätten, um ihre Transferpläne legitimieren zu können.57 Dass de facto interalliierte und restitutionspolitische Fragen die Entwicklung der Transportpläne stärker beeinflussten als die vordergründigen Sicherheits- und Konservierungs­ fragen, zeigt sich auch in einem Briefwechsel z­ wischen General Clay und John J. McCloy vom War Department im September 1945. Sowohl McCloy als auch Clay räumten inzwischen ein,

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works of art, books, historic or artistic archives, and other artistic or historic property known to have been looted cannot be found within a period of two years after the unconditional surrender or defeat of Germany, there shall be an obligation on Germany to replace such articles by comparable objects from German collections, public or private.‘ Moreover, replacement in kind will be strongly insisted upon by all countries which lost part of their cultural patrimony to the Germans.“ Murphy, Robert, Memorandum to Lucius D. Clay on a message by the State Department pertaining to replacement in kind, August 31, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497, M1947, Roll 70. War Department, Removal German owned Cultural and Art objects to US, September 12, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497, M1947, Roll 70, und Jefferson, L. W., Removal of German owned cultural art objects to United States, September 13, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497, M1947, Roll 70. Stout schilderte dies im Januar 1946 in einem privaten Brief an Thomas Carr Howe: „I was told that a brief statement on the strictly technical aspects of the question would be accepted. But strictly, they said, technical. So I did. I wrote a little primer about two pages long and gave it out that as far as conservation was concerned, even if they froze, the things ran less risk where they were than hauled and shipped all hell and gone over the globe.“ Stout, George L., Letter to Thomas Carr Howe relating to the Berlin 202 affair, January 6, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 32. Nicholas 1994, S. 391. Stout, George L., Letter to Thomas Carr Howe relating to the Berlin 202 affair, January 6, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 32.

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dass die Lagerungs- und Personalbedingungen in den Depots in Deutschland sich verbessert hätten. Clay interpretierte jedoch das Drängen der MFA&A auf einen baldigen Beginn mit der Restitution von NS-Raubgut als Indiz dafür, dass selbst die MFA&A ihre Depots für konservatorisch fragil halte und daher möglichst schnell räumen wolle, und zog daraus den Schluss, dass auch die deutschen Museumssammlungen gefährdet s­ eien. Da die Eigentümermuseen jedoch oft außerhalb der amerikanischen Zone lägen und der Interzonentransfer von Kulturgütern noch nicht reglementiert sei, könne man die Sammlungen nicht einfach an die Museen zurückgeben. Wohl in Anspielung auf den sowjetischen Umgang mit deutschen Sammlungen fügte Clay hinzu, dass es im Interesse der Bewahrung der Sammlungen für das deutsche Volk derzeit noch gar nicht empfehlenswert sei, diese an andere Besatzungszonen abzugeben.58 Neben der Frage nach der Sicherheit der Depots und Collecting Points brachte er nun also das Verhältnis zu den übrigen Alliierten und deren Umgang mit Kulturgütern ins Spiel. Zweifellos war diese Argumentation auch darauf zurückzuführen, dass der Alliierte Kontrollrat und seine Gremien inzwischen damit begonnen hatten, Definitionen von Restitution und Reparation zu diskutieren, und sich abzeichnete, dass die Einigung auf eine gemeinsame Politik zur Kunstrestitution langwierige Verhandlungen erfordern würde. Überdies war den Amerikanern durchaus bekannt, dass die Sowjetunion ihrerseits längst Bestände aus deutschen Museen nach Russland überführt hatte. Wenn in den Memoranden des War Departments und der Kontrollratsgruppe von der Sicherheit der Sammlungen in Deutschland die Rede war, implizierte dieser Begriff wahrscheinlich indirekt auch den Schutz vor einem möglichen Zugriff der Sowjetunion. Offen ausgesprochen wurde dieser Aspekt in den Memoranden und Telegrammen von 1945 aber nicht. Ebenso wenig offen kommuniziert wurde, dass das US State Department noch im Herbst 1945 die Idee, Kulturgüter als Reparationsleistungen heranzuziehen, durchaus in Erwägung gezogen hatte. Als die Überführung von 202 Gemälden aus dem Bestand des Berliner ­Kaiser-­­Friedrich-­­Museums in die USA im November 1945 praktisch umgesetzt wurde, begründeten die vom Weißen Haus herausgegebenen Pressemitteilungen den Abtransport lediglich mit dem Hinweis auf die Sicherheit der Gemälde. Befeuert von MFA&A-internen Protesten gegen den Abtransport, die Anfang 1946 auch in kunsthistorische Fachzeitschriften und die Presse überschwappten, stellte jedoch auch das amerikanische Museumsmilieu diese Begründungen öffentlich in Frage; die Kritik kulminierte Mitte des Jahres 1946 in einer an Präsident Truman gerichteten Petition von 95 amerikanischen Kulturschaffenden, die Gemälde zurückzugeben. Von den Plänen, Kunstgegenstände für Reparationen heranzuziehen, hatte die USA zu ­diesem Zeitpunkt bereits wieder Abstand genommen. Dennoch verzögerte sich die tatsächliche Rückgabe der 202 Bilder bis in die Jahre 1948 und 1949. 58 McCloy, John J., Cable to Lucius D. Clay on the shipment of German art objects to the US, September 21, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497, M1947, Roll 70, und US Group Control Council, Cable to McCloy on the removal of German-­­owned works of art, September 21, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497, M1947, Roll 70.

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2.2.2 Das Problem der restitution in kind In den inneramerikanischen Debatten um den Abtransport der Berliner Bilder werden Problematiken sichtbar, die auch auf der interalliierten Ebene die Definition der Restitutionspolitik beeinflussen sollten. Zwar wurden mit den provisorischen Kontrollratsbeschlüssen über die Restitution von Kulturgütern im Dezember die Abläufe der Rückführung aus den Central Collecting Points in die Herkunftsländer vorerst geregelt. Dies bedeutete jedoch noch lange nicht, dass nunmehr in allen Facetten der Restitutionspolitik Klarheit bestand. Vor allem das Problem der restitution in kind entwickelte sich in den Jahren 1945 – 1947 zu einem Hauptthema der interalliierten Debatten über die kulturellen Restitutionen. Die Differenzen z­ wischen französischen und amerikanischen Positionen bezüglich der restitution in kind bzw. der restitution à l’équivalent, wie die gängige Bezeichnung in den französischen Quellen lautet, waren schon in der Art begründet, wie die Commission de Récupération Artistique und die Roberts Commission jeweils Restitution verstanden. Die CRA verankerte das Prinzip der restitution à l’équivalent bereits im September 1944 im Protokoll ihrer allerersten Sitzung, in der sie die Grundsätze beschloss, nach denen sie operieren wollte. Neben dem Verbot des Verkaufs und Exports von Kulturgütern im besetzten Deutschland und der allgemeinen Festlegung von Fristen für die Restitution geraubter Kulturgüter umfassten diese Grundsätze auch die Postulate, dass 3) Les collections publiques allemandes seront considérées comme gage jusqu’à la clôture des opérations de la commission. 4) Dans le cas où un objet ne sera pas retrouvé, un objet de nature et de valeur équivalentes sera exigé à sa place. Le dédommagement du propriétaire de l’objet non retrouvé entrera dans le règlement général des réparations.59

Dieselben Forderungen fanden sich auch in einem Grundsatzdokument wieder, das Erziehungsminister René Capitant im Februar 1945 zu den Prinzipien der kulturellen Restitution herausgab: Im Falle von Verlusten sollte die restitution in kind greifen; als Ersatz sollten Objekte aus deutschen öffentlichen Sammlungen eingefordert werden. Diese sollten aber nicht an die geschädigten individuellen Privateigentümer, sondern an französische öffentliche Institutionen übergeben werden; die geschädigten Personen hingegen sollten eine finanzielle Entschädigung enthalten. Kulturgüterverluste auch aus privatem Besitz wurden insofern als Verlust für das gesamte französische patrimoine verstanden, und die Kompensation durch die restitution in kind sollte zugunsten eben jenes nationalen Kulturerbes erfolgen, insofern als die dadurch erhaltenen Kulturgüter in öffentlichen Sammlungen zugänglich werden sollten.60 59 Commission de Récupération Artistique, Procès-­­verbal de la séance du 19 septembre 1944, AN 20150044/99. 60 Capitant, René, Lettre au sujet des démarches de restitution, 28 février 1945, AMAE 209SUP/389 P25.

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Ganz anders war die amerikanische Roberts Commission gegenüber der restitution in kind eingestellt. Als sie sich im Sommer 1944 mit bis dato vom State Department erarbeiteten Grundsätzen für die künftige Restitutionspolitik auseinandersetzte, positionierte sie sich gegen eine Anwendung auf Kulturgüter, da diese letztlich eine kulturelle Verödung Deutschlands nach sich zu ziehen drohte.61 Zwar revidierte sie diesen Standpunkt 1945 noch ein wenig, beharrte aber darauf, dass restitution in kind in möglichst begrenztem Umfang stattfinden solle und bestimmte Arten von Kulturgütern, etwa kirchliche, grundsätzlich davon auszuschließen s­ eien, um einen allzu extensiven Zugriff auf das deutsche Kulturerbe zu vermeiden.62 Die Uneinigkeit der französischen und amerikanischen Position bezüglich der Restitu­ tionen zeichnete sich bereits in den Debatten der EAC ab, ohne von d ­ iesem Gremium geklärt werden zu können. Die Regelung der restitution in kind wurde daher weiter in den Alliierten Kontrollrat vertagt, wo sie sich zu einer der zentralen Fragen der alliierten Restitutions­ politik entwickelte. Im Herbst 1945 wurde sie in den Verhandlungen des Kontrollrats vorerst ausgeklammert, da dieser den Begriff der Restitution als solchen überhaupt erst definieren und von der Reparation abgrenzen musste. Die Einigung über die entsprechende Definition vom 21. Januar 1946 enthielt daher nur einen Passus, wonach die restitution in kind in separaten Instruktionen geklärt werden solle, die sowohl ihre Bedingungen als auch die Objektkategorien, für die sie eventuell angewendet werden könnten, definieren würden.63 Einen ersten Vorschlag für diese separate Regelung der restitution in kind von Kulturgütern brachte die französische Kontrollratsgruppe am 22. Januar 1946 vor dem DRDR ein. Der Vorschlag definierte zunächst die Kategorien der Objekte, für die die festzulegenden Bestimmungen gelten sollten. Die Festlegung orientierte sich sowohl an der innerfranzösischen Definition des „objet d’art ou culturel“ durch die Commission de Récupération Artistique als auch die Definition von Kulturgut, die das CORC des Alliierten Kontrollrats im Dezember 1945 verabschiedet hatte. Les objets (y compris les livres, manuscrits et documents) d’ordre artistique, historique, archéologique, scientifique (à l’exclusion des objets de caractère industriel), pédagogique ou religieux, dont un pays a été spolié par l’Allemagne (sujets à Restitution, aux termes de la définition du CONL/P (46)3), seront, autant que possible, remplacés par des objets équivalents pour autant qu’ils n’auront pas été restitués. Sont cités à titre d’exemples non limitatifs: a) objets d’art des Maîtres de la peinture, gravure et de la sculpture. b) les œuvres les plus importantes des Maîtres distingués des arts appliqués et les créations anonymes les plus remarquables d’Art national. c) les reliques historiques de toute nature. 61 Kurtz 2006, S. 65. 62 Ebd., S. 68. 63 Lorentz 1998, S. 95.

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d) les manuscrits, les livres tels que les incunables rares, les livres ayant une valeur intrinsèque ou un caractère historique ou constituant des pièces rares, même des temps modernes. e) matériel étant la propriété privée d’institutions scientifiques particulières, observatoires laboratoires; ou stations expérimentales.64

Grundsätzlich sollte, ­diesem Vorschlag entsprechend, die restitution in kind „par des objets de même nature et de même valeur“ und „unité par unité“, also auf Einzelobjektbasis erfolgen. Als Vorgehensweise wurde vorgeschlagen, dass die Regierungen geschädigter Länder einen Antrag stellen könnten, entweder sobald der Verlust oder die Beschädigung eines Kulturguts zweifelsfrei festgestellt worden war oder wenn spätestens sechs Monate nach Ablauf der Frist für das Stellen von Restitutionsanträgen (festgesetzt auf den 1. August 1946) ein reklamiertes Objekt in keiner der vier Besatzungszonen aufgefunden werden konnte. Über die Anträge sollte eine vom DRDR eingesetzte quadripartite Kommission entscheiden, die den Antrag prüfen und bei Gewährung Experten benennen sollte, die den Wert des verlorenen Objekts schätzen und ein äquivalentes aus deutschen Sammlungen als Ersatz vorschlagen sollten. Die als Äquivalente grundsätzlich in Frage kommenden Objekte aus deutschen Sammlungen s­ eien bereits vorab von den geschädigten Ländern auf Listen zu erfassen, sodass die Experten nur noch auswählen müssten. Die Listen selbst sollten Objekte, die in und außerhalb Deutschlands unter alliierter Verwaltung standen 65, sowie „[l]es objets de Musées, Galeries d’Art, Bibliothèques, Instituts scientifiques, Observatoires, Laboratoires, Stations expérimentales et de toutes autres installations allemandes qu’ils appartiennent à des collectivités publiques ou des cas particuliers“ 66 erfassen. In Übereinstimmung mit der breiten Definition von Kulturgütern sollten also Objekte nicht nur aus Museen und Bibliotheken, sondern auch aus allen Arten von wissenschaftlichen Instituten potenziell für eine restitution in kind in Frage kommen. Grundsätzlich vertrat der Vorschlag außerdem die Haltung, dass alle nicht aufgefundenen Kulturgüter auf diese Weise ersetzt werden sollten. Der Vorschlag wurde im Frühjahr 1946 zunächst in der DRDR , dann aber auch im Comité de Coordination mehrfach diskutiert und modifiziert. Sowohl die amerikanischen als auch die sowjetischen Delegierten äußerten Vorbehalte gegenüber der ursprünglichen 64 Autorité alliée Contrôle, Directoire Réparations et Restitutions, Instructions particulières concernant la restitution à l’équivalent des biens à caractère unique – DRDR/P (46) 2, 1er février 1946, AMAE 209SUP/389 P25. 65 Der Verweis auf „objets détenus à l’étranger au nom de nationaux allemands“ könnte sich mög­ licherweise auf die 202 Berliner Gemälde beziehen, die im November 1945 aus dem CCP Wiesbaden in die USA transferiert worden waren. Der Passus über „les objets enlevés de chaque zone d’occupation depuis le 9 Mai 1945 avec l’indication de leur emplacement actuel“ wiederum bezog sich wahrscheinlich auf die Kulturgüter, die von den sowjetischen Trophäenbrigaden in die Sowjetunion verbracht worden waren.Autorité alliée Contrôle, Directoire Réparations et Restitutions, Instructions particulières concernant la restitution à l’équivalent des biens à caractère unique – DRDR/P (46) 2, 1er février 1946, AMAE 209SUP/389 P25. 66 Ebd.

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Vorlage. Die Kritik der Amerikaner richtete sich vor allem gegen die von französischer Seite vorgeschlagenen Objektkategorien, die ihnen zu weitreichend erschienen; wenn überhaupt, so sollte die restitution in kind sich nur auf Kunstwerke im engeren Sinne beschränken.67 Die sowjetischen Delegierten wiederum störten sich daran, dass Objekte, die von den Alliierten nach dem 9. Mai 1945 aus Deutschland entfernt worden waren, ebenfalls in Frage kommen sollten; was die sowjetischen Trophäenbrigaden bereits an Kulturgütern aus ihrer Zone in die Sowjetunion hatten transferieren lassen, war nach ihrem Verständnis eine Kriegsbeute und sollte daher nicht zur Kompensation im Sinne der restitution in kind dienen.68 Am 9. Juli 1946 einigte sich das Comité de Coordination über eine mehrfach überarbeitete und revidierte Fassung der Instruktionen, der außerdem ein von der US-Delegation initiierter Anhang beigefügt war. Der Anhang legte noch einmal genau die Kategorien von Objekten fest, für die eine restitution in kind grundsätzlich zugelassen werden sollte. Im Unterschied zur Formulierung der ersten Instruktion, die ausdrücklich ein Beispiel von Objektlisten „à titre d’exemple non limitatif“ 69 angeführt hatte, wurden die Kategorien der Kulturgüter nun in einer klar abgegrenzten Liste aufgeführt: 1. Les demandes de remplacement ne pourront être présentées à l’Autorité Alliée de Contrôle que pour les catégories suivantes d’objets de caractère unique: a) œuvres d’art des Maîtres les plus remarquables de la peinture, de la gravure et de la sculpture. b) œuvres les plus importantes des Maîtres éminents des arts appliqués et œuvres anonymes les plus remarquables de l’art national. c) reliques historiques de toute nature. d) manuscrits, livres (tels que les incunables rares), livres ayant une valeur intrinsèque ou un caractère historique ou constituant des pièces rares, même des temps modernes. e) Objets d’importance pour l’Histoire de la Science.70

Objekttypen, die nicht in dieser Auflistung erschienen, wurden prinzipiell von der restitution in kind ausgeschlossen. Außerdem hoben die neuen Formulierungen stärker hervor, dass es sich bei den Objekten, für die ein Ersatz beantragt werden könnte, um jeweils besonders meisterhafte, wichtige und seltene Objekte handeln müsse. Insgesamt fielen diese Regelungen daher deutlich restriktiver aus als die ursprünglichen französischen Forderungen.

67 Lorentz 1998, S. 96. 68 Ebd., S. 96. Vgl. auch Glasser, Georges, Restitution à l’équivalent de biens à caractère unique, 5 avril 1946, AMAE 209SUP/389 P25. 69 Autorité alliée Contrôle, Directoire Réparations-­­Restitutions, Instructions particulières concernant la restitution à l’équivalent des biens à caractère unique – DRDR/P (46) 2, 1er février 1946, AMAE 209SUP/389 P25 70 Autorité alliée Contrôle, Comité de Coordination, Procès-­­verbal de la réunion du 9 juillet 1946 – CORC/M (46) 34, 9 juillet 1946, AMAE 209SUP/389 P25.

Verhandlungen über die alliierte Restitutionspolitik  I  93

An die Festlegung der Objektkategorien, für die eine restitution in kind in Frage kam, schloss sich gleichzeitig eine Debatte über die Modalitäten ihrer Umsetzung an. Bereits in den DRDR- und CORC-Sitzungen im Frühjahr 1946 war die von den Franzosen vorgeschlagene Einsetzung einer quadripartiten Kommission zur Bearbeitung der Anträge debattiert worden. Diese Debatten setzten sich noch im Sommer 1946 fort, wobei jedoch vor allem auf amerikanischer und sowjetischer Seite Einsprüche gegen die Festlegung einer Prozedur zur Umsetzung der restitution in kind erhoben wurden.71 Es wurde daher beschlossen, dass vor einer Festlegung der Umfang der zu erwartenden Anträge eruiert werden sollte, um sich darüber im Klaren zu werden, ob die Einberufung einer eigenen Kommission überhaupt erforderlich würde. Hierzu sollte ein Rundschreiben an die betroffenen Nationen verschickt werden, das aber durch eine Intervention von General Clay blockiert wurde.72 Mangels einer quadripartiten Einigung über das Prozedere wurde schließlich in der DRDR-Sitzung vom 25. Februar 1947 folgende Regelung beschlossen: Après avoir reçu notification de l’échec dans les quatre zones de recherches relatives à une demande de restitution de nation demanderesse, si elle juge que l’objet demandé tombe dans l’une au moins des catégories admises par le CORC/M (46) 34 – Annexe „A“, pourra présenter au Directoire Réparations-­­Restitutions, une demande de remplacement à l’équivalent, de façon que toute mesure prise au sujet de chaque demande puisse être basée sur les preuves fournies et sur les mérites de chaque cas particulier.73

Eine Entscheidung über die restitution in kind sollte demnach auf Einzelfallbasis durch das DRDR erfolgen. Voraussetzung war, dass ein bestimmtes Kulturgut, das die am 9. Juli 1946 verabschiedeten Kriterien erfüllte, sich als unauffindbar erwiesen und der Kommandant der zuständigen Besatzungszone sich anschließend dafür entschieden hatte, den Antrag beim DRDR zu stellen. Welche Beweise und „mérites“ in den jeweiligen Einzelfällen zu erbringen waren, damit dieser Erfolg hatte, ließ der DRDR-Beschluss jedoch offen.74 Da die Regelung keineswegs für sämtliche Kulturgutverluste, sondern lediglich für sehr seltene einzelne Objekte greifen sollte und überdies das praktische Verfahren zu ihrer Umsetzung nie vollständig ausgearbeitet wurde, blieb sie weit hinter den französischen Maximalforderungen zurück. Für die Amerikaner hingegen war sie als Erfolg zu werten, da die getroffene Einigung den einzelnen Kommandanten Handlungsspielräume überließ und nicht zur restitution in kind verpflichtete.75 Sie entsprach auch den Wünschen der MFA&A, 71 Lorentz 1998, S. 97. 72 Ebd., S. 97 – 98. 73 Autorité alliée Contrôle, Directoire Réparations et Restitutions, procès-­­verbal des 58e, 59e et 60e réunions; DRDR/M (47) 7, 27 février 1947, AMAE 209SUP/389 P25. 74 Ebd. Vgl. dazu auch Kurtz 2006, S. 112 – 113. 75 Kurtz 2006, S. 113.

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die durchaus Einfluss auf die amerikanische Positionierung in DRDR und CORC während der Verhandlungen im Frühjahr 1946 gehabt hatte. John H. Allen von der Restitution Branch, der direkte Vorgesetzte der MFA&A in der US-Kontrollratsgruppe in Berlin, hatte sich in seiner Arbeit hauptsächlich auf die wirtschaftlichen Restitutionen konzentriert und die Klärung politischer Fragen zu kulturellen Restitutionen lieber der MFA&A direkt überlassen. Daher hatte MFA&A-Chief Richard F. Howard bei mehreren Gelegenheiten direkt mit General Clay über die restitution in kind Rücksprache halten und klar machen können, dass die MFA&A diese ablehnte.76 Inwieweit die CRA und das französische Erziehungsministerium Anteil an der Entwicklung der restitution in kind-­­Verhandlungen hatten, zeigt sich, wenn man die Verhandlungen des Kontrollrats im Spiegel der Aktenüberlieferung von CRA und Direction Générale des Arts et Lettres betrachtet. Dabei wird deutlich, dass die CRA nach dem Zustandekommen der Regelung von Februar 1947 durchaus konkrete Forderungen zur restitution in kind einzelner Objekte beabsichtigte. Grundsätzlich wurden weder die CRA noch die ihr im Erziehungsministerium übergeordnete Direction Générale des Arts et Lettres besonders aktiv in die einzelnen Schritte der restitutionspolitischen Verhandlungen einbezogen. Ende 1945 bzw. im Januar 1946 stand die französische Kontrollratsgruppe in dieser Frage vor allem mit dem Commissariat Général des Affaires Allemandes et Autrichiennes (CGAAA ) in Verbindung, dem Gremium, das in Paris dafür zuständig war, die französische Deutschlandpolitik ­zwischen den einzelnen Ministerien zu koordinieren.77 Eine Einbindung der Commission de Récupération Artistique erfolgte erstmals Ende Januar 1946, als die französische Delegation in Berlin dem DRDR ihre Instruktion zur restitution in kind von Kulturgütern vorgelegt hatte und das CGAAA die CRA um ihre Stellungnahme bat.78 Ein Exemplar der Korrespondenz ging auch an den Directeur Général des Arts et Lettres, Jacques Jaujard, der in einem Brief an Henraux vom 2. Februar Position zu den Inhalten des Telegramms bezog. Diese Stellungnahme zeigt deutlich, w ­ elche Prioritäten die französische Kulturverwaltung in der Frage setzte: Jaujard konstatierte, dass die Entwürfe noch sehr allgemein ­seien und zum Beispiel nicht präzisierten, ob sich die restitution in kind auch auf Objekte aus privatem Eigentum bezögen, also für verlorene Objekte aus Privateigentum Ersatz aus deutschen

76 Kurtz 2006, S. 112. 77 Vgl. z. B. Commissariat Général aux Affaires Allemandes, Télégramme au Contrôle Berlin, au sujet de la restitution à l’équivalent, 26 janvier 1946, AMAE 209SUP /389 P25, und Koeltz, Général Louis, Télégramme au Général commandant en chef Français en Allemagne, au sujet de la restitution à l’équivalent, 26 janvier 1946, AMAE 209SUP /389 P25. Zum CGAAA vgl. Zauner 1994, S. 61 – 62. 78 Leusse, Pierre de, Demande d’avis sur un mémorandum venu de Berlin, le 22 janvier 1946, 29 janvier 1946, AMAE 209SUP/389 P25. Die Bitte bezog sich auf das Telegramm von General Koeltz vom 26. Januar 1946, das die Einzelheiten des französischen Vorschlags zur restitution in kind erläuterte.

Verhandlungen über die alliierte Restitutionspolitik  I  95

Sammlungen eingefordert werden könne. Diese Präzisierung sei für Frankreich insofern essentiell, als dort vor allem Güter aus privatem Besitz geraubt worden ­seien. Aus ­diesem Problem ergebe sich zweitens die Notwendigkeit zu präzisieren, an wen im Falle einer Entschädigung für verlorenes Privateigentum das Ersatzobjekt übergeben werde. Das französische Erziehungsministerium vertrat hierbei den Grundsatz, dass geschädigte Privateigentümer keine Objekte aus Deutschland, sondern finanzielle Entschädigungen aus den deutschen Reparationen erhalten sollten; die Kulturgüter, die durch restitution in kind an Frankreich abgegeben würden, sollten dem französischen Staat zugutekommen.79 Hinter dieser spezifischen Forderung steckten zwei Überlegungen. Zum einen vertrat man in Frankreich den Grundsatz, dass alle, die durch die NS -Besatzung enteignet worden waren, auf die g­ leiche Weise entschädigt werden sollten; eine Entschädigung von Privatpersonen durch Kulturgüter aber würde zur Entstehung einer privilegierten Sondergruppe von Anspruchsberechtigten führen. Zum anderen wurden die beschlagnahmten und geraubten Kulturgüter ungeachtet ihrer Herkunft aus Privateigentum als Teil des französischen patrimoine artistique betrachtet: der Raub dieser Güter stellte daher nicht nur einen Verlust für die privaten Eigentümer dar, sondern auch eine Verringerung des französischen Kulturerbes als Ganzes. Der Erhalt deutscher Kulturgüter als restitution in kind sollte folglich diese Verluste für das patrimoine ausgleichen.80 Dass Jaujard, der ehemalige Direktor der Musées de France und ministerieller Zuständiger für die französischen Kulturinstitutionen, bei den Verhandlungen um die Prinzipien der restitution in kind im Februar 1946 gerade diese Punkte hervorhob, verwundert wenig, waren es doch letztlich die öffentlichen Kulturinstitutionen, die am meisten profitieren würden. Seine Überlegungen berücksichtigten daher weniger die Fragen, die den Kontrollrat beschäftigten, nämlich w ­ elche Objekte grundsätzlich in Frage kommen und nach welcher Vorgehensweise diese ausgewählt und an Antragsteller übergeben werden sollten. Vielmehr setzten Jaujards Betrachtungen erst an dem Punkt an, an dem die Umsetzung der restitution in kind in die Praxis für die Interessen der französischen Kulturinstitutionen relevant wurde. Die eigentliche Wahrung derselben gegenüber den übrigen Alliierten wurde somit weitgehend der Division Réparations-­­Restitutions des GFCC überlassen. Diese Aufteilung der Prioritäten z­ wischen GFCC und den Pariser Kulturinstitutionen setzte sich auch im Sommer 1946 und Frühjahr 1947 fort. Georges Glasser schickte zwar weiterhin Zusammenfassungen und Kommentare zur Entwicklung der Verhandlungen 79 Jaujard, Jacques, Lettre à Henraux au sujet d’un mémorandum proposé par la délégation française au Directoire Réparations-­­Restitutions, 2 février 1946, AMAE 209SUP/389 P25. 80 Vgl. dazu Jaujards Erläuterungen: „Vous vous souvenez que nous avions posé en principe que le proprietaire devrait être indemnisé au titre des dommages de guerre, afin de ne pas créer une catégorie privilégiée de sinistrés, et que ce serait l’Etat qui, ne pouvant admettre une diminution de valeur du patrimoine artistique national considéré dans son ensemble, revendiquerait ensuite le ou les objets équivalents.“ Ebd.

96 I Die Besatzungszeit 1945 – 1949

in den einzelnen DRDR- und CORC-Sitzungen an das CGAAA, die zum Teil in Kopie an das Erziehungsministerium weitergeleitet wurden.81 Direkt an die CRA wandte sich Glasser allerdings erst dann wieder, als das CORC im Sommer 1946 beschloss, anhand von Objektlisten das konkrete Ausmaß der Forderungen nach restitution in kind zu prüfen. Er forderte von der CRA Listen ein, anhand derer die Höhe der französischen Forderungen bemessen werden könnte, warnte aber zugleich, dass diese Frage noch nicht bedeute, dass auch mit der Umsetzung begonnen werde.82 Die Erstellung dieser Listen in Paris, die auch im Januar 1947 noch einmal gefordert wurde 83, überschnitt sich letztlich mit der Nachricht aus Berlin, dass im Februar die Einigung über den eingeschränkten Vorschlag zur restitution in kind erzielt worden war. Letzteres wurde in den Pariser Stellen nicht nur positiv aufgenommen. Im April 1947 bat das Erziehungsministerium um ein Treffen mit dem Zonenkommandanten General Koenig und kritisierte, dass die Direction Générale des Arts et Lettres und die CRA als praktisch betroffene und kompetente Gremien nicht ausreichend in die Verhandlungen einbezogen worden ­seien.84 Ein Treffen insbesondere mit Georges Glasser und ein Austausch über die von der CRA ausgearbeiteten Studien ­seien daher dringend notwendig, bevor man in Berlin finale Entscheidungen träfe. Offenkundig war das Erziehungsministerium der Ansicht, dass die Einigung vom 27. Februar noch nicht definitiv sei und die französische Delegation noch einmal über Modifizierungen des Entwurfs verhandeln solle. Bereits bevor aus Berlin die Nachricht über die Einigung eintraf, hatten die CRA und die Direction Générale des Arts et Lettres damit begonnen, Listen mit konkreten Forderungen der französischen Nationalmuseen vorzubereiten.85 Bei näherer Betrachtung der von verschiedenen Abteilungen des Louvre (Gemälde, Skulpturen, Kunsthandwerk), dem Musée de Versailles, aber auch einigen Bibliotheken und Archiven erstellten Übersichten zeigt sich, dass sie keinerlei Bezug auf die konkreten verschollenen oder zerstörten Objekte nahmen, die ersetzt werden sollten. Stattdessen führten sie auf jeweils ein bis zwei Seiten konkrete Objekte aus deutschen Museen mit Angaben der jeweiligen Provenienz und zum Wert auf – 81 Vgl. z. B. Glasser, Georges, Lettre à la Direction des Accords techniques, sur la restitution à l’équivalent des biens à caractère unique, 17 mai 1946, AMAE 209SUP /389 P25, und Commissariat Général aux Affaires Allemandes et Autrichiennes, Télégramme suite à la 63e réunion du CORC du 8 juillet, 10 juillet 1946, AMAE 209SUP/389 P25. 82 Glasser, Georges, Télégramme sur l’accord du directoire Réparations Restitutions sur dispositions prévues par le mémorandum DRDR /P (46) 84 annexé à CORC /M (46) 4, 11 septembre 1946, AMAE 209SUP/389 P25. 83 Borde, R. J. M., Discussions quadripartites sur la question du remplacement à l’équivalent d’objets de caractère unique, 27 janvier 1947, AMAE 209SUP/389 P25. 84 Rebattet, G. L., Demande d’une entrevue entre le Ministre de la Jeunesse, des Arts et des Lettres, Jacques Jaujard et le Général Koenig, 21 janvier 1947, AMAE 209SUP/389 P25. 85 Henraux, Albert S., Prise de contact avec Jacques Jaujard au sujet de la liste demandée par Borde pour le remplacements à l’équivalent, 1er mars 1947, AMAE 209SUP/389 P25.

Verhandlungen über die alliierte Restitutionspolitik  I  97

es handelte sich also um reine Rückforderungslisten.86 Dieser Befund scheint auf den ersten Blick im Widerspruch mit der Regelung zu stehen, wonach die restitution in kind auf „item per item“-Basis erfolgen und darauf geachtet werden sollte, dass das zu ersetzende Objekt gleichartig und gleichwertig mit dem verlorenen sein musste. Jedoch hatte Jaujard bereits zuvor darauf hingewiesen, dass Frankreich nicht die Absicht hatte, Objekte an Privateigentümer zurückzugeben. Tatsächlich wurde in der Direction Générale des Arts et Lettres parallel zur Erstellung der Rückforderungslisten durch die Kulturinstitutionen ein Gesetzesentwurf diskutiert, der die finanzielle Entschädigung dieser Privateigentümer regeln sollte.87 Die Rückforderungslisten ohne Bezugnahme auf verlorenes Eigentum aus Privatbesitz verdeutlichen daher noch einmal die Prioritäten der französischen Beaux-­­Arts-­­Administration, die die restitution in kind primär als Möglichkeit sah, das nationale patrimoine Frankreichs zu stärken. Wenngleich Henraux die Rückforderungslisten durchaus als Basis für spätere formelle französische Forderungen betrachtete, waren für die mögliche Formulierung begründeter Ansprüche de facto die Verlustlisten ausschlaggebend, die vom Bureau Central des Restitutions zusammengetragen wurden.88 Basierend auf den bei den französischen Behörden eingegangenen Claims für die Rückerstattung geraubten Eigentums publizierte das Bureau Central des Restitutions im Jahre 1947 das Répertoire des biens spoliés, ein insgesamt zehn Bände umfassendes Repertorium aller beweglichen Dinge – von Industriematerial über Kulturgüter bis hin zu Pferden –, die während der deutschen Besatzung in Frankreich systematisch geraubt oder beschlagnahmt worden waren.89 Die Publikation des Repertoriums diente der Dokumentation aller bis zu ­diesem Zeitpunkt unauffindbar gebliebenen Gegenstände und sollte zugleich die Fahndung nach den Gegenständen erleichtern. Nicht zuletzt bildete die Publikation der zur Fahndung ausgeschriebenen Dinge den ersten Schritt für mögliche Anträge auf restitution in kind.90

86 Vgl. z. B. Œuvres d’équivalence demandés par le Département des Objets d’art, (sans date) AMAE 209SUP/494 P182, Œuvres d’équivalence souhaitées par le Département des Peintures du Musée du Louvre (sans date), AMAE 209SUP/494 P182, Œuvres d’équivalence demandées par le Département des Sculptures (sans date), AMAE 209SUP/494 P182, und Œuvres d’équivalence demandées par le Musée de Versailles et existant dans les collections publiques allemandes (sans date), AMAE 209SUP/494 P182. 87 Procès-­­verbal d’une réunion à la Direction générale des Arts et Lettres au sujet des modalités de „remplacement des objets de caractère unique par des biens similaires ou comparables“ 17. 03. 1947, AMAE 209SUP/494 P182. 88 Henraux, Albert S., Prise de contact avec Jacques Jaujard au sujet de la liste demandée par Borde pour le remplacements à l’équivalent, 1er mars 1947, AMAE 209SUP/389 P25. 89 Band 2 des Répertoire umfasste Gemälde, Skulpturen und Tapisserien, Band 3 Möbel, Band 4 Silber, Keramik und Kunsthandwerk, Band 7 Archive, Manuskripte und Bücher, Band 8 Schmuck und Edelsteine; Kulturgüter machten insofern einen großen Anteil dessen aus, was unter den Verlusten verzeichnet wurde. Lorentz 1998, S. 119. 90 Henraux, Albert S., Liste des œuvres d’art considérées comme de qualité artistique importante et non retrouvées, 19 juin 1947, AMAE 209SUP/389 P25.

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All diesen Vorbereitungen zum Trotz dürfte es in der Praxis letztlich kaum zur restitution in kind von Kulturgütern an Frankreich gekommen sein. Grundsätzlich hielten Henraux und Jaujard auch noch 1948 an den französischen Forderungen fest, wie die Zusammenstellung einer weiteren Liste zeigt, die Henraux im Dezember 1948 an Jacques Jaujard und Rose Valland weiterleitete. Die Liste umfasste zurückgeforderte, aber bislang noch nicht wiedergefundene Güter aus französischen Privatsammlungen, deren „caractère exceptionnel et unique“ 91 von Museumskuratoren zertifiziert worden war. In Ergänzung zu dieser Verlustliste sollte Rose Valland in Deutschland eine weitere mit möglichen Ersatzobjekten erstellen, die aus den Sammlungen von Hitler und Göring stammten und andernfalls in die Treuhänderschaft der deutschen Länder übergeben würden.92 Der Historikerin Sophie Cœuré zufolge soll Frankreich infolgedessen tatsächlich Kulturgüter aus den S­ ammlungen Hitlers und Göring erhalten haben. Darüber hinaus jedoch kam es letztlich nicht zur Stellung von Anträgen auf restitution in kind für Kulturgüter. Dies lag zum einen an der anhaltenden amerikanischen Opposition und dem politischen Schaden, den eine derartige Vorgehensweise für den europäischen Wiederaufbau gehabt hätte, zum anderen aber auch an den praktischen Schwierigkeiten, die sich aus der Bestimmung von gleichwertigen Ersatzobjekten ergaben.93 Verortet man die Debatten um die restitution in kind abschließend in größere Zusammenhänge der alliierten Besatzungspolitik, so fällt dabei insgesamt vor allem die isolierte Position auf, die Frankreich gegenüber den USA und Großbritannien, aber auch gegenüber der Sowjetunion einnahm. Darüber hinaus lassen sie sich als Fallstudie für die Fragen betrachten, was Frankreich am Ausgang des Zweiten Weltkriegs als patrimoine français verstand und wie in seinen Restitutionsdiskursen politische und kulturelle Interessen miteinander verknüpft wurden. Sowohl der Begriff des „objet d’art ou culturel“ als auch die Definition von patrimoine waren ausgesprochen breit angelegt; Letztere umfasste nicht nur Denkmäler und Bestände aus Museen, Bibliotheken, Archiven und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen, sondern auch Privatsammlungen. Dass in den französischen Rückforderungen nicht nach öffentlichem und privatem Eigentum differenziert wurde, sondern beides pauschal unter patrimoine artistique français subsumiert wurde, zeigt sich im Übrigen nicht nur in den Restitutionsverhandlungen, sondern auch an der Präsentation und Inszenierung zurückgeführter Objekte z. B. 1946 in der Orangerie.

91 Henraux, Albert S., Liste des œuvres d’art de qualité exceptionnelle et à caractère unique prises par les Allemands pendant l’occupation et non retrouvées, dont il est demandé remplacement à équivalence, 20 décembre 1948, AMAE 209SUP/389 P25. Die Verlustliste umfasste neben antiken Vasen auch Skulpturen und Gemälde überwiegend aus den Rothschild-­­Sammlungen sowie einen Cézanne aus der Sammlung Bernheim-­­Jeune. Sie präzisierte jeweils sowohl die Provenienz des Objekts als auch die Beschlagnahmeumstände. 92 Ebd. 93 Cœuré 2013, S. 94 – 95.

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Ordnet man diesen Diskurs darüber hinaus diachronisch ein, so stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Kulturgütern und Krieg, Raub und Rückforderungen in früheren Konflikten und dem der Debatten des Zweiten Weltkriegs zu früheren Präzedenzfällen. Die Forderung der restitution in kind erinnert vor allem an Rückforderungen im Kontext des ­Ersten Weltkriegs. Damals war sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite mehrfach die Möglichkeit diskutiert worden, Kunstgegenstände als eine Form der Kriegsentschädigung und Reparation einzufordern. Zum Teil sollten damit tatsächlich Kulturgutverluste kompensiert werden. Da vorwiegend Kunstwerke von französischen Künstlern aus deutschen Institutionen zurückgefordert wurden, zeugten die Debatten gleichzeitig von einer Vermischung kunsthistorischer, nationalistischer und völkerrechtlicher Diskurse.94 Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten die Auseinandersetzungen um die restitution in kind die Tendenz fort, auf juristischen Wegen nach Lösungen für Kulturgüterverluste zu suchen; insofern lassen sich durchaus Kontinuitätslinien ­zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg erkennen. Ob die Rückforderungsdiskurse in beiden Fällen auch hinsichtlich der jeweils zurückgeforderten Objekte direkte Kontinuitäten aufwiesen, konnte für die vorliegende Studie nicht systematisch geprüft werden. Es wäre jedoch sicher lohnenswert, die Listen, die die Museen nach 1945 für die restitution in kind erstellten, mit den Rückforderungen der französischen Intellektuellen um 1919 zu vergleichen und daraufhin zu befragen, ob daraus ein spezifischer Kanon von Kunstwerken ersichtlich wird, die als spezifisch „französisch“ wahrgenommen und deshalb zurückgefordert wurden.

2.3 Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München Als die Rückgabe von geraubten Kulturgütern an ihre Herkunftsländer vom Coordination Committee des Alliierten Kontrollrats am 12. Dezember 1945 – mit Ausnahme der restitution in kind – vorläufig geregelt wurde, kam dies einer a posteriori Festschreibung der in der Praxis bereits bestehenden Verhältnisse am CCP München gleich. Dieser war im Juni 1945 im ehemaligen Führerbau und dem NSDAP-Verwaltungsbau am Königsplatz begründet worden. Den ganzen Sommer über hatte die MFA&A die Bestände des „Sonderauftrags Linz“ aus Altaussee, besonders wertvolle Objekte aus den ERR-Depots in Füssen sowie Teile der Göring-­­Sammlung aus Unterstein bei Berchtesgaden dorthin überführt. Gleichzeitig diente der CCP als Zwischenlager für einige Museumsbestände der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Die Verwaltung der Bestände basierte auf einem vom Gründungsdirektor Craig Hugh Smyth entwickelten Inventarsystem. Jedes einzelne Objekt, das von einem Auslagerungsdepot aus im CCP eintraf, wurde mit einer Inventarnummer – der sogenannten München-­­Nummer (Mü-­­Nummer) – versehen und mit Hilfe einer Karteikarte, der Arrival Card, erfasst, auf der das Eingangsdatum, eine 94 Kott 2013, S. 1359.

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kurze ­Objektbeschreibung, der Zustand des Objekts, ggf. frühere Inventarnummern (etwa des ERR) und der Verwahrungsort innerhalb des CCP notiert wurden. In einer zweiten Erfassungsstufe wurde jedem Objekt eine Property Card zugewiesen, auf der ausführlich Künstler, Titel, Objektgattung, Maße, frühere Inventarnummern und nach Möglichkeit auch die Provenienz des Objekts notiert wurden. Wenn ein Objekt den CCP München wieder verließ, wurden außerdem auf den Property Cards das Ausgangsdatum sowie der Zielort, an den das Objekt geschickt wurde, verzeichnet.95 Im September 1945 legte die Proklamation Nr. 2 des Alliierten Kontrollrats fest, dass die Restitution von sogenanntem external loot, also Kulturgut aus den ehemals besetzten Gebieten außerhalb des Deutschen Reichs, nach dem Länderprinzip zu erfolgen hatte. Dies bedeutete, dass nicht die individuellen geschädigten Eigentümer als Privatpersonen Ansprüche über die Rückgabe von Objekten formulieren durften, sondern dass bei den Regierungen der Herkunftsländer eigene Restitutionskommissionen geschaffen wurden, die im Namen enteigneter Privatpersonen Claims vorbereiteten. Auch die Rückgabe der Objekte erfolgte an die Regierungen der Herkunftsländer; die Restitution an die individuellen Eigentümer wurde erst in einem zweiten Schritt durch die jeweilige Restitutionskommission abgewickelt.96 Um basierend auf den Claims in München nach Objekten zu suchen und ihren Rücktransport zu organisieren, sollten die Regierungen Repräsentanten an den CCP entsenden. Wie sich die alliierten Repräsentanten in die Organisationsstruktur des CCP München eingliedern sollten, legten Craig Hugh Smyth und der stellvertretende Chief der MFA &A Charles Kuhn im September 1945 fest. Jedes ehemals besetzte Land sollte durch einen Repräsentanten vertreten werden, der bei den Recherchen nach den in den Claims benannten Objekten durch einen deutschen CCP -Mitarbeiter – in der Regel Kunsthisto­ riker und Museumskuratoren – unterstützt wurde. Die identifizierten Objekte wurden in einen eigens für das Herkunftsland reservierten Lagerraum überführt, die Repräsentanten hatten daraufhin ein Inventar der Objekte zu erstellen und in Rücksprache mit dem CCP sowie der betreffenden Regierung den Rücktransport zu planen und durchzuführen. Bevor ein Restitutionskonvoi aus München in das jeweilige Herkunftsland starten konnte, musste der zuständige Repräsentant einen sogenannten Custody Receipt unterzeichnen, d. h. eine Quittung mit einer Auflistung aller im Konvoi verpackten Objekte. Durch die Unterzeichnung ­dieses Belegs wurden die Amerikaner offiziell von ihrer Verantwortung für die Kulturgüter aus dem Konvoi entlastet, die gleichzeitig voll 95 Smyth 1988, S. 43, und Lauterbach 2015, S. 83. Die Property Cards sind inzwischen im Rahmen eines Projekts am Deutschen Historischen Museums in Berlin digitalisiert worden und in einer zentralen Online-­­Datenbank erfasst. Vgl. Deutsches Historisches Museum (Hrsg), Datenbank zum Central Collecting Point München [Online-­­Datenbank], URL: http://www.dhm.de/datenbank/ ccp/dhm_ccp.php?seite=9 (abgerufen am 23. 04. 2015). 96 Lauterbach 2015, S. 24 und S. 93.

Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München  I  101

auf den Repräsentanten überging.97 Diese Grundprinzipien bildeten letztlich die Basis für die vorläufige Regelung der äußeren Restitution von Kulturgütern durch den Alliierten Kontrollrat am 12. Dezember 1945.98 Zwischen 1945 und 1951 war Frankreich durchgehend durch mindestens einen Repräsentanten am CCP München vertreten. Auch für den CCP Wiesbaden wurde zeitweise der Aufbau einer permanenten französischen Stellvertretung diskutiert. Da der Umfang der dort aufgefundenen französischen Kulturgüter jedoch überschaubar blieb, beschränkte sich die französische Präsenz in Wiesbaden auf temporäre Abordnungen. Das Gleiche galt für das Offenbach Archival Depot (OAD), das auf geraubte Bücher, Manuskripte, Archive und Judaika spezialisiert war: Zwar besuchten z­ wischen 1946 und 1948 mehrfach Delegierte der französischen Sous-­­Commission des Livres, einer auf die Restitution von geraubten Büchern spezialisierte Unterabteilung der Commission de Récupération Artistique, das OAD für eine temporäre Mission. Eine fest institutionalisierte französische Präsenz etablierte sich jedoch nicht.99 Der CCP München war daher der Ort alliierter Restitutionspraxis, an dem sich amerikanische Restitutionsgrundsätze und französische Rückführungsinteressen am direktesten begegneten. Wie die Arbeitsschwerpunkte der französischen Restitutionsmission am CCP aussahen und ­welche Rahmenbedingungen die Strukturen des amerikanischen Restitutionsprogramms ihr für diese Tätigkeit vorgaben, wird im Folgenden analysiert.

2.3.1 Französische Repräsentanten in München 1945 – 1946 In den Jahren 1945 – 1946 bestand die französische Delegation am Central Collecting Point in München aus zwei Personen. Am 27. September traf Hubert de Brye in München ein. Am 19. Oktober 1945 folgte der Museumskurator Pierre-­­Louis Duchartre, der zuvor bereits als Verbindungsoffizier für die Liaison z­ wischen der CRA und SHAEF zuständig gewesen war.100 Administrativ unterstanden die französischen Repräsentanten einer doppelten Anbindung an die französischen wie auch die amerikanischen Besatzungsbehörden. Sowohl de Brye als auch Duchartre waren Abgesandte der französischen Kontrollratsgruppe in Berlin. De Brye unterstand dabei der Division Réparations-­­Restitutions und war 97 Smyth, Craig Hugh, Daily Diaries and Notes, June 1945–April 1946, NGA, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, Box 3.16, Notizen vom 3. – 5. September 1945. Vgl. auch Smyth 1988, S. 57 – 58. 98 Autorité alliée Contrôle, Directoire Réparations et Restitutions, Livraison provisoire de biens culturels au titre des restitutions, 12 décembre 1945, AMAE AC 469/2. 99 Poulain 2008, S. 475 – 476. 100 Smyth, Craig Hugh, Monthly report on Monuments, Fine Arts and Archives for period ending 30 September 1945, December 8, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 1.11, und Smyth, Craig Hugh, Monthly Report on Monuments, Fine Arts & Archives for period ending 31 October 1945, November 23, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 1.12.

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daher Georges Glasser Rechenschaft schuldig.101 Duchartre hingegen wurde der Section Beaux-­­Arts des GFCC zugeordnet und war zugleich als offizieller Delegierter der CRA akkreditiert.102 Aus dieser Zuordnung ergab sich, dass formell Duchartre für die Unterzeichnung der amerikanischen Custody Receipts für die Restitutionskonvois nach Frankreich verantwortlich war.103 Gleichzeitig unterstanden alle alliierten Repräsentanten in München dem Leiter des MFA &A-Büros für das Land Bayern, Edwin C. Rae, während innerhalb des Collecting Point Smyths Stellvertreter J. Hamilton Coulter als Ansprechpartner für alle Repräsentanten fungierte.104 Zur Unterstützung ihrer Recherchen war den französischen Delegierten außerdem der deutsche Museumskurator Ordenberg Bock von Wülfingen zugeteilt.105 Im Herbst 1945 hatte für die französischen Repräsentanten zunächst die Evakuierung der ERR-Depots in Neuschwanstein und Buxheim die höchste Priorität. Da Ersteres zu einem sehr großen Teil französische Güter enthielt, war beschlossen worden, dass die Evakuierung nicht mit Umweg durch den CCP München erfolgen, sondern die Objekte direkt von Füssen nach Paris expediert werden sollten. Im Oktober 1945 wurde de Brye nach Füssen geschickt, um dem MFA&A-Offizier Edward E. Adams zu assistieren, der die Leitung der Evakuierungsmission übernommen hatte.106 Hubert de Bryes im wöchentlichen Rhythmus an seinen französischen Vorgesetzten Georges Glasser geschickte Berichte zeugen von dem hohen logistischen Aufwand, den diese Aufgabe mit sich brachte: Noch vor Beginn der Räumung von Neuschwanstein musste kalkuliert werden, wie viele Lastwagen und Zugwaggons voraussichtlich für den Abtransport benötigt würden; außerdem musste Transportund Sicherheitspersonal organisiert werden. Die geografische Lage und die Architektur des Schlosses erschwerten Transporte; hinderlich wirkte außerdem, dass nicht alle Kulturgüter in Kisten verpackt und einige der unverpackten Objekte noch nicht klar zugeordnet waren. De Brye sprach sich daher gegenüber Edwin C. Rae mehrfach dafür aus, dass Rose Valland 101 Glasser, Georges, Note pour Mason Hammond au sujet de l’officier de liaison Hubert de Brye, 25 août 1945, NARA, RG 260 A1 Entry 516, M1946, Roll 64. 102 Duchartre, Pierre-­­Louis, Lettre au Commissaire général aux Affaires allemandes et autrichiennes, sur le règlement d’arrièré de solde et son affectation à un organisme payeur en Allemagne, 5 février 1946, AN 20150497/210. 103 Da sich jedoch bereits im Oktober abzeichnete, dass de Brye in Neuschwanstein und Duchartre in München arbeiten würde, übertrug Duchartre seine Befugnis, Restitutionskonvois per Receipt abzuzeichnen, auch auf de Brye. Duchartre, Pierre-­­Louis, Premier rapport à M. Henraux au sujet de l’arrivée de Duchartre en zone américaine, 19 octobre 1945, AMAE 209SUP/467 P145. 104 Rae stellte ihnen z. B. Reisebefehle aus, wenn sie Konvois nach Frankreich begleiteten, und erhielt im Gegenzug mitunter auch Zwischenberichte der Repräsentanten über ihre Tätigkeiten. Vgl. z. B. Rae, Edwin C., Request for order concerning Pierre-­­Louis Duchartre and Marcelle Minet, December 17, 1945, NARA. RG 260, A 1, Entry 514, M1946, Roll 8. 105 Smyth 1988, S. 58. 106 Vgl. dazu auch Adams 1946.

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nach Füssen kommen möge, um diese Identifizierungen vorzunehmen, was Rae aber nicht für erforderlich hielt.107 Der Abtransport der Bestände nach Paris erfolgte mit Unterstützung der Direction Réparations-­­Restitutions in Baden-­­Baden, die für die Konvois Lastwagen und französisches Sicherheitspersonal nach Füssen abordnete.108 Der erste Konvoi aus Füssen startete am 15. Oktober 1945 nach Paris, der letzte am 1. Dezember 1945. Insgesamt umfassten die Konvois, de Bryes Abschlussbericht zufolge, rund 1.220 Inventarnummern.109 Direkt im Anschluss an die Evakuierung von Neuschwanstein erfolgte die Auflösung des ERR-Depots im Kloster Buxheim bei Memmingen. Es hatte dem Einsatzstab zugleich als Restaurierungswerkstatt gedient, weshalb sich dort viele Objekte befanden, die entsprechende Maßnahmen benötigten und recht empfindlich waren. Um diesen Objekten einen Umweg über München zu ersparen, wurde auch von Buxheim aus ein Konvoi direkt nach Paris geschickt, der 886 Inventarnummern umfasste.110 Sobald die Konvois bei der CRA in Paris eingetroffen waren, wurden die versandten Objekte mit Hilfe der mitgeschickten Inventarverzeichnisse in einer Kartei erfasst. Daneben führte die CRA eine zweite Kartei all jener Objekte, für die Privatpersonen mittels Rückerstattungsanträgen beim OBIP Ansprüche geltend gemacht hatten. Diese weitere Kartei diente der CRA erstens als Basis sowohl für die Formulierung von Claims und die Recherche von Objekten in München als auch der Vorbereitung des Répertoire des biens spoliés. Zweitens wurde die Kartei der Rückerstattungsanträge für die Identifizierung der Eigentümer der aus Deutschland zurückgekehrten Objekte herangezogen, indem sie mit der der eingetroffenen Kulturgüter abgeglichen wurde. Sobald ein Objekt zweifelsfrei seinem Eigentümer zugeordnet werden konnte, wurde der entsprechende Rückerstattungsantrag an das OBIP übermittelt, das die formale Restitution an den Eigentümer abwickelte.111 107 Brye, Hubert de, Note à M. Glasser, 3 octobre 1945, AMAE 209SUP/467 P144, und Brye, Hubert de, Rapport à M. Henraux sur le début de l’évacuation de Füssen, 8 octobre 1945, AMAE 209SUP/113 A44. 108 Duchartre, Commandant Pierre Louis, Rapport sur le retour à la France d’œuvres d’art volées par les Nazis. Evacuation du dépôt de Neuschwanstein (près Füssen) Zone de la IIIe Armée USA, 31 octobre 1945, AMAE 209SUP/356 D56. 109 Vgl. Brye, Hubert de, Compte-­­rendu sur le premier convoi d’œuvres d’art acheminé depuis ­Füssen à Paris, 29 octobre 1945, AMAE 209SUP /113 A44, und exemplarisch Brye, Hubert de; Adams, Edward, E., Receipt and Agreement for Delivery of cultural objects: Neuschwanstein repository, 17 octobre 1945, NARA RG 260, A 1, Entry 515, M1946, Roll 20. Allein für Neuschwanstein wurden im Zeitraum vom 17. Oktober bis zum 1. Dezember vierzehn Quittungen ausgestellt und unterzeichnet. Den 1.220 Inventarnummern dürfte insgesamt eine höhere Gesamtzahl an zurückgeführten Einzelobjekten entsprechen, da unter einer Inventarnummer mitunter auch mehrere Objekte oder sogar ganze Kisten verzeichnet wurden. 110 Brye, Hubert de, Etat des expéditions d’œuvres d’art expédiées sur la France à la date du 1er novembre au départ de Munich, 2 novembre 1946, AMAE 209SUP/113 A44. 111 Mission d’Étude sur la Spoliation des Juifs de France 2000, S. 132.

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Während de Brye im Herbst 1945 mit der Auflösung der Depots in Neuschwanstein und Buxheim beschäftigt war, verlagerte sich das Hauptaugenmerk von Pierre-­­Louis Duchartre in München rasch auf die Objekte, die bereits im Sommer 1945 aus Altaussee in den CCP verbracht worden waren. Ein erster Konvoi mit Objekten französischer Herkunft verließ München am 9. Januar 1946 und umfasste laut Quittung 252 Objekte.112 Daneben arbeitete Duchartre mit der ALIU und den MFA &A Intelligence Officers Walter Horn und Ray Hugoboom zusammen. Seit Dezember 1945 wurde er in seinen Recherchen durch Marcelle Minet unterstützt, die Verwalterin der Kunstsammlungen von David David-­­Weill, deren Arbeit sich unter anderem auf die Identifizierung der Stücke aus dieser Sammlung fokussierte, die aus Sicherheitsgründen bereits im Sommer 1945 aus Neuschwanstein nach München transferiert worden waren.113 Noch vor dem Abschluss der Evakuierungen aus Buxheim kehrte Hubert de Brye nach München zurück, wo er fortan gemeinsam mit Duchartre Restitutionskonvois vorbereitete, die die Stadt bis September 1946 regelmäßig zwei- bis dreimal im Monat verließen. Im Mai 1946 besuchte er außerdem für einige Tage den CCP Wiesbaden, um dort gemeinsam mit Rose Valland und der zu d ­ iesem Zeitpunkt als Interimsdirektorin des CCP fungierenden Edith Standen einen Konvoi mit französischem Raubgut zusammenzustellen. Dieser umfasste final etwa 200 Gemälde, rund 100 Zeichnungen, Pastelle und Aquarelle sowie mehrere Kupferstich-­­Konvolute und wurde mit Lastwagen in die französische Besatzungszone überführt, wo die Bestände vorläufig im CCP Baden-­­Baden deponiert wurden.114 In München zeigte sich frühzeitig, dass die Identifizierung und Rückführung der von NS -Organisationen wie dem ERR beschlagnahmten Objekte vergleichsweise rasch abgeschlossen werden konnte, die Recherche zu Erwerbungen von Kunsthändlern, Museumsleuten und Privatpersonen auf dem Pariser Kunstmarkt hingegen einen höheren Arbeitsaufwand erfordern würde, für den die Franzosen auf die Forschungsergebnisse der ALIU , Befragungen der beteiligten Kunsthändler sowie auf die Ermittlungen der amerikanischen Intelligence Officers angewiesen waren.115 De Brye widmete sich daher fortan der gezielten Auswertung der ALIU -Akten und erhoffte sich auch aus den Dresdner Dokumenten zum „Sonderauftrag Linz“, von denen der MFA &A Intelligence Officer Walter Horn im Rahmen einer Mission in die sowjetische Zone eine Mikrofilm-­­Kopie für den CCP München erstellen durfte, neue Erkenntnisse.116

112 Duchartre, Pierre-­­Louis; Rae, Edwin C., Receipt and Agreement for Delivery of cultural objects: Shipment N° 3, 9 janvier 1946, NARA RG 260, A 1, Entry 515, M1946, Roll 20. 113 USFET, Transmission of a telegram by Albert Henraux concerning the restitution shipments from Neuschwanstein to France, November 1945, NARA, RG 260, A1 Entry 516, M1946, Roll 65. 114 Vgl. Wiesbaden CCP Outshipment Nr. 3, BArch B 323/242. 115 Brye, Hubert de, Note pour Albert Henraux, 25 juin 1946, AMAE 209SUP/467 P144. 116 Brye, Hubert de, Premier rapport, 7 janvier 1946, AMAE 209SUP/113 A44. Zum sog. Linz-­­Film vgl. Löhr 2005, S. 78.

Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München  I  105

Als im Frühjahr 1946 bekannt wurde, dass die ALIU ihre Tätigkeit bald beenden würde, rief das französische Erziehungsministerium das Comité d’Études et Recherches des Œuvres d’Art pillés ins Leben, um die von der ALIU geleistete Ermittlungsarbeit fortzuführen. Die Aufgabe des Comité sollte darin bestehen, die im CCP verfügbaren Akten zum NS -Kulturgutraub auszuwerten, verwertbare Informationen zum Pariser Kunsthandel, seinen Akteuren und einzelnen Transaktionen zusammenzutragen und die von den MFA &A Intelligence Officers durchgeführten Verhöre fortzusetzen.117 Da Marcelle Minet bereits im April 1946 ihre Mission am CCP München beendete und auch Pierre-­­Louis Duchartre im Mai 1946 nach Paris zurückkehrte, um dort eine Kuratorenstelle anzutreten 118, verfolgte die Entsendung des zum Leiter des Comité designierten Paul d’Alexandry nach München überdies den Zweck, Hubert de Brye bei der Zusammenstellung weiterer Restitutionskonvois zu unterstützen. Der grundsätzlichen amerikanischen Bewilligung des Projekts zum Trotz erhielten jedoch de facto weder Paul d’Alexandry noch seine beiden für die Entsendung nach München ausgewählten Mitarbeiter eine Einreiseerlaubnis für die amerikanische Besatzungszone, sodass die Mission letztlich im Sande verlief.119 In der zweiten Jahreshälfte von 1946 war es daher die vorübergehend nach München abgeordnete Rose Valland, die sich den Recherchen über die Ankäufe auf dem Kunstmarkt widmete. Ihr Fokus waren dabei die Ankäufe für die Göring-­­Sammlung und den „Sonderauftrag Linz“. Mittels der Befragung von Walter Andreas Hofer, Walter Bornheim, Karl Haberstock, Hildebrand Gurlitt, Adolf Wüster, Maria Almas-Dietrich sowie Hermann Voss und Gisela Limberger gelang es ihr, eine Reihe von Ankäufen aus Paris zu identifizieren und ihre Erwerbungsumstände sowie Ankaufspreise zu rekonstruieren.120 Auch de Bryes Aufgabenfokus verlagerte sich in dieser Zeit zunehmend weg von umfangreichen Konvois mit ERR-Beständen und hin zu kleinteiligeren Einzelermittlungen, etwa denen zur Sammlung Schloss oder der Recherche nach gestohlenen Gemälden aus dem Eigentum des französischen Politikers Félix Gouin.121 Erschwert wurden die Ermittlungen 117 Vgl. Ministère de l’Education nationale, formation d’un „Comité français d’Etudes et de Recherche des Œuvres d’Art pillées“, 2 mai 1946, AN 20144792/57 und Duchartre, Pierre-­­Louis, Poursuite de la Récupération artistique et sanctions, 8 mars 1946, NARA , RG 260, A 1, Entry 516, M1946, Roll 65. 118 Breitenbach, Edgar, Collecting Point Munich: Monthly Report May 1946, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 1.19. 119 Vgl. dazu Henraux, Albert S., Lettre à Maurice Richard sur une mission de récupération en zone américaine, 11 octobre 1948, AMAE 209SUP/381 P13. 120 Brye, Hubert de, Rapport final à l’intention du Colonel Bonet-­­Maury, 11 novembre 1946, AMAE 209SUP/113 A44. 121 Brye, Hubert de, Rapport à M. le Colonel Bonet-­­Maury au sujet de l’enquête concernant l’affaire de vol commise à Angers au préjudice de M. le Président Gouin, 28 août 1946, NARA, RG 260, A 1, Entry 516, M1946, Roll 41. Der Claim um Gemälde aus dem Eigentum von Félix Gouin stellt insofern einen Sonderfall dar, als es sich nicht um NS-verfolgungsbedingt entzogenes jüdisches

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zu Kulturgütern französischer Herkunft jedoch durch den Umstand, dass die französischen Claims, die die Ausgangsbasis für de Bryes Nachforschungen bildeten, oft nicht ausreichende Details enthielten. Selbst wenn sie Hinweise auf deutsche Plünderer beinhalteten, s­ eien diese in Deutschland schwer nachzuverfolgen, weil Teile der Bevölkerung nach dem Zusammenbruch umgezogen oder aus sonstigen Gründen unauffindbar s­ eien.122 Dass die Recherchen zu den französischen Ansprüchen sich nun stärker als zu Beginn der Rückführungen auf Ermittlungen zu Kunsthändlern oder Claim-­­basierten Nachforschungen zu individuellen Plünderungen konzentrierten, wirkte sich auch auf die Frequenz der Zusammenstellung von Restitutionskonvois nach Paris aus, die von den Ermittlungsergebnissen abhingen. Gleichzeitig erhöhte sich der Druck auf die französische Mission, da bereits im Juni 1946 erste Gerüchte zu kursieren begannen, wonach die Amerikaner das Restitutionsprogramm möglichst schnell beenden und die CCPs auflösen wollten.123 Hubert de Bryes Abordnung an den Münchner Collecting Point endete im Dezember 1946. Zahlenmäßig bilanzierte er, dass bis zum 1. November insgesamt 15 Konvois mit 12.055 Objekten nach Paris zurückgeschickt worden ­seien. In diese Zahlen, die wahrscheinlich nicht die reale Anzahl aller verschickten Einzelobjekte, sondern lediglich die erfassten Inventarnummern widerspiegelt, war allerdings der letzte von de Brye zusammengestellte Konvoi noch nicht eingerechnet, der für den 6. Dezember 1946 terminiert war.124 Zusätzlich hatte de Brye im Rahmen einer weiteren temporären Mission am Wiesbadener Collecting Point einen Konvoi mit den Erwerbungen der Frankfurter Museen vom französischen Kunstmarkt vorbereitet, der im Dezember 1946 in den französischen CCP in Baden-­­Baden übersandt wurde.125 Insgesamt funktionierte die Zusammenarbeit ­zwischen MFA &A und französischen Repräsentanten in den Jahren 1945 – 1946 weitgehend reibungslos. Sowohl de Brye als auch Duchartre wiesen in ihren Berichten immer wieder darauf hin, dass sie in München sehr herzlich empfangen worden ­seien und im CCP eine angenehme Atmosphäre herrsche. Duchartre beschrieb den CCP in seinem ersten Eindruck als „petite société des nations“,

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Eigentum handelt. Vielmehr kam es im Haus von Gouin, einem Politiker, Juristen und Résistance-­ Mitglied, infolge von Einquartierungen deutscher Soldaten zu Diebstählen. Dass dieser Fall dennoch aufmerksam verfolgt wurde und in de Bryes Berichten mehrfach erwähnt wird, dürfte auch damit zusammenhängen, dass Félix Gouin ­zwischen Januar und Juni 1946 als Präsident der französischen Provisorischen Regierung fungierte und seine politische Bedeutung der Ermittlung eine höhere Priorität verschaffte. Brye, Hubert de, Note pour M. Henraux, 1er août 1946, AMAE 209SUP /467 P144 und Brye, Hubert de, Quinzième rapport, 4 septembre 1946, AMAE 209SUP/467 P144. Brye, Hubert de, Note pour Albert Henraux, 25 juin 1946, AMAE 209SUP/467 P144. Brye, Hubert de, Etat des expéditions d’œuvres d’art expédiées sur la France à la date du 1er novembre au départ de Munich, 2 novembre 1946, AMAE 209SUP/113 A44. Brye, Hubert de, Rapport final à l’intention du Colonel Bonet-­­Maury, 11 novembre 1946, AMAE 209SUP/113 A44.

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deren internationale Mitglieder „en parfaite entente“ zusammenarbeiteten.126 Beide lobten das Engagement der amerikanischen Kollegen Edward E. Adams, Edwin C. Rae, Walter Horn und Edgar Breitenbach und sorgten dafür, dass Adams und Rae für ihre besonderen Verdienste um die Rückführung von französischem Raubgut mit Ehrungen des französischen Staats ausgezeichnet wurden.127 Vereinzelt störten jedoch auch Misstöne d ­ ieses gute Verhältnis, etwa wenn Versetzungsgesuche wie die Abordnung von Rose Valland nach Neuschwanstein im Herbst 1945 abgelehnt wurden oder die von Paul d’Alexandry geleitete Mission zur Fortsetzung der Recherchen der ALIU zu den Verstrickungen deutscher Kunsthändler trotz anfänglicher amerikanischer Zustimmung keine Einreisegenehmigungen für die amerikanische Zone erhielt. Tatsächlich sollten auch in den Folgejahren mehrfach französische Gesuche zur Entsendung von Kunstexperten in die amerikanische Zone abgelehnt werden, insbesondere wenn es sich um temporäre Missionen handelte, die nicht zwingend an den CCP München gebunden waren.128 Die Ablehnungen implizieren durchaus ein amerikanisches Bemühen darum, die französische Präsenz in der US-Zone zu beschränken. Da besonders die Mission d’Alexandrys das Ziel verfolgt hätte, Kontextwissen zum Pariser Kunstmarkt und dem NS-Kulturgutraub in Frankreich zu vertiefen und gegen Händler zu ermitteln, werfen die Ablehnungen überdies die Frage nach Informationsflüssen und Wissenszirkulation auf. Zwar war Rose Valland durchaus dazu berechtigt, in München verschiedene Befragungen von Kunsthändlern durchzuführen und die im CCP zusammengetragenen Dokumentationen zu Ankäufen auf dem Kunstmarkt zu konsultieren. Dennoch bleibt der Eindruck bestehen, dass die Amerikaner sorgfältig kontrollierten, wer Zugang zu diesen Informationen erhielt.

2.3.2 Die Tätigkeit von Elie Doubinsky 1947 – 1949 Nach dem Ende von Hubert de Bryes Mission in München wurde die französische Repräsentantenstelle an Elie Doubinsky vergeben, einen gebürtigen Russen, der in den 1920ern französischer Staatsbürger geworden war und eine internationale Karriere im Außenhandel hinter sich hatte.129 Doubinskys Tätigkeitsprofil in München entsprach weitgehend dem

126 Duchartre, Pierre-­­Louis, Premier rapport à M. Henraux au sujet de l’arrivée de Duchartre en zone américaine, 19 octobre 1945, AMAE 209SUP/467 P145. 127 Brye, Hubert de, Note pour Albert Henraux, 11 juin 1946, AMAE 209SUP/467 P144, und Brye, Hubert de, Cinquième rapport, 27 février 1946, AMAE 209SUP/113 A44. 128 Henraux, Albert S., Lettre à Maurice Richard sur une mission de récupération en zone américaine, 11 octobre 1948, AMAE 209SUP/381 P13. 129 Zu Doubinskys Karriere vgl. Doubinsky, Elie, Curriculum vitae, juillet 1949, AN 20150497/329, und Borde, R. J. M., Nomination de Elie Doubinsky pour Munich, 22 février 1947, AMAE 209SUP/373 P4.

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seiner Vorgänger: Angebunden an die Mission française de Réparations et Restitutions en Zone Américaine, war er für die Zusammenstellung von Restitutionskonvois nach Paris sowie Ermittlungen zu einzelnen Objekten oder Objektkonvoluten zuständig. Stärker noch als de Brye und Duchartre konzentrierte er sich auf die „spoliations individuelles“, zu denen er auf der Basis französischer Verlustdeklarationen und Claims sowie deutschen Aussagen ermitteln musste. Nicht selten betrafen diese Claims auch die Rückführung von Mobiliar; in einem Fall ermittelte er sogar wegen eines durch einen Deutschen im Elsass beschlagnahmten Autos.130 Für zeitweilige Kontroversen sorgte in seinem ersten Jahr in München vor allem der Restitution Claim um das Gemälde ­„Portrait d’Alphonse d’Este“, das Tizian zugeschrieben wurde. Das Gemälde war im Oktober 1945 unter der Mü-­­Nummer 8836 im CCP München eingegangen und stammte aus dem Auslagerungsdepot des „Sonderauftrags Linz“ in Altaussee (Abb. 5 f.und 10).131 1947 lagen im CCP München für das Gemälde Claims aus zwei Ländern vor, der Tschechoslowakei und Frankreich. Die tschechoslowakischen Repräsentanten begründeten ihren Anspruch damit, dass das Gemälde dem Prager Sammler Joseph Kvor gehört habe. Frankreich berief sich darauf, dass das Gemälde aus einem Safe der Bank Crédit Lyonnais in Paris beschlagnahmt worden sei. Soweit die Provenienz des Gemäldes im CCP München rekonstruiert werden konnte, war das Gemälde im Anschluss an diese Beschlagnahme durch einen M. Bagenoff an die Kunsthändlerin Maria Almas-­­Dietrich veräußert worden, die es ihrerseits an den „Sonderauftrag Linz“ verkaufte.132 In einem quadripartiten Schiedsspruch wurde das Gemälde letztlich Frankreich zugesprochen, auf der Basis des Arguments, dass Kulturgüter in das Land zurückkehren sollten, aus dem sie geraubt worden waren.133 In einem Dankesbrief der CRA , den Doubinsky an den damaligen CCP -Direktor Herbert

130 Doubinsky, Elie, Rapport préliminaire à l’intention de M. Bonet-­­Maury, 17 janvier 1947, AMAE 209SUP /113 A44 und Doubinsky, Elie, Comte-­­rendu N° 11: Journée du mardi 11 mars, affaire Gnädeinger contre Hagenmüller, Landsberg am Lech, 13 mars 1947, NARA, RG 260, A1, Entry 517, M1946, Roll 134. 131 Vgl. dazu Restitutionskartei Mü-­­Nr. 8836, „Portrait of Alfonso II d’Este + his secretary“, in: DHM (Hrsg.), Datenbank zum CCP München, URL: https://www.dhm.de/datenbank/ccp/prj_dhm_ccp/ displayimg.php?laufnrid=cp028932_0&prj_short=dhm_ccp&format=gr&folder=ccp (abgrufen am 16. 02. 2019). 132 Ebd. 133 Leonard, Herbert S., Note on the French Claim for Titian’s „Alphonse d’Este“, 16 octobre 1947, NARA, RG 260, A1, Entry 517, M1946, Roll 134. Das Gemälde selbst wurde 1953 durch die Commission de Choix den MNR zugeschlagen und befindet sich heute mit der Inventarnummer MNR 959 und dem abweichenden Titel „Le cardinal Georges d’Armagnac (1500 – 1585) et Guillaume Philandrier“ in der Gemäldeabteilung des Louvre. Vgl. Eintrag „Tiziano Vecellio (d’après), Le cardinal Georges d’Armagnag et Guillaume Philandrier, in: Ministère de la Culture et de la Communication (Hrsg), Site Rose Valland – Musées Nationaux Récupération [Online-­­Datenbank], URL: http://www2.culture.gouv.fr/public/mistral/mnrbis_fr (abgerufen am 01. 10. 2018).

Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München  I  109

S. Leonard weiterleitete, betonte Albert Henraux später die Bedeutung ­dieses Gemäldes für das französische patrimoine national.134 Doubinsky wiederum regte an, dass Leonard zum Dank für seinen Einsatz zugunsten französischer Restitutionsinteressen ausgezeichnet werden solle. Wie auch schon bei den Auszeichnungen von James J. Rorimer oder Edwin C. Rae bestand die Intention ­dieses Vorschlags darin, bereits erfolgte Leistungen zu würdigen, gleichzeitig aber auch das künftige gute Verhältnis der französischen Restitu­ tionsmission zu den Amerikanern am CCP zu sichern.135 Im August 1948 zog Doubinsky eine erste Bilanz seiner Tätigkeiten, die bezüglich der Rückführung von Kulturgütern sehr positiv ausfiel. Er lobte die exzellente Organisation des CCP und das Karteikartensystem, das ein rasches Auffinden von Objekten innerhalb des CCP ermöglichte, und bezifferte die bisherigen Rückführungen auf rund 15.000 Objekte in einem Wert von mehreren Milliarden Francs. Die Ermittlungen zu Möbeln – deren Recherche insbesondere deshalb wichtig sei, weil es sich um das Eigentum der „petits gens“ handele und es in Frankreich negativ gesehen würde, wenn die Suche nach zurückgeforderten Stücken ergebnislos bliebe – gestalte sich jedoch ungleich schwieriger. Zum einen lägen nicht ausreichend Informationen über die deutschen „spoliateurs“ vor. Adressen ­seien unpräzise, Umzüge häufig, und die neuen Besitzer, oft ihrerseits „kleine Leute“, deren einzige Habe eben jene geraubten Möbel s­ eien, weigerten sich, diese herauszugeben. Zum anderen ­seien die deutschen Behörden gegenüber den Ermittlungen feindselig eingestellt, während die Amerikaner ihnen gleichgültig gegenüberstünden. Unter diesen Bedingungen habe Doubinsky in Bayern bislang etwa zwei Drittel der rund 600 vorliegenden Dossiers bearbeiten, jedoch nur jeden vierten Fall erfolgreich abschließen können.136 Doubinskys Beobachtungen zeigen nicht nur auf, dass Kulturgüter als Unikate weitaus einfacher zu recherchieren waren als seriell produziertes Mobiliar. Deutlich wird auch, dass ­dieses einerseits aufgrund seines geringeren materiellen Werts aus amerikanischer Perspektive deutlich weniger Priorität hatte, sich andererseits jedoch die Relevanz des Mobiliars sowohl für seine rechtmäßigen französischen Eigentümer als auch seine deutschen Erwerber gerade aus seiner Qualität als Alltagsgegenstand herleitete.

134 Henraux, Albert S., Note à Herbert S. Leonard sur le Titien „Alphonse d’Este“, 4 novembre 1947, NARA RG 260, A1, Entry 517, M1946, Roll 134. 135 Doubinsky, Elie, Note à Rose Valland sur la décoration de Herbert S. Leonard, 7 novembre 1947, AMAE 209SUP/185 A156. Mit derselben Zielsetzung schlug Doubinsky ein Jahr später die Auszeichnung Edgar Breitenbachs vor, der als MFA&A Intelligence Officer jahrelang für die Franzosen ermittelt hatte und auch im Sommer 1948 vor dem Hintergrund des nahenden Abschlusses der Restitution erneut Ermittlungen aufnahm, um noch nicht wiedergefundene wertvolle französische Kulturgüter aufzuspüren. Vgl. Doubinsky, Elie, Note sur le CV de Edgar Breitenbach en vue d’une décoration, 26 août 1948, AMAE 209SUP/138 A86. 136 Doubinsky, Elie, Rapport sur les restitutions artistique en Bavière, 6 août 1948, AMAE 209SUP/373 P4.

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Wenngleich Doubinskys Arbeitsalltag in direkter Kontinuität zu dem seiner französischen Vorgänger in München stand, hatten sich die Rahmenbedingungen der Arbeit am CCP bereits grundlegend verändert. Nach Craig Hugh Smyths Rückkehr in die USA im April hatte bis Juni 1946 Edgar Breitenbach als Interimsdirektor agiert, ehe der Ethnologe Frederick S. Pleasants den Posten übernahm, ihn aber bereits im November wieder abgab.137 Bereits zu ­diesem Zeitpunkt stellte die amerikanische Militärregierung Überlegungen an, die Direktion des Collecting Points allmählich in deutsche Hände zu überantworten. Da die deutschen Wunschkandidaten für den Direktorenposten nicht verfügbar waren, übernahm letztlich der MFA&A-Chief für die bayerische Militärregierung Edwin C. Rae in Personalunion die Verantwortung für die CCP-Direktion.138 Erste Überlegungen zu den Modalitäten, unter denen das amerikanische Restitutionsprogramm abgeschlossen werden sollte, formulierte die amerikanische Militärregierung in einer OMGUS-Direktive vom 3. April 1947. Dabei wurde die mögliche Abgabe von Zuständigkeiten an die deutsche Stellen mit der bislang vom Alliierten Kontrollrat ausgeklammerten Frage verknüpft, was mit sogenanntem internal loot passieren sollte, also Kulturgütern, die innerhalb des Deutschen Reichs entzogen worden waren. Die amerikanische Überlegung bestand darin, diese in die Zuständigkeit des hessischen bzw. bayerischen Ministerpräsidenten zu übergeben, die ihrerseits eine deutsche Behördenstruktur für die Restitution dieser Güter an ihre Eigentümer schaffen sollten. Nur die Rückgabe des external loot an die entsprechenden Herkunftsländer sollte weiterhin unter amerikanischer Verantwortung im Münchner CCP fortgesetzt werden.139 Der Vorstoß stieß auf die Kritik jüdischer Nachfolgeorganisationen, beschleunigte aber de facto die Entscheidungsprozesse um die Handhabe der inneren Restitution und mündete schließlich in die Schaffung eines Rückerstattungsgesetzes für die amerikanische Besatzungszone. Das am 10. November 1947 verabschiedete Militärregierungsgesetz (MRG) Nr. 59 über die Rückgabe feststellbarer Vermögenswerte sah vor, dass Verfolgte oder ihre Erben ihre Rückerstattungsansprüche für innerhalb des Deutschen Reichs entzogenes Vermögen bis zum 31. Dezember 1948 bei der Zentralanmeldestelle in Bad Nauheim geltend machen konnten. Bearbeitet wurden die Anträge anschließend von den mit deutschem Personal besetzten Wiedergutmachungsämtern, wobei die Zuständigkeit derselben an den Ort gebunden war, an dem der Vermögensentzug stattgefunden hatte. Wurden in einem Rückerstattungsantrag Ansprüche auf entzogene Kulturgüter angemeldet, die sich in den Central Collecting Points befanden, so leiteten die Ämter diese zur Recherche nach den Kulturgütern weiter.140 137 Lauterbach 2005, hier S. 339. 138 Rae, Edwin C., Letter to Craig Smyth, 31 décembre 1946, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 3.4. 139 Kurtz 2006, S. 145. 140 Lillteicher 2007, S. 53 – 60, und Goschler 2005, S. 108.

Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München  I  111

Auch die Interessen jüdischer Nachfolgeorganisationen fanden im amerikanischen MRG 59 Berücksichtigung. Bereits vor Kriegsende hatten sich jüdische Interessengruppen bei der US-Regierung dafür eingesetzt, als Rechtsnachfolger und Erben für ermordete Juden auftreten, ihr Vermögen treuhänderisch übernehmen und für den Wiederaufbau jüdischen Lebens u. a. in den USA und Israel aufwenden zu dürfen. Mit dem MRG 59 wurde die Jewish Restitution Successor Organization (JRSO) dazu autorisiert, auf dem Gebiet der amerikanischen Besatzungszone als Treuhänderin für erbenlose Vermögenswerte zu fungieren.141 Für die treuhänderische Übernahme wurde im Verlauf des Jahres 1948 die Kulturabteilung der JRSO, die Jewish Cultural Reconstruction (JCR) zugelassen.142 Dies hatte zur Folge, dass auch Kulturgüter aus den CCPs, die in den Bereich der inneren Restitution fielen, aber nicht an überlebende Erben ihrer Eigentümer restituiert werden konnten, von der JCR beansprucht werden konnten. Der 31. Dezember 1948, Stichtag zur Anmeldung von Rückerstattungsansprüchen nach dem MRG 59, wurde im CCP München zugleich als Stichtag für die Claims aus den ehemals besetzten Gebieten im Bereich der äußeren Restitution festgesetzt.143 Überdies sollten zum Jahresende 1948 alle Restbestände der CCP s, die weder der äußeren noch der inneren Restitution unterlagen, in die treuhänderische Verwaltung der Ministerpräsidenten der Länder Bayern – für den Münchner CCP  – und Hessen – für den Wiesbadener CCP  – übergeben werden. Als nicht den Restitutionen unterliegende Bestände zählten u. a. in den CCP s verwahrte deutsche Museumssammlungen, aber auch all die Kulturgüter aus NSDAP -Vermögen, den privaten Kunstsammlungen von NS -Funktionären wie Hermann Göring, Martin Bormann oder Baldur von Schirach oder aus dem „Sonderauftrag Linz“, bei denen nicht davon auszugehen war, dass sie in den besetzten Gebieten erworben oder NS -verfolgungsbedingt entzogen worden waren. Die rechtliche Grundlage für die Übereignung der Kulturgüter aus dem Eigentum von NS -Organisationen und Parteifunktionären lieferten die Kontrollratsdirektiven Nr. 50 und Nr. 57, die den Übergang ­dieses Vermögens auf die Bundesländer vorsahen, in denen es sich am 8. Mai 1945 befunden hatte.144 Nicht nur das MRG 59 und die gesetzten Fristen zum Abschluss des amerikanischen Restitutionsprogramms übten ab Beginn des Jahres 1948 zunehmenden Druck auf die täglichen Abläufe im CCP München aus. Die Amtszeit des CCP-Direktors Herbert S. Leonard, der im August 1947 die Nachfolge von Edwin C. Rae angetreten hatte, wurde überdies von mehreren Kontroversen um die Restitution bestimmter Bestände erschüttert. Einer dieser Vorfälle betraf die Frage der Restitutionen an Österreich. Grundsätzlich konnte seit der Direktive WARX 99226 „Restitution to Ex-­­Enemies“ auch Österreich Restitutionsansprüche anmelden, und z­ wischen 1946 und 1949 entsendete das 141 142 143 144

Vgl. dazu Steinberg 2012, S. 123, und Gallas 2013, S. 65 – 66. Gallas 2013, S. 134 – 140. Kurtz 2006, S. 143. Zur Mühlen und Feiber 2004, S. 53.

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­österreichische ­Bundesdenkmalamt mehrfach jeweils für einige Wochen oder Monate Vertreter an den Münchner CCP.145 Für besondere Kontroversen sorgte jedoch die Frage, wie mit ­Restbeständen aus der Linz-­­Sammlung verfahren werden sollte, die in Altaussee – und damit in Österreich – aufgefunden worden waren und noch dazu zum Teil aus Ankäufen im österreichischen Kunsthandel stammten. Evelyn Tucker, die MFA&A-Vertreterin der amerikanischen Militärregierung in Österreich, sprach sich für eine Restitution der Linz-­ Erwerbungen aus dem österreichischen Kunsthandel an Österreich aus, zumal es sich um Werke österreichischer Maler handele. Leonard hingegen argumentierte, dass die Erwerbungen mit Geldern des Deutschen Reichs erfolgt ­seien, weshalb er eine Restitution an Österreich als ungerechtfertigt betrachtete. Eine Einigung über die Streitfrage konnte 1948 nicht erzielt werden, und de facto sollte der Konflikt jahrelang weiter schwelen und letztlich 1951 vollends zum Ausbruch kommen.146 Als schwerwiegender erwies sich für Leonard der zweite Zwischenfall aus dem Jahr 1948, in dessen Mittelpunkt italienische Restitutionsforderungen standen. In Italien hatte sich seit Kriegsende vor allem Rodolfo Siviero für die Restitution von Kulturgütern eingesetzt, ein Kunsthistoriker mit schillerndem Lebenslauf, der seine Erfolge bei der Rückführung von Kunstwerken italienischer Provenienz seinen guten Kontakten zu deutschen Kunsthisto­ rikern, aber auch medienwirksamen Methoden verdankte. Im Frühjahr 1948 unternahm Siviero einen Vorstoß, um die Restitution von Kunstwerken durchzusetzen, die von Hitler vor 1943 im faschistischen Italien angekauft oder als Schenkungen Mussolinis ins Deutsche Reich gelangt waren. Die Forderung stieß auf den Protest der MFA&A, wurde aber von General Clay bewilligt. Seine Zustimmung zu dem Vorhaben hatte politische Motive, da er befürchtete, dass eine durch Ablehnung ausgelöste anti-­­amerikanische Stimmung den Ausgang der im Frühjahr 1948 in Italien angesetzten Wahlen negativ beeinflussen könnte.147 Leonard weigerte sich, der Restitutionsanweisung zu folgen, was letztlich zu seinem Ausscheiden als CCP-Direktor führte.148 Für die Franzosen erwiesen sich im Jahre 1948 vor allem die Fristen zum Abschluss des amerikanischen Restitutionsprogramms als der gewichtigste Einflussfaktor auf ihre Tätigkeit am CCP . Das Ende der Restitutionen und die Schließung des CCP hingen ab der zweiten Jahreshälfte wie ein Damoklesschwert über Elie Doubinskys Aktivitäten. Bereits 145 Lauterbach 2015, S. 152 – 153. 146 Vgl. Löhr 2005, S. 79 – 80. Leonard selbst nahm im Februar 1949 in einem Brief an Thomas Carr Howe Stellung zur Angelegenheit. Leonard, Herbert Steward, Letter to Thomas Carr Howe relating to the return of artworks to Italy and the art repositories in Austria, February 23, 1949, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 10. 147 Kurtz 2006, S. 191 – 192. 148 In Quellen und Forschungsliteratur finden sich unterschiedliche Aussagen darüber, ob Leonard sein Amt aus Protest niederlegte oder von der Militärregierung abgesetzt wurde. Michael J. Kurtz etwa geht davon aus, dass Leonard aus Protest kündigte, während Iris Lauterbach schreibt, er sei abgesetzt worden. Lauterbach 2015, S. 144 – 150, und Kurtz 2006, S. 190 – 193.

Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München  I  113

im Frühjahr schlug er der CRA daher in Rücksprache mit Herbert S. Leonard vor, Albert Henraux’ Assistentin Adrienne Wolff aus Paris für eine kurzzeitige Mission an den CCP München zu versetzen. Sie sollte dort bei der Identifizierung von Gemälden behilflich sein und einige Gläser und Tapisserien untersuchen, deren französische Herkunft noch nicht eindeutig nachgewiesen war.149 Da sich Wolffs Abordnung um mehrere Monate verzögerte, trat sie ihren Aufenthalt in München letztlich erst im September 1948 an.150 Dort gelang es ihr, einige der Tapisserien im CCP zu identifizieren. Anhand von Zollakten und Erwerbungslisten des Wiener Dorotheums konnte sie außerdem feststellen, dass einige der mit entsprechender Provenienz in den CCP eingelieferten Gemälde ursprünglich vom Pariser Kunstmarkt stammten. Auch für einen Bestand an Tafelsilber und einen weiteren an Musikinstrumenten nahm sie eine französische Provenienz an, konnte sich für diese These jedoch nur auf den Befund stützen, dass beide Bestände aus dem ehemaligen ERR -Depot in Buxheim kamen und dass die meisten Musikinstrumente französische Fabrikationen waren. Aus Herbert S. Leonards Perspektive reichte diese Beweislage jedoch nicht aus, um einen französischen Claim zu rechtfertigen, da die Musikinstrumente ungeachtet ihres französischen Herstellungsorts überall in Europa geraubt worden sein könnten und das Depot in Buxheim zwar in großem Umfang, aber eben nicht ausschließlich Raubgut aus Frankreich umfasst habe.151 Um Leonards Bedenken gegenüber der Rückführung zu entkräften, schlug Albert Henraux vor, die Tafelsilber- und Instrumentenbestände zunächst nach Paris zu überführen; sollten sich einige der Stücke doch als niederländisch oder belgisch entpuppen, könne man diese gegebenenfalls von Paris an die jeweiligen Länder zurückschicken.152 Da Leonard die Frage des Verfahrens mit den beiden Buxheimer Beständen jedoch bewusst verschleppte, konnte Doubinsky die Klärung ihres Verbleibs erst im Januar 1949 erneut in Angriff nehmen. Zu ­diesem Zeitpunkt hatte Frankreich mit Belgien und den Niederlanden eine formelle Absprache getroffen, wonach bestimmte Kulturgüterbestände aus dem CCP München zunächst nach Paris verbracht und von dort im Zweifelsfall nach Belgien und in die Niederlande geschickt werden könnten.153 149 Doubinsky, Elie, Demande d’expert Beaux-­­Arts pour zone américaine auprès du colonel Bonet-­ Maury, 25 mai 1948, AMAE 209SUP/373 P4. 150 Doubinsky, Elie, Note à Valland au sujet de l’arrivée d’Adrienne Wolff, 1er septembre 1948, AMAE 209SUP/297 C9. 151 Wolff, Adrienne, Rapport sur objets non-­­identifiés se trouvant encore au CCP Munich, 17 septembre 1948, AMAE 209SUP/373 P4, und Wolff, Adrienne, Annexe au rapport sur les objets non-­­identifiés restant encore au Central Collecting Point de Munich, 20 septembre 1948, AMAE 209SUP/373 P4. Vgl. auch Doubinsky, Elie, Note sur des instruments de musique spoliés par l’ERR, 20 juillet 1948, AMAE 209SUP/138 A86. 152 Henraux, Albert S., Note à Herbert S. Leonard sur les objets non identifiés au CCP Munich, 6 octobre 1948, NARA, RG 260, A1, Entry 516, M1946, Roll 65. 153 Doubinsky, Elie, Lettre à Henraux au sujet de la clôture des restitutions en Bavière, 7 janvier 1949, AMAE 209SUP/297 C9.

114 I Die Besatzungszeit 1945 – 1949

Die Verhandlungen um die nicht klar zugeordneten Restbestände aus dem ehemaligen ERR-Depot in Buxheim zeigen geradezu exemplarisch die zentralen Fragen auf, die sich für

die Franzosen aus den amerikanischen Fristen zum Abschluss des Restitutionsprogramms ergaben: erstens, was nach dem amerikanischen Rückzug mit Objekten geschehen sollte, die aus den ehemals besetzten Gebieten stammten, deren Provenienz aber noch nicht klar etabliert war; zweitens, wer die Zuständigkeit für die Fortsetzung der noch nicht abgeschlossenen äußeren Restitutionen übernehmen würde. Um den Umfang der Objekte mit ungeklärter Provenienz zu klären, trat Doubinsky im Sommer 1948 an Herbert S. Leonard mit dem Vorschlag heran, eine Liste samt Fotografien der fraglichen Objekte erstellen zu lassen, die dann bei den Regierungen der ehemals besetzten Länder zirkulieren könne, um weitere Identifizierungen zu ermöglichen. Leonard hielt die Idee grundsätzlich für gut, gab jedoch zu bedenken, dass die amerikanische Militärregierung wahrscheinlich nicht die Kosten für die Erstellung einer solchen Liste tragen würde.154 Doubinsky setzte sich daraufhin mit dem belgischen Repräsentanten in München in Verbindung und schlug anschließend seinem Vorgesetzten Pierre-­­Louis Bonet-­­Maury bei der Mission française de Réparations et Restitutions in Karlsruhe vor, dass die Commission de Récupération Artistique sowie ihre belgischen und holländischen Pendants die Kosten für die Erstellung der Liste unter sich aufteilen sollten.155 Auf französischer Seite fand ­dieses Vorhaben Unterstützung; bei den amerikanischen Behörden jedoch musste Doubinsky den Vorschlag zur Erstellung der Listen noch mehrfach vorbringen. Nicht nur Leonards Abschied aus dem CCP im Oktober 1948, sondern auch Reformen in der Verwaltungsstruktur der amerikanischen Militärregierung, im Zuge derer die MFA &A aus der Zuständigkeit der Property Division in die der Education & Cultural Relations Division überführt wurden, verzögerten die Anhörung des französischen Anliegens. Die Zustimmung zur Erstellung der Liste der noch nicht identifizierten Gegenstände im CCP München erteilte Leonards Nachfolger Stephan P. Munsing Doubinsky daher erst im Januar 1949.156 Neben der Liste der noch nicht eindeutig identifizierten Restbestände bestand das zweite vordringliche Problem der Franzosen darin zu klären, wer nach dem amerikanischen Rückzug aus dem Restitutionsprogramm für die Fortsetzung äußerer Restitutionen zuständig sein sollte. Die Frage war eng verquickt mit der geplanten Übergabe der Treuhänderschaft an die bayerischen und hessischen Ministerpräsidenten, die von den französischen Protagonisten der récupération artistique ausgesprochen kritisch gesehen wurde. Die CRA befürwortete 154 Doubinsky, Elie, Note sur la clôture des restitutions artistiques, 30 août 1948, AMAE 209SUP/138 A86. 155 Doubinsky, Elie, Note à Rose Valland concernant la clôture des restitutions artistiques, 13 septembre 1948, AMAE 209SUP/185 A156. 156 Doubinsky, Elie, Demande à M. Munsing de faire établir un inventaire des objets non-­­identifiables au CCP de Munich, 26 janvier 1949, AMAE 209SUP/113 A44.

Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München  I  115

eine internationale Regelung unter Einbindung der UNESCO ; allerdings scheint der im Sommer 1948 kurzzeitig diskutierte Vorschlag, die Zuständigkeit für die Restitutionen an ein internationales Gremium zu übertragen, nie über den Status eines innerfranzösischen Projektvorschlags hinausgekommen zu sein.157 Stattdessen kam etwa zur gleichen Zeit in einer Sitzung in Paris zu den amerikanischen und britischen Fristen zum Abschluss des Restitutionsprogramms der Vorschlag auf, sich mit weiteren westeuropäischen Ländern, die ein Interesse an der Fortsetzung der äußeren Restitutionen hatten, abzusprechen. Die Sitzungsteilnehmer – neben Mitgliedern der CRA , des OBIP und des Erziehungsministeriums umfasste dies auch Vertreter des französischen Außenministeriums – debattierten unter anderem das Szenario, dass Frankreich selbst den Vorsitz über die Fortsetzung der Restitutionen in allen drei westlichen Zonen – mitsamt ihrer bestehenden Strukturen – übernahm.158 Letztlich setzte sich im Herbst jedoch im Anschluss an eine Pariser Konferenz mit Vertretern der übrigen ehemals besetzten und beraubten Länder das Projekt einer tripartiten Übereinkunft ­zwischen Frankreich, Belgien und den Niederlanden durch: Nach dem Abschluss des amerikanischen Restitutionsprogramms sollten die bisher noch nicht identifizierten Restbestände der CCP s nach Paris verbracht und dort unter französischem Vorsitz identifiziert werden; sofern dabei holländische und belgische Bestände gefunden wurden, sollten diese von Paris aus in die jeweiligen Länder weitergeleitet werden.159 Frankreich stilisierte sich somit zur zentralen Interessenvertretung für alle ehemals besetzten westeuropäischen Gebiete. In der Praxis stellte sich jedoch rasch heraus, dass die Implementierung ­dieses Accord tripartite zum Scheitern verurteilt war. Bei den Amerikanern stieß die französisch-­­belgisch-­ niederländische Übereinkunft auf Ablehnung, wogegen Elie Doubinsky vergeblich protestierte.160 Rose Valland, die sich im Frühjahr 1949 noch einmal für eine temporäre Mission nach München begab, versuchte daher, in direkten Gesprächen vor Ort herauszufinden, ­welche Perspektiven für das alliierte Restitutionsprogramm bestanden und inwieweit diese auch die französischen Interessen berücksichtigen würden. Zu ­diesem Zeitpunkt hofften die Franzosen noch, dass die geplante Übergabe der Restbestände der Linz-­­Sammlung sowie der Kunstsammlungen von Göring und Bormann an das Land Bayern noch nicht definitiv wäre. Kritisch sahen die Franzosen dabei insbesondere, dass Philipp Auerbach, der Leiter

157 Doubinsky, Elie, Nécessité d’un expert Beaux-­­Arts Munich; date limite pour claims artistiques, 8 juillet 1948, AMAE 209SUP/373 P4, und Doubinsky, Elie, Note to Herbert S. Leonard on the closing of the restitutions, September 3, 1948, NARA, RG 260, A1, Entry 519, M1946, Roll 314. 158 Procès-­­verbal de la Réunion du 24 août 1948 au sujet de la Restitution des Œuvres d’Art, 24 août 1948, AMAE 209SUP/540 P246. 159 Vgl. dazu Coignard, Marcel, Procès-­­verbal de la Conférence Plénière sur les Restitutions tenue les 4 et 5 mars 1949 à Baden-­­Baden, 4 mars 1949, AMAE 209SUP/335 D22C. 160 Doubinsky, Elie, Note to Stephan Munsing on the agreement between France, Belgium and ­Holland for the restitution of art objects, 24 janvier 1949, AMAE 209SUP/138 A86.

116 I Die Besatzungszeit 1945 – 1949

des bayerischen Staatskommissariats für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, der für die Umsetzung des MRG 59 in Bayern zuständig war, den Vorschlag geäußert hatte, die Kunstsammlungen der NS-Funktionäre zu verkaufen, um die Erlöse zur Finanzierung der bayerischen Wiedergutmachungspolitik zu ­nutzen. Aus französischer Sicht bestand somit die Gefahr, dass die Restbestände aus den CCPs nach ihrer Übergabe an Bayern nicht länger für Restitutionen zugunsten französischer Geschädigter verfügbar wären.161 Wie Valland in München feststellte, hatten auch die deutschen Mitarbeiter des CCP Vorbehalte gegenüber Auerbachs Vorschlag sowie gegenüber der geplanten Übergabe der NS-Sammlungen an Bayern. Mit Wissen um diesen Rückhalt auf deutscher Seite empfahl sie W. G. Constable, dem Kunstberater General Clays, die Reste der NS-Sammlungen aus dem CCP München unter den interessierten – d. h. ehemals besetzten – Ländern aufzuteilen, und zwar in Proportion zu ihren jeweils erlittenen Verlusten. Auf diese Weise könne man die alliierten Ansprüche auf Kompensationen im Sinne der restitution in kind befriedigen und gleichzeitig das Konfliktpotenzial beseitigen, das eine Übergabe der NS-Sammlungen an Bayern berge.162 Tatsächlich konnten die Debatten um den französischen Zugriff auf die Restbestände der NS-Sammlungen jedoch nicht beigelegt werden, sondern blieben weit über 1949 hinaus Gegenstand von Auseinandersetzungen z­ wischen Franzosen, Amerikanern und zunehmend auch deutschen Akteuren. Auf Elie Doubinskys Restitutionspraxis zeigte die Diskussion um den Verbleib der NS-Sammlungen vorerst keine unmittelbaren Auswirkungen. Nachdem er vergeblich versucht hatte, die amerikanische Zustimmung zum Accord tripartite zu erwirken, überließ er die weiteren Versuche, politisch auf die Amerikaner einzuwirken, Rose Valland und widmete sich in der ersten Jahreshälfte 1949 wieder vornehmlich der Abwicklung noch verbleibender Identifizierungen und Claims für Frankreich. Nicht nur erfolgten diese unter zunehmendem zeitlichem Druck; auch die zum Jahresende 1948 erfolgte Umstrukturierung der amerikanischen Militärregierung zeigte unmittelbare Auswirkungen auf die französische Rückführungspraxis. Mit Blick auf die Fristen für den Abschluss der kulturellen Restitutionen waren bis dato noch in Deutschland verbliebene MFA&A-Offiziere der Education & Cultural Relations Division unterstellt worden. Die damit einhergehende Verschiebung in der Aufgabenstellung der MFA&A äußerte sich in München konkret darin, dass Stephan P. Munsing ab 1949 die Leitung des Münchner Amerika-­­Hauses übernahm und allmählich von seinen Funktionen im CCP abgezogen wurde. Als schwerwiegender erwies sich für die französische Restitutionsmission jedoch, dass die Stelle des Chief der MFA&A, die bis 1948 von Richard F. Howard ausgefüllt worden war, nicht neu besetzt, sondern ihre Funktion vom Chief der Property 161 Valland, Rose, Rapport sur la fin des restitutions artistiques en zone américaine et au Central Collecting Point de Munich, 22 mars 1949, AMAE AC 74/1b. 162 Ebd. Vgl. auch Bonet-­­Maury, Pierre-­­Louis, Note sur le rapport de Rose Valland du 22 mars 1949, 20 avril 1949, AMAE AC 74/1b.

Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München  I  117

Branch, Orren McJunkins, übernommen wurde.163 Damit zerschlugen sich die französischen Hoffnungen, dass Edgar Breitenbach, mit dem die Franzosen gut zusammengearbeitet hatten und der die französischen Interessen stets angemessen berücksichtigt hatte, die Leitung der MFA&A übernehmen könnte.164 McJunkins stand den verbleibenden französischen Restitutionsforderungen tendenziell abweisend gegenüber, was Doubinskys Bemühung um die Konvois behinderte. Für besonders starke Differenzen sorgte ein Bestand von rund 4.000 geraubten französischen Büchern, die über Umwege in die Bibliothek des Amerika-­­Hauses in München gelangt waren und deren Rückgabe an Frankreich von McJunkins abgelehnt wurde, weil für sie formal kein Claim vorlag. Nur der klaren Stellungnahme Munsings zugunsten des französischen Anspruchs war zu verdanken, dass die Bücher letztlich doch nach Paris zurückgeschickt wurden.165 Auch bei der Abfertigung des letzten Restitutionskonvois nach Frankreich, dessen Termin von McJunkins sehr kurzfristig auf den 31. Mai 1949 festgesetzt worden war, kam Munsing den Franzosen entgegen. Damit die Franzosen noch ein wenig Zeit für die Vorbereitung des Konvois gewannen, traf er mit Doubinsky eine Abmachung, wonach zwar die Quittung über den Konvoi korrekt auf den 31. Mai datiert, der Konvoi München de facto aber erst einige Tage später verlassen würde.166 Bis zuletzt hing der Erfolg der französischen Mission am CCP somit auch von Faktoren wie persönlichen Beziehungen und der Kulanz einzelner Akteure ab. Grundsätzliche Differenzen z­ wischen französischen und amerikanischen Positionen traten schließlich noch einmal im Mai 1949 – also wenige Wochen vor dem geplanten Abschluss der Restitutionen – offen zutage, als den Franzosen bekannt wurde, dass die amerikanischen Behörden vorhatten, einige Bestände aus dem Münchner CCP, die eindeutig jüdischer Provenienz waren, deren Eigentümer aber keine Erben hinterlassen hatten oder nicht identifiziert werden konnten, an die Jewish Cultural Reconstruction (JCR) zu übergeben. Diese Pläne gingen konform mit den Regelungen des amerikanischen Rückerstattungsgesetzes. Da die Ansprüche jüdischer Nachfolgeorganisationen auf erbenloses Vermögen in Frankreich jedoch alles andere als unstrittig waren 167, reagierten Doubinsky in München, aber auch Albert Henraux in Paris kritisch und eher verständnislos auf die 163 Kurtz 2006, S. 127. 164 Doubinsky, Elie, Lettre à Rose Valland au sujet de la succession de Howard et au sujet du travail de Doubinsky, 23 décembre 1948, AMAE 209SUP/297 C9. Breitenbach wurde im Herbst 1948 als Cultural Affairs Officer nach Bad Nauheim versetzt, wo er fortan für die Bearbeitung von Rückerstattungsansprüchen nach dem MRG 59 zuständig wurde, die Kulturgüter betrafen. 165 Doubinsky, Elie, Note à Valland sur l’affaire des livres français spoliés déposés à l’Amerika Haus à Munich, 22 juillet 1949, AMAE 209SUP/297 C9. 166 Doubinsky, Elie, Notes au sujet du prochain convoi de récupération artistique, 24 et 25 mai 1949, AMAE 209SUP/297 C9. 167 Das Rückerstattungsgesetz für die französische Besatzungszone – die am 10. November 1947 verabschiedete VO 120 enthielt deshalb keinen Passus, der jüdische Nachfolgeorganisationen für die ZFO autorisierte, sondern sah vor, dass erbenloses jüdisches Vermögen in einen E ­ ntschädigungsfonds

118 I Die Besatzungszeit 1945 – 1949

Ankündigung, dass die JCR rund 800 Objekte aus München in den CCP Wiesbaden transferieren lassen wollte. Dort sollten sie mit den Restbeständen des aufgelösten Offenbach Archival Depot zusammengeführt werden, um anschließend ihre Überführung nach New York sowie ihre Verteilung an das Jerusalemer Bezalel Museum und das New Yorker Jewish Museum zu organisieren. In einem Schreiben an das französische Außenministerium begründete Henraux seinen Einspruch gegen die Ansprüche der JCR damit, dass diese im Widerspruch mit den französischen Interessen und Prinzipien stünden: Je me permets de m’élever énergiquement contre cette atteinte aux droits normaux de la France. Il ne nous est possible d’admettre aucune discrimination de race ou de religion parmi les spoliés, et nous ne pouvons reconnaître un droit quelconque à une commission formée sur des principes raciaux. Vous estimerez sans doute comme moi-­­même que la France doit réclamer tous les objets d’art sans exception qui ont été spoliés en France, et aucun d’eux ne peut être distrait au profit de qui que ce soit.168

Henraux räumte zwar ein, dass ihm versichert worden sei, dass Objekte französischer Herkunft nicht von der treuhänderischen Übernahme durch die JCR betroffen s­ eien. Dennoch bat er das Außenministerium darum, eine Protestnote aufzusetzen und beim amerikanischen Militärgouverneur die Rückkehr der 800 Objekte aus Wiesbaden nach München einzufordern.169 Doubinsky stand d ­ iesem Protestvorhaben ein wenig reserviert gegenüber. Zwar stimmte er mit Henraux grundsätzlich in der Argumentation überein, dass das Vorhaben der JCR den französischen Grundprinzipien widersprach, wonach Enteignete nicht nach rassischen oder religiösen Kriterien unterschieden und demzufolge keine Sonderregelungen für bestimmte Opfergruppen zugelassen werden sollten. Mit Rücksicht auf Stephan P. Munsing, der ihm im Vertrauen die Liste der 800 an die JCR übergebenen Objekte überlassen hatte, wünschte Doubinsky jedoch, dass Henraux mit einem Protest warten möge, bis Munsings Arbeit am CCP München Ende Juni 1949 endete, sodass ihm keine negativen Konsequenzen aus der Angelegenheit erwachsen könnten.170 Tatsächlich wurde der Protest erst im Juli 1949 vom Außenministerium lanciert, das den französischen Botschafter in den USA, Henri Bonnet, um eine Intervention bat.171

zugunsten aller auf dem Gebiet der ZFO lebenden NS -Verfolgten einfloss. Vgl. Goschler 2005, S. 111. 168 Henraux, Albert S., Commission juive de restitutions auprès du CCP Munich, 2 juin 1949, AMAE 209SUP/ 373 P4. 169 Ebd. 170 Doubinsky, Elie, Commission de récupération juive, 15 juin 1949, AMAE 209SUP/373 P4. 171 Direction des Accords Techniques du Ministère des Affaires étrangères, Lettre à l’ambassadeur de France à Washington, au sujet des restitutions à la commission juive de restitutions, 15 juillet 149,

Die Arbeit der französischen Restitutionsmission am CCP München  I  119

Noch während er gegen den Transfer der 800 Objekte aus München nach Wiesbaden protestierte, erhielt Henraux die Anfrage der israelischen diplomatischen Vertretung in Paris, ob Frankreich nicht dem amerikanischen Beispiel folgen und einige erbenlose jüdische Kulturgüter an das Bezalel Museum in Jerusalem übergeben wolle. Aus dem Briefwechsel geht hervor, dass Henraux sich zuvor bereits mit Mordechai Narkiss vom Bezalel Museum getroffen hatte.172 Auch diesen Vorschlag sah Henraux kritisch, da er der Ansicht war, dass die Kunstwerke, deren Eigentümer nicht gefunden konnten, dem französischen patrimoine zugute kommen müssten. Eine Abgabe von Kunstwerken an das Bezalel Museum würde den kulturellen Interessen Frankreichs aber eher entgegenstehen – und im Übrigen würden in dieser Angelegenheit Kriterien der Nationalität und der Religion miteinander vermischt, die eigentlich getrennt zu betrachten s­ eien.173 Offenkundig fand bei dieser Argumentation der Anspruch der JCR und der israelischen Delegation, als Stellvertreter eines weltweiten jüdischen Kollektivs aufzutreten und als offizieller Nachlassverwalter für die ermordeten Juden Europas zu agieren, keinerlei Anerkennung. Henraux’ Argumentation begründete sich dabei auf den Prinzipien des französischen Laizismus, die es untersagten, bei Opfergruppen nach Kriterien religiöser Zugehörigkeit zu differenzieren. Gleichzeitig zeugt sie vom französischen Unwillen, die Verfolgung der Juden durch den Nationalsozialismus als einzigartig gegenüber anderen Formen der NS-Verfolgung zu betrachten und sie als Legitimation für besondere Maßnahmen zur Entschädigung d­ ieses Unrechts zu behandeln.174 Indem die Nationalität der Opfer als eigentlich ausschlaggebendes Kriterium für die Restitution von Kulturgut behandelt wurde, konnten zugleich die französischen kulturellen Ansprüche auf das Eigentum dieser Opfer untermauert werden: Die Eigentümer waren Franzosen, also gehörten die Kulturgüter zum französischen Kulturerbe und mussten Frankreich daher erhalten bleiben. Wenngleich Frankreich der israelischen Delegation eine Absage erteilte, kam die Übergabe von Restbeständen an die JCR in der US-Zone noch 1949 zustande. Auch in Frankreich kam es zu Beginn der 1950er Jahre im Umgang mit erbenlosem jüdischem Vermögen zu einem Umdenken, sodass 1951 für das Gebiet der französischen Besatzungszone eine jüdische Nachfolgeorganisation eingesetzt wurde.175

AMAE 209SUP/373 P4. 172 Fischer, Maurice, Lettre à Albert Henraux, Demande d’œuvres d’art de juifs spoliés pour des musées d’Israel, 14 juin 1949, AMAE 209SUP/373 P4. 173 Henraux, Albert S., Informations à d’autres services au sujet de la demande de Maurice Fischer pour les musées israéliens, 23 juin 1949, AMAE 209SUP/373 P4. 174 Vgl. Cœuré 2013, S. 91, und Goschler 2005, S. 111. Auch Claire Andrieu hat verschiedentlich darauf hingewiesen, dass der französische Laizismus und die Ablehnung einer Ethnisierung von Verfolgten­ gruppen sich sowohl auf die Restitutionsdebatten der Nachkriegszeit als auch die französischen Restitutionsdiskurse der 1990er niedergeschlagen haben. Vgl. Andrieu 2003, S. 120 – 122. 175 Goschler 2005, S. 111.

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Die Übergabe erbenloser Kulturgüter jüdischer Provenienz an die JCR zu Beginn des Jahres 1949 verortete sich im Kontext der finalen Vorbereitung zur Umstrukturierung und teilweisen Liquidierung der Collecting Points. Bis Mai 1949 waren die im CCP Wiesbaden verwahrten deutschen Museumssammlungen entweder an ihre Herkunftsorte zurückgebracht oder in die Verwaltung des hessischen Ministerpräsidenten übergeben worden – dies galt etwa für die Bestände der ehemals preußischen Museen, die nicht nach Berlin zurückkehren konnten und daher nunmehr der Hessischen Treuhandverwaltung unterstanden. Da die Restbestände aus dem zwischenzeitlich aufgelösten Offenbach Archival Depot nach Wiesbaden überführt worden waren, planten die Amerikaner, Wiesbaden zur zentralen Sammelstelle für alle Objekte aufzubauen, die jüdischen Eigentümern innerhalb des Deutschen Reichs entzogen worden waren und auf die, da sie noch nicht identifiziert worden waren, noch potenzielle Ansprüche deutscher Erben nach dem MRG 59 bestehen konnten. Hierzu wurden eigens auch Münchner Bestände nach Wiesbaden überwiesen. In München hingegen sollten nur die Restbestände verbleiben, die weder der äußeren noch der inneren Restitution unterlagen und als s­olche in die Treuhänderschaft des bayerischen Ministerpräsidenten übertragen wurden.176 Über die Details dieser Umstrukturierungen fühlten sich die Franzosen nur unzureichend informiert und hegten die Befürchtung, dass die Umlagerung von Beständen nach Wiesbaden, die dabei erfolgende Abgabe eines Teilkonvoluts an die JCR und die Übertragung der Restbestände der NS-Sammlungen an den bayerischen Staat letztlich dazu führen würden, dass Raubgut französischer Provenienz nicht an den französischen Staat zurückgeführt würde. Im Anschluss an einen Besuch im CCP Wiesbaden im Mai 1949, bei der Valland einen letzten Restitutionskonvoi mit Zielort Paris vorbereitet hatte, lancierte sie daher einen Bericht an den politischen Berater des französischen Militärgouverneurs, Jean de Noblet, in dem sie den Sachstand in den amerikanischen CCPs und die Übergabepläne zusammenfasste.177 Bereits zuvor hatte Marcel Coignard von der Direction Réparations-­­Restitutions in der französischen Besatzungszone dem Außenministerium den Vorschlag unterbreitet, über den französischen Botschafter in den USA Henri Bonnet eine diplomatische Anfrage an die US-Regierung zu richten, um sich Klarheit sowohl über die Zukunft der Restitutionen allgemein als auch zu den Plänen Philipp Auerbachs, die NS-Sammlungen zu verkaufen, zu verschaffen.178 Auch Jean de Noblet richtete auf Vallands Intervention hin eine entsprechende Note an seinen amerikanischen Amtskollegen. 176 Vgl. Lauterbach 2015, S. 188. 177 Valland, Rose, Rapport sur la fin des restitutions artistiques en zone américaine et au Central Collecting Point de Munich. 22 mars 1949, AMAE AC 74/1b, und Valland, Rose, Rapport sur les restitutions d’œuvres d’art à la France CCP Wiesbaden, 7 mai 1949, AMAE AC 74/1b. 178 Coignard, Marcel, Lettre à la Direction des Accords Techniques concernant les œuvres d’art présumées d’origine française se trouvant au Central Collecting Point de Munich, 28 avril 1949, AMAE 209SUP/198 A173.

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Der politische Berater der US -Militärregierung reagierte am 1. Juni 1949 mit einem Memorandum, in dem er klarstellte, dass die Anschuldigung, wonach dem Vorschlag P ­ hilipp Auerbachs zufolge CCP-Bestände zugunsten deutscher Juden verkauft werden sollten, jeglicher Grundlage entbehre, und den Franzosen versicherte, dass die Amerikaner nicht vorhätten, die äußeren Restitutionen vollständig zu beenden.179 Einen ähnlichen Grundton schlug auch die Antwort an, die Henri Bonnet auf sein diplomatisches Memorandum erhielt; das amerikanische State Department stellte unmissverständlich klar, dass Restbestände, deren deutsche Eigentümer noch nicht klar etabliert waren, nach Wiesbaden übergeben worden ­seien und der Wiesbadener CCP weiterhin geöffnet bleiben und Restitutionen durchführen würde. Frankreich könne daher nach wie vor Restitutionsansprüche geltend machen und Rückführungen durchführen. Der Münchner CCP hingegen werde in die Treuhänderschaft des bayerischen Ministerpräsidenten übergeben, wobei noch nicht restlos geklärt sei, was mit den dort verbleibenden Restbeständen geschehen solle. Das State Department habe jedoch noch nichts von Auerbachs angeblichen Plänen gehört, diese zu verkaufen.180 Die Unklarheit über den weiteren Umgang mit den Münchner Restbeständen rührte auch daher, dass ursprünglich zwar nur s­olche Bestände in die Treuhänderschaft des bayerischen Ministerpräsidenten übertragen werden sollten, die zweifelsfrei nicht den Restitutionsbestimmungen unterlagen, es aber trotz der mehrfachen Aufschiebung der Fristen zur Übergabe der Bestände nicht gelungen war, alle zu identifizieren. Die Übereignung eines ersten Konvoluts von 9.091 Objekten am 23. August 1949 und eines zweiten mit weiteren ca. 1.500 Objekten am 31. Oktober 1949 geschah daher mit der Auflage, dass die deutschen CCP -Zuständigen unter der Direktion von Eberhard Hanfstaengl die Recherchen zu den bislang ungeklärten Fällen fortsetzen und gegebenenfalls an die anspruchsberechtigten Herkunftsländer restituieren sollten.181 De facto sollten sich die Rückführungen aus der amerikanischen Besatzungszone an Frankreich daher noch weit über das Jahr 1949 hinaus fortsetzen.

2.4 Beispiele für einzelne Restitutionsfälle Wenngleich im Rahmen der vorliegenden Studie keine umfassende Aufarbeitung einzelner Restitutionsclaims geleistet werden kann, werden im Folgenden zwei Beispiele für einzelne Restitutionsfälle, in denen Franzosen und Amerikaner zusammenarbeiten, exemplarisch 179 Office of the United States Political Advisor for Germany, Memorandum on the restitution of works of art, June 1, 1949, AMAE 209SUP/198 A173. 180 Bonnet, Henri, Dépêche au sujet des œuvres d’art du Central Collecting Point Munich, 30 juillet 1949, AMAE 209SUP/198 A173. 181 Hoffmann, Bernhard, Bericht über den CCP München, 26. Oktober 1949, BA rch B 323/325, Bl. 129 – 131.

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ausgearbeitet. Beide sind aufgrund der Natur der jeweils im Mittelpunkt stehenden Objekte Sonderfälle und machen daher besonders gut sichtbar, wie bei kulturellen Restitutionen diplomatische und wirtschaftliche Aspekte, aber auch Faktoren wie Erinnerung und patrimoine zusammenspielten.

2.4.1 Der Fall „Foto Marburg“ Für das Marburger Kunsthistorische Institut spielte die Fotografie bereits seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle. Richard Hamann, Ordinarius für Kunstgeschichte in Marburg, hatte 1913 ein eigenes Bildarchiv für das Institut gegründet, in dem fotografische Platten von Baudenkmälern und Kunstwerken gesammelt wurden. Schon vor und während des ­Ersten Weltkriegs führte Hamann mehrere Kampagnen zur fotografischen Erfassung von Baudenkmälern durch, etwa in Belgien und Nordfrankreich, die im Auftrag des Deutschen Kunstschutzes erfolgt waren.182 Auch in den 1920er und 1930er Jahren war er um die stetige Erweiterung der Sammlung von Fotonegativen auf Platten bemüht. Als 1930 in Marburg das Preußische Forschungsinstitut für Kunstgeschichte eröffnet wurde, dessen Schwerpunkt auf der mittelalterlichen Kunst in Deutschland und Frankreich lag, wurde die Aufgabe der fotografischen Erfassung von Baudenkmälern an ­dieses übertragen. In den Folgejahren unternahmen Hamann und seine Mitarbeiter zahlreiche Studienreisen, bei denen Denkmäler in Westeuropa systematisch fotografiert wurden.183 Die Fotokampagnen des Marburger Instituts wurden auch nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fortgesetzt. 1940 wurden zwei verschiedene Projekte zur Erfassung von Baudenkmälern an das Marburger Institut herangetragen, eines im Baltikum, das andere in Frankreich. Beide Projekte waren als kriegswichtig eingestuft. Für Frankreich kam der Impuls vom Kunstwissenschaftlichen Arbeitsstab des Kunstschutzes; das Projekt wurde gemeinschaftlich von Richard Hamann sowie Franz Graf Wolff-­­Metternich, dem Leiter des Kunstschutzes, und Alfred Stange, dem Ordinarius am Kunsthistorischen Institut Bonn, betreut. Die Kampagnen sollten romanische und gotische Kunst in Frankreich erfassen und wurden – vom Kunstschutz protegiert – durch Hamann und Studenten des Marburger Instituts durchgeführt. Die Finanzierung erfolgte durch das Kunsthistorische Institut Marburg, unterstützt mit einer finanziellen Hilfe Adolf Hitlers. In Paris standen den Kampagnen außerdem die Räumlichkeiten der Kunsthistorischen Forschungsstätte zur Verfügung. Die Kampagnen dauerten offiziell bis 1942 und deckten geografisch Stätten in nahezu ganz Frankreich ab.184 Ab 1942 führte die Kunstwissenschaftliche Forschungsstätte in Paris die Fotokampagnen fort und fertigte in d ­ iesem Zusammenhang unter 182 Tralles 2005, S. 263 – 264. Vgl. auch Kott 2008, S. 365 – 366. 183 Sprenger 2005, S. 71 – 73. Vgl. Tralles 2005, S. 267 – 268. 184 Tralles 2005, S. 280 – 282.

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anderem auch Duplikate von Fotonegativen aus dem Bildarchiv des französischen S­ ervice des Monuments Historiques an.185 Wenngleich die Forschungen nach außen hin als unpolitisch erscheinen sollten, so waren sie doch ideologisch gefärbt und von der sogenannten „Westforschung“ beeinflusst, die versuchte, durch den Nachweis gemeinsamer kultureller Wurzeln in Westeuropa die Expansionspolitik nach Westen wissenschaftlich zu rechtfertigen.186 Dass infolge dieser Fotokampagnen eine beträchtliche Zahl Aufnahmen französischer Baudenkmäler im Archiv von Foto Marburg existierte, erfuhr Albert Henraux bereits im März 1945 von der Tourismus-­­Abteilung des französischen Erziehungsministeriums.187 Anfang Juni vermittelte ihm die Direction Réparations-­­Restitutions den Bericht eines in Münster stationierten französischen Verbindungsoffiziers namens Jean Secret, der das Marburger Bildarchiv beschrieb und auf die systematischen Fotokampagnen einging, die ­dieses seit Kriegsbeginn in Frankreich durchgeführt hatte. Secrets Bericht gipfelte mit dem Vorschlag: A l’époque où la France a perdu tant de ses richesses artistiques, dont quelques-­­unes n’avaient même pas été méthodiquement relevées et photographiées, il serait intéressant de récupérer toute la documentation archéologique, architecturale et artistique réalisée chez nous par les Allemands. Car il serait paradoxal et humiliant que désormais, les archéologues français fussent contraints d’aller chercher en Allemagne une documentation qui n’existe pas en France. Il semble qu’il y aurait lieu d’envoyer au „Kunstgeschichtlicher Seminar“ de Marburg an der Lahn, une commission chargée de la récupération d’une si prodigieuse collection et d’images de son propre visage, de ses aspects et de son patrimoine national.188

Zur gleichen Zeit fertigte auch M. Planchenault von der Direction des Monuments Historiques im französischen Erziehungsministerium einen Bericht an, der die Kampagnen von Foto-­­Marburg thematisierte und vorschlug, die Rückführung der Fotos nach Frankreich zu fordern. Neben den Kampagnen von Foto-­­Marburg beleuchtete Planchenault überdies einen zweiten Sachverhalt: Offenbar hatte die Kunsthistorische Forschungsstätte unter der Leitung von Hermann Bunjes sich im Anschluss an die Marburger Fotokampagnen Abzüge von Fotosammlungen aus französischen Bildarchiven verschafft und dabei möglicherweise einen

185 Kott 2008, S. 378 – 379. 186 Ebd., S. 378. Zur Westforschung und ihrem Einfluss auf den Kunstschutz und die Fotokampagnen in Frankreich, vgl. auch Doll 2003, S. 1003 – 1004. 187 Henraux, Albert S., Lettre au Lt.-Colonel MacDonnell pour faire part de l’intérêt que porte le Commissariat au Tourisme à la collection de photos de Marburg, 31 mars 1945, AMAE 209SUP/373 P4. 188 Secret, Jean, Note sur la récupération en Allemagne d’une documentation sur les monuments historiques de France, 2 juin 1946, AMAE 209SUP/373 P4.

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Teil der französischen Negative zerstört.189 Allerdings fokussierte sich in den anschließenden Verhandlungen um eine mögliche Restitution von Fotoplatten die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Marburger Kampagnen und die von der Kunsthistorischen Forschungsstätte erstellten Abzüge fanden kaum mehr Aufmerksamkeit. In den Berichten von Planchenault und Secret klingen zwei Hauptargumentationslinien an, mit denen die französische Forderung der Rückgabe der Fotoplatten auch in den Folgejahren begründet wurde. Das erste Argument zielte auf den Besatzungskontext ab, in dem die Kampagnen durchgeführt worden waren.190 Das zweite betraf die Zugänglichkeit der Fotosammlungen für die französische kunsthistorische Forschung. Zugänglichkeit meinte dabei zunächst den physischen Zugang zu den Fotos als materiellem Objekt – Jean Secret argumentierte zum Beispiel, dass es französischen Kunsthistorikern nicht zuzumuten sei, in einem deutschen Forschungsinstitut nach Bildern französischer Monumente recherchieren zu müssen. In der weiteren Entwicklung der Angelegenheit wurde Zugänglichkeit jedoch auch im Sinne der Bild- und Publikationsrechte verstanden, über die Foto-­­Marburg verfügte und die zur Folge hatten, dass französische Stellen für die Nutzung dieser Fotos zahlen müssten, wenn sie in Marburg verblieben. Ab Herbst 1945 nahm die CRA in Zusammenarbeit mit der Baden-­­Badener Sous-­ Direction des Beaux-­­Arts Kontakt zu den französischen Verbindungsoffizieren bei der Seventh US Army auf, um Recherchen in Marburg zu veranlassen und eine fundierte Basis für den französischen Restitutionsanspruch zusammenzutragen.191 Im Mai 1946 informierte der Bibliothekar Jean Prinet, der für die Sous-­­Commission des Livres auf Mission in der amerikanischen Zone gewesen war, die CRA darüber, dass er in Marburg insgesamt rund 40.000 Fotoplatten mit französischen Baudenkmälern und Monumenten vorgefunden habe, von denen eine Hälfte bereits in den 1930er Jahren, die andere jedoch erst ab 1940 angefertigt worden sei.192 Prinet berichtete auch über die Beurteilung der französischen Restitutionsforderung durch die Amerikaner und die Deutschen. Richard Hamann, der in 189 Planchenault, Notes sur les photographies de monuments et œuvres d’art prises par les Allemands au cours de l’occupation, juillet 1945, AMAE 209SUP/373 P4. 190 Planchenault etwa betonte in ­diesem Zusammenhang, dass die Fotokampagnen zwar „en théorie“ dem Kunsthistorischen Institut Marburg unterstanden. Jedoch s­eien sowohl Hamann als auch seine Studenten in Uniform aufgetreten, mit Militärfahrzeugen ausgestattet gewesen und hätten von Requisitionen profitiert. Die Fotokampagnen hätten insofern aus der Besatzungssituation Profit geschlagen und ­seien überdies auch mit französischen Geldern finanziert worden; außerdem sei es zweifellos die Absicht des Bildarchivs gewesen, mittels der Bildrechte auch nach dem Krieg Gewinne aus der Kampagne zu ziehen. Ebd. 191 Florisoone, Michel, Demande au chef de service de la récupération artistique auprès de la MMAA d’intervenir pour la remise de la collection Marburg à la France, 7 septembre 1945, AMAE 209SUP/373 P4. 192 Prinet, Jean, Note sur les 20 000 photographies exécutées en France par l’Institut de Marburg-­­Lahn pendant l’occupation, mai 1946, AMAE 209SUP/373 P4.

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Marburg nach wie vor als Ordinarius tätig war, widersprach den französischen Argumentationen, wonach Foto Marburg vom Besatzungskontext profitiert habe und auch weiterhin finanzielle Gewinne aus den Fotoplatten ziehen wolle. Die Amerikaner wiederum vertraten den Standpunkt, dass die französische Rückforderung der ab 1940 angefertigten Fotoplatten nicht als Restitution Claim, sondern allenfalls als Reparation im Sinne der restitution in kind behandelt werden könne, deren Regelung durch den Alliierten Kontrollrat zu ­diesem Zeitpunkt jedoch noch ausstand. Auf wissenschaftlicher Ebene sahen die Amerikaner außerdem kritisch, dass die Restitution der ab 1940 erstellten Platten zur Aufteilung eines thematisch zusammengehörigen Materialkorpus führen würde. Als Kompromisslösung schlug Prinet daher vor, den Fotobestand in Marburg mit Aufnahmen französischer Baudenkmäler aus französischen Fototheken abzugleichen und nur ­solche Fotos restituieren zu lassen, für die es in den französischen Fototheken kein Äquivalent gab. Alternativ könne man zur Diskussion stellen, ob Foto Marburg die Negative oder nur Abzüge abzutreten hätte. Zusätzlich müsse Foto Marburg aber in jedem Fall zwei komplette Sätze mit Abzügen der vollständigen Fotokampagnen zur Verfügung stellen.193 Nach Erhalt von Prinets Bericht richtete Albert Henraux im Namen des französischen Staats ein Schreiben an die MFA &A, in dem er offiziell die Restitution der ­Platten forderte, die Foto Marburg ab Mai 1940 in Frankreich aufgenommen hatte.194 Die MFA &A reagierte darauf zunächst mit einer Forderung nach detaillierten Unterlagen zur Identifizierung der fraglichen Objekte, zur Vorgehensweise von Foto Marburg in Frankreich und zu möglichen vertraglichen Regelungen ­zwischen Foto Marburg und der französischen Regierung während der deutschen Besatzung.195 Im Februar 1947 gab John H. Allen, Chief der Restitution Branch in Berlin und somit der MFA &A hierarchisch übergeordneter Zuständiger für Restitutionsfragen, bekannt, dass er die Restitution der 20.000 Fotoplatten, die nach Mai 1940 während der Marburger Fotokampagnen entstanden waren, grundsätzlich für eine gerechtfertigte Forderung halte.196 Nachdem dies geklärt war, richtete Frankreich einen formellen Restitution Claim an die amerikanischen Behörden. Die Bearbeitung des Claims verkomplizierte sich jedoch, als Richard Hamann sich an den Justizminister des Landes Hessen wandte, um die Rechtsgrundlage der französischen Forderung prüfen zu lassen. Rose Valland, bei der Hamann mehrfach vorstellig geworden war, um die Franzosen von ihrer Restitutionsforderung abzubringen, erfuhr im April 1948 durch eine K ­ ontaktaufnahme 193 Ebd. 194 Henraux, Albert, Demande de restitution des photographies de Marburg, 19 juin 1946, AMAE 209SUP/373 P4. 195 Howard, Richard F., Questions about the claim for photographs in the Marburg Institute, 14 October 1946, AMAE 209SUP/373 P4. 196 Allen, John H., French Claim on Photo-­­Marburg, conclusions drawn, February 19, 1947, AMAE 209SUP/373 P4.

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mit der MFA&A von der Anrufung der hessischen Justiz.197 Ihre amerikanischen Ansprechpartner teilten ihr überdies im Vertrauen mit, dass Hamann mehrere ehemalige MFA&A-­ Offiziere um ihre Unterstützung gebeten hatte, und Bancel LaFarge sowie James Rorimer sich infolgedessen aus den USA gegen die Restitution der Marburger Fotoplatten ausgesprochen hätten. Daraufhin habe sich MFA&A-Chief Richard Howard mit General Clay über den Fall ins Benehmen gesetzt. Clay wiederum – „dont vous connaissez la francophobie“ – habe sich überrascht gezeigt, dass die französische Restitutionsforderung nicht schon längst zurückgewiesen worden sei. Offenkundig war die Position der Amerikaner, die ohnehin von Anfang an nicht durchgehend offen gegenüber den französischen Forderungen gewesen waren, inzwischen dabei, sich zu Ungunsten der Franzosen zu verschieben. Valland schlug infolgedessen vor, dass der französische Erziehungsminister ein Protestschreiben aufsetzen solle, das General Koenig direkt an General Clay weitergeben könne, und schloss: „C’est maintenant une affaire de Gouvernement et il faut aller vite.“ 198 Das Erziehungsministerium setzte infolgedessen nicht nur ein Protestschreiben an General Clay auf, sondern gab auch ein Rechtsgutachten in Auftrag, das den französischen Anspruch nochmals juristisch untermauern sollte. Juristisch argumentierten die Franzosen auf der Basis der Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 über die Nichtigkeit von Enteignungen durch den Feind. Die Erklärung unterschied drei Kategorien, nämlich „a) les droits, b) les biens c) les intérêts“ 199, also Enteignungen von Rechten, Vermögen und Zinsen. Für den Fall Foto-­­Marburg sei, so der Tenor des Rechtsgutachtens, nicht so sehr die Frage relevant, ob es sich bei den Fotoplatten um Kulturgüter handele, die den alliierten Prinzipien der Kunstrestitution unterlagen. Ausschlaggebend ­seien vielmehr die Bild- und Verwertungsrechte, die mit den Fotos verknüpft ­seien. Nach französischem Recht sei nicht nur relevant, wer der materielle Eigentümer der Fotos sei, sondern auch wer oder was auf den Fotos abgebildet sei. Damit Fotos von Monumenten publiziert werden könnten, müssten die Eigentümer dieser Monumente daher ihr Einverständnis geben. Foto Marburg aber habe Aufnahmen französischer Baudenkmäler gemacht, ohne vom französischen Staat oder sonstigen Eigentümern die Erlaubnis für die Erstellung der Fotos oder ihre Verwertung in Publikationen oder ähnlichem eingeholt zu haben. Aufgrund dieser Verletzung der französischen Verwertungsrechte ­seien die Fotoplatten daher zu restituieren.200

197 Valland, Rose, Lettre à J. Jaujard sur la restitution de la collection Marburg, 15 avril 1948, AMAE 209SUP/373 P4. 198 Ebd. 199 Perchet, René, Memorandum répondant à celui du OMGH du 15 avril 1948, 23 juin 1948, AMAE 209SUP/373 P4. 200 Lerebourg-­­Pigeonniere, Affaire des restitutions des clichés de Marburg, 28 octobre 1948, AMAE 209SUP/373 P4.

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Aus amerikanischer Perspektive stellte sich die juristische Einschätzung der Lage etwas anders dar. In einer Stellungnahme zum Fall Foto Marburg im Mai 1948 wies John H. Allen darauf hin, dass für die Frage, ob eine Restitution rechtmäßig sei, zum einen geprüft werden müsse, inwieweit die Erstellung der Fotoplatten und ihre Nutzung durch Foto-­­Marburg „any loss to the cultural heritage of France“ darstelle, weil Frankreich die kommerzielle Nutzung verwehrt bliebe. Zum anderen sei von der Restitution Branch unabhängig von den Copyright-­­Fragen zu klären, inwieweit die Foto-­­Negative überhaupt als „moveable goods of importance or value […] the disappearance of which constitutes a loss to the cultural heritage of the country concerned“ 201 galten und somit unter die amerikanischen Restitutionsbestimmungen fielen. Allen argumentierte auf der Basis, dass rund 90 % der fotografierten Bauwerke und Monumente „within the public domain“ ­seien und somit jeder Aufnahmen von ihnen machen und diese ­nutzen konnte, ohne zuvor eine Erlaubnis einholen zu müssen. Lediglich 10 % der fotografierten Bildmotive s­eien nicht gemeinfrei und ohne vorherige Erlaubnis fotografiert worden. Allerdings handele es sich bei den Fotoplatten als solchen ohnehin nicht um Güter, die von Frankreich selbst produziert worden ­seien, noch sei Frankreich in d ­ iesem Falle Eigentum weggenommen worden. Somit lägen weder Enteignung noch Verluste des französischen Kulturerbes vor, weshalb der Restitution Claim nicht angenommen werden könne. Pro forma fügte Allen hinzu, dass die Franzosen gerne noch eine vollständige Dokumentation der Aktivitäten von Foto-­­Marburg während der Besatzung einreichen könnten, um gegebenenfalls nachzuweisen, ob Foto-­­Marburg in militärischem Auftrag handelte oder für die Kampagnen auf französische Materialien zurückgegriffen hatte.202 Am 13. August 1948 allerdings schrieb Orren McJunkins von der Restitution Branch an Marcel Coignard von der Direction Réparations-­­Restitutions, dass mangels französischen Beweisen für einen Entzugsvorgang die Akte geschlossen worden sei, was Albert Henraux in Paris freilich erst im Oktober 1948 erfuhr.203 Diese juristische Argumentation bildete aus amerikanischer Perspektive zwar einen wichtigen Teilaspekt des Falls; sie allein war jedoch nicht ausschlaggebend für die amerikanische Positionierung. Die ehemaligen MFA&A-Offiziere Bancel LaFarge und James Rorimer etwa führten neben den eigentumsrechtlichen Aspekten auch wissenschaftliche Argumente gegen die Rückgabe an. LaFarge etwa gab zu bedenken, dass durch die Restitution ein thematisch zusammengehöriges Ensemble im Marburger Bildarchiv auseinandergerissen würde, was der Marburger Fotosammlung schade. Außerdem ­seien die Fotoplatten auch deshalb besser in Marburg aufgehoben, weil die französischen Fototheken ein weniger ausgefeiltes Katalogsystem zur Erfassung ihrer Bestände besäßen und generell nicht gerade für die Zugänglichkeit ihrer Archive bekannt s­ eien. Auf den exzellenten internationalen Ruf des Marburger Instituts 201 Allen, John H., Restitution of Photographic Negatives to France, 25 mai 1948, AMAE 209SUP/373 P4. 202 Ebd. Vgl. dazu auch Kurtz 2006, S. 196 – 197. 203 McJunkins, Orren, Restitution Marburg collection, 13 août 1948, AMAE 209SUP/373 P4.

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und Richard Hamanns starke Anhängerschaft in den USA verwies auch James Rorimer, der sich ebenfalls gegen eine Restitution aussprach. Neben Zweifeln an der legalen Fundiertheit des französischen Claims spielten daher auch kunsthistorische Eigeninteressen in Bezug auf die Integrität der Marburger Sammlungen sowie die Befürchtung, im Falle einer Restitution der Platten mit Hamann einen wichtigen Kooperationspartner aus der deutschen Kulturelite zurückzuweisen, eine Rolle in der amerikanischen Entscheidung, den Claim abzulehnen.204 Weder die CRA noch die Direction Générale de l’Architecture waren jedoch bereit, die französische Restitutionsforderung fallen zu lassen. Nach Erhalt von Allens Stellungnahme im Mai 1948 hatten beide Pariser Institutionen weiterhin daran gearbeitet, eine umfassendere Dokumentation des Claims zusammenzustellen. Neben dem Exposé der juristischen Lage umfasste diese nun auch kommentierte Abschriften von Berichten, die Richard Hamann sowie Franz Graf Wolff-­­Metternich vom Kunstschutz über die Marburger Fotokampagnen erstellt hatten.205 Jedoch kam auch der Chief der amerikanischen Restitution Branch Orren McJunkins zum Schluss, dass die französischen Forderungen nicht durch die alliierten Restitutionsbestimmungen abgedeckt s­eien, und schlug den Franzosen vor, ihre Interessen auf anderen Verhandlungswegen durchzusetzen.206 Nach Rücksprache mit der französischen Restitutionsmission in der US -Zone beschloss Rose Valland daher im Januar 1949, „de remettre l’affaire sur le plan politique“ 207. Im Mai 1949 204 Kurtz 2006, S. 197 – 198. 205 Bei Metternichs Bericht handelte es sich um einen rund 25-seitigen deutschsprachigen Abschlussbericht, den dieser im April 1942 direkt im Anschluss an die Kampagnen erstellt hatte. Die Übersetzung des Textes ins Französische hatte Rose Valland im September 1948 beim Bureau Central des Restitutions in Baden-­­Baden in Auftrag gegeben. Wolff-­­Metternich, Franz Graf, Rapport de clôture concernant l’activité du Service scientifique et artistique en France du 1. 10. 1940 au 30.09 (31.12) 1941 Abschließender Bericht über die Tätigkeit des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabes in Frankreich in der Zeit vom 1. 10. 1940 – 30.09. (bzw. 31.12.) 1941, 30. April 1942, AMAE 209SUP/373 P4, und Valland, Rose, Note au Col. Bizard au sujet du rapport Metternich, 30 septembre 1948, AMAE 209SUP/373 P4. Hamanns Bericht hingegen war erst nach 1945 in Reaktion auf die französische Restitutionsforderung erstellt worden und hob bei der Beschreibung der Fotokampagnen daher insbesondere die Argumente hervor, mit denen Hamann die französischen Forderungen zu entkräften suchte. Hamann sans date [après-­­guerre], Bericht über die während des Krieges in Frankreich durchgeführte Fotokampagne des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Marburg-Lahn, AMAE AC 39/9. Die französischen Kommentare beider Berichte wiesen jeweils auf inhaltliche Abweichungen hin und betonten die Aspekte, die die französische Restitutionsforderung untermauern konnten, so beispielsweise den militärischen Charakter der Kampagnen. Quelques commentaires sur différents points du Rapport Hamann (sans date), AMAE AC 39/9, und Quelques commentaires sur différents points du Rapport Metternich (sans date), AMAE AC 39/9. 206 McJunkins, Orren, Documentation of the claim on Photo-­­Marburg, 13 décembre 1948, AMAE 209SUP/373 P4. 207 Valland, Rose, Lettre à Albert Henraux avec proposition pour démarche Marburg, 25 janvier 1949, AMAE 209SUP/373 P4.

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erhielt General Clays politischer Berater M. Reddleberger ein Memorandum seines französischen Amtskollegen Jean de Noblet, das die Entwicklung der französisch-­­amerikanischen Restitutionsverhandlungen resümierte und mit einem Appell für die Restitution der Fotoplatten schloss.208 Reddleberger bestätigte in seiner Antwort jedoch nur, dass er McJunkins Standpunkt, wonach die Negative nicht restituierbar ­seien, teile, und verwies abschließend auf die Möglichkeit, dass Frankreich im Falle eines F ­ riedensvertrags mit Deutschland einen erneuten Restitutionsantrag stellen könne, der aber dann die USA nicht mehr beträfe.209 Damit war der französische Restitution Claim bei den US -Behörden endgültig gescheitert. Gerade aufgrund seines Scheiterns verdeutlicht der Fall Foto Marburg besonders exemplarisch, auf w ­ elchen verschiedenen Ebenen die französischen und amerikanischen Akteure Restitutionen miteinander kommunizierten und wie die Restitutionspraxis mit politischen Interessen verflochten war. Da es sich bei den Fotoplatten um Abbilder französischen Kulturerbes handelte, deren Nutzung und Verwertung – so das Argument des als Anspruchsteller auftretenden Erziehungsministeriums – unter französischer Kontrolle stehen müsse, verhandelte der Claim französische Nationalinteressen. Seine Ablehnung offenbarte jedoch, dass auch auf amerikanischer Seite politische und kunsthistorische Interessen die Beurteilung des Falls beeinflussten, weshalb die Verhandlungen sich auf politische Kanäle verlegten. Diese Veränderung des Verhandlungsrahmens ging einher mit einer Verschiebung der inhaltlichen Argumentationsebenen: Hatten anfangs noch der Besatzungskontext der Fotokampagnen und moralische Erwägungen das französische Anrecht auf eine Restitution der Fotoplatten begründet, so wurde bei den politischen Verhandlungen zunehmend juristisch mit der bildrechtlichen Dimension argumentiert. Über seine Beispielhaftigkeit für die verflochtenen Verhandlungsebenen bei der Aushandlung von Restitutionsfällen hinaus zeigt der Fall Foto-­­Marburg zugleich, dass bei diesen Verhandlungen Rechtsfragen und moralische Überlegungen, aber auch kunsthistorische, wirtschaftliche und nationalistische Interessen aufeinandertrafen. Sowohl amerikanische als auch französische Akteure äußerten ein kunsthistorisches Interesse an den Marburger Fotoplatten; dabei argumentierten sie jedoch in gegensätzliche Richtungen. Amerikanische Kunsthistoriker betonten den Ensemblecharakter der Fotoplatten und wehrten sich daher gegen eine Trennung der Aufnahmen rein aufgrund der verschiedenen Kontexte, in denen sie entstanden waren. Auch war die Zugänglichkeit der Sammlung für sie bedeutsamer als ihr Standort. Für die Franzosen hingegen war der kunsthistorische Aspekt der Angelegenheit unmittelbar mit wirtschaftlichen und nationalistischen Überlegungen verbunden. Aus ihrer Perspektive waren die Fotos der monuments historiques Abbilder des französischen 208 Noblet, Jean de, Note remise au conseiller politique américain M. Reddleberger sur la restitution des clichés de Foto-­­Marburg, 24 mai 1949, AMAE 209SUP/373 P4. 209 Reddleberger, M., Memorandum on the Photo-­­Marburg claim, 13 juin 1949, AMAE 209SUP/373 P4.

130 I Die Besatzungszeit 1945 – 1949

patrimoine, die jedoch in einem Besatzungskontext entstanden waren. Indem die Aufnahmen nach dem Krieg im Marburger Bildarchiv verblieben, waren sie der französischen Forschung zum nationalen Kulturerbe überdies nur eingeschränkt zugänglich, und implizit verblieb die Hoheit über die Forschungen zu den Monumenten bei den Deutschen. Dieser Zustand war nicht zuletzt auch deshalb unhaltbar, weil er auf die Niederlage von 1940 und die darauffolgenden Jahre der Besatzung verwies und somit die französische Selbstdarstellung als Siegermacht in Frage stellte. Ebenso schwer wog in ­diesem Zusammenhang der Umstand, dass Foto-­­Marburg wirtschaftlichen Profit aus den Verwertungsrechten zu den Fotos schlagen konnte. Die Rückforderung der Fotoplatten folgte daher dem doppelten Interesse, sowohl die kunsthistorische Forschung als auch die kommerzielle Verwertung des eigenen nationalen Kulturerbes unter französische Kontrolle zu bringen. Insofern als die Negative nach französischer Interpretation den Charakter einer Kriegsbeute besaßen, haftete ihrer Restitution an Frankreich außerdem etwas Symbolisches an, da die deutsche kulturelle Aneignung französischer Kulturgüter im Kriegskontext somit rückgängig gemacht und die französische kulturelle Integrität wiederhergestellt werden konnte.

2.4.2 „Return of the snake“: Die Rückführungen des Musée de l’Armée Paris Neben Kunstsammlungen, Archiven und Bibliotheken waren in Frankreich auch histo­ rische Fahnen, Insignien und sonstige Militaria systematisch geraubt worden. Unter der Leitung von Hermann Lorey, dem Direktor des Heeresmuseums Berlin, überführte ab 1940 eine Sonderkommission insgesamt 2.027 Stücke aus dem Musée de l’Armée im Invalidendom nach Berlin und stellte sie dort in „Beuteausstellungen“ im Zeughaus zur Schau. Ein Teil der Objekte wurde anschließend auf die Armeemuseen in München, Wien und Dresden verteilt.210 Erste Recherchen nach diesen geraubten Militaria begannen im Jahr 1946.211 Im Juli nutzte Rose Valland ihren Aufenthalt in Nürnberg, wo sie die Kriegsverbrecherprozesse gegen Alfred Rosenberg und Hermann Göring mit verfolgt hatte, für Recherchen im Germanischen Nationalmuseum. Die 35 Rüstungen, die sie dabei auffand, wurden anschließend über München nach Paris zurückgeführt. Auch im Münchner Armeemuseum gelang ihr 210 Die Vorgehensweise dieser Plünderungskommission zeichnet Juliette Allix exemplarisch am Beispiel einer Rüstung von König Franz I. von Frankreich nach, die nach ihrem Raub ans Armeemuseum Wien ging und dort 1941 ausgestellt wurde. Allix 2015, S. 23. Zur Geschichte des Zeughauses im Zweiten Weltkrieg vgl. auch Weißbrich 2016, S. 285. 211 Zuvor hatten amerikanische Truppen bereits im Sommer 1945 einige Fahnen und Standarten in München aufgefunden und an Frankreich zurückgegeben. Diese wurden 1946 in der Ausstellung in der Orangerie gezeigt.

Beispiele für einzelne Restitutionsfälle  I  131

die Identifizierung mehrerer Kanonen, die jedoch nicht direkt zurücktransportiert werden konnten, da sie im zerstörten Museumsgebäude teilweise verschüttet worden waren. Für das Armeemuseum Dresden schließlich befragte Valland Hermann Voss und brachte in Erfahrung, dass die Waffen und Rüstungen aus dem Invalidendom, die nach Dresden verschickt worden waren, inzwischen wohl von den Trophäenkommissionen in die Sowjetunion verbracht worden ­seien.212 In Ergänzung zu Rose Vallands Forschungen wurde 1946 eine eigene Kommission zur Recherche nach Militärobjekten eingesetzt, die unter der Leitung des Direktors des Service Historique de l’Armée Colonel Louis Blanc stand. Die Aufgabe dieser Kommission bestand darin, gezielt in alle vier Besatzungszonen zu reisen, um dort die Bestände der verschiedenen regionalen Armeemuseen zu überprüfen. Zentral war dabei vor allem die Reise in den sowje­tischen Sektor von Berlin, da sich dort mit dem Zeughaus das wichtigste der deutschen Armeemuseen befunden hatte.213 Über die Ergebnisse dieser Mission de récupération de souvenirs historiques in der amerikanischen Zone geben einige Korrespondenzen von Kommissionsmitglied Commandant Louis Druène, vor allem aber Berichte aus dem Nachlass der MFA &A-Offizierin Edith Standen Aufschluss. Standen war im Januar 1947 von Wiesbaden nach Stuttgart versetzt worden, wo sie das Ein-­­Mann-­­Büro der MFA&A für das Land Württemberg-­­Baden leitete. Während ihrer rund siebenmonatigen Tätigkeit setzte sie sich auch mit den Stuttgarter Museumsbeständen näher auseinander und stellte dabei durch sichergestellte Akten und die Befragung des Direktors der Landeskunstsammlungen fest, dass Objekte französischer Herkunft in die Stuttgarter Bestände eingegangen waren. Da diese nicht im Inventar des Museums verzeichnet waren und die Aktenlage lückenhaft war, mussten Identifizierungen jeweils direkt objektbasiert erfolgen, was aber anhand bestimmter Stempel mit den Inventarnummern des Hôtel des Invalides und den in Rot ergänzten Inventarnummern der Beutekommission der Wehrmacht – die mit der von der Kommission erstellten Liste übereinstimmten – ohne weiteres möglich war. Offenbar, so schloss Standen ihren Bericht 212 Valland, Rose, Témoignage sur le tribunal de Nuremberg, sans date, AN 20150497/216. Vgl. auch Valland, Rose, Note pour le colonel Blanc sur les collections prises par les Allemands au Musée de l’Armée à Paris et affectées au musée de Dresden, 5 juillet 1946, NARA RG 260, A1, Entry 516, M1946, Roll 65. 213 In den Akten des Service de Liaisons des GMZFO ist der Ablaufplan für eine dieser Reisen überliefert: Nach einer k­ urzen vorbereitenden Phase in Baden-­­Baden sollte die Mission zunächst im Juli 1947 nach Berlin und in die britische Zone reisen, anschließend sollte eine zweite Mission in die amerikanische sowie die sowjetische Zone führen. Neben den großen Standorten in Berlin, München, Dresden und Wien sollten auch die kleineren Armeemuseen in Hannover, Hamburg, Bremen, Stuttgart, Karlsruhe oder Nürnberg besucht werden. Général de Brigade Navarre, Note pour le Ministre de Guerre sur l’organisation de la mission de récupération sur les musées militaires allemands, dirigée par le Général Blanc, Directeur du Musée de l’Armée, 25 mai 1947, AMAE SL 22/1. Vgl. auch Allix 2015, S. 23.

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ab, sei es gängige Praxis gewesen, dass vom Berliner Zeughaus aus Bestände an die übrigen Armeemuseen in den einzelnen Regionen des Deutschen Reichs umverteilt wurden, und zwar „to the most appropriate museum.“ 214 Damit war gemeint, dass beispielweise Militaria, die Bezug auf die württembergische Geschichte nahmen oder in Kriegen mit französischer und württembergischer Beteiligung eine Rolle gespielt hatten, nach Stuttgart geschickt wurden; Bestände mit Bezug etwa zur bayerischen Geschichte hingegen gelangten nach München, preußische Bestände blieben in Berlin. Noch ausführlicher und narrativer gab Edith Standen die Ergebnisse ihrer Forschungen zu den Beständen des Musée de l’Armée im Entwurf eines Aufsatzes mit dem Titel „Return of the Snake“ wieder, der sich in ihrem Nachlass befindet. Der Titel spielt auf die sogenannte „Couleuvrine wurttembergeoise“ oder auch „Schlange von Württemberg“ an 215, eine frühneuzeitliche Kanone vom Typ der sogenannten Feldschlange, deren Entdeckung – vergraben im Stuttgarter Schlossgarten – und Restitution an Frankreich im Mittelpunkt von Standens Bericht stand. Gleichzeitig skizzierte sie die Geschichte der Kanone und die Argumentationen, mit denen deutsche Museumsmitarbeiter auf ihrem Verbleib in Stuttgart beharrten. Nach der Darstellung von Commandant Druène sei die Feldschlange, so Standen, 1593 in Wien gegossen worden, anlässlich einer geplanten Fürstenhochzeit z­ wischen Württemberg und Österreich, die aber nicht zustande kam, weshalb die Kanone in Wien verblieb. 1805 wurde sie von Napoleon als Kriegsbeute nach Frankreich gebracht, 1815 – anders als viele andere Militaria – jedoch nicht restituiert, weil sie zwischenzeitlich nach Straßburg verlagert worden war. Ihr Wert sei allerdings durchaus in die Kalkulation der von Frankreich zu zahlenden Kriegsreparationen eingegangen. Ab 1830 sei sie dann Teil der Sammlung im Invalidendom gewesen.216 Standen zufolge zweifelten die deutschen Museumsleute den ersten Teil dieser Geschichte an; aufgrund der verschiedenen Religionszugehörigkeiten von Württembergern und Österreichern hielten sie die Th ­ eorie, wonach die Feldschlange als Hochzeitsgeschenk gegossen worden sei, für unplausibel, und glaubten stattdessen, dass sie erst kurz vor ihrer Beschlagnahme durch Napoleon von Ulm aus nach Wien verbracht worden sei. Standen selbst kommentierte die deutsch-­­französische Auseinandersetzung um die Geschichte der Feldschlange mit dem trockenen Hinweis

214 Standen, Edith A., Identification of objects from the Army Museum, Paris, March 17, 1947, NARA, RG 260, A 1, Entry 622, M1947, Roll 14. 215 Standen erwähnt im Bericht lediglich den deutschen Namen der Kanone, also „Schlange von Württemberg“; die französische Bezeichnung als „Couleuvrine wurttembergeoise“ lässt sich aus französischen Berichten über die Restitution herleiten. Vgl. Standen, Edith A., Return of the Snake. Extracts from a German diary, 1949, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.7, und Blanc, Général, Note de remerciement pour Edith Standen, 5 juin 1946, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.7. 216 Vgl. dazu auch Druene, Commandant Louis, Lettre à Edith Standen, 27 avril 1947, AN 20150497/216.

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darauf, dass diese Ursprungsdebatte für die Klärung der Eigentumsverhältnisse irrelevant sei, stellte aber auch fest, dass [c]uriously enough, their feeling of being the rightful owners was not based so much on the fact that Napoleon or the Austrians had stolen it in the first place; the cannon had been made on the sacred soil of Württemberg, Stuttgart was its only true home – a sentiment much the same as that of Admiral Lorey. The weapons and pieces of armor, which were unimportant, they could part with without tears, but a truly great work of German art! To remove it was robbery.217

Interessanterweise leiteten die deutschen Museumsleute ihren Anspruch auf die Feldschlange gerade nicht aus der mehrfachen Raubgeschichte des Objekts her, sondern sahen einzig und allein die ursprüngliche württembergische Provenienz als relevant an. Anders als etwa bei den im Herbst 1945 von General Patton an Frankreich zurückgegebenen Fahnen und Standarten, deren Restitution ihre jeweilige Beutenahme im napoleonischen Krieg und dem Deutsch-­­Französischen Krieg symbolisch rückgängig machte und somit die Bedeutung der Fahnen überschrieb 218, war die spätere Verlagerung der Kanone nach Frankreich somit für ihre historische Bedeutung unerheblich. Dass dem so war, lag daran, dass die württembergische Feldschlange von vorneherein zu reinen Repräsentationszwecken gegossen worden war und niemals militärische Bedeutung besessen hatte. Demzufolge war sie auch nicht mit spezifischen historischen Siegen oder Niederlagen verknüpft, sondern bereits zur napoleonischen Zeit allein aufgrund ihrer künstlerischen und handwerklichen Qualität beschlagnahmt worden. Genau diese museale Qualität war es auch, aus der sich die Stuttgarter Ansprüche herleiteten – da für die Restitution jedoch nicht der Entstehungskontext des Objekts, sondern seine Eigentumsverhältnisse vor der Beschlagnahme im Zweiten Weltkrieg zählten, wurde die Feldschlange letztlich nach Frankreich zurückgeführt.219 Insgesamt kann die Rückführung von Militaria des Musée de l’Armée aus allen vier Besatzungszonen als Erfolgsgeschichte betrachtet werden. Selbst aus der sowjetischen Besatzungszone gelangen Rose Valland noch zu Beginn der 1950er Jahre Rückführungen von Militaria; so konnte sie beispielsweise in Rücksprache sowohl mit sowjetischen als auch deutschen Stellen erreichen, dass einige bereits zur Einschmelzung bestimmte Kanonen aus dem Berliner Zeughaus an Frankreich restituiert wurden. Allerdings musste Frankreich im Gegenzug eine gewisse Menge Rohmetall an die DDR liefern, um den durch die Restitution entstehenden Rohstoffverlust zu kompensieren.220 Dass die Zusammenarbeit ­zwischen 217 218 219 220

Standen, Edith A., Return of the Snake. Extracts from a German diary, S. 26 – 27 des Typoskripts. Ministère de l’Education nationale 1946, S. 84. Standen, Edith A., Return of the Snake, S. 34 – 35 des Typoskripts. Valland, Rose, Bordereau d’envoi sur la restitution de canons et recherche de drapeaux du Musée de l’Armée, 18 décembre 1950, AMAE AC 42/4a. Im Falle einer bestimmten Kanone aus dem 16. Jahrhundert konnte Valland mit Hinweis auf den künstlerischen Wert der Kanone eine E ­ inschmelzung

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französischen und amerikanischen Akteuren bei der Rückführung recht unkompliziert ablief und die französischen Ansprüche so gut wie nie umstritten waren, lag unter anderem daran, dass die Provenienz der Objekte aus dem Musée de l’Armée dank der Akten der Beutekommission der Wehrmacht oder Hinweisen auf den Objekten selbst leicht nachweisbar war. Zugleich spielte aber auch die Spezifik der Objekttypen, die zurückgeführt wurden, eine Rolle für den Erfolg dieser Restitutionen. Traditionell gehörten Kanonen, Fahnen und Waffensammlungen zu einer Kategorie von Objekten, deren Beutenahme trotz der Zunahme völkerrechtlich regulierter Plünderungsverbote weitgehend akzeptiert wurde. Wie Juliette Allix am Beispiel der Rüstung von König François Ier von Frankreich verdeutlicht, war es unter diesen Voraussetzungen für Frankreich möglich, die Rückgabe einiger Objekte unter Berufung auf eine „demande de matériel de guerre par l’Armée pour l’Armée“ zu fordern. Vereinzelt wurden daher Rückführungen von Armeematerialien unter vollständiger Umgehung der CRA organisiert.221 Gleichzeitig war seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine Patrimonialisierung von Militaria feststellbar; militärische Gegenstände wurden zunehmend als historisches Material mit musealem Charakter verstanden und als solches ausgestellt, was diese Gegenstände stärker in die Nähe von Kulturgütern rückte. Diese Bedeutungsverschiebung zeigt sich auch darin, dass militärische Gegenstände nach dem Verständnis nicht nur der CRA , sondern auch der übrigen Alliierten als Teil der Kultur­güter definiert wurden, für die die Bestimmungen zu kulturellen Restitutionen gelten sollten.222 Diese Duplizität wirkte auch auf die Praxis ihrer Rückführung zurück, die zum Teil in direkter Analogie zur Rückführung von Kulturgütern erfolgte und über Collecting Points, Restitutionskonvois und die Intervention der CRA abgewickelt, zum Teil aber auch separat von den Mechanismen der kulturellen Restitution gehandhabt wurde, etwa in Gestalt der „Mission pour la récupération des souvenirs historiques“. Nicht zuletzt auch deshalb sind die Rückführungen von militärischen Objekten als Sonderfall innerhalb der Restitution von Kulturgütern zu werten.

verhindern. Da die Kanone infolgedessen aber in ein Museum in Dresden verbracht wurde, begannen die Restitutionsverhandlungen von neuem, da durch die Umlagerung der Kanone andere Behörden für die Verhandlungen zuständig wurden. 221 Allix 2015, S. 25. 222 Ebd., S. 25.

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3. Die Zeit nach 1949 Der Abschluss der Restitutionen Zum Ende des Jahres 1949 galt das amerikanische Programm der Kulturrestitutionen vorerst als abgeschlossen. Die deutschen Museumsbestände im CCP Wiesbaden waren an die Hessische Treuhandverwaltung überantwortet worden, sodass sich in Wiesbaden nur noch nicht identifizierte Restbestände aus jüdischem Besitz unter direkter amerikanischer Verwaltung befanden. Der Münchner CCP mit einem Restbestand, der sich vor allem aus dem Bestand des „Sonderauftrags Linz“ sowie Teilen der Sammlungen von Hermann Göring, Martin Bormann und anderen hohen NS-Funktionären zusammensetzte, unterstand der Leitung von Eberhard Hanfstaengl und der Treuhänderschaft des bayerischen Ministerpräsidenten. Da nicht alle Werke aus d ­ iesem Bestand klar identifiziert waren und darin noch restitutionspflichtige Provenienzen vermutet wurden, sollten die deutschen Mitarbeiter des Münchner CCP die Recherchen fortsetzen. Dabei behielten sich die Amerikaner die abschließende Entscheidungsbefugnis über alle weiteren Restitutionen vor.1 Nicht nur das formale Ende der direkten Zuständigkeit der Amerikaner bedingte eine Änderung in den Rahmenbedingungen der Kulturrestitutionen nach 1949. Durch das Inkrafttreten des Besatzungsstatuts und die Einrichtung der Alliierten Hohen Kommission änderten sich auf amerikanischer wie auch auf französischer Seite die Strukturen für die Umsetzung aller weiteren kulturellen Restitutionen. Kontinuität herrschte hingegen bezüglich der Hauptfragen, die die Restitutionspolitik ab 1949 bestimmten: Nach wie vor dominierten die Modalitäten der finalen Übergabe der Restitutionen an die Deutschen und der endgültigen Schließung der Central Collecting Points, aber auch die Frage nach dem Umgang mit den Restbeständen aus dem „Sonderauftrag Linz“ und insbesondere österreichische Rückgabeforderungen den interalliierten Diskurs. Stärker als zuvor wurden nun jedoch auch deutsche Kulturschaffende und Akteure aus der neu gebildeten westdeutschen Bundesregierung zu Verhandlungspartnern in der Klärung dieser Fragen. Sowohl die französische als auch die amerikanische Positionierung zur Frage der kulturellen Restitutionen war dabei mehr denn je von allgemeinen deutschlandpolitischen und gesamteuropäischen Entwicklungen beeinflusst. Bestimmende Faktoren für die Deutschlandpolitik und die Integration der Bundesrepublik in das westeuropäische und transatlantische Staaten- und Bündnissystem waren der Kalte Krieg und der amerikanische Antikommunismus. Speziell im deutsch-­­französischen Verhältnis prägten sich mit dem Schuman-­­Plan außerdem erste Konzeptionen für den europäischen Integrationsprozess heraus. Vor d­ iesem Hintergrund verloren kulturelle Restitutionen sowohl in der amerikanischen als auch der französischen Politik insgesamt an Gewicht, ohne aber komplett von der politischen Agenda 1 Heuß 2007, hier S. 18 – 19, und Lauterbach 2015, S. 188.

zu verschwinden. Wie der Prozess des Abschlusses der alliierten kulturellen Restitutionen verlief und ­welche Konflikte dabei im französisch-­­amerikanischen Verhältnis im Mittelpunkt standen, ist Gegenstand des folgenden Kapitels.

3.1 Der Übergang zur Alliierten Hohen Kommission und die Deutschlandpolitik ab 1949 Im September 1949 wurden die Militärregierungen der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone aufgelöst. An die Stelle des Alliierten Kontrollrats in Berlin trat die Alliierte Hohe Kommission mit Sitz in Bonn, die laut Besatzungsstatut alliierte Kontrollrechte gegenüber der Bundesrepublik Deutschland wahrnahm. Die Alliierten Hohen Kommissare – John J. McCloy für die USA, André François-­­Poncet für Frankreich und Brian Robertson für Großbritannien – übernahmen zugleich für die jeweiligen einzelnen Zonen die zivile Nachfolge der Militärgouverneure.2 In der amerikanischen Besatzungszone übernahm der High Commissioner for Germany (HICOG) die Funktionen der vormaligen Militärregierung. Das Hauptquartier in Frankfurt gliederte sich in insgesamt acht Abteilungen (Ökonomische Angelegenheiten, Politische Angelegenheiten, Allgemeiner Rat, Militärischer Sicherheitsrat, Arbeiterangelegenheiten, Geheimdienst, Öffentliche Angelegenheiten und Verwaltung).3 Das Thema Restitutionen blieb – in Kontinuität zur Struktur von OMGUS – Zuständigkeit der Property Division, die nach wie vor der Wirtschaftsabteilung (Office of Economic Affairs) unterstand. Allerdings war bereits im Dezember 1948 die MFA&A der Education & Cultural Relations Division zugeschlagen worden. Ein Teil der Offiziere aus der personell stark reduzierten Abteilung nahm infolgedessen auch unter der Verwaltung von HICOG vermehrt kulturelle Aufgaben wahr – so wurde Stephan P. Munsing, ehemals Direktor des CCP München, im Verlauf des Jahres 1949 zum Direktor des Münchner Amerika-­­Hauses berufen. Auch sein Wiesbadener Amtskollege Theodore A. Heinrich firmierte offiziell als Cultural Affairs Officer mit Zuständigkeit für die hessischen Museen. Gleichzeitig beaufsichtigte er die nach wie vor unter direkter amerikanischer Kontrolle verbleibenden Restitutionen im CCP Wiesbaden und war überdies für die Ausübung der amerikanischen Kontrollrechte bei den offenen Restitutionsfragen im unter deutscher Verwaltung stehenden CCP München verantwortlich.4 Im Verlauf des Jahres 1950 zeichnete sich ab, dass die indirekte, von Wiesbaden aus durchgeführte amerikanische Aufsicht über den Münchner CCP nicht ausreichte. Nach wie vor beharrte Österreich auf seinen bereits 1948 erstmals geäußerten Forderungen, wonach sämtliche im Depot Altaussee aufgefundenen Objekte aus dem Münchner Restbestand – darunter 2 Miard-­­Delacroix 2004, S. 161. 3 Rupieper 1991, S. 25 – 27. 4 Kurtz 2006, S. 127.

Der Übergang zur Alliierten Hohen Kommission und die Deutschlandpolitik ab 1949  I  137

zahlreiche Erwerbungen für den „Sonderauftrag Linz“ – nach Österreich zu restituieren s­ eien. Da diese Rückforderungen als äußere Restitution von den Amerikanern selbst zu bearbeiten waren, wurde der CCP München im Herbst 1950 kurzfristig erneut unter die Zuständigkeit eines amerikanischen Direktors gestellt. Mit S. Lane Faison wurde ein amerikanischer Kunsthistoriker auf den Posten berufen, der bereits 1945 – 1946 für die ALIU zu den Erwerbungen des „Sonderauftrags Linz“ ermittelt hatte und somit die erforderlichen Vorkenntnisse mitbrachte, um die Recherchen zu den Linz- und Altaussee-­­Provenienzen leiten zu können.5 Direkter Vorgesetzter Faisons war der hessische Cultural Affairs Adviser. Nach ­Theodore Heinrichs Rückkehr in die USA im Sommer 1950 kehrte auch für diese Funktion ein ehemaliger MFA&A-Offizier nach Deutschland zurück: Thomas Carr Howe hatte bereits z­ wischen Sommer 1945 und Frühjahr 1946 für die MFA &A gearbeitet und kannte insbesondere Frankfurt und Wiesbaden noch als seine früheren Einsatzorte. Da er in seiner Funktion als Leiter des CCP Wiesbaden für die verbleibenden äußeren Restitutionen zuständig war, unterstand er der Property Division. Zugleich sprach Howe sich regelmäßig direkt mit dem US State Department ab, wo die Kunsthistorikerin Ardelia Hall als Fine Arts & Monuments Adviser für die Koordinierung von Kulturgüterschutz-­­Belangen zuständig war.6 Auch nach der definitiven Schließung der beiden Collecting Points im Sommer 1951 blieb diese Abteilung des State Department bestehen, sodass Ardelia Hall in den frühen 1950er Jahren zur direkten Ansprechpartnerin auch deutscher Akteure in Fragen von Kulturgutverlusten und kulturellen Restitutionen werden sollte.7 Auf französischer Seite brachte der Übergang von der französischen Militärregierung zum Haut-­­Commissariat de la République Française en Allemagne (HCRFA) eine grundlegende Veränderung der Verwaltungsstrukturen der récupération artistique mit sich. Das HCRFA unter der Leitung des Diplomaten André François-­­Poncet nahm seinen Sitz in Mainz und gliederte sich in vier Generaldirektionen für die Schwerpunkte Politik (Affaires politiques), Justiz ­(Affaires judiciaires), Wirtschaft (Affaires économiques et financières) und Kultur ­(Affaires culturelles). Die Direction Générale des Affaires Culturelles, die bis 1951 von Raymond ­Schmittlein geleitet wurde, stand in der direkten Kontinuität der Direction de l’Education Publique und setzte mit dem Service des Relations Artistiques sowie dem Bureau de l’Expansion Artistique das Kulturprogramm der vormaligen Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts fort.8 Obwohl die récupération artistique Teil der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts gewesen war, wurde ihre

5 Lauterbach 2015, S. 188. 6 Greg Bradsher, Before she became the Ardelia Hall of the Department of State (15./17. Juli 2014), in: NARA (Hrsg.), The text message. The work and discoveries of procession and reference archivists on the job. [Blog], URL : http://blogs.archives.gov/TextMessage/2014/07/15/ardelia-­­hall-­­part-­­i/ (abgerufen am 01. 11. 2016). 7 Kurtz 2006, S. 203 – 204. 8 Vgl. Plum 2007, S. 176 – 177. Vgl. auch Schieder 2005, S. 32, für die Binnenorganisation der Direction Générale des Affaires Culturelles.

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neustrukturierte Nachfolgeorganisation nicht der Kulturabteilung des HCRFA zugeordnet, sondern unterstand zumindest bis 1951 direkt dem Kabinett des Hohen Kommissars. Auch intern wurde sie grundlegend reformiert, indem Elemente aus den mit Restitutionen befassten Organen der ehemaligen französischen Besatzungsverwaltung zusammengefasst wurden: Der Central Collecting Point Baden-­­Baden, das Bureau Central des Restitutions (BCR) und Teile der ehemaligen Direction Réparations-­­Restitutions bildeten nun den sogenannten Service de Remise en Place des Œuvres d’Art (SRPOA). Die Leitung d ­ ieses Service lag in den Händen von Rose Valland, die nach wie vor in Berlin ansässig war; gleichzeitig verfügte der SRPOA über eine Außenstelle in Baden-­­Baden, die insbesondere den dortigen CCP und die Akten des BCR beaufsichtigte. Das Personal ­dieses Service umfasste dementsprechend neben Valland und einem kleinen Verwaltungsstab in Berlin auch weiterhin einen Gutteil des Personals des CCP Baden-­­Baden und des BCR, unter anderem Marguerite Azambre, Etienne Bizard und Pierre Rennevier. Darüber hinaus wurde Elie Doubinsky – der sich ab Januar 1949 zunächst unter anderem durch eine zeitlich befristete Anbindung an Vallands Berliner Section Beaux-­­Arts vorübergehend als Delegierter in München hatte halten können 9 – an die Administration des SRPOA angegliedert, blieb jedoch de facto als französischer Repräsentant in München und war weiterhin mit Recherchen im dortigen CCP beauftragt.10 Neben der Reformierung der Strukturen der récupération artistique in Deutschland veränderten sich auch die Zuständigkeiten für die französischen kulturellen Restitutionen im Pariser Ministerialapparat und in der Beaux-­­Arts-­­Verwaltung. Zum 31. Dezember 1949 wurde die Commission de Récupération Artistique aufgelöst. Die verbleibenden offenen Dossiers und Claims gingen in die Zuständigkeit des Office des Biens et Intérêts Privés über. Gleichzeitig wurde die Einrichtung einer Commission de Choix des Œuvres d’Art beschlossen, die aus den Beständen in der Obhut der CRA, die bislang nicht hatten restituiert werden können, eine Auswahl von Kulturgütern treffen sollte, die von den französischen Nationalmuseen treuhänderisch verwaltet werden sollten. Zwischen dem 27. Oktober 1949 und dem 17. Juni 1953 hielt die Commission de Choix insgesamt acht Sitzungen ab, bei der aus einem noch nicht restituierten Bestand von rund 14.000 Objekten insgesamt 2.143 für die Treuhänderschaft der französischen Nationalmuseen übergeben und unter der Sonder-­Inventarnummer „Musées Nationaux Récupération“ (MNR) verzeichnet wurden. Die rund 12.000 Objekte, die anschließend übrig blieben, wurden z­ wischen 1950 und 1953 sukzessive von der Administration des Domaines versteigert.11 Gleichwohl markierten die Auswahl der MNR und die Versteigerung 9 Vgl. dazu Doubinsky, Elie: Information à Henraux sur sa nomination comme adjoint au chef de la Mission Beaux-­­Arts à Berlin, 1er juillet 1949, AMAE 209SUP/138 A87. 10 Valland, Rose, Rapport sur le regroupement des Services de la ZFO et des éléments Réparations-­ Restitutions, 7 décembre 1949, AMAE AC 42/4a, und Valland, Rose, Rapports avec l’ancien Service Réparations-­­Restitutions, sans date, AMAE AC 42/4a. Vgl. auch Lorentz 1998, S. 260. 11 Mission d’Étude sur la Spoliation des Juifs de France 2000, S. 135, und Le Masne de Chermont 2000, S. 50.

Der Übergang zur Alliierten Hohen Kommission und die Deutschlandpolitik ab 1949  I  139

der Restbestände noch nicht den Schlusspunkt der kulturellen Restitutionen. Vielmehr wurde die Übergabe der MNR an die französischen Nationalmuseen an die Bedingung geknüpft, dass die MNR publiziert und ausgestellt werden sollten, damit ihre Eigentümer sie identifizieren und zurückfordern konnten. Überdies wurde die Identifizierung von Objekten französischer Herkunft in Deutschland durch den SRPOA noch bis 1954 fortgesetzt. Der Übergang zur Alliierten Hohen Kommission bedeutete nicht nur eine allgemeine verwaltungsrechtliche Umstrukturierung der alliierten Behörden in Deutschland, sondern ging mit neuen deutschlandpolitischen Leitlinien einher. Im beginnenden Kalten Krieg wurde die neu gegründete Bundesrepublik zunehmend als Verbündete und Partnerin für die westlichen Staaten benötigt. Mit dem Marshall-­­Plan ergriffen die USA bereits 1948 erste Maßnahmen, um in Westeuropa durch wirtschaftlichen Wiederaufbau und westeuropäische Integration neue Stabilität zu schaffen.12 Die Idee, durch wirtschaftliche Integration und Zusammenarbeit Sicherheit zu kreieren, steckte auch hinter dem am 9. Mai 1950 verkündeten Schuman-­­Plan, der auf den französischen Politiker Jean Monnet zurückging und die Vergemeinschaftung der westeuropäischen Montanindustrie vorsah. Wenngleich vom französischen Außenminister Robert Schuman und dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer auch dazu genutzt, um jeweils nationale Ziele zu erreichen – für Adenauer bedeutete sie einen Gewinn an Handlungsspielräumen im Kontext der Rückerlangung der deutschen Souveränität; für Frankreich bildete sie einen Rahmen zur Überwachung Deutschlands –, sollte die Montanunion durch die Einbindung Italiens und der Beneluxstaaten sowie die Schaffung eines gemeinsamen Markts langfristig den Weg für die politische und wirtschaftliche Einigung Westeuropas ebnen.13 Das Konzept der Sicherheit durch Integration beschränkte sich nicht auf den wirtschaftlichen, sondern wurde auch auf den militärischen Sektor übertragen. Die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik wurde einerseits als erforderliche Sicherheitsmaßnahme gegenüber der Bedrohung durch die Sowjetunion betrachtet; andererseits befürchteten jedoch insbesondere die westeuropäischen Staaten, dass Westdeutschland dadurch erneut zu stark werden könnte, weshalb die gleichzeitige Westintegration als zentrale Voraussetzung für die Wiederbewaffnung betrachtet wurde. Noch bevor die Konferenzen über die deutsche Wiederbewaffnung 1951 begannen, schlug daher René Pleven im Oktober 1950 die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vor, die nach den gleichen supranationalen Prinzipien wie die Montanunion funktionieren sollte. Der Idee einer Integration deutscher Militärkontingente in eine europäische Armee stand in den Verhandlungen um die Wiederbewaffnung der Vorschlag einer Integration des europäischen Wehrbeitrags in die NATO gegenüber, den die USA jedoch zunächst ablehnten.14 Das Projekt der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 12 Vgl. dazu Doering-­­Manteuffel 1999, S. 50. 13 Lappenküper 2005, S. 72 – 74. 14 Miard-­­Delacroix 2004, S. 165 – 166, und Lappenküper 2005, S. 73 – 74.

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(EVG) wurde im Mai 1952 unterzeichnet. Die Ratifizierung der EVG, die zusammen mit der parlamentarischen Behandlung der kurz zuvor unterzeichneten Deutschlandverträge zur Aufhebung des Besatzungsstatuts erfolgen sollte, verzögerte sich unter anderem aufgrund von Neuwahlen in Frankreich, bei denen René Mayer Ministerpräsident und Georges Bidault Außenminister wurde. Am 30. August 1954 lehnte die französische Nationalversammlung die Deutschlandverträge letztlich ab, wodurch das EVG-Projekt scheiterte.15 Gegenstand der 1952 unterzeichneten Deutschlandverträge war eine zweite Revision des Besatzungsstatuts gewesen, die die Aufhebung der Mehrzahl der alliierten Kontrollrechte vorgesehen hatte.16 De facto beschleunigte die französische Ablehnung des Deutschlandvertrags aber die Regelung der militärischen Sicherheitsfrage. Nachdem auf der Londoner Außenministerkonferenz der NATO-Beitritt der Bundesrepublik verhandelt worden war, markierte im Oktober 1954 die Unterzeichnung der Pariser Verträge das Ende des Besatzungsstatuts und die Integration Westdeutschlands ins westliche Bündnissystem.17 Die Leitlinien von Integration und Annäherung prägten auch die französische Kulturpolitik der frühen 1950er Jahre, die durch die Förderung deutsch-­­französischer Begegnungen, vor allem aber durch die Etablierung französischer Kulturzentren in Deutschland die Kulturmission der Zeit vor 1949 fortsetzte.18 Auch die Amerikaner setzten basierend auf den Amerikahäusern und kulturellen Austauschprogrammen ihre Politik der re-­­orientation fort, die darauf abzielte, westliches Demokratieverständnis zu kommunizieren, und dabei zunehmend antikommunistisch ausgerichtet war.19 Die Veränderung dieser politischen Rahmenbedingungen wirkte sich auch auf die alliierte Restitutionspolitik aus. Im Kontext der Revision des Besatzungsstatuts und der Vorbereitung des Überleitungsvertrags, der als Zusatzvertrag zu den Deutschlandverträgen den Übergang von alliiertem zu bundesdeutschem Recht regeln sollte, unternahmen die Alliierten eine kritische Überprüfung der bisher erfolgten Rückerstattungen auf der Basis der jeweiligen alliierten Militärgesetzgebung, also dem MRG 59 in der amerikanischen und der VO 120 in der französischen Besatzungszone. Ziel war die Evaluierung, ob die alliierten Vorbehaltsrechte im Bereich der inneren Restitution bereits aufgehoben werden konnten oder vorerst beibehalten werden sollten.20 In diesen größeren Kontext der Revision der bisherigen Rückerstattungspraxis sind auch die Entwicklungen der frühen 1950er Jahre um den Abschluss der alliierten Kunstrestitutionsprogramme und deren Übergabe in deutsche Verantwortung einzubetten, die im Folgenden näher betrachtet werden.

15 16 17 18 19 20

Lappenküper 2005, S. 76 – 78. Miard-­­Delacroix 2004, S. 167. Soutou 2005, S. 42 – 43. Defrance 2005, S. 242 – 244. Sirois 2015, S. 30, und Kreis 2015, S. 142 – 146. Lillteicher 2007, S. 312 – 337.

Der Übergang zur Alliierten Hohen Kommission und die Deutschlandpolitik ab 1949  I  141

3.2 Der alliierte Rückzug aus den Collecting Points Bereits 1948 hatten die Franzosen die amerikanischen Vorbereitungen zum Abschluss des Restitutionsprogramms mit einem gewissen Argwohn beobachtet. Besondere Kritik hatten dabei die Pläne für die Übergabe des CCP München in die Treuhänderschaft des baye­ rischen Ministerpräsidenten hervorgerufen, nicht zuletzt aufgrund des Vorschlags Philipp Auerbachs die Kunstsammlungen von NS-Funktionären sowie das erbenlose jüdische Vermögen zu verkaufen, um die bayerische Wiedergutmachung gegenüber deutschen Juden zu finanzieren.21 Versuche einer diplomatischen Intervention durch den politischen Berater von General Koenig oder über den französischen Botschafter in Washington, D. C. hatten jedoch keinerlei Rückwirkung auf die Umsetzung der amerikanischen Pläne. Nach dem Abschluss der Umstrukturierung der amerikanischen CCPs verblieben in München nur noch Teile der Sammlungen für Linz sowie von NS-Funktionären, einige nicht identifizierte Restbestände aus Beschlaganahmen des ERR sowie einige vorübergehend im CCP eingelagerte deutsche Privatsammlungen. Jüdisches Eigentum, das innerhalb des Deutschen Reichs beschlagnahmt worden war, war zwischenzeitlich in den CCP Wiesbaden überführt worden. Nach wie vor konnten äußere Restitutionen grundsätzlich erfolgen; allerdings wurde das Prozedere für die Restitutionen dahingehend modifiziert, dass die französischen Vertreter von nun an für jedes einzelne Objekt einen ausführlich dokumentierten Claim einreichen mussten. Nicht so sehr die Bearbeitung noch offener Claims war es jedoch, die den französischen Vertretern zu ­diesem Zeitpunkt Sorgen bereitete. Grundsätzlich waren sie davon überzeugt, dass auch mit den deutschen CCP-Mitarbeitern eine gute Zusammenarbeit möglich wäre, die zu weiteren Restitutionen zugunsten Frankreichs führen würde. Vielmehr war es die Frage der Modalitäten der vollständigen Übergabe der Restitutionen in die Zuständigkeit der Deutschen, die die Franzosen aufgrund ihrer potenziellen Konflikte mit dem französischen Rückführungsinteresse mit Vorbehalten beobachteten. Drei Faktoren waren es dabei, die Rose Valland in einem Bericht im Juni 1949 besonders hervorhob. Erstens gewann die Frage nach dem Umgang mit den Restitutionsansprüchen Österreichs neue Dringlichkeit. Bereits 1948 hatten dessen Ansprüche auf Werke österreichischer Maler aus dem Auslagerungsdepot Altaussee für eine kleinere Kontroverse gesorgt. Ab 1949 weitete Österreich jedoch seine Forderungen aus und verlangte, dass die in Altaussee auf österreichischem Territorium ausgelagerten Objekte für das Linzer Museumsprojekt und Hitlers Privatsammlung an Österreich zurückgegeben werden müssten. Rose Valland mutmaßte in ­diesem Zusammenhang sogar, dass die amerikanische Entscheidung, Gegenstände aus jüdischem Besitz in den CCP Wiesbaden zu transferieren, erfolgt sei, um diese potenziellen österreichischen Ansprüchen zu entziehen.22 21 Goschler 1989, S. 84 – 85. 22 „[C]ette décision ne se rattache à aucun plan d’ensemble, elle aurait été prise par les Américains pour soustraire ces œuvres d’art à des tractations possibles entre la Bavière et l’Autriche; ce dernier

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Auf Restbestände aus dem „Sonderauftrag Linz“ und den übrigen NS -Sammlungen erhoben zweitens jedoch nicht nur die Österreicher Anspruch. Nach wie vor befürchteten die Franzosen, dass Auerbach seinen Vorschlag durchsetzen könnte. Allerdings konnten sie darauf zählen, dass auch Vertreter aus dem deutschen Kunstmilieu sich dagegen positionieren und dessen Umsetzung verhindern würden. Tatsächlich führte drittens die Gründung eines deutschen Ausschusses für Restitutionsfragen durch die westdeutsche Kultusministerkonferenz dazu, dass die Franzosen mit einem stärkeren deutschen Engagement in der Regelung der offen gebliebenen Fragen zu rechnen hatten. Valland stand der Gründung des Ausschusses leicht ambivalent gegenüber – einerseits sah sie der künftigen Zusammenarbeit mit den Deutschen vergleichsweise optimistisch entgegen, da sie darauf hoffte, dass die Mitglieder des Ausschusses die französischen Positionen in der Frage des Umgangs mit den NS -Sammlungen unterstützen würden. Gleichzeitig sprach sie sich jedoch dafür aus, dass man dem Restitutionsausschuss keine allzu große Autonomie bei künftigen Entscheidungen über Restitutionsfragen einräumen, sondern diesen besser in ein internationales Gremium einbetten sollte.23

3.2.1 Der deutsche Ausschuss für Restitutionsfragen 1949 – 1950 Der Impuls zur Gründung eines deutschen Ausschusses für Restitutionsfragen ging im April 1949 von der Konferenz der westdeutschen Kultusminister in Kempfenhausen aus, auf der Ordenberg Bock von Wülfingen vom CCP München die Bilanz der bisherigen Aktivitäten des CCP vorstellte und den Status Quo der Übergabe der amerikanischen CCPs in die Treuhänderschaft der bayerischen und hessischen Ministerpräsidenten skizzierte. Da bislang keinerlei zonenübergreifende Koordinierung der Restitutionsaktivitäten stattgefunden hatte, konnte Bock von Wülfingen keine für ganz Westdeutschland gültige Gesamtbilanz der erfolgten Restitutionen aufstellen. Ebenso wenig war es möglich, den Handlungsbedarf für die noch ausstehenden Restitutionen zahlenmäßig hochzurechnen. Um ­diesem Desiderat zu begegnen, beschloss die Kultusministerkonferenz die Schaffung einer „deutsche[n] Zentralstelle zur Dokumentation der geleisteten Restitutionen von Kunstwerken, die die Koordinierung noch unerfüllter Ansprüche der Alliierten mit einem Gesamtverzeichnis der von den 3 Westzonen bereits geleisteten Restitution ermöglichen soll.“ 24 Mit der Konstituierung des Ausschusses pays réclame en effet toutes les collections hitlériennes du Musée de Linz comme propriété nationale (l’Autriche a été admise parmi les ayants droits aux restitutions).“ Valland, Rose, Retransmission à Albert Henraux de rapports concernant la restitution d’œuvres d’art en zone américaine, 16 juin 1949, AMAE 209SUP/198 A173. 23 Ebd. Vgl. dazu auch Lorentz 1998, S. 244. 24 Bock von Wülfingen, Ordenberg, Restitution von Kunstwerken: Referat gehalten am 20. 04. 1949 auf der Konferenz der Westdeutschen Kultusminister in Kempfenhausen, 20. April 1949, BARch

Der alliierte Rückzug aus den Collecting Points  I  143

betraute die Kultusministerkonferenz den Direktor des Zentralinstituts für Kunstgeschichte Ludwig Heydenreich; als Vertreter aus den einzelnen Besatzungszonen wurden ihm Ernst Holzinger für den hessischen Teil der amerikanischen Zone, Kurt Martin für die französische und Franz Graf Wolff-­­Metternich für die britische Zone an die Seite gestellt. Die konstituierende Sitzung des Ausschusses fand im Juni 1949 im bayerischen Staatsministerium für Kultus und Unterricht unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Dieter Sattler statt, der ihn nach außen vertreten sollte. Die Aufgaben des Ausschusses sollten darin bestehen, für eine zukünftige zentrale Bundesregierung und in Vorbereitung auf einen von ihr zu schließenden Friedensvertrag mit den Alliierten eine Dokumentation der b­ isher erfolgten Restitutionen von Kulturgütern zu erstellen. Dabei sollte er untersuchen, in welcher Form weitere Restitutionen im Friedensvertrag zu verankern wären und inwieweit die Bundesrepublik auf alliierte Forderungen nach Kompensationen und restitution in kind eingehen würde.25 Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgaben war, dass dem Ausschuss die Dokumentation des CCP München einschließlich der Property Cards und Fotografien zur Verfügung gestellt würden. Als Ministerpräsident Hans Ehard in seiner Funktion als Treuhänder der Restbestände im CCP München diese Bitte an den bayerischen Militärgouverneur Murray D. van Wagoner weiterleitete, stieß die Bitte jedoch auf große Skepsis, nicht nur, weil Akten der amerikanischen Militärregierung – als Eigentum der USA  – eigentlich gar nicht weitergegeben werden durften, sondern auch weil die Funktion des deutschen Restitutionsausschusses den amerikanischen Stellen zunächst unklar blieb.26 Auf Stephan P. Munsings Rückfrage hin klärte die Geschäftsstelle des Ausschusses die Amerikaner darüber auf, dass dieser eine beratende Funktion einnehmen, aber weder in die weitere Restitutionspraxis auf der Basis von Claims noch in die Verwaltung der Restbestände durch den bayerischen Ministerpräsidenten involviert sein sollte.27 Da allerdings die Akten zu den Restitutionen nach Ansicht der Property Division nur an ­solche Behörden übergeben werden durften, die die konkrete Recherche- und Restitutionsarbeit am CCP München fortsetzen würden, erteilten die B 323/326, Bl. 469 – 472. 25 Sattler, Dieter, Niederschrift über die Besprechung am 28. 06. 1949 im Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Betrifft: Restitution von Kulturgut, 5. Juli 1949, BArch B 323/326, Bl. 446 – 449. 26 Ehard, Hans, Establishment of a Multizonal Committee on Restitution of German Works of Art, June 24, 1949, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 10, und Harrison, William, Memorandum on the establishment of a Multizonal Committee on Restitution of German works of art, June 29, 1949, AAA, Thomas Carr HowePapers, Box 2, Folder 10. 27 Munsing, Stephan P., Request of information relating to the new Restitution Committee, July 8, 1949, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 10, und Lotz, Wolfgang, Answer to M ­ unsing’s questions about the new Restitution Committee, July 10, 1949, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 10. Dass mit Wolfgang Lotz ein Mitarbeiter des Zentralinstituts für Kunstgeschichte die Anfrage zum Restitutionsausschuss beantwortete, lag daran, dass das Zentralinstitut als Geschäftsstelle für den Ausschuss fungierte.

144 I Die Zeit nach 1949

Amerikaner der Bitte des Ausschusses eine Absage.28 De facto war somit dessen praktische Dokumentationsarbeit weitgehend blockiert und er kaum arbeitsfähig. Ludwig Heydenreich zog daher zwischenzeitlich in Erwägung, den Ausschuss demonstrativ wieder aufzulösen, damit die neu gebildete Bundesregierung die Frage der Restitutionen auf diplomatischer Ebene aufgreifen konnte. Dieser Plan wurde jedoch wieder verworfen, nachdem der Ausschuss Anfang September 1949 – also nach dem Inkrafttreten des Besatzungsstatuts – erneut zu einem Treffen zusammengekommen war, an dem auch amerikanische und britische MFA&A-Offiziere sowie Rose Valland als französische Delegierte teilgenommen hatten. Wichtigster Tagesordnungspunkt der Sitzung war die Frage des Umgangs mit den Akten des Münchner CCP. Nach wie vor vertraten die amerikanischen Vertreter den Standpunkt, dass die Karteikarten der CCPs, aber auch die Unterlagen von NS -Behörden, die den Kulturgutraub dokumentierten und somit eine wesentliche Basis für Nachforschungen bildeten, nach ihrem Abzug in amerikanische Archive zu überführen ­seien. Demgegenüber waren sich deutsche und französische Stellen darin einig, dass diese Dokumentation den in Deutschland verbleibenden Restitutionsorganen zugänglich bleiben müsste, damit die weitere Restitutionsarbeit Erfolg haben könnte.29 Mit dem Wissen um die französische Unterstützung beschloss der Ausschuss für Restitutionsfragen daher, einen direkten Appell an den amerikanischen High Commissionner McCloy zu richten und um seine Zustimmung für die Übergabe der CCP-Dokumentation an den Ausschuss zu bitten.30 Gleichzeitig sollte das Memorandum auch dem französischen Haut-­­Commissaire André François-­­Poncet vorgelegt werden, damit dieser in interalliierten Beratungen der Hohen Kommission zugunsten des Restitutionsausschusses intervenieren konnte. In den Beratungen um den Appell an McCloy zeigte sich jedoch schnell, dass Valland bei aller grundsätzlichen Bereitschaft zur Kooperation mit dem Ausschuss für Restitutionsfragen nicht bereit war, ­diesem allzu weitreichende Handlungsspielräume zu gewähren. Ihre Zusicherung an Heydenreich, den Appell des Ausschusses dem französischen Haut-­ Commissaire zukommen zu lassen, verband sie mit dem Vorschlag, den Ausschuss in ein internationales Gremium einzubetten, in dem auch Frankreich vertreten wäre.31 Dieser Vorschlag stieß nicht nur bei den Deutschen auf reservierte Reaktionen. Innerhalb des neu gegründeten französischen Haut-­­Commissariat in Deutschland wirkte die Frage der

28 Munsing, Stephan P., Note on the establishment of a Multizonal Committee on Restitution of German Works of Art, July 11, 1949, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 10. 29 Valland, Rose, Rapport sur la Récupération Artistique en Allemagne, son état actuel et les projets de réorganisation, 23 septembre 1949, AMAE AC 42/4a. 30 [Sattler, Dieter],Translation of Draft of a Memorandum to the High Commissioner for the US Zone (British Zone and French Zone) on the Establishment of a Trizonal Committee for the Restitution of German Works of Art, September 28, 1949, BArch B 323/326, Bl. 401 – 402. 31 Valland, Rose, Exposé pour M. le Haut-­­Commissaire au sujet de l’organisation d’un Comité ­allemand trizonal pour la restitution d’œuvres d’art, 10 octobre 1949, BArch B 323/326, Bl. 381.

Der alliierte Rückzug aus den Collecting Points  I  145

französischen Positionierung gegenüber dem Restitutionsausschuss als Katalysator für einen internen Konflikt rund um die Einrichtung des Service de Remise en Place des Œuvres d’Art, der auch von persönlichen Differenzen ­zwischen Rose Valland und Raymond Schmittlein von der Division de l’Education Publique geprägt war. Raymond Schmittlein, der 1945 – 1949 die der récupération artistique übergeordnete Kulturabteilung der französischen Besatzungszone geleitet hatte und ab 1949 im HCRFA für die Direction Générale des Affaires Culturelles zuständig war, begrüßte die Gründung des deutschen Ausschusses und sprach sich ausdrücklich dafür aus, die Zuständigkeit für Kulturrestitutionen nunmehr vollständig deutschen Akteuren zu überlassen. Seine Stellungnahme begründete er mit der eher negativen Bilanz der bisherigen récupération artistique, womit er vor allem die Rückführungen innerhalb der französischen Besatzungszone meinte. Da sie de facto nur einen Teil ihrer Aufgabe habe erfüllen können und in Anbetracht der aktuellen politischen Lage die weitere Aufrechterhaltung alliierter Restitutionsmissionen unwahrscheinlich sei, erschien es Schmittlein sinnvoller, die Restitutionen nunmehr ganz in deutsche Hände zu übergeben.32 Valland fasste Schmittleins Kritik als persönlichen Angriff auf und interpretierte den zeitweilig aufgekommenen Vorschlag, den SRPOA von Baden-­­Baden nach Mainz zu verlegen, als dessen Versuch, die récupération artistique stärker unter die Kontrolle der Direction Générale des Affaires Culturelles zu bringen.33 Tatsächlich hatte Schmittlein sich bereits vor der Umgestaltung der récupération artistique-­­Strukturen daran gestört, dass diese sich nicht in die Hierarchien und klar abgetrennten Zuständigkeitsbereiche der verschiedenen Abteilungen der französischen Militärregierung einpasste. Ihre Arbeit hatte bislang hauptsächlich auf direkten Absprachen ­zwischen dem Erziehungsministerium in Paris, der Section Beaux-­­Arts in Berlin und der Direction Réparations-­­Restitutions in Berlin und Baden-­­Baden beruht. Das Büro der récupération artistique innerhalb der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts in Baden-­­Baden hingegen, dem bis 1949 formal der dortige CCP unterstanden hatte, hatte Valland dabei meist weitgehend ignoriert.34 Schmittleins Beschwerde über die Sonderstellung der récupération artistique in den französischen Besatzungsstrukturen offenbarte daher nicht nur persönliche Animositäten, sondern legte zugleich die bereits seit Jahren bestehenden Divergenzen und Widersprüchlichkeiten der französischen Besatzungspraxis offen. Diese spiegelten sich nicht nur auf der strukturellen Ebene der Verwaltung, in der gerade die récupération artistique aufgrund ihrer mehrfachen Rückbindung an verschiedene Stellen 32 Schmittlein, Raymond, Note sur la récupération artistique, 25 octobre 1949, AMAE AC 42/4a. 33 Rivain, P., Projet de rattachement de la Récupération Artistique à la Direction Générale des Affaires culturelles au HCRFA, avec siège à Mayence, 15 novembre 1949, AMAE AC 42/4a, und Valland, Rose, Rapport sur le regroupement des Services de la ZFO et des éléments Réparations-­­Restitutions, 7 décembre 1949, AMAE 209SUP/381 P 13. 34 Schmittlein, Raymond, Note pour le Directeur Général des Affaires administratives et budgétaires au HCRFA, 19 juillet 1950, AMAE AC 42/4a.

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in den Pariser Ministerien und den Abteilungen der französischen Militärregierung oft quer zu diesen und ihren jeweiligen Interessen stand. In der für Restitutionen und Reparationen allgemein zuständigen Wirtschaftsabteilung begründete sich ihr Sonderstatus aus der Spezifik von Kulturgütern im Vergleich zu anderen materiellen Gütern. Gerade dies hatte letztlich dazu geführt, dass gleichzeitig auch die Kulturabteilung der französischen Besatzungszone für Fragen der kulturellen Restitutionen zuständig geworden war. Dabei stand die französische Positionierung zur récupération artistique durchaus im Widerspruch mit Schmittleins kulturpolitischen Zielsetzungen in Deutschland. Seine Abteilung hatte – das Leitbild einer rééducation und Demokratisierung des deutschen Volkes vor Augen – frühzeitig auf eine deutsch-­­französische Annäherung hingearbeitet. Die Pariser Ministerien hatten vor allem anfangs nur wenige und überdies widersprüchliche Direktiven zu den Zielen der französischen Kulturpolitik herausgegeben, sodass Schmittlein und seine Kulturoffiziere in Baden-­­Baden einerseits viele Handlungsspielräume in der Ausgestaltung dieser Politik hatten, es andererseits aber immer wieder zu Divergenzen ­zwischen den Baden-­­Badener und Pariser Positionierungen gekommen war. Speziell bei der Kunstpolitik hatte dies durchaus zu Konflikten geführt. So hatte sich etwa die Association française d’Action artistique im Außenministerium dagegen ausgesprochen, Kunstausstellungen in der französischen Zone zu fördern und dies mit dem Primat der récupération artistique begründet.35 Umgekehrt hatte Schmittlein bereits 1947 bestritten, dass diese überhaupt eine kulturpolitische Aufgabe darstellte, und vergebens versucht, sie aus der Zuständigkeit seiner Beaux-­­Arts-­­Abteilung herauszulösen und der Direction Réparations-­­Restitutions in der Wirtschaftsabteilung zuzuordnen. Wie Schmittlein später argwöhnte, war ­dieses Vorhaben wohl am Widerstand der Verfechter der récupération artistique im französischen Erziehungsministerium gescheitert. Schmittleins Positionierung zugunsten einer Übergabe der Kunstrestitution in deutsche Verantwortung stand in Kontinuität zu seinen früheren Argumentationen; würde die Zuständigkeit für die Kunstrestitutionen an die Deutschen abgegeben, so würde sich auch der Konflikt ­zwischen französischen Restitutionsinteressen und kulturpolitischen Zielsetzungen auflösen. Sein Vorwurf an Rose Valland, sie hätte über informelle Absprachen mit dem Erziehungsministerium die Strukturen und Hierarchien der französischen Militärregierung in Deutschland umgangen, enthielt gleichzeitig eine versteckte Kritik des Umstands, dass das Erziehungsministerium die Baden-­­Badener Konzeptionen der französischen Kulturpolitik nicht ausreichend unterstützte. Im Konflikt ­zwischen Schmittlein und Valland manifestierten sich somit nicht nur persönliche Auseinandersetzungen um bestimmte Arbeitsweisen, sondern auch die Widersprüchlichkeiten der französischen Kulturpolitik und letztlich die Frage nach dem künftigen Stellenwert der Kulturrestitution innerhalb der französischen Deutschlandpolitik ab 1949.

35 Vgl. dazu Schieder 2005, S. 32 – 35, und Picard 2001, S. 69 – 85.

Der alliierte Rückzug aus den Collecting Points  I  147

Auf deutscher Seite wurde Vallands Vorschlag eines internationalen Gremiums zur künftigen Regelung von Restitutionsfragen letztlich zurückgewiesen.36 Dennoch blieb sie als Vertreterin der französischen Interessen weiterhin in die Verhandlungen um die Zukunft des Ausschusses eingebunden. Ihre Positionierung oszillierte dabei z­ wischen konstruktiver Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Restitutionsausschusses und dem Ausüben von politischem Druck. Letzteren erreichte sie, indem sie im Zusammenhang mit dem Abschluss der Restitutionen noch einmal auf die Frage der restitution in kind bzw. der „compensations“ zurückkam, die Frankreich und alle übrigen beraubten Länder beanspruchen sollten, falls Kulturrestitutionen nicht zu einem befriedigenden Abschluss kämen. Dabei ging es Valland inzwischen weniger darum, tatsächliche materielle Kompensationen für die französischen Kulturgüterverluste durchzusetzen. Vielmehr hatte sich das Konzept der Kompensationen zu einem politischen Druckmittel gewandelt, mit dem sie sicherstellen wollte, dass die deutschen Akteure, die ab 1949 mit der Kulturrestitution betraut waren, die französischen Interessen angemessen berücksichtigten.37 Tatsächlich wurden die französischen Drohungen der restitution in kind auf deutscher Seite durchaus ernstgenommen und bereits in den ersten Sitzungen des Ausschusses für Restitutionsfragen diskutiert. Konkret wurde dabei die Überlegung geäußert, die im CCP München verbliebenen Restbestände aus den NS-Sammlungen als Reservoir zur Befriedigung etwaiger Forderungen heranzuziehen; auf diese Weise könnten die Kompensationen an Frankreich erfolgen, ohne dass dies zu Lasten der Sammlungsbestände deutscher Museen ginge. Allerdings müsse diese Idee auch im Zusammenhang mit den Auerbach-­­Plänen erörtert werden, die den Verkauf gerade dieser Sammlungen vorsähen.38 Die französischen Forderungen der restitution in kind führten somit tatsächlich dazu, dass der Restitutionsausschuss hinsichtlich der Frage des Umgangs mit den NS -Sammlungen und der Auerbach-­­Pläne eine Position einnahm, die der französischen Position grundsätzlich entgegen kam. Die Gratwanderung ­zwischen aufrichtigem Interesse an einer guten Zusammenarbeit mit dem Restitutionsausschuss und der Wahrung der französischen Eigeninteressen setzte sich auch zu Beginn des Jahres 1950 fort, als die Wirtschaftsabteilung des HCRFA weitere Verhandlungen der Alliierten Hohen Kommission um den Abschluss der Restitutionen –

36 Heydenreich, Ludwig, Letter to Rose Valland, October 24, 1949, BArch B 323/326, Bl. 380. 37 Valland, Rose, Retransmission à Albert Henraux de rapports concernant la restitution d’œuvres d’art en zone américaine, 16 juin 1949, AMAE 2019SUP/381 P 13, und Valland, Rose, Rapport sur le regroupement des Services de la ZFO et des éléments Réparations-­­Restitutions, 7 décembre 1949, AMAE 209SUP/381 P 13. 38 Bock von Wülfingen, Ordenberg, Restitution von Kunstwerken: Referat gehalten am 20. 04. 1949 auf der Konferenz der Westdeutschen Kultusminister in Kempfenhausen, 20. April 1949, BA rch B 323/326, und Sattler, Dieter, Niederschrift über die Besprechung am 28. 06. 1949 im Staats­ ministerium für Unterricht und Kultus, Betrifft: Restitution von Kulturgut, 5. Juli 1949, BA rch B 323/326.

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und zwar aller Art von Gütern – vorbereitete.39 Marcel Coignard vom Service Réparations-­ Restitutions legte hierzu im Januar 1950 seinem Vorgesetzten in der Wirtschaftsabteilung einen Textentwurf vor, der als französisches Positionspapier für die Verhandlungen dienen sollte. Vor allem das Begleitschreiben zu dem Textentwurf wirft einen erhellenden Blick auf den Stellenwert, den Restitution für Frankreich noch besaß. Coignard evaluierte zunächst die Fristen für den Abschluss von wirtschaftlichen und kulturellen Restitutionen in den westlichen Zonen und kam zu dem ersten Schluss, dass ein kompletter Abschluss sämtlicher Restitutionen durch die Hohe Kommission zu befürchten sei. Ganz offen räumte Coignard ein, dass die Aufgabe der wirtschaftlichen Restitutionen auch für Frankreich durchaus zu verschmerzen sei, da das innerfranzösische Interesse an diesen Restitutionen nachgelassen habe. Die Bedeutung von Kunstrestitution hingegen bleibe unverändert hoch, umso mehr, als Kunstwerke dauerhafte Werte darstellten und durch das Wiederauftauchen von Werken auf dem Kunstmarkt auch weiterhin Rechercheerfolge möglich ­seien. Coignards Entwurf für das Positionspapier sah daher vor, dass Frankreich gegenüber der Hohen Kommission dem Abschluss der wirtschaftlichen Restitutionen zustimmen solle, die Kunstrestitution aber ausdrücklich ausgeklammert werden müsse. Als Modus für die künftige Kunstrestitution schlug Coignard schließlich vor, dass 6) La restitution des biens [culturels] sera négociée entre les représentants accrédités des pays demandeurs et les experts désignés par le Gouvernement Fédéral allemand. 7) L’accord auquel ces délégués parviendraient sera soumis à l’approbation de la Haute-­­Commission (ou de tel organisme qu’elle désignera).40

In internen Vorbesprechungen stimmte Rose Valland dieser Positionierung grundsätzlich zu, forderte aber, dass die Funktion des Ausschusses für Restitutionsfragen als deutscher Verhandlungspartner für alliierte Antragsteller noch stärker in dem Text verankert werden müsse. Auf ihren Vorschlag hin ergänzte Coignard in einem zweiten Entwurf daher den Paragraphen um den Satz: „Un comité de spécialistes allemands sera notamment habilité à traiter des ‚remises en place‘ d’objets d’art et culturels.“ 41 Auf den ersten Blick erscheint diese von Valland forcierte Verankerung des Ausschusses und seiner Mitglieder in dem Positionspapier wie eine Stärkung des desselbigen und seiner Handlungsbefugnisse. Tatsächlich sollte die klare Benennung des Ausschusses als deutscher Verhandlungspartner in den kulturellen Restitutionen aber auch verhindern, dass die Bundesregierung zu einem 39 Vgl. dazu auch Lorentz 1998, S. 241 – 246. 40 Coignard, Marcel, Note pour le Directeur Général des Affaires économiques et financières sur le problème de l’achèvement des restitutions, 24 janvier 1950, AMAE AEF 91/2. 41 Coignard, Marcel, Note pour le Directeur Général des Affaires économiques et financières sur le problème de l’achèvement des restitutions et le maintien de „Remises en places“ d’objets d’art et culturels, 16 février 1950, AMAE AEF 91/2.

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späteren Zeitpunkt eigenverantwortlich andere Zuständige benennen konnte, die sich den französischen Interessen gegenüber weniger aufgeschlossen zeigten. Mit den Mitgliedern des Ausschusses hatten die Franzosen größtenteils bereits seit Jahren praktisch zusammen­gearbeitet; sie kannten ihre Positionierung gegenüber den amerikanischen Plänen zur Abwicklung der Collecting Points und konnten darauf zählen, dass sie die französische Opposition gegen die Auerbach-­­Pläne oder gegen die Übergabe von Restbeständen aus Altaussee an Österreich unterstützen würden. De facto blieb die Frage nach der Zukunft der Restitutionen nach 1949 zunächst in der Schwebe. Die Verhandlungen der Westalliierten um den Abschluss der äußeren Restitutionen, für die die französische Direction Réparations-­­Restitutions im Frühjahr 1950 ihr Positionspapier entworfen hatte, blieben letztlich im Ansatz stecken, da die Hohe Kommission einer grundsätzlichen Revision des Besatzungsstatuts höhere Priorität einräumte. Auch die Genehmigung des Ausschusses für Restitutionsfragen durch die Alliierte Hohe Kommission verzögerte sich bis Januar 1951, wodurch er über das Jahr 1950 hinweg weitgehend handlungsunfähig blieb.42 Erst mit der Aufnahme der Verhandlungen um den Überleitungsvertrag im Jahre 1951 kehrten der Abschluss der kulturellen Restitutionen und die finale Übergabe der Collecting Points zurück auf das politische Tapet. Damit gewannen auch die Fragen um den Verbleib der NS-Sammlungen, die österreichischen Ansprüche auf die Restbestände aus Altaussee und die restitution in kind erneut an Brisanz.43

3.2.2 Die Übergabe der Zuständigkeiten in deutsche Hände im Jahre 1951 Das Jahr 1951 stellte der Einschätzung der Historikerin Anja Heuss zufolge „ein ganz entscheidendes Jahr für die politische Weichenstellung in Fragen der Kunstrestitution“ 44 dar. Im Rahmen der Verhandlungen um den Überleitungsvertrag wurde auch erörtert, inwieweit die noch ausstehenden Restitutionen nunmehr vollständig der westdeutschen Verantwortung übertragen werden konnten. In erster Linie betraf dies die Umsetzung der inneren Restitution auf der Basis der alliierten Rückerstattungsgesetze. In der amerikanischen Besatzungszone stand die Rückerstattung nach dem MRG 59 bereits seit November 1947 zwar unter amerikanischer Supervision, wurde aber durch deutsche Wiedergutmachungsämter umgesetzt. Ähnlich war die Rückerstattung feststellbarer Vermögenswerte auch in der britischen und französischen Zone gelöst worden.45 Eine Zwischenbilanz der bisher erfolgten Rückerstattungen, die durch ein britisches Sonderkomitee ermittelt wurde, zeigte jedoch, dass die 42 Salat, Rudolf, Memorandum betreffend die Restitution von Kunstwerken, 23. Januar 1951, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 11. 43 Lorentz 1998, S. 241 – 253. 44 Heuß 2007, S. 23. 45 Goschler 2005, S. 108 – 112, und Lillteicher 2007, S. 81 – 90.

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Wiedergutmachungsämter langsam arbeiteten und die Umsetzung der Rückerstattung von einem gewissen Widerwillen begleitet war. Daher entschloss sich die Alliierte Hohe Kommission dazu, ihre Kontrollrechte im Bereich der Restitutionen vorläufig beizubehalten und auch das Gericht, das in letzter Instanz über Rückerstattungsanträge entscheiden sollte, zumindest in Teilen mit alliierten Repräsentanten zu besetzen.46 Wie in allen politischen Verhandlungen von Restitutionsbelangen seit 1945, so spielte die Restitution von Kulturgütern auch in den Verhandlungen um den Überleitungsvertrag eine Sonderrolle. Die treuhänderische Übergabe der Verantwortung für die Collecting Points und ihre Restbestände an den hessischen bzw. bayerischen Ministerpräsidenten war 1949 als vorläufige Lösung in Erwartung der Bildung einer zentralen Bundesregierung erfolgt. Zwei Jahre später, im Juni 1951, wurde der Transfer dieser Verantwortung an die Bundesregierung in die Wege geleitet. Als Treuhänder wurde Bundeskanzler Konrad Adenauer eingesetzt, dem gleichzeitig die treuhänderische Verantwortung für die Berliner Museumssammlungen aus ehemals preußischem Besitz übertragen wurde. Die Verhandlungen um die Übertragung der Treuhänderschaft für die Restbestände der CCP s an Konrad Adenauer wurden im Januar 1951 offiziell aufgenommen. Zuvor hatten im Verlauf des Jahres 1950 bereits einige Vorverhandlungen mit dem Ausschuss für Restitu­tionsfragen stattgefunden, in denen grundsätzlich über die Gründung einer zentralen Behörde für die Restitution von Kulturgütern auf Bundesebene gesprochen worden war. Die Übertragung der Zuständigkeit für kulturelle Restitutionen an eine westdeutsche Behörde wurde von der Alliierten Hohen Kommission von vorneherein an bestimmte Bedingungen geknüpft. So sollten äußere Restitutionen nur für bereits vorliegende Claims vorgenommen werden; die Hohe Kommission behielt sich hier außerdem vor, im Falle von Uneinigkeiten ­zwischen der deutschen Behörde und der Objekte reklamierenden Herkunftsnation als neutraler Schiedsrichter aufzutreten. Außerdem hatte sich die zu gründende Behörde dazu zu verpflichten, Restitutionen nach den Grundsätzen des Besatzungsstatuts durchzuführen und auch nach dem Ende von dessen Gültigkeit für gesetzliche Grundlagen zu sorgen, die die Fortsetzung von Restitutionen garantierten. Die Einzelheiten der Übertragung der Zuständigkeiten – auch die Frage der Übergabe der CCP -Dokumentation an die Deutschen – sollten z­ wischen dem mittlerweile von alliierter Seite genehmigten deutschen Ausschuss für Restitutionsfragen und alliierten Vertretern, darunter Thomas Carr Howe, Fine Arts Adviser bei HICOG , und Rose Valland vom französischen SRPOA , ausgehandelt werden.47 Im April legte der amerikanische Hohe Kommissar McCloy in einem Memorandum an Konrad Adenauer die Frist für die Übergabe der Treuhänderschaft für die Collecting Points auf den 1. Juni 1951 fest und präzisierte noch einmal die Bestimmungen der Ü ­ bertragung: Die 46 Lillteicher 2007, S. 325 – 338. 47 Alliierte Hohe Kommission, Schreiben an die Verbindungsstelle der Alliierten Hochkommission im Bundeskanzleramt (z. Hd. Herr Blankenhorn) , 8. Januar 1951, BArch B 323/326, Bl. 328 – 329.

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Bundesregierung sollte die Treuhänderschaft für die Kulturgüter in Wiesbaden und München einschließlich der Restbestände aus NSDAP-Besitz und Sammlungen von NS-Funktionären sowie der in Wiesbaden gelagerten Bestände der Berliner Museen übernehmen. Vom Transfer ausgeschlossen blieben lediglich Güter, die eindeutig als erbenloses jüdisches Eigentum identifiziert werden konnten und daher an die JRSO übergeben werden sollen. Außerdem bat McCloy um die Benennung der Zuständigen für die künftige Behörde bei der Bundesregierung.48 Der deutsche Ausschuss für Restitutionsfragen, der für die Vorbereitung des Antwortsschreibens des Bundeskanzleramts zu Rate gezogen worden war, schlug vor, diese Behörde beim Auswärtigen Amt anzusiedeln, die Treuhänderschaft für die Berliner Museen hingegen aus der Zuständigkeit der Behörde herauszulösen und dem Innenministerium zu übertragen, da es sich hier um eine innerdeutsche Angelegenheit handele. Da der Ausschuss die Gefahr sah, dass Kompetenzstreitigkeiten ­zwischen Bund und Ländern die Bildung arbeitsfähiger Restitutionsorgane erschweren könne, sprach er sich außerdem für die Schaffung bundesdeutscher Restitutionsgesetze aus.49 Auf Empfehlung des Auschusses beauftragte Konrad Adenauer am 11. Mai 1951 das Auswärtige Amt mit der Einrichtung einer Treuhandverwaltung für Kulturgut (TVK), die die Restbestände und zugehörigen Archivbestände betreuen sollte.50 Am 17. Mai 1951 fand in der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts eine Sitzung statt, an der auch Thomas Carr Howe, S. Lane Faison sowie deren Vorgesetzter William Daniels von der Property Division von HICOG teilnahmen und in der praktische Aspekte der Übergabe der CCPs besprochen wurden. Um die weitere Arbeit zu den Beständen fortsetzen zu können, sollten der TVK Kopien des dokumentarischen Materials der CCPs sowie ein Satz des Fotoarchivs überlassen werden. Klar wurde außerdem, dass nach dem Stichdatum vom 1. Juni 1951 auf amerikanischer Seite Edgar Breitenbach als Ansprechpartner für die verbleibenden Restitutionen fungieren würde. Die Amerikaner behielten sich außerdem die Entscheidung über die österreichischen Ansprüche auf die Restbestände aus Altaussee vor – zu ­diesem Zeitpunkt zeichnete sich bereits ab, dass es noch vor der Übertragung der Treuhänderschaft an die Bundesregierung zu einer Übergabe von Beständen an Österreich kommen würde. Als Ergebnis der Sitzung setzte der Ausschuss für Restitutionsfragen einen finalen Entwurf für Adenauers Antwort auf McCloys Memorandum vom 16. April auf. Offen blieb zu ­diesem Zeitpunkt die Ausarbeitung einer konkreten Regelung der Abläufe von äußeren Restitutionen nach der Übertragung der Treuhänderschaft an die Bundesregierung.51 48 McCloy, John J., Letter to Chancellor Adenauer on restitution matters, 16 April 1951, AMAE AC 42/4b. 49 Protokoll der Sitzung des Restitutionsausschusses 16. April 1951, 21. April 1951, BArch B 323/326, Bl. 210 – 220. 50 Heuß 2007, S. 18, und Lauterbach 2015, S. 189 – 191. 51 Minutes of a meeting held on May 17th, 1951, from 10 – 12h in the Auswärtiges Amt, Kulturreferat, Bonn, BArch B 323/326, Bl. 171 – 180, und Heydenreich, Ludwig; Sattler, Dieter, ­Erinnerungsprotokoll

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Dass die Verhandlungen um die Übertragung der Treuhänderschaft bilateral z­ wischen Vertretern der deutschen Bundesregierung und dem amerikanischen High Commissioner aufgenommen wurden, stieß bei den französischen Vertretern in Deutschland auf heftige Kritik.52 Auf Rose Vallands Initiative hin setzte der französische Haut-­­Commissaire François-­ Poncet ein Protestschreiben an McCloy auf, in dem er energisch darauf hinwies, dass die USA keine voreiligen Entscheidungen bei der Übertragung der Zuständigkeiten für die kulturellen Restitutionen an die Bundesrepublik treffen dürften, sondern vielmehr auch die Ergebnisse des in London tagenden Dreimächte-­­Ausschusses für deutsche Schulden abzuwarten ­seien, um die Restitutionen auch im übergeordneten Kontext der noch offenen Reparations- und Kriegsschuldenfrage beurteilen zu können.53 McCloy reagierte am 8. Juni 1951 auf diesen französischen Einspruch, indem er François-­­Poncet versicherte, dass die Übertragung von Zuständigkeiten an die Bundesregierung auf Basis einer Treuhänderschaft geschähe und bei äußeren Restitutionen nach wie vor die amerikanische HICOG-Verwaltung das letzte Wort behalten werde.54 Dennoch legte auch der französische Botschafter in den USA dem State Department im Juni ein Memorandum vor, in dem er seinerseits formell Widerspruch gegen die Übergabe der Collecting Points einlegte.55 Hintergrund der französischen Proteste war die Befürchtung, dass die Übergabe der Restbestände der Collecting Points an die Deutschen erfolgen würde, ohne dass diese im Gegenzug für eine weitere Fortsetzung äußerer Restitutionen garantieren müssten, und somit Frankreichs Durchsetzung noch ausstehender Restitutionsforderungen nicht mehr gesichert war. Das State Department versicherte dem französischen Botschafter daraufhin, dass kulturelle Restitutionen auch weiterhin gewährleistet ­seien, da der CCP München unter der Verwaltung der Treuhandverwaltung für Kulturgut offenbliebe und die TVK bei Entscheidungen zu äußeren Restitutionen an ein Zustimmungsrecht von HICOG gebunden sei.56 Auf außenpolitisch-­­diplomatischer Ebene präsentierten sich diese Vorgänge als exakte Wiederholung der Debatten um die Schließung der Collecting Points, wie sie bereits 1949 geführt worden waren: Nach wie vor erhob Frankreich Einspruch gegen die Übertragungen der Zuständigkeiten an die deutschen Behörden und brachte diesen sowohl innerhalb der Alliierten Hohen Kommission

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über die Sitzung am 17. Mai 1951 in der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts, Bonn, Koblenzerstrasse 103, BArch B 323/326, Bl. 167 – 170. McCloy, John J., Letter to Chancellor Adenauer on restitution matters, 16. April 1951, AMAE AC 42/4b. François-­­Poncet, André, Lettre à McCloy sur des œuvres d’art rassemblées en zone américaine dans les „Collecting Point“ de Wiesbaden et de Munich, 21 mai 1951, AMAE AC 42/4b. McCloy, James, Note to François-­­Poncet on the question of the Central Collecting Points Wiesbaden and Munich, 8 June 1951, AMAE AC 42/4b. Diplomatie, Télégramme sur la remise aux Allemands des œuvres d’art contenues dans les „Collecting Points“, 8 juin 1951, AMAE AEF 91/1. 28 Diplomatie, Télégramme sur les œuvres d’art des Collecting Point de Wiesbaden et Munich, 28 juin 1951, AMAE AEF 91/1.

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als auch auf diplomatischem Wege über den französischen Botschafter in den USA zum Ausdruck. Gleichzeitig betonte Frankreich dabei weiterhin die Bedeutung einer tripartiten Entscheidungsfindung und kritisierte das unilaterale Vorgehen der USA. Aus der Übergabe der Restbestände aus den CCP s an die Bundesregierung ergab sich nicht nur, dass die Restbestände der Sammlungen von Hitler, Göring und ­Bormann sowie das ehemalige Eigentum der NSDAP mit an die Bundesregierung übergeben würden. Zugleich gewannen auch die umstrittenen österreichischen R ­ ückgabeansprüche auf Bestände, die in Depots auf österreichischem Territorium aufgefunden worden waren – was unter anderem Altaussee und damit Restbestände aus der Linz-­­Sammlung einschloss –, erneut an Bedeutung.57 Für die deutschen Akteure stand diese Debatte in einem Zusammenhang mit möglichen an die Bundesrepublik gerichteten Forderungen von Kriegs­ reparationen in Form von Kulturgütern – Frankreich etwa versuchte zu ­diesem Zeitpunkt nach wie vor, mit der Forderung nach einer restitution in kind Druck auszuüben. Deutschen Kunsthistorikern und Museumsleuten, auch den Mitgliedern des Ausschusses für Restitutionsfragen, war daher daran gelegen, möglichst viel nicht mehr identifizierbares oder restituierbares Kulturgut als Verfügungsmasse in Deutschland zu behalten, aus der gegebenenfalls Reparationsforderungen gedeckt werden könnten, sodass keine deutschen Museumssammlungen angetastet werden mussten. Die Übergabe der von Österreich geforderten Altaussee-­­Bestände aber würde d ­ ieses Reservoir für Reparationen verkleinern und die Gefahr erhöhen, dass gegebenenfalls auf das Kulturgut in den Museen zurückgegriffen wurde.58 Während der Sitzung des Ausschusses für Restitutionsfragen in der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts im Mai 1951 zeichnete sich ab, dass die Amerikaner den österreichischen Forderungen stattgeben würden. Die mit Österreich geschlossene amerika­nische Übereinkunft besagte, dass die Objekte aus dem „Sonderauftrag Linz“, die S. Lane ­Faison bis zur Schließung des Münchner CCP nicht identifizieren konnte, an Österreich abgegeben würden. Aus französischer Perspektive bestätigte sich somit, dass ein Teil der NS-Sammlungen eventuellen französischen Kompensationsansprüchen entzogen würde.59 Rose ­Valland fürchtete, dass dies die französische Position in künftigen Verhandlungen zu noch ausstehenden Restitutionsclaims schwächen würde. Ohnehin drohte durch die Struktur der ­Treuhandverwaltung

57 Lauterbach 2015, S. 151 – 155. 58 Bock von Wülfingen, Ordenberg, Restitution von Kunstwerken: Referat gehalten am 20. 04. 1949 auf der Konferenz der Westdeutschen Kultusminister in Kempfenhausen, 20. April 1949, BArch B 323/326, und Sattler, Dieter, Niederschrift über die Besprechung am 28. 06. 1949 im Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Betrifft: Restitution von Kulturgut, 5. Juli 1949, BArch B 323/326. Vgl. auch Lauterbach 2015, S. 97 – 99 und S. 157. 59 Faison, S. Lane, Note to Ardelia Hall concerning the Austria restitution complex, April 3, 1951, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 13, und Faison 1997, hier S. 140 – 141. Vgl. dazu auch Lorentz 1998, S. 262.

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für Kulturgut ein Schwinden französischer M ­ öglichkeiten zur E ­ influssnahme, da zu befürchten stand, dass diese – anders als der Ausschuss für Restitutionsfragen – nicht mit Kunstexperten besetzt würde, die den französischen Interessen aufgeschlossen gegenüberstünden. Schlimmstenfalls würde die TVK sich nicht als Treuhänder verstehen, sondern die Transfers der Restbestände als dauerhafte Eigentumsübertragung zugunsten Deutschlands und Österreich betrachten und darüber die Interessen rechtmäßiger Eigentümer in Vergessenheit geraten lassen.60 Diese Sorge äußerte Rose Valland auch in einem Brief an Ordenberg Bock von ­Wülfingen, in dem sie mit Verweis auf die moralische Dimension der Wiedergutmachung eine Fortsetzung der Restitutionen forderte. Ihren Appell verband sie dabei einmal mehr mit dem unterschwelligen Druckmittel der „compensations“, ohne freilich die restitution in kind wirklich beim Namen zu nennen: Vous savez bien que nous ne pouvons pas abandonner nos réclamations sans avoir obtenu les compensations nécessaires. D’autre part comment pouvez-­­vous admettre que les biens qui ne seront pas restitués continuent à enrichir les héritiers du nazisme, alors que l’ensemble du peuple allemand devra compenser les profits que ces gens-­­là continueront à garder? Est-­­ce vraiment ce que vous souhaitez? Trouvez-­­vous logique également que certaines nations, qui participèrent à l’aventure hitlérienne, s’ajoutent encore actuellement à tous ces profiteurs, au détriment des spoliés?… Admettez-­­vous aussi que certains enlèvements, comme tant de grandes collections publiques allemandes, soient à oublier? Il est dangereux, vous le savez, d’employer, suivant les buts que l’on poursuit, deux façons différentes de juger…61

Tatsächlich konnte Valland zu ­diesem Zeitpunkt gar nicht sicher sein, ob die restitution in kind überhaupt noch als politisches Druckmittel funktionieren würde. Die Regelungen zu den kulturellen Restitutionen, die in London für den Überleitungsvertrag ausgearbeitet wurden, enthielten dazu keinerlei Bestimmungen mehr, weshalb Valland glaubte, dass die diesbezüglich vom Alliierten Kontrollrat getroffene Übereinkunft ungültig werden könnte.62 Für die Franzosen machte die Übergabe der Restbestände der CCP s an die Treuhandverwaltung für Kulturgut somit nicht nur deutlich, dass die Bundesrepublik Deutschland den USA als Verhandlungspartner in französischen Restitutionsfragen nachfolgen würde und dabei zunehmend selbstbestimmt über die Restbestände verfügen konnte. Gleichzeitig 60 Valland, Rose, Rapport sur la décision américaine pour la cession des Collecting Points et des collections nazies, 12 juin 1951, AMAE AC 42/4b. 61 Valland, Rose, Lettre à M. von Bock concernant le Comité allemand de Restitutions Culturelles, 15 juin 1951, AMAE AC 42/4b. Indirekt klingt hier durch, dass Valland die Gründung des Restitutionsausschusses nicht nur befürwortet hatte, sondern aktiv daran beteiligt war. 62 Ebd.

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zeichnete sich auch ab, dass eine der Hauptargumentationslinien für die Sicherung der französischen Restitutionsinteressen allmählich hinfällig wurde. Das Stichdatum für die Schließung des CCP Wiesbaden wurde von den Amerikanern auf den 15. Juli 1951 festgelegt. Für München gelang es Thomas Carr Howe, zunächst den 1. August, dann den 1. September als Schließungsdatum durchzusetzen.63 Der Plan zur Abwicklung der amerikanischen Verwaltung der Collecting Points sah vor, dass sämtliche noch in Wiesbaden befindlichen Restbestände nach München zurückkehren sollten; Howe war daher primär mit der Liquidation des CCP und der Vorbereitung des Rücktransfers nach München befasst. Dort wiederum bestand S. Lane Faisons Aufgabe darin, bis zu seiner Abberufung noch so viele Objekte aus dem Restbestand des „Sonder­auftrags Linz“ wie möglich auf ihre Herkunft hin zu überprüfen. Die Objekte, die er nicht identifizieren konnte, sollten nach der Schließung des CCP laut Beschluss von HICOG nach Österreich überführt werden. Im April 1951 schätzte Faison, dass dies auf rund 1.000 von den insgesamt 4.608 Objekten zutreffen würde.64 Der Münchner Restbestand sollte anschließend ab September 1951 von der Treuhandverwaltung für Kulturgut übernommen werden, die hierzu eine Außenstelle in München gründen würde, deren Leitung dem ehemaligen deutschen CCP -Mitarbeiter Bernhard Hoffmann übertragen werden sollte.65 Faisons letzte Wochen am Münchner Collecting Point waren geprägt von der Eskalation der Österreich-­­Frage, nachdem Einzelheiten zu den Übergabeplänen an die Presse gelangt waren. Grundtenor der Berichterstattung war, dass die Transferpläne nicht mit den Zusicherungen des bayerischen Land Commissioner Shuster, wonach die Restbestände der NS-Sammlungen die Bundesrepublik nicht verlassen würden, zu vereinbaren ­seien und die Treuhänderschaft des bayerischen Ministerpräsidenten Hans Ehard missachtet werde.66 Die Süddeutsche Zeitung formulierte darüber hinaus eine Grundsatzkritik an dem Umstand, dass die Restitution von Kulturgütern noch immer in amerikanischer Hand lag, und plädierte dafür, dass die Restitutionen – wie auch Entnazifizierung und ­Wiedergutmachung – 63 Howe, Thomas Carr, Letter to Ardelia Hall concerning the closing of the CCPs, June 26, 1951, NARA , RG 260, A1, Entry 492, M1947, Roll 3, und Howe, Thomas Carr, Letter to Henry C. Ramsey on the extension of the Central Collecting Point Munich until 31 August 1951, June 27, 1951, NARA, RG 260, A 1, Entry 492, M1947, Roll 3. 64 Faison, S. Lane, Note to Ardelia Hall concerning the Austria restitution complex, April 3, 1951, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 13, und Faison, S. Lane, Statistical report of the work of identification of the so-­­called Austrian complex, transmitted to William G. Daniels, June 8, 1951, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 12. 65 Faison, S. Lane, Letter to Edgar Breitenbach pertaining to the CCP Munich and the German Restitution Committee, August 30, 1951, AMAE 209SUP/198 A173. 66 Man packt im Collecting Point, in: Die Abendzeitung 4, 22. 08. 1951, eingesehen via AMAE 209SUP/706 D1.11.

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endlich komplett den Deutschen überlassen werden sollte.67 In den meisten Zeitungen herrschte überdies die Ansicht vor, dass deutsches Eigentum widerrechtlich an Österreich übergeben werde. Tatsächlich hielt auch der deutsche Ausschuss für Restitutionsfragen die österreichischen Ansprüche für rechtlich nicht fundiert, wie Heydenreich zuletzt im Sommer 1951 in einem internen Memorandum dargelegt hatte.68 Wenngleich der Ausschuss sich intern gegen eine Übergabe von Beständen an Österreich positionierte, waren ihm jedoch de facto die Hände gebunden, da sich die Amerikaner im Mai 1951 bei der gemeinsamen Besprechung mit dem Ausschuss in der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts vorbehalten hatten, die Angelegenheit direkt mit Österreich zu regeln. Ein entsprechender Passus war auch in den Entwurf des Antwortsschreibens von Konrad Adenauer auf das Memorandum von High Commissioner McCloy vom 16. April 1951 eingeflossen, den der Restitutionsausschuss im Anschluss an die Unterredung mit den Amerikanern aufgesetzt hatte, um die Modalitäten der Übertragung der Treuhänderschaft an Adenauer festzulegen.69 Als Eberhard Hanfstaengl Anfang August in München von Faison erste Anweisungen zur Vorbereitung der für die Übergabe an Österreich bestimmten Objektkonvolute erhielt, gingen die Mitglieder des Restitutionsausschusses daher davon aus, dass nicht sie, sondern allenfalls Adenauer selbst oder die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts über Befugnisse oder Handlungsspielräume verfügten, um bei McCloy in letzter Minute einen Verzicht auf die Übergabe an Österreich zu erwirken. Allerdings stellte sich bei vertraulichen Rücksprachen mit der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts heraus, dass Adenauer das fragliche Antwortschreiben auch Anfang August immer noch nicht unterzeichnet hatte, sodass McCloys Bitte an ihn, die Modalitäten seiner Treuhänderschaft festzulegen, seit April unbeantwortet geblieben war. Daher waren auch die Handlungsspielräume für eine Intervention in der Österreich-­­Frage deutlich eingeschränkt.70 Wie erste Informationen über die geplante Übergabe an Österreich an die Presse gelangt waren, wurde im Nachhinein nicht mehr bis ins letzte Detail rekonstruiert; Faison vermutete insgeheim, dass der ehemalige CCP -Mitarbeiter Bernhard Hoffmann einen Hinweis gegeben haben könne, zumal dieser in einigen der Berichte direkt zitiert​ 67 Delikate „Linzer-­­Torte“, in: Süddeutsche Zeitung, 23. 08. 1951, eingesehen via AMAE 209SUP/706 D1.11. 68 Heydenreich, Ludwig, Bericht über den Altaussee-­­Komplex, 24. August 1951, BArch B 323/347, Bl. 458 – 459. 69 Adenauer, Konrad, Abschrift von Abschrift eines Schreibens an den amerikanischen Hohen Kommissar McCloy, 27. Juli 1951, BARch B 323/325, Bl. 62 – 64. 70 Heydenreich, Ludwig, Schreiben an Rudolf Salat, 28. Juli 1951, BArch B 323/347, Bl. 498 – 499, und von der Heyde, Vertrauliche Aktennotiz betr. Besprechung mit Prof. Kaufmann über den Altaussee-­ Komplex, 2. August 1951, BArch B 323/347, Bl. 501 – 503. Erich Kaufmann war der Rechtsberater des Bundeskanzleramts und vom Restitutionsausschuss um rechtliche Gutachten u. a. zur Österreich-­ Frage und den rechtlichen Implikationen des Status der Treuhänderschaft gebeten worden.

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wurde.71 Neben einem möglichen Durchsickern von Interna aus dem CCP sorgte jedoch auch eine Eingabe der CSU im bayerischen Landtag zur Restitutionsfrage, die ihrerseits auf eine Initiative des Verbands Bayerischer Kunst- und Antiquitätenhändler zurückging, für gesteigertes Presseinteresse.72 Dabei machten die Presseanfragen bei der bayerischen Staatskanzlei intern deutlich, dass weder der bayerische Ministerpräsident noch der amerikanische Land Commissioner Shuster über den aktuellen Stand der Österreich-­Forderungen und der geplanten Übertragung der Treuhänderschaft der CCP-Restbestände an eine Bundesbehörde unter der Treuhänderschaft Adenauers informiert worden waren. Sowohl Faison als auch die Mitglieder des Restitutionsausschusses gerieten daher bei ihren jeweiligen Vorgesetzten in Bayern in die Schusslinie. Faison wurde vom amerikanischen Land Commissioner Shuster einbestellt und gerügt 73, während Heydenreich und Sattler als bayerische Vertreter des Restitutionsausschusses zu einem Termin in die Staatskanzlei einbestellt wurden, um die Missverständnisse in der Kommunikation z­ wischen Auswärtigem Amt, Restitutionsausschuss und bayerischer Landesregierung zu bereinigen und den Ministerpräsidenten über die geplante Übertragung der Treuhänderschaft der CCP-Bestände an den Bundeskanzler Adenauer aufzuklären. Im Anschluss an die Unterredung erreichte Ministerpräsident Ehard seinerseits durch Verhandlungen mit Shuster einen Aufschub der geplanten Übergabe an Österreich.74 Dessen ungeachtet kehrte Faison zum 31. August 1951 in die USA zurück, und kurzzeitig wurde Edgar Breitenbach als sein Nachfolger eingesetzt, um die Abwicklung des CCP zu beaufsichtigen. Die finale Übergabe der Treuhänderschaft für die Bestände an Adenauer erfolgte im Februar 1952; zur gleichen Zeit fand auch die endgültige Übergabe von rund 900 Objekten aus dem ehemaligen „Sonderauftrag Linz“ an Österreich statt.75 Auf französischer Seite hatte man den deutschen Standpunkt geteilt, wonach eine Übergabe dieser Bestände an Österreich rechtswidrig sei und sie daher in Deutschland verbleiben müssten.76 Dennoch verzichtete Frankreich im Sommer 1951 auf eine deutliche Positionierung in der Debatte. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Fortsetzung von Kulturrestitutionen inzwischen auch auf innerfranzösischer Ebene zunehmend in Frage gestellt wurde. Nachdem Rose Valland 71 Faison, S. Lane, Letter to Edgar Breitenbach pertaining to the CCP Munich and the German Restitution Committee, August 30, 1951, AMAE 209SUP/198 A173. 72 Heydenreich, Ludwig, Schreiben an Rudolf Salat vom 16. August 1951, BArch B 323/437, Bl. 477. 73 Vgl. Faison, S. Lane, Report to George Shuster on the Austrian restitution affair at the CCP Munich, August 23, 1951, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 27, und ders., Report to Ardelia Hall on the shipment of unidentified works of art to Austria, August 27, 1951, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 14. 74 Protokoll der Besprechung beim Bayerischen Ministerpräsidenten, 31. August 1951, BArch B 323/347, Bl. 417 – 418. 75 Lauterbach 2015, S. 189 – 190. 76 Valland, Rose, Cession d’œuvres d’art des grandes collections nazies à l’Autriche, 3 septembre 1951, AMAE 209SUP/381 P13.

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im September 1951 zum ersten Mal einen Bescheid des Erziehungsministeriums erhalten hatte, der sie nach Paris zurückberief, arbeitete der SRPOA fortan unter dem ständigen Druck einer baldigen Auflösung. Verhandelt wurde die Frage, ob und in welcher Form die récupération artistique in Deutschland fortgesetzt werden müsse, z­ wischen dem HCRFA in Mainz sowie dem Außenministerium und dem Erziehungsministerium in Paris. Ähnlich wie bereits bei den kulturpolitischen Konflikten z­ wischen Baden-­­Baden und Paris zeigte sich auch hier, dass die Pariser Ministerien den Kulturrestitutionen eine höhere Priorität einräumten und ihre Verlängerung daher tendenziell eher befürworteten: Auch wenn die Londoner Beschlüsse mittlerweile die Zuständigkeit für diese auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen hätten, läge dem Außenminister Robert Schuman nach wie vor daran, à ce que soit exercé un certain contrôle sur les conditions dans lesquelles s’opèreront, à l’avenir, les restitutions. Je suis persuadé au contraire qu’il est du plus haut intérêt que la représentation de notre pays demeure assurée dans ce domaine, alors que de nombreuses œuvres d’art, qui représentent pour le Trésor Français, les Musées Nationaux et les Bibliothèques un patrimoine matériel et culturel considérable, n’ont pu être récupérées à ce jour.77

Das HCRFA sah jedoch die Notwendigkeit einer Stellenverlängerung Vallands nicht ein und begründete ihre Rückberufung nach Paris mit Umstrukturierungen und Budgetkürzungen, aber auch mit dem Umstand, dass die Bundesrepublik Deutschland künftig größere Verantwortung für die kulturellen Restitutionen übernehmen würde.78 Die fortgesetzte Präsenz französischer Restitutionsorgane in Deutschland wurde daher im HCRFA nicht mehr unbedingt als erforderlich angesehen. Die vorläufige Verlängerung des Service de Remise en Place des Œuvres d’Art gelang letztlich durch eine administrative Umstrukturierung innerhalb des HCRFA . Hatte der SRPOA bis dato direkt dem Kabinett des Hohen Kommissars unterstanden, so wurde er nunmehr in die Zuständigkeit der Direction Générale des Affaires Culturelles verschoben, wo er bis Dezember 1952 seine Aktivitäten fortsetzen konnte. Gelingen konnte diese neue Anbindung allerdings nur, weil der frühere Directeur Général Raymond Schmittlein inzwischen nach Frankreich zurückgekehrt und sein Nachfolger offener für Vallands Argument war, wonach die récupération artistique als Teil der „affaires culturelles“ zu werten sei, da auch sie sich mit Kultur und patrimoine auseinandersetze.79 77 Schuman, Robert, Lettre à l’Ambassadeur de France, Haut-­­Commissaire de la République en Alle­ magne, sur la récupération artistique (mission de Rose Valland), 19 octobre 1951, AMAE AC 42/4a. 78 De Bresson, Lettre sur une éventuelle prolongation de la mission de Rose Valland, 14 août 1951, AN 20150497/216, und François-­­Poncet, André, Lettre à Robert Schuman au sujet de la mission de Rose Valland, 7 novembre 1951, AMAE AC 42/4a. 79 Valland, Rose, Lettre au Directeur Général des Affaires Culturelles au Ministère des Affaires étrangères, au sujet du rattachement du Service de Remise en place des Œuvres d’Art à cette direction,

Der alliierte Rückzug aus den Collecting Points  I  159

Von der Einbindung in die Generaldirektion erhoffte Valland sich unter anderem, dass die Interessen der récupération artistique auch nach der Umformung des Haut-­ Commissariat zu einer französischen Botschaft stärkere Berücksichtigung finden könnten. Die institutionelle Rückendeckung der Kulturabteilung machte es in der Tat einfacher, die Restitutionen als Teilaspekt der französischen Kulturdiplomatie zu interpretieren und ihre Fortsetzung zu rechtfertigen. Diese Argumentation brachte auch Philippe Erlanger vom französischen Außenministerium ins Spiel, als im Dezember 1952 erneut Vallands Abberufung zur Debatte stand. Gegenüber dem HCRFA machte Erlanger sich für die Idee stark, in der französischen Botschaft in Bonn einen Kulturattaché zu designieren, der sich speziell mit „toutes les questions intéressant les récupérations culturelles“ 80 auseinandersetzen sollte. Diesem Attaché solle in Kontinuität zum SRPOA ein kleines Büro mit spezialisiertem Personal übertragen werden, das die Wahrung der französischen Interessen im Bereich der Kulturrestitutionen fortsetzen werde – Interessen, so Erlanger, die sowohl individuelle Eigentümer als auch die französischen Museen und Bibliotheken beträfen, die von den Restitutionen profitierten. Der Directeur Général des Affaires Culturelles stimmte d ­ iesem Vorschlag grundsätzlich zu.81 Allerdings hing ­dieses Projekt auch dann noch in der Schwebe, als Rose Valland 1953 endgültig nach Paris zurückberufen wurde. Dort übernahm sie die Leitung des eigens für sie gegründeten Service de Protection des Œuvres d’Art, der – angesiedelt innerhalb der Direction des Musées de France – weitere Restitutionsfragen bearbeitete und andererseits den Schutz von Kulturgütern im Falle eines neuen Krieges organisieren sollte. Auch aus dieser Position heraus setzte sich ­Valland weiterhin für die Eingliederung des SRPOA in die künftige französische Botschaft in Bonn ein. So bemühte sie sich im Frühjahr 1954, die Stelle ihrer Nachfolgerin in der Leitung des SRPOA zumindest so weit verlängern zu lassen, bis die Umstrukturierung des HCRFA in eine Botschaft abgeschlossen und die Kontinuität des SRPOA gewährleistet war. Dass die Fortsetzung seiner Aktivitäten notwendig sei, begründete sie dabei nicht allein mit der „récupération des œuvres d’art enlevées pendant la guerre“, sondern auch mit dem Verweis auf „réclamations allemandes que le ‚Service de Remise en Place des Œuvre d’Art‘ s’efforce de satisfaire.“ 82 Gemeint waren damit Ermittlungen, die der SRPOA für deutsche Museen führte, die kriegsbedingte Verluste erlitten hatten und in Frankreich nach ihnen suchten, so beispielsweise die Staatsgalerie Stuttgart, an deren Auslagerungsdepots es in den ersten Monaten der französischen B ­ esatzung zu D ­ iebstählen 8 mars 1952, AMAE AC 42/4a. 80 Erlanger, Philippe, Lettre à Spitzmuller sur les récupérations culturelles en Allemagne, 13 décembre 1952, AMAE AC 81/5. 81 Spitzmuller, Henry, Lettre à Robert Schuman sur l’éventuel rattachement des récupérations culturelles en Allemagne à une future Ambassade, 20 décembre 1952, AMAE AC 81/5. 82 Valland, Rose, Lettre à Henry Spitzmuller concernant l’avenir du Service de Remise en Place des Œuvres d’Art, 9 avril 1954, AMAE AC 81/5.

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gekommen war.83 Da der SRPOA eben nicht nur nach Kunstwerken französischer Provenienz, sondern auch nach deutschen „œuvres d’art déplacées par la guerre“ forsche, so fuhr Valland fort, müsse die Zuständigkeit des SRPOA weiterhin bei der Direction Générale des Affaires Culturelles – und zu einem späteren Zeitpunkt der Kulturabteilung der künftigen französischen Botschaft – verbleiben. Damit implizierte Valland, dass die Rückführung von Kulturgütern eine Form wechselseitigen deutsch-­­französischen kulturellen Austauschs geworden war, bei der nicht nur die französischen Interessen, sondern auch die von deutschen Museen gewahrt wurden.84 Vallands Bemühungen waren jedoch letztlich vergebens. Infolge von Personalkürzungen wurde die Frage der kulturellen Restitutionen wieder in den Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftsabteilung (Service Réparations-­­Restitutions) zurückübertragen, und der SRPOA wurde im Mai 1954 aufgelöst.85 Die Rückberufung Vallands nach Frankreich sowie die Auflösung des SRPOA müssen sowohl in der französischen Deutschlandpolitik insgesamt als auch in einem innerfranzösischen Kontext der kulturellen Restitutionen verortet werden. Die Eingliederung des SRPOA in die französische Botschaft in Westdeutschland hätte das Signal gesendet, dass die französischen Restitutions- und Reparationsinteressen nach wie vor eine hohe außenpolitische Priorität besaßen. In gewissen Kreisen mochte dies frankreichintern sogar der Fall sein. Es war sicher kein Zufall, dass der Vorschlag der Einbindung ausgerechnet von Philippe Erlanger stammte, der in der Association française d’Action artistique für die auswärtige Kulturpolitik zuständig war und in dieser Funktion bereits z­ wischen 1945 und 1949 das Ausstellungsprogramm der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts in der französischen Besatzungszone kritisiert hatte, weil er der récupération artistique eine höhere Priorität einräumte. Um 1952 – 53 hatten diese antideutschen Tendenzen in der französischen Deutschlandpolitik jedoch längst an Einfluss verloren, die außen- und wirtschaftspolitisch auf westeuropäische Integration setzte und sich auch im Bereich der Kulturpolitik um deutsch-­­französische Annäherung bemühte.86 Damit erfuhr die récupération artistique einen Bedeutungsverlust, sodass die Beibehaltung einer französischen Mission für die kulturellen Restitutionen in Deutschland nicht mehr erwünscht war. Die französischen Ansprüche wurden zwar mit Vallands Zurückbeorderung nach Paris nicht vollends aufgegeben, denn in dem eigens für sie geschaffenen Service de Protection Artistique führte sie ihre Recherchen fort und blieb

83 Zu den Ermittlungen des SRPOA in ­diesem Fall, vgl. Kolle, Georges, Transmission à Rose Valland d’un rapport sur l’affaire des vols dans les dépôts de la Württembergische Staatsgalerie Stuttgart, 28 juillet 1951, AMAE 209SUP/181 A149. 84 Valland, Rose, Lettre à Henry Spitzmuller concernant l’avenir du Service de Remise en Place des Œuvres d’Art, 9 avril 1954, AMAE AC 81/5. 85 Spitzmuller, Henry, Lettre à Rose Valland sur l’avenir du Service de Remise en Place des Œuvres d’Art, 14 avril 1954, AMAE AC 81/5. 86 Defrance 2005, S. 242 – 244.

Der alliierte Rückzug aus den Collecting Points  I  161

auch weiterhin mit der TVK in Kontakt. Dennoch verschwanden mit dem Ende des SRPOA die kulturellen Restitutionen aus dem offiziellen außenpolitischen Diskurs. Der Bedeutungsverlust der Restitutionen dürfte jedoch nicht allein mit den Veränderungen der deutschland- und europapolitischen französischen Zielsetzungen zu begründen sein. Bereits die Auflösung der CRA und die Übergabe der noch offenen Restitutionsdossiers an das der CRA übergeordnete OBIP waren zum Teil mit Budgetfragen begründet worden. Kürzungen desselbigen waren auch einer der Gründe dafür, dass das OBIP seinerseits 1953 in seiner Autonomie beschnitten und zu einem Service des Biens et Intérêts Privés unter der doppelten Zuständigkeit des Finanzministeriums und des Außenministeriums umgewandelt wurde. Eng verbunden mit diesen Kürzungen war die Einsetzung der Commission de Choix, um eine Auswahl aus den Restbeständen der CRA treuhänderisch in die französischen Nationalmuseen zu überführen und den Rest über die Administration des Domaines zu versteigern. Die Verkaufserlöse der Auktionen kamen dem Staat zugute.87 Wie die Historikerin Corinne Bouchoux herausgearbeitet hat, wirkte neben diesen ökonomischen Faktoren jedoch auch eine Unterschlagungsaffäre bei der CRA beschleunigend auf den Abschluss der Restitutionen ein. Bereits 1949 hatte sich herausgestellt, dass einige Verwaltungsmitarbeiter der CRA Kulturgüter – einige hundert Gemälde und Tapisserien, vor allem aber Möbel – veruntreut hatten. Die Affäre beeinflusste die Auflösung der CRA zum Jahresende von 1949 und die Übernahme der Kontrolle der verbleibenden Bestände und Restitutionen durch das OBIP, wurde aber zunächst unter Verschluss gehalten. Erst 1951 kam es zu gerichtlichen Verurteilungen der Hauptakteure – als einer der Köpfe der Unterschlagungen wurde u. a. Guy Salley, der Sekretär der Commission de Choix, zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt – und einer breiteren Rezeption der Affäre in der französischen Presse. Die Unterschlagungen führten zu einer Diskreditierung der Leistungen der CRA und sorgten dafür, dass auch in Frankreich die kulturellen Restitutionen aus dem politischen Diskurs verdrängt wurden.88

3.3 Die Restitutionspraxis nach 1949 Der schrittweisen Übergabe der Bestände der Collecting Points an deutsche Behörden zum Trotz wurden Restitutionen sowohl auf amerikanischer als auch auf französischer Seite auch 1949 und danach fortgesetzt. Die politischen Debatten um die Schließung der CCPs und die Zukunft der kulturellen Restitutionen wirkten sich dabei durchaus auf die Restitutionspraxis aus.

87 Vgl. dazu Bouchoux 2013, S. 68 – 69. 88 Ebd., S. 68 – 72.

162 I Die Zeit nach 1949

Am unmittelbarsten zeigten sich diese Auswirkungen in München, wo Elie Doubinsky ­zwischen April und Juli 1949 noch unter OMGUS-Verwaltung, aber auch unter dem Druck der baldigen Schließung des CCP drei Objektkonvois nach Paris verschickt hatte, die insgesamt 1.200 Positionen umfassten.89 Mit einer vierten Sendung im November 1949, die weitere 52 Objekte sowie Kopien der ERR-Akten enthielt, fand die äußere Restitution aus München jedoch vorläufig ihren Abschluss, da der CCP München infolge der Aufteilung der Restbestände auf den CCP Wiesbaden und die bayerische Treuhänderschaft faktisch geschlossen wurde.90 Damit endete die Tätigkeit von Elie Doubinsky als französischem Repräsentanten in München jedoch keineswegs. Offiziell wurde er nun als Délégué des Beaux-­­Arts in der amerikanischen Zone für kulturelle Aktivitäten zuständig und unterstützte das französische Konsulat unter anderem in der Organisation von Ausstellungen.91 Daneben setzte er im Verlauf des Jahres 1950 Recherchen für die Baden-­­Badener Abteilung des SRPOA fort, die noch offene Ermittlungen – darunter auch zu verschollenen Objekten aus deutschen Museumssammlungen – neu aufrollte. Für eine dieser Ermittlungen arbeitete er zu Jahresbeginn an einer bereits im Juni 1949 aufgenommenen Recherche zu dem Kunsthändler Gustav Rochlitz weiter. Auslöser hierfür war der Umstand, dass Mimi Tho Rahde, die Tochter der Kunsthändlerin Maria Almas-­­Dietrich, eine Pietà-­­Skulptur zurückforderte, die 1946 in einem Depot in Meersburg aufgefunden worden war, in dem Rochlitz einen Teil der Lagerbestände seines Kunsthandels versteckt hatte. Die Bestände des aufgelösten Depots waren von den Beaux-­­Arts-­­Offizieren der französischen Zone zunächst in den CCP Baden-­­Baden und dann nach Paris transferiert worden. Als Mimi Tho Rahde die Pietà zurückforderte, musste Doubinsky zur Überprüfung ihrer Ansprüche ausfindig machen, auf ­welchen Wegen die Pietà nach Meersburg gekommen war. Es stellte sich dabei heraus, dass Rochlitz und Almas-­­Dietrich zeitweilig gemeinsam Kisten mit Kunstwerken in Hohenschwangau deponiert hatten. Rochlitz lagerte später einen Teil davon nach Meersburg um und musste dabei auch die Pietà abtransportiert haben.92 In Doubinskys Korrespondenzen zur Rochlitz-­­Ermittlung, aber auch in seinen Briefen an Rose Valland aus dem Jahr 1950 wird deutlich, dass die deutsche Zuständigkeit für den CCP , in dem er nach wie vor sein Büro hatte, für seine Arbeit nur von sekundärer Bedeutung war. Wichtiger waren für ihn die amerikanischen Zuständigen, die nach wie vor 89 Der letzte dieser drei Konvois unter OMGUS-Verwaltung wurde am 1. Juli 1949 verschickt und umfasste 266 Objekte. Doubinsky, Elie; Munsing, Stephan P., Receipt and Agreement for Delivery of cultural objects: Shipment N° 37, 1 July 1949, NARA RG 260, A 1, Entry 515, M1946, Roll 20. 90 Doubinsky, Elie, Récapitulation des 39 convois des Beaux-­­Arts restitués par le Collecting Point de Munich depuis 1945 jusqu’à présent, 12 juin 1950, AMAE 209SUP/113 A44. 91 Doubinsky, Elie, Lettre à Rose Valland, 11 janvier 1950, AMAE 209SUP/297 C9. 92 Die Ansprüche Mimi Tho Rahdes auf die Skulptur wurden 1951 von Michel Florisoone als ungerechtfertigt zurückgewiesen, da die Skulptur vor ihrer Erwerbung durch Tho Rahde verfolgungsbedingt entzogen worden war. Vgl. dazu z. B. Florisoone, Michel, Lettre à Rose Valland au sujet d’une réclamation de Mimi Tho Rahde, 20 février 1951, AMAE 209SUP/184 A153.

Die Restitutionspraxis nach 1949  I  163

die Kontrolle über die kulturellen Restitutionen ausübten. In München selbst unterhielt Doubinsky vor allem zu Beginn des Jahres Kontakte mit dem ehemaligen CCP -Direktor und Leiter des Münchner Amerika-­­Hauses Stephan P. Munsing. Vielfach betrafen diese Kontakte allerdings inzwischen die französischen kulturellen Aktivitäten in München, etwa die Wanderausstellungen der Kulturabteilung des HCRFA , die vor Ort Station machten. Für Fragen, die direkter mit Ermittlungen im Zusammenhang von Restitutionen zu tun hatten, wandte sich Doubinsky an Theodore Heinrich in Wiesbaden, der aufgrund seiner Zuständigkeit für die fortgesetzten äußeren Restitutionen nach wie vor eine Kontrollfunktion für den Münchner CCP besaß, sich allerdings so gut wie nie in München aufhielt. Erst im Juni 1950, als Doubinsky nach Wiesbaden reiste, um einen Restitutionskonvoi aus Bremen in Empfang zu nehmen und nach Paris weiterzuleiten, gelang es ihm, eine persönliche Unterredung mit Heinrich zu führen und den Modus der künftigen Zusammenarbeit abzustecken. Ergebnis des Gesprächs war, dass Doubinsky vorerst sein Büro im Münchner CCP -Gebäude behalten konnte. Außerdem erfuhr er, dass Heinrich vorhatte, einen Stellvertreter nach München zu delegieren, der die Oberaufsicht über den CCP übernehmen sollte.93 Tatsächlich wurde im August 1950 ein Herr Wangler als Heinrichs Stellvertreter nominiert, dem Doubinsky infolgedessen Rechenschaft für seine Ermittlungen schuldig war. Doubinsky war mit dieser Nominierung durchaus zufrieden, da Heinrichs weitgehende Abwesenheit aus München sich negativ auf den Fortgang der Restitutionen in Bayern ausgewirkt hatte. Ebenfalls positiv war zu verzeichnen, dass Wangler die amerikanischen Akten und Property Cards zum Münchner Restbestand aus Wiesbaden zurück nach München bringen würde, was die dortigen Recherchen erheblich vereinfachte. Der Transfer der amerikanischen Akten nach Wiesbaden hatte nämlich nicht nur dazu geführt, dass der deutsche Ausschuss für Restitutionsfragen nicht die ganze Münchner Dokumentation vorliegen hatte, um die bisherigen Restitutionen zu evaluieren. Gleichzeitig war damit auch den Franzosen, namentlich Doubinsky, die Möglichkeit entzogen worden, anhand der Münchner Property Cards zu einzelnen Objekten, speziell den Erwerbungen aus dem „Sonderauftrag Linz“, zu recherchieren. Bereits im Februar 1950 hatte Valland daher eine Anfrage an Theodore Heinrich in Wiesbaden gerichtet, in der sie darum bat, dass den Franzosen einer der Sätze der Münchner Property Cards zumindest leihweise überlassen werden möge, damit die Nachforschungen zu den Linz-­­Ankäufen abgeschlossen werden konnten.94 Der Sachverhalt zeigt nicht zuletzt auf, dass der Erfolg der französischen Restitutionen seit 1945 auch von der Bereitschaft der Amerikaner abhing, Aktenmaterial zur Dokumentation der eingelagerten Objekte sowie zum Kontext des NS-Kulturgutraubs für Recherchen 93 Doubinsky, Elie, Lettre à Rose Valland portant sur une mission à Wiesbaden le 19 juin 1950, 26 juin 1950, AMAE 209SUP/184 A153. 94 Valland, Rose, Bordereau d’envoi sur la restitution de canons et recherche de drapeaux du Musée de l’Armée, 18 décembre 1950, AMAE AC 42/4a, und Valland, Rose, Rapport d’activités pour le Cabinet du Haut-­­Commissaire et transmission de lettres, 18 décembre 1950, AMAE AC 42/4a.

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verfügbar zu halten. Die interalliierte Zirkulation von Datenmaterial – und damit letztlich von Wissen – war stets eine Voraussetzung für Rückführungen und Restitutionen gewesen. Dass die Produktion d ­ ieses Wissens in die amerikanische Verwaltungsstruktur eingebettet war und die Amerikaner daher ein Monopol über das Datenmaterial besaßen, entwickelte sich jedoch spätestens mit dem Moment ihres Rückzugs aus den Restitutionen zu einem Problem für die Franzosen. Die Verschlechterung der Bedingungen für den Fortgang der französischen Restitutionen beschrieb Elie Doubinsky bereits wenige Wochen vor Wanglers Abordnung in einem vertraulichen Brief an Rose Valland. Darin skizzierte er die Atmosphäre, die im CCP München herrschte, und übte harsche Kritik an Theodore Heinrich, der einerseits hauptsächlich von Wiesbaden aus arbeite, andererseits aber keine anderen Einflussfaktoren außer seinem eigenen in München dulde. Die deutschen Mitarbeiter, allen voran Bernhard Hoffmann, hätten sich Heinrich formal gefügt – später sollte Doubinsky allerdings kritisieren, dass Hoffmann Heinrichs Abwesenheit genutzt habe, um seinen eigenen Einfluss auf die Restitutionsangelegenheiten zu vergrößern und damit auch französische Ermittlungen zu behindern. Valland argwöhnte ihrerseits, dass in der Tat ein Gutteil der französischen Schwierigkeiten auf Heinrichs Verhalten zurückzuführen sei. Gleichzeitig befürchtete sie, dass Heinrich versuchen könnte, Doubinsky aus dem CCP München hinauszubefördern.95 Als Heinrich im Spätjahr 1950 in die USA zurückkehrte, Thomas Carr Howe in Frankfurt seine Nachfolge antrat und S. Lane Faison für die Identifizierung der Altaussee-­­Provenienzen im Münchner CCP berufen wurde, brachte dies strukturell eine kurzzeitige Verbesserung der dortigen Bedingungen mit sich. Mit der Wiederöffnung des CCP wurde auch die Rückführung von Objekten aus München nach Paris wieder aufgenommen; allerdings wurden letztlich nur noch sehr kleine Konvolute verschickt. Auf der Akteursebene führte Faisons Berufung jedoch dazu, dass Doubinsky den CCP verlassen musste und die seit 1945 kontinuierlich aufrechterhaltene französische Interessenvertretung in München ihr Ende fand.96 Die Objektkonvois, die nach d ­ iesem Zeitpunkt nach Paris gelangten, wurden daher in der Regel zunächst in den CCP Baden-­­Baden geschickt, wo der SRPOA die Inhalte vor der Weitersendung verzeichnete.97 95 Vgl. Doubinsky, Elie, Note sur la nomination d’un délégué américain au CCP Munich, 22 août 1950, AMAE 209SUP/138 A86, zur Nominierung von Herrn Wangler, und Valland, Rose, Retransmission à M. de Bonnechose d’une lettre de Doubinsky sur l’atmosphère des restitutions en Bavière, 17 août 1950, AMAE 209SUP/198 A173, zu Doubinskys Beobachtungen der Bedingungen für die kulturellen Restitutionen. 96 Wann genau Doubinsky seinen Posten räumen musste und ­welche Gründe formal dazu führten, ist aus den Akten nicht klar ersichtlich. Ein Schreiben Heinrichs an Faison im Februar 1951 deutet jedoch darauf hin, dass Faison ihn zu d ­ iesem Zeitpunkt bereits aus dem CCP hinauskomplimentiert hatte und dies auf die Empfehlung Heinrichs hin geschehen war. Heinrich, Theodore A., Letter to S. Lane Faison, February 13, 1951, AAA, Box 2, Folder 17. 97 Am 14. November 1950 ging beispielweise ein Münchner Shipment bestehend aus Büchern und Möbeln im CCP Baden-­­Baden ein; es wurde allerdings 1951 nicht ans OBIP in Paris, sondern an

Die Restitutionspraxis nach 1949  I  165

Doubinsky verlieh seiner Verbitterung über das Ende seiner Münchner Tätigkeit im Sommer 1951 in einem weiteren vertraulichen Brief an Rose Valland Nachdruck, in dem er nicht nur mit Heinrich, sondern auch Faison hart ins Gericht ging. Wie Hoffmann gegen die Franzosen intrigiere, habe sich besonders deutlich in der Auseinandersetzung um den Linz-­­Film gezeigt, d. h. die Mikroverfilmung der in Dresden lagernden Dokumente zum „Sonderauftrag Linz“, die die Amerikaner 1946 in der sowjetischen Besatzungszone hatten anfertigen dürfen. Das Original des Mikrofilms war um 1949/50 in München verschollen; Hoffmann hatte infolgedessen offenbar die Behauptung verbreitet, die Franzosen hätten den Mikrofilm nach Frankreich verbracht. Erst nach Protesten Vallands und intensiven Nachforschungen in München habe sich herausgestellt, dass der Mikrofilm versehentlich weggeworfen und zusammen mit dem Papiermüll des CCP verbrannt worden sei.98 Faisons Antritt in München habe an Hoffmanns starker Position jedoch wenig geändert; letzten Endes habe dies auch zur Folge gehabt, dass sogar Personen wie Ludwig Heydenreich, die den französischen Interessen bislang offen gegenübergestanden hätten, sich nun zunehmend gegen die Franzosen wandten. Nicht zuletzt habe Faisons allzu nachgiebige Haltung dazu geführt, dass selbst wegen ihrer Machenschaften im NS verurteilte Kunsthändler wie Bruno Lohse problemlos im CCP hätten ein- und ausgehen könnten.99 Die Schwäche der Amerikaner habe also insgesamt den Sachverhalt begünstigt, dass sich in München eine zunehmend frankophobe und restitutionsfeindliche Linie durchsetzen konnte. Doubinskys Vorwürfe sind zweifellos von persönlichen Befindlichkeiten und Ressentiments geprägt und stellen daher wahrscheinlich einige der Sachverhalte überzeichnet dar. Tatsächlich wurde jedoch auf amerikanischer Seite kritisch gesehen, dass die Franzosen – als einzige Gruppe neben den Österreichern – nach wie vor Zugriff auf die CCP-Akten hatten und weiterhin Forderungen stellen durften.100 Insgesamt zeigt der Fall auf, dass die Fortsetzung der Restitutionen von München aus im Verlauf des Jahres 1950 zunehmend behindert wurde. Der Rückschlag, den Doubinskys Entlassung für die französischen Interessen bedeutete, dürfte seinerseits auf Vallands Positionierung in den politischen Verhandlungen um die Fortsetzung der Restitutionen zurückgewirkt haben. Die Vehemenz, mit der sie auf der restitution in kind als Druckmittel insistierte und sich gegen die Übernahme der Zuständigkeiten durch die TVK seine Dépendance in Straßburg verschickt. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1950 – 1952 (Villa Krupp), AMAE 209SUP/346 D40, die Inventarnummern 1144 – 1154. 98 Doubinsky, Elie, Lettre à Rose Valland au sujet de la cession des Collecting Points, 29 juin 1951, AMAE 209SUP/198 A173. Unabhängig von Doubinsky, aber im Kern übereinstimmend gibt auch Faison in einem Brief im Sommer 1951 die Auseinandersetzung um den Linz-­­Film wieder. Faison, S. Lane, Letter to Edgar Breitenbach pertaining to the CCP Munich and the German Restitution Committee, August 30, 1951, AMAE 209SUP/198 A173. Zum Linz-­­Film vgl. auch Löhr 2005, S. 4. 99 Doubinsky, Elie, Lettre à Rose Valland au sujet de la cession des Collecting Points, 29 juin 1951, AMAE 209SUP/198 A173. 100 Heinrich, Theodore A., Letter to S. Lane Faison, February 13, 1951, AAA , Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 17.

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aussprach, resultierte demnach auch aus dem Umstand, dass die Restitutionspraxis in München von deutscher Seite behindert wurde und die Amerikaner diese Behinderungen duldeten. Der CCP München war ab 1949 nicht der einzige Schwerpunkt der weiteren französischen Ermittlungen und Rückführungen. Bereits ab 1947 hatte sich die Haupttätigkeit der Restitutionsmission von der Identifizierung von Objektensembles in den CCPs hin zu Einzel­ recherchen auf der Basis von Claims verlagert. Der SRPOA unter der Gesamtleitung von Rose Valland setzte diese Tendenz fort. Dabei sind zwei klare Schwerpunktsetzungen unterscheidbar: Die Baden-­­Badener Abteilung, die neben dem dortigen Collecting Point das Bureau Central des Restitutions (BCR) unter Etienne Bizard und ein neu eingerichtetes Bureau des Investigations Artistiques umfasste, rollte eine Reihe von unabgeschlossenen Ermittlungen in der französischen Besatzungszone neu auf. Dazu zählten die bereits erwähnten Recherchen rund um Gustav Rochlitz und seine Kunstdepots im Südschwarzwald und Hohenschwangau, in die auch Doubinsky einbezogen wurde, aber auch Ermittlungen um Plünderungen von Kulturgütern, zu denen es 1945 auf dem Gebiet der Première Armée française an den Auslagerungsdepots deutscher Museen gekommen war.101 Rose Valland bearbeitete von ihrem Sitz in Berlin aus Angelegenheiten, die alle vier Besatzungszonen betreffen konnten und in ihrem Charakter durchaus heterogen waren. Einen Gesamteindruck ihrer Tätigkeiten vermitteln die Rechenschaftsberichte, die sie dem Haut-­­Commissaire François-­­Poncet vorlegte. Neben nach Besatzungszonen gegliederten Auflistungen der jeweils zurückgeführten Objekte enthalten diese Sachberichte zu einzelnen Angelegenheiten, etwa Kontextforschungen zum NS-Kulturgutraub in Griechenland und Nachforschungen zu fiskalischen Ausplünderungen in Frankreich, die Lokalisierung von Kunstwerken in Polen sowie die Restitution von Kanonen und Tapisserien aus der sowjetischen Besatzungszone. Einen weiteren wichtigen Teilaspekt ihrer Arbeit machten die Nachforschungen zu Erwerbungen deutscher und österreichischer Museen auf dem Pariser Kunstmarkt aus, darunter auch Ankäufe für den „Sonder­auftrag Linz“. Speziell für Letztere stand Valland nach Doubinskys Entlassung meistens in direktem Kontakt mit S. Lane Faison. Die Korrespondenzen ­zwischen den beiden aus den letzten Monaten vor der Schließung des CCP München zeigen deutlich, wie sehr ihr Alltagsgeschäft zu ­diesem Zeitpunkt von oftmals kleinteiligen Recherchen zu einzelnen Gemälden geprägt war.102 Kennzeichnend war dabei auch, dass Valland und Faison sich nicht nur intensiv damit auseinandersetzen mussten, w ­ elche Kunsthändler für den „Sonderauftrag Linz“ ­welche Erwerbungen getätigt hatten. Da die Händler selbst als Zeugen befragt wurden, fungierten Valland und Faison nebenbei als Beobachter für den Kunsthandel, der 101 Vgl. dazu exemplarisch [Kolle, Georges], Rapport concernant l’affaire du dépôt de Neustadt, 28 juillet 1951, AMAE 209SUP/346 D40. Zu Plünderungen in der französischen Besatzungszone vgl. auch Kap. 4. 102 Vgl. z. B. Faison, S. Lane, Letter to Rose Valland on different restitution matters, July 13, 1951, AMAE 209SUP/184 A 153.

Die Restitutionspraxis nach 1949  I  167

sich im Nachkriegsdeutschland ­allmählich neu formierte und in dem einige altbekannte Akteure sich neu etablierten. Dass die Beurteilung von Kunsthändlern, die in der NS-Zeit als Agenten für den „Sonderauftrag Linz“ oder Göring tätig gewesen waren, auch zu dieser Zeit durchaus ambivalent und schwierig blieb, zeigt sich exemplarisch am Fall Bruno Lohse.

Exkurs: Umgang mit deutschen Kunsthändlern – der Fall Bruno Lohse Bruno Lohse war im Sommer 1945 wegen seiner Tätigkeit für den ERR und seiner Verstrickung in verschiedene Tauschgeschäfte ­zwischen ­diesem, Hermann Göring und verschiedenen Pariser Kunsthändlern verhaftet und mehrfach von der ALIU befragt worden. Anschließend war er nach Frankreich ausgeliefert worden, wo er vom Tribunal de la Seine zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Bereits bei seiner Verhaftung und den Befragungen durch die ALIU und französische Ermittler hatten sich Diskrepanzen in der amerikanischen und französischen Wahrnehmung von Lohses Persönlichkeit gezeigt. Auch während der Revisionen seines Verfahrens und danach kursierten unter den verschiedenen französischen und amerikanischen Kunstschutz-­ Akteuren, die persönlich mit Lohse zu tun gehabt hatten, widerstreitende Ansichten zu seiner Persönlichkeit und dem Grad seiner Verantwortung im NS-Kulturgutraub. Als sich die ehemaligen ALIU-Mitglieder Theodore Rousseau und James Plaut im April 1949 in einem Brief an Albert Henraux für eine Milderung von Lohses Haftstrafe einsetzten, argumentierten sie unter anderem mit dessen Bereitschaft, Informationen verfügbar zu machen, die der ALIU für die weitere Recherche nach geraubten Kulturgüter von Nutzen waren.103 Henraux’ Antwort auf den Brief fiel ausgesprochen knapp aus: Er wies darauf hin, dass die CRA keine Zuständigkeit für den Umgang mit den Verantwortlichen des Kunstraubs hatte und empfahl Rousseau, dass er, „[si] donc [il] persiste[] à vouloir intervenir en faveur d’un des plus grands pilleurs du patrimoine artistique français et d’un des plus authentiques coupables de son appauvrissement“ 104, sich direkt an die französische Justiz wenden möge. Diese Ambivalenzen in der Wahrnehmung Lohses setzten sich auch fort, nachdem er im Frühjahr 1950 aus der französischen Haft entlassen wurde und nach München zurückkehrte, um sich dort erneut als Kunsthändler zu etablieren. Wie Walter Andreas Hofer, Walter Bornheim und andere deutsche Kunsthändler, so wurde auch Lohse für Befragungen zur Herkunft einzelner Objekte im CCP München herangezogen. Im Juli 1951 etwa befragte Faison ihn zur Herkunft des Gemäldes „Orphée et les animaux“ von Roéland Savery (Mü-­­Nr. 6431) (Abb. 7). Lohse, der Faisons späteren Angaben gegenüber Rose 103 Rousseau, Theodore, Lettre à Albert Henraux au sujet de Bruno Lohse, 1 mars 1949, AMAE 209SUP/714 d1. 104 Henraux, Albert, Lettre à Theodore Rousseau au sujet de Bruno Lohse, 7 mars 1949, AMAE 209SUP/714 d1.

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Valland zufolge inzwischen mutmaßlich als Agent für den Schweizer Kunsthändler und Auktionator Theodor Fischer tätig war, gab zu dem fraglichen Gemälde an, dass es wohl in Paris angekauft worden sei, ohne allerdings ins Details zu gehen.105 Rose Valland ermittelte später, dass Allen Loebl bei einem M. Mestrallert ein Gemälde „paysage avec animaux“ von R. de Savary [sic] angekauft hatte, das Bruno Lohse am 22. Dezember 1942 für 250.000 FF von Loebl erwarb.106 Lohse hatte, so Vallands Schlussfolgerung, gegenüber Faison also bewusst einige Informationen verschwiegen. Wenige Wochen später brachte Faison über einen Verbindungsmann bei den britischen Behörden in Erfahrung, dass Lohse plane, in Kooperation mit einigen weiteren Kunsthändlern ein Auktionshaus in Düsseldorf zu eröffnen; bei den fraglichen Partnern handele es sich um Theodor Fischer aus Luzern, den Industriellen Günther Quandt sowie den Kunsthändler Alois Miedl.107 Faison leitete diese Information umgehend an Thomas Carr Howe in Wiesbaden und Rose Valland in Berlin weiter. Er bat Valland darum, ihm die Kopie eines Telegramms zuzusenden, das Lohses Verstrickung in die Beschlagnahme der Sammlung Schloss nachweisen konnte, damit Faison unter Berufung auf d ­ ieses Dokument den britischen Kollegen empfehlen konnte, ein Auge auf Lohses Düsseldorfer Aktivitäten zu haben oder nach Möglichkeit sogar dem Auktionshaus die Lizenz zu entziehen.108 Als problematisch wurde Lohses Versuch, sich erneut im deutschen Kunsthandel zu etablieren, 105 Faison, S. Lane, Letter to Rose Valland on different restitution matters, July 13, 1951, AMAE 209SUP/184 A153. 106 Faison, S. Lane, Lettre à Bruno Lohse (traduite) au sujet d’un tableau de Savary, 18 juin 1951, AN 20150497/216. Die Recherche in der DHM-Datenbank zum CCP München ergibt, dass das fragliche Gemälde von Roéland Savery als „Orpheus spielt vor den Tieren“ im CCP verzeichnet war und aus dem Depot der Göring-­­Sammlung in Berchtesgaden stammte. Die Restitutionskartei gibt als Provenienzhinweise an, dass die Gemälderückseite einen Hinweis auf „Mestrallet, Paris“ trug und vermerkt: „soll angeblich durch Lohse in Paris erworben worden sein (die History ist völlig ungeklärt)“. Frankreich meldete auf der Basis dieser Informationen einen Restitution Claim an; die Restitution erfolgte am 17. 10. 1952 via HICOG. Restitutionskartei zur Mü-­­Nr. 6431, in: Deutsches Historisches Museum (Hrsg.), Datenbank zum CCP München, URL: http://www.dhm.de/ datenbank/ccp/dhm_ccp_add.php?seite=6&fld_1=6431&fld_1_exakt=exakt&suchen=Suchen (abgerufen am 20. 09. 2015). In Frankreich wurde das Gemälde anschließend in den Bestand der „Musées Nationaux Récupérations“ aufgenommen. Heute befindet es sich als MNR 952 im Département Peinture des Louvre. Eintrag „Roéland Savery, Orphée charmant les animaux“, in: Ministère de la Culture et de la Communication (Hrsg), Site Rose Valland – Musées Nationaux Récupération [Online-­­Datenbank], URL: http://www.culture.gouv.fr/public/mistral/mnrbis_fr (abgerufen am 21. 02. 2019). 107 Evans, G. E. T. H., Transmission of a confidential report on Theodor Fischer, Bruno Lohse and others, 2 August 1951, AN 20150497/216. 108 Faison, S. Lane, Letter to Rose Valland informing her on two affairs on Bruno Lohse and Dusseldorf, 3 August 1951, AN 20150497/216. Vgl. auch Faison, S. Lane, Letter to Thomas Carr Howe relating to the CCP Munich, August 3, 1951, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 17.

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nicht zuletzt auch deswegen gesehen, weil er offensichtlich auf alte Netzwerke zurückgriff, deren Mitglieder ebenso wie er in den nationalsozialistischen Kunstraub verwickelt gewesen waren. Bei Fischer etwa hatte über das Einwirken Karl Haberstocks 1939 eine Auktion mit der in deutschen Museen beschlagnahmten sogenannten „entarteten“ Kunst stattgefunden. Überdies war Fischer während des Kriegs über seinen Partner Hans Wendland in verschiedene Tauschgeschäfte mit dem ERR involviert und hatte sich anschließend für diese ­Verstrickungen vor Gericht verantworten müssen.109 Zu Quandt schrieb Faison an Thomas Carr Howe, dass er der Ex-­­Mann von Magda Goebbels gewesen sei und im Krieg wohl viele Ankäufe getätigt habe.110 Alois Miedl schließlich hatte während des Kriegs die Geschäftsführung der „arisierten“ Kunsthandlung Jacques Goudstikker in den Niederlanden übernommen und war als Agent Görings tätig gewesen.111 Rose Valland bedankte sich bei Faison für die Informationen und kommentierte, dass „les projets de cette très sympathique trinité en di[sen]t long sur le repentir de nos voisins.“ 112 Valland behielt die deutschen Kunsthändlernetzwerke, die bereits vor 1945 bestanden hatten und sich ab den frühen 1950er Jahren neu konstituierten, auch noch in den folgenden Jahren im Auge, wie ein Briefwechsel mit James J. Rorimer von 1957 zeigt. Der Anlass war erneut Bruno Lohse: Dieser hatte in Erfahrung gebracht, dass Rorimer ihn in seinen 1950 publizierten Memoiren negativ dargestellt hatte, und zog nun eine Klage gegen diesen in Erwägung, da ihm aus dieser negativen Darstellung bereits berufliche Nachteile widerfahren ­seien. Zunächst hatte Lohse sich mit der Bitte um Vermittlung an James Plaut gewandt: Da dieser sich bei Lohses ALIU-Verhören als fair erwiesen habe und darüber hinaus mit Rorimer bekannt sei, könne er möglicherweise eine außergerichtliche Einigung mit ihm erzielen.113 Plaut leitete den fraglichen Brief an Rorimer weiter.114 Dieser wiederum nahm Kontakt mit Rose Valland auf, die daraufhin ein umfangreiches Dossier zusammenstellte, in dem sie verschiedenste Aktenkonvolute zu Lohses Verhältnis zum ERR , zu von Behr und Göring, zu den Juden – insbesondere den Loebl-­­Brüdern –, Belege für Fälle, in denen Lohse nach dem Krieg nachweislich falsche Auskünfte zu Objekten gemacht hatte, sowie 109 Vgl. Francini, Heuss und Kreis 2001, S. 144 – 165, und Jeuthe 2007, hier S. 212 – 237. 110 Faison, S. Lane, Letter to Rose Valland, August 3, 1951, AMAE 209SUP/184 A154. Die Informationen, die Faison zu Günther Quandt vorlagen, beruhten auf informellen Mitteilungen eines Düsseldorfer Kunsthändlers. Die Behauptung, Quandt habe während des Krieges im besetzten Ausland Kunstwerke angekauft, konnte bei einer Überprüfung seiner Sammlung durch die Zuständigen des CCP Baden-­­Baden jedoch nicht bestätigt werden. 111 Petropoulos 1999, S. 245. 112 Valland, Rose, Lettre à S. Lane Faison, 23 août 1953, AMAE 209SUP/184 A153. 113 Lohse, Bruno, Brief an James Plaut, 25. Februar 1957, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2 1.17. 114 Lohses fraglicher Brief enthält im Übrigen eine ausführliche Wiedergabe des Pariser Gerichtsverfahrens, in der er sich als Opfer der Justiz inszenierte und Vorwürfe gegen Rose Valland erhob, die sich in der Tat geweigert hatte, in der Revision des Verfahrens zu seinen Gunsten auszusagen. Ebd.

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­ nterlagen zur Sammlung Schloss kompilierte.115 Begleitet war die Aktenkompilation von U einem langen Anschreiben Vallands, in dem sie Auszüge aus den Akten kommentierte und auf Widersprüche ­zwischen Lohses Aussagen nach dem Krieg und den in den zeitgenössischen Informationen zu Lohse in den ERR-Akten hinwies. Das Anschreiben enthielt außerdem Informationen, die Valland durch Bekannte in München erhalten hatte und die aktuelle Entwicklungen im Bereich des Kunsthandels betrafen: Puis-­­je rajouter que Lohse qui se présente à vous comme une victime, fait de lui à Munich un tout autre personnage, si j’en juge par les conversations qui m’ont été rapportés et redevient là-­­bas le nazi véritablement désireux de se venger et de discréditer les restitutions. Il regrette par exemple de n’avoir pas exécuté l’ordre de Von Behr et de ne pas m’avoir fait disparaître (déportation et exécution), selon les projets de ce dernier. Il est devenu, en Allemagne, le défenseur de tous ces pauvres gens qui ont dû obéir par contrainte aux ordres des policiers nazis et à qui nous avons fait tant de peine en leur demandant des comptes. Une réunion a rassemblé à Munich, peu après le départ de Lane Faison, Almas Dietrich [sic], Bornheim, Wendland, Rochlitz, ces deux derniers étant venus spécialement de Paris où ils demeurent, à cette intention. Un plan d’action collectif dut y être décidé, car peu après, les plus grandes difficultés ont surgi dans les restitutions et une campagne de calomnies s’est déclenchée.116

Abschließend warnte sie Rorimer nachdrücklich davor, sich mit Lohse anzulegen, und bat ihn außerdem darum, für sich zu behalten, dass er diese Akten von Valland erhalten habe, offenkundig aus Furcht, dass Lohse daraufhin auch gegen sie vorgehen könnte. Vor d ­ iesem Hintergrund ist es im Übrigen sicherlich kein Zufall, dass Lohse in Vallands 1961 publizierten Memoiren „Le Front de l’Art“ nur ein einziges Mal im Kontext der Schloss-­­Affäre namentlich erwähnt und ansonsten höchstens ein bis zwei Mal umschrieben wurde.117 Stattdessen baute Valland in ihren Memoiren Hermann Bunjes 118 und Kurt von Behr zu den Hauptakteuren des ERR auf, also zwei ERR-Mitglieder, die 1945 Selbstmord begangen hatten. Dieser Befund steht in einem bezeichnenden Gegensatz zu Vallands zeitgenössischen Notizen aus den Jahren 1941 – 1944, in denen Hermann Bunjes so gut wie gar nicht, Bruno Lohse hingegen umso

115 Valland, Rose, Lettre à James Rorimer au sujet de Bruno Lohse, 25 juin 1957, AN 20150497/216. Ein Duplikat des Dossiers befindet sich in den Rorimer Papers in der National Gallery of Art: NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2, 1.17. 116 Valland, Rose, Lettre à James Rorimer au sujet de Bruno Lohse, 25 juin 1957, AN 20150497/216. 117 Valland 2014, S. 26 und S. 128. 118 Hermann Bunjes war ein Bonner Kunsthistoriker, der 1940 zunächst unter Franz Graf Wolff-­ Metternich im Kunstschutz tätig war, später jedoch auch Funktionen für den ERR wahrnahm und ab 1942 die neu gegründete „Kunsthistorische Forschungsstätte“ in Paris leitete. Doll 2002, S. 65 – 69. Zur Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris hat Nikola Doll 2016 – 17 am Deutschen Forum für Kunstgeschichte ein eigenes Forschungsprojekt durchgeführt.

Die Restitutionspraxis nach 1949  I  171

häufiger auftaucht.119 Zweifellos fürchtete Valland auch noch zu Beginn der 1960er die möglichen Konsequenzen, die sich aus allzu offenen und direkten Beurteilungen Lohses ergeben könnten, und hatte in dieser Hinsicht aus Rorimers Präzedenzfall gelernt. Rorimer hatte übrigens im Juli 1957 ein Anschreiben an James Plaut aufgesetzt, in dem er sich weigerte, Plauts Aufforderung zu einer Reinwaschung Lohses nachzukommen – ob er diesen Brief abschickte, ist jedoch fraglich, da der Entwurf durchgestrichen wurde.120 Inwieweit Lohse später seine Drohung erfüllte, Rorimer wegen Verleumdung zu verklagen, lässt sich zumindest anhand der Akten aus Rorimers Nachlass in der National Gallery of Art nicht ermitteln. Der Fall Bruno Lohses zeigt exemplarisch auf, wie es deutschen Kunsthändlern in den frühen 1950er Jahren trotz ihrer Verstrickungen in den Kulturgutraub gelang, sich erneut im Kunsthandel zu etablieren und ihre NS-Vergangenheit zu vertuschen. Ihre Rückkehr wurde von den alliierten Akteuren kritisch beobachtet, konnte allerdings nicht völlig unterbunden werden, da die fraglichen Personen inzwischen – sofern sie verurteilt worden waren – ihre Haftstrafen abgesessen oder zumindest ihre Entnazifizierungsverfahren abgeschlossen hatten. Die deutsch-­­amerikanischen Kontakte speziell in München zeigen überdies, dass diese Kontinuitäten des Kunstmarkts auch geduldet wurden, weil sie für die Recherchen am CCP nützlich waren. Allerdings waren es möglicherweise gerade diese Duldung und das Nutzbarmachen der Expertise der Kunsthändler durch die amerikanische MFA&A, die die Rehabilitierung belasteter Akteure mitermöglichten, da diese sich somit auf die Kooperation mit den Amerikanern berufen konnten, um ihren Ruf wiederherzustellen.121 Stärker als die Duldung durch die MFA&A dürften aber die Reaktivierung weitgehend intakt gebliebener beruflicher und sozialer Netzwerke und nicht zuletzt das gesellschaftliche Klima der frühen BRD die Re-­­Etablierung dieser Kunsthändler begünstigt haben.

Zwischenfazit und Ausblick Zwischen 1949 und 1953 änderten sich für Frankreich auf verschiedenen Ebenen die Bedingungen, um Rückführungen und Restitutionen von Kulturgütern fortzusetzen. Auf der außenpolitischen Ebene verschob sich die Konstellation der internationalen Verhandlungspartner: Waren bis 1949 die interalliierten Verhandlungen der westlichen Besatzungsmächte ausschlaggebend für die Gestaltung der Restitutionspolitik gewesen, so entwickelte sich mit 119 In den Notizen erwähnt Valland Lohse vor allem ab dem Jahr 1942 häufiger, etwa in Hinweisen auf die Tauschgeschäfte mit Gustav Rochlitz oder in Bemerkungen zu internen Machtkämpfen und Umstrukturierungen des ERR, die nach von Behrs Wechsel zur Dienststelle Westen mit einer Stärkung von Lohses Position endeten. Vgl. z. B. Polack und Dagen 2011, S. 56, 64, 70. 120 Rorimer, James J., Transmission of documents about Bruno Lohse to James Plaut, July 18, 1957, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2, 1.17. 121 Petropoulos 2000, S. 278 – 279.

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dem schrittweisen amerikanischen Rückzug gleichzeitig die Bunderepublik Deutschland zu einem neuen Verhandlungspartner. Zwar waren die deutschen Akteure – 1949 – 1952 der deutsche Ausschuss für Restitutionsfragen, ab 1952 die Treuhandverwaltung für Kulturgut des Auswärtigen Amtes – in ihren Handlungsspielräumen dadurch beschnitten, dass die Bundesrepublik nur teilsouverän war und die Alliierten an ihren Kontrollrechten im Bereich der Restitutionen festhielten. Dennoch zeichnete sich spätestens ab 1952 ab, dass die ­Bundesrepublik zunehmend eigenverantwortlich über die künftigen Restitutionen entscheiden konnte und auch das Druckmittel der restitution in kind nur noch bedingt zur Durchsetzung der französischen Restitutionsinteressen wirkte. Noch dazu verlor die récupération artistique auch auf innerfranzösischer Ebene an politischer Bedeutung. Budgetkürzungen, aber auch eine interne Unterschlagungsaffäre hatten 1949 zum Ende der CRA geführt; 1953 wurde auch das übergeordnete OBIP in seinen Funktionen stark eingeschränkt. Der Bedeutungsverlust der Kunstrestitutionen äußerte sich nicht zuletzt in der Entscheidung, die Funktionen des SRPOA nicht in die Strukturen der neu zu schaffenden französischen Botschaft in Bonn einzubeziehen. In der Diplomatie mit der Bundesrepublik standen die ­­Zeichen auf Annäherung und europäischen Wiederaufbau; Rückforderungen von Kulturgütern hatten in ­diesem Diskurs keinen Platz. Tatsächlich bedeuteten jedoch weder der Rückzug der Amerikaner aus den Collecting Points noch die Rückkehr von Rose Valland nach Paris das endgültige Ende kultureller Restitutionen. Vallands Service de Protection des Œuvres d’Art blieb weiterhin Restitutionsfragen aller Art verpflichtet; desgleichen blieb im US State Department Ardelia Hall als Arts and Monuments Officer für Fragen der kulturellen Restitutionen zuständig. Hall ermittelte in ­diesem Zusammenhang auch in Fällen, in denen amerikanische Soldaten Kulturgüter aus deutschen Sammlungen gestohlen hatten, und kam beispielsweise im Mai 1952 für die feierliche Rückgabe eines gestohlenen Rubens-­­Gemäldes aus der Kunsthalle Düsseldorf und eines ägyptischen Goldrings aus den Berliner Museen nach Bonn. Ihr Einsatz wurde dort im Rahmen eines Empfangs gewürdigt, bei dem Franz Graf Wolff-­­Metternich als Festredner auftrat.122 Bei dieser Gelegenheit fand in Wiesbaden ein Treffen ­zwischen Ardelia Hall und Rose Valland statt. Die beiden Frauen waren bereits zuvor in Kontakt gewesen, als Valland damit begann, amerikanischen Kulturinstitutionen Exemplare des französischen Répertoire des Biens Spoliés zuzuschicken. Auch nach ihrem Treffen blieben die beiden miteinander in Briefkontakt; Hall informierte Valland unter anderem über Pläne der UNESCO im Bereich des Kulturgüterschutzes und weiterhin laufende Recherchen zu kulturellen Restitutionen, außerdem sorgte sie im Frühjahr 1953 dafür, dass einige ERR-Fotoalben, die mit den amerikanischen Akten in die USA überführt worden waren, für Valland mikroverfilmt wurden.123 122 Wolff-­­Metternich, Franz Graf, Speech at Bonn, May 16, 1952, in accepting objects of art returned to Germany, May 16, 1952, AMAE 209SUP/198 A173. 123 Hall, Ardelia, Letter to Rose Valland, December 9, 1951, AMAE 209SUP /198 A173, und Hall, Ardelia, Hand-­­written note to Rose Valland, May 31, 1953, AMAE 209SUP/198 A173. Die fraglichen

Die Restitutionspraxis nach 1949  I  173

Auch mit der TVK blieb Rose Valland von Paris aus in Kontakt, bis diese 1962 aufgelöst wurde. Wenngleich also die französische Restitutionsmission in Deutschland offiziell 1953 ihr Ende fand, setzten sich äußere Restitutionen weiterhin fort. Die Pariser Verträge von Oktober 1954 bestätigten einerseits, dass die Zuständigkeit für äußere kulturelle Restitu­ tionen nunmehr vollends bei der TVK lag, schrieben andererseits aber auch fest, dass Frankreich weiterhin an seinem Recht auf Restitutionen festhielt.124 Die Verabschiedung des Bundesrückerstattungsgesetzes (BRüG) in der BRD modifizierte diese Fortsetzung der Restitutionen insofern, als das BRüG im juristischen Kontext die Zahlung von Schadensersatz für entzogene Güter vorschrieb und es unter bestimmten Bedingungen auch verfolgten Personen aus den ehemals besetzten Gebieten ermöglichte, Rückerstattungsansprüche geltend zu machen. Wenn eine materielle Rückgabe von Kulturgütern nicht möglich gewesen war, konnten französische Eigentümer – sofern die entzogenen Güter auf das Territorium des Deutschen Reichs transferiert worden waren – nun also finanzielle Entschädigungen fordern. Einen wirklichen Abschluss fand der Themenkomplex der Restitutionen somit erst nach dem Abschluss der Rückerstattungsverfahren nach dem BRüG in den 1960er Jahren.125

Abzüge der ERR-Alben wurden im Herbst 1953 über die französische Botschaft in den USA und das französische Außenministerium an Valland weitergeleitet. Clauzel, Retransmission d’albums photo d’œuvres d’art présumées spoliées en France pendant l’occupation, 5 novembre 1953, AMAE 209SUP/181 A149. 124 Bouchoux 2013, S. 111 und S. 159 – 160. 125 Le Masne de Chermont 2008, S. 38 – 42.

174 I Die Zeit nach 1949

Kunstrestitution und Kulturpolitik

4. Von der récupération zur réconciliation? Das Verhältnis von Rückführungen und Kulturpolitik in der französischen Besatzungszone

Die französische Kulturpolitik im besetzten Deutschland in den Jahren 1945 – 1949 gehört zu den am besten erforschten Aspekten der alliierten Besatzungspolitik. Dominiert wurde ihre Erforschung von der Frage nach ihrem Charakter und ihrem Verhältnis zur Sicherheits- und Wirtschaftspolitik und ob sie als Bestandteil der Sicherheitspolitik, als Mittel zur Übertünchung der wirtschaftspolitischen Härten der französischen Besatzung oder doch als eigenständiger Teil der französischen Besatzungsziele zu werten sei. Theodor Eschenburg etwa beschrieb die französische Zone als Ausbeutungskolonie, in der die Kulturpolitik lediglich Fassade sei, während Klaus-­­Dietmar Henke die französische Besatzungspolitik als eine „Politik der Widersprüche“ bewertete, deren Stil von hohem Kontrollanspruch der deutschen Verwaltung und systematischer wirtschaftlicher Ausbeutung durch Demontagen, Reparationsforderungen und wirtschaftliche Restitutionen geprägt sei.1 Winfried Loth hingegen unterschied in der französischen Deutschlandpolitik zwei Positionen, das gaullistische Dominanzkonzept, das die Schaffung einer Vormachtstellung Frankreichs in West- und Mitteleuropa unter Begrenzung des deutschen Potenzials vorsah, und das in der Tradition kollektiven Sicherheitsdenkens und deutsch-­­französischer Verständigungspolitik stehende Integrationskonzept, das die Integration Deutschlands in eine supranationale Organisation und die gleichzeitige Demokratisierung der deutschen Gesellschaft befürwortete. Loth postulierte, dass die französische Besatzungspolitik daher ­zwischen den Extrempositionen einer sicherheitspolitisch motivierten Kontrolle und einem Willen zur Integration Deutschlands ins europäische Staatengefüge oszilliere.2 Als die Akten der französischen Militärregierung im Colmarer Besatzungsarchiv für die Forschung zugänglich wurden, zeigte die Auswertung dieser Quellenbestände, dass die älteren Thesen zur Besatzungspolitik überholt waren. Auch die Kulturpolitik erfuhr daher eine Neubewertung. Rainer Hudemann machte deutlich, dass die von Loth entwickelte Gegenüberstellung von Dominanz- und Integrationskonzept für die Betrachtung von Regierungs- und Besatzungspolitik nur bedingt anwendbar sei, die vielmehr von einem Ineinandergreifen beider Konzepte geprägt sei. Insofern als durch ré-­­éducation und Demokratisierung künftige Auseinandersetzungen mit Deutschland verhindert werden sollten, 1 Henke 1982. 2 Loth 1983, S. 28 – 33.

sei die Kulturpolitik als Bestandteil der Sicherheitspolitik begriffen worden, weshalb ein breiter Katalog an Reformprojekten entwickelt worden sei, um durch Demokratisierung etwaige deutsche Expansionspotenziale abzubauen.3 Eine noch stärker ausdifferenzierte Neubewertung erfolgte 1996 durch Dietmar Hüser, der die These einer „doppelten Deutschlandpolitik“ formulierte: Zwar habe Frankreich vor allem in den ersten Nachkriegsjahren nach außen hin eine von Maximalforderungen französischer Dominanz geprägte Position vertreten. De facto hätte jedoch auch in den Pariser Ministerien bereits frühzeitig ein Bewusstsein für die eigene machtpolitische Schwäche und die Chancenlosigkeit maximalistischer Forderungen bestanden, weshalb die Besatzungspraxis sowohl in Pariser Direktiven als auch in der Umsetzung durch die Militärregierung schon frühzeitig von Ansätzen zu einer integrationsorientierten Deutschlandpolitik und pragmatischen Herangehensweisen geprägt gewesen sei, in denen konstruktive und destruktive Praktiken mitunter in scheinbar widersprüchlicher Weise nebeneinander koexistierten.4 Im Kontext dieser grundsätzlichen Revisionen der französischen Besatzungspolitik entstanden Mitte der 1990er Jahre eine Reihe von Forschungsbeiträgen, die sich differenziert mit verschiedenen Teilaspekten befassten. Im Bereich der Kulturpolitik sind zwei Studien von besonderem Interesse: Stefan Zauners Dissertation „Erziehung und Kulturmission“ setzt sich vor allem mit der französischen Bildungspolitik für Schulen und Universitäten auseinander, behandelt unter dem Begriff der „Kulturmission“ aber auch Tätigkeiten im Bereich von Kunst, Th ­ eater und Musik.5 Corine Defrances Regionalstudie „La politique culturelle de la France sur la rive gauche du Rhin“ fragt mit Blick auf die Existenz besatzungspoli­ tischer Konzepte zur Etablierung eines autonomen Rheinlands danach, inwieweit sich die Kulturpolitik in den linksrheinischen Gebieten von den kulturpolitischen Initiativen in der restlichen Zone unterschied.6 Sowohl Zauner als auch Defrance haben in ihren Studien die Sous-­­Direction des Beaux-­ Arts und ihren kulturpolitischen Beitrag in den Bereichen Kunst und Ausstellung, ­Theater, Musik und Bibliothekswesen als zweitrangig gegenüber der Bedeutung von Universitäten, Schulen und Jugendarbeit betrachtet. Die Bedeutung der Kunst in der französischen Besatzungspolitik ist erst in jüngeren Arbeiten gewürdigt worden, etwa durch Ulrike Zieglers vergleichende Studie der Kultur- und Ausstellungspolitik in allen vier Besatzungszonen.7 Im Rahmen eines Forschungsprojekts zu den deutsch-­­französischen Kunstbeziehungen hat außerdem Martin Schieder die Kunstpolitik während der französischen Besatzung in Deutschland näher beleuchtet. Er interpretiert die kulturpolitischen Initiativen der

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Hudemann 1994, S. 187 – 189. Hüser 1996, S. 580 – 585. Zauner 1994. Defrance 1994. Ziegler 2006.

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Sous-Direction des Beaux-­­Arts in ­diesem Bereich als Keimzelle der deutsch-­­französischen Kunstbeziehungen der Nachkriegszeit.8 Nach wie vor findet in diesen Forschungsbeiträgen die Frage der récupération artistique nur wenig Berücksichtigung. Schieder nennt sie zwar als eine der Aufgaben der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts, geht aber kaum darauf ein, wie genau sie sich in die Organisation einpasste.9 Rückführungen von NS-Raubgut spielen für Schieder nur insofern eine Rolle, als sie für das Verhältnis z­ wischen den Beaux-­­Arts-­­Offizieren in Deutschland und ihren ministeriellen Vorgesetzten in Paris ins Gewicht fielen. Angesichts der noch frischen Erinnerungen an die französische Nieder­lage, die deutsche Besatzung und den nationalsozialistischen Kulturgutraub in Frankreich 1940 – 1944 hätten die Mitglieder der Pariser Ministerialadministration oftmals noch Vorbehalte gegenüber den Ausstellungsprojekten der Beaux-­­Arts-­­Offiziere in Deutschland gehabt; antideutsche Ressentiments ­seien bei französischen Kulturschaffenden durchaus verbreitet gewesen, so Schieder.10 Während also Beaux-­­Arts-­­Offiziere in der französischen Besatzungszone bereits Ausstellungsprogramme konzipierten und im Sinne eines rayonnement culturel auf eine kulturelle deutsch-­­französische Annäherung hinarbeiteten, waren die ihnen übergeordneten Pariser Ministerien tendenziell stark auf die Rückführung von französischen geraubten Kulturgütern fokussiert und mitunter durchaus unterschwellig antideutsch eingestellt.11 Rückführungen und Kulturpolitik werden von Schieder somit als zwei Gegenpole der deutsch-­­französischen Kunstbeziehungen interpretiert, die nicht zuletzt auch geografisch klar zugeordnet sind: Paris als Sitz der Commission de Récupération Artistique bildet den Fixpunkt für eine Rückführung von NS-Raubgut, die zugleich als Wiederaufbau des französischen Kulturerbes wahrgenommen werden kann. Dem gegenüber steht Baden-­­Baden mit der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts als Vorreiter einer deutsch-­­französischen Aussöhnung mittels der Kunst. Bei dieser Gegenüberstellung bleibt die récupération artistique, die innerhalb der französischen Besatzungszone selbst stattfand und organisatorisch an die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts gebunden war, unberücksichtigt. Es ist nicht auszuschließen, dass Schieder implizit davon ausgeht, dass die Rückführungen in der französischen Besatzungszone marginal und kulturpolitisch irrelevant waren, sodass sie keinen Einfluss auf die versöhnlichen Zielsetzungen der Beaux-­­Arts-­­Offiziere hatten. Denkbar ist auch die These, dass Initiativen zu kultureller Zusammenarbeit und Aussöhnung in der französischen Besatzungszone früher machbar wurden als in Paris, gerade weil die Rückführungen einen geringen Umfang hatten und deshalb kulturelle Initiativen nicht negativ beeinflussen konnten. Zu berücksichtigen 8 Die deutsch-­­französischen Kunstbeziehungen nach 1945 standen 2001 bis 2006 im Mittelpunkt eines Forschungsprojekts am Deutschen Forum für Kunstgeschichte und führte zur Veröffentlichung von drei Publikationen: die Monografie von Schieder 2005, der Sammelband von Schieder und Ewig 2006 sowie ein Band mit kommentierten Quellen: Schieder und Collombat 2011. 9 Schieder 2005, S. 30. 10 Ebd., S. 36. 11 Ebd., S. 12 – 18.

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ist jedoch, dass die Akten zur récupération artistique aus der französischen Besatzungszone für Schieders Untersuchungen noch nicht zur Verfügung standen. Auf der Basis dieser nun zugänglichen Quellen stellt sich daher die Frage neu, ob Rückführungen von NS-Raubgut aus der französischen Besatzungszone tatsächlich in ihrem Umfang so begrenzt und politisch so bedeutungslos waren wie bislang angenommen. Im Folgenden wird daher überprüft, ­welche Bedeutung die Restitution von Kulturgütern in der französischen Besatzungszone hatte und wie diese sich zur französischen Kulturpolitik verhielt. Zwei Aspekte stehen dabei besonders im Vordergrund: Ausgehend von der These, wonach in der französischen Besatzungszone nur wenige Kulturgüterdepots gefunden worden ­seien, die darüber hinaus nur wenig wertvolle Bestände enthielten, wird erstens näher betrachtet, w ­ elche Rolle die Auffindung, Sicherung und Verwaltung von Auslagerungsdepots vor allem in der Frühphase der französischen Besatzungszeit in den Jahren 1945 – 1946 spielte. Ziel ist dabei weniger eine quantitative oder qualitative Hochrechnung der entdeckten Sammlungen; gefragt wird vielmehr danach, wie französische Offiziere mit den vorgefundenen Beständen umgingen und ­welche Argumentationsmuster zur Anwendung kamen, sobald Interessenkonflikte rund um bestimmte Bestände auftauchten. In einem zweiten Schritt wird anhand der Arbeit der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts, der sowohl die Organisation von Kunstausstellungen als auch die récupération artistique und die Verwaltung des Baden-­­Badener Collecting Point oblagen, beleuchtet, ob die Aufgabenbereiche der Rückführung und der Kunstpolitik eher separat voneinander stattfanden oder ob sie sich nicht vielmehr überschnitten und gegenseitig bedingten. Als Beispiel für die wechselseitige Bedingung von Rückführungsinteressen und kulturpolitischen Zielen wird abschließend der Interzonentransfer von Kulturgütern analysiert.

4.1 Sicherung von Kulturgütern in der französischen Zone: Eine Bestandsaufnahme 4.1.1 Die Suche nach Auslagerungsdepots während des Vormarschs der Première Armée française Verglichen mit der amerikanischen Besatzungszone fanden sich auf dem Gebiet der französischen deutlich weniger bedeutende Kulturgüterdepots.12 Dennoch spielten deren ­Auffindung, 12 Zauner beruft sich für die Hochrechnung der in der ZFO entdeckten Depots auf einen Rechenschaftsbericht über die Aktivitäten der DEP vom 31. 01. 1946, in dem von rund 150 Depots die Rede sei, von denen jedoch nur 25 wertvolle Objekte beherbergten. Zauner 1994, S. 271. Claude Lorentz konzentriert sich in seinen Hochrechnungen ausschließlich auf geraubte Kulturgüter und begründet das Postulat, wonach in der französischen Zone nur wenige solcher Kulturgüter gefunden worden ­seien, mit dem Verweis auf die geringe Zahl der Objektkonvois mit geraubten

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Inspektion und Sicherung bereits während des Vormarschs der Première Armée française auf deutschem Boden und noch vor der Einrichtung des Gouvernement Militaire de la Zone française d’occupation (GMZFO) eine wichtige Rolle. Allerdings erfolgte die erste summarische Erfassung der aufgefundenen Bergungsdepots vor allem mit dem Ziel, speziell ­solche Bestände zu identifizieren, bei denen eine französische Provenienz und somit auch ein nationalsozialistischer Raubkontext anzunehmen war.13 Mit dieser Zielsetzung führte auch Rose Valland als Beaux-­­Arts-­­Offizierin der ­Première Armée Française ihre ersten Inspektionen auf französisch besetztem Territorium sowie in Einzelfällen auf dem Gebiet der Seventh US Army in Füssen und Berchtesgaden durch.14 Sowohl diese ersten Inspektionen als auch ihre späteren Besuche in Adelsheim bei Karlsruhe sowie in Kochendorf bei Heilbronn dienten in erster Linie der Suche nach Objekten französischer Herkunft. In Kochendorf etwa interessierte sie sich besonders für die ausgelagerten Bestände des Krefelder Museums, das – wie unter anderem aus in Frankreich sichergestellten Versandlisten der Speditionsfirma Schenker ersichtlich worden war – während der deutschen Besatzung in Frankreich viele Neuerwerbungen getätigt hatte. Da im Auslagerungsdepot kein Inventar der Bestände hinterlegt worden war, konnte Valland diese Erwerbungen nicht sofort identifizieren; jedoch bestätigte die Art, wie einige der Kisten verpackt waren, dass sie von Schenker aus Paris nach Krefeld verschickt worden waren.15 In Adelsheim und Karlsruhe wiederum fokussierten sich Vallands Recherchen auf Mobiliar und Kunstgegenstände aus der sogenannten Möbel-­­Aktion, also der syste­matischen Räumung der Pariser Wohnungen deportierter Juden. Die französischen Ermittlungen hatten gezeigt, dass ganze Waggonladungen mit Möbeln und Geschirr in Karlsruhe angekommen und von dort entweder direkt an deutsche Privatpersonen verteilt oder in rund 90 verschiedenen Depots zerstreut worden waren. Zumindest ein Teil Kulturgütern, die von Baden-­­Baden nach Paris versendet wurden: Zwischen 1945 und 1949 ­seien nur 5 Konvois verschickt worden, gegenüber 29 Konvois aus der amerikanischen Zone. Lorentz 1998, S. 233. 13 DGER, Bulletin de renseignements avec le compte-­­rendu de la 16e séance de la Commission Vaucher du 6 avril 1945, 6 juin 1945, Archives Nationales 20144792/56. 14 Valland, Rose; Dupont, Jacques; Rigaud, Lt. Jean, Rapport sur les dépôts en Allemagne, 16 mai 1945, AMAE Bade 4.228/2, und Carolet, Lt.-Colonel, Ordre de mission pour Rose Valland de se rendre à Berchtesgaden, 12 juin 1945, AN 20150497/216. 15 Valland, Rose, Dépôts de la mine de Kochendorf, dépôt de Adelsheim, sans date, AMAE 209SUP/714 d2, und Valland, Rose, Liste des musées allemands qui ont des œuvres entreposées dans la Mine de Kochendorf, zone américaine, sans date, AMAE 209SUP/714 d2. Zu Kochendorf erstellte Valland eine nach Objekttypen gegliederte Übersicht der verpackten bzw. unverpackten Bestände und kam auf 410 unverpackte bzw. 174 verpackte Gemälde, 28 unverpackte bzw. 24 verpackte Skulpturen und 48 unverpackte bzw. 1092 verpackte „antiquités“, dazu 3642 Bücher und 890 Archivalien. Die Eigentümermuseen waren vorwiegend aus dem Großraum Stuttgart sowie aus Westdeutschland (Köln und Krefeld).

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der Gemälde und Grafiken in Adelsheim stand daher im Verdacht, aus der M-Aktion in Frankreich zu stammen.16 Die Inspektionsberichte der einzelnen Depots zeigen nicht nur, mit welchem Hauptinteresse die Beaux-­­Arts-­­Offiziere die vorgefundenen Kulturgüter überprüften, sondern geben auch Aufschluss über die materiellen Bedingungen, die vor Ort herrschten. Bereits die ersten Berichte von Lt.-Col. Thomazo im April 1945 wiesen darauf hin, dass es in Depots in Germersheim und Rastatt zu Plünderungen und Diebstählen gekommen sei. Daher gab das 5e bureau der Première Armée française die Anweisung heraus, dass im Falle mangelhafter Sicherheitsbedingungen in Depots für die Umlagerung des Inhalts an einen sicheren Ort zu sorgen und die Aufsicht an Bürgermeister oder sonstige Amtsträger vor Ort zu übertragen sei.17 In der Praxis machte diese Anweisung es für die Beaux-­­Arts-­­Offiziere jedoch nur schwerer, einen Gesamtüberblick über die Depots zu behalten. Ohnehin war deren durchgehende und flächendeckende Kontrolle durch die Beaux-­­Arts-­­Offiziere im Sommer 1945 überaus schwierig, wie auch das Diensttagebuch von Jean Rigaud zeigt. Rigaud zeichnete darin weniger die inhaltliche Arbeit in den Depots selbst auf, erstellte aber durch ein minutiöses Protokoll sämtlicher Inspektionsfahrten ein regelrechtes Bewegungsprofil, das im Gegensatz zu den stets sehr ortsgebundenen Berichten zu einzelnen Depots einen allgemeineren Eindruck vom Arbeitsalltag der Beaux-­­Arts-­­Offiziere vermitteln kann.18 Es belegt unter anderem, dass Valland, Rigaud und Dupont beim Hauptquartier der Première Armée française in Lindau stationiert waren und hier ihrer Bürotätigkeit nachgingen, wenn sie nicht gerade Kontrollen vor Ort unternahmen. Ab Juni/Juli 1945 werden neben den in Lindau stationierten Personen auch weitere Beaux-­­Arts-­­Offiziere wie Maurice Jardot in Freiburg sowie Léon Christophe in Baden-­­Baden erwähnt, die später Funktionen in der Beaux-­­Arts-­­Abteilung der französischen Militärregierung übernehmen sollten. Für den französisch kontrollierten deutschen Südwesten waren somit nur etwa fünf Beaux-­­Arts-­­Spezialisten an drei Standorten zuständig, die für die Kontrolle der Vielzahl an kleinen Einzeldepots oft Stunden auf den schlechten Straßen verbrachten. Eine systematischere Erfassung der einzelnen Auslagerungsdepots konnte daher erst mit der Einrichtung der Militärregierung und dem Aufbau der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts erfolgen. Dabei zeigte sich vielerorts, dass nicht nur Plünderungen, sondern auch eigenmächtige Umlagerungen es schwer machten, den Verbleib von Kulturgütern nachzuvollziehen und die Bestände zu sichern.

16 Valland, Rose, Dépôts de la mine de Kochendorf, dépôt de Adelsheim, sans date, AMAE 209SUP/714 d2. 17 Thomazo, Lt.-Col. Robert, Rapport sur l’état des Châteaux et dépôts d’œuvres d’art et d’archives de Karlsruhe et de ses environs, 30 avril 1945, AMAE Bade 4.228/2. 18 Rigaud, Lt. Jean, Carnet, 1945, vermutlich AN 20150497/216.

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4.1.2 Bergung oder Plünderung? Die Sicherung von Kulturgütern im Sommer und Herbst 1945 Am 15. Juli 1945 wurde die Première Armée française aufgelöst, und General Pierre Koenig wurde zum Oberbefehlshaber in Deutschland sowie Gouverneur des Gouvernement militaire de la Zone Française d’Occupation (GMZFO) ernannt. Neben General Koenig stand ab dem 24. Juli 1945 Emile Laffon als ziviler Administrateur Général an der Spitze der Militärregierung.19 Dieser zivilen Spitze war auch die Direction de l’Education Publique (DEP) untergeordnet, die im August 1945 unter der Leitung des Germanisten Raymond Schmittlein eingerichtet wurde und für die künftige Kulturpolitik zuständig war. Intern gliederte sich die DEP in fünf Services, deren wichtigste drei dem Umerziehungs- und Demokratisierungsprogramm in den Bereichen Schule, Universität und Jugend/Sport gewidmet waren. Ré-­­éducation wurde jedoch nicht nur auf dem Weg von Erziehung und Ausbildung der jüngeren Generationen angestrebt, sondern zielte auch auf eine Kulturmission durch Presse und Rundfunk, Musik, Th ­ eater und bildende Künste ab. Organisatorisch unterstanden die darstellenden und bildenden Künste dabei einem gemeinsamen Büro, der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts in Baden-­­Baden.20 Darüber hinaus wurden auch bei den Délégations supérieures in den einzelnen Regionen Baden, Württemberg, der Pfalz und dem Saarland, kleinere Beaux-­­Arts-­­Abteilungen eingerichtet. Erste Anweisungen hinsichtlich der französischen Bildungs- und Kulturpolitik gab Emile Laffon im Sommer 1945 an die Gouverneure der im Aufbau befindlichen regionalen Délégations supérieures heraus. Die Hauptaufgabe der regionalen Beaux-­­Arts-­­Abteilungen der DEP bestand zunächst hauptsächlich im Schutz wertvoller Denkmäler und Kunstschätze sowie in der Säuberung von Bibliotheken.21 Zumindest anfänglich stand das Arbeitsprofil der Mitarbeiter der DEP somit in direkter Kontinuität zu den Tätigkeiten der zuvor von der Première Armée française abhängigen Beaux-­­Arts-­­Offiziere. Die Einrichtung der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts sowie ihrer regionalen Büros begann Ende August 1945 mit dem Eintreffen des Historikers Michel François in Baden-­­Baden.22 Bei seiner Ankunft war das Büro bereits von Capitaine Christophe 23 und René Thimonnier 19 Zauner 1994, S. 60 – 61. 20 Zur Struktur der DEP vgl. z. B. Defrance 1994, S. 29, und Schieder 2005, S. 30 – 31. Zur Person und Biographie von Raymond Schmittlein vgl. Defrance 2005, S. 492 – 498. 21 Zauner 1994, S. 76 – 77 und S. 271. 22 Michel François (1906 – 1981) hatte die Ecole des Chartes absolviert, war Mitglied der Ecole française de Rome und arbeitete seit dem Abschluss seines Studiums in den Archives Nationales. Vgl. Schieder 2005, S. 44, und Eintrag „Michel François“, in: Bibliothèque Nationale de France (Hrsg.), Catalogue général, URL: http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb119034329 (abgerufen am 15. 07. 2017). 23 Einige Inspektions- und Arbeitsberichte von Christophe, die von Ende Juli 1945 datieren, lassen darauf schließen, dass er bereits ab ­diesem Monat für die Beaux-­­Arts-­­Abteilung der im Aufbau befindlichen Militärregierung zuständig war. Vgl. Christophe, Capitaine Léon, Rapport

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besetzt. Während Christophe die Kontrolle von Depots und die Vorbereitung von Direktiven zur Säuberung von Bibliotheken betreute, war Thimonnier als der für die Bereiche Musik und ­Theater zuständige Offizier bereits mit der Organisation erster kultureller A ­ ktivitäten – namentlich einiger Freiluftkonzerte in Baden-­­Baden – beschäftigt.24 Kurze Zeit später traf der Direktor des Pariser Musée Carnavalet, François Boucher, in Baden-­­Baden ein. Er übernahm die Leitung der Sous-­­Direction, während Michel François die Funktion seines Stellvertreters einnahm.25 Bis Ende 1945 dominierten zwei Hauptfragen die als vordringlich behandelte Bergung von Auslagerungsdepots. Erstens erhielt die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts bereits frühzeitig Anfragen der britischen Besatzungsbehörden bezüglich der Rückbergung von Sammlungs­ beständen aus Museen, die sich in der britischen Zone befanden und deren Auslagerungsdepot in der französischen Zone gelegen waren. Hierzu konnte die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts jedoch nur feststellen, dass die Entscheidung ihre Befugnisse überstieg und man eine diesbezügliche Doktrin des Alliierten Kontrollrats abwarten müsse.26 Noch dominierender war zweitens die Frage der Sicherheit der über die ganze Besatzungszone verteilten Depots. Da die Vielzahl der kleinen und geografisch weit verstreuten Depots die Kontrolle erschwerte und es überdies in den Wirren der Anfangsmonate der Besatzung im Frühjahr und Sommer 1945 an mehreren Orten zu Plünderungen gekommen war, ordnete François Boucher im September die Auflösung der kleineren und Zentralisierung von Beständen in größeren, besser kontrollierbaren Depots an.27 Seine Anordnung stand dabei in Kontinuität zu einer Direktive von Emile Laffon, die ihrerseits auf eine entsprechende Vorgabe aus Paris reagierte. Bereits im Frühsommer 1945 waren nämlich Hinweise auf die Plünderungen über den Geheimdienst an die CRA in Paris übermittelt worden waren, die daraufhin in einer von Erziehungsminister René Capitant ans Kriegsministerium gerichteten Eingabe die Unterbindung derartiger Vorgänge forderte: Nicht nur schadeten Plünderungen dem Ansehen der französischen Armee und der französischen Nation; darüber hinaus gefährdeten sie französische Reparationsinteressen, „car [le pillage] s’exercerait sur des collections françaises volées par l’ennemi et atteindrait des collections publiques ou privées allemandes qui pourraient éventuellement nous servir de gages.“ 28 Ausschlaggebend für ein Plünderungsverbot war

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concernant les collections entreposées au Château de Baden-­­Baden, 20 juillet 1945, AMAE AC 74/1b. François, Michel, Rapport pour le mois d’août 1945, 27 août 1945, AMAE AC 479/1b. Zu der Karriere von François Boucher und seinen Aktivitäten während der deutschen Besatzung in Paris vgl. Deyonelle 2014, S. 85 – 86. Vgl. [Boucher, François], Rapport pour le mois de septembre 1945, 25 septembre 1945, AMAE AC 479/1b und [François, Michel], Rapport pour le mois d’octobre 1945. AMAE AC 479/1b. [Boucher, François], Rapport pour le mois de septembre 1945, 25 septembre 1945, AMAE AC 479/1b. Capitant, René, Lettre au sujet des pillages en Zone Française d’occupation, 17 juillet 1945, AMAE AC 74/1b und Laffon, Emile, Lettre aux délégués supérieurs pour le GM au sujet de l’interdiction des pillages et la protection des biens culturels, 28 août 1945, AMAE AC 74/1b.

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dieser Argumentation zufolge also nicht der uneigennützige Schutz von Kulturgütern als solchen, sondern vielmehr das Potenzial, diese zu einem späteren Zeitpunkt als Faustpfand zur Wahrung französischer Rückforderungsinteressen einzusetzen. Eine ­solche Argumentation war zu d ­ iesem Zeitpunkt keineswegs neu. Bereits am Ende des E ­ rsten Weltkriegs hatte es sowohl auf deutscher als auch später auf französischer Seite Stimmen gegeben, die sich für Kriegsentschädigungen in Form von Kulturgütern aus dem besiegten Feindesland ausgesprochen hatten oder zumindest die Sicherstellung von Kulturgütern des Feindes forderten, um diese als Faustpfand in Friedensverhandlungen ­nutzen zu können.29 Auf deutscher Seite wurde die Idee der Rückforderung von Kulturgütern in den Jahren 1940 – 1944 erneut aufgegriffen und selbst auf Objekte bezogen, die in der napoleonischen Zeit beschlagnahmt und nach 1815 nicht zurückgegeben worden waren. Der deutsche Kunstschutz in Paris hatte daher im Auftrag von Otto Kümmel Rückforderungslisten zusammengestellt, die de facto weit über die Beschlagnahmen der napoleonischen Epoche hinausgingen und sogar Kriegsbeute aus dem 17. Jahrhundert einbezogen.30 In d ­ iesem deutsch-­­französischen Wechselspiel der Rückforderungen von Kulturgütern kehrte sich 1945 das Verhältnis ein weiteres Mal um, als im Februar Louis Aragon in einem Zeitschriftenartikel forderte, dass die französische Kunst, die sich in deutschen Museen befinde, nach Frankreich zurückkehren müsse, um als „palliatif au mal que le peuple allemand a fait à l’esprit français“ zu wirken und Frankreichs kulturelle Wiedergeburt zu befördern.31 Martin Schieder zufolge war der Revanchismus, der sich in Aragons Text äußert, sowohl in der konservativen Bildungselite als auch in der kommunistischen Résistance weit verbreitet.32 Insofern steht der im Kontext des Plünderungsverbots geäußerte Verweis des Erziehungsministers René Capitant auf eine mögliche Nutzung deutscher Kunstwerke als „gages“ im Kontext eines Rückforderungsdiskurses, wie er bereits im Frühjahr 1945 in Frankreich in Erscheinung getreten war. Gleichzeitig schreibt er sich aber auch in eine längere Kontinuität wechselseitiger deutsch-­­französischer Rückforderungen ein.

Plünderungen von Auslagerungsdepots – der Fall der Staatsgalerie Stuttgart Die Plünderungsfälle, auf die Laffons Direktiven und Bouchers Anordnungen zur Konzentration von Depots reagierten, sind überwiegend in die Zeit der ersten Besatzungsmonate im Frühjahr und Sommer 1945 zu datieren, jedoch nur in Ausnahmefällen umfassend

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Kott 1997, S. 14 – 18. Vgl. auch Kott 2013, S. 1356 – 1357, und Kott 2014, S. 61 – 66. Vgl. Heuß 2000, S. 276 – 277, und Feliciano 2008, S. 45 – 48. Aragon 2011, S. 25 – 26. Aragon 2011, siehe Schieders Kommentar, S. 33.

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dokumentiert.33 So ist es beispielsweise bis heute ausgesprochen schwierig, die Plünderungen im Auslagerungsdepot der Seysselkaserne Germersheim zu rekonstruieren, die den Privatbesitz des Gauleiters Josef Bürckel, aber auch Sammlungsbestände des Historischen Museums der Pfalz Speyer, darunter Leihgaben der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, und verschiedener pfälzischer Heimatmuseen beherbergt hatte.34 Wenngleich bereits im April 1945 französische Offiziere die Bedeutung des Depots als hoch einschätzten, weil man in der Privatsammlung des pfälzischen Gauleiters französisches Privateigentum vermutete 35, lassen sich in den überlieferten französischen Akten keinerlei Hinweise auf die Aufnahme einer Ermittlung finden. Auch die deutschen Akten im Museumsarchiv sowie bei der Speyerer Bezirksverwaltung, die Ludger Tekampe vom Historischen Museum der Pfalz 2008 für einen Bericht über die Plünderungen herangezogen hat, ist lückenhaft und erlaubt nur eine Annäherung an die Plünderungsfälle, die bis heute nicht abschließend aufgeklärt werden konnten.36 Besser stellt sich die Situation im Falle der Plünderungen dar, die im Frühsommer 1945 an mehreren Auslagerungsdepots der Staatsgalerie Stuttgart erfolgt waren. Mehrere Parallelüberlieferungen aus deutscher und französischer Perspektive ermöglichen hier eine Rekonstruktion der Vorfälle sowie der Ermittlungen, die anschließend aufgenommen wurden. Die Staatsgalerie Stuttgart hatte ihre Gemälde sowie die Grafische Sammlung auf insgesamt 24 Auslagerungsdepots verteilt, darunter sowohl große Depots wie die Saline in Heilbronn als auch kleine Depots in den ­Kirchen, Pfarrhäusern und Schulgebäuden oberschwäbischer Dörfer.37 In den französischen Akten zu Auslagerungsdepots auf dem Gebiet der Première Armée française finden einige diese Depots erstmals am 6. Juni 1945 in einem Telegramm Erwähnung: „250 toiles de maîtres et 250 caisses Etanches paraissant appartenir

33 Im Schloss Favorite bei Rastatt-­­Förch waren rund 50 Gemälde gestohlen worden, im Stadtschloss von Rastatt waren Schmuckelemente der dort untergestellten Prunkkutsche sowie Schausäle des dortigen Armeemuseums von Soldaten geplündert worden. Vgl. Thomazo, Lt.-Col. Robert, ­Rapport sur l’état des Châteaux et dépôts d’œuvres d’art et d’archives de Karlsruhe et de ses environs, 30 avril 1945, AMAE Bade 4.228/2. 34 Tekampe 2008, S. 503. 35 Vgl. Thomazo, Lt.-Col. Robert, Rapport sur l’état des Châteaux et dépôts d’œuvres d’art et ­d’archives de Karlsruhe et de ses environs, 30 avril 1945, AMAE Bade 4.228/2. 36 Tekampe kommt zu dem Schluss, dass rund 90 % der eingelagerten Sammlungsbestände des Histo­rischen Museums der Pfalz abhandengekommen und wahrscheinlich französische Besatzungsoffiziere an den Diebstählen beteiligt gewesen ­seien. Die Verantwortlichen konnten jedoch nie eindeutig identifiziert werden. In den 1950er und 1960er Jahren konnten insgesamt 29 Keramiken im Schweizer und französischen Kunsthandel wiedergefunden werden. Vereinzelt tauchten auch danach noch Objekte im europäischen Kunsthandel wieder auf und wurden vom Historischen Museum der Pfalz zurückgekauft. Bis heute gilt jedoch der Großteil der gestohlenen Objekte als verschollen. Vgl. Tekampe 2008, S. 508 – 521. 37 Musper 1949, S. 148.

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à des musées français sont entreposés chez des curés à Oberstadion, Grundsheim, K ­ irchen (Région d’Ehingen). Le 4ème bureau de l’armée a été averti afin d’effectuer une saisie. “ 38 Da die Herkunft der entdeckten Güter nicht bekannt war, wurde zunächst angenommen, dass man Kulturgüter entdeckt habe, die die Deutschen in Frankreich geraubt hatten. Der früheste ausführliche Inspektionsbericht von französischen Stellen datiert vom 27. Juni 1945, weist aber darauf hin, das bereits vor ­diesem Zeitpunkt eine weitere, nicht dokumentierte Inspektion durch den Beaux-­­Arts-­­Offizier Capitaine Engel erfolgt sei, der eine Umverteilung der Bestände in den Depots veranlasst habe. Auch an die zweite Inspektion im Juni 1945 schloss sich eine Umlagerung von Kisten nach Ravensburg an, bei der sich herausstellte, dass einige Kisten mit Druckgrafik unvollständig waren.39 Das Fehlen von Beständen wurde im August 1945 bei einer erneuten Inspektion bestätigt und ­dieses Mal dem Administrateur Général Emile Laffon gemeldet. Capitaine Christophe, der diese Inspektion durchführte, konnte überdies Zeugenaussagen einholen, wonach sich an zwei verschiedenen Depots jeweils zwei französische Offiziere als Beaux-­­Arts-­­Repräsentanten ausgegeben und jeweils sechs Gemälde sowie einige Zeichnungen mitgenommen hätten. Laffon leitete Christophes Bericht seinerseits an die Provinzialdelegation Württemberg weiter mit der dringenden Bitte, die Verantwortlichen ausfindig zu machen und für die Rückkehr der Bilder zu sorgen.40 Ab August 1945 verdichteten sich die Verdachtsmomente gegen Capitaine Engel, den Beaux-­­Arts-­­Offizier für Württemberg, der mit einer der ersten Depotinspektionen im Juni 1945 in Verbindung gebracht werden konnte. Engel hatte bereits im Juli 1945 den Mitarbeitern der Staatsgalerie mitgeteilt, dass in den Depots in ­Kirchen und ­Grundsheim Gemälde und Druckgrafiken geplündert worden s­eien. Eine erneute Inspektion der Depots durch den Konservator der Staatsgalerie wenige Wochen später bestätigte Engels Aussage, dass die Bestände aus drei Depots komplett fehlten und in drei weiteren Depots unvollständig waren. Dabei zeigte sich, dass Engel selbst einen Teil der Verlagerungen veranlasst hatte, ohne den deutschen Depotzuständigen in allen Fällen Quittungen hierfür auszustellen.41 Der Verdacht, dass Engel die Umlagerungen genutzt hatte, um einzelne 38 D’Orange, Commandant Charles, Retransmission d’un télégramme au sujet de dépôts d’œuvres d’art en Allemagne, 6 juin 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier IV SD4. 39 Gaucher, Lt., Rapport sur la reconnaissance et l’enlèvement des dépôts de tableaux de Oberstadion-­ Grundsheim-­­Kirchen, 27 juin 1945, AMAE 209SUP/337 D25 Musées I-5A. 40 Christophe, Capitaine Léon, Inspection à Ravensburg du 10 au 14 août 1945, 13 août 1945, AMAE 209SUP/ 356 D57, und Laffon, Emile, Retransmission d’un rapport sur la disparition de tableaux de la Staatsgalerie Stuttgart, à l’Administrateur Militaire du Württemberg, 17 août 1945, AMAE AC 74/1b. Der angefügte Rapport ist zwar nicht von Christophe unterzeichnet, dürfte ihm aufgrund der Thematik und Datierung aber recht eindeutig zuzuordnen sein. 41 Musper, Heinrich, Erster Bericht über die Stuttgarter Verlagerungsorte, ohne Mayers Bericht als Grundlage, 19. Juli 1945, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 3/201, Nr. 131. Im April 1946 stellte sich bei einer erneuten Inspektion der Auslagerungsdepots heraus, dass ein Teil der verloren geglaubten

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Objekte beiseitezuschaffen, bestätigte sich, als die von der CRA alarmierte Straßburger Polizei im September 1945 bei Engels Verwandten einige Zeichnungen und Stiche sicherstellte.42 Capitaine Engel hatte, wie sich herausstelle, nicht als Einziger die Kontrolle und Umlagerung von Depots als Vorwand für Diebstähle genutzt.43 Im Frühjahr 1947 wurden ein weiterer französischer Offizier und seine Komplizen vor dem Militärtribunal Offenburg wegen Kunstdiebstahls zur Rechenschaft gezogen und die bei ihnen aufgefundenen 9 Gemälde und 559 Grafiken über Tübingen an die Staatsgalerie Stuttgart zurückgegeben.44 Auch nach dem Offenburger Prozess wurden noch weitere Kunstwerke aufgefunden und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen, nachdem 1948 in Paris ein Hehler verhaftet wurde, der einige der in Oberschwaben gestohlenen Werke weiterzuverkaufen versucht hatte. Deutsche Behörden wurden über diesen Sachverhalt jedoch erst in Kenntnis gesetzt, als im Zuge der Ermittlungen in Frankreich die Frage aufgekommen war, ob die bei dem Hehler entdeckten Gemälde tatsächlich Eigentum der Staatsgalerie ­seien oder es sich nicht um Kunstwerke handele, „die von der deutschen Wehrmacht aus Frankreich mitgenommen wurden.“ 45 Unabhängig davon gelang es der Staatsgalerie mittels der Publikation eines Verlustkatalogs und dank der zufälligen Entdeckung einiger Bilder auf dem Pariser Kunstmarkt, insgesamt 12 weitere Gemälde zurückzuerlangen.46

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Bestände nicht geplündert, sondern nach Ravensburg umgelagert worden war. Dennoch zeigte sich, dass insgesamt 69 Gemälde und eine noch nicht näher zu beziffernde Anzahl Druckgrafiken und Zeichnungen gestohlen worden waren. Musper, Heinrich, Zweiter Bericht über Verlagerungsorte, erste Angaben über Verluste, 25. Juli 1945, HStA EA 3/201, Nr. 131. Eisenmann, Charles, Rapport d’enquête concernant le nommé Engel, E., Officier de Contrôle Civil en Allemagne, 16 septembre 1945, AMAE 209SUP/337 D25 Musées I-5A. Vgl. dazu den Inspektionsbericht des Stuttgarter Konservators Mayer. Namentliche Erwähnung fanden außerdem ein Jean Pawelski und ein Capitaine Reine. Mayer, Karl, Protokoll über die Kontrolle der verlagerten Kunstwerke, 11. – 19. Juli 1945, Hausarchiv der Staatsgalerie Stuttgart, Akte „Diebstahlmeldungen, Recherchen, Rückempfangsbestätigungen I“. Im späteren Polizeibericht der Tübinger Polizei taucht die Schreibweise „Rennes“ auf. Vgl. Walther, Kriminalkommissar, Bericht der Kriminalpolizei Tübingen über den Gemäldediebstahl der Staatsgalerie Stuttgart 1945/46, 1. Dezember 1949, Hausarchiv der Staatsgalerie Stuttgart, Akte „Diebstahlmeldungen, Recherchen, Rückempfangsbestätigungen I“. Widmer, Guillaume, Lettre à Michel François concernant l’affaire de Stuttgart, 30 juillet 1947, AMAE 209SUP/337 D25 Musées I-5A. Vgl. auch Extrait d’un document procuré par M. Lévy du tribunal d’Offenburg, 4 mai 1949, AMAE 209SUP/337 D25 Musées I-5A. Consulat de France au Wurtemberg/Hohenzollern, Weiterleitung französischer Ermittlungen zu Paul Rohr an das Justizministerium Stuttgart, 13. Juni 1949, AMAE AC 482/11. Die bei dem Hehler Paul Rohr beschlagnahmten fünf Gemälde wurden nach Abschluss des Verfahrens gegen Rohr nach Stuttgart zurückgeschickt. Auf die Publikation des Verlustkatalogs hin wurde der Staatsgalerie aus der Schweiz die Entdeckung eines Gemäldes aus dem Galeriebestand gemeldet, worauf die Staatsgalerie über das deutsche Konsulat in der Schweiz in Rückgabeverhandlungen eintrat. Zwei weitere Rückgabeprozesse

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Die französischen Behörden verfolgten die Ermittlungen jedoch erst ab 1950/51 etwas systematischer, nachdem das Bureau Central des Restitutions und der Service de Remise en Place des Œuvres d’Art in Baden-­­Baden für die Bearbeitung der noch offenen Restitutionsverfahren in der französischen Zone zuständig geworden waren. Dass es während der französischen Besatzung keine gründlicheren Ermittlungen gegeben hatte, wurde zu ­diesem Zeitpunkt auch intern unter anderem von Georges Kolle vom BCR  47 sowie von Elie Doubinsky kritisiert.48 Betrachtet man den Stuttgarter Fall unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle und Sicherung von Kulturgütern in der französischen Zone zu Beginn der Besatzungszeit, so sind zwei Aspekte besonders hervorzuheben. Zum einen fällt auf, dass die frühesten französischen Aktennotizen die Depots der Staatsgalerie als Auslagerungsorte für geraubtes Museumseigentum wahrnahmen. Zwar stellte sich diese Vorstellung schnell als unzutreffend heraus; dennoch ist sie bezeichnend für die Bedeutung, die die Suche nach NS-Raubgut für die Mitglieder der Première Armée française im Frühjahr und Sommer 1945 hatte. Zum anderen führt der Fall der Staatsgalerie deutlich vor Augen, wie schwierig es für alle Beteiligten – auf deutscher wie französischer Seite – war, angesichts zahlloser aufeinanderfolgender Inspektionen und eigenmächtig angeordneter Umlagerungen den Überblick über Auslagerungsdepots zu behalten und ihre Kontrolle zu gewährleisten. Dass Auslagerungsdepots vor allem in der zweiten Jahreshälfte 1945 schwer zu kontrollieren blieben und es noch über die erste unruhige Phase der französischen Besatzung hinaus zu Unregelmäßigkeiten kommen konnte, bestätigen auch weitere Fallbeispiele, bei denen es durch Verwechslungen und fehlerhafte Zuschreibungen von Objekten zum Abtransport von deutschen Sammlungsbeständen kam, die zumindest nach außen hin kaum von Plünderungen zu unterscheiden waren. Von einem solchen Abtransport war zum Beispiel das Badische Armeemuseum Karlsruhe betroffen.

e­ ntspannen sich in Paris, zum einen gegen einen Hehlerring, bei dem man insgesamt sechs Bilder der Staatsgalerie sichergestellt hatte; zum anderen gegen einen Herrn Schiff-­­Giorgini, der von besagten Hehlern insgesamt fünf weitere Gemälde der Staatsgalerie angekauft hatte. Vgl. dazu die Aktenüberlieferungen im HStA EA3/201, Nr. 131 sowie die Akte „Diebstahlsmeldungen, Recherchen, Rückempfangsbestätigungen“ im Hausarchiv der Staatsgalerie Stuttgart. 47 Die einzige vollständige und systematische Zusammenfassung des Falls der Staatsgalerie Stuttgart aus französischer Perspektive fertigte Georges Kolle vom Bureau Central des Restitutions im Juli 1951 an. Kolle, Georges, Transmission à Rose Valland d’un rapport sur l’affaire des vols dans les dépôts de la Württembergische Staatsgalerie Stuttgart, 28 juillet 1951, AMAE 209SUP /184 A154. 48 Doubinsky, Elie, Impressions personnelles sur la situation de la récupération artistique, 5 avril 1951, AMAE 209SUP/715d5.

Sicherung von Kulturgütern in der französischen Zone  I  189

Versehentliche „récupération“? Abtransporte deutscher Sammlungsbestände Am 12. Oktober 1945 wurde Raymond Schmittlein das Verschwinden von Kisten des Badischen Armeemuseums Karlsruhe aus dessen Depot im südbadischen Lenzkirch gemeldet: Ursprünglich nach Badenweiler ausgelagert, s­eien die Kisten des Armeemuseums, die unter anderem alte Uniformen und Prunkschwerter, aber auch Kupferstiche und Bücher enthielten, kurz vor Kriegsende nach Lenzkirch umgelagert und dort seit Kriegsende regelmäßig durch den Leiter des Armeemuseums, Oberst Blankenhorn, überprüft worden. Als dieser jedoch Anfang Oktober die Kisten wieder zurück nach Badenweiler habe bringen wollen, habe er erfahren müssen, dass sie bereits drei Wochen zuvor, also im September 1945, vom französischen Militär abtransportiert worden ­seien.49 Nachdem Schmittlein in Erfahrung bringen konnte, dass die Kisten offenbar im Musée de l’Armée im Hôtel des Invalides in Paris abgeliefert worden waren, sandte er ein Telegramm an das Museum sowie das zuständige Armeeministerium und bat um Nachforschungen. Schmittlein betonte dabei, dass es sich aus seiner Sicht um einen Akt der Plünderung handele, der umso schwerer wiege, als das Armeemuseum in Karlsruhe unter amerikanischer Zuständigkeit stehe und der Fall somit schlimmstenfalls zonenübergreifende Verwicklungen nach sich ziehen könne.50 Anfang November 1945 erhielt Schmittlein von Camille Santelli aus dem französischen Außenministerium die Bestätigung, dass man die fraglichen Kisten im Pariser Musée de l’Armée lokalisiert habe und die Sammlungen in gutem Zustand ­seien.51 Drei Tage später meldete sich der für den Abtransport nach Paris verantwortliche General Linarès in einem Rechtfertigungsschreiben zu Wort, in dem er Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Karlsruher Eigentümerschaft anmeldete: Die Kisten ­seien zufällig in einem suspekt erscheinenden, da nicht offiziell deklarierten Depot aufgefunden und deshalb nach Frankreich verschickt worden, weil sie neben deutschen auch französische Waffen und Standarten enthalten hätten.52 Über die Eigentumsverhältnisse und die Notwendigkeit der Rückkehr der Kisten nach Deutschland herrschte sowohl bei der französischen Militärregierung in Baden-­­Baden als auch bei den zuständigen Ministerien in Paris rasch Einigkeit. Allerdings wurde auf der 49 Schmittlein, Raymond, Transmission d’une lettre d’un certain M. Scholz rapportant la disparition de caisses du Armeemuseum de Karlsruhe, 12 octobre 1945, AMAE AC 487/6. Eine Parallelüberlieferung zur Affäre findet sich in der Akte AC 74/1b; zum Teil vervollständigen sich die beiden Überlieferungen gegenseitig. 50 Schmittlein, Raymond, Télégramme informant le Ministère de l’Armée sur la disparition de caisses du Musée de l’Armée Badoise, 16 octobre 1945, AMAE AC 74/1b. 51 Santelli, Camille, Information de la Direction de l’Education Publique que les caisses de l’Armeemuseum se trouvent au Service Historique de l’Armée, Hôtel des Invalides, 3 novembre 1945, AMAE AC 74/1b. 52 Linares, Général, Lettre au sujet des caisses du Musée de l’Armée Badoise transportés à Paris, 6 novembre 1945, AMAE AC 74/1b.

190 I Von der récupération zur réconciliation?

Generalitätsebene durchaus kurz darüber diskutiert, die Karlsruher Kisten als „monnaie d’échange“ in Verhandlungen um die Rückführung von Militaria zu verwenden, die von den Nationalsozialisten aus dem Musée de l’Armée geraubt worden waren.53 Ähnlich wie in der Begründung des Plünderungsverbots, das im August 1945 erlassen worden war, wurde also auch hier der Zugriff auf deutsche Museumsbestände als Druckmittel für die Rückforderung von französischen Kulturgütern in Erwägung gezogen. Letzten Endes wurde diese Idee jedoch nicht umgesetzt. Emile Laffon, dem General Koenig diesen Vorschlag weitergeleitet hatte, sprach sich in seiner Antwort entschieden dagegen aus, die Angelegenheit des Karlsruher Armeemuseums mit der Frage der Restitution von geraubten Objekten aus dem Musée de l’Armée zu verknüpfen. Er war sich darin sicher, dass Restitutionen zugunsten Frankreichs zustande kommen würden, auch ohne dass Frankreich über Faustpfänder Druck ausüben müsse.54 Noch bevor Laffon diese Antwort an Koenig sendete, war der Freiburger Beaux-­­Arts-­­Offizier Maurice Jardot bereits nach Paris geschickt worden, um die Kisten im Hôtel des Invalides in Augenschein zu nehmen, ein Inventar zu erstellen und ihren Rücktransport nach Deutschland zu beaufsichtigen.55 Am 16. Februar 1946 bestätigte Oberst Blankenhorn vom Karlsruher Armeemuseum in einem Dankesbrief an François Boucher von der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts die erfolgreiche Rückgabe der Kisten.56 Der Fall des Karlsruher Armeemuseums kann insofern als beispielhaft für die rasche Abwicklung eines versehentlichen Abtransports gelten, im Zuge derer zwar typische Argumentationsmuster eines Rückforderungsdiskurses auftauchten, die aber zugunsten einer pragmatischen Vorgehensweise zurückgewiesen wurden. Das Armeemuseum war nicht als einzige deutsche Institution von übereilten Abtransporten betroffen. Bereits im Mai 1945 waren Kunstwerke und historische Handschriften der Privatsammlung des Hauses Fürstenberg nach Straßburg verbracht worden. Der Abtransport war erfolgt, weil dem Bataillonschef der 14. Infanteriedivision gemeldet worden war, dass die SS Kisten mit Material der Reichskanzlei in Burg Wildenstein eingelagert hätte. Nach ihrer Entdeckung wurden diese Kisten, die unter anderem aus Paris und Wien geraubte Kunstwerke enthielten, gemeinsam mit der Sammlung Fürstenberg, die sich ebenfalls auf Burg Wildenstein befunden hatte, nach Donaueschingen transferiert. Aufgrund der vielfachen Truppenbewegungen in der Gegend und der damit verbundenen

53 Koenig, Général Pierre, Retransmission d’une lettre du Général de Corps d’Armée Touzet du Viguier concernant les caisses du Musée de l’Armée Badoise se trouvant au Musée de l’Armée à Paris, 7 janvier 1946/31 décembre 1945, AMAE AC 74/1b. Koenig selbst sprach sich in seiner Weiterleitung des Vorschlags von General Touzet de Vigier für die Rückkehr der Kisten nach Deutschland aus. 54 Jardot, Maurice, Lettre à Laffon informant sur le retour de 16 caisses appartenant au Musée de l’Armée Badoise vers Fribourg, 30 janvier 1946, AMAE AC 487/6. 55 Ebd. 56 Blankenhorn, Lettre à François Boucher sur l’arrivée des caisses de l’Armeemuseum depuis Paris, 16 février 1946, AMAE AC 487/6.

Sicherung von Kulturgütern in der französischen Zone  I  191

Plünderungsgefahr wurden sie im Mai 1945 nach Straßburg gebracht.57 Allen Beteiligten war jedoch frühzeitig klar, dass der Abtransport der Fürstenberg-­­Sammlung nicht mit den von SHAEF festgelegten Besatzungsprinzipien konform ging und in Paris möglichst nicht bekannt werden durfte, da er schlimmstenfalls der französischen Position in der Frage der zukünftigen alliierten Restitutionspolitik schaden würde. Nachdem die Unruhen der ersten Wochen der Besatzung abgeebbt waren, beauftragte Lt.-Colonel Carolet die Beaux-­­Arts-­­Offiziere daher mit dem Rücktransport der Sammlung nach ­Donaueschingen.58 Anschließend wurden die Kisten der Reichskanzlei und der SS von Straßburg aus an die CRA in Paris übersendet.59 Anders als im Fall des Armeemuseums bot die zeitweilige Verlagerung der Fürstenberg-­ Sammlung nach Straßburg keinen Anlass zu Argumentationen hinsichtlich eines Einbehaltens von Objekten als Faustpfänder für eventuelle Restitutionsverhandlungen. Alle Beteiligten stimmten darin überein, dass der Abtransport den Prinzipien der récupération artistique zuwider lief und eine rasche, diskrete Rückkehr der Sammlung erfolgen müsse. Interessant ist in d ­ iesem Zusammenhang, dass bereits kurz nach der Rückkehr der Fürstenberg-­­Sammlung Pläne aufkamen, sie in Baden öffentlich auszustellen. Im November 1945 berichtete François Boucher in einem Brief an Albert Henraux, dass die Bibliothek der Fürstenberg-­­Sammlung direkt nach Donaueschingen zurückgebracht worden sei, während die Kunstwerke vorläufig im Augustinermuseum Freiburg eingelagert s­eien und Gegenstand einer Ausstellung werden sollten, „(…) qui permettra de présenter les objets les plus précieux et d’établir ainsi publiquement le souci de préservation des autorités françaises à l’égard du patrimoine culturel allemand.“ 60 Ganz ähnlich argumentierte bereits im Oktober 1945 der für den ursprünglichen Abtransport verantwortlich zeichnende Colonel de Berchoux, der in einem Brief an Raymond Schmittlein den Ablauf rekonstruierte und gleichzeitig betonte, dass mit der Ausstellung der zurückgekehrten Fürstenberg-­­Sammlung der deutschen Öffentlichkeit gezeigt werden könne, dass Frankreich ungeachtet seiner eigenen kriegsbedingten kulturellen Verluste nicht 57 Morlière, Général, Rapport au sujet de la collection Fürstenberg, 21 mai 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier III, Speiser, Lt. Alfred, Inventaire des collections et objets d’art trouvés au Château de Wildenstein, près de Beuron, 14 juin 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier III und Berchoux, Colonel de, Note pour le Délégué Supérieur pour le GM de Bade sur la découverte d’objets d’art au Château de Wildenstein , 18 octobre 1945, AMAE Bade 4.228/1. 58 Morlière, Général, Rapport au sujet de la collection Fürstenberg, 21 mai – 20 juin 1945, AMAE Bade 4.228/1. 59 Gouverneur militaire de Strasbourg, Lettre au Gouverneur militaire du pays de Bade sur la remise en place des collections du Prince de Fürstenberg au Château de Donaueschingen, 17 août 1945, AMAE Bade 4.228/2 und Haug, Hans, Lettre à Albert Henraux au sujet de la collection Fürstenberg, 29 octobre 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier III. 60 Boucher, François, Lettre à Albert Henraux au sujet du retour au pays de Bade de la collection Fürstenberg, 10 novembre 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier III.

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die Absicht habe, sich deutsche kulturelle Schätze anzueignen. De Berchoux wünschte sich, dass im Rahmen der Ausstellung ganz explizit auf die Rolle der 14. Infanteriedivision, die die Sammlung nach Straßburg gebracht hatte, hingewiesen werden möge. So demonstriere die erfolgreiche Sicherung einer deutschen Sammlung, ohne dass dabei auch nur ein Objekt beschädigt worden oder verschwunden sei, dass es bei den FFI-Kämpfern – aus denen die Division überwiegend bestand – keineswegs um „Terroristen“ handele, wie die Deutschen vermuteten. Wenn man das vorbildliche Verhalten der Einheit im Rahmen der Ausstellung hervorhöbe, so wäre dies gleichzeitig auch ein ­­Zeichen der Anerkennung gegenüber jener Einheit. Raymond Schmittlein, der diesen Brief an die Militärregierung der Provinz Baden weiterleitete, bemerkte dazu, dass er es für „une bonne propagande“ halte, der 14. Infanteriedivision diese öffentliche Anerkennung zu zollen.61 Die Ausstellungspläne waren daher sowohl auf militärischer als auch auf ziviler Seite von dem Willen angetrieben zu unterstreichen, dass die Franzosen – anders als die Deutschen zuvor in Frankreich – nicht die Absicht hatten, deutsche Kulturgüter zu beschlagnahmen. Angesichts der Plünderungen, die sich tatsächlich bereits ereignet hatten, mutet d ­ ieses Bemühen jedoch vor allem wie eine Maßnahme der Schadensbegrenzung an.

Zwischenbilanz: Ein Pariser récupération artistique-Diskurs in der ZFO? Insgesamt zeigt die Auswertung der Quellen zur Bergung und Sicherung von Auslagerungsdepots im Sommer 1945, dass die récupération artistique zunächst das handlungsleitende Motiv bei der Suche nach Auslagerungsdepots war. Die Entsendung von Beaux-­ Arts-­­Offizieren ans 5ème bureau der Première Armée française geschah mit der Intention, französisches Raubgut aufzufinden. Wenngleich frühe Depotlisten im April und Mai 1945 immer wieder explizit auf französische Provenienzen verwiesen, dürfte sich die Zahl der tatsächlich auf dem Gebiet der französischen Armee entdeckten Objekte jedoch in Grenzen gehalten haben. Die Bergung und Sicherung von Depots stellten für die Beaux-­­Arts-­­Offiziere eine nicht unerhebliche logistische Herausforderung dar. Schlechte Straßenverhältnisse verlangsamten die weiträumigen Inspektionsfahrten und erschwerten die flächendeckende Kontrolle und Verwaltung von Auslagerungsdepots. Darüber hinaus war der chaotische Übergang der Besatzungsverwaltung von der Première Armée française in die Hände des GMZFO durch vielfache Beispiele von Disziplinlosigkeit und Plünderungen geprägt, die sich nicht allein auf Kulturgüter erstreckten.62

61 Colonel de Berchoux; Schmittlein, Raymond, Correspondance sur l’exposition d’objets d’arts appartenant au Prince de Fürstenberg, 15 octobre et 6 novembre 1945, AMAE AC 74/1b. 62 Becker 2007, S. 75 – 76.

Sicherung von Kulturgütern in der französischen Zone  I  193

Sowohl die in Reaktionen auf diese Plünderungen ausgesprochenen Verbote als auch die Vorfälle um den Abtransport deutscher Kulturgüter legen einen récupération artistique-­ Diskurs offen, in dem Rückführung indirekt zugleich auf Rückforderung verwies. Während récupération sich im engeren Sinne auf die Rückführung des von den Nationalsozialisten geraubten französischen Eigentums bezog, tauchte in Begriffen wie gages oder monnaie d’échange der Grundgedanke auf, dass über den Zugriff auf deutsche Sammlungen den französischen Rückforderungen von Kunstwerken stärkerer Nachdruck verschafft werden könnte. Grundsätzlich lassen sich diese Forderungen in einer längeren Kontinuität wechselseitiger, mal deutscher, mal französischer Rückforderungen von Kulturgütern im Kriegskontext verorten. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die Präsenz ­dieses récupération artistique-­­Diskurses in der französischen Besatzungszone den Umgang mit Kulturgütern nicht allgemein dominiert zu haben scheint. Rückforderungen tauchen nur punktuell in den Korrespondenzen einzelner Vorgänge explizit auf und werden jeweils von ganz bestimmten Akteuren geäußert. Die Argumentation, dass Plünderungen verboten werden müssten, weil deutsche Bestände noch als Faustpfänder genutzt werden könnten, geht auf den französischen Erziehungsminister René Capitant zurück. Sie wurde zwar in Laffons Direktive zum Plünderungsverbot wortwörtlich aufgegriffen – was aber nicht heißen muss, dass er sie persönlich auch unterstützte. Nur wenige Monate später äußerte sich Laffon im Falle des Armeemuseums klar gegen einen Vorschlag, deutsche Bestände als Faustpfänder zu n ­ utzen, und plädierte damit letztlich für eine Trennung z­ wischen récupération artistique und Rückforderungen deutschen Eigentums. Insgesamt entsteht somit der Eindruck, dass die Vermischung von beidem in einem gemeinsamen Diskurs überwiegend von Pariser Stellen und Akteuren ausging, aber von den Mitgliedern des GMFZO tendenziell eher abgelehnt wurde. Die Begründung für die Ablehnung von Rückforderungen dürfte in den besatzungspolitischen Zielen zu suchen sein, die von Akteuren wie Emile Laffon und Raymond Schmittlein vertreten wurden. Da die Kulturpolitik als Teil der Sicherheitspolitik auf die Vermeidung künftiger Konflikte mit Deutschland abzielte, beschränkte sich ihre inhaltliche Konzeption auf ré-­­éducation, Demokratisierung und deutsch-­­französische Verständigung. Die Rückforderung von Kunst aus deutschen Museumsbeständen entsprach jedoch eher einer härteren besatzungspolitischen Linie, die d ­ iesem Verständigungsgedanken widersprach.63 Auf praktischer Ebene hatten die bereits erfolgten Plünderungen dem Ansehen der französischen Militärregierung zweifellos geschadet. Eine Absage der Pariser Rückforderungen war insofern erforderlich, um Schadensbegrenzung zu betreiben und den Weg zu Umerziehung und Demokratisierung ebnen zu können.

63 Zur Konzeption der französischen Kulturpolitik als Sicherheitspolitik vgl. Hudemann 2006, S. 34.

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4.2 Eine doppelte Aufgabenstellung? Die Sous-Direction des Beaux-Arts zwischen Kunstpolitik und récupération artistique Noch während die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts sich in ihrer strukturellen Aufbauphase befand, kam innerhalb der französischen Besatzungsverwaltung die Frage auf, wie die récupération artistique innerhalb der eigenen Zone organisiert werden sollte. Zur Frage der Rückführung von Kulturgütern und insbesondere zum Ausfuhrverbot von potenziellem Raubgut nach dem Militärregierungsgesetz Nr. 52 des Alliierten Kontrollrats schrieb Michel François im November 1945 in einer Notiz an seinen Vorgesetzten Raymond Schmittlein, dass es in der französischen Besatzungszone keine wirkliche Abteilung zur récupération artistique gebe. Zwar stünde die CRA in Kontakt mit der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts; allerdings sei diese nicht vom Erziehungsministerium dazu akkreditiert, gezielte Recherchen nach geraubten Kulturgütern anzustellen oder gar eigenständig Restitutionen durchzuführen. Daher tauschte sich die CRA zusätzlich mit der Direction Réparations-­­Restitutions aus, die im Gegensatz zur Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts das Recht hatte, Recherchen und Restitutionen vorzunehmen, aber als Teil der Abteilung für Wirtschaft und Finanzen der französischen Militärregierung eher auf die Restitutionen und Reparationen im indus­triellen Sektor abzielte.64 Eine stärkere Institutionalisierung der récupération artistique innerhalb der französischen Besatzungszone begann zu Beginn des Jahres 1946, als die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts personell vollständig aufgebaut war und sich die Aufgaben ihrer einzelnen Teilbüros zunehmend ausdifferenzierten. Während im Bureau des Musées-­­Expositions die Planung der kulturhistorischen Ausstellung „France – Pays de Bade“ an Fahrt aufnahm, spielten für die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts zeitgleich nach wie vor die Umgruppierungen von Auslagerungsdepots in den Provinzen der Zone eine wichtige Rolle. Im Februar 1946 richteten François Boucher und Rose Valland im Neuen Schloss in Baden-­­Baden einen Central Collecting Point ein, der nach dem Vorbild der amerikanischen Collecting Points als zentrale Sammelstelle für Objekte aus Depots der französischen Zone diente, deren Herkunft zweifelhaft war oder von denen man klar wusste, dass sie in Frankreich geraubt worden waren.65 Offiziell nahm der CCP seine Tätigkeit unter der Zuständigkeit von Lt. Robert du Quesnel etwa im Mai oder Juni 1946 auf.66 Allerdings akkreditierte die CRA nicht du Quesnel als den für die récupération 64 François, Michel, Note sur la récupération des objets d’art, 28 novembre 1945, AMAE AC 74/1b. Zur Direction Réparations-­­Restitutions vgl. Lorentz 1998, S. 119 – 123. 65 Valland, Rose, Note à François Boucher au sujet d’un dépôt pour les œuvres récupérées en ZFO, 1 février 1946, AMAE 209SUP /370 P1, Dossier I-2, SD 1d. Zum CCP Baden-­­Baden vgl. auch ­Rosebrock 2016, S. 301 – 304. 66 In den Monatsberichten der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts taucht der CCP Baden-­­Baden im Mai 1946 erstmals explizit auf. Ab Juni 1946 liegt erstmals außerdem ein eigener Monatsbericht nur für den CCP Baden-­­Baden vor. Vgl. François, Michel, Rapport du mois de mai 1946, AMAE AC 479/1b, und [du Quesnel, Lt. Robert], Rapport mensuel de la Section des Biens Culturels (C. C. P.) pour le mois de juin 1946, AMAE 209SUP/335 D22A-1.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  195

artistique zuständigen Offizier der ZFO, sondern seinen Vorgesetzten Michel François, der seit April 1946 die Nachfolge von François Boucher als Sous-­­Directeur des Beaux-­­Arts angetreten hatte.67 Organisatorisch war der Baden-­­Badener Collecting Point jedoch nicht direkt Michel François unterstellt, sondern dem Bureau des Musées-­­Expositions zugeordnet, das von Bernard Poissonnier geleitet wurde und neben der Organisation von Ausstellungen auch mit Fragen des Museumswesens und der Verwaltung von Auslagerungsdepots befasst war.68 Die Praxis der récupération artistique in der ­französischen Zone lag somit in der Zuständigkeit von Personen, die gleichzeitig auch die französische Kulturmission im Bereich der Kunst- und Ausstellungspolitik maßgeblich mitgestalteten. Aus dieser doppelten Zuständigkeit der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts ergibt sich die Frage, inwieweit beide Arbeitsbereiche sich wechselseitig überschnitten. Diese wird im Folgenden analysiert, indem in Anlehnung an die histoire croisée die Perspektive der Ausstellungspolitik und die Praxis der récupération artistique beleuchtet und miteinander überkreuzt werden.

4.2.1 Rückführungsdiskurse in der Ausstellungspolitik? Die Ausstellungspolitik der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts ist, seit sie 1990 erstmalig von Sandrine Heiser beschrieben wurde 69, mehrfach in Forschungsbeiträgen zur französischen Kulturpolitik untersucht worden und kann spätestens seit den Arbeiten von Martin Schieder als sehr gut erforscht gelten.70 An dieser Stelle erfolgt daher keine erneute systematische Beschreibung des insgesamt rund 50 historisch-­­dokumentarische, kulturelle und kunsthisto­ rische Ausstellungen umfassenden Programms. Vielmehr werden gezielt nur ­solche Ausstellungen in den Blick genommen, bei denen Überkreuzungen ­zwischen der récupération artistique und der Kulturpolitik festgestellt werden können.

Die Ausstellung „France – Pays de Bade“ – eine Absage an Rückforderungsdiskurse? Den Auftakt für das umfassende Ausstellungsprogramm der französischen Militärregierung bildete die kulturgeschichtlich ausgerichtete Ausstellung „France – Pays de Bade“, die 67 François, Michel, Note pour Emile Laffon sur la Récupération artistique, 25 juillet 1947, AMAE AC 74/1b. 68 Articulation interne de la S/Direction des Beaux-­­Arts à la date du 15 septembre 1946, AMAE AC 470/10. 69 Heiser 1990. 70 Vgl. Zauner 1994, S. 276 – 278, Defrance 1994, S. 126 – 130 und S. 199 – 201, Séguéla 1994, Ziegler 2006, S. 102 – 119, und Schieder 2005, S. 19 – 27.

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im Mai 1946 im Kurhaus Baden-­­Baden eröffnet wurde. Ziel war es, die kulturelle Nähe ­zwischen Frankreich und Baden in der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert am Beispiel ihrer politischen, kulturellen und künstlerischen Beziehungen zu beleuchten. Während das 17. und 18. Jahrhundert jeweils einen der fünf Ausstellungssäle einnahmen, beanspruchte die Sattelzeit allein zwei Säle für sich, in denen die Schaffung des Großherzogtums Baden durch Napoleon und der gemeinsame Kampf badischer und französischer Truppen in den napoleonischen Kriegen verherrlicht wurden. Kriegerische Auseinandersetzungen waren jedoch nicht das einzige Thema der Ausstellung; auch kulturelle Einflüsse Frankreichs auf Baden, etwa im Bereich barocker und klassizistischer Architektur oder durch die Verwendung des Französischen als Hofsprache, wurden thematisiert.71 Dem Vorwort des Ausstellungskatalogs zufolge war die Idee für die Ausstellung von René Thimonnier, dem Beaux-­­Arts-­­Offizier des Bureau des Spectacles, bereits im August 1945 aufgebracht worden. In den wenigen Korrespondenzen mit potenziellen Leihgebern, die zur Vorbereitung überliefert sind, wird als Hauptmotiv für die Ausstellung auf die Steigerung des „prestige français“ 72 verwiesen, und in der Tat erinnert die Konzeption, die den französischen Einfluss auf Baden in den Mittelpunkt rückte, bereits stark an das kulturpolitische Konzept des rayonnement culturel, das zur Leitlinie für die späteren Kunstausstellungen wurde. Aus der Leihanfrage, die Emile Laffon im Dezember 1946 an das Erziehungsministerium in Paris richtete, geht ein Überblick über die Leihgeber hervor, die man auf französischer Seite für die Ausstellung gewinnen wollte: Neben der Bibliothèque nationale und dem Musée de Versailles war dies auch das Musée de l’Armée in Paris. Letzteres reagierte jedoch ablehnend auf die Leihanfragen der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts. In seinem internen Absageschreiben, das der Kurator der napoleonischen Museen, Jean Bourguignon, zunächst an den Direktor des Musée de l’Armée richtete und das an François Boucher weitergeleitet wurde, schrieb er indigniert, dass das Museum grundsätzlich keine Objekte für Ausstellungen verleihe, es aber in ­diesem konkreten Fall noch einen viel gewichtigeren Grund gäbe, das Leihgesuch abzulehnen: En 1940 le Musée de l’Armée, comme vous le savez, a été réellement dépouillé par les Allemands. Ceux-­­ci ont volé et emporté plus de deux mille pièces. Nous n’avons pu obtenir encore la récupération de ces pièces souvent uniques et presque toujours très précieuses. Quelques-­­unes

71 Vgl. dazu Fiche sur l’exposition 1946: France – Pays de Bade (sans date). AMAE AC 487/6 sowie den Ausstellungskatalog: Direction de l’Education publique, Exposition France – Pays de Bade: deux siècles d’histoire 1660 – 1860; Frankreich – Baden. Ausstellung im Spiegel der Geschichte 1660 – 1860. Mai–Juin 1946, Baden-­­Baden Kurhaus. Baden-­­Baden 1946. 72 Laffon, Emile, Note sur la préparation de l’exposition „France – Pays de Bade“, 23 janvier 1946, AMAE AC 74/1a.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  197

seulement, grâce au Service Historique de l’Armée, et à quelques officiers américains, ont repris leur place au Musée de l’Armée. Tant que cette récupération n’aura pas fait plus de progrès, il paraîtrait inconvenant d’envoyer à ceux qui nous ont si odieusement pillés des souvenirs et des documents, qu’ils ne manqueraient pas de regarder avec l’ironie mauvaise dont ils sont coutumiers. Qu’ils commencent par restituer ce qu’ils ont volé et nous verrons ensuite si nous pouvons envisager des Expositions franco-­­allemandes.73

Die Rhetorik, mit der das Musée de l’Armée die Leihanfrage ablehnte, verweist in geradezu exemplarischer Weise auf die Prioritäten des Museums, die von der Rückführung der von den Nationalsozialisten geraubten Militaria – oftmals Siegestrophäen, die Frankreich in früheren Kriegen erbeutet hatte – dominiert waren. Ebenso klar heben sich jedoch von ­diesem Diskurs die Prioritäten der französischen Besatzungsoffiziere ab. Sowohl Boucher als auch Schmittlein stellten fest, dass die Haltung des Musée de l’Armée unvereinbar mit den französischen Besatzungsinteressen in Deutschland sei, bei denen es nicht um Revanchismus ginge, sondern um die Sicherung des französischen kulturellen Einflusses in Deutschland.74 Vor ­diesem Hintergrund ist es besonders interessant, dass die „France  – Pays de Bade“-Ausstellung nicht allein aus französischen Leihgaben bestand, sondern auch deutsche einbezogen wurden. Unter den öffentlichen Leihgebern befand sich neben dem Generallandesarchiv, dem Landesmuseum und der Kunsthalle Karlsruhe auch das Badische Armeemuseum.75 Darüber hinaus wurden auch Privatsammler wie die Markgrafen von Baden und das Haus Fürstenberg angefragt.76 Somit waren gleich zwei Sammlungen, die im Sommer und Herbst 1945 von Abtransporten nach Frankreich betroffen waren, in der Ausstellung vertreten. Die Präsentation der Fürstenberg-­­Sammlung knüpfte an Überlegungen an, die die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts bereits 1945 während der Rückkehr der Sammlung nach Baden entwickelt hatten.77 Für das Badische Armeemuseum wiederum 73 Bourguignon, Jean; Boucher, François; Schmittlein, Raymond, Correspondance sur le refus de prêt du Musée de l’Armée pour l’exposition „France – Pays de Bade“, 2 – 18 février 1946, AMAE AC 74/1a. 74 Ebd. 75 Direction de l’Education publique 1946, S. 8 – 9. 76 François, Michel, Rapport pour le Mois de Décembre 1945, 26 décembre 1945, AMAE AC 479/1b. 77 Boucher, François, Lettre à Albert Henraux au sujet du retour au pays de Bade de la collection Fürstenberg, 10 novembre 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier III. Ein Monatsbericht von Dezember 1945 deutet darauf hin, dass bereits vor „France – Pays de Bade“ eine erste Ausstellung der Fürstenberg-­­Sammlung in Freiburg geplant wurde. Da sich in den Akten zu dieser jedoch kaum Spuren erhalten haben, ist unklar, ob sie nur konzipiert oder auch tatsächlich praktisch umgesetzt wurde. François, Michel, Rapport pour le Mois de Décembre 1945, 26 decembre 1945, AMAE AC 479/1b.

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hatte die Vorbereitung von „France – Pays de Bade“ wahrscheinlich sogar beschleunigend auf die Rückgabe der abtransportierten Kisten eingewirkt, da Oberst Blankenhorn noch vor der Rückgabe um Leihgaben für die Ausstellung angefragt worden war. Sowohl für die Fürstenberg-­­Sammlung als auch das Armeemuseum rundete die Präsentation ausgewählter Stücke in Baden-­­Baden die Rückgaben der abtransportierten Bestände symbolisch ab und kommunizierte öffentlich, dass die französischen Besatzer nicht plünderten, sondern deutsches Kulturerbe unter ihren Schutz stellten. Bei der Ausstellung „France – Pays de Bade“ trafen Pariser Rückführungsdiskurse und Baden-­­Badener kulturpolitische Interessen eher unterschwellig aufeinander. Die Ausstellung betonte in programmatischer Weise die Zielsetzungen der französischen Kulturmission in Deutschland. Auch wenn Baden und Frankreich nicht als gleichwertige Akteure dargestellt wurden, sondern vielmehr das Narrativ der französischen Einflussnahme auf badische Kultur- und Politikgeschichte die Ausstellung bestimmte 78, wurden dennoch bereits 1946 französische und deutsche Kunstwerke nebeneinander ausgestellt und verwiesen so auf eine gemeinsame Geschichte und kulturelle Nähe. Zugleich demonstrierte der Rückgriff auf deutsche Sammlungen, dass die französischen Besatzer das deutsche kulturelle Erbe wertschätzten und schützten. Implizit stellte diese Demonstration der Wertschätzung außerdem eine Absage an alle Stimmen dar, die unter Berufung auf den Kulturgutraub der Nationalsozialisten und die récupération artistique auf deutsche Bestände zugreifen wollten. Deutsche Kunstwerke – zumal ­solche, die eine Nähe zu französischer Kultur aufwiesen – sollten vielmehr in Deutschland verbleiben, um den französischen Einfluss zu stärken und die Idee des rayonnement culturel zu propagieren. Diese Leitlinie sollte in den folgenden Kunstausstellungen der Beaux-­­Arts-­­Abteilung noch viel stärker zum Ausdruck kommen. Gleichzeitig war im Herausarbeiten der historischen Beziehungen ­zwischen Baden und Frankreich – die laut Katalog die „Grundlage […] für eine wahre Freundschaft und gegenseitige Achtung“ 79 schaffen sollte – bereits eine Tendenz zu deutsch-­­französischer Verständigung angelegt, die ebenfalls in der weiteren Entwicklung des Baden-­­Badener Ausstellungsprogramms noch deutlicher zum Vorschein trat.

78 Themen, die in der Ausstellung besonders zum Ausdruck kamen, waren unter anderem Vaubans Festungsbau im Rechtsrheinischen, die französische Verwaltung Freiburgs zur Zeit Louis’ XIV., die Feldzüge von Turenne im deutschen Südwesten und der napoleonische Einfluss auf Baden ab 1800. Im Gegenzug wurden etwaige badische Einflüsse auf Frankreich nicht thematisiert. Vgl. dazu auch Nicklas 1999, S. 44. 79 Direction de l’Education publique 1946, S. 14.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  199

Kunstausstellungen im Spannungsfeld von récupération und rayonnement culturel Bereits im September 1946 folgte auf „France – Pays de Bade“ mit „Peinture française moderne“ die nächste große Ausstellung im Kurhaus Baden-­­Baden. Anhand von 130 Gemälden von mehr als 100 verschiedenen Künstlern zeigte sie einen Überblick über die historische Entwicklung der französischen Kunst seit dem Impressionismus bis zur zeitgenössischen figurativen Malerei. Die Organisation der Ausstellung lag auf Baden-­ Badener Seite in den Händen von Bernard Poissonnier, der in Paris vor allem von Jean Cassou, dem Leiter des soeben neu eröffneten Musée d’Art Moderne, unterstützt wurde. Cassou war es auch, der mit der Einleitung des zugehörigen Ausstellungskatalogs einen der Schlüsseltexte zum Prinzip des rayonnement culturel verfasste. Sein Text zeichnete die ungebrochene Kontinuität in der Entwicklung der französischen modernen Malerei nach, die im Schaffen der Ecole de Paris kulminierte, ­welche er als Inbegriff des Französischen betrachtete. Ziel der Ausstellung dieser französischen Moderne war es, dem deutschen Publikum zu zeigen, wie sich das „génie français“ in der Kunst manifestierte. Es ginge, so betonte Cassou programmatisch im letzten Absatz, nicht darum, dass Frankreich sich als Nation über andere erheben wolle; vielmehr sollten mittels der französischen Kunst im Sinne eines aufklärerischen Bildungsauftrags anderen Ländern die geistigen und m ­ oralischen Werte Frankreichs vermittelt werden.80 Dieser Bildungsauftrag war nicht allein an das deutsche Publikum adressiert, sondern auch an die übrigen Besatzungsmächte, weshalb die Ausstellung nach ersten Stationen in Baden-­­Baden, Berlin und Mainz auch in Düsseldorf, München und Wien gezeigt wurde. Sowohl in der französischen Zone als auch darüber hinaus war sie ein großer Erfolg: sie verzeichnete insgesamt rund 150.000 Besucher, davon allein 9.000 während der dreiwöchigen Laufzeit in Baden-­­Baden.81 In der Präsentation von Ausstellung und Katalog sucht man zunächst vergeblich nach möglichen Querverweisen zur récupération artistique; nach außen hin war die Leitlinie des rayonnement culturel dominierend. Nimmt man jedoch die Vorbereitungen der Ausstellung und den Kontakt mit potenziellen Leihgebern in Paris in den Blick, so werden Parallelen zur Vorgängerausstellung „France – Pays de Bade“ deutlich. Dass die Organisation von „Peinture française moderne“ nicht ohne Reibungen z­ wischen Baden-­­Baden und Paris ablief, geht bereits aus dem Monatsbericht von Michel François für Mai 1946 hervor. Er verwies auf den Planungsstand der Ausstellung, thematisierte aber auch einige grundsätzlichere Feststellungen zur Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts und der mangelnden Unterstützung, die ihre Arbeit in Paris erfuhr. Zwar sei die Sous-­­Direction mittlerweile personell und materiell besser ausgestattet und könne nun vollumfänglich ihre Aufgaben wahrnehmen,

80 Cassou 2011, S. 37 und 39 – 41. Vgl. auch Schieder 2005, S. 40. 81 Schieder 2005, S. 58 – 59.

200 I Von der récupération zur réconciliation?

[…] mais elle doit, pour réussir, pouvoir compter sur l’aide des administrations de la métropole. Or il ne semble pas que l’on se rende toujours compte à Paris du rôle que peuvent jouer les Beaux-­­Arts dans le développement de notre politique en Allemagne. J’insiste en particulier sur les difficultés que fait le Directeur de l’Action Artistique M. Philippe Erlanger chaque fois que nous avons recours à lui pour une exposition. Un tel état d’esprit ne peut que paralyser l’action de ma S/Direction.82

Zum Zeitpunkt der Abfassung des Monatsberichts hatte die Sous-­­Direction bereits Anfragen an die Association française d’action artistique gestellt, die traditionell ein wichtiger Akteur im Bereich der französischen auswärtigen Kulturpolitik war. Philippe Erlanger, ihr Präsident, hatte der Sous-­­Direction jedoch noch nicht geantwortet. Als Bernard Poissonnier im Sommer 1946 nach Paris reiste, um vor Ort die Organisation der Ausstellung voranzutreiben, stieß er bei den dortigen Akteuren auf gemischte Reaktionen. Museumsleute wie Jacques Jaujard, René Huyghe, Jean Cassou und Georges Salles zeigten sich, so Poissonnier, zwar etwas reserviert und prophezeiten ihm gewisse Schwierigkeiten beim Zusammentragen geeigneter Exponate – „[m]ais jusqu’ici, le principe d’une Exposition en Allemagne n’était pas contesté.“ 83 Anders verhielt es sich mit Erlanger, der nicht nur eine ganze Reihe von Vorbehalten gegen die Ausstellung vorbrachte – unter anderem, dass sie in Konkurrenz zu diversen anderen französischen Ausstellungen im In- und Ausland stand, die politisch wichtiger s­ eien –, sondern gleichzeitig auch Kritik daran übte, dass er für „France – Pays de Bade“ nicht konsultiert worden sei und die Sous-­­Direction eigenmächtig Kulturprogramme erstelle, ohne sich mit ihm zu besprechen.84 Auf Bedenken traf Poissonnier mit seinen Leihanfragen auch bei privaten Sammlern, Künstlern und Galerien. Ähnlich wie Erlanger verwiesen sie auf andere Ausstellungen in Frankreich und im Ausland, für die sie permanent um Leihgaben ersucht würden; gleichzeitig fänden viele „ventes de charité“ zugunsten ehemaliger Kriegsgefangener, Deportierter und jüdischer Kinder statt. Unterschwellig gewann Poissonnier jedoch den Eindruck, dass er auch abgewimmelt wurde, weil man aus diversen Gründen den jeweiligen Besitz nicht transparent machen wollte.85 Poissonnier gelang es letztlich trotz aller Schwierigkeiten, eine Liste mit etwa 130 potenziellen Leihgaben zu erstellen, die sowohl aus Museen als auch von Privatsammlern stammten. Seine Bemerkungen über die Schwierigkeiten, private Kunstsammler und -händler als Leihgeber zu gewinnen, sind auch deshalb von Interesse, weil sie einen Einblick in die Verfasstheit der Pariser Beaux-­­Arts-­­Verwaltung sowie dem privaten Kunstbetrieb in den ersten Nachkriegsjahren erlauben. Sie zeigen, dass das Pariser Sammler-, Künstler- und 82 François, Michel, Rapport du mois de mai 1946, 25 mai 1946, AMAE AC 479/1b. 83 Poissonnier, Bernard, Compte-­­rendu de la mission à Paris pour l’organisation de l’exposition de peinture française en Allemagne (Baden-­­Baden et Berlin), 2 juillet 1946, AMAE AC 74/1b. 84 Ebd. 85 Ebd.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  201

Kunsthandelsmilieu über die Praxis der Leihgaben in die Ausstellungspolitik der französischen Beaux-­­Arts-­­Verwaltung sowohl innerhalb Frankreichs als auch im Ausland involviert war, die der französischen Selbstdarstellung nach innen wie nach außen diente. Wenngleich politisch und wirtschaftlich geschwächt, verfügte Frankreich nach wie vor über kulturellen Führungsanspruch. Daher förderten die Kunstausstellungen im Inland die Selbstvergewisserung, während jene im Ausland die Bedeutung der französischen Kultur nach außen kommu­nizierten.86 Rayonnement culturel war insofern bei weitem nicht nur in der französischen Besatzungszone eine Leitlinie. Vielmehr zeigt sich am Beispiel Erlangers und der Action artistique, dass die aus Pariser Sicht die französische Außenwirkung in einer gesamtund außereuropäischen Dimension eine größere Rolle spielte als die mögliche erzieherische Wirkung des rayonnement culturel-­­Prinzips in der französischen Besatzungszone. Von Interesse sind auch Poissonniers Beobachtungen des Pariser Kunstmarkts im Jahr 1946. Die Tendenzen von Sammlern, Künstler und Galerien, ihren Besitz zu verbergen oder Leihanfragen unter Vorwänden abzulehnen, verstand Poissonnier als Versuche, den finanziellen Wert von Kunstwerken zu steigern, indem sie vor der Öffentlichkeit verborgen wurden. Diese Beobachtungen sind auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen des Pariser Kunstmarkts während der deutschen Besatzung zu lesen. In dieser Zeit hatte er einen Boom erlebt, der durch die Liquidierung und „Arisierung“ von Kunsthandlungen und Privatsammlungen, aber auch durch die Ankaufsinteressen und gleichzeitige hohe Kaufkraft deutscher Museen befördert wurde. Letzteres ist auch darauf zurückzuführen, dass der Wechselkurs von Reichsmark zu Francs für die deutsche Seite sehr günstig ausfiel.87 Die Auswirkungen ­dieses Booms waren sicherlich auch nach 1945 noch spürbar; allerdings versuchten Kunsthändler und Galeristen zu dieser Zeit offenbar, durch die Reduktion ihres Angebots die Preise wieder zu stabilisieren und gleichzeitig durch die Behauptung, nur über wenig Bestände zu verfügen, ihre eigenen Verstrickungen herunterzuspielen. Ferner fällt auf, dass in den Argumenten, die Poissonniers Mission in Paris entgegengebracht wurden, kein einziger expliziter Verweis auf die récupération artistique zu finden ist. Zwar wiesen sowohl Erlanger als auch einige Privatleute darauf hin, dass eine Kunstausstellung in Deutschland „inopportun“ sei. Letztere wandten offenbar auch ein, dass „la situation est trop incertaine en Allemagne (??!!) [sic] Berlin, les Russes“ 88, was Poissonnier im Protokoll mit ungläubigen Frage- und Ausrufezeichen versah. Das Thema Rückführung von NS-Raubgut wird jedoch an keiner Stelle explizit angesprochen, was umso überraschender ist, als im Sommer 1946 bereits der achte Restitutionskonvoi aus München eintraf 89 86 Vgl. Schieder 2011, S. 17 – 18. 87 Rosebrock 2011, S. 114 – 117. 88 Poissonnier, Bernard, Compte-­­rendu de la mission à Paris pour l’organisation de l’exposition de peinture française en Allemagne (Baden-­­Baden et Berlin), 2 juillet 1946, AMAE AC 74/1b. 89 Vgl. Brye, Hubert de; Rae, Edwin C., Receipt and Agreement for Delivery of cultural objects: Shipment N° 8, June 25, 1946, AMAE 209SUP/113 A 44.

202 I Von der récupération zur réconciliation?

und zur gleichen Zeit im Musée de l’Orangerie die Ausstellung „Les chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne“ zu sehen war. Die Rückführung von NS-Raubgut nach Frankreich war demnach zum Zeitpunkt der Planung von „Peinture française moderne“ nicht nur innerhalb der Pariser Museumsverwaltung und der Kunstszene, sondern auch in der Öffentlichkeit präsent. Tatsächlich kann „Les chefs-d’œuvre des collections privées françaises“ als Beispiel für jene Ausstellungen französischer Kunst gesehen werden, mit denen Frankreich in der unmittelbaren Nachkriegszeit seine eigene Bedeutung als Kulturnation demonstrierte – anders als im Falle von „Peinture française moderne“ standen die ausgestellten Kunstwerke hier nicht im Kontext einer aufklärerischen Wertevermittlung, sondern feierten den Sieg über Deutschland und den Wiederaufbau des französischen Kulturerbes.90 Mit ihrer Andeutung, der Zeitpunkt der Ausstellung in der französischen Besatzungszone sei „inopportun“, umschrieben Erlanger und die angefragten privaten Akteure daher indirekt die Gegensätzlichkeit der Interessen von récupération und rayonnement culturel. Direkte Überschneidungen z­ wischen der Ausstellung „Peinture française moderne“ und Restitutionsfragen ergaben sich letzten Endes nur im Falle eines einzigen Gemäldes. Im November 1946 schrieb Albert Henraux an Michel François, dass das Werk „Le Château de la Reine Blanche“ von Maurice Utrillo dem beraubten Sammler Sam Block gehört habe. Da die Ausstellung desselbigen in Baden-­­Baden den Anschein erwecken konnte, dass geraubte Kulturgüter ohne Rücksprache mit den Eigentümern für Ausstellungen zweckentfremdet würden und die CRA ihrer Verpflichtung zu einer möglichst raschen Restitution nicht nachkäme, fürchtete Henraux Unannehmlichkeiten für die CRA. Er bat daher um ein Exemplar des Katalogs der Ausstellung sowie aller vorhergegangenen Ausstellungen, um rückwirkend zu prüfen, ob in der ZFO noch weitere Werke präsentiert worden waren, für die bei der CRA Rückerstattungsanträge vorlagen. Außerdem forderte er François auf, in künftigen Ausstellungen der ZFO nur ­solche Objekte zu zeigen, deren Provenienz klar etabliert und deren Eigentümer vorher als Leihgeber angefragt worden ­seien. Michel François antwortete ihm, dass er bereits über die Provenienz des Gemäldes Bescheid wisse, das Bernard Poissonnier als Leihgabe aus der Galerie Allard erhalten hatte, die sich allerdings offenbar der Herkunft des Gemäldes nicht bewusst gewesen sei. Gleichzeitig versicherte François Henraux, dass er niemals vorgehabt habe, „œuvres récupérées“ in Deutschland auszustellen, ohne zuvor das Einverständnis des legitimen Eigentümers und der CRA einzuholen.91 Dass für Henraux die Restitution von geraubten Kulturgütern an ihre französischen Privateigentümer höhere Priorität hatte als das kulturpolitische Programm in Deutschland, war nur begreiflich. Erst der konkrete Fall des ausgestellten Utrillo scheint ihn jedoch dazu bewogen zu haben, diesen Grundsatz noch einmal mit François abzuklären. Die Legitimität 90 Vgl. Schieder 2011, S. 14, und Le Masne de Chermont 2013, S. 1373. 91 François, Michel; Henraux, Albert S., Correspondance sur un tableau spolié ayant figuré dans l’exposition „Peinture française moderne“, 28 novembre et 13 décembre 1946, AMAE AC 482/4.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  203

der Ausstellungspolitik in Baden-­­Baden als ­solche scheint er darüber hinaus nicht in Frage gestellt zu haben. Revanchistisch motivierte Bedenken gegen das Ausstellungsprogramm in Deutschland gingen in Paris demnach von der Association française d’Action artistique sowie der privaten Kunstszene aus, nicht aber von der CRA – und das, obwohl diese gerade die Instanz war, die eigentlich die Interessen an der récupération des französischen Kulturerbes am stärksten verkörperte. Nichtsdestotrotz war man sich in Baden-­­Baden bewusst, dass die Problematik der récupération artistique sich negativ auf deutsch-­­französische Ausstellungsprojekte auswirken konnte. Dies zeigen auch die Korrespondenzen für ein Ausstellungsprojekt zu rheinischer Kunst der Frühen Neuzeit, das in Paris gezeigt werden sollte. Unter dem Arbeitstitel „art rhénan“ waren erste Ideen für die Ausstellung bereits 1946 zusammengetragen worden; das Konzept wurde jedoch zunächst zurückgewiesen und letztlich erst 1950 unter dem Titel „Des maîtres de Cologne à Albert Dürer: Primitifs de l’Ecole Allemande“ im Musée de l’Orangerie verwirklicht. Es handelte sich dabei um die erste Ausstellung deutscher Kunst in Frankreich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, deren kuratorische Leitung überdies ein deutsch-­ französisches Gemeinschaftsprojekt von Kurt Martin aus Karlsruhe und Germain Bazin aus Paris war. Da die Ausstellung aufgrund ihrer symbolischen Bedeutung als Wendepunkt in den deutsch-­­französischen Kunstbeziehungen nach 1945 bereits mehrfach beschrieben und analysiert wurde, soll hier keine ausführliche Darstellung erfolgen.92 Wichtig sind in ­diesem Zusammenhang primär die Begründungen, mit denen die ersten Initiativen für die Ausstellung 1947 zurückgewiesen wurden. Im April hatte Michel François einen Konzeptentwurf für das Ausstellungsprojekt erhalten, der auf Maurice Jardot, Kurt Martin und die Union Nationale des Intellectuels zurückging. François selbst war in diese Konzeptionen nicht eingebunden, wurde aber um Stellungnahme zur Realisierbarkeit der Ausstellung gebeten. Aus wissenschaftlicher und politischer Perspektive sah er durchaus Potenzial für die Verwirklichung des Projekts, hatte aber Einwände gegen ihre Umsetzung, die direkt mit der récupération artistique zu tun hatten. François befürchtete nicht so sehr, dass eine Ausstellung deutscher Kunstwerke in Paris auf antideutsche Ressentiments stoßen könnte, sondern vielmehr, dass die Ausstellung – nur wenige Jahre nach der in der Öffentlichkeit sehr präsenten Schau der „chefs-­­d’œuvre récupérées“ – allzu große Aufmerksamkeit auf deutsche Kunstwerke ziehen könnte, die daraufhin als Entschädigung für französische enteignete eingefordert werden könnten; tatsächlich sei die CRA derzeit dabei, Listen von Kulturgütern aus deutschen Museumssammlungen zusammenzustellen, die im Falle einer restitution in kind von Frankreich eingefordert werden könnten. Daher empfahl er, die Ausstellung erst dann umzusetzen, wenn die récupération artistique abgeschlossen sei und somit auch Pläne für eine restitution in kind auf Kosten deutscher Museumsbestände gegenstandslos würden.93 92 Vgl. dazu Arnoux 2006. 93 François, Michel, Projet d’une exposition de primitifs rhénans à Paris, 10 avril 1947, AMAE AC 484/10.

204 I Von der récupération zur réconciliation?

Dieselbe Empfehlung gab Jacques Jaujard Anfang Mai 1947 an das französische Erziehungsministerium; auch er wies darauf hin, dass eine Ausstellung verfrüht sei, „surtout au moment de la mise au point avec les alliés de la question des remplacements par équivalences des objets d’art de caractère unique.“ 94 Sowohl aus Baden-­­Badener als auch aus Pariser Perspektive war also klar, dass die Interessen der récupération artistique höher einzustufen waren als die der Baden-­­Badener Kulturpolitik; tatsächlich war sie sogar ausschlaggebend dafür, dass das Ausstellungsprojekt zunächst nicht zustande kam. Interessanterweise standen zumindest für Michel François dabei gerade nicht die Interessen französischer enteigneter Kunstbesitzer im Mittelpunkt. Vielmehr ging es ihm um die Bewahrung deutscher Sammlungsbestände vor einer möglichen Nutzung im Rahmen einer restitution in kind. Die weitreichenden resti­ tutionspolitischen Forderungen Frankreichs nach einem Ersatz französischer Kulturgüter durch deutsche Sammlungsbestände wurden demnach von den Beaux-­­Arts-­­Offizieren in der französischen Besatzungszone nicht unterstützt. Was sich bereits in Vorfällen um den Abtransport deutscher Sammlungen im Jahre 1945 abgezeichnet hatte und in der Ausstellung „France – Pays de Bade“ programmatisch unterstrichen worden war, wurde im Kontext der Planung der „Primitifs Allemands“-Ausstellung somit noch einmal bestätigt. In letzter Konsequenz bedeutete dies jedoch auch, dass die Priorität der récupération ­artistique eine Ausstellung deutscher Kunst in Paris zumindest vorläufig unmöglich machte. Das Projekt wurde daher erst nach dem Abschluss der Rückführungsoperationen erneut aufgegriffen, wobei die Planungen sich auch ohne das Argument der Rückführungen als langwierig und politisch stark aufgeladen erweisen sollten.95

4.2.2 Der Central Collecting Point in Baden-Baden Anhand der Analyse der Ausstellungen der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts wird deutlich, dass die récupération artistique in der Kulturpolitik vor allem in den Verhandlungen um Ausstellungen z­ wischen Beaux-­­Arts-­­Offizieren und Pariser Akteuren auftauchte und dabei als Argument Letzterer gegen die Durchführung bestimmter Ausstellungsprojekte eingesetzt wurde. Neben d ­ iesem argumentativen Gebrauch, der letztlich Ausdruck von antideutschen Ressentiments, Vorbehalten gegenüber deutsch-­­französischen Projekten und nicht zuletzt auch vereinzelten Rückforderungen von Kulturgütern zugunsten Frankreichs war, ist jedoch zu berücksichtigen, dass die récupération artistique auch als Rückführungspraxis innerhalb der französischen Zone präsent war. Im Folgenden wird daher die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts als Ort der kulturellen Rückführungspraxis in der ZFO analysiert.

94 Jaujard, Jacques, Avis sur une exposition d’art rhénan à Paris: note pour le Ministre de la Jeunnesse, des Arts et des Lettres, 8 mai 1947, AMAE AC 484/10. 95 Vgl. Arnoux 2006, S. 55 – 58.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  205

Zur Organisationsstruktur und den Aufgaben des Baden-Badener Collecting Points Der französische Central Collecting Point wurde im Februar 1946 im Neuen Schloss Baden-­ Baden gegründet, wo er bis August 1950 untergebracht war. Anschließend zog er in die Villa Krupp in Baden-­­Baden um und wurde dort bis etwa 1953 vom Service de Remise en Place des Œuvres d’Art (SRPOA) verwaltet.96 Organisatorisch war der CCP dem Bureau des Musées-­­Expositions zugeordnet; de facto war es jedoch nicht Bernard Poissonnier, sondern vor allem der ihm übergeordnete Sous-­­Directeur des Beaux-­­Arts Michel François, der als Vorgesetzter für die Mitarbeiter des CCP fungierte und zugleich die Kommunikation ­zwischen Baden-­­Baden und der CRA in Paris aufrechterhielt.97 Die erste Hauptaufgabe der CCP-Mitarbeiter Robert du Quesnel und Gérard d’Amarzit bestand darin, alle Kulturgüter, deren Eigentumsverhältnisse als unklar galten und die im Verdacht standen, Raubgut zu sein, aus den Auslagerungsdepots der Besatzungszone nach Baden-­­Baden zu überführen und dort zu inventarisieren.98 Materialengpässe und fehlende Transportmöglichkeiten, aber auch die verspätete Bereitstellung der erforderlichen Räumlichkeiten im Neuen Schloss Baden-­­Baden verzögerten die Zentralisierung der Bestände jedoch erheblich.99 Darüber hinaus führte die mangelhafte Qualifikation beider CCP-Mitarbeiter dazu, dass Raymond Schmittlein und Emile Laffon zeitweilig die Möglichkeit diskutierten, die récupération artistique aus der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts herauszulösen und an die Direction Réparations-­­Restitutions anzuschließen. Da diese Option von Laffon jedoch nicht befürwortet wurde, erfolgte im Juli 1947 lediglich ein Personalwechsel im CCP und Robert du Quesnel wurde durch Marguerite Azambre ersetzt.100

96 Die letzte offizielle Kontrolle des CCP durch die SRPOA-Mitarbeiter erfolgte am 10. Juli 1952. Allerdings enthält das Inventarbuch auch Einträge, die von 1953 oder sogar 1954 datieren – für die zu dieser Zeit verzeichneten Objekte, die meist aus München, Koblenz oder Bad Godesberg stammten, war der CCP Baden-­­Baden allerdings nur Transitstation. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1950 – 1952 (Villa Krupp), AMAE 209SUP/346 D40. 97 Vgl. dazu Note pour l’Administrateur Général au sujet de la Récupération Artistique, juillet 1947, AMAE 209SUP/346 D41.13. 98 François, Michel, Note aux Délégués Supérieurs des provinces confirmant la création d’un centre de rassemblement d’œuvres d’art à Baden-­­Baden, 4 juin 1946, AMAE 209SUP/347 D41.2. 99 [Du Quesnel, Lt. Robert], Rapport mensuel de la Section des Biens Culturels (C. C. P.) pour le mois de juin 1946, AMAE 209SUP/335 D22A-1. Aus d ­ iesem Umstand erklärt sich, dass das Inventarbuch des CCP bis ca. Juni 1947 die einzelnen Zugänge nicht chronologisch nach Eingangsdatum führt. Die ersten Einträge wurden offensichtlich rückwirkend vorgenommen, wobei nicht streng nach der Reihenfolge der Eingangsdaten vorgegangen wurde. 100 Laffon, Emile, Note confidentielle pour Schmittlein sur la Récupération artistique, 25 juillet 1947, AMAE AC 74/1a, und François, Michel, Note pour Emile Laffon sur la Récupération artistique, 25 juillet 1947, AMAE AC 74/1a.

206 I Von der récupération zur réconciliation?

Unter ihrer Leitung begann die bis dato nicht erfolgte systematische Erfassung der eingegangenen Objektbestände durch ein Karteikarten- und Inventarnummernsystem, das sich an den amerikanischen Vorbildern in München und Wiesbaden orientierte.101 Für jedes Objekt, das im CCP einging, wurde eine eigene Inventarnummer vergeben, die sowohl in einem Inventarbuch als auch auf einer eigenen Karteikarte analog zu den amerikanischen Property Cards verzeichnet wurde. Die Karteikarte wurde mit der Inventarnummer, einer Kurzbeschreibung des Objekts, Angaben zur Herkunft, dem Eingangs- und Ausgangsdatum und Zielort versehen und umfasste in der Regel außerdem ein Foto des Objekts.102 In seiner Gesamtlaufzeit z­ wischen Juni 1946 und Juli 1952 zählte der CCP Baden-­­Baden nach Inventarnummern 1.115 Zugänge.103 Jedoch entsprach auch hier eine Inventarnummer nicht zwangsläufig einem einzelnen Objekt; mitunter erfasste sie ein aus mehreren Objekten bestehendes Lot oder sogar eine ganze Kiste, deren Inhalt nicht näher differenziert wurde. Die Gesamtzahl der Einzelobjekte im CCP dürfte daher deutlich über der Zahl der vergebenen Inventarnummern liegen. Nach der Zentralisierung der unter Raubgut-­­Verdacht bestehenden Bestände aus den Depots der französischen Besatzungszone bestand die Hauptaufgabe am CCP ­Baden-­Baden 101 Lt. Robert du Quesnel, der mit dem Aufbau des CCP beauftragt wurde, erhielt zur Orientierung einige französische Übersetzungen von Monatsberichten und Organigrammen zum CCP Wiesbaden und dem Offenbacher Archival Depot. Interpretariat: Transmission au Lt. du Quesnel de Compte-­­rendus en langue anglaise sur la situation des dépôts d’objets d’art et d’Archives, 22 mai 1946, AMAE 209SUP/335 D22 – 8. 102 Vgl. auch Rosebrock 2016, S. 301 – 304. 103 Für die Hochrechnung des Gesamtbestands wurden im Rahmen der vorliegenden Studie nicht die einzelnen Karteikarten, sondern die beiden Inventarbücher zum CCP systematisch ausgewertet. Wenngleich die Karteikarten aufgrund der beiliegenden Fotografien für die Recherche zu einzelnen Werken besser geeignet sind, haben die Inventarbücher für eine Untersuchung der Gesamtheit des CCP-Bestands den Vorteil, dass sie nach Inventarnummern in aufsteigender Reihenfolge (d. h. beginnend mit der Inv.-Nr. 101) einen tabellarischen Überblick über alle Objekte geben und neben einer Kurzbeschreibung sowohl Herkunfts- als auch Zielort sowie Eingangs- und Ausgangsdatum beinhalten. Die Tabellenform des Inventarbuchs hat dabei gegenüber den Inventarkarteien den Vorteil, dass die Zusammengehörigkeit bestimmter Objektgruppen aufgrund gemeinsamer Eingangsdaten oder Herkunftsorte leichter erkennbar ist. Die Inventarbücher erlauben es somit eher als die Karteikarten, allgemeine Aussagen zum Gesamtbestand des CCP zu treffen. Dabei wurde das Inventarbuch des CCP nach dem Umzug aus dem Neuen Schloss in die Villa Krupp im August 1950 nicht fortgeführt, sondern endete mit der Inv.-Nr. 888. Für Objekte, die erst nach dem Umzug im CCP eingingen, wurde ein zweites Inventarbuch angelegt, das mit der Inv.-Nr. 1001 neu begann. Der Altbestand aus dem Neuen Schloss wurde unter Beibehaltung der alten Inventarnummern in den neuen Standort – und ins neue Inventarbuch – übernommen. Vgl. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1946 – 1950 (Neues Schloss Baden-­­Baden) , AMAE 209SUP/513 P207, und Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1950 – 1952 (Villa Krupp), AMAE 209SUP/346 D40.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  207

darin, die zentralisierten Objekte zu identifizieren und an ihre Herkunftsorte weiterzuleiten. Dies schloss auch die Verzeichnung und Weiterleitung von rund 200 Inventar­ nummern ein, die ursprünglich aus dem CCP Wiesbaden stammten und für die Baden-­ Baden wohl nur als Transitstation auf dem Weg nach Paris vorgesehen worden war. Die praktischen Schwierigkeiten bei der Einrichtung des CCP führten jedoch dazu, dass der Versand der Wiesbadener Bestände sich verzögerte. Erst im Mai 1947 legten die Sous-­­Direction und die Réparations-­­Restitutions ihre jeweiligen Zuständigkeiten bei der praktischen Planung und Durchführung von Restitutionskonvois fest: Recherchen zu einzelnen Objekten, die Erstellung von Inventaren und die Verpackung der Konvois oblagen der Beaux-­­Arts-­­Abteilung, während die Réparations-­­Restitutions für die Logistik und den Zoll zuständig war. Belege und Quittungen mussten von beiden Abteilungen gleichermaßen unterzeichnet werden.104 Die Objektkonvois aus dem CCP Baden-­­Baden gingen hauptsächlich, aber nicht ausschließlich an die Commission de Récupération Artistique in Paris.105 Weitere Zielorte für Konvois waren Belgien und die Niederlande sowie die Sowjetunion. Tatsächlich zeigen auch die Korrespondenzen des Baden-­­Badener CCP, dass ähnlich wie in München mehrere alliierte Restitutionsmissionen aus den Niederlanden, Belgien, Jugoslawien und der Sowjetunion in der französischen Zone nach Kulturgütern suchten und dabei sowohl mit dem CCP als auch, sofern es die jeweiligen Ermittlungen erforderten, mit den regionalen Services des Beaux-­­Arts oder der Sûreté zusammenarbeiteten.106 Neben diesen äußeren Restitutionen bearbeitete der CCP vereinzelt auch Restitutionen an deutsche Privateigentümer innerhalb der französischen Besatzungszone. Eine handschriftliche Übersicht aus dem Jahre 1952 über alle Konvois, die Baden-­­Baden ­zwischen 1946 und 1951 verließen, kommt auf insgesamt 60, die sich wie folgt auf einzelne Länder verteilen:107

104 François, Michel, Compte-­­rendu de la réunion tenue le 17 mai 1947 à la Sous-­­Direction des Beaux-­ Arts de Baden-­­Baden relative à la récupération artistique, 17 mai 1947, AMAE 209SUP/335 D22A-9. 105 Innerhalb Frankreichs wurden Baden-­­Badener Konvois nicht nur nach an die CRA , das OBIP oder die Commission de Choix in Paris geschickt, sondern – in geringerem Umfang – auch an die OBIP-Außenstelle in Straßburg. 106 Vgl. z. B. Pène, Pierre, Note pour le Délégué du Cercle de Donaueschingen sur un tableau de Mignon réclamé par la Mission Néerlandaise de Baden-­­Baden, 9 octobre 1946, AMAE Bade 4.229/1, und Pène, Pierre, Note pour le Délégué du District de Constance sur la récupération d’œuvres d’art, 4 novembre 1947, AMAE Bade 4.229/1. 107 [Azambre, Marguerite], Liste des convois d’œuvres d’art depuis Baden-­­Baden, 1951, AMAE 209SUP /513 P207. Im Abgleich mit den Inventarbüchern des CCP zeigt sich, dass einige k­ leinere Konvois, die jeweils nur 1 – 2 Objekte umfassten, in dieser Übersicht nicht mitgerechnet wurden. Bis Ende 1953 lassen sich anhand der beiden Inventarbücher insgesamt rund 80 Konvois identifizieren.

208 I Von der récupération zur réconciliation?

Zielort

Anzahl Konvois

Anzahl Objekte

Frankreich (Paris/Straßburg)

25

1.444 Einzelobjekte + 77 Kisten

Holland

4

91 + unbekannte Zahl Porzellane

Belgien

6

11

UdSSR

3

27

Deutschland (innere Restitution)

20

188

US-Zone

1

2

Schweiz

1

3

Übersicht über die Restitutionskonvois des CCP Baden-­­Baden nach Zielorten

Somit gingen vom CCP Baden-­­Baden deutlich mehr Restitutionskonvois aus, als bisher angenommen wurde.108 Gleichwohl war die Zahl der bearbeiteten und in Restitutionskonvois versandten Objekte in der französischen erheblich niedriger als in der amerikanischen Besatzungszone.109

Provenienzen des CCP Unter den Herkunftsorten des innerhalb der französischen Besatzungszone identifizierten Raubguts stechen mehrere Provenienzen besonders hervor: eine Gruppe von Objekten, die in linksrheinisch gelegenen Depots in Marienstatt, Langenau und Neustadt identifiziert wurden, die Privatsammlung des deutschen Industriellen Günther Quandt sowie schließlich mehrere Konvolute, die im Zusammenhang mit dem Kunsthändler Gustav Rochlitz standen. Wegen seiner Tauschgeschäfte mit dem ERR in Paris in den Jahren 1941 – 1943 war der Kunsthändler Gustav Rochlitz war im Sommer 1945 sowohl von der amerikanischen ALIU als auch von Rose Valland und Jean Rigaud verhört worden.110 Gegenüber den Amerikanern gab Rochlitz an, dass seine Sammlungen vom Baden-­­Badener Wohnsitz in

108 Claude Lorentz etwa ging für den Zeitraum 1945 bis April 1949 von fünf Objektkonvois aus der ZFO aus, die er 29 Konvois gegenüberstellte, die im gleichen Zeitraum aus der US-Zone geschickt wurden. Lorentz 1998, S. 233. 109 Isabelle Le Masne de Chermont gibt an, dass ­zwischen 1945 und 1951 allein aus München rund 40 Objektkonvois nach Paris gekommen ­seien, und geht davon aus, dass insgesamt 58.477 Objekte aus ganz Deutschland nach Frankreich zurückgeführt worden s­ eien. Le Masne de Chermont 2008, S. 29 – 30. Mit schätzungsweise 1.500 – 1.600 Objekten machte das Raubgut aus der ZFO darunter einen sehr geringen Anteil aus. 110 Rigaud, Lt Jean; Valland, Rose, Rapport sur l’interrogatoire de Gustav Rochlitz, 30 mai 1945, AMAE 209SUP/714 d4. Vgl. auch Plaut, James S., Rapport d’interrogatoire détaillé N° 4 – Gustav Rochlitz, 15 août 1945, AMAE 209SUP/714 d4.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  209

Mühlhofen, Unteruhldingen 111 am Bodensee und in Freiburg verwahrt ­seien, behauptete jedoch, es handele sich ausschließlich um Erwerbungen, die er vor 1939 getätigt hätte.112 Die von Rochlitz benannten Depots, die sich allesamt auf dem Gebiet der französischen Zone befanden, wurden im Herbst 1945 nach und nach entdeckt. So meldete im Oktober 1945 die Kreisdelegation Konstanz die Auffindung mehrerer Depots mit französischem NS-Raubgut in Waldshut, Meersburg und Ravensburg.113 Im Dezember 1945 unterrichtete Michel François die CRA darüber, dass bei einer Privatperson in Mülhofen bei Meersburg insgesamt 31 Gemälde entdeckt worden ­seien, darunter das Gemälde „Falaises de Dieppe“ von Claude Monet (Abb. 8), ein Vlaminck 114 und ein Renoir. François vermutete, dass die Bilder aus der Sammlung Bernheim-­­Jeune stammten; spätere Recherchen konnten diese These jedoch offenbar nicht bestätigen.115 Im Februar 1946 brachte Rose Valland die Bilder

111 In den Quellen ist wahlweise von Ober- oder Unteruhldingen die Rede, mehrheitlich wird allerdings Ersteres genannt. 112 Als die französische Militärregierung im Herbst 1945 die Bestände aus dem Mühlhofener Depot beschlagnahmte, wandte sich Rochlitz an die US-Militärregierung mit der Bitte, zu seinen Gunsten zu intervenieren, da die Objekte ihm bereits vor 1939 gehört hätten. Eine französische Übersetzung des Telegramms wurde an den französischen Repräsentanten des CCP München, Pierre-­­Louis Duchartre weitergeleitet, der es seinerseits an Albert Henraux kommunizierte. Duchartre, Commandant Pierre Louis, Rapport pour Albert Henraux avec retransmission d’un télégramme de USFET au sujet de Gustav Rochlitz, 23 octobre 1945, AMAE 209SUP/467 P145. 113 D’Alauzier, Transmission à Maurice Jardot de deux rapports sur la découverte d’œuvres d’art volées en France, 29 octobre 1945, AMAE Bade 4.228/1. 114 Das fragliche Vlaminck-­­Gemälde, „La cuisine (intérieur)“ gehört heute zum Bestand der sogenannten „Musées Nationaux Récupération“ (MNR) und ist dort unter R 15 P verzeichnet. Rochlitz behauptete gegenüber den amerikanischen und französischen Behörden wiederholt, es habe ihm bereits vor 1939 gehört, und versuchte u. a. 1953, eine Rückgabe des Bildes zu erwirken. Vgl. Le Masne de Chermont 2008, S.168 – 169. 115 François, Michel, Lettre à Albert Henraux au sujet d’un dépôt d’œuvres d’art découvert à Constance, 4 décembre 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier I-2, SD2. Das als „Falaise de Dieppe“ bezeichnete Gemälde von Monet befindet sich heute unter dem Titel „Falaise de Fécamp“ als MNR 223 im Musée d’Orsay. Die Datenbank der MNR umfasst Angaben zur Auffindung des Bildes in Meersburg und seinen Transfer nach Baden-­­Baden sowie nach Paris, wo die Commission de Choix es 1950 dem Musée du Louvre zuschrieb. Dass das Gemälde – wie bereits 1945 vermutet – dem Sammler Bernheim-­­Jeune gehört hatte, konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Vgl. Eintrag „Claude Monet, Falaise de Fécamp, MNR 221“ in: Ministère de la Culture et de la Communication (Hrsg), Site Rose Valland – Musées Nationaux Récupération [Online-­­Datenbank], URL: http://www.culture.gouv.fr/public/mistral/mnrbis_​ fr?ACTION=RETROUVER&FIELD_1=TOUT&VALUE_1=&FIELD_2=Caut&​VALUE_2=​ monet&FIELD_3=Cdate&VALUE_3=&FIELD_4=Ctitre&VALUE_4=&FIELD_5=LOCA&​ VALUE_5=&FIELD_6=Ctexte&VALUE_6=&FIELD_7=Domaine&VALUE_7=&NUM​ BER=8&GRP=0&REQ=%28 %28monet%29 %20 %3aAUTR%2cAATT%2cATTR%2c​

210 I Von der récupération zur réconciliation?

von Meersburg nach Konstanz und veranlasste ihren Transport in den neu gegründeten Collecting Point in Baden-­­Baden.116 Michel François’ Kontakt mit der CRA im Dezember 1945 enthält einen von sehr wenigen direkten Verweisen auf Querverbindungen ­zwischen der récupération artistique und kulturpolitischen Projekten in der Besatzungszone, da noch während Rose Vallands erster Begutachtung der Gemälde in Meersburg die Idee aufkam, diese für eine Ausstellung zu ­nutzen.117 Wenngleich François das Projekt befürwortete, scheint es nicht umgesetzt worden zu sein. Nach dem Transfer der Bilder nach Baden-­­Baden im Februar 1946 drängte Henraux in den Korrespondenzen mit François und der Direction Réparations-­­Restitutions darauf, dass die Meersburger Gemälde so schnell wie möglich nach Paris kommen sollten, damit eine rasche Restitution an die legitimen Eigentümer erfolgen könne.118 Dass die Restitutionsinteressen der CRA höhere Priorität hatten als die kulturpolitisch intendierten Ausstellungen in der ZFO , bedeutete allerdings nicht, dass eine Ausstellung von als NS -Raubgut identifizierten Werken prinzipiell ausgeschlossen war. Knapp ein Jahr später einigten Henraux und François sich mündlich darauf, dass vier Bronzestatuen, die in Deutschland aufgefunden worden waren, vor ihrer Rückführung nach Paris zunächst in Berlin sowie anschließend sogar in Prag ausgestellt werden konnten.119 Über diesen Fall hinaus kam es allerdings in Deutschland nur sehr selten zur Ausstellungen von Objekten, die als „récupérées“ galten. Die Meersburger Gemälde waren nicht die einzigen Rochlitz-­­Provenienzen, die in der französischen Besatzungszone ausfindig gemacht werden konnten. Ein zweites Konvolut mit von ihm erworbenen Werken wurde 1946 in Ravensburg entdeckt, darunter „Femme dans un jardin“ von Othon Friesz.120 Die Beschlagnahme der Ravensburger Bilder durch die französische Militärregierung erfolgte im Kontext der Verhaftung eines Herrn Zimmer, eines ehemaligen Mitglieds der Ravensburger Militärregierung, der die Bilder aus dem

116

117 118 119

120

ECOL%20 %29&USRNAME=nobody&USRPWD=4 %24 %2534P&SPEC=9&SYN=1&​IMLY=& MAX1=1&MAX2=1&MAX3=50&DOM=All (abgerufen am 16. 03. 2015). Ayzac, Transmission d’un inventaire des œuvres d’art spoliées retrouvées dans le District de Constance et enlevées le 9 février 1946 par Capitaine Valland, secrétaire de la CRA, 13 février 1946, AMAE Bade 4.228/1. Das Inventarbuch des CCP Baden-­­Baden gibt als Ankunftsdatum für die Bestände den 27. Februar 1946 an. François, Michel, Lettre à Albert Henraux au sujet d’un dépôt d’œuvres d’art découvert à Constance, 4 décembre 1945, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier I-2, SD2. Henraux, Albert, Réponse au bordereau d’envoi du 25 juillet 1946, 5 août 1946, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier I-2, SD2. François, Michel, Note à Albert Henraux au sujet de l’envoi d’objets d’art spoliés, 29 mai 1947, AMAE 209SUP/370 P1 dossier I-1, SD2d, und François, Michel, Lettre à Henraux au sujet du retour à Paris de 4 statues de bronze récupérées en Allemagne, 27 novembre 1947, AMAE 209SUP/337 D26 CRA 15. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1946 – 1950, Inv.-Nr. 118.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  211

Versteck in Unteruhldingen entnommen hatte.121 Im November 1946 wurden insgesamt 52 Bilder mit der Provenienz „Ravensburg“ im CCP Baden-­­Baden verzeichnet.122 Schließlich wurde im April 1949 bekannt, dass im Keller des Sûreté-­­Gebäudes in Lörrach insgesamt sechs Kisten eingelagert waren, die – wie die Ermittlung ergab – von einem Agenten von Gustav Rochlitz bei einer Privatperson in der Ortschaft Todtmoos in Verwahrung gegeben worden waren. Ursprünglich hatte es sich um zehn Kisten gehandelt; als die Gendarmerie im Sommer 1945 die Kisten in Todtmoos beschlagnahmte, waren jedoch bereits zwei abhandengekommen. Die Gendarmerie deponierte sie in Lörrach, wo sie über mehrere Jahre in Vergessenheit gerieten, sodass die Ermittlung erst 1949 wieder aufgenommen wurde. Der Ermittler M. Lévy vom Bureau des Investigations Artistiques stellte bei seiner Untersuchung in Lörrach fest, dass z­ wischen 1946 und 1949 zwei weitere der acht eingelagerten Kisten verschwunden und zwei der noch vorhandenen aufgebrochen worden s­ eien.123 Insgesamt wurden in Lörrach 30 Kunstwerke gefunden, darunter Picassos Aquarell „Le Centaure“ aus der Sammlung Paul Rosenberg, das die Deutsche Botschaft in Paris 1940 in Bordeaux hatte beschlagnahmen lassen 124 und das am 20. Januar 1950 an Rosenberg restituiert wurde.125 Nicht alle Eigentümer

121 Vgl. dazu Vanuxem, Jacques, Rapport sur le voyage en Oberschwaben du 28 – 1 – 46 au 2 – 2 – 46 à Friedrichshafen et Ravensburg, 21 février 1946, AMAE 209SUP/404 P 46, und die Provenienzangaben in der MNR-Datenbank: Eintrag „Othon Friesz, Femme dans un Jardin, R 9 P“, in: Ministère de la Culture et de la Communication (Hrsg.), Site Rose Valland – Musées Nationaux Récupération [Online-­­Datenbank], URL: http://www2.culture.gouv.fr/public/mistral/mnrbis_fr?ACTION=RET ROUVER&FIELD_98=TOUT&VALUE_98=Othon%20Friesz&NUMBER=2&GRP=0&REQ= %28%28Othon%20Friesz%29%20%3aTOUT%20%29&USRNAME=nobody&USRPWD=4%24%​ 2534P&SPEC=9&SYN=1&IMLY=&MAX1=1&MAX2=1&MAX3=50&DOM=All (abgerufen am 29. 08. 2018). 122 Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1946 – 1950, Inv.-Nr. 375 – 425. 123 Levy, Rapport Lévy N° 535: Caisses d’œuvres d’art spoliées se trouvant dans les caves de la sûreté de Lörrach, 25 avril 1949, AMAE 209SUP/355 D55.26. 124 Die Beschlagnahme durch die Deutsche Botschaft ist durch eine Korrespondenz belegt, die in einer Quellensammlung zum Kulturgutraub von 1947 abgedruckt ist: Cassou 1947, S. 134 – 136. Das Aquarell wurde nach der Beschlagnahme an den ERR übergeben, der das Aquarell als „Frauenraub. Struppiger Kentaur raubt eine nackte Frau, während ein bocksbeiniger Faun ihn an seinem Pferde­ schwanz zurückzureissen [sic] versucht“ unter der Inventarnummer Unb. 345 verzeichnete. Die Datenbank „ERR-Project“ gibt für den Verbleib des Aquarells das Kürzel „H. G.“ an; demzufolge ist es wahrscheinlich zunächst an Hermann Göring gegangen, der es in einer Tauschaktion an Gustav Rochlitz weitergab. Vgl. Eintrag „Unb. 345/Paul Rosenberg, ‚Frauenraub“, in: US Holocaust Memorial Museum (Hrsg.), Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art objects at the Jeu de Paume [Online-­­Datenbank], URL: http://www.errproject. org/jeudepaume/card_view.php?CardId=14986 (abgerufen am 16. 03. 2015). 125 Rosenberg wurde bereits während der Ermittlung in Lörrach als Eigentümer des Aquarells identifiziert. Vgl. Coquebert de Neuville, Jacques; Schmittlein, Raymond, Lettre à la Sûreté de Baden-­­Baden au sujet de la restitution de biens culturels saisis depuis 1945 et entreposés dans les caves de la Sûreté de

212 I Von der récupération zur réconciliation?

der dort entdeckten Objekte konnten jedoch identifiziert werden. Die MNR-Datenbank führt unter der Inventarnummer R 76 eine der Werkstatt Rembrandts zugeschriebene Zeichnung mit dem Titel „L’ange apparaissant à Manoah et sa femme“ 126 (Abb. 9), die mit großer Wahrscheinlichkeit mit der in Lörrach aufgefundenen-­­Zeichnung identisch ist, die Lévy in seinem Inventar vom 22. April 1949 als „A la plume scène représentant un ange, à gauche un vieillard et une femme agenouillée lui lavant les pieds. Cartouche ‚Rembrandt 160 6. 1669 au dos étiquette 212‘ beschrieb 127 und die im CCP Baden-­­Baden als „Rembrandt, Ange, vieillard et femme“ (Inv.-Nr. 808) gelistet ist.128 Eine vollständige Überprüfung sämtlicher Bilder, die in der französischen Zone im Zusammenhang mit Gustav Rochlitz gefunden wurden, kann im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden. Die vorgelegten Stichproben – die in Einzel­ fällen auf bereits Ende der 1940er erfolgte Restitutionen, häufiger aber auf einen Verbleib der Werke als MNR in der Treuhänderschaft der französischen Nationalmuseen hinweisen – zeigen jedoch, dass weitere Forschungen zu den Rochlitz-­­Provenienzen aus der französischen Besatzungszone dringend erforderlich wären. Neben den drei Depots, die die insgesamt 128 Gemälde mit Rochlitz-­­Provenienz enthielten, bildeten die linksrheinisch gelegenen Auslagerungsdepots deutscher Museen in Marienstatt, Langenau und Neustadt mit insgesamt 133 Objekten die zweite Hauptgruppe von Depots, in denen innerhalb der französischen Zone NS -Raubgut aufgefunden wurde. Bereits im September 1945 hatte der in der Pfalz stationierte Beaux-­­Arts-­­Offizier André Dussarthou einen ersten Inspektionsbericht vorgelegt, in dem er die Zusammensetzung des Depots in der Abtei Marienstatt näher beschrieb. Das Depot versammelte vor allem Museumsund Bibliotheksbestände aus dem Rheinland, etwa Gegenstände aus dem Museum und der Landesbibliothek Trier, Teile der Düsseldorfer Landesbibliothek, rund 100 große Gemälde aus dem Museum Folkwang Essen und ca. 60 Gemälde aus dem Bonner Landesmuseum.129

126

127 128 129

Lörrach, 28 avril 1949, AMAE 209SUP/355 D55.26. Laut Inventarbuch des CCP ging das Aquarell am 1. Juni 1949 unter der Inv.-Nr. 815 in den CCP ein und wurde im Konvoi vom 24. Juli 1949 nach Paris geschickt. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1946 – 1950, Inv.-Nr. 815. Zum Rückführungs- und Restitutionsvorgang vgl. auch die Datenbank des ERR-Project. Eintrag „Rembrandt, L’ange apparaissant à Manoah et sa femme“, in: Ministère de la Culture et de la Communication (Hrsg), Site Rose Valland – Musées Nationaux Récupération [Online-­­Datenbank], URL: http://www.culture.gouv.fr/public/mistral/mnrbis_fr?ACTION=RETROUVER&FIELD_1= TOUT&VALUE_1=&FIELD_2=Caut&VALUE_2=Rembrandt&FIELD_3=Cdate&VALUE_3=& FIELD_4=Ctitre&VALUE_4=&FIELD_5=LOCA&VALUE_5=&FIELD_6=Ctexte​&VALUE_6= &FIELD_7=Domaine&VALUE_7=&NUMBER=3&GRP=0&REQ=%28%28Rembrandt%29%20 %3aAUTR%2cAATT%2cATTR%2cECOL%20%29&USRNAME=nobody&USRPWD=4%24%2534P &SPEC=9&SYN=1&IMLY=&MAX1=1&MAX2=1&MAX3=50&DOM=All (abgerufen am 09. 10. 2016). Levy, Inventaire des caisses d’œuvres d’art spoliées se trouvant dans les caves de la sûreté de Lörrach, 22 avril 1949, AMAE 209SUP/355 D55.26. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire, 1946 – 1950, Inv.-Nr. 808. Dussarthou, André, Rapport au sujet de dépôts artistiques, 14 septembre 1945, AMAE 209 SUP/357 D58.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  213

Im Mai 1947 wurde Marienstatt von den Mitgliedern der Mission Alexandry erneut inspiziert; bei dieser Gelegenheit wurde ein detailliertes Inventar erstellt, das insbesondere die Provenienzen der einzelnen Objekte berücksichtigte.130 Im Anschluss an diese Erfassung wurden insgesamt 57 Gemälde und Zeichnungen sowie eine mittelalterliche Handschrift und fünf Bronzen aus dem Bestand ausgesondert und in den CCP Baden-­­Baden überführt, weil es sich um Erwerbungen handelte, die während des Kriegs in den besetzten Gebieten getätigt worden waren.131 Herkunftsort

Eingang CCP

Ausgang CCP

Zielort

Zahl Objekte

Essen

17. 06. 1947

16. 07. 1947

Paris CRA

16

Bonn

17. 06. 1947

16. 07. 1947

Paris CRA

37

17. 06. 1947

20. 12. 1947

Sonstige

2

17. 06. 1947

11. 05. 1948

Belgien

7

17. 06. 1947

29. 07. 1947

Bonn

10

132

NS-Raubgut aus dem Depot Marienstatt 

Auch das Depot in Langenau, das Bestände des Wallraf-­­Richartz-­­Museums in Köln enthielt, wurde im Frühjahr 1947 von der Mission Alexandry inspiziert und durch ein Inventar erfasst. Hier wurden insgesamt 8 Kisten mit Kulturgütern als Erwerbungen aus den besetzten Gebieten identifiziert und nach Baden-­­Baden verschickt.133

130 Delpech-­­Laborie, Rapport au sujet de la récupération artistique dans les Provinces de Rhénanie-­ Hesse-­­Nassau, 6 août 1947, AMAE 209SUP /370 P1, Dossier I-1 SD 2i, für einen ausführlichen Bericht des Beaux-­­Arts-­­Offiziers M. Delpech-­­Laborie über die Arbeiten der Mission Alexandry in Rheinland-­­Pfalz. Jacques Herzog von der Mission Alexandry erstellte mehrere Einzelinventare je nach Provenienzen, z. B. „appartenance allemande“, „appartenance française“, „appartenance hollandaise“ oder „appartenance belge“. [Herzog, Jacques], Inventaire des objets entreposés à l’Abbaye de Marienstatt. A – objets d’appartenance française, Mai 1947, AMAE 209SUP /370 P1 Dossier V. 131 Herzog, Jacques; Marchal, Claude, Inventaire de l’enlèvement des œuvres d’art, dépôt de Marienstatt, effectué par M. Herzog (Mission Alexandry) le 16 mai 1947, AMAE 209SUP/357 D58. 132 Dass in der Tabelle – im Gegensatz zu Herzogs Inventar – nicht 63, sondern 72 Objekte verzeichnet sind, liegt daran, dass 11 der 16 Zeichnungen mit Provenienz „Essen“ sich in einer Kiste befanden und daher sowohl in Herzogs Inventar als auch bei der Verzeichnung im CCP Baden-­­Baden pauschal als ein Objekt subsumiert wurden. Vgl. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1946 – 1950, Inv.-Nr. 508 – 513. 133 Vgl. Delpech-­­Laborie, Rapport au sujet de la récupération artistique dans les Provinces de Rhénanie-­ Hesse-­­Nassau, 6 août 1947, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier I-1 SD2i).

214 I Von der récupération zur réconciliation?

Herkunftsort

Eingang CCP

Ausgang CCP

Zielort

Zahl Objekte

Wallraf-­­Richartz-­­Museum, Köln

17. 06. 1947

16. 07. 1947

Paris CRA

15

17. 06. 1947

23. 07. 1947

Niederlande

4

17. 06. 1947

20. 12. 1947

Depot Langenau

4

21. 12. 1947

07. 01. 1948

Paris CRA

1

NS-Raubgut aus dem Depot Langenau

Für die Identifizierung der Erwerbungen, die vornehmlich auf dem Pariser Kunstmarkt getätigt worden waren, berief sich die Mission Alexandry unter anderem auf Ausfuhr- und Zollbelege, die die Commission de Récupération Artistique in Abschrift vom französischen Finanzministerium erhalten hatte.134 Die in Marienstatt erfolgten Identifizierungen erwiesen sich jedoch später als fehlerhaft, weshalb der CCP Baden-­­Baden im Juni 1947 zehn Objekte aus dem Besitz des Landesmuseums Bonn an das Museum zurückschickte.135 Die Rückführung der Museumserwerbungen auf dem Pariser Kunstmarkt erfolgte auf der Basis der Londoner Erklärung von 1943, die die im Besatzungskontext zustande gekommenen Transaktionen von Kulturgütern für nichtig erklärt hatte. Anders als für die aus Privatbesitz beschlagnahmten Kunstsammlungen wurden für die Museumserwerbungen aus dem Kunsthandel bei der CRA jedoch deutlich seltener Rückerstattungsanträge eingereicht, oder es gelang der CRA nicht, die Provenienz der Gemälde vor ihrem Verkauf auf dem Pariser Kunstmarkt zu ermitteln. Verhältnismäßig viele dieser Museumserwerbungen gehörten daher nach der Auflösung der CRA zu dem Restbestand an zurückgeführten Objekten, die ab 1950 der Commission de Choix vorgelegt wurden, die die Objekte entweder als MNR in die Treuhänderschaft der französischen Museen übernahm oder zum Verkauf durch die Administration des Domaines freigab.136 Während die Provenienz der in Marienstatt und Langenau ausgelagerten Museumsbestände des Bonner Landesmuseums, des Folkwang-­­Museums sowie des Wallraf-­­Richartz-­ Museums recht klar zu ermitteln war, stellte sich die Zuordnung von Provenienzen aus dem Depot Neustadt komplexer dar. Das Inventarbuch des CCP verzeichnet dazu mehrere Zugänge kleiner Objektgruppen, die den CCP zu verschiedenen Zeitpunkten in relativ kleinen Konvoluten wieder verließen.

134 Vgl. Hefter „Exportations-­­Douanes“, AMAE 209SUP/389 P24. Unter den Käufern, die die Kunstwerke exportierten, finden sich fast ausschließlich deutsche Museen. 135 Noch im Frühjahr 1948 wurden weitere Fehler bei der Erstellung des Inventars festgestellt. 136 Von den 16 Erwerbungen des Folkwang-­­Museums in Essen, die im Juli 1947 nach Paris zurückgeführt wurden, gelangten später mindestens 5 Werke in den Bestand der MNR; unter den 37 Bonner Provenienzen sind rund 10 spätere MNR nachweisbar.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  215

Herkunftsort

Eingang CCP

Ausgang CCP

Zielort

Zahl Objekte

Unbekannt

Juni 1947

16. 07. 1947

Paris CRA

4 Lots (19 Teppiche, 6 Kisten)

Juni 1947

18. 02. 1948

sowjet. Mission

6 Lots (10 Kisten)

05. 09. 1947

07. 01. 1948

Paris CRA

1

05. 09. 1947

03. 06. 1948

Speyer

1

21. 12. 1947

07. 01. 1948

Paris CRA

1

13. 05. 1948

10. 12. 1948

Paris CRA

3

13. 05. 1948

24. 07. 1949

Paris CRA

7

06. 07. 1948

24. 07. 1949

Paris CRA

18 Lots

06. 07. 1948

10. 12. 1948

Paris CRA

1 Lot

06. 07. 1948

20. 11. 1948

Privatleute ZFO

2

06. 07. 1948

26. 01. 1949

Musée de l’Armée Paris

1

NS-Raubgut aus dem Depot Neustadt

Ein Bericht über das Depot Neustadt, der 1951 vom Bureau Central des Restitutions erstellt wurde, beleuchtet den Hintergrund dieser Sachlage. Das Depot war nach Kriegsende von den Franzosen in der Froebel-­­Schule Neustadt eingerichtet worden, um zahlreiche von Diebstählen gefährdete kleinere Depots aus der Region zu zentralisieren, die Museumssammlungen aus Saarbrücken, Kaiserslautern, Speyer und Duisburg, Raubgut aus Frankreich und Russland sowie mehrere Privatsammlungen enthielten. Die Bestände wurden bei der Zentralisierung in Neustadt nur mangelhaft dokumentiert und überdies anschließend mehrfach Gegenstand von Requisitionen durch französische Behörden. Auch kam es immer wieder zur Rückgabe einzelner Gegenstände an individuelle Eigentümer, ohne dass diese Transaktionen durch Belege quittiert wurden. Die Inventarisierung des Depots gestaltete sich daher schwierig.137 Objekttransfers zum CCP Baden-­­Baden erfolgten laut Georges Kolle vom BCR zu zwei Zeitpunkten. Im Frühjahr 1947 inspizierte Jacques Herzog von der Mission Alexandry das Depot und veranlasste, dass 19 Teppiche und Tapisserien (CCP Baden-­­Baden Inv.-Nr. 607) sowie 16 Kisten mit Gemälden und Stichen, Porzellan und Lithografien (CCP Baden-­­Baden Inv.-Nr. 608 – 615) nach Baden-­­Baden transferiert wurden; 10 dieser Kisten waren zur Rückgabe an die Sowjetunion bestimmt.138 Kolles Bericht zufolge verblieben nach dieser Entnahme noch rund 400 Objekte in Neustadt, die – von einem Neustädter Restaurator namens Wiedmann inventarisiert – am 6. Juli 1948 in insgesamt 38 Kisten in den CCP Baden-­­Baden überführt wurden. Im CCP wurden die Objekte allerdings nur ausgesprochen summarisch – ein Inventarbuch-­­Eintrag pro Kisten-­­Nummer unter Angabe der 137 [Kolle, Georges], Rapport concernant l’affaire du dépôt de Neustadt, 28 juillet 1951, AMAE 209SUP/346 D40. 138 Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire, 1946 – 1950, Inv.-Nr. 607 – 615.

216 I Von der récupération zur réconciliation?

jeweils enthaltenen Objektanzahl, aber ohne nähere Beschreibung der Objekte – erfasst.139 Im Juni 1949 wurde das Konvolut pauschal an die CRA nach Paris versandt, wo es nach deren Auflösung wahrscheinlich zu den Restbeständen gehörte, die an die Administration des Domaines überwiesen und versteigert wurden.140 Die Transfers der Objekte aus den linkshreinischen Depots nach Baden-­­Baden, die Erfassung der Gemälde mit Rochlitz-­­Provenienz und die Organisation von Restitutionskonvois dominierten 1947 auch die Korrespondenz ­zwischen Michel François und der CRA, da Albert Henraux darauf drängte, dass die Erwerbungen aus den Depots Marienstadt, Langenau und Neustadt sowie die in Meersburg aufgefundenen Gemälde aus dem Rochlitz-­­Bestand so schnell wie möglich nach Paris überführt werden sollten.141 Dass gerade diese Bestände hohe Priorität hatten, lag daran, dass man in den beiden Fällen recht zweifelsfrei über die französische Herkunft der Objekte Bescheid wusste und es sich auch zahlenmäßig um die wichtigsten Objektgruppen handelte, die bisher in der französischen Zone gefunden worden waren. Gleichzeitig spielte politischer Druck eine Rolle für Henraux’ Insistieren: Nachdem er im Mai 1947 bei einem Treffen mit den Baden-­­Badener Verantwortlichen für die récupération artistique versprochen hatte, sich in Paris für eine bessere materielle und finanzielle Ausstattung des CCP einzusetzen, stand er nun unter Zugzwang und musste gegenüber dem Erziehungsministerium nachweisen, dass die Arbeit in Baden-­­Baden tatsächlich voranging und in absehbarer Zeit Objekte aus der franzöischen Zone in Paris eintrafen.142 War die Anfangsphase des CCP Baden-­­Baden bis in die zweite Hälfte des Jahrs 1947 noch von den Transfers von identifiziertem Raubgut aus einzelnen Depots geprägt, so verlagerte sich nach dieser Zeit der Schwerpunkt der Tätigkeit von Marguerite Azambre und Gérard ­d’Amarzit zunehmend auf Nachforschungen und Ermittlungen zu den ­eingegangenen ­Objekten. Im Oktober 1947 beispielweise betrafen die laufenden Tagesgeschäfte unter anderem die Resti­ tution von Kunstwerken aus dem Bestand des Badischen Landesmuseums Karlsruhe an Edwin und Siegfried Reiss 143, Kontaktaufnahmen mit den Mitgliedern der sowjetischen und 139 Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1950 – 1952, Inv.-Nr. 700 – 726. Neben dem 6. Juli 1948 findet sich für einen Teil der Objekte bereits der 13. Mai 1948 als Eingangsdatum. 140 [Kolle, Georges], Rapport concernant l’affaire du dépôt de Neustadt, 28 juillet 1951, AMAE 209SUP/346 D40. 141 Henraux, Albert S., Note pour Michel François au sujet de l’expédition des objets provenant des dépôts de Marienstatt et Neustadt, 24 juin 1947, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier I-1, SD2d, und François, Michel, Lettre à Albert Henraux, 10 juillet 1947, AMAE 209SUP/370 P1 DossierI-1, SD2g. 142 Henraux, Albert, Lettre à Michel François au sujet de convois d’objets d’art depuis la ZFO, 19 novembre 1947, AMAE 209SUP/335 D26 CRA 14. 143 Bei den Sammlungen Reiss handelt es sich um zwei Privatsammlungen aus Heidelberg und Mannheim, die das Badische Landesmuseum erworben hatte und die nach dem Zweiten Weltkrieg an ihre zwischenzeitlich in die USA emigrierten Eigentümer restituiert wurden. Vgl. dazu Dresch 2011, hier S. 186.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  217

der belgischen Restitutionsmission in der ZFO, die Überprüfung der Rochlitz-­­Gemälde aus Meersburg und Nachforschungen in den Depots Neustadt und Tübingen.144 Immer wieder ergaben sich außerdem aus Beschlagnahmen durch Offiziere der Sûreté Ermittlungen zu Objekten, so etwa im Fall eines Ölgemäldes und einer Skulptur, die bei einer Privatperson in Wangen (Kreis Singen) entdeckt worden waren. Sie belegten, dass die Objekte 1939 in Hamburg versteigert worden waren und aus jüdischem Besitz stammten. Ihr ursprünglicher Eigentümer, Herr Loewengart, war in die USA ausgewandert und hatte, wie sich zeigte, nach Kriegsende bei der britischen MFA&A einen Rückerstattungsantrag eingereicht.145 Laut Inventarbuch des CCP erfolgte die Restitution an Loewengart im Mai 1950.146 Tatsächlich nahm die Zusammenarbeit des CCP-Personals mit der Sûreté, aber auch mit den Beaux-­­Arts-­­Abteilungen der Provinzialdelegationen, der Abteilung für Vermögenskon­ trolle und der Direction Réparations-­­Restitutions ab 1948 deutlich zu. Diese Zusammenarbeit war vor allem von Marguerite Azambre eingefordert worden, die im März 1948 in einem Zwischenbericht beklagt hatte, dass ihre Ansprechpartner auf regionaler Ebene oft zu wenig von der récupération artistique als solcher wussten und ihre Bedeutung unterschätzten.147 Eine Beschleunigung der Ermittlungen war jedoch auch vor dem Hintergrund der Fristen, die die Amerikaner und Briten zu ­diesem Zeitpunkt bereits für den Abschluss der Restitutionen gesetzt hatten, dringend erforderlich. Infolgedessen – und auch als Konsequenz der verhältnismäßig geringen Ergebnisse, die die récupération artistique in der ZFO in den ersten Jahren der französischen Besatzung erbracht hatte – wurden in Baden-­­Baden ab 1948 regelmäßig abteilungsübergreifende Konferenzen zu Restitutionsfragen einberufen, in denen Azambre und François als Vertreter der récupération artistique sich mit der Direction Réparations-­­Restitutions berieten.148 Die stärkere Annäherung des CCP Baden-­­Baden an die Réparations-­­Restitutions dürfte nicht nur durch die alliierten Fristen zum Abschluss der Restitutionen befördert worden sein. Auch die im Jahr 1948 durchgeführte administrative Umstrukturierung der französischen Militärregierung schlug sich auf die organisatorische Anbindung des CCP nieder. Zeitweise bestand ­zwischen Paris und Baden-­­Baden Unsicherheit darüber, inwieweit die récupération artistique in dieser neuen Struktur überhaupt fortgesetzt werden könnte.149 144 Rapport mensuel récupération artistique octobre 1947, AMAE 209SUP/335 D22A-3. 145 François, Michel, Information pour Jardot sur la saisie à Wangen de deux tableaux spoliés, 15 octobre 1947, AMAE Bade 4.229/2, und Sûreté du Pays de Bade, Procès-­­verbaux sur la saisie à Wangen d’un tableau et d’une statuette recherchés par les autorités anglaises, 14 octobre 1947, AMAE Bade 4.229/2. 146 Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1946 – 1950, Inv-­­Nr. 630 – 631. 147 Azambre, Marguerite, Rapport sur la récupération des œuvres d’art spoliées en ZFO, 24 mars 1948, AMAE 209SUP/335 D22A-5. 148 Direction Réparations-­­Restitutions, Procès-­­verbal de la 2e Réunion des Restitutions tenue le 15/5/48 à l’Hôtel Stéphanie – Baden-­­Baden, 13 juillet 1948, AMAE 209SUP/335 D22C. 149 Im Juni 1948 lagen widerstreitende Vorschläge zur Fortsetzung der récupération artistique vor. Zeitweilig kursierte ein Entwurf zur Umstrukturierung der DEP, in dem Rose Valland als künftige

218 I Von der récupération zur réconciliation?

Letztlich änderte sich durch die administrative Reorganisation der DEP jedoch nur wenig an der Funktionsweise der récupération und des CCP Baden-­­Baden. Michel François, der ins Sekretariat der Division de l’Expansion Artistique versetzt wurde, blieb auch in dieser Funktion für „questions artistiques“ zuständig und diente weiterhin in organisatorischen Fragen als Kontaktperson ­zwischen der CRA und Baden-­­Baden. In inhaltlichen Fragen wie etwa einzelnen Ermittlungen in der französischen Zone ging Marguerite Azambre jedoch dazu über, sich direkt mit der CRA auszutauschen. So erhielt sie beispielsweise die Namen von Pariser Antragstellern, die geraubte Kulturgüter vermissten, um zu prüfen, ob sie diese in ihren eigenen Depots verwaltete. Umgekehrt leitete sie oft auch Henraux die Namen von Eigentümern weiter, die ihr in Ermittlungen begegnet waren, damit die CRA in Paris diese mit denen der Antragsteller abgleichen konnte.150 Um der gestiegenen Bedeutung von Ermittlungen in der französischen Zone Rechnung zu tragen, wurde schließlich im März 1949 das Bureau des Investigations Artistiques (BIA) eingerichtet 151, dessen Mitarbeiter M. Lévy in Rücksprache mit dem CCP Baden-­­Baden ermittelte, wobei mitunter ältere Fälle sowie vereinzelt die französischen Plünderungen vom Beginn der Besatzung neu aufgerollt wurden.152 Eine der Ermittlungen, die in ­diesem Zusammenhang erstmals systematisch bearbeitet wurde, betraf die Gemäldesammlung des Industriellen Günther Quandt.153 Dessen Sammlung war während des Krieges aus Berlin teils in die Villa Willmann in Baden-­­Baden, teils ins Gasthaus Kreuz in dem Ort Aixheim bei Rottweil verlagert worden. Als die Villa Willmann im Sommer 1945 für die Nutzung von Emile Laffon requiriert wurde, wurde die Kunstsammlung – es handelte sich vor allem um Gemälde holländischer ­Meister –

150 151 152

153

Zuständige des Bureau de l’Expansion Artistique genannt wurde, was eine Stärkung der récupération artistique bedeutet hätte. Dieser Entwurf wurde jedoch wahrscheinlich rasch wieder verworfen; tatsächlich gab Michel François schon kurze Zeit später in einem Schreiben an Albert Henraux zu bedenken, dass der künftige Direktor der Division de l’Expansion Artistique die Fortsetzung der récupération ablehne, weil sie den Interessen von Privatpersonen diene und daher auch privat zu finanzieren sei. Schmittlein, Raymond, Note de service sur la réorganisation de la Direction de l’Education Publique, 12 juin 1948, AMAE 209SUP/489 P175 und François, Michel, Note de renseignement pour Monsieur Henraux, Président de la Commission de Récupération Artistique, 24 juin 1948, AMAE 209SUP/370 P1-I-1e). Vgl. dazu ein Dossier mit Korrespondenzen und Karteien in AMAE 209SUP/370 P1 SD1 – 4. Azambre, Marguerite, Rapport trimestriel premier trimestre 1949 (Janvier – Février – Mars): Récupération artistique, -8, AMAE 209SUP/335 D22A-8. Im März 1949 z. B. versuchte Lévy, neue Hinweise zur Plünderung der Seysselkaserne ­Germersheim ausfindig zu machen; der Fall konnte jedoch auch 1949 offenbar nicht aufgeklärt werden. Levy, Rapport N° 523: Dépôt des musées de Spire et de Frankenthal à Germersheim et trésor de la Gauleitung à la Caserne de Germersheim, 26 mars 1949, AMAE 209SUP/337 D26 BIA 5. Günther Quandt war der Sohn eines Tuchfabrikanten und stieg in den 1920er Jahren in die Großindustrie ein; während des „Dritten Reichs“ verlagerte er seinen Schwerpunkt auf die Rüstungsindustrie. Zur Familien- und Unternehmensgeschichte vgl. Scholtyseck 2011.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  219

von den französischen Besatzungsoffizieren sichergestellt.154 Die in Aixheim verlagerten Bestände wurden offenbar nach Kriegsende zunächst nach Tuttlingen verbracht und von dort im August 1946 in den CCP Baden-­­Baden transferiert.155 Auf eine Anfrage der Familie Quandt führte 1947 eine Mitarbeiterin des CCP in Aixheim eine gezielte Fahndung nach dem Verbleib zweier verschwundener Gemälde durch, die allerdings ergebnislos blieb. Eine größere Ermittlung zu den Plünderungen des Jahres 1945 und dem Verbleib der Sammlung in den Beständen des Baden-­­Badener CCP nahm die Beaux-­­Arts-­­Abteilung jedoch erst 1949 auf, nachdem der französischen Militärregierung auf verschiedenen Wegen bekannt geworden war, dass Günther Quandt aktiv nach seiner Kunstsammlung suchte. In ihren Ermittlungen verfolgten die Franzosen mehrere parallele Ansätze. Relativ rasch erfolgte die Identifizierung des 1946 aus Aixheim/Tuttlingen überführten Sammlungsteils. Bei Vor-­­Ort-­­Recherchen in Aixheim konnte überdies weitere neun Werke aus der Quandt-­ Sammlung, darunter mehrere Ölgemälde von Max Liebermann und Lesser Ury, ausfindig gemacht werden. Beide Konvolute wurden Quandt am 26. Juni 1950 zurückgegeben, allerdings erst nachdem die Vorprovenienzen der Objekte von französischer Seite überprüft worden waren.156 Die Prüfung der Provenienz der Quandt-­­Sammlung stellte den zweiten Ansatzpunkt der französischen Ermittlungen dar. Um zu prüfen, ob die Sammlung eventuell Gegenstände enthielt, die in Frankreich entzogen worden waren und von französischen Anspruchsberechtigten zurückgefordert wurden, glichen die Franzosen die von Quandt eingereichten Inventarlisten mit dem 1947 veröffentlichten Répertoire des Biens Spoliés ab. Zwar hatte Quandt in einem Schreiben an Rose Valland versichert, dass er seine Sammlung nicht während des Kriegs im besetzten Ausland, sondern noch vor dem Krieg über Kunsthändler und Auktionshäuser in Köln, Berlin und München aufgebaut hätte.157 Dennoch glaubten die Franzosen, einige Übereinstimmungen mit dem Répertoire entdeckt zu haben, sollten allerdings mit dieser Vermutung nur bei zwei Gemälden, einer „Hafenansicht“ von Camille Pissarro und einer „Wassermühle“ von Alfred Sisley, Recht behalten. Für beide Gemälde lag in Frankreich der Restitutionsantrag Ludwig Kainers vor, der in Nice lebte. Eine gegenüberstellende Befragung von Kainer, Quandt und dem Kunsthändler Leo Spik bestätigte, dass Ersterer die Gemälde vor seiner Auswanderung nach Frankreich im Jahre 1935 zwangsweise an Spik hatte verkaufen müssen. Dieser wiederum hatte die Gemälde später an Quandt weiterverkauft.158 154 Quandt, Günther, Schreiben an Rose Valland, 8. August 1949, AMAE 209SUP/165 A125. 155 Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1946 – 1950, Inv-­­Nr. 240 – 269. 156 Ebd., Inv.-Nr. 240 – 269 und Inv.-Nr. 860 – 869. In einem Brief an den französischen Hohen Kommissar André François-­­Poncet bedankte Quandt sich im Juli 1950 für die Übergabe dieser beiden Sammlungsteile, forderte gleichzeitig aber auch die Herausgabe der bis dato noch fehlenden. Quandt, Günther, Lettre à Albert [sic] François-­­Poncet, 11 juillet 1950, AMAE 209SUP/165 A126. 157 Quandt, Günther, Schreiben an Rose Valland, 8. August 1949, AMAE 209SUP/165 A125. 158 Rennevier, F., Mémoire: Point actuel de l’affaire Quandt (BIA 93), 20 octobre 1949, AMAE 209SUP/165 A126, und Rapport concernant les objets d’art appartenant au Dr. Günther Quandt, 3 juin 1950, AMAE 209SUP/165 A126.

220 I Von der récupération zur réconciliation?

Weder der Pissarro noch der Sisley befanden sich zu dem Zeitpunkt, als diese Feststellungen gemacht wurden, im CCP Baden-­­Baden. Beide Gemälde hatten zu dem Teil der Sammlung Quandt gehört, der in die Villa Willmann ausgelagert worden und nach seiner Sicherstellung im Jahre 1945 verschwunden war. Wie ein dritter Strang der französischen Ermittlungen von 1950 aufdeckte, war dieser Sammlungsteil 1946 irrtümlich an die holländische Restitutionsmission übergeben worden, ohne dass diese Übergabe im CCP Baden-­­Baden je erfasst worden war. Da Quandt auf der Herausgabe der Gemälde aus Holland bestand, immerhin aber auch einräumte, dass der Sisley und der Pissarro an Ludwig Kainer nach Frankreich restituiert werden müssten, nahm die französische Beaux-­­Arts-­ Abteilung schließlich Kontakt mit dem holländischen Konsul auf, um die Rückführung der Sammlung in die Wege zu leiten.159 In der Zeit bis zur Rückkehr der Sammlungsteile aus Holland erhielten die Franzosen Informationen über eine weitere gegen Quandt vorliegende Restitutionsforderung. Im Jahre 1941 hatte das Finanzamt Moabit-­­West insgesamt drei Gemälde aus dem Eigentum von Jakob Goldschmidt, einem Angehörigen der Familie Goldschmidt-­­Rothschild, in eine Auktion gegeben, bei der Quandt diese ersteigert hatte. Jakob Goldschmidt hatte vor dem Wiedergutmachungsamt in Stuttgart nach den Regelungen des MRG 59 ein Rückerstattungsverfahren über die drei Werke angestrengt, das mit einem Vergleich endete, in dem Quandt sich zur Rückgabe verpflichtete, sofern diese ausfindig gemacht werden konnten. Als Goldschmidt erfuhr, dass Teile der Quandt-­­Sammlung sich zeitweise im CCP Baden-­ Baden befunden hatten, strengte er dort Ermittlungen an, die zu dem Ergebnis führten, dass eines der drei Gemälde – ein Daumier mit dem Titel „Troisième Classe“ – unter den Beständen lokalisiert werden konnte, die versehentlich nach Holland abgegeben worden waren. Unter den am 12. Januar 1952 im CCP Baden-­­Baden eingegangenen Rücksendungen aus Holland befanden sich somit insgesamt drei Restitutionsfälle. Dennoch wurde keines der drei Gemälde direkt aus dem CCP an seine rechtmäßigen Eigentümer übergeben; vielmehr tragen alle drei Werke im Inventarbuch den gleichen Ausgangsvermerk „Dr. Quandt, Frankfurt“, mit dem auch das restliche Konvolut seiner Sammlung versehen wurde.160 Im Falle des Daumier lag dies wahrscheinlich daran, dass der Vergleich, der der Restitution zugrunde lag, nach dem amerikanischen MRG 59 geschlossen worden war und die Franzosen daher nicht für die praktische Rückabwicklung zuständig waren, sondern Quandt selbst das Gemälde an Jakob Goldschmidt übergeben musste. Für die beiden Gemälde von Ludwig Kainer war der Fall komplizierter: Hier argumentierte Quandt, nachdem er die Notwendigkeit einer Restitution anfänglich noch eingeräumt hatte, nun auf einmal, dass für eine Restitution keine rechtliche 159 Valland, Rose, Lettre à Etienne Bizard au sujet d’une réunion avec Günther Quandt, 10 juillet 1950, AMAE 209SUP/165 A126. 160 Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire, 1950 – 1952, Inv.-Nr. 1283 und 1284 sowie Inv.-Nr. 1315.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  221

Grundlage bestünde. Tatsächlich hatte Kainer seine Rückerstattungsansprüche nur bei der CRA in Paris angemeldet – diese konnte aber nur ­solche Kulturgüter zurückfordern, die während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich entzogen worden waren. Kainer aber hatte die Gemälde bereits 1935 und noch in Deutschland zwangsweise verkauft, sodass er seine Ansprüche nicht nach den Modalitäten der äußeren, sondern nur nach der inneren Restitution durchsetzen konnte. Da Kainer jedoch nach der alliierten Rückerstattungsgesetzgebung in Deutschland keine Ansprüche geltend gemacht hatte und 1952 die Fristen zur Anmeldung von Forderungen bereits abgelaufen waren, bestand keine Rechtsgrundlage, auf der er seine Rückforderung aufbauen konnte. Diesem Befund musste sich letztlich auch der CCP Baden-­­Baden beugen, der die Rückgabe der beiden Gemälde an Quandt so lange wie möglich hinauszuzögern versuchte, sie letztlich aber doch zusammen mit dem restlichen Konvolut herausgeben musste.161 Am Beispiel der Sammlung Quandt wird geradezu exemplarisch deutlich, dass der CCP Baden-­­Baden speziell ab 1949 nicht mehr nur Fälle äußerer Restitution im Sinne der Rückführungen von NS -Raubgut nach Frankreich zu bearbeiten hatte, sondern zunehmend begann, sich mit der sogenannten „remise en place“ deutscher Kunstsammlungen auseinanderzusetzen, die im Zuge der alliierten Vermögenskontrolle sichergestellt und wegen Raubgutverdachts in den CCP eingeliefert worden waren. Bezeichnenderweise dominierte auch bei den Ermittlungen zur Quandt-­­Sammlung zunächst die Sorge um die französischen Rückführungsinteressen – wenngleich Rose Valland und Etienne Bizard bei ihrer Überprüfung der Vorprovenienzen der Sammlung durchaus Kontakt zu den Auktionshäusern Leo Spik und Hans W. Lange in Berlin aufnahmen und somit auch Quandts in Deutschland getätigte Erwerbungen überprüften, so erfolgte der Abgleich der Sammlungsinventare mit dem Répertoire des biens spoliés doch eindeutig vor allem mit Blick auf die französischen Interessen. Auch wenn man den CCP Baden-­­Baden abschließend in seiner Gesamtbedeutung einzuschätzen versucht, passt sich der Fall Quandt in den Befund ein, dass die Arbeitsweise des CCP vom Moment seiner Gründung bis in die frühen 1950er Jahre vor allem von dem Hauptinteresse dominiert war, Kulturgüter französischer Provenienz ausfindig zu machen und nach Frankreich zurückzuführen.162 Zwar waren die in der französischen

161 Valland, Rose, Lettre à l’OBIP au sujet de l’affaire Kainer, 11 février 1953, AMAE 209SUP/165 A126. 162 Aus ­diesem Grund wurde wahrscheinlich auch das Gemälde „Le Mur Rose“ von Henri Matisse, das 1948 in der Nähe von Reutlingen beschlagnahmt wurde und zuletzt dem SS-Offizier Kurt Gerstein gehört hatte, über den CCP Baden-­­Baden nach Paris zurückgeführt und später unter der Inventarnummer R 5 P den MNR zugeschlagen. Tatsächlich hatte es ursprünglich dem Frankfurter Sammler Harry Fuld gehört, dessen Kunstbesitz 1943 durch den Oberfinanzpräsidenten Berlin-­­Brandenburg „verwertet“ wurde und bei dem Berliner Auktionshaus Hans W. Lange zur Versteigerung kam. Lange hatte das Gemälde nicht mitverauktioniert, sondern zunächst behalten und später seinem Jugendfreund Kurt Gerstein anvertraut. Vgl. Flick 2009, hier S. 436 – 437.

222 I Von der récupération zur réconciliation?

Zone ­aufgefundenen Bestände weder quantitativ noch qualitativ mit denen in der US-Zone vergleichbar. Dennoch oder vielleicht gerade wegen des geringeren Umfangs richteten die Franzosen einen umso stärkeren Fokus auf die äußere Restitution – die innere hingegen erfuhr erst nach 1949 einen Aufschwung. Hierfür verantwortlich war einerseits die Verabschiedung der französischen Verordnung 120, die als Äquivalent des amerikanischen MRG 59 die Restitution feststellbarer Vermögenswerte, die innerhalb des Deutschen Reichs entzogen worden waren, ermöglichte. Befördert wurde die Bearbeitung dieser Art von Ansprüchen aber auch durch die verwaltungsinterne Umstrukturierung der récupération artistique, in der der Service de Remise en Place (SRPOA) zentrale Funktionen des CCP Baden-­­Baden und anderer Restitutionsorgane der französischen Besatzungsverwaltung übernahm und dabei die gezielte Aufarbeitung sämtlicher bislang ungeklärter Kulturgüterverlagerungen innerhalb der ZFO, sei es die Herkunft deutscher Privatsammlungen oder die Plünderung von Depots im Sommer 1945, anstrebte. Die Gründung des SRPOA konsolidierte zugleich auf verwaltungstechnischer Ebene die faktische Trennung ­zwischen récupération artistique und Beaux-­­Arts-­­Abteilung.

4.2.3 Interzonentransfers zwischen Rückführungsinteressen und Ausstellungspolitik Ihrer verwaltungstechnischen Nähe zum Trotz nahmen Kunstpolitik und récupération artistique in der ZFO nur verhältnismäßig wenig direkten Bezug aufeinander. Dennoch gab es über Jahre hinweg einen Sachverhalt, bei dem sich die französischen récupération-­ Interessen direkt auf kulturpolitische Aktivitäten auswirkten: den Interzonentransfer von Kulturgütern. Ausgangspunkt der Problematik des Interzonentransfers war der Umstand, dass der Verlauf der Zonengrenzen Museen, Bibliotheken und Archive in ganz Deutschland von ihren Auslagerungsdepots getrennt hatte. So befanden sich beispielsweise die Staatsgalerie Stuttgart, die Kunsthalle und das Badische Landesmuseum in Karlsruhe in der amerikanischen Zone, ein Teil ihrer Auslagerungsdepots in Pfullendorf, Baden-­­Baden und Oberschwaben jedoch in der französischen. Umgekehrt lagerten Teile der Bestände der ­Universitätsbibliothek Tübingen, die unter französischer Verwaltung stand, in der amerikanisch verwalteten Saline Heilbronn. Auch die großen rheinischen Museen in Köln, Bonn und Düsseldorf waren von dem Problem betroffen – sie lagen in der britischen Zone, ihre großen Depots jedoch in Marienstatt, Langenau und Koblenz sowie, im Falle der Kölner Museen, auf Burg Hohenzollern bei Hechingen. Bereits im Oktober 1945 erhielt die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts daher erste Anfragen der britischen MFA&A bezüglich der Rückkehr von Museumsbeständen in die britische Zone. Dass sie sich gleichzeitig aber nicht in der Lage dazu sah, in dieser Frage eigene Entscheidungen zu treffen, zeigt sich in einem Passus aus Michel François’ Monatsbericht für Oktober 1945, in dem er anmerkte: „Il serait très urgent qu’une doctrine

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  223

fut établie sur ce point et sollicitée du Conseil de Contrôle Interallié de Berlin, la Section des Beaux-­­Arts n’ayant pas qualité pour décider du retour de ces objets.“ 163 Im Januar 1946 reagierte Emile Laffon auf die Hinweise der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts, wonach sich insbesondere die britischen Rückforderungen von Beständen aus Koblenz, Ehrenbreitstein, Marienstatt und Langenau gehäuft hätten, indem er einen Bericht an General Koeltz von der französischen Kontrollratsgruppe in Berlin schickte. In d ­ iesem schilderte er die Situation der Auslagerungsdepots und bat darum, über die Entwicklung einer Doktrin zum Umgang mit dem Interzonentransfer auf dem Laufenden gehalten zu werden. Die CRA habe sich, so Laffon, zu dieser Problematik noch nicht geäußert.164 Tatsächlich war der Interzonentransfer von Kulturgütern eine Angelegenheit, die vom Alliierten Kontrollrat geregelt werden musste. Erstmalig angesprochen wurde die Problematik dort bereits im Dezember 1945 während einer Debatte des Directorate of Internal Affairs and Communications über die Wiedereröffnung deutscher Museen. Diese warf nicht nur die Frage auf, inwieweit die deutschen Museen für propagandistische Zwecke genutzt werden durften, sondern verdeutlichte zugleich, dass sie erst nach dem Rücktransfer der ausgelagerten Sammlungen wieder eingerichtet und zugänglich gemacht werden konnten und daher der Interzonentransfer von Kulturgütern dringend einer Regelung bedurfte. Jedoch wurde bereits zu d ­ iesem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass er nicht durch das Educations Commitee, sondern vom Directorate of Deliveries, Reparations and Restitutions zu regeln sei.165 Dass der Interzonentransfer von Kulturgütern also eine sowohl kulturpolitische als auch restitutionspolitische Dimension besaß, darüber bestand frühzeitig Übereinstimmung.166 Tatsächlich fanden die Kommandanten der amerikanischen und britischen Zone unabhängig vom Kontrollrat bereits im Dezember 1945 ein informelles Agreement zum Interzonentransfer.167 Auf quadripartiter Ebene hingegen war es vor allem die französische Kontrollratsgruppe, die die Frage einer Regelung blockierte. Die französische Position hing unmittelbar mit den Kontrollratsverhandlungen zur restitution in kind und den Absichten, 163 [François, Michel], Rapport pour le mois d’octobre 1945, AMAE AC 479/1b. 164 Laffon, Emile, Rapport au sujet d’échanges de biens culturels entre les différentes zones d’occupation (en référence à des demandes depuis la zone britannique notamment), 29 janvier 1946, AMAE AC 74/1b. 165 Allied control authority, Directorate of internal affairs and communications, Allied education committee, protocol of the 5th meeting: extracts, 20 december 1945, AMAE 209SUP/389 P25. 166 Dies bestätigen auch spätere Entwürfe zur Regelung der Wiedereröffnung von Museen, die für den Interzonentransfer jeweils auf vom DRDR zu treffende Regelungen verwiesen. Vgl. Comité de Coordination Berlin, Retransmission à la s/Direction des Beaux-­­Arts de la décision du Comité de Coordination de Berlin au sujet de la réouverture des Musées en Allemagne, 1 mars 1946, AMAE 209SUP/337 D25 Musées I.1-A. 167 Kurtz 2006, S. 119.

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Werke aus deutschen Museen als Ersatz für französische Verluste zu betrachten, zusammen.168 Den direkten Zusammenhang dieser beiden politischen Fragen strich im Frühjahr 1946 auch R. J. M. Borde von der französischen Kontrollratsgruppe in Berlin in einem Brief an die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts heraus. Zu d ­ iesem Zeitpunkt war der Kontrollrat gerade dabei, den französischen Entwurf für die Sonderregelungen der restitution in kind zu beraten, was Borde zufolge auch eine quantitative Erfassung von Objekten, die hierfür in Frage kämen, beinhalte. Er wolle dem Kontrollrat vorschlagen, „qu’aucun transfert d’une zone à l’autre d’œuvres d’art appartenant aux musées allemands ne puisse se faire avant que le recensement prévu n’ait été terminé.“ 169 An sich widersprach die von der französischen Kontrollratsgruppe in Paris vertretene Idee der restitution in kind den kulturpolitischen Positionen innerhalb der Direction de l’Education Publique. Letztere hatte sich bereits im Herbst 1945 gegen jegliche Vorschläge ausgesprochen, Restitutionen von Kulturgütern nach Frankreich mit Forderungen nach deutschen Kulturgütern zu verrechnen. Dennoch blieb der DEP im Falle des Interzonentransfers nichts anderes übrig, als das Ende der restitutionspolitischen Verhandlungen im Kontrollrat abzuwarten. Noch im Juli 1947 beantwortete Michel François daher eine Anfrage eines der südwestdeutschen Kultusministerien um Aufhebung der Blockierung von Kunstsammlungen in der französischen Zone mit Hinweis auf die noch ungeklärte Frage des Interzonentransfers, die eine Rückkehr von Museumsbeständen aus Depots der ZFO in andere Zonen verhinderte. Die Bestände doivent donc rester bloqués dans les dépôts qu’ils occupent sous le contrôle de la S/Direction des Beaux-­­Arts jusqu’à ce qu’intervienne à Berlin une disposition quadripartite permettant la remise en place de ces objets. En assurant le contrôle de ces objets d’art en dépôt dans la zone française, la S/Direction des Beaux-­­Arts répondait à un vœu de la Commission de Récupération Artistique, qui souhaite que ces objets d’art demeurent sous ce contrôle tant que les opérations de récupération de biens spoliés en France ne seront pas terminées.170

Auch nachdem der Alliierte Kontrollrat im Februar 1947 eine Regelung der restitution in kind erzielt hatte, beharrte Frankreich zunächst weiterhin auf seiner Grundsatzforderung, weshalb die Freigabe der deutschen Museumsbestände in der französischen Besatzungszone für einen Rücktransport in Museen in der amerikanischen und britischen Zone noch 168 Commission de Récupération Artistique, Procès-­­verbal de la séance du 19 septembre 1944, AMAE 209SUP/296 C6. 169 Borde, R. J. M., Lettre au sujet du transfert d’une zone à l’autre de biens culturels, 9 mars 1946, AMAE 209SUP/389 P25. 170 François, Michel, Note pour le Directeur de l’Intérieur et des Cultes sur la levée du blocage des biens visés par l’article II, paragraphes c) et d) de la loi N° 52 de SHAEF, 3 juillet 1947, AMAE AC 490/4.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  225

bis Oktober 1948 hinausgezögert wurde.171 Die Regelung des Interzonentransfers erfolgte somit erst, als der allmähliche Rückzug der Amerikaner und Briten aus den kulturellen Restitutionen sich bereits abzeichnete und ein Gutteil der récupération artistique bereits abgeschlossen war. Die jahrelangen Verzögerungen in der Regelung des Transfers wirkten sich ganz unmittelbar auf die tägliche Arbeit der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts aus. Vor allem im Verhältnis zur britischen Besatzungszone musste Michel François dabei doppelte Interessen vertreten: die der récupération artistique einerseits und die der Kultur- und Ausstellungspolitik der DEP andererseits. Hinsichtlich der Ausstellungspolitik hatte die ungeklärte Frage des Interzonentransfers für alle drei westlichen Besatzungszonen gleichermaßen zur Folge, dass die Verwendung von Objekten aus Museumsdepots außerhalb der eigenen Zone erschwert wurde. Mitarbeiter der entsprechenden Museen oder der alliierten Kultur­abteilungen konnten die fraglichen Kunstwerke nicht einfach herbeischaffen lassen, sondern mussten bei den Kulturabteilungen der Zone, in der das jeweilige Depot lag, Leihanfragen stellen. Im April 1947 etwa stellte François im Rahmen einer Stellungnahme zur Machbarkeit des Ausstellungsprojekts „Art rhénan“ fest, dass die erforderlichen Leihgaben aus der amerikanischen und britischen Zone möglicherweise nicht zu beschaffen s­ eien, weil die zuständigen MFA &A aufgrund der schleppenden Entwicklung der Interzonentransferfrage nur noch bedingt bereit s­ eien, Objekte an die Sous-­­Direction zu verleihen.172 Umgekehrt zeigte sich diese bei Leihanfragen aus der amerikanischen und britischen Zone sehr entgegenkommend. Als beispielsweise der rheinische Provinzialkonservator Franz Graf Wolff-­­Metternich eine Anfrage des Kölner Schnütgen-­­Museums für eine Ausstellung romanischer Kunst in Köln an François weiterleitete, bewilligte dieser die Leihanfrage ohne Zögern, betonte aber in seinem Bewilligungsschreiben an den Kölner Museumsvertreter, dass er mangels einer quadripartiten Regelung des Interzonentransfers nach Ausstellungsende auf Rückkehr der Leihgaben in die französische Zone bestehen müsse.173 Sein diplomatisches Signalisieren, dass die Problematik des Interzonentransfers ein in erster Linie politisches Problem darstelle, an dem er nichts ändern könne, zieht sich wie ein roter Faden auch durch andere Briefwechsel zum Leihverkehr für Ausstellungen. Gleichzeitig bemühte er sich darum, Leihanfragen aus den übrigen Zonen so unbürokratisch wie unter den bestehenden Bedingungen möglich zu halten. Es war im

171 Koenig, Général Pierre, Lettre aux Généraux Clay et Robertson au sujet de la remise en place dans les musées et bibliothèques allemands des zones américaine et britannique des œuvres d’art repliées dans les dépôts de la zone française, 21 octobre 1948, AMAE AC 490/4. 172 François, Michel, Projet d’une exposition de primitifs rhénans à Paris, 10 avril 1947, AMAE AC 484/10. 173 Vgl. Schnitzler, Brief an den Provinzialkonservator Franz Graf Wolff-­­Metternich über die Leih­ anfragen ans Depot in Tübingen und die Restitution von privatem Eigentum, 7 mai 1947, AMAE AC 484/15 und François, Michel: Lettre au Col. Norris au sujet du prêt d’objets du dépôt de Tübingen pour l’exposition d’art roman à Cologne, 27 juin 1947, AMAE AC 484/15.

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französischen Interesse, sich mit den Kollegen der amerikanischen und britischen MFA &A sowie deutschen Museumsleuten gutzustellen, damit umgekehrt auch französische Leihanfragen bewilligt wurden. Insbesondere im Kontakt mit der britischen Zone hatte das Entgegenkommen jedoch noch einen zweiten Grund, der unmittelbarer mit Fragen der récupération artistique zusammenhing. Tatsächlich hatten sich 1947 vor allem an der französischen Rückführungspraxis aus den Depots der rheinischen Museen in Marienstatt, Langenau und Koblenz französisch-­ britische Interessenkonflikte entzündet. Am 10. Juli 1947 wies Michel François in einem Brief an Albert Henraux darauf hin, „[…] que nos Alliés Anglais s’étonnaient vivement que nous renvoyions en France les tableaux achetés à des musées de Cologne, Bonn, etc[…] qui se trouvent dans les dépôts de Marienstatt et Langenau.“ 174 Hintergrund der Bemerkung waren Unstimmigkeiten z­ wischen Briten und Franzosen hinsichtlich der Frage, ob die Erwerbungen deutscher Museen auf dem Pariser Kunstmarkt in den Jahren 1940 – 1944 als rechtmäßig anzusehen waren. Während die Franzosen diese unter Berufung auf die Londoner Erklärung vom 6. Januar 1943 als nichtig betrachteten und daher die entsprechenden Objekte aus den Depots in Marienstatt und Langenau entfernen ließen, erkannten die Briten sie als rechtmäßig an und sahen daher die französischen Rückführungen eher kritisch. Henraux antwortete François am 18. Juli 1947, dass auch ihm entsprechende Gerüchte zu Ohren gekommen ­seien, ihm jedoch keine offizielle Stellungnahme der britischen Besatzungsverwaltung zur Frage der auf dem Kunstmarkt in den besetzten Gebieten getätigten Erwerbungen der deutschen Museen vorliege.175 Das Problem löste sich – zumindest vorerst –, als Camille Santelli von der für Besatzungsfragen zuständigen Abteilung des französischen Außenministeriums in direkte Gespräche mit den britischen Kollegen trat und klarmachte, dass die deutschen Erwerbungen in den besetzten Gebieten aus französischer Perspektive nicht als rechtmäßige Transaktionen gelten konnten, da sie in einem repressiven Klima stattgefunden hätten, das mit den regulären Bedingungen eines Kunstmarkts in Friedenszeiten nicht zu vergleichen sei. Überdies hätten deutsche Erwerber ihre Ankäufe aus Geldern finanziert, die aus der „indemnité d’occupation“ stammten, die Frankreich an Deutschland hatte zahlen müssen. Im Ergebnis erhielt Santelli eine schriftliche Zusage des britischen Col. Norris, „[de laquelle] il résulte que le Service des Beaux-­­Arts anglais est d’accord pour que, dorénavant, les œuvres d’art achetées en territoire occupés soient restitués aux nations qui les réclameraient.“ 176

174 François, Michel, Lettre à Albert Henraux, 10 juillet 1947, AMAE 209SUP/370 P1 Dossier I-1, SD2g). 175 Henraux, Albert S., Lettre à Michel François concernant une communication avec la zone britannique concernant la restitution de tableaux, 18 juillet 1947, AMAE 209SUP/337 D26 CRA 15. 176 Santelli, Camille, Note à l’Attention de M. le Ministre au sujet des démarches avec le service des Beaux-­­Arts en zone anglaise, 13 juillet 1947, AMAE 209SUP/356 D56.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  227

Die Verhandlungen um die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Erwerbungen der rheinischen Museen in Paris müssen auch vor dem Hintergrund der Problematik des Interzonentransfers betrachtet werden. Durch die Gründung der anglo-­­amerikanischen Bizone waren Interzonentransfers ­zwischen britischer und amerikanischer Zone kein Problem mehr; Frankreich jedoch weigerte sich nach wie vor, die Museumssammlungen in den Depots seiner Zone, die zu Museen in der britischen Zone gehörten, freizugeben. Dies behinderte letztlich auch die Wiederaufnahme der kulturellen Tätigkeiten dieser Museen. Gleichzeitig aber wurden in diesen Depots die rheinischen Erwerbungen in Frankreich beschlagnahmt und nach Paris zurückgebracht. Aus britischer Perspektive musste daher die Weigerung der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts, die deutschen Museumsbestände zur Rückkehr in die britische Zone freizugeben, wie eine absichtliche Blockade zwecks der Durchsetzung französischer Eigeninteressen wirken. Zeitweilig zog die britische MFA &A daraus die Konsequenz, ihrerseits keine geraubten Kulturgüter französischer Herkunft, die in der britischen Zone aufgefunden waren, an Frankreich zurückzugeben.177 Die Verhandlungen zum Interzonentransfer, die von politischen Akteuren ja gerade mit der Absicht geführt wurden, die Interessen der CRA zu wahren, führten daher zu dem paradoxen Ergebnis, dass sie letztlich die récupération artistique behinderten. Erst als Michel François im September 1947 im Rahmen einer Mission nach Düsseldorf und Hannover das persönliche Gespräch mit Colonel Norris suchte, konnte mit den Briten geklärt werden, dass die Blockierung des Interzonentransfers keine Willkür der Baden-­­Badener Beaux-­­Arts-­­Verwaltung darstellte, sondern mit den politischen Rückführungsinteressen Frankreichs zusammenhing und daher auf der Ebene des Alliierten Kontrollrats zu lösen war. Es gelang François damit, die britische Blockierung der Rückführung von französischem Raubgut aus dem Düsseldorfer Collecting Point aufzuheben.178 Dennoch blieb das Verhältnis der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts zur britischen Zone heikel. Dies war auch der Grund, weshalb sechs Gemälde, die das Walraff-­­Richartz-­ Museum in Paris erworben hatte und die in Tübingen deponiert waren, erst 1950 in den CCP Baden-­Baden überführt und anschließend nach Paris geschickt wurden.179 Insofern ist 177 François, Michel, Note à Albert Henraux au sujet de la remise en place d’œuvres d’art, 15 septembre 1947, AMAE 209SUP/356 D56. 178 François, Michel, Note à Schmittlein au sujet de la remise en place interzone des objets d’art alle­ mands, 15 septembre 1947, AMAE 209SUP/356 D56. 179 Vgl. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1950 – 1952, Inv.-Nr. 1103 bis 1108. Bei den sechs Gemälden handelte es sich um einen Ingres, zwei Gemälde von Renoir, einen Courbet, einen Delacroix und einen Degas, die das Walraff-­­Richartz-­­Museum allesamt auf dem Pariser Kunstmarkt angekauft hatte. Noch 1950 appellierte das Museum an den französischen Hohen Kommissar, um die Restitution an Frankreich zu verhindern. Tatsächlich gab Henri-­ Paul Eydoux vom Service des Relations Artistiques in seiner Stellungnahme zur Angelegenheit zu bedenken, dass das Museum gute Beziehungen zu Frankreich unterhielt und sich u. a. mit Leihgaben an der Ausstellung der „Primitifs Allemands“ beteiligt hatte; aus kulturpolitischer

228 I Von der récupération zur réconciliation?

das ­Entgegenkommen der Sous-­­Direction bei britischen Anfragen im Rahmen des Leihverkehrs von Ausstellungen und auch bei der Rückgabe von Privatsammlungen an Eigentümer in der britischen Zone als Bemühen zu verstehen, die Problematik des Interzonentransfers so gut wie möglich zu entschärfen und vor allem die französischen récupération-­­Interessen nicht zu gefährden.

Perspektive sei eine entgegenkommende Haltung gegenüber dem Museum daher sinnvoll. Dennoch schloss Eydoux sich der Position Rose Vallands an, die in einem Schreiben an die Stadt Köln ausführlich darlegte, warum die Erwerbungen deutscher Museum auf dem französischen Kunstmarkt der Jahre 1940 – 1944 restitutiert werden müssten. Valland selbst betonte in ihrem Schreiben im Übrigen, dass die Restitutionen im französischen wie im deutschen Interesse notwendig s­ eien, „afin que sur une base épurée de tous ces souvenirs [des spoliations artistiques] se reconstruise une entente nouvelle.“ Valland, Rose, Réponse à la demande du bourgmestre de Cologne sur les réclamations des musées de Cologne, 22 septembre 1950, AMAE AC 81/5, und Eydoux, Henri-­­Paul, Prise de position dans l’affaire de restitutions du Musée de Cologne, 8 novembre 1950, AMAE AC 81/5.

Eine doppelte Aufgabenstellung?  I  229

5. Kulturpolitische Impulse in der amerikanischen Besatzungszone Neben der Durchführung des Restitutionsprogramms setzte die MFA&A in Deutschland auch kulturpolitische Impulse. Ihre kulturpolitische Rolle hat in den Forschungen zur amerikanischen Besatzungs- und Kulturpolitik der letzten 20 Jahre allerdings erst allmählich eine stärkere Berücksichtigung erfahren. Insgesamt ist die Kulturpolitik in der amerikanischen Besatzungzone bereits seit den 1970ern Gegenstand der historischen Forschung gewesen. Zentraler Anknüpfungspunkt war das Konzept der re-­­education, mit dem das alliierte Besatzungsziel der Demokrati­ sierung des deutschen Volkes erreicht werden sollte. Der Fokus auf Leitfragen nach Umerziehung und Demokratisierung bedingte, dass vor allem ältere Forschungsbeiträge sich zunächst vorwiegend auf die Bildungspolitik mit dem Bereich der Schulen und Universitäten konzentrierten.1 Erst in den 1990er Jahren erweiterte sich das Spektrum um Studien zu Presse, Radio, Th ­ eater und Literatur sowie zur Rolle der sogenannten Amerika-­­Häuser.2 Der Stellenwert der Kunst innerhalb der amerikanischen Kulturpolitik wurde erstmals von Sigrid Ruby in ihrer 1999 erschienenen Dissertation „Have we an American Art?“ untersucht, in der sie den Aufstieg und die Dominanz der amerikanischen Malerei – vor allem des Abstrakten Expressionismus – in den transatlantischen Kunstbeziehungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts analysiert. Ruby beleuchtet die Rolle der amerikanischen Kulturpolitik als Ausgangspunkt einer europäischen Rezeption der zeitgenössischen Kunst Amerikas und geht daher auch auf amerikanische Ausstellungen im besetzten Deutschland ein.3 An den Kulturtransfer-­­Ansatz knüpft die Kunsthistorikerin Dorothea Schöne an, die in ihrer 2016 veröffentlichten Dissertation zeigt, dass die transatlantischen Kunstbeziehungen nach 1945 nicht nur eine Geschichte des Transfers und der Rezeption amerikanischer Kunst in Deutschland waren, sondern umgekehrt auch moderne und zeitgenössische deutsche Kunst in den USA gezeigt und vermittelt wurde. Auch Schöne geht in ihren Untersuchungen von der amerikanischen Kulturpolitik in der unmittelbaren Nachkriegszeit aus und macht dabei unter anderem die Rolle der MFA&A-Offiziere als private Kunstförderer und Mitinitiatoren von Berliner Künstlergruppen sichtbar.4 1 Vgl. die Forschungen von Bungenstab 1970 und Tent 1984. Einen ­kurzen Überblick zum Forschungsstand zu allen vier Besatzungszonen in den frühen 1990er Jahren gibt z. B. Clemens 1994, S. 8. 2 Vgl. z. B. Bausch 1992 und Hein-­­Kremer 1996. Einen Überblick über die jüngere Forschungs­ geschichte zur amerikanischen Kulturpolitik gibt Gerund und Paul 2015, S. 8. 3 Ruby 1999, S. 11. 4 Schöne 2016.

Die amerikanische Ausstellungspolitik im engeren Sinn wurde 2006 von Ulrike Ziegler untersucht, die in einer komparatistischen Studie Kunstausstellungen und -vermittlung in allen vier Besatzungszonen seit 1945 betrachtete. Ziegler ist eine der E ­ rsten, die einen systematischen Kurzüberblick über die von Mitgliedern der MFA&A in den Central Collecting Points organisierten Ausstellungen gibt und die CCP s nicht als reine Sammelstellen für Kulturgüter, sondern auch als Schnittstellen für eine deutsch-­­amerikanische Zusammenarbeit begreift.5 Diesen Ansatz hat auch die Kunsthistorikerin Tanja Bernsau für ihre 2013 erschienene Dissertation zum Central Collecting Point Wiesbaden gewählt, in der sie dessen kulturpolitische Rolle beleuchtet.6 Zuletzt hat Iris Lauterbach in ihrer Gesamtdarstellung zum Münchner Collecting Point darauf hingewiesen, dass auch dort kleinere Ausstellungen stattfanden und der CCP Schauplatz deutsch-­­amerikanischer kultureller Zusammenarbeit war.7 Der Befund, dass die CCPs nicht nur die Handlungsorte des amerikanischen Restitutionsprogramms waren, sondern mittels Kunstausstellungen gleichzeitig kulturpolitische Impulse setzten, wirft die Frage auf, in welchem Bezug diese beiden auf den ersten Blick sehr verschiedenartigen Aktivitäten zueinander standen. Welchen Stellenwert und ­welche Funktionen hatten die Ausstellungen in den Collecting Points; an wen waren sie adressiert; wie bedeutend waren sie für die amerikanische Kulturpolitik insgesamt? Welche Rolle spielten die Offiziere der MFA&A – Kunsthistoriker und Museumsleute – für die Genese der Ausstellungen, und inwieweit machten ihre Ausstellungsaktivitäten sie zu kulturellen Vermittlern, die über die ausgestellte Kunst bestimmte Werte und Ideen an ihr deutsches Publikum herantrugen? Und wie verhielt sich diese Aktivität letztlich zu den Restitutionen: Ergaben sich aus den personellen Überschneidungen auch inhaltliche Bezüge oder verliefen die beiden Stränge Restitution und Kulturpolitik ähnlich wie in der französischen Besatzungszone weitgehend unabhängig voneinander?

5.1 Die MFA&A als Kunstvermittler Erste Grundlagen für eine amerikanische Kulturpolitik arbeitete im Juli 1945 der amerikanische Librarian of Congress Archibald McLeish im sogenannten „Long Range Policy Statement“ aus. Sein Konzept einer Umerziehung des deutschen Volks basierte auf der Annahme, dass angesichts der Instrumentalisierung der Kunst durch den Nationalsozialismus diese auch in der amerikanischen re-­­education einen hohen Stellenwert erhalten solle. Er plädierte dafür, dass das deutsche Kulturleben aktiv in die Umerziehung einbezogen werde, indem auf deutsche literarische und künstlerische Traditionen zurückgegriffen werde. Nur wenn die deutsche Bevölkerung sich selbst am Wiederaufbau des kulturellen Lebens 5 Ziegler 2006, S. 50 – 51. 6 Bernsau 2013. 7 Lauterbach 2015, S. 198 – 217.

Die MFA&A als Kunstvermittler  I  231

beteilige, könne eine Umerziehung zu demokratischen Werten wirklich effektiv greifen.8 In der ersten amerikanischen Direktive zur Besatzungspolitik in Deutschland fand diese Konzeption allerdings kaum einen Niederschlag. Die Direktive JCS 1067, die Demilitari­ sierung, Entnazifizierung und re-­­education als amerikanische Besatzungsziele definierte und damit eine erste formelle politische Basis für die Umerziehung lieferte, steckte für kulturelle Fragen nur einen ganz allgemeinen Rahmen ab. So ordnete sie zwar den Schutz von Archiven, Museen, Bibliotheken und Kunstwerken an, ging aber nicht näher darauf ein, inwieweit diesen Kulturstätten über ihre Bewahrung hinaus auch eine aktive Rolle in der amerikanischen Kulturpolitik zukommen sollte. Eine detailliertere Konzeption der re-­ education auch mit stärkerer Berücksichtigung von McLeishs Vorstellungen sollte erst in den Jahren 1946 – 1947 erfolgen.9 Innerhalb der OMGUS-Verwaltung war Kulturpolitik – verstanden im engeren Sinne als Bildungspolitik, die vor allem auf Schulen und Universitäten abzielte – bei der Education & Religious Affairs Branch (E&RA) angesiedelt, die zur Internal Affairs & Communications Division gehörte und erst 1948 in den Status einer eigenen Division erhoben wurde. Die Bereiche Medien, Th ­ eater und Musik dagegen waren der Information Control Division (ICD) zugeordnet, die ab 1946 auch für die sogenannten Amerika-­­Häuser in den größeren Städten der amerikanischen Zone zuständig wurde.10 Die Amerika-­­Häuser oder Information Centers wurden ab 1945 zunächst hauptsächlich als interne Informationszentren mit Bibliotheken für Mitglieder der US-Militärregierung gegründet, allerdings schon frühzeitig auch für deutsches Publikum geöffnet. Bereits ab 1947 erweiterte sich ihr Aufgabenprofil, und zusätzlich zu den Bibliotheken boten sie ein Kulturprogramm in Form von Vorträgen, Lesungen, Gesprächsrunden und Foto- oder Poster-­­Ausstellungen an.11 Die Betreuung des Museumsbereichs und seines Wiederaufbaus oder gar die Gestaltung einer eigenständigen Ausstellungspolitik waren weder in der Educations & Religious Affairs Division noch in der Information Control Division vorgesehen. Da der von JCS 1067 geforderte Schutz von Museen, Bibliotheken und Archiven in den Händen der MFA&A lag, ergab sich letzten Endes, dass diese trotz ihrer formalen Zuordnung zur Restitution Branch auch für Fragen des kulturellen Wiederaufbaus zuständig wurde.

5.1.1 Ausstellungen in den Central Collecting Points Der Beitrag der MFA&A zur amerikanischen Kulturpolitik wird in den Ausstellungen, die ­zwischen 1945 und 1949 in den CCP s stattfanden, am sichtbarsten. Dabei gehörten die 8 9 10 11

Ruby 1999, S. 51, Hein-­­Kremer 1996, S. 185, und Bernsau 2013, S. 396. Ziegler 2006, S. 20 – 21, und Hein-­­Kremer 1996, S. 185 – 186. Ziegler 2006, S. 20. Hein-­­Kremer 1996, S. 156 – 157 und S. 271 – 272.

232 I Kulturpolitische Impulse in der amerikanischen Besatzungszone

Kunstausstellungen jedoch keineswegs zu deren fest definiertem Aufgabenprofil. In den meisten Fällen gingen sie auf persönliche Initiativen vor Ort zurück und wurden unter Rückgriff auf die in den CCPs ohnehin bereits lagernden Kunstgegenstände zusammengestellt. Bereits für August 1945 sind Notizen zur Konzeption einer Ausstellung im CCP München überliefert. Die Idee ging auf die MFA&A-Mitglieder Lincoln Kirstein, Lamont Moore und Thomas Carr Howe zurück, die in einem Saal neben der Eingangshalle des NSDAP -Verwaltungsbaus eine kleine Schau anlässlich eines Besuchs von General Patton und weiteren Mitgliedern der amerikanischen Militärregierung planten. Zielgruppe der Ausstellung war also nicht die breite Öffentlichkeit. Dennoch zeigt die Liste der ausgewählten Objekte, dass nur die bekanntesten Meisterwerke der zu ­diesem Zeitpunkt im CCP lagernden Sammlungen präsentiert werden sollten: Neben Michelangelos Brügger Madonna und dem Genter Altar führt die Liste auch den Dirk-­­Bouts-­­Altar, Leonardos „Dame mit dem Hermelin“, die Juwelen aus der französischen Rothschild-­­Sammlung und nicht zuletzt Vermeers „Die Malkunst“. Insgesamt fällt auf, dass nahezu alle ehemals beraubten Länder West- und Osteuropas mit jeweils mindestens einem Werk vertreten sein sollten. Der Zweck der Ausstellung bestand demnach nicht nur darin, für die amerikanische Militärregierung eine Schau der Highlights im Collecting Point zu erstellen. Auch die alliierten Repräsentanten der ehemals besetzten Länder sollten damit angesprochen werden. Beiden Zielgruppen sollte durch die Ausstellung versichert werden, dass die Meisterwerke der europäischen Kunst den Krieg unbeschädigt überdauert hatten und von der MFA &A angemessen verwahrt wurden. Die Ausstellung kann insofern als Vorgängerprojekt zu den token restitutions der besonders repräsentativen Kulturgüter aus nationalem Eigentum an ihre Herkunftsländer gesehen werden. Weil die amerikanische Militärregierung sich Ende August 1945 dafür entschied, als Zeichen ­­ der amerikanischen Restitutionsbereitschaft den Genter Altar nach Brüssel zurückzuführen und damit die Rückgabe der bedeutendsten europäischen Kulturschätze an ihre Herkunftsländer einleitete, wurde die Ausstellung jedoch letzten Endes nicht realisiert.12 Der Wunsch, die Meisterwerke der in den Collecting Points versammelten Schätze zu zeigen und damit der Öffentlichkeit zu versichern, dass die deutschen Museumssammlungen den Krieg überdauert hatten, trieb auch die ersten Ausstellungen an, die andernorts veranstaltet wurden. Die erste wurde am 15. November 1945 im Jubiläumsbau des Kunsthistorischen Instituts in Marburg eröffnet. Unter dem Titel „Exhibition of Master­pieces of European Paintings“ zeigte sie eine Auswahl von 30 Gemälden, die aus den Depots in Siegen und Bernterode nach Marburg verlagert worden waren und bis auf drei Gemälde aus dem Eigentum der Berliner Verwaltung der Schlösser und Gärten stammten. Die Präsentation in insgesamt drei Sälen konzentrierte sich überwiegend auf deutsche und n ­ iederländische Malerei der Renaissance, niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts sowie französische 12 Kirstein, Lincoln; Moore, Lamont, Thoughts regarding a show at the Central Collecting Point Munich, [1945], NARA, RG 260, A1, Entry 514, M1946, Roll 8, und Tentative plan for Exhibition of looted cultural objects August 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 514, M1946, Roll 8.

Die MFA&A als Kunstvermittler  I  233

Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Pressemitteilung wies ausdrücklich darauf hin, dass die Ausstellung unter Beteiligung von Angestellten des Kunsthistorischen Instituts, darunter Richard Hamann, entstanden war.13 Im Anschluss an diese erste Ausstellung wurden bis Juni 1946 in Marburg noch vier weitere mit den Beständen des CCPs organisiert, die zum Teil zeitgleich stattfanden und unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte setzten.14 Im Juli 1946 wurde der Marburger Collecting Point dann aufgelöst und seine Bestände wurden nach Wiesbaden überführt. Mit der Ausstellung „Südwestdeutsche Kunst des 15. Jahrhunderts: Malerei und Skulptur aus dem schwäbisch-­­oberrheinischen Raum“ wurde im Februar 1946 in Heilbronn ein Ausstellungszyklus eröffnet, der unter dem Rahmentitel „Geretteter Deutscher Kunstbesitz“ die in den Salinen Heilbronn und Kochendorf ausgelagerten Museumsbestände zeigte. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Räumlichkeiten entschied man sich dafür, anstelle einer größeren Ausstellung mit längerer Laufzeit lieber eine rasche Abfolge kleinerer Präsentationen mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten zu zeigen, die zusammen genommen die künstlerische Bandbreite der ausgelagerten Sammlungen demonstrierten. Auf die erste Ausstellung folgte daher bereits im März 1946 eine zweite einwöchige Ausstellung mit Meisterwerken der Porträtmalerei, zu der der zuständige MFA&A-Offizier Dale Ford sogar eine kleine Broschüre herausgab.15 Auch als die Betreuung der Salinen und die Rückbergung der Museumsbestände nach Fords Rückkehr in die USA in deutsche Hände überging, wurde der Heilbronner Ausstellungszyklus fortgesetzt und zeigte wechselweise ausgelagerte Bestände oder zeitgenössische Kunst des neu gegründeten Heilbronner Künstlerbundes.16 Das umfassendste Programm bot der Central Collecting Point Wiesbaden, der 1946 bis 1949 insgesamt zehn Ausstellungen organisierte. Die erste, die im Februar 1946 eröffnet wurde, 13 Central Collecting Point Marburg 1945. Dem Entwurf einer Pressemitteilung zufolge lautete der vorläufige Titel der Ausstellung „Displaced Masterpieces of European Paintings“. Möglicherweise wurde das Wort „displaced“, das auf die kriegsbedingte Verlagerung der Bilder anspielt, g­ estrichen, weil es zu stark an die Bezeichnung „Displaced Persons“ erinnerte. Press release: Exhibition „Displaced Masterpieces of European Painting“ at the Kunsthistorisches Institut, Jubiläumsbau Marburg, November 5, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 492, M1947, Roll 5. 14 Der Jahresbericht von Theodore Heinrich über die MFA&A-Aktivitäten in Greater Hesse 1945 – 1946 gibt die Liste der Ausstellungen wieder: „(i) ‚Masterpieces of European Painting‘, 15 – 30 Nov 45, 20 Dec 45 – 20 Jan 46; (ii) ‚Masterpieces of the 19th and 20th Centuries‘ 14 Apr–1 June 46; (iii) ‚Flemish and Dutch Landscapes‘ 14 Apr–15 May 46; (iv) ‚The Potsdam Portraits‘ 15 May–1 June 46; (v) ‚Master Prints and Drawings‘ 1 May–1 June 46.“ Heinrich, Theodore A. ([June 1946]): Monuments, Fine Arts and Archives Section 9, October 1945–June 1946. National Archives and Records Administration, RG 260, A 1, Entry 492, NARA, RG 260, A 1, Entry 492, M1947, Roll 15. 15 Ford, Dale V., MFA&A Collecting Point Report for the Month of February, February 28, 1946, National Gallery of Art, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-F1, 1.17. 16 Schrenk 1997, S. 105 – 108.

234 I Kulturpolitische Impulse in der amerikanischen Besatzungszone

reiht sich nahtlos in die Kontinuität der Vorgängerausstellungen in Marburg und Heilbronn ein, da auch sie eine thematisch breit gefächerte Auswahl von Hauptwerken aus den im CCP Wiesbaden gelagerten deutschen Museumsbeständen präsentierte. Die inhaltlichen Schwerpunkte reichten von der Sakralkunst des Mittelalters über die deutschen Meister des 16. Jahrhunderts und die italienische Renaissance bis hin zur holländischen und flämischen Malerei des 17. Jahrhunderts; dazu wurden in einem gesonderten Raum die Büste der Nofretete aus dem Ägyptischen Museum Berlin sowie zwei weitere ägyptische Sitzfiguren gezeigt.17 Die Kriterien bei der Auswahl gerade dieser Objekte sind nicht mehr bis ins Detail rekonstruierbar, ebenso wenig die konkreten Initiativen und Entscheidungsprozesse, auf die die Konzeption der Ausstellung zurückging.18 Walter I. Farmer, der als Direktor des Wiesbadener Collecting Point auch die Vorbereitungen zur Ausstellung leitete, gibt in seinen Memoiren an, dass der unter dem Codeword „Westward Ho, Watteau“ bekannt gewordene Abtransport von 202 Berliner Gemälden aus dem CCP Wiesbaden in die USA ausschlaggebend gewesen sei für die Entscheidung, mit den verbliebenen Sammlungsbeständen eine Ausstellung zu veranstalten: Diese sollte die Verunsicherung, die der Abtransport bei deutschen Museumsleuten ausgelöst hatte, zerstreuen und das deutsche Personal im CCP von den guten Absichten der MFA&A im Bereich des Kunstschutzes überzeugen. Aus d ­ iesem Grund wurden auch deutsche Museumsleute wie Ernst Holzinger, der in Beraterfunktion am CCP Wiesbaden tätig war, aktiv in das Ausstellungsprojekt eingebunden.19 Stärker noch als in Marburg und Heilbronn kam in der ersten Wiesbadener Ausstellung also eine amerikanische Selbstinszenierung als Bewahrer des deutschen Kulturerbes zum Ausdruck. Dies zeigt sich im Übrigen auch in der Gestaltung des Katalogs: Dieser verfügte zwar nicht über wissenschaftliche Einführungen zum Inhalt der Ausstellung, wohl aber über zwei jeweils auf Englisch und Deutsch abgedruckte Vorworte, die die Funktion des Wiesbadener Collecting Point sowie die Aufgaben der MFA&A erläuterten und somit noch einmal die amerikanischen Interessen verdeutlichten.20 Infolge des großen Publikumserfolgs, den diese erste Ausstellung erzielte – knapp 53.200 Besucher in zwei Monaten Laufzeit 21 – schlossen sich bald weitere Folgeprojekte an, die jeweils stärker auf ein bestimmtes Thema ausgerichtet waren. Zwischen Sommer 1946 und Dezember 1947 fanden insgesamt fünf Ausstellungen statt – zu den nordeuropäischen Schulen des 16. Jahrhunderts, Handzeichnungen alter Meister, Weihnachtsbildern sowie zur deutschen Malerei des 18. sowie des 19. Jahrhunderts.22 Im Frühjahr 1948 verließ der CCP

17 18 19 20 21 22

Vgl. den Katalog der Ausstellung: Wiesbaden Collecting Point 1946. Bernsau 2013, S. 260 – 263. Farmer 2000, S. 86. Wiesbaden Collecting Point 1946, S. 1 – 2. Vgl. dazu auch Ziegler 2006, S. 50. Bernsau 2013, S. 266. Bernsau 2013, S. 256 – 257. Vgl. auch Central Collecting Point Wiesbaden 1946, Central Collecting Point Wiesbaden (Landesmuseum) 1946, Central Collecting Point Wiesbaden (Landesmuseum) 1947 und Central Collecting Point Wiesbaden 1947. Zur Rembrandt-­­Ausstellung wurde kein Katalog

Die MFA&A als Kunstvermittler  I  235

Wiesbaden erstmals den von den ausgelagerten Museumsbeständen gesteckten Rahmen, indem er die Privatsammlung des Kölner Juristen und Kunstsammlers Josef Haubrich zeigte. Die Schau war zuvor bereits in Köln präsentiert worden, weshalb an ihrer Konzeption weder die MFA&A-Mitglieder in Wiesbaden noch das dort angestellte deutsche Museumspersonal beteiligt waren. Auch inhaltlich stach die Ausstellung hervor, da die Sammlung Haubrich moderne Kunst umfasste, die im Dritten Reich als „entartet“ verfemt worden war.23 Mit der im Mai 1948 eröffneten Rembrandt-­­Ausstellung kehrte das Programm dann zurück zu seinem Fokus auf die alten Meister; erstmals wurden für diese Ausstellung in Ergänzung zu den CCP-Beständen auch Leihgaben aus anderen Museen angefragt, um dem Thema besser gerecht werden zu können.24 Die beiden letzten Ausstellungen schließlich, die beide den Titel „Returned Masterworks“ trugen, zeigten die 202 Berliner Bilder, die 1945 in die USA gebracht worden waren und 1948 und 49 etappenweise nach Wiesbaden zurückkehrten. Mit diesen beiden Ausstellungen schloss sich der Kreis: Hatte der Abtransport der Bilder 1945 den Anlass für die Präsentation der in Wiesbaden verbliebenen Meisterwerke gegeben, so bot nun ihre Rückkehr die Gelegenheit, das Programm durch eine erneute Ausstellung von Meisterwerken – d ­ ieses Mal jenen, die bislang gefehlt hatten – abzurunden. Entsprechend spiegelbildlich stehen auch die Motivationen der jeweiligen Ausstellungen einander gegenüber: Die erste hatte der deutschen Öffentlichkeit versichert, dass die Mehrzahl der Berliner Bestände den Krieg sicher überstanden hatten und die Amerikaner sich den Schutz dieser Sammlungen auf die Fahnen geschrieben hatten. Demgegenüber zeigten die beiden letzten Ausstellungen die Einlösung des amerikanischen Versprechens, die Berliner Bilder nicht für sich zu behalten, sondern sie sicher zu bewahren und zurückzugeben.25 Dass der CCP Wiesbaden den Hauptteil der in Collecting Points organisierten Ausstellungen verantwortete, liegt vor allem darin begründet, dass recht frühzeitig eine Spezialisierung der CCPs auf bestimmte Bestandsgruppen erfolgt war: Während München den Hauptanteil an aufgefundenen geraubten Kunstwerken betreute, bildeten Marburg und Wiesbaden von Anfang an primär Sammelstellen für die Bestände aus deutschen Museen, die in den Minen Mitteldeutschlands geborgen worden waren. Da der Marburger CCP bereits im Juli 1946 wieder aufgelöst wurde, fanden hier nach ­diesem Zeitpunkt keine weiteren Ausstellungen mehr statt. Im Offenbacher Archival Depot wiederum wurden zu keinem

publiziert. In Edith Standens Nachlass finden sich maschinenschriftliche Notizen in Vorbereitung auf einen Katalog zur Ausstellung der nordeuropäischen Schulen, allerdings wurde der Katalog wohl nie in Druck gegeben. Central Collecting Point Wiesbaden, Katalog zur Ausstellung Meisterwerke vor 1600 nördlich der Alpen, Central Collecting Point Wiesbaden Mai/Juli 1946. Wiesbaden, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H4, 19.8. – 19.12. 23 Bernsau 2013, S. 302 – 306. 24 Heinrich, Theodore A., The Rembrandt exhibition in Wiesbaden, October 1948, NARA, RG 260, A 1, Entry 492, M1947, Roll 4. 25 Landesmuseum Wiesbaden 1949, S. 3 – 4.

236 I Kulturpolitische Impulse in der amerikanischen Besatzungszone

Zeitpunkt Ausstellungen der dort aufbewahrten Bücher, Archivalien und Judaika veranstaltet; dort stand allein die Identifizierung und Restitution des Raubguts im Mittelpunkt.26 Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, aus diesen verschieden gelagerten Spezialisierungen der CCPs herzuleiten, dass es keinerlei Überschneidungen ­zwischen der Restitution von NS-Raubgut und kulturellen Aktivitäten gegeben hätte. So war es beispielweise in München üblich, dass vor der Durchführung der einzelnen Rückführungskonvois an die Herkunftsländer die jeweils bedeutendsten Objekte aus dem betreffenden „Shipment“ zuvor in der Bibliothek des CCP ausgestellt wurden.27 Diese kleinen Ausstellungen sind hauptsächlich durch das Fotomaterial des CCP dokumentiert. Anhand der Fotos ist feststellbar, dass beispielsweise im Sommer 1946 nacheinander Gemälde aus der Sammlung von Fürst Maximilian Lobkowicz und russische Ikonen ausgestellt wurden, ehe diese in die Tschechoslowakei bzw. in die Sowjetunion zurückgeschickt wurden.28 Im Sommer 1947 waren im Bibliothekssaal des CCP unter anderem Tizians „Danaë“ und Bruegels „Der Blindensturz“ zu sehen, die den neapolitanischen Museen gehörten und im Anschluss an ihre Ausstellung in München nach Italien zurückkehrten.29 Inwieweit es sich bei diesen Kabinettausstellungen um eine reine Zurschaustellung der besonderen Highlights des CCP vor ihrer jeweiligen Rückgabe handelte oder ob damit auch bestimmte Vermittlungskonzepte oder pädagogische Ziele verbunden waren, lässt sich anhand der Fotos allein kaum feststellen. In jedem Fall wäre es lohnenswert, diese für eine systematische Rekonstruktion der einzelnen Ausstellungen zu ­nutzen. Auf ­diesem Weg ließe sich feststellen, ob die Zusammensetzung der jeweiligen Ausstellungen rein von den Zielorten der „Shipments“ bestimmt war – d. h. ob etwa im Sommer 1946 eine Ausstellung ausschließlich mit den Objekten tschechoslowakischer Herkunft bestückt war – oder ob im Rahmen einer Ausstellung Objekte aus zeitlich parallel organisierten Rücksendungen in verschiedene Länder gezeigt wurden. Gleichermaßen interessant wäre zu prüfen, ob auch Ausstellungen kuratiert wurden, deren Objektauswahl nicht von den Herkunfts- und Zielorten der Exponate, sondern von Bildsujets und thematischen Gemeinsamkeiten bestimmt war. Schließlich stellen sich auch die Fragen, wie öffentlich die Ausstellungen im Bibliothekssaal des CCP waren und welches Publikum sie ansprechen sollten. Iris Lauterbach, die als Erste auf die Existenz dieser Ausstellungen hingewiesen hat, gibt zwei verschiedene Hinweise auf das mögliche Publikum und die Intentionen. Zum einen stellt sie fest, dass die internationale Zusammenarbeit der Mitarbeiter des CCP in München und die Rückgaben an die europäischen Länder für die amerikanische Regierung 26 Vgl. Bernsau 2013, S. 93 – 95 zu den Spezialisierungen der CCPs Marburg und Wiesbaden. Zum OAD vgl. Gallas 2013, S. 36 – 49. 27 Lauterbach 2015, S. 186. 28 Vgl. Lauterbach 2015, S. 140 – 141 zu den Rückführungen in die Tschechoslowakei und die Ausstellung der Sammlung Lobkowicz. Siehe S. 129 – 131 zur Ausstellung der Ikonen und den Rückführungen in die Sowjetunion. 29 Lauterbach 2015, S. 147 – 148.

Die MFA&A als Kunstvermittler  I  237

eine Möglichkeit zur positiven Selbstdarstellung boten.30 Tatsächlich lassen sich die Präsentationen der kunsthistorisch bedeutendsten Hauptwerke vor ihrer jeweiligen Restitution an die Herkunftsländer in eine Kontinuitätslinie zu dem nicht realisierten Ausstellungsprojekt von Kirstein, Moore und Howe im August 1945 sowie zu den Zeremonien um die token restitutions ab Herbst 1945 einordnen. In allen Fällen standen besonders bedeutende und repräsentative Objekte im Mittelpunkt, die aufgrund der jeweiligen Eigentumsverhältnisse als Teil eines bestimmten nationalen Kulturerbes verstanden wurden – nämlich des Kulturerbes jener Nation, an die die anschließende Rückgabe erfolgte. Ihre kunsthistorische Relevanz machte diese Werke darüber hinaus aber auch zum Bestandteil eines globalen Kulturerbes, das nationale Kategorisierungen überstieg. Die Restitutionszeremonien um besonders symbolträchtige Objekte wie die Fenster des Straßburger Münsters oder den Genter Altar hatten vor allem die jeweilige nationale Relevanz des Objekts für das Herkunftsland in den Mittelpunkt gerückt. Gleichzeitig waren sie ein politisches Instrument gewesen, um die amerikanische Restitutionsbereitschaft herauszustellen und die Beziehungen zu den europäischen Ländern zu stärken. Im Falle der Ausstellungen im CCP München hingegen musste diese grundsätzliche Restitutionsbereitschaft nicht mehr symbolisch demonstriert werden und anders als bei den token restitutions war auch nicht das jeweilige Empfängerland der Adressat. Dafür zeugten die ausgestellten Objekte als Ganzes vom Reichtum und der Vielfalt der im CCP München verwahrten Kulturgüter und unterstrichen die Rolle der USA als temporäre Treuhänderin und Bewahrerin ­dieses europäischen Kulturerbes. Gleichzeitig waren die Ausstellungen das sichtbare Ergebnis der internationalen Zusammenarbeit der amerikanischen und deutschen CCP-Mitarbeiter und der alliierten Repräsentanten. Während die token restitutions als symbolischer Auftakt des ausstehenden Restitutionsprogramms dienten, betonten die Ausstellungen im CCP den Erfolg des laufenden Programms. Insofern waren vermutlich die alliierten Repräsentanten selbst Teil der anvisierten Zielgruppe. Dass die Ausstellungen daneben noch eine weitere Funktion hatten, zeigt Iris Lauterbach im Zusammenhang mit der Gründung des Münchner Zentralinstituts für Kunstgeschichte auf. Die wissenschaftlichen Aktivitäten des Instituts waren vor allem in der Anfangszeit kurz nach seiner Eröffnung im März 1947 eng mit dem Central Collecting Point verknüpft. So fanden im Bibliothekssaal des CCP Vorträge des Zentralinstituts statt, für die auf die vom CCP ausgestellten Originale zurückgegriffen wurde. Im Sommer 1947 hielt beispielsweise Ordenberg Bock von Wülfingen einen Vortrag zu Tizians „Danaë“, bevor diese nach Italien zurückkehrte.31 Für welches Publikum diese Fachvorträge bestimmt waren, führt ­Lauterbach nicht weiter aus; es ist aber zu vermuten, dass neben den Mitarbeitern des CCP, des Zentralinstitutes und Münchner Museumsleuten auch Studenten der Kunstgeschichte angesprochen werden sollten.

30 Ebd., S. 99. 31 Ebd., S. 179.

238 I Kulturpolitische Impulse in der amerikanischen Besatzungszone

Insgesamt betrachtet sind die Kabinettausstellungen im Bibliothekssaal des CCP München ein Sonderfall der MFA&A-Ausstellungstätigkeit an den Collecting Points, da nur in ­diesem spezifischen Zusammenhang tatsächlich identifiziertes Raubgut für Ausstellungen herangezogen wurde. An keinem der anderen war dies üblich. Zwar wurden sowohl in Wiesbaden als auch in den Salinen von Heilbronn und Kochendorf Objekte verwahrt, die beschlagnahmt, im Besatzungskontext aus dem Kunsthandel angekauft oder anderweitig verfolgungsbedingt entzogen worden waren. In Heilbronn jedoch hatte gleich der erste Arbeitsschritt in den Salinen darin bestanden, genau diese Werke zu identifizieren und sie anschließend an den CCP Wiesbaden weiterzuschicken, um von dort die Rückgabe an die Herkunftsländer zu organisieren. Ausstellungsprojekte begannen in Heilbronn erst, nachdem dieser Prozess abgeschlossen war.32 Auch in Wiesbaden wurden deutsche Museumsbestände auf ­solche Erwerbungen hin überprüft. Die Frankfurter Museen beispielsweise erhielten bereits kurz nach Kriegsende die Aufforderung, Listen ihrer Erwerbungen seit 1938 zu erstellen, auf deren Basis von Wiesbaden einige Rücktransporte nach Frankreich und in die Niederlande erfolgten.33 Für Frankreich wurden 1946 zwei Rücktransporte organisiert, einmal im Mai 1946 – vorbereitet von Rose Valland – und einmal im Dezember; ein weiterer Rücktransport erfolgte im Dezember 1947. Alle drei wurden zunächst in den CCP Baden-­­Baden überführt und von dort aus teils nach Straßburg, teils nach Paris weitergeleitet.34 Der doppelten Zuständigkeit des CCP Wiesbaden für die Bewahrung deutscher Museumssammlungen und die Restitution von Raubgut zum Trotz blieb die Ausstellungstätigkeit dort jedoch getrennt vom Umgang mit Letzterem. Bei den ausgestellten Werken handelte es sich in den allermeisten Fällen um den Altbestand der Museen, der frei von Raubgutverdacht war. Um die Zuständigkeiten und das Selbstverständnis der MFA&A im Bereich der ameri­ kanischen Kulturpolitik verstehen zu können, muss abschließend danach gefragt werden, wie das Ausstellungsprogramm der einzelnen Collecting Points insgesamt konzipiert war, ­welche Art von Kunst mehrheitlich gezeigt wurde und inwieweit es sich mit den amerikanischen re-­­education-­­Zielen deckte. Wie die Darstellung der verschiedenen Ausstellungsprojekte – s­ eien es unverwirklichte Konzeptionen wie 1945 in München oder realisierte Projekte – gezeigt hat, lag vor allem in der Anfangszeit der Fokus auf breiten Überblicken über die Meisterwerke, die jeweils vor Ort gelagert waren.35 Walter Farmer, der Leiter des CCP Wiesbaden, gab in seinen Memoiren

32 Schrenk 1997, S. 94 – 96 und S. 105. 33 Schöne 2011, S. 249 – 251. 34 Vgl. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1946 – 1950 (Neues Schloss Baden-­ Baden), AMAE 209SUP/513 P207. Ein weiterer Konvoi aus Wiesbaden startete im Juni 1951 kurz vor der definitiven Schließung des CCP. Central Collecting Point Baden-­­Baden, Livre d’inventaire 1950 – 1952 (Villa Krupp), AMAE 209SUP/346 D40. 35 Unter „Meisterwerk“ wurde ursprünglich im deutschsprachigen Raum seit dem Spätmittelalter ein Werkstück verstanden, das Handwerker zum Abschluss ihrer Ausbildung anfertigten, um sich

Die MFA&A als Kunstvermittler  I  239

an, dass die erste Wiesbadener Ausstellung nicht zuletzt aus seiner intrinsischen Motivation als Sammler und Bewunderer schöner Dinge resultierte: „To have this assortment of riches at hand and the opportunity available to arrange them with care and sensitivity was the experience of a lifetime.“ 36 Ganz ähnlich beschrieb auch Edith Standen, Farmers direkte Nachfolgerin in Wiesbaden, ihre Eindrücke aus dem dortigen CCP und ihren Wunsch, die Meisterwerke der europäischen Kunst nicht einfach nur in Lagerräumen zu verwalten, sondern sie auch zu zeigen: „No museum director in the world could keep such pictures for his private pleasure.“ 37 Der Fokus der früheren Ausstellungen auf die Meisterwerke der Berliner Museen diente dabei zugleich einer Selbstinszenierung der Amerikaner als Bewahrer des europäischen Kulturerbes.38 Dieselbe Intention lag im Kern auch auch den Münchner Initiativen zugrunde. Dennoch lassen sich ­zwischen den Münchner und den Wiesbadener Ausstellungen wichtige Unterschiede feststellen. Insofern als Erstere untrennbar mit den äußeren Restitutionen an die europäischen Länder verbunden waren, ordnete sich auch die Leitidee der Bewahrung des europäischen Kulturerbes hier jeweils nationalen Bezugsrahmen unter. Bei den hochgradig symbolisch aufgeladenen Restitutionen des Genter Altars oder der Fenster des Straßburger Münsters stand nicht die Zugehörigkeit dieser Werke zu einem gesamteuropäischen Erbe im Mittelpunkt, sondern vielmehr ihre Eigenschaft als jeweils nationales Eigentum. Im Falle der Straßburger Buntglasfenster etwa betonte die Inszenierung der Restitution die Symbolik der Rückkehr des Elsasses zur französischen Nation sowie den nationalen Wiederaufbau. Auch die späteren Kabinettausstellungen in München verwiesen primär auf die Frage der Eigentumsverhältnisse zurück, insofern als external loot vor seiner nach dem Territorialprinzip erfolgenden Rückkehr ins Herkunftsland ausgestellt wurde und somit nationale Kategorien die jeweilige Objektauswahl der Kabinettausstellungen bestimmten. anschließend Meister nennen zu dürfen. In Nordeuropa war diese Praxis auch für in Gilden organisierte Maler und Bildhauer üblich; zum Teil erhielt sie sich später in den künstlerischen Akademien bis ins 18. Jahrhundert. Im übertragenden Sinn bezeichnet das „Meisterwerk“ ein besonders herausragendes Werk eines Künstlers und impliziert damit, dass der Künstler mit d­ iesem Werk den linearen, zielgerichteten Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens erreicht hätte. Wenngleich diese Auffassung von künstlerischem Schaffen inzwischen längst überholt ist und der Begriff des Meisterwerks überdies analytisch ausgesprochen unscharf ist, findet das Schlagwort des Meisterwerks für Ausstellungen oder Überblicks-­­Literatur nach wie vor Verwendung. Als solches rhetorisches Schlagwort wurde es in der Regel auch in den Ausstellungen der MFA&A gebraucht. Vgl. Baxandel 1996, S. 599 – 600. 36 Farmer 2000, S. 88. 37 Standen, Edith A., Return of the Snake. Extracts from a German diary, 1949, National Gallery of Art, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.7. 38 Tanja Bernsau sieht in der Ausstellung der Berliner Sammlungen in Wiesbaden 1946 überdies eine Schutzmaßnahme vor weiteren möglichen Abtransporten, da das Einbeziehen der deutschen Öffentlichkeit die Hemmschwelle für weitere Transporte erhöhe. Bernsau 2013, S. 388 – 389.

240 I Kulturpolitische Impulse in der amerikanischen Besatzungszone

In den Wiesbadener Ausstellungen hingegen war die Leitidee eines europäischen Kulturerbes jenseits nationaler Kategorien durchaus präsent. Dabei ist festzustellen, dass diese Idee sich vor allem in den späteren, thematisch stärker ausdifferenzierten Ausstellungen durchsetzte, als auch Ziele der re-­­education bzw. der re-­­orientation allmählich mehr Eingang in die Konzeption fanden. Noch 1946 gab Theodore Heinrich in einem Jahresbericht über die MFA&A in Greater Hesse als Beweggrund für die bisherigen Ausstellungen in Wiesbaden, Marburg und Kassel in erster Linie an, dass sie das Prestige der amerikanischen Militärregierung steigern könnten.39 Das Schlagwort der re-­­education fand zwar in d ­ iesem Bericht abschließend eine kurze Erwähnung –„it is believed that they are making a noteworthy contribution to the program for the reeducation of the German people“ 40 –, allerdings differenzierte Heinrich nicht weiter aus, worin genau der Beitrag der Ausstellungspolitik zur re-­­education bestehen könne. Spätestens bei der Ausstellung zur deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts im April 1947 jedoch wurde der erzieherische Beitrag, den die Ausstellungen des CCP Wiesbaden leisten konnten, auch in der Konzeption deutlich. In Anbetracht dessen, dass insbesondere die Kunst der Romantik in der NS-Zeit eine nationalistische, volkstümliche Interpretation erfahren hatte, unternahm MFA&A-Offizier Everett P. Lesley in der Einleitung des Katalogs den Versuch einer neuen kunsthistorischen Beurteilung dieser Kunstrichtung, indem er auf italienische und französische Einflüsse bei Spitzweg, Böcklin oder Menzel hinwies. Anstelle einer nationalistischen Überhöhung der Romantik betonte er also den gesamteuropäischen Kontext, in dem sich diese Stilrichtung verorten ließ.41 Mit einer ähnlichen Herangehensweise konzipierte Theodore Heinrich ein Jahr später die Präsentation der Werke Rembrandts. Zu dieser Ausstellung ist zwar kein Katalog erstellt worden. Der Abschlussbericht, in dem Heinrich die Besucherzahlen und das Rahmenprogramm zusammenfasste, enthält jedoch einige Grundsatzaussagen zur Konzeption der Ausstellungen des Wiesbadener CCP im Allgemeinen und der zu Rembrandt im Besonderen. Heinrich stellte fest, dass Rembrandt seit dem 18. Jahrhundert als so bedeutsamer Maler eingeschätzt worden sei, „[…] that the Germans, who tend to strong chauvinism in their choice and adulation of artistic heroes, are still apt to seek both genetic and esthetic Teutonic genealogies for him.“ 42 Dies sei auch der Grund, weshalb die Ausstellung bewusst den niederländischen Kontext, in dem Rembrandt lebte und arbeitete, hervorheben wolle. Gleichzeitig sollte sie herausarbeiten,

39 Bei den drei erwähnten Ausstellungen in Kassel handelt es sich um diejenigen im bereits 1946 wiedereröffneten Kasseler Museum und nicht um eine des CCP, weshalb sie hier nicht ­ausführlich untersucht wurden. Heinrich, Theodore A., Monuments, Fine Arts and Archives Section, 9 October 1945 – June 1946, NARA, RG 260, A 1, Entry 492, M1947, Roll 15. 40 Ebd. 41 Central Collecting Point Wiesbaden (Landesmuseum) 1947, S. 8 – 10. Vgl. dazu auch Bernsau 2013, S. 418 – 422, und Ziegler 2006, S. 87 – 88. 42 Heinrich, Theodore A., The Rembrandt exhibition in Wiesbaden, [October 1948], NARA, RG 260, A 1, Entry 492.

Die MFA&A als Kunstvermittler  I  241

that a genius of such universality of spirit cannot be confined within any rigid pattern of nationalism. The superhuman compassion which shines from all his pictures, the total absence of intellectual pride, are notable characteristics of his life and work of which we all, not alone the German people, need frequent reminding.43

Auch hier ging es also darum, die nationalistischen Vereinnahmungen bestimmter Künstler und Stilrichtungen zu relativieren und durch eine betont gesamteuropäische Kontextualisierung vermeintlich deutscher Kunst einen Gegenentwurf zum Chauvinismus der deutschen Kunstgeschichtsschreibung zu entwickeln. Beide Ausstellungen können insofern auch als Beispiele für Kulturtransfer bewertet werden: Ganz bewusst boten sie neue kunsthistorische Deutungsmuster an, um die nationalsozialistischen Interpretationen bestimmter Kunstrichtungen zu überschreiben und somit deren ideologische Aneignung durch den Nationalsozialismus rückgängig zu machen. Dabei war die „western civilization“ das Paradigma, das die amerikanischen Ausstellungsmacher als Alternative vorschlugen. Im Zusammenhang mit der Rembrandt-­­Ausstellung wies Theodore Heinrich darauf hin, dass die CCP-Ausstellungen grundsätzlich immer im Hinblick auf eine vorsichtige, nicht allzu propagandistisch wirkende re-­­orientation konzipiert würden, wobei allerdings die Qualität der Werke bei der Auswahl die höchste Priorität habe und die kulturpolitischen und erzieherischen Erwägungen erst an zweiter Stelle kämen. Grundsätzlich wolle man jedoch die Ausstellungen auch als „vehicles for the introduction and illustration of the ideas and ideals which form the cornerstones and sinews of western civilization, of freedom itself“ 44 ­nutzen. In d ­ ieses Deutungsmuster bettete Heinrich auch die 1948 und 1949 aus den USA zurückgekehrten Bilder des ­Kaiser-­­Friedrich-­­Museums ein, die ab Herbst 1948 in einer zweiteiligen Ausstellung in Wiesbaden präsentiert wurden. Als komplementäre Gegenüberstellung zur ersten Wiesbadener „Masterworks“-Ausstellung von 1946 konzipiert, ermöglichte die Rückkehr der Bilder aus den USA zu einem Zeitpunkt, als sich die Leitlinien der amerikanischen Ausstellungskonzepte in Deutschland gegenüber 1946 deutlich gewandelt hatten, auch eine neue, gewissermaßen amerikanische Interpretation der Berliner Meisterwerke. Indem die Bilder eine breite Auswahl aus verschiedenen künstlerischen Epochen und Ländern zeigten, ermöglichte ihre Ausstellung einen Blick auf gesamteuropäische Stilentwicklungen und Verbindungslinien z­ wischen einzelnen nationalen Richtungen. Da die Bilder außerdem zwar einem deutschen Museum gehörten und deshalb Teil des nationalen Kulturerbes waren, jedoch gleichzeitig das ganze Spektrum europäischer Kunst und Kultur abdeckten, brachte die Ausstellung auch die Einbettung Deutschlands in dieser zum Ausdruck.45 Der MFA&A kam dabei ein letztes Mal die Rolle zu, die sie von Anfang an bei den Ausstellungen in den Collecting Points wahrgenommen hatte, jene der 43 Ebd. 44 Ebd. 45 Landesmuseum Wiesbaden 1949, S. 4 – 5. Vgl. auch Ziegler 2006, S. 87.

242 I Kulturpolitische Impulse in der amerikanischen Besatzungszone

Bewahrerin des europäischen Kulturerbes. Gleichzeitig war sie aber – und diese Entwicklung hatte sich erst im Verlauf der Ausstellungen im Zuge einer Profilschärfung der Wiesbadener Ausstellungskonzepte abgezeichnet – zu einem kulturellen Vermittler geworden, der das deutsche Publikum neu an dessen eigenes kulturelles Erbe heranführte und in Abgrenzung zu bisherigen nationalistischen Deutungsmustern eine europäische Interpretation d ­ ieses Erbes anbot.

5.1.2 Der Beginn des Kalten Kriegs und seine Rückwirkungen auf die Kulturpolitik Das Schlagwort der „western civilization“ bot sich als Deutungsrahmen nicht nur aufgrund seines Potenzials für die Überwindung nationalistischer Denkmuster an. Das Auftauchen des Begriffs in den Ausstellungskonzepten und Katalogen ab 1948 ist zugleich symptomatisch für einen Paradigmenwechsel in der amerikanischen Besatzungs- und Kulturpolitik. Die USA hatten lange Zeit keine konkreten Direktiven zur Kunst- und Kulturpolitik in Deutschland herausgegeben. Die amerikanische Besatzungsverwaltung übernahm zwar im Kultursektor reglementierende Funktionen, indem sie etwa Museen die Erlaubnis zur Wiedereröffnung erteilte oder Ausstellungen genehmigte. Gerade in Bezug auf deutsche Initiativen zu Kunstausstellungen hatte die MFA&A über die eigenen, in den CCPs und Depots kuratierten Ausstellungen hinaus jedoch nur eine verhältnismäßig passive Beobachter­rolle inne.46 So fungierte sie in der ersten Nachkriegsausstellung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (BS tGS ), die 1946 im Haus der Kunst in München eröffnet wurde, zwar als Schirmherrin. Die eigentliche Organisation oblag jedoch Eberhard Hanfstaengl, dem neuen Generaldirektor der Staatsgemäldesammlungen, und wurde im Übrigen durch den Umstand, dass die BS tGS -Bestände im CCP München gelagert waren, eher verkompliziert, da die durch Property Cards erfassten Objekte nur mit Genehmigungen für Ausstellungen aus dem CCP entfernt werden durften.47 Vereinzelte Hinweise auf Ausstellungen in den Monatsberichten der MFA &A-Offiziere bestätigen den Eindruck, dass die aktive Beteiligung der MFA &A im Bereich des deutschen Ausstellungswesens in der US -Zone verhältnismäßig gering war. In einem unveröffentlicht gebliebenen Gesamtbericht über ihre MFA &A-Tätigkeit in den Jahren 1945 bis 1947 etwa merkte Edith Standen zum Neubeginn des deutschen Kulturlebens im Gebiet Württemberg-­­Baden an, dass die ­Neugründung 46 Dorothea Schöne zufolge geht aus Privatkorrespondenzen von MFA&A-Chief Richard Howard hervor, dass die MFA &A-Mitglieder privat durchaus zahlreiche Kunstausstellungen besuchten und versuchten, deutsche Künstler zu fördern, das MFA&A-Arbeitsprofil sie jedoch nicht dazu berechtigte, diese Förderung in ihren offiziellen Funktionen als Besatzungsoffizier auszuüben. Schöne 2016, S. 76 – 77. 47 Ziegler 2006, S. 92 – 93. Vgl. auch Schawe 2010, hier S. 95 – 97.

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des Stuttgarter Kunstvereins bereits im August 1945 den Neubeginn des regionalen Ausstellungswesen markiert habe und in der ersten Jahreshälfte 1947 durchschnittlich rund zehn Ausstellungen pro Monat in den verschiedenen Städten Württemberg-­­Badens eröffnet worden ­seien.48 Diese hohe Zahl kam zweifellos durch die Berücksichtigung lokal begrenzter Initiativen zustande, deren Vielzahl von dem hohen Interesse an kulturellen Aktivitäten zeugt, das sich für die unmittelbare Nachkriegszeit in allen Besatzungszonen feststellen lässt. In Standens Monatsberichten zu Württemberg-­­Baden gerade zu dieser Zeit finden jene Ausstellungen allerdings so gut wie keinen Niederschlag, da die MFA &A – abgesehen von ihrer Genehmigung – sich nicht an den Projekten beteiligte.49 Die Monatsberichte verweisen lediglich auf s­olche, die aufgrund ihrer Reichweite und Qualität eine gewisse politische Relevanz entwickelten, so etwa die ersten Ausstellungen deutscher Museumssammlungen in St. Gallen und Schaffhausen. Die Ausstellung von Beständen aus der Kunsthalle Karlsruhe in St. Gallen ging auf eine private Initiative des emigrierten Kunsthändlers Fritz Nathan zurück, der mit dem Karlsruher Museumsdirektor Kurt Martin befreundet war. Aufgrund der Zerstreuung der Karlsruher Bestände in Depots in der französischen und amerikanischen Zone waren sowohl die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts als auch die MFA &A an den Vorbereitungen zur Ausstellung beteiligt.50 Da es sich um die erste Ausstellung deutscher Museumssammlungen auf nichtdeutschem Boden nach 1945 handelte, konnte sie als kulturpolitisches Signal für eine schrittweise Überwindung der kulturellen Isolation und als eine Anerkennung der deutschen Kulturtraditionen vor 1933 durch das europäische Ausland gewertet werden. Diese politische Bedeutung war auch den Mitgliedern der MFA &A bewusst, die als amerikanische Abgesandte gemeinsam mit dem Gouverneur von Württemberg-­­Baden an der Eröffnung teilnahmen.51 Jenseits der politisch relevanten, da grenzüberschreitend angelegten Projekte wie den Schweizer Ausstellungen fanden insbesondere jene mit Fokus auf moderner Kunst besondere Erwähnung in Standens Berichten, so etwa die erste Ausstellung des Stuttgarter Kunstvereins im Herbst 1945, die unter dem Titel „Kunst gegen den Krieg“ Zeichnungen von Künstlern wie Otto Dix, George Grosz und Käthe Kollwitz zeigte, und eine 1947 in Mannheim eröffnete Ausstellung zu Franz Marc.52 In ihren Monatsberichten nahm Standen 48 Standen, Edith A., Monuments, Fine Arts & Archives May 1945–July 1947, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.6. 49 In der Rubrik „exhibitions“ erwähnt Standen in den meisten Reports lediglich Ausstellungen in der französischen Zone oder im Ausland. Vgl. z. B. Standen, Edith A., Monthly Consolidated MFA&A Field Report, August 11, 1947, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.6. 50 Standen, Edith A., Monthly Consolidated MFA &A Field Report, July 1, 1947, NGA , Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.3. Vgl. dazu auch Rosebrock 2011, S. 311 – 316. 51 Standen, Edith A., Montly Consolidated MFA &A Field Report, May 1, 1947, NGA , Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.6. 52 [Standen, Edith A., Monuments, Fine Arts & Archives, May 1945–July 1947, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.6.

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außerdem immer wieder Bezug auf laufende Ausstellungsprojekte in der benachbarten französischen Besatzungszone, für die die französischen Beaux-­­Arts-­­Offiziere zuvor für Leihanfragen Kontakt mit der MFA&A aufgenommen hatten, so etwa eine Ausstellung deutscher Gegenwartskunst in Tübingen, eine weitere zu mittelalterlichen Manuskripten und Goldschmiedekunst im Augustinermuseum Freiburg 53 sowie Pläne für eine Ausstellung moderner französischer Kunst des 20. Jahrhunderts, für die Objekte aus der Stuttgarter Borst-­­Sammlung ausgeliehen werden sollten.54 Diese Kenntnisnahme der Projekte zur Kunst der Moderne steht in einem gewissen Kontrast zu den Ausstellungen der MFA&A in den Collecting Points, bei denen die Moderne kaum Berücksichtigung fand. Die einzige Ausstellung moderner Kunst im CCP ­Wiesbaden war jene zur Sammlung Haubrich 1947, die aber aus Beständen einer Privatsammlung zusammengestellt und nicht von Wiesbadener Personal kuratiert worden war.55 Die Ausstellung zur deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts wiederum hatte nur insofern Bezug auf die Moderne genommen, als sie ihren chronologischen Rahmen mit Max Liebermann abschloss. Theodore Heinrich spielte in seinem Katalogvorwort zu den Zeichnungen in der Ausstellung auch auf die Moderne an, indem er darauf hinwies, dass die dem Publikum vertraute, traditionelle Kunst des 19. Jahrhunderts der direkte Vorgänger der modernen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts sei und das Publikum aus dieser Kontinuität heraus eventuell Verständnis für die Moderne entwickeln könne: Wenn wir von den künstlerischen Ausdrucksformen unserer Zeitgenossen verwirrt sind, dann laßt uns auf diesen bekannteren Boden zurückkehren und mit erneuertem Vertrauen wieder vorwärtsgehen: mit Geduld und steigender Anteilnahme für ein Verständnis der Kunst unserer Zeit.56

Dass der grundsätzlichen Offenheit der MFA &A-Offiziere für die Kunst der Moderne zum Trotz keine Werke aus dieser Epoche in den Wiesbadener CCP-Ausstellungen gezeigt wurden, hatte letzten Endes vor allem praktische Gründe: Die Ausstellungen wurden überwiegend aus den Beständen der deutschen Museen zusammengestellt; die modernen Werke aus diesen Museumssammlungen waren jedoch 1937/38 den Beschlagnahmen der „Aktion Entartete Kunst“ zum Opfer gefallen. Die wichtigsten Initiativen zur Rehabilitierung der

53 Standen, Edith A., Monthly Consolidatd MFA &A Field Report, July 1, 1947, NGA , Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.6. Bei der Tübinger Ausstellung handelte es sich um die Schau „Moderne deutsche Kunst“ (10.05. – 20. 07. 1947). Vgl. Kaspar 1947. Die Freiburger Ausstellung wurde anlässlich eines französischen Archäologen-­­Kongresses organisiert, der im Juni 1947 in der französischen Besatzungszone abgehalten wurde. Société Française d’Archéologie 1949. 54 Standen, Edith, Monthly Consolidated MFA &A Field Report, August 11, 1947, NGA , Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.6. 55 Bernsau 2013, S. 302 – 306. 56 Central Collecting Point Wiesbaden (Landesmuseum) 1947, S. 14.

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als „entartet“ verfemten Moderne gingen daher in der amerikanischen Zone auf deutsche Sammler, Galeristen und Kunstvereine zurück. 1945 – 1948 etwa organisierte der Augsburger Künstlerausschuss die Reihe „Maler der Gegenwart“, die als eine der bedeutendsten zur Moderne in der unmittelbaren Nachkriegszeit gelten kann.57 Die Feststellung, dass Initiativen zu einem kulturellen Neuanfang unter Einbezug der Klassischen Moderne vor allem von deutschen Galerien, Kunsthändlern und Künstlern selbst ausgingen, machte auch Hellmut Lehmann-­­Haupt, ein MFA &A-Offizier deutscher Herkunft, der in Berlin stationiert war. Lehmann-­­Haupt veröffentlichte im Winter 1947 – 1948 im College Art Journal einen Aufsatz, in dem er die materielle und ideelle Situation der deutschen Museen evaluierte und daraus Schlussfolgerungen für die amerikanische Kultur­politik zog. Ähnlich wie seine Wiesbadener Kollegen Heinrich und Lesley stellte auch Lehmann-­­Haupt fest, dass nationalistische Interpretationen bestimmter Künstler – neben Rembrandt nannte er vor allem Albrecht Dürer, Matthias Grünewald, Caspar David ­Friedrich und Adolf von Menzel – bei deutschen Museumsleuten und Kunsthistorikern nach wie vor dominierten und diese Denkweise sich zum Teil auch in der Wiederentdeckung der Moderne spiegele, bei der vor allem der deutsche Expressionismus in den Vordergrund gerückt werde. Diese unterschwellig noch vorhandenen Denkmuster s­ eien jedoch nur eines der Probleme der deutschen Museen, die aktuell vor großen materiellen Herausforderungen stünden, aber auch inhaltlich und ideell ihren neuen Weg und ihre soziale Funktion erst finden müssten.58 Anders als amerikanische Museen, die aufgrund ihrer Finanzierung durch private Förderer und Stifter stets ihre gesellschaftliche Funktion als Kunstvermittler für ein breites Publikum unter Beweis stellen müssten, ­seien deutsche Museen mit museumspäda­ gogischer Vermittlungspraxis oder Werbung, die sie für die Öffnung ihrer Institutionen für die breite Gesellschaft brauchten, nur wenig vertraut. Die Erneuerung der deutschen Museen leide jedoch auch an einem Personal- und Nachwuchsproblem: Es fehle an ausgebildeten Kuratoren und die jüngere Generation von Kunstgeschichtsstudenten werde von einer politisch zwar unbelasteten, dafür aber überalterten Generation ausgebildet, die mit obsoleten Methoden arbeite und nicht genug von praktischen Aspekten der Museologie und dem Konzept des „service to the community“ 59 verstünde. Lehmann-­­Haupt sprach sich daher abschließend dafür aus, dass der ideelle Wiederaufbau der deutschen Museen durch Hilfe von außen erfolgen müsse. Nach einem ­kurzen Hinweis auf bereits bestehende diesbezügliche Initiativen in der sowjetischen und französischen Zone stellte er fest, dass die amerikanische und britische Militärregierung die Bedeutung der kulturellen Reorientierung bislang verkannt hätten und ein dringender Bedarf an Ausstellungen moderner Kunst, einem Austausch von Publikationen und Fotomaterial, aber auch an persönlichem Dialog durch Austauschprogramme für Kunsthistoriker, Studenten und 57 Ziegler 2006, S. 91. 58 Lehmann-­­Haupt 1947 – 1948, hier S. 122 – 124. Vgl. dazu auch Schöne 2016, S. 74 – 76. 59 Ebd., S. 125 – 126.

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Museumskuratoren bestünde. Dabei müsse insbesondere das amerikanische Spezifikum der Außenwerbung und Vermittlung von Kultur und der gesellschaftlichen Partizipation an deutsche Museumsleute kommuniziert werden.60 Zu einem ähnlichen Schluss kam etwa zur selben Zeit auch Edith Standen. Im Januar 1948, knapp ein halbes Jahr nach ihrer Rückkehr aus Deutschland, nahm sie auf der Jahresversammlung der College Art Association in einem „Report on Germany“ Stellung zur kulturellen Situation in Deutschland. Nach einer Skizze des materiellen Zustands der Museen und der MFA&A-Arbeit im Bereich Restitutionen stellte sie einleitend fest, dass die Deutschen eine Tendenz zum inneren Rückzug, einen Willen zum Vergessen des „Dritten Reichs“ und eine Neigung zur Isolation auf lokaler Ebene zeigten. In dieser Tendenz zur Isolation sah Standen die Wurzel des deutschen Nationalismus, der durch kulturpolitische Aktivitäten bekämpft werden müsse. Die Franzosen beispielsweise, so Standen, hätten dies klar erkannt, ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Ausstellungsprogramm gestartet und unterstützten deutsche Initiativen aktiv. In der amerikanischen Zone sei vor allem das Engagement der Amerika-­­Häuser positiv hervorzuheben. Bei der MFA&A-Arbeit hingegen läge ein Schwerpunkt nach wie vor auf der Restitutionsarbeit und der Kontrolle eines allmählich beginnenden kulturellen Austauschs mit den USA. Die aktuell wichtigste Aufgabe der MFA&A jedoch is summed up in the word „re-­­education“. To „observe, report and advise“ are said to be the duties of Military Government; the future of the world may depend on the advice. In the art field, America has much to offer, from new conceptions of town-­­planning to the development of the museum as a community asset. Every step taken which tends to re-­­open the closed German mind, to make the German once more a European, a citizen of the world, is a contribution to world peace. Such activities as the joint German-­­American exhibitions at the Wiesbaden Collecting Point are potent weapons in the long struggle for the re-­­building and re-­­orientation of Germany. Incidentally, the catalogue of one of these exhibitions, that of 19th century German art, is now in use as a school text; its objective and scholarly approach to the subject was originally severely criticized as showing a lack of understanding of the German soul, and the unsolicited request by the Hessian Ministry of Education for its use in the schools is a striking example of re-­­education at its most effective.61

Die Ausstellungsprojekte im CCP Wiesbaden verorteten sich aus ihrer Perspektive also durchaus im Rahmen der amerikanischen re-­­education-­­Ziele. Allerdings kritisierte Standen, dass zwei Faktoren den Erfolg der MFA&A-Tätigkeit behinderten, erstens die 1948 noch in den USA befindlichen Berliner Bilder sowie zweitens eine bei den Vorgesetzten der MFA&A weit verbreitete Gleichgültigkeit oder sogar Missbilligung ihrer kulturellen Aktivitäten, obwohl 60 Ebd., S. 126. 61 Standen und Brendel 1948, S. 212 – 213.

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sie gleichzeitig die amerikanische Kulturpolitik in den Bereichen von Musik, ­Theater und Kino unterstützten. Standen schloss daher ihren Bericht vor der College Art Association mit einem nachdrücklichen Aufruf, die MFA&A-Tätigkeiten und den Wiederaufbau des deutschen Museumswesens zu fördern.62 Lehmann-­­Haupts und Standens Plädoyers sind vor dem Hintergrund eines kulturpolitischen Wandels zu sehen, der sich bereits ab Juli 1947 mit der Verabschiedung der Direktive JCS 1779 abzeichnete. Diese griff auf die bereits 1945 von Archibald McLeish gemachten Vorschläge zu einer deutschen Partizipation an der kulturellen Erneuerung auf und baute gleichzeitig auf das im Oktober 1946 genehmigte „Cultural Exchange Program“ auf, das einen gezielten Personenaustausch ­zwischen Deutschland und den USA ermöglichte. Die Direktive JCS 1779 vereinfachte die Ein- und Ausreise von Personen nach Deutschland, die die Wiederherstellung internationaler Kulturbeziehungen befördern wollten, und erlaubte außerdem den zwischenstaatlichen Austausch kultureller Güter, etwa von Kunstwerken für den Zweck von Ausstellungen.63 Besatzungspolitisch verortete sich die Direktive in einem vom beginnenden Kalten Krieg beeinflussten Kurswechsel: Während die Direktive JCS 1067 im Jahr 1945 noch von der Kollektivschuld-­­These geprägt war und daher mit ihren Grundsatzforderungen nach Demilitarisierung, Denazifizierung und Demokratisierung einen punitiven Grundton enthielt, verabschiedete sich die Direktive JCS 1779 zunehmend von d ­ iesem Kurs. Stattdessen setzte sie verstärkt auf Kooperation mit den Deutschen, auch im Hinblick auf die Eindämmung des Kommunismus, die 1947 durch die Truman-­­Doktrin zu einem vordringlichen Ziel der amerikanischen Außenpolitik erhoben worden war.64 In Reaktion auf die Verabschiedung der Direktive wurden die Funktionen der Amerika-­ Häuser innerhalb der Information Control Division erheblich gestärkt. Bereits 1946 hatte man die Bibliotheken – die ursprünglich nur für amerikanische Besatzungsmitglieder gedacht waren – allmählich erweitert, da man ihr Potenzial als Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit erkannt hatte. 1947 erfolgte eine Erweiterung der finanziellen Mittel der Amerika-­­Häuser; darüber hinaus wurde innerhalb der Information Control Division eine Exhibitions and Information Center Branch gegründet, die mit der Zusammenstellung und Organisation von Wanderausstellungen für die Amerika-­­Häuser betraut wurde. Diese sollten vor allem Facetten des Lebensstils und der Geschichte, Kunst und Kultur Amerikas vermitteln.65 Handlungsleitend für diesen Ausbau der Funktionen der Amerika-­­Häuser war die Devise „from directive to persuasion“: Anstelle einer durch Direktiven von oben verordneten re-­education sollten die positive Selbstdarstellung in den Amerika-­­Häusern und vorgelebte demokratische Ideale nach dem Prinzip einer Graswurzelbewegung auf die deutsche ­Bevölkerung 62 63 64 65

Ebd., S. 213. Ruby 1999, S. 52 – 53. Ziegler 2006, S. 20 – 21 und S. 128; vgl. auch Hein-­­Kremer 1996, S. 158. Hein-­­Kremer 1996, S. 272 – 274, und Ruby 1999, S. 53.

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einwirken. Auch die Verwendung des positiv besetzten Begriffs der re-­­orientation anstelle der an eine von oben erzwungene Umerziehung erinnernden re-­­education spiegelte diesen Wandel wider. Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs schließlich hatte die Aufwertung der Rolle der Amerika-­­Häuser auch eine ideologische und propagandistische Rolle: Die Betonung demokratischer Werte und westlicher Lebensart sollten kommunistische Tendenzen eindämmen.66 Diese Stärkung der Kulturpolitik wurde auch von der MFA &A zur Kenntnis genommen, wie ein privates Memorandum von Edith Standen an den früheren Münchner CCP-­Direktor Craig Smyth von November 1947 zeigt, in der sie die Rückwirkungen der Direktive JCS 1779 auf die kulturellen Aktivitäten der MFA &A skizzierte.67 Darin betonte sie die aus ihrer Sicht immense Bedeutung der bildenden Künste für die re-­­education und die Überwindung der kulturellen Isolation Deutschlands und führte als Beispiel die Wiesbadener Ausstellungen an, die es dem deutschen Publikum erlaubten „to see their beloved masterpieces under American auspices and to read catalogue introductions by American scholars“ 68, was nebenbei auch das amerikanische Prestige beim gebildeten deutschen Publikum steigere. Dass das bisherige amerikanische Engagement im Bereich der Kulturpolitik so schwach gewesen sei, liege in der Struktur der Besatzungsverwaltung begründet, die über keine Kulturabteilung verfüge, die in ihrer Zuständigkeit als angemessenes Äquivalent der deutschen Kultusministerien fungieren könne. Zwar sei die MFA &A de facto am ehesten als Ansprechpartner für diese geeignet; jedoch habe man von den Vorgesetzten bei der Restitution Branch und der Property Division immer wieder signalisiert bekommen, dass ein solches kulturpolitisches Engagement nicht erwünscht sei und man sich auf das Resti­ tutionsprogramm zu konzentrieren habe. Die durch die JCS 1779 beförderte Gründung einer Exhibition and Information Center Branch bei der ICD beurteilte Standen vor ­diesem Hintergrund grundsätzlich positiv. Kritisch sah sie allerdings, dass mit der Information Control Division eine Abteilung mit Ausstellungspolitik betraut wurde, die zum einen ohnehin mit einem hohen Aufgabenpensum belastet war und deren Offiziere zum anderen nicht über das nötige Spezialwissen insbesondere für Kunstausstellungen verfügten. Überdies sei nicht vorgesehen, dass die ICD sich inhaltlich und konzeptionell mit der fachlich viel qualifizierteren MFA &A austausche, die ihrerseits keine Möglichkeiten habe, Material für größere Kunstausstellungen zu beschaffen:

66 Ruby 1999, S. 49 – 50, und Hein-­­Kremer 1996, S. 301 – 302. Zu dem Stellenwert der Amerika-­­Häuser in der amerikanischen Kulturpolitik und ihren langfristigen Wirkungen auf die Amerikanisierung der westdeutschen Alltagswelt und der politischen Westernisierung der Bundesrepublik, vgl. auch Doering-­­Manteuffel 1999, S. 65  –  68. 67 Standen, Edith, Note to Craig Hugh Smyth on Cultural Activities of the MFA &A officers in Germany, November 13, 1947, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.1. 68 Ebd.

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As things stand, the right hand does not know what the left hand is doing; the man with the „know-­­how“ (the MFA&A officer) has no contact with the man with the goods (the ICD ­officer). Similarly, the 100 well-­­chosen color slides of American paintings now in the Information Centers are not being used by the people who need them most, the museum directors, owing to the ignorance of the MFA&A officers of their availabilities.69

Nach aktuellem Stand der Dinge engagierten sich zwar einzelne MFA&A-Offiziere durchaus für kulturelle Angelegenheiten. Dieses Engagement geschehe jedoch „without the support of the MFA&A Section, OMGUS, and in some cases under the handicap of its implied or explicit disapproval.“ 70 Es sei daher dringend erforderlich, dass auch übergeordnete Stellen in OMGUS anerkannten, dass die MFA&A für kulturelle Aktivitäten qualifiziert sei. Craig Hugh Smyth, der Adressat von Standens Memorandum, war zu dieser Zeit für die Frick Collection in New York tätig, unterhielt jedoch nach wie vor Kontakte ins War Department, wo er sich im Februar 1948 mit General Clays Kulturberater traf. Zum Zeitpunkt des Treffens war die Gründung einer Cultural-­­Affairs-­­Abteilung der amerikanischen Militärregierung, in der die verschiedenen mit kulturellen Fragen befassten Abteilungen wie ICD und MFA &A zusammengeführt werden sollten, bereits im Gespräch. Smyth sprach sich gegenüber dem War Department darüber hinaus dafür aus, dass im Rahmen des deutsch-­­amerikanischen Cultural Exchange Program verstärkt auch deutsche Kunstexperten die Möglichkeit erhalten sollten, in die USA zu reisen.71 Tatsächlich erfolgte Ende 1948 im Aufgabenprofil der MFA &A eine Verschiebung zugunsten einer Stärkung der Kulturpolitik. Mit dem formalen Ende des Restitutionsprogramms im Dezember 1948 wurde die MFA&A der neu gegründeten Cultural Affairs Branch innerhalb der Education & Cultural Relations Division (E&CR) zugeordnet.72 De facto verblieben zu ­diesem Zeitpunkt nur noch sehr wenige amerikanische Offiziere in der MFA&A, deren Zuständigkeiten entsprechend angepasst wurden: Edgar Breitenbach und Theodore ­Heinrich zum Beispiel wurden 1949 als Cultural Affairs Officers nach Bad Nauheim versetzt, wo Breitenbach als Ansprechpartner für „Fine Arts“ fungierte, während Heinrich den Museumsbereich betreute.73 Stephan P. Munsing wurde in München – zeitweise zusätzlich zu seinen Funktionen als CCP-Direktor – zum Leiter des dortigen Amerika-­­Hauses berufen, das im Frühjahr 1948 in den Südtrakt des ehemaligen „Führerbaus“ einzog und sich somit in unmittelbarer Nachbarschaft zum CCP befand.74 69 Ebd. 70 Ebd. Vgl. dazu auch Schöne 2016, S. 76 – 77. 71 Smyth, Craig Hugh, Letter to Edith Standen, February 12, 1948, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.12. 72 Kurtz 2006, S. 127. 73 Ruby 1999, S. 55. 74 Lauterbach 2015, S. 198.

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Die steigende Bedeutung von Kunst für die re-­­orientation führte auch dazu, dass im Rahmen des „Visiting Experts Program“, bei dem amerikanische Fachleute die Besatzungszone bereisen und auf der Basis ihrer Beobachtungen Vorschläge zur weiteren Gestaltung der US-Besatzungspolitik formulieren sollten, rund 30 Experten für die E&CR nach Deutschland geschickt wurden. Für das Museums- und Ausstellungswesen wurde W. G. Constable, ein Kurator des Bostoner Museum of Fine Arts, zuständig, der ­zwischen Februar und Juni 1949 die US-Zone bereiste und in Briefkontakt mit Theodore Heinrich und Edgar ­Breitenbach stand.75 Constables Feststellungen bezüglich des deutschen Museumswesens stehen in einer direkten Kontinuität zu Hellmut Lehmann-­­Haupts Bericht: Auch er bescheinigte den Museen fachliche Rückständigkeit, Überalterung und Generationenkonflikte beim Personal, eine einseitig nationale Ausrichtung, Beschränkung auf ein künstlerisch vorgebildetes Elitenpublikum und mangelndes Interesse an einem erzieherischen Einwirken auf die Gesellschaft. Auch seine Beobachtungen waren geprägt vom Vergleich mit der amerikanischen Tradition der für ein breites Publikum bestimmten Kunstmuseen. Daher forderte Constable für die Zukunft der deutschen Museen eine grundsätzliche Öffnung und Demokratisierung, die unter anderem durch Austauschprogramme z­ wischen deutschen und amerikanischen Institutionen sowie die multilaterale Vernetzung Deutschlands in internationalen Vereinigungen für die Künste erreicht werden sollte.76 Für die Einbindung der deutschen Kulturszene in internationale Netzwerke sollten auch Kunstausstellungen eine Schlüsselrolle spielen. Mit Blick auf das französische Vorbild plädierte Constable für ein amerikanisches Ausstellungsprogramm, bei dem er drei mögliche Typen unterschied, nämlich Kunstausstellungen, die mit in Deutschland befindlichen Werken organisiert werden konnten, interzonale alliierte Kooperationen – unter die z. B. die Übernahme französischer Ausstellungen in die US-Zone fielen – und schließlich Projekte mit Material aus den USA . Grundsätzlich sprach sich Constable eher gegen die Ausstellung alter Meister aus deutschen Schulen aus, um den latenten Nationalismus nicht weiter zu befördern; bei moderner und zeitgenössischer Kunst hingegen könne durchaus deutsche Kunst gezeigt werden, die jedoch sorgfältig ausgewählt werden müsse. Auch für Ausstellungen mit amerikanischer Kunst, die eigens aus den USA überführt werden müsse, befürwortete Constable eher eine Präsentation von zeitgenössischer Kunst (Malerei und Grafik), Industriedesign und Architektur.77 Constables Abschlussbericht wurde in der amerikanischen Militärregierung nur wenig rezipiert; auch die Education & Cultural Relations Division der HICOG -Verwaltung griff seine Konzepte für die Kunstförderung in den künftigen deutsch-­­amerikanischen Kulturbeziehungen nicht weiter auf. Gründe für die mangelnde Berücksichtigung seiner Vorschläge waren ein starker Personalabbau in der amerikanischen Besatzungsverwaltung 75 Ruby 1999, S. 54 – 55. 76 Ebd., S. 55 – 58, und Schöne 2016, S. 80 – 87. 77 Constable, W. G., Notes on an exhibition, for Dr. Grace, April 1, 1949, NARA, RG 260, A 1, Entry 622, M1921, Roll 3.

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und die vorherrschende Ansicht, dass die Amerika-­­Häuser des ICD ausreichten, um die transatlantischen Kulturbeziehungen zu fördern. Noch dazu war zum Zeitpunkt, als Constable die intensive Förderung der zeitgenössischen Kunst betonte, innerhalb der USA eine Debatte um deren Wert entbrannt, die ihre Nutzung für die Kulturvermittlung in Deutschland weiter infrage stellte. Daher schlugen Constables Konzepte sich letztlich weniger in den offiziellen Linien der E&CR Division nieder, sondern wurden vorwiegend durch die individuellen Initiativen einzelner Cultural Affairs Adviser oder informelle, abseits der Besatzungsverwaltung organisierte Formen der Kunstförderung praktisch umgesetzt.78 Das Ausstellungsprogramm, das Stephan Munsing ab 1949 im Münchner Amerika-­ Haus umsetzte, zeugte beispielsweise von einer Präferenz für die Klassische Moderne sowie Gegenwartskunst und amerikanisches Design. Den Auftakt bildete 1949 die Ausstellung „Kunstschaffen in Deutschland“, die konzeptionell von der Tübinger Schau „Moderne deutsche Kunst“ von 1947 inspiriert war und zuvor bereits in Zürich Station gemacht hatte. Sowohl diese als auch die erste Ausstellung der im Juli 1949 ins Leben gerufenen Künstlergruppe der „Gegenstandslosen“ (später ZEN 49) fanden im Lichthof des Central Collecting Point statt, der somit nach dem formalen Abschluss des Restitutionsprogramms und der weitgehenden Übergabe der Zuständigkeiten in deutsche Treuhänderschaft vermehrt als Kulturzentrum fungierte.79 Tatsächlich hob Munsing im Katalog zu „Kunstschaffen in Deutschland“ ganz bewusst den Ort der Ausstellung hervor und spielte darauf an, dass die gegenwärtige Nutzung des ehemaligen „Führerbaus“ mit seinen Funktionen aus der NS-Zeit kontrastierte. Hatte bereits die Nutzung des Gebäudes als Collecting Point für eine – wie Iris Lauterbach es ausdrückt – „Austreibung der Dämonen“ gesorgt, so konsolidierte sich mit dem Ausstellungsbetrieb des Amerika-­­Hauses die kulturelle Nutzung des Gebäudes, die auch aufgrund der ausgestellten Inhalte – der ehemals verfemten Moderne – ganz im ­­Zeichen des Bruchs mit der NS-Zeit und des Neuanfangs stand.80 Auf diesen Bruch nahm auch das deutschsprachige Katalogvorwort des Kunsthistorikers Alfred Jantzen Bezug, der eine kunsthistorische Einordnung der ausgestellten Kunstrichtungen vornahm, in der er sowohl die Verfemung der Moderne im „Dritten Reich“ als auch ihre Kontinuität im Exil und die europäischen und transatlantischen Kontakte der deutschen Künstler der Moderne betonte.81 In einer direkten Kontinuitätslinie von der Moderne zur Gegenwart schloss sich an diese Ausstellung ein Jahr später die erste zur gegenstandslosen Malerei der Gruppe ZEN 49 an. Spätere Ausstellungen, die von Munsing 1950 und 1951 organisiert wurden, spiegeln noch deutlicher den Einfluss von Constables Konzeptionen wider: 1951 stellte Munsing u. a. zeitgenössische amerikanische Malerei und Plastik sowie amerikanisches „Industrial 78 79 80 81

Schöne 2016, S. 87 – 91. Vgl. Lauterbach 2015, S. 206 – 207. Vgl. dazu Lauterbach 2015, S. 16 und S. 19. Munsing 1949, S. 1 – 4.

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Design“ aus.82 Auch Edgar Breitenbach, der ab November 1949 die Museums, Fine Arts & Libraries Section der E&CR-Division von HICOG leitete, konzipierte Ausstellungen zu amerikanischer Grafik, Architektur und Design, die allerdings nicht immer in die Praxis umgesetzt wurden.83 Die von Edith Standen bereits 1947 geforderte Einbindung des in Kunstbelangen qualifizierten MFA &A-Personals in die amerikanische Kulturpolitik war somit spätestens 1949 gelungen: Sowohl Munsing als auch Breitenbach waren ausgehend von ihrer MFA&A-Tätigkeit zu kulturellen Vermittlern geworden, die deutsche zeitgenössische Kunst und die amerikanische Gegenwartskultur für ein deutsches Publikum aufbereiteten. Zeitweilig bedeutete dies für beide eine doppelte Zuständigkeit für Restitutionsfragen und Kulturpolitik. Insgesamt hatten sich 1949 jedoch die Prioritäten im Verhältnis von Restitution und Kulturpolitik verschoben: Während die Restitutionen nur noch übergangsweise verwaltet und so vollständig wie möglich in deutsche Hände übergeben werden sollten, wurde die amerikanische Kulturpolitik stärker denn je befördert. Insbesondere die Forschungen von Sigrid Ruby und Ulrike Ziegler, aber auch die Arbeit von Maritta Hein-­­Kremer zu den Amerika-­­Häusern haben diese Intensivierung der amerikanischen Kulturpolitik im direkten Zusammenhang mit dem Ost-­­West-­­Konflikt gesehen. Während Hein-­­Kremer die Umfunktionierung der Amerika-­­Häuser zu antikommunistischen „outposts“ frühestens für den Beginn der 1950er Jahre ansetzt 84, sieht Ziegler bereits ab 1947 erste Tendenzen zu einer Ideologisierung der amerikanischen Kultur- und Ausstellungspolitik im ­­Zeichen des Kalten Kriegs. So interpretiert Ziegler vor allem die Ausstellung der 202 in die USA überführten und 1948/49 zurückgegebenen Berliner Bilder im CCP Wiesbaden als demonstrative amerikanische Selbstinszenierung in Abgrenzung zur Sowjetunion: Während sowjetische Trophäenkommissionen systematisch Kunstwerke erbeutet hätten, zeigten sich die USA um die Bewahrung deutscher Kulturtraditionen bemüht.85 Darüber hinaus ordnet Ziegler jedoch auch deutsche und amerikanische Ausstellungen zu moderner und zeitgenössischer Kunst ab 1948 in ein antikommunistisches Interpretationsmuster ein. Ausstellungen wie die in deutsch-­­amerikanischer Kooperation entstandene Schau „American non-­­objective painting“ in der Kunsthalle Karlsruhe 86 oder die deutsch-­­französische Kooperation für die Ausstellung „Französische abstrakte Malerei“ in Stuttgart, beide 1948, 82 83 84 85 86

Lauterbach 2015, S. 215. Ruby 1999, S. 97 – 101. Hein-­­Kremer 1996, S. 545 – 554. Vgl. auch Kreis 2015, S. 145 – 146. Ziegler 2006, S. 142 – 144. Die Ausstellung ging auf Kontakte Kurt Martins zur in den USA lebenden deutschen Künstlerin Hilla von Rebay zurück, die als Beraterin von Solomon Guggenheim fungierte und eine Schlüsselposition in der Förderung der europäischen Avantgarde-­­Kunst in den USA einnahm. 1947 stellte Hilla von Rebay ungegenständliche amerikanische Kunst im Pariser „Salon des Réalités Nouvelles“ aus; diese Kunstwerke wurden anschließend auch in Karlsruhe gezeigt und gingen auf eine Tournee durch mehrere weitere deutsche Städte. Rosebrock 2011, S. 316 – 325.

Die MFA&A als Kunstvermittler  I  253

betonten das Element der Völkerverständigung; darüber hinaus werde die Abstraktion als Form freier Kunstentfaltung interpretiert, wie sie nur freien Menschen in einer Demokratie möglich sei. Ausstellungen von Werken alter Meister hingegen beschworen die europäische Gemeinschaft und den Abendlandgedanken.87 Sigrid Ruby wiederum geht davon aus, dass erst in den frühen 1950ern ein Umschwung der amerikanischen Deutschlandpolitik erfolgte, der auch die auswärtige Kultur- und Informationspolitik in den Dienst antikommunistischer Propaganda stellte. Ruby k­ onstatiert jedoch, dass die zeitgenössische amerikanische Kunst gerade nicht als geeignetes Mittel galt, um die Überlegenheit des westlichen Systems breitenwirksam zu demonstrieren; vielmehr traten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst zu dieser Zeit in den Hintergrund, weil sie selbst innerhalb der USA politisch umstritten waren.88 Auch den Erfolg des amerikanischen Abstrakten Expressionismus in Westeuropa ab ca. 1958 führt Ruby nicht auf einen gelungenen amerikanischen Kulturimperialismus zurück, der diese Kunstrichtung offensiv durch Ausstellungen propagiert hätte. Dennoch hält sie fest, dass sein Erfolg durchaus durch den Kalten Krieg bedingt war, da auf der Ebene der Kunst die Abstraktion des Westens und der sozialistische Realismus der Ostblockstaaten einander ideologisch gegenüberstanden.89 Für die Bewertung der kulturpolitischen Aktivitäten der MFA&A leiten sich aus der Kontextualisierung der amerikanischen Kulturpolitik in der ideologischen Frontstellung des Kalten Kriegs zwei Fragen her. Erstens wirft Zieglers antikommunistisches Interpretationsmuster für die Kunstausstellungen ab 1948 die Frage auf, inwieweit die MFA&A-Beiträge zur amerikanischen Kulturpolitik eine ­solche Interpretation zulassen oder nicht. Akteure wie Theodore Heinrich und Edith Standen argumentierten zwar durchaus mit dem Schlagwort der „western civilization“ oder dem kulturpolitischen Ziel „to make the German once more a European, a citizen of the world“ 90. Die Argumentation, wonach der deutsche Nationalismus überwunden und die deutsche Bevölkerung auch über die Kunst wieder Teil einer europäischen Kulturgemeinschaft werden sollte, entspricht durchaus dem besatzungspolitischen Ziel der Westintegration, das ab 1947 vor dem Hintergrund des Ost-­­West-­­Konflikts vordringlich wurde. Eine dezidiert antikommunistische Zielsetzung der Ausstellungen, an denen die MFA&A beteiligt war, lässt sich jedoch nicht nachweisen. Allenfalls die politischen Memoranden General Clays um die Rückgabe der 202 Berliner Bilder aus dem Jahr 1948 enthalten Hinweise darauf, dass diese in der Tat als antisowjetische Propaganda dienen sollte.91

87 88 89 90 91

Ziegler 2006, S. 147 – 150. Ruby 1999, S. 101 – 102. Ebd., S. 235 – 236. Standen und Brendel 1948, S. 212. „The German people would be most responsive to Communist propaganda along these lines, particularly in view of the statement made by the President of the United States at the time the pictures were sent to the United States that they would be returned to the German people when conditions permitted their safekeeping. It is difficult for me to believe that the majority of the

254 I Kulturpolitische Impulse in der amerikanischen Besatzungszone

Die Feststellung, dass das Besatzungsziel der Westintegration zu einer Intensivierung der amerikanischen Kulturpolitik beitrug, leitet zweitens zu der Frage über, wie sich Resti­ tutions- und Kulturpolitik zueinander verhielten und ob der Primat der Westintegration und die Stärkung der Kulturpolitik dazu führten, dass der Abschluss des amerikanischen Restitutionsprogramms vor allem ab 1947 stärker vorangetrieben wurde. Der Vergleich mit Frankreich lässt vermuten, dass dies der Fall war. In der französischen Besatzungszone wurde ab 1951 das Restitutionsprogramm des Service de Remise en Place des Œuvres d’Art eingeschränkt und schließlich aufgelöst, weil das revanchistische Beharren auf der Kunstrestitution nicht mehr zur deutschlandpolitischen Linie passte, die zunehmend auf Aussöhnung und europäische Integration einschwenkte. Analog ergäbe sich also die These, dass auch die USA das Restitutionsprogramm als Teil der eher punitiven Besatzungspolitik der ersten Jahre nach 1945 sahen und sich von Restitutionen distanzierten, als die Westintegration sich als politisches Leitbild durchsetzte. Sowohl die interne Betrachtung der amerikanischen restitutionspolitischen Entwicklungen als auch Edith Standens Erfahrungsberichte zum Verhältnis von Kulturpolitik und Restitution innerhalb der MFA&A legen jedoch nahe, dass eine Verdrängung der Restitutionsinteressen durch die Kulturpolitik eher nicht der Fall war. Der rasche Abschluss der kulturellen Restitutionen und die Übergabe der Zuständigkeiten in deutsche Hände war auf politischer Ebene schon sehr frühzeitig angestrebt worden, noch bevor die Kulturpolitik an Bedeutung gewann. Auch nachdem 1947 durch die Einrichtung der Exhibition and Information Center Branch der ICD eine erste Aufwertung der Kulturpolitik erfolgt war, wurde diese zunächst nicht in Bezug zu den MFA&A-Experten gesetzt, da übergeordnete Stellen das Potenzial der kunsthistorisch ausgebildeten Offiziere für die Umsetzung kulturpolitischer Ziele verkannte.92 Ein direkter Zusammenhang z­ wischen der schrittweisen Aufwertung der Kulturpolitik und dem Ende des Restitutionsprogramms ist daher nicht feststellbar.

members of Congress would desire to retain these pictures, thus seriously damaging our national reputation in Germany and in Central Europe. It seems to me that such action could well place us in the same position as the Soviet representatives who allegedly took the Cistine [sic] Madonna to Moscow so that it would be ‚Safekeeping‘. In point of fact, the return of these pictures in the light of the well-­­known works of art taken from Germany to the Hermitage in Moscow, would be better understood as representing Americas real stand in the world than thousands of words over the voice of America and in our overt American publication. It seems to me that we are prepared to spend millions for propaganda and billions for recovery while undertaking actions which destroy the value of our recovery expenditures.“ Clay, Lucius D., Telegram to the Army Department on the Berlin 202, undated, NARA, RG 260, A 1, Entry 497. 92 Standen, Edith, Note to Craig Hugh Smyth on Cultural Activities of the MFA &A officers in Germany, November 13, 1947, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.1. Vgl. dazu auch Deshmukh 1994, S. 421.

Die MFA&A als Kunstvermittler  I  255

5.2 Die Gründung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte Neben Ausstellungstätigkeiten an den CCP s und der allmählichen Einbindung in die amerikanische Kulturpolitik war die MFA&A noch für eine weitere kulturelle Initiative impulsgebend: die Gründung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte (ZIKG ) in München. In Forschungen des Zentralinstituts zur eigenen Institutionengeschichte, aber auch in Veröffentlichungen zum Central Collecting Point ist diese Gründung bereits mehrfach dargestellt worden.93 Im Folgenden soll daher nur kurz auf die Frage eingegangen werden, wie stark der amerikanische Einfluss dabei war und inwieweit man ihn als Beispiel für einen Kulturtransfer im Bereich der Kunstgeschichte betrachten kann. Im Allgemeinen gilt der Münchner CCP-Direktor Craig Hugh Smyth als geistiger Gründervater des Zentralinstituts. In seiner 1988 veröffentlichten Lecture an der Universität Groningen zum CCP München gibt Smyth an, dass er die für den CCP nutzbar gemachten Partei­ gebäude am Königsplatz von Anfang an als „likely place for postwar study of the history of art“ 94 betrachtet habe. Die Bibliothek des CCP, die ab Herbst 1945 von den Mitarbeitern und von allen europäischen Repräsentanten für Identifizierungen und Recherchen zu Kunstwerken genutzt wurde, habe sowohl die Infrastruktur als auch die Atmosphäre für kunsthistorische Forschungen geboten, sodass der Gedanke an den Aufbau eines kunsthistorischen Forschungsinstituts naheliegend gewesen sei, um den am CCP in Gang gekommenen internationalen wissenschaftlichen Austausch fortzusetzen und in einen dauerhaften institutionellen Rahmen zu überführen. An den Überlegungen ­seien auch deutsche Mitarbeiter beteiligt gewesen.95 Im Winter 1945 – 46 sei außerdem Wolfgang Lotz, ehemals Mitarbeiter am Kunsthistorischen Institut Florenz, zu der Gruppe gestoßen. Lotz hatte nachhaltigen Einfluss auf die Konzeption des Münchner Zentralinstituts, für das er das Florentiner Institut als Modell heranzog, und auf ihn ging auch der Vorschlag zurück, dessen ehemaligen Direktor, Ludwig Heydenreich, zum Direktor des ZIKG zu ernennen. Vor seiner Rückkehr in die USA suchte Smyth Heydenreich dann auch im Frühjahr 1946 in Mailand auf, um ihm die Stelle anzutragen.96 Die Institutsgründung musste zunächst sowohl von der amerikanischen Militärregierung genehmigt als auch mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und dem Finanzministerium besprochen werden, da die Finanzierung des Instituts in den Händen des Freistaats Bayern liegen sollte.97 Nachdem die bayerischen Ministerien und

93 Lauterbach 1997 und Lauterbach 2010. Vgl. außerdem Lauterbach 2015, S. 175 – 184. 94 Smyth 1988, S. 56. 95 Konkret nannte Smyth hier Erika Hanfstaengl, die Tochter des BS tGS -Direktors Eberhard ­Hanfstaengl, Hans Konrad Röthel, Willibald Birkmeyer, Ordenberg Bock von Wülfingen und Karl Theodor Müller.Ebd. 96 Ebd. 97 [Röthel, Hans Konrad], Denkschrift über die Gründung eines Kunsthistorischen Zentralinstituts in München, [1946], NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 3.4.

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OMGB dem Projekt ihre Zustimmung erteilt hatten, gab das Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 8. November 1946 die Gründung des Instituts bekannt, das am 1. März 1947 seine Tätigkeit aufnahm. Es stand bis März 1948 unter der kommissarischen Leitung von Wolfgang Lotz, da der Umzug des designierten Direktors Ludwig Heydenreich nach München sich aufgrund seines Entnazifizierungsverfahrens verzögerte.98 Die Aufgaben des Zentralinstituts wurden 1946 erstmals in einer wahrscheinlich von Hans Konrad Röthel abgefassten Denkschrift skizziert und finden sich außerdem in einem von Wolfgang Lotz anlässlich des Arbeitsbeginns des Instituts aufgesetzten Grundsatzdokument wieder.99 Beide Schriftstücke nannten als Aufgaben des ZIKG zunächst seinen materiellen Aufbau, d. h. den Ausbau der vom CCP München verfügbar gemachten Bibliothek, die zum Teil auf Beständen beschlagnahmter NS-Bibliotheken basierte, sowie die Schaffung einer Fotothek. Die inhaltlichen Aufgaben des Instituts gliederten sich in Forschung, Lehre und der Arbeit an Publikationen und sollten sich auf „die Erforschung und Darstellung der Geschichte der europäischen Kunst von der frühchristlichen Zeit bis zur Gegenwart [erstrecken].“ 100 Im Bereich der Lehre strebte das Zentralinstitut Vortragsreihen mit Diskussionen und Kurse für Museumskunde und Denkmalpflege an, die in Kooperation mit den benachbarten Münchner Museen und dem Landesamt für Denkmalpflege stattfinden sollten. Außerdem sollten Stipendien für Nachwuchsforscher vergeben und Ferienkurse für deutsche und ausländische Studenten ermöglicht werden. Publizistisch wurde das ZIKG ab 1948 durch die Gründung der Kunstchronik als monatlich erscheinender Zeitschrift für Kunstgeschichte aktiv.101 Die Konzeption der Aufgaben des Zentralinstituts erfolgte überwiegend durch deutsche Kunsthistoriker und Museumsleute. Smyth unterstützte die ZI-Gründung vor allem, indem er den Kontakt zum künftigen Direktor Ludwig Heydenreich aufnahm, der ebenso wie Smyth in seinem Studium Erwin Panofskys Vorlesungen gehört hatte.102 Nach seiner Rückkehr in die USA schrieb Smyth verschiedene amerikanische Kunsthistoriker an, um bei ihnen Werbung für das Institut und seine Zielsetzungen zu machen.103 Um ein breiteres Interesse des amerikanischen Fachpublikums zu wecken, publizierte er außerdem im Sommer 98 Sauerländer 1997, S. 32 – 33, und Lauterbach 2015, S. 178 – 179. 99 [Röthel, Hans Konrad], Denkschrift über die Gründung eines Kunsthistorischen Zentralinstituts in München, [1946], NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 3.4. 100 Lotz, Wolfgang, Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, 1. März 1947, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 3.4. 101 Ebd. 102 Sauerländer 1997, S. 31. 103 Smyth, Craig Hugh, Letter to Prof. Walter S. Cook on the establishment of the Zentralinstitut für Kunstgeschichte, September 24, 1946, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 3.4. Vgl. dazu auch Cook, Walter W.S, Letter to Edwin C. Rae on the creation of the Zentralinstitut für Kunstgeschichte in Munich, September 26, 1946, NARA, RG 260, A1, Entry 514, M1946, Roll 11, und Rae, Edwin C., Answer to Walter Cooks letter pertaining to the creation of the Zentralinstitut für Kunstgeschichte in Munich, October 11, 1946, NARA, RG 260, A1, Entry 514, M1946, Roll 11.

Die Gründung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte  I  257

1947 im College Art Journal einen Bericht über die Gründung des Instituts, in dem er dessen Funktion als Verbindung aus Institute for Advanced Studies und Graduate School betonte, das auch Fellowships anbieten und somit vor allem Nachwuchsforscher aus Deutschland und dem Ausland anziehen sollte. In Anlehnung an die Konzeptionen von Lotz und Röthel erwähnte er für den Bereich der Lehre die geplanten Kooperationen mit der Münchner Universität, dem Landesamt für Denkmalpflege sowie den Museen. Für die enge Kooperation mit den Museen könne das ZI vor allem von der Lagerung der BStGS-Bestände im benachbarten Collecting Point profitieren, was eine praxis- und objektbezogene Forschung ermögliche. Somit, so schloss Smyth, sollte das ZI in der Lage sein, to offer a scholarly training of depth and scope to a new generation of students, in whom discernment and sensitivity have had little encouragement for many years. The institute hopes that foreign scholars may eventually come there to study and that exchanges of foreign and German students can someday be made. Beginning now with the help of the Monuments and Fine Arts Section of the United States Military Government, the new institute has an opportunity to make a valuable contribution to the regeneration of Germany’s cultural life.104

In Übereinstimmung mit Archibald McLeishs Grundidee, dass die kulturelle Erneuerung Deutschlands vor allem durch die Partizipation der Deutschen selbst erfolgen müsse, waren die Amerikaner also Impulsgeber bei der Gründung des Instituts und traten dafür ein, dass es die internationale Anerkennung erhielt, die es für seine Etablierung benötigte. Der Aufbau des Instituts selbst und seine inhaltlichen Konzeptionen wurden jedoch weitgehend den deutschen Institutsgründern überlassen. Zwar fällt auf, dass sowohl Craig Smyth als auch Lotz und Röthel in ihren Denkschriften, Konzeptpapieren und Berichten das Princetoner Institute for Advanced Studies sowie das amerikanische Prinzip der Graduate School als Vorbilder hervorhoben.105 Gerade der Rückbezug auf Princeton, wo die Kunstgeschichte nicht zuletzt aufgrund der Lehre emigrierter deutscher Kunsthistoriker stark von deren kunsthistorischen Traditionen geprägt war, lässt vermuten, dass das ZIKG als Ort konzipiert wurde, an dem diese kunsthistorischen Ansätze und Methoden, durch Emigration und amerikanische Einflüsse transformiert, zurückübertragen werden sollten.106 Die Idee, in Kooperation mit den Münchner Museen bzw. anhand der im CCP zwischengelagerten

104 Smyth 1947, S. 299 – 300. 105 Vgl. dazu Hans Konrad Röthels Denkschrift: „Entsprechend den amerikanischen Graduate Schools und dem ‚Institute for Advanced Study‘ in Princeton sollen Fortbildungs- und Forschungsmöglichkeiten sowohl für die Absolventen der Universität, [sic] wie für die Gelehrten geschaffen werden. Stipendien für Arbeitsplätze am Institut sind anzustreben. Ferner ist der Austausch deutscher und ausländischer Gelehrter zu vermitteln.“ [Röthel, Hans Konrad], Denkschrift über die Gründung eines Kunsthistorischen Zentralinstituts in München, [1946], NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 3.4. 106 Vgl. dazu Panofsky 1975, hier S. 384 – 389, Smyth 1993, hier S. 76 – 77, und Michels 1999, S. 43 – 44.

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Bestände der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen museumspraktische Kurse anzubieten, erinnert im Übrigen an den Museum Administration Course von Paul Sachs in Harvard und deutet an, dass auch im museologischen Bereich versucht werden sollte, amerikanische Traditionen nach Deutschland zu bringen. Dennoch scheint sich die ZIKG-Gründung insgesamt nur wenig auf diese amerikanischen Vorbilder bezogen zu haben. Für die Kooperation des Instituts mit den Münchner Universitäten etwa wies selbst Craig Smyth vielmehr auf das Wiener Vorbild einer Kooperation ­zwischen Kunsthistorischem Institut und Universität hin. Aus Sicht der deutschen Institutsgründer wiederum standen de facto vor allem die deutschen kunsthistorischen Auslandsinstitute in Italien, also das Kunsthistorische Institut in Florenz und die Bibliotheca Hertziana in Rom, für die Münchner Gründung Pate. Die Rückbesinnung auf diese traditionsreichen Institute war wenig überraschend. Mit Ludwig Heydenreich, Wolfang Lotz und dem 1947 als Bibliothekar zum Mitarbeiterstab des ZIKG dazu gestoßenen Otto Lehmann-­­Brockhaus waren gleich drei ehemalige Mitarbeiter derselben in München vertreten; alle drei hatten die ungewisse Zukunft der Auslandsinstitute klar vor Augen, deren Bestände vor Kriegsende in Auslagerungsdepots überführt und vorläufig von den amerikanischen Behörden beschlagnahmt worden waren. Röthel schlug daher in seiner Denkschrift vor, dass das Zentralinstitut für Kunstgeschichte vorübergehend die treuhänderische Verwaltung zumindest der Bibliothek des Florentiner Kunsthistorischen Instituts übernehmen solle, bis geklärt sei, ob es wiedereröffnet würde. Dieser Vorschlag wurde allerdings nicht in die Praxis umgesetzt, auch wenn die ideelle Anknüpfung des Münchner Instituts an die italienischen Vorbilder durchaus auch Thema der Vorgespräche z­ wischen Smyth und ­Heydenreich gewesen war.107 Die Rückbesinnung auf deren Funktionen entsprach zugleich einer allgemeinen Tendenz, durch internationalen Austausch einerseits die kulturelle Isolation Deutschlands zu überwinden und einen Neubeginn zu schaffen, andererseits aber auch auf kunsthistorische Traditionen aus der Zeit vor dem NS zurückzugreifen.108 Aus Röthels Denkschrift etwa spricht die Überzeugung, dass der kulturelle Wiederaufbau mit Hilfe von Kunst und Wissenschaft nur möglich sei, „wenn wir trotz der bestehenden Schwierigkeiten die eigene saubere und anspruchslose Arbeit aus der Zeit vor der politischen Brunnenvergiftung wieder aufnehmen und fortsetzen.“ 109

107 [Röthel, Hans Konrad], Denkschrift über die Gründung eines Kunsthistorischen Zentralinstituts in München, [1946], NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 3.4. Vgl. auch Lauterbach 2010, S. 15. 108 Bezeichnenderweise wurde dabei der Umstand, dass die italienischen Institute in der NS-Zeit fortbestanden hatten und ihrerseits kunsthistorische Forschungen und kulturpolitische Funktionen ausgeübt hatten, ausgeklammert. Zur Rolle des Kunsthistorischen Instituts Florenz im Zweiten Weltkrieg, vgl. z. B. Caraffa und Goldhahn 2011. 109 [Röthel, Hans Konrad], Denkschrift über die Gründung eines Kunsthistorischen Zentralinstituts in München, [1946], NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 3.4.

Die Gründung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte  I  259

Für die ZIKG -Gründung kann daher nur sehr bedingt von einem Kulturtransfer ausgegangen werden, bei dem amerikanische Modelle von Universitäten und Forschungsinstituten übertragen wurden. Die Frage, inwieweit nach der Institutsgründung letztlich dennoch amerikanische kunsthistorische Traditionen – die partiell durch aus Deutschland emigrierten Kunsthistorikern beeinflusst war – auf die inhaltliche Gestaltung von Forschungsprogrammen und Lehre hatten, muss an dieser Stelle vorerst offen bleiben. Eine angemessene Beantwortung würde sowohl eingehende Studien der amerikanischen Kunstgeschichte der 1930er und 1940er Jahre als auch eine detaillierte Untersuchung des Forschungsprogramms des Zentralinstituts im ersten Jahrzehnt seines Bestehens erfordern, die den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen würden. Feststellbar ist zumindest, dass der von deutscher wie amerikanischer Seite angestrebte internationale Charakter von Anfang an durch die direkte Nachbarschaft und den Austausch mit dem CCP München sowie die Unterstützung des Instituts durch amerikanische Kunsthistoriker und Institutionen gewährleistet war. So nahm die Vortragsreihe, die im März 1947 durch das ZI initiiert wurde, direkten Bezug auf die Bestände des Collecting Point, da die Vorträge im Bibliothekssaal des ZI sich auf Objekte aus dem CCP als Anschauungsmaterial stützen konnten. Generell wurde die gemeinschaftlich von ZI und CCP genutzte Bibliothek zum Schauplatz eines regen Austauschs der jeweiligen Mitarbeiter und verzeichnete nach der Einrichtung eines Lesesaals, der die Bestände auch für Externe zugänglich machte, steigende Besucherzahlen.110 Für die internationale Bekanntheit und Anerkennung des Instituts setzte sich schließlich auch Heydenreich selbst ein, der 1948 als Visiting Professor an der Washington University in St. Louis lehrte und während seines Aufenthalts Kontakte zu amerikanischen Kollegen knüpfte, bei denen er das ZI ins Gespräch brachte.111 Der aus der internationalen Zusammenarbeit am Münchner Collecting Point hervorgegangene Impuls fand so im internationalen Bezugsrahmen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte einen dauerhaften Niederschlag.

110 Lauterbach 2015, S. 16. 111 Sauerländer 1997, S. 35 – 36.

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Restitution als Narrativ

6. „The loot business makes the best story“ Narrative von Kunstraub und Restitution in den amerikanischen Ego-­­Dokumenten

Während zuvor die Vorgänge der Restitutionspraxis analysiert und im Kontext der alliierten Besatzungspolitik verortet wurden, steht nun die Fragen im Mittelpunkt, inwieweit die Phänomene Raub und Restitution als Narrativ gefasst werden können, d. h. wie sie von den alliierten Akteuren erfahren und erzählt wurden, ­welche Rückschlüsse sich aus diesen Erzählungen über deren Selbstverständnis als Kunstschützer ziehen lassen und wie sich ­dieses wiederum in das Spannungsfeld von Kunst, Kunstgeschichte und Politik kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg einordnen lässt. Ego-­­Dokumente, aber auch neuere populäre Darstellungen der „Monuments Men“ 1 stellen in der Regel zwei Hauptaspekte in den Vordergrund, wenn sie die MFA&A charakterisieren: den uneigennützigen Charakter der Mission und die hochgradige kunsthistorische Spezialisierung ihrer Mitglieder. Daraus lässt sich schließen, dass es gerade Letztere gewesen sei, die das altruistische Engagement der Mitglieder des alliierten Kunstschutzes für das europäische Kulturerbe bedingte. Inwieweit Kunstexpertise und eine bestimmte Konzeption von Kunst oder Kulturerbe, Vertrautheit mit der Konservierung oder Restaurierung von Kulturgütern oder biografisch bedingte Erfahrungshorizonte das Vorgehen des alliierten Kulturgüterschutzes in Europa beeinflussten, ist allerdings – so oft die Verknüpfung von Expertise und dem Selbstverständnis der MFA&A auch bereits impliziert wurde – bislang kaum erforscht worden. Gleichzeitig spielen biografische Ansätze im Forschungszusammenhang von Kunstpolitik, Museumswesen und Kulturgutraub des „Dritten Reichs“ bereits seit Längerem eine wichtige Rolle. Verschiedene Provenienzforschungsprojekte haben institutionengeschichtliche Heran­ gehensweisen mit biografischen Ansätzen verbunden, um das Handeln von Museumsdirektoren zu beurteilen und nach Faktoren wie Anpassung an äußere Zwänge des NS-Regimes und Handlungsspielräumen z. B. im Umgang mit der Kunst der Moderne zu fragen.2 Ähnliche Leitfragen nach Zwängen und Handlungsspielräumen, Opportunismus, äußerer Anpassung 1 Die Bezeichnung der MFA&A-Mitglieder als „Monuments Men“ wird erstmals von Janet Flanner in der Reportage „The Beautiful Spoils“ vor einem breiteren Publikum verwendet. In jüngerer Zeit haben v. a. das populärwissenschaftliche Buch von Robert M. Edsel mit dem Titel „Monuments Men“ sowie der gleichnamige Hollywood-­­Film von George Clooney zu einer Popularisierung der Bezeichnung beigetragen. Vgl. Flanner 1947 und Edsel und Witter 2013. 2 Vgl. Rosebrock 2011, S. 6, und Francini 2011, S. 135 – 138.

und innerer Ablehnung sind auch auf Kunsthändler 3 oder Kunsthistoriker im Bereich der universitären Forschung 4 bezogen worden und unterstehen in der Regel der übergeordneten Leitfrage nach den Brüchen und Kontinuitäten der Kunstgeschichte und des deutschen Kulturbetriebs nach 1945. Jonathan Petropoulos’ Publikation „The Faustian Bargain“ etwa kann als eines der ersten Beispiele für die biografische Erforschung von Akteuren aus dem Kulturbetrieb gelten. Er fragt nach den Motiven, die Museumsleute, Kunsthistoriker, Künstler, Kunsthändler und Kunstkritiker dazu bewogen, die Ausübung ihrer Profession an die ideologischen und politischen Rahmenbedingungen des „Dritten Reichs“ anzupassen. Über den Ansatz einer vergleichenden Biografieforschung legt er darüber hinaus die Personennetzwerke offen, die ­zwischen den Mitgliedern des Kulturbetriebs im „Dritten Reich“ bestanden und die letztlich auch die berufliche Rehabilitierung einzelner Akteure in der Nachkriegszeit vereinfachten.5 Die Verknüpfung biografischer Ansätze mit institutionen- und wissenschaftsgeschichtlichen Fragestellungen beschränkt sich in der Kunstgeschichte nicht allein auf die NS-Zeit. Christina Kott zum Beispiel hat den deutschen Kunstschutz im ­Ersten Weltkrieg im Spannungsfeld von Propaganda und Wissenschaft untersucht und die Politisierung einer Disziplin, die sich selbst eigentlich als unpolitisch verstand, aufgezeigt. Sie hat herausgearbeitet, dass der Kunstschutz in Belgien und Frankreich zwar mit vermeintlich unpolitischen denkmalpflegerischen Intentionen begründet wurde, de facto jedoch auch dazu diente, antideutsche Propaganda zu kontern. Die Forschungsprojekte, die der Kunstschutz in den besetzten Gebieten durchführte, waren keine unabhängigen wissenschaftlichen Projekte, sondern können aufgrund des militärischen Besatzungskontextes, der ihre Rahmenbedingungen bestimmte, als Form kultureller Aneignung interpretiert werden.6 Nicht zuletzt wurde in den Debatten über die Beschlagnahme einzelner Kunstwerke für ihre spätere mögliche Nutzung als Faustpfänder in Friedensverhandlungen sowie den Forderungen nach der Verwendung von Kunstwerken als Kriegsentschädigungen eine weitere Verknüpfung ­zwischen kunsthistorischen und politischen Interessen sichtbar.7 Die Feststellung, dass der Kunstschutz bereits im E ­ rsten Weltkrieg nicht uneigennützig und losgelöst von politischen und propagandistischen Imperativen agierte, wirft insofern auch für den Zweiten Weltkrieg 3 Trepesch 2008, Hopp 2012, S. 17 – 18, und Hoffmann und Kuhn 2016. 4 Siehe z. B. Doll 2005, S. 15 – 16. Die Begleitpublikation zu einer Wanderausstellung nimmt exemplarisch einige kunsthistorische Seminare deutscher Universitäten und ihre Mitarbeiter, aber auch Einzelpersonen und Netzwerke der deutschen kunsthistorischen Forschung in der NS -Zeit in den Blick. Vgl. auch Heftrig 2008, S. XI. Die Beiträge d ­ ieses Sammelbands entstanden auf der Abschlusstagung des DFG-Projekts „Geschichte der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus“ der Universität Bonn. 5 Petropoulos 2000, S. 5 – 9, und Petropoulos 2001, S. 254 – 255. 6 Vgl. Kott 2001, hier S. 220 – 224. Kott 2006, S. 216 – 218, insbesondere zur Nutzung von Kunstwerken als Faustpfänder, sowie Kott 2014, hier S. 59 – 60. 7 Kott 2006, S. 216 – 218, insbesondere zur Nutzung von Kunstwerken als Faustpfänder, sowie Kott 2014, hier S. 59 – 60.

264 I „The loot business makes the best story“

die Frage auf, wo sich Kunsthistoriker im Spannungsfeld von Kunst, Politik, Krieg und Propaganda positionierten.8 Nicht zuletzt auch für die Vertreter des alliierten Kunstschutzes stellen sich daher die Fragen, inwieweit berufliches Handeln als Kunsthistoriker sich an die Kontexte von Krieg, Politik und Propaganda anpasste und inwieweit der scheinbar unpolitische Einsatz für den Schutz von Kulturgütern von politischen Faktoren bestimmt wurde. Um das Selbstverständnis der Mitglieder ­dieses Kunstschutzes zu verstehen, ist es erforderlich, sich näher mit ihren Biografien auseinanderzusetzen. Vereinzelt sind die der MFA&A-Mitglieder bereits rekonstruiert worden.9 Eine systematischere und vergleichende Betrachtung von Faktoren wie Sozialisierung, Ausbildung und Karriere, die für die Entwicklung ihrer spezifischen Kunstexpertise zentral sind, ist jedoch bislang kaum erfolgt. Den beiden folgenden Kapiteln werden daher jeweils kurze kollektivbiografische Anmerkungen vorangestellt, aus denen hervorgeht, ­welche Karrierewege und Erfahrungshorizonte die Mitglieder der MFA&A, aber auch der mit Rückführungen befassten französischen Institutionen mitbrachten, was sie jeweils als Gruppe soziokulturell charakterisierte und ­welche Personenbeziehungen sie untereinander pflegten. Basierend auf diesen Beobachtungen wird in einem zweiten Schritt anhand von Ego-­­Dokumenten wie Memoiren und Briefwechseln analysiert, welches Selbstverständnis als Kunstschützer die jeweiligen Akteure von sich hatten und inwieweit bestimmte Konzepte von europäischem Kulturerbe oder französischem patrimoine ­dieses mitgeprägt hatten. Sowohl für die amerikanischen als auch die französischen Akteure zeigt sich dabei, dass die Erfahrungen von Krieg und Kunstschutz in das Narrativ einer „Rettungsmission“ für das europäische bzw. französische Kulturgut eingebettet werden. Zu fragen ist dabei insbesondere danach, mit w ­ elchen diskursiven Mitteln d ­ ieses Narrativ jeweils konstruiert wurde, w ­ elche Kulturgüter dabei im Mittelpunkt standen und ­welche Rückschlüsse diese Konstruktionen auf die Vorstellungen von Kulturerbe oder patrimoine zulassen, die für die Akteure handlungsleitend waren. Ebenso stellt sich die Frage, wie diese Akteure Restitution wahrnahmen. Dabei offenbaren sich insbesondere mit Blick auf die Erfahrungsgeschichte der MFA&A jedoch auch Diskrepanzen z­ wischen erzählter Geschichte und tatsächlicher Restitutionspraxis – betrachtenswert erscheint daher auch, w ­ elche Leerstellen die Erzählungen der MFA&A offen lassen. 8 Für den Kunstschutz in Italien beispielsweise weist Christian Fuhrmeister auf das Spannungsfeld ­zwischen fachlicher Kompetenz und ideologischen Vorgaben, vermeintlich „reiner“ Wissenschaft und rasse- sowie kulturpolitischen Hegemonialvorstellungen hin, das die Arbeit seiner Mitglieder – Museumsleuten und Kunsthistorikern – im Krieg beeinflusste. Fuhrmeister 2011, S. 18. 9 Eher populärwissenschaftliche, überdies von einem patriotischen Heldendiskurs gefärbte Kurzbiographien sind z. B. auf dem Internetauftritt der Monuments Foundation for the Preservation of Art abrufbar: Robert M. Edsel (Hrsg.), Monuments Men Foundation for the Preservation of Art [Website], URL : http://www.monumentsmenfoundation.org/the-­­heroes/the-­­monuments-­­men (abgerufen am 28. 04. 2015). Einige ausgewählte Biographien von MFA &A-Mitgliedern werden außerdem im Anhang der Dissertation von Tanja Bernsau zum CCP Wiesbaden vorgestellt. Bernsau 2013, S. 453 – 481.

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6.1 Wer erzählt? 6.1.1 Kollektivbiografische Anmerkungen zur MFA&A Für die vorliegende Studie wurden die Biografien von rund 35 MFA&A-Mitgliedern einer näheren Betrachtung unterzogen, von denen die meisten in den ersten Jahren 1945 – 1947, in Einzelfällen darüber hinaus bis 1949, in Deutschland tätig waren. Kriterium für die Auswahl dieser Personen war insbesondere die Erschließbarkeit ihrer Biografien und Tätigkeiten in der MFA&A in Archivquellen wie Nachlässen und MFA&A-Akten. Ein Teil der betrachteten Mitglieder hat Nachlässe mit einem spezifischen Bezug auf ihre Tätigkeit hinterlassen, die beispielsweise in den Archives of American Art der Smithsonian Institution oder dem Archiv der National Gallery of Art in Washington, D. C. zugänglich sind.10 In den Fällen, in denen es keine eigenen Nachlässe der Offiziere gibt, tauchen diese aber in Briefwechseln innerhalb der überlieferten Quellen auf, sodass Rückschlüsse auf ihre Biografien und Karrieren sowie Netzwerke unter den einzelnen Mitgliedern der MFA&A möglich werden. Zugleich handelt es sich bei den berücksichtigten Offizieren vor allem um Personen, die während ihrer Tätigkeit in der MFA&A mit Frankreich oder Deutschland zu tun hatten; Offiziere mit Tätigkeitsschwerpunkt in Italien oder Österreich wurden ausgeklammert. Gut zwei Drittel der 35 untersuchten Offiziere waren Kunsthistoriker; vier arbeiteten im zivilen Leben als Architekten, drei als Bibliothekare und Archivare; zwei waren Bildhauer. Im Durchschnitt waren sie ­zwischen dreißig und vierzig Jahre alt und keine Berufsan­fänger mehr. Gleichzeitig waren sie – mit der Ausnahme von George Stout – jedoch auch zu jung, um im E ­ rsten Weltkrieg gekämpft zu haben. Keiner von ihnen hatte daher vor dem Zweiten Weltkrieg irgendwelche Kriegserfahrungen. Die große Gruppe der Kunsthistoriker innerhalb der MFA&A war auch in puncto Ausbildung und Arbeitsschwerpunkten ausgesprochen homogen. Die späteren MFA&A-Offiziere studierten überwiegend an relativ bekannten amerikanischen Ostküsten-­­Colleges, zumeist Harvard oder Princeton; wurde das Bachelorstudium in einigen Fällen noch an eher kleineren Provinzcolleges absolviert, so wechselten die meisten spätestens für einen Master of Arts oder einen Master of Fine Arts ebenfalls dorthin. Da die beiden Universitäten zu d ­ iesem Zeitpunkt für zwei grundverschiedene Herangehensweisen an die Kunstgeschichte als Fach standen, trafen innerhalb der späteren MFA&A somit zwei kunsthistorische Schulen aufeinander. In Harvard hatte sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ein eher objektbezogener Ansatz etabliert. Das Fine Arts Department befand sich im Fogg Art Museum, wo auch die universitäre Kunstsammlung untergebracht war, weshalb das Museum und die Forschung 10 Nachlässe von MFA&A-Offizieren finden sich nicht nur in diesen beiden Archiven, sondern auch in weiteren Museums- und Universitätsarchiven, die jedoch im Rahmen dieser Studie nicht konsultiert werden konnten. Für einen Überblick über Nachlässe zu MFA&A-Offizieren vgl. z. B. die Übersicht im Quellenverzeichnis bei Nicholas 1994, S. 473 – 474.

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und Lehre eng miteinander verknüpft waren.11 Die so genannte „Fogg Method“ umfasste eine museologisch orientierte Herangehensweise, bei der die Erarbeitung von Sammlungsdokumentationen, die Publikation von Katalogen und das Kuratieren von Ausstellungen im Mittelpunkt standen. Eine Schlüsselrolle in der Etablierung dieser Methodik kam dem Bankier und Kunstsammler Paul J. Sachs zu, der 1921 erstmals seinen Kurs „Museum course and museum problems“ hielt, der Kunstgeschichts-­­Studenten zum einen anhand der hauseigenen Museumssammlung objektbezogene Kunstexpertise und „connoisseurship“, zum anderen aber auch praktische Fragen des Museumsmanagements vermitteln sollte. Sachs’ Studenten erhielten eine intensive Praxisausbildung, die sie gezielt auf die Arbeit als Kuratoren und Museumsdirektoren vorbereitete.12 Darüber hinaus brachte Sachs seine Studenten mit Kunstsammlern und Experten der gesamten amerikanischen Ostküste in Kontakt, lud Museumsleute aus der ganzen Welt für Vorträge ein und stellte für seine Schüler bei Auslandsaufenthalten in Europa mittels Empfehlungsschreiben Kontakte zur europäischen Kunstszene her. Zugleich sorgte Sachs dafür, dass die Ehemaligen des Museum Course untereinander und mit ihm vernetzt blieben. Aus dem Museum Course, der 1948 zum letzten Mal unterrichtet wurde, ging daher eine ganze Generation von Museumsleuten hervor, die aufgrund ihrer spezifischen Ausbildung mit den gleichen Arbeitsmethoden vertraut waren, ähnliche Vorstellungen von ästhetischen und erzieherischen Anforderungen an die Institution Museum vertraten und – als Alumni – auch untereinander eng vernetzt waren.13 Unter den MFA&A-Offizieren finden sich insgesamt sieben Harvard-­­Absolventen, die während ihres Studiums wahrscheinlich auch den Museum Course absolviert hatten. Während aus dem Museum Course in Harvard vor allem Museumsleute hervorgingen, die zum Teil bedeutende Karrieren einschlugen, waren die methodischen Herangehensweisen am Art Department in Princeton – ebenso wie die späteren Karrierenwege – deutlich forschungsorientierter ausgerichtet. Kunstgeschichtskurse gab es in Princeton seit 1882 auf eine Initiative von Allan Marquand hin, einen Spezialisten der Philosophie, der sich autodidaktisch kunsthistorische Kenntnisse angeeignet hatte.14 Von Anfang an beeinflussten Marquands philosophische Ausbildung und eine an Ranke orientierten Geschichtswissenschaft die Ausrichtung der Princetoner Kunstgeschichte, die hohen Wert auf Fakten und ihre wissenschaftliche Überprüfbarkeit legte.15 Diese Tendenz setzte sich unter Marquands Nachfolger Charles Rufus Morey fort, der die Professionalisierung des Fachs vorantrieb und den Grundstein für die Erstellung eines „Index of Christian Art“ als Rechercheinstrument legte. Der Epochenschwerpunkt lag bei beiden auf dem Mittelalter und der Renaissance.16 11 12 13 14 15 16

Gordon Kantor 1993, S. 161 – 165. Duncan 2002, S. 5 – 12. Vgl. auch Gordon Kantor 1993, S. 171 – 172. Duncan 2002, S. 15. Aronberg Lavin 1993, S. 6 – 7. Smyth 1993, S. 37 – 38. Ebd., S. 38 – 39.

Wer erzählt?  I  267

Letzterer wurde ab den 1930ern von Erwin Panofsky verstärkt, der 1934 aus Deutschland emigrierte, am Princetoner Institute for Advanced Studies lehrte und Kurse gab, die auch den Studenten des Departments of Fine Arts offen standen. Zugleich führte Panofksys Präsenz in Princeton sowie am Fine Arts Department der New York University dazu, dass die von ihm etablierte kunsthistorische Methode der Ikonologie in den USA Verbreitung fand.17 Unter seinen Schülern – und Moreys Princeton-­­Absolventen – waren mehrere spätere Offiziere der MFA&A, die überwiegend zu Beginn der 1930er Jahre studiert und anschließend eine Universitätskarriere eingeschlagen hatten. Dass unter den Offizieren der MFA&A ein vergleichsweise hoher Anteil von Absolventen aus Princeton und Harvard zu finden war, ist darauf zurückzuführen, dass es die Roberts Commission sowie die American Defense Harvard Group und der ACLS waren, die die Auswahl geeigneter Kandidaten trafen. Die Mitglieder dieser Gremien – in denen Ostküsten-­ Museumsleute sowie Professoren aus Harvard und Princeton in großer Zahl vertreten waren – griffen zunächst auf ein bereits bestehendes Netzwerk ihnen persönlich bekannter Personen zurück. So ist die Auswahl der Harvard-­­Alumni James J. Rorimer, Thomas Carr Howe, Charles Kuhn, Edwin C. Rae oder Edith A. Standen zweifellos direkt auf Paul Sachs zurückzuführen, der unter seinen ehemaligen Studenten ein enges Netzwerk aufgebaut hatte und vor allem s­ olche Ehemalige zu empfehlen schien, die Ende der 1920er Jahre bei ihm studiert hatten. Nicht wenige der MFA&A-Offiziere kannten sich daher untereinander bereits.18 Auch unter den Princeton-­­Absolventen lassen sich bereits bestehende Netzwerke feststellen; dass sie für die MFA&A empfohlen worden waren, könnte auf den Einfluss von Erwin Panofksy zurückzuführen sein, der zu den emigrierten deutschen Kunsthistorikern gehörte, die die American Defense Harvard Group und den ACLS bei der Erstellung von Karten, Listen und Handbüchern zu europäischen Kulturdenkmälern unterstützten.19 Insgesamt präsentiert sich die MFA &A als recht homogene, von Kunsthistorikern dominierte Gruppe, in der die Mehrheit museumspraktische Erfahrungen hatte, mit konservatorischen Fragen vertraut, sich bereits untereinander kannte und in Harvard und Princeton bereits mit Einflüssen und Traditionen aus der deutschen Kunstgeschichte in Kontakt gekommen war.20

17 18 19 20

Eintrag „Erwin Panofsky“, in: Wendland 1999, S. 484 – 497. Howe 1946, S. 25, 31, 50 – 51. Michels 1999, S. 71. Transnationale Museumskontakte bestanden z­ wischen Deutschland und den USA bereits seit der Wende zum 20. Jahrhundert. Dass sich beispielsweise mit Rudolph Valentiner ein Schüler von Wilhelm von Bode als Kurator am New Yorker Metropolitan Museum etablierte, führte zur Rezeption und Verbreitung von Bodes Museumskonzepten in den New Yorker Museen. Vgl. Adam 2014, S. 112 – 115, und Tillette 2014, S. 198 – 201.

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6.1.2 Ego-Dokumente der MFA&A-Offiziere im Überblick 1945 – 1950: Howes „Salt Mines and Castles“, Skiltons „Défense de l’art européen“ und Rorimers „Survival“ Die früheste Memoirenpublikation hat Thomas Carr Howe vorgelegt, der im zivilen Leben Direktor des California Palace Legion of Honor Museums in San Francisco war und ab Sommer 1945 zur MFA&A gehörte. Vor Ort unterstützte er zunächst George Stout bei der Bergung und Evakuierung des Auslagerungsdepots in Altaussee und war anschließend für die Überführung der Göring-­­Sammlung von Berchtesgaden in den Central Collecting Point München verantwortlich. Im Spätjahr 1945 wurde Howe in das MFA&A-Büro nach Frankfurt/Höchst versetzt, wo er die Nachfolge von Charles Kuhn als Deputy Chief der MFA&A antrat. Im Frühjahr 1946 kehrte er nach San Francisco zurück. Sein Buch „Salt Mines and Castles“ 21 veröffentlichte er noch im selben Jahr. Es handelt sich dabei um eine chronologisch gegliederte Nacherzählung seiner Bergungsaktionen in Altaussee, Berchtesgaden und anderen kleineren Depots, die nur in den letzten Kapiteln einen ­kurzen Ausblick auf seine Tätigkeiten im Frankfurter MFA&A-Büro und auf den Abtransport der 202 Berliner Bilder nach Washington gibt. Howes Buch ist lebendig erzählt und von Anekdoten geprägt; selbst Hintergrundinformationen zu politischen Kontexten und der Entwicklung der MFA&A werden szenisch gerahmt oder in Dialogen eingebettet wiedergegeben. Lediglich z­ wischen den Zeilen und nur bei gleichzeitiger Lektüre der privaten Briefwechsel, die Howe 1946 parallel zur Abfassung des Manuskripts mit ehemaligen MFA&A-Kollegen in Deutschland und den USA pflegte, wird sichtbar, dass die im Frühjahr 1946 geführte Debatte um die „Berlin 202“ den unmittelbaren Entstehungskontext der Publikation deutlich beeinflusste. Aus Howes Korrespondenzen mit ehemaligen Kollegen in seinem Nachlass geht eine überwiegend positive Rezeption seines Buchs hervor; stellenweise werden jedoch auch kritische Stimmen deutlich. Zwei Jahre später, 1948, veröffentlichte John D. Skilton das Büchlein „Défense de l’Art Européen“ 22. Skilton, ein Kunsthistoriker der Forschungsabteilung der National Gallery of Art in Washington, hatte bereits zu Beginn seines Militärdienstes den Plan, sich der MFA&A anzuschließen, wurde allerdings zunächst der SHAEF-Liasion ­zwischen US-­Armee und französischer Zivilbevölkerung in Frankreich zugeteilt, wo er für die Einrichtung und Versorgung von Flüchtlingslagern zuständig war. Während seiner Stationierung in Frankreich 1944 wurde er in der bretonischen Stadt Plougastel auf einen frühneuzeitlichen Kalvarienberg aufmerksam, der im Krieg stark beschädigt worden war. Nach Kriegsende startete eine amerikanische Stiftung ein Projekt, um die Restaurierung des Kalvarienbergs zu finanzieren, und Skilton erklärte sich bereit, ein Buch über seine Erfahrungen in der 21 Howe 1946. 22 Skilton 1948.

Wer erzählt?  I  269

MFA&A zu schreiben, mit dessen Verkauf die Projektfinanzierung unterstützt werden sollte. Aus d ­ iesem Grund ist Skiltons ursprünglich englisches Manuskript in französischer Sprache und bei einem französischen Verlag veröffentlicht worden.23 Skilton gibt zunächst einen Überblick über die Aufgaben der MFA &A und verfolgt anschließend die einzelnen Stationen seines Militärdienstes. Im Frühjahr 1945 wurde er als „enlisted man“ ohne Offiziersrang der Seventh US Army zugeordnet und begleitete James Rorimer auf einige Inspektionen nach Neuschwanstein. Nach seiner Beförderung zum Lieutenant wurde Skilton nach Würzburg abgeordnet, wo er sich durch den provisorischen Aufbau eines Schutzgerüstes für das barocke Gewölbe der Residenz hervortat. Die Zeit in Würzburg bildet auch den Schwerpunkt seines Berichts, der vergleichsweise nüchtern und sachlich ausfällt und sich wenig in Anekdoten verliert. Im Herbst 1945 wurde Skilton zurück nach Neuschwanstein geschickt, um mit Edward E. Adams und Hubert de Brye die Evakuierung des Depots zu betreuen. Aus familiären Gründen brach er jedoch seinen Dienst bereits im Oktober 1945 ab und kehrte in die USA zurück.24 An seiner Veröffentlichung fällt auf, dass Skilton, anders als Howe und die meisten Autoren, kaum auf die Bergung von Depots und die Restitutionsarbeit eingeht, dafür aber einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Facetten seiner Tätigkeit in Würzburg gibt, die vor allem von denkmalpflegerischen Arbeiten zur Notfallsicherung kriegszerstörter Bauwerke geprägt war, aber auch die Organisation erster kultureller Aktivitäten mit lokalen Künstlern umfasste.25 Die Beschränkung von Skiltons Dienst auf die Region Würzburg sowie die Kürze seiner Dienstzeit bedingen, dass der Autor verhältnismäßig wenig in die Personennetzwerke der MFA&A eingebunden erscheint. Seine Publikation sticht dennoch heraus, weil sie so unmittelbar mit dem Restaurierungsprojekt in Plougastel verknüpft ist: Es handelt sich eben nicht um eine reine Memoirenveröffentlichung, sondern um eine Auftragsarbeit, die als Fundraising-­ Projekt genutzt wurde. 1950 erschienen unter dem Titel „Survival: The Salvage and Protection of Art in War“ 26 die Kriegserinnerungen von James J. Rorimer. In chronologischer Reihenfolge zeichnet Rorimer darin die verschiedenen Stationen seines MFA &A-Dienstes von der Landung in 23 Vgl. dazu auch den Spendenaufruf, den die Stiftung u. a. an ehemalige MFA &A-Offiziere verschickte: Plougastel Calvaire Restoration Fund, Letter asking for a contribution for the restoration of Plougastel, April 1949, AAA, James J. Rorimer Papers, Box 1, Folder 13. 24 Zeitweilig zog Skilton im Frühjahr 1948 eine Rückkehr in den MFA&A-Dienst in Erwägung, als ihm die Nachfolge von Edith Standen im Stuttgarter MFA&A-Büro für das Land Württemberg-­­Baden angeboten wurde. Infolge von Umstrukturierungen in der Länderverwaltung der amerikanischen Militärregierung wurde die Stelle jedoch gestrichen, sodass seine Rückkehr nach Deutschland nicht zustande kam. Vgl. Skilton, Note to Edith Standen on the MFA&A office for Württemberg-­­Baden in Stuttgart, February 24, 1948, National Gallery of Art, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.12. 25 Skilton 1948, S. 90 – 92. 26 Rorimer 1950.

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der Normandie über die Tätigkeit für die SHAEF Seine Section in Paris bis hin zum Vormarsch nach Deutschland mit der Seventh US Army nach, wobei die Zeit in Frankreich ebenso stark gewichtet wird wie die Arbeit in Deutschland. In den Schlusskapiteln gibt Rorimer einen Ausblick auf die Gründung der Collecting Points in München und Wiesbaden und verweist auf die Etablierung der amerikanischen Militärverwaltung und die Gesetzgebung, die diese bezüglich des NS -Raubguts verabschiedete. Dies sind allerdings die einzigen Einordnungen, die Rorimer in einen übergeordneten Kontext von Kunstraub und Restitution vornimmt; insgesamt ist seine Erzählweise eher anekdotisch und am Tagesgeschäft orientiert. Ähnlich wie bei Howe lassen sich auch bei ihm der archivalische Nachlass und die Memoiren aufeinander beziehen: Die Archives of American Art bewahren verschiedene Entwurfsfassungen des Manuskripts von „Survival“ auf; die thematische Ordnerstruktur der Korrespondenzakten im Archiv der National Gallery of Art wiederum entspricht teilweise der Kapitelgliederung der Memoiren.27 Anders als bei Howe enthalten Rorimers Korrespondenzen jedoch so gut wie keine Hinweise auf den Schreibprozess der Memoiren.

Weitere Veröffentlichungen von MFA&A-Offizieren in den ersten Nachkriegsjahren Die drei Memoirenpublikationen waren nicht die einzigen Veröffentlichungen ehemaliger MFA &A-Offiziere über ihre Tätigkeit in Deutschland. Zeitgleich erschienen in kunsthisto­ rischen Fachjournalen wie dem College Art Journal verschiedene Beiträge von MFA &Aund ALIU -Mitgliedern, die teils persönliche Erfahrungsberichte, teils aber auch offizielle Rechenschaftsberichte oder zeithistorische Analysen des NS -Kulturgutraubs waren.28 Auch Mason Hammond, der die MFA &A bei der amerikanischen Kontrollratsgruppe in Berlin vertrat, veröffentlichte im Frühjahr 1946 im College Art Journal eine Zwischenbilanz der Tätigkeiten von Roberts Commission und MFA &A, in der er die Kriegszerstörungen deutscher Städte sowie die Auslagerungen beweglicher Kulturgüter in Depots bilanzierte und anschließend die Bedeutung der MFA &A-Arbeit innerhalb der amerikanischen Besatzungspolitik würdigte.29 Hammonds Bericht war gleichzeitig eine Stellungnahme in der amerikanischen Debatte um die Verschiffung der „Berlin 202“, für die das College Art 27 Vgl. AAA, James J. Rorimer Papers, Box 1, Folders 17 – 34, und NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2 und MFAA-J3. 28 Vgl. z. B. die Aufsätze von Marvin C. Ross, der für SHAEF in Frankreich stationiet war. Ross 1945, Ross 1946a, Ross 1946b und Ross 1946c. Beim College Art Journal handelte es sich um die Fachzeitschrift der College Art Association, eines der größten amerikanischen Kunsthistorikerverbände. Vgl. dazu Michels 1999, S. 104 – 105. 29 Hammond 1946.

Wer erzählt?  I  271

Journal vor allem in ihren Ausgaben von 1946 eine Diskussionsplattform bot.30 Zeitgleich dazu ließ es jedoch auch Raum für persönlichere Erfahrungsberichte, so zum Beispiel Walker Hancocks Aufsatz „Experiences of a Monuments Officer in Germany“, der im Mai 1946 erschien und bewusst nicht als umfassender Bericht über die MFA &A-Aktivitäten angelegt, sondern rein auf Hancocks persönliche Perspektive fokussiert war. Sein Bericht umfasst viele Anekdoten und detaillierte Beschreibungen von Kunstschutz und Kriegszerstörungen vor allem in Belgien, den Niederlanden und dem Rheinland, klammert jedoch die Auffindung von NS -Raubgut-­­Depots und die Entwicklung einer Restitutionspolitik aus, da Hancocks persönliche Tätigkeitsschwerpunkte sich auf die Evakuierung großer Museumsdepots in Bernterode und Siegen konzentriert hatten.31 Einen ähnlichen Erfahrungsbericht lieferte Edward E. Adams 1946 im Magazin The Quartermaster Review, in dem er die Evakuierung von Neuschwanstein und Buxheim im Winter 1945/46 und den direkten Rücktransport geraubter französischer Sammlungen nach Paris skizzierte.32 Eine Beschreibung des nationalsozialistischen Kulturgutraubs wiederum bot James S. Plaut in seinem zweiteiligen Aufsatz „Loot for the Master Race“, der im September und Oktober 1946 im Atlantic Monthly erschien und ausgehend von den Ermittlungsergebnissen der ALIU die Charakteristiken der Göring-­­Sammlung, des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg und des „Sonderauftrags Linz“ skizzierte. Inhaltlich ähnelt der Aufsatz von Plaut stark der dreiteiligen Reportage, die Janet Flanner ein Jahr später unter dem Titel „The Beautiful Spoils“ im New Yorker veröffentlichen sollte; anders als Plaut ging Flanner jedoch auch ausführlich auf die Tätigkeit der MFA &A ein.33

Unveröffentlichte Manuskripte: Farmers „Will anything survive? “ und Standens „Return of the Snake“ Neben publizierten Erfahrungsberichten sind in einigen Nachlässen ehemaliger MFA&A-­ Offiziere auch Manuskripte zu unveröffentlicht gebliebenen Aufsätzen überliefert. Edith ­Standens Nachlass im Archiv der National Gallery of Art enthält gleich drei solcher Skripte, von denen zwei von ihr selbst und eines von Walter I. Farmer stammen. Farmers u ­ ndatierter

30 Auslöser für die im CAJ widergespiegelte Debatte war die Ausgabe von Januar 1946, in der Charles Kuhn das polemische Positionspapier „German Paintings in the National Gallery: A protest“ veröffentlichte. Dieselbe Ausgabe umfasste außerdem eine Stellungnahme der Roberts Commission zum Abtransport der Berliner Bilder, in der sie die Entscheidung der US-Regierung verteidigte, sowie eine Aufforderung an die US-Regierung durch die Vorsitzenden der College Art Association, eine angemessene Begründung für den Abtransport zu liefern. 31 Hancock 1946. 32 Adams 1946. 33 Plaut 1946a und Plaut 1946b. Vgl. außerdem Flanner 1947.

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Text „Will anything survive“ setzt sich ausgehend von allgemeinen Bemerkungen zur MFA&A-Tätigkeit mit der eigenen Arbeit als Leiter des CCP Wiesbaden auseinander und behandelt in ­diesem Zusammenhang knapp auch die Kontroverse um die „Berlin 202“.34 Von den beiden von Standen stammenden Texten ist nur einer datiert. Der undatierte Entwurf ist schlicht mit „Monuments, Fine Arts & Archives May 1945–July 1947“ überschrieben; es handelt sich dabei um eine Regionalstudie der MFA&A in Württemberg-­­Baden, die mit der Entdeckung der Salzminen Heilbronn und Kochendorf beginnt und mit dem Ende von Standens Dienstzeit in Stuttgart im Sommer 1947 abschließt. Neben der Sicherung geraubter Museumsbestände aus den Auslagerungsdepots behandelt das Skript auch die Maßnahmen der MFA&A zum kulturellen Wiederaufbau.35 Während dieser Text nicht als Augenzeugenbericht formuliert ist und Standen von sich weder in der ersten Person spricht noch in der dritten Person auf sich verweist, ist der in ihrem Nachlass überlieferte zweite Textentwurf „Return of the Snake: Extracts from a German diary“ nicht nur ausführlicher, sondern auch deutlich persönlicher gehalten: Hier erzählt Standen aus Ich-­­Erzähler-­­Perspektive die verschiedenen Etappen ihrer MFA&A-Tätigkeit nach, wofür sie sich in Auszügen auf ihr – ebenfalls im Nachlass einsehbares – Diensttagebuch stützt. Wenngleich sie die Gesamtzeit ihrer MFA&A-Tätigkeit von der Stationierung bei USFET in Frankfurt über die Direktion des CCP Wiesbaden bis hin zur Leitung der MFA&A für Württemberg-­­Baden abdeckt, liegt auch hier der Schwerpunkt besonders auf der Stuttgarter Zeit 1947, insbesondere auf der Restitution von historischen Militaria an Frankreich, auf die sich der Titel bezieht.36 Wer die Adressaten und das Zielpublikum der jeweiligen Entwürfe waren, ist unklar. Standens Privatkorrespondenz mit ehemaligen MFA&A-Mitgliedern von 1947 deutet zwar darauf hin, dass der undatierte Aufsatz tatsächlich veröffentlicht wurde, allerdings geht aus ihnen nicht hervor, in ­welchen Rahmen.37 Hinweise auf mindestens ein weiteres Buchprojekt schließlich finden sich in den Briefwechseln z­ wischen George Stout und Lincoln Kirstein. Offenbar hatte Kirstein 1947 vor, die Beiträge verschiedener ehemaliger MFA&A-Offiziere zu sammeln und zu einer Anthologie zusammenzustellen; allerdings gibt es keinen Beleg dafür, dass d­ ieses Projekt tatsächlich umgesetzt wurde.38

34 Farmer undated, NGA, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.2. Vermutlich datiert das Skript aus den frühen 1950er Jahren; in den Belegen verweist Farmer auf das zum Zeitpunkt der Abfassung bereits veröffentlichte „Survival“ von James Rorimer. 35 [Standen [1947], Monuments, Fine Arts & Archives May 1945–July 1947, NGA, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.6. 36 Standen, Edith A., Return of the Snake. Extracts from a German diary, 1949, NGA, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.7. 37 Standen, Edith A., Letter to Charles Parkhurst, August 31, 1947, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-F1, 1.22. 38 Kirstein, Lincoln, Letter to George Stout, March 16, 1947, AAA, George Stout Papers, REEL 1421.

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1980 – 2000: Smyths „Gerson Lecture“, das „The Spoils of War“-Symposium und Farmers „The Safekeepers“ Nach einer langen Phase weitgehenden Vergessens der MFA &A wurde ihre Geschichte in den 1970ern und frühen 1980ern sukzessive wiederentdeckt. Eine Schlüsselrolle dabei spielten die Archives of American Art, die ab 1976 mit der Sammlung und Erschließung von Nachlässen ehemaliger MFA&A-Offiziere wie George Stout, Thomas Carr Howe oder James Rorimer begannen. Die Erschließung der Nachlässe erfolgte in der Regel in direkter Absprache mit den ehemaligen Offizieren oder ihren Angehörigen; wenn möglich, zeichnete das Archiv außerdem Oral History-­­Interviews auf.39 Nahezu zeitgleich begann auch das Archiv der National Gallery of Art damit, einzelne Nachlässe ehemaliger MFA&A-Offiziere zu sammeln; zuweilen standen beide Archive bei der Erwerbung einzelner Nachlässe sogar in direkter Konkurrenz zueinander.40 Auch jenseits der Erschließung von Nachlässen befand sich die Wiederentdeckung der ehemaligen MFA&A-Offiziere als Zeitzeugen im Aufwind, wie Skripte und Tonmitschnitte zu Vorträgen ehemaliger Offiziere zeigen.41 An diese Wiederentdeckung knüpft bis zu einem gewissen Grad auch Craig Hugh Smyths 1988 veröffentlichte Publikation „Repatriation of art from the Collecting Point in Munich at the end of World War II“ 42 an. Gleichzeitig ist sie in ihrem Publikationskontext bereits wegbereitend für die forschungsgeschichtliche Wende der 1990er, die der MFA&A auch aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive wieder deutlich größere Aufmerksamkeit schenken sollte. Bei Smyths Veröffentlichung handelt es sich nicht um Memoiren, sondern um das 39 Vgl. Brown, Robert F., Oral History Interview conducted with S. Lane Faison, December 14, 1981, AAA, online verfügbar unter URL: http://www.aaa.si.edu/collections/interviews/oral-­­history-​ ­­interview-­­s-­­lane-­­faison-12908 (abgerufen am 20.  09.  2012), und Pennington, Buck, Oral History Interview conducted with Charles Parkhurst, October 27 1982, AAA, online verfügbar unter URL: http://www.aaa.si.edu/collections/interviews/oral-­­history-­­interview-­­charles-­­parkhurst-13100 (abgerufen am 20. 09. 2012), und Karlstrom, Paul J., Oral History Interview conducted with George Leslie Stout, MArch 3, 1978, AAA, online verfügbar unter URL: https://www.aaa.si.edu/collections/ interviews/oral-­­history-­­interview-­­george-­­leslie-­­stout-13145 (abgerufen am 04.  04.  2017). Auszüge aus dem Oral History-­­Interview mit Thomas Carr Howe wurden 1982 im Archives of American Art Journal veröffentlicht: Karlstrom et al. 1982, hier S. 14 – 16. 40 Ein Briefwechsel ­zwischen Edith Standen und Thomas Carr Howe illustriert diese Interessen der Archive an den Nachlässen der MFA&A-Offiziere: Standen z. B. war von beiden Archiven angefragt worden und hatte sich letztlich für die Abgabe des Nachlasses an die National Gallery entschieden, weil ihrem Empfinden nach die MFA&A-Tätigkeit nur wenig mit dem Auftrag der Archives of American Art, Material zur amerikanischen Kunst zu bewahren, zu tun hatte. Howe, Thomas Carr und Standen, Edith A., Correspondance about the donation of private papers to public archives, September 23 and 30, 1979, AAA, Box 2, Folder 31. 41 Moore, Lamont, „Salt mines and castles“: Lecture given at the Belmont Memorial Library on October 11, 1983, AAA, Lamont Moore Papers (Tonbandmitschnitt der Lecture). 42 Smyth 1988.

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Skript eines Vortrags, den er 1986 im Rahmen der „Gerson Lecture“ der Universität Groningen hielt. Der Vortragscharakter ist in der Publikation erhalten geblieben: Der Fließtext kommt ohne Untergliederung in einzelne Kapitel aus, zitiert Auszüge aus zeitgenössischen Memoranden und Tätigkeitsberichten und ist von zahlreichen Fotos begleitet, die zum Teil von Smyth kommentiert werden. Der Schwerpunkt von Smyths Vortrag liegt auf der Entwicklung der amerikanischen Restitutionspolitik sowie ihrer praktischen Umsetzung am CCP München. Nach einer Rekonstruktion der Gründungsetappen der Roberts Commission und der MFA&A beschreibt Smyth detailliert die Organisationsstruktur des CCP München, die Zusammenarbeit des amerikanischen und deutschen Personals, das System der alliierten Repräsentanten und die Abläufe bei der Zusammenstellung von Restitutionskonvois. Augenfällig ist, dass Smyth zwar stellenweise Anekdoten wiedergibt, dem wissenschaftlichen Umgang mit den Bild- und Textquellen der MFA&A aber den Vorrang einräumt. Diese wissenschaftliche Herangehensweise schließt auch die Rezeption und Auswertung von zu ­diesem Zeitpunkt bereits in Archiven verfügbaren Korrespondenzen verschiedener MFA&A-Offiziere sowie die Bezugnahme auf die Memoiren von Rorimer und Howe ein. Gleichzeitig stand Smyth für die Vorbereitung der Lecture mit Wissenschaftlern wie Lynn Nicholas und Michael J. Kurtz in Kontakt: Letzterer hatte seine Studie der amerikanischen Kunstrestitutionspolitik zu ­diesem Zeitpunkt bereits veröffentlicht; Nicholas steckte gerade in den Recherchen für „The Rape of Europa“ und befragte hierfür verschiedene ehemalige MFA&A-Offiziere, darunter Smyth, als Zeitzeugen.43 Smyths Vortrag ist insofern als wissenschaftlicher Beitrag angelegt, der mit einem zeitlichen Abstand von rund 40 Jahren auf die MFA&A zurückblickt und sich ihr auf der Basis von Text- und Bildquellen und mit Bezug auf die aktuelle wissenschaftliche Forschung neu annähert. Dennoch ist Smyth gleichzeitig ein Zeitzeuge, sodass sein Beitrag trotz des wissenschaftlichen Zuschnitts auch als Ego-­­Dokument und Zeugnis seiner persönlichen Erinnerung gelesen werden muss. Das Interesse an ehemaligen MFA&A-Offizieren als Zeitzeugen verstärkte sich in den 1990ern deutlich. Als 1995 im Bard Graduate Center in Boston ein Symposium zum Thema „The Spoils of War: World War II and its aftermath“ stattfand, das den Forschungsstand zum NS-Kunstraub, Beutekunst und Restitution in internationaler Perspektive beleuchtete, wurde ein Panel unter dem Vorsitz von Edith Standen gezielt dem Thema „Repatriation following World War II“ gewidmet und mit ehemaligen Mitgliedern von MFA&A und ALIU besetzt. Craig Hugh Smyth und Walter I. Farmer berichteten über ihre Aufgaben als Direktoren der CCPs in München und Wiesbaden, wobei Farmer besonders auf die Kontroverse um die „Berlin 202“ und den von ihm initiierten Wiesbadener Protest einging.44 James S. Plaut skizzierte in seinem Beitrag die Tätigkeit der ALIU, während S. Lane Faison über den Abschluss der Restitutionen im CCP München in den Jahren 1950/51 berichtete und dabei auch kritisch auf die Auseinandersetzung um die Übergabe von Restbeständen 43 Vgl. Smyth 1988, S. 5 – 6, Kurtz 1985 und Nicholas 1994, S. 473 – 475. 44 Smyth 1997 und Farmer 1997.

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aus dem CCP nach Österreich einging.45 Charakteristisch ist für alle Beiträge, dass sie für ein internationales Fachpublikum aus Zeitzeugenperspektive auf die MFA &A- und ALIU -Tätigkeit zurückblickten und daher keine rein wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte dieser Abteilungen unternahmen, sondern persönliche Erfahrungen reflektierten. Interferenzen ­zwischen Erinnerung und wissenschaftlicher Forschung sind schließlich am deutlichsten in Walter I. Farmers Publikation „The Safekeepers: A Memoir of the Arts at the End of World War II“ feststellbar. Farmers Memoiren wurden als Gemeinschaftsprojekt mit seiner Tochter Margaret Farmer Planton konzipiert und 2000 posthum von ihr abgeschlossen und veröffentlicht.46 Die im Verlauf der 1990er begonnene Niederschrift ist deutlich vom Forschungskontext dieser Jahre und dem stark gestiegenen Interesse an der russischen Beutekunst und dem Kulturgutraub der Nationalsozialisten geprägt. Zwar schreibt Farmer in einem ähnlichen Stil wie seine ehemaligen Kollegen über das Tagesgeschäft, mit dem er als Gründungsdirektor des CCP Wiesbaden betraut war, erzählt Anekdoten, charakterisiert einige seiner Kollegen und beschreibt nicht zuletzt auch eigene Befindlichkeiten in seiner Rolle als Direktor. Ähnlich wie Smyth für seine Groninger Lecture greift er dazu jedoch nicht nur auf eigene Privatdokumente zurück, sondern bindet auch die Nachlässe und Memoiren seiner früheren MFA &A-Kollegen in seine Erzählung ein. Stilistisch ist außerdem auffällig, dass Farmer neben den rein anekdotischen Episoden zum Tagesgeschäft immer wieder eine Einordnung der beschriebenen Anekdoten in den größeren Zusammenhang der Nachkriegsrestitutionen vornimmt und sich dafür vor allem auf Michael J. Kurtz und Lynn Nicholas bezieht, die ihn in den 1980ern in Vorbereitung auf ihre Studien beide interviewt hatten. Aus Farmers Zeitzeugenrolle ergeben sich für die Niederschrift seiner Memoiren also gewisse Rückkopplungseffekte, insofern als er zunächst von Forschern nach seinen Erinnerungen befragt wurde, dann aber für die Niederschrift seiner Erinnerungen auf die Ergebnisse eben dieser Studien zurückgriff. Generell ist anzunehmen, dass gerade das in den späten 1980ern und frühen 1990ern gestiegene Interesse an Farmers Erinnerungen ausschlaggebend dafür war, dass er diese überhaupt niederschrieb: Wie Farmer in den Schlusskapiteln von „The Safekeepers“ bemerkt, wurde er nicht nur von Nicholas und Kurtz, sondern auch von dem Briten Cay Friemuth, der zur britischen MFA&A forschte, und Klaus Goldmann vom Berliner Museum für Ur- und Frühgeschichte befragt.47 Außerdem 45 Vgl. Plaut 1997 und Faison 1997. 46 Im Nachhinein ist es außerordentlich schwierig festzustellen, wie stark der Einfluss von Farmers Tochter auf die Publikation war und w ­ elche Partien des Manuskripts noch direkt von ihm stammten. Auf einen Versuch, dies analytisch zu differenzieren, muss an dieser Stelle verzichtet werden. Wenn im nachfolgenden Text von Farmer als Autor die Rede ist, wird dabei immer implizit mitgedacht, dass auch Margaret Farmer Planton Anteil am Entstehen des Buchs hatte. 47 Farmer 2000, S. 103 – 109 und S. 111 – 112. Goldmann nahm in den späten 1980ern mit Farmer ­Kontakt auf, als er begann, nach dem Verbleib der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschollenen vor- und frühgeschichtlichen Sammlungen des Berliner Museums zu forschen. Zeitweise vertrat Goldmann sogar die These, diese s­eien im Rahmen von Reparationen in die USA transferiert

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führte das gestiegene internationale Interesse am Schicksal von Kulturgütern im Kontext des Zweiten Weltkriegs in den 1990ern dazu, dass Farmers Verdienste um den Schutz deutscher Museumssammlungen gleich mehrfach gewürdigt wurden. Nicht nur wurden er und seine Kollegen beim „Spoils of World War II“-Symposium mit einer feierlichen Verlesung des Wiesbadener Manifests durch den deutschen Botschafter in den USA und einer Standing Ovation geehrt; 1996 verlieh die Bundesrepublik Deutschland Farmer außerdem das Große Bundesverdienstkreuz.48 Der zeithistorische Forschungskontext, in dem Farmer sich am Ende des Buchs selbst verortet, ist daher bei der Analyse seiner Perspektive auf die MFA&A unbedingt mitzuberücksichtigen. Insgesamt zeigt der Überblick über die Ego-­­Dokumente der MFA&A, dass sich ihre Entstehung über einen Zeitraum von nicht weniger als 50 Jahren erstreckt, woraus sich eine große Vielfalt an Kontexten ergibt, in denen diese entstanden und rezipiert wurden. Vor allem für Publikationen, die erst in den 1980ern und 1990ern verfasst worden sind, können Einflüsse sowohl älterer Ego-­­Dokumente als auch der beginnenden wissenschaftlichen Erforschung des NS-Kulturgutraubs festgestellt werden. Daraus ergibt sich letztlich, dass die in den Memoiren getroffenen Aussagen über das Selbstverständnis nicht unbedingt zeitgenössisch sind, sondern auch Rückprojektionen sein können.

6.2 Die Meistererzählung der „Rettungsmission“ 6.2.1 Gesagtes und Ungesagtes: Charakteristiken des „Rettungsmissions“-Narrativs Der Verschiedenartigkeit der Publikationszeitpunkte und -kontexte zum Trotz weisen die Memoiren und Ego-­­Dokumente der MFA&A-Mitglieder eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Festzustellen ist beispielsweise, dass nahezu alle veröffentlichten Beiträge von Personen stammen, die bereits 1946 in die USA zurückkehrten. Lediglich Edith Standen blieb bis Herbst 1947 in Deutschland; sie ist daher die Einzige, deren Erfahrungen über die letzten Kriegsmonate und das erste Nachkriegsjahr hinaus reichen. James Rorimer, Thomas Carr Howe, Craig Smyth, Walker Hancock und Walter Farmer hingegen kehrten allesamt noch im Dezember 1945 oder spätestens im Verlauf des darauffolgenden Frühjahrs in die USA zurück, weshalb ihre Publikationen überwiegend die Phase der Entdeckung und Bergung von Depots, der Einrichtung der Central Collecting Points und den Beginn der Restitutionen abdecken. Aus dieser Feststellung ergibt sich nicht nur, dass vor allem die Anfangszeit der MFA&A angesprochen wird, sondern ebenso, dass ­Themen wie der Abschluss der worden, ehe sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion herausstellte, dass sie in russischen Museumsdepots lagerten. 48 Farmer 2000, S. 116.

Die Meistererzählung der „Rettungsmission“  I  277

Restitutionen und die Übergabe der Zuständigkeiten in deutsche Treuhänderschaft oder die kulturpolitischen Aktivitäten der MFA&A in dem Narrativ, das die Ego-­­Dokumente insgesamt konstituieren, nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Meistererzählung, die im Mittelpunkt der Veröffentlichungen steht, ist daher primär die der „Rettungsmission“ des europäischen Kulturerbes.

Das Motiv der „Rettungsmission“ als kunsthistorischer Fachdiskurs Am explizitesten taucht das Motiv in Rorimers „Survival“ auf, nämlich im Kontext der Übergabe zentraler Informationen zum ERR durch Rose Valland an ihn, die er in seiner Nacherzählung als Beauftragung mit der Sicherung der ERR -Depots in Neuschwanstein konstruiert: Nachdem Valland Vertrauen zu ihm gefasst habe – und dies habe sie, weil er sie davon überzeugt hätte, dass er ihr Interesse an der Wiederauffindung und Rettung der geraubten französischen Kunstsammlungen teile –, habe sie ihn mit der Mission betraut, so schnell wie möglich nach Neuschwanstein vorzudringen, um eine drohende Zerstörung des Raubgut-­­Depots zu verhindern. Zu d ­ iesem Zweck habe sie ihm außerdem ihre Notizen zum ERR anvertraut. In ­diesem spezifischen Kontext betont das Missions-­­Motiv das gemeinsame Interesse der beiden Akteure am Erhalt der geraubten Kulturgüter und stilisiert die Weitergabe von Wissen zum NS -Kunstraub zu einer Beauftragung mit der Fahndung nach den Kunstwerken hoch. Zugleich konstruiert Rorimer in seiner szenisch und dialogisch ausgeschmückten Erzählung einen regelrechten Wettlauf gegen die Zeit, der die Dringlichkeit seines Vormarschs nach Deutschland weiter betont.49 Die Überspitzung des „Rettungsmissions“-Motivs durch die Verknüpfung mit dem Zeitfaktor findet sich in dieser Form nur bei Rorimer wieder. Doch verwenden auch die übrigen Autoren wiederkehrende inhaltliche und stilistische Erzählmuster, die sich als Ausdruck einer „Rettungsmission“ lesen lassen. Auffallend ist dabei quellenübergreifend der wiederkehrende Verweis auf die Probleme und Methoden der Bergung, Sicherung und Konservierung von Denkmälern und beweg­ lichen Kulturgütern. Rorimer weist beispielsweise im Kontext der Inspektion des franzö­ sischen Museumsdepots im normannischen Sourches erstmals auf die Lagerungsbedingungen in Auslagerungsdepots hin, indem er die Feuchtigkeit in den Schlosskellern als Risikofaktor für Schimmelbildung benennt. Im Zusammenhang mit dem Vorrücken nach Heilbronn kommt er auf die konservatorischen Bedingungen in Salzminen zurück: The almost constant temperature and humidity, roughly 50 degrees and 60 to 65 percent respectively, guaranteed that the deposited works of art would not suffer from sudden changes in atmospheric conditions. German scientists had investigated the practicability of storing such objects in the 49 Rorimer 1950, S. 110 – 114.

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mines for more than a year before they were used as repositories. Paintings and other objects were not affected by the moisture or action of the stable salt under the existing conditions. Iron was of course attacked by rust, but this could be prevented by coating it thickly with oil or grease. Thin films of salt dust deposited on works of art were not harmful and could be readily wiped off before the objects were removed from the mines.50

Ähnliche Passagen zu den konservatorischen Bedingungen in den Minen Mitteldeutschlands und Österreichs finden sich auch bei Thomas Carr Howe und Walker Hancock; darüber hinaus gehen sie außerdem darauf ein, ­welche technischen Mittel und Vorgehensweisen die Evakuierung der fraglichen Depots erforderte. Walker Hancock etwa beschrieb die Situation, die George Stout und er im April 1945 bei der ersten Inspektion der Kupfermine in Siegen antrafen, wie folgt: Great damage had obviously been caused by the dampness in the mine. The heating system, designed to reduce the humidity, had been operated from the adjacent factory which had been destroyed by bombing. The atmosphere was heavy with moisture. Water dripped from the ceiling in several places. Many of the pictures and polychromed statues were coated with mold, and we noticed some flaking of paint from the wooden panels.51

Aufgrund der Schimmelbildung an den Kunstwerken wurde nahezu unverzüglich die Evakuierung der Siegener Bestände angeordnet, die vorübergehend in ein Zwischendepot nach Bonn gebracht werden sollten. Im Mittelpunkt von Hancocks Beschreibung der Evakuierung stehen vor allem die logistischen Herausforderungen bei der Beschaffung von wasserdichtem Verpackungsmaterial, Lastwagen und Hilfsarbeitern, die dem Evakuierungsteam viel Improvisation abverlangte. Nebenbei weist Hancock jedoch auch ausdrücklich darauf hin, dass sein Vorgesetzter George Stout allem Zeitdruck zum Trotz auf große Sorgfalt bei jedem einzelnen Handgriff achtete, da der sachgemäße Umgang mit den fragilen Objekten höchste Priorität hatte.52 Stouts Methoden zur Bergung und Verpackung von Kulturgütern werden auch in den Passagen von Thomas Carr Howes Memoiren angesprochen, die die Räumung von Altaussee im Sommer 1945 thematisieren. Während die Beförderung der Objekte aus den Minenschachten an die Oberfläche von Hilfsarbeitern übernommen werden konnte, lag die eigentliche Verpackung und das Beladen der Lastwagen für die Konvois in Richtung München in den Händen der MFA &A-Spezialisten: Unverpackt gelagerte Gemälde mussten in wasserdichtes Papier eingeschlagen, die Zwischenräume ­zwischen den senkrecht auf

50 Ebd., S. 137 – 138. 51 Hancock 1946, S. 292 – 293. 52 Ebd., S. 298 – 299 und S. 301 – 305.

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der Ladefläche der Lastwagen stehenden Objekten mit Füllmaterial ausgestopft werden.53 Noch ausführlicher gibt Howe diese Methoden in seinem Bericht zur Evakuierung der Göring-­­Sammlung aus Berchtesgaden wieder. Die Mehrzahl der Objekte – Gemälde, aber auch Skulpturen, Mobiliar, Schmuck und Porzellan – wurden dort unverpackt aufgefunden, was vor dem Verladen der Bestände auf die Lastwagen aufwändige Verpackungsarbeiten erforderte. Howe beschreibt nicht nur die für das Verladen erforderliche Logistik, sondern auch die vorangehende Durchnummerierung, fotografische Erfassung und provisorische Inventarisierung der Bestände.54 Der mehr als zwanzig Seiten umfassende Bericht über die Evakuierung beschränkt sich dabei nicht auf die Wiedergabe der technischen Methoden, sondern kontextualisiert die Evakuierung, indem er – szenisch eingebettet in einen Dialog – die Geschichte der Göring-­­Sammlung rekapituliert und die Provenienz einzelner, besonders bedeutsamer Objekte wie die aus einem Tauschgeschäft Görings mit dem Louvre stammende Statue „La belle Allemande“ von Gregor Erhardt referiert. Gerade die Passagen, die über die Erläuterung der Verpackungs- und Verladetechniken hinaus- und auf einzelne Objekte eingehen, bezeugen, dass die Tätigkeit der MFA &A nicht nur das logistische Know-­­How für den sachgerechten Transport von Kulturgütern, sondern auch kunsthistorisches Fachwissen erforderte. Howes Bestimmung und Beschreibung einzelner Gemälde von Boucher und Courbet oder seine Abwertung einiger Stücke modernen Kunsthandwerks als „Kitsch“ bestätigen, dass er die Expertise besaß, um diese Objekte zu identifizieren und ihren kunsthistorischen Wert einzuschätzen. Sein Fachwissen kommt nicht zuletzt in den Beschreibungen der Inventarisierung oder der Feststellung kleinerer Schäden an einigen Altmeister-­­Werken zum Ausdruck. Spätestens in dem Hinweis, dass Howe und Lamont Moore noch in Berchtesgaden damit begannen, die Rückseiten einzelner Gemälde zu untersuchen, um aus Markierungen, Zollstempeln oder Etiketten mit Galerie-­ Adressen erste Rückschlüsse auf die rechtmäßigen Eigentümer der Objekte zu ziehen, wird deutlich, dass diese kunsthistorische Expertise nicht allein für die bergungstechnischen und konservatorischen Fragen, sondern auch für die anschließende Feststellung der Provenienzen des Raubguts eine wesentliche Voraussetzung darstellte. Während sich die Berichte von Howe und Hancock gezielt auf die Methoden der Bergung und Evakuierung von Auslagerungsdepots konzentrieren, stehen in den Texten von Craig Smyth und Walter Farmer die Einrichtung und laufende Arbeit der Central Collecting Points im Mittelpunkt. Ihre technischen Beschreibungen der Instandsetzung der NSDAP-­ 53 Vgl. dazu exemplarisch Howes Wiedergabe der Verladung der Tafelbilder des Genter Altars: „The panels were now in their cases, and it was a relatively simple matter to carry them from the storage room to the train. We had to make two trips down and back in order to get all ten cases up the mine entrance. They were much lighter than the statue [gemeint ist die Brügger Madonna von Michelangelo], but the loading was a more exacting undertaking. Lashing them upright in parallel rows, in the truck, and stowing cases on either side for ballast, took time.“ Howe 1946, S. 160 – 161. 54 Howe 1946, S. 194 – 214.

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Verwaltungs- und Führerbauten am Münchner Königsplatz und des Wiesbadener Landesmuseums berühren jedoch im Wesentlichen dieselben konservatorischen und logistischen Fragen wie die Berichte zu den Auslagerungsdepots. Farmer etwa geht bei seiner Skizze der Einrichtung des Central Collecting Point in Wiesbaden sowohl auf die Reparaturarbeiten an Dach, Fenstern und Heizung als auch auf die Rekrutierung von fachlich qualifiziertem Personal ein, sodass in der Behandlung der ausgelagerten Sammlungen museale Standards der Lagerung und der Restaurierung eingehalten werden konnten.55 Auch Smyth betont, als er die Entwicklung des Property Card-­­Systems für die Inventarisierung der CCP-Bestände nachzeichnet, die Parallelen ­zwischen der Verwaltung eines CCP und der eines Museums: On 4 June 1945, while being driven to Munich over rough roads in a jeep, I spent the day considering what was to be done. Plainly, the Munich depot must be large, safe and ready to keep perfect track of very many objects. When studying to be an art historian, I had not thought much about the organization and administration of museums. But in 1941 I had joined the staff of the newly opened National Gallery of Art in Washington and was there for a year before leaving for the Navy. I absorbed a good deal about museum management at the National Gallery – probably even about accession numbers. One result of the ride from Frankfurt to Munich was a numbering system to identify each object and the repository from which it came. It was gratifying when this numbering system became the one used at other collecting points.56

In der Entwicklung eines Systems zur Verwaltung und Identifizierung kündigt sich zugleich die Vorbereitung der Provenienzrecherchen zu den einzelnen per Karteikarten erfassten Objekten an. Später kommt Smyth auf den konkreten Vorgang dieser Erfassung zurück und berichtet, dass die Identifizierung der Objekte in Einzelfällen durchaus problematisch sein konnte und mitunter Anlass zu Fachdiskussionen der CCP-Mitarbeiter über die Zuschreibungen einzelner Werke zu einem bestimmten Künstler gab. Die Collecting Points wurden insofern von ihren Gründern und Mitarbeitern bei weitem nicht nur als reine Bergungs- und Sammelstelle, sondern als Raum für angewandte Kunstgeschichte, also für objektbezogene Recherche und Austausch unter Fachleuten wahrgenommen. Aus eben d ­ iesem fachlichen Diskurs heraus entwickelte sich letztlich der Impuls für die Gründung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte.57 Die ausführlichen Wiedergaben technischer und konservatorischer Fragen und Methoden und die Verweise auf die Anwendung kunsthistorischen Fachwissens bei der Bestimmung und Inventarisierung von Objekten sind daher nicht einfach als banale Beschreibungen des Tätigkeitsprofils der MFA&A zu lesen. Vielmehr sind diese Ausdruck eines kunsthistorischen und konservatorischen Fachdiskurses: Die vielfachen Hinweise auf ideale Raumtemperaturen 55 Farmer 2000, S. 32 – 34. 56 Smyth 1988, S. 29. 57 Ebd., S. 50 und S. 56.

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und die schädigende Wirkung zu hoher oder zu niedriger Luftfeuchtigkeit, auf improvisierte Verpackungstechniken und nicht zuletzt die ganz nebenbei erfolgende Identifizierung der Kunstwerke bestimmter Epochen, Schulen und Künstler spiegeln die fachliche Expertise der Autoren und belegen zugleich, dass das Selbstverständnis der MFA&A-Mitglieder als Kunstschützer sich über genau diese Expertise definiert. In ihrem Kern entsprach die Arbeit, der die Mitglieder der MFA&A nachgingen – das Bergen, Identifizieren, Konservieren und Inventarisieren – den musealen und konservatorischen Praktiken, für die sie als Kunsthisto­ riker, Restauratoren und Museumskuratoren qualifiziert waren. Die Umdeutung dieser kunsthistorischen Arbeit zu einer „Rettungsmission“ ergibt sich weniger aus der Tätigkeit an sich, sondern vor allem aus dem Spannungsfeld ­zwischen der kunsthistorischen und musealen Praxis und dem spezifischen Kriegs- und Nachkriegskontext, in dem diese Praxis sich verortet. Sämtliche Publikationen der MFA&A leben vom Kontrast z­ wischen Kriegs­ geschehen, Zerstörungen, nationalsozialistischem Raub, der Not der Zivilbevölkerung, widrigen Arbeitsumständen aufgrund mangelhafter Infrastrukturen und dem Überdauern fragiler Kunstwerke an Orten, an die sie nicht gehören. Es ist sicher kein Zufall, dass das fotografische Material, das aus den Bergungsdepots in Altaussee, Neuschwanstein und Buxheim sowie den CCPs in München und Wiesbaden überliefert ist, gerade ­dieses Spannungsverhältnis von Krieg und Kunst in Szene setzt. Besonders bewusst erfolgte diese Inszenierung in den Fotoserien des Münchner Fotografen Herbert List, der keine rein dokumentarischen Fotos zur Illustration der MFA&A-Arbeit machte, sondern gezielt Objekte in der Umgebung des NSDAP-Gebäudes sowie ihren vom Krieg gezeichneten Zustand in den Mittelpunkt seiner Aufnahmen rückte. Iris Lauterbach spricht diesen Fotos eine „eigentümliche ‚Ruinenästhetik‘“ zu, „in der sich die dislozierten, ihres Sammlungszusammenhangs beraubten, nach langen Transporten oft beschädigten Kunstwerke in eigener Würde darstellten.“ 58 Dieser Befund der Dislozierung lässt sich jedoch nicht nur auf die Kunstwerke beziehen, sondern ebenso auf die Mitglieder der MFA&A, die auf nicht wenigen Fotos in den Central Collecting Points gemeinsam mit einzelnen identifizierten Kunstwerken posieren und dadurch ihre Kunstexpertise inszenieren: Ihre wissenschaftliche Tätigkeit üben sie gerade nicht im gewohnten akademischen Umfeld der Universität oder des Museums, sondern vielmehr eingebunden in die Hierarchien einer Armee und unter den Bedingungen von Kriegszerstörungen und existenziellem Mangel aus. Es ist eben dieser Gegensatz ­zwischen Krieg und Ruinen und dem Bemühen um den Fortbestand von Kunst, der den kunsthistorischen Fachdiskurs, in dem die MFA&A-Mitglieder ihre Tätigkeiten beschreiben, zu einem Kernelement des „Rettungsmissions“-Motivs umdeutet. Neben dem Spannungsfeld von Kunst und Krieg ist ein zweites Gegensatzpaar für die Meistererzählung der „Rettungsmission“ kennzeichnend: die Gegenüberstellung von alliiertem Schutz und nationalsozialistischem Raub. Deutlich zeigt sich dies beispielsweise in ­Thomas Carr Howes Schilderungen der Evakuierung der Göring-­­Sammlung aus 58 Lauterbach 2015, S. 79.

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­Berchtesgaden und seiner Begegnungen mit Walter Andreas Hofer, der die Sammlung verwaltete und später im Interrogation Center der ALIU verhört wurde. Auch Rorimer berichtet über Begegnungen mit Verantwortlichen des NS-Kulturgutraubs, etwa im Fall der Festnahme Bruno Lohses und der Befragung Günther Schiedlauskys.59 Die in die jeweiligen Erzählungen eingebetteten Rückblenden auf den nationalsozialistischen Kulturgutraub konstruieren einen Antagonismus und bauen die Kunsthändler und Agenten von NS-Größen zu Gegenspielern auf, gegen deren Aktivitäten die MFA&A erfolgreich vorgeht. Die Konstruktion ­dieses Antagonismus funktioniert nicht allein über die Zugehörigkeit der Gegenspieler zum verbrecherischen NS-System, sondern auch über kunsthistorische Urteile und Bewertungen. Rorimer beispielsweise merkt im Kontext der Göring-­­Sammlung in Berchtesgaden an, dass einige Objekte bei ihrer Auffindung durch amerikanische Soldaten unsachgemäß behandelt und beschädigt worden s­ eien, was die MFA&A nicht habe verhindern können. Die ultimative Schuld an diesen Schäden gibt er jedoch Göring, der darauf bestanden hätte, die Gemälde bis zum Schluss in seiner Nähe zu behalten, und damit überhaupt erst dafür gesorgt habe, dass diese sich in Berchtesgaden befanden und dort nicht angemessen gelagert worden ­seien.60 Dieser Vorwurf impliziert die Feststellung, dass Göring nicht nur Kunsträuber gewesen, sondern darüber hinaus fahrlässig mit Kunst umgegangen sei. Auf den mangelnden Kunstsachverstand von NS-Funktionären spielen auch Anekdoten an, die von Thomas Carr Howe sowie in mehreren Reportagen in amerikanischen Magazinen kolportiert wurden, etwa Görings Erwerb eines gefälschten Vermeers.61 Bezeichnenderweise bettet Howe diese Geschichte in einen Dialog ­zwischen ihm und seinem Kollegen Lamont Moore ein, in dem die beiden das fragliche Gemälde analysieren und die Vermeer-­­Zuschreibung kritisch diskutieren; er stellt also amerikanische Expertisen und Görings mangelnden Sachverstand direkt gegenüber.62 An mehreren Stellen lässt Howe außerdem Bemerkungen zur kunsthisto­ rischen Qualität der aufgefundenen Bestände einfließen, die Görings Sammlergeschmack sowie Hitlers künstlerische Vorlieben als fragwürdig oder zumindest dilettantisch abwerten.63 Noch deutlicher kommt diese Abwertung des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks in James Plauts Beschreibung von Görings Kunstsammlung in Carinhall zum Ausdruck. Er charakterisiert sie als theatralisches Nebeneinander von Meisterwerken aus europäischen Privatsammlungen, als „abominations of taste“ titulierte fleischige Aktdarstellungen des 19. Jahrhunderts und pompösen „Kraft-­­durch-­­Freude“-Skulpturen der NS-Zeit: „Showplace of the Reich, Carinhall was Göring, his sanctuary and his shrine, the perfect meeting ground of Rubens and the stuffed bull moose.“ 64 59 60 61 62 63 64

Howe 1946, S. 180 – 182 und S. 190 – 191 sowie Rorimer 1950, S. 198 – 206. Rorimer 1950, S. 214. Vgl. z. B. Walker 1946. S. 40. Howe 1946, S. 198 – 200. Vgl. Howe 1946, S. 136. Plaut 1946a, S. 58.

Die Meistererzählung der „Rettungsmission“  I  283

Setzt man diese Aburteilung des NS-Kunstgeschmacks mit der gleichzeitigen Zurschaustellung der kunsthistorischen Qualifikationen der MFA&A-Mitglieder ins Verhältnis, so zeigt sich deutlich der Grundton des „Rettungsmissions“-Narrativs, der auf die Gefährdung der europäischen Kunst durch gleichermaßen räuberische wie in Kunstdingen mangelhaft bewanderte Nationalsozialisten und die Rettung besagter Kunst durch qualifizierte amerikanische Akteure abzielt. Einen Sonderfall ­dieses über kunsthistorische Expertise konstruierten „Rettungsmis­ sions“-Narrativs schließlich stellt Walter Farmers „The Safekeepers“ dar, in dem der Rekurs auf konservatorische Praktiken eine zentrale Rolle spielt. Nicht nur klingt das Selbstverständnis des Sicherns und Konservierens bereits in seinem Buchtitel an. Farmer betont darüber hinaus bereits in den ersten Kapiteln seiner Memoiren, dass ihm die kunsthistorische und museologische Ausbildung fehle, über die seine MFA&A-Kollegen verfügten. Dafür bringe er jedoch mit seinem Organisationstalent und seinen Kenntnissen der amerikanischen Militär­ hierarchie die erforderlichen Voraussetzungen mit, um die Einrichtung eines Collecting Point im Wiesbadener Landesmuseum zu koordinieren und die diesbezüglichen MFA&A-­ Interessen auch bei höheren Stellen durchzusetzen.65 Farmer eignete sich das Wissen zu den im künftigen CCP Wiesbaden erforderlichen konservatorischen Bedingungen erst während dessen Aufbaus sukzessive an und erarbeitete sich damit gleichzeitig ein kulturelles Kapital, das seine Kunsthistoriker-­­Kollegen bereits besaßen. Die Wissensaneignung zu Konservierungs- und Lagerungsmethoden von Kulturgütern spielte jedoch nicht allein für Farmers persönliches Selbstverständnis als fachfremder Quereinsteiger, der aus Kunstleidenschaft und moralischen Erwägungen zum Kunstschützer wurde, eine Rolle. Sie bereitete gleichzeitig Farmers Rekonstruktion der Kontroverse um den Abtransport der Berliner Bilder vor. Offiziell wurde die Verschiffung der Bilder in die USA mit mangelnden Sicherheits- und Konservierungsbedingungen sowie dem Fehlen von qualifiziertem Personal in Deutschland begründet. Indem Farmer ausführlich die konservatorischen Bedingungen beschrieb, die er im CCP Wiesbaden schaffen ließ, und zugleich sowohl die eigene Kompetenz als auch die seiner MFA&A-Kollegen betonte, entkräftete er das Argument der amerikanischen Regierung und zeigte auf, wie unbegründet der Abtransport tatsächlich war. In Farmers Fall ist somit der kunsthistorische Fachdiskurs um Konservierungsmethoden und den qualifizierten Umgang mit Kulturgütern Teil eines „Rettungsmissions“-Narrativs, das eine Gefährdung der deutschen Museumssammlungen durch die amerikanische Regierung konstruiert und den von ihm initiierten Protest gegen diese Vorgehensweise als zum Scheitern verurteilten Rettungsversuch interpretiert.

65 Farmer 2000, S. 25 – 26.

284 I „The loot business makes the best story“

Welches Kulturerbe retten? Oder: Die Rhetorik des Meisterwerks Die Feststellung einer Gefährdung von Kulturgütern durch Kriegszerstörung, Raub, fahrlässigen Umgang und nicht zuletzt die Pläne der US-Regierung selbst wirft Fragen nach der näheren Bestimmung dieser Kulturgüter auf: Welche Güter werden explizit genannt, ­welche Schicksale rekonstruiert, und ­welche Rückschlüsse lässt die Auswahl dieser Kulturgüter auf das amerikanische Verständnis des europäischen Kulturerbes zu? Mehrere Unterscheidungsebenen bieten sich für diese genauere Skizze des zu rettenden Kulturerbes an: erstens die Unterscheidung nach beweglichen und unbeweglichen Kultur­ gütern; zweitens die nach der Art der beweglichen Kulturgüter – Gemälde, Skulpturen, Bücher, Archivalien, Schmuck, Möbel; drittens schließlich die nach dem Eigentümer, d. h. dem Staat, einer Stadt oder einer sonstigen öffentlichen Körperschaft oder aber einer Privatperson. Der Schutz von unbeweglichen Kulturgütern wie historischen Bauwerken oder Denkmälern wird vor allem in den Publikationen von Mason Hammond, Walker Hancock, James Rorimer und John D. Skilton stark betont. Hammond liefert einen Gesamtüberblick über die Kriegszerstörungen der deutschen Städte, nennt die am stärksten getroffenen Orte und geht ausgehend davon zu einer Analyse der deutschen Kriegsauslagerungen von Museumsbeständen sowie deren allgemeinem Zustand nach Kriegsende über.66 Insgesamt ist Hammond der Einzige, der Synthesen zu ganz Deutschland bzw. ganz Westeuropa versucht; alle übrigen Berichte beschränken sich auf einzelne Regionen im Rheinland oder in Süddeutschland, zum Teil sogar nur auf einige wenige spezifische Orte. Hancock etwa geht lediglich im Falle Aachens genauer auf die Kriegszerstörungen am Dom ein und widmet sich ansonsten der Frage nach dem Verbleib beweglicher Kulturgüter, insbesondere den Beständen der rheinischen Museen.67 John D. Skilton wiederum erstellt eine Lokalstudie zu Würzburg, die allenfalls kurz auf gemeinsame Arbeiten mit James Rorimer und Inspektionen von Denkmälern im direkten Würzburger Umland eingeht. Skiltons ausführlicher Bericht zur provisorischen Überdachung des Tiepolo-­­Gewölbes in der Würzburger Residenz ist zugleich eines der herausragenden Beispiele für die Notfall-­­Sicherung, die stellenweise von der MFA&A an Baudenkmälern durchgeführt wurde.68 Rorimer schließlich geht in umfassender Weise auf die Inspektion von ­Kirchen, Schlössern und sonstigen Baudenk­ mälern in der Normandie, auf dem Pariser Stadtgebiet und in der umliegenden Region ein. Die Berichte zeigen jedoch zugleich, dass die MFA&A vor allem während der Kriegszeit oft wenig mehr tun konnte, als einen ­kurzen Zustandsbericht samt Fotografien zu erstellen und gegebenenfalls die Einquartierung alliierter Truppen in die denkmalgeschützten Bauwerke zu verbieten. Für die Erzählungen zu Städten, Denkmälern und Schlössern ist insgesamt festzuhalten, dass diese in der Regel in unmittelbarem Kriegszusammenhang standen. Nicht 66 Hammond 1946, S. 205 – 207. 67 Hancock 1946, S. 272 – 276. 68 Skilton 1948, S. 61 – 78.

Die Meistererzählung der „Rettungsmission“  I  285

so sehr Raub oder mutwillige Zerstörung von Seiten der Nationalsozialisten, sondern der Krieg selbst wurde dabei zum Antagonisten, was durchaus eine alliierte Mitschuld an Zerstörungen im Bombenkrieg einschloss. Die enge Verknüpfung ­zwischen dem Kriegsverlauf und dem Schutz von unbeweglichen Kulturgütern und Denkmälern bedingt zugleich, dass die Inspektionen der MFA&A-Offiziere vor allem im Kriegskontext erzählt wurden und in der Zeit nach Kriegsende im Narrativ der „Rettungsmission“ an Bedeutung verloren. Auffallend ist an den Erzählungen zu Denkmälern außerdem, dass bei der Auswahl der Bauwerke und Städte, deren Schutz explizit erwähnt wird, kaum Überschneidungen der verschiedenen Autoren festzustellen sind: Es scheint mit Ausnahme der Würzburger Residenz keine unbeweglichen Kulturgüter gegeben zu haben, deren Rettung als so ikonisch oder paradigmatisch wahrgenommen worden wäre, als dass alle Autoren auf diesen Einzelfall hätten Bezug nehmen müssen. Dieser Befund steht in deutlichem Kontrast zu den beweglichen Kulturgütern, bei denen verschiedene Einzelobjekte oder Objektgruppen immer wieder herausgegriffen und besonders in den Mittelpunkt gerückt werden. Bewegliche Kulturgüter – und zwar sowohl aus öffentlichem wie auch aus privatem Eigentum – finden in nahezu allen Publikationen Erwähnung; auffallend ist dabei jedoch zunächst, dass der Schwerpunkt der Wahrnehmung deutlich auf Kunstwerken im engeren Sinne liegt. Bibliotheken und Archive werden mitunter erwähnt, aber nicht so ausführlich beschrieben wie Kunstsammlungen, Möbel, Juwelen oder Kirchenschätze. Walker Hancock etwa nennt explizit den Aachener Domschatz, die Entdeckung der preußischen Kronjuwelen in Bernterode sowie die Lokalisierung von Berliner Museumsbeständen in Siegen, Bernterode und Merkers und hebt damit vor allem den Verbleib deutscher Kultur­güter aus öffentlichem Eigentum hervor.69 Die Bergung und Sicherung von Berliner Museumsbeständen spielt nicht allein bei ihm eine Rolle, sondern taucht bei weiteren Autoren auf, in aller Regel als Teil der Vorgeschichte zum Abtransport der 202 Berliner Bilder aus dem CCP Wiesbaden in die USA und in Vorbereitung einer Stellungnahme gegen diesen.70 Die Restitution von NS -Raubgut steht vor allem bei Adams, Rorimer und Howe, in Lamont Moores Lecture von 1983, den Oral History-­­Interviews mit Howe und George Stout sowie Smyths Publikation zum CCP München im Vordergrund. Bei den ­hervorgehobenen

69 Hancock 1946, S. 290 – 300. 70 Vgl. Hammond 1946, S. 212 – 214 und S. 216 – 218, und Howe 1946, S. 118 und S. 232 – 235. Bei Walter Farmer wiederum, der die Affäre um die Berliner Bilder zum Kulminationspunkt seiner ganzen Memoiren macht, bildet die Geschichte der Berliner Kriegsauslagerungen den Schwerpunkt der Erzählung, dem selbst die Restitution von NS-Raubgut als zweitrangig untergeordnet ist. Sowohl die Mechanismen des nationalsozialistischen Kulturgutraubs als auch die alliierte Restitutionspolitik werden von ihm daher eher knapp skizziert; so erwähnt er z. B. nur einmal kurz die Besuche der französischen und belgischen Restitutionsoffiziere Rose Valland und Hans Jaffé im CCP Wiesbaden im Frühjahr 1946. Vgl. Farmer 2000, S. 86 – 87.

286 I „The loot business makes the best story“

Beispielen fällt auf, dass sie meist auf ähnliche Objektgruppen hinweisen, die in der Regel sowohl durch ihre kunsthistorische Bedeutung als auch ihre spezifische Raubgeschichte charakterisiert werden. Dazu zählen etwa Michelangelos „Madonna mit dem Kind“ aus Brügge und der Genter Altar 71, der in Nürnberg aufgefundene Veit-­­Stoß-­­Altar aus Krakau 72, Vermeers Gemälde „Die Malkunst“ 73 und die Rothschild-­­Juwelen.74 Im Fall des Genter Altars oder des Veit-­­Stoß-­­Altars bereitet die Wiedergabe ihrer Entdeckung in Depots und die Rekonstruktion ihrer Raubgeschichte narrativ die spätere Rückgabe an die jeweiligen Herkunftsländer Belgien bzw. Polen im Rahmen der token restitutions vor. Insbesondere die Raub- und Restitutionsgeschichte des Genter Altars – die Auslagerung nach Pau; die Beschlagnahmung 1942 mit der Zustimmung von General Pétain, aber gegen den Widerstand der französischen Museumsdirektion und des deutschen Kunstschutzes; die Entdeckung durch die MFA &A in Altaussee und die Rückkehr nach Belgien – wird sowohl in den amerikanischen als auch in französischen Ego-­­Dokumenten und nicht zuletzt in der Sekundärliteratur so häufig wiedergegeben, dass sie regelrecht paradigmatischen Charakter für die alliierten Restitutionen angenommen hat. Dies bedeutet zugleich jedoch, dass letztlich eines der meistzitierten Beispiele für den Raub der Nationalsozialisten ein Objekt christlicher Kunst aus öffentlichem Eigentum ist, dessen hochgradig symbolisch aufgeladene Restitution an das Herkunftsland seine Relevanz als national bedeutsames Kulturgut betont. Generell führt der starke Fokus auf die token restitutions der ersten Nachkriegsmonate zwangsläufig dazu, dass die Rückgabe von nationalem Eigentum im Narrativ der MFA &A sehr viel stärker präsent ist als die Restitution NS -verfolgungsbedingt entzogenen Privateigentums. Nichtsdestotrotz findet auch ­dieses an einigen Stellen der amerikanischen Erzählungen Erwähnung, so etwa die in Neuschwanstein aufgefundenen Rothschild-­­Juwelen und die Pariser David-­­Weill-­­Sammlung, deren Entdeckung Rorimer in „Survival“ folgendermaßen wiedergibt: We were guided to a hidden, thick steel door; this one locked with two keys. Inside there were two large chests of world-­­famous Rothschild jewels and box upon box of jewel-­­encrusted metalwork. There were also rare manuscripts and more than a thousand pieces of silver from the David-­­Weill and other collections.75

71 Zur Brügger Madonna und dem Genter Altar vgl. Howe 1946, S. 142 – 145 und S. 159 – 161, Adams 1946, S. 17, Rorimer 1950, S. 151 – 152, Smyth 1988, S. 57. Auch Farmer weist kurz auf die Geschichte der Brügger Madonna hin: Farmer 2000, S. 49 – 50. 72 Howe 1946, S. 252 – 253. 73 Vgl. Smyth 1988, S. 23 und Karlstrom et al. 1982, S. 15. 74 Howe 1946, S. 239 und Rorimer 1950, S. 185. 75 Rorimer 1950, S. 185.

Die Meistererzählung der „Rettungsmission“  I  287

Auch Howe, der im Spätsommer 1945 kurzzeitig für die Evakuierung der wertvollsten Goldschätze aus Neuschwanstein nach München zuständig war, geht in seinen Memoiren kurz explizit auf die David-­­Weill-­­Sammlung ein: It took us one evening to pack the Roman glass and the four succeeding evenings, working till midnight, to pack the two thousand pieces of gold and silver in the David-­­Weill collection. The Nazi looters had thoughtfully saved the well-­­made cases in which they had carted off this magnificent collection from M. David-­­Weill’s house in Paris. There were candelabras, dishes, knives, forks, spoons, snuffboxes – the rarest examples of the art of the French goldsmiths of the seventeenth and eighteenth centuries. This unique collection had created a sensation when it was exhibited in Paris a few years before the war. The fact that the incomparable assemblage would probably one day be left to the Louvre by the eminent connoisseur, who had spent a lifetime collecting it, had not deterred the Nazi robbers. He was a Jew. That justified its confiscation. Aside from the pleasure it gave me to handle the beautiful objects, I relished the idea of helping to recover the property of a fellow Californian: M. David-­­Weill had been born in San Francisco.76

Die namentliche Erwähnung von Eigentümern ist jedoch nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme, die nur bei besonders bekannten Sammlern und bedeutenden Kunstsammlungen erfolgt. Selbst in diesen Fällen geschieht die Nennung des Namens meist ohne eine explizite Rekonstruktion der Sammlungsgeschichte oder des Schicksals des Eigentümers. Wie Howes Beispiel zeigt, werden die Beschlagnahmevorgänge in Paris kaum weiter expliziert; er erwähnt knapp, dass für die Nationalsozialisten die jüdische Abstammung der David-­ Weills ausreichte, um eine Beschlagnahme zu rechtfertigen, ohne aber genauer auf die Implikationen dieser Feststellung einzugehen. Tatsächlich hatte David David-­­Weill, ein renommierter Kunstsammler und Mäzen, in der französischen Museumswelt der ersten Jahrhunderthälfte eine bedeutende Rolle gespielt, indem er Kuratoren wie René Huyghe protegierte oder Ankäufe für die Gemäldeabteilung des Louvre finanziell unterstützte. Seit 1931 hatte er außerdem den Vorsitz im Conseil des Musées Nationaux inne, wodurch er unter anderem über die Erwerbungspraxis der französischen Museen mitentscheiden konnte. 1939 lagerte David-­­Weill einen Teil seiner Sammlung gemeinsam mit der Gemäldeabteilung des Louvre ins normannische Sourches aus; anschließend floh die Familie über Evian in die Schweiz. Unter der Beaux-­­Arts-­­Administration des Vichy-­Regimes wurde David-­­Weill aufgrund seiner jüdischen Abstammung in Abwesenheit von seinem Posten beim Conseil des Musées Nationaux abgesetzt. Seine Sammlung wurde 1941 vom ERR in Sourches beschlagnahmt und über das Jeu de Paume nach Neuschwanstein und Buxheim verbracht.77 Weder das Exil noch die spezifischen Beschlagnahmeumstände werden von Howe oder Rorimer wiedergegeben – Howe erwähnt die „confiscation“ nur in einem Satz, 76 Howe 1946, S. 239 – 240. 77 Feliciano 2008, S. 140 – 147.

288 I „The loot business makes the best story“

bei Rorimer wird sie sogar nur impliziert, nämlich über den Verweis auf die Auffindung der Sammlung in einem ERR -Depot. Rorimer weist immerhin bei der Beschreibung des Depots Buxheim noch einmal auf Konfiskationen in Paris hin: The floor of the large chapel of the monastery was covered about eight or ten inches thick with rugs and tapestries. Among these were some of the Rothschild textiles taken from the walls and floors I had found denuded in their Paris and country homes.78

Auch hier fehlt jedoch eine weitere Kontextualisierung. Der geplünderte Zustand der Häuser wird kurz angedeutet – dass die besagten Häuser leer standen, weil ihre Eigentümer zuvor in die USA und nach Kanada geflüchtet waren und infolge der antisemitischen Gesetzgebung des Vichy-­­Regimes ihre französische Staatsbürgerschaft verloren hatten, geht aus dem Zusammenhang hingegen nicht hervor. Die Raubgeschichte der Objekte wird also von der Verfolgungsgeschichte der Eigentümer entkoppelt: Während die Konfiszierung der Objekte als Voraussetzung für ihre Restitution Teil des Narrativs ist, wird über die Verfolgung der Eigentümer geschwiegen. Diese Leerstelle der Erzählung, die in letzter Konsequenz auch ein Schweigen über NS-Verfolgung und Exil, Deportationen und die Judenvernichtung im Narrativ der „Rettungsmission“ impliziert, ist umso auffallender, wenn man die Memoiren der MFA&A mit zeitgenössischen Schriften der Mitarbeiter des Offenbach Archival Depots vergleicht: Dort wurde die Verknüpfung ­zwischen Kulturgutraub und NS-Vernichtungspolitik im Fall der Bestände des Offenbach Archival Depot bereits von den zeitgenössischen Mitarbeitern nicht nur deutlich wahrgenommen, sondern explizit thematisiert. Die OAD -Mitarbeiterin Lucy Dawidovicz etwa bezeichnete den OAD als „Leichenhaus der Bücher“, als Friedhof der jüdischen Kultur, dessen Bestände – vor allem Bücher, Archivalien und Judaika aus völlig zerstörten jüdischen Gemeinden Mittel- und Osteuropas – die Vernichtungsgeschichte ihrer früheren Eigentümer in sich trügen. Die Buch- und Judaikabestände besaßen Gedächtnisfunktion und machten die Dimension der Vernichtung anschaulich; gleichzeitig kam ihnen durch die Rückerstattung und Verteilung an jüdische Gemeinden weltweit aber auch eine zukunftsgestaltende Rolle für den Neubeginn jüdischen Kulturlebens zu. Dass die Kulturgüter unmittelbar auf die NS-Verfolgung und den Holocaust verwiesen, war den Mitarbeitern in ­diesem Fall also überaus klar.79 In den Memoiren der MFA&A hingegen wurden diese Bezüge ­zwischen Kultugutraub und Verfolgung jedoch weitgehend ausgeblendet. In der Gesamtbetrachtung stellt sich abschließend die Frage, ­welche Aussagen sich ausgehend von diesen Referenzen auf Schicksale beweglicher und unbeweglicher Kultur­ güter über das Verständnis der MFA &A-Mitglieder von Kulturerbe treffen lassen. Auf begriff­licher Ebene fällt auf, dass die Bezeichnung „Kulturerbe“ bzw. das e­ nglische 78 Rorimer 1950, S. 164. 79 Gallas 2013, S. 68 – 77.

Die Meistererzählung der „Rettungsmission“  I  289

„­ heritage“ – der allerdings ohnehin erst ein letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts seine heutige umfassende Bedeutung von Kulturerbe angenommen hat – bei keinem der Autoren überhaupt verwendet wird.80 Gebräuchlicher hingegen sind Umschreibungen unbeweglicher Kulturgüter als „monuments“ sowie beweglicher Güter als „treasures“ oder „art treasures“. Bemerkenswert ist zudem die Häufigkeit, mit der einzelne Werke oder Objektkonvolute als „masterpieces“ qualifiziert werden. „Masterpieces“ bzw. „chefs d’œuvre“ oder „Meisterwerke“ tauchen als Begriffe allerdings längst nicht allein in den Texten von MFA &A-Autoren auf, sondern sind auch in den Ausstellungsprogrammen der ersten Nachkriegsjahre sowohl im besetzten Deutschland als auch weit darüber hinaus ausgesprochen präsent. Nicht nur die Ausstellung 1946 in der Orangerie wurde als eine Schau mit „chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises“ angekündigt; auch die ersten Ausstellungen ausgewählter Stücke aus deutschen Museumssammlungen in den CCP s Marburg und Wiesbaden oder in Heilbronn rekurrierten auf den Begriff des Meisterwerks, um die jeweilige Objektauswahl thematisch zu rahmen und dem Publikum zu bestätigen, dass die jeweils bedeutsamsten Kunstwerke der deutschen Museen den Krieg überdauert hatten.81 Dieselbe Intention findet sich auch bei der Tübinger Kunstausstellung „Meisterwerke aus den Kölner Museen und der Staatsgalerie Stuttgart“ 82; darüber liegen in der französischen Besatzungszone Beispiele für Ausstellungen moderner und zeitgenössischer französischer Kunst vor, bei denen Meisterwerke in besonders repräsentativer und kondensierter Form das jeweils Charakteristische an der gezeigten Kunstrichtung hervorheben sollten.83 Nicht zuletzt wurden auch die 202 Berliner Bilder bei ihrer Wanderausstellung 1948 durch amerikanische Städte sowie ihrer Präsentation in Wiesbaden nach ihrer Rückkehr 1949 jeweils als „Masterpieces“ bzw. „Returned Masterworks“ angepriesen.84 Im unmittelbaren Nachkriegskontext existierte demnach eine weit verbreitete Rhetorik des Meisterwerks, die sich in den meisten Fällen unmittelbar auf Kunstbestände bezog, die in Auslagerungsdepots geborgen worden waren. In einem ersten Schritt sollte diese Rhetorik – durchaus in Analogie zum „Rettungsmissions“-Narrativ der MFA &A – die Erfolge bei der Bergung und Sicherung der Bestände vor Kriegseinwirkung und Plünde­ rung illustrieren. In einem zweiten Schritt konnte sie darüber hinaus kulturpolitische Intentionen transportieren, da das Publikum der Ausstellungen aufgefordert war, sich neu mit der europäischen Kunst auseinanderzusetzen.

80 Swenson 2013, S. 8 – 12. 81 Vgl. Ministère de l’Education nationale 1946. Siehe auch Central Collecting Point Marburg 1945, Central Collecting Point Wiesbaden 1946 und Ford 1946. 82 Hoffmann 1946. 83 Vgl. Jardot und Martin 1947. 84 Vgl. z. B. den Katalog der Ausstellung bei ihrer Station in Chicago: The Art Institute of Chicago 1948, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-F3, 3.7. Vgl. auch Landesmuseum Wiesbaden 1949.

290 I „The loot business makes the best story“

Über den rhetorischen Gebrauch des Begriffs in den Ausstellungskonzepten der unmittelbaren Nachkriegszeit hinaus verweist der Begriff des „Meisterwerks“ bei all seiner analytischen Unschärfe auch auf das universitäre und akademische Milieu der MFA &A-Offiziere: Sie inszenierten in den Ausstellungen, was sie – basierend auf ihrer eigenen Ausbildung – als besonders charakteristische Werke und Entwicklungslinien der europäischen Kunst wahrnahmen. Narrativ hoben sie dabei vor allem altmeisterliche Sammlungen hervor, so etwa die Werke der deutschen Malerei des 16. Jahrhundert, der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts oder der französischen Malerei des 18. Jahrhunderts aus den Berliner Museumssammlungen.85 Auch bei der Aufzählung einzelner Kunstwerke aus privatem Besitz überwiegen die Verweise auf die alten Meister, etwa wenn Howe im Kontext der Evakuierung von Berchtesgaden ein Porträt der Madame de Pompadour von Boucher oder Gemälde von Canaletto, de Hooch oder van Dyck anführt.86 Dieser Fokus geht einher mit einer weitgehenden Abwesenheit moderner und zeitgenössischer Malerei; Howe zum Beispiel erwähnt einzig im Kontext einer Begegnung mit dem Kunsthändler Gustav Rochlitz in Füssen einige moderne Kunstwerke, diese allerdings auch nur, weil sie Teil von Rochlitz‘ Tauschgeschäften mit dem ERR waren.87 Dieses scheinbare Ungleichgewicht war jedoch auch vorbedingt durch den Umstand, dass die Kategorien von Kunstwerken, die besonders im Fokus der MFA &A-Tätigkeit standen, auch durch die Zusammensetzung der Bestände bestimmt waren, die in den ausgelagerten deutschen Museumssammlungen oder den durch Erwerbung, Beschlagnahme oder Raub zusammengetragenen NS -Sammlungen vorhanden waren. Dass speziell die Kunst der Moderne in den MFA &A-Narrativen nur am Rande auftaucht, erklärt sich daher nicht zuletzt auch aus ihrer Abwertung durch die Nationalsozialisten und der daraus resultierenden „Säuberung“ der deutschen Museumsbestände. Auch wenn die MFA&A insofern mit vorgegebenen Kategorisierungen von Kunst arbeitete, lassen sich stellenweise dennoch Hinweise auf ihre eigenen, von ihrer kunsthistorischen Ausbildung beeinflussten Werturteile und ihr Kunstverständnis finden. Howes und Plauts abschätzige Beurteilungen des NS-Kunstgeschmacks beispielsweise verdeutlichen, dass die Amerikaner die im Nationalsozialismus überhöhte deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts als weitaus weniger bedeutend beurteilten.88 Plaut weist überdies explizit darauf hin, dass aufgrund der NS -Verfemung gerade die impressionistischen Meisterwerke von Renoir, van Gogh oder Cézanne in den Sammlungen der Nationalsozialisten fehlten oder dass sie zur Tauschware für den Erwerb von zweitrangigen altdeutschen Cranachs oder Holbeins degradiert worden ­seien.89 85 86 87 88 89

Vgl. z. B. Howe 1946, S. 234 – 235. Howe 1946, S. 197 – 198. Ebd., S. 241 – 242. Ebd., S. 136, und Plaut 1946a, S. 58. Plaut 1946a, S. 59.

Die Meistererzählung der „Rettungsmission“  I  291

Darüber hinaus werden eigenständige kunsthistorische Interpretationen, aber auch kulturpolitische re-­­education-­­Absichten der MFA&A vor allem in ihren Ausstellungsprogrammen ab 1947 ablesbar. Speziell die deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts und das von den Nationalsozialisten als „germanisch“ vereinnahmte Werk von Rembrandt machte sich die MFA&A in Ausstellungen zu eigen, um dem deutschen Publikum neue Interpretationen der europäischen Kunst zu vermitteln und diese mit einem re-­­education-­­Gedanken zu verknüpfen. Freilich wurden diese Konzeptionen erst in den späteren Jahren der Besatzung entwickelt; weder die Ausstellungen noch die Vorüberlegungen, auf denen sie beruhten, haben Eingang in die Meistererzählung der „Rettungsmission“ gefunden.

„The loot business makes the best story“ oder: Leerstellen der Erzählungen Mit seinem Fokus auf die Bergung und Sicherung von Kulturgütern und den Anfängen der Restitution von NS-Raubgut bildete das Narrativ der „Rettungsmission“ de facto nur einen Teil des Arbeitsspektrums der MFA&A ab, das auch die Unterstützung des Wiederaufbaus von Museen, die Kontrolle und Neuvergabe von Lizenzen an Kunsthändler, die Genehmigung von Kunstausstellungen und nicht zuletzt eigene Ausstellungsprojekte umfasste. Edith Standen brachte die Diskrepanz ­zwischen dem öffentlichen Bild der MFA&A und ihrem tatsächlichen Aufgabengebiet in einer Privatkorrespondenz an ihre beiden Tanten auf den Punkt, in der sie Janet Flanners 1947 im New Yorker erschienene Reportage „The Beautiful Spoils“ kommentierte: I hope you all read Janet Flanner’s articles on MFA&A in the New Yorker. The last one has some mistakes but by and large they’re excellent. Of course, she doesn’t touch at all, or scarcely, on several aspects of our work, the setting up again of museums and art school staffs, minus the Nazis who’d been running them, the regulation of the art trade, the encouragement of living artists and loan exhibitions etc. etc. But the loot business makes the best story.“ 90

Wenngleich Standen sich hier nicht unbedingt am von ihren Kollegen produzierten Narra­ tiv, sondern vielmehr am reduktionistischen Medienbild der MFA &A abarbeitet, lässt sich der Kern ihrer Aussage genauso gut auf die meisten Publikationen beziehen. Rorimer, Hancock und Howe nehmen auf kulturelle Aktivitäten in sehr geringem Umfang oder gar nicht Bezug. Howe etwa wies im Schlusskapitel seines Buchs darauf hin, dass der Wiederaufbau der deutschen Museen und Kulturinstitutionen das zweite Hauptziel der MFA &A dargestellt habe, ­dieses Ziel jedoch vor allem in den ersten Monaten der Besatzung den Restitutionsinteressen zum Opfer gefallen sei. Er betonte dabei zwar die grundsätzliche 90 Standen, Edith A., Letter to her aunts, March 23, 1947, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.11.

292 I „The loot business makes the best story“

Wichtigkeit des kulturellen Wiederaufbaus, sah es allerdings auch als gerechtfertigt an, dass die Restitution bislang höher priorisiert worden sei.91 Mit dieser Stellungnahme zog er sich die Kritik von Everett P. Lesley zu, der nach der Lektüre von „Salt Mines and Castles“ anmerkte: The first objection is, that in spite of the stimulus the book may well give, it is one more grenade in the arsenal of those who, contrary to the efforts and convictions, not only of all the MFA&A Officers, whilom and current, but intelligently concerned connoisseurs everywhere, remain persuaded that loot and restitution are the only reasons for the existence of the program. No one will gainsay that the restoration of works of art to their owners is important; the box-­­cars laden with Dick Bouts and trucks full of tapestries wending their way back to Allied capitals, where they are received with great brou-­­ha-­­ha and the distribution of trinkets to bystanders, have garnered reams of publicity and considerable international cordiality. But they were, are, and will not be the original and lasting aim.92

Lesleys kritische Anmerkung legt zweierlei Dinge offen: Zum einen bestätigt er, dass das in ersten Erfahrungsberichten, zeitgenössischen Reportagen und Artikeln kolportierte Bild der MFA &A sich in der Tat auf das Motiv der Rettung und Rückgabe geraubter Kunst reduzierte, ­dieses Bild aber gerade nicht dem Selbstverständnis der MFA &A entsprach. Demnach ging ­dieses Selbstverständnis vielmehr von einer umfassenderen Vorstellung von Kulturgüterschutz aus, die sich nicht allein auf Restitution beschränkte, sondern den Schutz von Kulturdenkmälern, die Bewahrung deutscher Museumssammlungen und die Schaffung von Grundlagen für einen Wiederaufbau des deutschen Kulturlebens unter demokratischen Vorzeichen ausdrücklich einschloss. Zum anderen deutet Lesley an, dass dieser umfassende Anspruch keineswegs auf breite Akzeptanz stieß, sondern es vielmehr in der Militärverwaltung, aber auch innerhalb der USA Tendenzen gab, die MFA &A als reines Restitutionsprogramm aufzufassen. Dies hatte durchaus politische Konsequenzen, die im Oktober 1946 – zumal für Lesley, der zu ­diesem Zeitpunkt noch in der MFA &A diente – bereits sichtbar waren: Die MFA &A hatte eine erste Welle von Personalkürzungen hinter sich; darüber hinaus hegte die Militärregierung Pläne, das Kunstrestitutionsprogramm so schnell wie möglich abzuschließen.93 Dass die MFA &A neben der Restitutionsaktivität auch kulturpolitische Initiativen ergriff, war in ­diesem Kontext keineswegs selbstverständlich, und zweifellos war Lesley der Ansicht, Howe hätte die Interessen der MFA &A stärken müssen, indem er die volle Bandbreite ihrer Arbeitsschwerpunkte darstellte. 91 Howe 1946, S. 293 – 294. 92 Lesley, Everett P., Letter to Thomas Carr Howe, commenting on his book „Salt Mines and Castles“, December 30, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 23. 93 Kurtz 2006, S. 144 – 145.

Die Meistererzählung der „Rettungsmission“  I  293

Auch in weiteren Ego-­­Dokumenten finden sich durchaus Andeutungen zu eher kulturpolitischen Aktivitäten der MFA&A; allerdings sind sie in aller Regel dem dominierenden Narrativ der Bergung und Restitution untergeordnet. Smyth etwa unternimmt lediglich am Ende seiner Lecture einen ­kurzen Ausblick auf diese Tätigkeiten und betont ihre historische Relevanz, ohne aber ihre Inhalte näher zu diskutieren: In autumn a new MFA&A officer for Bavaria, Captain Edwin C. Rae, professor in civilian life at the University of Illinois, undertook to make possible a small exhibition for the public in a gallery of the Haus der Kunst, consisting of some pictures of the Alte Pinakothek. The MFA&A in other German cities organized similar public exhibitions from local museum collections. The role of MFA&A in the occupation and military governments of Germany is worth some attention by historians. It was a positive element in preparing the ground for the reconstruction of postwar Germany from the ruins.94

Farmers „The Safekeepers“ geht verhältnismäßig ausführlich auf die erste Ausstellung der MFA&A im CCP Wiesbaden ein, die im Frühjahr 1946 mit Beständen der Berliner Museen durchgeführt wurde. Diese kulturelle Aktivität steht bei Farmer jedoch im unmittelbaren Kontext des Abtransports der 202 Berliner Bilder in die USA.95 Edith Standen schließlich skizziert in ihrer als Entwurfsfassung überlieferten Regionalstudie zur MFA&A-Arbeit in Württemberg-­­Baden das vollständigste Bild und zeigt auf, dass Maßnahmen wie die Entnazifizierung des Kulturbetriebs, die Genehmigung des neu konstituierten Heilbronner Kunstvereins und die Organisation erster Kunstausstellungen – teils durch den Kunstverein, teils im Umkreis der Saline mit ausgelagerten Beständen – bereits 1945 begannen. Darüber hinaus betonte sie, dass der auf deutscher Seite existierende Hunger nach kulturellem Input unbedingt durch intensiven internationalen Austausch z­ wischen Museen, aber auch Kunsthändlern und Künstlern befördert werden müsse und die MFA&A hierbei eine Mittlerrolle spielen könne: The 60,000 people in Munich who visited the three-­­week exhibition of modern French painting, organized by French Zone MFA&A officers, show that there is also a vast public eager to know what has been done in the last fifteen years. Museum men must travel to learn what advances have been made in their profession – here America has a great deal to teach. Foreign dealers want the works of the German artists, both those who were famous in the ’20s and forcibly surppressed in the Third Reich, and the new men, a form of export trade worthy of encouragement, as the goods are light in weight, high in dollar values and requiring little or no raw materials. In all fields of life the windows are opening again in what was the gloomy and terrible sealed prison

94 Smyth 1988, S. 55 – 56. 95 Farmer 2000, S. 87.

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of Germany; the MFA&A officer, like his co-­­workers in education and the other arts, wants to play his part in letting in the light.96

Standens nachdrückliche Forderung, das Potenzial der MFA &A im Bereich der Kulturvermittlung stärker zu fördern und Kunst als Teilaspekt der re-­­education-­­Politik zu stärken, findet sich auch in ihrer Stellungnahme vor der College Art Association wieder.97 In beiden Fällen handelt es sich dabei um eine Reaktion auf die fehlenden Vorgaben zur re-­­education und das geringe Interesse ihrer direkten Vorgesetzten in der Militärregierung an ihrem kultur­ politischen Engagement. Tatsächlich sollte erst 1948 durch die Einbindung der MFA&A in die Education & Cultural Relations Division eine Stärkung ihrer kulturpolitischen Tätigkeiten erfolgen. Bei Standens Ausführungen handelt es sich um das einzige Beispiel, bei dem das Motiv der „Rettungsmission“ der europäischen Kulturschätze durchbrochen wird, indem die kulturpolitischen Aktivitäten der MFA &A explizit als von der Bergung und Restitution distinktem Arbeitsbereich begriffen werden. Selbst die Texte, die erst in den 1980er und 1990er Jahren entstanden sind und insofern in ihrem historischen Rückblick auf die Nachkriegszeit auch die kulturellen Aktivitäten einschließen könnten, streifen diese letztlich nur oberflächlich. Smyth etwa spielt nur kurz auf Ausstellungsprojekte mit deutschen Museumssammlungen an und stellt die Initiative zur Gründung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte über den Rekurs auf den im CCP München herrschenden kunsthistorischen Fachdiskurs in den übergeordneten Kontext der Restitutionsarbeit. Farmer geht bei der Verknüpfung von Ausstellungen und Rettungsnarrativ noch einen Schritt weiter, indem er Erstere als Reaktion auf den Abtransport der Berliner Bilder sowie als Präventivmaßnahme zur Verhinderung weiterer konstruiert. Dass bis in die 1990er Jahre hinein die „Rettungsmission“ die dominierende Meistererzählung der MFA &A geblieben ist, zeigen nicht zuletzt die Selbstzeugnisse ehemaliger Mitglieder anlässlich des Symposiums „The Spoils of War“ im Jahre 1995: Bis auf Farmer würdigt kein einziger Beitrag die kulturpolitischen Aktivitäten der MFA &A.98 Dass über diese Marginalisierung der Kulturpolitik hinaus weitere Leerstellen in den dominierenden Narrativen der MFA&A existieren, unterstreicht der Beitrag von S. Lane Faison zum Symposium. Faison riss in seiner Präsentation die Probleme an, die sich 1951 durch den Rückzug der Amerikaner aus den kulturellen Restitutionen ergaben, und benannte dabei zwei wesentliche Konfliktfelder: erstens die Auseinandersetzungen der CCP-Direktoren mit ihren Vorgesetzten bei der amerikanischen Hohen Kommission, die auf einen raschen Abschluss drängten, und zweitens die Frage nach der Übergabe von Restbeständen aus 96 Standen, Edith A., Monuments, Fine Arts & Archives May 1945-July 1947, NGA, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 18.6. 97 Standen und Brendel 1948, S. 212 – 213. 98 Farmer 1997, S. 134.

Die Meistererzählung der „Rettungsmission“  I  295

dem CCP München an Österreich. In seiner Darstellung der Österreich-­­Affäre ließ Faison durchblicken, dass er diese Entscheidung persönlich nicht unterstützt hatte, fokussierte sich dann aber vorwiegend auf den Presseskandal um den Abtransport und die Konflikte, die die Affäre ­zwischen ihm und seinem direkten Vorgesetzten ausgelöst hatten.99 Vergleicht man diese Darstellung mit den dienstlichen und privaten Korrespondenzen der MFA&A aus dem Jahr 1951, so wird deutlich, dass auch Auseinandersetzungen mit deutschen Mitarbeitern des CCP München die Österreich-­­Frage beeinflusst hatten und die Abgabe der Restbestände sich in der Grundsatzfrage verortete, wie die Treuhandverwaltung für Kulturgut die äußeren Restitutionen nach dem alliierten Rückzug gestalten würde.100 Die sukzessive Abgabe von Kompetenzen an deutsche Behörden und die drängende Frage, wie mit bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht identifizierten Restbeständen oder den Sammlungen von früheren NS-Parteifunktionären zu verfahren war, waren komplexe Problematiken, die im Narrativ der MFA&A jedoch kaum einen Niederschlag gefunden haben. Selbst Faison verortete den Abschluss der Restitutionen und die Österreich-­­Affäre in seinen Konferenzbeiträgen und Oral History-­­Interviews der 1990er Jahre in den Rahmen des dominierenden „Rettungsmissions“-Motivs. In Interviews mit der Historikerin Birgit Kirchmayr stellte er etwa fest, dass die Übergabe an Österreich „the exact opposite of everything we said we were standing for“ 101 gewesen sei. Kirchmayr kommentiert dies ihrerseits mit dem Hinweis, dass Faison auch noch in den 1990ern mit der Übergabe an Österreich gehadert habe, nicht allein aufgrund der schlechten Presse, die sie ihm eingebracht hatte, sondern weil sie „ganz offensichtlich seiner tief empfundenen Überzeugung vom Auftrag der Monuments Men [widersprach]“ 102, die darin bestand, „Kunst zu finden und zurückzugeben, und zwar wenn möglich an diejenigen, in deren Eigentum sie einstmals gestanden hatte, und nicht dorthin, wo sie gefunden war.“ 103 Dass Faison in Interviews in den 1990ern die Rückgabe an die ursprünglichen Eigentümer betonte, steht in gewissem Widerspruch zu dem Befund, dass in den Ego-­­Dokumenten der MFA &A-Offiziere bis weit in die 1980er hinein kaum Bezug auf die individuellen Eigentümer der Kunstwerke genommen wird. Einzig Farmer widmet explizit ein Kapitel seiner Memoiren dem Offenbach Archival Depot und erbenlosem jüdischem Vermögen.104 Dabei ist Farmer deutlich beeinflusst von den Diskursen der 1990er Jahre um Holocaust-­ Vermögen und die Washingtoner Konferenz sowie von den ersten Forschungsbeiträgen zum

99 Ebd., S. 140 – 141. 100 Vgl. dazu Faison, S. Lane, Letter to Edgar Breitenbach pertaining to the CCP Munich and the German Restitution Committee, August 30, 1951, AAA. Thomas Carr Howe Papery, Box 2, Folder 17. 101 Kirchmayr 2016, S. 30. 102 Ebd. 103 Ebd. 104 Farmer 2000, S. 98 – 105.

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NS-Kunstraub von Lynn Nicholas und Michael J. Kurtz. Dass er die Frage des jüdischen Vermögens anders thematisiert als andere MFA&A-Mitglieder vor ihm, liegt daran, dass er die Diskurse der 1990er Jahre auf die eigenen Erinnerungen zurückprojiziert. Auch Faisons Verweis auf die Rückgabe von Kulturgütern stellt letzten Endes eine s­ olche Rückprojektion dar. Sie dient als Rechtfertigung und Sinnstiftung für die MFA&A-Arbeit und erweitert zugleich im Nachhinein das Narrativ der „Rettungsmission“ um den ursprünglich weniger sichtbaren Aspekt der individuellen Eigentumsverhältnisse, weil dieser Aspekt zum Zeitpunkt des Interviews an Bedeutung gewonnen hatte. Beide Beispiele zeigen somit besonders deutlich, dass die Leerstellen im Narrativ der „Rettungsmission“ auch in der Quellengattung der Memoiren und deren Konstruktionscharakter begründet sind. Der zeitgenössische Diskurs ihres Publikationskontextes, aber auch die Intention der jeweiligen Äußerung, etwa die Rechtfertigung oder Idealisierung bestimmter Entscheidungen und Handlungen, bestimmten mit, was sagbar und nicht sagbar war oder was als weniger wichtig empfunden wurde. Die Kulturpolitik der MFA &A blieb in diesen Erzählungen auch deshalb Leerstelle, weil sie zum Zeitpunkt ihrer Umsetzung politisch umstritten und stärker auf informellen Netzwerken und Eigeninitiativen denn auf offiziellen Direktiven beruhte und auch in späteren politischen Diskursen oder Forschungsinteressen wenig Würdigung erfuhr. Selbst in der Rückschau wurden die Mitglieder der MFA &A durch zeitgenössische Diskurse kaum dazu animiert, sich an die kulturpolitischen Aspekte ihre Arbeit zu erinnern und ihre Verdienste in ­diesem Bereich hervorzuheben. Stärkeres Interesse weckte weiterhin die Darstellung der „Rettungsmission“.

6.2.2 „Westward Ho, Watteau“ und die Folgen Dass z­ wischen der öffentlich erzählten Geschichte der MFA &A und ihrer Erfahrungsgeschichte Diskrepanzen existierten und ihr im Kern moralisch motivierter und in den Dienst der Kunst gestellter Grundgedanke mitunter an den Realitäten der amerika­ nischen Besatzungs- und Restitutionspolitik scheiterte, bestimmte die Erfahrungs­ geschichte der MFA &A-Offiziere nachhaltig. Thematisiert wurden diese Diskrepanzen in der von ihnen öffentlich erzählten Geschichte jedoch nur teilweise und in bestimmter Form. Am deutlichsten wird dies beim unter dem Codewort „Westward Ho, Watteau“ firmierenden Abtransport der Gemälde aus Berliner Museumsbeständen in die USA , der Rückwirkungen sowohl auf die konkrete Tätigkeit der MFA &A als auch auf ihr Selbstverständnis und ihre Erfahrungsgeschichte hatte. Im Folgenden wird anhand der Ego-­­Dokumente der MFA &A-Mitglieder aufgezeigt, wie sich dieOffiziere zu dem Abtransport positionierten, wie sie die Kontroverse wahrnahmen und darstellten und ­welche Auswirkungen diese Erfahrung auf ihr Selbstverständnis im weiteren Verlauf der amerikanischen Besatzung hatte.

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Die ersten Proteste im Herbst 1945 Walter I. Farmers „The Safekeepers“ enthält die umfassendste, allerdings auch mit dem größten zeitlichen Abstand abgefasste Nacherzählung der Ereignisse um die Berliner Bilder. Dramaturgischer Aufhänger ist bei ihm die spontane Reaktion auf den Anfang November 1945 per Telegramm in Wiesbaden eingehenden Befehl zum Abtransport der Bilder. Im Rückblick behauptet Farmer, bis zu ­diesem Zeitpunkt nichts von den Plänen gewusst zu haben, und konstruiert daraus eine Abgrenzung ­zwischen ihm und den MFA&A-Kollegen aus der Museumsbranche, die bereits intern kursierende Informationen zum geplanten Abtransport erhalten hatten. Erzählerisch erfüllt diese Abgrenzung den Zweck, Farmer als Außenseiter zu stilisieren, der gerade aus dieser Position heraus als Erster handelte und die MFA &A-Offiziere unmittelbar nach Erhalt des Befehls zu einer Krisensitzung im CCP Wiesbaden einberief. Erst im Anschluss an die Wiedergabe der Sitzung, bei der es zur Abfassung einer als Wiesbadener Manifest bekannt gewordenen Protestnote kam, bettet Farmers Narration die Episode in ihren größeren Kontext ein. Gegenüber der Erzählung der Wiesbadener Protestaktion fallen jedoch sowohl der Überblick über die politische Entwicklung der Transportpläne, der mit Rückgriff auf Lynn Nicholas’ Analyse in „The Rape of Europa“ rekonstruiert wird, als auch die Darstellung der weiteren Ereignisse ab 1946 deutlich kürzer aus.105 Die Hauptintention in Farmers Nacherzählung besteht demzufolge darin, dem in Wiesbaden formierten Protest der MFA&A ein Denkmal zu setzen und dabei insbesondere seinen persönlichen Anteil herauszuarbeiten. Gerade diese Initiative war es, für die Farmer noch 50 Jahre später auf Symposien und durch die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt wurde. Die Wiesbadener Proteste sind insofern als Farmers Vermächtnis zu betrachten, und dementsprechend sind seine Memoiren auch geschrieben.106 Das Wiesbadener Manifest stellte die erste unmittelbare Reaktion auf das Bekanntwerden der Transportpläne dar. Insgesamt 24 Offiziere unterzeichneten die Protestnote und erklärten damit programmatisch, dass der als „protective custody“ betitelte Abtransport der Gemälde einen moralisch fragwürdigen Präzedenzfall schaffe. Nicht nur sei der Abtransport weder militärisch noch durch die materielle oder personelle Situation der Auslagerungsdepots und Collecting Points in Deutschland gerechtfertigt. Noch dazu erinnere der Ausdruck „protective custody“ an den euphemistischen Begriff der Sicherstellung, mit dem die Nationalsozialisten ihre Beschlagnahmungen in Europa gerechtfertigt hatten. Als Angehörige der US-Armee, deren höhere militärische Ränge den Befehl zum Abtransport erteilt hatten, sähen sich die MFA&A-Offiziere zwar gezwungen, der Anordnung Folge zu leisten. Dennoch fühlten sie sich moralisch dazu verpflichtet, sich von dem Vorhaben ausdrücklich zu distanzieren.107 105 Farmer 2000, S. 55, 57 – 58 und 68 – 70. 106 Ebd., S. 115. 107 Lesley, Everett P.; Parkhurst, Charles, Wiesbaden Manifesto, November 7, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497.

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De facto blieb das Wiesbadener Manifest, das an Bancel LaFarge geschickt, von ­diesem aber nicht an höhere Stellen weitergeleitet wurde, zunächst eine interne Protestnote, die vor allem unter den Mitgliedern der MFA&A zirkulierte.108 Daneben drückten MFA&A-­ Offiziere, die das Manifest nicht unterzeichnet hatten, in separaten Briefen an LaFarge ihre Haltung gegenüber dem Abtransport aus. Craig Hugh Smyth, der Leiter des Münchner Collecting Point, griff in seinem Brief an LaFarge zum Teil auf die Argumentationslinien des Wiesbadener Manifests zurück, indem er auf die Parallelen ­zwischen vorgeschobenen Begründung der „protective custody“ bei den NS-Beschlagnahmen und der Vorgehensweise der US verwies. Smyth fasste aber auch die Konsequenzen ins Auge, die der Abtransport der Bilder für das amerikanische Image in Deutschland haben konnte: [The restitution] program has been remarkable for the disinterested and fairminded part which the United States has chosen to take in it. It has been until now one of the chief evidences which can be shown to Germany of the scale of values we offer. It is my opinion that the removal of German-­­owned works of art to America jeopardizes our standing as a trust-­­worthy nation because it appears to me unjustifiable on any grounds.109

Mit den möglichen negativen Folgen des Abtransports für das deutsch-­­amerikanische Verhältnis in den CCPs begründeten auch Walter Farmer und Walker Hancock ihre Proteste. Farmer argumentierte, dass gerade die Bemühungen der MFA&A um den Erhalt der deutschen Museumssammlungen ausschlaggebend dafür gewesen s­ eien, dass sich ­zwischen den deutschen und amerikanischen Mitarbeitern im CCP Wiesbaden ein Vertrauensverhältnis entwickelt habe, weshalb der Abtransport einem regelrechten Verrat gleichkäme.110 Auch von Walker Hancock wird kolportiert, dass er seinen Protest mit den Kategorien von Vertrauen und Verrat untermauerte – er legte infolge des Abtransports sein Amt als Direktor des Marburger Collecting Point nieder und begründete diesen Schritt mit der Erklärung, dass alles, was er in Marburg erreicht habe, nur mit dem Vertrauen bestimmter Personen gelungen sei und er nicht zurückkehren könne, um diesen Leuten mitzuteilen, dass er sie betrogen habe.111 108 Im Dezember 1945 sorgte Edith Standen für die MFA&A-interne Verbreitung des Dokuments, indem sie jedem Offizier drei Kopien zusandte, darauf hinwies, dass „The original has been given to Maj. Bancel LaFarge to use as he sees fit; he has said that it will be of great service to him but he does not feel that it can be made public.” Das Manifest könne aber auch an Freunde und Bekannte weitergeleitet werden, sofern diese Weiterleitung privat bleibe. Standen, Edith, Transmission of a copy of the paper drafted by the MFA&A in Wiesbaden on November 7th, 1945, December 1, 1945, AAA, James J. Rorimer Papers, Box 1, Folder 12. 109 Smyth, Craig Hugh, Note to Bancel LaFarge on the removal of German-­­owned works of art to the United States, November 11, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 1.7. 110 Farmer 2000, S. 57. 111 Vgl. Howe 1946, S. 276 – 277. Auch Farmer gib Hancocks Reaktion auf den Abtransport der Bilder wieder und bezieht sich hierzu auf Howes Darstellung in „Salt Mines and Castles“ zurück. Vgl.

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Hancock war nicht der Einzige, der mit einem Rücktritt auf den Abtransport der Bilder reagierte. Bis zum Jahresende 1945 stellten unter anderem James J. Rorimer und Doda Conrad Entlassungs- bzw. Versetzungsanträge, die im Zusammenhang mit der Kontroverse um die Berliner Bilder standen, aber jeweils verschieden motiviert waren. Rorimer war einer der Offiziere, die zwar ihre Übereinstimmung mit den Inhalten des Wiesbadener Manifests erklärt, es aber nicht unterzeichnet hatten. Er hat nur wenige und sehr vorsichtig formulierte Stellungnahmen zu dem Fall hinterlassen und vermied eine allzu klare, öffentliche Positionierung. So war er zum Beispiel nicht bereit, eine im Sommer 1946 von amerikanischen Museumsleuten initiierte Petition an das Weiße Haus über die Rückgabe der Bilder zu unterzeichnen. In einem Brief an die Mit-­­Initiatorin Juliana Force erklärte er, dass der Abtransport der Bilder zwar seinen persönlichen Überzeugungen widersprochen, er es aber nicht für richtig gehalten habe, gegen militärische Befehle zu konspirieren, weshalb er das Wiesbadener Manifest nicht unterzeichnet habe. Aufgrund der strukturellen Veränderungen in Deutschland und des Personalmangels in der MFA &A sei er jedoch im Verlauf des Jahres 1946 zu der Überzeugung gelangt, dass die Bilder inzwischen in der National Gallery of Art besser aufgehoben ­seien, weshalb er die Petition ans Weiße Haus zur Rückgabe nicht unterzeichnen wolle.112 Auch in seiner 1950 erschienenen Publikation „Survival“ ging er zwar kurz auf den Abtransport ein, verzichtete dabei aber auf jegliche persönliche Stellungnahme.113 Walter Farmer spekulierte später, dass Rorimers vorsichtige Zurückhaltung mit Karriereerwägungen zusammenhänge und durch deutlichen Protest einen Konflikt mit seinem Vorgesetzten am Metropolitan Museum of Art fürchte – Francis Henry Taylor, der Direktor des Museums, hatte den Abtransport der Bilder befürwortet und war auch sonst mit einer eher antideutschen Haltung hervorgetreten.114 Das Entlassungsgesuch aus der MFA&A war somit in Rorimers Fall der Ausweg aus einem Zwiespalt z­ wischen persönlichen Überzeugungen und beruflichen Loyalitäten.

Farmer 2000, S. 62. Die Howe Papers wiederum enthalten einen Brief Hancocks an Howe, in dem dieser noch vor der Veröffentlichung der Memoiren die Formulierungen bestätigt, die Howe Hancock in seiner Nacherzählung in den Mund legte. Vgl. Hancock, Walker, Letter to Thomas Carr Howe pertaining to shipment of the Berlin 202, August 8, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 9. 112 Rorimer, James J., Letter to Mrs. Force on the Berlin 202 affair, May 5, 1946, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-J2, 3.5. 113 Rorimer 1950, S. 232. 114 Vgl. Farmer, Walter I., Will anything survive (undated), NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.2, S. 15 und Farmer 2000, S. 62 – 64. Taylor hatte sich bereits vor der Affäre um die Berliner Bilder eher antideutsch geäußert. 1945 hatte er u. a. eine Veröffentlichung herausgebracht, in der er Erwin Panofsky, aber auch andere aus Europa emigrierte Kunsthistoriker und ihre Arbeitsmethoden heftig attackierte und ihnen vorwarf, mit ihren allzu intellektuellen Ansätzen das amerikanische Publikum aus den Museen zu vertreiben. Vgl. Michels 1999, S. 61.

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Auch im Fall von Doda Conrad spielten persönliche Bedenken eine Rolle für das Versetzungsgesuch, das er am 1. Dezember 1945 an Bancel LaFarge adressierte. Anders als Rorimer hatte Conrad das Wiesbadener Manifest unterzeichnet, und auch Karriere-­­Hintergedanken sind bei ihm, der im Gegensatz zur Mehrheit seiner Kollegen kein ausgewiesener Fachmann für Kunst war, eher auszuschließen. Conrad stellte in seinem Brief an LaFarge fest, dass es ihm Unbehagen bereite, die MFA&A so eng mit dem Abtransport der Berliner Bilder verknüpft zu sehen, und er befürchte, von nun an nicht mehr mit der gleichen Überzeugung wie zuvor für sie arbeiten zu können. Auch gestand Conrad ein, dass er zu starke antideutsche Ressentiments hege, die nicht in die „atmosphere of cordial collaboration between Americans and Germans“ passten, die eine Grundvoraussetzung für den Erfolg der MFA&A-Arbeit sei.115 Conrads Begründung ist umso bemerkenswerter, als sie völlig auf die üblichen Argumentationsmuster verzichtet, mit denen der Protest normalerweise begründet wurde, und ausschließlich auf persönlichen Überzeugungen beruht. Wenngleich das Wiesbadener Manifest ein geschlossenes Agieren der MFA&A zu suggerieren scheint, offenbart sich bei näherer Betrachtung, dass mehrere Offiziere sich aus verschiedenen – teils persönlichen – Gründen von der Protestnote distanzierten und über separate Protestbriefe oder Entlassungsgesuche ihre Kritik an der amerikanischen Politik äußerten.

Die inneramerikanische Mediendebatte und ihre Rückwirkungen auf die MFA&A Als das Manifest im Frühjahr 1946 an die amerikanische Öffentlichkeit gelangte, entspann sich eine Mediendebatte, die auch die Proteste gegen den Abtransport transformierte. Während sich die Mitglieder der MFA&A in Deutschland überwiegend bedeckt hielten, waren es vor allem die bereits in die USA zurückgekehrten Ehemaligen aus der Einheit, die sich an der Debatte beteiligten. Wie sie sich öffentlich positionierten, geht aus verschiedenen Beiträgen in Zeitungen und spezialisierten Kunstzeitschriften hervor. Daneben enthalten mehrere Privatkorrespondenzen ehemaliger MFA&A-Offiziere im Nachlass des 1946 in die USA zurückgekehrten Thomas Carr Howe zahlreiche Bezüge auf die Angelegenheit um die Berliner Bilder. In der Gegenüberstellung von öffentlichen Debattenbeiträgen und informellen, privaten Korrespondenzen werden zwei verschiedene Perspektiven auf die Ereignisse sichtbar sind, die jedoch untrennbar miteinander verknüpft waren, nicht zuletzt auch weil die amerikanische Mediendebatte ihrerseits Rückwirkungen auf die MFA&A in Deutschland hatte. Nicht zuletzt beeinflusste sie außerdem die Darstellung der Kontroverse um die Berliner Bilder in den 1946 veröffentlichten Memoiren „Salt Mines and Castles“ von Thomas Carr Howe. 115 Conrad, Doda, Letter to Bancel LaFarge regarding the Berlin 202, December 1, 1945, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-G1, 1.7.

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Lanciert wurde die Debatte unter anderem durch den Artikel „German Paintings in the National Gallery: a protest“, den Charles Kuhn im Januar 1946 im College Art Journal veröffentlichte.116 Kuhn addressierte somit ein wissenschaftliches Fachpublikum, wenn er in teils polemischer Überspitzung aufzeigte, warum die von der US-Militärregierung und dem Weißen Haus herausgegebene Begründung des Abtransports mit Sicherheitsbedenken und Personalmangel in Deutschland nicht stichhaltig war. Den Verlautbarungen Clays und der Militärregierung setzte er einen fundierten Hintergrundbericht über die Kriegsverlagerung der Bilder durch die Staatlichen Museen zu Berlin sowie ihre Umlagerung in den Wiesbadener Collecting Point entgegen, bei dem er ausdrücklich die guten konservatorischen Bedingungen für die Bilder hervorhob. An diese Gegenüberstellung schloss sich ein Abdruck des Wiesbadener Manifests an, der zwar die Gesamtzahl der Unterzeichner nannte, ihre Namen aber nicht öffentlich machte.117 Die Ausgabe des College Art Journal, in der Kuhns Aufsatz erschien, diente als Plattform für mehrere Stellungnahmen zu dem Vorfall. In einem offenen Brief an den amerikanischen Secretary of State äußerte der Präsident der College Art Association stellvertretend für die Vereinigung seine Beunruhigung über den Abtransport, während der Secretary of State diesen in seiner Antwort rechtfertigte, indem er auf ihre mangelhafte Sicherheit in Deutschland verwies. Flankiert wurde die von der US-Regierung stammende Erklärung durch ein Statement der Roberts Commission, das diese Rechtfertigung bekräftigte.118 Die Januar-­­Ausgabe der Zeitschrift spiegelt somit wider, dass es den MFA&A-Offizieren gelungen war, ihren Protest gegen den Abtransport der Bilder in die amerikanische Kunstwelt zu tragen und ihm selbst gegenüber der US-Regierung Gehör zu verschaffen. Das College Art Journal als kunsthistorisches Fachorgan war jedoch nicht der einzige Ort, an dem die Debatte gezielt lanciert wurde. Die amerikanische Tagespresse hatte bis Januar 1946 bereits mehrfach auf den Transport der Bilder Bezug genommen, den Sachverhalt aber mitunter entstellt wiedergegeben. Die New York Times etwa behauptete im Dezember 1945, dass es sich bei den in den USA eingetroffenen Bildern um NS-Raubgut handele. Thomas Carr Howe adressierte daher noch von Frankfurt aus – mit Unterstützung von Edith Standen – einen Protestbrief an die Zeitung, um gegen die inkorrekte und spekulative Berichterstattung zu protestieren.119 Fortan wurden die amerikanische Tagespresse und Kunstjournale gezielt von MFA&A-Offizieren angeschrieben, um dem Wiesbadener Manifest Aufmerksamkeit zu verschaffen und ein breiteres Publikum für die Proteste gegen den Abtransport zu sensibilisieren.120

116 117 118 119

Kuhn 1946. Ebd., S. 81 – 82. Lee und Riddleberger 1946 und Hamlin 1946. Art Treasure, in: New York Times (Overseas Edition), December 9, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497, und Howe, Thomas Carr, Letter to the New York Times referring to articles about the arrival of the Berlin 202 in the US, December 18, 1945, NARA, RG 260, A 1, Entry 497. 120 Auch das Wiesbadener Manifest hatte über die Journalistin Janet Flanner bereits seinen Weg in die amerikanischen Medien gefunden und wurde in den ersten Monaten des Jahres 1946 gezielt

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Durch die amerikanische Medienreaktion geriet auch die MFA&A in Deutschland unter Druck. Als MFA&A-Chief Bancel LaFarge im Januar 1946 kurz in die USA reiste, um mit den Mitgliedern der Roberts Commission über die künftige Politik der MFA&A zu konferieren, wurde er von Paul J. Sachs mit der Veröffentlichung des Wiesbadener Manifests im Magazine of Art konfrontiert. In der Roberts Commission hatte das Manifest kurzzeitig einen Aufruhr verursacht, und Sachs forderte, dass alle Unterzeichner vor ein Militärtribunal gestellt werden sollten.121 Erstes Opfer der kommissionsinternen Auseinandersetzungen wurde Lamont Moore, der, seitdem er die Berliner Bilder nach Washington eskortiert hatte, in der National Gallery of Art als Sekretär für die Roberts Commission arbeitete. Moore wurde temporär von seinem Posten suspendiert, erhielt diesen aber zurück, nachdem sich die Gemüter wieder beruhigt hatten.122 Auch in Berlin schlug die Angelegenheit nach LaFarges Rückkehr hohe Wellen. Bei einem Besuch in Berlin hatte Eleanor Roosevelt General Clay nach dem Wiesbadener Manifest gefragt, das sie über das Magazine of Art rezipiert hatte. Clay, der offenbar erst durch sie von der Existenz des Manifests erfuhr, stellte umgehend LaFarge zur Rede, der infolgedessen beim Leiter der Restitution Branch vorgeladen wurde. Letztlich gelang es ihm aber, die Wogen zu glätten und eine kollektive Bestrafung der MFA&A-Mitglieder oder einzelner besonders exponierter Mitglieder abzuwenden. Seine Verteidigung der MFA &A baute LaFarge dabei auf dem Argument auf, dass gerade das Manifest es der Armee erspart habe, rund 32 Offiziere vor ein Militärgericht zu stellen, da die Offiziere mittels des Manifests ihren Ärger abreagiert und letztlich trotz ihrer erklärten Opposition die erteilten Befehle befolgt hätten.123

von ehemaligen MFA &A-Offizieren an verschiedene Zeitungen und Kunstjournale verschickt. Lincoln Kirstein etwa sendete es unter anderem an die New York Times, das Magazin Art News und das Magazine of Art. Die New York Times verweigerte den Abdruck; das Magazine of Art hingegen veröffentlichte das Manifest zusammen mit einem offenen Brief des MFA&A-Offiziers Andrew Ritchie und einer – offenbar um Schadensbegrenzung bemühten – Gegendarstellung von Sumner Crosby von der Roberts Commission. Kirstein, Lincoln, Letter to Thomas Carr Howe pertaining to the affair of the Berlin 202, January 21, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 9. 121 In seinem Bericht über ­dieses Treffen an Thomas Carr Howe machte LaFarge deutlich, dass Sachs’ Zorn sich vor allem gegen Thomas Carr Howe und Edith Standen gerichtet habe, die beide Alumni seines Museum Administration Course in Harvard und ihm somit persönlich bekannt waren. Beide hatten sich überdies mit ihrem Protestbrief an die New York Times im Dezember 1945 bereits frühzeitig exponiert, und das – anders als Charles Kuhn oder Lincoln Kirstein – noch bevor sie den MFA&A-Dienst quittiert hatten und in die USA zurückgekehrt waren. LaFarge, Bancel, Letter to Thomas Carr Howe pertaining to the Berlin 202 affair, March 2, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 9. 122 LaFarge, Bancel, Letter to Thomas Carr Howe pertaining to the Berlin 202 affair, March 2, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, folder 9. 123 Ebd.

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Dennoch blieben die Nachwehen der Angelegenheit weiterhin spürbar. In den USA setzte sich die Debatte noch bis Juni 1946 fort, nachdem die Museumsdirektoren Juliana Force vom Whitney Museum of Art und Frederic Clapp von der Frick Collection beim Weißen Haus eine Petition zur Rückgabe der Bilder eingereicht hatten. Sie fußte auf denselben moralischen Argumenten, wie sie auch im Wiesbadener Manifest formuliert worden waren, und zeigte, dass der Protest gegen den Abtransport der Bilder auf einen Gutteil der amerikanischen Museumswelt übergegriffen hatte.124 Das Weiße Haus gab bald nach dem Erhalt der Petition eine Pressemitteilung mit den offiziellen Antworten von Präsident Trumans Sekretär ­William D. Hassett und dem Secretary of State Dean Acheson heraus. Diese wichen in keiner Weise von den Argumentationslinien ab, die bereits zuvor von offiziellen Vertretern des Weißen Hauses, des War Departments oder der National Gallery of Art vorgebracht worden waren. Force und Clapp gaben sich jedoch mit dieser Antwort nicht zufrieden und setzten zwei weitere Schreiben auf, in denen sie diese Argumente einer kritischen Überprüfung unterzogen. So hakten sie nach, ob mit der Zusicherung der Rückgabe der Bilder, „when conditions warrant for a return“, Bedingungen praktischer oder politischer Natur gemeint s­eien, warum man, wenn Sicherheit das Hauptargument der Verschiffung gewesen sei, nur eine Auswahl von 200 Bildern abtransportiert und den Rest in Deutschland belassen habe, und schließlich, warum die Empfehlungen der MFA&A, die sich gegen den Abtransport ausgesprochen hatten, nicht berücksichtigt worden ­seien, obwohl sie von Experten kamen.125 Weitere Antworten auf diese Rückfragen scheint es nicht gegeben zu haben, und schließlich flaute die Debatte in den USA ab. Thomas Carr Howes Memoirenpublikation „Salt Mines and Castles“ erschien wenige Monate nach dem Fehlschlag der Petition von Force und Clapp. Wie Howes Privatkorrespondenzen mit ehemaligen Kollegen aus dem Jahr 1946 zeigen, war er sich durchaus dessen bewusst, dass seine Darstellung des Abtransports der Berliner Bilder die Debatten erneut beleben konnte. Während Howe an seinem Buch schrieb, nahm er mehrfach Kontakt mit ehemaligen Kollegen auf, um Detailschilderungen zu erhalten oder um ihr Einverständnis mit seiner Darstellung und den Worten, die er ihnen zuschrieb, einzuholen. So bat er Edith Standen im Zusammenhang mit dem Abtransport um ihr Placet für die Veröffentlichung einer Textpassage zu dem Protestbrief, den beide im Dezember 1945 in Reaktion auf die

124 Unter den insgesamt 95 Unterzeichnern finden sich etwa 50 Mitarbeiter verschiedener amerikanischer Museen. Zu den acht ehemaligen MFA&A-Offizieren, die die Petition unterschrieben, zählten u. a. Andrew Ritchie und Lincoln Kirstein, die sich bereits zuvor in den Medien positioniert hatten, aber auch Thomas Carr Howe und andere zwischenzeitlich in die USA zurückgekehrte Museumsleute. Force, Juliana; Clapp, Frederick Mortimer, Resolution sent to President Truman and acting Secretary of State Acheson, May 9, 1946, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-F1, 1.3. 125 White House, News release: Replies by Mr. Clapp and Mrs. Force in answer to letters received from the President and the State Dept. – Acknowledgements, June 10, 1946, NGA, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-F1, 1.3.

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inkorrekte und spekulative Presseberichterstattung der New York Times abgefasst hatten. Howe war von seinem Verleger gebeten worden, Standens Zustimmung einzuholen und berichtete, dass dieser auch wünsche, dass er einige Passagen mit Bancel LaFarge noch einmal absprechen solle.126 Hintergrund dieser sorgfältigen Rücksprachen mit allen Beteiligten war Howe zufolge eine gewisse Besorgnis der Verleger darüber, wie die Darstellung der Debatte um die Berliner Bilder von einigen Personen aufgenommen werden könnte: „Apparently the publishers are a little skittish about the ‚202‘ treatment and are doing their most careful best to keep me from danger of being sued by General Clay; I appreciate their caution but find it exasperating at the same time!“ 127 Howes sorgfältiges Bemühen darum, eine erneute Diskussion zu vermeiden, zeigt sich letztlich auch in der Art und Weise, wie er die Ereignisse dargestellt hat. Anders als Walter Farmer bettete Howe die Darstellung chronologisch in seine Erzählung ein und führte die Pläne zum Abtransport der Bilder unter Rückbezug auf Clays Memorandum vom 29. Juli ein. Dabei bezog er sich in einer Anmerkung auf Charles Kuhns Artikel im College Art Journal, sicherte sich also gegen eine mögliche juristische Belangung wegen Diffamierung Clays ab, indem er auf bereits veröffentlichte Darstellungen zurückgriff.128 Die Schilderung des eigentlichen Abtransports fiel bei ihm vergleichsweise knapp aus; für die anschließenden Debatten wiederum verzichtete Howe ganz auf eine Nacherzählung und ließ die Dokumente des Protests für sich sprechen, indem er den Wortlaut des Wiesbadener Manifests in sein Schlusskapitel einfügte, ohne dessen Entstehungsumstände zu erläutern.129 Auf die ameri­ kanische Mediendebatte nahm Howe nur noch insofern Bezug, als er seinen Memoiren einen Appendix beifügte, der eine Liste der 202 in die USA verbrachten Bilder, den Brief des Präsidenten der College Art Association an den Secretary of State sowie die Petition von Frederick Clapp und Juliana Force einschließlich der Antworten des Weißen Hauses und des State Departments umfasste.130 Ohne den inneramerikanischen Protest gegen die Verbringung der Berliner Bilder in die USA zu kommentieren, wies er damit auf den Fortgang der Angelegenheit nach dem Ende seiner MFA&A-Dienstzeit hin. Howe verzichtete in seiner Darstellung konsequent auf jegliche politische Einordnung der von ihm zitierten Dokumente sowie auf persönliche Stellungnahmen. Seine Rekon­ struktion der Ereignisse präsentiert sich als geschickt in die Gesamterzählung eingebetteter Faktenbericht ohne direkte Wertung durch den Ich-­­Erzähler, bei dem nur s­ olche Personen

126 Howe, Thomas Carr, Letter to Edith Standen, August 6, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 31, und Howe, Thomas Carr, Letter to Edith Standen referring to Howe’s book, September 14, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 31. 127 Howe, Thomas Carr, Letter to Edith Standen, August 6, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 31. 128 Howe 1946, S. 229 – 231. 129 Ebd., S. 273 – 275. 130 Ebd., S. 297 – 317.

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mit der Angelegenheit um die Berliner Bilder in Verbindung gebracht wurden, die sich bereits zuvor durch öffentliche Wortbeiträge in der Kontroverse exponiert hatten. Die Sorgfalt, mit der Howe sich absicherte, zeigt, dass die Debatte um die Berliner Bilder im Spätjahr 1946 zwar abgekühlt war, eine allzu polemische Darstellung diese aber erneut entzünden konnte und er sich dieser Brisanz durchaus bewusst war. Dass er sich trotzdem nicht dafür entschied, die Angelegenheit ganz aus den Memoiren auszuklammern und stattdessen kommentarlos das Wiesbadener Manifest, den Protestbrief der College Art Association sowie die Petition von Force und Clapp publizierte, ist jedoch als indirekte Stellungnahme gegen den Abtransport zu werten. Diese fiel letztlich aber so subtil aus, dass Howes Buch keinen neuerlichen Debatten auslöste.

Nachwirkungen der Kontroverse auf die MFA&A Howes Nachlass kann nicht nur dafür herangezogen werden, die unmittelbaren Proteste gegen den Abtransport der Berliner Bilder nachzuzeichnen und zu verdeutlichen, in w ­ elchen Publikationskontext seine Memoiren zu verorten sind. Die Privatkorrespondenzen aus dem Jahr 1946 zeigen, wie bereits deutlich wurde, dass der Abtransport der Bilder für einige MFA&A-Mitglieder berufliche Konsequenzen nach sich zog.131 Ein spezieller Fall ist hierbei Lamont Moore, der bereits ab 1941 in der National Gallery of Art gearbeitet hatte, als MFA&A-Offizier im November 1945 mit der Eskorte der Berliner Bilder nach Washington beauftragt wurde und anschließend als Sekretär der Roberts Commission angestellt war. Nach der Auflösung der Roberts Commission im Juli 1946 wurde ihm eine Stelle als Kurator in der National Gallery of Art angeboten; Moore hatte jedoch außerdem ein Angebot des Museum of Modern Art erhalten und erwog ernsthaft den Wechsel. „If I leave the N[ational] G[allery of ] A[rt] that means all the boys who went to war did not return. Rousseau – Met, Parkhurst – Buffalo, Smyth – Frick, Moore – ?“ 132, schrieb er in Bezug auf die anderen früheren Mitarbeiter, die zeitgleich mit ihm 1944/45 zur MFA&A gegangen waren. Zumindest im Fall von Charles Parkhurst, der ab 1946 an der Albright Gallery in Buffalo als Kurator arbeitete, war es die Kontroverse um die Berliner Bilder gewesen, die seine Kündigung bei der National Gallery of Art ausgelöst hatte.133 Auch

131 „Bill“ Lesley argwöhnte diesbezüglich im August 1946, er habe aus zweiter Hand gehört, dass man plane, die Unterschriftenliste des Wiesbadener Manifests als eine Art kunsthistorische schwarze Liste zu ­nutzen. Lesley, Everett P., Letter to Thomas Carr Howe, relating a restitution affair and a trip to the Netherlands, August 6, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 22. 132 Moore, Lamont, Letter to Thomas Carr Howe, July 5, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 26. 133 Parkhurst, Charles, Letter to David Finley relating to his job at the National Gallery of Art, February 15, 1946, NGA, Gallery Archives, RG 28, MFAA-F1, 1.3. Parkhurst verwies in der Begründung seiner

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Edith Standen, die in Moores Aufzählung der Ehemaligen nicht auftaucht, weil sie zum Zeitpunkt der Abfassung seines Briefs noch in Deutschland war, reichte im Sommer 1946 ihre Kündigung ein.134 Hintergrund der Entscheidung gegen die National Gallery of Art war in beiden Fällen der Umstand, dass diese z­ wischen 1946 und 1948 die Berliner Bilder beherbergte und sich somit zum Komplizen der Befürworter des Abtransports gemacht hatte. Weiterhin für diese Institution zu arbeiten, war mit dem Selbstverständnis und Berufsethos der ehemaligen MFA&A-Offiziere jedoch nicht vereinbar. Auch Moore gab seiner persönlichen und beruflichen Integrität letztlich den Vorzug. Er wechselte zwar nicht ans MoMA, zog es aber zeitweise in Erwägung, George Stouts Beispiel zu folgen und sich für das MFA&A-Äquivalent in Japan zu melden. Als diese Pläne sich zerschlugen, verließ Moore die National Gallery of Art im Herbst 1947, um als Associate Director der American Academy in Rom an deren Wiederaufbau und Neueröffnung mitzuarbeiten.135 Die Befürchtung einiger MFA &A-Offiziere, dass die Unterzeichnung des Wiesbadener Manifests sich negativ auf ihre Karrieren auswirken könnte, weil amerikanische Kulturinstitutionen und Universitäten sie anschließend nicht mehr einstellen würden, bewahrheitete sich nicht. Bei den Stellenwechseln, die kausal mit dem Abtransport in Verbindung gebracht werden können, ging die Entscheidung in allen Fällen von den MFA &A-Offizieren selbst aus, und allen gelang es anschließend, ihre wissenschaftlichen und musealen Karrieren fortzusetzen.136 Die Korrespondenzen in Howes Nachlass vermitteln schließlich auch ein Stimmungsbild der MFA&A-Mitglieder, die noch nach dem Abflauen der Debatten um die „Berlin 202“ in Deutschland stationiert blieben. Deutlich wird, dass die Angelegenheit intern fortwirkte, selbst nachdem LaFarge rechtliche Konsequenzen des Wiesbadener Protestes erfolgreich von der MFA&A abgewendet hatte. Nach außen hin hatte LaFarge einen größeren Kündigung auf die Parallele z­ wischen dem Abtransport der Bilder und den NS-Beschlagnahmen und das mangelnde Vertrauen der amerikanischen Regierung in die Kompetenzen der MFA&A in Deutschland. 134 Standen, Edith A., Letter to David Finley relating to the Berlin 202 affair, August 9, 1946, NGA, Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA -H3, 17.10. Noch deutlicher als Parkhurst begründete Standen ihre Kündigung damit, dass sie nicht in dem Museum arbeiten wolle, das die Berliner Bilder beherbergte, deren Transfer in die USA sie nicht befürwortet hatte. 135 Moore, Lamont, Letter to Thomas Carr Howe, August 26, 1947, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 26. 136 Moore nahm nach seiner Rückkehr von der American Academy in Rom eine Stelle an der Yale Fine Arts Gallery an, die er ab 1953 leitete. Smyth trat 1950 eine Professur am Institute of Fine Arts der New York University an. Auch Charles Parkhurst kehrte zur Universität zurück und übernahm 1950 eine Professur am Oberlin College; 1962 – 1970 leitete er als Direktor das Baltimore Museum of Arts; ab 1971 kehrte er als Chefkurator an die National Gallery of Art zurück. Edith Standen ging wie Theodore Rousseau ans Metropolitan Museum, wo sie bis 1979 das Textiles Department leitete.

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S­ kandal verhindern können, indem er die Geschlossenheit der MFA&A als Einheit beschwor und bei ihrer Verteidigung die volle Verantwortung für das Handeln seiner Untergebenen auf sich nahm. MFA&A-intern war von dieser Geschlossenheit jedoch nicht allzu viel zu spüren. Mehrere Briefpartner berichteten Howe, dass LaFarges Führungsstil ab Anfang 1946 zu Konflikten z­ wischen ihm und einigen Untergebenen geführt hätte.137 Howe selbst diagnostizierte, dass LaFarge amtsmüde und desillusioniert geworden sei, und schrieb diesen Umstand den Auswirkungen der „Berlin 202“-Kontroverse zu.138 Sowohl Harry D. Grier als auch „Bill“ Lesley berichteten Howe zur gleichen Zeit ausführlich, wer von den MFA&A-Mitgliedern seinen Posten aufgab, wer diese ersetzte und wie die Einheit zu dieser Zeit allgemein umstrukturiert wurde. Zwischen den Zeilen dieser Berichte werden Sorgen um die Zukunft der Einheit deutlich, aber auch die Hoffnung, dass die Neuankömmlinge den Führungsstil in der MFA&A künftig verbessern würden.139 Dass die Ereignisse bei den MFA &A-Mitgliedern der ersten Stunde Frustration und Desillusionierung auslösten und sie sich 1946 angesichts personeller Wechsel und adminis­ trativer Umstrukturierungen um die Zukunft der Einheit sorgten, legt offen, wie sehr das Selbstverständnis der MFA &A erschüttert war. Der Abtransport der Bilder widerlegte das idealisitsche Selbstbild der MFA &A als altruistische Kunstschützer, indem er verdeutlichte, dass Kunstschutz-­­Interessen innerhalb der amerikanischen Besatzungspolitik keine sonderlich hohe Priorität besaßen und jederzeit den amerikanischen Reparations-­­Interessen oder sonstigen politischen Kurswechseln untergeordnet werden konnten. Gerade Bancel LaFarge, der als Chief der MFA &A ­zwischen den idealistischen Positionierungen seiner Untergebenen und den politischen Forderungen der seiner Abteilung übergeordneten Militärverwaltung vermitteln musste, wurde letztlich ­zwischen diesen widerstreitenden Positionen aufgerieben. Der Widerspruch z­ wischen den amerikanischen besatzungspolitischen Interessen und den MFA &A-spezifischen restitutions- und kulturpolitischen Idealen blieb auch in der nachfolgenden Einordnung der Angelegenheitum die Berliner Bilder präsent. Dass die 137 Everett P. „Bill“ Lesley etwa konstatierte, dass das Verhältnis z­ wischen ihm und LaFarge völlig zerrüttet sei und LaFarge bei seiner Rückkehr in die USA einen Stapel unbeantworteter Korrespondenz und mehrere drohende Intrigen und Missverständnisse in Berlin zurückgelassen habe und daher wenig vermisst werde. Vgl. Lesley, Everett P., Letter to Thomas Carr Howe, relating a restitution affair and a trip to the Netherlands, August 6, 1946. AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 23, sowie Lesley, Everett P., Letter to Howe giving news about Wiesbaden, October 15, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 23. 138 Howe, Thomas Carr, Letter to Edith Standen, September 21, 1946, AAA , Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 31. 139 Vgl. Grier, Harry D., Letter to Thomas Carr Howe, April 24, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 1, Folder 9, und Lesley, Everett P, Letter to Thomas Carr Howe, relating a restitution affair and a trip to the Netherlands, August 6, 1946, AAA, Thomas Carr Howe Papers, Box 2, Folder 23.

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Bilder noch 1948 nur etappenweise zurückgegeben wurden und zunächst monatelang auf Wanderausstellung durch die USA gingen, wurde den verbleibenden MFA&A-Offizieren zunehmend peinlich; Theodore Heinrich schrieb Howe in ­diesem Zusammenhang, er fühle sich in Wiesbaden wie eine Geisel, die persönlich für die Rückkehr der Bilder hafte.140 Erst mit der abgeschlossenen Rückgabe kamen die von der MFA &A vertretenen Ideale des Kulturgüterschutzes und die besatzungspolitischen Linien der USA wieder in Übereinstimmung. Allerdings bewegte sich die schrittweise erfolgende Stärkung der amerikanischen Kunstpolitik in Deutschland zu ­diesem Zeitpunkt bereits in den Paradigmen einer vom Kalten Krieg geprägten cultural diplomacy, in der die Rückkehr der Berliner Bilder bewusst dem Abtransport von Museumsgut durch die sowjetischen Trophäenkommissionen gegenübergestellt wurde. Auch dieser kulturdiplomatische Diskurs passte letztlich nicht zu dem Idealbild der altruistischen Kultur-„Rettungsmission“, das die MFA &A später in ihren Ego-­­Dokumenten von sich selbst entwarf.

6.3 Zusammenfassung Insgesamt zeigt sich, dass im dominierenden MFA &A-Narrativ nicht nur „the loot ­business (…) the best story“ hergab, sondern dass speziell die Bergung und Sicherung von Raubgut sowie die token restitutions europäischer Meisterwerke an ihre Herkunftsländer im Mittelpunkt standen. Kulturpolitische Initiativen, aber auch der Restitutionsalltag jenseits dieser besonderen Fälle und nicht zuletzt kontroverse Entscheidungen rund um den Abschluss der Restitutionen wie die politisch motivierte Rückgabe einzelner Bestände an Italien und die Übergabe von Restbeständen aus dem CCP München an Österreich hingegen waren nicht Bestandteil dieser Meistererzählung. Dies führte nicht nur dazu, dass letztlich ein reduktionistisches Bild der MFA &A ihre öffentliche Wahrnehmung langfristig prägte. Zugleich ist festzustellen, dass ­dieses keineswegs deckungsgleich war mit der Erfahrungsgeschichte von MFA &A-Offizieren, die gerade nicht nur die Bergung und Sicherung von Kulturgütern, sondern auch verschiedene Kontroversen rund um das Thema Restitution erlebt hatten. Der Konflikt um den unter dem Codenamen „Westward Ho, Watteau“ durchgeführten Abtransport der Berliner Bilder in die USA zeigt dabei besonders deutlich, wo die Grenzen ­zwischen der MFA &A-Erfahrungsgeschichte und dem daraus konstruierten „Rettungsmission“-Narrativ verlaufen. Zweifellos belegt die Vielfalt der unmittelbaren Proteste gegen den Abtransport, dass das Ideal eines altruistischen, von nationalen Eigeninteressen unabhängigen Kulturgüterschutzes in der Tat bei der MFA &A tief verwurzelt war und nicht erst a posteriori konstruiert wurde. Der direkte Vergleich ­zwischen Thomas Carr Howes Memoiren und denen von Walter Farmer zeigt aber auch, 140 Heinrich, Theodore A., Letter to Edith Standen, January 25, 1948, NGA , Washington, D. C., Gallery Archives, RG 28, MFAA-H3, 17.3.

Zusammenfassung  I  309

dass ihre Darstellungen der Kontroverse eben keine Faktenberichte, sondern von jeweils zeitgebundenen Publikationskontexten und Intentionen geprägte Konstruktionen sind. Howe veröffentlichte seine Memoiren nur wenige Monate nach dem Abklingen der ersten Protestwelle, als eine erneute Debatte um die nach wie vor in den USA befindlichen Bilder durchaus Konsequenzen für die noch in Deutschland stationierten Mitglieder der MFA &A haben konnte. Seine Nacherzählung bringt versteckten Protest zum Ausdruck, muss zugleich aber auf literarische Ausschmückungen der Proteste verzichten. Farmer hingegen hatte genügend zeitlichen Abstand zur Angelegenheit, um sie detailliert ausschmücken zu können; bei ihm fungiert die Nacherzählung als Niederlegen eines persönlichen Vermächtnisses. Dass er das Wiesbadener Manifest und die anschließenden Proteste derart zu einer „Rettungsmission“ – im Sinne eines Schutzes der Kunstwerke vor den zweifelhaften Interessen der eigenen Regierung – stilisieren konnte, war auch durch die politischen Diskurse der 1990er Jahre begünstigt. Debatten um die russische Beutekunst, aber auch internationale geschichtspolitische Kontroversen um das Ausmaß nationalsozialistischer Enteignungen und ihr Verhältnis zum Holocaust schafften ein öffentliches Bewusstsein für entzogenes und verlagertes Kulturgut, in dem auch Berichte über den alliierten Kunstschutz in der Nachkriegszeit wieder verstärkt rezipiert wurden, nicht zuletzt, weil sie das Argument entkräften konnten, dass der Themenkomplex des Kunstraubs bis zu den 1990er Jahren nie aufgearbeitet worden sei. Farmers Memoiren zeugen insofern davon, dass das Motiv der „Rettungsmission“ in der MFA &A-Arbeit auch eine literarische Rückprojektion ist, mit der die eigenen Verdienste im Nachhinein hervorgehoben und idealisiert werden sollten. Mit dem Begriff der Rückprojektion wird zugleich die Leerstelle des Holocausts im Narrativ der MFA&A bis zu einem gewissen Grad erklärbar. Aus heutiger Sicht erscheint es besonders eklatant, dass die „Rettungsmission“ sich vorwiegend auf die token restitutions von Kulturgütern aus nationalem Eigentum bezieht und die Restitution jüdischen Privateigentums eher randständig behandelt, ohne dabei den Zusammenhang ­zwischen NS-Enteignung und Holocaust explizit zu machen. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass bei dieser Lesart gegenwärtige Diskurse um Holocaust-­­Erinnerung zurückprojiziert werden. Weil die nationalsozialistische Enteignungspolitik inzwischen stärker in ihrem Zusammenhang mit dem Holocaust erforscht wird und auch der Kunstraub sich letztlich in d ­ iesem Frame verortet, erwartet man, dass diese Zusammenhänge bereits in den Ego-­­Dokumenten der MFA&A präsent sein müssten.141 Dass die Provenienz der geraubten Kunst aus jüdischen Privatsammlungen und ihre Implikationen für den Zusammenhang ­zwischen Raub und NS -Verfolgung in den Ego-­ Dokumenten der MFA &A nicht stärker in Erscheinung treten, ist aber auch einem zweiten Faktor geschuldet: Da die MFA &A-Mitglieder als Kunsthistoriker aus dem musealen und universitären Milieu kamen, war ihr Kunstschutz-­­Interesse entsprechend akademisch 141 Goschler und Ther 2007, S. 4 und 7 – 9., Brunner et al. 2013, S. 25 – 29.

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geprägt und fokussierte sich vorwiegend auf den kunsthistorischen Kanon der museumswürdigen „masterpieces“. Wenn jüdische Privatsammlungen explizit in ihren Memoiren hervorgehoben wurden, so waren es daher in aller Regel diejenigen, die in ihrem Wert und Umfang gleichermaßen eingestuft werden konnten. Die übrigen Privatsammlungen gerieten demgegenüber aus dem Fokus des Narrativs, und selbst bei den potenziell museumswürdigen Sammlungen wurde zwar der Verbleib der Objekte erzählt, nicht aber die Verfolgungsgeschichte der Eigentümer reflektiert. Das Narrativ der „Rettungsmission“ fasste daher die Bergung und beginnende Restitution von Kulturgütern an ihre Herkunftsländer, nicht aber die Dimension dieser Restitution als Wiedergutmachungsleistung für die jüdischen Eigentümer.

Zusammenfassung  I  311

7. „La Résistance au Musée“? Französischer Kunstschutz während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit Nicht nur für die amerikanische MFA &A, sondern auch für Mitglieder der französischen Museumsverwaltung ist festzustellen, dass sie ihre Erfahrungen im Umgang mit Kulturgütern im Kriegskontext in Ego-­­Dokumenten nacherzählt und diese sich zu einem Narra­ tiv verdichtet haben, aus dem sich biografische Erfahrungshorizonte und ein ­bestimmtes professionelles Selbstverständnis als Kunstschützer herleiten lassen. Das Motiv einer „Rettungsmission“ lässt sich grundsätzlich auch im französischen Narrativ wiederfinden. Allerdings unterscheidet sich diese spezifisch französische „Rettungsmission“ von ihrem amerikanischen Pendant hinsichtlich des Kriegs- und Besatzungskontextes, in den sie eingebettet ist. Die französischen Ego-­­Dokumente fokussieren nahezu ausschließlich die deutsche Besatzung in den Jahren 1940 – 1944. Daher thematisieren sie den nationalsozialistischen Raub jüdischer Privatsammlungen und die kriegsbedingten Auslagerungen der französischen Nationalmuseen, die Forderungen von NS -Funktionären nach bestimmten Objekten aus diesen Museumsbeständen und die sich daraus ergebenden Auseinandersetzungen ­zwischen NS -Funktionären, Kunstschutz und der französischen Museums- und Beaux-­­Arts-­­Verwaltung. Die Restitutionen der Nachkriegszeit bleiben in d ­ iesem Narrativ ein weitgehend blinder Fleck, sind bei näherer Betrachtung aber nicht der einzige Punkt, der ausgespart und verschwiegen wird: Indem die Ego-­­Dokumente das Agieren der Kulturverwaltung ­zwischen 1940 und 1944 in eine Dichotomie von Kollaboration und Widerstand einordnen, blenden sie zugleich die Ambivalenz der Anpassung dieser Verwaltung an die Gegebenheiten der Vichy-­­Regierung und der NS -Besatzung aus. Wenn im Folgenden die Ego-­­Dokumente der französischen Museumsleute daraufhin befragt werden, wie diese ihre Erfahrungen mit dem Schutz von Kulturgütern im Krieg erzählten und welches Selbstverständnis als Kunstschützer sie von sich konstruierten, muss dabei zugleich erörtert werden, ­welche Rolle die Kategorien „Résistance“ und „Kollaboration“ in diesen Erzählungen spielten. Gleichzeitig wirft der Fokus der Erzählungen auf die Jahre 1940 – 1944 die Frage auf, ob es überhaupt ein Narrativ der Restitutionen der Nachkriegszeit gibt und in welchem Verhältnis es zur Meistererzählung der Besatzungsjahre steht. Um diese Fragen zu beantworten, wird nach einem kollektivbiografischen Überblick über die wichtigsten Akteure und einer ­kurzen Skizze der vorliegenden Ego-­­Dokumente zunächst analysiert, wie der Schutz des französischen patrimoine in den betreffenden Jahren konstruiert wird und ­welche Kulturgüter dabei als Teil desselben wahrgenommen werden. Anschließend wird betrachtet, w ­ elche Funktionen das im Mittelpunkt der „Rettungsmission“ stehende französische patrimoine artistique in den Nachkriegsjahren besaß und was dies für die récupération artistique und die französische Kunstpolitik dieser Zeit bedeutet.

7.1 Biografische Horizonte und Publikationen französischer Akteure 7.1.1 Kollektivbiografische Anmerkungen Die Commission de Récupération Artistique rekrutierte sich überwiegend aus dem Museumsbereich. Albert S. Henraux (1881 – 1953), der Präsident der CRA, war ehemaliger Kurator des Musée Condé im Schloss Chantilly und hatte seit den frühen 1930er Jahren den Vorsitz der Société des Amis du Louvre inne; dazu kam außerdem später eine Tätigkeit für den Conseil des Musées.1 Auch Michel Florisoone (1904 – 1973) war Museumskurator; durch eine zeitweilige Tätigkeit für die Association française d’Action artistique im französischen Außenministerium verfügte er zudem über interkulturelle Erfahrungen und Kontakte ins Außenministerium.2 Rose Valland (1898 – 1980) schließlich, die als Sekretärin der CRA die dritte hauptamtliche Leitungsfunktion innehatte, wies eine für eine Frau ihrer sozialen Herkunft relativ untypische Laufbahn auf: Aus bescheidenen Verhältnissen stammend, absolvierte sie zunächst die Ecole des Beaux-­­Arts in Lyon, ehe sie an die Ecole supérieure des Beaux-­­Arts nach Paris wechselte und ihr Studium zusätzlich um ein kunsthistorisches Aufbaustudium an der Ecole du Louvre erweiterte. 1932 erhielt sie einen Posten als Attachée de conservation bénévole im Musée des Ecoles étrangères contemporaines im Jeu de Paume. Zum Zeitpunkt des deutschen Einmarschs in Paris im Juni 1940 lag die Sammlungsverwaltung des Museums aufgrund der Krankheit ihres Vorgesetzten de facto in ihren Händen.3 Neben einem rund 15-köpfigen Verwaltungspersonal – Sekretariat, Übersetzungsbüro, Sicherheitsdienst 4 – bestand die CRA aus rund 20 – 30 wissenschaftlichen Mitgliedern, die bei der Identifizierung von Kulturgütern halfen. Diese Experten rekrutierten sich aus dem Personal der Pariser Museen, Bibliotheken, Archiven und der Denkmalpflege. Wissenschaftler von Hochschulen wie der Ecole Pratique des Hautes Etudes oder der Ecole des Chartes waren demgegenüber kaum repräsentiert.5 Zusätzlich zu dem festen Personal standen die Kuratoren der einzelnen Abteilungen des Louvre, etwa René Hugyhe und Germain Bazin von der Gemäldeabteilung, der CRA als wissenschaftliche Experten beratend zur Seite.6 1 Bouchoux 2013, S. 57. 2 Florisoone, Michel, Note à M. Pigeon de la direction du Budget sur la situation particuliére de Florisoone, 15 mai 1945, AN 20150497/218. Vgl. Bouchoux 2013, S. 57. 3 Vgl. Polack und Dagen 2011, S. 105 – 106. 4 Commission de Récupération Artistique, Tableau du personnel de la CRA, 1 mars 1947, AMAE 209SUP/491 P181. Das Verwaltungspersonal für Sekretariat, die Betreuung des Karteikartensystems der CRA und das Übersetzungsbüro setzte sich teils aus abgeordnetem Personal der Museumsverwaltung, teils aus Absolventen der Ecole du Louvre zusammen. Vgl. Cacan de Bissy 1997, S. 102. 5 Commission de Récupération Artistique, Procès-­­verbal de la séance du 19 septembre 1944, AMAE 209SUP/296 C7. 6 Commission de Récupération Artistique, Tableau du personnel de la CRA, 1er mars 1947, AMAE 209SUP /493 P181, und Capitant, René, Arrêté nommant les membres de la Commission de

Biografische Horizonte und Publikationen französischer Akteure  I  313

I­ nsgesamt wies die CRA einen hohen Anteil an Absolventen oder Mitgliedern im Lehrkörper der Ecole du Louvre auf; Personen mit klassischer Universitätskarriere hingegen waren in deutlicher Unterzahl. Dies hängt auch mit dem französischen Bildungssystem zusammen, in dem ein Studium an sogenannten Grandes Ecoles, also spezialisierten Elitehochschulen, höher angesehen war als ein klassisches Universitätsstudium. Die Ecole du Louvre war 1882 als Ausbildungsstätte für zukünftige Museumskuratoren und Ort der Wissensvermittlung für das gebildete Museumspublikum gegründet worden.7 Ihre Tradition unterschied sich dahingehend von der universitären Kunstgeschichte, dass sie stark mit dem französischen Museumswesen verknüpft war und die Vorlesungen von den Kuratoren der einzelnen Abteilungen des Louvre gehalten wurden. Üblich waren Lektionen, die am Objekt in den Sammlungen durchgeführt wurden. Das Spektrum der Lehre wurde 1927 um einen Kurs zur modernen Kunst, 1928 um einen methodischen Kurs zu den Grundlagen der Museologie erweitert.8 Die Regelungen zu den Abschlüssen und Diplomen sahen ursprünglich vor, dass Studierende nach drei bis vier Studienjahren und dem Einreichen einer thèse ein Diplom erhielten; wenn diese besonders ausgezeichnet ausgefallen war, bestand für die Ehemaligen die Möglichkeit, sich anschließend auf zehn Jahre als freier Mitarbeiter ohne Bezahlung in den Museen zu engagieren. Da sich bereits 1895 herausstellte, dass es nur wenigen Absolventen gelang, mit ihrem Abschluss tatsächlich eine Stelle in den Museen zu erhalten, wurde das Studiensystem reformiert, was allerdings de facto nur wenig an dem Strukturproblem änderte, dass die Ecole du Louvre mehr Absolventen produzierte, als anschließend im bezahlten Museumsdienst unterkommen konnten. Um ­diesem Problem zu begegnen, wurden 1941 im Zuge einer umfassenden Museums­ reform die Curricula der Ecole du Louvre und die Stellenbesetzungsverfahren erneut angepasst. Durch die Schaffung eines „diplôme supérieur“ wurde die Unterscheidung z­ wischen den aus Liebhaberei Kurse belegenden Gasthörern und den auf einen Abschluss hinarbeitenden Studenten verstärkt. Auch das Verfahren zur Besetzung von Kuratorenstellen wurde reformiert: Von nun an wurden die Kandidaten auf einer zentralen Liste platziert, die dem Erziehungsministerium vorgelegt wurde. Die Berufung durch die Direction des Musées de France konnte nur mit der ministeriellen Zustimmung erfolgen.9 Dieser Reform zum Trotz fanden, einer berufssoziologischen Studie von Pierre Bourdieu zufolge, noch 1961 nur 37 % ­Récupération Artistique, 29 septembre 1944, AN 20150497/215. 7 Dekoninck und Roucloux 2012, S. 317 – 318. 8 Verne 1932, S. 27 – 31. 9 Karlsgodt 2011, S. 95. Dieses neue Berufungsverfahren sollte sich auch auf die Arbeit der CRA auswirken: 1948 wurde Michel Florisoone auf ­diesem Wege zum Nachfolger von René Huyghe in der Gemäldeabteilung berufen, was dazu führte, dass er nicht länger seinen Posten als Verwaltungsleiter der CRA ausüben konnte. Damit seine Expertise der CRA weiterhin zur Verfügung stand und kein Externer sich neu in die komplexen Strukturen einarbeiten musste, schlug Henraux daher vor, Florisoone zu einem Berater der CRA zu ernennen und seine Arbeit unter den bestehenden Mitgliedern neu aufzuteilen. Vgl. Henraux, Albert S., Lettre à Jaujard sur la réorganisation partielle

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der Absolventen tatsächlich eine Stelle in den Museen; gleichzeitig wurden jedoch immer wieder Museumsstellen mit Personen besetzt, die nicht die Ecole du Louvre absolviert hatten. Bourdieu zufolge spielten Faktoren wie Herkunft und Schichtzugehörigkeit bei den Rekrutierungsprozessen für den Museumsbereich eine weitaus größere Rolle als die rein fachliche Qualifikation.10 Da das System der ehrenamtlichen Museumsmitarbeit noch in den 1930er Jahren üblich war, arbeitete Rose Valland im Anschluss an ihr Studium mit der Berufsbezeichnung Attachée de conservation bénévole unentgeltlich im Jeu de Paume und gab nebenher Zeichenunterricht, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.11 Auch René Huyghe hatte nach seinem Abschluss zunächst unbezahlt im Louvre gearbeitet und verdankte seinen Aufstieg zu einer bezahlten Stelle und schließlich dem Posten als Chefkurator der Gemäldeabteilung nicht zuletzt der Protektion durch den jüdischen Kunstsammler, Mäzen und Direktor des Conseil des Musées David David-­­Weill, der ihm Studienreisen und Aufenthalte in verschiedenen europäischen Museen finanzierte und auch nach Huyghes Eintritt in den Louvre dessen Förderer blieb.12 Huyghe trat seinerseits als Mentor für seinen Studienfreund Germain Bazin auf, indem er ihn zu seinem Assistenten in der Gemäldeabteilung des Louvre ernannte.13 Neben den in einem kunsthistorischen Studium und einer museologischen Ausbildung an der Ecole du Louvre erworbenen beruflichen Qualifikationen spielten insofern auch persönliche Beziehungen und Mechanismen informeller Kooptation bei der Besetzung von Stellen eine Rolle. Der Großteil der wissenschaftlichen und administrativen Mitglieder und Berater der CRA hatte ähnliche Studienetappen sowie darüber hinaus das spezifische Auswahlverfahren für eine Karriere im französischen Museums- und Archivwesen oder der Denkmalpflege durchlaufen. Die Gruppe derer, die sich für die récupération artistique engagierten, war daher ausgesprochen homogen und arbeitete zum Teil bereits seit Jahren zusammen. Die Biografien der französischen Akteure sind nicht nur von ihrem professionellen Hintergrund, sondern auch von den unmittelbaren Kriegs- und Besatzungserfahrungen der Jahre 1940 – 1944 geprägt. Die „drôle de guerre“ des Deutschen Reichs gegen Frankreich, die Niederlage 1940, die Besetzung zunächst Nordfrankreichs sowie ab November 1942 des gesamten französischen Territoriums und die Etablierung des Vichy-­­Regimes als Nachfolger der Troisième République stellten militärische, politische und gesellschaftliche Umbrüche dar, die auch auf den Kultur- und Museumsbereich unmittelbar einwirkten. Nahezu sämtliche Museumskuratoren waren 1939 an der Auslagerung der französischen Nationalmuseen in Provinzdepots sowie diversen Umlagerungsaktionen dieser Depots beteiligt. Kuratoren

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de la CRA en raison de la nomination de Michel Florisoone comme conservateur au Louvre, 8 juillet 1948, AN 20150497/218. Bourdieu 1972, S. 151. Polack und Dagen 2011, S. 105 Huyghe 1994, S. 57 und S. 80. Vgl. auch Feliciano 2008, S. 141. Huyghe 1994, S. 75, und Bazin 1992, S. 7.

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wie René Huyghe und André Chamson verbanden ab 1943 ihre Tätigkeit als Leiter solcher Auslagerungsdepots mit Résistance-­­Aktivitäten im Maquis des französischen Südwestens. Auch Albert Henraux und Jacques Jaujard wurden Kontakte zur Résistance nachgesagt.14 Trotz der Auslagerung der Nationalmuseen kam das französische Museumswesen jedoch nie vollständig zum Stillstand. 1941 wurde beispielsweise eine umfassende Reform der Museumsstrukturen umgesetzt, die neben der bereits erwähnten Neustrukturierung der Ausbildungs- und Rekrutierungsprinzipien für Kuratoren auch zu einer stärkeren zentralen Kontrolle der Provinzmuseen führte und auf eine Aufwertung des französischen patrimoine abzielte. Desgleichen bemühte sich die Direction des Musées de France weiterhin um neue Ankäufe für ihre Bestände; im Rahmen dieser Aktivitäten gelang es ihr in einzelnen Fällen, das Vorkaufsrecht des Louvre auf jüdische Privatsammlungen anzuwenden und diese somit vor der Beschlagnahme und dem Abtransport durch den ERR zu bewahren.15 Nicht nur in Bezug auf diese Sammlungen ging sie mehrfach auf Konfrontationskurs gegenüber deutschen Ansprüchen; zugleich musste sie sich gegen Ansprüche deutscher NS-Funktionäre auf besonders emblematische Kunstwerke aus den Beständen der Nationalmuseen zur Wehr setzen.16 Die Rolle der französischen Museumsleute als Akteure bei den französischen Rückführungen muss daher nicht nur vor dem Hintergrund ihrer professionellen Werdegänge und Expertisen betrachtet, sondern auch mit ihren Erfahrungen der deutschen Besatzung 1940 – 1944 parallelisiert werden.

7.1.2 Ego-Dokumente französischer Museumsleute Die Erfahrung der Zeit von 1940 bis 1944 spiegelt sich auch in den Memoiren und Ego-­ Dokumenten französischer Museumsleute wider, die nahezu ausschließlich die deutsche Besatzung und ihre Rückwirkung auf die französischen Nationalmuseen thematisieren und dabei vorwiegend die Kriegsauslagerungen schildern. Allein Rose Valland hebt in ihren Memoiren gezielt den nationalsozialistischen Raub von privaten Sammlungen hervor und unternimmt außerdem einen Ausblick in die ersten Monate nach Kriegsende und die Situa­tion im besetzten Deutschland. Gleichzeitig nehmen jedoch alle Veröffentlichungen in

14 Vgl. Huyghe 1994, S. 123 – 124, Karlsgodt 2011, S. 38 – 39, und Valland 2014, S. 221. 15 Karlsgodt 2011, S. 100 – 101 und S. 208 – 214. 16 Besonders bekannte Fälle sind z. B. Joachim von Ribbentrops Forderung des Gemäldes „Diane au bain“ des Malers François Boucher, die die Franzosen konterten und letztlich abwehrten, indem sie Watteaus „Enseigne de Gersaint“ aus der Gemäldegalerie von Sanssouci zum Tausch forderten. Auch Hermann Göring versuchte mehrfach, Tauschgeschäfte mit den französischen Museen abzuschließen, und verlangte etwa ohne Erfolg die Herausgabe des Basler Antependiums; im Fall der Statue „La belle Allemande“ von Gregor Erhardt konnte er seine Ansprüche hingegen durchsetzen. Vgl. Karlsgodt 2011, S. 244 – 260.

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bestimmter Form auf die französische Résistance Bezug und konstruieren Sinnzusammenhänge ­zwischen der Sorge für das französische Kulturerbe und dem Widerstand gegen die NS-Besatzung. Im Folgenden werden diese Quellen näher vorgestellt.

1961: Rose Vallands „Le Front de l’Art“ Die Entstehungsgeschichte von Vallands Buch ist im zeithistorischen Kontext der späten 1950er Jahre situiert, die politisch von der allmählichen deutsch-­­französischen Annäherung geprägt waren und in denen in Frankreich eine Reihe an Memoiren zum Zweiten Weltkrieg veröffentlicht wurde. Valland schloss 1958 mit dem Verlag Plon einen Vertrag über eine Publikation mit dem Arbeitstitel „Odyssée des chefs-­­d’œuvre français pendant la guerre“ ab, die ursprünglich vor allem die Kriegsauslagerungen der französischen Nationalmuseen thematisieren sollte.17 De facto verschob sich Vallands Analysefokus jedoch bald weg von den nationalen Museumssammlungen hin zu ihren eigenen Erfahrungen und dem national­ sozialistischen Umgang mit jüdischen Privatsammlungen. Die ursprüngliche Intention, die Nationalmuseen in den Mittelpunkt zu rücken, lässt sich in Ansätzen noch in der Struktur der Publikation erkennen, da im ersten der insgesamt drei Hauptteile die Kriegsauslagerungen ab 1938 skizziert werden. Anschließend beschreibt Valland im weitaus umfangreicheren zweiten Teil die deutsche Besatzung in Paris und die nationalsozialistischen Raubvorgänge. Ein Großteil dieser Kapitel ist den Tätigkeiten des ERR im Jeu de Paume gewidmet; daneben werden jedoch auch geplante Tauschgeschäfte mit den französischen Nationalmuseen, Versuche der Beaux-­­Arts-­­Verwaltung, den NS -Raub zu verhindern, oder das Schicksal der als „entartet“ geltenden modernen Kunst thematisiert. Der dritte Teil schließlich gibt einen Ausblick auf die Befreiung von Paris, wie sie aus Perspektive der Museen erlebt wurde, sowie auf den Beginn der récupération artistique. Stilistisch fällt auf, dass Valland eine eher zurückgenommene Erzählerin ist, die sich selbst und ihre persönlichen Erfahrungen kaum in den Vordergrund rückt und weniger das Tagesgeschäft des Jeu de Paume, sondern vielmehr die größeren politischen und histo­rischen Zusammenhänge des NS -Kunstraubs in Frankreich schildert. Dazu zitiert sie vielfach aus französischen Übersetzungen der wichtigsten Akten und gibt basierend auf diesen auch s­olche Episoden wieder, die sie nicht persönlich erlebt hat, die jedoch

17 Valland 2014, hier besonders der einführende Aufsatz von Isabelle Le Masne de Chermont und Didier Schulmann zur Einordnung von Vallands Memoiren in den Kontext der Nachkriegspublikationen zu Vichy und zum Kunstraub, S. 10 – 13. Zur konkreten Entstehungs- und Publikationsgeschichte sowie der Rezeption von „Le Front de l’Art“ vgl. den zweiten Einleitungs-­­Aufsatz von Emmanuelle Polack, Anne Liskenne und Alain Prévet, ebd., S. 23 – 25.

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für die Charakterisierung des NS -Kulturgutraubs zentral sind.18 Die Rückführungen und Restitutionen nach Frankreich, an denen sie ab 1945 maßgeblich beteiligt war und für deren Fortsetzung sie sich noch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Publikation einsetzte, berücksichtigt sie in ihrer Erzählung in sehr viel geringerem Umfang als die Vorgänge des Raubes. Dieser Umstand ist allerdings weniger Vallands persönlichen Schwerpunktsetzungen als vielmehr den Wünschen und Vorgaben ihres Verlags zuzuschreiben, der auch den Foto-­­Anhang am Ende der Publikation final redigierte und dabei u. a. Fotos von den récupérations nach 1945 aussortierte, die Rose Valland mit den Beaux-­­Arts-­­Offizieren Jean Rigaud und Léon Christophe sowie mit Edith Standen von der MFA &A zeigen.19 ­Emmanuelle Polack, Anne Liskenne und Alain Prévet gehen davon aus, dass Valland durchaus daran interessiert war, auch die Zeit der Rückführungen schriftlich aufzuarbeiten, denn ihr Nachlass enthält neben den Entwurfsfassungen und Druckfahnen von „Le Front de l’Art“ auch erste Notizen für einen Folgeband über die Zeit 1944 – 1949. Diese Pläne scheiterten jedoch ebenso wie Vallands Versuche, bei einem anderen Verleger eine Neuauflage des ersten Bandes zu veröffentlichen.20 Die récupération artistique wurde nicht zuletzt deshalb knapper dargestellt, weil sie zu einem späteren Zeitpunkt im Mittelpunkt einer eigenen Veröffentlichung stehen sollte. Die Rezeption von Vallands Memoiren war insgesamt überaus positiv; Kunstkritiker und Journalisten hoben insbesondere hervor, dass ihr Grundton nicht durch Hass oder Ressentiments überlagert werde und ihre Erzählung um Objektivität und große historische Präzision bemüht sei. Aus der internationalen Rezeption der Veröffentlichung ergaben sich Verhandlungen mit amerikanischen Filmstudios um die Rechte für das Kapitel über den von der Résistance aufgehaltenen Zug von Aulnay-­­sous-­­Bois. Tatsächlich fungierte Valland als technische Beraterin für die Drehbuchautoren, als „The Train“ 1963 in Produktion ging. Der Film mit Burt Lancaster und Suzanne Flon, der Rose Vallands Kontaktaufnahme mit Jaujard und der Résistance bei der SNCF und die erfolgreiche Sabotage eines mit Kunstwerken beladenen Zugs verarbeitete, kam 1964 in die französischen Kinos und trug dazu bei, Vallands Aktivitäten im Jeu de Paume langfristig in ein Résistance-­­Narrativ einzuschreiben. Dennoch sollten ihre Hoffnungen, die Publicity des Films für eine Neuauflage ihres Buchs oder eine Übersetzung ins Englische n ­ utzen zu können, sich nicht erfüllen.21 Erst 1997 – also im spezifischen politischen und forschungshistorischen Kontext der Debatten um die MNR und der Arbeit der Mission Mattéoli – gab die Réunion des Musées Nationaux eine zweite Auflage heraus, die ihrerseits rasch vergriffen war. 2014 schließlich erfolgte die Herausgabe einer kommentierten Edition.

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Valland 2014, S. 10 – 13. Ebd., S. 23 – 25. Ebd., S. 29. Ebd., S. 26 – 30.

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1967: Lucie Mazaurics „Le Louvre au voyage ou Ma vie de châteaux avec André Chamson“ Wenige Jahre nach der ersten Veröffentlichung von Rose Vallands „Le Front de l’Art“ publi­ zierte Lucie Mazauric, ehemals Archivarin und Bibliothekarin für die Musées nationaux und Ehefrau von Museumskurator und Schriftsteller André Chamson, ihre Memoiren.22 Es handelt sich dabei um den Abschlussband einer insgesamt dreiteiligen Memoirenreihe, in der Mazauric verschiedene Stationen aus ihrem gemeinsamen Leben mit Chamson nachzeichnete: Während die ersten beiden Bände die 1920er und frühen 1930er sowie den Front Populaire abdecken, widmet sich „Le Louvre au voyage“ ganz den Jahren 1940 – 1944, in denen Mazauric und Chamson die Odyssee der Auslagerungen des Louvre in den Südwesten Frankreichs begleiteten. Während Chamson sich bereits 1939 der Armee anschloss und erst nach der französischen Niederlage im Juni 1940 demobilisiert wurde, erlebte Mazauric die Auslagerungen der Louvre-­­Sammlungen nach Chambord im Herbst 1939 von Anfang an mit. Als angesichts der Niederlage im Sommer 1940 die Aufteilung der in Chambord befindlichen Bestände auf verschiedene Einzeldepots vorgenommen wurde, begleitete sie einen Teil der Gemäldeabteilung in ein Depot in Loc-­­Dieu (Midi-­­Pyrénées), wo sich Chamson ihr bald anschloss. Gemeinsam mit dem Chefkurator der Gemäldeabteilung René Huyghe und dessen Familie organisierte das Ehepaar Chamson bereits im Herbst 1940 den aus konservatorischen Gründen erforderlich gewordenen Umzug aus Loc-­­Dieu nach Montauban. Als im November 1942 auch der südliche Teil Frankreichs von Deutschland besetzt wurde und militärstrategische Erwägungen das Depot in Montauban gefährdeten, erfolgte eine erneute Verlagerung der Louvre-­­Depots: Die Gemäldeabteilung unter der Aufsicht Huyghes zog um nach Montal, während Mazauric und Chamson in das Schloss Latreyne übersiedelten, wo Teile der ägyptischen Abteilung eingelagert wurden. Nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 erlebte das Ehepaar in Latreyne mit, wie die deutsche Besatzung im französischen Südwesten unter dem Druck der Invasion in Nordfrankreich und dem Erstarken des bewaffneten französischen Widerstands repressiver wurde, ehe die deutschen Truppen zum Rückzug gezwungen waren. Im Herbst 1944 schließlich schloss Chamson sich der Première Armée française unter General De Lattre de Tassigny an; Mazauric hingegen blieb noch bis zu Beginn des Jahres 1945 in Latreyne. Diese verschiedenen Etappen der Auslagerungen erzählt Mazauric in insgesamt neun Kapiteln, die wahlweise mit den Namen der Auslagerungsdepots oder mit Hinweisen auf die einzelnen Umlagerungsprozesse überschrieben sind. Ein wiederkehrendes Grundmotiv ist die Deutung des Umgangs mit den Kunstwerken als Strategie zur Bewältigung von Krieg und Besatzungsalltag.23 Die ständige Verantwortung für die Objekte und das 22 Die Erstausgabe des Bandes erschien 1967; 1978 wurde eine zweite unveränderte Auflage der gesamten Reihe herausgegeben. Mazauric 1978, S. 7. 23 Mazauric 1978, S. 8.

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geradezu ­symbiotische Zusammenleben mit den ausgelagerten Beständen in den Depots nehmen daher in ihrer Erzählung den meisten Raum ein. Insbesondere in den Passagen zu Latreyne 1943 – 1944 spielen gleichzeitig André Chamsons Kontakte zur lokalen Résistance – insbesondere dem Maquis der kommunistischen Franc-­­tireurs et partisans (FTP) – eine zunehmend wichtigere Rolle. Nicht zuletzt findet auch der nationalsozialistische Kulturgutraub in einigen Passagen Erwähnung; allerdings werden dabei weniger die Beschlagnahme jüdischer Sammlungen, sondern vorwiegend die von NS-Funktionären wie Ribbentropp oder Göring geforderten Tauschgeschäfte mit dem Louvre rekapituliert. Überdies berichtet Mazauric über diese Vorfälle nicht aus erster Hand, sondern bezieht sich auf Vallands „Le Front de l’Art“ oder gibt an, dass Jacques Jaujard ihr und Chamson jeweils die wichtigsten Entwicklungen in Bezug auf die deutschen Forderungen mitgeteilt habe. Mazaurics hauptsächlicher Fokus sind daher die Kriegsauslagerungen des Louvre und das Überdauern dieser Bestände im Kriegs- und Besatzungsalltag der Jahre 1939 – 1945.

„Ein Leben für die Freiheit“: Die Autobiographie von Jean Cassou (1981) Das Motiv des Résistance-­­Engagements von Museumsleuten kommt noch stärker in der 1981 von Jean Cassou veröffentlichten Autobiografie „Une Vie pour la Liberté“ zum Tragen. Jean Cassou war vor dem Zweiten Weltkrieg als Publizist und Museumskurator bekannt geworden; in den 1930er Jahren stand er den Kommunisten nahe, engagierte sich im Front Populaire und unterstützte das republikanische Spanien. 1940 wurde er zum Direktor des neu entstehenden Musée National d’Art Moderne ernannt; bereits im Herbst des Jahres wurde er aufgrund seiner jüdischen Abstammung und seiner politischen Positionierung jedoch von ­diesem Posten entlassen. Cassou engagierte sich daraufhin frühzeitig in der Résistance, insbesondere im Umkreis des „Réseau du Musée de l’Homme“, gab unter Pseudonym Schriften heraus und erhielt 1944 kurz nach der Befreiung von Toulouse einen Posten in der lokalen provisorischen Regierung.24 1945 bekam er seine Stelle als Direktor des Musée National d’Art Moderne zurück. Wenngleich er kein aktives Mitglied der CRA war, stand er ihr dennoch nahe, nicht zuletzt, weil er im Auftrag des Centre de Documentation Juive Contemporaine (CDJC) bereits 1947 eine Quellensammlung mit Dokumenten zum national­sozialistischen Kulturgutraub herausgab.25 In seiner Autobiografie spiegelt Cassou die französische Niederlage von 1940, die Kriegsauslagerungen der französischen Nationalmuseen sowie das eigene Résistance-­ Engagement in zwei großen Kapiteln wider. Mit direktem Bezug auf die Nationalmuseen kommentiert er dabei sein Mitwirken an den Kriegsauslagerungen im Sommer 1940 kurz 24 Zu Cassous Biographie vgl. Bertrand Dorléac 1986, S. 105, und Cassou 2011, hier S. 38. Zur Widerstandsgruppe rund um das Musée de l’Homme vgl. auch Blanc 2000. 25 Cassou 1947.

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vor dem Einmarsch der deutschen Truppen, seine Berufung und nahezu sofortige Entlassung bei der Direktion des Musée d’Art Moderne und die frühzeitige Kontaktaufnahme mit Ethno­logen des Musée de l’Homme, die sich ihrerseits durch das Befreien und Verstecken von Kriegsgefangenen, Spionage und die Weitergabe militärischer Informationen an die britischen Geheimdienste im Widerstand engagierten. Im Kapitel zur Résistance finden sich außerdem Verweise auf den Maquis im französischen Südwesten, der ihn in Kontakt mit René Huyghe und André Chamson in Montal brachte. Den Kulturgutraub der Nationalsozialisten skizziert Cassou nur in Teilen basierend auf persönlichen Erfahrungen, etwa im Rahmen einer Begegnung mit deutschen Soldaten in Chambord und dem Leiter des Deutschen Kunstschutzes Franz Graf Wolff-­­Metternich. Darüber hinaus verweist er auf die Tätigkeiten von Rose Valland und gibt einen k­ urzen Ausblick auf die Nachkriegsrestitutionen der CRA.26 Etwa zu der Zeit, als Cassous Autobiografie erschien, führte die Kunsthistorikerin Laurence Bertrand-­­Dorléac für ihre Studie zur Rolle von Kunst und Kunstgeschichte im Vichy-­­Régime Interviews mit Cassou und weiteren Vertretern des französischen Kulturlebens durch. Der Fokus aller Interviews lag auf den Jahren 1939 – 1945 und thematisierte im Falle Cassous besonders das Verhältnis der Pariser Kulturverwaltung zu Franz Graf Wolff-­­Metternich, das der deutschen Behörden untereinander – insbesondere z­ wischen Kunstschutz, ERR und deutscher Botschaft – und schließlich Cassous Entlassung und anschließendes Résistance-­­Engagement sowie seinen in dieser Zeit fortgeführten Kontakt zu Jacques Jaujard. Cassou betonte dabei, dass Jaujard aktiv in der Résistance engagiert gewesen sei und die weitläufigen Depots des Louvre als Versteck für die klandestin erscheinenden Editions de Minuit gedient hätten.27 Auch die Interviews mit Bernard Dorival und Georges-­­Henri Rivière spiegeln einige typische Narrative des Verhältnisses ­zwischen deutschen Besatzern und französischer Kulturverwaltung im Paris der Jahre 1940 – 1944 wider. Dorival etwa, ein Mitarbeiter Cassous beim Musée National d’Art Moderne, mit dem Bertrand-­­Dorléac über den Kunstmarkt dieser Zeit, den Erfolg von Händlern wie Martin Fabiani und die Rolle der Kunst der Avantgarde unter der deutschen Besatzung sprach, interpretierte die fortgesetzte Unterstützung der von den Nationalsozialisten verfemten modernen Kunst durch die französischen Kunsthändler als Akt des Widerstands. Georges-­ Henri Rivière wiederum, der insbesondere das Verhältnis der französischen Museumsleute zu Franz Graf Wolff-­­Metternich vom Kunstschutz betrachtete, bestätigte einmal mehr das durchgehend positive Bild von Wolff-­­Metternich, das auch bei Rose Valland, Lucie Mazauric und nicht zuletzt durch Cassous Autobiografie kolportiert wurde und bis heute die französische Rezeptionsgeschichte des deutschen Kunstschutzes prägt.28 Noch in den 26 Cassou 1981, S. 125 – 137 und S. 213 – 214. 27 Bertrand Dorléac 1986, S. 308 – 312. 28 Ebd., S. 313 – 317, für das Interview mit Bernard Dorival, und S. 338 – 344, für das Interview mit Georges-­­Henri Rivière.

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1980er Jahren hielt sich also im Museumsbereich ein Narrativ, das Museen, Kunstschutz und Résistance miteinander assoziierte und über diese Verknüpfung zugleich die Anpassung der Museumsverwaltung an die Bedingungen von Besatzung und faschistischem Vichy-­ Regime ausblendete. Dieser Befund bleibt auch für die Ego-­­Dokumente gültig, die in den frühen 1990er Jahren veröffentlicht wurden und ein wiederauflebendes Interesse an den Kriegsauslagerungen der französischen Nationalmuseen markierten.

1992 – 1994: Die Memoiren von Germain Bazin und René Huyghe Unter den Veröffentlichungen der frühen 1990er machte Germain Bazins „Souvenirs de l’exode du Louvre“ den Anfang, das 1992 kurz nach seinem Tod veröffentlicht wurde.29 Bazin war nach einem Studium der Kunstgeschichte an der Sorbonne und der Ecole du Louvre 1937 zum Assistenten von René Huyghe ernannt worden.30 Im Zweiten Weltkrieg kämpfte Bazin 1939 – 40 kurz in der französischen Armee. Nach der Niederlage übernahm er die Verwaltung eines Depots im nordwestfranzösischen Sourches, in das die großformatigen und daher schwer zu transportierenden Gemälde des Louvre verlagert wurden. Analog zu Mazauric und Hugyhe erzählt auch Bazin von den Reaktionen der Museumsleute auf verschiedene Versuche von Ribbentrop oder Göring, sich bestimmte Objekte und Sammlungen anzueignen. Im Kapitel „Affaires juives“ geht Bazin darüber hinaus auf den Abtransport der Sammlung David-­­Weill im Depot in Sourches und die Beschlagnahme und Aufteilung der Sammlung Schloss im Jahre 1943 ein.31 Bei Schilderung dieser Sachverhalte betont Bazin, dass die Museumsleute sich den Anordnungen zur Herausgabe von Objekten oder versuchten Beschlagnahmen so weit wie möglich widersetzt hätten. Auffallend ist bei Bazin schließlich, dass er in seinen expliziten Berichten über die Kontakte seiner Museumskollegen zum Maquis im französischen Südwesten auch die internen Unstimmigkeiten öffentlich macht, die sich aus d ­ iesem Engagement ergaben, etwa die Kritik Jaujards, dass Huyghes Résistance-­­Aktivitäten in Montal die Sicherheit

29 Bazin 1992. 30 Zur Biographie Bazins vgl. Eintrag „Germain Bazin“, in: Lee Sorensen (Hrsg.), Dictionary of Art Historians [Online-­­Datenbank], URL: https://dictionaryofarthistorians.org/bazing.html (abgerufen am 06. 03. 2016). 31 Bazin 1992, S. 93 – 99. Da der Louvre im Fall der Sammlung Schloss versuchte, durch in Inanspruchnahme seines Vorkaufsrechts auf national relevante Kulturgüter einen Teil der Sammlung in Frankreich zu halten, wurde Bazin beauftragt, die in einer Pariser Bank zwischengelagerten Gemälde gemeinsam mit Vertretern des Commissariat Général aux Questions Juives und mehreren Kunsthändlern in Augenschein zu nehmen. Er wählte letztlich 46 Gemälde aus, für die der Louvre sein Vorkaufsrecht ausübte, und rechtfertigte diese Vorgehensweise in den Memoiren mit dem Verweis auf die Restitution dieser 46 Gemälde an die Erben Schloss unmittelbar nach Kriegsende.

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des Museumsdepots gefährdet hätten.32 Somit macht Bazins Memoirenpublikation auch transparent, dass die Museumskuratoren keineswegs eine geschlossene Widerstands-­ Position vertraten. Die Autobiografie, die René Huyhe 1994 unter dem Titel „Une vie pour l’art“ verfasste, greift einige der von Bazin bereits eröffneten Perspektiven auf. Er widmet der Zeit des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzung ein Kapitel, in dem er seine Zuständigkeit für die südwestfranzösischen Auslagerungsdepots der Gemäldeabteilung des Louvre beschreibt. Er thematisiert die an die französischen Museen gerichteten nationalsozialistischen Tausch­ forderungen und geht sehr knapp auf die Beschlagnahme jüdischer Sammlungen ein, indem er auf Beispiele verweist, in denen ein Abtransport mit dem Verweis auf das Vorkaufsrecht des Louvre und eine Deponierung der Privatsammlungen in den Auslagerungsorten der Nationalmuseen verhindert werden konnte.33 Den Fall der Sammlung Schloss erzählt Huyghe in d ­ iesem Zusammenhang nicht explizit nach, sondern spielt nur auf seine persönliche Weigerung an, die Sammlung nach ihrer Beschlagnahme für die Beaux-­­Arts-­­Verwaltung der Vichy-­­Regierung zu begutachten.34 Umso detaillierter berichtet Huyghe über seine Aktivitäten in der Résistance und merkt übereinstimmend mit Bazin abschließend an, dass Jacques Jaujard ihn später für sein Engagement in der Résistance kritisiert habe, da er damit die Sicherheit des Louvre-­­Depots gefährdet hätte.35 Die Berichte von Mazauric, Bazin und Huyghe über die Kriegsauslagerungen des Louvre und den Besatzungsalltag in den Depots sind sehr parallel strukturiert. Viele der Kernepisoden wie die versuchten Tauschgeschäfte der Nationalsozialisten, die teils vergeblichen Sicherungen jüdischer Privatsammlungen und die enge Verknüpfung ­zwischen Museumsauslagerungen und Widerstand tauchen bei allen dreien wiederholt als Grundmotive auf. Mazauric und Huyghe berichten dabei sogar über dieselben Depots, während Bazins Bericht über das im Nordwesten gelegene Sourches die Komplementärperspektive zu den südwestfranzösischen Depots der Gemäldeabteilung liefert und den Berichten zu Montauban und Montal zugleich einen Blick von außen hinzufügt. Daraus ergibt sich zugleich, dass die Ego-­­Dokumente über die Kriegsauslagerungen der französischen Nationalmuseen insgesamt einen sehr engen Fokus auf eine einzige Abteilung des Louvre richten und somit weder die Auslagerungen der anderen Abteilungen noch die anderer Museen Berücksichtigung erfahren. Tatsächlich hat es Widerstandsaktivitäten aber auch im Museumsdepot in Chambord gegeben, und auch Jaujard an seinem Standort in Paris 32 Bazin 1992, S. 121 – 123. 33 Neben den Forderungen durch Ribbentropp und Göring spricht Huyghe hier auch einen Austausch von Kunstwerken z­ wischen der Vichy-­­Regierung und dem Franco-­­Regime in Spanien im Jahre 1941 an. Zu ­diesem Tauschgeschäft vgl. auch Gruat und Martínez 2011. 34 Huyghe 1994, S. 121 – 122. Zu den Versuchen des Louvre, mittels der Ausübung eines Vorkaufsrechts auf beschlagnahmte Sammlungen zuzugreifen, vgl. auch Le Masne de Chermont 2000, S. 26 – 27. 35 Huyghe 1994, S. 148 – 149.

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verfügte über Verbindungen zu Résistance-­­Netzwerken.36 Es würde daher zu kurz greifen, aus dem einseitigen Schwerpunkt der Memoirenpublikationen den Schluss zu ziehen, dass einzig und allein die Gemäldeabteilung des Louvre spezifische Besatzungserfahrungen mit wiederholten Depot-­­Umlagerungen, Besuchen des deutschen Kunstschutzes, Objektforderungen der NS-Führungselite und Kontakten zu lokalen Résistance-­­Gruppierungen gehabt hätte. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass dadurch, dass Erfahrungsberichte zu anderen Museumsabteilungen oder Memoiren von Jaujard selbst fehlen, blinde Flecken im französischen Narrativ zur Museumsgeschichte der frühen 1940er Jahre bestehen bleiben.

Die forschungsgeschichtliche Wende von 1997: Das Symposium „Pillages et Restitutions“ In den 1990er Jahren ergaben sich in der französischen Forschung vermehrt Wechsel­ wirkungen ­zwischen der Forschungsdiskussion und einem steigenden Interesse an Zeitzeugenaussagen. Die französischen Museen waren 1996 unter öffentlichen Druck geraten, nachdem der Rechnungshof in einem Bericht zu dem Schluss gekommen war, dass die sogenannten MNR weitgehend vergessen in den Museen lagerten und zu ihnen kaum geforscht wurde. Noch dazu hatte zeitgleich der Journalist Hector Feliciano die Ergebnisse einer jahrelangen investigativen Recherche zum NS -Kunstraub in Frankreich veröffentlicht, die den Umgang der Museen mit den MNR ebenfalls in ein schlechtes Licht rückte.37 In Reaktion auf die Vorwürfe veranstaltete die Direction des Musées de France im November 1996 ein öffentliches Symposium zum Thema „Pillages et restitutions“, bei dem Experten wie Lynn Nicholas und Laurence Bertrand-­­Dorléac, aber auch Zeitzeugen aus dem Museumsbereich zu Wort kamen. So berichtete Maurice Sérullaz, ein Inspecteur général des Musées de France, von den Kriegsauslagerungen der französischen Nationalmuseen, wobei er die Depots der Gemäldeabteilung in Sourches und Montauban bzw. Montal besonders hervorhob und auf die von Göring und Ribbentrop erwünschten Tauschgeschäfte mit dem Louvre einging.38 Die Ägyptologin Christiane Desroches-­­Noblecourt würdigte die Rolle Jacques Jaujards bei der Kriegsauslagerung

36 Vgl. Quilichini 2009, Karlsgodt 2011, S. 267 – 268, und Granger und Le Masne de Chermont 2009, S. 16. 37 Feliciano 2008, S. 329 – 354. In der hier zitierten Auflage von 2008 finden sich Ergänzungen zur Entwicklung der Forschungsgeschichte seit der Mitte der 1990er, unter anderem Verweise auf die Forschungsergebnisse der Mission Mattéoli. Dennoch bleibt der Grundton Felicianos, wonach einige Desiderate bei der Forschung zu den MNR nach wie vor bestünden, auch in der neuen Auflage noch erhalten. 38 Sérullaz 1997, S. 19 – 20. Auf Sérullaz’Aktivitäten in Sourches geht auch Germain Bazin in seinen Memoiren ein. Bazin 1992, S. 48.

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der Museen und hob dabei seine Verbindungen zu Résistance-­­Netzwerken und nach London hervor.39 Ein Tagungsbeitrag zu Rose Valland thematisierte ihre Tätigkeit im Jeu de Paume, ging dabei aber kaum auf ihr Engagement für die récupération artistique nach 1945 ein.40 Dafür lieferte Adeline Cacan de Bissy, ein ehemaliges Mitglied der Commission de Récupération Artistique, einen ­kurzen Erfahrungsbericht zu den Nachkriegsrestitutionen. Ihr Beitrag betont das hohe persönliche Engagement von Jaujard und Henraux bei der Gründung der CRA , ehe er die Entsendung von Beaux-­­Arts-­­Offizieren nach Deutschland, das regelmäßige Eintreffen von Restitutionskonvois in Paris und die Bearbeitung dieser Bestände skizziert und schließlich eine zahlenmäßige Bilanz der Restitutionen bis 1949 zieht.41 Dass bei dem Symposium neben Forschungsbeiträgen zum nationalsozialistischen Kunstraub, dem Kunsthandel und dem Erschließungszustand von Archivbeständen die Erfahrungsberichte von Zeitzeugen in so prominenter Form in den Vordergrund gerückt wurden, hing mit der Intention zusammen, die die Direction des Musées de France mit dem Symposium verfolgte. Angesichts der Vorwürfe um die intransparente Handhabe der MNR ging es zunächst darum, eben diese zu entkräften und ihnen ein differenziertes Bild vom NS-Kunstraub und dem aktuellen Wissensstand zu den MNR entgegenzusetzen. Gerade weil die Museen mit dem Vorwurf konfrontiert worden waren, letztlich indirekt von den Plünderungen der Nationalsozialisten profitiert zu haben, sah die Directrice des Musées de France, Françoise Cachin, sich jedoch in der Pflicht, [de] rendre aussi du même coup justice à mes prédécesseurs et à leurs collaborateurs, en particulier à Jacques Jaujard et à Rose Valland, sans la „résistance“ desquels le patrimoine national, tant privé que public, eût été plus gravement lésé et les restitutions moins faciles (…).42

Mit ihren stellenweise geradezu hagiografischen Hommagen an Jacques Jaujard und Rose Valland bürgten Sérullaz, Desroches-­­Noblecourt und Cacan de Bissy als Zeitzeugen also gewissermaßen dafür, dass die Museen keineswegs kollaboriert oder von den Plünderungen profitiert, sondern im Gegenteil im Widerstand zum Vichy-­­Regime und den deutschen Besatzern gestanden hatten und nach dem Krieg eine erste große Welle von Restitutionen erfolgt war. In d ­ iesem spezifischen Zusammenhang wurde das Résistance-­­Narrativ somit dafür genutzt, sich gegen politische Vorwürfe der Gegenwart zu verteidigen und die Positionen der Museen während der Besatzungs- und der Nachkriegszeit zu rechtfertigen. 39 Desroches-­­Noblecourt 1997, S. 26 – 27. Christiane Desroches-­­Noblecourt selbst gehörte seit den späten 1930er Jahren der ägyptischen Abteilung des Louvre an und trat nach der Auslagerung dieser Abteilung im Département Gers der Résistance bei. 40 Augereau 1997. 41 Cacan de Bissy 1997. 42 Cachin 1997, vgl. insbesondere die Préface von Françoise Cachin, S. 10.

Biografische Horizonte und Publikationen französischer Akteure  I  325

In der Gesamtbetrachtung lassen sich die französischen Ego-­­Dokumente von Museumsleuten zu Kriegsauslagerungen, Besatzung und Kunstschutz in verschiedene Phasen und Kontexte der ersten Nachkriegsjahrzehnte verorten. Vallands und Mazaurics Memoiren erschienen rund fünfzehn bis zwanzig Jahre nach Kriegsende, Jean Cassou publizierte in den frühen 1980ern, und die Memoiren von Bazin und Huyghe erschienen in den 1990ern, kurz bevor auch Politik, Öffentlichkeit und Forschung sich wieder verstärkt für das Thema des NS-Kunstraubs interessierten. Trotz dieser verschiedenen Phasen und Kontexte weisen die Publikationen eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Nicht nur fokussieren sie nahezu ausschließlich die Auslagerungsdepots der Gemäldeabteilung des Louvre in Sourches, ­Montauban und Montal. Überdies wiederholen sich die Verweise auf die Inspektionen von Depots durch den Kunstschutz, die versuchten Tauschgeschäfte von Ribbentrop und Göring oder den Abtransport des Genter Altars so regelmäßig, dass sie in der Gesamtbetrachtung zu beinahe stereotypen Leitmotiven der Meistererzählung der Museums­ geschichte unter der deutschen Besatzung gerinnen. Zustande kommt dieser Effekt nicht zuletzt dadurch, dass die Autoren der Memoiren sich wechselseitig gelesen und rezipiert haben; Mazauric etwa bezieht sich für die Wiedergabe der NS-Beschlagnahmen explizit auf ihre Lektüre von Vallands „Le Front de l’Art“, und Bazin zitiert sowohl Valland als auch Mazauric, um Episoden und Ereignisse wiederzugeben, an denen er keinen persönlichen Anteil gehabt hat. Parallel zu diesen Leitmotiven im Verhältnis von Besatzern und Besetzten nehmen gleichzeitig alle Publikationen Bezug zur Résistance: Die Bewahrung des französischen Kulturerbes durch die Museumsverwaltung und der Widerstand gegen das NS-Regime werden in der Regel in einen gemeinsamen Sinnzusammenhang gerückt. Es entsteht somit der Eindruck, als konstruiere sich das französische ­„Rettungsmissions“-Narrativ über den Rekurs auf das Phänomen der Résistance: Die Bewahrung der französischen Nationalsammlungen vor dem Zugriff der deutschen Besatzer wird als Akt des Widerstandes gedeutet. Wie genau ­dieses Widerstands-­­Narrativ konstituiert wird und w ­ elche Implikationen es hinsichtlich des Verständnisses von französischem patrimoine sowie der Restitutionen der Nachkriegszeit hat, wird im Folgenden untersucht.

7.2 Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs: Gibt es eine Meistererzählung? 7.2.1 Französische Museen unter deutscher Besatzung: Kunstschutz als Form des Widerstands? In sämtlichen Memoirenpublikationen steckt die Polarität ­zwischen Kollaboration und Widerstand den diskursiven Rahmen für die Erfahrungsberichte zu den Jahren 1940 – 1944 ab. Aus d ­ iesem Befund ergibt sich die Frage, inwieweit die Autoren ihr Selbstverständnis als Bewahrer der französischen Kunstsammlungen als Akt des Widerstands konstruierten und

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­ elche Formen dieser Widerstand – sei er institutionalisiert durch ein aktives Engagement w in der Résistance, sei es durch einzelne Aktionen zum Schutz bestimmter Personen oder Objekte – annahm.

Französische Kriegsauslagerungen als kunsthistorischer Fachdiskurs Ähnlich wie in den amerikanischen Ego-­­Dokumenten konstruiert sich auch in den franzö­ sischen Memoiren das spezifische Selbstverständnis als Kunstschützer über den kunsthisto­ rischen Fachdiskurs. Am stärksten kommt die Interpretation der Depot-­­Arbeit als Form kunsthistorischer Praxis in den Memoiren von Lucie Mazauric zum Ausdruck. Mazaurics Beschreibungen der Überprüfung und Verwaltung der ausgelagerten Bestände nach ihrer Ankunft im Depot ist durchdrungen vom Grundmotiv des Umgangs mit Kunst als Bewältigungsstrategie im Krieg; sie suggeriert eine regelrechte Symbiose ­zwischen dem Kunstschützer und dem zu schützenden Objekt, wenn sie beschreibt, wie die Kisten mit Objekten umgelagert und nach der Ankunft im Depot auf ihren Inhalt überprüft und neu verzeichnet wurden.43 Dass der Inventarisierungsprozess in den Depots kein reines technisches Erstellen und Vergleichen von Listen war, sondern auch spezifische Expertisen forderte, macht sie an den Beispielen deutlich, in denen die beim Verpacken im Louvre erstellten Listen Unstimmigkeiten aufwarfen. Zustande kamen diese vor allem bei Gemälden aus dem Altbestand, die über die Jahre in mehreren sukzessiven Inventarisierungsvorgängen unter wechselnden Nummern erfasst worden waren oder im Lauf der Zeit anderen Malern oder anderen künstlerischen Schulen zugeschrieben worden waren. Um diese Unstimmigkeiten zu klären, mussten daher sowohl die alten Inventare überprüft als auch die Gemälde genau untersucht werden.44 Auch nach dem Abschluss der Inventarisierungen fuhren die Depotverantwortlichen fort, sich intensiv mit den ausgelagerten Beständen zu beschäftigen. Dabei konnte die Auslagerung auch neue Zugänge zu den Objekten eröffnen: Die Lagerung der Gemälde in den Regalsystemen des Depots etwa lud Mazauric und ihre Kollegen immer wieder dazu ein, bestimmte Werke auszusuchen, sie einer geradezu kontemplativen Betrachtung zu unterziehen und auch ­solche miteinander zu vergleichen, die im musealen Kontext durch ihre Hängung nach Schulen oder Epochen nicht miteinander konfrontiert werden konnten, etwa ein Tizian mit einem Manet oder ein Poussin mit einem Cézanne. Diese Konfrontationen, die Mazauric selbst mitunter als „voisinage (…) choquant“ 45 wahrnahm, fungierten als spielerischer Zeitvertreib und Bewältigungsstrategie in einer Gegenwart, in der der reguläre Museumsalltag nicht mehr existierte und sowohl die Objekte als auch ihre Bewahrer auf das 43 Mazauric 1978, S. 100 – 101. 44 Ebd., S. 101 – 102. 45 Ebd., S. 107.

Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs  I  327

Ende des Kriegs und bessere Zeiten warteten.46 Zugleich konnten die Bestimmungsübungen und das genaue Studium weniger bekannter Gemälde neue Betrachtungsweisen und Analy­ sen in Gang setzen, die nicht nur den persönlichen Horizont der Kuratoren erweiterten und ihren Blick schulten, sondern auch zu neuen kunsthistorischen Erkenntnissen führten. Anspielungen darauf, dass die Verlagerung von Beständen zu kunsthistorischen Neubewertungen und Veränderungen in der Rezeption einzelner Objekte oder Objektgattungen führen konnte, finden sich auch in Germain Bazins „Souvenirs de l’exode du Louvre“. Am Beispiel der Glasfenster der französischen Kathedralen konstatiert er, dass die Gefährdung der Fenster durch den Krieg das Bewusstsein für ihre Bedeutung als Teil des patrimoine geschärft habe. Il est même arrivé que cet énorme effort de défense passive [gemeint sind die Evakuierungen] ait provoqué la conscience d’une richesse patrimoniale qu’on n’avait pas jusqu’ici perçue à sa vraie valeur. Certes, on n’avait pas attendu en France la guerre de 1940 pour admirer les vitraux de Chartres ou de Bourges. Mais l’effort quasi-­­total de dépose de vitraux a fait apparaître qu’il y avait eu là une création propre. On l’estimait plus ou moins jusqu’alors dépendant d’un ensemble monumental. (…) [I]l s’est produit au même moment une conscience internationale de cette prodigieuse création occidentale de l’art du vitrail. Le Corpus vitrearum Medii Aevi est né après cette guerre d’initiatives française, suisse et allemande, non seulement pour un inventaire de cette richesse mais pour l’élaboration des principes et des moyens de sa conservation.47

Die Herauslösung der Glasfenster aus ihrer normalen Umgebung sorgte also dafür, dass diese nun nicht mehr nur als Bestandteil des Gesamtkunstwerks Kathedrale, sondern auch unabhängig von ihrer Umgebung als eigenständige Kunstwerke gewürdigt wurden und als ­solche nach Kriegsende als neue Forschungsgegenstände entdeckt und erschlossen wurden. An Bazins Beobachtung zur neuen Wahrnehmung der Glasfenster fällt zugleich ein zweiter Befund auf. Die Textpassage befindet sich in einem Kapitel, das die Auswirkungen von Krieg und Besatzung in Frankreich beleuchtet. Bazin setzt darin Truppenbewegungen, Kriegszerstörungen durch deutsche und alliierte Truppen, Résistance-­­Aktivitäten und die

46 Als Varianten d ­ ieses Zeitvertreibs mit den Objekten beschreibt Mazauric die Entwicklung von Ratespielen und Bestimmungsübungen vor allem rund um die unbekannteren Meister aus der Sammlung. Im Auslagerungsdepot Latreyne, wo die Bestände der ägyptischen Abteilung nicht ausgepackt wurden, sondern in ihren Kisten verblieben, bestand ein Spiel darin, anhand der Form der Kiste zu erraten, welches Objekt darin aufbewahrt war. Bei einem weiteren musste reihum jede Person im Depot die Frage beantworten, welches Objekt sie retten würde, wenn sie nur ein einziges vor der Zerstörung bewahren dürfte. Ebd., S. 107 – 108 und S. 160. 47 Bazin 1992, S. 82 – 83.

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Verantwortung von Museumskuratoren für die diversen Auslagerungsdepots der Nationalund Provinzmuseen in direkten Bezug zueinander und interpretiert die Sicherung und Evakuierung von Kulturgütern als kriegswichtige Handlung und Akt der „défense passive“. Diese trage zur Verteidigung des französischen patrimoine bei, indem sie sich gegen zwei Gefahren zur Wehr setze: unmittelbare Kriegseinwirkungen, aber auch den Zugriff durch die deutschen Besatzer. Das Selbstverständnis der Museumsleute als Bewahrer der französischen Kunstsammlungen basiert insofern auf dem Zusammentreffen von zwei Aspekten. Der kunsthistorische Fachdiskurs verdeutlicht zum einen, dass die Arbeit in den Auslagerungsdepots für die Museumsleute eine translokalisierte Variante der Museumsarbeit darstellte. Auslagerungsbedingt konnten keine Ausstellungen mehr organisiert werden, und ohne den musealen Rahmen waren die einzelnen Objekte ihres üblichen kunsthistorischen Sinnzusammenhangs beraubt; damit reduzierte sich die Arbeit der Museumsleute zwangsläufig auf den Bereich der Dokumentation und Inventarisierung. Gerade diese Dekontextualisierung der Museumssammlungen ermöglichte es ihnen jedoch, neue Zugänge zu den Objekten zu finden und sie sogar als Halt gebende Fixpunkte und innere Fluchtmöglichkeit im Besatzungsalltag zu empfinden. In den Kontext von Krieg und Besatzung eingeordnet, wurden die Auslagerungen zum anderen als kriegswichtige Tätigkeit interpretiert, als „défense passive“ und zivile Verteidigung des französischen patrimoine. Aus dieser Kriegsrelevanz der Verteidigung des Kulturerbes leitet sich schließlich auch die Verknüpfung ­zwischen Kulturgüterschutz und Résistance-­­Diskurs her, die für die französischen Memoirenpubli­ kationen so typisch ist.

Französischer Kunstschutz als Akt der Résistance? In der Historiografie zur Résistance wurden lange Zeit vor allem der militärisch oder paramilitärisch organisierte bewaffnete Widerstand etwa in den Netzwerken des Maquis und deren Verbindungen zu de Gaulles France Libre in London untersucht. Jüngere Forschungsbeiträge haben diese Perspektive zunehmend um zivile Formen der Auflehnung erweitert, sodass inzwischen von einer großen Vielfalt von Widerstandsformen gegen die deutschen Besatzer und das faschistische Vichy-­­Regime ausgegangen werden muss. Die Bandbreite der Aktivitäten reicht vom Druck und der Verbreitung verbotener Flugblätter und Schriften über das Verstecken jüdischer Kinder, die Verweigerung des Service du Travail Obligatoire in Deutschland bis zum Entgegennehmen von per Fallschirm abgeworfenen Waffen, Sabotageaktionen oder dem bewaffneten Kampf im Maquis. Der Historiker Olivier Wieviorka lehnt daher in seiner Gesamtdarstellung der Résistance jegliche Versuche einer einheitlichen Definition ab und stellt fest, dass man richtigerweise eher von „Résistances“ im Plural sprechen müsse und orientiert sich letztlich an einer Differenzierung des Historikers François Marcot. Dieser wiederum unterscheidet ­zwischen „Résistance-­­Organisation“, also dem aktiven

Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs  I  329

Mitwirken in einer organisierten Struktur des Widerstands, und „Résistance-­­Mouvement“, dem viel breiteren gesellschaftlichen Phänomen der Ablehnung von Nationalsozialismus und Vichy-­­Regime, das die Voraussetzungen für individuelle Handlungen oder solidarische Unterstützung des organisierten Widerstands schaffte.48 Die Differenzierung ­zwischen einem breiten Phänomen der Solidarisierung mit dem Widerstand einerseits und einem organisierten Widerstand, der verschiedene Netzwerke und Aktionsgruppen ausbildete, andererseits, kann auch für die Betrachtung der Akteure aus dem Museumsbereich fruchtbar gemacht werden. Die Unterscheidung ­zwischen aktivem Engagement in einer Organisationsstruktur und dem allgemeineren Phänomen der Solidarisierung hilft dabei, das jeweilige in den Memoiren beschriebene Engagement dieser Personen mit größerer Trennschärfe greifbar zu machen. Bevor d ­ ieses Engagement genauer analysiert wird, muss zunächst jedoch eine quellenkritische Einordnung der Memoiren erfolgen. Zentral ist dabei die Feststellung einer Divergenz ­zwischen den erzählten Zeiträumen und dem Entstehungszeitpunkt der Erzählungen. Die früheste Publikation, „Le Front de l’Art“, entstand 15 Jahre nach den Ereignissen, während die späteste, Hugyhes Autobiografie, einen zeitlichen Abstand von rund 40 Jahren zum Zweiten Weltkrieg aufweist. In allen Fällen sind die Erzählungen also erst a posteriori entstanden, was bedeutet, dass das spezifische Selbstverständnis der Akteure als Résistance-­­Mitglieder in den Memoiren nicht unbedingt bereits 1940 – 1944 existiert haben muss, sondern eine Rückprojektion aus späteren Jahrzehnten sein kann. Für Rose Valland etwa ist dies anzunehmen, da sie in den betreffenden Jahren kein aktives Mitglied in Pariser Netzwerken, sondern allenfalls indirekt über Jacques Jaujard mit der Résistance assoziiert war. Ihre Identifizierung mit dieser entwickelte sich erst in den Jahren nach 1945, wie ein Teil ihres Nachlasses in den vormaligen Archives des Musées Nationaux zeigt. Zwar wurde Valland bereits 1946 mit mehreren Auszeichnungen, unter anderem mit der Médaille de la Résistance, bedacht. In dem Gutachten, das Albert Henraux für die Auszeichnung abfasste, betonte er, dass Valland die Informationen zum Verbleib der geraubten Kunstsammlungen unter Lebensgefahr gesammelt habe und ­welche immense Bedeutung diese Informationen für die spätere Sicherung und Restitution des französischen patrimoine durch die CRA besaß. Bezeichnenderweise kommt seine Stellungnahme ohne eine einzige Nennung des Begriffs „Résistance“ aus; demnach sah Henraux in Vallands Aktivität keinen Bezug zu einschlägigen organisierten Résistance-­­Netzwerken, obwohl er ihre Arbeit durchaus als kriegswichtigen Widerstandsakt wahrnahm.49 Dass Valland im gleichen Zeitraum in die Légion d’Honneur aufgenommen und mit der amerikanischen Medal of Freedom ausgezeichnet wurde, bestätigt, dass die nationale und militante 48 Vgl. Wieviorka 2013, S. 15 – 16. 49 Henraux, Albert, Rapport sur les activités de Rose Valland en vue de l’attribution de la médaille de la Résistance, 21 mai 1946, AN 20150497/216.

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­ elevanz ihrer Aktivitäten frühzeitig anerkannt wurde.50 Die argumentative Verknüpfung R ihrer Tätigkeiten mit der organisierten Résistance verstärkte sich jedoch erst in späteren Jahren. So bemühte sich Valland erst 1955 darum, von staatlicher Seite als Résistance-­ Kämpferin anerkannt zu werden und die „carte de combattant volontaire de la Résistance“ zu beantragen, mit der sie für die Rente nachweisen konnte, dass sie Kriegsveteranin und ehemaliges Résistance-­­Mitglied war. Das Antragsdossier umfasste, wie Valland in ihrem Anschreiben präzisierte, un compte-­­rendu de mon activité dans la Résistance signé par mes deux Chefs directs, M. le Directeur Général des Arts et des Lettres Jaujard du réseau „Samson“ et de M. le Directeur Général des Beaux-­­Arts, à la Libération, du réseau „Front National“. Cette dernière photocopie présente les attestations du chef du réseau et de son liquidateur. Je vous fais parvenir également la photocopie de l’attestation qui m’a été donnée par M. Gaston Palewski, Chef du Cabinet du Général De Gaulle à Londres et à Alger.51

Der Verweis auf Jaujards Zugehörigkeit zum Réseau Samson und seine Funktion als Vallands direkter Vorgesetzter sollte hier offenkundig den Eindruck wecken, dass Valland ihrerseits demselben Netzwerk angehört habe; denselben Zweck verfolgte außerdem die beigelegte Bescheinigung von Gaston Palewski.52 Die Anhänge, eine tabellarische Übersicht über Vallands Résistance-­­Aktivitäten sowie ein Nachweis ihrer Involvierung in die Sabotage des Zugs von Aulnay-­­sous-­­Bois bestätigen, dass es in der Tat ihre Spionage im Jeu de Paume war, die im Nachhinein als Engagement für die Résistance gedeutet wurde.53 Dennoch sollten die fraglichen Bescheinigungen nicht als Beleg für eine tatsächliche Einbindung Vallands in besagtes Réseau Samson gelesen werden. Vielmehr bestätigt ein Brief Vallands an den Justizbeamten Harlin aus der Zeit, als sie den Antrag vorbereitete, dass sie gerade nicht Mitglied eines Netzwerks gewesen war und die nachträgliche Verknüpfung ihr lediglich dabei helfen sollte, ihre Chancen auf eine formelle Anerkennung als Résistance-­­Mitglied durch staatliche Autoritäten zu erhöhen. Mit Harlin, den Valland 50 Journal Officiel de la République française, Décret sur les promotions et nominations dans l’ordre national de la Légion d’Honneur, 2 octobre 1946, AN 20150497/216 und Noiret, Général, Lettre sur l’attribution de la «Medal of freedom» à Rose Valland, 2 décembre 1947, AN 20150497/216. 51 Valland, Rose, Dossier de demande de la carte de combattant volontaire de la Résistance, 13 avril 1955, AN 20150497/216. 52 Palewski, Gaston, Note certifiant les activités dans la Résistance de Rose Valland, 9 avril 1955, AN 20150497/216. 53 Valland, Rose, Compte-­­rendu d’activités, sans date [1955], AN 20150497/216. Beigefügt waren dem Dossier außerdem eine Bescheinigung über Vallands Tätigkeit als Beobachterin der Nürnberger Prozesse 1946, vgl. Valland, Rose, Témoignage sur le tribunal de Nuremberg, sans date [1955], AN 20150497/216, sowie ein Bericht über ihre Rolle bei der Sabotage des Zugs von Aulnay-­­sous-­­Bois, vgl. Valland, Rose, Note sur le train d’Aulnay-­­sous-­­Bois, sans date [1955], AN 20150497/216.

Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs  I  331

aus dem Kontext des Gerichtsverfahrens gegen Bruno Lohse kannte, nahm sie in d ­ iesem Zusammenhang Kontakt auf, um ihn um ein Empfehlungsschreiben zu bitten, aus dem hervorgehen sollte, dass Bruno Lohse ihr mit der Deportation gedroht habe und sie sich demnach mit ihrem Einsatz für das französische patrimoine in Lebensgefahr begeben habe. Die Bitte um ­dieses Empfehlungsschreiben begründete Valland mit dem Hinweis, dass es ihr schwer falle, ihr Résistance-­­Engagement bei den französischen Behörden als solches anerkennen zu lassen, weil sie keinem „réseau“ angehört habe.54 Valland hatte somit in den Jahren 1940 – 1944 zwar in Absprache mit Jaujard, aber ohne Rückbindung an sein Résistance-­­Netzwerk gehandelt. Gerade ­dieses Handeln als Einzelperson schien jedoch nicht den Kategorien von Widerstand zu entsprechen, die nach dem Krieg auf staatlicher Seite als Résistance-­­Engagement anerkannt wurden, sodass für eine Eingliederung Vallands in die Reihen der ehemaligen Widerstandskämpfer nachträglich eine Verbindung zum Réseau Samson hergestellt werden musste. Dass Valland überhaupt erst Mitte der 1950er Jahre damit begann, ihrem Anspruch auf die vom Staat für ehemalige Résistance-­­Angehörige vorgesehene Unterstützung nachzugehen, zeigt zugleich, dass sie ihre eigene Tätigkeit im Jeu de Paume erst in der Rückschau stärker mit den Aktivitäten der Résistance assoziierte. Bezeichnenderweise machte sie diese Assoziation nicht einmal 1961 in „Le Front de l’Art“ explizit. Selbst die Episode um die Sabotage des mit Kunstwerken beladenen „Train d’Aulnay“ im Sommer 1944, die am ehesten mit der Résistance in Verbindung gebracht werden kann, kommt in ihrer Nacherzählung ohne direkten Bezug aus: Die Verzögerung der Abfahrt des Zugs umschreibt sie als Ergebnis einer Kontaktaufnahme Jaujards mit der SNCF, ohne sichtbar zu machen, auf ­welchen Kanälen der Kontakt hergestellt und mit ­welchen Mitteln der Zug aufgehalten wurde. Erst die Bearbeitung des Stoffs im Hollywood-­­Film „The Train“ ordnet den Sachverhalt klarer in ein Résistance-­­Narrativ ein.55 Auch bei Huyghe, Chamson, Cassou und Bazin muss berücksichtigt werden, dass ihre Selbstdarstellungen als Résistance-­­Kämpfer aus der Rückschau zustande kamen und somit nicht nur ihr Engagement an sich, sondern auch dessen spätere Würdigung – oder gar ein Fehlen derselben – mit in das Bild einflossen, dass sie von sich selbst entwarfen bzw. das in Chamsons Fall von seiner Frau gezeichnet wurde. Vor allem Huyghes und Bazins Rückschau auf die Résistance-­­Aktivitäten rund um das Depot Montal sind geprägt von den Differenzen, die nach Kriegsende z­ wischen Huyghe und Jaujard aufkamen, weil dieser ihm angeblich vorwarf, mit seinem Résistance-­­Engagement das Auslagerungsdepot des Louvre gefährdet zu haben. Huyghes Beschreibung besagter Aktivitäten fungiert daher zugleich als nachträgliche Rechtfertigung. Bazins Darstellung der gleichen Differenzen wiederum gerät zur persönlichen Invektive gegen Jaujard und Chamson, die gleichzeitig Huyghe zu 54 Valland, Rose, Lettre au Capitaine Harlain au sujet d’un témoignage de Bruno Lohse concernant un ordre de déportation à l’intention de Rose Valland, 31 janvier 1955, AN 20150497/216. 55 Valland 2014, S. 192 – 194.

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einem zu Unrecht übergangenen Helden stilisiert.56 Bazins Ereiferung über die mangelnde Würdigung der Aktivitäten seines Kollegen und die Unterstellung, dass Chamson wiederum stärker geehrt worden sei, als er es verdiene, mutet dabei umso kurioser an, als Bazin selbst gar nicht in die Résistance-­­Aktivitäten rund um die Depots im französischen Südwesten involviert gewesen war. Seine Solidarisierung mit Huyghe ist vor allem Schützenhilfe für einen langjährigen Freund; eventuell ist sie auch ein Mittel für Bazin, sich selbst im Nachhinein stärker in die Nähe der Résistance zu rücken. Die quellenkritische Einordnung der Memoiren macht deutlich, dass die Eigenwahrnehmung des jeweiligen Résistance-­­Engagements sich zum Teil erst nach 1945 entwickelte bzw. das zurückprojizierte Selbstbild auch von gegenwärtigen Intentionen oder persönlichen Animositäten gefärbt war. Generell ist darüber hinaus anzunehmen, dass der im Frankreich der ersten Nachkriegsjahrzehnte vorherrschende öffentliche Résistance-­­Diskurs allen Autoren vertraut war und sie ihre eigenen Erfahrungen bewusst oder unbewusst in diesen einbetteten.57 Nichtsdestotrotz sollten die in den jeweiligen Memoiren beschriebenen Aktivitäten nicht als Erfindungen der Nachkriegszeit oder reine Rückprojektionen und a posteriori Stilisierung des eigenen Tuns abgetan werden. Wenngleich die Berichte erst aus späteren Jahrzehnten stammen und der sich verändernde zeitgenössische Diskurs die Art ihre Wiedergabe bestimmt, muss davon ausgegangen werden, dass die Akteure tatsächlich in verschiedene Formen des Widerstands bis hin zum aktiven Kampf in Résistance-­­Netzwerken involviert waren. Diese verschiedenen Formen des Engagements in oder der Solidarisierung mit der Résistance lassen sich mit Marcots Differenzierung nach Résistance-­­Organisation und Résistance-­­Mouvement 56 Bazin 1992, S. 121 – 123, und Huyghe 1994, S. 148. Bazin kritisiert in seinen Memoiren den Umstand, dass Jacques Jaujard und André Chamson, nicht aber René Huyghe nach dem Krieg für ihre Résistance-­­Aktivitäten ausgezeichnet wurden, mit dem bissigen Kommentar „Fallait-­­il être camisard pour être maquisard?“ Die Bezeichnung „Camisarden“ designiert eine Gruppe französischer Hugenotten des 17. Jahrhunderts, die in den südfranzösischen Cevennen beheimatet waren und nach der Widerrufserklärung des Edikts von Nantes einen Aufstand gegen die Katholiken angezettelt hatten. Im Zweiten Weltkrieg wiederum waren die Cevennen einer der Schauplätz für Aktivitäten des Maquis geworden. Sowohl Jaujard als auch Chamson hatten familiäre Wurzeln in den Cevennen; Chamson war darüber hinaus Protestant. Bazins Anspielung auf die Camisarden unterstellt insofern, dass regionale oder konfessionelle Zugehörigkeiten ausschlaggebend für die spätere Anerkennung von Résistance-­­Aktivitäten gewesen ­seien. Darüber hinaus dürften auch politische Einstellungen bei den Divergenzen ­zwischen den Museumsleuten eine Rolle gespielt haben: Jaujard und Chamson waren politisch eher links eingestellt, während Bazin und Huyghe sich politisch eher konservativ positionierten. 57 Es ist davon auszugehen, dass die Museumsleute andere zeitgenössische Memoirenpublikationen zur Résistance rezipiert haben und sich innerhalb der Memoirenliteratur zur Résistance genrespezifische Stereotypen entwickelt haben, die auch von Mazauric, Bazin oder Huyghe aufgegriffen werden. Ein systematischer Vergleich ihrer Publikationen mit Résistance-­­Memoiren konnte jedoch für die vorliegende Studie nicht vorgenommen werden, da er den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte.

Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs  I  333

gut voneinander abgrenzen. Bei beiden Widerstandsformen ist im Folgenden danach zu fragen, inwieweit dieser jeweils spezifisch mit dem Selbstverständnis der Akteure als Kunstschützer und Bewahrer des französischen patrimoine verknüpft wurde. Das Résistance-­­Engagement von Huyghe, Chamson und Cassou lässt sich dem aktiven Mitwirken in einer organisierten militärischen Struktur des Widerstands zuordnen. Cassou schloss sich nach einer ersten Phase des Engagements in den Kreisen rund um das Netzwerk des „Musée de l’Homme“ dem Maquis im französischen Südwesten an.58 Huyghe und Chamson nahmen ab 1943 verstärkt Kontakt mit diesen Netzwerken auf, nachdem auch der Südwesten Frankreichs besetzt worden war. Für René Huyghe bot die Umlagerung der Gemäldeabteilung aus Montauban ins abgelegenere Montal die Gelegenheit, in den Generalstab von Colonel Vincent einzutreten, der innerhalb des Maquis unter dem Decknamen Général Vény firmierte. Über diesen Kontakt kam Huyghe mit André Malraux in Berührung, der sich darum bemühte, die verschiedenen Résistance-­­Netzwerke des Südwestens zu koordinieren und ihre Aktionen zu bündeln. Eine weitere Verbindung bestand zu Jean Cassou in Toulouse, der mitunter zu Treffen nach Montal kam.59 Auch André Chamson suchte bald nach der Ankunft in Latreyne den Kontakt zum Maquis: Unter dem Decknamen Commandant Lauter stand er in Verbindung mit einer lokalen Untergruppe der Franc-­­Tireurs Partisans (FTP ), half bei der Planung von Hinterhalten und versorgte den Generalstab des Maquis mit Benzin.60 Unabhängig voneinander scheinen also beide eine Art Doppelleben ­zwischen Depotleitung für den Louvre und Engagement in der organisierten, bewaffneten Résistance entwickelt zu haben. Allerdings wurden diese jeweiligen Aktivitäten nur in Ausnahmefällen in direkten Bezug zueinander gesetzt, und zwar in der Regel dann, wenn die Sicherheit der französischen Museumssammlungen zur Debatte stand. In der Frage der Sicherheit erwies sich die Verbindung von Résistanceaktivität und Museumsdepotverwaltung als durchaus ambivalent. Einerseits konnte die Nähe der Depotverwalter zum Maquis eine Gefährdung für die Depots darstellen, etwa wenn Mitglieder des Maquis versuchten, sich Zugang zu den Waffen zu verschaffen, die das Wachpersonal der Depots tragen durfte, oder wenn Kampfhandlungen in unmittelbarer Reichweite der Depots ausgetragen wurden.61 Andererseits war es gerade der Kontakt zur Résistance, der in der Interpretation von René Huyghe oder Lucie Mazauric die Sicherheit der jeweiligen Museumsdepots garantierte. Huyghe etwa soll acht Elsass-­­Lothringer aus dem Maquis mit falschen Papieren ausgestattet und unter dem Wachpersonal des Depots in Montal versteckt haben, wo sie die Aufgabe erhielten, die Sicherheit der gelagerten Kunstbestände zu gewährleisten und diese im Notfall aktiv vor einem möglichen Zugriff der Deutschen zu 58 59 60 61

Cassou 1981, S. 211 – 212. Ebd., S. 213 – 214. Mazauric 1978, S. 172 – 175. Huyghe 1994, S. 135 – 142.

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verteidigen.62 Lucie Mazauric wiederum berichtet, dass das Auslagerungsdepot in Latreyne im Sommer 1944, während die deutschen Truppen auf dem Rückzug waren und die FTP-­ Gruppierungen allmählich die administrative Kontrolle über die Region gewannen, mittels einer Bescheinigung der Résistance förmlich unter deren Protektion gestellt wurde.63 Mit dieser Geste reklamierte die Résistance für sich, dass sie die staatliche Autorität des befreiten Frankreichs vertrat, und unterstrich zugleich, dass die Bestände der französischen Nationalmuseen dem von ihr vertretenen Frankreich gehörten, seiner A ­ utorität unterstanden und nicht zuletzt deshalb schützenswert s­eien. Mazaurics Hinweis auf die Ausstellung dieser Papiere zeigt zugleich an, dass die Museumsleute in Latreyne diesen Geltungsanspruch in der Tat anerkannten. Bewaffneter Widerstand, Befreiungskampf und der Schutz der französischen Museumssammlungen standen somit in einem gemeinsamen übergeordneten Zusammenhang, da bei Résistance-­­Kämpfern und Museumsleuten ein Konsens darüber bestand, dass das französische patrimoine in den Auslagerungsdepots zu dem befreiten Frankreich gehörte, das die Résistance-­­Kämpfer zu repräsentieren reklamierten. Nichtsdestotrotz zeigen die Hinweise auf Chamsons und Huyghes Doppelleben ­zwischen Depots und Maquis zugleich, dass zwar einzelne Personen der Résistance angehörten, dies aber nicht bedeutete, dass die Depots an sich der Résistance unterstanden oder als Deckmantel für ihre Aktivitäten fungierten. Neben den Zeugnissen für ein aktives Engagement in der bewaffneten und organisierten Résistance lassen sich in den Ego-­­Dokumenten der französischen Museumsleute auch Hinweise auf Solidarisierungen mit der Widerstandsbewegung oder individuelle Akte eines zivilen Widerstands finden.64 Mazauric etwa berichtet von Museumskollegen, die heimlich militärisch relevante Informationen aus der besetzten Zone in den französischen Süden schmuggelten, und von einem Depot in Saint-­­Guilhem-­­le-­­Désert, das neben Kunstwerken auch Waffen aus britischen Fallschirm-­­Lieferungen beherbergte und gerade noch rechtzeitig vor einer Durchsuchung der Gestapo teilgeräumt werden konnte.65 Auch Bazin verweist auf Kollegen und Bekannte, deren Résistance-­­Verbundenheit ein offenes Geheimnis darstellte, und nennt beispielhaft das heimliche Hören des britischen Radios, das er selbst allerdings offiziell unterbinden wollte, um die Sicherheit der Museumsdepots in der okkupierten nördlichen Zone nicht zu gefährden.66 Auch hier besteht zunächst keine inhärente Verbindung ­zwischen Depot-­­Verwaltung und Widerstand, sodass die normale Tätigkeit in den Depots nicht automatisch als Widerstandshandeln gelten kann. Die Gleichsetzung der Bemühung um den Erhalt des französischen patrimoine mit einem Akt des Widerstands konstruiert sich daher vor allem über die Auseinandersetzungen, die sich an deutschen Forderungen nach bestimmten Objekten oder Objektgruppen entzündeten. 62 63 64 65 66

Ebd., S. 123. Mazauric 1978, S. 195 – 196. Wieviorka 2013, S. 16. Mazauric 1978, S. 70, 122 und 168 – 169. Bazin 1992, S. 33.

Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs  I  335

Der erste Konflikt entstand, als Joachim von Ribbentrop im Herbst 1940 den Wunsch äußerte, das Gemälde „Diane au bain“ von François Boucher aus der Gemäldeabteilung des Louvre für sein Büro zu erhalten. Das Gemälde wurde aus dem Depot in Montauban geholt und den Deutschen vorläufig übergeben. Ein Tausch scheiterte jedoch daran, dass die Außenministerien beider Länder sich nicht darauf einigen konnten, w ­ elche Gemälde Frankreich als Gegenleistung erhalten sollte. Das Deutsche Reich bot zunächst einen weniger wertvollen französischen Impressionisten an, woraufhin das französische Außenministerium von der Beaux-­­Arts-­­Verwaltung eine Liste möglicher Gegenvorschläge erhielt, die Gemälde aus dem 18. Jahrhunderts aus deutschen Museen umfasste und an deren oberster Stelle ­Watteaus Gemälde „Enseigne de Gersaint“ stand, das seit seinem Erwerb durch ­Friedrich II. um 1746 Teil der Gemäldesammlungen in Sanssouci war. Da keines der betroffenen deutschen Museen bereit war, eines dieser geforderten Objekte herauszugeben, kehrte die „Diane au bain“ in französische Hände zurück.67 Eine zweite Serie von Tauschverhandlungen nahm Ende 1942 ihren Ausgangspunkt in Forderungen Hermann Görings, die unter anderem die Statue „La belle Allemande“ von Gregor Erhardt aus dem Louvre und das Basler Antependium aus dem Musée de Cluny betrafen.68 Während die französische Seite – einschließlich des Conseil des Musées unter dem Vorsitz von Jaujard – der Abgabe der „belle Allemande“ und zweier weiterer Gemälde zögerlich zustimmte, lösten das Basler Antependium und die Frage nach den vom Deutschen Reich zu übergebenden Kompensationen langwierige Verhandlungen aus. Einen kritischen Höhepunkt erreichten diese, als Göring vorschlug, dass die Kuratoren der Gemälde- und der Skulpturenabteilung des Louvre die französischen Abgaben persönlich nach Carinhall bringen sollten. Jaujard und der Conseil des Musées opponierten gegen diesen Vorschlag, was innerfranzösisch als Kompetenzüberschreitung wahrgenommen wurde und zu Konflikten ­zwischen Jaujard und Erziehungsminister Abel Bonnard führte. Die Verhandlungen endeten letztlich darin, dass die Statue und die beiden Gemälde Göring übergeben wurden und er seine Ansprüche auf das Basler Antependium aufgab. Die Frage nach den Objekten, mit denen Frankreich für seine Abgaben entschädigt werden sollte, blieb bis ins Jahr 1944 hinein ungeklärt.69 Wenngleich die Tauschverhandlungen konfliktgeladen waren, war der Austausch von Objekten aus öffentlichem Eigentum z­ wischen verschiedenen Nationen grundsätzlich kein völlig neues und erst von den Nationalsozialisten im Besatzungskontext erfundenes 67 Valland 2014, S. 147 – 151. Vgl. auch Karlsgodt 2011, S. 244 – 245. 68 Als Antependium bezeichnet man Verkleidungen auf der Vorderseite von Altären, die aus Stoff sein können, im Mittelalter aber auch aus Holz, Metall oder Stein waren. Das Basler Antependium ist aus Goldblech geschmiedet und von König Heinrich II. gestiftet. Es zählte bis zu seinem Verkauf durch den Kanton Basel im 19. Jahrhundert zum Basler Domschatz. Seit 1852 gehört das Antependium zur Sammlung des Musée national du Moyen Age (Musée de Cluny) in Paris. 69 Karlsgodt 2011, S. 251 – 259.

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­ orgehen. Vielmehr gehörte der zwischenstaatliche Tausch von Kulturgütern bereits in den V 1930ern zur internationalen Kulturdiplomatie. Erst 1941 hatte Frankreich einen Austausch von Kulturgütern mit Spanien ausgehandelt, der im Übrigen auch in den Memoiren von Huyghe und Bazin erwähnt wird. In ihren Rekonstruktionen strichen beide zwar jeweils ihre persönliche Opposition gegen die Tauschverhandlungen heraus; da aber in Kompensation für die abgegebenen Kunstwerke auch mehrere spanische Meisterwerke an Frankreich übergeben wurden, betrachteten sie sie nicht als völlig illegitim, sondern eher als Präzedenzfall für die erfolgreiche Wahrung französischer Kulturinteressen.70 Im Gegensatz dazu stellen die gleichen Autoren die Tauschverhandlungen mit dem Deutschen Reich jedoch gerade nicht als einen gleichberechtigten kulturellen Austausch dar, sondern erzählen sie als versuchte widerrechtliche Aneignung, deren Verhinderung als Widerstand interpretiert wird. Deutlich wird aus dem Vergleich der Verhandlungen Frankreichs mit Spanien bzw. dem Deutschen Reich daher, dass bei Letzteren nicht die Praxis des Tauschs von Objekten zwecks Stärkung diplomatischer Beziehungen an sich in Frage gestellt wurde. Als fragwürdig wurden die Verhandlungen vor allem wegen der aus dem Besatzungskontext resultierenden Ungleichheit der Verhandlungspositionen angesehen, in der ein Nachgeben wie Kollaboration mit dem NS-Staat wirken musste. Die Versuche, die Verhandlungen durch Verzögerungen oder die Formulierung französischer Gegenforderungen zum Scheitern zu bringen, deuteten Valland, Mazauric, Bazin und Huyghe daher durch den Verweis auf Résistance-­­Taktiken des Hinhaltens und der Sabotage um zu einem Akt von Widerstand. Dominant ist dabei das Motiv des Verzögerns von Einzelverhandlungen. Vor allem ­Jaujard exponierte sich im Verlauf der Verhandlungen, indem er den deutschen Forderungen französische Forderungen entgegensetzte, wohl wissend, dass diese von deutscher Seite als inakzeptabel zurückgewiesen würden.71 Da er sich mit ­diesem Agieren auch innerhalb der französischen Beaux-­­Arts-­­Verwaltung über Hierarchien hinwegsetzte und in Konflikt mit dem Erziehungsminister Abel Bonnard trat, machen die Nacherzählungen um die Tauschverhandlungen zugleich eine innerfranzösische Frontlinie ­zwischen Museumsleuten und führenden Funktionären der Vichy-­­Regierung sichtbar, die ihrerseits als Antagonismus ­zwischen dem Widerstand der Museen gegen die Kollaboration der hohen Vichy-­ Funktionäre gedeutet wird.72 70 Zu den Tauschverhandlungen mit Spanien siehe Gruat und Martínez 2011 und Karlsgodt 2011, S. 242 – 244. Zur Darstellung in den Memoiren vgl. Bazin 1992, S. 103 – 106, und Huyghe 1994, S. 126 – 128. 71 Vgl. dazu z. B. Valland 2014, S. 147 – 151, hier bezogen auf die Tauschverhandlungen mit Ribbentrop um Bouchers „Diane au bain“. Vgl. dazu auch Mazauric 1978, S. 175 – 176, Huyghe 1994, S. 131, und Bazin 1992, S. 100 – 103, die das Spiel der Forderungen und Gegenforderungen jeweils auf die Verhandlung um das Basler Antependium beziehen. 72 Konkret äußerte sich der Antagonismus etwa im Kontext der Verhandlungen um das Basler Antependium und Görings Vorschlag, ­dieses von zwei französischen Kuratoren nach Carinhall eskortieren zu lassen. Um dies zu verhindern, berief Jaujard eigenmächtig das Comité des Conservateurs ein,

Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs  I  337

Überlagert werden diese Darstellungen erzählerisch mitunter vom Stereotyp der chole­ rischen, barbarischen und kulturell wenig bewanderten deutschen Besatzer, die von den kulturell überlegenen und raffiniert auf Zeit spielenden widerständigen Franzosen ausgetrickst werden. Der passive und indirekte Widerstand wird somit überdies als Widerstand der französischen Kultur gegen die Barbarei konstruiert. Bezeichnenderweise funktioniert die Gegenüberstellung von Kultur und Barbarei jedoch nicht anhand rein nationaler Kategorisierungen. Tatsächlich basiert das Deutschenbild in den französischen Memoiren nicht ausschließlich auf dem Stereotyp der preußischen Barbaren, sondern weist durchaus Differenzierungen auf. Mitglieder des deutschen Kunstschutzes werden quellenübergreifend in einem positiven Licht betrachtet, und vor allem Franz Graf Wolff-­­Metternich wird mitunter sogar zu einem Verbündeten der Franzosen stilisiert.73 Die Verbundenheit der französischen Kuratoren mit Wolff-­­Metternich konstruiert sich dabei zum einen über dessen mutmaßliche Opposition zum Nationalsozialismus 74, zum anderen über die kunsthistorische Expertise, die ihn und die französischen Museumskuratoren nationenübergreifend zu Kollegen macht. Die Gegenüberstellung von Kultur und Barbarei folgt daher nicht den nationalen Frontlinien, sondern konstituiert sich über das jeweilige Verhältnis zur französischen Kultur: Wolff-­­Metternich und der Kunstschutz grenzen sich über ihren Einsatz für das französische patrimoine von beschlagnahmenden und Objekte fordernden NS-Funktionären wie Göring das gegen Abel Bonnards Widerstand durchsetzte, direkte Verhandlungen mit Hermann Bunjes von der Kunsthistorischen Forschungsstätte zu suchen, um den Deutschen den Abtransport des Antependiums auszureden. Im Gespräch mit Bunjes sollen Jaujard und Huyghe mit einem kollektiven Rücktritt aller Museumskuratoren gedroht haben, um öffentlich zu machen, dass das Tauschgeschäft unter Druck und ohne die Zustimmung der französischen Museen zustande gekommen sei. Vgl. Mazauric 1978, S. 177, und Huyghe 1994, S. 130 – 133. 73 Bazin etwa gibt in seinen Memoiren an, sofort beruhigt gewesen zu sein, als er von der Nominierung Wolff-­­Metternichs für die Spitze des Kunstschutzes erfuhr, da er diesen bereits 1936 in Köln auf einer wissenschaftlichen Tagung zur Gotik getroffen habe und dessen Frankreich-­­Verbundenheit und anti-­­nationalsozialistische Einstellung kannte. Wenngleich mit der Arbeit des Kunstschutzes eine deutsche Kontrolle der französischen Sammlungen verbunden sei, so hätten die französischen Kuratoren durch die Arbeit des Kunstschutzes doch auch „un sentiment de protection“ verspürt. Vgl. Bazin 1992, S. 41 – 43. Mazauric wiederum schwärmt regelrecht davon, dass Wolff-­­Metternich bei seiner Inspektion in Montauban in Zivil erschienen sei und beim Rundgang durch die Bestände des Depots ein angeregtes Fachgespräch über französische Kunst angestoßen habe; allein die Umstände des Kriegs hätten es untersagt, Wolff-­­Metternich anschließend nach Hause zu einem Tee einzuladen. Mazauric 1978, S. 126. 74 Dass Wolff-­­Metternich aufgrund seiner Stellungnahmen gegen den NS-Kunstraub auf das Betreiben Görings hin abgesetzt wurde, wird memoirenübergreifend betont; Lucie Mazauric behauptet sogar, Metternich sei nach seiner Absetzung an die Ostfront strafversetzt worden. Vgl. Mazauric 1978, S. 125 – 126. Germain Bazin widerspricht ihrer Behauptung und stellt richtig, dass Wolff-­­Metternich lediglich zurück auf seinen Posten als Landeskonservator für die Denkmalpflege im Rheinland geschickt worden sei. Bazin 1992, S. 44.

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oder Ribbentrop ab und nähern sich sowohl über diesen Einsatz wie auch über die ihnen unterstellte Distanz zum NS-Regime der Widerstandshaltung der französischen Museen an. Abel Bonnard hingegen, der sich den NS-Funktionären andient und zum Ausverkauf des französischen patrimoine bereit scheint, ist nicht nur Kollaborateur, sondern rückt sich damit gleichzeitig in die Nähe der Barbarei der raubenden Nationalsozialisten. Die Interpretation der französischen Positionierungen in den Tauschverhandlungen als Akt des passiven Widerstands funktioniert somit im Kern über das Gegensatzpaar z­ wischen französischer Kultur und teutonischer Barbarei; methodisch umgesetzt wird der Widerstand mit den Mitteln der Sabotage. Neben den Tauschverhandlungen suggerieren auch der Schutz jüdischer Privatsammlungen durch die französischen Nationalmuseen und deren in diesen Zusammenhängen gebrauchtes Vorkaufsrecht vordergründig eine Widerstandshaltung gegenüber den national­sozialistischen Forderungen. Ein „droit de préemption“ oder Vorkaufsrecht auf öffentliche Kunstverkäufe besaßen die französischen Museen bereits seit den 1920er Jahren, um eine mögliche Abwanderung national relevanter Kunstwerke ins Ausland zu verhindern. Infolge der antisemitischen Gesetzgebung der Vichy-­­Regierung, die einen Übergang des Vermögens emigrierter Juden an den Staat vorsah und Kunstsammlungen aus jüdischem Eigentum zugunsten der Staatskasse über die Administration des Domaines verkaufen ließ, erstreckte sich das Vorkaufsrecht der Museen nunmehr auch auf diese Kunstsammlungen. Ab April 1941 gehörte Jaujard als Kunstsachverständiger dem Comité supérieur de sequestres et liquidations an, das für die Schätzung und Liquidation des jüdischen Vermögens zuständig war.75 In „Le Front de l’Art“ stellte Rose Valland die Zusammenarbeit Jaujards mit der Adminis­ tration des Domaines als Mittel dar, die zum Verkauf kommenden Kunstsammlungen vor einem möglichen deutschen Zugriff zu schützen, indem man sie für die Dauer der Besatzung mittels des Vorkaufsrechts in den Bestand der öffentlichen Museen integrierte. Allerdings habe sich d ­ ieses Manöver letztlich als wenig effizient herausgestellt, da die Deutschen die wichtigsten Kunstsammlungen direkt beschlagnahmten und das „Comité supérieur des séquestrations et liquidations“ nur für zweitrangige Sammlungen zum Zug kommen ließen. Bei der Sammlung David-­­Weill etwa ­seien sämtliche Versuche, ein Vorkaufsrecht der französischen Museen durchzusetzen, von vorneherein gescheitert. Immerhin habe die scheinbare Ausübung des Vorkaufsrechts aber in der unbesetzten Zone Frankreichs dazu beitragen können, die Privatsammlungen der Brüder Maurice und Robert de Rothschild vorübergehend im Auslagerungsdepot von Montauban zu sichern.76 Auf das Beispiel dieser beiden Sammlungen verweisen auch Lucie Mazauric und René Huyghe. Mazauric berichtet in ­diesem Zusammenhang von einer

75 Karlsgodt 2011, S. 212 – 213. 76 Valland 2014, S. 131 – 134.

Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs  I  339

acquisition simulée, antidatée, de ces chefs-­­d’œuvre, afin qu’ils soient rapidement intégrés aux collections des Musées Nationaux, qu’ils figurent régulièrement sur les inventaires, et que les Allemands ne puissent pas les revendiquer comme des œuvres d’art appartenant à des juifs. Dès que la guerre serait finie, ils seraient rendus à leurs propriétaires – et c’est bien ce qui se passa – mais c’était le seul moyen de les garder en France pendant cette période critique.77

René Huyghe bestätigt diese Darstellung und rückt zugleich seinen persönlichen Anteil an der Entscheidung für den scheinbaren Erwerb durch die französischen Nationalmuseen in den Vordergrund. Seiner Erzählung nach wurde er vom Commissariat Général aux ­Questions Juives in Paris aufgefordert, die Sammlungen nach Paris zurückzubringen, von wo aus sie zweifellos unverzüglich ins Deutsche Reich verschwunden wären; Huyghe verweigerte sich jedoch d ­ iesem Befehl und brachte gemeinsam mit Jaujard den Vorschlag vor, „de les séquestrer et de les déclarer propriétés du Louvre, ce qui fut aussitôt fait. Nous pûmes alors opposer avec plus d’assurance aux revendications venant du pouvoir de ces biens, désormais propriété nationale, devaient être l’objet des mêmes soins.“ 78 Huyghes Version hebt also zusätzlich hervor, dass der scheinbare Erwerb der Sammlungen nicht nur in Opposition zu deutschen Forderungen stattfand, sondern auch einen Akt des Widerstands gegen die Befehle des Vichy-­­Regimes darstellte. Abschließend rundet er die Episode mit dem Hinweis darauf ab, dass die Sammlungen nach dem Kriegsende unverzüglich an ihre Eigentümer zurückgegeben wurden und Robert de Rothschild dem Louvre aus Dankbarkeit einen Gainsborough aus seiner geretteten Sammlung zum Geschenk machte.79 Diese Interpretation des Vorkaufsrechts als Widerstandsakt und Schutzmaßnahme für die jüdischen Privatsammlungen muss jedoch in erster Linie als Konstrukt der Nachkriegszeit gewertet werden. Die amerikanische Historikerin Elizabeth Karlsgodt hat herausgearbeitet, dass die unmittelbar zeitgenössischen Korrespondenzen zu den „séquestrations“ und Erwerbungen des Louvre mittels des „droit de préemptions“ diese Vorgänge in ein deutlich ambivalenteres Licht rücken. Demnach belegt ein Brief von René Huyghe an Jaujard von 1941, dass Huyghe die Erwerbung der Rothschild-­­Sammlungen mittels des Vorkaufsrechts als Möglichkeit gesehen habe, qualitativ hochwertige Stücke zu erwerben, die auf dem freien Markt für das Museum unerschwinglich geworden waren. Dabei ermögliche die Zusammensetzung der Rothschild-­­Sammlungen gleichzeitig das Füllen von Lücken in den Sammlungsschwerpunkten der Gemäldeabteilung. Der Grundton des Briefs, so Karlsgodt, entspreche nicht dem eines als Interimslösung und Schutzmaßnahme gedachten Scheinerwerbs; vielmehr habe die Frage einer künftigen Verteilung der Sammlung auf die verschiedenen Museumsabteilungen sogar für Konflikte z­ wischen einzelnen Kuratoren gesorgt.80 77 78 79 80

Mazauric 1978, S. 135 – 136. Huyghe 1994, S. 121 – 122. Ebd., S. 122. Karlsgodt 2011, S. 214 – 217.

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Auch in den Ego-­­Dokumenten Rose Vallands finden sich Hinweise darauf, dass die Emigration jüdischer Sammler und die Beschlagnahme ihrer Kunstsammlungen für die französischen Museen gewisse Potenziale eröffnen konnten. In ihren an Jaujard adressierten Kurznotizen, in denen sie die Vorgänge im Jeu de Paume festhielt und nach Möglichkeit die beschlagnahmten Sammlungen samt Eigentümern und einzelnen Objekten auflistete, wies Valland am 16. September 1941 darauf hin, dass die Kunst der Moderne im Jeu de Paume separiert von den restlichen Beständen aufbewahrt werde, da die Nationalsozialisten sie als verfemt betrachteten: Il y a actuellement au musée une salle où sont exposées les œuvres d’art abstrait ou indépendant (tableaux de Picasso, Matisse, Léger, Klee etc.). Ces peintures appartenant à une formule d’art condamnée par le 3e Reich, ne pourrait-­­on pas en profiter pour essayer de les garder?81

Vallands vorsichtig formulierter Vorschlag, darauf hinzuwirken, dass diese verfemte Kunst den französischen Museen überlassen werde, ist sicherlich auch im Kontext der Tauschgeschäfte des ERR mit Kunsthändlern wie Gustav Rochlitz zu verstehen, die bereits im März 1941 begonnen hatten und die Valland später auch in ihren Notizen an Jaujard erwähnte.82 Zweifellos missfiel ihr dieser Ausverkauf von qualitativ erstrangigen modernen Kunstwerken, die über ihre Übergabe an deutsche Kunsthändler Gefahr liefen, nicht nur Frankreich zu verlassen, sondern generell aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Daher behielt Valland sie aufmerksam im Blick und übergab Jaujard im März 1942 eine nach Sammlernamen gegliederte Liste der Objekte, die sich nach aktuellem Stand in dem Raum befanden (Abb. 11). Auch in der Einleitung zu dieser Liste wies Valland auf die nationalsozialistischen Werturteile gegenüber der Moderne hin und äußerte ihre Hoffnung, diese Kunstwerke in Frankreich zu halten. Allerdings sah sie diese bereits schwinden, da sich die Tauschgeschäfte mit Kunsthändlern inzwischen fest als Verwertungsform für die Kunst der Moderne etabliert hatten: Œuvres d’art moderne indépendant qui sont encore au musée du Jeu de Paume et qui paraissent constituer une catégorie à part parce qu’elles ne sont pas conformes à l’esthétique du 3e Reich. On pouvait espérer en les voyant rester au musée qu’à la suite de négociations, elles reviendraient peut-­­être à la France, mais elles paraissent maintenant plutôt devoir servir de monnaies d’échanges comme on peut le voir à la page 15 de cette liste […].83 81 Polack und Dagen 2011, Notiz vom 16. September 1941, „hors rapports reliés“, S. 49. 82 Plaut, James S.: Consolidated Interrogation Report No 1: Activity of the Einsatzstab Rosenberg in France, August 15, 1945, NARA, RG 239, M1792, Roll 10, S. 25 – 41 des Reports. 83 Polack und Dagen 2011, Notiz vom 10. März 1942, Folio N° 16, S. 51. Auf den Seiten 52 – 55 folgt die detaillierte Liste der Sammler, deren Eigentum von den Tauschgeschäften betroffen war, zum Teil werden die Titel und Maler einzelner Gemälde genannt.

Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs  I  341

Im August desselben Jahres beobachtete Rose Valland, dass die Zusammensetzung der im Jeu de Paume befindlichen modernen Kunstwerke – die durch die Tauschgeschäfte ohnehin Fluktuationen unterlag – von den ERR-Mitgliedern erneut modifiziert wurde: „Un certain nombre de tableaux cubistes: Léger, Picasso, Klee ont été transportés au Louvre et remplacés par d’autres peintures ramenés de ce séquestre.“ 84 Mit dem Verweis auf den Louvre ist in d ­ iesem Zusammenhang ein Lagerraum im Gebäude des Louvre gemeint, den der ERR für seine Zwecke nutzte. Der Austausch von im Louvre befindlichen Gemälden und solchen, die sich im Jeu de Paume befanden, scheint – nach Vallands Beobachtung – auf der Basis der künstlerischen Stilrichtungen der fraglichen Kunstwerke stattgefunden zu haben: Offenbar wurden abstrakte Kunstwerke aus dem Jeu de Paume entfernt und gegen figürlichere impressionistische Werke ausgetauscht, weil die figürliche moderne Malerei über die Tauschgeschäfte noch wirtschaftliche Gewinne einbringen konnte, während die abstrakte Kunst aus Sicht des ERR nicht einmal einen solchen wirtschaftlichen Wert besaß. Tatsächlich äußerte Valland im Oktober 1942 den Eindruck: „Je crois de plus en plus que l’on est embarrassé des tableaux d’art abstrait ou indépendant et qu’on ne demanderait pas mieux de nous les laisser.“ 85 Vallands Hoffnungen, dass die französischen Museen in Verhandlungen treten und die vom ERR als „entartet“ eingestufte moderne Kunst vor ihrer Verwertung schützen und für Frankreich erhalten könnten, sollten sich nicht erfüllen. Am 23. Juli 1943 berichtete sie Jaujard stattdessen, dass die vom ERR als unverkäuflich eingestuften modernen Kunstwerke auf der Terrasse des Jeu de Paume verbrannt worden ­seien. Der Hinweis auf diese Verbrennung findet sich auch in „Le Front de l’Art“ wieder.86 Allerdings sind in ihren Memoiren, also ihrem späteren offiziellen Diskurs über die Beschlagnahmen und die französische Positionierung gegenüber diesen Vorgängen, jegliche Hinweise auf eine mögliche Überführung der modernen Kunstwerke aus den Privatsammlungen in die französischen Museen verschwunden. Auch hier eröffnet sich also in der Gegenüberstellung von zeitgenössischen Dokumenten und Nachkriegs-­­Erzählung eine Diskrepanz, die zeigt, dass das museale und nationale Interesse der Jahre 1940 – 1944, die Abwanderung von Kulturgütern ins Ausland zu verhindern, durchaus mit Interessen an einer möglichen Sammlungsvergrößerung und Bereicherung verbunden war. Erst in der Nachkriegszeit prägte sich unter dem Einfluss der récupération artistique und der Restitutionen eine offizielle Version der „séquestres“ und Louvre-­­Erwerbungen heraus, nach der diese von Anfang an nur vorgeblich gewesen wären und die Restitution an die legitimen Eigentümer stets im Vordergrund der musealen Interessen gestanden hätte. 84 Ebd., Notiz vom 18. August 1942, Folio N° 45, S. 58 – 59. 85 Ebd., Notiz vom 6. Oktober 1942, Folio N° 51, S. 60. 86 Ebd., Notiz vom 23. Juli 1943, Folio N° 85, S. 71. In „Le Front de l’Art“ nennt Valland ein abweichendes Datum für die Verbrennung, nämlich den 27. Mai 1943; Valland 2014, S. 187. Dieses Erratum in der Erstausgabe wurde später mit Hilfe eines Einlegeblatts auf den 27. Juli 1943 korrigiert.

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Nicht nur in Rose Vallands Fall zeigt die Konfrontation der Memoirenpublikation mit den zeitgenössischen Quellen, dass die konstruierte Gegenüberstellung von Kollaboration und Widerstand dazu führt, dass die ambivalenten Grauzonen ­zwischen diesen Extrempolen weitgehend verdrängt werden. In Huyghes Memoiren ist diese Leerstelle im Falle der Schloss-­­Affäre am signifikantesten – während die französischen Akten zu der Angelegenheit seine Involvierung in Verhandlungen mit den Erben Schloss und genuine Ankaufsinteressen der Nationalmuseen dokumentieren, schweigt er sich im relevanten Kapitel seiner Memoiren über die Affäre aus, obwohl der Anhang gleichzeitig die Schloss-­­Sammlung unter den Neuerwerbungen aufführt, die er in den 1940ern für den Louvre getätigt hatte.87 Mazauric wiederum weicht den Ambivalenzen des Besatzungsalltags aus, indem sie die Zeit von Krieg und Besatzung als totale Unterbrechung des regulären Museumsbetriebs wie auch des alltäglichen Lebens beschreibt und die Depots in Chambord, Montauban und Latreyne als Filterblasen darstellt, in denen es lediglich die Versenkung in die Kunst als Bewältigungsstrategie im Krieg, kleinere passive Widerstandshandlungen sowie das zunehmende Engagement Chamsons im Maquis gegeben habe. Einzig in Bazins Memoiren wird neben den Episoden zu Kriegsauslagerungen, Begegnungen mit dem Kunstschutz, nationalsozialistischen Forderungen von Objekten und Bemühungen, diese zu vereiteln, auch die Anpassung der laufenden Museumsgeschäfte an die Bedingungen der deutschen Besatzung sichtbar. Zwischen den Zeilen scheinen dabei stellenweise die Ambivalenzen durch, die sich aus dieser Anpassung an die Besatzungsbedingungen in Bezug auf Erwerbungspraktiken, aber auch den Gutachtertätigkeiten einzelner Museumsleute ergaben. Aus Bazins Beschreibungen leitet sich zunächst die Feststellung her, dass trotz der Auslagerung einige Teilbereiche der Museumsarbeit fortgesetzt wurden. So zogen die Restaurierungswerkstätten der Gemäldeabteilung zum Beispiel kurzerhand mit nach Sourches und Montauban um und setzten dort ihre Tätigkeiten fort.88 Zudem stellte die Zentrale der Musées Nationaux im Louvre ihre Arbeit nicht völlig ein, weshalb Bazin trotz seiner Verantwortung für das Depot Sourches regelmäßig nach Paris pendelte, um dort weiterhin 87 Huyghe 1994, S. 237 – 238. 88 Bazin kommentiert in ­diesem Zusammenhang beiläufig, dass die Restauratoren mit einer spezifisch französischen Technik den Firnis von Gemälden bearbeiteten und dass diese Methodik später in der UNESCO gegenüber anglo-­­amerikanischen Methoden verteidigt werden musste. Bazin 1992, S. 30. Derartige Seitenhiebe auf die Existenz verschiedener nationalspezifischer konservatorischer Praktiken finden sich auch in anderen Passagen seiner Memoiren, etwa in der Beschreibung von James Rorimers Eintreffen in Sourches, bei der Rorimer – aus Bazins Sicht zu Unrecht – die zeitweilige Lagerung einiger Gemälde im Keller kritisierte. Durchgehend ist dabei eine Tendenz Bazins zu erkennen, die französischen Methoden der Konservierung und der Museologie zu verteidigen, wenn nicht als überlegen anzupreisen. Möglicherweise sind diese Verweise als Reaktionen auf Nachkriegsdebatten um museologische und restauratorische Praktiken zu lesen; in jedem Fall aber zeigen sie eine deutliche Tendenz zu nationaler Abgrenzung, die über die Kunstgeschichte kommuniziert wird.

Résistance-Mythos und Restitutionsdiskurs  I  343

an der Ecole du Louvre zu lehren.89 Die französische Niederlage im Juni 1940 bedeutete somit keinen unmittelbaren Einschnitt für die an den Louvre angeschlossene Hochschule. Auch der Louvre behielt, obwohl seine Bestände ausgelagert waren, einen reduzierten Betrieb bei: Auf deutschen Druck hin wurden einige Flügel des Museums 1941 wieder eröffnet und mit Gipsabgüssen aus der Skulpturenabteilung bestückt. Außerdem versuchten die Kuratoren, trotz ihrer Zuständigkeiten für die Auslagerungsdepots so regelmäßig wie möglich zu Mitarbeiterzusammenkünften nach Paris zu kommen.90 Die Gemäldeabteilung begann in dieser Zeit überdies unter Bazins Anleitung mit einem Projekt zur Inventarisierung und Überprüfung des Bestands an Bilderrahmen, ordnete einigen Gemälden neue, besser mit den jeweiligen Bildmotiven harmonierende Rahmen zu oder nahm den Ankauf neuer Rahmen vor. Wie Bazin eher beiläufig in seinen Memoiren erwähnt, stand er dabei auf dem prosperierenden Kunstmarkt häufig in Konkurrenz zu deutschen Ankäufern. Bezeichnenderweise führt Bazin den Aufschwung des Kunstmarkts und die Präsenz deutscher Akteure lediglich auf das Interesse deutscher Museen am Ankauf von Objekten in Vorbereitung des Wiederaufbaus ihrer kriegszerstörten Sammlungen zurück, ohne dabei weiter zu reflektieren, dass der für die deutsche Seite sehr günstige Wechselkurs, aber auch das hohe Angebot an Gemälden aus aufgelösten jüdischen Galerien und Sammlungen den französischen Kunstmarkt stimulierten.91 Auch in anderen Passagen zu Bazins Tätigkeiten in Paris scheinen indirekt die Anpassungsstrategien des Museumsbereichs an die politischen Rahmenbedingungen des Vichy-­­Regimes und der Besatzung durch, ohne dass deren Implikationen je explizit anerkannt und ausgesprochen werden. Bazin spricht beispielsweise durchaus an, dass er von Jaujard mehrfach als Gutachter für Erwerbungen bestellt wurde, nimmt die Passage über seine Gutachtertätigkeit dann jedoch zum Anlass, um mehrere Anekdoten über die Vielzahl an auf dem Kunstmarkt kursierenden Fälschungen zu erzählen: Parfois Jaujard me faisait parvenir des propositions de Vichy, pour acheter des tableaux appartenant évidemment à quelque persona non grata du régime. Le plus souvent ils n’étaient même pas dignes d’examen, tant ils étaient médiocres. On n’insistait pas. J’ai dû, tout de même, me déplacer un jour pour voir des croûtes que le Maréchal recommandait lui-­­même. Il a existé entre les deux guerres un trafic de fausses fresques romanes, exécutées fort habilement. Le faussaire achetait une chapelle en ruine, sur les murs de laquelle il faisait peindre à fresques des images de style roman. C’était la brusque vogue des fresques des églises des Pyrénées, de Catalogne, transportées au musée de Barcelone, et dont certaines avaient été exposées à l’Orangerie à Paris. Cela avait donné à ce faussaire l’idée d’en fabriquer. Vichy m’en envoya des photos de certains spécimens de cet ouvrage. Ainsi le fameux Simon Trichard continuait son trafic pendant la guerre ! Les fresques dont je ne voulus pas furent longtemps exposées au musée de Boston ou dans un musée suisse, jusqu’à ce que j’en aie révélé l’origine. 89 Bazin 1992, S. 48. 90 Granger und Le Masne de Chermont 2009, S. 12. 91 Bazin 1992, S. 48 – 49. Zum Kunstmarkt im okkupierten Paris vgl. Rosebrock 2011, S. 114 – 118.

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Je fus importuné une autre fois, tant par Vichy que par le Conseil des musées et autres institutions. Passait en vente publique une Montagne Sainte-­­Victoire de Cézanne, je montrais que c’était un centon composé de fragments empruntés et d’autres tableaux authentiques composé de fragments d’Aix. On ne me crut pas. Pensez donc ! manquer une occasion pareille ! Nous n’avions pas de Montagne-­­Sainte-­­Victoire (je pensais à celle dont je savais bien qu’elle entrerait un jour). Le musée de Munich acheta le tableau un certain prix. On crut John Rewald quand il fit la même démonstration que moi, après la guerre. Mais le tableau est tout de même au Louvre ! En effet, quand il revint après la guerre parmi les tableaux récupérées sur les Allemands je le comptai parmi les faux disponibles que j’attribuais au Louvre, ne voulant laisser passer dans le commerce aucun forgery [sic].92

Auffallend sind an der Passage die Ambivalenzen des ersten Satzes: Offenbar kamen aus Vichy Ankaufsvorschläge zu Kunstwerken, die ursprünglich Personen gehörten, die dem Regime aus nicht näher bestimmten Gründen unliebsam waren. Die Formulierung deutet viel an, lässt jedoch das Wesentliche offen: Die Auftraggeber der Ankaufsvorschläge bleiben hinter dem allgemeinen Platzhalter „Vichy“ versteckt, ebenso bleiben die Opfer des Regimes, ­seien es politische Gegner oder jüdische Kunstsammler, hinter der Bezeichnung „persona non grata“ verborgen. Unklar ist auch, für wen die Erwerbungen erfolgen sollten; die Vorschläge könnten für einzelne Minister der Vichy-­­Regierung gemacht worden sein, wie es in der darauffolgenden Anekdote tatsächlich auch der Fall ist; genauso könnte sie aber für die Nationalmuseen gedacht gewesen sein. In jedem Fall zieht sich Bazin aus der Affäre, indem er – aus der Perspektive des qualifizierten Kunsthistorikers heraus – die entsprechenden Objekte ohnehin als wertlos und die Angelegenheit somit als irrelevant abqualifiziert. Seine Distanzierung von der Erwerbungspraxis besagter nicht näher benannter Vichy-­­Institutionen, aber auch der deutscher Museen, funktioniert über die kunsthistorische Expertise zu Objekten; Bazin erkennt die Fälschungen als ­solche, seine Gegenüber hingegen fallen auf sie herein. Das Fallbeispiel zur gefälschten „Sainte Victoire“ von Cézanne am Ende der Passage beleuchtet dabei kurz die Praktiken der récupération artistique und die Kriterien der Commission de Choix bei der Konstitution der MNR: Obwohl der Cézanne eine Fälschung war, wurde er aufgrund seiner französischen Provenienz von der Mission am CCP München beansprucht und nach Paris zurückgeschickt. Dort wiederum schlug Bazin als Mitglied der Commission de Choix ihn dem Louvre zu, um ihn dem Kunstmarkt zu entziehen. Wichtiger als Bazins Exkurse zum Umgang mit Fälschungen, die als Zurschaustellen seines Expertentums und gleichzeitige Distanzierung zum Vichy-­­Regime fungieren, ist letztlich das, was unausgesprochen bleibt: In der Tat fuhren die Musées Nationaux auch in den Jahren 1940 – 1944 damit fort, neue Objekte für ihre Sammlungen zu erwerben. E ­ lizabeth Karlsgodt zufolge wurde das Ankaufsbudget des Louvre in dieser Zeit sogar mehrfach kräftig erhöht, mit der Intention, gegen die deutsche Konkurrenz auf dem boomenden 92 Bazin 1992, S. 60.

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Pariser Kunstmarkt anzukommen und Bestände aus beschlagnahmten Sammlungen in Frankreich und für das französische patrimoine zu erhalten.93 Bazins Anspielungen auf seine Gutachtertätigkeit deuten insofern die Anpassung des Museumsbetriebs an die neuen Bedingungen von Politik und Kunstmarkt an, ohne die Konsequenzen derselben einzugestehen. Nach demselben Prinzip funktioniert auch sein Bericht über die Beschlagnahme und Aufteilung der Sammlung Schloss: Unter der Kapitelüberschrift „ephémerides de la collaboration“ gesteht Bazin zwar grundsätzlich ein, dass Huyghe und er als Gutachter der Musées Nationaux einbestellt worden waren, um die Sammlung in Augenschein zu nehmen und das Vorkaufsrecht des Louvre auszuüben. Dass d ­ ieses Vorkaufsrecht nicht unbedingt von vorneherein mit der Absicht verbunden war, die so gesicherten Gemälde anschließend an die Erben Schloss zurückzugeben, wird jedoch verschwiegen.94 Tatsächlich werden Neuerwerbungen für die Museumsbestände bei Bazin nur in einem Fall ausführlich und explizit wiedergegeben, nämlich dem heimlichen Ankauf eines Por­traits des Chancelier Séguier von Charles Le Brun im Jahre 1942. Das Gemälde hatte bereits 1937, als es auf der Pariser Weltausstellung gezeigt wurde, Ankaufsinteressen seitens des Berliner K ­ aiser-­­Friedrich-­­Museums geweckt, sodass die privaten Eigentümer befürchteten, dass deutsche Museen erneut Ansprüche geltend machen würden, sollte der geplante Verkauf des Gemäldes bekannt werden. Die Erwerbung des Gemäldes durch den Louvre wurde daher in aller Stille über René Huyghe in die Wege geleitet und mit der Unterstützung der Société des Amis du Louvre finanziert. Da Transporte von Kulturgütern in der Regel der Genehmigungspflicht des Kunstschutzes unterlagen und die Museumsleute fürchteten, dass der Verkauf an den Louvre von deutscher Seite angefochten würde, sobald der Kunstschutz davon erfuhr, wurde der Transport des Gemäldes vom Wohnort der bisherigen Eigentümer nach Sourches geheim gehalten.95 Interessant an Bazins Wiedergabe der Episode in seinen Memoiren ist nicht allein die Klandestinität der Transaktion, sondern auch die Bedeutung, die er dem Bildmotiv insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Besatzung und der deutschen Ansprüche zuschrieb. Das Bild zeigt den Kanzler Charles Séguier, einen französischen Politiker, der im 17. Jahrhundert unter Louis XIII., der Regentschaft Annas von Österreich und zu Beginn der Regierungszeit von Louis XIV. als Minister tätig gewesen war. Mit der Datierung auf das Jahr 1660 repräsentiere das Portrait laut Bazin den Aufstieg des französischen Absolutismus und den Beitrag, den „honnête hommes“ wie Séguier für das „édifice de la France à Versailles“ leisteten.96 Da das Gemälde also tief in der französischen Geschichte verwurzelt sei, sei es nur angemessen, dass es nicht nach Berlin gelange, sondern vielmehr im „ancien palais des rois de​France“ 97, dem Louvre, einen seiner Historie und Symbolik viel 93 Karlsgodt 2011, S. 47 – 51. 94 Bazin 1992, S. 94 – 98, und Karlsgodt 2011, S. 218 – 228. 95 Bazin 1992, S. 37 – 41. Vgl. auch Sérullaz 1997, S. 19 – 20. 96 Bazin 1992, S. 40. 97 Ebd.

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angemesseneren Platz finden solle. Der französische Anspruch auf das Bild, der sich gegen eventuelle deutsche Forderungen durchsetzen musste, wurde somit durch eine nationalistische Lesart der kunsthistorischen Bedeutung des Bildes legitimiert. Der Verweis des Bildmotivs auf die Glanzzeiten der französischen Geschichte lässt sich gleichzeitig im Sinne einer Idee von Kunst als Bewältigungsstrategie im Krieg lesen, wie sie auch bei Mazauric auftaucht; umso mehr, als Bazin den Abschnitt zum Erwerb des Bildes mit der Bemerkung schließt: „Ce tableau devint notre fétiche. C’était notre première joie, et nous le tirions parfois de son casier pour le contempler.“ 98 Nicht zuletzt wird durch die Betonung des Umstands, dass die gesamte Transaktion vor den deutschen Behörden verborgen gehalten werden konnte, der Erwerb auch in den politischen Rahmen von Krieg und Besatzung eingeordnet und als Akt des Widerstands gedeutet. Insgesamt zeigt sich, dass die Verknüpfung ­zwischen der Bewahrung der französischen Nationalsammlungen und Widerstandshandeln sich teils in direktem Bezug auf die Tätigkeiten der paramilitärisch organisierten Résistance konstruiert. Größtenteils wird das Motiv der „Rettungsmission“ für das französische patrimoine aber a posteriori hergestellt und leitet sich aus dem Umgang mit Objektforderungen des NS-Staats und der Kollaboration der Vichy-­­Regierung her. Die dabei hervorgehobene Dichotomie von Kollaboration und Widerstand, die zugleich als Opposition von Kultur und Barbarei verstanden wird, macht jedoch die Anpassungen des Museumslebens an die Gegebenheiten der Besatzung zu Leerstellen: Die Fortsetzung von Museumserwerbungen, die spezifischen Bedingungen des Pariser Kunstmarkts dieser Zeit oder auch französische Eigeninteressen in der Nutzung des Vorkaufsrechts werden weitgehend ausgeblendet.

7.2.2 Kunstschutz, Nachkriegs-Wiederaufbau und patrimoine artistique Im Folgenden wird näher betrachtet, w ­ elche Art von Kulturgütern in den fraglichen Erzählungen als besonders schützenswert in den Mittelpunkt der französischen „Rettungsmission“ gerückt werden, inwieweit sie als französisches patrimoine wahrgenommen werden und ­welche Funktionen d ­ ieses im Frankreich der unmittelbaren Nachkriegszeit erfüllen sollte. Zuvor erfolgt eine kurze begriffshistorische Einordnung, die umso notwendiger erscheint, als der Begriff des patrimoine seit den 1960er Jahren eine immer größere Verbreitung gefunden hat und so vieldeutig geworden ist, dass französische Kulturwissenschaftler ihn bereits seit den 1990ern als zunehmend unscharf und erklärungsbedürftig empfunden haben.99 98 Ebd., S. 40. 99 Der Kunsthistoriker André Chastel etwa stellt in der Einleitung seines Beitrags zur „Notion de Patrimoine“ in den „Lieux de mémoire“ fest, dass der Begriff eine geradezu globale Dimension

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Die Ursprünge des Begriffs patrimoine liegen im lateinischen „patrimonium“, einer Kategorie im Römischen Recht: „Patrimonium“ bezeichnete hier eine bestimmte Form von Vermögen, das die Vorfahren bewahrten, als unveräußerlich galt und innerhalb der Familie weitervererbt wurde.100 Schon in dieser ursprünglichen Bedeutung bezog sich der Begriff auf materielles Vermögen; da er zugleich ein die Generationen überdauerndes, unveräußer­ liches Erbe bestimmte, haftete ihm die Konnotation eines immateriellen, dauerhaften Wertes an.101 Beide dieser Bedeutungsebenen, sowohl als materielles Vermögen als auch als immaterielles Erbe, spielten eine Rolle im ersten semantischen Wandel, den der Begriff patrimoine im Zuge der Verstaatlichung von kirchlichem und adeligem Besitz während der Französischen Revolution vollzog: Aus dem patrimoine familial wurde über diesen Prozess der Verstaatlichung ein patrimoine national, für dessen Bewahrung und Vererbung an weitere Generationen dementsprechend auch der Staat zuständig wurde.102 Sowohl in seiner ursprünglichen Konnotation als unveräußerliches familiäres Erbe oder Vermögen als auch mit der seit der Wende zum 19. Jahrhundert hinzugekommenen Bedeutung von nationalem Eigentum birgt der Begriff des patrimoine für eine deutschsprachige Analyse ein Übersetzungsproblem. Die Historikerin Astrid Swenson weist darauf hin, dass es für das französische patrimoine und das verwandte englische heritage keine wirkliche deutsche Entsprechung gibt; wesensverwandten Wörtern wie „Kulturerbe“, „Kultur­gut“ oder auch „Denkmal“ oder „Denkmalschutz“ fehle der allumfassende Charakter eines schlagwortartigen Überbegriffs, sodass bei einer Übersetzung ins Deutsche stets eine gewisse Asymmetrie vorliege.103 Swensons Übersetzungsvorschläge, die aus dem Sprachfeld „Kultur­ güter“, „Kulturerbe“ oder Komposita mit dem Wort „Denkmal“ stammen, aber auch ihr erreicht habe, sich im Sprachgebrauch durch Komposita wie patrimoine écologique oder patrimoine génétique für immer mehr Bereiche durchsetze und zugleich immer vager und schwerer zu bestimmen sei. Vgl. Chastel 1984 – 1992, hier S. 405. Chastels Beitrag unternimmt eine Historisierung des Begriffs, um die Ursachen ­dieses Bedeutungszuwachses zu erklären; gleichzeitig macht der Beitrag insofern, als er in Noras Veröffentlichung zu den französischen Erinnerungsorten erscheint, auch auf einer Metaebene deutlich, ­welchen großen Stellenwert der Begriff spätestens seit den 1980ern im kollektiven französischen Gedächtnis erlangt hat. Françoise Choay stellt daher fest, dass der ubiquitäre Begriff des patrimoine zu einem medialen Schlüsselwort geworden sei, das gleichermaßen für Institutionen wie für eine bestimmte Mentalität stünde. Choay 1992, S. 9. 100 Poulot 2006, S. 4. 101 Vgl. dazu Swenson 2007, S. 59 – 60. 102 Chastel 1984 – 1992, S. 410 – 411. 103 Swenson 2013, S. 10 – 11. Swenson weist darüber hinaus darauf hin, dass sämtliche ­Begrifflichkeiten, sei es nun das englische heritage, das französische patrimoine oder mit dem deutschen Wort „Denkmal“ gebildete Komposita (etwa „Denkmalpflege“, „Denkmalschutz“ oder der vom österreichischen Kunsthistoriker Alois Riegl geprägte Begriff des „Denkmalkultus“), seit ihrem Eingang in den Sprachgebrauch an der Wende zum 19. Jahrhundert weiteren semantischen Wandlungsprozessen unterlagen, die als sprachliche Indizien für einen Wandel von Konzepten und sozialen oder kulturellen Praktiken zu werten sind.

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Befund, dass die Begriffe heritage und patrimoine noch im 19. Jahrhundert weitgehend synonym zum anfänglich weiter verbreiteten Begriff monument verwendet wurden, deuten zugleich darauf hin, dass die Entwicklung des Konzepts patrimoine begriffshistorisch zunächst stärker dem Bereich der unbeweglichen Kulturgüter und Baudenkmäler zuzuordnen ist als dem der beweglichen Kulturgüter. Tatsächlich sehen auch die meisten französischen Historiker und Kulturwissenschaftler, die sich mit einer Historisierung des patrimoine-­­Konzepts ­auseinandergesetzt haben, in den Verstaatlichungen von adeligem und kirchlichem Besitz während der Französischen Revolution einen der Ausgangspunkte für die sich im 19. Jahrhundert fortentwickelnde französische Ausprägung der Denkmalpflege. Die verstaatlichten Kulturgüterbestände konnten nicht sich selbst überlassen, sondern mussten verwaltet und erhalten werden, umso mehr, als sowohl kirchlicher als auch adeliger Besitz in den ersten Jahren der Französischen Revolution zum Opfer von Bilderstürmen und Vandalismus geworden war. Einer der ersten Impulse für die Denkmalpflege ging auf das Projekt der „Musées des Monuments français“ unter der Leitung von Alexandre Lenoir zurück, einem aus ehemaligem Adels- und Kirchenbesitz zusammengestellten Museum, dessen romantisch inspirierte Museografie langfristige Auswirkungen auf die Wahrnehmung mittelalterlicher Baudenkmäler im Frankreich des 19. Jahrhunderts zeigen sollte.104 Das Museumsprojekt stellte sich als eher kurzlebig heraus. Die dahinter stehende Idee einer Erfassung, Bewahrung und Klassifizierung von historischem baulichem Erbe, der sich bereits zur Revolutionszeit verschiedene Kommissionen wie die „Commission des Monuments“ gewidmet hatten, inspirierte aber im 19. Jahrhundert weitere Initiativen zur systematischen Erfassung und Klassifizierung des französischen Bestands an historischen Baudenkmälern. 1837 wurde die „Commission des Monuments historiques“ gegründet, die für die französische Regierung einen Katalog der erhaltenswerten Monumente erstellen sollte. Auf ­dieses Klassifizierungsprojekt ist zurückzuführen, dass in Frankreich bis heute von „classement en tant que monument historique“ die Rede ist, wenn einem historischen Bauwerk der Status eines Denkmals verliehen wird – tatsächlich wird das Bauwerk durch das Verfahren in ein Inventar aufgenommen. Die Idee der numerischen Erfassung und Klassifizierung blieb noch weit über das 19. Jahrhundert hinaus prägend: 1964 etablierte der damalige Kulturminister André Malraux einen „Inventaire général“ für das französische patrimoine, der sich allerdings zu dieser Zeit längst nicht mehr nur noch auf Denkmäler im engeren Sinne beschränken sollte, sondern bereits der Bedeutungsverschiebung des Konzepts in der postindustriellen Ära Rechnung trug und eine größere Bandbreite an Objektkategorien zuließ.105 Dass begriffshistorisch gesehen eine enge Verknüpfung z­ wischen monument historique und patrimoine besteht, die einen deutlichen Primat der Denkmalpflege gegenüber etwa der Institution Museum nahezulegen scheint, sollte jedoch nicht zu dem Schluss verleiten, 104 Vgl. Chastel 1984 – 1992, S. 417 – 418. Zum „Musée des Monuments français“ vgl. auch Paas 2003, S. 134. 105 Chastel 1984 – 1992, S. 425 und S. 440 – 441.

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dass Museen als Bewahrer eines nationalen patrimoine eine geringere Rolle spielten. Studien zur Geschichte des Museums als Institution zeigen vielmehr, dass die Französische Revolution, die als Impulsgeber für die französische Denkmalpflege fungierte, gleichzeitig auch einen Schlüsselmoment in der Etablierung des Museums als öffentlich zugänglichem und Gemeingut verwaltendem Ort darstellte. Infolge der Verstaatlichung von adeligem und kirchlichem Besitz wurden auch Kunstwerke erstmals als Teil eines patrimoine national, also als das gemeinschaftliche Erbe einer Gesellschaft, wahrgenommen. Die Idee, d­ ieses Erbe im Louvre öffentlich zugänglich zu machen, ging auf die Revolution zurück und wurde in napoleonischer Zeit von Dominique Vivant ­­Denon weiterentwickelt. Sein universalistischer Anspruch, einen vollständigen Überblick über alle künstlerischen Epochen und Schulen zusammenzustellen – die Kunstbeschlagnahmen während der napoleonischen Feldzüge nutzte er daher für ein systematisches Füllen etwaiger Bestandslücken bei einzelnen Schulen –, realisierte sich im Louvre zwar nur für eine kurze Zeitspanne, ehe der Großteil der beschlagnahmten Objekte an seine Herkunftsorte restituiert wurde. Die Vorstellung eines idealen Museums, in dem Kunstwerke nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet und möglichst vollständige Entwicklungslinien der verschiedenen künstlerischen Schulen und Epochen nachvollziehbar gemacht werden sollten, hatte jedoch nachhaltigen Einfluss auf die Museumskonzeptionen des 19. Jahrhunderts. Nicht nur wurden Kunstwerke bestimmter Epochen, etwa die „primitive“ flämische und deutsche Malerei von Hans Baldung Grien, Hans Memling oder Lucas Cranach, durch ihre Beschlagnahme und Ausstellung in Paris überhaupt erst neu entdeckt und nach ihrer Restitution auch in ihren Herkunftsländern eingehender erforscht. Auch Vivant ­­Denons Museografie, die eine wissen­ schaftlichere vergleichende Bildbetrachtung ermöglichte, hatte nachhaltigen Einfluss auf die Museumsneugründungen des frühen 19. Jahrhunderts, etwa das Alte Museum Berlin oder die Pinakotheken in München. Darüber hinaus kam in ihnen die Entwicklung eines nationalen Selbstverständnisses zum Ausdruck. Museen wurden daher zu Orten, an denen über die Zurschaustellung von Kulturgütern ein nationales Gemeinschaftsgefühl inszeniert und vermittelt wurde.106 Ganz unabhängig davon, ob der Begriff des patrimoine in seiner Bedeutung als nationales Gemeingut nun stärker auf Denkmäler oder Museen bezogen wird, ist das Aufkommen des Begriffs mit seiner Konnotation als schützenswertem kulturellem Gemeingut untrennbar mit dem Vandalismus und den Zerstörungen der Revolutionszeit verbunden. Bénédicte Savoy spricht in ­diesem Zusammenhang von einem regelrechten Trauma des Vandalismus, das zur Erfindung des patrimoine geführt habe: Gerade die Gefährdung und Zerstörung von Kulturgut schärfte also das Bewusstsein für dessen Wert und die Notwendigkeit seines Erhalts.107 Dass kulturelles Erbe vor der Negativfolie der Zerstörung besonders stark ins 106 Vgl. Gaehtgens 2003, S. 184 – 185. 107 Savoy stellt in ­diesem Zusammenhang weiterreichende Überlegungen auf europäischer Ebene an und vergleicht die Impulse, die jeweils in Deutschland und Frankreich zu einer Reflexion

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öffentliche und kollektive Bewusstsein rückte, ist dabei kein Phänomen, das sich allein auf die Revolution und die napoleonischen Kriege beschränkte. Die Aufnahme von Paragrafen zum Kulturgüterschutz in die Haager Landkriegsordnung von 1907 ist sicherlich auch vor dem Hintergrund der Institutionalisierung der Denkmalpflege im 19. Jahrhundert zu verstehen, und im ­Ersten Weltkrieg führten die Zerstörungen der Königlichen Bibliothek in Leuven sowie der Kathedrale von Reims zu Entrüstungsstürmen, massiver antideutscher Propaganda und Forderungen nach Kompensationen in Form von Kulturgütern.108 Letztere weisen zugleich auf ein weiteres Charakteristikum von patrimoine hin. Dass der Verlust von nationalem Kulturgut ausgeglichen werden müsse, indem der Kriegsgegner dafür das eigene zur Verfügung stellt, scheint letztlich zu bedeuten, dass patrimoine zum einen konkret quantifizierbare Werte umfasst und zum anderen aus einem gewissen Inventar besteht, das nach Möglichkeit vollständig bleiben muss, und sei es, indem man Verluste durch gleichwertigen Ersatz ausgleicht. In der Tat zeugt der Umstand, dass die Institutionalisierung der „Commission des Monuments Historiques“ auf Initiativen zur Inventarisierung und Klassifizierung des 19. Jahrhunderts zurückgeht, davon, dass das nationale französische patrimoine bereits zu dieser Zeit als etwas Quantifizierbares wahrgenommen wurde. Schließlich bestand das Fernziel dieser Erfassung darin, möglichst alle französischen Kulturdenkmäler, mit anderen Worten den gesamten kulturellen Reichtum Frankreichs, zu dokumentieren. Überdies geht bereits der Kern des Konzepts in seinem rein eigentumsrechtlichen Ursprung von der Idee der Unveräußerlichkeit aus – die Übertragung des Begriffs auf das nationale bien commun bedingt somit zugleich, dass das öffentliche Gemeingut stets unveräußerlich und für das Gemeinwohl für alle Zeiten zu erhalten sei.109 Beide Vorstellungen, sowohl die Idee eines Inventars der französischen Kulturschätze als auch das Prinzip der Unveräußerlichkeit derselben, bestimmten die Logik der Rückforderungs- und Kompensationsdiskurse des ­Ersten Weltkriegs, wirkten aber auch spezifisch auf die Dynamik von Raub und Erhalt von Kulturgut im Zweiten Weltkrieg ein. Gerade das Vorkaufsrecht der französischen Nationalmuseen, das für die konkurrierenden Ansprüche auf jüdische Privatsammlungen wie die Sammlung Schloss als Argument ins Feld geführt wurde, basierte letztlich auf der Idee, Kunstbestände durch ihre Aufnahme in den Bestand des unveräußerlichen nationalen patrimoine vor einer Abwanderung ins Ausland zu schützen und eine Schmälerung

über Kulturerbe und patrimoine geführt haben. In Frankreich sei das „Trauma des Vandalismus“ gewissermaßen aus einer Selbstverletzung hervorgegangen, da die Bilderstürme und Zerstörungen aus dem revolutionären Impetus heraus sich gegen Kulturgüter im eigenen Land richteten. Für die deutschen Staaten hingegen wurden die napoleonischen Beschlagnahmen, also der durch eine fremde militärische Macht verübte systematische Kulturgutraub, zum traumatischen Erlebnis, das das Bewusstsein für den Wert des eigenen Erbes schärfte. Savoy 2003, S. 142. 108 Kott 2006, S. 41 – 55, und Savoy 2006, S. 210 – 220. 109 Vgl. Chastel 1984 – 1992, S. 411.

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des französischen Kulturreichtums zu verhindern.110 In das Konzept des patrimoine ist insofern eine grundsätzliche Dialektik von Erhalt und Zerstörung, Unveräußerlichkeit und Kompensation eingeschrieben, die auch in die Analyse des französischen Umgangs mit dem nationalsozialistischen Kulturgutraub in Frankreich und den Restitutionen der Nachkriegszeit einbezogen werden muss. Dabei ist die Art, wie die in den 1940er Jahren aktiven französischen Museumsleute den Begriff verstanden und verwendeten, nicht deckungsgleich mit der heutigen Semantik. Dem heutigen Verständnis nach scheint patrimoine zu einem ebenso universalistischen wie schwammigen Schlagwort geworden zu sein, das sich längst nicht mehr nur auf Baudenkmäler oder Kunstwerke im klassischen Sinne, sondern auch auf vormals nicht unbedingt als schützenswert gewürdigte industrielle Bausubstanzen, Ökosysteme oder sogar auf immaterielles Erbe wie soziale Praktiken, regionale Traditionen oder kulinarische Spezialitäten beziehen kann. Parallel zu dieser zunehmenden Ausweitung der möglichen Typologie haben sich auch Begriffe wie „conscience patrimoniale“ herausgebildet, die das Phänomen der Bewusstseinsschärfung für das patrimoine zu umschreiben suchen. Dass bei dieser Entwicklung und der Prägung des Konzepts der Erinnerungsorte durch Pierre Nora eine gewisse zeitliche Parallelität besteht, ist sicher kein Zufall; vielmehr ist eine wechselseitige Bedingtheit beider Konzepte anzunehmen, und ebenso wie das Konzept der Erinnerungsorte ist auch der patrimoine-­Begriff nach seinem heutigen Verständnis eng mit Fragen von (nationaler) Erinnerung und Identität verknüpft. Als Entstehungsmoment für diese neue Bedeutung werden in der Regel die 1960er Jahre betrachtet, insbesondere die Gründung des französischen Kulturministeriums während der V. Republik und der Wiederbelebung der Idee des „Inventaire général“ durch den Kulturminister André Malraux. Die Institutionalisierung des Konzepts verfestigte sich 1978 bis 1980 mit der Etablierung einer Direction du Patrimoine als eigener Verwaltungsstruktur und der Proklamation einer année du patrimoine, die sich bis heute in den jährlich abgehaltenen journées du patrimoine fortsetzt. Die Institutionalisierung und gleichzeitige inhaltliche Ausweitung des Konzepts auf Kategorien wie Ökosysteme und immaterielle Praktiken erklärt André Chastel mit der postindustriellen Konsumgesellschaft, dem seit den 1970ern gewachsenen Bewusstsein für die Endlichkeit von Ressourcen und dem beginnenden Umweltschutz.111 Die conscience du patrimoine ist somit gleichzeitig vergangenheits- wie zukunftsorientiert, da sie einerseits die Rückbesinnung auf die Vergangenheit, Erinnerung und Identität beschwört, der Schutz von Kulturerbe – Bauwerken und Kunst sowie Traditionen und Ökosystemen – aber zugleich das Ziel umfasst, d ­ ieses Erbe an künftige Generationen weiterzugeben. Wenn in den Quellen zu den 1940er Jahren von patrimoine die Rede ist, so muss grundsätzlich angenommen werden, dass der Begriff zu dieser Zeit noch nicht die universalistischen Konnotationen besaß, die er heute angenommen hat, sondern sich nach wie vor primär auf 110 Karlsgodt 2011, S. 210 – 212. 111 Chastel 1984 – 1992, S. 440 – 441. Vgl. auch Nora 1997, S. 12 – 13.

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Baudenkmäler und Kunstwerke im engeren Sinne bezog. Bei den Memoirenpublikationen, die erst in den 1970er bis 1990er Jahren entstanden, kann allerdings vermutet werden, dass die Autoren eventuell den semantischen Wandel des Begriffs oder sogar Noras „Lieux de mémoire“ rezipiert haben, sodass ihre Verwendung des Worts möglicherweise durch Rückprojektionen des neueren Diskurses gefärbt ist.

Welche Kulturgüter gehören zum patrimoine? In den Ego-­­Dokumenten der französischen Museumsleute sind es nicht so sehr die im 19. Jahrhundert konstituierten monuments historiques, sondern primär die Sammlungen der französischen Nationalmuseen, die als patrimoine im Mittelpunkt stehen. Wie bereits festgestellt, werden in allen Memoirenpublikationen insbesondere die Einzelobjekte oder Objektgruppen hervorgehoben, die durch die Tauschinteressen oder drohende Beschlagnahme der Nationalsozialisten exponiert und gefährdet waren. Da die Deutschen ihre Forderungen mit der Begründung zu legitimieren suchten, diese Kulturgüter ­seien Zeugen einer germanischen kulturellen Überlegenheit, betraf die Auseinandersetzung um diese nicht allein deren materiellen Verbleib, sondern auch Deutungshoheiten und ihre Verortung in nationalistischen Interpretationsmustern der eigenen Kunst- und Kulturgeschichte.112 Allerdings griffen Bazin, Huyghe und Mazauric in ihren Nacherzählungen der Tauschverhandlungen kaum auf Argumentationsstrategien zurück, die ihrerseits die spezifische Bedeutung der fraglichen Kulturgüter für das französische Kulturerbe hervorhoben. Die Zugehörigkeit der geforderten Gegenstände zum spezifisch französischen patrimoine schien vielmehr als gegeben und selbstverständlich angenommen zu werden, sodass die Autoren sie nicht mehr explizit erläuterten. Stattdessen wurde die Abwehr der deutschen Ansprüche mehrheitlich über die bereits angesprochenen Strategien des passiven Widerstands und nicht über die Bedeutung der Kulturgüter für das französische patrimoine erzählt. Lediglich im Zusammenhang mit der versuchten Gegenforderung der „Enseigne de Gersaint“ aus dem Schloss Sanssouci als Ausgleich für die Abgaben ans Deutsche Reich wurden auch auf französischer Seite kunsthistorische Argumentationen geltend gemacht, insofern als Wert und nationale Relevanz des Watteau-­­Gemäldes mit dem der „Diane au bain“ argumentativ aufgerechnet wurden. Allerdings ordnet sich auch diese Argumentation bei Bazin, Huyghe und Mazauric letztlich dem Widerstands-­­Moment der Erzählungen unter, da die Autoren die Gegenforderung als taktischen Schachzug darstellten, der keine reale Einforderung des Gemäldes bedeutet habe. Die Opposition gegen die Tauschvorhaben als ­solche leitete sich

112 Bazin etwa rekapituliert nicht ohne eine gewisse Ironie, dass die Deutschen ihre Ansprüche auf das Basler Antependium aus dessen Entstehungskontext und Bedeutung als Meisterwerk der ottonischen – und somit indirekt germanischen – Schmiedekunst herleiteten. Bazin 1992, S. 100.

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mehr aus dem für das patrimoine geltenden Grundprinzip der Unveräußerlichkeit her, nicht aber aus der partikularen Geschichte und Bedeutung der einzelnen Objekte. In Rose Vallands „Le Front de l’Art“ hingegen finden sich Hinweise auf einzelne Schicksale von Kunstgegenständen und die Bedeutung, die Valland ihnen für das franzö­ sische museale patrimoine zuschrieb. Da ihr Narrativ sich über weite Strecken an den Vorgängen im Jeu de Paume und den Beschlagnahmen des ERR orientiert, sind es eben die auf die jüdischen Privatsammlungen abzielenden Raubzüge, die die Objektkategorien vorgeben, die in ihrer Wahrnehmung zum am stärksten gefährdeten französischen Kulturerbe gehören. Gerade weil bei Valland jedoch die von ERR , Deutscher Botschaft, Sonderkommando Künsberg und Devisenschutzkommando operierten Raubzüge die Auswahl der Objekte festlegen, kann ihre Beschreibung zugleich die Diskrepanz z­ wischen den nationalsozialistischen, ideologischen Werturteilen über diese Kunst und den eigenen Werturteilen besonders deutlich herausarbeiten. Dies ist insbesondere bei der Kunst der Moderne aus den jüdischen Privatsammlungen der Fall. Valland hebt bei der Beschlagnahme der Kunstsammlungen Paul Rosenbergs, Alphonse Kanns, Alfred Lindons und David David-­­Weills die jeweilige Anzahl von modernen und zeitgenössischen Gemälden hervor; in Einzelfällen wie etwa bei der Sammlung Lindon nennt sie zusätzlich die Titel und Maler einzelner Gemälde, etwa die beiden besonders bekannten Monets „La femme à l’ombrelle“ und die „Rue Montorgueil“, um dem Leser die Größenordnung der Beschlagnahmen zu verdeutlichen. Ihren Verbleib in den Räumlichkeiten des Jeu de Paume beschreibt sie wie folgt: Elles augmentèrent d’une centaine de tableaux un stock déjà considérable dont aurait pu à juste titre s’enorgueillir l’art de ce temps. Toutes ces toiles choisies par des collectionneurs avertis ne réussissaient, au Jeu de Paume, qu’à susciter la réprobation des fonctionnaires du Reich hitlérien qui les considéraient comme les productions enjuivées d’un „art dégénéré“. Pour cette raison, afin d’éviter la contamination du goût allemand, elles étaient réunies, ou plutôt mises à l’écart, dans la salle la plus reculée et la moins accessible du musée. Aux derniers temps de l’occupation, tous les grands artistes de la peinture contemporaine avaient fini par s’y donner rendez-­­vous. Les tableaux de Picasso, Braque, Matisse, Dali, Soutine, étaient les plus nombreux, subissant en commun la honte d’être beau, d’une beauté moderne et réprouvée.113

Der gesamte Abschnitt ist stilistisch geprägt von der Gegensätzlichkeit z­ wischen der Schönheit und Qualität der modernen Kunst einerseits und der Degeneriertheit andererseits, die ihr im nationalsozialistischen Werturteil zugeschrieben wird. Sprachlich fällt auf, dass Valland nicht nur mit dem Aufgreifen des Worts „dégénéré“, sondern auch durch den Begriff der „contamination“ mit genau dem medizinischen Sprachregister 113 Valland 2014, S. 49.

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spielt, mit dem die Nationalsozialisten selbst die Kunst der Moderne zurückwiesen und verfemten. Dieser Diffamierung stellt Valland die Gemälde selbst in all ihrer Schönheit und Würde gegenüber. Indem sie deren dichte Hängung im hintersten Séparée des Jeu de Paume als Rendezvous der größten zeitgenössischen Maler beschreibt, personifiziert sie die Gemälde; verstärkt wird dieser Eindruck der Vermenschlichung durch die Feststellung, dass die Gemälde leiden müssten unter ihrer Schönheit, da diese von den Nazis als Schande verkannt werde. Die Kunstwerke werden somit zu regelrechten Märtyrern stilisiert. Auf genau diese Vorstellung der modernen Kunstwerke als Opfer der nationalsozialistischen Kulturbarbarei spielt im Übrigen auch die Bezeichnung des Séparées als Salle des Martyrs an. Auf die Spitze treibt Valland d ­ ieses Grundmotiv schließlich in ihrer Beschreibung der Verbrennung der modernen Kunstwerke durch den ERR im Juli 1943, in der die Darstellung des „bûchers“, also des Scheiterhaufens, ganz bewusst mit einer gezielten Exekution der modernen Kunst gleichgesetzt wird. Auch hier funktioniert die Märtyrer-­ Stilisierung nicht zuletzt über die Identifizierung der bekanntesten Maler, deren Gemälde zerstört werden: Le choix était somptueux et le bûcher nazi richement alimenté. Des peintures de Masson, Miro, Picabia, Valadon, Klee, Max Ernst, Léger, Picasso, Kisling, La Fresnaye, Marval, Mane-­­Katz, devenaient la proie des flammes et beaucoup d’autres œuvres de qualité partageaient leur sort.114

Die Nennung der von den Nationalsozialisten verfemten Maler macht zusätzlich deutlich, dass es sich zu einem nicht geringen Teil um Vertreter der Ecole de Paris handelte, also um Künstler aus verschiedenen Herkunftsländern, die diversen Stilrichtungen angehörten und deren gemeinsamer Nenner im Wesentlichen darin bestand, dass sie um die Jahrhundertwende oder in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in die französische Metropole gezogen waren, um dort ihrem künstlerischen Schaffen nachzugehen. Im Hinweis darauf, dass gerade diese teils in Frankreich entstandenen Werke von den Nationalsozialisten vernichtet wurden, versteckt sich also zugleich der Verweis darauf, dass es französisches patrimoine war, das der Zerstörung anheimfiel – Kulturerbe, das nicht aufgrund seiner Besitzverhältnisse, sondern seiner Entstehung als französisch gelten konnte. Liest man darüber hinaus diese Passagen zur modernen Kunst gemeinsam mit Vallands Notizen an Jaujard, so wird die Einschätzung der modernen Kunstwerke als Teil des französischen patrimoine nochmals deutlicher, da Valland zeitweise sogar museale Ansprüche auf die fraglichen Kunstwerke anzumelden versuchte.115

114 Valland 2014, S. 187. 115 Vgl. dazu ihre Notiz an Jaujard „Ne pourrait-­­on pas en profiter pour essayer de les garder“, Polack und Dagen 2011, Notiz vom 16. September 1941, „hors rapports reliés“, S. 49.

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Dass Vallands Konzeption von patrimoine, wie sie sich in „Le Front de l’Art“ spiegelt, gleichzeitig durchaus national konnotiert ist, zeigt darüber hinaus eine weitere Gegenüberstellung ihrer Memoiren mit den Notizen aus dem Jeu de Paume. In Letztere finden sich mehrere Stellen zu Beschlagnahmen von Kunstwerken aus dem Eigentum deutscher Kunsthändler, Sammler oder Künstler, die aufgrund von Verfolgung oder NS-Opposition noch vor Kriegsausbruch nach Frankreich geflüchtet waren. Der jüdische Bankier Hugo Simon etwa war bereits 1933 aus Berlin nach Frankreich emigriert und 1940 nach Südfrankreich geflohen, um von dort aus über Spanien nach Brasilien zu flüchten. Im Juli und August 1942 notierte Rose Valland, dass Gegenstände aus seiner Sammlung Eingang in die Inventare des Jeu de Paume gefunden hatten.116 Beschlagnahmevorgänge dieser Art wurden von ihr im Jeu de Paume zwar verzeichnet und an Jaujard kommuniziert. In „Le Front de l’Art“ werden jedoch weder die Beschlagnahmen noch der Verbleib dieser Sammlungen erwähnt. Offenbar wurden diese Sammlungsschicksale als weniger relevant eingestuft, weil ihre Eigentümer keine Franzosen waren – so zumindest lautet auch der Erklärungsansatz, den Isabelle Le Masne de Chermont und Didier Schulmann für die Diskrepanz ­zwischen Notizen und Memoiren liefern. Letztlich sei die Beschlagnahme von Sammlungen aus deutschem Eigentum durch nationalsozialistische Organisationen in Frankreich eine „affaire allemande“ 117 gewesen: Da sie kein französisches Kulturerbe betraf und die beschlagnahmten Sammlungen aus deutschem Eigentum nach dem Krieg auch nicht im Rahmen der französischen Restitutionspolitik nach Frankreich zurückkehren würden, konnte sie in „Le Front de l’Art“ ausgeblendet werden, dessen eher nationaler Fokus sich bereits im Untertitel „Défense des collections françaises“ programmatisch ankündigte.118 Insgesamt ergibt sich aus der Betrachtung von Vallands Memoiren, dass für ihre Vorstellung von patrimoine eine Unterscheidung der Besitzverhältnisse nach öffentlich und privat eine nachrangige Bedeutung besitzt. Die Differenzierung nach nationalen Kategorien, französischem und nicht-­­französischem Eigentum hingegen fällt durchaus ins Gewicht, nicht zuletzt auch mit Blick auf die Frage der Restitution. Der Begriff des patrimoine ist bei Valland insofern durchaus national kodiert, gerade im Moment seiner Gefährdung durch die nationalsozialistischen Beschlagnahmen.

116 Vgl. Polack und Dagen 2011, Notizen vom 16. Juli 1942 und 18. August 1942, Folio N° 42 und 46, S. 58 – 59. Zu Hugo Simon, vgl. Eintrag „Hugo Simon“, in: www.lostart.de [Internetportal], URL: http://www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Sammler/S/Simon,%20Hugo. html?nn=5144&cms_lv2=95456&cms_lv3=9132 (abgerufen am 08. 06. 2016), und Cardoso 2016. Zu deutschen Künstlern, Sammlern und Kunsthändlern, die nach Frankreich ins Exil gingen und auch dort verfolgt wurden, vgl. auch Baresel-­­Brand et al. 2013, Fuhrmeister und Kienlechner 2015 und Golenia et al. 2016. 117 Valland 2014, S. 22. 118 Ebd., S. 21 – 22.

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Patrimoine und Rückführungsdiskurse nach Kriegsende Der bei Valland auffallende Befund, wonach die individuellen eigentumsrechtlichen Verhältnisse, also die Unterscheidung in privates und öffentliches Eigentum, für die Wahrnehmung bestimmter Kulturgüter als Teil des französischen patrimoine kaum ins Gewicht fiel, spiegelt sich auch in den Rückführungsdiskursen der Nachkriegszeit. Am deutlichsten wird dies am Beispiel der Ausstellung „Les chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne“ von 1946, in deren Ausstellungstitel das Wort „privées“, also der Hinweis darauf, dass die fraglichen wiedergefundenen französischen Sammlungen aus Privateigentum stammten, bezeichnenderweise erst nachträglich ergänzt wurde.119 Die Differenzierung in öffentlich und privat spielte zwar für die praktischen Aspekte der Ausstellungsplanung eine gewisse Rolle, da zuvor das Einverständnis jedes Eigentümers einzuholen war. Für ihre inhaltliche Konzeption jedoch war sie nicht relevant, da die Ausstellung vor allem darauf abzielte, im Sinne einer cultural diplomacy die guten Beziehungen zu den USA zu pflegen und Frankreich als Siegermacht zu inszenieren. Die „chefs-­­d’œuvre récupérés“ wurden daher weniger als Einzelobjekte aus verschiedenen Sammlungen, die jeweils mit individuellen Raub- und Verfolgungsgeschichten verknüpft waren, wahrgenommen. Vielmehr bildeten sie ein Ensemble, das den Reichtum des zurückgekehrten patrimoine zur Schau stellen und zugleich demonstrieren sollte, dass die nationalsozialistischen Raubzüge ebenso gescheitert waren wie das „Dritte Reich“ als solches. Dass die Objekte aus Privatsammlungen stammten, hatte den Nebeneffekt, dass nicht nur geraubtes und zurückgewonnenes französisches patrimoine, sondern ein vergleichsweise unbekannter Teil ­dieses Kulturerbes ausgestellt wurde, denn viele der Ausstellungsstücke waren dem großen Publikum bis dato nicht zugänglich gewesen. Über die Raub- und Restitutionsgeschichte der Objekte konnte daher die breite Öffentlichkeit anhand der Ausstellung einen ganz neuen Teil des französischen kulturellen Erbes für sich entdecken. Wie groß das Interesse war, belegen nicht nur die hohen Besucher­zahlen – Michel Florisoone bezifferte diese im Abschlussbericht der CRA auf rund 122.400 –, sondern auch die Vielzahl an anschließenden Zuschriften von Kunstmagazinen, Zeitschriften, kunsthistorischen Instituten und Privatpersonen, die um Fotoreproduktionen einzelner ausgestellter Objekte baten.120 Die aus Gründen der Diskretion erfolgte Entscheidung, die Namen der privaten Eigentümer weder auf den Objektschildern noch im Katalog aufzuführen, verstärkte dabei schließlich den Eindruck, dass die gezeigten 119 Vgl. Le Masne de Chermont 2013, S. 1373. 120 Florisoone, Michel, Rapport sur les activités de la Commission de Récupération Artistique pendant les cinq années de son fonctionnement, 17 février 1950 AMAE 209SUP/540 P 246. Für die Foto-­ Anfragen an die CRA vgl. z. B. Henraux, Albert S.; Brière-­­Misme, Madame, Correspondance sur les autorisations d’achat de photos pour des Instituts d’histoire de l’art étrangers, 14 mars et 19 mars 1947, AMAE 209SUP/490 P 177, und Ingram, Bruce S., Demande d’autorisation pour reproduire tableaux figurant dans le musée de l’Orangerie, 16 septembre 1946, AMAE 209SUP/490 P 177.

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Objekte nicht als Eigentum einer einzelnen Person, sondern Teil eines gesamtfranzösischen patrimoine präsentiert wurden, das sich seit dem Kriegsende durch die Bemühungen der récupération artistique wieder vervollständigt und erneuert wurde. Dass mit der récupération artistique der Grundgedanke verknüpft war, dass nicht allein individuelle Besitztümer, sondern zugleich das gesamte patrimoine artistique wiederherzustellen sei, zeigt sich indes nicht nur in der Inszenierung der „chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises“. Auch die interalliierte Debatte um den Modus der kulturellen Restitutionen und die restitution in kind geht in ihrem Kern auf den Grundgedanken zurück, dass das Kulturerbe eines Landes ungeachtet der individuellen Eigentumsverhältnisse in seinem Gesamtbestand konstant gehalten werden müsse, sodass Verluste gegebenenfalls durch gleichwertigen Ersatz geleistet werden müssten. Eben dieser Gedanke bestimmte bereits 1945 den Restitutionsdiskurs Louis Aragons, der als Entschädigung für das kulturelle Ausbluten Frankreichs in den Jahren des Kriegs und der Besatzung den Abzug sämtlicher Bestände an französischer Kunst aus den deutschen Museen, mindestens aber die Rückgabe von Watteaus „Enseigne de Gersaint“ forderte.121 Aragons überspitzte Forderung ordnet sich in die längere Kontinuität der wechselseitigen Rückforderungen von kulturellem Eigentum im Zusammenhang mit Kriegsreparationen und Entschädigungen ein. Gleichzeitig ist sie Ausdruck eines sehr nationalistischen Kulturverständnisses, wonach sämtliche Werke französischer Künstler automatisch französisches patrimoine ­seien, über dessen Standort Frankreich als Erbe und Eigentümer d ­ ieses kulturellen Gemeinguts frei verfügen könne. Die Idee, dass über die Rückkehr der französischen Kunstwerke auch die geistigen Verluste ausgeglichen werden könnten, die die Kultur durch den kriegsbedingten Tod französischer Intellektueller erlitten hatte, deutet ihrerseits darauf hin, dass Aragon künstlerische Erzeugnisse jeder Art – sei es aus dem Bereich der bildenden Kunst, sei es aus dem der Literatur oder Philosophie – als Formen von kulturellem Kapital ansah, die zwar nicht als völlig austauschbar, aber gleichwertig genug anzusehen waren, um sich wechselseitig ausgleichen zu können. Aragons Forderungen zogen eine innerfranzösische Debatte nach sich, in der der Kunstkritiker Raymond Cogniat sich dafür aussprach, dass die Kunstwerke in den Museen in Deutschland verbleiben müssten, da sie dort als Botschafter der französischen Kultur fungieren könnten, wohingegen ihre Rückkehr nach Frankreich sie dieser kulturpolitischen Funktion berauben würde.122 Die nationalistischen Maximalforderungen Aragons wurden letztlich nie umgesetzt. Der Grundgedanke, dass die deutschen Museumssammlungen als Ersatz für verlorene oder zerstörte Kulturgüter französischer Provenienz herhalten müssten, blieb aber auf Jahre hinaus Teil der restitutionspolitischen Debatten und war zumindest im innerfranzösischen Diskurs noch 1949 präsent, wie Stellungnahmen zur Übergabe des Münchner Collecting Point in die deutsche Treuhänderschaft und zum Umgang mit den Restbeständen aus den NS-Sammlungen belegen. 121 Aragon 2011, S. 25 – 26. 122 Vgl. dazu Schieder 2013 und Nicolas 2006, S. 35.

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Dabei wurde für die Umsetzung der restitution in kind eben jene Differenzierung nach öffentlichem und privatem Eigentum, die bei der politischen Inszenierung von Restitutionen eher unerheblich erschien, plötzlich doch wieder relevant. Im Kontext der interalliierten Verhandlungen um die restitution in kind kam innerhalb der französischen Museumsverwaltung die Debatte darüber auf, dass die im Rahmen dieser Regelung nach Frankreich überführten Kulturgüter nicht als materielle Entschädigung der betroffenen Privateigentümer genutzt, sondern in das staatliche Eigentum der französischen Museen überführt werden müssten. Die privaten Eigentümer sollten stattdessen mit einer Geldzahlung entschädigt werden. Hintergrund für diese Überlegung war die Befürchtung, dass man durch die Übergabe von Kulturgütern aus deutschen Museumssammlungen an private Eigentümer eine bestimmte Opfergruppe privilegieren und Gleichheitsprinzipien verletzen würde. Diese Regelung hätte aber auch den Nebeneffekt gehabt, dass auf d ­ iesem Weg die französischen Museen eine Vergrößerung ihres Bestands verzeichnen könnten. Verluste von Privateigentum wurden somit durchaus als Verlust für das patrimoine als Ganzes betrachtet; der Ausgleich dieser Verluste aber sollte einseitig der öffentlichen Hand zugutekommen. Auch wenn bei der récupération artistique nach außen hin also die Unterscheidung von patrimoine in öffentliches und privates Eigentum als unerheblich dargestellt wurde, existierte nach innen zugleich dennoch eine Differenzierung, bei der das staatlich verwaltete Gemeingut als prioritär und höherwertig wahrgenommen wurde. Das Argument der Gleichbehandlung von Opfergruppen spielte auch für die französische Positionierung in den Debatten um die jüdischen Nachfolgeorganisationen und ihre Ansprüche auf erbenlose Kulturgüter eine Rolle. Offiziell begründete die CRA ihre Ablehnung einer Übergabe an die JCR damit, dass diese den französischen Prinzipien des Laizismus und der Gleichbehandlung von Opfergruppen widerspreche, da sie jüdische Verfolgte als privilegierte Opfergruppe hervorhob. Für die Restitutionen aber ­seien religiöse Kriterien unerheblich; einzig allein die Nationalität könne den Ausschlag über Restitutionsansprüche geben. Tatsächlich stellte die Übergabe von erbenlosen Beständen an die JCR eine Aufweichung des Territorialitätsprinzips dar, nach dem die äußere Restitution von Kunstgegenständen bislang stattgefunden hatte und auf dem Frankreich seine Ansprüche auf zurückzuführende Kulturgüter begründete. Die auf das Prinzip der Nationalität abzielende Gegenargumentation implizierte aber auch, dass Frankreichs Anspruch sich zudem auf das von französischen Juden hinterlassene erbenlose Vermögen erstreckte, das als „französisches Kulturgut“ dem Staat zugutekommen sollte. Die Frage nach dem Umgang mit erbenlosem Vermögen bzw. den Kunstgegenständen, deren Eigentümer nach Ablauf der Fristen keine Restitutionsansprüche gestellt hatten oder nicht identifiziert werden konnten, stellte sich auch im Zusammenhang mit dem Ende der Tätigkeit der CRA . Die ursprüngliche Idee, den Restbestand bis zu einer bestimmten Frist in der staatlichen Verwaltung zu bewahren für den Fall, dass doch noch Restitutionsansprüche auftauchten, diese nach Ablauf der Frist aber in Konformität mit dem französischen Recht zu verkaufen und die Erlöse dem Staat zukommen zu lassen, stieß im

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Museumsbereich auf Kritik. Mit Rücksicht auf die künstlerische Bedeutung einiger der Kunstgegenstände im Restbestand der CRA wurde daher eine Commission de Choix mit der Aufgabe betraut, eine Auswahl von Werken zu treffen, die in die Treuhänderschaft der Nationalmuseen übergeben werden sollte.123 Diese Commission de Choix des Œuvres d’Art unterstand dem Vorsitz von Directeur Général des Arts et Lettres, Jacques Jaujard und dem Directeur des Musées de France, Georges Salles und setzte sich aus Albert Henraux, verschiedenen Vertretern des OBIP , des Justiz- und Finanzministeriums sowie aus den Konservatoren der einzelnen Louvre-­­Abteilungen (Malerei, Skulptur, Kunsthandwerk, griechisch-­­römische Antike, ägyptische Abteilung), einem Vertreter des Musée d’Art Moderne, dem Kurator des Musée National des Beaux-­­Arts d’Alger und dem Inspecteur général der Provinzmuseen zusammen.124 Diese Konstellation, in der der Louvre mit fünf Kuratoren besonders stark vertreten war, war zentralistisch geprägt und spiegelte die Dominanz des Louvre innerhalb der Landschaft der französischen Nationalmuseen wider. Dass daneben aber auch ein Repräsentant des Musée National des Beaux-­­Arts d’Alger präsent war, beleuchtet einen weiteren Aspekt des französischen Verständnisses von patrimoine, insofern als es mit dem nationalen Sendungsbewusstsein gegenüber den französischen Kolonien verknüpft wird. Das Musée National des Beaux-­­Arts in Alger war 1930 anlässlich des 100-jährigen Bestehens der algerischen Kolonie eröffnet worden. Der Museumsbestand ging in Teilen auf eine städtische Sammlung aus dem 19. Jahrhundert zurück; bereits ab Mitte der 1920er Jahre förderte der Kunsthistoriker Jean Azalard darüber hinaus den systematischen Sammlungsaufbau mit einem Schwerpunkt auf der europäischen, insbesondere französischen Kunst und sorgte unter anderem dafür, dass bedeutende Vertreter der Ecole de Paris wie Matisse, Braque, Gris oder Utrillo in die Sammlung aufgenommen wurden. Bezeichnenderweise war es also nicht die indigen-­­maghrebinische, sondern die französische bzw. europäische, von den Kolonialherren exportierte Kunst, die in dem Museum präsentiert und zum kunsthistorischen Kanon stilisiert wurde. Das französische patrimoine hatte hier also die Funktion, gewissermaßen als Botschafter die Kultur der „France métropolitaine“ in die Kolonie zu tragen. Dieselbe Funktion wurde auch den 29 Gemälden aus dem Restbestand der CRA zugeschrieben, die als MNR in die Treuhänderschaft der Nationalmuseen übernommen und als Dauerleihgabe an das Musée National des Beaux-­­Arts d’Alger überwiesen wurden, wo sie die bestehenden Sammlungsschwerpunkte ergänzen und vertiefen sollten. Hier zeigt sich also besonders deutlich, dass die Überführung der Restbestände in die Verwahrung der französischen Nationalmuseen durchaus die Intention verfolgte, nebenher die eigenen Museumssammlungen zu stärken. Mit der Eskalation des Algerienkriegs wurden die 29 in Alger deponierten MNR zusammen mit dem Großteil der Sammlung 123 Vgl. dazu auch Le Masne de Chermont 2008, S. 31 – 32. 124 Ministre de l’Education nationale, Arrêté sur la composition de la Commission de Choix, 12 octobre 1949, AN 20150044/100.

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des Musée National des Beaux-­­Arts d’Alger nach Frankreich zurückverlagert. Nach dem Ende des Algerienkriegs kehrte ein Teil der regulären Sammlungsbestände nach Algerien zurück; die 29 MNR jedoch verblieben in Frankreich und wurden neu auf die französischen Nationalmuseen umverteilt.125 Die Auswahlkriterien und Methoden, nach denen die Commission de Choix operierte, sind nach wie vor weitgehend ein Forschungsdesiderat. Die Protokolle der einzelnen Sitzungen, zu denen sie zusammentrat, lassen erkennen, dass die Entscheidungen über die Objekte primär den Museumskuratoren oblagen. Jeder Kurator ging in Vorbereitung für die Sitzungen die Listen und Karteien für die Objekte durch, die seine Abteilung im Louvre bzw. seine Zuständigkeit für die Provinzmuseen betreffen konnten, und unterbreitete anschließend die erarbeitete Vorschlagsliste. Dass die Auswahl der einzelnen Objekte durch die Kuratoren mit Rücksicht auf die Ergänzung bestehender Sammlungsschwerpunkte erfolgte, verdeutlichen einige der frühen Sitzungsprotokolle 126, aber auch ein Briefwechsel z­ wischen Germain Bazin und Jean Vergnet-­­Ruiz, dem Repräsentanten für die Provinzmuseen. Zwischen den beiden hatte die Frage der Verteilung der ausgewählten Gemälde auf den Louvre bzw. die Provinzmuseen zeitweilig für Unstimmigkeiten gesorgt, da Vergnet-­­Ruiz die Befürchtung hegte, dass letztlich der Louvre sehr viel stärker als die Provinzmuseen von den Verteilungen der MNR profitieren würde. Bazin versicherte ihm infolgedessen, dass die bisherige Aufteilung der Gemälde nur vorläufig sei, weil man die überwiesenen Gemälde im Louvre zunächst genauer untersuchen wolle. Die Aufnahme der MNR in die Museumsbestände biete aber die Möglichkeit, die Bestände insgesamt umzugruppieren und ggf. auch andere Depotbestände des Louvre, die nicht aus der récupération stammten, an Provinzmuseen zu übergeben, sodass letztlich auch diese, sei es direkt oder indirekt, von der Übernahme von MNR durch die Nationalmuseen ausreichend profitieren würden.127 125 Germain Bazin berichtet in seinen Memoiren in einem Exkurs über diese kriegsbedingte Auslagerung der Museumsbestände aus Alger nach Frankreich, ohne allerdings dabei speziell die 29 MNR zu erwähnen. Vgl. Bazin 1992, S. 86 – 87. Zur Sammlungsgeschichte des Musée National des Beaux-­­Arts d’Alger und zu die postkolonialen Restitutionsverhandlungen um die im Algerienkrieg nach Frankreich ausgelagerten Museumsbestände vgl. auch Bellisari 2017. 126 „En ce qui concerne la sélection elle-­­même, elle répond à plusieurs préoccupations. D’abord ont été prélevées les tableaux de haute qualité, dignes du Louvre, puis les œuvres de maîtres secondaires mais signées ou datées et les œuvres curieuses et rares destinés aux salles d’étude du Louvre ou à ses réserves. Ensuite un certain nombre de tableaux ont été envisagés dans l’intention de les proposer aux Musées historiques. La Province a fait aussi l’un des soucis particuliers de ce classement. Enfin il a été pensé que l’occasion pouvait être saisie de commencer une collection d’œuvres qui seraient destinées à pourvoir les Ambassades, Ministères et autres organismes officiels.“ Commission de Choix des Œuvres d’art, Procès-­­verbal de la réunion de la Commission de Choix du 21 décembre 1949, 21 décembre 1949, AN 20150044/100. 127 Bazin, Germain; Vergnet-­­Ruiz, Jean, Correspondance sur la répartition des MNR aux musées de province, 19 mai et 19 juin 1951, AN 20150044/100.

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In den Sitzungen der Commission de Choix selbst scheinen die Entscheidungen über die Auswahl und Zuteilung der einzelnen Objekte für die verschiedenen Museen und Museumsabteilungen in der Regel recht rasch und summarisch getroffen worden zu sein und nur in Ausnahmefällen zu längeren Diskussionen geführt zu haben. Als einziges bewusstes Auswahlkriterium der Commissin de Choix taucht in den Protokollen der Umgang mit Fälschungen auf, die im Restbestand der CRA identifiziert worden waren. Die Fälschungen sollten ganz bewusst nicht zum Verkauf an die Administration des Domaines übergeben werden, sondern sollten in der Treuhänderschaft der Museen verbleiben, damit sie nicht wieder in den freien Umlauf des Kunsthandels gelangen konnten.128 Die Erforschung der MNR durch die Mission Mattéoli hat ergeben, dass die in die Treuhänderschaft der Museen überführten Bestände nur zu rund 10 % aus Objekten bestanden, die nachweislich von den Nationalsozialisten geraubt oder beschlagnahmt worden waren. Rund 63 % der Bestände stammten aus Transaktionen, die in den Jahren 1940 bis 1944 auf dem Pariser Kunstmarkt getätigt worden waren. Da diese Transaktionen basierend auf der Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 als nichtig betrachtet wurden, hatte Frankreich in den Jahren ab 1945 eine möglichst systematische Rückkehr dieser Ankäufe auf französischen Boden durchgesetzt. Aus der französischen Besatzungszone waren etwa die in den Depots Langenau und Ehrenbreitstein aufgefundenen Ankäufe der rheinischen Museen, aber auch die Bestände aus den Depots von Gustav Rochlitz am Bodensee und im Schwarzwald zurückgeführt worden. Da anschließend die Kunsthändler, die die Verkäufe nach Deutschland abgewickelt hatten, aber keine Restitutionsanträge einreichten oder die Provenienzen vor ihrem Verkauf auf dem Pariser Kunstmarkt unbekannt waren, war ein recht großer Anteil dieser Bestände nicht restituiert worden und gelangte infolgedessen in den Sonderbestand der MNR. Weitere 25 % der heutigen MNR verfügen über Provenienzen, die auch durch die Mission Mattéoli nicht näher geklärt werden konnten und bei denen daher nach wie vor der Verdacht auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug besteht.129 Inwieweit sich die Mitglieder der Commission de Choix dieser Vorprovenienzen der von ihnen ausgewählten Objekte bewusst waren und ob diese für die Auswahlkriterien eine Rolle spielten, ist jedoch bis heute aufgrund der dürftigen Aktenlage zur Commission de Choix nicht abschließend zu klären. Dass die Auswahl der MNR unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Sammlungslücken in den Beständen der Nationalmuseen erfolgte, deutet aber zumindest an, dass die ausgewählten Objekte – ungeachtet ihres Rechtsstatus, der sie ausdrücklich nicht zu Staatseigentum erklärte – als Teil des französischen patrimoine betrachtet wurden, über das im Interesse der öffentlichen Museen verfügt werden konnte. 128 Vgl. dazu Jaujard, Jacques, Notes relatives aux objets reconnus faux, impartfaits ou douteux par la Commission de Choix, 6 février et 21 février 1950, AN 20150044/100. Inwieweit diese Fälschungen heute noch Teil der MNR sind und speziell gekennzeichnet wurden, geht aus aktuellen Dokumentationen der MNR wie z. B. dem „Site Rose Valland“ nicht hervor. 129 Le Masne de Chermont 2000, S. 60 – 69.

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7.2.3 Selbstvergewisserung und Wiederaufbau: Funktionen des französischen patrimoine Das Konzept des patrimoine artistique tritt nicht nur innerhalb unterschiedlicher Teilbereiche der récupération artistique wie der politischen Inszenierung der Restitutionen in der Ausstellung der „chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne“ oder den Verhandlungen um die restitution in kind auf. Auch in den Diskursen der Ausstellungsprogramme in der französischen Besatzungszone schlug sich das Konzept nieder. Das patrimoine artistique hat demnach sowohl für den innerfranzösischen Wiederaufbau als auch in der auswärtigen französischen Kulturpolitik ganz spezifische Funktionen der Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung eingenommen. Diese Funktionen lassen sich auf verschiedenen Ebenen beobachten, die von der individuellen Ebene einzelner Museumsleute bis hin zur außenpolitischen und diplomatischen Ebene reichen. Auf der Ebene einer individuellen Selbstvergewisserung spielte das patrimoine artistique für Rose Valland eine zentrale Rolle, stellte der von ihr persönlich bezeugte nationalsozialistische Kulturgutraub doch die geradezu traumatische Erfahrung dar, aus der sich sowohl ihr individuelles Widerstandshandeln im Krieg als auch das Engagement für die réucpération artistique nach Kriegsende herleiteten. Ihr Einsatz für Letztere war dabei lange Zeit dominiert von der Vorstellung eines primär nationalen patrimoine; sie konstituierte sich weniger über die Rückführung von Kulturgütern zugunsten einzelner Verfolgter als vielmehr über den Staat, dessen Kulturerbe als Ganzes wiederhergestellt werden musste. Dabei entsprach Vallands Positionierung anfangs durchaus dem Rückführungsdiskurs, dem auch die Beaux-­­Arts-­­Verwaltung unter Jaujard und die französische Kontrollratsgruppe in Berlin folgten. Dass dieser Diskurs aber keineswegs alle Teile der französischen Deutschlandpolitik dominierte, sondern in der Besatzungszone bereits frühzeitig zugunsten einer auf rayonnement culturel und schließlich deutsch-­­französische Annäherung abzielenden Kunstpolitik aufgegeben wurde, führte dazu, dass Valland 1949 bei der Reorganisation der Besatzungsbehörden mit ihren récupération-­­Interessen bei Raymond Schmittlein von der Kulturabteilung aneckte. Der Konflikt mit der Kulturpolitik wurde zwar umgangen, indem der mit Restitutionen betraute Service de Remise en Place des Œuvres d’Art direkt dem Kabinett des Hohen Kommissars unterstellt wurde, wo Valland ihre Aktivitäten noch bis 1953 fortsetzen konnte. De facto verlor die récupération artistique jedoch spätestens ab 1951 an politischer Bedeutung. Durch ihr Beharren auf der Fortsetzung von Restitutionen auch nach ihrer Rückkehr nach Paris geriet Valland zunehmend in politische Isolation, da diese Interessen im Kontext der deutsch-­­französischen Annäherungspolitik nicht mehr zeitgemäß waren und auch innerhalb der französischen Museumsverwaltung nicht weiter verfolgt wurden. Wenngleich der politische Charakter ihrer Mission sich zu dieser Zeit wieder zurückbildete, hielt Valland jedoch weiterhin an Restitutionen fest, die für sie wieder verstärkt zu einem Moment persönlicher Sinnstiftung wurden.

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Dass Vallands Engagement über weite Strecken den Charakter einer persönlich motivierten Einzelkämpfermission annahm, wird auch deutlich, wenn man ihre Erfahrungsgeschichte mit der von anderen französischen Museumsleuten vergleicht. Zwar stellten die deutsche Besatzung, Kriegsauslagerungen und die ständige Gefährdung der nationalen Museumsbestände auch für Autoren wie Bazin und Mazauric elementare Kriegserfahrungen dar, in dem der tägliche Umgang mit dem patrimoine artistique für die individuelle Selbstvergewisserung relevant wurde. Anders als bei Valland entwickelte sich aus dieser Besatzungserfahrung jedoch nicht der Impuls, sich nach Kriegsende speziell mit der Wiederauffindung und Rückgabe der geraubten privaten Sammlungen zu befassen. Bazin, Huyghe, Mazauric und Cassou gingen nicht für die récupération artistique nach Deutschland, und keiner von ihnen nahm eine hauptamtliche Funktion in der CRA wahr. Lediglich André Chamson, Mazaurics Ehemann, ist mit André Malraux und der Brigade Alsace-­­Lorraine bis nach Deutschland vorgedrungen, allerdings ohne infolgedessen ein Engagement als Beaux-­­Arts-­­Offizier in der französischen Armee zu übernehmen. Rose Valland schrieb über ihn in ihren Memoiren lediglich, dass Chamson den Beaux-­­Arts-­ Offizieren durch Einflussnahme auf die Führungsebene der Armee indirekt die Arbeit erleichterte. Er selbst deutet in seinen Kriegsmemoiren nur am Rande an, dass er in einem Schloss bei Baden-­­Baden einige Notmaßnahmen zum Kunstschutz ergriffen habe, geht darüber hinaus aber nicht auf politische Interessen an einer systematischen Rückführung geraubter Kunstwerke ein.130 In den Memoiren von Mazauric, Bazin, Huyghe und Cassou ist vielmehr zu beobachten, dass die Etappen seit der französischen Befreiung ab 1944 eher knapp als Rückkehr zur Normalität und als Wiederherstellung der Friedensordnung erzählt werden. Bazin etwa geht in den Schlusskapiteln ausführlich auf die Sicherung des Auslagerungsdepots in Sourches im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten ein. Ein kurzes Kapitel zur „épuration qui coûte cher“ skizziert die politischen Säuberungen nach dem Ende des Vichy-­­Regimes, in deren Zusammenhang auch der stellvertretende Vorsitzende des Conseil des Musées, Gabriel Cognaq, von einigen neu in die Beaux-­­Arts-­­Verwaltung berufenen, kommunistischen ehemaligen Résistance-­­Kämpfern der Kollaboration bezichtigt wurde. Zwar wurde Cognaq letztlich freigesprochen; sein Ruf hatte aber Schaden genommen, und er distanzierte sich infolgedessen vom Museumsmilieu und entschied, seine umfangreiche Privatsammlung doch nicht den Nationalmuseen zu vermachen, sondern sie über Auktionshäuser zu verkaufen.131 Bazins Wiedergabe der Ereignisse spiegelt die innenpolitischen Grabenkämpfe ­zwischen kommunistischer Résistance und Gaullisten 130 Chamson 1975, S. 202 – 203. 131 Bazin 1992, S. 117 – 123. Interessanterweise verweist Bazin dabei nicht nur auf französische Nachkriegskarrieren, sondern erwähnt auch, dass Franz Graf Wolff-­­Metternich und Bernhard von ­Tieschowitz vom deutschen Kunstschutz nach 1945 für ihr kulturelles Engagement vom französischen Staat ausgezeichnet wurden und Karrieren beim Auswärtigen Amt einschlugen.

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in der unmittelbaren Nachkriegszeit wider, die offenkundig auch Rückwirkungen auf die Museumswelt hatten. Bazin selbst positionierte sich dabei auf der eher konservativen Seite und kritisierte den Aktionismus, der Cognaq das Amt und letztlich die Nationalmuseen eine bedeutende Schenkung kostete. Aufschlussreich ist seine Schilderung aber nicht nur in Bezug auf die politischen Zwistigkeiten. Die bereits im Titel enthaltene Anspielung über die „épuration qui coûte cher“ bezieht sich ganz konkret darauf, dass eben diese Zwistigkeiten die französischen Museen teuer zu stehen kamen, da der Verkauf der Cognaq-­­Privatsammlung einen Verlust für sie und letztlich auch für das nationale patrimoine bedeutete. Die Vorstellung, bedeutende Privatsammlungen gehörten ebenso zum ­diesem wie die Bestände der Nationalmuseen und sollten früher oder später idealer­ weise auch offiziell in diese musealen Bestände aufgenommen werden, war durchaus auch bei Bazin prävalent. An das Kapitel zur politischen Säuberung schließt sich bei ihm ein Ausblick auf die politischen Auszeichnungen für Museumsleute in der Nachkriegszeit an; auch hier fokussiert Bazin jedoch – nicht ohne Missgunst und durchaus parteiisch – die politischen Differenzen, die bis weit in die 1960er und 1970er Jahre hinein nicht nur punktuelle politische Ehrungen, sondern ganze Nachkriegskarrieren beeinflussten. Die eigentliche Rückkehr der Museumsbestände nach Paris und die Wiedereröffnung der Museen spielen bei ihm jedoch keine Rolle mehr, ebenso wenig die récupération artistique. Die Rückkehr der ausgelagerten Museumsbestände und die Wiedereröffnung des Louvre werden etwas ausführlicher bei Lucie Mazauric dargestellt. Sie rekapituliert dabei nicht alle Einzelheiten des Rücktransports, sondern verweist exemplarisch auf die Rückkehr besonders emblematischer Werke wie der Mona Lisa oder einer ägyptischen Schreiber-­­Skulptur. Einzig die Aufstellung der Nike von Samothrake im Treppenhaus des Denon-­­Flügels wird ausführlicher wiedergegeben und verknüpft dabei die Rückkehr der Skulptur der Siegesgöttin an ihren Platz im Louvre mit dem Siegesmoment des Kriegsendes.132 Anders als Bazin fängt Mazauric in ihren letzten Kapiteln zumindest ein wenig von dem Hunger nach Kunst und Kultur in den unmittelbaren Nachkriegsjahren ein, der den ersten Ausstellungen ein großes Publikum bescherte. Die erste Ausstellung im Louvre selbst eröffnete noch im Juli 1945 und noch vor dem Abschluss der Rücklagerungen der Museumsbestände; sie zeigte kein spezielles Thema, sondern eine breite Auswahl von Meisterwerken der Malerei aus allen Epochen in einer Art universalistischem „­ désordre des chefs-­­d’œuvre.“  133 Der große Erfolg der Schau, die von „ganz Paris“ besucht wurde, bestätigte, dass die Pariser Ausstellungsflächen möglichst rasch wieder nutzbar gemacht werden mussten. Infolgedessen nahm André Chamson, der bereits im Sommer 1945 nach Paris zurückkehrte, um eine Stelle als Kurator am Petit-­­Palais anzutreten, dort vorüber­gehend einen Teil der Gemäldeabteilung des Louvre auf und präsentierte zunächst ­insbesondere die 132 Mazauric 1978, S. 207 – 208. 133 Ebd., S. 208 – 209.

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französische Malerei. Die Eröffnung dieser Ausstellung, so schließen Mazaurics M ­ emoiren, sei der Moment gewesen, der sie und Chamson für alle Erfahrungen der Besatzung entschädigt habe.134 Bei Mazauric kommt das Grundmotiv der Auseinandersetzung mit Kunst als Bewälti­ gungsstrategie im Krieg auch in den Schlusskapiteln noch einmal zum Ausdruck: Die spiegelbildlich zu den Auslagerungen funktionierende Rücklagerung und erste Ausstellung des vor der Zerstörung bewahrten französischen patrimoine führt die Besatzungserfahrung zum Abschluss und fungiert zugleich a posteriori als Sinnstiftung – der Publikumserfolg der ersten Nachkriegsausstellungen bestätigt die Sinnhaftigkeit des Kunstschutzes im Krieg. Die Rückkehr zur Friedensordnung wird hier somit durch die Relokalisierung der ausgelagerten Museumsbestände in ihren ursprünglichen Museumskontext konstruiert. Ein ähnlicher Befund offenbart sich bei der Lektüre von René Huyghes Kapitel zum Zweiten Weltkrieg, der darauf hinweist, dass er die Rücklagerungen der Museums­ bestände zu einer Neuordnung und neuen Hängung der Gemäldeabteilung im Louvre nutzte.135 Jean Cassou leitet nach seinen Bemerkungen zum Kriegsende unmittelbar zur Neueröffnung des Musée d’Art Moderne über, ohne auch nur ein Wort über die Rücklagerungen der Museen, geschweige denn die Rückführung geraubter privater Sammlungen zu verlieren.136 In den Narrativen der Museumskuratoren, die 1945 im Anschluss an die Rücklagerungen und Wiedereröffnungen zurückkehren konnten, fand die récupération artistique somit auch als eine der Maßnahmen zur Herstellung einer Friedensordnung keinen Platz. Dennoch können die Beiträge, die mehrere dieser Akteure nach 1945 zum ­kulturellen Wiederaufbau und zum Teil sogar zur Wiederaufnahme der deutsch-­­französischen Kulturbeziehungen leisteten, deutlich machen, dass nicht nur die récupération artistique, sondern auch die französische Ausstellungs- und Kulturpolitik der Nachkriegszeit auf das Konzept des patrimoine als Faktor für Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung nach außen rekurrierte. Jean Cassou etwa wurde zum 1. Oktober 1945 zurück auf die Position als Direktor des neu aufzubauenden Musée d’Art Moderne berufen. Seine retrospektive Beschreibung der Eröffnung des Museums in seiner Autobiografie macht seine Auffassung vom Verhältnis von Kunst und Staat und somit auch seine Vorstellungen von patrimoine sichtbar. Erstens bezeichnet er die Gründung des Musée d’Art Moderne als Erfüllung eines persönlichen Lebenstraums, der gleichzeitig eine wesentliche Lücke in der franzö­ sischen Museumslandschaft schloss, indem er der Kunst der Moderne einen eigenen öffentlichen Raum verschaffte. Zweitens betrachtet Cassou seine Berufung eben nicht nur als individuelle Erfüllung, sondern auch als Form der der Pflichtausübung gegenüber dem Staat bzw. dem „bien public“. Die Bezeichnung „bien public“ kann hier durchaus in 134 Ebd., S. 210 – 213. 135 Huyghe 1994, S. 149. 136 Cassou 1981, S. 224 – 225.

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einem doppelten Sinn verstanden werden, sowohl im abstrakten Sinn von Gemeinwohl als auch im materiellen Sinne von Gemeingut bzw. patrimoine. Denn mit der Gründung des Musée d’Art Moderne engagierte Cassou sich für nichts Geringeres als die endgültige Musealisierung und Kanonisierung der französischen Moderne, insbesondere der Ecole de Paris.137 Musealisierung bedeutet dabei zugleich, dass die hier ausgestellte Kunst der Moderne nunmehr unwiderruflich zu dem Inventar des unveräußerlichen und als öffentliches Gemeingut wahrgenommenen patrimoine gehörte. Cassous spezifisches Verständnis der französischen Kunst der Moderne äußert sich nicht nur auf der innerfranzösischen Ebene der Museumsneugründung. Nahezu zeitgleich zur Eröffnung des Musée d’Art Moderne war Cassou einer der Ansprechpartner für die von der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts organisierten Ausstellung „Peinture française moderne“, die geradezu wegweisenden Charakter für die französische Ausstellungspolitik im ­­Zeichen des rayonnement culturel erlangte. In seiner Einleitung für den Katalog der Ausstellung betonte Cassou die kulturelle Führungsrolle Frankreichs im Bereich der modernen Kunst und ihren aufklärerischen Bildungsauftrag. Dem französischen patrimoine kam in dieser Konzeption von Kulturpolitik die Aufgabe zu, durch seine kulturelle Strahlkraft die geistigen und moralischen Werte Frankreichs nach außen zu vermitteln.138 Gegenüber dieser bedeutenden Rolle, die Cassou für die Propagierung der französischen Moderne innerhalb wie außerhalb Frankreichs in den ersten Nachkriegsjahren spielte, ist nahezu in Vergessenheit geraten, dass er überdies Pionierarbeit für die publi­ zistische Aufarbeitung des nationalsozialistischen Kulturgutraubs in Frankreich leistete. Das Centre de Documentation Juive Contemporaine (CDJC ), das aus einer noch im Krieg vom jüdischen Résistance-­­Kämpfer Isaac Schneersohn ins Leben gerufenen Initia­tive zur Sammlung von Beweisen für die Judenverfolgung der Nationalsozialisten hervorgegangen war, beauftragte Cassou mit der Herausgabe einer Quellensammlung, in der die wichtigsten Dokumente zum Kunstraub in französischer Übersetzung zusammengefasst werden sollten. Die Quellensammlung erschien 1947 unter dem Titel „Le pillage des œuvres d’art et des bibliothèques appartenant à des Juifs en France“ und versammelte nach zwei einführenden Aufsätzen von Cassou und Jacques Sabile zum Begriff des Kunstraubs und zur Kunstpolitik und Ästhetik des „Dritten Reichs“ die wichtigsten Anordnungen und Korrespondenzen der deutschen Dienststellen sowie Aktenauszüge zu den Reaktionen der Vichy-­­Regierung. Im Anhang waren eine von Albert Henraux verfasste Notiz zu den Aufgaben der CRA sowie eine Besprechung der Ausstellung „Les chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne“ abgedruckt.139 Insbesondere aus den einleitenden Aufsätzen spricht eine scharfe Kritik an der nationalsozialistischen Politik, aber auch an der Bereitschaft der Vichy-­­Regierung, antijüdische 137 Cassou 1981, S. 225 – 226. 138 Cassou 2011, S. 37 und S. 39 – 41. Vgl. auch Schieder 2005, S. 40. 139 Cassou 1947.

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Maßnahmen umzusetzen und sich an jüdischem Vermögen zu bereichern. Die Aufsätze enthalten somit eine Rückbindung des Kulturgutraubs an die Shoah, die in den meisten zeitgenössischen Narrativen des Kulturgutraubs, etwa in den Selbstzeugnissen der MFA &A, fehlt. Dass andererseits Franz Graf Wolff-­­Metternich einen französischsprachigen Schlussbericht über die Aktivitäten des deutschen Kunstschutzes für den Quellenbericht beitrug, gab ­diesem letztlich eine Plattform zu einer beschönigenden und den Kunstschutz entlastenden Selbstdarstellung, die dessen positive Rezeptionsgeschichte in der französischen Museumsverwaltung beeinflusst haben dürfte. Die in den späteren Memoiren wiederkehrenden Motive, die Kunstschutz und Résistance verknüpfen und daraus eine Opposition zum Vichy-­­Regime sowie über das gemeinsame Kunstinteresse hergestellte Allianzen konstruieren, sind also bereits in der ersten Quellendokumentation zum NS -Kulturgutraub angelegt. Dass Cassou an einer Dokumentation des nationalsozialistischen Kulturgutraubs arbeitete und zur selben Zeit das kulturelle Ausstrahlen der französischen Moderne durch Ausstellungen in Deutschland unterstützte und befürwortete, mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen. Tatsächlich ist Cassous Arbeit für das CDJC als Kontinuität seines langjährigen politischen Engagements und insbesondere seiner Positionierung als aktiver Résistance-­­Kämpfer zu sehen. Kunstgegenstände spielten in d­ iesem spezifischen Zusammenhang vor allem als Kategorie geraubten materiellen Vermögens eine Rolle. Die von ihm formulierte Programmatik des rayonnement culturel hingegen ist weniger als politisches Manifest, sondern als Ausdruck seiner Konzeption von moderner Kunst zu sehen, die nicht von der materiellen Dimension von Kunstgegenständen als Wertobjekt, sondern von ihrer ideellen Bedeutungsebene ausgeht. Da in beiden Fällen völlig unterschiedliche Aspekte von Kunst und patrimoine im Vordergrund standen, war es durchaus miteinander vereinbar, dass Cassou einerseits den nationalsozialistischen Kulturgutraub mitsamt seiner Vichy-­­Verstrickungen im Dienste der récupération artistique öffentlich machte, andererseits mit seiner Programmatik des rayonnement culturel aber auch die ersten Schritte für eine deutsch-­­französische kulturelle Annäherung förderte. Im Annäherungsprozess in den deutsch-­­französischen Kunstbeziehungen tat sich im Übrigen nicht nur Jean Cassou hervor. 1950 trat Germain Bazin gemeinsam mit dem Karlsruher Museumsdirektor Kurt Martin als Kurator für die in deutsch-­­französischer Kooperation organisierte Ausstellung „Des Maîtres de Cologne à Albert Dürer“ auf. Die lange Entwicklungsgeschichte der Ausstellung, deren Konzeption in ihren Grundzügen bereits 1946 angedacht wurde, spiegelt indirekt die Transformation der franzö­sischen Kunstpolitik in Deutschland von einer reinen ré-­­éducation zu einer Annäherung und Kooperation wider. Dieser Wandel kommt auch in Bazins Katalogvorwort zum Ausdruck, der die Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte der altdeutschen Malerei und die deutsch-­ französischen kunsthistorischen Debatten des 19. Jahrhunderts um die Ursprünge der Gotik nicht als Geschichte der Abgrenzung und Konkurrenz, sondern der geographischen und kulturellen Nähe ­zwischen den beiden Ländern und ihren kunsthistorischen ­Traditionen

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erzählt.140 Schon die Nachfolgeausstellung dieser ersten Präsentation von Kunstwerken deutscher Herkunft in der Orangerie, die 1951 ebenfalls in Paris gezeigte Schau „Impressionistes et romantiques français dans les musées allemands“ bezeugt jedoch, dass diese deutsch-­­französische Kooperation fragil blieb und noch nicht ganz von Ressentiments befreit war. Bazins Vorwort zu d ­ iesem Katalog blieb tendenziös und behauptete, dass die deutschen Museen, die frühzeitig mit dem Sammeln der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts begonnen hatten, trotzdem gleichzeitig deren Wesen verkannt hätten und die deutsche künstlerische Entwicklung der französischen im Übrigen nach wie vor hinterher hinke.141 Allen Annäherungsbemühungen zum Trotz blieben die deutsch-­­französischen Kunstbeziehungen also durchaus von Animositäten und Vorbehalten belastet. Versucht man abschließend, sich von der Mikroebene einzelner Akteure aus dem Museumsbereich zu distanzieren, so scheint die Gleichzeitigkeit von nationalistisch motivierter récupération artistique und auf rayonnement culturel und deutsch-­­französische Annäherung abzielender Kunstpolitik von großer Widersprüchlichkeit zu zeugen. Letzten Endes lassen sich aber diese scheinbaren Gegenpole als verschiedene Ausprägungen einer durch Kunst und patrimoine zum Ausdruck gebrachten Affirmation Frankreichs als Siegermacht und Kulturnation verstehen. Die récupération artistique trug dabei zum innerfranzösischen materiellen Wiederaufbau bei, indem sie die Wiederherstellung des durch den Eingriff der deutschen Besatzer geschmälerten kulturellen Reichtums vorantrieb. Gleichzeitig kommunizierte das rayonnement culturel nach außen, dass Frankreichs kultureller Führungsanspruch ungebrochen war und weder die materiellen Verluste noch die politischen Brüche von Vichy und Besatzung der Modernität und dem Einfluss der französischen Kunst etwas hatten anhaben können. Beide Formen dieser nationalen Affirmation spielten mit dem Begriff des „Meisterwerks“ oder „chef-­­d’œuvre“. In der Ausstellung der „chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne“ diente diese Rhetorik ganz unverhohlen der Selbstinszenierung als Siegermacht und war gleichermaßen an das französische Publikum und die Alliierten adressiert. In den Ausstellungen der Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts hingegen war sie nur unterschwellig präsent und ordnete sich dem Hauptziel der Vermittlung der französischen Moderne unter. Verortet man schließlich den patrimoine-­­Diskurs der frühen Nachkriegsjahre in der Langzeitperspektive der Begriffsgeschichte, so zeigt sich, dass die Funktionen der Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung Frankreichs nach innen wie nach außen keineswegs nur den Jahren nach 1945 eigen waren. Die Besinnung auf kulturelles Erbe als Überwindung der Traumata von Krieg, Beschlagnahme und Zerstörung ordnet sich in eine Kontinuität ein, die sich bis zur Französischen Revolution zurückverfolgen lässt.142 Gleichzeitig 140 Arnoux 2006, S. 58 – 62. 141 Bazin 2011, S. 74 – 76. 142 Savoy 2003, S. 142.

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hat die Funktion der Selbstdarstellung Frankreichs als Kulturnation über den Rückgriff auf das eigene patrimoine seit den 1960ern eher noch zugenommen, wie museale Großprojekte wie der Bau des Centre Pompidou in den 1970ern, die Erweiterung des Louvre in den 1980ern und selbst neuere Projekte wie das Musée du Quai Branly oder zuletzt die Eröffnung des Musée des Civilisations Européennes et Méditerranéennes in Marseille beispielhaft verdeutlichen können. Die Jahre nach 1945 markierten insofern nicht unbedingt einen Bruch, sondern verorten sich in einer langfristigen Kontinuität des französischen kulturellen Selbstverständnisses.

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8. Fazit Wiesbaden im Mai 1946 – im Collecting Point werden Kunstwerke französischer Provenienz identifiziert und für ihre Rückführung nach Frankreich verpackt. Zwischendurch finden Rose Valland und Edith Standen Zeit, für Fotos zu posieren (Abb. 12). Vielfach publiziert, sind einige dieser Fotos inzwischen fester Bestandteil der Bilddokumentation der franzö­ sischen Rückführungen geraubter Kunstwerke geworden. Aus ihren Bedeutungsebenen lassen sich strukturelle, akteurszentrierte und objektbezogene Dimensionen der interalliierten Zusammenarbeit bei der Rückführung von Kulturgütern herleiten. Zum Zeitpunkt, als die Aufnahmen in Wiesbaden gemacht wurden, hatte die Zusammenarbeit ­zwischen der MFA&A und den französischen Abgesandten der CRA sich strukturell gerade gefestigt. Die Bergungen von Kulturgütern während des alliierten Vormarschs, des Kriegsendes und in den ersten Nachkriegsmonaten hatten zwar bereits ab der zweiten Jahreshälfte 1944 erste französisch-­­amerikanische Kontaktaufnahmen herbeigeführt; die Bergungspraxis in den Depots auf deutschem Boden war aber von territorialen Abgrenzungen und wechselseitigen Zugangsbeschränkungen geprägt. Erst nach der Einrichtung der Collecting Points und der Festlegung auf das Prinzip der Entsendung von alliierten Repräsentanten an den CCP München wurde die Kooperation in der Rückführungspraxis reglementiert. Bis Frühjahr 1946 waren die Rückführungen der in Neuschwanstein deponierten französischen Sammlungen abgeschlossen, man arbeitete an der Identifizierung weiterer großer französischer Privatsammlungen im CCP München und versuchte zugleich, durch Verhöre und die Auswertung von Dokumenten zum NS-Kulturgutraub die Mechanismen des Entzugs zu rekonstruieren. Die Praxis der Identifizierung und Rückführung blieb dabei nahezu unberührt von den restitutionspolitischen Debatten im Alliierten Kontrollrat, der erst ein Jahr später zu einem Kompromiss über das Prinzip der restitution in kind gelangen sollte. Ungeachtet dieser restitutionspolitischen Uneinigkeit inszenierte gleichzeitig im Sommer 1946 die Ausstellung „les chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Alle­ magne“ die französisch-­­amerikanische Zusammenarbeit demonstrativ als Erfolgsgeschichte und Kooperation zweier Siegermächte. Spätestens ab 1947 verstärkten sich die Auswirkungen der amerikanischen Besatzungspolitik auf die französisch-­­amerikanische Rückführungspraxis. Die Verabschiedung des Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögenswerte stärkte die Interessen jüdischer Nachfolgeorganisationen und legte offen, dass es den französischen Restitutionsprinzipien widersprach, durch die Übergabe von erbenlosem Vermögen an jüdische Organisationen eine spezifische Opfergruppe bevorzugt zu behandeln. Stärker als diese Uneinigkeit nahm Frankreich jedoch den Abschluss des amerikanischen Restitutionsprogramms als Gefährdung der französischen Rückführungsinteressen wahr. Die Abgabe von Zuständigkeiten an die Treuhänderschaft der Ministerpräsidenten von

Hessen und Bayern führte dazu, dass parallel zum schrittweisen Rückzug der Amerikaner die Deutschen zu neuen Verhandlungspartnern in der Gestaltung der Restitutionspolitik wurden. Dass somit die Verantwortung für die Zukunft von Restitutionen in die Hände des Landes gelegt wurde, das für den Entzug der Kulturgüter verantwortlich gewesen war, wurde auf französischer Seite ausgesprochen kritisch gesehen und führte zeitweilig dazu, dass das Prinzip der restitution in kind zu einem potenziellen Druckmittel gegenüber der Bundesrepublik umgedeutet wurde. Dennoch stellte Frankreich die Übergabe der verbleibenden Restitutionen an die Bundesrepublik nicht grundsätzlich in Frage. Tatsächlich verloren die Rückführungsinteressen zu Beginn der 1950er Jahre im Kontext von Westintegration und ersten Schritten in Richtung eines westeuropäischen Einigungsprozesses auch in Frankreich deutlich an Bedeutung. Mit dem Ende der unter direkter amerikanischer und französischer Zuständigkeit stehenden Restitutionsprogramme in Deutschland fanden Kulturrestitutionen dennoch nicht völlig ihren Abschluss. Die den Bestimmungen der alliierten Rückerstattungsgesetzgebung folgende innere Restitution unterstand bis zum Inkrafttreten des Überleitungsvertrags der indirekten Aufsicht der Alliierten, während die Hoheit über die äußere Restitution bis 1955 bei den Amerikanern verblieb und sich die Alliierten darüber hinaus vorbehielten, noch bis 1956 bei der Treuhandverwaltung für Kultur­güter Rückerstattungsanträge für äußere Restitutionen einzureichen.1 In Ermangelung einer direkten personellen Präsenz der alliierten Vertreter in Westdeutschland verlagerte sich die Praxis dieser fortgesetzten äußeren Restitution zunehmend auf die diplomatische Ebene: Im amerikanischen State Department blieb Ardelia Hall als Arts and Monuments Officer für Kulturgüterschutz zuständig, während in Frankreich Rose Valland im Service de Protection des Œuvres d’Art zwar der Direction des Musées de France und damit dem Erziehungsministerium zugeordnet war, aber für die Bearbeitung von Restitutionsfällen in regelmäßigem Kontakt mit dem französischen Außenministerium stand. Deutsche Verhandlungspartnerin war für beide jeweils die Treuhandverwaltung für Kulturgüter beim Auswärtigen Amt. Die interalliierte Zusammenarbeit bei den Kulturrestitutionen wurde somit ab Mitte der 1950er Jahre von den jeweiligen bilateralen Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland abgelöst. Kunstrestitution war zwar nicht mehr Teil eines offiziellen politischen Diskurses, wurde aber durchaus weiterhin fortgesetzt.2 Tatsächlich erlaubte eine Revision des 1957 in Kraft getretenen Bundesrückerstattungsgesetzes, das in der Nachfolge der alliierten Gesetzgebung stand und eigentlich primär die Kontinuität der inneren Restitution sicherte, auch französischen Anspruchstellern die Einbringung von Anträgen, sofern diese einen Transfer des entzogenen Vermögens auf das Territorium des Deutschen Reiches nachweisen konnten.3 Nachdem in den unmittelbaren Nachkriegsjahren die Vermögenskategorie der Kulturgüter gesondert von den übrigen restitutionspflichtigen 1 Gramlich 2018, S. 250 – 252. 2 Bouchoux 2013, S. 152 – 168. 3 Le Masne de Chermont 2008, hier S. 32 – 35.

372 I Fazit

behandelt worden war, ging die Kunstrestitution in den 1950er Jahren zunehmend in den allgemeinen Praktiken der westdeutschen Wiedergutmachung auf.4 Dass die französischen Rückführungen mit einer zahlenmäßigen Bilanz von 61.233 zurückgeführten Objekten, von denen 45.441 an ihre Eigentümer restituiert wurden, ausgesprochen erfolgreich waren 5, ist auch auf den Faktor der persönlichen Beziehungen ­zwischen den französischen Repräsentanten und den MFA &A-Mitgliedern zurückzuführen. Bereits vor Kriegsende spielte informeller, die Hierarchien umgehender Informationsaustausch ­zwischen Rose Valland und James Rorimer eine wesentliche Rolle für die Auffindung der Auslagerungsdepots. Auch während der Besatzungszeit entwickelte sich Valland zu einer zentralen Mittlerfigur, weil sie im Unterschied zu ihren Kollegen am CCP München nicht örtlich gebunden blieb, sondern deutschlandweit sowie in Österreich auf Missionen ging und durch ihr Verhandlungsgeschick selbst in der sowjetischen Zone einzelne Rückführungen erreichen konnte.6 Daneben zeigt das Beispiel von Elie Doubinsky am CCP München, dass die Persönlichkeit einzelner Akteure die Wahrung der französischen Interessen stützen konnte – Doubinskys Hartnäckigkeit und seinem guten Verhältnis zum CCP -Direktor Stephan Munsing war es zu verdanken, dass die franzö­ sische Restitutionsmission neben der österreichischen am CCP München die einzige war, die die zwischenzeitliche Schließung des CCP 1949 überdauerte, und Frankreich selbst nach der Übergabe der Bestände an den bayerischen Ministerpräsidenten Einblicke in die Abläufe in München behielt. Allerdings zeigt sich gerade im Falle Doubinskys, dass die französische Präsenz in München auf amerikanischer Seite auch kritisch gesehen wurde. Dass Doubinsky den CCP München 1951 gegen seinen Willen verlassen musste, war dabei nur der Endpunkt jahrelanger amerikanischer Maßnahmen, um den Zugang der Franzosen zum CCP einzuschränken und zu kontrollieren. Bereits 1946 hatte die CRA sich darum bemüht, zusätzlich zur etablierten französischen Restitutionsmission eine zweite Delegation nach München zu ­schicken, die sich auf die Aufarbeitung der von der ALIU gesammelten Informationen zum NS -Kulturgutraub spezialisieren sollte. Sowohl dieser Vorstoß als auch spätere Versuche, weitere Delegierte nach München zu entsenden, scheiterten jedoch am Veto der amerikanischen Militärregierung. In letzter Konsequenz bedeutete dies, dass die USA das Monopol über die Akten zum Kulturgutraub und die Daten zu den wiederaufgefundenen Kulturgütern besaßen und den Zugang reglementierten. Gute persönliche Beziehungen der Franzosen zu den amerikanischen – und genauso im 4 Wie genau die Treuhandverwaltung für Kulturgut Restitutionsansprüche bearbeitete und inwieweit sich in Rückerstattungsverfahren nach dem BRüG dennoch objektspezifische Verfahrensweisen im Umgang mit Kulturgütern entwickelten, bleibt nach wie vor ein Forschungsdesiderat, da auch die Forschungen von Constantin Goschler und Jürgen Lillteicher zur Wiedergutmachung nur wenig auf die Spezifik von Kunstrestitution eingehen. Vgl. Gramlich 2018, S. 248. 5 Legueltel 2017, S. 1. 6 Cœuré 2017.

Fazit  I  373

Übrigen den deutschen – Mitarbeitern des Münchner CCP waren daher auch deshalb so zentral, weil sie die Chancen auf Zugang zu Wissen, den Fortgang von Ermittlungen und weitere Rückführungen erhöhten. Die Fallbeispiele einzelner strittiger Claims zeigen jedoch, dass der persönliche Austausch auf der niedrigsten hierarchischen Ebene der jeweils zuständigen Restitutionsabteilungen keineswegs Garant für erfolgreiche Rückführungen war. Selbst wenn die französischen Abgesandten und die MFA&A-Mitglieder grundsätzlich ihr Interesse an der Bewahrung und Rückgabe von Kulturgütern teilten, differierten ihre Vorstellungen davon, wie umfassend und an wen restituiert werden sollte. Aus Konflikten wie der Debatte um Foto-­­Marburg oder den Übergaben an die JCR wird deutlich, dass die Fälle, in denen sich die Restitutionsabteilungen selbst nicht einig wurden, in der Hierarchie der Militärverwaltung nach oben zu den politischen Beratern wanderten. Wurde auch hier keine Einigung erzielt, schaltete Frankreich den Botschafter in den USA ein und machte aus den Restitutionsdebatten ein Thema der Diplomatie. Für die Handlungsspielräume der Akteure lässt sich aus ­diesem Befund der Schluss ziehen, dass die Initiativen der Restitutionspraxis weitgehend von unten nach oben verliefen und es durchaus Raum für die eigene Gestaltung der Rückführungen gab. So waren allein schon die Etablierung und Organisationsprinzipien der Collecting Points von den MFA&A-Offizieren selbst entwickelt worden, Monate bevor der Alliierte Kontrollrat die Rückgaben nach dem Länderprinzip als Modus für die äußere Restitution bestätigte. Auch in der französischen Besatzungszone, wo der Aufbau des Baden-­­Badener CCP sich explizit am amerikanischen Vorbild orientierte, kamen die Impulse zur praktischen Einrichtung der récupération artistique eher von den Beaux-­­Arts-­­Offizieren selbst, als dass sie durch ministerielle Vorgaben oder Besatzungsdirektiven konkret ausformuliert worden wären. In beiden Zonen waren die Spielräume bei der praktischen Ausgestaltung der Restitutionsprogramme auch darauf zurückzuführen, dass die Direktiven der jeweils übergeordneten Ministerien und oberen Ränge der Besatzungsverwaltungen zwar das Prinzip der Restitution grundsätzlich festschrieben, aber kaum Vorgaben für die praktische Umsetzung enthielten. Noch stärker als für die Restitutionspolitik, bei der das Fehlen detaillierter Vorgaben anfangs durch den Verweis auf die noch ausstehenden Entscheidungen des Alliierten Kontrollrats kompensiert wurde, galt dies für die Kunstpolitik in beiden Besatzungszonen, die von der hohen Eigeninitiative der Beaux-­­Arts- und MFA&A-Offiziere geprägt war. An die Grenzen ihrer Handlungsspielräume stießen die Akteure jedoch, sobald einzelne Objektbestände ausdrücklich zum Gegenstand politischer Interessen wurden, etwa als beim Abtransport der Berliner Bilder 1945 kurzzeitig die Nutzung von Kunstwerken als Reparationen zur Debatte stand oder als 1948 Bestände an Italien restituiert wurden, weil die amerikanische Militärregierung fürchtete, dass eine Ablehnung des italienischen Gesuchs dort eine anti-­­amerikanische Stimmung heraufbeschwören und sich negativ auf die anstehenden Wahlen auswirken könnte. Mehr noch als diese punktuellen Instrumentalisierungen von Kunstbewahrung und Restitutionen durch die US-Regierung waren es jedoch

374 I Fazit

die engen Fristen für das Restitutionsprogramm, der vergleichsweise geringe Stellenwert der Kulturrestitutionen innerhalb der gesamten amerikanischen Besatzungspolitik und die Geringschätzung kulturpolitischer Initiativen, die die MFA &A in ihren Möglichkeiten beschränkten. Da die französische Restitutionsmission ihrerseits von der Fortführung des amerikanischen Programms abhing, wirkten sich diese Faktoren direkt auf die Handlungsspielräume der französischen Akteure in der amerikanischen Zone aus. Die Restitutionspraxis war dabei nicht allein von den politischen Handlungsspielräumen und der Zusammenarbeit der Akteure bestimmt, sondern wurde auch von ihrem jeweiligen Selbstverständnis als Kunstexperten und Kulturschützer beeinflusst. Das Auftreten der amerikanischen MFA &A war vor allem im Kontext der Befreiung und der ersten Nachkriegsmonate zutiefst geprägt von einer Selbstwahrnehmung als uneigennützig auftretende Bewahrer des europäischen Kulturerbes. Dabei wird am Beispiel der token restitutions und der Inszenierung von „masterpieces“-Ausstellungen an Bergungsorten und Sammelstellen eine deutliche Fokussierung auf Kulturgut aus dem öffentlichen Eigentum der europäischen Länder sichtbar, die die Privatsammlungen jüdischer Eigentümer weitgehend ausblendet. Die Gründe für diese Diskrepanz sind zum Teil in der Art der Quellen selbst angelegt, die für die Analyse des amerikanischen Selbstverständnisses herangezogen werden können. Die Ego-­­Dokumente der MFA &A-Offiziere konstruierten ein Selbstbild, in dem Kunstschutz und Nachkriegsrestitution als „Rettungsmission“ des europäischen Kulturerbes und weniger als Wiedergutmachungsinitiative nach dem Holocaust verstanden wurde. Ein zweiter Faktor für das Missverhältnis in der Wahrnehmung öffentlichen und privaten Eigentums liegt darin begründet, dass die MFA &A-Offiziere mehrheitlich Kunsthistoriker waren, die aus ihrer eigenen beruflichen Praxis heraus gewohnt waren, mit einem Kanon der europäischen Kunstgeschichte zu arbeiten und sich dafür vorwiegend auf museal relevante Kulturgüter zu konzentrieren. Infolgedessen wurden im Narrativ der „Rettungsmission“ nur s­ olche Privatsammlungen berücksichtigt, die aufgrund ihrer Größe und kunsthistorischen Bedeutung mit musealen Sammlungen vergleichbar waren. Der Fokus auf das museumswürdige Kulturgut spiegelt sich noch stärker in den französischen patrimoine-­­Konzeptionen wider. Die Debatten um die restitution in kind und die Inszenierung der „chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne“ zeigen, dass für die Definition dessen, was als Teil des patrimoine artistique galt, die Diffe­ renzierung nach öffentlichem und privatem Eigentum zunächst unerheblich war. Auch Privateigentum wurde zum französischen Kulturerbe gezählt und als solches zurückgefordert; dasselbe galt für Kunstgegenstände, die unter den Bedingungen der deutschen Besatzung auf dem Pariser Kunstmarkt ihren Besitzer gewechselt hatten. Speziell die nähere Betrachtung der Konzepte zur Umsetzung der restitution in kind zeigt aber, dass die musealen Interessen letztlich höher priorisiert wurden als die privater Eigentümer; denn in kind zurückgefordert werden sollten Museumsobjekte aus deutschen Sammlungen, die anschließend gerade nicht an die geschädigten Privateigentümer gehen, sondern den französischen Museen einverleibt

Fazit  I  375

werden sollten. Privateigentümer sollten stattdessen finanziell entschädigt werden. Diese Bereicherung der Museumssammlungen lässt sich durchaus in Kontinuität zum Gebrauch des Vorkaufsrechts der Museen bei der Liquidierung jüdischer Privatsammlungen zur Zeit des Vichy-­­Regimes interpretieren.7 War es in d ­ iesem Zusammenhang noch darum gegangen, die Schmälerung des französischen patrimoine durch Abwanderung ins Ausland zu verhindern und zugleich die Museumssammlungen zu erweitern, so ging es nun darum, den potenziellen Zugang von Kulturgut nach Frankreich zu reglementieren und das Abwandern von Objekten in Privatsammlungen zu verhindern. Um die Ambivalenz der Unterscheidung von öffentlichem und privatem Eigentum sowie nicht-­­musealer und musealer Bedeutung von Kulturgut noch greifbarer zu machen, wäre auch die Betrachtung der Akteursbeziehungen ­zwischen Museumsleuten und den beraubten, nach 1945 durch Restitutionen entschädigten privaten Kunstsammlern relevant. Privatsammler wie David David-­­Weill waren bereits vor dem Zweiten Weltkrieg als Stifter und Mäzene in Erscheinung getreten und den französischen Museen insofern eng verbunden. David-­ Weill hatte überdies den Museumskurator René Huyghe während dessen früher Karriere gefördert und protegiert. Sammler wie Robert de Rothschild veranlassten nachweislich in der Nachkriegszeit aus Dankbarkeit für die Restitution ihrer Sammlungen verschiedene Schenkungen an die Museen. Die persönlichen Beziehungen ­zwischen Museumsleuten und privaten Kunstsammlern oder Händlern – die sich letztlich alle im gleichen Pariser Kunstmilieu bewegten – dürften sich daher auch in den an die CRA gerichteten Rückerstattungsanträgen der Sammler und Händler und den darauffolgenden Briefwechseln mit den Experten der CRA widerspiegeln. Im Rahmen dieser Studie konnten diese Beziehungen nicht eingehend betrachtet werden. Sie zu untersuchen wäre auch deshalb interessant, weil sie ganz allgemein die Restitutionspraxis der CRA innerhalb Frankreichs, also die Etappe nach den Rückführungen aus Deutschland, weiter erhellen würden. Da die bedeutenden Sammler und Mäzene außerdem als potenzielle Stifter wichtige Kontakte für die Nationalmuseen darstellten und langfristig zu deren Bereicherung beitragen konnten, dürfte die Analyse des Verhältnisses z­ wischen Sammlern und Akteuren der CRA außerdem weitere Rückschlüsse auf Konzeptionen von patrimoine artistique, von öffentlichen und privaten Eigentumsverhältnissen zulassen. Betrachtet man den Umgang mit Kulturgütern in der unmittelbaren Nachkriegszeit schließlich ausgehend von der Objektebene, so lassen sich die parallel laufenden, aber scheinbar weitgehend voneinander unabhängigen Interessen für Restitution einerseits und Ausstellungspolitik andererseits auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Beide Umgangsformen machen sichtbar, wie intensiv Kulturgüter in den ersten Jahren nach 1945 für verschiedene Formen von cultural diplomacy herangezogen wurden und ­welche vielfältigen Funktionen sie dabei erfüllten.

7 Karlsgodt 2011, S. 233 – 234.

376 I Fazit

Erstens wurden Kulturgüter bei Ausstellungen als Teil klassischer Kulturpolitik eingesetzt. Die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts in der französischen Besatzungszone tat sich nach 1945 im Rahmen der ré-­­éducation mit einem umfassenden Ausstellungsprogramm hervor, das mit dem Prinzip des rayonnement culturel die ungebrochene Kontinuität und Strahlkraft der französischen modernen und zeitgenössischen Kunst unterstrich und zugleich mit kulturgeschichtlichen Ausstellungen wie „France – Pays de Bade“ die historischen Wurzeln deutsch-­­französischer kultureller Austauschprozesse in Erinnerung rief. Die Sous-­­Direction des Beaux-­­Arts bediente sich hier des französischen patrimoine, um nach außen hin die kultu­ relle Bedeutung Frankreichs zu demonstrieren, aber auch, um auf eine deutsch-­­französische Annäherung hinzuarbeiten. Dass damit in scheinbar widersprüchlicher Weise eine inte­ grative, versöhnliche Kulturpolitik betrieben wurde, während die ­gleiche Sous-­­Direction parallel die récupération artistique geraubter Kulturgüter beaufsichtigte, um das nationale patrimoine wieder aufzurichten, ist nicht unbedingt Ausdruck von Diskrepanzen in den Pariser und Baden-­­Badener Konzeptionen der französischen Deutschlandpolitik. Vielmehr ist die scheinbare Widersprüchlichkeit Ausdruck einer „doppelten Deutschlandpolitik“: Wenngleich vor allem Pariser Stellen einerseits maximalistische Revancheforderungen formulierten, auch um innenpolitischen Krisen und einer germanophoben Stimmung in der französischen Bevölkerung Rechnung zu tragen und um gegenüber den übrigen Alliierten zumindest minimale Konzessionen zu erreichen, war die Besatzungspraxis de facto bereits frühzeitig von Pragmatismus und einem Nebeneinander von bestrafenden und konstruktiven Elementen geprägt.8 Auch die MFA&A in der amerikanischen Besatzungszone engagierte sich mit einem Ausstellungsprogramm kulturpolitisch. Anfangs weniger explizit auf die re-­­education hin konzipiert als die Ausstellungen in der französischen Besatzungszone, dienten die mit deutschen Museumsbeständen in Bergungsdepots und Collecting Points zusammengestellten Schauen zunächst der positiven Selbstdarstellung. Speziell in Wiesbaden erfolgte diese Inszenierung auch in Reaktion auf den Abtransport der 202 Berliner Bilder. Erst ab 1947 wurden die Ausstellungen im CCP Wiesbaden zunehmend im Sinne einer re-­­education konzipiert, um die nationalistischen Deutungsmuster in der deutschen Kunstgeschichte zu entkräften, indem die gesamteuropäischen Entwicklungslinien in der Kunst und die Einbettung deutscher Kulturtraditionen in die western civilization aufzeigt wurden. Kulturgüter wurden zweitens als diplomatische Instrumente eingesetzt. So dienten die token restitutions, mit denen die USA den Auftakt der Rückgabe von NS-Raubgut an seine Herkunftsländer öffentlichkeitswirksam in Szene setzte, dem doppelten Ziel der Selbstdarstellung als Siegermacht und der Stärkung der diplomatischen Beziehungen zu den befreiten europäischen Ländern. Wie das Beispiel der „chefs-­­d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne“ in Paris zeigt, konnte sich auch die diplomatische Instrumentalisierung von Kunst und Restitution in Form von Ausstellungen äußern; darüber hinaus 8 Hüser 1996, S. 518 – 557.

Fazit  I  377

überlagerten sich bei dieser Ausstellung die Funktionen der Stärkung zwischenstaatlicher Beziehungen mit der der Selbstdarstellung Frankreichs nicht als befreites Land, sondern als Siegernation. Beide Nutzungsformen von Ausstellungen, sowohl die kulturpolitischen Programme in den Besatzungszonen als auch die für diplomatische Zwecke inszenierten Schauen, bedienten sich dabei einer Rhetorik des Meisterwerks, die in den ersten Nachkriegsjahren europaweit verbreitet war.9 Sie beschränkte sich bei weitem nicht nur auf die token restitutions und die von den Besatzern geplanten Ausstellungen, sondern wurde auch von deutschen Museumsleuten verwendet, die parallel zum alliierten Kulturprogramm ihrerseits mit Hilfe der Meisterwerke aus ihren geborgenen Museumsbeständen zeigten, dass das deutsche kulturelle Erbe den Krieg überstanden hatte. Wenngleich das jeweils adressierte Publikum dieser Ausstellungen und die Detailkonzeptionen im Einzelnen differierten, bleibt ihnen ihr Kernzweck einer nationalen Selbstinszenierung und kulturellen Reaffirmation gemeinsam: Indem man die Meisterwerke der europäischen Kunst präsentierte, versicherte man sich und der Welt, dass der Kern der europäischen Kultur die Barbarei von Nationalsozialismus und Weltkrieg überstanden hatte und man für den Wiederaufbau an diese kulturelle Tradition anknüpfen konnte. Drittens ordneten sich Kulturgüter nach 1945 nicht nur in die Kontexte von Kulturpolitik und Diplomatie ein, sondern situierten sich innerhalb der alliierten Besatzungspolitik auch im Spannungsfeld von Reparation und Restitution. Dass eine Restitution von NS-Raubgut nach dem Nationenprinzip an die europäischen Herkunftsländer erfolgen sollte, war unter den Westalliierten Konsens und wurde bereits im Dezember 1945 vom Alliierten Kontrollrat beschlossen. Ob und inwieweit Kulturgüter darüber hinaus für Kriegsreparationen eingesetzt werden sollten, war ungleich umstrittener. Die frühen Planungsstadien des Abtransports der 202 Berliner Bilder oder die französischen Konzeptionen der restitution in kind verdeutlichen dabei nicht nur, dass auch die Westalliierten grundsätzlich über die Möglichkeit nachdachten, deutsche Museumssammlungen für Reparationen heranzuziehen. Sie machen auch sichtbar, dass es den politischen Akteuren mitunter schwerfiel, Restitution und Reparation konzeptionell eindeutig voneinander zu trennen, und dass die Kompensationsdiskurse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die schon im ­Ersten Weltkrieg zu einer Verquickung von politisch instrumentalisiertem Kunstschutz und Reparation geführt hatten, auch in den Verhandlungen nach 1945 zumindest unterschwellig fortwirkten. Dass Kulturgütern nach 1945 so vielfältige Funktionen zukommen konnten, liegt in der ihnen inhärenten Spezifik begründet, dass sie materieller Vermögenswert und ideeller Bedeutungsträger zugleich sind. Die potenzielle Vieldeutigkeit von Kulturgütern ermöglichte es, materielle Aneignung(sinteressen) durch eine Verbindung kunsthistorischer und nationalistischer Interpretationen der Güter zu rechtfertigen. Im Kontext der ­­Restitutions 9 In Brüssel wurde z. B. 1948 eine Ausstellung mit den Meisterwerken von aus Deutschland zurückgeführten Kunstwerken eröffnet, vgl. Palais des Beaux-­­Arts 1948.

378 I Fazit

und Reparationspolitik überlagerten sich diese Bedeutungszuschreibungen zugleich mit der materiellen Wertdimension der Gegenstände. Wenngleich die Restitution von Kulturgütern innerhalb der alliierten Restitutionspolitik eine besondere Vermögenskategorie darstellte, deren Handhabung andere Regulierungen erforderte als industrielle Güter oder Grundbesitz, so stand dennoch vorwiegend die Bedeutung der Kulturgüter als quantifizierbarer Vermögenswert und weniger ihre individuelle künstlerische Relevanz im Vordergrund. Indem die récupération artistique diese materielle Dimension der Kulturgüter mit dem Konzept des patrimoine verknüpfte, verlieh sie jedoch der Rückführungspolitik eine nationale Bedeutung, die über die Politik der Rückerstattung von Gütern an private Eigentümer hinausging: Da das zurückgeführte Privateigentum als Teil des französischen Kulturerbes gedeutet wurde, konnte dessen Rückkehr als Beitrag zu einem nationalen Wiederaufbau und einer Reaffirmation als Kulturnation interpretiert und inszeniert werden. Die Akteure, die diese Politik vor Ort umsetzten, nahmen sich dabei als uneigennützig im Dienste der Kultur agierende Vermittler wahr. Sie stilisierten die Bergung und Rückführung zu einer hochmoralischen „Rettungsmission“ oder sahen in ihrem persönlichen Einsatz für das nationale patrimoine eine Sinnstiftung angesichts von Kriegs- und Besatzungserfahrung. Nichtsdestotrotz war ihr Agieren als Kunsthistoriker politisiert; denn sowohl die Identifizierung und Restitution geraubter Kulturgüter als auch die Ausstellung von Kunstwerken, die den Krieg überstanden hatten, stellte kunsthistorische Kontexte letztlich in den Dienst von Wiedergutmachung und Wiederaufbau.

Fazit  I  379

Tafelteil Abb. 1

Edith Standen (l.) und Rose Valland (r.) im Mai 1946, Archives du Ministère des Affaires Etrangéres et Européennes, Dossier Rose Valland, 20160007AC/19, PR 96/19. Abb. 2 Militärparade durch Straßburg anlässlich der Restitutionszeremonie vom 4. November 1945. National Gallery of Art, Washington, D. C., Gallery Archives, MFAA-J2, James J. Rorimer Papers, Survival Research Files, 1940 – 1989. Abb. 3 Frauen in elsässischer Tracht vor dem Straßburger Münster anlässlich der Restitutionszeremonie vom 4. November 1945. National Gallery of Art, Washington, D. C., Gallery Archives, MFAA -J2, James J. Rorimer Papers, Survival Research Files, 1940 – 1989. Abb. 4 Claude Monet, La Rue Montorgueil. Fête du 30 juin 1878, Öl auf Leinwand, 81 × 50 cm, Musée d’Orsay, gemeinfrei; Wikimedia Commons Abb. 5 und 6 Restitutionskartei Mü-­­Nr. 8836, Tizian, “Portrait of Alphonso d’Este and his Secretary”, recto und verso, BArch, B 323/663. Abb. 7 Roéland Savery, Orphée charmant les animaux, Öl auf Holz, 32 × 52 cm, Musée du Louvre, MNR 952, bpk/RMN – Grand Palais, Foto: Gérard Blot. Abb. 8 Claude Monet, Falaise de Fécamp, Öl auf Leinwand, 65 × 100 cm, Musée d’Orsay, MNR 223, bpk/RMN – Grand Palais, Foto: Adrien Didierjea. Abb. 9 Rembrandt (zugeschrieben), L’Ange apparaissant à Manoah et sa femme, Federzeichnung auf Papier, 19 × 21 cm, REC 76, bpk/RMN – Grand Palais, Foto: Michel Urtado. Abb. 10 Nach Tizian, Le cardinal Georges d’Armagnac (1500 – 1585), ambassadeur à Venise et son secrétaire Guillaume Philandrier, Öl auf Leinwand, 102 × 116 cm, Musée du Louvre, MNR 959, bpk/RMN – Grand Palais, Foto: Franck Raux. Abb. 11 Das von Rose Valland als «Salle des Martyrs» bezeichnete Séparée mit der Kunst der Moderne im Jeu de Paume, Archives du Ministère des Affaires Etrangères et Européennes, 209SUP/991, Vue 005. Abb. 12 Edith Standen (l.) und Rose Valland (r.) im CCP Wiesbaden, Mai 1946, Archives du Ministère des Affaires Etrangéres et Européennes, Dossier Rose Valland, 20160007AC/19, photo sans cote.

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Abb. 11

Abb. 12

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Anhang Abkürzungsverzeichnis AAA ACLS ALIU AMAE AN BArch BCR BIA

B. R. BRD BRüG CAD CCP CORC CDJC CIR CRA DEP DGAAA DGER DIR DRDR EAC E&RA ERR FFI GFCC GMZFO HCRFA HICOG ICD JCR JRSO MFA

Archives of American Art American Council of Learned Societies Art Looting Investigation Unit Archives du Ministère des Affaires Etrangères Archives Nationales Bundesarchiv Bureau Central des Restitutions Bureau des Investigations Artistiques Bulletin de Renseignement Bundesrepublik Deutschland Bundesrückerstattungsgesetz Civil Affairs Division Central Collecting Point Coordinating Committee Centre de Documentation Juive Contemporaine Consolidated Interrogation Report Commission de Récupération Artistique Direction de l’Education Publique Direction Générale des Affaires Allemandes et Autrichiennes Direction Générale des Etudes et Renseignements Detailed Interrogation Report Directorate of Reparations, Deliveries and Restitution European Advisory Commission Education & Religious Affairs Branch Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg Forces françaises de l’Intérieur Groupe français au Conseil de Contrôle Gouvernement militaire de la Zone Française d’Occupation Haut-­­Commissariat de la République Française en Allemagne High Commissioner for Germany Information Control Division Jewish Cultural Reconstruction Jewish Restitution Successor Organization Master of Fine Arts

MFA&A MMAA MNR NARA NGA NSDAP OAR OBIP OMGB OMGH OMGUS OMGWB OSS SHAEF SRPOA TVK USFET USGCC ZFO ZIKG

Monuments, Fine Arts & Archives Section Mission Militaire pour les Affaires Allemandes Musées Nationaux Récupération National Archives and Records Administration National Gallery of Art Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Objets d’Art Récupération Office des Biens et Intérêts Privés Office of Military Government for Bavaria Office of Military Government for Greater Hesse Office of Military Government for Germany, US Office of Military Government for Württemberg-­­Baden Office of Strategic Services Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces Service de la Remise en Place des Œuvres d’Art Treuhandverwaltung für Kulturgut United States Forces European Territory US Group Control Council Zone française d’occupation Zentralinstitut für Kunstgeschichte

390 I Anhang

Archivverzeichnis Archives du Ministère des Affaires étrangères (AMAE) Série 209SUP/ (vormals fonds dit de la Récupération Artistique, RA) Série Archives de l’Occupation française en Allemagne Sous-­­Série Affaires culturelles Sous-­­Série Affaires économiques et financières Sous-­­Série Bade Sous-­­Série Rhénanie-­­Palatinat

Archives Nationaux (AN) 20150044/1 – 20150044/392 Archives des Musées Nationaux, Série Z: Gestion des Musées de France 20144792/1 – 363 Archives des Musées Nationaux, Série R: Les musées nationaux pendant la Seconde Guerre Mondiale et l’évacuation des œuvres 20150497/113 – 475 Archives des Musées Nationaux, Série O30: Personnel scientifique Z 6 Tribunal de la Seine

Archives of American Art (AAA) Thomas Carr Howe Papers Lamont Moore Papers James J. Rorimer Papers George L. Stout Papers Oral History-­­Interviews: Brown, Robert F., Oral History interview conducted with S. Lane Faison 1981, Archives of American Art, URL: http://www.aaa.si.edu/collections/interviews/oral-­­history-­­interview-​ ­­s-­­lane-­­faison-12908 (abgerufen am 02. 01. 2016) Karlstrom, Paul J., Oral history interview conducted with George Leslie Stout 1978, Archives of American Art, URL: https://www.aaa.si.edu/collections/interviews/oral-­­history-­​ ­interview-­­george-­­leslie-­­stout-13145 (abgerufen am 04.  04.  2017). Pennington, Buck, Oral History interview conducted with Charles Parkhurst 1982, Archives of American Art, URL: http://www.aaa.si.edu/collections/interviews/oral-­­history-­​ ­interview-­­charles-­­parkhurst-13100 (abgerufen am 02. 01. 2016)

Bundesarchiv Koblenz (BArch) Bestand B 323 Treuhandverwaltung für Kulturgut

Archivverzeichnis  I  391

National Archives and Records Administration (NARA) Record Group 239: Microfim M1782: OSS Art Looting Investigation Unit Reports Record Group 260: Microfilm M1921: Records relating to Monuments, Museums, Libraries, Archives, and Fine Arts of the Cultural Affairs Branch, OMGUS, 1946 – 1949 Microfilm M1941: Records Concerning the Central Collecting Points (Ardelia Hall ­Collection): OMGUS Headquarter Records, 1938 – 1951 Microfilm M1946: Records Concerning the Central Collecting Points (Ardelia Hall ­Collection): Munich Central Collecting Point, 1945 – 1951 Microfilm M1947: Records Concerning the Central Collecting Points (Ardelia Hall ­Collection): Wiesbaden Central Collecting Point, 1945 – 1952 Microfilm M1949: Records of the Monuments, Fine Arts, And Archives (MFA&A) Section of the Reparations and Restitution Branch, OMGUS, 1945 – 1951

National Gallery of Art, Washington, D. C., Smithsonian Institution, Gallery Archives (NGA) RG 28, MFAA-F Charles Parkhurst Papers RG 28, MFAA-G Craig Smyth Papers RG 28, MFAA-H Edith Standen Papers RG 28, MFAA-J James Rorimer Papers

Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 3/201, Nr. 131.

392 I Anhang

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412 I Anhang

Personenregister A Adams, Edward E.  103, 108, 270, 272 Adenauer, Konrad  140, 151 f., 157 Allen, John H.  95, 126, 128 Almas-Dietrich, Maria  61, 106, 109, 163 Aragon, Louis  185, 358 Auerbach, Philipp  116, 121 f., 142 f. Azalard, Jean  360 Azambre, Marguerite  139, 206, 217 ff. B Bazin, Germain  51, 204, 313, 315, 322, 332, 338, 343, 353, 361, 364, 368 Bidault, Georges  141 Birkmeyer, Willibald  256 Bizard, Etienne  139, 167, 221 f. Blanc, Louis  132 Block, Sam  203 Bock von Wülfingen, Ordenberg  103, 143, 155, 238, 256 Bode, Wilhelm von  25, 268 Bollaert, Emile  73, 75 Bonet-Maury, Pierre-Louis  115 Bonnard, Abel  337, 339 Bonnet, Henri  119, 121 Borchers, Walter  66 Bormann, Martin  112, 136 Bornheim, Walter  63, 106, 168 Boucher, François  59, 74, 184, 191 f., 195 ff., 316, 336, 399 Bourguignon, Jean  197 Bousquet, Georges  57, 73 Breitenbach, Edgar  79, 108, 111, 118, 152, 158, 250, 253, 296 Brown, John Nicholas  87 f. Bruegel, Pieter  237 Buchner, Ernst  63, 71 Bunjes, Hermann  124, 171, 338 Bürckel, Josef  53, 186

C Cairns, Huntingdon  38 Capitant, René  10, 43, 90, 184 f., 194 Cassou, Jean  61, 200 f., 320, 326, 332, 334, 366, 368 Chamson, André  51, 316, 319, 321, 332, 334, 343, 364 f. Chirac, Jacques  15 Christophe, Léon  182 f., 187, 318 Clapp, Frederic  304 Clay, Lucius D.  84, 86 ff., 94 f., 113, 127, 254, 302 f., 305 Cogniat, Raymond  358 Coignard, Marcel  121, 149 Conrad, Doda  300 f. Constable, W. G.  117, 251 Coulter, J. Hamilton  103 D d‘Alexandry, Paul  106, 108 d’Amarzit, Gérard  206, 217 Daniels, William  152 Daumier, Honoré  221 David-Weill, David  105, 287 f., 315, 354, 376 da Vinci, Leonardo  233 de Brye, Hubert  102 f., 105 ff., 270 de Gaulle, Charles  44 de Noblet, Jean  121, 130 Dequoy, Roger  60 f., 64, 67 de Rothschild, Maurice und Robert  339 Dinsmoor, William B.  38 Dorival, Bernard  321 Doubinsky, Elie  108, 113, 116, 139, 163, 165, 189, 373 Druène, Louis  132 Duchartre, Pierre-Louis  44, 46, 51, 56 f., 73, 102, 105 f. Dupont, Jacques  51, 54, 182 du Quesnel, Robert  195, 206 Dussarthou, André  213

Personenregister  I  413

E Ehard, Hans  144, 156 Eisenhower, Dwight D.  83, 87 Erlanger, Philippe  160 f., 201 F Fabiani, Martin  60, 64, 67, 321 Faison, S. Lane  23, 67, 138, 152, 154, 165, 167 f., 275, 295 Farmer, Walter I.  235, 239, 272, 275 ff., 280, 284, 294 Fischer, Theodor  169 f. Flanner, Janet  79, 272, 292, 302 Florisoone, Michel  51, 163, 313 f., 357 Force, Juliana  304 Ford, Dale V.  234 François, Michel  74, 183 f., 195 f., 200, 203 ff., 210, 217, 219, 223, 225 ff. François-Poncet, André  137 f., 145, 153 G Gaudron, Guy  51 Glasser, Georges  84, 96 f., 103 Goldschmidt, Jakob  221 Göring, Hermann  19, 54, 60 ff., 67, 112, 131, 136, 168, 170, 280, 316, 322, 326, 336, 410 Goudstikker, Jacques  170 Gouin, Félix  106 Gurlitt, Hildebrand  106 H Haberstock, Karl  61 ff., 65, 106, 170 Hall, Ardelia  23, 138, 158, 173, 372 Hamann, Richard  123, 125 f., 129, 234 Hammond, Mason  57, 71, 73, 271, 285 Hancock, Walker  47, 272, 277, 279, 285 f., 299 Hanfstaengl, Eberhard  122, 136, 157, 243, 256 Haubrich, Josef  236, 245 Haug, Hans  49 f., 56, 58 Heinrich, Theodore A.  79, 137, 164 f., 241 f., 245 f., 250, 254, 309

414 I Anhang

Henraux, Albert S.  43 f., 46, 50, 53, 56, 74, 79, 95, 97 f., 108, 110, 114, 118, 124, 126, 128, 168, 192, 198, 203, 211, 217, 219, 227 f., 313, 316, 325, 330, 357, 360, 367 Hepp, Eugène  84 Herzog, Jacques  216 Heydenreich, Ludwig  144 f., 157, 166, 256 f., 259 Himmler, Heinrich  48 Hitler, Adolf  123, 142 Hofer, Walter Andreas  62 f., 69, 106, 168, 283 Hoffmann, Bernhard  156 f., 165 Holzinger, Ernst  144, 235 Horn, Walter  59, 105, 108 Howard, Richard F.  84, 95, 117 Howe, Thomas Carr  23, 79, 113, 138, 151 f., 156, 158, 165, 169 f., 233, 238, 268 f., 274, 277, 279, 282 f., 296, 301 f., 306 Hugoboom, Ray  105 Huyghe, René  201, 288, 315 f., 319, 321 f., 332, 334, 339 f., 343, 346, 353, 376 J Jantzen, Alfred  252 Jardot, Maurice  57 f., 182, 191, 204 Jaujard, Jacques  9, 20, 22, 39, 42, 46, 49 f., 95, 97, 99, 201, 205, 316, 320 f., 323 f., 330, 336, 360 Juppé, Alain  16 K Kainer, Ludwig  220 f. Kann, Alphonse  354 Kirstein, Lincoln  233, 238, 273, 303 Klarsfeld, Serge  15 Koch, Robert A.  74 Koeltz, Louis  84, 224 Koenig, General Pierre-Marie  79, 97, 127, 142, 183, 191 Kolle, Georges  189, 216 Kuhn, Charles L.  56, 101, 268 f., 302, 305 Kümmel, Otto  25, 185

L LaFarge, Bancel  56, 74, 80, 84, 87, 127 f., 299, 301, 303, 305, 308 Laffon, Emile  183 f., 187, 191, 194, 196 f., 206, 219, 224 Lange, Hans W.  222 Le Brun, Charles  346 Lefranc, Jean-François  64 Lehmann-Haupt, Hellmut  246, 248, 251 Lehmann, Herbert  38 Lemaire, Charles  10 Leonard, Herbert S.  110, 112, 114 f. Lesley, Everett P.  241, 246, 293 Limberger, Gisela  63, 67, 106 Lindon, Alfred  81, 354 List, Herbert  282 Lobkowicz, Maximilian  237 Loebl, Allen  67, 169 Loebl, Manon  68 Lohse, Bruno  54, 62 ff., 67, 166, 168 ff., 283, 332 Lotz, Wolfgang  144, 256 f. M Malraux, André  334, 352, 364 Marquand, Allan  267 Martin, Kurt  48 ff., 58 f., 144, 204, 244, 368, 407 Matisse, Henri  222 Mattéoli, Jean  16 Mayer, René  79, 141 Mazauric, Lucie  319, 321, 327, 334, 338 f., 343, 353, 364 f. McCloy, John J.  88, 137, 145, 152, 157 McJunkins, Orren  118, 128 f. McLeish, Archibald  38, 231, 248, 258 Michelangelo  233, 287 Miedl, Alois  169 f. Minet, Marcelle  103, 105 f. Monet, Claude  81, 210, 354 Monnet, Jean  140 Moore, Lamont  233, 238, 280, 283, 286, 303, 306 Morey, Charles Rufus  267 Müller, Karl Theodor  256

Munsing, Stephan P.  115, 117, 119, 137, 144, 164, 250, 252 Murphy, Robert  87 N Naegelen, Marcel  78 Narkiss, Mordechai  120 Nathan, Fritz  244 Noiret, Roger  84 P Panofsky, Erwin  257, 268 Parkhurst, Charles  306 Picasso, Pablo  212 Pissarro, Camille  220 Plaut, James S.  66, 68, 88, 168, 170, 172, 272, 275, 283 Pleasants, Frederick S.  111 Pleven, René  140 Poissonnier, Bernard  196, 200 f., 203, 206 Posey, Robert K.  47, 49, 56 Posse, Hans  62 Prinet, Jean  125 Q Quandt, Günther  169, 209, 219 ff. R Rae, Edwin C.  103, 108, 110 ff., 268, 294 Reiss, Edwin und Siegfried  217 Rembrandt van Rijn  213, 236, 241 Rennevier, Pierre  139 Renoir, Pierre-Auguste  210 Ribbentrop, Joachim von  316, 322, 326, 336 Rigaud, Jean  51, 54, 58, 182, 209, 318 Rivière, Georges-Henri  321 Robertson, General Brian  84, 137 Roberts, Owen J.  38 Rochlitz, Gustav  54, 61, 63 f., 67 f., 163, 167, 209, 212 f., 291, 341, 362 Rorimer, James J.  12, 23, 39, 45, 47, 53, 56 f., 62 f., 65, 73 ff., 110, 127 ff., 170, 268, 270, 274, 277 f., 285, 300, 373 Rosenberg, Alfred  9, 131

Personenregister  I  415

Rosenberg, Paul  77, 212, 354 Ross, Marvin C.  48 ff., 56, 271 Röthel, Hans Konrad  256 f., 259 Rousseau, Theodore A.  62, 68, 168, 307 S Sachs, Paul J.  38, 259, 267 f., 303 Salles, Georges  201, 360 Salley, Guy  162 Santelli, Camille  190, 227 Sattler, Dieter  144 Savery, Roéland  168 f. Schiedlausky, Günther  54, 62 ff., 283 Schloss, Adolphe  61, 64 f., 343, 346 Schmittlein, Raymond  138, 146, 159, 183, 190, 192 ff., 206, 363 Scholz, Robert  63, 66 Schuman, Robert  140, 159 Shuster, George  156, 158 Simon, Hugo  356 Sisley, Alfred  220 Siviero, Rodolfo  113 Skilton, John D.  269, 285 Smith, Alfred E.  38 Smyth, Craig Hugh  23, 71, 100 f., 111, 249 f., 256, 274 f., 277, 280, 299 Sokolowski, Wassili  84 Spik, Leo  220, 222 Standen, Edith A.  9 ff., 23, 79, 105, 132 f., 240, 243, 247, 249, 253 f., 268, 272, 275, 277, 292, 294, 302, 304, 307, 309, 318, 371 Stange, Alfred  123 Stout, George L.  39, 88, 266, 269, 273 f., 279, 286, 307

416 I Anhang

T Taylor, Francis Henry  38, 300 Thimonnier, René  183, 197 Tho Rahde, Mimi  163 Tizian  109, 238 Truman, Harry S.  86, 89, 248, 304 Tucker, Evelyn  113 U Utrillo, Maurice  203 V Valland, Rose  9 f., 12, 17, 20 ff., 40, 43, 45, 47, 51, 53 f., 57 f., 61 ff., 67, 69, 73, 79, 84, 99, 103, 105 f., 108, 116, 126, 129, 131, 134, 139, 142, 145 ff., 151, 154 f., 159 f., 163, 165, 167, 169 f., 173 f., 181, 195, 209, 220, 222, 239, 278, 313, 315 f., 318, 321, 325, 330, 339, 341 f., 354, 356, 363 f., 371 ff., 411 van Wagoner, Murray D.  144 Vaucher, Paul  38 Vergnet-Ruiz, Jean  361 Vermeer, Jan  80, 233, 283, 287 Vlaminck, Maurice  210 Vollard, Ambroise  60 von Behr, Kurt  64, 66 ff., 170 f. von Schirach, Baldur  112 Voss, Hermann  62 f., 106, 132 W Wagner, Robert  73 Watteau, Antoine  336, 358 Webb, Geoffrey  51 Wendland, Hans  170 Widener, Joseph  9 Wolff, Adrienne  114 Wolff-Metternich, Franz Graf  48 f., 123, 129, 144, 173, 226, 321, 338, 364, 368 Wüster, Adolf  67, 106