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German Pages [320] Year 2016
Die Forschungsreise der Bollandisten nach Italien 1660–1662 Herausgegeben von Susanne Daub
Das Tagebuch des hochangesehenen flämischen Jesuiten Daniel Papebroch, das in dieser Schriftenreihe ediert wird, beschreibt über tausend Kunstwerke in Italien zwischen Verona und Neapel und entstand auf einer Reise von Antwerpen über Venedig und Rom bis nach Neapel und zurück über Florenz und Mailand. Sein Verfasser hat eine Vorliebe für Architektur und skizziert über ein Jahr lang jeden Abend die Bauwerke, die er sieht. Er berichtet über Begegnungen mit hervorragenden Persönlichkeiten, über Wege und Reisemittel, Unterkunft und Verpflegung und über kulturhistorisch interessante Einzelheiten wie Umzüge und Feste. Dieser bisher unbekannte lateinische Text wird hier erstmals ediert, übersetzt und kommentiert. Geplant sind Bände über das Veneto (2016), über Latium und die Toskana (2016) sowie über die Emilia-Romagna, die Marken und Umbrien, über Rom, Neapel, Ligurien, die Lombardei und den Piemont.
Susanne Daub
Kunstdenkmäler in Latium und der Toskana Beschreibungen und Bewertungen des Jesuiten Daniel Papebroch aus den Jahren 1661–1662
Erstedition, Übersetzung, Kommentar
2016 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien
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Meiner Mutter in Erinnerung an viele schöne Reisen
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung ......................................................................................... 9 Einführung .............................................................................................11 Aus dem Reisetagebuch des Jesuiten Daniel Papebroch ......................45 Von Rom nach Viterbo ......................................................................47 Viterbo .................................................................................................51 Von Viterbo nach Siena .....................................................................60 Siena ....................................................................................................67 Florenz und Umgebung ....................................................................104 Pistoia ................................................................................................178 Lucca ..................................................................................................180 Von Lucca nach Genua ....................................................................185 Ex diario Daniel Papebrochij, S.J. .......................................................191 Roma Viterbium ...............................................................................193 Viterbij ...............................................................................................195 Viterbio Senas ...................................................................................199 Senis ..................................................................................................204 Florentiae eiusque in agro .................................................................222 Pistorij.................................................................................................258 Lucae .................................................................................................259 Luca Genuam ....................................................................................261
Anhang ................................................................................................. 265 I.
Papebrochs Bericht über die Reise im Nachruf auf Jean Bolland .................................................... 267
II. Über den Besuch von San Miniato (Florenz) in den Acta Sanctorum .............................................................. 276 III. Antonio Magliabecchis Förderung der hagiographischen Recherchen in Florenz .......................... 278 Literatur ................................................................................................ 283 Index .................................................................................................... 311 Summary und Sinossi .......................................................................... 321
Vorbemerkung Daniel Papebroch und Gotfrid Henschen hätten ihre Forschungen in Italien nicht durchführen können, wenn sie nicht zu Hause und unterwegs viel Unterstützung erfahren hätten. Auch die vorliegende Untersuchung wäre nicht gelungen, wenn mir nicht viele zur Seite gestanden hätten. Besonders danken möchte ich an dieser Stelle meinen Mitarbeitern und Hilfskräften, die sich für das Tagebuch begeisterten und geduldig die oft mühsamen Recherchen und Kollationsarbeiten durchführten; alle halfen mit großem Eifer, Fleiß und Beharrlichkeit, und wenn wir alle nicht mehr weiterwussten, griff Annalisa Ricchizzi entschlossen zum Telefonhörer und ließ nicht locker, bis sie eine ganz entlegene Publikation aus Italien auftreiben konnte. Corinne Hocke, die mich auf einer Reise durch Latium und die Toskana begleitete, führte mich durch Siena und prüfte vor Ort alles mit scharfem Blick. Überall wurden wir mit offenen Armen empfangen und erhielten wir wertvolle Hinweise. Stellvertretend danken möchte ich Debora Barbagli, Mauro Brunello, Giuseppe Buonsanti, Cinzia Burla, Laura Cappelli, Emanuele Cattarossi, Mario Ciacci, Michele Ferrari, Sisto Giacomini, Hernán Maria Grisolía, Raúl González, Claudia Habich, Rita Haub, Matteo Luti, Pater Michele (La Verna), Pater Nicola (S. Francesco, Siena), Giovanni D’Onofrio, Luciano Osbat, Gabriella Piccinni, Antonio Porres, Suor Sofia (Lecceto), Tommaso (Biblioteca Comunale di Ronciglione), Santino Tosini, Pater Ubaldo und Pater Ugo (Camaldoli), Alessandra Vedovini, Maria Vittoria und José Luis del Valle Merino (Escorial).
Einführung Der hier vorzustellende Text ist Teil eines längeren lateinischen Reiseberichts aus dem 17. Jahrhundert, der den Titel „Tagebuch einer Romreise“ (Diarium itineris Romani) trägt und, zum Teil sehr ausführlich, Sehenswürdigkeiten deutscher und italienischer Städte beschreibt aus einem ungewöhnlichen, nämlich geistlichen Blickwinkel; sein Verfasser ist der belgische Jesuit Daniel Papebroch. 1 Die Vorgeschichte der in diesem Tagebuch dokumentierten Reise ist bekannt. 2 Die Jesuiten Jean Bolland und Gotfrid Henschen waren von ihrem Orden damit beauftragt worden, eine historisch-kritische Gesamtausgabe aller Heiligenviten der Katholischen Kirche herzustellen. 3 Dieses Unternehmen erregte in der gelehrten Welt großes Aufsehen, eben weil es eine historisch-kritische Edition werden sollte. Als die ersten fünf Folio-Bände publiziert sind 4 , erhalten die Herausgeber eine Einladung aus Rom, das hagiographische Material in den päpstlichen Bibliotheken und Archiven zu sichten und auszuwerten. Jean Bolland kann die Reise aus gesundheitlichen Gründen nicht antreten. An seiner Stelle macht sich Henschen auf den
1
Zum Folgenden DAUB 2010, S. 1-37.
2
Skizziert bei KINDERMANN 2002, S. 3-9.
3
Das Editionsunternehmen baute auf den Vorarbeiten des Jesuiten Heribert Ros-
weyde auf, der bereits die in belgischen Handschriften überlieferten Heiligenviten für eine kritische Edition zusammengestellt hatte. 4
Diese 1643 (Ian., I - II) bzw. 1658 (Febr., I - III) erschienenen Bände erwähnt Pape-
broch im Tagebuch mehrfach, unter anderem in Siena (§ 15 und § 32) und in Florenz (§ 18).
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Einführung
Weg zusammen mit seinem Ordensbruder Daniel Papebroch, der auf der Reise Tagebuch führt. Auf dem Hinweg reisen die Jesuiten zunächst über Turnhout und Roermond nach Köln, dann das Rheintal aufwärts und den Main entlang bis Bamberg, von dort nach Nürnberg, Augsburg und München und über den Brenner nach Südtirol (Brixen, Bozen und Trient). Sie besuchen die östlichen Städte des Veneto, fahren von Rimini die Adria-Küste entlang bis Ancona, besichtigen Osimo und Loreto, überqueren den Apennin, reisen durch Umbrien, sehen dort Foligno, Assisi und Perugia und erreichen über Spoleto und Terni schließlich Rom, wo sie ein Jahr lang hagiographisches Material sammeln 1 . Im Oktober 1661 treten sie den Rückweg an, der sie zunächst durch Latium und die Toskana führt. In Florenz machen sie vier Monate lang Station und besichtigen wichtige Klöster in der Umgebung. Dann ziehen sie weiter durch Ligurien und den Piemont; sie überqueren die Westalpen und kehren über Lyon, Paris und Brüssel wieder nach Antwerpen zurück. Im unmittelbaren Zusammenhang mit der insgesamt zweieinhalb Jahre dauernden Reise entstehen Texte unterschiedlicher Art. Erstens verfasst Gotfrid Henschen in unregelmäßigen Abständen Briefe, in denen er seinen Oberen in Antwerpen, Jean Bolland, vom Fortgang der Reise unterrichtet; diese ordenstypischen Relationen sind autograph erhalten. 2 Zweitens verfasst Daniel Papebroch auf der Reise, also im selben Zeitraum, sein ebenfalls autograph erhaltenes Tagebuch. 3 Und drittens entstehen aus dem
1
Unterbrochen lediglich durch eine Fahrt nach Neapel.
2
Bibliothèque Royale de Belgique, Cabinet des manuscrits, Fonds général, Ms.
7761; nur von einem Teil dieser Briefe gibt es eine kritische Ausgabe. Die Briefe wären etwa im Rahmen der weltweiten Jesuitenkorrespondenz genauer zu untersuchen. 3
Das Tagebuch liegt heute in Brüssel in der Seminar- und Forschungsbibliothek
der Brüsseler Jesuiten am Boulevard Saint-Michel (Museum Bollandianum, Ms.
Einführung
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Tagebuch, den Briefen und anderem, teils bereits auf der Reise notiertem, teils auch später hinzugefügtem Material 1 sowie den bereits in Antwerpen vorhandenen Zeugnissen die kritisch edierten Heiligenleben der Acta Sanctorum. 2 Damit die vielfältigen Beziehungen zwischen diesen Texten und Textsammlungen genauer untersucht werden können und damit das reiche historische und kunsthistorische Material des Tagebuchs einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wird, soll letztes nunmehr vollständig ediert, übersetzt und kommentiert werden. 3 Im vorliegenden Band wird die Strecke von Rom nach Genua vorgestellt, das heißt die Reise vom 3. Oktober 1661 bis zum 5. März 1662; sie bietet einen repräsentativen Einblick in das unterwegs geführte Tagebuch. 4 Zur Reiseroute im Einzelnen 5 : Zunächst geht es über Monterosi und Ronciglione nach Viterbo. Hier bleiben die Jesuiten zwar nur einen Tag, doch
971 und Ms. 972); zur Geschichte der Handschrift siehe KINDERMANN 2002, S. 22. 1
Transskribierten Viten, Inschriften u. ä.; die Kopien werden zum Teil für die Jesui-
ten angefertigt und ihnen nach Belgien gesandt. 2
Das Tagebuch wird nachweislich von Papebroch selbst (u.a. in den Vorreden zu
den von ihm zum Druck gebrachten Heiligenviten), aber auch von späteren Herausgebern der Acta Sanctorum benutzt, und zwar sowohl in Paraphrasen als auch in direkten Zitaten, zum Teil sogar unter Angabe der entsprechenden Tagebuchseite. 3
Im Rahmen dieser Gesamtausgabe ist der erste Reiseabschnitt von Antwerpen bis
Trient bereits erschienen (KINDERMANN 2002); außerdem liegen die Etappen von Forlì bis Senigallia (HOFFMANN 2003), von Mailand bis Turin (SPAL 2007) und von Dijon bis Paris (HALKIN 1947) sowie die Beschreibungen von Padua (KINDERMANN 4 5
1986) und Florenz (DAUB 2010) im Druck vor.
In der Handschrift steht dieser Abschnitt auf den Seiten 192 bis 221. Papebroch und Henschen folgen auf ihrer Italien-Reise weitgehend den Post-
routen und Pilgerwegen der Zeit, denen noch im 18. Jahrhundert die dann übli-
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Einführung
sind Papebrochs Beschreibungen aus kunsthistorischer Sicht insofern besonders wertvoll, als einige Kirchen sich in der Zwischenzeit stark verändert haben: Die Klarissen-Kirche Santa Rosa wurde mehrfach umgebaut, den Dom hat man nach dem Zweiten Weltkrieg in seinen mittelalterlichen Zustand zurückgebaut, die Karmelitenkirche Santi Giuseppe e Teresa war 1661 noch nicht fertiggestellt (heute profaniert), und die Kirche Santa Croce dei Mercanti war im Besitz der Jesuiten. Weiter geht die Reise über Montefiascone, wo Papebroch von der Lage der Stadt und dem Blick von den Ruinen der Rocca dei Papi hinab auf den Lago di Bolsena beeindruckt ist und natürlich die noch nicht ganz fertiggestellte Kathedrale S. Margherita besucht. Nach einer Besichtigung von San Lorenzo Vecchio und von Acquapendente erreichen die beiden Jesuiten am 8. Oktober schließlich Siena. Dort bleiben sie fast eine Woche lang 1 , sie erhalten eine Audienz bei Fürst Mattias de’ Medici und treffen sich unter anderem mit dem Erzbischof Ascanio Piccolomini. Ludovico de Vecchi, der Leiter der Dombauhütte, zeigt ihnen die Sehenswürdigkeiten der Stadt und hilft ihnen bei ihren Handschriftenrecherchen. Auch Siena befindet sich architektonisch im Umbruch. Von dem großen Umbau der Kathedrale hat man zwar bereits Abstand genommen, aber man „modernisiert“ sie in diesen Jahren gerade: Man plant, ihre Fenster und Altäre im Renaissance-Stil umzugestalten 2 , errichtet die prachtvolle ChigiKapelle 3 und lässt im Zuge der Neugestaltung des Domplatzes Gebäude abreißen 4 ; Mattias de’ Medici lässt seinen Palazzo erneuern 1 und den alten chen Bildungsreisen durch Italien folgen sollten (vgl. MEIER 1989, S. 287). Von Rom gelangt man über die Via Francigena bzw. Via Cassia und ab Sarzana über die Via Aurelia nach Genua. 1
Vom 8. bis zum 13. Oktober 1661.
2
Siehe Siena, § 18 (das Vorhaben wurde nur zum Teil realisiert).
3
Siehe Siena, § 20.
4
Siehe Siena, § 16.
Einführung
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Ratsaal des Palazzo pubblico zu einem modernen Theater umbauen 2 ; und die Basilica San Francesco hat man nach dem Brand von 1655 bereits im Renaissance-Stil umgestaltet 3 . Papebroch gefällt diese moderne Art des Bauens. Das wird nicht zuletzt aus seiner Beschreibung von Florenz deutlich, die am ausführlichsten von allen seinen Städte-Beschreibungen ist 4 und daher besonders deutlich erkennen lässt, auf welche Dinge Papebroch seinen Blick lenkt. Seine Aufzeichnungen dokumentieren das Leben in Italien aus der Sicht eines belgischen Jesuiten 5 und die nur minimalen touristischen Interessen eines Philologen der damaligen Zeit, der in Archiven und Bibliotheken im Ausland arbeitet, genauer gesagt: die eines geistlichen Philologen 6 .
1
Siehe Siena, § 25.
2
Siehe Siena, §§ 30-31; das Theater wurde später mehrfach umgebaut.
3
Siehe Siena, §§ 48-49; Ende des 19. Jahrhunderts wieder zurückgebaut.
4
Abgesehen von der Beschreibung Roms.
5
Wegen der teils verdeckten, teils offenkundigen Selbststilisierung des erzählenden
Ichs in Reiseberichten und Reisebeschreibungen warnt Irmgard Scheitler grundsätzlich und nicht unbegründet vor einer unkritischen Nutzung der Beobachtungen von Reisenden bei der kulturwissenschaftlichen Rekonstruktion von historischen Zuständen (zur literarischen Positionierung von Reiseberichten als Sonderform der Autobiographie SCHEITLER 1999, S. 386; vgl. auch HARBSMEIER 1982, S. 1-2, und NÜNNING & SOMMER 2004, sowie zur Nähe zur Historiographie NEUBER 1989). Da Papebroch sein Diarium jedoch nicht zur Publikation vorgesehen hat, ist die Selbststilisierung in seinem Bericht relativ niedrig anzusetzen, was die Fokussierung der Wahrnehmungsmuster des Betrachters und deren Verschriftlichung im Tagebuch in diesem Fall zu einem legitimen Untersuchungsgegenstand machen (wenngleich literarische Konventionen nie ganz auszuschließen sind). 6
Was ein Reisender in Italien nach der Meinung der (weltlichen) Zeitgenossen Pa-
pebrochs hätte sehen sollen, kann man leicht den zu Hunderten überlieferten Apodemiken entnehmen; zu ihnen siehe STAGL 1983a, 1983b, und 1989 passim.
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Einführung
Wie ihre säkularen Zeitgenossen sind die beiden Jesuiten von Florenz begeistert. Henschen schwärmt in seinem letzten Brief aus Florenz von „der schönsten Stadt Europas mit Ausnahme von Antwerpen“ 1 , und auch Papebroch kann seine Faszination schon am ersten Tag kaum verbergen 2 : Wir bestaunten die Stadt, die ähnlich schön ist wie eine der schönsten in Belgien, nur dass sie keine Butzenscheiben hat, die belgische Städte aber dadurch noch übertrifft, dass alle ihre Straßen nicht nur breit, sondern auch ganz geradlinig sind. 3 Sie besichtigen zahlreiche Kirchen, Klöster und Paläste mit ihren Gärten und Bibliotheken, deren Architektur Papebroch ausführlich beschreibt. Im Mittelpunkt des Florenzaufenthaltes und seiner Dokumentation im Diarium Jtineris Romani steht jedoch die hagiographische Arbeit vor Ort. Die Fülle des handschriftlichen Materials, das zu dieser Zeit in Florenz aufbewahrt wird, ist überwältigend und für das Editionsunternehmen fast so ergiebig wie die handschriftlichen Bestände, die Papebroch und Henschen in Rom vorfanden. Doch während sie dort in der päpstlichen Bibliothek Schreiber zur Verfügung hatten, müssen sie in Florenz die aufgefundenen Texte weitgehend 4 selbst transskribieren. Trotzdem stellt Papebroch rückblickend fest, „dass vier Monate in Florenz mehr Ergebnisse brachten, als
1
Brief vom 17. Februar 1662: … urbs amoenissima totius Europae excepta solum Ant-
verpia (zitiert bei BATTISTINI 1942-43, S. 140). 2
Tagebuch-Eintrag zum 14. Oktober 1661 (siehe Florenz, § 6).
3
Durch den Vergleich mit Antwerpen wird Florenz höchstes Lob gezollt: Fremdes
wird mit Bekanntem verglichen, wobei das Eigene grundsätzlich als höherrangig empfunden wird. Allgemein dazu GOETZ 2003 mit weiterer Literatur. 4
Zu den wenigen Ausnahmen zählen Santissima Annunziata, wo man ihnen beim
Transskribieren einer Handschrift hilft (siehe Florenz, § 86), und die Laurenziana, wo ihnen für die griechischen Handschriften einige Tage lang ein Schreiber zur Verfügung gestellt wird (siehe Florenz, § 81).
Einführung
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ein ganzes Jahr in Rom gebracht hätte, wenn man dort keine Hilfskräfte zur Verfügung gehabt hätte“ 1 , und er begründet die Effektivität ihrer Arbeit mit der Hilfsbereitschaft der Florentiner Oberschicht 2 : Angehörige des Adels von Florenz, dessen Freundlichkeit gegen Fremde aus der ganzen Welt die aller Völker Europas übertrifft und die in diesem Falle auch noch zusätzlich von der Liebe zu dem ihnen gut bekannten Werk der Acta Sanctorum getrieben war, überschütteten die Bollandisten mit diensteifrigster Freundlichkeit. Zwei Florentiner Bürger, die sich um die Gäste sehr bemühen, lobt Papebroch in diesem Zusammenhang ganz besonders: Antonio Magliabechi 3 , der 1673 Bibliothekar an der herzoglichen Bibliothek werden sollte, und dessen bibliophilen Freund Andrea Cavalcanti. Papebroch rühmt ihre profunden historischen Kenntnisse und vor allem ihr planvolles Vorgehen und ihr Organisationstalent, durch das das effektive Arbeiten der Bollandisten in Florenz überhaupt erst ermöglicht wurde 4 :
1
Papebroch in seinem Nachruf auf Jean Bolland (PAPEBROCH 1668, S. xxxix): ut
quatuor mensium spatio plus effectum Florentiae sit, quam anno integro confici Romae potuisset, nisi suos istic amanuenses habuissent. 2
Ebenda: Florentina nobilitas, quae officiosa in hospites undecumque advectos humanitate
omnes Europae superat nationes, acrius etiam stimulata amore operis inter ipsos notissimi de Sanctorum Actis ambitiose eam profudit in Socios Bollandi. 3
Auch Henschen rühmt in einem Brief an Jean Bolland vom 21. Oktober 1661
Magliabechis Hilfe: Hîc vltrò ad me venit Nobilissimus Dominus Antonius Magliabechi, ad quem à Bigotio habebam litteras, et totâ hebdomade à mane vsque ad vesperam deducit ad varias bibliothecas. – Der französische Humanist Emery Bigot hielt sich 1659 bis 1661 in Italien auf (JAUMANN 2004, S. 101). 4
Im Nachruf auf Jean Bolland (PAPEBROCH 1668, S. xxxiv): Propter insignem rerum
hominumque tota urbe peritiam, et suum erga Sanctos eorumque Acta zelum studia vincentes amicorum, obsequia famulorum. Etenim disponebant inter se, quo, quando, quomodo
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Einführung
Mit ihrer hervorragenden Kenntnis der Dinge und der Menschen in der ganzen Stadt und dem Eifer, den sie für die Heiligen und deren Lebensbeschreibungen hegten, waren sie engagierter denn Freunde und arbeitswilliger denn Gehilfen. Sie vereinbarten sogar untereinander, wann und wie die Patres wohin zu ihrer „Heiligen Jagd“ geführt werden sollten, und sorgten durch ihre Freunde dafür, dass die Patres auf vorbereitete Arbeitsverhältnisse stießen und sofort Hand ans Werk legen konnten. Antonio Magliabechi begleitet Papebroch und Henschen persönlich in die Klöster und Bibliotheken der Stadt 1 und organisiert zusammen mit seinem Freund und Lehrer Michele Ermini, der Bibliothekar des Leopoldo de’ Medici war, für die Gäste unter anderem einen Ausflug zur Kartause Galluzzo. Vor allem aber stellt er sie politisch und gesellschaftlich mächtigen Personen und kulturell interessierten Freunden vor; dadurch wirkt er gleichsam als Multiplikator von Wissen und praktischer Hilfe und trägt so maßgeblich zum Erfolg der Forschungsreise bei. Die Freunde und Bekannte Magliabechis bilden in Florenz das wissenschaftliche Netzwerk, das damals wie heute neben der persönlichen Disposition 2
ducendi ad sacram venationem Patres forent; et ut in rem praeparatam venirent, ac statim possent operi admovere manum, efficiebant per amicos. 1
Insofern übernimmt Magliabechi die Rolle, die sonst Carlo Roberto Dati, der
Präfekt der herzoglichen Bibliothek, zugefallen wäre, wenn der von Anfang an dagewesen wäre (vgl. Florenz, § 13 und § 28). Wann genau die beiden Jesuiten Dati persönlich kennenlernten, schreibt Papebroch nicht. 2
Seine persönliche Befähigung hatte vor allem Gotfrid Henschen bereits in Ant-
werpen bewiesen, als er die Zeugnisse über den Heiligen Amandus für den entsprechenden Band der Acta Sanctorum (Febr. I, S. 815-903) zusammengestellt und mit einer umfangreichen Einleitung versehen hatte; auch mit seinem 1655 erschienenen Werk über die drei Dagoberte (siehe Florenz, § 32, mit Anm.) hatte er historisches Talent bewiesen.
Einführung
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und der Unterstützung von zu Hause bzw. durch Dritte 1 für das Gelingen einer Forschungsreise notwendig ist. 2 Neben den schon genannten Herren Andrea Cavalcanti und Michele Ermini treffen Papebroch und Henschen die beiden Senatoren Carlo Strozzi und Vincenzio Capponi, ferner Agostino Coltellini, der Rechtsanwalt der Medici war, Francesco Redi, der später (1666) Leibarzt des Großherzogs Ferdinando II de’ Medici werden sollte, Carlo Roberto Dati (Präfekt der herzoglichen Bibliothek) und Cosimo della Rena (Capitano del Popolo und Soprintendente Generale im herzoglichen Archiv). Coltellini schreibt den beiden Jesuiten einen Empfehlungsbrief 3 , Cavalcanti begleitet sie zu Stefano Brancacci, dem apostolischen Nuntius, und in mehrere Klöster 4 , und Francesco Redi stellt ihnen für die griechischen Texte in der Laurenziana sogar einen Schreiber zur Verfügung, lässt Zeugnisse über Heilige seiner Heimatstadt Arezzo und anderes, was die Jesuiten ihm vorlegen, transskribieren und verwöhnt die Patres mit Wein und Süßigkeiten. 5 Natürlich laden die bibliophilen Florentiner die beiden Jesuiten auch in ihre Privatbibliotheken ein. 6
1
Henschen und Papebroch wurden durch ihren Orden, der ihnen die hagiographi-
sche Recherchen aufgetragen hatte, unterstützt, außerdem durch Mäzene, die das Unternehmen förderten, durch den Papst und durch mehrere Kardinäle. 2
Vgl. FISCH 1989, S. 383 et passim.
3
Siehe Florenz, § 46, und BATTISTINI 1930, S. 288, mit Anm. 1; in der Regel er-
halten die beiden Jesuiten Empfehlungsschreiben von hochrangigen Geistlichen. 4
Siehe Florenz, § 62; Cavalcanti begleitet sie auch am 11.1.1662 zum Calcio in
Costume (ebd., § 102). 5
Siehe Florenz, § 81. Auch Henschen hebt das zuvorkommende Verhalten Frances-
co Redis in einem Brief vom 17. Dezember 1661 an Jean Bolland hervor: Illustrissimimus Dominus Redi benefactor noster et apud illum gratiosissimus. … Curat describi latina gratis. Nobis 3, aut 4 illustria munera donavit. Aretio, Pisis et aliunde omnia conquirit, et optimus noster correspondens pro totâ Etruriâ posteà erit. 6
Dazu S. 21 f. mit Anm.
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Einführung
Der Beitrag der Florentiner zum Gelingen des Editionsprojekts beschränkt sich aber nicht auf ihre Hilfe vor Ort. Wie aus den Kommentaren zu den Acta Sanctorum ersichtlich ist, begleiten einige die Arbeit der Jesuiten über deren Aufenthalt in Florenz hinaus, indem sie hagiograpisches Material sammeln und kopieren und nach Antwerpen schicken lassen. Ausführlich dokumentiert ist dies im Fall Magliabechis, der über vierzig Jahre lang mit den Bollandisten in Briefwechsel steht 1 und schon 1662 einen Besuch in Antwerpen erwägt 2 . Wieweit im Laufe der vier Monate über die wissenschaftliche Arbeit hinaus auch Freundschaften entstanden sind, lässt sich nur vermuten. 3 Alle diese Freunde und Bekannte Magliabechis gehören der gehobenen Schicht von Florenz an 4 , alle sind wohlhabend und gebildet, und alle haben Beziehungen zu den Medici. Auch dort, beim Florentiner Hochadel, treffen Papebroch und Henschen auf offene Ohren. Hatte sie in Siena bereits Mattias de’ Medici wohlwollend empfangen 5 , ist erst recht die lange Audienz, die ihnen Leopoldo de’ Medici gewährt, mehr als ein Akt der Höflichkeit ausländischen Gästen gegenüber; der spätere Kardinal zeigt reges Interesse an der Arbeit der Jesuiten und verspricht, ein gutes Wort bei seinem Bruder Ferdinando einzulegen 6 . Selbstverständlich werden die
1
BATTISTINI 1942-43.
2
Dies geht aus einem Brief hervor, den Gotfrid Henschen am 17. Februar 1662,
also am letzten Tag des Aufenthalts der Jesuiten in Florenz, an Jean Bolland schreibt: Magliabechius cogitat in Belgium proficisci (vgl. BATTISTINI 1930, S. 288, und 194243, S. 143, mit Anm. 2). 3
Papebroch berichtet zumindest von einer entsprechenden Abschiedsszene am
letzten Abend; siehe Florenz, § 134. 4
Francesco Redi stammt zwar aus Arezzo, lebt aber in Florenz und hat dort Bezie-
hungen zu den Medici-Fürsten. 5
Siehe Siena, § 32.
6
Siehe Florenz, § 32.
Einführung
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Jesuiten in Florenz, wie überall auf ihrer Reise 1 , auch von anderen führenden Geistlichen freundlich empfangen, unter anderem von Ascanio Tamburini, dem berühmten Vallombrosaner Gelehrten und zweimaligen Generalsuperior seiner Kongregation, der Papebroch und Henschen nicht ohne Stolz zwei seiner eigenen Bücher präsentiert 2 , und von Calisto Puccinelli, dem Generalprior der Serviten, der - wie andere Ordensgeneräle den Jesuiten Empfehlungsschreiben ausstellt 3 . Bei ihren Recherchen in den Bibliotheken und Archiven gehen Papebroch und Henschen planvoll und gründlich vor. Sie besichtigen neben der berühmten Bibliothek der Kanoniker von San Lorenzo die Bibliotheken der Augustiner (Santo Spirito), der Benediktiner (San Benedetto di Badia), der Dominikaner (San Marco und Santa Maria Novella), der Franziskaner (Santa Croce), der Franziskaner-Observanten (Ognisanti), der Kamaldulenser (Santa Maria degli Angioli), der Karmeliten (Santa Maria del Carmine), der Serviten (Santissima Annunziata) und der Zisterzienser (Cestello). Auch einige Privatbibliotheken besuchen die beiden Reisenden. Carlo Strozzi führt sie gleich am ersten Tag in seine Bibliothek und gibt ihnen zwei Pergamentkonvolute mit Heiligenviten mit, damit sie sie im Jesuitenkolleg bequem abschreiben können 4 . Am 6. Januar 1662 besuchen sie die gut ausgestattete Bibliothek des Vincenzio Giraldi 5 , und zwei Tage später
1
Beispielsweise in Siena vom Erzbischof Ascanio Piccolomini (Siena, § 27) und in
Sarzana vom Bischof Prospero Spinola (Von Lucca nach Genua, § 3). 2
Siehe Florenz, §§ 15-16.
3
Siehe Florenz, § 54 und § 67. Pater Gotfrid Henschen wiederum wird von dem
jungen Genfer Theologen Friedrich Spanheim um ein Schreiben an seinen Ordensbruder Athanasius Kircher gebeten; siehe Florenz, § 62. 4
Florenz, § 19 (dazu auch § 21 und § 88) sowie § 133, und PAPEBROCH 1668 S.
xxxiv: Habebat etiam antiquos Legendariorum codices non paucos, vili pretio olim ab ijs redemptos, qui sali piperique dilaceranda destinauerant, æstimandæ antiquitatis imperiti. 5
Siehe Florenz, § 96.
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Einführung
dürfen sie in der Bibliothek Vincenzio Capponis arbeiten 1 , dessen Handschriften- und Büchersammlung später den Grundstock für die berühmte Biblioteca Riccardiana legen sollte 2 . Von Andrea Cavalcanti erhalten sie die Viten einiger Seliger seiner Familie 3 , und auch Antonio Magliabechi wird seine eigene große Bibliothek, die später eine wichtige Sammlung der Biblioteca Nazionale von Florenz werden sollte 4 , den Jesuiten nicht vorenthalten haben. Auf die wertvollen Bestände dieser Privatbibliotheken geht Papebroch im Einzelnen jedoch von den hagiographischen Schriften abgesehen nicht näher ein, und auch in Ordensbibliotheken, in denen die Jesuiten die meiste Zeit verbringen, ist ihr Blick eingeschränkt auf das, was sie ihrem Auftrag gemäß erkunden sollen: auf Heiligenviten und -zeugnisse. Nichts erfährt man von den wertvollen Kodizes, die schon im 15. und 16. Jahrhundert Gelehrte aus aller Welt nach Florenz zogen und die zum großen Teil noch heute dort in den Bibliotheken stolz gezeigt werden, etwa von dem Vergilius Mediceus aus dem fünften Jahrhundert oder von der berühmten HorazHandschrift aus dem Erbe des Antonio Petrei 5 , die kein anderer als Petrarca mit Randbemerkungen versehen hat. Wenn eine Handschrift von Papebroch ausnahmsweise benannt oder sogar näher beschrieben wird, ist es eine mit geistlichem Inhalt 6 .
1
Siehe Florenz, § 97.
2
Wie aus einem Brief Henschens vom 14. Januar 1662 hervorgeht, leiht Vincen-
zio Capponi den Jesuiten seine Handschriften- und Bücherbestände auch aus (BATTISTINI 1930, S. 287). 3
Siehe Florenz, § 62.
4
Siehe ORLANDI 1952, S. 89-91, 116-18, und ANGELERI 1947, S. 37-49 (zur Schen-
kung Magliabechis ebd. S. 44). 5
Kanoniker in San Lorenzo, gestorben 1570.
6
Zum Beispiel eine kostbare Handschrift mit Zeugnissen zum Heiligen Filippo Be-
nizi in der Bibliothek von Santissima Annunziata (siehe Florenz, § 86).
Einführung
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Die meisten hagiographischen Zeugnisse finden Henschen und Papebroch in den Dominikanerklöstern San Marco und Santa Maria Novella, in der Bibliothek von San Lorenzo 1 und bei den Franziskanern in Santa Croce. Als erfolglos notiert Papebroch die Besuche bei den Franziskaner-Observanten, den Kamaldulensern, den Karmeliten und den Zisterziensern. Auch die Besuche der Bibliotheken der Serviten- und der Benediktiner-Patres sind nicht besonders ertragreich, und in der Kanzlei der Dombauhütte finden die beiden Jesuiten lediglich einen Translationsbericht 2 . In den Kirchen und Klöstern, in denen sie keine Heiligenviten entdecken, versuchen sie aber zumindest, etwas über den lokalen Heiligenkult in Erfahrung zu bringen 3 , unter anderem über die Reliquienverehrung vor Ort. Papebroch und Henschen suchen bei ihren Recherchen zwar alle großen Orden und Ordenskongregationen auf, doch sehen sie in Florenz von deren zahlreichen Niederlassungen nur einen Bruchteil 4 , nämlich die Hauptklöster, die mit einer größeren Bibliothek ausgestattet waren. Die vielen kleinen Niederlassungen dieser Orden und die anderer, jüngerer Orden, bei denen die Jesuiten keine Heiligenviten vermuten, suchen sie - wohl aus Zeitgründen - gar nicht erst auf. Bei allem Interesse für die moderne Architektur geht es ihnen eben nicht um eine Besichtigung der Stadt, sondern um ihren hagiographischen Auftrag, wenngleich die besuchten und be-
1
Papebroch ist vor allem von der Fülle und Qualität der griechischen Heiligenvi-
ten begeistert (Florenz, § 81): monumenta Greca etiam quam Romæ pulchriora. Für sie bekommen die Jesuiten für ein paar Tage einen Schreiber zur Verfügung gestellt. 2
Nämlich den Überführungsbericht über den Arm des Heiligen Apostels Philip-
pus (siehe Florenz, § 101). 3
Zum Beispiel über den Kult der Heiligen von Lecceto (Siena, § 58).
4
Für das 18. Jahrhundert werden in Florenz 95 Klöster gezählt, die 21 Denomina-
tionen angehören; in der überwiegenden Zahl existierten sie schon im 17. Jahrhundert, also zur Zeit Papebrochs (FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, mit einer Übersicht über die Klöster des Großherzogtums auf S. 266-273).
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Einführung
schriebenen Hauptniederlassungen der großen Orden durchaus auch aus kunsthistorischer Sicht bedeutend sind, da sie nicht nur umfangreiche Handschriftenbestände hatten, sondern auch auf architektonischen und sonstigen Schmuck großen Wert legten. Das wenige Sightseeing, das man sich darüber hinaus einmal erlaubt, wird auf die letzte Woche verschoben 1 , ebenso der obligatorische Besuch der Buchhandlungen der Stadt 2 . Im Vergleich mit den bisher besuchten Städten fällt auf, dass von allen Kirchen in Florenz 3 nur fünf genauer beschrieben werden: natürlich die Jesuitenkirche San Giovanni Evangelista 4, außerdem das alte Benediktinerkloster der Stadt 5 , die Dominikanerkirche Santa Maria Novella 6 , die Servitenkirche Santissima Annunziata 7 und die Augustinerkirche Santo Spirito 8 , ferner die „modernen“ Bibliotheken von San Marco 9 und San Lorenzo 10 sowie die der Servitenpatres (Santissima Annunziata) 11 und der Garten
1
Siehe Florenz, §§ 132-133.
2
Siehe Florenz, § 131.
3
Von den Kirchen im Umland beschreibt Papebroch nur die Kartause von Gal-
luzzo ausführlicher (Florenz, §§ 71-80), allerdings auch hier vor allem die Reliquien; auf eine Beschreibung des Klosters verzichtet er mit der Begründung, er wolle sich zunächst und vor allem seiner eigentlichen (hagiographischen) Arbeit widmen (Florenz, § 80); dazu auch eine Bemerkung in Papebrochs Nachruf auf Jean Bolland, die sie zur Eile antrieb (Anhang I, S. 274). 4
Siehe Florenz, §§ 11-12.
5
Siehe Florenz, §§ 36-37.
6
Siehe Florenz, §§ 41-44.
7
Siehe Florenz, §§ 65-68.
8
Siehe Florenz, §§ 49-52.
9
Siehe Florenz, § 34.
10
Siehe Florenz, §§ 29-31.
11
Siehe Florenz, § 53.
Einführung
25
des Novizenhauses der Jesuiten 1 . Der relativ sparsame Gebrauch von topographischen Angaben in einer Stadt, die den beiden Jesuiten nachweislich gefallen hat 2 , überrascht, zumal Papebroch zu Beginn des Florenz-Aufenthaltes mehrfach ausführliche Beschreibungen in Aussicht stellt: Am 14. Oktober 1661 notiert er, er wolle den „sehr erhabenen Bau“ (augustißimam fabricam) des Palazzo Vecchio noch ausführlicher beschreiben 3 ; die Beschreibung kommt aber nicht zur Ausführung. Und am 19. Oktober notiert er beim Besuch der Kathedrale Santa Maria del Fiore, des Campanile di Giotto und des Battistero di San Giovanni, dass er die Beschreibung ihres „höchst erhabenen Baus“ (augustißime fabrice) an anderer Stelle nachholen wolle 4 ; doch auch dieses Vorhaben wird nicht ausgeführt. Solche Ankündigungen, die später nicht erfüllt werden, sollten bei einem (literarisch) durchgestalteten Schriftstück nicht auftreten. Bei einem nichtliterarischen, vermutlich nicht einmal zur Publikation bestimmten Tagebuch sind sie eher zulässig, und vereinzelt sind sie auch an anderer Stelle des Diarium zu beobachten. Doch ist Nachlässigkeit im Schreibstil nicht der eigentliche Grund, warum viele Beschreibungen in Florenz nicht zur Ausführung kommen. Denn am 24. Oktober 1661, als die Jesuiten gerade einmal zehn Tage lang in Florenz sind, schreibt Papebroch 5 , er werde in Zukunft von einer Beschreibung der besichtigten Gebäude, Kirchen und Klöster Abstand nehmen, und zwar wegen seiner hohen Arbeitsbelastung; er wolle sich vielmehr ab sofort mit ganzer Kraft seiner eigentlichen Aufgabe, den hagiographischen Recherchen, widmen. Die Architekturbeschreibungen
1
Siehe Florenz, §§ 23-24. Auch in anderern Städten geht Papebroch auf moderne
Gartenarchitektur ein (vgl. KINDERMANN 2002, S. 14). 2
Siehe Florenz, § 6, und öfter; zur Vorliebe Papebrochs für Renaissancebauten all-
gemein siehe KINDERMANN 2002, S. 14, und DAUB 2006. 3
Siehe Florenz, § 17.
4
Siehe Florenz, § 57.
5
Siehe Florenz, § 80; vgl. Anhang I, S. 274.
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Einführung
scheinen ihm also ein Luxus zu sein, der verzichtbar ist. Umgekehrt ist aus dieser Stelle aber auch erkennbar, dass Architekturbeschreibungen bis dahin zu den bewussten Intentionen des Reisetagebuchs gehört haben. Ab dato reduziert Papebroch den Umfang seiner Aufzeichnungen radikal 1 , und er schreibt seine Beobachtungen nicht mehr täglich auf, sondern fasst sie häufig zu einer (meistens kurzen) Notiz zusammen 2 . Tatsächlich verbringen Henschen und Papebroch allein in der Bibliothek von San Lorenzo acht Wochen, vom 2. November bis zum 29. Dezember 1661, obwohl sie dort durch einen Schreiber unterstützt werden 3 ; sie arbeiten jeden Tag, sogar sonntags 4 , und zwar von morgens bis abends, „außer an höchstens fünf Tagen“ 5 , wie Papebroch in seiner fast peniblen Art hinzufügt. Wie mühsam die Arbeit ist, liest man - wie so vieles im Bericht zwischen den Zeilen. So notiert Papebroch am 12. Januar 1662, dass sie die griechischen Handschriften, mit deren Kollation sie am 15. Dezember 1661 fertig geworden sind 6 , noch ein zweites Mal lesen müssen 7 .
1
Während der ersten zehn Tage ihres Aufenthaltes in Florenz notiert Papebroch
fast doppelt soviel wie während der folgenden dreieinhalb Monate insgesamt. 2
Zum Beispiel in Florenz, § 84. Mit den Wiederholungen im Tagesablauf in Flo-
renz lässt sich das allein nicht erklären, denn auch auf ihrem abwechslungsreichen Ausflug in das Valle del Casentino (Florenz, §§ 104-126) verzichtet Papebroch auf detaillierte Beschreibungen. Offensichtlich will er auch auf dieser Exkursion den Eindruck vermeiden, er vernachlässige seinen hagiographischen Auftrag. 3
Siehe Florenz, § 81.
4
Jedenfalls erwähnt Papebroch ein sonntägliches Arbeiten in seinen Tagebuch-
Einträgen zum 16. Oktober (Florenz, § 22), 23. Oktober (§ 70) und 12. Februar (§ 129). 5
Semper à mane in vesperam quinis dumtaxat diebus exceptis ibidem occupati (Florenz,
§ 84). 6
Siehe Florenz, § 84.
7
Siehe Florenz, § 103.
Einführung
27
Hin und wieder sagt Papebroch etwas zu den Arbeitsbedingungen in den Bibliotheken. Ganz nebenbei erfährt der Leser hier manches kulturgeschichtliche Detail, zum Beispiel dass die lateinischen Handschriften in San Marco bis dato noch nicht geordnet sind (offensichtlich gehen Papebroch und Henschen bei ihrer Arbeit zunächst die Inventare der Bibliotheken durch) 1 , oder dass die Handschriften meist nur in den Bibliotheken benutzt werden dürfen 2 , obwohl Papebroch und Henschen sie gerne ins Kolleg hätten bringen lassen, um sie bequem dort abschreiben zu können. Den Schlüssel für die Bibliothek hat in der Regel der Bibliothekar in Gewahrsam. Auch dies wird nur beiläufig gesagt, als nämlich der Weg nach San Marco einmal, weil der Bibliothekar abwesend ist, vergeblich ist 3. In San Lorenzo händigt der Kustos Papebroch und Henschen den Schlüssel aus, was sie von den Öffnungszeiten unabhängig macht 4 , und auch in der Kanzlei der Opera del Duomo erhalten sie den Schlüssel für den Raum, in dem man den gesuchten Translationsbericht für sie zur Transkription bereitlegt 5. In einigen wenigen Fällen lässt man die in Frage kommenden Handschriften für die Jesuiten am Ort kopieren, etwa in Santissima Annunziata 6, und Francesco Redi stellt ihnen in der Laurenziana für die vielen griechischen Texte einen Schreiber zur Verfügung 7. Doch das ist in Florenz, wie gesagt, die Ausnahme. Es sieht also tatsächlich so aus, als seien Papebroch und Henschen ganz von ihrer hagiographischen Arbeit in Beschlag genommen worden. Erst in der
1
Siehe Florenz, § 35; auch in Camaldoli gab es noch keinen Katalog (ebd. § 114).
2
Zum Beispiel in San Marco (Florenz, § 35); die gesuchten Handschriften werden
für die Jesuiten zum Abschreiben immerhin bereitgehalten. 3
Siehe Florenz, § 87.
4
Siehe Florenz, § 84.
5
Siehe Florenz, § 101.
6
Siehe Florenz, § 86.
7
Siehe Florenz, § 81.
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Einführung
letzten Woche nehmen sie sich einen Nachmittag Zeit, in den Buchhandlungen der Stadt zu stöbern. Zwar finden sie nichts Interessantes, doch wieder erfährt man en passant ein aufschlussreiches Detail: Die beiden Jesuiten kaufen einen Band des römischen Breviers, und zwar den Teilband, der die Fastenzeit beinhaltet, weil sie ihren bereits von Rom aus nach Mailand vorausgeschickt hatten in der fälschlichen Annahme, ihr Florenzaufenthalt werde nicht so lange dauern 1 . Man macht es sich auf der Reise also so bequem wie möglich, und man ist flexibel. Nur sehr selten verlassen Papebroch und Henschen die Stadt, und zwar stets mit dem Ziel, hagiographisches Material zu sammeln. Am 24. Oktober 1661 besuchen sie die Kartause Galluzzo 2 , am 3. und 4. Januar 1662 gehen sie nach Passignano, um im dortigen Vallombrosanerkloster San Michele Arcangelo nach hagiographisch verwertbaren Zeugnissen zu forschen 3 , und einmal unternehmen sie sogar eine mehrtägige Exkursion nach Vallombrosa und Camaldoli, also zu den Gründungsorten der Ordenskongregationen, bei denen ihr Besuch in Florenz, was die hagiographischen Recherchen angeht, erfolglos war. Auf diesem Ausflug besuchen sie auch das berühmte Vallombrosaner Kloster San Fedele in Poppi, das Hauptarchiv der Vallombrosaner in Paterno und die Franziskaner-Niederlassung auf dem Berg La Verna, auf dem der Heilige Franz von Assisi seine Stigmata empfangen hatte und wo Papebroch und Henschen ebenfalls Heiligenzeugnisse vermuten 4 .
1
Siehe Florenz, § 131 mit Anm.; ursprünglich hatten die beiden Jesuitenpatres
sich vorgenommen, Weihnachten in Mailand zu verbringen; sie hatten also nicht mit einem so langen Aufenthalt in Florenz gerechnet. 2
Siehe Florenz, §§ 71-80.
3
Siehe Florenz, §§ 94-95.
4
Siehe Florenz, §§ 104-126. Diese Exkursion hatten Papebroch und Henschen we-
gen schlechten Wetters um einen Monat verschieben müssen (Florenz, § 103 mit Anm.); und auch unterwegs müssen sie ihre Reiseroute noch einmal ändern, denn
Einführung
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Die meisten Heiligenviten finden Papebroch und Henschen in Vallombrosa. Bei den Mönchen von La Verna gibt es überhaupt keine alten Zeugnisse 1 , auch in Paterno suchen die beiden Jesuiten vergeblich nach hagiographischen Schriften 2 , und die in Poppi gefundenen Vita des Heiligen Torello ist rasch abgeschrieben 3. In Camaldoli ist das Archiv noch nicht geordnet, doch verspricht man, bei der anstehenden Arbeit auf Heiligenviten zu achten und eventuelle Funde Papebroch und Henschen zukommen zu lassen 4 ; man ist also auch hier von der Wichtigkeit des Editionsunternehmens überzeugt, und wie in Florenz macht man es den beiden Jesuiten so bequem wie möglich und lässt beispielsweise aus der Einsiedelei Manuskripte ins tiefer gelegene Kloster bringen 5 und auf eine Bitte Papebrochs hin ein handschriftliches Buch mit Heiligenviten sogar nach Florenz schicken, „damit es bequemer abgeschrieben werden könne“ 6 . Aus moderner Sicht interessanter als die hagiographischen Funde an sich sind solche und weitere kulturhistorischen Details, die den Tagebuchnotizen zu entnehmen sind: dass zum Beispiel Papebroch und Henschen auf ihrer Exkursion mit einer Landkarte ausgerüstet sind, die ihnen den Weg weisen soll, die aber leider nicht immer sehr genau ist (oder die zu lesen und zu benutzen die beiden Jesuiten einfach zu ungeschickt sind) 7 . Man erfährt, dass sie oft allein reisen, dass sie sich aber ab und zu auch einen
sie können das Hauptarchiv der Vallombrosaner in Paterno erst am 23. Januar besuchen und nicht, wie geplant, schon am 17. Januar (Florenz, § 107 und § 126). 1
Siehe Florenz, § 121.
2
Siehe Florenz, § 126.
3
Siehe Florenz, § 109.
4
Siehe Florenz, § 114.
5
Siehe Florenz, § 113.
6
Siehe Florenz, § 116: liber … maiori commoditate describendus.
7
Siehe Florenz, § 122 (vgl. auch § 3).
30
Einführung
ortskundigen Führer nehmen, zum Beispiel auf ihrem Weg von Vallombrosa nach Poppi 1 . Erwartungsgemäß finden sie so leichter zu ihrem Ziel, doch manchmal verirren sie sich trotz der Hilfe Einheimischer, zum Beispiel auf ihrem Weg von Camaldoli nach La Verna 2 . Wenn sie ortskundige Führer haben, vertrauen sie sich ihnen (wie auch der Landkarte) blind an und merken nicht, wenn sie aus Versehen oder aus einem Missverständnis heraus an einen ganz anderen Ort geführt werden, zum Beispiel von Poppi nach Camaldoli statt nach La Verna, wenn sie also etwa halb so weit nach Norden geführt werden (etwa 14 km), wie sie nach Osten hätten gehen sollen (etwa 27 km) 3 . In welcher Sprache sie sich in solchen Fällen verständigen, schreibt Papebroch nicht, doch erfährt man an anderer Stelle, dass die beiden Jesuiten bevorzugt lateinisch sprechen, und zwar nicht nur mit den Ordensgeistlichen, sondern auch mit anderen lateinisch gebildeten Personen, z. B. in Siena mit dem Fürsten Mattias de’ Medici 4. Daher überrascht es nicht, dass sie auch unterwegs Führer bevorzugen, die der lateinischen Sprache mächtig sind (was ihnen bei der Landbevölkerung freilich nicht immer gelingt). Den größten Teil ihrer Exkursion durch die Berge der Toskana legen Papebroch und Henschen zu Fuß zurück 5 . Das ist sicherlich die preiswerteste Art zu reisen, die man von einem Jesuiten auch grundsätzlich erwartete 6 ,
1
Siehe Florenz, § 107; auch in Acquapendente und in Radicofani mieten sie sich
einen Führer (Von Viterbo nach Siena, § 9 und § 11). 2
Siehe Florenz, § 117; auch vor Tavarnelle müssen sie einmal umkehren (ebd. § 2).
3
Siehe Florenz, § 110.
4
Jedenfalls bietet Mattias de’ Medici ihnen eine Unterhaltung auf Lateinisch an
(Siena, § 32). Natürlich sprachen sie auch in Florenz mit seinem Bruder Leopoldo de’ Medici lateinisch; siehe Florenz, § 32 mit Anm. 5
… pietatis & doctrinæ causa, wie Papebroch in der Vita Bollandi schreibt (S. 267).
6
Dem Reisen pauperum more wird schon in den Reisevorschriften des 16. Jahrhun-
derts der Vorzug gegeben (STOECKIUS 1912, S. 27-28).
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31
es ist aber auch die anstrengendste. Daher greifen sie hin und wieder zu anderen, bequemeren Fortbewegungsmitteln 1 . Ab und zu reiten sie 2 (oft ist auch das beschwerlich 3 ), und wenn sich die Gelegenheit bietet, fahren sie auch mal in einer Kutsche 4 . Zu Fuß bewältigen Papebroch und Henschen je nach Beschaffenheit des Weges etwa 25 bis 30 km pro Tag, zu Pferd oder per Kutsche entsprechend mehr 5 . Sie reisen auch bei schlechtem Wetter 6 und übernachten, wo es möglich ist, in Klöstern. Ihre Aufnahme ist durchweg herzlich, vor allem bei den Mönchen von Vallombrosa 7 , Poppi 8 und La Verna 9 , aber auch in einfachen Herbergen, etwa in Borgo alla Colli-
1
Vgl. STOECKIUS 1912, S. 29-30: maiori cum commoditate.
2
Unter anderem von Viterbo nach Siena (§§ 1, 6 und 9) und von dort weiter nach
Florenz (Siena, § 59), auch später auf dem letzten Stück von San Casciano in Val di Pesa nach Florenz (§ 95) und streckenweise von Lucca nach Genua (§ 1 und § 6). 3
Schwach und trittunsicher sind die Maulesel von Rom nach Viterbo (§ 2 und § 5)
und die von Lucca nach Genua (§ 6), und auch das Pferd Henschens von Torrenieri nach Siena (Von Viterbo nach Siena, § 13). 4
So fahren Papebroch und Henschen in einer Kutsche zur Kartause Galluzzo (Flo-
renz, § 71), und am 18. Februar 1662 erhalten sie eine Mitfahrgelegenheit nach Pistoia (siehe dort, § 1). 5
Am 4. Januar notiert Papebroch, sie hätten dank der Pferde in weniger als fünf
Stunden 16 italienische Post-Meilen (also ca. 30 km) zurückgelegt (Florenz, § 95). 6
Neblig ist es auf dem Weg von Rom nach Viterbo (§ 5) bei Monterosi, auch
gleich zu Beginn der Exkursion in das Valle del Casentino (Florenz, § 104) und wenig später bei der Überquerung des Passo della Consuma (ebd. § 124); auf dem Rückweg geraten Papebroch und Henschen kurz vor Vallombrosa in einen heftigen Regen (ebd. §§ 124-125). Nass und neblig ist es auch auf dem Weg von Viterbo nach Siena (§§ 10-11) zwischen Radicofani und Torrenieri. 7
Siehe Florenz, § 104.
8
Siehe Florenz, § 109.
9
Siehe Florenz, § 118.
32
Einführung
na 1 . Lediglich auf dem Rückweg nach Vallombrosa beklagt sich Papebroch über eine Herberge am Passo della Consuma: Ihre Gastgeber dort seien „unzivilisiert“ (barbaro hospite) gewesen und hätten sich nur mit Mühe dazu überreden lassen, sie auf dem Weg ein Stück zu begleiten. Dabei waren sie vielleicht nur vorausschauend angesichts eines aufziehenden Gewitters, in das Papebroch und Henschen wenig später geraten und in dem sie so nass werden, dass sie nach ihrer Ankunft in Vallombrosa erst einmal Schuhe und Strümpfe wechseln müssen 2 . Randbemerkungen wie zu dem Gewitter, das die Jesuiten auf ihrem Rückweg kurz vor Vallombrosa überrascht, finden sich immer wieder in den Tagebuchnotizen des Daniel Papebroch. Auffällig häufig sind Äußerungen über das Essen 3 , und zwar sowohl, wenn es besonders gut ist wie in Vallombrosa 4 , im Novizenhaus von Florenz 5 und in San Salvatore di Lecceto 6 , als auch, wenn es besonders schlecht ist wie bei den Mönchen von La Verna 7 . Papebroch notiert den Verzehr von Eiern 8 , einem Aal 9 und von Vögeln, die die Jesuiten als Gastgeschenk erhalten hatten 10 , und er erzählt von kleinen Pannen unterwegs: dass Pater Henschen einmal bei der Überquerung
1
Siehe Florenz, § 123.
2
Siehe Florenz, § 124.
3
Beispielsweise notiert Papebroch in Torrenieri, dass sie zum Frühstück einen Aal
und vier Eier aßen (Von Viterbo nach Siena, § 13); allgemein dazu auch KINDERMANN 2002,
S. 13, et passim.
4
Siehe Florenz, § 125.
5
Siehe Florenz, § 22.
6
Siehe Siena, § 57.
7
Siehe Florenz, § 118 und § 122.
8
Siehe Florenz, § 122.
9
Von Viterbo nach Siena, § 13.
10
Siehe Florenz, § 109.
Einführung
33
eines Baches ins Wasser fällt 1 und dass er sich am Tag darauf in Borgo alla Collina vor Übelkeit übergeben muss, dass er die folgende Nacht aber dann doch ruhig verbringt 2 , und dass Papebroch seinerseits wenige Tage zuvor in Poppi so starke Zahnschmerzen hat, dass er nicht schlafen kann 3 . Die schriftliche Fixierung solcher Nebensächlichkeiten und persönlicher Erlebnisse ist bemerkenswert und verleiht dem Tagebuch einen originellen, fast modernen Zug. Entsprechend dem am 24. Oktober 1661 notierten Vorsatz, von topographischen Beschreibungen Abstand zu nehmen, sagt Papebroch auch auf der Exkursion nur sehr wenig zur Architektur der besuchten Orte. Meistens vermerkt er nur das Datum der Besichtigung von Kloster, Kirche und Reliquien 4 und fügt höchstens noch eine allgemeine Bemerkung hinzu, etwa dass das Kloster von Vallombrosa stilvoll aufgebaut sei und dass seine Kirche alt, doch für die Mönche zweckdienlich eingerichtet sei 5 , dass in Camaldoli die Kirche San Salvatore del Eremo überaus prachtvoll sei 6 und dass die Klosterkirche San Fedele in Poppi viel besucht sei 7 ; auch die Lage des Klosters von Vallombrosa scheint Papebroch so beeindruckt zu haben, dass er sich eine Bemerkung hierzu nicht verkneifen kann 8 . Ganz selten
1
Siehe Florenz, § 117. Auch auf dem Ritt von Torrenieri nach Siena macht Hen-
schen keine besonders gute Figur (Von Viterbo nach Siena, § 13). 2
Siehe Florenz, §§ 123-124.
3
Siehe Florenz, § 109. Die Zahnschmerzen plagen Papebroch noch eine ganze Weile
(siehe Lucca, § 2). 4
Zum Beispiel in Vallombrosa (Florenz, § 106), in Poppi (Florenz, § 109) und in
Pistoia (§ 2). 5
Siehe Florenz, § 105.
6
Siehe Florenz, § 113.
7
Siehe Florenz, § 108.
8
Siehe Florenz, § 105; ähnlich bei San Fedele in Poppi (Florenz, § 108).
34
Einführung
flicht er auch knappe historische Bemerkungen ein, etwas dass das Kloster von Vallombrosa zweimal ausgebrannt sei 1 . Erwähnenswert erscheint ihm auch, dass die Kapelle, in der er in Camaldoli zelebriert, deswegen Papstkapelle heiße, weil dort Kardinal Hugolin von Ostia, dem späteren Papst Gregor IX., während seiner Exerzitien sein Pontifikat vorausgesagt worden sei und er sie nach seiner Wahl zum Papst mit Ablässen bedacht habe 2 . Relativ häufig finden sich im Tagebuch Bemerkungen zum Verlauf und zum Zustand der Wege 3 , vor allem, wenn sie einen (meist negativen) Einfluss auf den Fortgang der Reise haben. Genaue topographische Angaben sind das allerdings nicht, eher sind es wie die Bemerkungen zum Wetter 4 und zum Essen und die erwähnten kleinen Pannen, die Papebroch und Henschen auf dem Weg passieren, Ad-hoc-Bemerkungen zu einer Reise, die durch die Wege, die Witterung und Zwischenfälle verschiedener Art befördert oder behindert wurde. Die Schönheit der toskanischen Landschaft als solche nimmt Papebroch nicht wahr 5 .
1
Siehe Florenz, § 105 mit Anm.
2
Siehe Florenz, § 115.
3
Zum Beispiel auf der Reise der Jesuiten von Rom nach Viterbo (§ 8, oberhalb
vom Lago di Vico) und weiter nach Montefiascone (Von Viterbo nach Siena, § 2), auf dem Weg nach Lecceto (Siena, §§ 55-56) und vom Arnotal hoch in die Berge von Vallombrosa (Florenz, § 104) und weiter von Camaldoli nach La Verna (Florenz, § 117) und über Borgo alla Collina und Consuma zurück nach Vallombrosa (Florenz, § 122). 4
Zum Beispiel Florenz, § 104 und § 124.
5
Auch sonst auf der Reise sagt Papebroch fast nie etwas zu den Landschaften, durch
die die Reise führt, mit wenigen Ausnahmen: Bei der Überquerung der Alpen bedauert er, nicht zu Fuß gegangen zu sein (dazu KINDERMANN 2002, S. 271 und 437), und am 14. Dezember 1660 vergleicht er die Berge im Osten Umbriens mit denen der Marken; jene seien schön, weil sie bewohnt und kultiviert sind (auf Seite 269 im Tagebuch; dazu DAUB 2006).
Einführung
35
Zurück in Florenz werden die Tagebuchnotizen noch spärlicher. Lediglich von einer Begegnung mit Daniele Sersali, dem Vallombrosaner Ordensgeneral, wird berichtet 1 und von einem zweiten Besuch des Klosters San Salvi, wo Papebroch und Henschen zwei lateinische Viten finden und transskribieren 2 . Wenige Tage vor ihrer Abfahrt besuchen sie noch das Kloster San Miniato al Monte 3 , die Galleria Palatina 4 und den berühmten Boboli-Garten 5, ehe es am 18. Februar 1662, nach über vier Monaten, weiter Richtung Heimat geht. Was für ein Bild wird Papebroch von der Stadt am Arno mitgenommen haben? Geführt werden die beiden Jesuiten in Florenz wie auch anderswo von ortskundigen und historisch bewanderten Personen, und wenn sie die Sehenswürdigkeiten einer Stadt besichtigen und sich erklären lassen, wird man ihnen ein ganz bestimmtes Bild der besuchten Stadt präsentiert haben, eben das Bild, das ihr jeweiliger Führer von seiner Stadt hatte. In Florenz aber fällt auf, dass sie nicht (wie gewöhnlich) von einem ortsansässigen Geistlichen (meist einem Jesuitenpater) geführt werden 6 , sondern von weltlichen Gelehrten, und dass sie Personen ganz unterschiedlicher Herkunft treffen: hochrangige Geistliche (Ordensgeneräle und andere geistliche Kirchenführer), aber auch Personen aus dem Hochadel und gebildete Laien 7 , die sie zu kulturellen Ereignissen wie dem Calcio in Costume mitnehmen
1
Siehe Florenz, §§ 127-128.
2
Siehe Florenz, § 129.
3
Siehe Florenz, § 130.
4
Siehe Florenz, § 132.
5
Siehe Florenz, § 133.
6
Beispielsweise werden Papebroch und Henschen in Viterbo von Pater Francesco
Simoneschi (§ 2) geführt und in Siena von Ludovico de Vecchi, dem Leiter der Dombauhütte (§§ 15 und folgende). 7
Antonio Magliabechi, Carlo Strozzi usw.
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Einführung
und ihnen den Anlass für das berühmte Fußballspiel nennen 1 , die ihnen den geschichtlichen Hintergrund lokaler Feiertage erklären, zum Beispiel dass am 9. Januar in Florenz der Wahl Cosimos I. gedacht wurde 2, und die ihnen noch so manch anderes erzählt haben werden. Das Papebroch und Henschen präsentierte Bild sollte also viel differenzierter ausfallen als in anderen Städten (mit Ausnahme von Rom). Doch nur wenig davon hält Papebroch für erwähnens- bzw. aufschreibenswert. Namen großer Renaissance-Künstler nennt er nur in Ausnahmefällen 3 , von den berühmten Renaissance-Gelehrten der Stadt hört man nichts, nichts von großen Staatsmännern wie dem Kanzler Coluccio Salutati, der 1396 Manuel Chrysoloras nach Florenz berufen und dadurch den Griechischstudien einen großen Aufschwung verliehen hat, der in Florenz literarische Studien gefördert, gesellig-literarische Zirkel gegründet und sich um die Einführung einer klar lesbaren Schrift verdient gemacht hat 4 , nichts vom Aufstieg der Medici-Fürsten 5 , nichts von berühmten Naturwissenschaftler wie Galileo Galilei, der ab 1610 Hofmathematiker in Florenz war, oder von Philosophen wie dem Neuplatoniker Marsilio Ficino oder von den drei berühmten Florentinern Dichtern Dante, Petrarca und Boccaccio. Papebrochs Blick ist vielmehr fest auf das gerichtet, was mit dem Auftrag der beiden Jesuiten in Florenz zu tun hat, auf hagiographisch verwertbare Zeugnisse, Viten, Lokalüberlieferungen und ähnliches, und auf das, was ihre Beschaffung ermöglichte. Das große historisch-kritische Editionsunternehmen, das bei den gebildeten, bibliophilen Florentinern auf
1
Siehe Florenz, § 102.
2
Siehe Florenz, § 98.
3
Zu den wenigen Ausnahmen gehört Michelangelo (Florenz, § 30 und § 44), Fran-
cesco Vanni (Siena, § 22) und Raffael (Siena, § 7). 4
Siehe COPPINI 1999.
5
Cosimo der Ältere wird als Gründer der Badia Fiesolana nur kurz erwähnt (Flo-
renz, § 58).
Einführung
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offene Ohren stieß, ist für alle sozusagen die Basis, auf der man sich begegnet. Von diesem gemeinsamen Interesse abgesehen, bleiben die beiden Jesuiten jedoch auch in Florenz unter ihresgleichen. Sie wohnen, wie es sich gehört (und wie es auch am preiswertesten ist), im Kolleg ihres Ordens 1 , und als Papebroch, noch in Florenz, die Vierte Profess ablegt, feiert er das Ereignis natürlich - mit seinen Ordensbrüdern und nicht mit den neuen, weltlichen Freunden 2 . Und während Papebroch die Namen berühmter Florentiner Bürger vergangener Zeiten verschweigt, hält er es auf der Exkursion sehr wohl für erwähnenswert, dass er und Henschen in Vallombrosa in dem Raum untergebracht werden, in dem ein paar Generationen vor ihnen ein Kardinal (Karl Borromäus) übernachtet hatte 3 . Papebroch ist bemüht, ohne Beschönigung, möglichst nüchtern und objektiv aufzuschreiben, was er tagsüber wahrgenommen hat 4 . Literarisch gesehen ist das Tagebuch daher relativ einfach gehalten, um nicht zu sagen: Es ist nahezu schmucklos. Sachliche Informationen stehen im Vordergrund, nicht die Ästhetik des Textes. Bemerkenswert ist, dass Papebroch innerhalb des Florenz-Abschnitts von täglich vorgenommenen Notizen bewusst Abstand nimmt und zu einem stärker summarischen Bericht wechselt, der auch längere Zeiträume (zum Beispiel die Tage vom 2. November bis zum 29. Dezember 1661) rückblickend zusammenfasst.
1
Die Übernachtung im Kolleg ist für Papebroch so selbstverständlich, dass er sie
nicht eigens zu erwähnen braucht. 2
Siehe Florenz, § 83.
3
Siehe Florenz, § 104, und ActaSS, Mai., V, S. 253.
4
Die sprachliche Schmucklosigkeit des Tagebuchberichts wird besonders deutlich
im Vergleich mit anderen, ausgesprochen rhetorischen und stark hypotaktisch gegliederten Texten Papebrochs, z.B. den im Anhang abgedruckten Testimonien. Zur Selbststilisierung des erzählenden Ichs in Reiseberichten und Reisebeschreibungen siehe auch Anm. 5 auf Seite 13.
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Einführung
Sprache, Stil und Orthographie Daniel Papebrochs wurden anhand des Abschnitts, der die Reise durch Deutschland behandelt, bereits untersucht und beschrieben 1 . In Morphologie und Syntax sind nur wenige Abweichungen gegenüber modernem Schullatein zu beobachten, etwa der Ablativ auf -i bei einigen Adjektiven der 3. Deklination 2 oder der gelegentliche Gebrauch eines „doppelten“ Plusquamperfekts 3 , Abweichungen also, die zur Zeit Papebrochs wenn nicht üblich, so zumindest toleriert waren. Die in der Edition übernommene Orthographie Papebrochs lässt sich wie folgt beschreiben 4 : Die lateinischen Wörter werden mit kleinen Anfangsbuchstaben geschrieben, sehr häufig auch an Satzanfängen, bisweilen auch bei Eigennamen 5 , aber nicht konsequent ... 6 ; Wörter mit wichtigem oder be-
1
KINDERMANN 2002, S. 15-20. Die dort beschriebenen Besonderheiten wurden
hier durch einige Beispiele aus dem untersuchten Textabschnitt illustriert und ergänzt. 2
Zum Beispiel maiori commoditate (Florenz, § 116).
3
Zum Beispiel fuißemus excepti (Florenz, § 128) und excepti fuimus (ebd. § 109; Von
Lucca nach Genua, § 4), aber auch excepti sumus (Siena, § 32). 4
Zitiert aus: KINDERMANN 2002, S. 15-17.
5
Zum Beispiel quod consumma vocatur (Florenz, § 124).
6
Zum Beispiel paternum (Florenz, § 107), aber Paternum (ebd. § 126); bibliotheca Pa-
trum Carmelitarum (ebd. § 47), aber apud ipsos carmelitas (ebd. § 53); Abbas Vallumbrosanus (ebd. § 15) und Generalem ordinis Vallumbrosani (ebd. § 91), aber monasterij vallumbrosani uillam (ebd. § 126); apud Camaldulenses (ebd. § 55) und in ... eremo Camaldulensi (ebd. § 111), aber ante fores camaldulensis monasterij (ebd. § 110); vgl. preter italicas plures ... Latinam vnam (ebd. § 45), vita ... italica (ebd. § 53), aber epitomes Jtalicæ (ebd. § 54) und sedecim Jtalicis milliaribus (ebd. § 95); magni ducis (ebd. § 43 und § 132), magnum ducem (ebd. § 17), aber Magni ducis (ebd. § 46), Magno duci (ebd. § 18), Magnum ducem (ebd. § 20) bzw. magnum Ducem (ebd. § 32); ogygium et Deucaleoneum diluuium (ebd. § 25).
Einführung
39
sonders ehrwürdigem Inhalt werden groß geschrieben ... 1 , meist auch Titel wie Reuerendus, Pater, Rector, Minister 2 . U(u) und V(v) am Wortanfang werden regelmäßig als V(v) und im Wort als u geschrieben. Doppel-i ist regelmäßig ij. I hat die Form J 3 . Statt ss wird nicht selten die Ligatur aus langem und rundem s geschrieben (ß). Nahezu regelmäßig geschieht dies, wohl aus schriftästhetischen Gründen, bei zwischenvokalischem ß nach i, in der Mehrzahl dieser Fälle bei Superlativen 4 ... Schlußsilben und Monosyllaba tragen bisweilen einen Accentus gravis ... 5 , besonders Adverbia der ersten und zweiten Deklination auf langes -e; selten wird ein Ablativ durch einen Accentus circumflexus prosodisch angezeigt ... . Nach jahrhundertealter mittelalterlicher Gepflogenheit wird ae häufig, aber inkonsequent noch durch e wiedergegeben ... 6 . Die Präposition
1
Aber nicht konsequent: antiqui breuiarij ... fragmentum ... Breuiarij partem (Florenz,
§ 131). 2
Außerdem Ämter wie Foresterarius (Florenz, § 104 und § 109), Procurator (ebd. §
107) und Guardianus (ebd. § 121), aber bibliothecarius Magister (ebd., § 35). 3
Gelegentlich findet sich auch ein gelehrt-mittelalterliches („überkorrektes“) y: Tyro-
lensis (Florenz, § 22), laurea sylua (ebd. § 24), Syluestri (ebd. § 76), tyro (ebd. § 114), lacrymis (ebd. § 134). 4
Nicht differenziert wird in der Edition zwischen rundem und relativ seltenem
und unregelmäßig verwendetem langem s im Wort und sehr selten verwendetem langem s am Wortende. 5
Zum Beispiel à quo (Florenz, § 5) und à quodam (Pistoia, § 2), à veteri (Florenz, §
8), à se (ebd. § 15 und § 18) usw.; è matricibus (ebd. § 25), è Strumis (ebd. § 108), è ... famulis (ebd. § 110) usw. 6
In der vorliegenden Edition werden die unterschiedlichen Wiedergaben von ae
(æ, ę und e) beibehalten.
40
Einführung
praeter wird fast immer als preter geschrieben 1 , ceterum hingegen fast immer als caeterum 2 . Weniger häufig wird oe durch e ersetzt und vice versa ... . In der Verbindung der Vorsilbe ex mit einem Wort, das mit st beginnt, wird nicht selten das s ausgelassen ... 3 . Ein kaum beabsichtigter Archaismus stellt sich bisweilen im Partizip Perfekt von sequi und colloqui ein ... 4 . Der Gebrauch des h ist relativ klassisch; selten (und hier aus etymologischen Gründen abzulehnen) sind Fälle wie isthic 5 ... Ziffern werden meist arabisch geschrieben, Ordinalzahlen mit hochgestellter Endung, auch bei Herrschernamen. Was die Lexik angeht 1 , passt Papebroch das antik-lateinische Vokabular seinen Bedürfnissen an, indem er überlieferte Wörter in einer neuen Be-
1
Siehe Viterbo (§ 2), Siena (§ 41), Florenz (§ 39, § 45, § 101 und § 118. Dies gilt
auch für die entsprechenden verba composita, zum Beispiel pretereundum (Florenz, § 56), pretereundi (Viterbo, § 12), preteruectos (Florenz, § 3) und preterea (Florenz, § 76; Von Lucca nach Genua, § 4). 2
In den entsprechenden Formen zum Beispiel in Siena (§ 21, § 25, § 36, § 41, §
42, § 54) und Florenz (§ 21, § 76, § 81, § 100, § 114, § 120). 3
Zum Beispiel extat (Florenz, § 90 und § 113). Im untersuchten Textabschnitt fin-
det sich die klassische Schreibweise häufiger: exstruitur (Siena, § 20, und Florenz, § 42), exstructam (Florenz, § 53), exstruxit (Siena, § 13, und Florenz, § 58), exstructum (Viterbo, § 11, und Florenz, § 112), exstaret (Viterbo, § 4), exstabat (Florenz, § 18) usw. 4
Zum Beispiel assequutum (Florenz, § 26) und prosequutus (Florenz, § 81) usw.
5
Siehe Lucca, § 6, und Florenz, § 88 und § 113, gegenüber der (etymologisch) rich-
tigen Schreibweise in Viterbo (§ 3), Florenz (§ 11, § 87, § 88, § 95, § 106, § 111, § 113, § 126) usw.
Einführung
41
deutung verwendet, zum Beispiel herma für Kopfreliquiar 2 und ambitus für Kreuzgang 3 oder Umgang bzw. Chorumgang 4 . Doch auch hier ist Papebroch nicht ganz konsequent; zum Beispiel benutzt er bei ein und derselben Kirche neben dem antik-lateinischen Begriff für Kirche (templum) ohne erkennbaren Unterschied den mittelalterlichen Begriff (ecclesia) 5 . Hin und wieder findet sich in Papebrochs Bericht ein Italianismus, zum Beispiel bezeichnet er das Bruchmauerwerk, das die Gärten der Toskana umgibt, mit dem Begriff maceria 6 , die Schreibstube der Dombauhütte nennt er cancellaria 7 , für die Stadtväter von Lucca wählt er den Begriff anciani 8 , und mehrfach benutzt er für eine Niesche das aus dem Italienischen entlehnte Fremdwort (nicchia) anstelle des üblichen lateinischen Begriffs (aedicula) 9 . Bei italienischen Namen verhört er sich allerdings mehrfach 10 , ein
1
KINDERMANN 2002, S. 18-19.
2
Siehe Florenz, § 76.
3
Zum Beispiel in Lecceto im Kloster San Salvatore (Siena, § 58) und in Florenz in
Santa Croce (Florenz, § 39) und in Santa Maria Novella (ebd., § 43). 4
In Santo Spirito (Florenz, § 49); aber auch: Mauerumfassung (dazu KINDERMANN
2002, S. 18-19, mit Beispielen). 5
Zum Beispiel bezeichnet Papebroch den Dom von Florenz mehrfach als Cathedra-
le templum (Florenz, § 11 und § 57), aber einmal als ecclesia cathedralis (Florenz, § 101). 6
Siehe Florenz, § 5 und § 24.
7
Siehe Florenz, § 101 und § 103.
8
Siehe Lucca, § 7.
9
Unter anderem bei der Beschreibung der sich gerade im Bau befindlichen Chigi-
Kapelle (Siena, § 20), des Doms San Lorenzo und der Kirche der Unbeschuhten Karmeliten Santi Giuseppe e Teresa (Viterbo, § 3 und § 12). 10
Oder Papebroch verschreibt sich zumindest. So notiert er den Namen der ersten
Poststation, in der die Jesuiten einkehren, falsch (Von Rom nach Viterbo, § 2 mit
42
Einführung
übertragen zu verstehendes Sprichwort (andare sul cavallo di San Francesco) versteht er wörtlich 1 , und vielleicht ist auch der ein oder andere Irrwege der Jesuiten auf mangelnde Kenntnisse des Italienischen zurückzuführen sein 2 . Papebroch schreibt sein Tagebuch in einer gehobenen Umgangsprache 3 : Der Stil des Berichts einfach und eher an einer gelehrten Umgangssprache orientiert. Die Sätze sind relativ kurz, es sind lebendige, spontane Sätze, nicht allzusehr durchüberlegt, nicht allzusehr gedanklich und sprachlich geordnet, mit viel Parataxe, mit viel nachhängenden Satzteilen ... Und es fehlt einem Satz schon einmal ein Verb oder ... ein Objekt ... Immerhin gibt es trotzdem offenbar stilistisch motivierte Streichungen und Verbesserungen im autographen Text ... Der einfache Stil soll eben doch nicht ganz niveaulos sein. Stilistische und sonstige Verbesserungen, die einen Text in statu nascendi erkennen lassen 4 , wurden im kritischen Apparat der Edition festgehalten, und es wurde versucht, den Tagebuchstil in der Übersetzung soweit wie möglich nachzubilden. Ebenfalls beibehalten wurde im lateinischen Text die Interpunktion Papebrochs. Offenkundige Fehler (in der Regel SchreibAnm.), in Siena versteht er den Familiennamen des Ludovico de Vecchi nicht richtig (Siena, § 4), und als er in Florenz Antonio Magliabechi zum ersten Mal trifft , notiert er sich als Namen Antonius Mirabel (Florenz, § 28). F
1
Von Viterbo nach Siena, § 13.
2
Zum Beispiel bei Tavarnelle (Florenz, § 2).
3
Zitat aus: KINDERMANN 2002, S. 19-20.
4
Die meisten Korrekturen verbessern bloße Verschreibungen. Hin und wieder
präzisiert sich Papebroch aber auch oder bringt sachliche Korrekturen an wie am 18. Oktober 1661 in Florenz (§ 39, mit kritischem Apparat), wo Papebroch eine Bemerkung zum Konzil von Florenz, die zu Santa Maria Novella gehört, zunächst beim Kloster Santa Croce, das zuvor besichtigt wurde, macht und dann aber korrigiert.
Einführung
43
fehler) wurden allerdings verbessert, und es wurde der Text zu Referenzzwecken in Paragraphen unterteilt. Kursiv gedruckte Wörter und Wortteile im lateinischen Text und in der Übersetzung stammen von der Herausgeberin; post bedeutet „danach“ 1 , < … > heißt Lücke im Originaltext, der Seitenwechsel im Original wird gekennzeichnet durch - / - [pag. …]. Den Tagebuchtext begleiten im Manuskript Randüberschriften, die stichwortartig Namen von einigen Personen, Orte und Ordensniederlassungen aufgreifen und die wohl der besseren Übersicht dienen 2 . Da sie im vorliegenden Abschnitt von späterer Hand stammen 3 und offensichtlich leserspezifischen Interessen folgen, wurden sie nicht abgedruckt. Die am Rand der Übersetzung hinzugefügten Angaben (Datum des Tagebucheintrags und jeweils besichtigte Objekte) dienen der leichteren Orientierung. Der Kommentar beschränkt sich auf eine Identifizierung der beschriebenen Objekte und Personen. Bei Heiligen sind aus historischen Gründen die entsprechenden Seiten aus den Acta Sanctorum angegeben, weil Papebrochs Tagebuchnotizen dort oft verarbeitet, zum Teil sogar wörtlich zitiert werden. Diese Angabe wird der schnelleren Orientierung wegen durch einen Artikel aus einem modernen Lexikon oder Handbuch ergänzt 4 ; nur in besonderen Fällen wird darüber hinaus noch eine Literaturangabe gemacht. Henschens Briefe werden, wenn nicht anders vermerkt, aus dem Autograph zitiert.
1
Im Sinne von: post hoc bzw. post haec.
2
Fehler wurden dabei in die Randüberschrift übernommen, zum Beispiel Belseck
für Baccanum (Von Rom nach Viterbo, § 2), Bichium für Vechium (Siena, § 4), und Mirabel für Magliabechius (Florenz, § 28). 3
Sicher nicht vor 1667; vgl. Florenz, § 32 mit Anm.
4
In der Regel durch den entsprechenden Artikel aus dem Lexikon für Theologie
und Kirche (LThK). Bei den Kirchen und Klöstern von Florenz wird auf die entsprechenden Seiten bei FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000 verwiesen, wo meistens auch ein Grundriss des jeweiligen Gebäudes zu finden ist.
44
Einführung
Im Anhang werden drei Zeugnisse abgedruckt, die den Aufenthalt in der Toskana aus einem anderen Blickwinkel beleuchten. In einem Nachruf auf Jean Bolland 1 blickt Papebroch noch einmal auf seine Italienreise und die Zeit in Florenz zurück. Dieser zweite „Bericht“ war zur Publikation bestimmt, er ist kürzer, und trotzdem liest man hier neue Details, zum Beispiel, dass Papebroch vorschlug, nach Sizilien zu reisen, um dort nach Handschriften zu forschen; Henschen sollte währenddessen in Florenz bleiben und das gefundene Material abschreiben. Aus dem Plan wurde jedoch nichts, denn Jean Bolland verbot die Reise, angeblich aus Sicherheitsgründen, und er wünschte ausdrücklich, dass die beiden Jesuiten möglichst bald nach Antwerpen kämen. Hier erahnt man den eigentlichen Grund, weshalb Papebroch den Umfang seiner Notizen in Florenz von einem Tag auf den anderen so drastisch einschränkte 2 : Bollands Anweisung, die Arbeiten vor Ort möglichst schnell zu einem Abschluss zu bringen. Der zweite Text illustriert, dass Papebroch ab dem 24. Oktober 1661 tatsächlich seine Tagebuch-Notizen drastisch reduziert. Während er den Besuch der Kirche San Miniato im Diarum nur ganz kurz erwähnt 3 , kommen ihm in einem anderem Zusammenhang, nämlich bei der Abfassung der Vita des Heiligen Giovenale von Narni, emotionale Erinnerungen an eine bizarre Situation wieder in den Sinn, die er in San Miniato erlebt hatte. Der dritte Text ist der Widmungsbrief zu einer Heiligenvita aus dem Jahre 1677. In ihm unterstreicht Papebroch nochmals die Verdienste, die sich Antonio Magliabechi erworben hat hinsichtlich des Gelingens des hagiographischen Projekts insgesamt und insbesondere hinsichtlich der Aufgaben, die in Florenz zu erledigen waren 4 .
1
PAPEBROCH 1668, S. i-xlviii.
2
Vgl. Florenz, § 80.
3
Vgl. den Tagebuch-Eintrag zum 14. Februar 1662 (Florenz, § 130).
4
Vita des Antonino Pierozzi, O.P., in den ActaSS, Mai., I, S. 310-58.
Von Rom nach Viterbo
1
1
Das Jahr 1661, der 3. Oktober 1. Bei Tagesanbruch bestiegen wir eine Sänfte, die unser Mitbruder Georg Rader zu weit überhöhtem und in voller Höhe im Voraus zu entrichtendem Preis, was unredlich war, bis nach Viterbo 2 gemietet hatte. Die Reise so anzutreten, legte die gefährliche Hitze im Gebiet um Rom nahe, die sich nach den heftigen Regengüssen des Vortags noch nicht ganz gelegt hatte.
3.10.1661
2
Und wir kamen einigermaßen bequem kurz nach Mittag in Baccano 3 an, aßen, was wir aus Rom mitgebracht hatten, und hofften, bis zum Abend noch zwei Poststationen weiterzukommen. Aber kaum hatten wir die Herberge verlassen, da erkannten wir, dass man dem Maultier-
Baccano
Vgl. die Notiz vom 2. Oktober: 2a Octobris tandem omnino fuimus ad discessum para-
ti, et quoniam adhuc aliquis supererat à caloribus metus in agro Romano consensimus in conductionem lectice que esset postridie nos auectura. 2
Viterbo liegt etwa 80 km nordwestlich von Rom an der Via Cassia (Papebroch
und Henschen gelangen am 4. Oktober dorthin). 3
Es dürfte sich hier um die Osteria del Baccano in der Val Baccano handeln, de-
ren Namen Papebroch aus dem Mund des fluchenden Maultiertreibers vielleicht nicht genau verstanden hat. Sie liegt an der damaligen Postroute, die von Rom über Viterbo nach Florenz führte und von Papebroch und Henschen benutzt wurde; heute ist darin ein Hotel untergebracht: via Cassia antica, 15 (Campagnano di Roma).
48
Von Rom nach Viterbo
vermieter nicht trauen konnte und dass die Mauleselinnen klapprig waren; die eine, die voranging, stürzte zweimal jämmerlich hin, warf die Sänfte ab und zwang uns, nach gerade einmal drei Poststationen im Dorf Monterosi 1 über zwei Stunden vor Sonnenuntergang Halt zu machen. 3
Der Maultiertreiber, der, seit wir Rom verlassen hatten, fast bei jedem Schritt den Teufel angefleht hatte, dass er doch die Maultiere tot umfallen lasse, malträtierte sie, wenn sie fielen, in rasender Wut mit Stricken, mit seinen Fersen, mit Steinen und mit allem, was er gerade zum Schlagen fand. Fluchend rief er Gott und die Heiligen an und ließ sich sogar dazu hinreißen, dass er Gott, den heiligen Antonius von Padua2 und die Muttergottes von Loreto kniefällig um die einzige Gnade bat, dass sie ihm die Maultiere tot zu Füßen fallen ließen, und machte ihnen sogar zum Vorwurf, dass sie die Bitten anderer so leicht erhörten, ihm aber einen so kleinen Gnadenerweis verweigerten.
4
Beinahe hätten wir auch unseren Quersack mit Aufzeichnungen, Geld und den Brevieren, den wir in der letzten Poststation 3 vergessen hatten, verloren, wenn der ehrliche Posthalter uns nicht schnell eingeholt und diesen Schaden abgewendet hätte. Im Übrigen verbrachten wir diese Nacht recht angenehm, verspeisten die Reste der Mahlzeit, die wir aus Rom mitgenommen hatten, und
Monterosi
1
Monterosi liegt gut 40 km nördlich von Rom an der Via Cassia.
2
Antonius von Padua (1195-1231), heilig (Fest am 13. Juni); siehe ActaSS, Iun., II,
S. 703-780, und LANG 1993. 3
Also in Baccano, wo sie zu Mittag gehalten hatten.
Von Rom nach Viterbo
49
die Kleinigkeiten, die Herr Emmerix 1 uns geschenkt hatte und die für mehrere Tage reichen sollten.
1
5
4. Oktober, ein Dienstag. Wir verließen die Poststation zwei Stunden vor Tagesanbruch bei dichtem Nebel. Der Maultiertreiber, dem wir wegen seiner Fluchereien ins Gewissen geredet hatten, hielt sich mehr zurück und fluchte während des ganzen Weges kaum, obwohl das hinten gehende Maultier am Anfang in der Dunkelheit wegen einer tief ausgespülten Wasserrinne und das vorne gehende beim Abstieg von einer Höhe bei Viterbo zu Fall kamen.
6
Die Messe lasen wir oberhalb von Ronciglione bei Kapuziner-Patres 2, die uns auch zu einem Festessen zu Ehren des Heiligen Franz 3 einluden. Aber wir baten sie, uns zu entschuldigen, weil wir gleich weiterziehen mussten.
7
Ronciglione 4 aber ist ein Städtchen, das sich über einer Felswand erhebt, auf sehr unebenem Terrain. Auf einer leichten Erhebung hat es eine ganz kleine Burg 5 von alter Bauart, mit 4 runden Türmen. Die Straßen sind
4.10.1661
Ronciglione
Monsignore Johannes Emmerix (1596-1669), seit 1660 Rotaauditor (JAITNER
1976, S. 97, Anm. 21; vgl. Decisiones … 1701), war Henschen und Papebroch während ihres Romaufenthalts mehrfach behilflich gewesen. 2
1627 wurde der Kapuziner-Konvent auf den Piano delle chiavi am heutigen viale
S. Francesco d’Assisi (Ronciglione) verlegt (QUILICI 2011, S. 24). 3
Franz von Assisi, der an dem Tag (4. Oktober) seinen Festtag hatte; siehe ActaSS,
Oct., II, S. 545-1004, und LANG 1995. 4
Ronciglione liegt südöstlich des Lago di Vico an der Via Cassia.
5
La Rocca (via Borgo di Sotto), nach den vier markanten Türmen auch „I Torrio-
ni” genannt, im 12. Jahrhundert von den Präfekten di Vico erbaut.
50
Von Rom nach Viterbo
bequem, jedenfalls die, durch die wir gehen mussten, und auch zwischen den Bergflanken gibt es recht hübsche Häuser aus massivem Stein. Auf dem ersten, vor nicht sehr langer Zeit gebauten Tor 1, durch das wir die Stadt betraten, war der Name Odoardo Farnese 2 zu lesen. 8
1
Dann mussten wir in einem steilen Aufstieg einen hohen Berg 3 überschreiten, der ganz mit Eichen und Kastanien bestockt war; von dort aus hatten wir einen schönen Ausblick auf den Lago di Vico 4, der nach den oberhalb des Sees gelegenen Ruinen eines Anwesens 5 so heißt.
Lago di Vico
Die Porta Romana, die unter Odoardo Kardinal Farnese erbaut worden war; der
1857 errichtete Aufsatz wurde bei der Restaurierung des Tors im Jahre 1954 wieder zurückgebaut (BEDINI 1960, S. 67-68). Die von Papebroch erwähnte Inschrift ist nicht mehr erhalten. 2
Odoardo Kardinal Farnese (1573-1626); zu ihm siehe ROBERTSON & ZAPPERI
1995. 3
Papebroch und Henschen nahmen an dieser Stelle offensichtlich die Via Cimi-
na, die von Ronciglione (440 m ü. NN) aus über den Poggio Galleano (839 m ü. NN) nach rund 12 km den Passo di Cimino (851 m ü. NN) erreicht und dabei dem Rand des Vulkankraters folgt, in dem der Lago di Vico liegt. Vom Passo di Cimino aus führt die Straße abwärts nach Viterbo; siehe dazu auch Papebrochs Beschreibung im folgenden Paragraphen (Viterbo, § 1). 4
Der Vico-See wird nach den nördlich des Sees gelegenen Bergen auch Lago di
Cimino genannt. 5
Lateinisch: vicus (Ort). Es handelt sich entweder um die Rocca di Vico oder um
das Castello di Vico (beides war früher im Besitz der römischen Präfektenfamilie di Vico), denn der Borgo di Vico war noch bis Ende des 18. Jahrhunderts - infolgedessen auch zu Papebrochs Zeit - bewohnt (QUILICI 2011, S. 16-23).
Viterbo
1
1
Von dort gingen wir über eine Stunde lang einen flacheren Hang hinunter, der in eine Ebene führte, die sich vor Viterbo erstreckte, das uns, als wir es sahen, einen ganz auffälligen Anblick bot, weil es dort Türme über quadratischem Grundriss gibt, die so dicht stehen, dass wir bald drei sahen, die fast zusammengebaut erschienen. Von ihnen sind viele noch gut erhalten, sehr schmal aus Naturstein hochgezogen. Sie sind Zeugnisse für den Adel, der früher in Parteien zerfallen war und die jeweiligen Nachbarwohntürme bekämpfte. Auch die Mauern waren außen von zahlreichen Türmen im rechten Abstand umgeben, die jetzt aber entweder oben beschädigt oder zerfallen sind 1.
2
Mit höchster Liebenswürdigkeit empfing uns Pater Giovanni Alfonso 2, der Rektor des Kollegs, in dem es außer ihm selbst drei Brüder und ebensoviele Priester gab: den Prediger Francesco Massio 3 und Pater Niccolò Calendario 4, in dessen Amt der Philosoph Pater Francesco
Die erhaltenen Türme der Stadtmauer sind inzwischen wieder instand gesetzt
worden. 2
Rektor war P. Johannes Alphonsus (* 26. März 1619, † 10. September 1669 in
Rom); siehe ARSI, Pr. Rom. 61, f. 65, und ARSI, Hist. Soc. 48, f. 90v (laut freundlicher Auskunft von Mauro Brunello, Archivum Romanum Societatis Iesu in Rom). 3
Franciscus Mascius († 2. Mai 1683 in Tivoli), siehe FEJÉR 1985-1990, Bd. 3, S.
252. 4
Seine Mitarbeit an den Acta Sanctorum wird erwähnt in deren November-Band
I, S. 391.
52
Viterbo
Simoneschi 1 nachfolgen sollte. Dieser führte uns zusammen mit dem in allen Belangen sehr diensteifrigen Bruder Andrea Juvenchi durch die Stadt. 3
1
Und er führte uns zunächst zum Dom 2, der eine prächtige Fassade aus dem Naturstein der Gegend hat und innen eine ganz hübsche Form, die allerdings etwas schmal ist 3; sehr enge Bögen liegen auf zwölf Säulen, deren Kapitelle antikisch skulpturiert sind und das Mittelschiff von den Seitenschiffen trennen, in denen es statt Altäre fünf sehr flache Nischen gibt 4. Dann bildet das Gewölbe das Kreuz aus, dessen Arme den Seitenschiffen angepasst sind und Altäre unter einer Konsole aus Stein und zwischen je vier Säulen haben, auf der kunstvolle Holzreliquiare stehen 5; zum Chor hin gibt es
S. Lorenzo
Francesco Simoneschi (1627-78) war Philosoph im weiteren Sinne des Begriffs.
Er hinterließ lateinische Dichtung, wurde aber hauptsächlich durch seine venezianische - also volkssprachige - Rhetorik Il vello d’oro bekannt, die mehrere Auflagen erfuhr (1667, 1679, 1711); siehe SOMMERVOGEL, Bd. 7 (Paris - Brüssel 1896), Sp. 1220. 2
San Lorenzo an der gleichnamigen Piazza gelegen (Grundriss der Kirche mit
Sakristei und Bibliothek bei DEL CIUCO 1999, S. 11, weitere Abbildungen bei RASPI SERRA 1972, S. 90-91). 3
Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts hatte die Kirche noch fünf Schiffe; ab 1490
wurde sie jedoch zu den drei erhaltenen Schiffen umgebaut (PINZI 1911, S. 94, 9697). 4
Die ersten drei Nischen im linken (südlichen) Seitenschiff sind noch erhalten,
aber zugemauert. 5
Die vier Säule befanden sich im linken Querschiff an der Stelle der heutigen Or-
gel (sie sind zurückgebaut, aber bis zum zweiten Weltkrieg bezeugt); freundliche Auskunft des Museo Colle del Duomo.
Viterbo
53
unmittelbar unter dem Gewölbebogen beiderseits eine schön vergoldete Empore; und der tiefe Chor hat einen schönen Laurentiusaltar 1 unter dem Halbkreis eines Fensters, der die Breite des Gewölbes hat 2 ; von dort erhält die Kirche hauptsächlich ihr Licht. Unter einem Altar auf der linken Seite sind die Leiber des Heiligen Argaeus und dreier seiner Gefährten geborgen 3, und unter dem an der rechten Seite die der Heiligen Valentin und Hilarius 4 , die des Tranquillinus 5 hingegen unter dem Altar der nächsten Nische.
1
Laurentius (3. Jahrhundert), heilig (Fest am 10. August), Patron der Kathedrale
und (zusammen mit der Heiligen Rosa) der Stadt Viterbo; siehe ActaSS, Aug., II, S. 485-532, und WEILAND 1997. 2
An den Seiten des Chores gibt es heute jeweils zwei große Fenster; frei über dem
Altar hängt ein großformatiges Laurentiusbild von Giovanni Francesco Romanelli (1630-62). Da der Chor inzwischen wieder abgemauert ist, sind auch die Lichtverhältnisse heute anders als zu Papebrochs Zeit. 3
Zu den drei Märtyrer-Brüdern aus Tomi am Schwarzen Meer, Argaeus, Narcissus
und Marcellinus (Fest am 2. Januar), siehe ActaSS, Ian., I, S. 82-83, und BUSSI 1742, S. 456. Ihre Reliquien befanden sich zusammen mit denen eines weiteren Märtyrers in der kleinen Apsis links des Hauptaltars (SIGNORELLI 1964, S. 95). Der dortige Altar war dem vierten Gefährten, Prothogenius, geweiht; siehe der vor Ort im Museo Colle del Duomo aufbewahrte Visitationsbericht des Kardinals und späteren Bischofs Francesco Maria Brancaccio (fol. 8r und fol. 7v). 4
Valentin von Viterbo, heilig (Fest am 3. November), wurde zusammen mit sei-
nem Gefährten Hilarius Diakon unter Kaiser Maximianus bei Viterbo enthauptet, Schutzpatrone der Stadt; siehe ActaSS, Nov., I, S. 613-636, und SEELIGER 2001. Die Kapelle im rechten Seitenschiff, in der sie heute liegen, wurde erst 1705 erbaut (PINZI 1911, S. 98). 5
Es gibt einen Heiligen Tranquillinus (Fest am 6. Juli; siehe ActaSS, Iul., II, S.
263-266), der in Rom liegt und zu Heiligen um Sebastian gehört (Laurentius Su-
54
Viterbo
4
Hinter der Sakristei befindet sich die Bibliothek, die Latino Latini 1 der Kirche vermacht hatte; sie enthielt auch dessen hinterlassenen Aufzeichnungen, aber nichts für unsere Zwecke Brauchbares. Einiges werde über dem Altar des Heiligen Argaeus und seiner Gefährten verwahrt, und der Domherr Carlo Anziani versprach, uns darüber eine Nachricht zu schicken und auch über die handschriftliche Vita der Heiligen Rosa 2, die es bei den Nonnen 3 gebe.
5
Francesco Simoneschi 4 führte uns dann zum bischöflichen Palazzo Papale Palast 5, der längs der Domkirche auf einer Reihe Bögen steht, die in einem klammartigen Erdeinschnitt errichtet sind 6. Über ihrem größten befindet sich ein Zugang,
Bibliothek
rius nennt ihn in seiner Sebastiansvita im Zusammenhang mit den Heiligen um Sebastian). Der Kirchenhistoriker BUSSI (1742, S. 453-456) berichtet, dass der Leichnam des gesteinigten Tranquillinus in den Tiber geworfen worden sei; wie er nach Viterbo gekommen sein soll, sagt er nicht. 1
Italienischer Humanist und Kirchenrechtler aus Siena (1513-1593), der sich u.a.
mit der Edition von Kirchenvätern und der Vulgatarevision von 1587 befasste; seine Bibliothek wird im Museo Colle del Duomo (piazza San Lorenzo) aufbewahrt. 2
Der Kanonisierungsprozess der Rosa von Viterbo (1233/34-1252) kam nicht zum
Abschluss, dennoch wurde sie 1583 in das Martyrologium Romanum aufgenommen (Fest am 4. September); siehe ActaSS, Sept., II, S. 414-479, und FONSECA 1999. 3
Gemeint ist: im Klarissenkloster (Convento di Santa Rosa; dazu Viterbo; §§ 8-9).
4
Vgl. Viterbo, § 2.
5
Der Palazzo dei Papi (Palazzo Papale) an der piazza di San Lorenzo. Zur folgenden
Beschreibung vgl. die Grundrisse und Aufrisse bei RADKE 1980, Bd. 2 (Abb. 1-6). 6
Am Fuße des Palazzo Papale erstreckt sich das Valle di Faul; das Akronym (F.A.
V.L.) steht seit dem 14. Jahrhundert für die Etruskersiedlungen Fanum, Arbanum, Vetulonia und Longula.
Viterbo
55
den ein hervorragender Brunnen 1 schmückt, dessen Wasser durch die Säule unterhalb des Bogens fließt. Von dort aus hat man einen weiten Blick bis zu einer mehrfach geöffneten Wand ganz außen 2 und von dort aus hinab auf die Gärten und die Täler weiter unten. Die Italiener nennen das, was sich anschließt, eine Zimmerflucht 3 : Es geht dann von diesem Vorhof 4 in eine große Halle, in der der Überlieferung nach zweimal ein Papstwahlkonklave tagte 5 . Neben dem letzten Zimmer, nämlich dort, wo das Haus einen Winkel bildet, hinter dem Dom, wurde uns die auch für winterliche Benutzung eingerichtete Bibliothek des Bischofs 6 gezeigt. 6
Erwähnenswert ist auch eine alte, in die Wand eingelassene Marmortafel 7 mit einer eingemeißelten Indulgenz, die 1289 der Papst Nikolaus IV. 8 gewährt hatte. Andere
1
Die Fonte papale aus dem Jahre 1268.
2
Die Loggia dei Papi, zwischen der Curia Vescovile und dem Palazzo Papale gele-
gen, hatte ursprünglich auch zum Tal hin gotische Fenster. 3
Italienisch: fuga di stanze.
4
Schon zu Papebrochs Zeiten war die Loggia dei Papi nicht mehr überdacht.
5
Insgesamt wurden im Palazzo Papale sogar vier Päpste gewählt: Gregor X. (sed.
1271-1276), Johannes XXI. (sed. 1276-1277), Nikolaus III. (sed. 1277-1280) und Martin IV. (sed. 1281-1285). 6
Francesco Maria Brancaccio (1592-1675), seit 1633 Kardinal, 1638-70 Bischof
von Viterbo und Toscanella; siehe LUTZ 1971. 7
Zu der heute verschollenen, nur noch handschriftlich überlieferten Inschrift vgl.
die Abbildung mit Transskription (vgl. CRISTOFORI 1887, S. 360) und Übersetzung bei CAROSI 1986, S. 92-94. 8
Nikolaus IV. (sed. 1288-1292).
56
Viterbo
Päpste hatten andere Tafeln für Verstorbene hinzugefügt, wenn einer dort einmal etwas besonders Heiligmäßiges für sie geleistet hatte. 7
In der Stadt gibt es verschiedene Pfarrkirchen, von deS. Maria 1 nen eine Santa Maria del Suffragio heißt und eine sehr del Suffragio schöne Fassade hat.
8
Auch die Kirche Santa Rosa 2 , die unlängst 3 eine passende Fassade erhalten hat, ist weit schöner ausgeschmückt als es die außen vorgelegte Fassade vermuten ließe. Über dem Eingang haben die Nonnen 4 einen eigenen Chor 5. Im Rest der Kirche ist die Decke jetzt mit elegantem Stuckwerk verziert 6.
9
Rechts vom Hochaltar gibt es einen Raum 7 mit schönen Stuckverzierungen und einem vergoldeten Gitter mit nach innen geführten Türen. Als sie aufgemacht wur-
S. Rosa
1
Die Kirche liegt am Corso d’Italia.
2
Kloster und Kirche der Klarissen in der via Santa Rosa am viale Raniero Cappoc-
ci (piazza Crispi). Die Kirche wurde mehrfach umgebaut und zuletzt 1846-1850 durch einen neoklassizistischen Umbau innen und außen stark verändert (SIGNORELLI
1963, S. 246, Anm. 1). Papebrochs Beschreibung der Kirche und des Sarko-
phags der Heiligen Rosa wurde in im zweiten September-Band der ActaSS (1747, Sp. 425) zitiert. 3
1646 (ANELLI 2001, S. 184).
4
Klarissen (siehe oben).
5
Nicht mehr erhalten.
6
Heute hat die Kirche ein Gewölbe.
7
Der Leib der Heiligen war 1659 in die Nähe des Hochaltars verlegt worden (SIG-
NORELLI
1963, S. 237-238); zur Position der Cappella di S. Rosa vor dem Umbau
siehe auch GALEOTTI 2002, S. 390.
Viterbo
57
den, sahen wir hinter einem Altar durch ein ganz klares Kristallglasfenster den Leib der Heiligen Rosa 1, ganz unversehrt, außer dass ein Brand 2 in der Sakristei das ansonsten in voller fleischlicher Schönheit erhaltene Gesicht und ihre Hände geschwärzt hat. Einen so gut erhaltenen Heiligen Leib hatten wir noch nie gesehen 3. Der sehr großen Sarkophag 4, der innen in seiner Gänze zu sehen war, war mit Rosen aus Seide auskleidet, das Haupt der Heiligen war mit einem aus silbernen Rosen geflochtenen sehr eindrucksvollen Kranz umgeben. 10
Von dort gingen wir zur Verità-Kirche 5 der Serviten, die in der Nähe eines Stadttores 6 liegt und dort die größte Kirche ist. Der Orden hat an diesem Tor, durch das wir in die Stadt gekommen waren 7 , angeblich noch eine ähnlich große Klosteranlage mit Kirche 8 ; die besuchten wir aber nicht.
S. Maria della Verità
1
Zur heiligen Rosa von Viterbo siehe § 4 mit Anm.
2
Im Jahre 1357.
3
Die Mumie ist immer noch sehr gut erhalten.
4
Nicht mehr erhalten; der heutige Sarkophag stammt aus dem Jahr 1663 (ANELLI
2001, S. 185). 5
Die Kirche S. Maria della Verità mit gleichnamigen Kloster liegt außerhalb der
Stadtmauer an der piazza F. Crispi. 6
Porta della Verità.
7
Eben der Porta della Verità.
8
Gemeint ist S. Maria della Pace mit dem Nonnen-Kloster des Servitenordens an
der piazza Luigi Cocetti (also ebenfalls in der Nähe der Porta della Verità gelegen, aber innerhalb der Stadtmauer). Der heutige Kirchenbau stammt aus dem Jahre 1667. Kloster und Kirche sind profaniert.
58
11
12
Viterbo
In der ganzen Stadt gibt es verschiedene Brunnen. Besonders schön ist einer 1, der aus einer Röhre in der Mitte und einer darunterliegenden Schale 5 starke Wasserstrahlen entspringen lässt und dann auf unterschiedlichen Wegen, hauptsächlich aber durch 4 gegenüberliegende Röhren abfließt 2. Dazu passt die Schale ganz unten, die über ein paar Stufen in Form eines gleichschenkligen Kreuzes angebracht ist.
Fontana
Auch die Unbeschuhten Karmeliten wollten wir besuchen. Für sie hatte man den vorderen Teil einer ganz hübschen Kirche errichtet und, getrennt davon, drei Seiten eines Gevierts 3. Ihre Lage ist günstig 4 für die vielen Kirchengänger, die es in dieser Stadt durchaus in größerer Zahl gibt als in den anderen Diözesen. Der fertiggestellte Teil der Kirche 5 läuft beiderseits zu zwei Kapellen aus, deren Bögen bis hinauf zum Gesims zwei Doppelpfeiler schmücken, zwischen denen genügend Platz für Beichtstühle ist und für Nischen, die Statuen aufnehmen sollen.
S. Giuseppe
grande
e Teresa
1
Die Fontana grande auf der nach ihr benannten Piazza.
2
Aus den Seiten eines obeliskenähnlichen Pfeilers über der obersten Schale und an
vier gegenüberliegenden Öffnungen dieser Schale entspringt je ein Wasserstrahl; im unteren Bereich der zentralen Brunnensäule fließt Wasser über vier durch Pfeiler gestützte Röhren ab und tritt an jedem Rohr aus fünf Öffnungen aus. 3
Santi Giuseppe e Teresa an der piazza Fontana Grande. Der Bau der Kirche zog
sich von 1641 bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Kirche und Konvent wurden später profaniert und dabei im Baubestand verändert. 4 5
Das Kloster liegt in der Nähe der Porta Romana. Also die beiden nördlichen Travéen. Zur Baugeschichte der Kirche und des
Klosters siehe STURM 2001 mit einem Grundriss auf S. 35.
Viterbo
13
1
59
Unsere Ordensbrüder wohnen noch in einem alten S. Croce 1 Gebäude und benützen eine alte Kapelle , die außen wie dei Mercanti innen recht ansehnlich ist wegen der Form der Steine, die diamantenartig geschnittenen sind 2, auch hinter dem Altarraum 3. Sie haben aber hohe, feste Einkünfte, aus deren Erträgen eine neue Kirche und ein Kolleg gebaut werden sollen; die Nachbargebäude sind zu diesem Zweck schon aufgekauft worden 4. Die Unsrigen lehren hier Grammatik, die Humaniora 5, Philosophie und Moraltheologie. Die Lehrer waren aber nicht alle anwesend. Der Gründer des Kollegs, der Kardinal, hat ihnen seine Bibliothek hinterlassen 6.
Santa Croce dei Mercanti an der piazza Mario Fani, ab 1624 von den Jesuiten
genutzt, später profaniert, heute im Besitz der Provinz Viterbo (GALEOTTI 2002, S. 733-734 und S. 739). 2
Hier nicht in Gestalt eines Diamantquader-Bossenwerks wie etwa am Palazzo dei
Diamanti in Ferrara, sondern einer um das Eingangsportal und die Außenwände geführten Zierleiste mit kleineren, an der Stirnseite ebenfalls facettenartig geschnittenen, pyramidenförmigen Steinen (bugnato a punta di diamante); Abbildung bei SCRIATTOLI 1915-20, S. 242-243 (Abb. 338 und 339). 3
Die Wände des Altarraums sind heute verputzt.
4
Die Stadt Viterbo unterstützte seit 1622 den Bau und Unterhalt eines Kollegs.
Da Scipione Kardinal Cobelluzzi 1626 den Jesuiten sein gesamtes Vermögen hinterließ, wurde er zum Begründer ihres Kollegs erklärt. Am 2. Dezember 1662 begann man, die Kirche Sant’Ignazio an der piazza Mario Fani, 2, zu errichten (BUSSI 1742, S. 335); sie wird heute von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche benutzt. Das inzwischen aufgehobene Kolleg liegt zwischen ihr und Santa Croce. 5
Gemeint ist: der humanistische Bildungskanon.
6
Scipione Kardinal Cobelluzzi hatte den Jesuiten auch seine private Bibliothek
überlassen.
Von Viterbo nach Siena 1
5. Oktober, ein Donnerstag. Da uns nichts mehr in Viterbo zurückhielt und das Wetter gut war, begannen wir, an die Abreise zu denken, und weil wir es für gut hielten, bis Siena Pferde zu mieten, mieteten wir Pferde, die alle zwei Poststationen gewechselt werden sollten. Aber die kamen nicht pünktlich. Deshalb mussten wir, obwohl es noch lange nicht dunkel wurde, in der Nähe von Montefiascone 1 Halt machen, was uns nicht ganz ungelegen kam, weil wir Stricke kaufen mussten, mit denen das Gepäck auf dem Pferd festgebunden werden sollte, das dreimal heruntergefallen war, weil die alten Riemen nicht gehalten hatten 2 . Bei dieser Gelegenheit kauften wir auch billige Stegreife, weil behauptet wurde, es sei in der Toskana nicht üblich, sie mit dem Pferd zur Verfügung zu stellen.
5.10.1661
2
Der Weg von Viterbo hierher war bequem und führte auf steinigem oder sandigem Boden durch sonst schlammige Felder. Der Berg 3 selbst liegt hübsch da. Auf ihm thront die Stadt; sie steigt mit ihren Straßen, die sich dreimal um den Berg winden, allmählich an ihm hinauf. Die Einwohner betreiben ausschließlich Weinbau und Ackerbau. Die Häuser sind massiv gebaut, aber schmucklos. Ganz oben auf dem Berg gibt es die Rui-
Montefiascone
1
Ortschaft am Südostufer des Lago di Bolsena, ca. 17 km nördlich von Viterbo.
2
Die Steigbügel rissen sehr bald, und auch die neuen Riemen hielten nicht lange
(siehe § 6). 3
Colle Falisco.
Von Viterbo nach Siena
nen eines sehr großen Castello 1, von dem aus man einen wunderschönen Blick auf die Äcker unten hat und auf einen See 2 mit zwei kleinen Inseln oder Felsklippen darin 3 .
1
61 Rocca dei Papi
3
Die Kathedrale 4, die der Heiligen Margherita 5 geweiht S. Margherita ist, erhebt sich über einem Achteck, aus dem lediglich hinter dem Bogen, der dem Eingang gegenüberliegt, ein Chor vorspringt bis zu einem Halbkreis, der den übrigen sechs ringsum gleicht und ihn hinten schließt. Wenn man auf sie zugeht, sieht man einen großen sehenswerten Baukörper, der aber völlig schmucklos ist.
4
Innen sieht sie schöner aus; dort gibt es unterhalb des Gesimses über die ganze Breite der jeweiligen Seite ringsum gleichgroße Bögen oder Altarräume, oberhalb des Gesimses Fenster und eine getäfelte Decke 6, aber noch keine Empore unter dem Eingangsbogen, und mit der Fassade hat man gerade erst begonnen 7 .
Päpstliche Residenz auf der Rocca dei Papi; das aufgehende Mauerwerk der Rui-
nen wurde Ende des 20. Jhts. restauriert und beherbergt jetzt u. a. ein Architekturmuseum. 2
Lago di Bolsena.
3
Isola Martana und Isola Bisentina.
4
Cattedrale di Santa Margherita an der gleichnamigen Piazza gelegen.
5
Margarete von Antiochien, heilig (Fest am 20. Juli), ist die Patronin des Ortes;
siehe ActaSS, Iul., V, S. 24-45, und BERGER 1997. 6
Aus Geldmangel hatte man statt der Kuppel zunächst eine Decke eingezogen, die
1670 durch einen Brand zerstört wurde; die Kuppel wurde erst zwischen 1670 und 1674 fertiggestellt (HAGER 1975, S. 145, und OST 1970, S. 376). 7
Die Fassade wurde erst 1840 von Paul Gazola fertiggestellt.
62
1
Von Viterbo nach Siena
5
Die Kirche kann deshalb eine sehr große Menge an Kirchgängern fassen, weil sie keinerlei Säulen oder Altäre hat, die die Sicht verstellen würden. Das wäre, wenn es bei den Belgiern üblich wäre, Altäre einander gegenüberzustellen, auch für das Kolleg in Antwerpen 1 eine sehr gute Lösung, ohne wirklichen Schaden für das alte Gebäude, das trotz kleiner Grundfläche dann bequem Platz bieten würde, 600 Studenten für einen Gottesdienst unterzubringen.
6
6. Oktober, ein Freitag. Wir bestiegen morgens Pferde, auf denen man besser saß als auf denen von gestern, die aber langsamer gingen. Unser Weg führte zunächst durch unwirtliche Berge, von denen man einen schönen Blick auf den nahen Bolsener See hatte, dann direkt am Ufer des Sees entlang. Wir hatten uns noch nicht weit von unserem Nachtquartier entfernt, da schloss auf einem Pferd, das rücküberführt werden musste, ein Pferdeführer 2 zu uns auf; sein Angebot, es dem Wirt für zwei Julier 3 zu vermieten, hatte dieser abgelehnt, und so schloss er sich gegen den abgemachten Preis uns auf unserer Weiterreise an. Er war unterwegs eine durchaus willkommene Hilfe, denn die Befestigungen der Steigbügel rissen ein paar Mal, und auch die Stricke, die wir tags zuvor gekauft hatten, um mit ihnen
6.10.1661
Lago di Bolsena
Gemeint ist die 1718 weitgehend abgebrannte alte Kollegskirche Sint-Ignatius,
an deren Stelle heute die Sint Carolus Borromeuskerk steht (Hendrik Conscienceplein 12). Papebroch hatte dort ein Jahr lang Philosophie gelehrt. 2
Eigentlich: Fuhrmann (italienisch: vetturino).
3
Der Julier (Giulio) ist eine Silbermünze des Kirchenstaats, die seit Papst Julius
II. (sed. 1503-13) geprägt und nach ihm benannt wurde.
Von Viterbo nach Siena
63
das Gepäck auf dem Pferd zu befestigen, waren nicht ausreichend. 7
8
9
Bolsena ist eine ganz kleine Stadt, die dem fischreichen und wegen der ausgezeichneten Qualität seiner sehr schmackhaften Aale berühmten See seinen Namen gegeben hat 1. Hinter ihr gingen wir weiter am See entlang, dann bergauf, und kamen zu einem Borgo 2 , der so auf einem ganz kleinen Hügel liegt, dass seine Kirche fast ab den Fundamenten sichtbar hoch in den Himmel ragt und die Häuser um sie herum sich die Hänge hinunterziehen. Er heißt San Lorenzo 3 . Und schließlich kamen wir nach Acquapendente 4 . Die Stadt war früher größer, wie man an den Überresten von Mauern und Türmen an den Hängen der beiden Hügel erkennen kann, zwischen denen sie sich jetzt weitläufig erstreckt. Der jetzt bewohnte Teil besteht aus einer langen und mit Häusern wohl bebauten Straße und scheint gut bevölkert zu sein.
Bolsena
San Lorenzo Vecchio
Acquapendente
Es war zu spät geworden abzuwarten, bis wir hätten zelebrieren können. Deshalb bestiegen wir, nachdem wir uns gestärkt hatten, neue Pferde und ließen uns von einem Burschen begleiten, den wir für ganz wenig Geld angeheuert hatten. Unser Weg zog sich, sobald wir einmal
1
Bolsena liegt am nordöstlichen Ufer des Lago di Bolsena.
2
Das heißt: eine kleine befestigte Ortschaft.
3
San Lorenzo Vecchio. Der heute nur noch in Ruinen erhaltene Ort liegt etwas
südlich von San Lorenzo Nuovo, das erst im 18. Jahrhundert gegründet wurde (GOEZ 1972, S. 181-182). 4
Acquapendente liegt ca. 50 km nordwestlich von Viterbo.
64
Von Viterbo nach Siena
in die Ebene hinuntergeritten waren, lang durch die Felder, und bald erblickten wir eine Burg 1, die alle HüRadicofani gel ringsum überragte und unterhalb welcher es ein sehr großes und sehr günstig gelegenes Rasthaus 2 gab, das Radicofani heißt; zwischen ihm und den Treppen, die zur Burg hinaufführen 3 , sieht man eine kunstvoll ein- Fonte grande gefasste Quelle 4 . 10
Bevor wir hier 5 ankamen, mussten wir eine Weile über bergiges Terrain auf einem gewundenen Weg hinaufreiten. Dabei wurden wir infolge häufiger, aber immer nur kurzer Regenschauer eher taufeucht als nass, mit Ausnahme des letzten, der etwas länger anhielt und uns nass ins Quartier kommen ließ. Kaum waren wir angekommen, da öffnete der Himmel alle Schleusen, fast eine Stunde lang, ohne Unterbrechung, so dass wir die nahe Burg nur von weitem 6 hatten sehen können, da sie später unseren Augen durch den starken Regen entzogen
1
Rocca di Radicofani, das auf dem gleichnamigen Berg liegt.
2
Die noch gut erhaltene Pferdewechselstation war im 16. Jahrhundert von den
Medici errichtet worden und liegt etwas außerhalb an der Strada Statale 478, Nr. 22. 3
Heute führt eine steile Straße (via della Posta) geradlinig auf den am Fuße der
Burg gelegenen Ort zu. 4
Der Fonte grande liegt auf der anderen Straßenseite und war 1603 im Auftrag
von Ferdinando II de’ Medici errichtet worden. 5
In Radicofani.
6
Nämlich auf dem Weg durch das breite Flusstal, durch das Papebroch und Hen-
schen gekommen waren (vgl. § 9). Die Burg liegt nur etwa einen halben Kilometer von der Herberge entfernt, und zwar an exponierter Stelle auf dem Berg, so dass sie bei normalen Sichtverhältnissen nicht zu übersehen ist.
Von Viterbo nach Siena
65
wurde und davor und danach durch sehr tief hängende Wolken. 11
7. Oktober, ein Freitag. Wir gaben die Hoffnung auf, zelebrieren zu können, weil der Weg nach Siena sich noch lange hinziehen sollte. Daher nahmen wir uns einen Führer für die Wege, deren Markierungen starker Regen sehr beschädigt hatte und der sehr dichte Nebel aus der Entfernung auch nicht erkennen ließ. Wir brachen auf, der Weg erschöpfte aber Pater Gotfrid so, dass wir es an einer Pferdewechselstation 1 für geratener hielten, Halt zu machen, obwohl noch lange Tageslicht gewesen wäre und das Wetter schön war; erst nach Sonnenuntergang setzte wieder Regen ein, der uns bis zum nächsten Mittag begleitete, während vor uns der Himmel heiter war.
7.10.1661
12
Torrenieri 2 , wo wir Halt machten, ist eine ganz kleine Ortschaft. Sie hatte keine lieblichen Gärten oder Weingärten zu bieten, wo wir uns mit einem Spaziergang hätten erholen können. Wir brachten trotzdem den Tag, so gut es ging, hinter uns und fanden gegen Abend eine neue, mit drei hübschen Altären passend ausgestattete Kapelle 3, die offen war und in der wir Litaneien beteten und am nächsten Morgen die Messe lasen. Die Kir-
Torrenieri
1
Torrenieri (dazu § 12).
2
Eine kleine Ortschaft mit Poststation, die ca. 37 km südöstlich von Siena an der
Via Cassia liegt. In der 1865 aufgegebenen Poststation ist heute ein Weingut mit Museum (Abbadia Ardenga) untergebracht (via Roma, 137-145). 3
Das einschiffige Oratorio della Compagnia di San Rocco in der via Romana, 10,
wurde um die Jahrhundertwende (15./16. Jahrhundert) außerhalb des Castello di Torrenieri errichtet.
66
Von Viterbo nach Siena
che 1 selbst besichtigten wir nicht, obwohl sie in der Nähe lag. 13
8. Oktober, ein Samstag. Nach der Messe frühstückten wir, für uns beide waren ein Aal und vier Eier völlig ausreichend. Dann banden wir unser Gepäck zusammen und nahmen dabei unsere Gürtel zu Hilfe (sie hielten bis Siena) 2 , und machten uns auf den Weg. Aber das einäugige und fast blinde Pferd, das gerne ausschlug, war träge und auf dem schlüpfrigen Boden häufig trittunsicher und quälte den Pater Gotfrid dadurch so sehr, dass es in ihm den Wunsch erregte, den Weg zu Fuß zurückzulegen, zumal als es zusammen mit seinem Reiter auf einem ansonsten ebenen Wege niedergestürzt war; diesen Wunsch bestärkte in ihm auch noch ein anderer zu Fuß Reisender, der ihm, als er schief auf dem Pferd hing, tadelnd zurief entweder, dass der Heilige Franz Xaver 3 seine Reise zu Fuß, nicht mit einem Pferd gemacht habe, oder (wie ich glaubte), dass er lieber das Pferd des Heiligen Franz für seinen Weg nehmen solle 4 .
8.10.1661
1
Santa Maria Maddalena (via S. Giovanni, 4).
2
Die Stricke, die Papebroch und Henschen in Viterbo gekauft hatten (§ 1), waren
mehrfach gerissen (§ 6) 3
Franz Xaver (Francisco de Jassú y Javier, 1506-1552), heilig (Fest am 3. Dezember)
war Mitbegründer des Jesuitenordens und Apostel Indiens und Japans; siehe SCHATZ 1995. 4
Das heißt: zu Fuß gehen (italienisch: andare sul cavallo di San Francesco); siehe Ca-
vallo (Art.), Vocabolario degli Accademici della Crusca, 5. Auflage, Bd. 2, Teil 1 (B - Chiusura), Florenz 1866, S. 705-710. Franz von Assisi lehnte das Reisen zu Pferde ab; nach der dritten Erscheinung (14. Februar 1208) verzichtete er sogar auf Wanderstab und Sandalen.
Siena
1
1
Die Stadt Siena hatten wir dann gleich nach dem siebten Meilenstein 1 vor Augen, das heißt, nachdem wir < …. > , eine kleine, aber wie ein Borgo in einem Rechteck ummauerte Ortschaft 2 , passiert hatten. Von dort erstreckt sich eine schöne Ebene mit einem Fluss 3 , über den in kurzen Abständen Brücken führen. Näher zur Stadt hin gibt es Hügel und etwa eine Meile davor bereits Gärten oder Häuser.
2
Die Stadt selbst erstreckt sich über bergiges Terrain und hat ein gesundes Klima und hohe, meist aber aus Ziegelstein erbaute Häuser und belebte Straßen, die mit schmalen Ziegelsteinen gepflastert und stets sauber sind 4 . Hier kamen wir um die 20. Stunde 5 an und wurden sehr
Die italienische Meile ist ungefähr 1.500 m lang, die toskanische Meile ist etwas
länger (1653,6 km); siehe LA COLLA 1938, S. 842. 2
Vermutlich handelt es sich um die Grancia di Cuna an der Via Cassia, die etwa
zwei Kilometer von Monteroni d’Arbia und gut zehn Kilometer von Siena entfernt ist. 3
Das Tal des Flusses Arbia.
4
Das Pflaster bestand zu Papebrochs Zeit noch aus Ziegelsteinen, die in Fischgrät-
muster so eng verlegt wurden, dass kaum Fugen zu erkennen waren, sodass die Straßen wie aus einem Guss gemacht erschienen und ihre Sauberkeit im 17. Jahrhundert auch andere Reisende beeindruckte; ab dem 18. Jahrhundert wurden die Ziegelsteine nach und nach durch Kalksteine ersetzt (siehe auch MAZZONI 2000). 5
In Italien wurde nach der sogenannten „ganzen Uhr“ gerechnet, nach der der Tag
eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang anfing (DAUB 2010, S. 42, mit Anm. 183). Papebroch und Henschen kamen also offensichtlich am Nachmittag zwischen 15 und 16 Uhr in Siena an.
68
Siena
freundlich von Francesco Borboni 1, dem Pater Minister2, empfangen und von Laurens van de Poele 3, der Famulus 4 im Konvikt in Antwerpen gewesen war, als ich dort wohnte. 3
1
Nach dem Essen wurde uns die Kirche gezeigt, die wir praktisch neu gebaut hatten 5 . Sie ist groß und passend 6 und hat zwischen je zwei Pilastern Beichtstühle und beiderseits drei mit Marmor verkleidete Kapellen, die bis zum Gesims reichen. Ähnlichen Schmuck soll die Apsis erhalten 7 . Die Felderdecke ist wegen ihrer Bilder und wegen vergoldeter Balken sehenswert 8 . Das Ordenshaus
S. Vigilio
Francesco Borboni († 22. Februar 1689 in Rom); siehe FEJÉR 1985-1990, Bd. 1,
S. 150. Der Rektor des Kollegs war nicht zu Hause; er begrüßte die beiden Jesuiten erst nach ihrer Stadtbesichtigung (siehe § 14). 2
Ein Amt im Jesuitenorden (u.a. für die Betreuung von Gästen).
3
Fr. Laurentius Vandepolus, coadiutore temporale (* 1618, † 17. September 1701);
siehe ARSI, Pr. Rom. 61, f. 59v, und ARSI, Rom. 96, f. 130 (laut Auskunft von Mauro Brunello, Archivum Romanum Societatis Iesu in Rom). 4
Gehilfe im wissenschaftlichen Umfeld (etwa in der Bibliothek).
5
San Vigilio (via Sallustio Bandini, 48; Eingang: via San Vigilio), heute Cappella
Universitaria di Siena, neben dem Kolleg gelegen, bereits 1625-26 unter dem damaligen Rektor Orazio Grassi umgebaut. Umbauten der Ordensniederlassung folgten 1667 nach den Plänen Ciriaco Pichis (erste Entwurfszeichnungen um 1664). 6
Die Kirche ist mit ca. 18 x 30 m (BÖSEL 1986, S. 286) nicht außergewöhnlich
groß, aber unweit der piazza del Campo günstig gelegen. 7
Die Apsis wurde erst Ende des 17. Jahrhunderts entsprechend ausgebaut: Errich-
tung des Hauptaltars in den 1680er Jahren und Fertigstellung der marmornen Chorbalustrade 1707 (BENCIVENNI 1996, S. 75 und S. 90). 8
Die 15 Bildfelder der kassettierten Flachdecke sind durch breite verzierte Balken von-
einander abgesetzt; die Bilder thematisieren das Jüngste Gericht.
Siena
69
ist alt und wurde aus einem ehemaligen Nonnenkloster, das vorher Mönche bewohnten, hergerichtet 1 .
1
4
Dann führte uns Laurens zu einer Besichtigung in die Stadt, vor allem aber zu einem Besuch bei dem Cavaliere Ludovico de Vecchi 2, dem Bruder des apostolischen Pronuntius 3 und Vorsteher der so genannten Opera del Duomo, das heißt der Dombauhütte, die auch für die anderen Gebäude am Dom zuständig war. Der aber war außer Hauses, weil ihn eine wichtige Aufgabe seines Amtes in Anspruch nahm.
5
Die Stadt hat einen großen Marktplatz 4 . Als wir ihn überquerten, sahen wir auf der einen Seite einen prachtvoll erbauten Brunnen 5 , den Statuen und Reliefs aus
Piazza del Campo
Das neben San Vigilio gelegene Kloster (via Banchi di sotto, 55) stammt aus dem
12. Jahrhundert und gehörte zunächst den Camaldulenser-Mönchen. Kurze Zeit (nämlich vom 22. Februar 1552 bis zum 3. Juli 1553) wurde es übergangsweise von Nonnen aus dem Kloster Ognissanti bewohnt, das außerhalb der Mauern der in dieser Zeit belagerten Stadt lag (SOZZINI 1842, S. 107 und S. 151). Die Jesuiten bezogen den Konvent mit zugehöriger Kirche im Jahre 1561 (MORETTI 1991, S. 283). Heute ist das ehemalige Kloster Sitz des Rektorats der Universität (Palazzo del Rettorato). 2
Ludovico de Vecchi (1618-68) war seit 1658 Leiter der Dombauhütte (BUTZEK
1996, S. 60-61, mit weiterer Literatur); vgl. auch ActaSS, Mai., I, S. xxxiii. 3
Der von Papebroch erwähnte Bruder des Ludovico de Vecchi, Monsignor Girola-
mo de Vecchi (1620-91), war damals amtierender apostolischer Internuntius in Brüssel (BITTNER & GROSS 1936, S. 388, MESSINA 1991, S. 542, und BUTZEK 1996, S. 60); da Pronuntien nicht mehr amtierende Nuntien und Internuntien waren (WALF 1995, Sp. 546), ist Papebrochs Bezeichnung hier nicht ganz korrekt. 4
Piazza del Campo.
5
Die Fonte Gaia von Jacopo della Quercia (1419).
70
Siena
Marmor schmücken 1 , auf der anderen Seite den Palazzo Pretorio 2 mit einem sehr hohen Turm über quadratischem Grundriss 3, an dessen Fuß sich eine recht stattliche Kapelle 4 mit Marmorreliefs nach allen Seiten hin öffnet, in der für alle, die um den Marktplatz herum wohnen, täglich eine Messe gelesen wird, bei der zur Elevation der geweihten Hostie Trompeten erschallen 5 . 6
1
Den Dom 6 , der ganz aus Marmor ist 7 , und alles, was dort sonst noch besonders sehenswert ist, werde ich an anderer Stelle beschreiben 8 , weil das außergewöhnliche Bauwerk so schön ist. Jetzt nur soviel: Vor dem Hochaltar 9 wurde für uns ein Stück des sehr schönen Marmor-Bodenmosaiks aufgedeckt 10 , auf dem das Opfer
S. Maria Assunta
Ursprünglich Marmor aus der Montagnola senese (im 19. Jahrhundert durch eine
Kopie aus Carrara-Marmor ersetzt). 2
Das Rathaus (Palazzo Pubblico oder Palazzo Comunale) an der piazza del Campo.
3
Die 102 Meter hohe Torre del Mangia.
4
Cappella di Piazza.
5
Anstelle der üblichen Schellen, ähnlich wie im Ritus der Missa papalis.
6
Cattedrale di Santa Maria Assunta an der piazza del Duomo.
7
Präziser sollte man von einer Marmorverkleidung sprechen.
8
Siehe §§ 16-26.
9
Der Altar wurde 1506 von Baldassarre Peruzzi entworfen, das seit 1506 darauf
befindliche Ziborium aus Bronze stammt von Lorenzo di Pietro (Abbildung bei CARLI 1992, S. 40). 10
Bereits 1591 wurde eine Holzabdeckung für die Bodenmosaike vor dem Hochal-
tar mit der Geschichte Mose in Auftrag gegeben; die Abdeckung über „Isaaks Opferung“ entstand 1636 (BUTZEK 2006, S. 201, 208 und 212). Die Holzabdeckung
Siena
71
Abrahams mit allen Begleitumständen so schön abgebildet ist, dass es scheint, dass der Künstler 1 die Schönheit eines gemalten Bildes übertroffen hätte. 7
Auch der Raum der Bibliothek 2 , deren Bücher sich jetzt in Florenz und teilweise im spanischen Escorialpalast befinden 3 , wurde uns aufgeschlossen, in dem noch alle Pulte über je einem Holzkasten von passender Höhe stehen geblieben sind 4 . Besonders sehenswert ist dieser Raum wegen der von zwei berühmten Malern, nämlich Raffaelo da Urbino 5 und seines Meisters 6 sorgfältig gemalten Bilder aus dem Leben des Enea Silvio 7 aus Siena, der später Pius II. hieß. Auch das Gewölbe, das
PiccolominiBibliothek
wurde nur bei hohem Besuch abgenommen (ebd. S. 209, Anm. 2583); hieran sieht man, dass Papebroch und Henschen auch in Siena angesehene Gäste waren. 1
Domenico Beccafumi (1486-1551); siehe SANMINIATELLI 1970. Das Mosaik (Isa-
aks Opferung; Gen 22,1-19) stammt aus dem Jahr 1547; siehe CARLI 1992, S. 3334 (mit einer Abbildung des Mosaiks). 2
Die Piccolomini-Bibliothek grenzt an den Dom und ist von ihm aus zugänglich
(CARLI 1992, S. 6 mit einem Grundriss und S. 55). 3
Die Piccolomini-Bibliothek wurde schon sehr bald ausgeplündert; ihre Bestände
gelangten in verschiedenen Bibliotheken Italiens und eben auch in den Escorial; über die verbliebenen Handschriften erhielt Cosimo I ein Verzeichnis, das aber nicht erhalten ist; siehe PICCOLOMINI 1899, S. 484-486 und S. 492-493. 4
Das Inventar der Bibliothek wurde nach ihrer Übernahme durch die Dombauhüt-
te in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (vor 1676) umgestaltet (CARLI 1946, S. 67, und CECCHI 1982, S. 59). 5
Raffaello Sanzio da Urbino (1483-1520), siehe FELD 1994.
6
Zu Bernardino Pinturicchio (1454-1513) siehe GRASSI 1967.
7
Enea Silvio Piccolomini (sed. 1458-1464); Abbildungen der Fresken bei CARLI
1992, S. 58-62.
72
Siena
über vier Joche führt, ist wunderschön ausgemalt. Alles, was man im Gewölbe und an den Wänden vergolden wollte, wurde aber zunächst ganz fein aus Gips hergestellt und ragt aus der Wand hervor 1 , wie es scheint deshalb, weil man damals noch nicht die Technik hatte, Schatteneffekte auf die Vergoldung zu bringen 2 . Dieser Wechsel von überall angebrachten plastischen Flachreliefs im Zusammenspiel mit der Lebendigkeit der bildlichen Darstellungen macht, dass das Auge beinahe unsicher wird, ob die bildlichen Darstellungen plastisch geformt und dann bemalt wurden oder ob sie nur mit Schatten in die Fläche gemalt wurden. 8
1
Der Chorraum ist wenig 3 höher als der Fußboden der Kirche. Darunter befindet sich eine Taufkapelle 4 für die ganze Stadt, die gleich breit ist wie der Kirchenbau, von gleicher Bauart und aus gleichem Material. Die Fassade, die man hinter dem Chor bis zum Dach hätte hochführen sollen, ist allerdings noch unvollendet 5 . Wie in die Kirche selbst führen drei Pforten hinein; zwei Säulen tragen das Gewölbe, das in gleicher Weise wie in
Battistero di S. Giovanni
Wappen und Ornamente an den Gewölben und der Stirnseite sind reliefartig
herausgearbeitet, ebenso die goldenen Verzierungen an den Gewändern auf den Wandbildern. 2
Diese mit der Spätantike untergegangene Technik kam mit dem Zunehmen per-
spektivischer Malerei wieder auf. Es ist nicht bekannt, wann sie das erste Mal wieder angewandt wurde. Freundlicher Hinweis von Helena Kleine-Tebbe, Düsseldorf. 3
Der Chorraum ist um vier Stufen höher gelegen.
4
Battistero di San Giovanni an der gleichnamigen Piazza gelegen.
5
Bis heute unvollendet (Abbildung bei CARLI 1992, S. 64).
Siena
73
der Kirche Malereien und Vergoldungen zeigt. In der Mitte hat sie einen Taufbrunnen, den Bronzeplastiken und -tafeln schmücken 1 . Aus der Mitte der Beckenränder erhebt sich ein Marmorbehältnis, das mit hervorragenden Reliefs geschmückt ist und wie ein Ziborium wirkt. Hinter dem Taufbecken gibt es einen Altar in einem halbkreisförmigen Altarraum. 9
Links führen Treppen zu einem Platz, der an den Dom selbst grenzt 2 . Als wir im Dom waren, brachte man gerade den Leichnam einer offensichtlich schönen Frau herein, der genau so, wie es sich gehört, geschmückt und mit Blumen bedeckt war. An seiner Seite sangen ein paar Kleriker hastig die Totenvesper, die zu hören angenehmer war, als sie zu sehen, so harmonisch und so volltönend sangen sie, wohingegen ihr Wohlverhalten und ihre Andacht sehr gering waren. Freunde waren bei der Trauerfeier nicht zugegen, nur einige aus der sogenannten Totenbruderschaft 3 standen um die Totenbahre herum und schienen, kaum dass die Totengebete beendet waren, die Verstorbene für eine Beerdigung vom Sargschmuck zu befreien.
10
Gegenüber der Kirche sieht man ein sehr großes Kranken- und Pilgerhaus 4 , das der Selige Sorore im Jahre 798
1
Taufbecken aus dem Jahre 1427 (Abbildungen bei CARLI 1992, S. 67-69).
2
Piazza Jacopo della Quercia.
3
Es gab in Siena mehrere Totenbruderschaften, u.a. die Confraternita di Santa
Caterina della Notte, die im Ospedale Santa Maria della Scala ansässig war (zu ihr und weiteren Bruderschaften im Ospedale GALLAVOTTI CAVALLERO 1985, S. 381408) und die Congregazione di S. Pietro (zu ihr BUTZEK 2006, S. 214). 4
Ospedale di Santa Maria della Scala an der piazza del Duomo.
74
Siena
eingerichtet hatte und das seitdem mit großem Stiftungsvermögen und Grundbesitz Förderung erfahren hatte 1 . Die zugehörige Kirche ist gewaltig und groß, entlang einer Seite des Platzes 2 . Zu ihrem Altar führen 12 Stufen hinauf. Auf der rechten Seite gibt es eine Kapelle 3 mit dem Leib des Seligen Sorore 4 und noch eine andere Kapelle 5 . Danach folgen in der Flucht der Kirchenmauer hintereinander die Küche 6 , der Speisesaal und andere Gemeinschaftseinrichtungen, und unter anderem gibt es ein gewaltiges Tretrad 7 , in das ein Mensch steigt und es im Kreis dreht und so das notwendige Brauchwasser in großen Gefäßen heraufholt.
1
Ospedale S. Maria della Scala
Der Legende nach wurde das Hospital Anfang des 9. Jahrhunderts von einem
Schuhmacher diesen Namens gegründet, der auf der Via Francigena nach Rom reisende Pilger in seinem Haus aufgenommen haben soll. Die erste schriftliche Erwähnung des Hospitals findet sich in einer Schenkung vom 29. März 1090 (SORDINI 2010, S. 17-18). 2
Die Chiesa della Santissima Annunziata an der piazza del Duomo.
3
Die Sagrestia Vecchia, auch Cappella del Sacro Chiodo genannt, in die der Leib
des Heiligen Sorore 1608/10 aus der Cappella del Manto überführt worden war. Heute befinden sich die Reliquien des angeblichen Gründers des Krankenhauses unter einem Alter auf der rechten (südlichen) Seite der Kirche. 4
Zum Seligen Soror (Fest am 15. August) siehe KASTER 1976.
5
Die Cappella dei Santi Giovacchino e Anna, die 1681 zur Cappella della Madonna
erweitert wurde (GALLAVOTTI CAVALLERO 1985, S. 325). 6
Vermutlich meint Papebroch die Küche, die auf der Ebene des Domplatzes neben
dem Refektorium lag; insgesamt gab es in dem Gebäudekomplex fünf Küchen (SORDINI 7
2004, S. 39, mit Anm. 228-231).
Es gab neben dem sogenannten Pozzo del Rotone im ersten Untergeschoss (SERI-
NO
1998, S. 160) in dem Gebäudekomplex mehrere Zisternen.
Siena
11
1
75
Hinter der Kirche liegt zur einen Seite des Platzes hin 1 das Hospital und die Unterkunft für Männer 2 und wohl auch ein Obdach für ausgesetzte Jungen 3 , von denen dort eine sehr große Zahl gespeist wird; zur anderen Seite hin 4 haben unter zwei Gewölben 5 zum Teil die Pilger ihren Platz (für die Priester unter ihnen stehen die ersten acht Betten bereit, schön mit weißen Leintüchern bezogen, die besser ausgestattet sind als die übrigen; zwischen ihnen ist nur ein einziges Leinentuch gespannt 6 ), zum Teil ist der Raum für die Kranken 7 , wenn ihre Anzahl die Aufnahmefähigkeit der vier großen und sehr langen Säle 8 übersteigt, zu denen der Zugang von der rechten Seite ist, wo man auch in die pharmazeuti-
Wenn man das Gebäude durch das Atrium betritt: östlich. Zu folgenden Be-
schreibung der Räume vgl. die Abbildungen und den Rekonstruktionsversuch aus der Mitte des 15. Jahrhunderts von SORDINI 2010, S. 137-141. 2 3
Die Säle Sant’Asano und San Galgano. Im Ospedale wurden ausgesetze und elternlose Kinder (gettatelli) aufgezogen,
sowohl Jungen als auch Mädchen. Kleine Kinder und Mädchen waren im Frauentrakt untergebracht (zu den getrennten Bereichen MORANDI & CAIROLA 1975, mit Grundrissen aus den Jahren 1575 und 1720 auf S. 88-89 und 114-116); für sie war bereits 1601 ein separates Haus in der via Fusari errichtet worden (BANCHI 1877, S. 229). 4
Wenn man das Gebäude durch das Atrium betritt: westlich.
5
Im Pellegrinaio und im Passeggio.
6
Als eine Art Sichtschutz (vgl. SORDINI 2010, S. 214).
7
Das Pellegrinaio wurde schon früh auch als Krankensaal genutzt (MORANDI &
CAIROLA 1975, S. 117). 8
Die Säle San Leopoldo, San Giuseppe (der kürzer ist als die übrigen, der aber vom
Passeggio aus einen ähnlichen Zugang hat), San Pio und San Carlo Alberto.
76
Siena
sche Offizin 1 gelangt, die bestens ausgestattet ist mit Arzneien aller Art. 12
1
Dann gingen wir weiter zum Vicolo dei Tintori 2 , wo man die verschiedenen Wohnräume der Heiligen Katharina 3 zeigt, die zu kirchlichen Zwecken umgebaut sind 4 , und zwar zunächst ihren Schlafraum 5, der lediglich durch einen Altar geschmückt ist, auf dessen Tafelbild 6 der Empfang der Heiligen Wundmale zu sehen
Santuario di S. Caterina
Auf der südlichen Seite des Gebäudes gelegen mit Blick auf den Fosso di Sant’
Ansano, erreichbar durch die letzte Tür des Passeggio (abgebildet bei GHIARA 2009, S. 182), heute Sitz des Servizio didattico e Museo d’arte per bambini. Die vom Domplatz aus erreichbare Pharmazie (piazza del Duomo, 3) stammt aus späterer Zeit. 2
Heute: via Santa Caterina im Terzo di Camollia.
3
Katharina von Siena (1347-1380), heilig (Fest am 30. April); siehe ActaSS, Apr.,
III, S. 851-978, und ACKLIN ZIMMERMANN 1996. Sie ist seit 1939 die Schutzpatronin Italiens und seit 1999 zusammen mit der Heiligen Brigitta von Schweden und mit der Heiligen Teresia Benedicta vom Kreuz (Edith Stein) Patronin von Europa. 4
Das Geburtshaus der Heiligen Katharina (Santuario di Santa Caterina in der via
Costa di Sant’ Antonio, 6) wurde 1466, also nur wenige Jahre nach ihrer Heiligsprechung (1461), von der Stadt Siena erworben. Das heutige Oratorio della Cucina wurde 1482-83 zum Versammlungsort der Katharinenbruderschaft umgebaut und 1550-55 erweitert (der Innenausbau zog sich bis zum Jahre 1661 hin). 5
Die Camera della Santa, die nach 1541 zu einem Oratorium für die „giovani“
der Katharinenbruderschaft umgebaut worden war (PAPALIA 2002, S. 64). Als Schlafraum diente die neben diesem „Oratorio della Camera“ gelegene „Cella di Santa Caterina“ (Cameretta). 6
„Santa Caterina che riceve le stimmate del Crocefisso“ (um 1505), ein Ölgemäl-
de auf Holz von Girolamo di Benvenuto.
Siena
77
ist. Ihr Wohnraum 1 liegt darüber; ihn erreicht man über eine schöne Treppe. Er ist überall mit wunderschönen Bildern ausgemalt, die die wichtigsten Epochen ihres Lebens wiedergeben und durch schöne Zwischenflächen 2 aus vergoldetem Holzschnitzwerk voneinander getrennt sind. In der Nähe der vier Ecken aber gibt es Fenster und Türen oder Scheintüren 3 . 13
Ein Innenhof, dessen Überdachung von Säulen getragen wird und der einen schönen, weiten Ausblick ermöglicht, erstreckt sich auf gleicher Ebene zwischen diesem Oratorium 4 und einem anderen, das nahebei liegt 5 und das sich die Bruderschaft dieser heiligen Jungfrau 6 zu gottesdienstlichem Gebrauch in modernem Stil errichtet hat 7. Es hat drei Altäre; auf dem größten 1 sieht
Chiesa del Crocifisso
1
Das Oratorio della Cucina.
2
Gemeint sind die langgezogenen Zwischenflächen in Pfeilerform, die die Wand-
bilder von einander trennen. 3
Vermutlich betrat Papebroch den Raum von Osten durch die Tür, auf die die
Treppe hinführt, und war sich deshalb nicht sicher, ob die Türen an der Nordseite des Raums (gegenüber vom Altar) Durchgänge waren oder nur Scheintüren. 4
Dem zuvor beschriebenen Oratorio della Cucina.
5
Die Chiesa del Crocifisso, gegenüber dem Oratorio della Cucina.
6
Die Bruderschaft wurde in ihrer heutigen Form als Associazione Ecumenica dei
Caterinati 1970 von Mons. Mario Ismaele Castellano, damals Erzbischof von Siena, gegründet und 1992 unter dem Namen Associazione Internazionale dei Caterinati vom Papst anerkannt. 7
Die Chiesa del Crocifisso war zwischen 1614 und 1623 erbaut worden, weil das
Oratorio della Camera, in dem das Kreuz bis dahin aufbewahrt worden war, für seine Verehrung an den entsprechenden Heiligentagen zu klein geworden war; sie dient seitdem als Aufbewahrungsort für das Kreuz.
78
Siena
man den Kruzifixus, vor dem sie als Betende Blutstrahlen zu sich herabfließen sah, die sich schließlich in Strahlen gleißenden Lichts verwandelten. Als freilich die Jungfrau fühlte, was mit ihr geschah, bat sie Gott, dass er ihr die heiligen Male nicht für alle und immer sichtbar einbrenne 2 . 14
Der Rektor des Kollegs, Pater Ludovico Ricci 3 , der nach Hause zurückgekehrt war, empfing uns sehr freundich, und er befahl, dass uns nach dem Essen eine Fußwaschung zuteil werde.
15
9. Oktober, ein Sonntag. Nachdem wir in unserer Kirche 4 eine Messe gelesen hatten, gingen wir noch einmal zum Palazzo des Cavaliere Ludovico 5 und trafen ihn an, als er sich unseretwegen gerade auf den Weg zu unserem Kolleg machen wollte. Nach einleitenden Begrüßungsförmlichkeiten zeigte er uns in seiner Bibliothek vier unserer Bände 6 , die sein Bruder, der Apostolische Pronuntius 7 , dem Bestand zugeführt hatte (den fünften
9.10.1661
1
Das heißt: dem Hochaltar (Altare maggiore).
2
Vgl. ActaSS, Apr., III, S. 901.
3
Rektor des Kollegs war P. Ludovicus Riccius (* 21. November 1606 in Rom, † 5.
November 1661 in Siena); siehe ARSI, Pr. Rom. 61, f. 59, und ARSI, Hist. Soc. 48, f. 94v (laut Auskunft von Mauro Brunello, Archivum Romanum Societatis Iesu in Rom). 4
San Vigilio (siehe § 3).
5
Ludovico de Vecchi; zu ihm siehe § 4 mit Anm.
6
Gemeint ist: vier der fünf erschienenen Bände der Acta Sanctorum (dazu S. 1 mit
Anm. 4). 7
Monsignor Girolamo de Vecchi; zu ihm siehe § 4 mit Anm.
Siena
79
hatte der Erzbischof) 1 ; er hatte sie bei allen Gelehrten herumgezeigt und den Namen der Verfasser groß und berühmt gemacht. 16
17
Dann führte er uns zur Bischofskirche 2 , die man in die Form eines Gebäudeblocks bringen und deren Ziegelsteinwände man mit einer Marmorverkleidung überziehen will. Deshalb bricht man jetzt die links 3 angrenzenden Gebäude ab, wie man schon die rechts stehenden Häuser abgebrochen hatte 4 , und man hat auf dieser Seite mit der Marmorverkleidung begonnen.
S. Maria Assunta
Um die ganze Kirche herum soll einmal an drei Seiten eine Treppe führen, die aus 12 Marmorstufen besteht 5 . Zur vierten Seite aber, wo sich unter dem Chor das Baptisterium 6 befindet mit einer zweiten, noch nicht bis ganz oben fertiggestellten Fassade, geht man über eine Treppe mit 50 Stufen hinab, ebenfalls aus Marmor, von denen sich 12 vor der ganzen Breite des Baptisteriums erstrecken und die restlichen an der Seite 7 .
1
Ascanio II. Piccolomini; zu ihm siehe § 27 mit Anm.
2
Cattedrale di Santa Maria Assunta (vgl. §§ 6-8).
3
Mit Blickrichtung zum Hauptaltar, also nördlich (bzw. nordwestlich) des Domes.
4
Zum Abriss der Gebäude südlich (bzw. südöstlich) des Domes vgl. § 25 mit Anm.
5
Zwischen 1654 und 1658 hatte man die ursprünglich nur neun Stufen umfas-
sende Treppe um das Langhaus herum auf die heute noch vorhandenen elf Stufen erweitert, siehe BUTZEK 2006, S. 216. Möglicherweise hat Papebroch die unterste Stufe, die heute auf Pflasterniveau des Domplatzes liegt, mitgezählt. 6
Das Battistero di San Giovanni hatten sie gleich am ersten Tag besichtigt (§ 8).
7
Heute sind es insgesamt 52 Stufen, 43 an der östlichen (bzw. südöstlichen) Seite
des Chores und 9 vor dem Baptisterium.
80
Siena
18
Der Baukörper der Kirche aber ist gotisch. Sie ist abwechselnd mit weißen und schwarzen Marmorbändern gebaut, innen und außen, auch ihre Säulen, und hat eine wirklich schöne Kuppel, sehr aufwändig skulpturierte Altäre, Portale und Fenster. Das umlaufende Gesims wird von einer sehr langen Reihe von Büsten getragen, die alle Päpste von Christus bis Lucius III. 1 darstellen. Die Gewölbekappen sind schwärzlich bemalt, haben vergoldete und schön bemalte Begrenzungen und sind mit goldenen Sternen besetzt. Alle Fenster sollen allmählich in eine rechteckige und innen etwas größere Form gebracht werden 2 , und ebenso sollen die Altäre die Form finden, die jetzt einige unlängst renovierte gefunden haben 3 .
19
Das Mittelschiff der Kirche decken vor der Vierung 4 fünf und hinter ihr 5 vier Bogengewölbe. Dazwischen ist eine Kuppel, die von sechs Säulen getragen wird und die nach den ersten Bögen ihre Form von einem sechseckigen Grundriss zu einem zwölfeckigen und schließlich zu einem runden wandelt, indem die Ecken kaum merkbar kleiner werden, und es folgen dann ein Umgang mit sechs kleinen Fenstern und ein Kuppeldach, das durch eine fünffache Reihe von Vierecken gegliedert wird, die all-
1
Lucius III. (sed. 1181-1185).
2
Die Fenster der Kathedrale sind gotisch; nur im Chor gibt es auf jeder Seite ein
solches Renaissance-Fenster. 3
Dieser Plan wurde umgesetzt.
4
Das heißt: im Langhaus.
5
Das heißt: im Chor.
Siena
81
mählich zur Laterne hin bogenförmig zusammenlaufen 1.
1
20
Gegenüber der Bibliothek erbaut man gerade eine wunderschöne runde Kapelle 2 ganz aus Marmor auf Kosten des Papstes 3 , der aus Rom sechzehn Säulen aus grünem afrikanischen Marmor hat herbringen lassen 4 , und aus rötlichen Marmorsegmenten 5 ihr Gesims; gelbe Marmorsteine für ihre Nischen liefern die Berge in der Nähe der Stadt 6 und sonst nur das Land Ägypten, und die sind in der Farbe nicht so kräftig.
21
Das Chorgestühl ist nicht innerhalb der Flucht des Mittel-
Papebroch spricht von acht Säulen und von einer sechszehneckigen Kuppel mit
vier Fenstern im Umgang (offenbar nahm er die beiden zum Mittelschiff bzw. zum Chor ausgerichteten Fenster, durch die kein Licht von außen einfällt, nicht wahr); siehe aber RIEDL & SEIDEL 1992, Bd. 1.2, Abb. 20 mit einem Grundriss aus dem Jahre 1658 (vgl. auch Bd. 1.1.1, S. 458-459). 2
Die sich gerade im Bau befindliche, 1662-63 fertiggestellte Cappella della SS.
Concettione della Beata Vergine, auch bekannt als Cappella della Madonna del Voto oder Chigi-Kapelle (GÜTHLEIN 2006, S. 594-614). 3
Alexander VII. (sed. 1655 bis 1667), gebürtig aus Siena, hatte die Kapelle gestiftet
(GÜTHLEIN 2006 mit einem Abdruck der Stifterinschrift auf S. 594). 4
Die Säulen aus Verde antico stammen aus der Lateransbasilika. Alexander VII.
hatte durch ihren Umbau Zugriff auf zwölf solcher Säulen; es wurden jedoch nur acht nach Siena geliefert (GÜTHLEIN 2006, S. 606-608). Zu den Marmorsorten, die zur Verkleidung der Kapelle verwendet wurden, siehe auch BUTZEK 1996, S. 194 mit einem Dokument aus dem Jahre 1664 mit Planungen zur Marmorverkleidung der Kapelle. 5
Breccia rossa di Portasanta, Breccia Fior di pesco oder Rosso di Francia (GÜTH-
LEIN 2006, 6
S. 594, und S. 595, Anm. 82).
Die Nischen sind aus dem Giallo di Siena (GÜTHLEIN 2006, S. 594), der in der
Montagnola Senese (einer Bergkette südwestlich von Siena) gewonnen wurde.
82
Siena
schiffs angebracht, wie anderswo, sondern es geht ganz außen an den Seiten 1 entlang und ist in älterem Stil 2 , aber sehr schön geschnitzt. Die Wände um den Hauptaltar und um die Seitenaltäre sind kunstvoll bemalt 3 . Alles Übrige ist gleichermaßen aus Marmor. 22
1 2
Wir sahen auch den anderen Teil des Fußbodens vor dem Chor unbedeckt 4 . Dort ist nach der Vorlage des berühmten Malers Francesco Vanni 5 in eleganter Marmormosaikarbeit die Szene dargestellt, in der Mose die von Gott empfangenen Gesetzestafeln beim Anblick des vom Volk angebeteten goldenen Kalbes zerschmettert; links sieht man, wie es eingeschmolzen wird; zurückgetreten in den Hintergrund wird von einigen kleineren Figuren die Befreiung 6 dargestellt und anderes aus demselben Zusammenhang. Als für uns ein Teil des bandartigen Mosaikabschlusses aufgedeckt wurde, sahen wir in
Gemeint ist: an den Seiten des Chores entlang. Der größere Teil des Gestühls stammt aus dem Ende des 14. Jahrhunderts
(STRUCHHOLZ 1995, S. 111-114); lediglich das Gestühl in der Apsis ist jünger (Ende 16. Jahrhunderts), es lehnt sich aber stilistisch an das alte Gestühl an (STRUCHHOLZ 3
1995, S. 147-151).
Diese Wandbemalung im Chor ist gut erhalten; an anderen Stellen (z.B. an der
nordöstlichen Wand der Vierung) sind Reste einer Bemalung zu erkennen. 4
Vgl. § 6 mit Anm.
5
Der Maler Francesco Eugenio Vanni aus Siena (1563-1610) erhielt zwar am 15.
Juni 1593 den Auftrag, ein Bild für den Ansanus-Altar zu malen (BUTZEK 2006, S. 204); die Pavimentdarstellung mit der Geschichte Moses’ auf dem Berge Sinai (Ex 32,15-20) wurde aber 1530-31 von Domenico Beccafumi geschaffen (SANTI 1982, S. 57 und 61-62). 6
Die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten.
Siena
83
ähnlicher Darstellung die Szene mit dem Quell, der aus dem Felsen geschlagen wurde und an dem das Volk seinen Durst stillte. 1 23
Der ganze restliche Kirchenfußboden ist in ähnlichem, aber älterem Stil mit Mosaiken bedeckt, wobei die Eleganz mit dem Alter abnimmt, so dass man an diesem Fußboden sozusagen die ganze Geschichte dieser Kunst ablesen kann, die hier schließlich zu höchster Vollendung geführt wurde. Und zwar sind an den Seiten in großen Rechteckmosaiken 10 Sibyllen zu sehen, im Mittelschiff aber in großen Kreismosaiken noch einiges andere; um die Kuppel, die viel weiter ist als das Mittelschiff (jedenfalls haben die 6 Bögen, die sie stützen, die gleiche Weite wie das Mittelschiff), sind verschiedene Geschichten aus dem Alten Testament dargestellt.
24
Das Edelste aber ist die durchlichtete Hauptfassade. Sie ist überall mit feinsten Skulpturen bedeckt und mit so vielen Verzierungen geschmückt, dass nur sehr aufmerksame Betrachter eine derartige Detailfülle geistig erfassen können.
25
Im Übrigen wurde die Kirche nicht nach den ursprünglichen 2 Bauplänen fertiggestellt, denn die beiden Teile, die heute das Mittelschiff ausmachen, sollten eigentlich die beiden Querschiff-Flügel der geplanten Kirche sein;
1
Ex 17,1-7.
2
Mit den ursprünglichen Bauplänen sind die des 14. Jahrhunderts gemeint, nach
denen der Mitte des 13. Jahrhunderts errichtete gotische Dom ab 1339 so umgebaut werden sollte, dass das Langschiff des alten Doms das Querschiff des neuen Domes gebildet hätte. Die Umbauarbeiten kamen jedoch nach der Pest (1348) und der anschließenden Wirtschaftskrise 1355 zum Erliegen.
84
Siena
und man sieht zur bischöflichen Residenz 1 hin noch einen sehr langen Mauer-Trakt über fünf Bögen, die von ähnlichen Säulen getragen werden wie denen im Rest der Kirche, mit einem Seitengewölbe, das sich einmal neben dem Mittelschiff erstrecken sollte 2 . Auf der anderen Seite 3 ließ Fürst Mattias 4 ein Pendant dazu abreißen, als er seitlich der Kirche, mit einem großen Platz dazwischen, an der Neugestaltung seines Palazzo arbeitete 5 . Weil er dem das Aussehen eines Häuserblocks geben will, wird vielleicht auch einmal jenes hohe Bauwerk
1
Gemeint ist der Palazzo Piccolomini in der via di Città, in dem der Bischof
Ascanio II. Piccolomini residierte. Der erzbischöfliche Palast auf der Südseite des (alten) Doms war bereits 1658 abgerissen worden und fand erst um 1662 im ehemaligen Haus des Rektors der Dombauhütte auf der Nordseite des Doms seinen Nachfolger. Zur Chronologie der Abrissarbeiten (November 1658 bis Juni 1662) siehe BUTZEK 2006, S. 216-219. Abbildungen des Domplatzes vor und nach der Umgestaltung auch bei ASCHERI 1996, S. 67 (Abb. 60-61). 2
In einem Teil des östlichen Seitenschiffs des geplanten Doms ist heute das Mu-
seum der Dombauhütte untergebracht. 3
Also südlich (bzw. südwestlich) des geplanten Mittelschiffs; es entstand anstelle
des geplanten Seitenschiffs ein Durchgang zur via di Città. 4
Mattias de’ Medici (1613-67), ein Sohn Cosimos II. und ein Bruder Ferdinands II.,
des Großherzogs der Toskana, der ihn 1629 zum Gouverneur von Siena ernannt hatte (BRUNELLI 2009). 5
1593 hatten die Medici den dicht neben der Ruine des Duomo Nuovo liegenden
Palazzo del Governo als Familienresidenz angekauft; Mattias de’ Medici begann Ende der 1650er Jahre, umfangreiche Renovierungen im Innern durchzuführen, das Gebäude nach Norden (bzw. Nordosten) in Richtung des geplanten Doms etwas zu erweitern und die Fassaden zum Domplatz und zur via del Capitano neu zu gestalten (ROMAGNOLI 2010, 76-88). Heute ist darin die Prefettura untergebracht.
Siena
85
niedergelegt werden, das ähnlich wie die andere Fassade noch mit Marmorskulpturen geschmückt werden muss und das die Hauptfassade abgeben soll 1 . Im Übrigen konnte ich mir nicht vorstellen, was dann die Form eines Chores hätte abgeben sollen, da die Querschiffsarme der Kirche 2 eigentlich nur eine Travée weiter nach außen gehen als die Vierung. 26
27
Rechts von der Kirche erhebt sich in dem Winkel mit dem Querschiff ein Turm über quadratischem Grundriss, der ähnlich wie der Rest des Bauwerks gestreift ist und außerdem recht hübsch.
Mangia
Nach der Besichtigung des Domes wurden wir zu seiner Exzellenz, dem Erzbischof Ascanio Piccolomini 3 , geführt, einem leiblichen Bruder des Herzogs von Amalfi 4 , der in Deutschland und Belgien so heldenhaft gekämpft hat. Der Erzbischof legte uns nahe, uns zu dem DominikanerPater Azzolini 5 zu begeben, einem guten Kenner der geschichtlichen Ereignisse von Siena, über die er schon zwei Bände veröffentlicht habe 6 ; weitere über die Heili-
1
Der so genannte „Facciatone“.
2
Gemeint sind die Querschiffe des alten Doms.
3
Ascanio II. Piccolomini (1596-1671), seit 1628 Erzbischof von Siena.
4
Torre del
Ottavio Piccolomini von Amalfi (1599-1656); er kämpfte im Dreizigjährigen
Krieg u.a. in der Schlacht bei Lützen (1632); siehe BIERTHER 2001, S. 408-410. 5
Der humanistisch gebildete Dominikaner und Theologieprofessor Isidoro Ugur-
giere Azzolini († 1665); siehe ZEDLER Bd. 2, Sp. 1128 s.v., und MORENI 1805, Bd. 1, S. 454-455. 6
Die ersten beiden Bände von Le pompe sanesi, o vero relazione delli huomini, e
donne illustri di Siena, e suo stato (Pistoia 1649) waren bereits veröffentlicht, ein
86
Siena
gen und Seligen der Toskana bereite er gerade zum Druck vor 1 . 28
Dorthin 2 also führte uns nach dem Essen mit ausgesuchter Freundlichkeit erneut der Cavaliere Ludovico 3 . Aber wir konnten nichts für unser Anliegen Verwertbares bei Pater Azzolini finden, der darüber klagte, dass bei der Veränderung der staatlichen Verhältnisse und der Plünderung der Stadt 4 alle alten Dokumente verloren gegangen seien.
29
Die Dominikaner haben eine gewaltige Kirche 5 . Sie hat S. Domenico keine Decke und ist von beinahe schmucklosen Wänden umgeben; ihr Querhaus hat auf beiden Seiten drei Kapellen. Sie sitzt so auf einer Anhöhe, dass unter dem Niveau des Bodens des Chores ebensoviel Mauerwerk von außen zu sehen ist wie darüber 6 .
geplanter dritter ist nicht zum Druck gelangt (handschriftlich erhalten in Siena in der Biblioteca Comunale). 1
Vite de’ Santi e Beati Sanesi, nicht veröffentlicht (ebenfalls handschriftlich erhal-
ten in der Biblioteca Comunale). 2
Gemeint ist: zu den Dominikanern.
3
Ludovico de Vecchi (siehe § 4 mit Anm.), der Papebroch und Henschen an die-
sem Tag durch die Stadt führt. 4
Die Republik Siena war 1555 an das feindliche Florenz gefallen.
5
Basilica Cateriniana di San Domenico an der piazza San Domenico.
6
Die Wände der Unterkirche sind – besonders bei einem Blick von Süden – wegen
des steilen Abfalls des Felsuntergrundes auch von außen zu sehen (Abbildung bei RIEDL & SEIDEL 1992, Bd. 2.2, Abb. 439). – Zur Formulierung pendet … ex monte vgl. KINDERMANN 2002, S. 336 (Heidelberg, § 8), S. 344 (Aschaffenburg, § 1), S. 372 (Bamberg, § 56) und S. 436 (Innsbruck, § 45).
Siena
30
Von dort spazierten wir zum Marktplatz 1 , vom Marktplatz zur Porta Camollia 2 , wohin die Leute von Siena, wie einst der Heilige Bernhardin von Siena 3 , häufig gehen, um dem Marienbild über dem Stadttor 4 ihre Reverenz zu erweisen, besonders an Feiertagen. Dort begegnete uns noch einmal der Fürst 5 in eigener Person in einem Geleit von vielen Kutschen; ihm hatten wir schon vorher unseren Gruß entboten, als er Stufen im Rathaus 6 herabstieg, nachdem er das neue Theater inspiziert hatte, das er dort in einem großen Saal sehr elegant zur Aufführung von Komödien einrichten lässt 7 .
87
Porta Camollia
1
Das heißt zur Piazza del Campo.
2
Am Ende der via Camollia gelegenes Stadttor, das früher mit einem Zwinger den
nördlichen, Florenz zugewandten Zugang zur Stadt schützte; Abbildung der Befestigungsanlage aus dem 16. Jahrhundert bei NEVOLA 2007, S. 37, sowie in den Stadtansichten bei BARZANTI, CORNICE und PELLEGRINI 2006, S. 29-63, mit Ansichten aus dem frühen 17. Jahrhundert (unter anderem von Francesco Vanni). 3
Bernhardin von Siena (1380-1444), heilig (Fest am 20. Mai); siehe ActaSS, Mai.,
V, S. 257-318 (zur Verehrung des Marienbildes durch den Heiligen Bernhardin ebd. S. 263, 279-280, 305), und LANG 1994. 4
Das äußere Tor (Antiporto di Camollia) der nicht mehr erhaltenen Zwinger-
Anlage zeigt Reste eines Freskos von Mariä Himmelfahrt (vgl. Laurentius Surius in ActaSS, Mai., V, S. 263); das Original aus dem 14. Jahrhundert wurde im 16. und 17. Jahrhundert mehrfach übermalt. 5
Mattias de’ Medici; zu ihm siehe § 25 mit Anm.
6
Das Theater ist vom Innenhof des Rathauses über eine Treppe zu erreichen.
7
Mattias de’ Medici ließ den alten Ratssaal des Palazzo pubblico (piazza del Cam-
po, 1) zu einem Theater umbauen, das 1670 eingeweiht und später mehrfach umgebaut wurde. Zur folgenden Beschreibung des Teatro dei Rinnovati (§ 31) vgl. die
88
31
32
Siena
Die Bühne selbst lässt sich leicht und vielfach verändern, und selbst ihre Decke zeigt bald den freien Himmel, bald das Gefüge einer schönen Holzvertäfelung, alles nach den Regeln der Perspektive. Der Zuschauerraum ist ringsum ebenso hoch ausgeführt wie der Bühnenraum. Er steigt zunächst in zwei Stufen und hat dann eine Art zweistöckigen Säulengangs, in dem es für einzelne Honoratioren der Zuschauerschaft zweimal 30 Séparées gibt wie winzige Zimmer, über denen ein Säulenumlauf mit Statuen das ganze Werk bekrönt. Die für den Fürsten vorgesehene Loge ragt über dem Eingang weit ins Theater vor, damit er genau an dem Punkt sitze, an dem dem Auge alle Fluchtlinien der Perspektive als richtig erscheinen.
Teatro dei Rinnovati
Als es dunkel wurde, kehrte der Fürst nach Hause zurück. Als wir ihm nach kurzer Wartezeit vorgestellt wurden, empfing er uns sehr freundlich und bat uns, Platz zu nehmen und eine Sprache unserer Wahl zu benutzen: Italienisch, Französisch, Deutsch oder Latein 1 . So unterhielten wir uns ein Stündchen, das schnell verging, über unser Werk, von dem Signor Ludovico 4 Bände 2 geholt und auf dem Tisch ausgelegt hatte, über die Schönheit der Kirche 3 , den Bau des Palazzo und des Theaters, die hervorragende Veranlagung der Sieneser,
Skizzen aus dem Jahre 1668 bei GALLI 2010, S. 163 (Abb. 4 und 5), die allerdings neben der Loge für den Fürsten bereits drei Ränge mit jeweils 26 Logenplätzen zeigen. 1
Vgl. Henschens Brief vom 13. Oktober 1661 (BATTISTINI 1930, S. 281).
2
Zu den bereits erschienenen Bände der Acta Sanctorum siehe S. 1 mit Anm.
3
Gemeint ist vermutlich: des Doms.
Siena
89
über den Erzbischof, den König von England 1 und insbesondere über seine eigene 2 Zeit beim Militär, deren größten Teil er in Deutschland verbracht hatte, wo er bis zum Tode Gustavs 3 die Kavallerie 4 befehligt und auch an allen späteren Schlachten teilgenommen hatte. Am späten Abend wurden wir schließlich in einer Kutsche mit Fackeln ins Kolleg geleitet, wohin Signor Ludovico auch zweierlei Ehrenweingaben geschickt hatte. 33
1
10. Oktober, ein Montag. Auf Einladung von Signor Ludovico begaben wir uns morgens zum Gebäude der Dombibliothek 5 und halfen ihm dort bei der Fertigstellung eines Verzeichnisses von Büchern, die früher in einem der Schränke verborgen waren; es waren zwar viele und darunter auch schön geschriebene Handschriften, doch es gab nichts, was für unsere Sache brauchbar gewesen wäre, außer einer uns nicht bekannten Vita des Athanasius 6 und zwei Bänden der Geschichte Österreichs, verfasst von Enea Silvio, worüber wir für Herrn
10.10.1661
Gemeint ist: Karl II., der im Mai 1660 aus dem Exil nach England zurückgekehrt
war. 2
Gemeint ist: die Zeit des Mattias de’ Medici; dieser war im Dreißigjährigen Krieg
in Deutschland gewesen (1631-41). 3 4
Gustav II. Adolf (1594-1632), König von Schweden. Gemeint ist: die Kavallerie des Kaisers Ferdinand II. (1578-1637, Kaiser seit
1619). 5
Zur Piccolomini-Bibliothek siehe § 7.
6
Athanasius der Große, Bischof von Alexandrien († 373), heilig (Fest am 2. Mai);
siehe ActaSS, Mai., I, S. 186-258, und KANNENGIESSER 1993.
90
Siena
Gevartius 1 , der sie herausgeben wollte, eine Notiz anfertigten, die zum Internuntius 2 nach Belgien geschickt werden sollte 3 .
1
34
Nach dem Mittagessen führte uns Laurens 4 zu verschiedenen Buchhandlungen; in einer von ihnen fanden wir die meisten der Sieneser Heiligenviten, die wir suchten, und Geschichten Sienas 5 .
35
Dann führte er uns zu den Karmeliten-Patres, in deren recht großer und schöner Kirche 6 man rechts vom Chor hinter einem Glasfenster ein hübsch skulpturiertes und vergoldetes Reliquiar mit dem Leib des Seligen Franco von Siena 7 sieht und über seiner Grabnische ein schönes Gemälde 1 .
S. Niccolò del Carmine
Caspar Gevartius hatte bereits 1656 bei Plantin in Antwerpen das Titelblatt die-
ser Ausgabe (Historia Austrialis) drucken lassen; sein Vorhaben war also bekannt, wurde aber offenbar nie realisiert (dazu WAGENDORFER 2003, S. 79-80). 2
Also zu Monsignor Girolamo de Vecchi, dem Bruder des Cavaliere Ludovico de
Vecchi; zu ihm siehe § 4 mit Anm. (ein Internuntius ist ein kommissarischer Gesandter des Papstes in seiner Funktion als Staatsoberhaupt). 3
Offensichtlich sollte der Bruder des Ludovico de Vecchi, der belgische Inter-
nuntius Monsignor Girolamo de Vecchi, gebeten werden, höchstrangigen „Briefträger“ für diese wissenschaftliche Notiz zu spielen. 4
Laurens van de Poele; vgl. § 2 mit Anm.
5
Die beiden Jesuiten kauften bei dieser Gelegenheit zwölf Bücher und schickten
sie über Rom nach Belgien; siehe Henschens Brief vom 13. Oktober 1661: et 12 codices emimus et hinc remittimus Romam, inde alia occasione mittendos in Belgium. 6
San Niccolò del Carmine, via Pian dei Mantellini, 44.
7
Franco Lippi, OCarm, selig (Fest am 11. Dezember), der Kult wurde 1670 für die
Diözese und den Orden genehmigt; siehe DECKERT 1995.
Siena
1
36
Der schöne Hauptaltar aus Marmor erhebt sich, wie mehrere in Siena 2 , mit mehreren Stufen, auf denen sechs Engel stehen 3 , die ein Tabernakel für die konsekrierte Hostie dicht umgeben, das in der Form eines Kelches aus gelbem Marmor 4 hergestellt wurde. An den Seiten der Kirche aber gibt es 4 oder 5 Altäre, einer davon, mehr geschmückt als die anderen und sehr schön, war der Heiligen Jungfrau vom Berge Karmel geweiht 5 .
37
Der Prior war nicht im Kloster 6 . Der Pater aber, mit dem wir sprachen, machte uns wenig Hoffnung darauf, etwas Älteres als die Franco-Viten Lombardellis 7 oder Fermos 1 zu bekommen.
91
Das Bild Apparizione della Madonna al Beato Franco Lippi da Grotti von Ruti-
lio Manetti (1639); vgl. GRASSI 1698, S. 193 (Lib. III, Cap. IV), mit genauen Angaben zur Größe der im Text erwähnten Grabnische (loculus). Das Gemälde befindet sich heute im ersten Stock des profanierten Klosters im ehemaligen Kapitelsaal, der zu einem Konferenzraum eines Hotels umgewandelt wurde; die Reliquien des Heiligen liegen heute an der Südseite der Kirche (westlich der Cappella del Sacramento). 2
Zum Beispiel in San Martino.
3
Sie sind heute nicht zu sehen; vielleicht verwechselt Papebroch hier die Kirchen
in seiner Erinnerung. 4
Das als ex candido marmore bezeichnete Tabernakel besteht aus dem ortsüblichem
gelben Marmor Giallo di Siena. 5
Das Bild schmückt heute die linke (nordöstliche) Kirchenwand.
6
Das ehemalige Kloster (pian dei Mantellini, 44) wird heute von der Universität
genutzt. 7
Der Dominikaner Gregorio Lombardelli (1545-1608) hatte eine Vita des Franco
Lippi geschrieben mit dem Titel: La vita del beato Franco sanese da Grotti dell’Ordine de’ Carmelitani, Siena 1590 (vgl. MORENI 1805, Bd. 1, S. 522).
92
38
1
Siena
Schließlich gingen wir zu den Augustiner-Patres, die auch eine große Kirche 2 haben, die mit vielen alten Altären geschmückt ist. Der Hauptaltar und ein Seitenaltar 3 waren Gedenkstätten der Familie Chigi 4 , ein anderer 5 Gedenkstätte der Familie Tolomei, darüber ein in die Wand eingelassener Marmorsarg mit dem Leib des Seligen Agostino Novello 6 und ein sehr altes Bild, das ihn darstellt und 4 berühmte Wunder 7. Eine alte Vita über ihn erhielten wir von dem Sieneser Pater Marcellino 8 ,
S. Agostino
Der Karmelit Fermo Borgantes aus Ancona hatte eine Lebensbeschreibung des
Franco Lippi verfasst mit dem Titel: Vita del B. Franco Sanese Carmelitano, Siena 1621 (vgl. MORENI 1805, Bd. 1, S. 147). 2
Die Chiesa di Sant’Agostino auf dem prato Sant’Agostino.
3
Der linke Seitenaltar mit dem Grab des Agostino Andrea Chigi (1466-1520).
4
Eine alte Bankier-Familie aus Siena, der u.a. der zu dieser Zeit regierende Papst
Alexander VII. (Fabio Chigi) entstammte (sed. 1655-1667). 5
Der damals vom Eingang her fünfte Altar auf der linken Seite; siehe ActaSS,
Mai., IV, S. 625. Die Kirche wurde inzwischen umgebaut. 6
Augustinus Novelli, OSA, selig (Fest am 19. Mai), sein Leib ruht heute im Dom
San Nicola di Bari in Termini Imerese bei Palermo; siehe ActaSS, Mai., IV, S. 614626 (Papebroch nimmt im Vorwort zur Vita des Heiligen auf die Besichtigung der Kirche Bezug), und ZUMKELLER 1993. 7
Das Gemälde aus dem Jahre 1328 stammt von Simone Martini und befindet sich
heute in der Pinacoteca Nazionale von Siena. Der Altar und das Bild mit den vier Wundern des Heiligen werden in den Acta Sanctorum (Mai., IV, S. 624-625) noch genauer beschrieben. 8
Höchstwahrscheinlich P. Marcellino Romanelli, O.S.A., auf den die Gestaltung
des Archivs von Sant’Agostino im Jahre 1662 zurückzuführen ist; 1666 verfasste er eine Abhandlung zur Geschichte des Klosters von Sant’Agostino (Siena, Biblioteca comunale, Ms. E. III2 8); siehe BUTZEK 1985, S. 204, und TORELLI 1675, S. 615.
Siena
93
der zuvor Pater Gotfrid begegnet und von ihm angesprochen worden war, in zweifacher Form, eine auf Pergament, die andere auf Papier, sowie verschiedene Aufzeichnungen über den Kult dieses Seligen und über andere Selige des Ordens. Er schenkte uns auch eine gedruckte Vita des Seligen Niccolò Marescotti 1 und versprach uns sehr freundlich und bereitwillig, auch jede weitere ihm mögliche Hilfe zu leisten.
1
39
Die Patres haben ein sehr großes Kloster 2 in zwei Gevierten, um deren Kreuzgang zwei breite Säulengänge mit 9 beziehungsweise 7 Travéen herumführen 3 .
40
11. Oktober, ein Dienstag. Am Morgen waren wir mit dem Abschreiben des Materials beschäftigt, das wir am Vortag gefunden hatten, als Pater Marcellino uns noch eine authentisierende Bestätigung über den Kult dieses Seligen Agostino 4 brachte, und wir stellten fest, dass
11.10.1661
Niccolò Marescotti di Tino, selig (Gedächtnis am 9. Februar), seit 1324 Mönch
in San Salvatore di Lecceto, verließ zur Predigt das Kloster und erhielt daher seinen Beinamen als „Prophet von Siena“; siehe CAGLIARITANO 1971, Bd. 3, S. 629630 s.v. Die im Text erwähnte Vita des Seligen „Immagine del B. Niccolò Mariscotti, detto il profeta di Siena” (Rom: Francesco Cavalli, 1656) stammt von Ambrogio Landucci, einem Sieneser Augustiner und Sakristan des Papstes Alexander VII., und ist Flavio Chigi, einem Kardinalnipoten, gewidmet. 2
Im Kloster ist heute das Liceo Piccolomini (prato S. Agostino, 2) untergebracht.
3
Auf den beiden Längsseiten (also auf der südwestlichen und nordöstlichen Seite)
gibt es jeweils neun Travéen und auf den beiden Querseiten (also auf der nordwestlichen und südöstlichen Seite) jeweils sieben. Der zweite, nordwestliche Kreuzgang ist quadratisch und hat auf jeder Seite acht Travéen. 4
Vgl. ActaSS, Mai., IV, S. 614. Die im Text genannten Bestätigung über den Kult
wurden abgedruckt als Appendix II, cap. 9-12, in den ActaSS, Mai., IV, S. 624-6.
94
Siena
wir auch den alten Bericht über die Wunder des Seligen Niccolò da Tolentino 1 , zusammen mit dessen Vita in diesem Buch enthalten war, noch nicht besaßen.
1
41
Am Nachmittag fuhren wir damit fort, die Klöster aufzusuchen, bei denen die Hoffnung bestand, etwas zu finden, zunächst die nahegelegene Kirche San Martino 2 , die ebenfalls den Augustiner-Patres gehört. Wir stiegen über eine prächtige Treppe hinauf, die an einer herrlichen, aber noch nicht bis ganz oben vollendeten Fassade von beiden Seiten emporsteigt. Innen aber schmückt die Kirche ein schönes Gesims aus dunklem Stein 3 , unter dem auf beiden Seiten je drei Altäre stehen, wobei der mittlere aufwändiger ist als die anderen, abgesehen vom Hochaltar und denen unter den Querhausarmen, die eine zum Bauwerk passende Kuppel verbindet.
42
Auf unsere Frage hin sagte der Novizenmeister von Lecceto 4 übrigens, dass es in dieser Kirche keinen Kult irgendeines Heiligen oder Seligen gebe; der Überlieferung nach sei ein als Seliger bezeichneter Brandano 5 , den
S. Martino
Nikolaus von Tolentino (1245-1305), heilig (Fest am 10. September); siehe Acta
SS, Sept., III, S. 636-743, und ZUMKELLER 1998. 2
Chiesa di San Martino in der via del Porrione, unter Napoleon aufgehoben,
heute Pfarrkirche. 3
Heute sind Gesims, Bögen und Pfeiler einheitlich grau bemalt.
4
Giovan Domenico Longarelli, der den Jesuiten überdies Material zu den Augusti-
ner-Heiligen von Siena nach Florenz schickte; siehe Henschens Brief vom 27.12. 1661 (erwähnt bei BATTISTINI 1930, S. 281); Papebroch und Henschen treffen ihn am folgenden Tag noch einmal in San Salvatore di Lecceto (siehe § 57). 5
Bartolomeo Carosi (1468-1554), auch Brandano genannt; siehe CAGLIARITANO
1971c.
Siena
95
man den Propheten von Siena nenne, hier begraben, aber man wisse nicht wo, und es gebe auch von seinem Kult keine Spuren mehr.
1
43
Die Jesuatenpatres haben eine kleine, aber hübsche Kirche 1 mit einem Fünf-Bogen-Gewölbe. Unter dem ersten Bogen gibt es eine Empore, unter dem letzten einen Hochaltar aus Marmor; unter den übrigen dreien stehen auf der linken Seite drei Altäre in drei halbkreisförmigen Wandnischen 2 .
44
Der, den wir hier ansprachen, sagte uns verschiedene Informationen über Selige des Ordens zu. In seiner Kirche aber zeigte er uns eine Grabstätte des Seligen Bischofs Antonio Bettini von Foligno 3 , eines Ordensbruders, unter einer weißen Marmorplatte, in die dessen Antlitz eingemeißelt war. Derjenige Bischof, der dessen Leib unter dem Hochaltar bergen wollte, wurde auf wunderbare Weise daran gehindert, ihn aufzufinden, damit dieser nicht so viele Gläubige zu seiner Verehrung anziehe.
45
Die Serviten-Patres haben eine sehr große Kirche 4 , deren Mittelschiff sich beiderseits auf 5 Steinsäulen
S. Girolamo
S. Clemente
San Girolamo (via del Sole, 8); die Kirche wurde 1668 aufgehoben (TORRITI
1988, S. 342-343). 2
Außer den von Papebroch erwähnten Altären gibt es noch weitere.
3
Zu Antonio Bettini, Bischof von Foligno (1396-1487, sed. 1461-87), siehe PRU-
NAI 1967.
Die Verehrung als Seliger nach jesuatischer und allgemeinerer Tradition
wurde von Rom nicht bestätigt. 4
Basilica San Clemente in Santa Maria dei Servi oder auch einfach Basilica dei
Servi, an der piazza Alessandro Manzoni.
96
Siena
stützt. Der dritte Altar links ist dem Seligen Gioacchino1 geweiht; auf dem Altarbild 2 ist er selbst dargestellt, wie er, während er Messdienst leistete 3 , bei der Konsekration in eine Extase gerissen wird und die Kerze, die er in der Hand hielt, in der Luft stehen bleibt. 46
1
Damit die darunter in einem Marmorsarg 4 eingeschlossenen Reliquien nicht fernerhin von der Obrigkeit verringert würden, bewahrt man das Haupt gesondert in der Sakristei auf 5. Der Leib befand sich einst im Hochaltar, wurde aber nach einem Brand an diese Stelle über-
Beato Gioacchino da Siena (1258-1305), mit bürgerlichem Namen Chiaramonte
Piccolomini hieß, selig (Fest am 16. April); siehe ActaSS, Apr., II, S. 454-465, DAL PINO 2000 und BOBERG 1974. Nach dem Brand des Hochaltars (1577) wurde das Haupt des Seligen, vielleicht im Zuge seiner Kanonisation (1609), von den übrigen Reliquien getrennt und kam in einem separaten Reliquiar zunächst in die Sakristei, während der Leib zunächst (1636) an die von Papebroch beschrieben Stelle im linken Seitenschiff kam und fünfzig Jahre später (1686) zusammen mit dem von Papebroch erwähnten Bild und dem Haupt des Seligen ins linke Querschiff transferiert wurde (DAL PINO 2008, S. 34-35, und CARAPELLI 1723, f. 152v). Bei dem von Papebroch erwähnten Bild handelt es sich um das „Miracolo del cero del Beato Gioacchino“ (1635) von Rutilio Manetti (1571-1639). Heute dient es nicht mehr als Altarbild, es wurde an die rechte Seite des linken Querschiffs gehängt; als Altarbild dient jetzt die „Madonna del manto“ (1436) von Giovanni di Paolo (1399-1482). 2
Zu dem Bild „Miracolo del cero del Beato Gioacchino“ von Rutilio Manetti siehe
oben. 3
Als Subdiakon; dabei hatte Gioacchino da Siena vermutlich einen epileptischen
Anfall und fiel zu Boden. 4
Der Marmorsarg stammt aus dem 14. Jahrhundert und steht heute in der Pina-
coteca di Siena. 5
Dazu § 45 mit Anm.
Siena
97
führt 1 . Er hat ein ordensweites Festoffizium, und von Rom genehmigte Lesungstexte hängen dort solange, bis er ein reguläres Festoffizium erhält 2 . 47
1
Über dem Altar im rechten Querhaus gibt es einen großen und kunstvollen Holzschrein 3 . Wenn man dessen Vorderseite öffnet, sieht man durch die Seiten eines Glassarges den unverwesten Leib des Seligen Francesco Patrizi 4 . Dieser Sarg wird am Sonntag in der Woche von Himmelfahrt feierlich in die Mitte der Kirche gebracht, wo zu diesem Anlass ein Altar errichtet wird, an dem ständig Messen, aber die Messen, die dem Kirchenjahr 5 entsprechen, gelesen werden. Als wir nach älteren Bezeugungen fragten, brachte man uns eine lateinische Ordens-Chronik 6 , die wir aber schon hatten. Weiteres glaubten wir nicht erhoffen zu können.
An die zuvor genannte Stelle im linken Querschiff; siehe § 45 mit Anm. Bei dem
Brand des Hochaltars (1577) waren die darin enthaltenen Reliquien des Seligen Gioacchino unversehrt geblieben. 2
Im Orden wird der Selige Gioacchino am 3. Februar gefeiert, der kirchenweite
Gedenktag ist am 16. April; siehe auch § 53 mit Anm. 3 4
Inzwischen durch einen neuen ersetzt. Franziskus von Siena (1266-1328), OSM, 1743 seliggesprochen (Fest am 12.
Mai); siehe ActaSS, Mai., III, S. 655-666, und HÖSLER 1995; zur Position des Altars vgl. CARAPELLI 1723, f. 153r. Die im 18. Jahrhundert üblich werdende Zuordnung zur Familie Patrizi findet sich hier also schon ein Jahrhundert früher belegt. Papebroch führt sie in den Acta Sanctorum auf Geblütsheiligungsbestrebungen der markgräflichen Familie Patrizi zurück (Mai., III, S. 656). 5
D. h., nicht die proprietären Messen für das Heiligenfest; vgl. Mai., III, S. 655.
6
POCCIANTIUS 1567, aus dem Papebroch 1680 die Vita des Heiligen in dem ent-
sprechenden Band der Acta Sanctorum (Mai., III, S. 656-658) abdrucken sollte.
98
1
Siena
48
Von dort gingen wir zu den Franziskaner-Konventualen und sahen eine sehr große, nach einem Brand restaurierte Kirche 1 mit neuem Dach und besser angeordneten Fenstern 2. An beiden Seitenwänden war eine Reihe gleichartiger Altäre errichtet an Stelle der zerstörten, deren Verlust der Prior sehr bedauerte 3 .
49
Der neue und sehr schöne Hochaltar 4 hat die Inschrift „Gott dem Priester und Gott dem Opferlamm“; und er weist nichts außer einem Marmortabernakel auf, das unter einem einzelnen Bogen steht, in den es eingepasst
S. Francesco
Die Basilica San Francesco des Minoriten-Kloster auf der gleichnamigen Platz
war am 24. August 1655 von einem Brand heimgesucht worden (LUSINI 1894, S. 182, und ARRIGUCCI 2005, S. 564, mit Anm. 2). Im Kloster ist heute die Facoltà di Economia der Università degli Studi di Siena untergebracht (piazza S. Francesco, 7-8). 2
Die Fenster wurden nach dem Brand von 1655 umgebaut (zeitgenössische Skiz-
zen bei ARRIGUCCI 2005, S. 576, Abb. 1, und S. 578, Abb. 4 und 5); zwischen 1883 und 1894 wurden sie in den ursprünglichen Zustand zurückgebaut, und es wurden die von Papebroch beschriebenen Seitenaltäre abgerissen (Bertini bei LUSINI 1894, S. 275 und S. 279). 3
Zur Anordnung der Altäre im 17. Jahrhundert siehe den Grundriss bei ARRI-
GUCCI 2005, 4
S. 577, Abb. 2.
Heute steht an dieser Stelle ein schlichterer Altar von Leopoldo Maccari, gefer-
tigt nach einer Zeichnung von Giuseppe Partini, 1892. Der Vorgängeraltar, den Papebroch gesehen haben dürfte, wurde von Fancelli entworfen und von Dionisio Mazzuoli ausgeführt (LUSINI 1894, S. 180-181, Anm. 2). Er wurde 1887 nach Rom für die Chiesa del San Cuore in der via Marsala verkauft (GRECHI & SCALISI 1987, S. 68 und 70; und ROSSETTI 1965, S. 277-278, mit einer Abbildung des Altars nach S. 192); Abbildungen des Hauptaltars der Chiesa del San Cuore bei GRECHI & SCALISI
1987, S. 63, und bei ARRIGUCCI 2005, S. 579, Abb. 6.
Siena
99
ist, und das ganz genau die Form einer Monstranz hat. Hinter dem Altar gibt es einen Chor, in den beiden Querschiffarmen aber je vier Kapellen, denen in diesen Armen zwei größere Kapellen gegenüberliegen. Die neu errichteten Altäre in den Querschiffarmen sind auch aus Marmor und entsprechen jeweils einander.
1
50
Aber ein Gedenken an irgendeinen Heiligen oder Seligen gab es dort nicht. Als wir danach fragten, schickte uns der Prior zu den Franziskaner-Observanten 1 außerhalb der Stadt, wo wir mit Pater Marcellino, einem gebildeten alten Mönch und Forscher, verhandeln sollten.
51
Dieses Kloster 2 liegt etwas weiter entfernt in sehr schöner Umgebung; man erreicht es, wenn man hinuntersteigt und dann wieder steil hinauf. Seine zwar schlichte, aber recht hübsche Kirche hat die zwei Bögen des Mittelschiffs zu den Seiten hin in vier Bögen geteilt, unter denen Seitenkapellen von richtiger Tiefe sind. Der Hochaltar befindet sich unter einer Kuppel, die nicht viel höher ist als das übrige Gewölbe; dahinter gibt es einen Chor und einen anderen Raum, in dem der Habit des Heiligen Bernhardin von Siena aufbewahrt wird 3 .
Basilica dell’ Osservanza
Observanten sind eine strenge Richtung innerhalb der franziskanischen Ordens-
familie; im Deutschen werden sie häufig als Barfüßer bezeichnet. 2
Die Basilica dell’Osservanza mit angeschlossenem Kloster auf dem Colle della
Capriola (strada dell’Osservanza, 7); eine Abbildung von Fabio Chigi (17. Jahrhundert) findet sich bei BERTAGNA 1963-64, Bd. 1, nach S. 48. Teile des Klosters werden heute von der Diözese (Museum), der Universität und der Polizei genutzt. 3
Vermutlich in der Sakristei östlich vom Chor (heute wird der Habit im Chor aus-
gestellt). Zum Heiligen Bernhardin von Siena siehe § 30 mit Anm., und BERTAG-
100
Siena
52
Dessen Zelle 1 zeigte uns der Prior, Pater van de Venne, ein Antwerpener väterlicher- wie mütterlicherseits, aber in Paris geboren, ein Mitglied der Familie van den Zype 2 . Neben ihr ist der Eingang zu seiner Bibliothek, in der alle Bücher, die er benutzte, an Ketten verwahrt werden und von niemandem ausgeliehen werden dürfen; mehrere davon hat er mit eigener Hand geschrieben.
53
Das Refektorium, in dem wir Wein zu trinken bekamen, ist ziemlich groß. Von seiner Gewölbedecke hingen fünf Leuchter 3 herab, die beim Essen genug Licht geben sollten.
54
Ansonsten konnte man uns hier nichts von dem vorlegen, wonach wir suchten; man sagte nur dies: Pater Azzolini habe alles gedruckt 4 ; die Selige Tobia dei Tolomei 5 , eine ältere Verwandte Bernhards, erfahre keinerlei Kult; über einen Blutzeugen seines Ordens wisse man nur, dass er für seinen Glauben in Babylon getötet
NA
1963-64, Bd. 1, S. 5-84 (zu seinem Habit und weiteren in der Basilica dell’Os-
servanza aufbewahrten Zimelien ebd., Bd. 2, Kapitel 2). 1
Die heutige Gedenkstätte im Erdgeschoss wurde erst 1939 eingerichtet. Zu den
von Papebroch erwähnten Räumen vgl. die Grundrisse aus dem 17. Jahrhundert bei CORDARO 1984, S. 22-23 (Abbildung der Zelle des Heiligen auf S. 22 unten). 2
Katholische Patrizier-Familie aus Mechelen, die auch in Antwerpen wirkte.
3
Abgegangen.
4
Vgl. § 27 mit Anm.
5
Eine Cousine Bernhardins, seine Erzieherin und von ihm selbst ob ihrer franzis-
kanischen Frömmigkeit hochverehrt, aber offenbar nicht seliggesprochen († 1418); BARGELLINI 2012, und ActaSS, Mai., V, S. 288 (consobrina).
Siena
101
worden sei. So kehrten wir, da der Tag sich schon neigte, nach Hause zurück.
1
55
12. Oktober, ein Donnerstag. Wir brachen früh morgens aus der Stadt auf und gingen zu Fuß zum Kloster San Salvatore von Lecceto 1 . Für die Strecke von anderthalb Stunden brauchten wir fast drei Stunden; denn der Weg war höchst schwierig und das erste Stück des Fußwegs, der über eine Anhöhe zum Konvent führt, war geradezu nicht vorhanden bzw. so versteckt, dass man es gar nicht erkennen konnte. Also folgten wir einem Trampelpfad entlang des Bachs 2 , weil wir hofften, er werde schließlich nach oben abbiegen, obwohl wir weiter von der Richtung abzukommen schienen.
56
Ich kämpfte mich bergauf über spitze Felsen und durch dichtes Gebüsch und erreichte schließlich den Gipfel des Berges, da sah ich den Ort nicht weit entfernt liegen, doch keinen Weg, der dorthin führen könnte. Also wollte ich wieder zum Fußweg herabrutschen, überschlug mich aber und wurde vom an den Büschen hängenden Tau und vom eigenen Schweiß völlig durchnässt und irrte dann mit meinem Gefährten weiter herum, bis wir einen Menschen fanden, der uns den Weg weisen konnte.
57
Bei unserer Ankunft werden wir mit größter Liebenswürdigkeit empfangen sowohl vom Hochwürdigen Pa-
12.10.1661
S. Salvatore di Lecceto
Zu Papebrochs Zeiten noch ein Augustiner-Eremiten-Kloster (seit 1972 Augusti-
nerinnen), etwa 6 km südwestlich von Siena gelegen; ein zeitgenössischer Stich von Mario Paradisi (1652) findet sich bei BONELLI CONENNA 1996, S. 198, Abb. 30. 2
Der Torrente Rigo.
102
Siena
ter Prior, dem Bruder Bartolommeo Moronti 1 , als auch vom Novizenmeister, mit dem wir am Vortag zu tun gehabt hatten 2 . Diese bewirteten uns nach der Messe mit Köstlichkeiten der Jahreszeit und zeigten uns sehr gerne die Handschriften ihres Klosters 3 , aus denen wir mindestens zwei Stunden lang abschrieben, was uns geeignet erschien. Dabei strengten wir uns nicht ganz so an, weil von von denen, die sie als Selige auflisteten 4 , unter denen Niccolò Marescotti 5 klar hervorragte, keiner war, dem irgendeine offizielle Verehrung zuteil wurde. 58
1
Begraben sind ihre Leiber im Kreuzgang 6 , doch gibt es keinen noch so schwachen Hinweis, der den Ort der Bestattung bezeichnet. Dies hinderte sie aber nicht, mit zahllosen Wundern zu glänzen. Weil diese zahlreiche Besucher anlockten, was zur Ruhe von Eremiten überhaupt nicht passt, ist ihr Kult auf Weisung der Obrig-
Bartolommeo Moronti von S. Gimignano (BATTISTINI 1930, S. 281, unter Hin-
weise auf Henschens Brief vom 27. Dezember 1661), und ActaSS, Mai., IV, S. 620. Bei den Augustiner-Eremiten insistierte man nicht auf dem Standesunterschied zwischen Brüdern und Priestern, so dass auch ein Bruder Prior sein konnte. 2
Giovan Domenico Longarelli; vgl. § 42 mit Anm.
3
Heute im Archivio di Stato und in der Biblioteca Comunale di Siena.
4
Vgl. die Aufzählung der Seligen bei GAROSI 2002, S. 279.
5
Zu Niccolò Marescotti siehe § 38 mit Anm.
6
Der innere, ältere Kreuzgang mit Fresken aus dem Trecento heißt daher Chio-
stro dei Beati (HACKETT 1990, S. 61). Auf seiner Ostseite gibt es im früheren Kapitelsaal ein derzeit nicht zugängliches Ossarium; vgl. auch LANDUCCIO 1653, S. 21 (zum Jahre 1332).
Siena
103
keit hin verboten worden 1 . Auch die Ablässe, die diesem Ort wegen der genannten Seligen eingeräumt worden waren, wurden auf Ersuchen der Patres selbst aufgehoben, und es wurde dem Volk von den Bischöfen verboten, an den entsprechenden Tagen den Ort zu besuchen. Als wir auf dem Rückweg über sie redeten, erschien uns das Kapitel über die Ablässe auszureichen, einen doch alten Kult nachzuweisen und ihnen in unserem Werk den Titel von Seligen zu lassen 2 , der ihnen vom ganzen Orden zugesprochen wird sowohl auf Bildern, die sie auch in ihren Kirchen zeigen, als auch in Schriften 3 . Und deshalb beschlossen wir zu erbitten, dass das übrige für uns abgeschrieben werde. 59
In die Stadt zurückgekehrt erledigten wir, was von den Wundern des Heiligen Niccolò da Tolentino 4 noch abzuschreiben blieb. Wir mieteten uns Pferde, besorgten uns Zügel und Steigbügel und andere Dinge, mit denen wir weniger gut ausgerüstet waren, und trafen Vorkehrungen, dass wir um die 16. Stunde des folgenden Tages 5 reisefertig wären.
1
Vgl. LANDUCCIO 1653, S. 21 (zum Jahre 1336).
2
In die Acta Sanctorum fanden einige von ihnen Eingang, zum Beispiel der Selige
Filippo Agazzari und der Selige Giovanni Chigi da Macereto (vgl. ActaSS, Oct., XII, S. 724-725 und S. 739, zum 12. bzw. 14. Oktober). 3
Zum Beispiel bei LANDUCCIO 1653.
4
Zu Nikolaus von Tolentino siehe § 40 mit Anm.
5
Also gegen 11 Uhr vormittags; vgl. § 2 mit Anm.
Florenz und Umgebung 1
13. Oktober, ein Freitag. Wir verabschiedeten uns von Cavaliere Ludovico de Vecchi 1 schriftlich, da er von der Stadt abwesend war, und ritten ganz nach Wunsch bis Tabernulae, das volkssprachlich Tavarnelle 2 heißt, bei strahlendem Himmel und auf einem höchst bequemen Weg durch eine überaus liebliche, abwechslungsreiche Gegend mit Bergen, Tälern und Flüssen.
2
Dass wir an diesem Tag gleichwohl nicht ohne Unlust auskamen, dafür sorgte zunächst eine Alte, die gleich am Anfang des Weges, der nach Florenz abzweigt, uns in eine andere Richtung wies, ob aus Irrtum oder aus Boshaftigkeit, wage ich nicht zu sagen. Und daher mussten wir durch das unwegsame Gelände wieder auf den Weg zurückkehren.
3
Dann sorgte das Buch „Verzeichnis der Poststationen“, das den kleinen Ort Barberino 3 fälschlich hinter 4 Tavarnelle setzte in vier Meilen Entfernung, für nicht wenig Verwirrung und Aufregung, als wir erfuhren, dass wir in Barberino seien; wir hatten nämlich geglaubt, wir seien an dem Reiseziel 5, das ebenso viele Meilen entfernt sein sollte, schon vorbeigeritten, obwohl wir noch immer anderthalb Meilen von ihm entfernt waren.
13.10.1661
Tavarnelle
1
Zu Ludovico de Vecchi siehe Siena, § 4 mit Anm.
2
Tavarnelle (Val di Pesa), etwa auf halbem Weg zwischen Siena und Florenz.
3
Barberino (Val d’Elsa), etwa zweieinhalb Kilometer südlich von Tavarnelle gele-
gen. 4
Also nördlich von Tavarnelle.
5
Das heißt: der Poststation von Tavarnelle.
Florenz und Umgebung
105
4
14. Oktober, ein Freitag. Man bot uns an, uns einer Reisegruppe anzuschließen; deshalb verließen wir drei Stunden vor Tagesanbruch unsere Unterkunft 1 , die übrigens ganz ordentlich war, und kamen noch tief in der Nacht, allein im Scheine des Mondes, am großen und schönen Ort San Casciano 2 vorbei, der 9 Meilen vor Florenz liegt, und wenn wir nicht wegen unserer Begleiter, die durch ihre Lastpferde aufgehalten wurden, so langsam vorangekommen wären, hätten wir Florenz zur ersten Tagesstunde erreichen können.
5
Und so gelangten wir erst um die 14. Stunde 3 zu unserem Kolleg 4 , nachdem wir etwa eine Meile 5 vor der Stadt zur Kartause über dem Ematal 6 gekommen waren, die auf einem hohen Hügel 7 liegt und einen weiten Umgriff mit
14.10.1661
1
In Tavarnelle in Val di Pesa.
2
San Casciano in Val di Pesa, etwa 16 km südlich von Florenz gelegen.
3
Zur italienischen Zeitangabe nach der so genannten ganzen Uhr siehe Siena, § 2,
mit Anm. Man ist in Florenz also offensichtlich zwischen neun und zehn Uhr morgens angekommen. Dafür spricht auch die Angabe Henschens in einem Brief an Jean Bolland vom 14. Oktober 1661: de nocte quieuimus in pago Tauernelle, inde circa 3 am nocturnam cum alijs equitauimus et circa horam 9 am appulimus Florentiam. P
4
P
P
P
Im ehemaligen Jesuitenkolleg an der via de’ Martelli ist heute das Liceo G. Gali-
lei untergebracht. 5
Vgl. § 71, dort spricht Papebroch allerdings von drei Meilen Entfernung.
6
Die Certosa del Galluzzo, südlich von Florenz auf einem kleinen Hügel über der
Ema gelegen, 1810 aufgehoben, seit 1958 Zisterzienserkloster. Die Jesuiten werden das Kloster am 24. Oktober besuchen (siehe § 71-79). 7
Der Monte Acuto, 110 m üb. NN (etwa 60 Meter über den Häusern von Flo-
renz).
106
Florenz und Umgebung
ihren Mauern einschließt. Von dort an gingen wir dann an Häuserreihen und ummauerten 1 Gärten vorbei, die sich einer am anderen dahinzogen.
1
6
Und wir bestaunten die Stadt, die ähnlich schön ist wie eine der schönsten in Belgien 2 , nur dass sie keine Butzenscheiben hat 3 , die belgische Städte aber dadurch noch übertrifft, dass alle ihre Straßen nicht nur breit sind, sondern auch ganz geradlinig.
7
Durch die Stadt hindurch fließt der Arno, und er ist von 4 Brücken, die zu den Hauptstraßen führen, überspannt 4 ; das ist ein Schmuck für die Stadt und sehr bequem dazu. Die Brücke, über die wir zogen 5 , ist gleich lang wie die anderen, das heißt, sie hat drei mächtige
Ponte S. Trinita
Mit dem Italianismus maceria bezeichnet Daniel Papebroch hier und bei seiner
Beschreibung des Gartens des Novizenhauses der Jesuiten (siehe § 24) das Bruchmauerwerk, das in der Toskana häufig die Gärten umgibt. 2
Vgl. S. 6 mit Anm.
3
Glasfenster in Bürgerhäusern beginnen sich erst seit dem Beginn der Fabrikpro-
duktion im 17. Jahrhundert flächendeckend auszubreiten (MEYER 1905-1909, Bd. 7, S. 897, und Bd. 8, S. 2). 4
Von Westen nach Osten gesehen: Ponte alla Carraia zur via de’ Fossi (siehe LIM-
BURGER
1910, Nr. 161); Ponte Santa Trinita zur via dei Tornabuoni (ebd., Nr.
695); Ponte Vecchio zur via por Santa Maria (ebd., Nr. 711); und Ponte alle Grazie zur via de’ Benci (ebd., Nr. 340). 5
Der Ponte Santa Trinita, unter Cosimo I. umgebaut und 1608 mit den im Text
erwähnten vier Statuen geschmückt, wurde 1944 zerstört und 1952 nach alten Plänen wiederaufgebaut. Die beiden Jesuiten kamen von Süden in die Stadt, wohl auf der heutigen via Senese, und gingen vermutlich geradewegs zum Kolleg: durch die Porta Romana, entlang der via Romana, über die piazza San Felice und durch die via Maggio bis zur Brücke Santa Trinita.
Florenz und Umgebung
107
Bögen 1 , und sie ist an den Brückenköpfen mit Marmorstatuen geschmückt, die die vier Jahreszeiten darstellen 2 . 8
1
Eine andere 3 , über die der Weg vom Palazzo Vecchio 4 zum neuen Palazzo Pitti 5 verläuft, ist breiter, und sie ist an beiden Seiten von Läden von Silberhändlern 6 gesäumt, ganz so wie eine Straße. Über diese führt auf der einen Seite ein allseits geschlossener, überdachter Gang 7 , der auf ziemlicher Länge den Herzögen gute
Ponte Vecchio
Corridoio Vasariano
Papebroch zählt fünf Bögen. Der hier genannte ursprünglich neunbogige, später
fünfbogige Ponte Santa Trinita hat seit 1567 und bis heute lediglich drei Bögen (GURRIERI, BRACCI & PEDRESCHI 1998, S. 186, und BARGELLINI 1964, S. 80). Auch die Anzahl der Bögen der anderen Brücken schwankte im Laufe der Jahrhunderte mehrfach zwischen drei und neun (vgl. BARGELLINI 1964, S. 48-51; GURRIERI, BRACCI & PEDRESCHI 1998, S. 192-193; ARTUSI 2009, S. 151-159, sowie die Abbildungen aus dem Jahre 1755 ebd. auf S. 151). 2
Der Frühling (Primavera) von Pietro Francavilla, Sommer (Estate) und Herbst (Au-
tunno) von Giovanni Caccini, und der Winter (Inverno) von Taddeo Landini. 3
Der Ponte Vecchio, die älteste Brücke der Stadt, wurde seit dem Bau der zweitäl-
testen Brücke (Ponte alla Carraia) im Jahre 1218 so genannt. 4
Der Palazzo Vecchio an der piazza della Signoria (siehe LIMBURGER 1910, Nr.
710) erhielt seinen Namen, als Cosimo I. im Jahre 1550 in den (neuen) Palazzo Pitti übersiedelte. 5
Zum Palazzo Pitti an der gleichnamigen Piazza siehe LIMBURGER 1910, Nr. 577.
6
Vormals hatten hier Fleischhändler und Metzger ihre Läden; statt ihrer ließen
sich Ende des 16. Jahrhunderts auf eine Anordnung Cosimos I. Silberhändler auf der Brücke nieder. 7
Zum Corridoio Vasariano siehe LIMBURGER 1910, Nr. 204. Er wurde 1565 von
Giorgio Vasari für Cosimo I. erbaut und verbindet die Residenz des Großherzogs (den Palazzo Pitti) mit seinem Arbeitsplatz im Palazzo Vecchio und in den Uffi-
108
Florenz und Umgebung
Dienste tut, wenn sie einmal ungesehen vom einen Palazzo in den anderen 1 gehen wollen. 9
Auf kreuzungsfreien Plätzen sieht man verschiedene Colonna delStatuen errichtet und Säulen. Eine davon, vor der Kula Giustizia 2 rie , eine gewaltige Säule aus Ophit, trägt oben eine Statue der Justitia aus Porphyr. An einer anderen Stelle Ercole e il kann man den Sieg des Herkules über den Zentauren centauro sehen, den man zu den Hauptsehenswürdigkeiten rechNesso 3 net .
10
Der Markt für die Händler 4 – man nennt ihn Borsa – wird von einem hohen Bogengewölbe überspannt, das vier Reihen von je fünf Säulen 5 stützen.
11
Loggia del Mercato Nuovo
Unser Kolleg liegt sehr günstig zwischen der Kirche San Lorenzo 1 und der Kathedrale 2 . Nur die ihm angebaute
zien. Der Gang verläuft auf der östlichen Seite der Brücke über den im Text genannten Silbergeschäften. 1
Das heißt: vom Palazzo Pitti zum Palazzo Vecchio.
2
Gemeint ist die Säule der Gerechtigkeit (Colonna della Giustizia), die Cosimo I.
von Papst Pius IV. als Geschenk erhielt; sie stand und steht allerdings auf der piazza Santa Trinita (vermutlich eine Verwechslung mit dem Aufstellungsort der Colonna di San Zanobi an der piazza San Giovanni, an der die erzbischöfliche Kurie liegt). 3
Die Skulptur „Herkules und der Zentaur Nessus“ (Ercole e il centauro Nesso)
von Giambologna (1599) befindet sich heute in den Uffizien. Eine Kopie des Originals steht in der Loggia dei Lanzi auf der piazza della Signoria. 4
Zur Loggia del Mercato Nuovo an der gleichnamigen Piazza siehe LIMBURGER
1910, Nr. 461. Sie wurde 1547-51 erbaut und diente als Handelsplatz für Seide und Gold. 5
Papebroch zählt je sechs Säulen.
Florenz und Umgebung
Kirche ist ganz fertiggestellt 3 . Sie ist zwar nicht groß, doch fasst sie das Volk. Statt Querhaus und Chor hat sie drei recht große Bögen, die bis zum zweiten Gesims reichen. Ihre Tiefe ist in den Seitenschiffen mäßig, vorne, wo der Hochaltar steht, so groß, dass die Messe dort unter einer kreisrunden Gewölbekuppel gefeiert werden kann. Unter den beiderseitigen Gesimsen befinden sich Doppelpfeiler, zwischen ihnen vier Beichtstühle 4 , rechteckige Bilder 5 , dann winzige Statuen der Apostel 6 und schließlich länglichere Bilder und auch 7 drei mit Bogen
1
109 S. Giovanni Evangelista
Zu der an der gleichnamigen Piazza gelegenen, von Lorenzo il Magnifico geför-
derten Kanoniker-Basilika San Lorenzo siehe FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, S. 179 (Nr. 55), mit einem Grundriss der Kirche und des Klosters und einer Abbildung des Kreuzganges auf S. 178, und LIMBURGER 1910, Nr. 380. 2
Zum Dom Santa Maria del Fiore siehe LIMBURGER 1910, Nr. 234.
3
Zur ehemaligen Jesuitenkirche San Giovanni Evangelista (heute San Giovannino
degli Scolopi) an der via de’ Martelli (Ecke via de’ Gori) siehe FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, S. 151 (Nr. 42), mit einem Grundriss des Jesuitenkollegs auf S. 150, und LIMBURGER 1910, Nr. 315. Die 1351 gegründete Kirche wurde 1557 von den Jesuiten übernommen und nach umfangreichen Um- und Erweiterungsbauten (1655-61) im Jahre 1665 neu geweiht; Abbildung bei FOSSI 1964, Abb. 71a-72. Nach der Unterdrückung des Jesuitenordens im Jahre 1773 ging die Jesuitenkirche in die Hände der Scolopiner-Patres über. Das Kolleg wird seit 1878 als öffentliche Schule (R. Liceo G. Galilei) und als Handelsschule genutzt. 4
Die Beichtstühle wurden im frühen 18. Jahrhundert durch neue ersetzt.
5
Die Bilder sind nicht mehr vorhanden.
6
Die hier erwähnten Apostel-Statuen aus Stuck von Bartolommeo Carducci (um
1580) sind inzwischen verschollen; im frühen 18. Jahrhundert wurden sie durch lebensgroße Stuckfiguren von Giovanni Camillo Cateni ersetzt. 7
Beichstühle und Kapellen wechseln sich ab.
110
Florenz und Umgebung
versehene Kapellen und darüber ebenso viele Oratorien und oberhalb des zweiten Gesims fast quadratische Fenster. 12
Die Fassade 1 ist aus dem leicht zu bearbeitenden und für alle möglichen Zwecke geeigneten dunklen Gestein der Gegend errichtet 2 ; innen angebaut ist eine Empore, die oberhalb des ersten Gesimses von der einen zur anderen Seite reicht 3 .
13
Andere Kirchen zu besichtigen hatten wir an diesem Tag keine Zeit mehr, weil es besser war, verschiedene Leute aufzusuchen, an die wir Empfehlungsschreiben hatten 4 , und die Gelegenheit zu nutzen, dass wir einen Begleiter hatten. Einige von ihnen waren nicht zu Hause, auch nicht, ganz gegen unsere Wünsche, Signor Dati 5 , der Präfekt der Herzoglichen Bibliothek.
14
Von dem Bruder Ughellis 6 erhielten wir Bescheid, dass die Aufzeichnungen, die nach des letzteren Wunsch uns
1
Hausteinfassade aus dem Jahre 1656 nach Plänen Ammanatis (1843 erneuert).
2
Aus Pietra serena, einem im nahegelegenen Fiesole gewonnenen, hier grauen
Gestein, aus dem viele Renaissancebauten in Florenz errichtet sind. 3
Empore aus der Zeit um 1600; der Orgel-Prospekt stammt erst aus neuerer Zeit.
4
Henschen und Papebroch hatten in Florenz unter anderem Empfehlungsschrei-
ben von Ferdinando Ughelli an Carlo Strozzi (siehe § 19) und von dem französischen Gelehrten und Humanisten Emery Bigot an Antonio Magliabechi; siehe auch S. 7 mit Anm., und § 28 mit Anm. 5
Carlo Roberto Dati (* 12. Oktober 1619, † 11. Januar 1676), ein Schüler Galileis
und eine der zentralen Gestalten des kulturellen Lebens dieser Zeit (VIGILANTE 1987). 6
Ein Bruder des Kirchenhistoriker Ferdinando Ughelli.
Florenz und Umgebung
111
übermittelt werden sollten, während seiner Abwesenheit von zuhause vor einiger Zeit unter den Händen der Kinder und der Lehrer, die sie sie unterrichteten, untergegangen seien. 15
1
Der Vallombrosaner-Abt von Santa Trinita in Florenz 1 , Don Tamburini 2 , der wegen seiner Bücher über das Recht der Äbte 3 hochberühmt war, empfing uns sehr freundlich und zeigte uns zwei gewaltige Bände, die er unter größtem Aufwand hatte herstellen lassen, von denen der erste 4 auf den einzelnen Seiten jeweils eine Ganzkörperdarstellung, stehend, derer enthielt, die Ritterorden gegründet hatten, im Habit ihres Ordens, dessen Farben sorgfältigst wiedergegeben waren, auf einem Sockel, auf dem eine Inschrift den führenden Kopf des Ordens, die Zeit und den Patronat anzeigte.
Wichtige Niederlassung der Vallombrosaner in Florenz an der gleichnamigen
Piazza (FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, S. 257 [Nr. 93], mit einem Grundriss des Klosters und einer Abbildung des Kreuzganges auf S. 256). Das Kloster Vallombrosa, den ca. 25 km südöstlich von Florenz gelegenen Gründungsort der Ordenskongregation, besuchen Papebroch und Henschen erst im Januar 1662; siehe §§ 104-106. 2
Ascanio (Giovanni) Tamburini (siehe SALA & DOMENICHETTI 1929, S. 267-271),
ein berühmter Vallombrosaner Gelehrter und zweimaliger Generalsuperior (164246 und 1665-66) dieser reformierten selbstständigen Ordens-Kongregation, die erst 1966 wieder mit dem Benediktinerorden vereinigt wurde (vgl. UGHELLI, Bd. 3, S. 283, und LUGANO 1929, S. 373). 3 4
TAMBURINI 1640 und spätere Auflagen. Milizia sacra delle Religioni dei cavalieri istituti dai Principi cristiani … Ms.,
Biblioteca Palatina, Div. XV, Cod. I, Stanza E, Papier, 1645 (352 Seiten); siehe SALA & DOMENICHETTI 1929, S. 269, Nr. III.
112
1
Florenz und Umgebung
16
Der zweite Band 1 hatte ähnliche Bilder von Personen, die ein Kreuz in ihren Händen hatten und auf ihrer Kleidung und im Wappen, und die eine herausragende Stellung gehabt hatten. Da all dies in Kupfer gestochen und die gedruckten Bilder so zu kolorieren waren, werden die Bücher zweifelsohne höchst interessant, aber in der Anschaffung sehr teuer sein.
17
Im Palazzo 2 schließlich, dessen majestätischen Bau wir besser an anderer Stelle beschreiben werden 3 , trafen wir Mijnheer Hypolitus 4 , einen Bediensteten des Großherzogs, einen aus Brügge stammenden Neffen des Signor < ......... >. Dieser riet uns, wir sollten, ehe wir die Erlaubnis, die Bibliothek zu benutzen, erbäten, zum Großherzog 5 selbst gehen, um ihm unsere Aufwartung zu machen. Diese Erlaubnis sei leicht zu erhalten, nicht aber die, die Bücher herauszunehmen 6 , die bisher allen verweigert worden sei.
Milizia sacra delle Religioni dei cavalieri e degli Imperatori ... Ms., Biblioteca
Palatina, Div. XV, Cod. I, Stanza E, Papier, 1661 (352 Seiten); siehe SALA & DOMENICHETTI
1929, S. 269, Nr. IV.
2
Der Großherzog residierte im Palazzo Pitti.
3
Papebroch konnte sein Vorhaben, das auch architektonisch neue Gebäude noch
ausführlicher zu beschreiben, allerdings nicht mehr realisieren. Zu den Gründen hierfür ausführlicher in der Einleitung auf S. 25 f. (mit Anmerkungen) und insbesondere § 80. 4
Freiherr Hypolitus van Wicht (GUALDO PRIORATO 1668, S. 99).
5
Ferdinando II de’ Medici (1610-70), unter dem das kulturelle Leben in Florenz
eine Blüte erreicht. 6
Gemeint ist: die Bücher aus der Bibliothek mit herauszunehmen.
Florenz und Umgebung
1
18
Auch Pater Gabriel < ........ > 1 , den Hofprediger der Erzherzöge in Innsbruck, trafen wir hier; er war im Gefolge der Durchlauchtigsten Erzherzöge, die die Hochzeit des fürstlichen Verwandten 2 zu beehren gekommen waren, ein Begleiter des Beichtvaters 3 des Erzherzogs. Gerne nahm er es auf sich, unser Werk 4 , von dem es unseres Wissens keine Exemplare in Florenz gab, bei Gelegenheit dem Großherzog anzuempfehlen. Und er bedeutete uns, dass er auf unseren Wunsch hin mit van Meurs 5 einen Kaufvertrag geschlossen und unlängst 1000 Gulden übersandt habe für die Bücher, die er für die erzherzogliche Bibliothek gekauft habe.
19
15. Oktober, ein Samstag. Während wir verschiedene Briefe abfassen, erscheint unvermutet der hochberühm-
113
15.10.1661
Laut Auskunft des Archivs der Tiroler Franziskanerprovinz in Schwaz (Tirol) war
zu dieser Zeit Pater Wilhelm Keser (* 1615 in München, † 1665 in Innsbruck) Hofprediger in Innsbruck. 2
Cosimo III de’ Medici (1642-1723), heiratet am 20. Juni 1661 Marguerite Louise
d’Orléans (1645-1721), die Tochter Jean-Baptiste Gastons, des Herzogs von Orléans, eine Cousine Ludwigs XIV. 3
Von 1651 bis 1662 war Christoph Mandler Beichtvater des Erzherzogs Ferdi-
nand Karl (1646-62); siehe KINDERMANN 2002, S. 263 mit Anm. 5. 4
Gemeint sind die Acta Sanctorum, von denen die ersten fünf Bände bereits er-
schienen waren; dazu auch S. 1 mit Anm. 5
Jacob van Meurs, Besitzer des gleichnamigen Verlags in Antwerpen, der u.a. Hen-
schens Buch De tribus Dagobertis (dazu § 32 mit Anm) publiziert hatte, verlegte 1658 die drei Februar-Bände und später auch die Bände des Monats März (1668). Die beiden Januar-Bände waren 1643 unter seinem Vater Johann van Meurs erschienen (ActaSS, Mai., VII, S. vii).
114
Florenz und Umgebung
te Carlo Strozzi 1 , ein Florentiner Senator, an den wir ein Empfehlungsschreiben von Ughelli 2 hatten. Freundlich geleitete er uns zur seiner großen und wohlbestückten Handschriftenbibliothek 3 und zog dort vier Pergament-Konvolute mit Heiligenviten hervor; in ihnen fanden wir einiges, was berühmt war und von uns sehr gesucht. Zwei von ihnen schickte er daraufhin zum Kolleg, damit bequemer abgeschrieben werden konnte, was wir wünschten. 20
1
Am Nachmittag hieß uns der Hochwürdige Pater Rektor 4 , der uns dem Großherzog vorstellen wollte, zum Novizenhaus 5 kommen, wo wir vom Vizerektor 1 für den folgenden Tag zum Essen eingeladen wurden.
Zu Carlo Strozzi (* 3. Juni 1587, † 23. März 1670) siehe S. 10 f., und LITTA (s.v.)
Tavola XV. 2
Zu Ferdinando Ughelli, O.Cist. (* 19. März 1596 in Florenz, † 19. Mai 1670 in
Rom), dem Verfasser eines kirchenhistorischen Werks (Italia sacra sive de episcopis Italiae, 9 Bde., Rom 1644-62), siehe KOLLER 2001. Die Empfehlungsschreiben hatten sie in Rom kurz vor ihrer Abreise erhalten, siehe Tagebuch-Eintrag vom 29. Oktober 1661 (pag. 190): Denique ab Domino Ugello ternas Florentiam litteras abstulimus. 3
Strozzis Bibliothek war über Florenz hinaus berühmt; die ca. 3000 Handschriften
umfassende Sammlung ging später teils in der Biblioteca Nazionale, teils in der Laurenziana auf (ANGELERI 1947, S. 26, Anm. 1, und S. 54, Anm. 1). 4
Lidano Colanelli (* 1587, † 16. November 1674), Novizenmeister und Rektor
(vgl. § 83); siehe SOMMERVOGEL, Bd. 2 (Paris - Brüssel 1891), Sp. 1278. 5
Das Novizenhaus der Jesuiten lag am Borgo Pinti, 70, zwischen dem Palazzo Xi-
menes Panciatichi und dem Palazzo Aldobrandini Borghesi. Bei der Unterdrückung des Jesuitenordens (1773) wurde es verkauft und säkularisiert (FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, S. 243 [Nr. 86], mit einem älteren Lageplan auf S. 242,
Florenz und Umgebung
115
21
Im Übrigen war unser Gang zum Palazzo erfolglos, da der Großherzog gerade seine Kutsche besteigen wollte. Deshalb kehrten wir nach Hause zurück, versandten Briefe und begannen mit der Transkription der StrozziHandschriften.
22
Sonntag, der 16. Oktober. Nachdem wir einige Stunden 16.10.1661 mit Schreibarbeiten verbracht hatten, brachen wir zum Novizenhaus auf, das neben der Porta a Pinti 2 liegt. Dort Novizenhaus lasen wir die Messe und verbrachten noch eine Zeitlang mit dem Beichtvater des Erzherzogs von Tirol 3 . Anschließend bekamen wir dort ein köstliches Essen.
23
Der Garten 4 da ist sehenswert. Er wird durch 16 Pergolen gegliedert, um die Buchsbaumhecken, und zwar anderthalb Fuß hoch und einen breit, umlaufen und die an den Seiten jeweils drei Zitrusfruchtbäume beglei-
und BOCCHI 1677, S. 483). Heute wird das Gebäude teils von der Universität (Studi Guglielmo Marconi), teils als Wohnungen genutzt. Den Garten des Novizenhauses beschreibt Papebroch noch näher (§§ 23-24). 1
Vizerektor war P. Francesco Maria Capilupi (* 4. März 1587 in Osimo, † 5. Mai
1674 in Florenz); siehe ARSI, Pr. Rom. 61, f. 47 und ARSI, Hist. Soc. 49, f. 72v (laut Auskunft von Mauro Brunello, Archivum Romanum Societatis Iesu in Rom); zu dessen Studien äußert sich Papebroch in §§ 25-27. 2
Porta a Pinti, auch Porta Fiesolana genannt, ist das Stadttor im Nordosten der
Stadt, zwischen der Porta San Gallo und der Porta alla Croce auf dem heutigen Piazzale Donatello gelegen, 1865 abgegangen (Abbildungen bei FANELLI 1982, Tafeln IV und V). 3
Zu Christoph Mandler siehe § 18 mit Anm.
4
Vgl. den Plan bei FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, S. 242. Der Garten wurde
im Zuge der Verlängerung der via Giuseppe Giusti (1865/70) zerteilt und von Marianna Panciatichi im englischen Stil umgestaltet.
116
Florenz und Umgebung
ten, die die Hecke gleichhoch überragen. Am Eingang und an der rechten Seite werden die Pergolen wie eine Säulenhalle von 12 Säulen getragen; bedeckt sind sie von Weinlaub, das durch ein wie ein Gewölbe geformtes Eisengitter rankt. Links gibt es eine Art langer Scheune für allerlei Nutzung.
1
24
Am Ende des Gartens gibt es eine Anpflanzung von schön in Form geschnittenen Lorbeerbäumen, zwischen denen man einen fließenden Brunnen an der Umfassungsmauer sieht. Der ist aber ein Kunstbrunnen mit einem Schöpfwerk, das das Wasser fließen lässt. Hinter der Mauer beginnt auf unebenem Gelände ein Weingarten, der bis zur Stadtmauer geht.
25
Der Pater Vizerektor 1 sprach mit mir viel über seine Studien und zeigte mir ein recht großes Werk, in dem er fast die gesamte Weltgeschichte behandelte. Er spekulierte allerlei über die ersten Sprachen und Siedlungen der Menschen vor allem in Europa, am Kaspischen Meer, Schwarzen Meer, Tyrrhenischen Meer und an der Adria. Die (glaubte er) seien nach der Sintflut auf natürliche Weise entstanden, dadurch dass sich die Wasser allmählich in niedrigeren Gegenden sammelten; und diesen Wassern schrieb er die ogygische 2 und die deukalionische 3 Flut zu. Italien sei allein von den Nach-
Zum Vizerektor siehe § 20 mit Anm; die von ihm verfassten Werke wurden ver-
mutlich nicht gedruckt (freundlicher Hinweis von Mauro Brunello, Rom). 2
Ogyges, Erbauer und König von Theben; unter seiner Regierung soll sich eine
große Sintflut ereignet haben. 3
Deukalion, Sohn des Prometheus, ist der eine Arche bauende Held im Mythos
von der zweiten griechischen Sintflut, die nach ihm die deukalionische Flut heißt.
Florenz und Umgebung
117
kommen Gomers 1 bewohnt gewesen, und bei seiner schmalen geographischen Form sei die italienische Sprache (seiner Meinung nach) entstanden als ein einziger gedrängter Extrakt aus den verschiedenen Muttersprachen. Die Hauptstadt der Gomerer aber sei Osimo 2 gewesen; in diesem Namen forschte er nach Geheimnissen der einzelnen Buchstaben, um ihn deuten zu können.
1
26
Auch das alte „en-zyklo-pädische“ Bildungsideal glaubte er dadurch erreicht zu haben, dass er die Ethik und Mystik in Zyklen darstellte, und auch darüber hat er ein Buch, ein recht dickes, geschrieben.
27
Ein anderes fasste er ab über das Leben eines Bauern, der unter deutlichen Anzeichen von Heiligkeit seit fünf Jahren tot und durch seine Wunder im Leben und Tode berühmt war, so berühmt, dass ihm auch die Auferweckung von an die 7 Verstorbenen zugeschrieben werden konnte; und noch vieles mehr gab es, was die tiefe Spekulationsgabe dieses Mannes und seine Phantasie
Solche Versuche, die Völker und Sprachen Europas auf Noës Enkel Gomer
zurückzuführen, sind im 16. und 17. Jahrhundert nicht ungewöhnlich. Sie gehen auf die bereits durch Joseph Justus Scaliger aufgedeckte Fälschung der Geschichtsbücher 4 und 5 des Babyloniers Beros(s)us (3. Jhd. v. Chr.) durch den Dominikaner Annius von Viterbo (1432-1502 ) zurück, der sie in seine damals viel gelesenen H
und viel diskutierten Commentaria super opera diversorum auctorum de antiquitatibus loquentium (Rom: Eucharius Silber, 1498) integrierte. 2
Stadt in der Provinz Ancona. Die beiden Jesuiten-Patres hatten Osimo am 4. - 7.
Dezember 1660 auf ihrer Hinreise nach Rom besichtigt; Papebroch beschreibt den Aufenthalt in der Stadt im ersten Band des Tagebuchs auf den Seiten 251 bis 254.
118
Florenz und Umgebung
verrät, vergleichbar mit van Schrieck 1 und van der Beke 2 . 28
1
Als wir nach Hause zurückgekehrt waren, suchte uns Signor Antonio Magliabechi 3 auf, dessen Bruder 4 in Rom an Pater Gotfrid herangetreten war, um ihn nach Florenz einzuladen, zusammen mit Signor < ........ >, der gerade in der Laurenziana den Evagrios 5 mit den Handschriften vergleicht für die Anfragen der Gebrüder de Valois 6 . Und er war der Ansicht, wir sollten lieber zu
Antoine Jules van Schrieck, S.J. (* 17. Mai 1607, † 26. September 1670), lehrte
Grammatik und Humaniora in Antwerpen; siehe SOMMERVOGEL, Bd. 7 (Paris Brüssel 1896), Sp. 925-26. 2
Willem van der Beke, S. J. (* 8. Februar 1608, † 12. Dezember 1683), lehrte
neun Jahre lang in Löwen und war dann Rektor des Kollegs in Aalst (Belgien); siehe SOMMERVOGEL, Bd. 1 (Paris - Brüssel 1890), Sp. 1088-1091, und DALY & DIMLER 1997, S. 38-41. 3
Antonio Magliabechi (* 28. Oktober 1633, † 27. Juni 1714), ab 1673 Bibliothe-
kar in der Herzoglichen Bibliothek, unterstützte das bollandistische Unternehmen (vgl. BATTISTINI 1942-43); an ihn hatten die Jesuiten von Emery Bigot, einem französischen Humanisten ein Empfehlungsschreiben; vgl. S. 11 mit Anm. 4
Antonios Bruder Jacopo Magliabechi war nach seinem Doktorat in Pisa 1660
nach Rom gegangen (BATTISTINI 1942-43, S. 126). 5
Gemeint sind wohl Recherchen zum Text der griechischen Kirchengeschichte
des Euagrius Scholasticus (editio princeps durch Robert Estienne 1544), den Henri de Valois (Henricus Valesius) neu herausgeben und ins Lateinische übersetzen wollte (publiziert in den Historiae ecclesiasticae scriptores Graeci, Bd. 3, Paris 1673). 6
Henri de Valois (* 10. September 1603, † 7. Mai 1676) war Jurist und Kirchen-
historiker (PÉRICHON 1965, und WETZER & WELTE 1901, Sp. 560-63); auch sein Bruder Adrien de Valois war philologisch tätig.
Florenz und Umgebung
119
Fürst Leopold 1 gehen, um möglichst bald Zugang zur Bibliothek zu erhalten, und er versprach, er wolle uns in Vertretung des Bibliothekars Signor Dati 2 am folgenden Tag bei ihm vorstellen und, wenn wir wollten, bei allen möglichen anderen Bibliotheken und gelehrten Männern, von denen er wusste, dass sie sich für unserer Werk interessierten. 29
17. Oktober, ein Montag. Wieder war Signor Antonio 17.10.1661 zur Stelle und geleitete uns zunächst zum Besuch der recht sehenswerten Bibliothek von San Lorenzo 3 . Sie Biblioteca 4 liegt links neben der Basilika von San Lorenzo und hat di S. Lorenzo ein Vestibül, das mit allem architektonischen Schmuck versehen, aber noch nicht ganz fertiggestellt ist 5 .
30
Von ihm steigt man über eine Treppe, die in exquisiter Kunst nach einem Entwurf von Michelangelo Buonarroti gebaut ist 6 , empor zu einem langen Raum, der einer
1
Der Besuch fand am folgenden Tag statt (§ 32).
2
Zu Carlo Roberto Dati siehe § 13 mit Anm.
3
Die Biblioteca Medicea Laurenziana (piazza S. Lorenzo, 6) wurde im Auftrag Kle-
mens VII. (Giulio de’ Medici) für die reichen Bücherbestände der Medici errichtet. Zur Geschichte der Bibliothek, mit deren Bau 1524 begonnen worden war, und zu ihren Beständen siehe ANZIANI & FERRUCCI 1872, und O’GORMAN 1972, S. 54-57. 4
Links neben der Basilika bedeutet hier, weil San Lorenzo gewestet ist: südlich der
Kirche. 5
Möglicherweise vermisst Papebroch hier im Vestibül den Schmuck durch Figu-
ren. 6
Dreiteilige Treppe im Vestibül der Laurenziana-Bibliothek, die von Michelangelo
Buonarroti entworfen und von Giorgio Vasari zu Ende geführt wurde (Abbildungen bei BALDINI & NARDINI 1984, S. 254, 259, 262-63).
120
Florenz und Umgebung
Säulenhalle ähnlich sieht 1 . Er hat auf beiden Seiten Fenster 2 und zwei Gesimse. Nicht nur ist die getäfelte Decke 3 elegant komponiert, sondern selbst der Fußboden 4 ist so mit weißen und roten Tonziegeln inkrustiert, dass man glaubt, man sehe ein überaus kunstvolles Holzmosaik, so zierlich sind die Figuren und der andere ornamentale Schmuck dort. 31
1
Auf beiden Seiten gibt es 45 Pulte 5 , auf oder unter denen Kettenbücher liegen, die im übrigen hervorragend gebunden und durch darübergezogene Hüllen vor Staub geschützt sind, alles handgeschriebene Bücher, von denen die Hälfte einst dem König von Frankreich als Geschenk übersandt wurde und in Paris bis heute den Namen der Medicea Laurenziana bewahrt 6 .
Langgestreckter Lese-Saal über dem Kreuzgang von San Lorenzo; Innenansichten
finden sich u.a. bei BALDINI & NARDINI 1984, S. 252, und bei O’GORMAN 1972, Abb. 37). 2
Zu den Fenstern der Medicea-Laurenziana-Bibliothek siehe MARCHINI 1984, S.
264-67. 3
Kassettendecke von Battista di Marco del Tasso und Caroto, nach Entwürfen
Michelangelos (Detailansicht bei BALDINI & NARDINI 1984, S. 260). 4
Terrakotta-Fußboden von Santi Bublioni, nach einem Entwurf Tribolos (Detail-
ansicht bei BALDINI & NARDINI 1984, S. 261). 5
Siehe BOCCHI 1677, S. 543 (Abbildung der Pulte bei SANTI 1992, S. 76, und
O’GORMAN 1972, Abb. 36); heute stehen auf der rechten (westlichen) Seite nur noch 43 Pulte. 6
Vermutlich meint Papebroch die von Caterina de’ Medici, der Gemahlin König
Heinrichs II. von Frankreich, erworbenen Handschriften, die vor 1610, unter der Herrschaft Heinrichs IV., in die Bibliothèque Royale kamen (vgl. DELISLE 1868, S. 207-212).
Florenz und Umgebung
1
32
Dann wurden wir zu Seiner Durchlaucht, Fürst Leopold 1 , geführt, der uns fast anderthalb Stunden lang eine Audienz gewährte 2 mit so großer Aufmerksamkeit, dass er, als sein Bruder, der Großherzog, melden ließ, er gehe zu einem Spaziergang aus, sich bei diesem entschuldigen ließ, dass er ihn nicht begleite. Das Buch über die drei Dagoberte 3 , das wir ihm schenkten, und mein Gedicht nahm er gern an, und er las Teile daraus, und unter Hinweis auf sein gutes Verhältnis zu seinem Bruder sagte er, wir sollten uns vertrauensvoll an ihn wenden, so oft es nötig wäre.
33
Am Nachmittag begleitete uns wieder Signor Antonio in die Laurenziana; dort notierten wir, was uns in einem lateinischen Kodex abschreibenswert erschien.
34
Daraufhin gingen wir zur Bibliothek der Dominikanerpatres vom Konvent von San Marco 4 . Diese 1 hat drei
121
Biblioteca di S. Marco
Leopoldo de’ Medici wurde erst 1667 zum Kardinal ernannt; die hier eingefügte
Randbemerkungen „Cardinal Medicæus“ stammt aus späterer Zeit. 2
Auch aus einem Brief Henschens an Jean Bolland geht hervor, dass sie freund-
lich aufgenommen wurden und sich überdies in lateinischer Sprache unterhielten (21. Oktober 1661): Serenissimo Leopoldo adfuimus sesqui horâ amoenissime excepti, qui ultrò Latine loquebatur. 3
HENSCHEN 1655; vgl. auch ActaSS, Mar., III, S. xii-xxiv, und ActaSS, Apr., III, S.
i-xv. 4
Dominikanerkloster an der piazza San Marco (FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000,
S. 185-86 [Nr. 58], mit einem Grundriss und einer Abbildung des Klosters auf S. 184), und LIMBURGER 1910, Nr. 404. Das 1808 aufgehobene Kloster wird heute wieder von Dominikanern, aber auch von einem Museum und von Geschäften genutzt.
122
Florenz und Umgebung
Gewölbe von gleicher Bauart wie in Bologna 2 , von denen das mittlere höher ist und auf beiden Seiten von 11 Säulen 3 getragen wird; dazu gibt es heute eine gleiche Anzahl schöner, mit Eisengittern gesicherter Schränke aus Nussbaum; die früheren Pulte 4 , von denen viele Bücher - sogar Kettenbücher - verschwunden waren, waren entfernt worden.
1
35
Die lateinischen Handschriften waren noch nicht geordnet; also inspizierten wir alle, und wir fanden nicht wenig für unsere Zwecke in den Kodizes, die uns der Bibliothekar, Magister < …..... > Becucci, zur Benutzung beiseite legte, damit wir, allerdings nur innerhalb der Bibliothek, etwas aus ihnen abschreiben könnten.
36
18. Oktober, ein Dienstag. Signor Antonio wollte sich uns weiterhin gefällig erweisen und führte uns zunächst
18.10.1661 La Badia
Die von Cosimo dem Älteren (1389-1464) begründete, 1444 fertiggestellte Bibli-
othek von San Marco, eine der ersten öffentlichen Bibliotheken, war auch architektonisch ein Vorbild für die Bibliotheken der Frührenaissance (ULLMAN & STADTER 1972, 45-56, und O’GORMAN 1972, S. 57-59 mit Abb. 38-43); ihre Bestände gelangten später in die Biblioteca Medicea Laurenziana und in die Biblioteca Nazionale. 2
Die Bibliothek von San Domenico in Bologna, die Papebroch und Henschen auf
ihrem Hinweg besucht und beschrieben hatten (siehe Seite 206 der Handschrift), ist eine der ersten Bibliotheken, die im Stil der Bibliothek von San Marco errichtet wurden (BOSSI & MAURO 1989, 370; Innenansicht der Bibliothek bei O’GORMAN 3
1972, Abb. 19).
Grundriss bei O’GORMAN 1972, Abb. 40; Papebroch zählt allerdings zwölf Säu-
len. 4
Es soll ursprünglich 64 Pulte aus Zypressenholz gegeben haben (O’GORMAN
1972, S. 58).
Florenz und Umgebung
123
in die Abtei des Benediktinerordens 1 , die Markgraf Hugo 2 , ein enger Parteigänger des Kaisers Otto 3 und Statthalter in der Toskana 4 , zusammen mit acht weiteren Klöstern für diesen Orden gebaut hatte 5 ; ihm waren deswegen eine Marmorstatue im Kreuzgang 6 und ein herrliches Denkmal im linken Seitenschiff 7 der Kirche errichtet worden. 37
1
Diese hat den Grundriss eines griechischen Kreuzes und hat eine Decke mit überaus kunstvollen Vertäfelungen 8 . Sie hat vier Kapellen, nämlich an jeder einspringenden Ecke eine (durch sie wird die Außenform qua-
S. Maria Assunta
Badia Fiorentina oder San Benedetto di Badia, auch einfach La Badia genannt,
an der via del Proconsolo, via Dante Alighieri und via dei Magazzini (FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, S. 87 [Nr. 11], mit einem Grundriss des Klosters auf S. 86), und LIMBURGER 1910, Nr. 61. Die Badia war das älteste Benediktinerkloster von Florenz und die einzige Reichsabtei der Stadt (1810 aufgehoben); heute wird die Badia als Grundschule (Scuola elementare Dante Alighieri) und als Gerichtsgebäude genutzt. 2
Hugo von Tuszien oder Hugo der Große (* ca. 953/54, † 21. Dezember 1001).
3
Kaiser Otto III. (* 980, † 1002).
4
Der Kaiser hatte Hugo, der stärksten Stütze der kaiserlichen Partei in Italien, die
Markgrafschaft Tuszien verliehen. 5
Hugo von Tuszien galt wegen seiner 997 erfolgten Schenkung, bis ins 17. Jahr-
hundert als Gründer der Badia Fiorentina (SESTAN 1982, S. 3-12). 6
Die Statue des Markgrafen (Raffaele Petrucci, 1618) steht im Chiostro grande.
7
Das Grab des Markgrafen befindet sich an der Stirnwand des nach Osten weisen-
den Querarms (die ursprünglich geostete Kirche war bei ihrem Umbau 1627 nach Süden ausgerichtet worden). 8
Die schwere geschnitzte Kassettendecke der Kirche Santa Maria Assunta della
Badia Fiorentina stammt von Felice Gamberai (ca. 1629-31).
124
Florenz und Umgebung
dratisch) 1 , und hinter dem Hochaltar einen Chor, der halbkreisförmig vorragt, doch so, dass er beinahe von der übrigen Kirche abgetrennt ist.
1
38
In der Bibliothek 2 fand sich einiges, das später abzuschreiben uns erlaubt wurde.
39
Von hier aus ging es zum gewaltigen Kloster Santa Croce 3. Dort gibt es Kreuzgänge mit 9 und mit 11 Jochen 4 . Hier 5 befindet sich auch die Bibliothek. Sie ist an Handschriften reich ausgestattet, die auf zweimal 35 Pulte verteilt sind 6 , unter denen wir jedoch außer dem Prolog zur Vita des heiligen Märtyrers Alexander 7 und dem Martyrologium Ados 1 nichts fanden.
S. Croce
Die Kirche hat in den vier Kreuzwinkeln niedrige, tonnengewölbte Kapellen, die
zu den Querarmen offen sind und der Grundfläche der Kirche die Form eines Quadrats geben. 2
Zur Geschichte der Badia-Bibliothek siehe O’GORMAN 1972, S. 51-52; ihre Be-
stände gelangten später teilweise in die Laurenziana, teilweise in die Magliabechiana (BLUM 1951, S. 36). 3
Hauptniederlassung der Franziskaner an der piazza Santa Croce (FANTOZZI MI-
CALI &
RESELLI 2000, S. 115 [Nr. 25], mit einem Grundriss des Klosters auf
S. 114), und LIMBURGER 1910, Nr. 216. 4
Der erste Kreuzgang hat längs der Kirche elf Joche, der zweite (südliche) hat im
Osten und Westen neun und an den anderen beiden Seiten je sieben Joche. 5
Gemeint ist der zweite Klosterhof am Borgo de’ Tintori. Heute befindet sich an
dieser Stelle die Biblioteca Nazionale-Centrale. 6
So auch die Angabe in einem ein Inventar aus dem 15. Jahrhundert (O’GORMAN
1972, S. 53, mit weiterer Literatur; zur Geschichte der 1770 vollständig umgebauten Bibliothek ebd. S. 52-53, mit Abb. 32-34). 7
Es gibt 38 Märtyrer mit Namen Alexander. Eine Präzisierung war dann im Text
nicht erforderlich, wenn sie für Papebroch nahe gelegen hatte. Da er am Tag zuvor
Florenz und Umgebung
40
Am Nachmittag gingen wir zur Zisterzienserabtei Cestello 2 . Dort bestückte ehemals Abt Ferdinando Ughelli 3 die Bibliothek mit Büchern, in der wir jedoch nichts für uns fanden, und die Galerie mit Bildern, in der uns eines gezeigt wurde, das er angeschafft hatte und das den Stammbaum des Heiligen Bernhard 4 zeigt, das heißt wegen ihrer Heiligkeit berühmte Männer aus dem Zisterzienser-Orden, deren Filiationsschilde über die einzelnen Jahrhunderte hinweg wie an Zweigen angeordnet waren und eines jeden Namen als Umschrift hatten 5 .
125
Cestello
die Bibliotheca Laurentiana besucht hatte (siehe § 33) und da er später nach einer Handschrift aus dieser Bibliothek (siehe ActaSS Mai., V, S. 179: ex Ms. Bibliothecæ Laurentianæ Florentiae) die Vita des Heiligen Alexander von Edessa veröffentlichen wird, dürfte er an dieser Stelle Alexander von Edessa (Fest 20. Mai) gemeint haben. 1
Ado von Vienne, O.S.B. (* ca. 800, † 16. Dezember 875), heilig (Fest am 16. De-
zember), siehe ActaSS, prop. Dec., S. 587-88, und HARTMANN 1993. Ediert ist das erwähnte Martyrologium von DUBOIS & RENAUD 1984. 2
Die Zisterzienserabtei an der piazza di Cestello (FANTOZZI MICALI & RESELLI
2000, S. 141 [Nr. 38] mit einer Abbildung auf S. 140, und LIMBURGER 1910, Nr. 266) wurde 1450/60 als erste Karmelitinnen-Niederlassung in Florenz gegründet und 1628 von den Zisterziensern übernommen. In den Kloster-Anlagen befindet sich seit 1784 ein Priester-Seminar (Seminario arcivescovile) (via Lungarno Soderini, 19). 3
Ferdinando Ughelli (zu ihm § 19 mit Anm.) stammt aus einer wohlhabenden Fa-
milie. 4
Bernhard von Clairvaux (1090-1153), heilig (Fest am 20. August); siehe ActaSS,
Aug., IV, S. 101-368, und LECLERCQ 1994. 5
Ähnlich gab es in wandbildartiger Darstellung einen Klosterstammbaum im be-
nachbarten Vallombrosa von Ascanio Tamburini (SALA & DOMENICHETTI 1929, S. 270, Nr. V).
126
41
42
1
Florenz und Umgebung
Bei den Dominikanerpatres von Santa Maria Novella 1 lohnte es sich mehr. Die Bibliothek 2 ist mit hohen und stilvollen Schränken eingerichtet, die unter herrlich gehauenen Bögen stehen und vergoldete Aufschriften tragen. Sie besitzt eine Anzahl Handschriften und die Viten derer, die in diesem Kloster wegen ihres heiligen Lebenswandels berühmt waren.
S. Maria Novella
Von ihnen haben der Selige Giovanni 3 aus dem Dominikanerorden 4 , Gründer der Kirche und des Klosters, und die Selige Villana 5 auf beiden Seiten einander gegenüberliegende Gräber mit einem Marmordenkmal
Die Hauptniederlassung der Dominikaner in Florenz liegt an der gleichnamigen
Piazza; siehe FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, S. 205-06 (Nr. 68), mit einem Grundriss und einem Aufriss des Klosters auf S. 204; und LIMBURGER 1910, Nr. 430. 2
Diese 1636 fertiggestellte Bibliothek am Chiostro Grande wurde nach 1847 abge-
rissen; siehe ORLANDI 1952, und O’GORMAN 1972, S. 59-60 (mit einem Grundriss und einer Innenansicht auf den Abbildungen 6 und 7). 3
Giovanni da Salerno, O.P. († 1242), selig (Fest am 9. August), Gründer und
erster Prior von Santa Maria Novella; siehe ActaSS, Sept., III, S. 626-36 (mit einem Abdruck der Grabinschrift auf S. 626), BiblSS, Bd. VI, Sp. 896-97, und FRANK 1996. 4
Dominikus von Caleruega in Kastilien (* ca. 1170, † 1221), heilig (Fest am 8.
August), der Ordensgründer der Dominikaner; siehe ActaSS, Aug., I, S. 358-658, BiblSS, Bd. IV, Sp. 692-734, und FRANK 1995a. 5
Villana de Botti, O. P. (* ca. 1332, † 1360), selig, 1824 von Leo XII bestätigt
(Fest am 28. Februar); siehe ActaSS, Aug., V, S. 862-69 (zur Grabinschrift ebd. S. 863); BiblSS, Bd. III, Sp. 369-70, und GIERATHS 1965. Die in den Acta Sanctorum abgedruckte Vita hat Papebroch in Santa Maria Novella eigenhändig transskribiert.
Florenz und Umgebung
127
mit einer plastischen Darstellung ihrer Wunder 1 . Davor brennt ständig eine Leuchte. An ihrem Festtag wird ein Altar errichtet, auf dem dann die Messe gelesen wird und die Reliquien ihres Hauptes, das in einer Prozession dorthin gebracht werden muss, zur öffentlichen Verehrung ausgestellt werden 2 . 43
1
Auch dieses Kloster ist überaus geräumig, und sein Kreuzgang ist so groß 3 , dass über seinem rechten 4 Flügel das Florentiner Konzil 5 abgehalten werden konnte. Diesen Teil haben sie nun auf das Drängen des Großherzogs den benachbarten Nonnen eingeräumt 6 , wobei aber Pater Capocci 7 , der später dort im Ruf der Heilig-
Der Leib der Villana de’ Botti liegt im fünften Joch des rechten Seitenschiffs, ihr
Grabdenkmal (von Bernardo Rossellino,1451) befindet sich im zweiten Joch des Seitenschiffes ebenso wie das Grabdenkmal des Giovanni da Salerno (Vincenzo Danti, 1571), dessen Leib heute unter dem Hochaltar geborgen ist. Das von Papebroch erwähnte Marmordenkmal ist abgegangen. 2
In der übrigen Zeit wurden die Reliquien in der Sakristei aufbewahrt (BOCCHI 1677,
S. 260); zur Verehrung der Heiligen Villana siehe auch ActaSS, Aug., V, S. 863-64. 3
Der westliche Kreuzgang von Santa Maria Novella (Chiostro Grande) war der
größte im mittelalterlichen Florenz. Heute ist dort die Scuola dei carabinieri untergebracht. 4
Rechts (nördlich) vom Eingang in den Kreuzgang, im ersten Stock.
5
Zum Konzil von Ferrara (ab 1439 in Florenz) siehe VAN DIETEN 1999.
6
Der 1418-20 als Unterkunft für Martin V. hergerichtete und für Eugen IV., Pius
II. und Leo X. nochmals umgebaute Flügel des Klosters wurde im Auftrag Cosimos I. umgestaltet und 1570 den Nonnen des von ihm gegründeten Klosters Santissima Concezione übergeben. 7
Bruder Alessandro Pietro (genannt Capocci), Dominikaner-Prior in Santa Maria
Novella; siehe ActaSS, Mai., VI, S. 128-130.
128
Florenz und Umgebung
keit verschieden und ehrenvoll beigesetzt worden war, als einziger sich fand, der im Kapitel der Fratres dem dort vorgestellten Ansinnen des Herzogs widersprach; als der Herzog den Ausgang der Angelegenheit vernommen hatte, beteuerte er, jener allein habe ein Gehirn im Kopf gehabt. Heute noch zeigt man dort eine Kapelle, in der vier Päpste zelebriert haben 1 .
1
44
Die Fassade der ganzen Kirche ist aus Marmor. Im Innern ist ihr Baukörper so wohlproportioniert, dass der hochberühmte Architekt Buonarroti sie seine Braut zu nennen pflegte 2 .
45
Der Pater Magister Domenico Leoni 3 bot uns die Möglichkeit an abzuschreiben, was wir wollten, und zeigte auch zwei umfangreiche Bücher über die Kanonisierungsprozesse der Seligen Caterina de’ Ricci 4 und der Seligen Rosa von Lima in Peru 5 . Er besaß eine Vita der
Cappella dei Papi
Die Cappella dei Papi im ersten Stock des ersten Kreuzgangs (Chiostro Verde);
die vier Päpste sind Martin V., Eugen IV., Pius II. und Leo X. 2
Vgl. BOCCHI 1677, S. 238: „Onde Michelagnolo soleua chiamar questa la Spo-
sa.” 3
Zu Giandomenico Leoni aus Florenz († 1671), Magister der Theologie, siehe QUÉ-
TIF &
ÉCHARD 1721, S. 640a; zu seiner Freundschaft mit Antonio Magliabechi
BATTISTINI 1942-43, S. 217. 4
Caterina de’ Ricci, O.P. (*23. April 1522, † 2. Februar 1590), 1732 selig- und
1746 heiliggesprochen (Fest am 2. Februar); siehe ActaSS, Febr., I, S. 267, Prop. Dec., S. 47, BiblSS, Bd. III, Sp. 1044-45, RISTORI 1979, und BROCKHUSEN 1999. 5
Zu Rosa von Lima (1586-1617), 1668 selig- und 1671 heiliggesprochen (Fest am
23. August), Patronin von Peru und Lima, siehe ActaSS, Aug., V, S. 892-1028, BiblSS, Bd. XI, Sp. 396-413, und MEIER 1999. Zu dem im Text erwähnten Kanonisierungsprozess siehe auch ActaSS, Aug., V, S. 892-99.
Florenz und Umgebung
129
letzteren, die er noch ausarbeiten sollte 1 , und zeigte uns recht viele gedruckte italienische Viten und dazu eine einzige handschriftliche lateinische, aber nichts davon war für uns von Interesse wegen der Bulle Urbans 2 und weil es keinen öffentlichen Kult gab. 46
1
19. Oktober, ein Mittwoch. Mit demselben Führer wie an den Tagen zuvor 3 gingen wir zur Ognisanti-Bibliothek bei den Franziskanerobservanten 4 , empfohlen durch ein Schreiben des Signor Agostino Coltellini 5 , eines Rechtsanwaltes, der sich dafür entschuldigte, dass er uns keine Aufwartung machen könnte wegen eines Besuchs bei dem
19.10.1661 Ognisanti
Diese Vita wurde von Giandomenico Leoni später unter dem Titel Breve ristratto
di Santa Rosa di S. Maria da Lima del Perù nell’America meridionale (Rom 1665) veröffentlicht. 2
Papst Urban VIII. (sed. 1623-44) hatte 20. Oktober 1625 in einer Bulle verboten,
nicht heilig- oder seliggesprochene Personen mit Heiligenschein darzustellen, Lampen, Votivgegenstände und ähnliches vor ihr Grab zu stellen und ihre angeblichen Wunder oder Offenbarungen zu drucken. In einer Konstitution vom 5. Juli 1634 waren die Heiligenverehrung und der Prozess der Heiligsprechung stark reglementiert worden (PASTOR 1929, S. 593). 3
Das heißt: mit Antonio Magliabechi.
4
San Salvatore d’Ognisanti, Kloster an der piazza d’Ognisanti (FANTOZZI MICALI
&
RESELLI 2000, S. 247 [Nr. 88], mit einem Lageplan und einem Grundriss des
Klosters und einer Abbildung der Kirche auf S. 246, und LIMBURGER 1910, Nr. 516). Die Kirche wurde 1561 dem Erlöser (San Salvatore) geweiht, als die Franziskaner-Observanten aus San Salvatore al Monte einzogen und die Humiliaten verdrängten, später barockisiert und im 19. Jahrhundert säkularisiert. Heute teils Kloster, teils Pfarrkirche. 5
Zu Agostino Coltellini (* 17. April 1613, † 26. August 1693), einem kulturell
interessierten und literarisch aktiven Rechtsberater der Kardinäle Giovan Carlo (ab 1653) und Carlo de’ Medici (ab 1665), siehe CAPUCCI 1982.
130
Florenz und Umgebung
erkrankten Hochwürdigsten Beichtvaters des Großherzogs. 47
1
Doch fanden wir dort nichts und auch nichts in der Bibliothek der Karmeliten-Patres 1 . Bei ihnen erwiesen wir dem heiligen Leib des Andrea Corsini 2 unsere Verehrung, der ganz nahe der Vierung der Kirche in einem eigenen Schrein erhoben war über dem ihm geweihten Altar, und dem Leib seines Gefährten, des Heiligen Angelino 3 , der unter dem Altar rechts am Chor bestattet war 4 , nachdem durch Erlass einer Bulle von Innozenz jegliche öffentliche Verehrung mit Leuchtern und Votivgegenständen verboten worden war. Man hoffte,
S. Maria del Carmine
1268 gegründetes und später umgestaltetes Karmelitenkloster an der piazza del
Carmine, heute teils Kloster, teils in öffentlicher Nutzung; siehe FANTOZZI MICALI &
RESELLI 2000, S. 95 (Nr. 15) mit einem Grundriss des Klosters auf S. 94, und
LIMBURGER 1910, Nr. 159; BERTI 1992, S. 75 ff.; zur Bibliothek des Klosters O’GORMAN 1972, S. 24. 2
Andrea Corsini, O.Carm. (* 30. November 1302, † 6. Januar 1374), 1629 heilig-
gesprochen (Fest am 4. Februar, in Florenz am 6. Januar), Prior des Klosters und seit 1349 Bischof von Fiesole, bereits zu Lebzeiten als heilig verehrt; siehe ActaSS, Ian., II, S. 1061-77, BiblCarm, Bd. I, Sp. 74-78, BiblSS, Bd. I, Sp. 1158-69, FELDKAMP 3
1994, und CAIOLI 1929.
Zu Angelo Agostino Mazzinghi (in Italien häufig Beato Angiolino genannt), siehe
PIATTI 2009, und BROCCHI 1761, S. 226-239. In den Acta Sanctorum (Aug., III, S. 417) wird er noch 1737 unter den Praetermissi angeführt. Erst 1761 wurde sein Kult ab immemorabili bestätigt (Fest am 17. August). Zur Verehrung seiner Gebeine siehe auch ActaSS, Ian., II, S. 1062. 4
Das heißt: in der Santa-Lucia-Kapelle, in der der Leib des Heiligen Angelino zu
Papebrochs Zeit noch lag; später wurde er in die Brancacci-Kapelle überführt, und seit dem Jahre 1930 liegt er unter dem Hochaltar; dazu siehe PIATTI 2009, S. 577.
Florenz und Umgebung
131
gleichwohl eine alte lateinische Vita über ihn aufzufinden 1 .
1
48
Schließlich gingen wir zum Konvent von Santo Spirito 2 der Augustiner-Patres, wo wir lange vergeblich auf den warteten, der die Schlüssel der Bibliothek 3 in Verwahrung hatte.
49
Unterdessen bestaunten wir den ganz majestätischen Bau der wunderschönen Kirche. Ihr Schiff stützen hüben und drüben zehn 4 Säulen, denen an den Außenwänden ebenso viele Halbsäulen entsprechen; in dem durch moderne Sockel verengten Raum stehen ebenso viele Altäre in den Rundungen 5 dieser Wände. Die Säulen aber sind nicht nur hoch, sondern lassen, oben mit doppelten Kapitellen geschmückt, auch die Bögen höher als sonst sich erheben, und sie umgeben die drei übrigen für ein Kreuz nötigen Seiten auf jeder Seite mit je zwei Travéen; diesen entsprechen Altäre von ähnlichem
S. Spirito
In die Acta Sanctorum hat trotzdem keine Vita des Heiligen Angelino Eingang
gefunden. 2
Ein Augustinerkloster mit Renaissance-Kirche an der piazza Santo Spirito (FAN-
TOZZI
MICALI & RESELLI 2000, S. 251 [Nr. 90], mit einem Grundriss des Klosters
und einer Abbildung des zweiten Kreuzganges auf S. 250; und LIMBURGER 1910, Nr. 666). 3
Zur Geschichte der Bibliothek siehe GUTIÉRREZ 1962, S. 5-88, und O’GORMAN
1972, S. 61. 4
Präziser müsste man von acht Säulen und zwei Halbsäulen sprechen (Papebroch
zählt die Säulen von der Rückwand bis zur Vierung). 5
In den halbzylindrischen, wie kleine Apsiden gestalteten Kapellen, die durch je
eine glatte (korinthische) Halbsäule mit Kapitell, Kapitellaufsatz und Kämpfer von einander getrennt sind, gibt es heute nur noch sieben Altäre.
132
Florenz und Umgebung
Stil im Umgang 1 . Ein Vorbild hierfür habe ich nirgends gesehen. 50
Das Gesims ist so hoch, dass man zwei Gesimse übereinander über den Bögen vorragen zu sehen meinen könnte; ihm folgen schmale und hohe Fenster und wiederum ein Sockel, über dem eine Kassettendecke unter dem Dach eingezogen sein müsste 2 .
51
Eine Kuppel überspannt die Vierung; sie hat unter der Kuppelschale runde Fenster über einem doppelten Sockel 3. Unter dieser Kuppel erhebt sich, aus Marmor, der herrliche Bau des Hochaltars, über ihm ein außergewöhnliches Tabernakel aus kostbarem Stein, ferner ein auffälliges Ziborium aus Marmor, das von vier Pfeilern und ebenso vielen Säulen neben ihnen getragen wird 4 . Und dann führt um alles ein Mauerschrankenwerk 5 aus Marmor herum, das den ganzen Raum unter der Kuppel umfasst (sein Umkreis berührt sogar die Ecksäulen); in seinem Bereich haben die Religiosen ihren recht hohen Chor.
52
Gleich prächtig wie die Kirche sind ihre Sakristei 6 und das übrige Kloster. Hier begrüßten uns als erster der Ca-
1
Das heißt: wie im Schiff.
2
Erst im 19. Jahrhundert wurde eine Decke eingezogen.
3
Papebroch schreibt etwas ungenau intra geminum limbum.
4
Abbildung bei RICHA 1754-62, Bd. 9, nach S. 28.
5
Ein achteckiges Schrankenwerk mit Balustrade, das zum Mittelschiff hin geöffnet
ist. 6
Eine achteckige Zentralanlage, die 1488-1492 von Giuliano da Sangallo errichtet
worden war.
Florenz und Umgebung
133
vagliere < …..... > 1 , ein Domherr, und zwei Professoren aus Pisa 2 . Jener aber kam am Nachmittag erneut zu uns, als wir gerade zusammen mit Signor Antonio zum Konvent der Serviten-Patres gehen wollten. Noch vor ihm kam aber Monsieur Spanheim 3 , ein junger Calvinist aus Frankreich, ganz gelehrt und wissbegierig, zusammen mit dem Abt Falconieri. 53
1
Als wir sie verabschiedet hatten, gingen wir dorthin, wohin wir eigentlich hatten gehen wollen 4 , und wurden in die ganz prächtige Bibliothek geführt, in der ein Lehrerpult und Stühle für die Schüler wie in einem runden Hörsaal aufgestellt waren 5. Hier fanden sich auch eine
Biblioteca di Santissima Annunziata
Vielleicht Cavagliere Francesco Maria Ceffini (vgl. BATTISTINI 1942-43, S. 168,
und ActaSS, Apr., II, S. 791). 2
Darunter vielleicht der im Nachruf auf Jean Bolland erwähnte Valerio Chimen-
telli aus Bologna (dort fälschlich Ambrosius Chimentellus genannt), der zunächst in Florenz und ab 1648 in Pisa Professor war und zur Zeit des Papebroch in den Florentiner Gelehrtenzirkeln verkehrte (vgl. ActaSS, Mar., I, S. xxxiv, und ActaSS, Mai., I, S. lix). 3
Friedrich Spanheim d. Jüngere (1632-1701), reformierter Theologe aus Genf, seit
1655 Professor in Heidelberg, ab 1670 in Leiden; siehe ZSCHARNACK & WEBER 1962. 4
Nämlich zu den Serviten-Patres (vgl. § 52); ihre Kirche Santissima Annunziata be-
schreibt Papebroch erst am 22. Oktober 1661 (§§ 65-68). 5
Die 1454 begründete Bibliothek war 1573 in einen größeren Räum auf der Süd-
seite des kleineren Kreuzganges verlegt worden (DEL MEGLIO & MANESCALCHI 2005, S. 64, 72 und 85), zu Unterrichtszwecken bestuhlt und um 1600 mit einer repräsentativen Lehrkanzel des Kunstschreiners Jacopo da Scopeto ausgeschmückt worden (IRCANI MENICHINI 2004, S. 76). Zur Geschichte der Bibliothek siehe auch O’GORMAN 1972, S. 19-51, mit Abb. 29-31.
134
Florenz und Umgebung
alte handschriftliche Vita des Seligen Gioacchino 1 , ja sogar eine des seligen Karmeliten Franco von Siena 2 , die wir bei den Karmeliten selbst vergeblich gesucht hatten, nicht aber die italienische Vita 3 der Seligen Giuliana Falconieri 4 . Den Besuch ihrer Reliquien verschoben wir auf den Samstag, da wir dort am wundertätigen Bild von Mariä Verkündigung die Messe lesen wollten 5 . 54
1
Hier trafen wir auch den Pater General des Ordens 6 , den Verfasser der italienischen Epitome 7 der ‘Geschichte des Tridentiner Konzils’ des Kardinal Pallavicino 8 , einen
Gioacchino da Siena, O.S.M. (* 1258, † 16. April 1306), selig (Fest am 16. April);
siehe ActaSS, Apr., II, S. 454-65 (mit der von Papebroch transskribierten Vita ebd. S. 454), BiblSS, Bd. VI, Sp. 476-78 (vgl. LThK², Bd. 5, 1960, Sp. 974). 2
Franco Lippi; zu ihm siehe Siena, § 35 mit Anm.
3
Die gesuchte Vita der Heiligen gelangte auf anderem Wege aber schließlich doch
noch in die Acta Sanctorum (siehe Iun. III, S. 917-24), wo Papebroch im Anhang den Kult ausführlich beschreibt (ebd. S. 924-925); vgl. auch Florenz, § 66. Zu der heute in der Biblioteca Nazionale in Florenz aufbewahrten Vita aus dem Jahre 1613 siehe BROWN 1964, S. 177. 4
Giuliana Falconieri (1290-1341), trotz einflussreicher Befürworter erst 1678 selig-
und 1737 heiliggesprochen (Fest am 19. Juni), Gründerin des Orden der Servitinnen; siehe ActaSS, Iun., III, S. 917-25, BiblSS, Bd. VI, Sp. 1184-88, und STAMM 1996. 5
Dies geschah am 22. Oktober (siehe § 65).
6
Calisto Puccinelli aus Lucca, Generalprior 1660-66, ab 1667 Erzbischof von Ur-
bino; zu ihm siehe BONFRIZIERI 1723, S. 173-174. 7
Istoria del Concilio di Trento, scritta dal Padre Sforza Pallavicino ... compendiata
dal Padre F. Calisto Puccinelli ..., Roma: V. Mascardi, 1660. 8
Pietro Sforza Pallavicino, S.J. (* 28.11.1607, † 5.6.1667), Professor der Philoso-
phie und Theologie am Collegium Romanum (1639-51). Seine kurialistisch gehal-
Florenz und Umgebung
135
ganz gebildeten Mann, der uns die Seligen seines Ordens empfahl und auch bat, bei Gelegenheit das genannte Bild und die bei ihm geschehenen Wunder erwähnen zu wollen; und der Märzband schien hierfür am besten geeignet, weil in ihn der Tag Mariä Verkündigung fällt 1. Auch Empfehlungsschreiben, wie andere Generale sie uns gegeben hatten, bot er uns an. 55
Bei den Kamaldulensern 2 fanden wir zwar viele ManuS. Maria skripte, doch überhaupt nichts, was unserem Anliegen degli Angioli hätte dienen können.
56
Und erwähnen will ich noch, dass wir vor dem Essen mit einer Petition beim Apostolischen Nuntius 3 vorstellig wurden und ihn baten, dass uns dieselbe Möglichkeit, die wir in den Bibliotheken von Rom mit Zustimmung des Papstes wahrnehmen durften, nämlich die Bücher zur Abschrift mitzunehmen, auch wenn ein Präfekt unter Androhung des Kirchenbanns dagegen war, dass wir die in den Bibliotheken, die auf dem Gebiet
tene „Istoria del concilio di Trento“ erschien 1656/57 in zwei Folio-Bänden (2. Aufl. in 3 Bde., Rom 1663-64); siehe SOMMERVOGEL, Bd. 6 (Paris - Brüssel 1895), Sp. 120-43, und GAWZER 1998. 1
Das heißt: der 25. März.
2
Zur Kamaldulenserniederlassung Santa Maria degli Angioli an der via degli Alfa-
ni und der via del Castellaccio siehe FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, S. 189 (Nr. 60), mit einem Grundriss des Klosters auf S. 188, und LIMBURGER 1910, Nr. 432. Im 19. Jahrhundert wurde die Niederlassung aufgelöst. Heute gehört ein Teil des Klosters zur Universität, ein anderer Teil ist in ein Krankenhaus (Spedale di Santa Maria Nuova) integriert. 3
Stefano Brancacci; er war 1660-1666 Nuntius am Hof der Medici in der Toskana
(BITTNER & GROSS 1936, S. 389, und MORONI 1840, S. 92).
136
Florenz und Umgebung
seiner Nuntiatur lagen, im Einvernehmen mit deren Präfekten wahrnehmen dürften; dies nämlich zu tun, hatten uns die Benediktiner und die Dominikaner geraten, die ihrerseits bereit waren, Bücher zu liefern. 57
58
Auch die Kathedrale 1 und die Taufkirche 2 sahen wir gegen Abend, deren höchst erhabenen Bau und auch den des Glockenturms 3 neben ihr zu beschreiben es an anderer Stelle bessere Gelegenheit geben wird 4 . 20. Oktober, ein Donnerstag. Signor Antonio führte uns aus der Stadt heraus zur Abtei von Fiesole 5 , die Cosimo, ein Herzog der Toskana, der den Titel ‘Vater des Vaterlandes’ erhielt 6 , für die Regularkanoniker von San Salvatore errichtet hat 7 . In ihrer Bibliothek 1
S. Maria del Fiore
20.10.1661 La Badia Fiesolana
1
Zum Dom Santa Maria del Fiore siehe LIMBURGER 1910, Nr. 234.
2
Zum Battistero di San Giovanni siehe LIMBURGER 1910, Nr. 302.
3
Campanile di Giotto.
4
Die in Aussicht gestellte Beschreibung kommt nicht zur Ausführung; dazu siehe
§ 80 und S. 17 f. sowie Papebrochs Bemerkungen in seinem Nachruf auf Jean Bolland (siehe Anhang I, S. 276). 5
Die Badia Fiesolana SS. Bartolomeo e Romulo an der via della Badia, war ur-
sprünglich Kathedrale und Bischofssitz, 1028 wurde sie den Kamaldulensern übergeben und 1442 den Regularkanoniker von San Frediano (Lucca), 1778 aufgehoben, 1876 von den Padres Scolopi übernommen; heute Sitz des Istituto Universitario Europeo. 6
„Pater patriae“; der Titel wurde nach seinem Tode 1464 im Auftrag der Signoria
auf dem Grabmal Cosimos des Älteren in San Lorenzo eingemeißelt (siehe LUZZATI 1993). 7
1442 hatten die Regularkanoniker von San Frediano di Lucca (Congregatio Sanc-
tissimi Salvatoris Lateranensis) die Badia übernommen (REPETTI 1833, S. 11); für sie
Florenz und Umgebung
137
fanden sich viele Manuskripte, auch einige, die für unsere Sache etwas brachten. 59
Unter dem Altar 2 aus weißem Marmor, den feine Intarsien durchziehen, befindet sich ein großer Schrein für Reliquien, in dem die Gebeine dreier Heiliger geborgen sind. Was man über die würde aus dem Archiv erfahren können, das uns wegen der Abwesenheit des Abtes nicht zugänglich war, werde er besorgen, versprach Signor Antonio.
60
Der Kirche angebaut ist eine alte, runde Kapelle 3 , in der, wie man glaubt, der Gekreuzigte zum Seligen Romolo 4 und zum Seligen Filippo Benizi 5 gesprochen haben soll. Vor ihr befindet sich ein Brunnen, von dem der Ort seinen alten Namen Pozzo Santo hat 6 . In ihm sol-
hatte Cosimo der Ältere ab 1456 die Abtei im Florentiner Renaissancestil umbauen lassen. 1 2
Die Bestände der Bibliothek gingen in die Medicea Laurenziana ein. Der Hauptaltar der Badia, eine bemerkenswerte Pietra-dura-Arbeit von Pietro
Tacca, stammt aus der Zeit um 1600. 3
Cappella rotonda, auch Cappella di San Romolo oder Cappella di Santo Stefano
genannt, war ein runder, wohl im Stil der byzantinischen Martyria gebauter Zentralbau (BORSI 1976, S. 5), im 19. Jahrhundert abgerissen (MOROLLI 1976, S. 126127). 4
Romulus, Patron von Fiesole, heilig (Fest am 6. Juli); siehe ActaSS, Iul., II, S.
253-62, und MERKT 1999. 5
Filippo Benizi, O.S.M. († 22. August 1285), 1671 heiliggesprochen (Fest am 22.
August, bei den Serviten am 23. August); siehe ActaSS, Aug., IV, S. 655-719, und FRANK 1999a. 6
Auch Pozzo dei Martiri genannt (Papebroch schreibt Poggio Sancto); darin sollen
die Gebeine von 72 Märtyrer geborgen gewesen sein (LANDUCCI 1976, S. 173).
138
Florenz und Umgebung
len die Gebeine des Heiligen Romolo, des ersten Bischofs von Fiesole, verborgen liegen 1 . Sicher aber hat ein Bischof, als er hier betete, seinen Bischofsring in den Brunnen fallen lassen; als er ihn dort blutig herauszog und zum nahen Altar trug, fielen einige Blutstropfen auf die Stufen 2 . Deshalb ist der Stein an dieser Stelle mit einem eisernen Gitter gesichert, damit man nicht versehentlich darauf tritt. Gezeigt wird ebenda eine alte Tafel mit den Ablässen, die den Besuchern dieses Ortes gewährt werden 3 . 61
Diese Abtei liegt etwa eine Meile von der Stadt entfernt vor dem Stadttor, das nun, weil die frisch angetraute Braut 4 durch dieses einzog, ‘Porta d’Orléans’ genannt wird 5 , am Fuße des Berges, auf dem in alten Zeiten
Der Legende nach hat Cosimo der Ältere bei einem Besuch der Kapelle den Pozzo öffnen lassen und einen Handschuh an einem Seil hinabgelassen, der mit dem Blut der Märtyrer getränkt wieder herausgeholt wurde. Der Pozzo wurde wieder verschlossen, bis Leo X. im Jahre 1516 dies mit einem Ring wiederholte und den Pozzo mit einem Eisengitter endgültig verschließen ließ (PENNOTTO 1624, S. 634; vgl. unter anderem MORENI 1792, S. 112). 1
Die Gebeine des Heiligen Romulus, die ursprünglich in der Cappella rotonda la-
gen, hatte Jacopo il Bavaro bereits 1028 in die neue Kathedrale überführen lassen. 2
Einer anderen Quelle nach sollen einige Bluttropfen des Heiligen Romulus wäh-
rend seines Martyriums auf den Boden gefallen sein (DEL BRUNO 1719, S. 152). 3 4
Zu dieser Inschrift siehe BANDINI 1776, Sp. 54. Marguerite Louise d’Orléans, eine Cousine Ludwigs XIV., hatte am 20. Juni
1661 Cosimo III de’ Medici, den Sohn und späteren Nachfolger des Ferdinando II, geheiratet. 5
Gemeint ist die 1661 wieder neu eröffnete Porta San Gallo, ein Stadttor, durch
das der Hochzeitszug führte.
Florenz und Umgebung
139
Fiesole stand. Nun sieht man zwischen beiden Bergjochen die Kirche, die bis heute stolz die Bezeichnung Kanonikerkollegskirche und Bischofskirche trägt 1 . Auch aus ihr versprach der nämliche Signor Antonio, Texte zu besorgen, wenn es welche geben sollte. 62
Am Nachmittag war er wieder da, zusammen mit Signor Andrea Cavalcanti 2 , einem Mann von angesehenem Adel und von Bildung, der uns die Viten einiger Seliger seiner Familie 3 versprach und bis zur Vesper unser Begleiter war auf unserem Weg zunächst zum Nuntius, von dem wir uns die noch fehlende Erlaubnis holten 4 , dann nach Santa Maria Novella und zur Abtei 5 , von wo wir gleichwohl wegen der Abwesenheit der Oberen nichts von dem, was wir gerne gehabt hätten, mitnehmen durften. Als wir gingen, begegnete uns dann noch Monsieur Spanheim 6 . Er geleitete uns nach Hause und erbat von Pater Gotfrid ein Empfehlungsschreiben an Pater Kircher 7 .
1
Die Cattedrale di San Romolo an der piazzetta della Cattedrale in Fiesole.
2
Zu Andrea Cavalcanti (* 5. September 1610, † 1673), einem Freund Antonio
Magliabechis, siehe GANGEMI 1979. 3
Unter anderem die Augustiner-Terziarin Helena von Udine, O.E.S.A. († 23. April
1458), selig, 1848 approbiert (Fest am 23. April), war die Frau von Antonio dei Cavalcanti; siehe ActaSS, Apr., III, S. 247-58, und HÜMPFNER 1960. 4
Vgl. § 56.
5
Zur Badia Fiorentina siehe § 36 mit Anm.
6
Friedrich Spanheim dem Jüngeren; zu ihm siehe § 52 mit Anm.
7
Athanasius Kircher (* 2. Mai 1602, † 27. November 1680), jesuitischer Universal-
gelehrter, Verfasser von über vierzig gedruckten Werken; siehe SOMMERVOGEL, Bd. 4 (Paris - Brüssel 1893), Sp. 1046-77.
140
1
Florenz und Umgebung
63
21. Oktober, ein Freitag. Der ganze Vormittag verging damit, dass wir bei Santa Maria Novella den Pater Prior erwarteten, um mit seiner Zustimmung einige Manuskripte mitnehmen zu können, gemäß der Erlaubnis des Apostolischen Nuntius. Als er endlich zurückkehrte, sagte er, er könne in dieser Angelegenheit nichts tun ohne den einstimmigen Beschluss der Konsultoren, die nicht in der Stadt waren und erst in einigen Tagen zu erwarten waren.
64
Am Nachmittag wurden wir mit der Sichtung der griechischen Bücher und der anderen Manuskripte im Konvent von San Marco fertig. Unter ihnen fanden wir die Hälfte eines Menologion 1 , zufällig dieselbe wie die gedruckten Menaien 2 . Den Rest des Tages verbrachten wir in der Medici-Bibliothek von San Lorenzo.
65
22. Oktober, ein Samstag. Wir zelebrierten vor dem wundertätigen Bild von Mariä Verkündigung 3 in der Kirche der Serviten-Patres 4 . Sie besteht aus alter Bau-
21.10.1661
22.10.1661 Santissima Annunziata
Sammlung von Heiligenviten und Homilien für die unbeweglichen Feste des
Kirchenjahres. 2
Liturgisches Buch der orthodoxen Kirche mit Offiziumsgesängen und -lesungen
für alle terminlich feststehenden Feste und hagiographischen Anmerkungen zu den Heiligenfesten; Menaien gibt es seit dem 16. Jahrhundert auch in Druckausgaben. 3
GUALDO PRIORATO 1668, S. 37, nennt das Bild von Mariä Verkündigung eine
„miracolosa Imagine della Madonna grandemente riverita“. 4
Santissima Annunziata in der via Cesare Battisti, auch Santa Maria di Cafaggio
oder Santa Maria de’ Servi genannt, Hauptkirche des vor allem in der Toskana verbreiteten Serviten-Ordens. Sie wurde ab 1664 barockisiert und 1866 aufgehoben; heute ist sie teils Servitenkloster, teils Universitätsgebäude und teils im Besitz
Florenz und Umgebung
141
substanz, hat auf jeder Seite unter Bögen sechs Kapellen und unterhalb eines doppelten Gesimses einen Abakus, der um das ganze Schiff herumführt und voller realistischer Votivstatuen ist 1 . Der Chor ist innen rund und gewaltig. Unter seinem Gesims führen 9 Bögen 2 herum, und unter diesen sind Kapellen oder Altäre, über dem Gesims aber sind Fenster. Der Verkündigungsaltar ist, wenn man hineingeht, auf der linken Seite 3 bei einem Bild, das vor Zeiten auf die Wand gemalt worden ist 4 . Der Schmuck des gesamten Altars ist aus Silber 5 . 66
Vor der Messe wurden uns die Reliquien der Seligen Giuliana Falconieri 6 in einem vergoldeten Behältnis gezeigt und ihr Haupt gleicherart in einer Büste 7 . Für ih-
des Istituto Geografico Militare; siehe FANTOZZI MICALI & RESELLI 2000, S. 75 (Nr. 5), mit einem Grundriss des Klosters auf S. 74, und LIMBURGER 1910, Nr. 39. 1
Abgegangen.
2
Papebroch zählt 7 Bögen.
3
Das heißt: im Oratorium im Nordwesten der Kirche.
4
Berühmtes Fresko, das der Kirche ihren Namen gab, von einem unbekannten
toskanischen Künstler (1252), im 14. Jh. mit trecentistischen Zügen erneuert. 5
Nämlich das Silberrelief, das die Mensa (Dossale) verkleidet, der reiche Silber-
rahmen um das Gnadenbild herum, Baldachin, Engel und die zwei Altaraufsätze aus Silber mit Leuchtern und Vasen. Die von Cosimo I. gestifteten Lampen wurden im 19. Jahrhundert allerdings größtenteils eingeschmolzen und durch neue ersetzt. Das silberne Tabernakel steht heute im Oratorium hinter dem Gnadenbildtabernakel. 6
Zu Giuliana Falconieri siehe § 53 mit Anm.
7
Abgegangen. Die Reliquien liegen heute an der Stirnseite des südlichen Quer-
schiffs in einer Urne aus dem dem 20. Jahrhundert.
142
Florenz und Umgebung
re Kanonisation und die eines anderen von den ersten Ordensstiftern, der denselben Familiennamen trägt 1 , hat Don Francesco Augustino Falconieri 2 20 Tausend Scudi testamentarisch gestiftet 3 , die über 20 Jahre durch rechtmäßigen Gewinn zu mehren waren. Wenn innerhalb dieser Zeit nichts in Rom bewirkt würde 4 , sollte der gestiftete Betrag für einen Altar aus Marmor oder eine Kapelle verwendet werden, in der besagte Reliquien einen ehrenvolleren Platz erhalten sollten; dies, so sagten sie, werde im nächsten Jahr der Fall sein 5 . 67
1
Nach der Messe wurden freundlicherweise sowohl die von uns erbetenen Viten zur Abschrift ausgehändigt als auch als Geschenk Annalen und andere Bücher, die den Orden betreffen, zusammen mit den Empfehlungsschreiben des Hochwürdigsten Paters General 6 an all die Seinen.
Alexius (Alessio) Falconieri († ca. 1310), heilig (Fest am 17. Februar), einer der
sieben Stifter des Servitenordens; siehe ActaSS, Febr., III, S. 3, und HOFMANN 1960. 2
Francesco Augustino Falconieri; siehe ActaSS, Iun., III, S. 923-24.
3
Das Testament wurde von Francesco Augustino Falconieri am 8. Mai 1632 er-
richtet. 4
Das heißt: wenn die Kanonisierung nicht erreicht würde.
5
Das geschah erst im Jahre 1676, als die Reliquien unter den Altar zur Unbefleck-
ten Empfängnis verbracht wurden (ActaSS, Iun., III, S. 924); zum Kanonisierungsprozess der Heiligen Giuliana Falconieri durch Clemens XII. (1737) siehe MONTAGNA 6
1964.
Zu Calisto Puccinelli siehe oben (§ 54 mit Anm.); Papebroch und Henschen hat-
ten den Generalprior am 19. Oktober bei ihrem ersten Besuch der Serviten-Kirche getroffen.
Florenz und Umgebung
68
Der Kirche vorgebaut ist ein Narthex, um den ein Säulengang herumläuft 1 ; seine 2 Bögen schmücken militärische Wappen, die wie Trophäen angeordnet sind. Dann, vor dem Narthex, dehnt sich ein Platz, den an der Kirche wie auch an den beiden Seiten eine Säulenhalle von 13 Bögen umgibt 3 . In der Mitte hat er zwei Brunnen, die hervorragend gearbeitete Beckenränder aus Bronze haben 4 , und ein bronzenes Reiterstandbild 5 .
143
Piazza della Santissima Annunziata
69
Einen Teil des Nachmittags verbrachten wir in der Bibliothek von San Lorenzo.
70
23. Oktober, ein Sonntag. Wir verbrachten ihn ganz zu Hause, beschäftigt mit Schreibarbeit 6.
23.10.1661
71
24. Oktober, ein Montag. Signor Antonio und Signor Michele Ermini 7 brachten uns einen von einem Freund 1
24.10.1661
1
Vorhof mit einer Säulenhalle über fünf Joche Breite und vier Joche Tiefe.
2
Constructio ad sensum.
3
Zur Piazza della Santissima Annunziata mit dem Bogengang des Spedale degli
Innocenti siehe LIMBURGER 1910, Nr. 365, zur gegenüber liegenden Confraternita dei Servi di Maria mit der Loggia della Santissima Annunziata siehe LIMBURGER 1910, Nr. 40. Von den Bögen sind auf der nordöstlichen Seite, d.h. zur Kirche hin, noch sieben erhalten. 4
Zwei symmetrisch zueinander angelegte Bronzebrunnen am Rande der Piazza mit
phantasiereichen Seeungeheuern und grotesken Figuren im Stil des 17. Jahrhunderts. 5
Standbild des Großherzogs Ferdinando I de’ Medici.
6
Vgl. die Einträge zum 16. Oktober (§ 22) und zum 12. Februar (§ 129).
7
Michele Ermini, Bibliothekar des Leopoldo de’ Medici, ein Freund und Lehrer
Magliabechis (BATTISTINI 1942-43, S. 125).
144
Florenz und Umgebung
geliehenen Reisewagen, in dem wir zur Kartause 2 fuhren, die drei Meilen von der Stadt entfernt auf einer Anhöhe 3 über dem Zusammenfluss zweier Bäche 4 liegt. 72
Beim Eintritt erblickt man zunächst einen geräumigen Narthex, der auf den beiden Seiten, an der Kirche und am Eingangstor, einen Säulengang mit je neun 5, allerdings an der Breitseite geschlossenen Bögen hat. Die Tiefe des Narthex ist nur ein Drittel davon und führt hüben und drüben über 7 offene Bögen.
73
Die Kirche ist alt, doch aufs feinste eingerichtet 6 . Mit ihrem vorderen Teil bildet ihr Grundriss ein Griechisches Kreuz. Dabei sind die vier Ecken nach innen hin eingezogen. Unter ihnen stehen passende Altäre 7 .
74
Durch das linke Seitenschiff führt ein Eingang ins Kloster, durch das rechte in die Kapelle der Acciaiuoli 8 . Diese ist größer und breiter als die eigentliche Kir-
Certosa del Galluzzo
S. Lorenzo
1
Nach BATTISTINI (1930, S. 283) vermutlich Francesco Redi.
2
Zur Certosa del Galluzzo siehe § 5 mit Anm.; eine Vedute von Cecchini (um
1700) in LEONCINI 1980, Taf. II unten, sowie ein Grundriss ebd. vor dem Index. 3
Der Monte Acuto; siehe § 5 mit Anm.
4
Der Fluss Greve mündet hier in den Fluss Ema.
5
An der Kirchenseite sind es nur je acht Bögen, weil das Portal breiter ist als das
Eingangstor zum Narthex. 6
Die im 14. Jahrhundert gegründete Kirche San Lorenzo war im 16. Jahrhundert
umgebaut worden. 7
Die Altäre neben dem Eingang sind abgegangen.
8
Die Kirche ist einschiffig. Was Papebroch als rechtes Seitenschiff (ala) empfindet,
ist vermutlich die Reihe miteinander verbundener, aber zum Kirchenschiff hin abgemauerter Kapellen, durch die man in die 1841 in neugotischem Stil umgebaute
Florenz und Umgebung
145
che und hat die Gestalt eines Griechischen Kreuzes. Sie ist mit drei Altären ausgestattet. 75
Der Chor, mit kostbarem Marmor verkleidet und mit herrlichen Bildern geschmückt, erstreckt sich unter einem fein bemalten Gewölbe, das drei Kreuztonnen weit vorspringt. Unter der dritten steht ein Altar aus weißem Marmor 1 , der ein Frontale 2 aus vergoldetem Holz hat. Es ist filigran durchbrochen und lässt jede Hintergrundfarbe zu und ist ebenso schön für den Altar wie zweckmäßig 3 .
76
Rechts gab es eine Kapelle 4 , herrlich und glanzvoll. Über Cappella dem Altar waren, statt eines Gemäldes, mit zwei Flügel- delle Reliquie türen verschlossene Reliquienkämmerchen in wunderschöner Ordnung aufgestellt. In ihnen gab es 4 große Kopfreliquiare alten Stils, von denen eines das unversehrte Haupt des heiligen Johannes Chrysostomos 5 enthielt, das andere das eines Mitglieds der Gefolgschaft
Kapelle der Acciaiuoli (Cappella di Santa Maria) gelangt. Links entspricht dem der südöstliche, als Gang gestaltete Teil des Kreuzgangs für die Mönche, der ebenfalls durch eine Mauer von der Kirche getrennt ist und diese mit dem Konvent verbindet. 1
Der heutige Altar stammt aus späterer Zeit (zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts);
erhalten ist das Ziborium (1594) aus verschiedenem Marmor. 2
Andere Bezeichnung für Antependium (BRAUN 1924a, S. 193); zu hölzernen
Altar-Antependien siehe BRAUN 1924b, S. 109-123 (Kapitel 5). 3
Gemeint ist offensichtlich: zweckmäßig für die wechselnden Farben des Kirchen-
jahrs. 4
Die Cappella delle Reliquie ist heute Teil der Klausur.
5
Johannes I. Chrysostomos, Kirchenvater und Patriarch von Konstantinopel (* 349
oder 350; † 14. September 407), heilig (Fest am 13. September); siehe ActaSS, Sept., IV, S. 401-709, und KLASVOGT 1996.
146
Florenz und Umgebung
der Heiligen Ursula 1 , die übrigen zwei die Schädel des heiligen Papstes Silvester 2 und des Heiligen Dionysios Areopagites 3 . Zu diesen kamen 4 kleinere Büsten jüngeren Stils und eine große Büste des Heiligen Bruno 4 , die mitten unter den anderen aufgestellt war. Unter den übrigen Reliquien 5 gab es 4 Dornen aus der Krone des Herrn in einem silbernen Kreuz und eine kleine, kastanienbraune Locke vom Haar der Heiligen Jungfrau, verwahrt in einem geschmackvollen Schrein, dessen Unterteil die beiden ersten Menschen unter dem Baum der Erkenntnis zierten. 4 auch in silbernen Armreliquiaren eingeschlossene Armknochen der Heiligen Basilius, Theodorus, Barbara und Timotheus 6 gab es
1
Ursula, heilig (Fest am 21. Oktober); siehe ActaSS, Oct., IX, S. 73-303, und
STAAB 2001. 2
Papst (Bonifatius) Silvester I. (sed. 314-35), heilig (Fest am 31. Dezember); siehe
ActaSS, Prop. Dec., S. 610, und BÖHM 2000. 3
Verwechslung mit dem im Kloster hochgeschätzten Dionys, dem Kartäuser (Dio-
nigi Cartusino), einem mystischen Theologen und Philosophen (1402-1471), dessen Kanonisierungsprozess im 17. Jahrhundert ins Stocken geriet. Ein Bild von Rutilio Manetti bewahrt im Kloster die Erinnerung an ihn. 4
Bruno der Kartäuser (* ca. 1032, † 6. Oktober 1101), heilig (Fest am 6. Oktober),
Gründer des Kartäuser-Ordens; siehe ActaSS, Oct., III, S. 491-777, und GRESHAKE 1994. 5
An der Authentizität der im Folgenden genannten höchstrangigen Reliquien, die
Niccolò Acciaiuoli im 14. Jahrhundert in einer Kiste aus Athen mitgebracht hatte (siehe § 77), darf gezweifelt werden, nicht nur an dem Kiefer mit den Backenzähnen des Heiligen Christophorus. 6
Die Reliquien der Heiligen Basilius, Theodorus und Timotheus (dreier Märtyrer
aus Alexandreia) sind zumindest seit napoleonischer Zeit nicht mehr in der Certosa nachweisbar (freundliche Mitteilung von Pater Sisto Giacomini, OCist, Certo-
Florenz und Umgebung
147
da. Außerdem waren da der Zeigefinger des Heiligen Johannes von Damaskus 1 oder sein Mittelfinger, der noch mit seinen Sehnen mit dem Nagel und der Haut zusammenhing, und in einem anderen Behältnis ein Teil eines mächtigen Kiefers, einen halben Fuß lang, mit 4 Backenzähnen in seiner ganzen Länge besetzt. Er stammt angeblich vom heiligen Christophorus 2 , und die Zähne seien, wie man hinzufügte, von Ärzten als Menschenzähne angesprochen worden, was ich trotzdem kaum glauben kann. 77
Diese und andere Reliquien, die der Gründer des Klosters 3 hier niedergelegt hatte, stammten aus Athen, wo während der Lateinischen Herrschaft 7 aus der Familie der Acciaiuoli ununterbrochen an der Macht gewesen waren 4 . Noch immer wird das Behältnis, in dem die
sa). Die Heilige Barbara (Fest am 4. Dezember) wurde nach dem zweiten Vatikanischen Konzil aus dem römischen Heiligenkalender von 1969 gestrichen, sie ist aber im deutschen Sprachgebiet seit 1972 regional wieder zugelassen (memoria ad libitum); siehe ActaSS, Prop. Dec., S. 564, und WIMMER 1993. 1
Johannes von Damaskus, Kirchenlehrer, heilig (Fest am 6. Mai, im Osten am 4.
Dezember); siehe ActaSS, Mai., II, S. 108-19, S. 613-14, und VOLK 1996. 2
Christophorus, heilig (Fest am 25. Juli, im Osten am 9. Mai, in Syrien am 28.
April); siehe ActaSS, Iul., VI, S. 125-49, und STRITZKY 1994. Der Heilige wird meist als ein das Christuskind tragender Riese dargestellt, daher wohl die übermenschliche Größe der im Text genannten Reliquie. 3
Niccolò Acciaiuoli (* 12. September 1310, † 8. November 1365), Großmarschall
des Königreichs von Neapel und Vizekönig von Apulien, der 1342 die Kartause gründete. 4
Von 1205 an war Athen Sitz eines Lateinischen Herzogtums, bis es 1456-58 in
die Hände der Türken fiel. Es gab allerdings lediglich sechs Acciaiuoli-Herzöge von Athen: Nerio I (1394), Antonio I (1405-35), Nerio II (1435-39 und 1441-51), An-
148
Florenz und Umgebung
Reliquien zusammen mit anderen griechischen Zimelien abtransportiert wurden, in der Sakristei links vom Chor gezeigt. Es ist umgearbeitet zu Flügeltüren eines Heiligenschreins, die innen mit Bildern von vier Heiligen geschmückt, außen mit dünnen Platten aus vergoldetem Silber verkleidet sind. 78
Unter der Kirche 1 gibt es eine weitere Kirche von der gleichen Form 2 , in der rechts am Altar ein Denkmal mit alten Inschriften aufgerichtet ist für den Gründer Niccolò Acciaiuoli 3 , den Großseneschall von Sizilien und Kalabrien, von dem man liest, dass die Rettung seiner Seele der Heiligen Brigitta 4 geoffenbart wurde 5 . Vor dem Altar aber befinden sich drei Grabsteine aus weißem Marmor. In einen ist das Bild seines Sohnes 6 eingemeißelt und in einen anderen das seiner Schwester 7 .
Cappella di Tobia
tonio II (1439-41), Francesco (1451-54) und Franco (1455-58). Die zweimalige Herrschaft Nerios II. scheint Papebroch als die Herrschaft zweier Fürsten zu verstehen. Zum Besitztum der Acciaiuoli in Griechenland siehe GREGOROVIUS 1889, S. 400 et passim. 1
Gemeint ist: unter der Cappella di Santa Maria.
2
Die Krypta (Cappella di Tobia); vgl. LEONCINI 1980, Taf. VIII.
3
Zu Niccolò Acciaiuoli siehe § 77 mit Anm.
4
Birgitta von Schweden (* 1303; † 23. Juli 1373), heilig (Fest am 8. Oktober, in
Schweden am 7. Oktober), Stifterin des Birgittenordens; sie lebte die letzten 24 Jahre ihres Lebens in Italien; siehe ActaSS, Oct., IV, S. 368-560, und NYBERG 1994. 5
Siehe ActaSS, Oct., IV, S. 443.
6
Lorenzo Acciaiuoli.
7
Lapa Acciaiuoli.
Florenz und Umgebung
1
79
Hier ist auch der Leib des Seligen Niccolò Albergati 1 bestattet, doch ist die Stelle nicht gekennzeichnet. Er genieße eine gewisse Verehrung in Bologna, wo eine Bruderschaft alljährlich sein Bild in einer Prozession trage, sagte man uns. Die handschriftlichen und gedruckten Zeugnisse über ihn seien alle nach Rom zu Kardinal Ludovisi 2 geschickt worden.
80
Mit größter Liebeswürdigkeit empfingen uns jene guten Patres. Das Kloster, das sie uns zeigten, beschreibe ich nicht weiter, weil ich für derartige Beschreibungen ab jetzt kaum noch Zeit finden werde. Da ich bereits über den Stand unserer Aufgaben Kenntnis gewonnen hatte und nun (auch) durch praktischen Einsatz, begann ich, von mir alleine aus, so viel zu arbeiten, dass mir während unseres Florenzaufenthalts auch nicht eine halbe Stunde Zeit blieb, in der ich nichts anderes und für unser Vorhaben Wichtigeres zu tun gehabt hätte. Also werde ich von nun an nur einen ‚Index’ der Reise und der Hauptsachen schreiben und dem nur hinzufügen, was an Heiligengedenken und -kult gesehen, gehört und beobachtet wurde und festgehalten werden muss, damit es nicht vergessen wird.
81
Am 25. Oktober begaben wir uns in der Frühe zur Bibliothek von San Lorenzo, um dem griechischen Kopisten, der uns für einige Tage zur Verfügung gestellt
149
25.10.1661
Niccolò Albergati, O.Cart. (* 1375, † 9. Mai 1443), Bischof von Bologna, der mit
dem Kloster eng verbundener war, 1744 seliggesprochen (Fest am 10. Mai); siehe ActaSS, Mai., II, S. 467-90, und HELMRATH 1998. 2
Ludovico Ludovisi, S.J. (* 22. Oktober 1595 in Bologna, † 18. November 1632
in Rom).
150
Florenz und Umgebung
worden war, das Material auszuzeichnen. Zur Verfügung stellte ihn uns Signor Francesco Redi 1 , ein Patrizier, Arzt aus Arezzo, der ein enger Vertrauter des Großherzogs der Toskana war und der ein ausgesprochen gewähltes Latein sprach sowie im Griechischen gut bewandert war. Dieser bedachte uns fortan mit höchster Gunst und sorgte dafür, dass alles, dessen er an Zeugnissen über Heilige aus Arezzo oder von sonstwo habhaft werden konnte, auf seine Kosten abgeschrieben wurde und auch alles, was wir ihm an lateinischen Handschriften vorlegten. Er befördert unsere Sache wie seine eigene und bezeugt seine Zuneigung recht häufig durch Ehrengeschenke von Wein und Süßigkeiten, die er uns schickt. Im Übrigen fanden wir in der Bibliothek Material und Arbeit für mehrere Monate und griechische Quellen, die noch schöner waren als die in Rom.
1
82
Am Nachmittag begannen wir mit Exerzitien 2 .
83
Am 1. November legte ich früh am Morgen in unserer Kirche die 4. Profess 3 ab in die Hände von Pater Lidano Colanelli 4 , des damaligen Rektors, der später auch
1.11.1661
Zu Francesco Redi (* 19. Februar 1626, † 1. März 1697), dem späteren Leibarzt
der Medici, siehe MANGANI & MARTINI 1999. 2
Die Exerzitien hatte Henschen in seinem Brief vom 22. Oktober für den 24.
Oktober angekündigt: Exercitia incipiemus 24o. 3
Das auf den spezifischen Ordenszweck bezogene Vierte Gelübde (insuper promitto)
der Jesuiten beinhaltet die Verpflichtung zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst und ist Voraussetzung für die höheren Ämter des Ordens. Es darf nicht vor dem 33. Lebensjahr abgelegt werden (Papebroch: * 17. März 1628). 4
Zu Lidano Colanelli siehe § 20 mit Anm.
Florenz und Umgebung
151
noch die Leitung des Novizenhauses übernommen hatte und den bis zu seiner Rückkunft aus Loreto Pater Antenori vertrat. Diesen Tag 1 hatte ich mir nämlich gleichsam als den segenreichsten von allen gewünscht, da er allen Heiligen geweiht war. 84
85
86
Am 2. November begannen wir in der Bibliothek von San Lorenzo mit der Schreibarbeit und führten sie fort bis zum 29. Dezember, genauer gesagt: die griechischen Handschriften bis zum 15. Dezember. Stets waren wir von der Frühe bis zur Vesper dort beschäftigt, außer an höchstens fünf Tagen. Wegen der Nähe gingen wir in Soutane 2 und mit Birett dorthin, und da wir die Schlüssel vom Kustos erhalten hatten, öffneten wir uns selbst und schlossen auch selbst zu.
2.11.166129.12.1661
Am 4. November folgten wir einer Einladung auf ein Landgut, oder vielmehr in ein Ordens-Haus auf dem Land; denn das Grundstück darum herum hat ein Pater Provinzial namens Mastrilli 3 in seiner übermäßigen Freundlichkeit Erben überlassen, die ein Gutsagen des Erblassers vorgaben, für das sie keinen rechtlichen Beweis beibringen konnten. Am 9. diesen Monats richteten wir ebendort aus Anlass meiner Profess für die Ordensmitglieder ein Essen aus.
4.11.1661
Am 21. November, just am Fest Mariä Opferung, zele-
21.11.1661
9.11.1661
1
Das Fest Allerheiligen.
2
Das heißt wohl: ohne Mantel. Die räumliche Nähe zum Kolleg (vgl. § 11) be-
förderte die Abschreibearbeiten in der Laurenziana erheblich, wie Papebroch auch andernorts ausdrücklich betont (vgl. im Anhang auf S. 273). 3
Carlo Mastrilli, Provinzial der Sicula (1614-17).
152
Florenz und Umgebung
brierten wir in Santissima Annunziata, wo uns ein schönes handschriftliches Pergamentbuch aus der Sakristei gezeigt wurde 1 , das kostbare Silberziselierungen hatte und alle Zeugnisse über den Seligen Filippo 2 enthielt. Höchst zuvorkommend ließ man es dann für uns durch eigene Schreiber abschreiben. Unter den Reliquien, die uns ebenfalls gezeigt wurden, sahen wir einen Backenknochen oder ein Kinn, auf dem der Name der Seligen Elisabeth von Siena 3 stand, doch konnte man uns nichts weiter über sie berichten. 87
1
Am 27. Dezember feierten wir die Messe über den Gebeinen des Heiligen Antonino 4 in der Kirche von San Marco, und wir hätten mit der Abschrift der dort gefundenen Viten begonnen, wenn nicht Pater Magister Be-
Santissima Annunziata
27.12.1661
Möglicherweise handelt es sich hierbei um die Handschrift Florenz aus dem
Convento della Santissima Annunziata, Archivio, Ms. 89, Acta beati patris nostri Philippi florentini de Benitiis, Ordinis servorum Beate Marie Virginis, die wohl für den Prozess der Heiligsprechung in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts nach Rom gesendet wurde, Ende der fünfziger Jahre wieder ins Kloster zurückkam und heute im Archiv zu finden ist; siehe PINI bei CROCIANI 1987, S. 113-36 (zum Verbleib der Handschrift S. 124), S. 122-25 (Nr. 10 a); S. 125-28 (Nr. 10 b); Abbildungen des Einbands S. 56 (Abb. LXXIII) und S. 134-35 (Abb. 7-10). 2
Zu Filippo Benizi, O.S.M., siehe § 60 mit Anm. (seine Reliquien werden links
vom Hochaltar aufbewahrt). 3
Elisabeth Vajari, Servitin von Siena († 1348), in ihrem Orden als Selige verehrt
(14. Mai); siehe STADLER 1882, Bd. 5, S. 936. 4
Antonino Pierozzi, O.P. (* 1. März 1389, † 2. Mai 1459), heilig (Fest am 2. Mai
und 10. Mai [O.P.]), Erzbischof von Florenz, 1439-44 Prior in San Marco; siehe ActaSS, Mai., I, S. 310-58, und HELMRATH 1993. Papebroch erwähnt die Messe einige Jahre später (1677) in den Acta Sanctorum (Mai., I, S. 356). Die Widmungsepistel der Vita des Heiligen Antonino ist im Anhang III abgedruckt.
Florenz und Umgebung
153
cucci 1 von Hause abwesend gewesen wäre, in dessen Obhut der Schlüssel für das Behältnis war, in das wir die für uns notwendigen Kodizes segregiert hatten. 88
89
Am Nachmittag brachten wir Signor Carlo Strozzi die zahlreichen Handschriften zurück, die wir von ihm hatten 2 . Er führte uns auch zur Bibliothek von Santa Croce 3 und zeigte uns eine Vita der Seligen Umiliana 4 , und wir legten alles zurecht, um am folgenden Tag dort mit der Abschrift des Nötigen beginnen zu können. So geschah es dann auch, nachdem wir ebendort am 28. Dezember in aller Frühe die Messe zelebriert hatten. Das Jahr 1662. Der Erste Januar. Wir suchten am Nachmittag das Kloster San Salvi 5 auf, das am 2. Meilenstein hinter der Porta della Croce 6 liegt. Einst war dort der
28.12.1661
1.1.1662 S. Salvi
1
Der Bibliothekar von San Marco (siehe § 35).
2
Vgl. § 19.
3
Vgl. § 39.
4
Umiliana de’ Cerchi (Humiliana de Circulis), T.O.F. (* Dezember 1219; † 19.
Mai 1246), selig (Fest am 15. Juni, in Florenz am 19. Mai; der Kult wurde 1694 bestätigt); siehe ActaSS, Mai., IV, S. 385-418, und CAMBELL 1960. Die älteste und umfänglichste Vita der Heiligen liegt heute in Florenz in der Biblioteca Medicea Laurenziana (Plut. 27 dex. 11; aus Santa Croce). Verfasst hat sie bereits einer ihrer Zeitgenossen, nämlich der Franziskaner Vitus von Cortona (vgl. ActaSS, Mai., IV, S. 385). 5
Vallombrosaner-Kloster des 11. Jahrhunderts, das später von den Vallombrosane-
rinnen übernommen wurde. 1869 wurde es aufgehoben. In einem Teil des Klosters ist heute das Museo del Cenacolo di Andrea del Sarto untergebracht (via S. Salvi, 16). 6
Das Stadttor auf der piazza Beccaria im Osten der Stadt ist nur noch in Resten
erhalten (siehe LIMBURGER 1910, Nr. 217).
154
Florenz und Umgebung
Heilige Bernhard von Parma 1 Abt, nun 2 leben da Nonnen derselben Kongregation von Vallombrosa. Damals waren sie völlig in Aufruhr geraten, weil ihnen nach dem Rückzug der Mönche befohlen wurde, einen Beichtvater aus dem Weltklerus zuzulassen. 90
1
Wir aber konnten zwar das lateinische Zeugnis über die Selige Margherita 3 , das auf Italienisch bei Razzi 4 vorhanden ist, entgegen unserer Hoffnung nicht finden, doch eine alte lateinische Vita der Heiligen Umilità 5 . Ihr Leib ist dort über dem entsprechenden Altar unversehrt geborgen 6 ; darunter aber befindet sich ein Kästchen, das die Gebeine der Seligen Margherita enthält.
Bernhard von Parma, eigentlich Bernardo degli Umberti (* um 1050, † 4. De-
zember 1133), heilig (Fest am 4. Dezember), 1092 Abt von San Salvi in Florenz, 1099 Generalsuperior und Kardinal, ab 1106 Bischof von Parma, förderte die Ausbreitung des Vallombrosanerordens; siehe ActaSS, Prop. Dec., S. 566, BHL, Nr. 1246-50, S. 186-87, mit Suppl., und FRANK 1994. 2
Seit 1534; siehe MORONI 1858, S. 59.
3
Margarete von Faenza, O.S.B. (†1330), heilig (Fest am 26. August), eine der vier-
zehn Nothelfer und Schülerin der Heiligen Humilitas; siehe ActaSS, Aug., V, S. 845-54, und CASAGRANDE 2008. 4
RAZZI 1593-1601. Die Vita der Heiligen steht im zweiten Band auf fol. 69r-72v.
5
Humilitas (Rosanna di Negusanti), O.S.B. (* 1226 in Faenza, † 22. Mai 1310 in
Florenz), Stifterin der Vallombrosanerinnenkongregation, 1720 heiliggesprochen (Fest am 22. Mai); siehe ActaSS, Mai., V, S. 203-22, und PUZICHA 1996. Ihre Reliquien wurden 1584 in das Kloster San Salvi übertragen (hierzu ActaSS, Aug., V, S. 846), seit Anfang des 19. Jahrhunderts befinden sie sich in Santo Spirito di Varlunga. 6
Den in San Salvi besuchten Schrein der Humilitas beschreibt Papebroch in den
Acta Sanctorum ausführlicher (Mai., V, S. 203).
Florenz und Umgebung
155
Diese Vita versprach die Äbtissin 1 nach Florenz zu schicken zu einem von uns, den sie kannte. Später wurde sie jedoch vom Kapitel, das verbot, dass etwas herausgegeben werde, daran gehindert, lud uns aber ein, noch einmal zum Kloster zu kommen, um das Gewünschte abzuschreiben 2 . 91
1
Am 2. Januar brachen wir sehr früh auf und begaben 2.1.1662 3 uns zur Abtei von Ripoli in der Hoffnung, dort den Badia di San Pater General der Kongregation von Vallombrosa 4 zu Bartolomeo a finden. Dieser hatte sich jedoch am Vortag in die Stadt Ripoli begeben. Wir brachten aber von dort eine Vita des Heiligen Giovanni Gualberto 5 mit, die Andreas von Genua 6 abgefasst hatte, hauptsächlich fußend auf den Vi-
Caterina Angela Passerini, die die beiden Jesuiten empfing und Papebroch den
Schlüssel zur Kirche übergab (Acta SS, Mai., V, S. 203). 2
Am 12. und 13. Februar 1662 besuchen Papebroch und Henschen San Salvi er-
neut und schrieben die Viten der beiden Heiligen ab (siehe § 129). 3
Die etwa fünf Kilometer südöstlich von Florenz (heute im Stadtgebiet) gelegene
Badia di San Bartolomeo a Ripoli, seit 1187 Vallombrosanerkloster, von 1550 bis zur Unterdrückung des Ordens (1808) Sitz des Generalpräses. 4
Daniele Sersali, Ex-Jesuit aus Neapel, der 1662 die Union zwischen den Vallom-
brosanern und den Silvestrinern herbeiführte, war von 1661 bis 1665 Generalpräses (VASATURO & MOROZZI & MARCHINI & BALDINI 1973, S. 134, und LUGANO
1929, S. 373). Den Grund für ihren Besuch beim Generalpräses nennt Pape-
broch nicht, vielleicht wollten sie von ihm ein Empfehlungsschreiben erwirken; sie besuchen ihn schließlich am 26. Januar 1662 (siehe § 128). 5
Giovanni Gualberto († 12. Juli 1073), heilig (Fest am 12. Juli), Stifter der Kongre-
gation von Vallombrosa; siehe ActaSS, Iul., III, S. 311-458, und ENGELBERT 1996. 6
Andreas von Genua (Andreas von San Ambrogio), O.S.B., hatte im Jahre 1419
eine Vita des Giovanni Gualberto kompiliert; siehe ActaSS, Iul., III, S. 315.
156
Florenz und Umgebung
ten des Seligen Atto 1 und des Seligen Andreas von Strumi 2 .
1
92
Dort erwiesen wir auch den Gebeinen des Seligen Benedetto 3 , des einstigen Abtes dieses Klosters, unsere Verehrung, den wir in der Kapelle 4 links am Chor unter einem Altar unversehrt im Mönchshabit 5 aufgebahrt sehen konnten, nachdem der Deckel einer hölzernen Truhe emporgehoben worden war. Unter großem Zulauf des Volkes öffnete man diese Truhe regelmäßig am 20. Juni. Auf diesen Tag bereiten sich auch heutzutage die Mönche dort alljährlich durch ein Fasten vor. Das Öffnen geschieht heutzutage nur in der Osterzeit 6 .
93
Die Truhe trägt auf ihrer Innenseite diese Worte als In-
Atto, O.S.B. († 21. Juni 1153), heilig (Fest am 22. Mai), Generalabt von Vallom-
brosa und zweiter Biograph des Giovanni Gualberto; siehe ActaSS, Mai., V, S. 194-203, und ENGELBERT 1993b. Papebrochs Vita des Heiligen in den Acta Sanctorum (Iul., III, S. 365-82) zeigt nicht mehr die legendären Züge wie die vom Heiligen Petrus Damiani zusammengestellten Zeugnisse quae fabulis fortasse similiora sunt, quam historiae (ActaSS, Iul., III, S. 313). 2
Andreas aus Strumi (Andreas von Parma), O.S.B. († 1101 oder 1102), selig (Fest
am 10. März), Mönch in Vallombrosa, später Abt von San Fedele, einer der ersten Schüler und der erste Biograph des Heiligen Giovanni Gualberto, dessen Vita in den Acta Sanctorum (Iul., III, S. 343-65) abgedruckt wurde; siehe ActaSS, Mart., II, S. 48-51, LAMMA 1961, und ENGELBERT 1993a. 3
Benedetto da Cerreto oder Benedetto di Rustico († 1205), heilig (Fest am 24.
September), Abt des Klosters San Bartolomeo di Ripoli; siehe BHL, Nr. 1148b, Suppl. S. 136-37, NOCIONI 1962 und SOLDANI 1741, S. 15. 4
Die Cappella della Natività (abgebildet bei LIVERANI 1987, S. 70).
5
Der Habit stammt wie die Urne aus dem 17. Jahrhundert (LIVERANI 1987, S. 59).
6
Siehe auch SOLDANI 1741, S. 15. Der Brauch ist heute aufgegeben.
Florenz und Umgebung
157
schrift: „Hier liegt der Leib des Heiligen Abtes Benedetto.“ Unter dem Altar, der neu ist, ist in goldenen Lettern diese Inschrift zu lesen: „Dem besten und höchsten Gott. In diesem privilegierten Altar ließ den Leib des Heiligen Abtes Benedetto, der im Jahre des Herrn 1205 verschied, aus Ergebenheit und Dankbarkeit bergen und ließ das Grabmal errichten, eingedenk des Todes, der ihm bestimmt, Pater Don Antimo Martelli aus Ripoli 1 , Generalpräses von Vallombrosa, im Jahre des Herrn 1623.“ 94
95
1
Tags darauf lasen wir über dem heiligen Leib des Heiligen Giovanni Gualberto 3 die Messe. Da wir in dem Archiv 4 , das mit zivilrechtlichen Urkunden sehr gut ausgestatteten war, nichts für unsere Zwecke fanden, entschieden wir uns kurz entschlossen, in die Stadt zurückzukehren. Wir gingen zu Fuß bis zur Ortschaft San
3.1.1662 Passignano
4.1.1662
Zu Antimo Martelli, Generalpräses der Vallombrosaner (1621-25), siehe LUGA-
NO 2
3. Januar. Wir machten uns zu Fuß auf nach Passignano 2 und gelangten gegen Sonnenuntergang dorthin. Von den Religiosen wurden wir mit ausgesuchter Liebeswürdigkeit empfangen.
1929, S. 373.
Das Vallombrosanerkloster San Michele Arcangelo in Passignano liegt zwischen
Florenz und Siena; es wurde im 19. Jahrhundert aufgelöst und 1986 wieder eingerichtet. 3
Zu Giovanni Gualberto, dem in dem Kloster verstorbenen Gründer des Vallom-
brosanerordens, siehe § 91 mit Anm.; zur Verehrung seiner Reliquien vgl. ActaSS, Iul., III, S. 341-42. 4
Die Bestände des Archivs von Passignano wurden später größtenteils nach Flo-
renz ins Archivio di Stato überführt.
158
Florenz und Umgebung
Casciano 1 und nahmen uns dort Pferde. So hatten wir denn in weniger als fünf Stunden sechzehn Meilen zurückgelegt.
1
96
Am 6. Januar wurden im Kolleg die Gelübde erneuert 2 . Nachmittags durchforschten wir die an Büchern reich ausgestattete und mit den unterschiedlichsten Raritäten wunderbar geschmückte Bibliothek des Signor Giraldi 3 und besichtigten sein Haus 4 , wobei Pater Glaria 5 , ein Rhetorikprofessor, uns, die man schon länger eingeladen hatte, dorthin führte.
6.1.1662
97
Auf diese Weise sahen wir auch am 8. Januar unter der Führung von Signor Antonio eine weitere Bibliothek, die des Markgrafen Capponi 6 , und auch diese war mit Büchern bestens bestückt.
8.1.1662
Den etwa 16 km südlich von Florenz gelegenen Ort San Casciano in Val di Pesa
hatten Papebroch und Henschen am 14. Oktober 1661 auf ihrem Weg von Siena nach Florenz schon einmal passiert (§ 4). 2
Gemeint ist die feierliche Erneuerung der drei Gelübde der Jesuiten vor Ablegen
des letzten, vierten Gelübdes, das Papebroch am 1. November 1661 (siehe § 83 mit Anm.) ablegt. 3
Die Bibliothek von Vincenzio Giraldi rühmt Antonio Magliabechi als eine der
größten und interessantesten der Stadt (GINORI LISCI 1985, S. 356, mit weiterer Literatur). 4
Palazzo Taddei in der via de’ Ginori; siehe GINORI LISCI 1985, S. 355-60 (Nr.
50). 5
Zu Vincenzio Glaria († 20. August 1684) siehe SOMMERVOGEL, Bd. 3 (Paris -
Brüssel 1892), Sp. 1498. 6
Vincenzio Capponi (1605-88), ein bibliophiler Florentiner Senator, der seine
Handschriften- und Büchersammlung später seiner Tochter Cassandra als Mitgift für ihre Vermählung mit Francesco Riccardi vermachte und damit den Grund für
Florenz und Umgebung
159
98
Am 9. Januar folgten wir einer Einladung zum Landhaus, das man ‘Soldo’ nennt (die anderen Tage seit Jahresbeginn 1 verbrachten wir mit der zweiten Lesung 2 der griechischen Heiligenviten). Eben dieser Tag galt im Stadtstaat Florenz als ein Feiertag, weil durch die Wahl Cosimos, eines jungen Mannes von höchster Begabung und seltener Tüchtigkeit, das Herzogtum für die Familie der Medici nach dem Willen des Volkes gesichert worden war, nachdem der, der dem Volk gewaltsam aufgezwungen worden war, von einem Blutsverwandten elendig ermordet worden war 3 .
9.1.1662
99
Am Vortag, der der Sonntag in der Oktav 4 vom Dreikönigsfest war, gab es in unserer Kirche ein besonderes Gedenkfest aus Anlass der Einrichtung der Bruderschaft ‘La Santa Conversazione di Gesù, Maria e Giu-
8.1.1662
die berühmte Biblioteca Riccardiana legte (dazu CAPUCCI 1976, und GINORI LISCI 1985, S. 744, mit weiterer Literatur). 1
Das heißt: die Tage vom 1. Januar bis zu dem Tag, an dem Papebroch den Ein-
trag ins Tagebuch vornahm (9. Januar oder später). 2
Offensichtlich kollationierten die beiden Jesuiten ihre Abschriften noch einmal
mit den jeweiligen Originalen. 3
Alessandro de’ Medici (1510-1537), der nach dem Friedensschluss zwischen Karl
V. und Papst Clemens VII. zum Herzog von Florenz ernannt worden war und in diesem Zusammenhang die Signoria aufgelöst hatte, war am 6. Januar 1537 durch seinen Vetter Lorenzino ermordet worden. Sein Nachfolger wurde Cosimo I de’ Medici (1519-1574), der bei seiner Wahl zum Großherzog der Toskana am 9. Januar 1537 noch nicht einmal achtzehn Jahre alt war und dem es gelang, die innenpolitische Lage wieder zu stabilisieren. 4
Die Oktav von Dreikönig (liturgisch: des Hochfestes der Erscheinung des Herrn
am 6. Januar) ist der achte Tag nach dem Dreikönigsfest.
160
Florenz und Umgebung
seppe 1 durch Pater Ottonelli 2 vor vielen Jahren. Über vierhundert Kerzen brannten auf dem Altar und ringsum in der Kirche.
1
100
Am 11. Januar wurden wir in der Bibliothek von Santa Croce fertig und begannen am Nachmittag mit der Schreibarbeit in der Bibliothek der Fratres des Predigerordens 3 von San Marco, wo unter anderem ziemlich viele berühmte Viten über die Heiligen des Ordens, zusammengestellt vor allem von Francesco da Castiglione 4 , lagen.
11.1.1662
101
Dann besuchten wir unter der Führung von Carlo Strozzi die Kanzlei der sogenannten Opera del Duomo 5 , das heißt: Dombauhütte; dort fanden wir bei der Sichtung verschiedener Legenden nichts, was des Abschreibens
Opera del Duomo
Nach Vorläufern in anderen italienischen Städten wurde diese Gebetsbruder-
schaft 1640 auch in Florenz offiziell ins Leben gerufen; siehe OTTONELLI 1652 (Titelseite). 2
Giovanni Domenico Ottonelli (* 22. April 1584, † 14. März 1670) lehrte dreißig
Jahre lang die Humaniora und Rhetorik; siehe SOMMERVOGEL, Bd. 6 (Paris - Brüssel 1895), Sp. 9-14. 3
Also: in der Bibliothek der Dominikaner.
4
Francesco Dante da Castiglione (* um 1420, † um 1470), Hagiograph und Kano-
niker an San Lorenzo; siehe NEDDERMEYER 1995. 5
Der Sitz der Dombaubehörde ist seit 1390 bezeugt, und zwar zunächst an der
Südseite des Domplatzes (piazza del Duomo, 17-19); siehe LIMBURGER 1910, Nr. 236. Später wurde er auf die östliche Seite des Platzes, das heißt: hinter die Kathedrale, verlegt (piazza del Duomo, 23-24); siehe LIMBURGER 1910, Nr. 237. In dem neueren Teil ist heute ein Museum (Museo dell’Opera del Duomo) untergebracht, in dem ursprünglichen Gebäude werden heute noch handschriftliche und gedruckte Texte aufbewahrt.
Florenz und Umgebung
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gelohnt hätte, außer der Translatio 1 zum Arm des Heiligen Apostels Philippus 2 , die wir am folgenden Tag gleich nach dem Essen abschrieben in dem Zimmer, das man uns ebendort dafür bereitgestellt, dessen Schlüssel man uns sogar gegeben hatte, damit wir es, wann immer wir wollten, nutzen konnten. 102
103
Und wir wären vor der Vesper fertig geworden, wenn nicht Signor Cavalcanti 3 und Signor Magliabechi uns von dort weggeführt hätten, damit wir einem Ballspiel zusähen, das jedes Jahr an diesem Tag zu Ehren des Geburtstages Ihrer Durchlaucht, der Herzogin, auf dem wieten Platz vor Santa Croce abgehalten zu werden pflegt 4 . Sie hatten uns auch einen Platz in einem der Häuser reserviert, das darauf hinuntersah. Nachdem wir also am folgenden Tag in der Schreibstube 5 erledigt hatten, was noch übrig war, blieb uns in der Stadt kaum noch etwas anderes zu besuchen übrig als das Kloster San Salvi. Aber wir mussten noch viele griechische Vorlagen in der Laurenziana ein zweites Mal lesen. Und darauf konzentrierten wir uns also, bis uns
Calcio in Costume
12.1.1662
1
Das heißt: Überführungsbericht.
2
Philippus, heilig (Fest am 1. Mai, seit 1955 am 11. Mai); siehe ActaSS, Mai., I, S.
7-18 (zur Translatio des Arms im Jahre 1204 ebd. S. 15-18), und WEISER 1999. 3
Zu Andrea Cavalcanti siehe Florenz, § 62 mit Anm.
4
Der Calcio in Costume fand eine Zeitlang zu Ehren von Vittoria della Rovere,
der Großherzogin der Toskana und eigentlichen Regentin (* 7. Februar 1622, † 6. März 1694), statt. Er provozierte unter anderem auch italienische Dichtungen, zum Beispiel von Vincenzo da Filicaja (1642-1707). 5
Das heißt: in der Kanzlei der Dombauhütte.
162
Florenz und Umgebung
Signor Antonio eine Möglichkeit eröffnen würde, in das Kloster 1 zu gelangen. Während sich das aber hinzieht und der Frost sich hält 2 , entschließen wir uns, eine lange verschobene 3 Reise in die Berge anzutreten. 104
Also verließen wir am 15. Januar, obgleich die Kälte in einen ganz dichten Nebel übergegangen war und damit den Himmel verdunkelt hatte, die Stadt in Richtung Vallombrosa. Der Weg dorthin war zunächst am Arno entlang leicht zu gehen; dann kam ein fünf Meilen langer, schwieriger Aufstieg 4 in hohe Berge, doch ließ die einzigartige Liebenswürdigkeit der Vallombrosaner Patres, insbesondere die des Don Lorenzo, des Gästebetreuers, uns von unserer Erschöpfung rasch erholen. Diese Nacht verbrachten wir in derselben Kammer (und Pater Henschen sogar in demselben Bett), in der der Heilige Karl Borromäus 5 gastlich aufgenommen worden war.
15.1.1662
1
San Salvi.
2
Rückblickend empfand Papebroch den Winter 1661/62 jedoch als relativ mild;
siehe ActaSS, Mai., V, S. 253: invitante ad id (sc. ad excursionem) hiemis, minime asperæ, commoditate. 3
Die Reise hatten die beiden Jesuiten im Dezember wegen starker Regenfälle ver-
schieben müssen; siehe Henschen in seinem Brief vom 3. Dezember: si eò eamus et ad vicina loca ipse Januarius etiam hic absumendus: et iter, quod iam ob nimiam pluuiam non posset fieri, erit commodius. 4
Am kürzesten ist der Aufstieg von Sant’Éllero am Arno über Donnini und Salti-
no nach Vallombrosa. 5
Karl Borromäus (* 2. Oktober 1538, † 3. November 1584), heilig (Fest am 4. No-
vember), Kardinal und Erzbischof von Mailand; siehe ActaSS, Prop. Dec., S. 496, und BORROMEO 1994. - Das Ereignis hinterlässt einen starken Eindruck bei Pape-
Florenz und Umgebung
163
105
Das Kloster selbst liegt 1 auf einer reizvollen, wasserrei- Vallombrosa chen Fläche mit vielen Quellen und Teichen (daher hat man von dem vorzüglichen Eis 2 dort jedes Jahr einen guten Ertrag). Zweimal war es ausgebrannt 3 , doch stilvoll und prächtig wieder aufgebaut worden. Seine Kirche ist alt 4 , doch für die Mönche zweckdienlich eingerichtet.
106
Hier lasen wir am folgenden Tag die Messe, und als wir damit fertig waren, wurden wir vom Abt des Ortes, einem ehrwürdigen Greis, und den wichtigsten Religiosen begrüßt, die uns schon am Ausgang der Sakristei erwarteten. Dann wurden wir zur Bibliothek 5 geführt
16.1.1662
broch, der nämlich noch Jahre später darauf zurückkommt (ActaSS, Mai., V, S. 253): Ibi noctem egimus [sc. Papebroch und Henschen] eodem in cubiculo, & P. Godefridus etiam in eodem in lecto, qui Sanctum Carolum Borromæum olim exceperat hospitem. 1
Vallombrosa liegt etwa 20 km von Florenz entfernt auf der Nordwestseite des
Monte Pratomagno in ca. 1000 m Höhe; siehe auch AVAGLIANO 1997. 2
Es wurde in einer Dicke von bis zu 15 cm aus den (Fisch-)Teichen am Prato ai
Novizi gewonnen und in den drei 1642 in ihrer Nähe angelegten unterirdischen Eishäusern (ghiacciaie) bis in den Sommer für den Klosterbedarf oder zum Verkauf in die Stadt gelagert. 3
Söldner Karls V. brannten das Kloster im Jahre 1530 nieder (AVAGLIANO 1997);
außerdem zerstörte ein Brand 1609 das Dormitorium (KOVACEVICH 1951, S. 8). 4
Die Kirche Santa Maria di Vallombrosa wurde 1038-1058 errichtet und 1224-
1230 noch einmal umgebaut. 5
Die Bibliothek, ursprünglich ein Teil des Refektoriums, wurde im 18. Jahrhun-
dert umgestaltet. Die Urkunden kamen in das Archivio di Stato von Florenz, Chorbücher und andere Handschriften teils in die Biblioteca Nazionale, teils in die Medicea Laurenziana, in die Riccardiana und in andere Florentiner Bibliotheken; siehe AVAGLIANO 1997.
164
Florenz und Umgebung
und sichteten dort die alten Legendare. Am Nachmittag besichtigten wir die Reliquien in der Sakristei und die Ausstattung der Kirche; und danach begannen wir, unsere Funde abzuschreiben.
1
107
17. Januar. Wir hatten den Plan, das Hauptarchiv des ganzen Ordens in Paterno 1 zu besuchen. Aber weil der Prokurator, ein dort lebender Religiose, nicht da sein sollte, da er in einem Nachbarort das Fest des Heiligen Antonius 2 feiern wollte, warfen wir unseren Plan um 3 , nahmen uns einen Führer und stiegen fast einen Tagesmarsch weiter nach Poppi 4 hinab.
17.1.1662
108
Dieser Ort liegt auf einem Hügel 5 , der ringsum von einer großen Ebene 6 umgeben ist. Ihn ziert das Kloster San Fedele, das aus Strumi dorthin verlegt worden ist 7 ,
Poppi
In dem etwa acht Straßenkilometer nordwestlich von Vallombrosa gelegenen
Paterno befand sich seit 1568 das Hauptarchiv der Vallombrosanerkongregation; die Dokumente wurden später zu einem großen Teil nach Florenz ins Archivio di Stato überführt. 2
Antonius der Große, ägyptischer Eremit (* um 250, † 356), heilig (Fest am 17.
Januar); siehe ActaSS, Ian., II, S. 107-62, und BARTELINK 1993. 3
Ihren Besuch von Paterno holten Papebroch und Henschen am 23. Januar nach
(siehe § 126). 4
Etwa 25 Straßenkilometer östlich von Vallombrosa.
5
437 m üb. NN.
6
Gemeint ist das Arnotal.
7
Im 13. Jahrhundert wurde die im 10. Jahrhundert gegründete und inzwischen
der Vallombrosaner-Kongregation beigetretene Abtei von Strumi auf den etwa drei Kilometer entfernten Hügel von Poppi verlegt, heute ein Gymnasium (Liceo scientifico statale Galileo Galilei an der piazza Francesco Bonilli).
Florenz und Umgebung
165
mit dem Leib des Seligen Torello 1 , der in der viel besuchten Kirche des Klosters ruht und unter den Einheimischen Verehrung genießt. 109
1
Wir wurden hier überaus freundlich aufgenommen, umso mehr, als wir dem Prior als Geschenk vom Hospitalar 2 sechs Drosseln mitbrachten, gleichsam als Zeichen der Gastfreundschaft, die uns besonders festlich erwiesen werden sollte. Aus ihnen wurde das Abendessen bereitet, und es gab noch weitere Gänge. Die Nacht hier verbrachte ich wegen Zahnschmerzen nahezu schlaflos 3 . Um also nicht nutzlos wach zu liegen, fuhr ich fort 4 , die alte Vita des Heiligen Torello 5 abzuschreiben, mit der ich am Vorabend begonnen hatte und die uns der Abt 6 gleich bei unserem ersten Zusammentreffen zur Verfügung gestellt hatte. Als das fertig war und wir am folgenden Tag die Messe gelesen und die Reliquien in der Kirche besichtigt hatten 7 , machten wir uns zum Aufbruch fertig.
Torello da Poppi, V.U.O.S.B. (* 1202 in Poppi, † 16. März 1282), selig (Fest am
16. März), Abt des Klosters; siehe ActaSS, Mart., II, S. 499-505 (mit einer Edition der in Poppi gefundenen Vita ebd. S. 500-504), BiblSS, Bd. XII, Sp. 625-626, und BHL, Nr. 8305-8306, S. 1202. 2
Lorenzo (siehe § 104).
3
Die Zahnschmerzen plagen Daniel Papebroch einige Wochen lang; siehe Lucca
(§ 2) zum 20. Februar 1662. 4
Getrieben von der Eile (ne qua aliò properantibus mora fieret), wie Papebroch anderen-
orts vermerkt (ActaSS, Mart., II, S. 499). 5
Ediert im zweiten Märzband der Acta Sanctorum; siehe § 108 mit Anm.
6
Pater Sabino Bonzi; siehe ActaSS, Mart., II, S. 499.
7
Aufgezählt in ActaSS, Mart., II, S. 499-500.
166
1
Florenz und Umgebung
110
Am 18. nahmen wir uns einen der Klosterknechte als Führer mit und wollten zum Berg von La Verna 1 gehen. Aber der Führer hatte unsere Absicht nicht genau verstanden und so lieferte er uns ganz gegen unsere Erwartungen kurz nach Mittag vor den Toren des Klosters von Camaldoli 2 ab.
18.1.1662
111
Die meisten Religiosen waren zu einem Spaziergang fort, und alles zog sich lang dahin, doch endlich wurde uns eine Mahlzeit gereicht. Nach der Vesper trafen wir dort einen Religiosen aus Namur 3 , der uns im Kloster herumführte, und endlich, allerdings zu spät 4 , begriffen wir, dass sich die Bibliothek nicht hier, sondern in der höher gelegenen Einsiedelei befand, d.h. in der Heiligen Einsiedelei von Camaldoli 5 ; vornehmlich diesen Ort zu verehren kämen die Pilger hierher.
Camaldoli
112
Die Herberge 6 , die für sie hier im Tal errichtet worden sei, sei dann zu einem großen Kloster herangewachsen,
Fontebuona
Ihren Besuch im Kloster von La Verna holen Papebroch und Henschen am 20.-
21. Januar nach (§§ 118-122). 2
Das Stammkloster des Kamaldulenserordens liegt im Casentino, am Südhang des
Aretiner Apennin, unweit der Mandriolipass-Straße (KURZE 1999), von Poppi nur etwa halb so weit entfernt wie das Kloster La Verna. 3
Stadt und Grafschaft (heute Provinz) in Belgien (PARISSE 1993).
4
Das heißt: zu spät, um noch am selben Tag hinaufzusteigen.
5
Eremo di Camaldoli, eine 2½ km nördlich des Klosters in über 1000 m Höhe
gelegene, vom Heiligen Romuald 1012 errichtete Einsiedelei mit Bibliothek, Kapitelsaal und einigen Einzelhäuschen (KURZE 1983). 6
Das Hospitium Boni Fontis (Fontebuona) war ursprünglich als Hospiz errichtet
worden.
Florenz und Umgebung
167
wo Alte und Schwache ein zönobitisches Leben lebten, während die übrigen weiter oben jeder für sich 1 als Eremiten lebten. Ihrem Prior sei dieser Ort unterstellt 2 . 113
Am 19. stiegen wir empor und zelebrierten die Messe dort in der überaus prachtvollen Kirche 3 . Wir wurden zur gut ausgestatteten Bibliothek geführt und untersuchten die Kodizes, die in den Schränken an der einen Seite zusammenlagen, jede Handschrift einzeln. Gleichwohl fanden wir in ihnen nichts. Doch entdeckten wir unter den gedruckten Büchern zufällig eine handschriftliche Sammlung von vielen Viten; unter ihnen waren einige, die wir suchten. Diese erhielten wir, zusammen mit einem griechischen Buch. Wie wir zunächst nicht erkannten, war in ihm die Vita der Domna 4 und ihrer Gefährten, die stets unter dem Titel „Indes und Domna“ im Metaphrastes 5 steht. Man wollte sie auf unsere Bitte ins Kloster hinunterbringen lassen.
19.1.1662 S. Salvatore del Eremo
1
Das heißt: im Gegensatz zu den Mönchen im unteren Kloster.
2
Als bereits unter dem vierten Ordensprior Rudolf (1074-87) die erste Ordens-
regel abgemildert wurde, entstanden neben den Kamaldulensern-Eremiten die Zönobiten-Kamaldulenser (Observanten und Konventualen), und es wurde das Verhältnis zwischen Eremus und Kloster geregelt (KURZE 1983). 3
Die 1027 geweihte Kirche war 1658 barockisiert worden; 1708 wurde sie nach
einem Brand erneuert (KURZE 1983). 4
Domna, heilig (Fest am 28. Dezember), verehrt in einer Märtyrergemeinschaft mit
dem Eunuchen Indes und den Jungfrauen Agapis und Theophila; siehe ActaSS, Prop. Dec., S. 605, und DOREN 1960 bzw. AUBERT 1995. 5
Symeon Metaphrastes, byzantinischer Hagiograph vermutlich des 10. Jahrhunderts;
in seinem Menologion stellte er 146 Heiligenviten zusammen; der Text der Vita des Indes und der Domna ist abgedruckt in MPG 116 (Paris 1864), Sp. 1037-1082.
168
1
Florenz und Umgebung
114
Wir stiegen ebenfalls dort hinab und gingen nach dem Essen zum Archiv. Ob es, äußerst reich an Schriften, etwas für unsere Zwecke enthielt, konnten wir deswegen nicht in Erfahrung bringen, weil es keinen Katalog gab und der Archivar, der Hinweise hätte geben sollen, auch noch ein Anfänger war. Im Übrigen war seinem Bruder, der mehrere Jahre in diesem Archiv zugebracht hatte, die Aufgabe übertragen worden, ein Inventar fertigzustellen. Man versprach, dass man, solange dies in Arbeit sei, dafür sorgen werde, dass er Notizen aus Schriften von hagiographischem Interesse machte und gegebenfalls uns dann zuschickte. Gegen Abend begannen wir, mit großer Genauigkeit die bereits herbeigeschafften Bücher zu untersuchen, und fanden in dem lateinischen Kodex Arbeit nicht für einige wenige Tage, sondern eine Arbeit, die leicht acht Tage beanspruchen konnte 1.
115
Am 20. Januar stieg ich also alleine eine Stunde vor Sonnenaufgang beim Licht der Sterne und der allmählich dämmernden Morgenröte, so schnell ich konnte, empor. Ich zelebrierte die Messe in der Papstkapelle, die so genannt wird, weil Gregor IX. 2 , der in einer Zelle nebenan wohnte, dort vor seinem Pontifikat noch als Kardinal an Exerzitien teilnahm und diese Kapelle mit großen Ablässen 3 ehrte. In ihr ruhen auch die Gebeine eines Mönches, der ihm ebendort ministrierte und da-
20.1.1662
Da Papebroch und Henschen nicht so lange Zeit hatten, ließen sie sich das Buch
nach Florenz schicken (siehe unten, § 116). 2
Papst Gregor IX. (sed. 19. März 1227 - 22. August 1241); siehe KÖLZER 1995.
3
Ein hunderttägiger Ablass; siehe ActaSS, Apr., III, S. 473.
Florenz und Umgebung
169
bei den Pontifikat voraussagte 1 . 116
1
Ich traf den Prior, einen Mann, der von seiner ganzen äußeren Erscheinung und seinem Verhalten her wie ein Engel und dem Heiligen Franz von Sales 2 in der Physiognomie und Heiterkeit des ganzen Antlitzes ähnlich war und zuvorkommend meiner Bitte stattgab, dass das lateinische Buch (denn das griechische brachte ich zurück)3 nach Florenz geschickt würde, damit es bequemer abgeschrieben werden könnte. Und er ließ mir die Gebeine aller Heiligen, die in der Sakristei verwahrt sind, zeigen.
Nach den Angaben Bonaventuras prophezieh der Heilige Franz von Assisi dem
Kardinal Hugolin von Ostia (später Gregor IX.), er werde Papst werden (Vita Magna 6,5; siehe auch ActaSS, Oct., II, S. 758, und CHALIPPE 1855, S. 134). Am Ort des Geschehens gab es aber offensichtlich eine andere Version, die gegenüber der Autorität Bonaventuras und der Verbreitung seiner Franciscus-Vita in Vergessenheit geriet. Danach hat der Selige Rekluse Leonardo, ein Camaldulenser-EremitenMönch, der dem Kardinal bei der Messe ministrierte, die Prophezeihung ausgesprochen, und folgende Inschrift in eben dieser Zelle, in der auch die Gebeine Leonardos verehrt werden, bezeuge dies (die Inschrift befindet sich in der Kapelle links neben der Apsis): „Beati viri Leonardi, Eremitae reclusi, ossa hic sita sunt cuius anima post longam in hac sacra Eremo carnis macerationem visa est in sphera ignea caeli secreta penetrare. Atque eremi campana absque mortalium ope pulsari audita est. Hic quoque prophetico spiritu Reverendissimum Dominum Vgolinum Episcopum Cardinalem, in hac tum cella reclusum Futurum Papam esse praedixit. Quod ita factum, et Gregorius nonus nuncupatus est.” Vgl. ActaSS, Apr., III, S. 473, und Iun., I, S. 371. Festtag des Seligen Leonardo ist heute der 15. Mai. 2
Franz von Sales (* 21. August 1567, † 28. Dezember 1622), 1665 heiliggesprochen
(Fest am 24. Januar), Bischof und Ordensgründer der Salesianerinnen; siehe ActaSS, Prop. Dec., S. 39, und FRANK 1995b. 3
Vgl. § 113.
170
1
Florenz und Umgebung
117
Nachdem dies wunschgemäß geschehen war, stieg ich eilends hinab zu Pater Gotfrid, der auch schon die Messe zelebriert hatte. Wir frühstückten hastig und begaben uns auf den Weg nach La Verna, von dem wir dreimal abkamen, vor allem beim letzten Mal unter großen Strapazen, obgleich da der Kurat 1 des Städtchens, bei dem wir mit Wein bewirtet und gestärkt worden waren, uns liebenswürdig den Weg zeigen wollte und ein Stück weit begleitete. Denn wir stiegen auf einen Berg, von dem wir steil hinabsteigen mussten wegen eines Flusses, den wir zu überqueren hatten, und dann mühsam wieder hinauf; bei dieser Überquerung fiel Pater Gotfrid, der nicht weit genug sprang und dem die Strömung des Flusses den Stock, auf den er sich unvorsichtig zu stützen suchte, fortriss ins Wasser, was weniger ihn als den guten Bauern schmerzte, der es unternommen hatte, uns auf den richtigen Weg zurückzuführen.
118
Und endlich gelangten wir spät abends erschöpft im Kloster an, wo wir uns in einem gut eingerichteten Zimmer, in dem gewöhnlich nur führende Männer aufgenommen werden 2 , und bei hell brennendem Feuer erholten und alles nach Wunsch hatten außer dem Essen, bei dem es nur Fischsoße mit einem gedörrten, mit Öl besprengten Stückchen Eselfleisch gab.
La Verna
119
21. Januar. Wir lasen die Messe an dem Ort, an dem
21.1.1662
Hilfsgeistlicher in einem Teil einer Pfarrei, deren Herr der Pfarrer ist (siehe
KANDLER-MAYR 1997). 2
Der „del Cardinale“ genannte Raum in der im 16. Jahrhundert errichteten Fores-
teria interna beherbergte auch in späterer Zeit hohe Gäste (BARFUCCI 1992, S. 121, mit einer Abbildung des Chiostro vasariano ebd. S. 250).
Florenz und Umgebung
171
die heiligen Wundmale, mit denen der seraphische Franz 1 von Gott gezeichnet wurde, verehrt werden, weshalb auch in den einzelnen Orationen, die über dieses geheimnisvolle Geschehen in der Messe gelesen werden, bezeichnenderweise das Adverb ‚Hier’ hinzugefügt wird 2 .
1
120
Dann sahen wir die Reliquien, die über dem zugehörigen Altar prachtvoll geborgen sind, und unter ihnen die Gebeine des Seligen Giovanni della Verna 3 und eines anderen Seligen Mariano 4 , die über mehrere Reliquiare verteilt sind und überall gleiche Verehrung und gleichen Schmuck genießen wie die übrigen Reliquien.
121
Als Gründe, warum man uns keine alten Schriften zeigen konnte, nannte der Pater Guardian 5 erstens und hauptsächlich, dass die Konventualen, als sie den Ort an die Rekollekten 6 wegen der zu großen Rauheit und Härte
Franz von Assisi (* 1181/82, † 3. Oktober 1226), heilig (Fest am 4. Oktober),
Gründer des Franziskaner-Ordens (O.F.M). Am 17. September 1224 erlebte Franz von Assisi dort auf dem Berg La Verna die von Papebroch erwähnte Stigmatisation; siehe ActaSS, Oct., II 4, S. 545-1004, und LANG 1995. 2
Die auf die Stigmatisation des Heiligen anspielende, Ranieri card. Capocci di Vi-
terbo (Stefano Casanova) zugeschriebene Antiphon „Coelorum candor“ ist in der Kapelle der Heiligen Wundmale auf einem Flachrelief aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu lesen (abgedruckt bei BARFUCCI 1992, S. 69, mit Anm. 316). 3
Johannes von Alverna, O.F.M (1259-1322), selig (Fest am 13. August); siehe
ActaSS, Aug., II, S. 454-55, und SCHLAGELER 1996. 4
Siehe ActaSS, Aug., II, S. 454.
5
Der Pater Guardian(us) ist der Vorsteher einer Franziskaner-Niederlassung.
6
Rekollekten sind eine strenge Richtung des Franziskanerordens (siehe FRANK
1999b).
172
Florenz und Umgebung
der Lebensführung abgaben, das meiste mitgenommen hatten; und zweitens, dass einer seiner Amtsvorgänger das, was vielleicht noch übrig war, verbrannt hatte, weil er das, was weder er noch einer der Seinen lesen konnte, für unnütz hielt. 122
1
Als wir schließlich unser Frühstück gegessen hatten, das um nichts besser war als das gestrige Abendessen, machten wir uns auf den Weg, um nach Vallombrosa zurückzukehren, und wir gelangten, nachdem wir auf dem Weg praktischerweise Eier aufgetrieben und sie zu Mittag gegessen hatten, spät abends nach Borgo alla Collina 1 , wobei wir absichtlich einen Bogen um Poppi machten, erstens weil wir, durch die Angaben der Landkarte getäuscht 2, glaubten, wir würden den Weg beträchtlich abkürzen, obwohl wir entlang dem Fuße des Berges, auf dem die Stadt liegt 3 , herumgehen mussten; und zweitens weil wir den meilenlangen und höchst schwierigen Aufstieg 4 scheuten.
Trotz seines Rufes als Residenz des berühmten Humanisten Cristoforo Landino
war Borgo alla Collina stets ein kleines Dorf geblieben. 2
Das ist nicht verwunderlich, denn bekanntlich sind auf den Land- und Straßen-
karten des 17. Jahrhunderts Berge nur durch ungefähr platzierte Symbole dargestellt und auch in ihrer horizontalen Ausdehnung nicht erkennbar (Höhenlinien verbreiten sich in der Kartographie erst in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts). 3
Vgl. § 108.
4
Gemeint ist nicht der kurze Weg vom Arno zu der auf einem Hügel gelegenen
Ortschaft Poppi, sondern der Aufstieg zum Kloster Vallombrosa über Castel San Niccolò, Pagliericcio und Montemignaio (ca. 1200 m üb. N.N.), der tatsächlich kürzer, aber steiler ist als der Umweg über Borgo alla Collina und den Passo della Consuma (1060 m üb. N.N.), den die beiden Jesuiten daher vorzogen.
Florenz und Umgebung
123
124
125
1
Im Borgo fanden wir ärmliche, aber eifrig bemühte Gastgeber, und wir wollten gerade das angesichts der Fülle, die da war, fröhliche Abendessen beenden, als Pater Gotfrid plötzlich bleich und schwach wurde und ihm die Sinne schwanden und er, weil sein widerstrebender Magen rebellierte, mit Enge-Gefühl in der Brust nach Luft schnappte, bis er das, was er zu sich genommen hatte, erbrochen hatte und ich ihn, so gut ich konnte, auf sein Bett legte. Auf ihm verbrachte er recht ruhig die Nacht bis zum nächsten Tag, an dem wir dort die Messe lasen, uns Pferde nahmen und durch dichten Nebel, der bis oben auf die Berge reichte, auf einem 8 Meilen langen Weg zu einer Herberge gelangten, die Consuma genannt wird 1 . Dort aßen wir eine Kleinigkeit zu Mittag, und wir konnten, da der Himmel mit Regen drohte, bei unserem unzivilisierten Gastgeber nur mit Mühe erreichen, dass er uns ein Stück weit auf dem Weg nach Vallombrosa geleitete, und schon waren wir nur noch wenige Meilen vom Kloster entfernt, als es zu regnen begann und wir nass wurden.
173
Borgo alla Collina
22.1.1662
Consuma
Doch so groß und so zuvorkommend war die Freund- Vallombrosa lichkeit der Mönche, dass wir, kaum hatten wir einen Fuß über die Schwelle gesetzt, Zeugen wurden, wie sogleich unsere Hüte, Mäntel, Schuhe und Strümpfe, die von Wasser trieften, vor ein hell scheinendes Feuer gebracht und gegen andere getauscht wurden. Und die innere Ermüdung verjagte ein Schluck ausgezeichneten Weins, dem bald das Abendessen folgte.
Auf dem Passo della Consuma (1060 m üb. NN), ca. 14 km westlich von Borgo
alla Collina an der SR 70 gelegen.
174
Florenz und Umgebung
Am 23. Januar, einem Montag, erledigten wir, was wir noch abzuschreiben hatten, und gingen gegen Sonnenuntergang unter der Führung eines der Religiosen nach Paterno, einem ansehnlichen Hof des Klosters Vallombrosa 1 . Und wir prüften vormittags alles, was vor allem über den Heiligen Giovanni Gualberto 2 im Archiv vorhanden war, aber wir fanden nichts, was eines längeren Aufenthaltes dort wert gewesen wäre. Also setzten wir am nächsten Tag, als wir die Messe dort gelesen hatten, unsere Rückkehr nach Florenz zu Fuß fort und kamen dort rechtzeitig heil und gesund an.
23.1.1662
127
Am 25. Januar, einem Mittwoch, kehrten wir an unsere Arbeit in der Laurenziana zurück; und als wir acht Tage lang die Wunder des Heiligen Giovanni Gualberto und einige griechische Viten, die noch übrig waren, vollständig abgeschrieben hatten, hörten wir eines Tages, als wir zum Kloster Santa Trinita gingen, dass der Ordensgeneral 3 besorgt nach uns gefragt habe. Er wollte benachrichtigt werden, an welchem Tag wir ihn besuchen wollten, damit wir nicht wieder vergeblich kämen 4 .
25.1.1661
128
Also verabredeten wir, da der Religiose zu ihm zurückkehren wollte, noch am selben Abend, dass wir am folgenden Tag kämen. Das taten wir auch, und nachdem
126
Paterno
24.1.1662
1
Vgl. § 107 mit Anm.
2
Zu Giovanni Gualberto siehe § 91 mit Anm.
3
Zu Daniele Sersali siehe § 91 mit Anm.; das Benediktiner-Kloster Santa Trinita
in Florenz gehört der Vallombrosaner-Kongregation an. 4
Papebroch und Henschen hatten am 2. Januar Daniele Sersali vergeblich in der
Badia a Ripoli zu erreichen versucht (§ 91).
Florenz und Umgebung
175
wir dort die Messe gelesen hatten, erzählten wir ihm (und wir bedankten uns bei ihm dafür), mit wie großer Liebenswürdigkeit wir in allen Klöstern seines Ordens, in die wir gekommen waren, aufgenommen worden waren. Danach fuhren wir fort, Verschiedenes, was wir abgeschrieben hatten, noch einmal zu lesen, und hier und da einiges zu erledigen und uns allmählich zum Aufbruch zu rüsten. 129
130
Am 12. Februar, einem Sonntag, gingen wir dank der Erlaubnis, die wir durch den Erlauchtigsten Herrn Nuntius 1 erhalten hatten, zum Kloster San Salvi 2 und schrieben an diesem und am folgenden Tag 3 , an dem wir nochmals zurückkehrten, die lateinischen Viten der Heiligen Umilità und der Seligen Margherita ab und sahen den unversehrten Leib der Heiligen über dem Altar. Und wir wurden an jenen beiden Tagen in derselben Sakristei, in der wir schrieben, mit einem anständigen Mittagessen gestärkt.
12.2.1662
Am 14. Februar besichtigten wir unter der Führung der Signori Andrea 4 und Antonio 5 die alte Kirche von San Miniato 6 , die nun in eine neue Befestigungsanlage 7
14.2.1662
S. Salvi
S. Miniato
1
Stefano Brancacci; zu ihm siehe § 56 mit Anm.
2
Die Jesuiten hatten San Salvi bereits am 1. Januar besucht (siehe §§ 89-90).
3
Vgl. ActaSS, Mai., V, S. 203.
4
Andrea Cavalcanti; zu ihm siehe § 62 mit Anm.
5
Antonio Magliabechi; zu ihm siehe § 28 mit Anm.
6
San Miniato al Monte liegt am viale Galileo (LIMBURGER 1910, Nr. 472).
7
Im Zuge des Ausbaus der von Michelangelo begonnenen Befestigungsanlage zu
einer Festung wurden die Olivetaner-Mönche unter Cosimo I. aus der ursprüngli-
176
Florenz und Umgebung
einbezogen und deshalb verlassen ist, aber ansonsten sehr schön ist. 131
Danach besuchten wir die Läden der Buchhändler, doch lohnte sich dort fast nichts, außer einem Brevierbruchstück mit dem Officium Sanctorum für die Fastenzeit. Dieses benutzten wir auf dem Rückweg zum Beten des kanonischen Offizium, weil wir diesen Teil unseres eigenen Breviers schon zuvor aus Rom nach Mailand geschickt hatten, da wir nichts weniger glaubten, als dass unserer Aufenthalt in Florenz so lange dauern würde 1 . Und wir sagten auch schnell noch ein paar Freunden Lebewohl 2 .
132
Am 16. Februar, einem Donnerstag, wurden wir nachmittags zur sogenannten ‘Galleria’ des Großherzogs 3 geführt, in der aller Art Raritäten der Kunst und Wunder der Natur und ehrwürdige Zimelien allen Alters gesammelt und in verschiedenen Räumen sehr übersichtlich geordnet sind. Hier machten wir zum ersten Mal Bekannt-
16.2.1662 Galleria Palatina
chen Kirche vertrieben (Rückkehr der Mönche 1784-1808); zum Besuch der beiden Jesuitenpatres in San Miniato vgl. den im Anhang III abgedruckten Bericht. 1
Geplant war, am 3. Dezember in Genua und an Weihnachten in Mailand zu sein
(BATTISTINI 1930, S. 286, mit einem Verweis auf Briefe Henschens). 2
Darunter Carlo Strozzi; das geht aus einem Brief Henschens an Jean Bolland
vom 17. Februar 1662 hervor. 3
Die von Cosimo II begründete Sammlung der Galleria Palatina im Palazzo Pitti,
die heute hauptsächlich wegen der von anderen Mitgliedern der Familie Medici gesammelten Meisterwerke der Malerei (u.a. von Raffael, del Sarto, Tizian, Caravaggio, Rubens, Van Dyck) besucht wird, hatte ursprünglich auch die Aufgaben eines fürstlich-gelehrten Raritäten- und Naturalienkabinetts und war Vorläufer des Museo di Storia Naturale.
Florenz und Umgebung
177
schaft mit dem Capitano 1 della Rena 2 , einem Mann, der die Vergangenheit sehr gut kannte, vor allem die Genealogie, und der in religiösen und profanen Dingen vielseitig bewandert war und auch in der alten etruskischen Sprache, die aus den Resten alter Inschriften rekonstruiert werden konnte. Darin gebe es manches für den, der sich damit beschäftige. 133
134
1
Am nächsten Tag geleitete uns Signor Magliabechi, die Gärten, die sich an die Herzogliche Residenz anschließen 3, zu besichtigen. Schließlich notierten wir bei Signor Carlo Strozzi Verschiedenes aus seiner Büchersammlung.
17.2.1662 Giardino di Boboli
Gegen Abend kamen, um Abschied zu nehmen, Andrea Cavalcanti, Antonio Magliabechi, Carlo Dati und Francesco Redi 4 bei uns zusammen, die ihre aufrichtige Ergriffenheit sogar mit Tränen bezeugten, die ihnen nach den letzten Worten mit uns, als sie gingen, in den Augen standen.
Gemeint ist: Capitano del Popolo (Capitaneus populi), Amtsträger einer italieni-
schen Kommune mit je nach Kommune unterschiedlichen Funktionen, Rollen und Kompetenzen (GHISALBERTI 1983). 2
Cosimo della Rena (1614-96) war ein Freund Magliabechis, Oberaufseher (Soprin-
tendente Generale) des herzoglichen Archivs, berühmt durch sein Werk „Della serie degli antichi duchi e marchesi di Toscana“ (Florenz 1690 ff.); siehe BATTISTINI 3
1942-43, S. 125 und S. 168 (mit Anm. 1).
Zum Giardino di Boboli, der durch Eleonora von Toledo (Gemahlin Cosimos I.)
angelegten und in der Folgezeit wesentlich erweiterten Parkanlage der Medici-Fürsten neben dem Palazzo Pitti, siehe LIMBURGER 1910, Nr. 115. 4
Von Carlo Strozzi hatten sich Papebroch und Henschen bereits am Vortag verab-
schiedet, von Agostino Coltellino beim Frühstück; siehe Henschen in seinem Brief an Jean Bolland vom selben Tag (17. Februar 1662).
Pistoia
1
1
Am 18. Februar, einem Samstag, fuhren wir mit Pater 18.2.1662 Castracani 1 , der in einem Wagen nach Lucca fuhr, um dort Fasten-Predigten zu halten, los und kamen nach Pistoia, wo wir ein Kolleg haben, das zahlenmäßig sehr klein ist, aber vom einem außergewöhnlich regen Rektor 2 geleitet wird, ein Haus und eine neue Kirche hat 3 Sant’Ignazio und die Zuneigung aller Bürger genießt. Er unterdi Loyola richtete Rhetorik und die Humaniora und ist seit kurzem Magister der Philosophie.
2
Am nächsten Tag führte er uns durch die Kirchen der Stadt; und damit wir nicht große Mühe hätten, wenn wir uns über Pistoia informieren wollten, gab er uns das Buch eines Kapuziners 4 , das druckreif vorliegt und den italienischen Titel „La piete di Pistoia“ 5 trägt; wir wähl-
19.2.1662
Camillo Castracani († 17. Januar 1670 in Rom); siehe FEJÉR 1985-1990, Bd. I, S.
235. Über ihn siehe auch Applausi … 1669. 2
Vinzenzo Ficherelli († 7. Februar 1687), ab 1657 Rektor des Kollegs in Pistoia;
siehe SOMMERVOGEL Bd. 3 (Paris - Brüssel 1892), Sp. 715, und Bd. 9 (Paris - Brüssel 1900), Sp. 336. 3
Die an der piazza Spirito Santo gelegene Kirche Sant’Ignazio di Loyola (später
meist dello Spirito Santo genannt) der seit 1635 in der Stadt anwesenden Jesuiten wurde ab 1647 nach Plänen des Jesuiten Tommaso Ramignani errichtet und nach mehrfachen Unterbrechungen 1685 geweiht. Mit dem angebauten Kolleg war bereits 1641 begonnen worden. Zur Baugeschichte siehe DE NITTIS, DE PASQUALE & MORANDI 1999 (mit einem Grundriss auf S. 174). 4
Giuseppe Dondori († 5. Dezember 1650), ab 1649 Provinzial der Kapuziner der
Toskana (CAPPONI 1878, S. 154-155; siehe auch FURLANI 1990). 5
Das Buch erschien posthum (1666) in Pistoia; siehe auch BRACCINI 2014.
Pistoia
ten daraus aus, was für uns gesucht werden sollte, und gaben eine entsprechende Notiz dem Pater Rektor. Am selben Tag nahmen wir im Chorhemd an der Aussetzung und Wiedereinsetzung 1 des Allerheiligsten Altarsakraments teil.
1
Exposition und Reposition der Hostie.
179
Lucca 1
2
Am 20. Februar, einem Montag, ritten wir in Begleitung des Priors und des Lektors des Klosters San Frediano 1 , die Regularkanoniker waren, nach Lucca; dort kamen wir bald, vor Sonnenuntergang, an und fanden die ganze Stadt an der Stadtmauer 2 versammelt, um ein Ballspiel 3 anzusehen, bei dem auf beiden Seiten über hundert 4 Spieler, einheitlich die einen in weiße und die anderen in rote Seidengewänder gekleidet, kämpften.
20.2.1662
Pallone al Calcio
Von dort gingen wir zu unserer Herberge zurück und wollten dort zu Abend essen und dann schlafen. Aber der Eiter, der sich seit dem Moment unserer Abreise aus Florenz in einem hohlen Backenzahn gesammelt hatte 5 , hatte mich zu plagen angefangen und meine Backe stark entzündet und ließ mich erst bei Morgengrauen ein bisschen Schlaf finden. Noch viel mehr aber machten mir ein paar unverschämte Burschen, die sich im Nach-
1
An der piazza San Frediano gelegen.
2
Die Stadtmauer mit ihrer Festungsanlage aus dem Jahre 1650 ist noch vollstän-
dig erhalten. 3
Der aus Florenz bekannte und übernommene Pallone al Calcio fand jedes Jahr
zu Beginn der Karnevalszeit statt; siehe CIANELLI 1814, S. 267-277, mit einer Beschreibung des Volksfests nach Giovanni Antonio Peligotti (Annali della Città di Lucca). 4
Nach Peligotti hatte jede Mannschaft in der Regel 150 Mitspieler (vgl. SFORZA
1883, S. 441). 5
Bereits in Poppi (17./18. Januar 1662) hatte Papebroch über Zahnschmerzen
geklagt (siehe Florenz, § 109).
Lucca
181
barzimmer eingefunden hatte und nach einem ausschweifenden Gelage sich der Liebe mit einer offenbar zum Haus gehörigen Hure hingaben, die durchwachte Nacht zur Hölle.
1
3
Am 21. Februar, einem Dienstag, begaben wir uns vor Sonnenaufgang zum Haus des Herrn Francesco Maria 1 , eines Adligen aus Florenz, der Arzt in Lucca war und in allen Wissenschaften beschlagen. Der Papst 2 selbst hatte uns angehalten, diesen Mann auf jeden Fall zu besuchen, ehe wir Italien verließen; und er war bereits, weil wir ihm tags zuvor eine Nachricht hinterlassen hatten, informiert und erwartete unsere Ankunft. Er bot uns aber nicht nur alles, was er an Schriften hatte, an, sondern fragte auch, ob wir bei ihm übernachten wollten, und wir schlugen sein Angebot nicht aus.
21.2.1662
4
Dann führte uns sein Sohn Mario 3 zur Kirche San Frediano 4 ; dort zelebrieren wir, Pater Godfrid am Leib des Heiligen Richard 5 und ich am Leib der Heiligen Zita 6 .
S. Frediano
Zu Francesco Maria Fiorentini (1603-73), einem Freund des Francesco Redi,
siehe PAOLI 1979; sein Palazzo liegt in der via S. Croce, 65-67. 2
Alexander VII. (sed. 1655 bis 1667).
3
Aus seiner Ehe mit Laura di Cesare Benassai (1640).
4
An der gleichnamigen Piazza gelegen.
5
Richard von Wessex (auch Richard der Sachse oder Richard der Pilger), heilig
(Fest am 7. Februar); siehe ActaSS, Febr., II, S. 69-81, und FLACHENECKER 1999. Der Altar befindet sich in der vom Eingang aus gesehen letzten Kapelle im linken (südlichen) Seitenschiff der gewestete Kirche. 6
Zita von Lucca, heilig (Fest am 27. April), Stadtpatronin von Lucca; siehe Acta
SS, Apr., III, S. 497-527, und GRIESER 2001.
182
Lucca
Auf diesen ließ uns der Prior dann einen Blick tun. Ihr Leib lag mit schönem Schmuck aufgebahrt auf dem Altar in einem vergoldeten Sarg, der vollständig und unversehrt hinter einem Fenster aus Kristallglas zu sehen war 1 . 5
1
Um den Originaltext ihrer Wunder zu bekommen, durchsuchten wir vergebens die Reste des Archivs, in dem es gebrannt hatte 2 , und fanden schließlich heraus, dass er von der Familie der Faytinelli aufbewahrt werde 3. Also besuchten wir deren nahe gelegenes Haus4 neben dem denkwürdigen Wasser-zu-Wein-Wunder 5 . Unser Wunsch wurde daher durch den jungen Adligen Fatinello Fatinelli 6 erfüllt, der uns einen PergamentKodex brachte, der die Vita und die Wunder der Heili-
Der Altar befindet sich in der zweiten Kapelle des rechten (nördlichen) Seiten-
schiffs. Zur Umbettung der Heiligen in einen neuen Sarkopharg siehe ActaSS, Apr., III, S. 499 (1675): Tunc lapidea sua arca exemptum fuisse corpus, atque in alteram ex ligno ornatiorem translatum supra altare, sic ut poßit conspiciendum exhiberi, quemadmodum nunc fit, verosimile nobis est: qui ipsum intuiti consideravimus cum admiratione summa, facie manibusque nudis pene simile dormientis; cetera tegebant vestes ex panno aureo, & caput insignis corona ornabat: ne autem & manibus palparetur prohibebat crystallus, soli visui transitum permittens. 2
Am 4. September 1596 war ein Teil des Archivs von San Frediano durch einen
Brand zerstört worden (RICCI 1857, S. 224). 3
Die Heilige Zita, Tochter armer Landleute, trat mit zwölf Jahren in den Dienst
der Familie Fatinelli, der ihr vorbildliches Verhalten auffiel. 4
Der Palazzo liegt in der via Fontana, 10.
5
Zu dem Wunder siehe ActaSS, Apr., III, S. 500; an das Wunder erinnert ein
Wanddenkmal rechts vom Eingang zum Palazzo. 6
Zu Fatinello Fatinelli (1627-1719) siehe LUCCHESINI 1825-1831, S. 348-349.
Lucca
gen Zita enthielt 1 . Wir verbrachten sechs volle Tage damit, diese und anderes abzuschreiben, was Signor Francesco Maria herbeibrachte, und auch damit, die Legendensammlungen der Bischofskirche 2 zu durchforsten. 6
7
1
Am 27. Februar, einem Montag, gingen wir zur Kirche San Michele 3 , weil wir dort unseren Prediger hören wollten, dessen Rhetorik und wirklich strukturierte Art der Rede allen wunderbar erschien. Eben dort lasen wir dann die Messe und, hinaufgerufen zum Hochwürdigen Herrn Dekan 4 , der wusste, dass wir da waren, wurden wir von ihm zum Essen dabehalten.
183
S. Martino 27.2.1662 S. Michele
Nach dem Essen besuchten wir des Pater Paolo Ottolini Bruder in seinem Palazzo 5 ; er war damals einer der
Diese Vita kollationierte Papebroch mit einer anderen, fehlerhaften, die er bei
den Kamaldulensern gefunden hatte. Der Bericht über die Wunder wurde 1675 in den ActaSS abgedruckt (Apr., III, S. 510-527). Wenige Jahre später publizierte der im Tagebuch erwähnte Fatinello Fatinelli seine Vita Beatae Zitae virginis Lucensis, ex vetustissimo codice m.s. fideliter transumpta (Ferrara 1688). 2
San Martino an der piazza Antelminelli (via del Duomo).
3
San Michele in Foro an der gleichnamigen Piazza, neben dem Dom die bedeu-
tendste Kirche der Stadt. 4
Die Räume, in denen der Dekan bis vor wenigen Jahren residierte, befinden sich
im zweiten Stock im Haus gegenüber (Corte Decanato, 19). 5
Lelio Ottolini, seit 1654 einer der Stadtväter, war ein Bruder des Jesuiten Paolo
Domenico Ottolini, der wiederum den Jesuiten bereits in Rom geholfen hatte (pag. 20, zum 3. Januar 1661 und öfter); siehe MANSI 1996, S. 378-380 (mit einem Stammbaum der Familie auf S. 378, Abb. 49), und BATTISTINI 1930-32, S. 23. Lelio Ottolinis Vater Paolino gehörten bereits Häuser in der via della Corticella (MANSI 1996, S. 379 mit Abb. 1); 1658 kaufte Lelio Ottolini noch den Palazzo des Giuseppe Busdraghi in der via S. Giorgio (heute Palazzo Poschi-Meuron), siehe
184
Lucca
acht Stadtväter 1 , die aus der großen Zahl der adligen Männern durch das Los gewählt werden und im Staat zusammen mit dem Podestà das höchste Amt für eine bestimmte Anzahl von Monaten innehaben. Und schließlich gingen wir um die Mauern, die denen von Antwerpen sehr ähnlich sind, und durch die Stadt und die Klöster, wobei uns Signor Mario führte. Am Tag zuvor hatte Pater Godfrid vor unseren Gastgebern im Kloster der Heiligen Klara 2 eine Messe gelesen, weil sie dort 3 eine Tochter hatten und beide aus seinen Händen die Kommunion empfangen wollten.
MANSI 1996, S. 146, und S. 380 mit Abb. 2. Ein weiterer Palazzo der Familie steht an der piazza Bernardini, 4 (Palazzo Ottolini-Balbani). 1
Genauer müsste man sagen: einer der neun Stadtväter (Anziani), die mit ihrem
Vorsitzenden (dem Gonfaloniere di Giustizia) das Leitungsgremium der Decemviri bildeten. Der Vorsitz rotierte im Kreis der Anziani (BRATCHEL 1995, S. 86-88. 2
Monastero Clarisse di San Micheletto in der via dei Poveri Vecchi, 721.
3
Gemeint ist: im Kloster.
Von Lucca nach Genua 1
2
1
Am 28. machten wir uns, als der Himmel, der an den Tagen vorher viele gewaltige Regengüsse hernieder geschüttet hatte, sich aufgeheitert hatte, zu Pferd nach Sarzana auf. Und wir ritten durch Massa Carrara, eine hübsche und durch ihre überall sehr schön bemalten Häuser geschmückte Stadt, deren Herr 1 schon über die Neunzig war, als er seinem Adoptiv-Sohn 2 , der die Vierzig bereits überschritten hatte und schon viele 3 Kinder hatte und bisher Fürst nur von Massa gewesen war, schließlich mit seinem Ableben den Titel eines Markgrafen von Carrara hinterlassen hatte; diese Stadt ist berühmt wegen ihrer Steinbrüche auf weißen Marmor, aus denen auch der Marmor für unsere Kirche in Antwerpen geholt worden war. Nach der ersten Stunde der Nacht kamen wir in ein sarzanesisches Gasthaus 4 und verbrachten dort die Nacht.
28.2.1662
Am 1. März betraten wir die Stadt durch das Stadttor, das nach dem Wunsch der Genueser jetzt als einziges geöffnet war, weil sie nicht wollen, dass durch die von ihnen getragenen Kosten für den Unterhalt einer größeren Wachtruppe gegen das Herzogtum Etrurien dort der
1.3.1662
Massa Carrara
Sarzana
Alberico I Cybo-Malaspina (1534-1623), seit 1553 Marchese von Massa und seit
1568 von Carrara. 2
Carlo I Cybo-Malaspina (1581-1662), ein Sohn des Alderano Cybo-Malaspina
(1552-1606), der wiederum ein Sohn des Alberico I aus erster Ehe war; er war zwei Wochen vor dem Besuch von Henschen und Papebroch gestorben. 3
Vierzehn Kinder.
4
Vor der Stadt gelegen, möglicherweise in der Nähe der via Postea Vecchia.
186
Von Lucca nach Genua
Haushalt ihres Staates belastet werde, dem sich Sarzana unter guten Bedingungen angeschlossen hatte 1 . Wir zelebrierten bei den Minimen 2 . 3
1
Dann wurden wir zum Palazzo des Signor Favoriti 3 geführt, von dessen Sohn Agostino 4 wir einen Brief hatten und vor langer Zeit besonders empfohlen worden waren, und gingen hinein und wurden sogleich von Agostinos Bruder, Signor Vincenzo, zu ihrem Onkel Niccolò Casoni 5 geleitet, der ein größeres Haus am Markt bewohnt, und fanden dort ein für uns vornehm hergerichtetes Quartier vor 6 und eine Familie, die uns
Seit 1562 war Sarzana von Genua (bzw. Ligurien) abhängig. Aus strategischen
Gründen durfte immer nur eines der vier mittelalterlichen Stadttore geöffnet sein. Vermutlich betraten die Jesuiten die Stadt durch die Porta Romana (auch Porta di San Bartolomeo genannt). 2
Der von Franz von Paola gegründete Paulanerorden (Ordo Minimorum) durfte
seit 1601 die ehemalige Pfarrkirche Sant’Andrea in der via Giuseppe Mazzini benutzen (CASALIS 1849, S. 29). 3
Der Jurist Giacomo Favoriti und seine Frau Elisabetta Casoni stammten aus an-
gesehener Familie (CONTARINO & BUSOLINI 1995, S. 477); sie residierten in der via Mazzini, 57. 4
Agostino Kardinal Favoriti (1624-82) war ein glänzender Stilist und lateinischer
Dichter; er galt damals als die rechte Hand des regierenden Papstes Alexanders VII. (CONTARINO & BUSOLINI 1995). 5
Nicolò Casoni di Sarzana († 1688), Graf von Villanova, Onkel des Agostino
Favoriti (SEMERIA 1843, S. 128). 6
Die hier erfahrene Gastfreundschaft hat Papebroch sehr beeindruckt, denn er
erwähnt sie noch einmal in einem im Propylaeum ad Acta Sanctorum Maii (1685) abgedruckten Brief an Lorenzo Casani (ebd. auf S. 13-14); dazu auch MERCATI 1940, S. 13, Anm. 3.
Von Lucca nach Genua
187
gespannt erwartete, von der wir Bischof Spinola 1 vorgestellt wurden; von ihm wurden wir sehr freundlich empfangen. Danach hörten wir uns einen recht außergewöhnlichen Prediger von der Somasker-Kongregation 2 an. 4
1
Nach dem Essen wurden wir zur Besichtigung des Heiltums der Kathedrale 3 geführt, das man fürwahr sehr schön ausgeschmückt hinter einem Altar für Heilige Märtyrer 4 sehen kann. Hier gibt es mehrere bedeutende Reliquien in silbernen Lipsanotheken und dann noch das Haupt und einen großen Teil des Leibes des heiligen Papstes Eutychianus, der aus Luni stammt 5 . Signor Niccolò Casoni hatte beides als Erweis besonderer Huld aus Rom bekommen und dem Klerus und dem Volk von Sarzana geschenkt 6 . Die feierliche Translatio ist
Assunta
Prospero Spinola (1587-1665), seit 1637 Bischof von Luni und Sarzana (CAPPEL-
LINI 1932, 2
S. Maria
S. 134).
1528 gegründete Ordensgemeinschaft, auch „Gesellschaft der Diener der Ar-
men“ genannt. 3
Santa Maria Assunta an der piazza Nicolò V.
4
In der Kapelle rechts neben dem Chor gibt es hinter dem Altarbild „Gloria del
Sangue con Angeli“ von Domenico Fiasella einen kleinen Raum, der von der Sakristei über eine Treppe zugänglich ist und der noch heute weitere Reliquiare der Kirche enthält; dreimal im Jahr wird das Bild zur Verehrung der Reliquien abgenommen. 5
Papst Eutychianus, sed. 274 (oder 275) bis 282 (oder 283), heilig (Fest am 7. De-
zember); siehe ActaSS, Mai., Prop., S. 50, und SCHWAIGER 1995. 6
Reliquien des aus Luni stammenden, in Rom (Calixtus-Katakombe) beigesetzten
Papstes hatte Innozenz X. dem Kardinal Filippo Casani geschenkt, dessen Bruder Niccolò sie später (1669) dem Domkapitel überließ (VIAN 2000; vgl. SEMERIA
188
Von Lucca nach Genua
aufgeschoben, bis ein hervorragendes silbernes Busto, wie man hier sagt, fertiggestellt ist. 5
Unter dem Altar selbst ruhen drei Leiber, nämlich der des Heiligen Marinus 1 und die seiner beiden Gefährten, die mit einer Authentik des Bischofs von Cagliari aus Sardinien überführt wurden. Ihre Gebeine wurden in ihr Gefüge gebracht und mit einem Silberfaden verbunden und sind jetzt in einer aufwändigen Militäruniform zu sehen, auf einem Bett aus Seide; und man sieht sie ganz durch ein Kristallglasfenster, wenn ein hölzerner Türflügel, der dem Altar als Frontplatte dient, entfernt wird 2 .
6
Am 2. März ritten wir am Nachmittag aus, um die Überreste der Stadt Luni 3 zu besichtigen, von denen in der weiten und fruchtbaren Ebene ganz wenige erhalten geblieben sind. Inzwischen suchte man nach einer Möglichkeit für die Weiterreise, und da das Meer allzu unruhig war, wurden schließlich am 3. März Pferde angemietet, die später gegen Maultiere ausgewechselt werden
2.3.1662 Luni
3.3.1662
1843, S. 128, und die Inschrift an der Wand rechts neben der Kapelle); sie befinden sich heute im Hauptaltar der Kathedrale. 1
Der Heilige Marinus soll der Vater des Eutychianus gewesen sein (MORONI
1861, S. 169, und ActaSS, Mai., Prop., S. 50). 2
Vgl. ActaSS, Mai., V, S. 67, im Zusammenhang mit der Elevatio des Leibs des
Heiligen Silaus: … in vicinæ Sarzanensis urbis ecclesia Cathedrali, sub altari, trium ex Sardinia Martyrum ossa videramus, nuperrime suis restituta compagibus, filo argenteo mediante, ac Romano more militariter induta, post crystallinam, quæ frontalis pallii loco altare ipsum claudebat, fenestram. 3
Luni (La Spezia) wurde im 11. Jahrhundert weitgehend verlassen; der dortige
Bischofssitz wurde 1204 nach Sarzana verlegt.
Von Lucca nach Genua
189
sollten, so dass wir an dem Tage bis Sestri Levante 1 hätten kommen sollen. Wenn wir das geschafft hätten, hätte uns am nächsten Tag ein sehr günstiger Wind in wenigen Stunden bis Genua gebracht. Aber wir waren freilich nicht rechtzeitig in Sarzana losgekommen und hatten zu schwache Maulesel bekommen, um nach Sestri Levante zu gelangen, wobei die Wege besonders im unwegsamen Gebirge so schwierig und abschüssig waren, dass man mehrfach von der Höhe des Berges bis ganz unten die eine oder andere Meile zu Fuß hinabsteigen musste, wofür das Licht auch eine vollen Tages keinesfalls ausgereicht hätte. 7
Also mussten wir, obwohl die Sonne noch hoch stand, nach drei Stationen Halt machen 2 , was kein Schade war, weil sich uns bei der Überquerung des Flusses Magra Pater Ferdinando Spinola, ein Unbeschuhter Karmelit, angeschlossen hatte, der in Belgien fünf Jahre lang Anführer einer Schwadron Gardereiter gewesen war, die aus fünf Schwadronen, die der Familie des Markgrafen Spinola 3 dienten, zu einer zusammengestellt worden war. Aus Verehrung für ihn wurden wir von einem ungehobelten Wirt zu einem anständigen Preis anständig behandelt und reisten auf dem Rest der Strecke freilich auch sicherer mit bewaffnetem Schutz gegen Wegelagerer, die, wie es hieß, meist Einheimische seien und
1
In der Provinz Genua, direkt am Meer gelegen.
2
Vermutlich in Mattarana, das zwischen Sarzana und Sestri Levante an der alten
Via Aurelia (Strada Statale 1) liegt und eine Poststation hatte. 3
Ambrosio Spinola Doria (1569-1630), Marqués de los Balbases, ein erfolgreicher
Reitergeneral des Kaisers im 30ig-jährigen Krieg.
190
Von Lucca nach Genua
für dort hingeführte Leute genauso zu fürchten seien 1 wie die schroffen Felsen, auf denen sie wohnen.
1
8
Am 4. März etwa gegen Mittag mietete derselbe Pater, während wir bei den Kapuzinern 2 die Messe lasen, indessen für uns ein Schiff; das betraten wir, ohne gegessen zu haben, in der guten Hoffnung, schnell nach Genua zu gelangen. Bald bedauerten wir, von günstigem, ja von allem Wind völlig verlassen zu sein, während sich heftiger Regen über dem Meer hielt und die Seeleute durchnässte, so dass sie schließlich den nächsten Landepunkt an der Küste ansteuerten und uns in einem Boot ans Ufer brachten und in Rapallo zurückließen, damit wir von dort weiterfahren sollten, von wo aus es noch ein halbe Tagesreise nach Genua war; sie selbst erwiesen sich so als wenig zuverlässig, fuhren nach SestriLevante zurück und hatten sich mehr als die Hälfte des Fahrpreises geben lassen, den wir mit ihnen für die Fahrt nach Genua vereinbart hatten.
4.3.1662
9
Am 5. März, einem Sonntag, mieteten wir zu einem überhöhten Preis Pferde nach Genua, die, was wir nicht wussten ohnehin zurückgebracht werden mussten.
5.3.1662
Die ursprünglichen Bergbewohner, die Apuaner, hatten keinen guten Ruf, seit
sie 186 v. Chr viertausend von einem römischen Konsul in dieses Waldgebirge (Marcianus saltus) hineingeführte Soldaten getötet hatten. 2
Die Kapuziner waren 1609 nach Sestri Levante gekommen und hatten zwischen
dem Vico Macelli und der Piazzetta Marcello Rizzi Kloster und Konvent von San Pietro in Vincoli gegründet.
Roma Viterbium 1.
[pag. 192] Anno 1661. 3 die Octobris sub primam lucem lecticam conscendimus viterbium vsque conductam à Fratre nostro Georgio Raderi, maiori longe quam oportuerat pretio, et conditione de eo omni anticipate soluendo non satis æqua eam auspicandi itineris rationem suadebant periculosi per agrum Romanum calores ingentibus prioris diei pluuijs necdum satis mitigati.
2.
et quidem vsque in Baccanum1 satis commode peruenimus paulo post meridiem, aduectoque Roma cibo pasti sperabamus nos ante vesperam alias duas postas confecturos2 : sed vix hospitio egressi eramus cum mala fides locatoris patuit et debilitas mularum quarum prior bis fede prolapsa lecticam destituit compulitque tertia posta ægre confecta in Monte3 Rosso4 vico5 subsistere plus quam duabus ante solis occasum horis
3.
mulio qui ab ipso ex vrbe egressu ad singulos propemodum passus lapsum mortalem mulis fuerat à diabolo imprecatus ad6 earum lapsum furiose sæuiens funibus calcibus saxis, et quidquid ei fors ad percutiendum offerebat blasphemas in Deum superosque iactabat voces, eo vsque abreptus vt etiam flexis genibus vnicam hanc gratiam a Deo
1
Baccanum] Belseck
2
confecturos] ex confecturum corr.
3
Monte] ex Mon corr.
4
Rosso] ex Rossone corr.
5
vico] ss., infra p exp.
6
ad] e corr.
194
Roma Viterbium
Sancto Antonio Patauino Virgine Lauretana posceret, vt mulos ante pedes suos mortuos sibi darent: exprobrans1 etiam quod tam proni ad aliorum vota exaudienda sibi tantillum2 fauorem denegarent. 4.
Parum etiam abfuit quin peram in qua scripta, pecunia et breuiaria inerant amitteremus eius in priori obliti hospitio, nisi hospitis fides cursim nos assequuti damnum auertißet. cæterum eam noctem haud incommode egimus vsuique fuere reliquiæ aduecti Roma prandij et Domni Emmerix munuscula in plures dies suffectura.
5.
4 Octobris Feria III, duabus ante lucem horis per nebulam densißimam egressi hospitio sumus mulio de cauendis blasphemijs monitus moderatior fuit ac propemodum sine maledicto iter confecit cum3 in initio per tenebras mula posterior propter sulcum profundiorem quem aquæ duxerant, prior in descensu montis prope4 Viterbium prolabarentur.
6.
sacrum fecimus supra Roncilionem apud Patres Cappucinos, qui et ad festiuum Sancto Francisco prandium inuitarunt: sed excusauimus necessitatem maturandi abitus.
7.
est autem Roncilio oppidum ex5 montis cliuo pendens maxime vario situ in colle aliquantulum eminentiori exiguam habens arcem antiquæ structure cum 4 rotundis turribus, plate, commode saltem qua transeundum fuit, et etiam inter montis hiatus domus6 ex solido saxo sane non inuenustę. Primæ per quam ingrediebamur portę recens exstructę inscriptum erat nomen Odoardi Farnesij:
1
exprobrans] exprobans
2
tantillum] post gratiam exp.
3
cum] quam
4
prope] post vit exp.
5
ex] ex imo
6
domus] domos
Roma Viterbium
8.
195
hinc arduo ascensu superandus mons altißimus fuit totus quercubus castaneisque vestitus1 ex quo amenus in lacum cui Vigo nomen ab diruto vico2 supra eundem sito prospectus fuit; -/- [pag. 193]
Viterbij 1.
Leniori deinde cliuo descendimus per horam et amplius versus planitiem3 ante Viterbium extensam cuius4 satis mira5 offerebatur species intuentibus propter turres perfecte quadratas6 in ea tam frequentes vt subinde ternas sibi propemodum iunctas obseruaremus. quarum multe adhuc integre extant ex viuo saxo eductę in altum latitudine exigua: sunt nobilitatis olim in factiones diuisæ mutuasque hinc domos infestantis monumenta: muri quoque ad iusta interualla crebris cincti fuere turribus, nunc vertice truncatis aut collapsis.
2.
excepit nos charitate maxima Rector Collegij Pater Johannes Le fons. in quo preter ipsum fratres tres et totidem sacerdotes. Francesco Maßio7 concionator et Pater Nicoli8 calendarius. in cuius locum successurus Pater Franciscus9 Simoneschi Philosophus hic nos cum Fratre Andrea Jouuenchi ad obsequia quæuis promptißimo per ciuitatem deduxit:
1
vestitus] vestibus
2
uico] post eidem exp.
3
planitiem] post verso exp.
4
cuius] cui
5
mira] post oculis exp.
6
perfecte quadratas] quadratas
7
Francesco Maßio] e Francescus Mascius corr.
8
Nicoli] ss.
9
Franciscus] Francus
Roma Viterbium
8.
195
hinc arduo ascensu superandus mons altißimus fuit totus quercubus castaneisque vestitus1 ex quo amenus in lacum cui Vigo nomen ab diruto vico2 supra eundem sito prospectus fuit; -/- [pag. 193]
Viterbij 1.
Leniori deinde cliuo descendimus per horam et amplius versus planitiem3 ante Viterbium extensam cuius4 satis mira5 offerebatur species intuentibus propter turres perfecte quadratas6 in ea tam frequentes vt subinde ternas sibi propemodum iunctas obseruaremus. quarum multe adhuc integre extant ex viuo saxo eductę in altum latitudine exigua: sunt nobilitatis olim in factiones diuisæ mutuasque hinc domos infestantis monumenta: muri quoque ad iusta interualla crebris cincti fuere turribus, nunc vertice truncatis aut collapsis.
2.
excepit nos charitate maxima Rector Collegij Pater Johannes Le fons. in quo preter ipsum fratres tres et totidem sacerdotes. Francesco Maßio7 concionator et Pater Nicoli8 calendarius. in cuius locum successurus Pater Franciscus9 Simoneschi Philosophus hic nos cum Fratre Andrea Jouuenchi ad obsequia quæuis promptißimo per ciuitatem deduxit:
1
vestitus] vestibus
2
uico] post eidem exp.
3
planitiem] post verso exp.
4
cuius] cui
5
mira] post oculis exp.
6
perfecte quadratas] quadratas
7
Francesco Maßio] e Francescus Mascius corr.
8
Nicoli] ss.
9
Franciscus] Francus
196
Viterbij
3.
et primo ad Cathedralem quæ insigni ex natiuo istic lapide frontispicio intrinsecus formam non inuenustam habet sed aliquanto arctiorem arcus duodecim minime lati saxeis innixi columnis quarum capita antiquo sculpta opere medium templum à lateribus distinguunt, in quibus pro altaribus niciæ1 exiguæ profunditatis quinque deinde in crucem fornix ducitur cuius al, templi lateribus respondentes altaria habent intra columnas quatuor sub podio saxeo supra quod reponendis reliquijs ligneus aptatus ornatus versus chorum sub ipso fornicis2 arcu vtrinque odeum3 est venuste inauratum et chorus profundus habens altare venustum Sancti Laurentij sub fenestre hemicyclo tanto quantus est fornicis ductus vnde precipuum templo lumen. sub altari sinistri lateris corpora Sancti Argei4 et trium sociorum sunt condita sub eo quod ad latus dextrum est Sanctorum Valentini et Hilarij Tranquillini vero sub altari proximæ niciæ.
4.
post sacristiam bibliotheca est à Latino Latinio legata ecclesiæ cuius et ibidem scripta reliqua sed nihil in rem nostram habebat: quædam super altare5 Sanctorum Argei6 et sociorum reposita esse eorumque se missurum notitiam pollicebatur Canonicus Carolus Ancianus7 itemque manuscriptae vitæ Sanctæ Rosæ quæ apud moniales exstaret.
1
niciæ] post vt o exp.
2
fornicis] fonicis
3
odium] ode,
4
Argei] Aggei
5
altare] altari
6
Argei] Aggei
7
Ancianus] post qui exp.
Viterbij
197
5.
is ad palatium episcopatus duxit situm secundum longitudinem templi supra arcuum seriem intra hiantis1 terrę angustam veluti vallem ductorum2 supra maximum eorum aditus est insigni ornatus fonte per columnam ipsi arcui subiectam ducto a quo prospectus longus vsque in extremum3 ostium vnde despectus in hortos et subiectas valles amenus fugam camerarum appellant Itali porro ex atrio in amplam venitur aulam in qua bis celebratum conclaue memorant pro pontificis electione. iuxta extremum cubilium vbi se domus in angulum flectens post templum hybernæ et habitationi aptata bibliotheca Episcopi nobis est ostensa.
6.
nec omittenda prisca indulgentiæ a Nicolao pontifice papa iv anno Domini 1289 concessæ tabula marmorea inserta parieti sculpta marmore: cui alias pro defunctis addidere Pontifices alij si quando sacrius quis ibi pro ijs dueret.
7.
vari, sunt per vrbem4 parochiæ ex quibus vna nomen à misericordia habens insigni ornatur frontispicio:
8.
templum quoque Santæ Rosæ frontispicio5 sibi recens concinne adiuncto ornatum longe amplius quam ductum exterius frontispicium promittat. supra aditum chorum suum moniales habent reliquum loquear gypseo nunc eleganter ornatum opere:
9.
ad dextrum maioris altaris latus locus est gypsea celatura decorus vbi inaurati clatri valuis interius ductis6 clausi: quibus -/- [pag. 194] aper-
1
hiantis] post montis exp.
2
ductorum] e ductorem corr.
3
extremum] extremam; post parietem exp.
4
vrbem] post per exp.
5
frontispicio] frontispio
6
ductis] ducti ductis
198
Viterbij
tis vidimus post altare per lucidißimam crystallum integerrimum Beatæ Rosæ corpus nisi quod vultum et manus alioqui plena carne conspicuas denigrauerit flamma ardentis sacristię nec vspiam hactenus corpus tam integrum vidimus. amplißima theca quæ tota interius conspicebatur sericis vestita rosis caput Sanctę serto ex argenteis rosis contexto bene grandi cingebatur. 10.
hinc ad Seruitarum templum cui à veritate nomen est, itum quod ad vrbis portam cæteris1 ibidem templis capacius. simili modo templum et monasterium ad eam2 qua ingressi3 sumus portam amplum habere videbantur, quod tamen non adijmus.
11.
varij toto orbe fontes præcipuus vnus qui radios ex medio siphone subiectoque labro 5 altos emittens inde per varios meatos defluit potißimum per 4 siphones4 transuersos cui5 infimum labrum6 gradibus aliquot super exstructum crucis æquilatere forma respondet.
12.
nec pretereundi carmelitæ discalceati quibus anterior pars templi sane venusti exstructa, et tres quadri7 destincti partes situ commodo ad frequentiam populi: quæ sane in hac vrbe maior quam alijs pontificijs. pars autem templi iam exstructa in duo vtrimque sacella excurrit quorum sub coronide arcus geminatis pilis distinguntur8 inter quas iustum confessionalibus spatium et niciæ statuis reponendis.
1
cæteris] post hactenus exp.
2
eam] ea
3
ingressi] ingressu
4
siphones] post int exp.
5
cui] qui
6
labrum] post gra exp.
7
quadri] ex quadre corr.
8
distinguntur] distinguuntur
Viterbij
13.
199
nostri adhuc in vetusto habitant sacelloque vtuntur veteri exterius quam interius propter sectorum in adamantium1 formam lapidum etiam post tribunam speciosiore2: habent autem amplos reditus constitutos ex quorum fructibus ædificandum templum nouum et collegium est emptis iam ad id vicinis ædibus. Grammaticam hic nostri humanitatem Philosophiam3 et moralem Theologiam docent. sed magistri non omnes aderant. Bibliothecam Cardinalis fundator legauit.
Viterbio Senas 1.
5 Octobris feria iv cum nihil esset quod nos Viterbij retineret faueretque tempus de discessu cepimus cogitare credentibusque equos Senas vsque conduci conducti fuere singulis duabus postis permutandi nec tempori adfuere: quare etsi multum adhuc diei superesset consistendum nobis prope montem Flasconem fuit4 non admodum inuitis propterea quod funes nobis comparandi5 essent ligand, supra equum sarcinæ quæ ter prioribus vinculis ruptis in terram deciderat6. eadem occasione etiam stapides viles emimus propterea quod negarent per hetruriam moris esse vt ij cum equis preberentur.
1
in adamantium] sc. formam
2
speciosiore] e corr.
3
Philosophiam] Philophiam
4
fuit] post vbi pri exp.
5
comparandi] e corr.
6
deciderat] decideret
Viterbij
13.
199
nostri adhuc in vetusto habitant sacelloque vtuntur veteri exterius quam interius propter sectorum in adamantium1 formam lapidum etiam post tribunam speciosiore2: habent autem amplos reditus constitutos ex quorum fructibus ædificandum templum nouum et collegium est emptis iam ad id vicinis ædibus. Grammaticam hic nostri humanitatem Philosophiam3 et moralem Theologiam docent. sed magistri non omnes aderant. Bibliothecam Cardinalis fundator legauit.
Viterbio Senas 1.
5 Octobris feria iv cum nihil esset quod nos Viterbij retineret faueretque tempus de discessu cepimus cogitare credentibusque equos Senas vsque conduci conducti fuere singulis duabus postis permutandi nec tempori adfuere: quare etsi multum adhuc diei superesset consistendum nobis prope montem Flasconem fuit4 non admodum inuitis propterea quod funes nobis comparandi5 essent ligand, supra equum sarcinæ quæ ter prioribus vinculis ruptis in terram deciderat6. eadem occasione etiam stapides viles emimus propterea quod negarent per hetruriam moris esse vt ij cum equis preberentur.
1
in adamantium] sc. formam
2
speciosiore] e corr.
3
Philosophiam] Philophiam
4
fuit] post vbi pri exp.
5
comparandi] e corr.
6
deciderat] decideret
200
Viterbio Senas
2.
via1 huc viterbio ducens petroso aut arenoso in solo commoda2 per squalentes alias campos. mons ipse situ amenus cui ciuitas imposita3 per plateas ter circum montem ductas gradatim ascendit: incolis4 nulla nisi vinearum et agrorum cura, domus firmæ sed inornatę in summo monte5 ingentis palatij parietinæ exstant vnde pulcherrimus6 in subiectos agros lacumque despectus cui duæ paruæ insulę seu scopuli innatant
3.
templum cathedrale Diuę Margaritę sacrum octogonam7 habens formam nisi quod post obiectum ingressui arcum chorus procurrat in semicyclum denique sex reliquis circumcirca parem terminatus molem spectabilem -/- [pag. 195] exhibet accedentibus sed omnino rudem
4.
interius8 venustior est species vbi sub coronide quanta sunt latera tam ampla sunt arcuum seu tribunarum circumeuntium spatia supra coronidem fenestræ laquear necdum vllum odeum9 infra arcum per quem ingressus est et frontispicium inchoatum dumtaxat.
5.
est autem maxime multitudinis capax templum propterea quod nulla habeat columnarum aut altarium impedimenta: quale, si mos esset Belgis altaria altaribus obuertere optime collegio Antuerpiensi con-
1
via] ss., infra iter exp.
2
commoda] commodum
3
imposita] impositas
4
incolis] e corr.
5
monte] montes
6
pulcherrimus] pulcherrimum
7
octogonam] e corr.
8
interius] e corr.
9
odeum] odum
Viterbio Senas
201
ueniret non magno in fundo1 maximam prebiturum 600 studiosis ad sacra disponendis commoditatem, absque detrimento2 tanto Veteris ædificij. 6.
6 Octobris Feria 5. mane conscendimus equos hesternis commodiores sed tardigrados3 iterque primum per montes asperos vnde amœnus in vicinum lacum Bolsanensem prospectus deinde secundum4 ipsum lacum habuimus: paulum digressos ab hospitio assequutus est in equo reductitio vecturinus pro quo oblatam duorum mercedem hospes recusarat, seque euntibus pro addicto pretio iunxit: opportunum vtique in via auxilium nam et stapedum vincula aliquoties rupta sunt, nec suffecere funes pridie empti sustinendæ in equo sarcinæ.
7.
est autem Bolsana, vnde lacui piscoso et ab anguillarum sapidißimarum præstantia celebri nomen5 vrbs exigua, vltra quam secundum lacum rursus iter habuimus deinde conscensis montibus ad burgum peruenimus cui in exiguo colliculo sic sito6 vt templum altius a fundamentis pene emineat circumcirca in7 decline domus pendeant nomen est a Sancto Laurentio
8.
ac demum Aquampendentem vrbem olim amplam vt docent vestigia murorum ac turrium per accliue vtriusque collis intra quos nunc sita est spatiose educta: quod eius nunc incolitur longa beneque a domibus instructa platea constat nec infrequens ab habitatoribus videtur.
1
fundo] funda
2
detrimento] e corr.
3
sed tardigrados] ss.
4
secundum] post la exp.
5
nomen] om.
6
sito] e corr.
7
in] ss., infra versus exp.
202
Viterbio Senas
9.
serius erat quam vt exspectare possemus donec celebrassemus: ergo refectis cibo corporibus equos nouos conscendimus socio iuuene exigua mercede conducto: iterque postquam semel in planum descendimus longo tractu campestre habuimus breuique in conspectu arcem supra omnes circumcirca montes altius eminentem1 infra quam vastißimi operis et maximæ opportunitatis diuersorium,2 Radicofani vocant: intra quod et scalas ad arcem ducentes egregij operis fons conspicitur.
10.
antequam huc perueniremus plurium fuere montium iuga superanda ascensu amfractuoso in quo ascensu3 frequentibus sed minime diuturnis pluuijs irrorati fuimus potius quam madefacti, si vltimam aliquanto diuturniorem excipias que madentes in hospitium adduxit. vix eo perueneramus cum solutum in effusissimos imbres cælum est fere per horam continuatos: sic vt propinquam arcem nunquam nisi eminus4 conspexerimus: quippe quam tunc pluuiæ deciduæ ante et postea densißimæ nubes oculis subduxere.
11.
7 Octobris Feria 6. desperata sacrificandi facultate quod iter Senis longius esset sumptoque viarum duce, quarum signa pluuię torrentes deleuerant, nec conspici eminus sinebat densißima nebula dedimus nos in viam qua ita lassatus Pater Godefri- -/- [pag. 196] dus est vt fuerit visum satius in loco, vbi commutandi erant equi subsistere, quamuis diei adhuc plurimum superesset et aura faueret, facta demum post solis occasum5 pluuia quæ ad sequentis vsque diei meridiem comitata nos est cum ante nos cælum esset serenum.
1
eminentem] post cuius ad cuius exp.
2
diuersorium] post rad exp.
3
in quo ascensu] ss., infra quando exp.
4
nisi eminus] ss., infra deinde exp.
5
occasum] e corr.
Viterbio Senas
203
12.
Tornieri vicus erat vbi substitimus exiguus ille: nec vlla quæ ambulaturos recreare posset hortorum aut vinearum instructus amœnitate: transegimus tamen vt potuimus diem, inuenimusque sub vesperam apertum sacellum nouum tribus altaribus decenter instructum, in quo et litanias recitauimus et postera die mane sacra fecimus templum ipsum licet vicinum non vidimus.
13.
8 Octobris1 Sabbatum2 peractis sacris cibum sumpsimus, duobusque anguilla vna cum 4 ouis abunde suffecit. deinde nos dedimus in viam ad vinciendam sarcinam cingulis nostris vsi quæ senas eam pertulere: sed equus cocles ac propemodum cœcus et calcitrosus ita Patrem Godefridum exercuit sua tarditate et fallenti3 in lubrico4 creberrime vestigio5 vt pedestris itineris ei desiderium fecerit: præsertim postquam vna cum sessore in via alias plana corruit6, quam mentem magis etiam confirmauit viator, qui male in equo hærenti exprobrauit7 aut Sanctum Franciscum Xauerium iter pedibus non equo confeciße, aut vt8 mihi videbat: equum Sancti Francisci potius ipsi9 per viam conuenire.
1
Octobris] post fer exp.
2
Sabbatum] post refectis exp.
3
fallenti] fallentis
4
in lubrico] in marg.
5
vestigio] vestigij, post formidabat errores exp.
6
corruit] corruit cum sessore
7
exprobrauit] exprobauit
8
vt] vt ego intelligere
9
ipsi] post quam exp.
Senis 1.
Senensem Vrbem statim à septimo milliario habuimus in conspectu postquam scilicet < ......... > Transiuimus vicum exiguum sed mœnibus in quadrum cinctum instar burgi hinc amœna planities et crebris pontibus transeundus fluuius: propius ad vrbem montes sunt et ad vnius fere milliaris spatium horti aut domus.
2.
Vrbs ipsa montoso situ ac celo salubri altis sed lateritijs fere instructa domibus, populo frequens. plateas semper mundas habens laterculis stratas1. huc2 sub 20 horam aduenientes magna caritate excepit Pater Franciscus Borboni Minister ac Laurentius vanden Pool olim in conuictu Antuerpiensi famulus dum illic habitarem3:
3.
hi nobis post sumptum cibum monstrauere templum quod pene nouum a nobis erectum amplum ac commodum inter geminatas pilas confessionalia habet ac tria vtrimque sacella marmorea ad coronidem pertingentia: similem ornatum tribuna exspectat laquear picturis est et inauratis trabibus spectabile: domus antiqua ex veteri monialium monasterio quod antea4 Fratres5 habuere concinnata.
4.
Postea ad vrbem visendam nos deduxit Laurentius et potißimum ad inuisendum Equitem Ludouicum Vechium6 Pronuntij fratrem Rectorem Operę vt vocant id est fabrice templi cathedralis ædificiorumque eo spectantium: sed is domo aberat, necessaria muneris sui functione impeditus.
1
stratas] stratos
2
huc] e corr.
3
habitarem] post ac pri exp.
4
antea] postea
5
Fratres] ex fratres corr.
6
Vechium] Bichium
Senis
205
5.
forum ciuitas amplum habet per quod transeuntes vidimus ex vna parte1 magnifice structure fontem signis et cælaturis marmoreis ornatum ex altera parte2 Prætorium cum altißima turri quadrata ad cuius pedem erectum est sacellum magnifico satis3 opere et celato marmore patens vndique in quo quotidie sacrum dicitur pro ijs qui toto circumquaque foro habitant concrepantibus ad eleuationem sacramenti tubis.
6.
templum Cathedrale totum mamoreum -/- [pag. 197] et si quod alibi vspiam visu dignißimum ob fabrice curiosißimæ elegantiam alias describemus: nunc tantum dico fuiße apertam nobis ante altare maius partem commißi elegantißime ex marmore pauimenti quo Abrahami sacrificium omnesque eam historiam spectantes circumstantię tam concinne exprimuntur vt penicilli elegantiam superaße videatur artificis ingenium:
7.
locus etiam bibliothecæ nunc Florentiam partim in hispanias ad escuriale translate patefactus nobis fuit in quo adhuc pulpita omnia supra ligneas4 iuste altitudinis capsas seruantur. est5 autem maxime spectabilis locus propter picturas quibus duorum celeberrimorum pictorum Raphaelis Vrbinatis atque eius magistri6 industria Æneę syluij Senensis postea Pij II res gestas expressit in7 pariete: fornix quoque per quatuor ductus arcus venustißime est pictus: quidquid autem
1
parte] post ampl exp.
2
parte] post domum exp.
3
satis] ss.
4
ligneas] lignea
5
est] ex et corr.
6
Raphaelis Vrbinatis atque eius magistri] ss.
7
in] e corr.
206
Senis
tam in fornice quam parietibus visum fuit auro exornare prius gypseo opere delicatißimo expressum è plano eminet: eam vt1 videtur ob causam, quod necdum inuenta esset ratio vmbras in aurum inducendi: facit autem hæc partium hinc inde eleuatarum inæqualitas2 cum ipsa pictarum3 partium viuacitate coniuncta, vt dubius propemodum hæreat oculus an non vel4 hæ ex gypso plasmatę sint priusquam colores inducerentur, vel istę solo penicillo in plano adumbratę. 8.
chorus templi vix reliquo templi solo eleuatior sub se baptisterium toti5 vrbi commune habet eiusdem cum templo latitudinis6 structure et materię, frontispicium tamen quod post chorum ad ipsum vsque tectum7 educi debuißet necdum perfectum est. tribus vt ipsum templum portis aditur duabus columnis fornicem sustinentibus itidem vt in templo8 pictum et inauratum9 in medio baptismalem10 fontem æneis figuris laminisque ornatum11 e cuius medio labro vas altum marmoreum egregiæ celatum eminet instar ciborij. post fontem altare est sub12 tribuna hemicycla1.
1
vt] post di exp.
2
inæqualitas] post et exp.
3
pictarum] ex picturam corr.
4
vel] ss., infra et exp.
5
toti] post temp exp.
6
latitudinis] post et exp.
7
tectum] tecti
8
vt in templo] in marg.
9
inauratum] inauratum et inauratum
10
baptismalem] ex faptismalem corr.
11
ornatum] post ex exp.
12
sub] ex cub corr.
Senis
207
9.
a sinistris per scalas ascenditur versus aream ipsi templo contiguam: in quo dum sumus mortui infertur cadauer speciosæ vt videbatur mulieris2 decentißime ornatum floribusque conspersum ad quod pauci clerici raptim defunctorum vesperas cecinere quos audire magis volupe erat quam videre: ita numerosus erat et plenus cantus modestia autem et attentio3 eorundem4 ad rem exigua: nulli ad sepulturam amici aderant soli quidam ex confraternitate quam mortis vocant circumstabant pheretrum mortuamque videbantur finitis iam ferme precibus ad sepulturam spoliare
10.
è regione templi amplißimum Nosocomium et Xenodochium est à Beato Sorore anno 798 institutum5 maximisque exinde fundis et possessionibus auctum cuius templum vastum et amplum secundum aream6 ascensum ad altare habet 12 graduum in dextro latere sacellum in quo ipsius Beati Sororis corpus iterum sacellum aliud post que secundum templum tractu continuo culina, refectorium aliaque ad ministerium commune loca, atque inter alia vastißima rota quam ingressus homo circumagit aquamque ad vsus necessarios amplissimis vasis
11.
post templum ad alteram areę partem nosocomium et xenodochium virorum est forte et expositorum7 -/- [pag. 198] puerorum quorum ingens ibi numerus alitur habitatio. ad alteram partem sub duplici for-
1
hemicycla] hemicyla
2
mulieris] post dæ exp.
3
attentio] post ci exp.
4
eorundem] ex eorundum corr.
5
institutum] post magnific exp.
6
aream] post ascend exp.
7
expositorum] ex expositi corr.
208
Senis
nice partim peregrini habent, ex quibus qui sacerdotes sunt recipiuntur in octo primis lecticis candide1 sindonis ornatis2 plenius instructis quam cetere inter quas velum tantum vnicum ex eadem materia tenditur: partim ægris quando eorum maior est numerus quam vt contineri possint quatuor amplis longißimisque cubiculis ad quæ ad dextram ingressus est, vbi et ad pharmocopæorum officinam omni medicamentorum genere instructißimam. 12.
Denique ad tinctorum vicum processimus vbi ædes Diuæ Catharinæ in sacros vsus varię conuersæ monstrantur. et primum quidem ipsius cubiculum nullo alio ornatu instructum quam quod altare habeat sacrorum stigmatum impressionem in tabula representans: quæ supra eam habitatio fuit ad eam per scalas decoras ascenditur estque tota picturis venustißimis vestita precipuas vitæ eius partes complexis quas ab inuicem secta eleganter ex ligno atque inaurata interstitia diuidunt ad quatuor autem angulos fenestrę sunt et portę vel portarum similitudines.
13.
huic sacello in eadem altitudine intermedio atrio cuius tectum columnis sustinetur amenum procul prospectum prebente proximum est alterum quod sibi confraternitas eiusdem3 Virginis ad vsus sacrorum exstruxit4 recenti opere in quo tria altaria5 atque in maiori ipse ille crucifixus ante quem oranti visi sunt sanguinei ex ipso ad se profluere radij, mox in candidę lucis radios conuersi cum scilicet quid ageretur sentiens virgo deprecata est Deum ne sibi sacra stigmata cunctis et semper visibilia imprimerentur.
1
candide] e corr.
2
ornatis] ex ornamentis corr., post instructioribus exp.
3
eiusdem] post Vi sacrę exp.
4
exstruxit] ex instruxit corr.
5
altaria] post p exp.
Senis
209
14.
Domum regressus Reuerendus Pater < ......... > Rector colegij humanißime excepit atque post cœnam lauari nobis pedes voluit.
15.
9 Octobris Dominica die postquam in templo nostro sacra fecißemus ad ędes Equitis Ludouici rursum accessimus ipsumque reperimus iam iam venturum ad collegium nostri causa. hic post primæ salutationis officia 4 nobis tomos nostros ostendit in bibliotheca sua submißos à fratre Pronuntio quintum Episcopus habebat: quos1 per doctorum omnium manus circumferens magnum auctoribus nomen et celebre fecerat.
16.
inde ad templum deduxit2 quod in insulæ formam redacturi lateribusque3 marmoream crustam inducturi contiguas ad sinistram ædificia demoliuntur quo modo iam demoliti erant eas que fuerant ex dextro latere ædes, marmoraque ex hac parte cepta erant induci ita4
17.
totum templum tribus ex partibus circumibunt marmorearum scalarum gradus 12: ad quartam vero partem vbi sub choro baptisterium est alterumque frontispicium nondum5 plene ad culmen vsque eductum per 506 graduum scalas item marmoreas descenditur ex quibus 12 toti baptisterio pretentunduntur ceteri7 ducuntur ex latere.
18.
est autem structura templi gothica ex albo nigroque marmore alternis ducto lineis interius exteriusque vna cum columnis suis eductum
1
quos] post cum viris omn exp.
2
deduxit] ss., infra accessimus exp.
3
lateribusque] ex lateraque corr.
4
ita] ita ita
5
nondum] ex non corr. (dum ss.)
6
50] post gradum sca exp.
7
ceteri] post ad latus exp.
210
Senis
cum cupula sane eleganti altaribus portis1 fenestris -/- [pag. 199] operosissime sculptis coronidem circumeuntem longißima hermarum series sustinet Pontifices omnes a Christo vsque ad < ......... > representantium fornices ceruleo inducti colore inauratis coloratisque pulchre limbis distincti stellis aureis consperguntur: fenestre omnes paulatim ad formam quadratam amplioremque interius reducende2 erunt, itemque altaria ad formam eandem3 qualis nunc est aliquot innouatorum recenter. 19.
mediam templi nauem hinc quinque inde quatuor arcuum fornix tegit inter quos media est cupula4 columnis sex5 sustentata quæ forma post primos arcus ex hexagona6 in dodecagonam7 mutatur ac demum in rotundam vix notabili angulorum decremento atque ita succedit ambitus in quo8 fenestre9 exigue sex10 ac tholus distinctus quintuplici11 quadrorum12 serie paulatim versus laternulam coeuntium in arcus
1
portis] ex portib corr.
2
reducende] e corr.
3
eandem] ex eundem corr.
4
cupula] post sex exp.
5
sex] octo
6
hexagona] octogona
7
dodecagonam] hecdecagonam
8
in quo] in marg.
9
fenestre] ex fenestreque corr.
10
exigue sex] exigue quatuor ss.
11
quintuplici] e corr.
12
quadrorum] e corr.
Senis
211
20.
e regione bibliothece venustißimum sacellum exstruitur sumptibus pontificijs forma rotunda totum marmoreum qui1 sedecim viridis ex africa marmoris columnas Roma transmisit rubricantisque2 pro coronide marmoris segmenta: flaua ex quibus niciæ confecte3 vicini vrbi4 montes ferunt nec vlla vspiam alia nisi in ægypto tellus et hæc quidem colore dilutiore.
21.
subsellia chori non intra templi nauim ducuntur vt alibi sed per extima circumeunt latera sculpta et ipsa veteri sed elegantißimo opere: parietes circum maius altare circumque altaria lateralia artificiose depicta sunt. cætera æqualiter marmorea.
22.
alteram etiam pauimenti partem5 ante chorum detectam vidimus in qua ex delineatione Francisci Vanni Pictoris celeberrimi expressa marmoribus eleganter commißis historia Moysis tabulas a Deo acceptas ad conspectum vituli aurei a populo adorati confringentis6 cuius conflationem sinistrum latum exhibet vindicta in recessu minoribus exprimitur figuris alieque eiusdem historię circumstantię: similiter populum ex profluentis7 de petra percußa fluuij aquis sitim suam leuantem frisiæ pars vna nobis retecta8 exhibebat:
1
qui] ss.
2
rubricantisque] ex rubricantiaque corr.
3
confecte] post ipse exp.
4
vrbi] e corr.
5
partem] post sub exp.
6
confringentis] confringentes
7
profluentis] ex profluente corr.
8
retecta] rectecta
212
Senis
23.
totum reliquum templi pauimentum simili est stratum opere sed vetustiori et pro1 incremento ætatis minus eleganti: ita vt totam2 huius artificij veluti historiam legere sit in isto pauimento ad summam denique perfectionem adducti: et in lateribus quidem grandibus quadris 103 sibylle exhibentur in media vero naui maioribus orbibus alia quedam circa cupulam quæ longe est media naui amplior (vt pote 64 subnixa arcubus eandem cum naui latitudinem habentibus) varię sunt ex veteri testamento historiæ.
24.
nobilißimum autem est frontispicium precipuum transparens vndique minutißimeque celatum et tot signis exornatum vt nisi ab5 intuentibus ægre6 concipi animo res tam elaborata possit.
25.
Cæterum non est ex prima architectorum designatione perfectum templum: nam quæ duæ nunc partes templi mediam nauim constituunt eę designati dumtaxat templi ale esse debebant conspiciturque adhuc versus Episcopium longissimus quinque7 arcuum tractus similibus quibus reliquum templum columnis subnixus cum fornice ad mediam nauim laterali futuro, cui partem ex altera parte respondentem deijci curauit princeps -/- [pag. 200] Matthias cum nouum e latere templi amplißima area intermedia palatium moliretur: quod quia placet in formam insule8 redigere: deijcietur fortassis etiam altißima
1
pro] ex per corr.
2
totam] ex totum corr.
3
10] 12
4
6] 8
5
ab] ss.
6
ægre] post conspici exp.
7
quinque] septem e sex corr.
8
insule] post d exp.
Senis
213
illa structura, quæ similiter vt alterum frontispicium1 celatis marmoribus exornanda primarium factura fuißet frontispicium cæterum quæ tunc forma chori factura fuißet (cum ad vnicum dumtaxat arcum extra cupulam nunc procurrant templi alę) non potui diuinare. 26.
turris a dextro latere templi inter alæ flexum quadrata assurgit similiter vt reliquum opus virgata et superne satis venusta.
27.
Inspecto templo deducti ad Illustrissimum Archiepiscopum sumus < ......... > Piccolomineum < ......... > eius qui tam præclara in Germania ac Belgio gessit Ducis Amalfitani germanum fratrem qui auctor fuit vt adiremus2 Patrem Azzolinum Dominicanum3 versatissimum in historia rebusque Senensibus de quibus iam duos tomos edidisset in lucem, alios de sanctis ac Beatis Hetrurię prælo paratos habens.
28.
eo ergo post prandium singulari humanitate nos deduxit idem qui antea Eques Ludouicus: sed quod in rem nostram faceret nihil4 apud eum reperire potuimus conquerentem5 in status publici mutatione vrbisque direptione omnia vetera monumenta perijsse
29.
templum Patres Dominicani vastißimum habent6 nullo laqueari tectum intra nudos propemodum parietes, cuius alę tria vtrimque sacella habent: pendet autem ex monte ea ratione vt infra pauimentum chori tantum supersit ædificij quantum supra illud eminet.
1
frontispicium] frontißpicium
2
adiremus] ss.
3
Dominicanum] Domicanum
4
nihil] post magno exp.
5
conquerentem] ex conquirentem corr.
6
habent] habet
214
Senis
30.
hinc ad forum à foro1 ad portam Camuliam ambulauimus quo senensis populus ad Diui Bernardini imitationem pictam supra portam Dive Virginis effigiem salutaturus frequens ambulat festis præsertim diebus. hic ipsum principem in multo rhedarum comitatu bis obuium habuimus. quem antea salutaueramus per scalas curię descendentem venientemque ab inspectione noui theatri quod ibidem in amplißima aula curat perelegans construi ad comœdiarum exhibendarum commoditatem:
31.
scena ipsa multiplici ac facili mutatione variatur ipsumque eius laquear nunc liberum cælum exhibens, nunc laquearis inaurati structuram pulcherrimam omnia ex legibus perspectiuæ circumcirca2 theatrum ducitur ad eam quæ est ipsius scene altitudinem duobus primum assurgens gradibus inde duplicem veluti porticum habens, vbi spectatoribus honoratioribus singulis bis 303 distincta spatia in modum exiguæ camere supra quas peribolus columnaris instructus statuis totum opus coronat: locus Principi ad spectandum destinatus supra aditum longe intra caueam procurrit vt in eo præcise puncto consistat vnde perspectiue totius lineæ aptißime ad oculum veniunt.
32.
ingruentibus tenebris domum Princeps redijt, ad quem post aliquam moram introducti humanißime excepti sumus iussique nos sedere4 et quacumque vellemus lingua Jtalica, Gallica, Teutonica vel Latina vti: ita per horule vnius spatium de operibus nostris, quorum tomos 4 ab Domno Ludouico allatos super mensam habebat: de templi elegantia de palatij et theatri structura de populi Senensis præclaro ingenio de Pontifice, Rege Angliæ atque inprimis de militia ipsius Germanica
1
ad forum à foro] ss.
2
circumcirca] e corr.
3
30] post dis exp.
4
sedere] tegere
Senis
215
cuius pars magna fuit1 equitatui ad obitum vsque Gustaui Prefectus, et omnibus in pugnis posterioribus2 presens, sumus collocuti -/- [pag. 201] ac demum sero vespere in rheda cum facibus deducti ad collegium quo etiam Domnus Ludouicus nostra causa vinum honorarium duplicis generis miserat. 33.
10 Octobris Feria II mane inuitatu Domni Ludouici ad locum bibliothecæ cathedralis accessimus ibique eum iuuimus in conficienda indice librorum in vno ex scrinijs pridem latentium, et quidem numero magno ac manuscriptorum characteribus elegantißimis3: quos inter nullus in rem nostram nisi Sancti4 Athanasij vita quædam nobis ignota et geminum exemplum historiæ Austrię5 ab Ænea Syluio conscriptę, cuius notam confecimus in gratiam Domini Geuartij eius editionem meditantis mittendam6 ad Jnternuntium in Belgium.
34.
Post prandium nos Laurentius duxit ad varias bibliopolorum7 officinas in quarum vna plereque earum quas desiderabamus sanctorum Senensium vitę et historiæ Senenses repertę sunt.
35.
deinde ad Patres Carmelitanos in quorum templo sane capaci nec ineleganti ad dextrum chori latus8 lipsanotheca9 pulchre sculpta et inaurata post fenestram vitream cernitur in qua Beati Franci Senensis
1
fuit] post eo exp.
2
posterioribus] prioribus
3
elegantißimis] elegantißimus
4
Sancti] ss.
5
Austri,] post Æ exp.
6
mittendam] mittendum
7
bibliopolorum] ex bibliopalarum corr.
8
latus] post in exp.
9
lipsanotheca] post sane exp.
216
Senis
corpus ac supra loculum eiusdem pictura elegans: 36.
altare maius marmoreum et elegans pluribus (vt plura Senis) assurgit gradibus quibus sex Angeli insistunt stipantes tabernaculum venerabilis sacramenti ad instar scyphi ex candido marmore constructum in lateribus autem templi 4 aut 51 altaria sunt, vnum cæteris ornatius elegantißimumque Virgini de monte carmelo consecratum
37.
aberat a conuentu Prior, quem vero alloquuti sumus Patrem is spem exiguam faciebat aliquid Lombardelli aut Fermi2 vitis antiquius de Beato Franco accipiendi.
38.
Denique iuimus ad Patres Augustinianos qui et ipsi habent amplum multisque vetustis altaribus ornatum templum quorum maius alterumque laterale Gentis Chisiæ erant alterum familiæ < ......... > supra quod in marmorea arca pariete inserta corpus Beati Augustini Nouelli cum antiquißima eius pictura et 4 insignium miraculorum historia. huius antiquam vitam à Patre Marcellino Senensi quem primo obuium Pater Godefridus fuerat alloquutus, geminam accepimus alteram in pergameno alteram in charta3 scriptam variamque de cultu eiusdem Beati notitiam alijsque ordinis beatis: dono item dedit impressam Beati Nicolai Marescotti vitam; et quidquid vltra subsidij posset in nos conferre humanißime ac libentißime addixit:
39.
habent hi patres amplißimum monasterium duobus constitutum quadris quorum interior area porticubus amplis 9 et 7 arcuum circuitur.
40.
11 Octobris Feria 3a. mane fuimus occupati describendis ijs quæ pridie inueneramus quando etiam Pater Marcellinus ad nos attulit in-
1
5] post satis elegant exp.
2
Fermi] post sa exp.
3
charta] e corr.
Senis
217
strumentum1 authenticum de cultu eiusdem Beati Augustini et deprehendimus etiam Beati Nicolai Tolentini antiqua miracula in eodem libro cum vita eius contenta nobis deesse. 41.
post meridiem perreximus obire monasteria in quibus spes esset aliquid reperiendi et primum proximum Sancti Martini templum, quod patrum item Augustinianorum est2, ascendimus per magnificas scalas vtrimque reductas frontispicio magnifico necdum ad culmen adducto est vero interius ornatum templum3 pulchra ex ceruleo saxo coronide sub qua vtrimque altaria -/- [pag. 202] tria medio eorum cæteris augustiori preter altare maius eaque quæ sub alis sunt crucis quas4 proportionata fabrice cupula iungit.
42.
cæterum rogatus is qui Jliceti5 nouitijs pręerat negabat hoc in templo vllam cuiusquam sancti aut beati memoriam esse ex traditione haberi quemdam Brandanum cum Beati appellatione et titulo Prophetę Senensis hic sepultum sed locum nesciri nec vllum cultus vestigium superesse.
43.
Patres Jesuati paruum habent sed venustum templum sub fornice6 quinies arcuato: sub primo arcu odeum est sub vltimo maius altare marmoreum7 sub reliquis tribus in sinistro latere tria sunt altaria intra parietem ter in modum hemicycli reductum:
1
instrumentum] e corr.
2
est] post ing exp.
3
templum] post mag exp.
4
quas] quam
5
Jliceti] Lyceti
6
fornice] fonice
7
marmoreum] post in si exp.
218
Senis
44.
quem hic alloquuti sumus promisit variam de Beatis ordinis instructionem1: in suo autem templo2 memoriam ostendit Beati Antonii Bettini Episcopi Fulginatis ex ordine, sub candido marmore eius effigie insculpto, cuius corpus sub maius altare locaturus Episcopus miraculose prohibitus fuit ne inueniret, et cultum aliquem habeat ex accursu fidelium.
45.
Patres Seruitę maximum habent templum cuius media nauis 5 vtrimque saxeis columnis sustinetur quod a sinistris altare est tertium Beati Joachimi3, in eius tabula pictus est ipse dum sacro inseruit raptus sub consecrationem in exstasim cereo quem manu tenebat permanente suspenso in medio aere:
46.
infra hanc incluse4 marmoreę arce reliquię ne porro à superioribus minuantur caput seorsim in sacristia asseruatur. corpus olim in altari maiori fuerat sed post combustionem eo translatum est. fit de eo officium per totum ordinem et lectiones Romę approbatę ibi hærent donec officium proprium concedatur.
47.
super altare quod est in ala dextra crucis capsa est lignea affabre facta et ampla, cuius anteriori parte sublata ostenditur per vitrea latera integrum corpus Beati Francisci Patricij5 hæc arca dominica infra octauam ascensionis solenniter defertur ad medium templum erecto ad eum finem altari ad quod perpetuo sacra, sed de tempore, fiunt. monumenta antiqua petentibus oblata sunt Ordinis Latina chronica que iam habebamus. aliud videbatur nihil posse sperari.
1
instructionem] post hic exp.
2
in suo autem templo] ex hic corr.
3
Beati Joachimi] ss.
4
incluse] ex inclusam corr.
5
Beati Francisci Patricij] ss.
Senis
219
48.
hinc ad Franciscanos Scarpantes progressi vidimus amplißimum templum ab incendio restauratum nouo imposito tecto ordinatisque concinnius fenestris, ad cuius vtrumque parietem altarium vniformium ordo constructus1 in eorum quæ destructa sunt2 locum quorum iacturam dolebat vehementer prior:
49.
altare maius nouum atque pulcherrimum Deo sacerdoti Deoque victimæ inscribitur3. nec aliud intra arcum unum4 continet quam marmoreum tabernaculum spatio proportionatum remonstrantię perfecte formam habens5 post altare chorus est vtrimque vero sacella 4 per crucis alas, quibus ex aduerso per easdem alas duo capaciora sacella respondent: marmorea item in ipsis alis altaria nouiter erecta sunt mutuo respicientia.
50.
sed nulla sancti alicuius aut Beati memoria6 de qua inquirentes Prior ad Obseruantes extra vrbem dimisit cum Patre Marcellino erudito sene et inquisitore acturos.
51.
est illud monasterium aspero ascensu descensuque longius dißitus amenißimo loco templum exiguum quidem sed uenustum7 satis duplicem anterioris nauis8 -/- [pag. 203] in quatuor arcus habet lateraliter diuisum sub quibus iuste profunditatis sacella maius altare sub tholo est reliquo fornice non multum altiori post quod chorus aliusque
1
constructus] construetus
2
sunt] post q exp.
3
inscribitur] post tabern exp.
4
unum] num
5
habens] post utrimque exp.
6
memoria] memoriam
7
uenustum] ex inuenustum corr.
8
nauis] ex navim corr.
220
Senis
locus in quo Diui Bernardini Senensis habitus asseruatur 52.
Cellam eiusdem monstrauit Prior Pater vandeVenne ex vtroque parente Antuerpiensi Parisijs natus cognatus Zypeorum iuxta quam ingressus in eius bibliothecam vbi omnes quibus vsus est libri catenis vincti seruantur à nemine efferendi ex his plures eius manu scripti1
53.
refectorium in quo vinum libauimus satis amplum est ex eius fornice quinque dependebant lampades cœnaturis lumen sufficiens prebiturę.
54.
cæterum nihil hic eorum que querebamus suggestum fuit: solum hoc aiebant Patrem Azzolinum excußisse omnia. Beatam Tobiam Ptolomeam Bernardini auitam nullum omnino cultum habere. de quodam ordinis martyre aliud non sciri quam quod pro fide fuerit Babylone occisus. ita inclinato iam die domum reuertimus.
55.
12 Octobris Feria 4. summo mane egressi vrbem pedites versus Jlicetanum Sancti Saluatoris monasterium sesqui horę iter vix trium horarum spatio confecimus: nam et asperrima erat via et initia semitæ per montem ducentis ad conuentum adeo aut nulla aut obscura vt nullo modo percipi potuerint: igitur tritam secundum riuum viam sequuti quod eam speraremus tandem sursum flexuram cum longius nos abduci videremur2
56.
ego per asperas cautes densaque arbusta molitus ascensum demumque in culmen montis pertingens conspexi locum non longe distare, sed nullam quæ eo duceret viam: ergo rursus ad semitam lapsabundus deuoluor totusque à rore inter arbusta hærente et sudore madidus perrexique errare cum socio donec hominem inueniremus qui nos viam doceret.
1
scripti] ex scripta corr.
2
videremur] ex videremus corr.
Senis
221
57.
quo peruenientes maxima excipimur charitate tum à Reuerendo Patre Priore Fratre Bartholomæo Moronti1, tum à magistro nouitiorum quicum pridie egeramus. hi post absoluta sacra laute nos pro temporis opportunitate2 tractarunt et libentißime exhibuerunt manuscripta sui monasterrij ex quibus per duas minimum horas descripsimus que opportuna3 videbantur: minus circa ea laborantes quod eorum quos numerant Beatorum, inter quos facile precipuus Nicolaus Marescottus nullus esset cui aliqua publici cultus species exhiberetur:
58.
sepulta in ambitu corpora nullo vel4 leuißimo qui locum sepulturę5 designet indicio6: quod tamen non obfuit quominus innumeris coruscarent miraculis que cum7 frequentiam quieti eremiticæ minime opportunam allicerent8, inhibitus eorum cultus9 est ad superioris mandatum: indulgentię quoque loco huic ratione dictorum Beatorum concessæ ipsorum Patrum rogatu sublate sunt vetitumque10 ab Episcopis11 populis istis diebus ad locum accedere: de quibus cum in reditu conferremus visum est istud de indulgentijs caput ad probandum cultum
1
Moronti] ex moronti corr.
2
opportunitate] oportunitate
3
opportuna] e corr.
4
vel] post leuid exp.
5
sepulturę] post seg exp.
6
indicio] iudicio
7
cum] post qui exp.
8
allicerent] ex alliceret corr.
9
cultus] cursus
10
vetitumque] vetitusque
11
Episcopis] ex Episcopus corr.
222
Senis
licet antiquum1 sufficere atque ad relinquendum ijs in opere nostro beatorum titulum qui a2 toto ijs ordine tribuitur tam in imaginibus quas etiam exponunt in templis quam in scriptis3. ideoque decreuimus postulare vt nobis cetera describerentur. 59.
in vrbem reduces absoluimus que describenda restabant de miraculis Sancti Nicolai Tolentinatis -/- [pag. 204] equos conduximus, lora stapedes, aliaque à quibus minus bene instructi eramus comparauimus curauimusque vt in horam 16 sequuturę diei esse possemus ad iter expediti
Florentiae eiusque in agro 1.
13 Octobris feria v Equitem Ludouicum de Vecchijs quoniam ab vrbe aberat per litteras salutauimus prosperrimeque vecti sumus vsque Tabernulas vulgo Tauenelli sereno celo et via commodißima vsi per amenißimam montibus vallibus fluuijs distinctam regionem
2.
ne tamen nullam ea die molestiam sentiremus fecit primum vetula quedam que ad ipsum vię se florentiam vertentis caput in alteram nos partem direxit errorene an malitia haud facile dixerim. atque ideo per invia nobis in viam redeundum fuit:
3.
deinde libellus Postarum index qui barberinum exiguum oppidum perperam4 post tabernulas locans quatuor milliarium5 intervallo non modica sollicitudine perturbauit, ratos6 cum Barberini nos esse audi-
1
antiquum] antiquitatum, fort. pro cultus antiquitatem
2
a] ss.
3
scriptis] post ij exp.
4
perperam] ss.
5
milliarium] post spatio exp.
6
ratos] post nos exp.
222
Senis
licet antiquum1 sufficere atque ad relinquendum ijs in opere nostro beatorum titulum qui a2 toto ijs ordine tribuitur tam in imaginibus quas etiam exponunt in templis quam in scriptis3. ideoque decreuimus postulare vt nobis cetera describerentur. 59.
in vrbem reduces absoluimus que describenda restabant de miraculis Sancti Nicolai Tolentinatis -/- [pag. 204] equos conduximus, lora stapedes, aliaque à quibus minus bene instructi eramus comparauimus curauimusque vt in horam 16 sequuturę diei esse possemus ad iter expediti
Florentiae eiusque in agro 1.
13 Octobris feria v Equitem Ludouicum de Vecchijs quoniam ab vrbe aberat per litteras salutauimus prosperrimeque vecti sumus vsque Tabernulas vulgo Tauenelli sereno celo et via commodißima vsi per amenißimam montibus vallibus fluuijs distinctam regionem
2.
ne tamen nullam ea die molestiam sentiremus fecit primum vetula quedam que ad ipsum vię se florentiam vertentis caput in alteram nos partem direxit errorene an malitia haud facile dixerim. atque ideo per invia nobis in viam redeundum fuit:
3.
deinde libellus Postarum index qui barberinum exiguum oppidum perperam4 post tabernulas locans quatuor milliarium5 intervallo non modica sollicitudine perturbauit, ratos6 cum Barberini nos esse audi-
1
antiquum] antiquitatum, fort. pro cultus antiquitatem
2
a] ss.
3
scriptis] post ij exp.
4
perperam] ss.
5
milliarium] post spatio exp.
6
ratos] post nos exp.
Florentiae eiusque in agro
223
remus totidem milliaria constitutum terminum preteruectos qui adhuc sesqui milliario ab eo aberamus. -/- [pag. 204] 4.
14 Octobris feria 6. inuitauit nos oblatę societatis oportunitas vt tribus ante auroram horis discederemus ex hospitio commodo alioqui1, atque ita Sancti Cassiani burgum magnum et elegans2 9 milliaribus Florentia dißitum3 plena adhuc nocte transiuimus solius lunę luce adiuti, et nisi tardius processißemus propter impeditos sarcinarijs equis socios potuißemus prima diei hora Florentiam peruenire.
5.
peruenimus autem ad Collegium nostrum circa 14 diei cum vno fere ab vrbe miliari transiuißemus Carthuziam in edito colle sitam et amplum circumcirca spatium muris complexam à quo exinde domus perpetuas aut hortorum macerias continuo habuimus tractu:
6.
miratique sumus Vrbem, nisi quod vitreis fenestris careat, alicui ex Belgicis pulchriori simillimam in eo etiam superiorem quod plateę omnes non tantum latę sint sed etiam ad lineam ductę
7.
Arnus eam interluit et 4 ad precipuas plateas pontibus stratus ornamento simul est et commodo magno ciuitati: quem nos transiuimus eiusdem cum cęteris longitudinis id est 5 arcuum grandium ad capita statuis ornatur marmoreis 4 anni tempestates representantibus:4
8.
alius illo largior5 per quem à veteri est ad nouum palatium transitus vtrimque argentarijs tabernis ad instar plateę cingitur, quibus ex vno latere superinducitur clausus vndique tectusque meatus per ingens omnino spatium commoditati Ducum seruiens si quando clam volunt
1
alioqui] post et exp.
2
elegans] post hoc verbum plena exp.
3
dissitum] post nisi quod per exp.
4
representantibus] post alijsque exp.
5
largior] e corr.
224
Florentiae eiusque in agro
de vno in alterum palatium transire 9.
in1 compitis sine concursu viarum varię cernuntur erecte statuę et columnæ inter quas ante curiam ingens ex ophito columna porphyricam iustitię imaginem sustinet: alibi hercules de centauro victor inter precipua opera spectandus visitur.
10.
locus mercatorum conuentui destinatus, Bursam vocant2, fornice alto et arcuato3 tegitur quem quadruplex quinque4 columnarum series sustinet.
11.
collegium nostrum inter Diui Laurentij et Cathedrale templum opportunißimo situ tantum -/- [pag. 205] templum ei iunctum absolutum omnino est non magnum illud quidem sed populi capax pro5 cruce tres maiores arcus sunt ad secundam6 vsque coronidem pertingentes horum in alis profunditas modica in capite vbi altare maius tanta est vt fornicato in orbem tholo istic sacra tegantur. sub vtraque coronide pilę geminate sunt7 inter quas confessionalia quatuor picture quadrate ac deinde Apostolorum exigue statuę demumque longiores picturę tria item arcuata sacella desuperque oratoria totidem ac supra secundam coronidem fenestre ferme quadratę:
1
in] post omni exp.
2
vocant] post quatruplici exp.
3
arcuato] post teti exp.
4
quinque ] sex F
5
pro] e corr.
6
secundam] secundum
7
sunt] sumt
Florentiae eiusque in agro
225
12.
ad frontispicium quod ex patrio ceruleo1 lapide admodum sectili vsibusque quibusuis accommodo2 factum interius adiunctum odeum est supra 1am coronidem ab vno ad alterum latus ductum
13.
Templa nulla alia3 vacauit hoc die videre: cum varios ad quos litteras habebamus4 prestaret adire et dati nobis socij commoditate vti: ex his domi abfuere aliqui et quod minime voluißemus Dominus Dati Ducali bibliothece prefectus.
14.
ab Vgellij fratre responsum accepimus scripta illa que nobis ille communicata volebat pridem inter manus puerorum et qui eos docebant magistrorum se domo absente perijsse.
15.
Abbas Vallumbrosanus Sanctæ Trinitatis Dominus Tamburinus libris de iure Abbatum scriptis percelebris amicißime nos excepit ostenditque duos ingentes tomos maximis sumptibus à se curatos quorum prior in singulis paginis singulas5 effigies6 continebat pedestres eorum qui ordines militares instituerunt in habitu illius ordinis suis accuratißime expresso coloribus super basim in qua inscriptio institutionis caput, tempus, patrocinium indicans.
16.
alter liber eorum habebat imagines similes qui crucem in manibus vestibus insignijs dignitate præcipui gestauere. que cum fuerint in æs incisa atque7 ita impresse imagines suis illuminate coloribus erunt haud dubij curiosißimi sed caro comparandi pretio libri.
1
ceruleo] ss.
2
accomodo] post ceruleo exp.
3
alia] ss.
4
habebamus] post nob exp.
5
singulas] ss.
6
effigies] ex effigiem corr.
7
atque] post int exp.
226
Florentiae eiusque in agro
17.
Jn palatio denique cuius augustißimam fabricam alias opportunius describemus conuenimus Dominum Hypolytum Ducis famulum Brugensem nepotem Domini < ......... > hic suasit vt prius quam facultatem adeunde bibliothecæ peteremus ad ipsum magnum ducem salutandi causa veniremus: promptam eam licentiam fore non tamen ad extrahendum libros omnibus hactenus negatam:
18.
hic etiam Patrem Gabrielem < ......... > conuenimus Archiducum Oeniponti concionatorem qui in comitatu Serenissimorum1 Ducum2 ad honorandas cognati principis Nuptias huc profectorum3 socius Confessario ducis datus; libenter suscepit opus nostrum, cuius nullum quod sciebamus Florentię exstabat exemplum Magno duci ex occasione commendandum significauitque se inito nobis auctoribus cum Meursio commercio nouißime 1000 florenos transmisiße pro libris Archiducali bibliothecæ à se coemptis.
19.
15 Octobris: Sabbatum: dum litteras ad varios paramus superuenit Jllustrissimus Carolus Strozzi Senator Florentinus ad quem ab Vgellio litteras habebamus is nos ad bibliothecam -/- [pag. 206] manuscriptam suam quam amplam habet instructißimamque amice deduxit indeque 4 fasces membranarum vitas4 Sanctorum continentium protulit, in quibus illustria quedam et multum à nobis desiderata reperimus: ex quibus deinde duos ad collegium misit quo commodius quę vellemus describerentur.
20.
post meridiem Reuerendus Pater Rector ad Magnum ducem nos introducturus ad nouitiatum venire iussit vbi a viceRectore sumus ad prandium in diem sequentem inuitati.
1
Serenissimorum] ex Serenissimi corr.
2
Ducum] ss., infra Leopoldi exp.
3
profectorum] profecti
4
vitas] ex de vitis corr.
Florentiae eiusque in agro
227
21.
cæterum profectio ad palatium irrita fuit cum Dux iamiam rhedam conscendere vellet: itaque domum regressi litteras expedijmus et exorsi sumus Strozzianorum codicum transcriptionem.
22.
16 Octobris Dominica post horas aliquot scriptioni impensas ad Nouitiatum iuxta portam Pinti situm discessimus factisque ibidem sacris cum Archiducis Tyrolensis confessario aliquamdiu egimus deinde prandio ibidem lauto sumus refecti:
23.
hortus hic spectabilis est in 16 diuisus pergulas quas sepes buxeę sesquipedem1 altę vnum latę ambiunt et ex lateribus singulis terne cytreorum pomorum arbores supra sepem æqualiter eminentes ad ingressum dextrumque latus 12 columnis nixe veluti porticus ducuntur tecte vitibus per ferreas crates in modum fornicis ductas currentibus a sinistris longum veluti horreum ducitur ad vsus varios
24.
hortum claudit laurea sylua probe attonsa per quam prospectus in fontem macerię extremæ iunctum sed artificialem nec nisi sublata per anthliam aqua currentem post maceriam vinea inequali Situ tenditur ad vsque menia vrbis.
25.
Pater Vice-rector multa mecum de suis studijs communicauit ostenditque opus bene magnum quo vniuersam fere historiam complexus2 de linguis3 primis hominumque presertim per Europam colonijs varia speculatus presertim circa mare caspium pontum Euxinum mediterraneum inferum et superum quæ post diluuium naturaliter nata credit4 confluentibus ad humiliores regiones aquis paulatim atque his ogygium et Deucaleoneum diluuium tribuit. Jtaliam à solis Gomeri
1
sesquipedem] sesquidem
2
complexus] post fere exp.
3
de linguis] delinguis
4
credit] post crescentibus ad exp.
228
Florentiae eiusque in agro
posteris habitatam eiusque1 angustijs coarctatam Latinam linguam ex eius opinione2 è3 matricibus vnam Gomeriorum autem caput Auximum fuiße in quo nomine singularum scrutatur litterarum mysteria vt interpretationem inueniat. 26.
Encyclopediam quoque veterem assequutum se existimans per circulos moralem Philosophiam ac mysticam representando librum quoque ea de re bene magnum scripsit.
27.
alterum de vita cuiusdam rustici cum magnis inditijs sanctitatis à quinquennio mortui et miraculis in vita ac morte clari ita vt etiam ad 7 mortuos suscitatos referat. nec non alia plurima. quæ ingenium hominis et profundam speculationem arguunt Schrickio vel Becano comparandum
28.
domum reuersos inuisit Dominus Antonius Magliabechius4, is cuius frater5 Romæ ad Patrem Godefridum6 accesserat7 Florentiam eum inuitaturus, cum Domino < ......... > qui modo in Bibliotheca Medicæa Euagrium8 cum Manuscriptis confert rogatis Valesiorum. censuitque Principem potius Leopoldum adeundum nobis esse vt quam primum aditum haberemus ad bibliothecam ad eumque se nos introducturum sequenti die promittebat, ac prout vellemus ad alias quasuis bibliothecas ac doctos viros quos operis nostri studiosos nouuerat: sup-
1
eiusque] post ang exp.
2
opinione] opininione
3
è] post pat exp.
4
Magliabechius] Mirabel
5
cuius frater] ss., infra qui exp.
6
Godefridum] post fratrem exp.
7
accesserat] post eius nomine exp.
8
Euagrium] ex Eugrium corr., post p exp.
Florentiae eiusque in agro
229
pleturus vices Domini Dati bibliothecarij -/- [pag. 207] 29.
17 Octobris Feria II iterum Dominus Antonius adfuit et primo ad videndam Sancti Laurentij bibliothecam sane spectabilem deduxit est ea ex sinistro latere Basilicæ Laurentianę1 atriumque omni architecture ornatu instructum habet necdum plene perfectum
30.
ex hoc per scalas ex Michaelis Angeli bonarotæ2 delineatione constructas artificio raro ascenditur ad locum instar porticus longum qui3 vtrimque fenestras habet4, coronidem duplicem5 nec laquear modo eleganter compositum sed ipsum pauimentum ita ex cocta6 argilla albente rubenteque variegatur vt artificiosißimum commißi ex ligno operis floridi opus videre te putes. ita minute sunt figure aliaque ornamenta in eodem expressa
31.
plutei vtrimque < ......... > in quibus vel subtus catenati7 iacent libri optime alioqui compacti et superinductis velis a puluere defensi Manuscripti omnes ex quibus pars dimidia Regi olim Galliæ dono mißa nomen adhuc seruat Bibliothecæ Medicee Parisijs
32.
Hinc sumus ad Serenissimum Principem Leopoldum ducti qui per horam et mediam fere nos audiuit tanto studio vt apud Fratrem magnum Ducem nuntiantem se egredi ad spatiandum excusari se curarit quominus cominus comitaretur. oblatum de tribus Dagobertis librum meumque carmen gratum habuit et legit ex parte fauoremque
1
Laurentianę] ex Laurentij corr.
2
bonarotæ] bona rotæ e corr.
3
qui] ss.
4
habet] ex habent corr.
5
duplicem] duplicem et inter
6
cocta] post latere exp.
7
catenati] e corr.
230
Florentiae eiusque in agro
apud fratrem omnem adducens iußit quoties opus esset fidenter ad se recurrere 33.
Post meridiem primum in Laurentiana Bibliotheca eodem Domino Antonio comitante notauimus quæ tum in vno codice latino describenda occurrebant
34.
deinde ad Conuentus Sancti1 Marci Patrum Dominicanorum bibliothecam iuimus que2 habet eiusdem cum Bononiensi structure triplicem fornicem quorum medius altior sustinentibus columnis vtrimque 113 quibus nunc pulchra ex nuceo ligno respondent scrinia reticulis ferreis munita sublatis4 pluteis priscis ex quibus multi libri perierunt quantumuis catenati:
35.
necdum in ordinem redacta erant manuscripta Latina ergo inspeximus omnia nec pauca inuenimus nostris vsibus seruitura in codicibus quos nobis bibliothecarius Magister < ......... > Becutius seposuit nostro commodo sed intra bibliothecam seruituros cum quid ex ijs vellemus describere.
36.
18 Feria III ceptum beneficium continuare voluit Dominus Antonius nosque primum ad Benedicti Ordinis Abbatiam duxit ab Vgone comite Othonis Jmperatoris affini Hetruriæ præfecto cum octo alijs monasterijs eidem Ordini ædificatam quapropter marmorea ei erecta statua in impluuio et insigne monumentum in sinistra templi ala
37.
quod perfecte crucis formam habens elaboratißimo tegitur laqueari5 quattuor sacella habens ad singulos scilicet angulos vnum per quæ
1
Sancti] SS
2
que] quam
3
11] 12
4
sublatis] post ex exp.
5
laqueari] laquearia
Florentiae eiusque in agro
231
forma exterior quadrata fit et chorum post maius altare in hemicyclum procurrentem sic tamen vt fere sit à reliquo templo seclusus:
1
38.
inuenta sunt in bibliotheca nonnulla quibus deinde describendis oblata facultas.
39.
hinc ad Sanctæ Crucis vastißimum monasterium itum intra quod ambitus 9 et 11 intercolumniorum1 hic bibliotheca manuscriptis copiosa per bis 35 pluteos distributis in quibus tamen preter prologum2 -/- [pag. 208] ad vitam Sancti Alexandri martyris atque Adonis martyrologium nihil repertum.
40.
post meridiem ad Cisterciensium Abbatiam Cistellum dictam iuimus vbi abbas olim Ferdinandus Vgellus bibliothecam instruxit libris3 in qua nihil pro nobis reperimus et galeriam picturis4 in qua ostensa nobis vna5 est ab eodem curata exhibens Sancti Bernardi arborem id est claros sanctitate ex6 ordine Cisterciense viros quorum7 per singula sæcula veluti per ramos disposite gentilitię tessere nomen cuiuscumque circumcirca expressum habebant.
41.
Apud Patres Dominicanos Sancte Mariæ Nouelle plus lucri factum bibliotheca altis elegantißimisque exornata scrinijs sub sculptis egregie arcubus titulos inauratos habentibus complura manuscripta habet eorumque vitas qui in isto monasterio sanctitate claruerunt:
intercolumniorum] quod supra ss. et exp., alam eius vnam in supra quam est
ædificij aula videlicet in qua celebratum fuit concilium Flore exp. 2
prologum] prelogum
3
libris] ss.
4
picturis] ss.
5
vna] ss., infra pictura exp.
6
ex] post ex exp.
7
quorum] ss.
232
Florentiae eiusque in agro
42.
inter quos Beatus Joannes Sancti Dominici socius et templi ac monasterij fundator et Beata Villana vtraque sepulchrum ex opposito et monumentum marmoreum habent cum circumsculptis miraculis ante quod lampas iugiter ardet dieque anniuersario altare exstruitur sacris ibidem faciendis et1 exponendis ad publicam venerationem reliquijs capitis eodem2 processionaliter deferendi3
43.
amplißimum hoc quoque monasterium est ambitusque tam magnus vt supra dextram illius alam Concilium Florentinum celebratum sit quam partem nunc vicinis monialibus ad instantiam magni ducis4 ceßere vnico dumtaxat reperto Patre Capocci ibidem cum opinione sanctitatis defuncto et honorifice tumulato contradicente5 postulationi ducis in capitulo fratrum proposito6. quem solum cerebrum habuiße audito rei euentu dux affirmauit. ostenditur ibidem adhuc sacellum in quo Pontifices quatuor sacra fecere.
44.
templi frontispicium marmoreum est totius interius ea symmetria structurę vt Bonarota celeberrimus architectus sponsam illud suam vocare fuerit solitus.
45.
Pater Magister Dominicus Leonius quidlibet describendi commoditatem obtulit ostenditque etiam duos ingentes libros processuum pro canonizatione Beate Catharinę de Ricci et Beatæ Rosæ Limanæ in Peruuia. posterioris7 vitam ille componendam habebat ostendebatque
1
et] post cum reponen exp.
2
eodem] post cum solenni cel exp.
3
dieque ... deferendi] cit. in ActaSS, Sept., III, pag. 626.
4
ducis] post concedere exp.
5
contradicente] post pro exp.
6
proposito] ex preposito corr.
7
posterioris] prioris
Florentiae eiusque in agro
233
preter italicas plures1 recusas Latinam vnam manuscriptam neutra tamen ad nos spectat propter bullam Vrbanianam cultusque publici defectum. 46.
19 Octobris Feria IV. eodem quo antea duce adiuimus Bibliothecam Omnium Sanctorum apud Obseruantes commendati litteris Domini Augustini Coltellini aduocati excusantis quod ad nos visendos non accederet propter infirmitatem Reuerendissimi Patris Confessarij2 Magni ducis:
47.
sed in ea nihil repertum vti nec in bibliotheca Patrum Carmelitarum apud quos venerati sumus corpus Beati Andreę Corsini proxime ad3 crucem templi in altum propria in theca4 eductum super altari eidem consecrato: et socij eius Beati Angelini sub ara5 ad chorum dextera reconditi sublato ad emanationem bulle innocentianę omni publico cultu6 lampadum et anathematum: sperabant tamen se vitam eius antiquam Latinam reperturos.
48.
iuimus denique ad conuentum Sancti Spiritus Patrum Augustinianorum vbi diu frustra exspectauimus eum penes quem claues bibliothecæ erant
49.
interim7 mirati sumus augustißimam pulcherrimi templi fabricam cui anteriorem nauem hinc inde decem columne sustinent: quibus
1
plures] pluries
2
Reuerendissimi Patris Confessarij] Reuerendissimo Patri Confessario
3
proxime ad] ss., infra prope exp.
4
in theca] intheca
5
ara] post quod exp.
6
cultu] post lanp exp.
7
interim] ex ititerim corr.
234
Florentiae eiusque in agro
ad extimos parietes -/- [pag. 209] respondent totidem dimidiate1 coactoque nouis limbis in arctiorem formam spatio totidem altaria intra2 eorundem parietum conuexitatem: hæc columnæ non modo altę sunt sed duplicibus insuper ornatę3 capitellis altius quoque ipsos arcus quam passim fieri solet4 attollunt ac tres reliquas crucis formande partes gemino ex omni parte intercolumnio circumeunt5 quibus similis forme altaria respondent in ambitu exemplo nusquam alibi viso 50.
arcubus coronis tam alta vt duplex videri possit imminere eam arcte alteque fenestre sequuntur rursumque limbus cui sub tecto laquear construendum imponi deberet:
51.
mediam crucem cupula6 continet globoso fenestras sub conuexo supra7 geminum limbum rotundas habens: sub hac cupula altaris maioris egregia ex marmore surgit structura super quod eximium pretiossimi lapidis tabernaculum deinde conopeum illustre8 marmoreum pilis quatuor totidemque ad eas columnis sustentatum: circumit deinde peribolus marmoreus totum quod sub cupula est9 complexus spatium cuius circumferentia ipsas angulares columnas attingit intra quod satis alte eductum chorum suum habent religiosi
1
dimidiate] e corr.
2
intra] post parietis exp.
3
ornatae] onerat,
4
solet] ex solent corr.
5
circumeunt] post essent simi exp.
6
cupula] post ///// exp.
7
supra] intra
8
illustre] illustr,
9
est] est et multo amplius
Florentiae eiusque in agro
235
52.
par templo sacristie est et reliqui monasterij1 magnificentia. hic nos primus eques < ......... > in Cathedrali Canonicus salutauit: et due Pisani professores iste vero2 post meridiem iterum ad nos accessit cum Domino Antonio ituros ad Conuentum Patrum Seruitarum. sed preuenit eum Dominus Spanheimius iuuenis Gallus Caluinista sane doctus et curiosus cum Abbate Falconerio
53.
quibus dimißis iuimus quo intendebamus introductique in bibliothecam sane magnifice exstructam intra quam3 cathedra professoris subselliaque pro discipulis in amphiteatri sermonalis formam circumducta: reperteque hic vita4 antiqua manuscripta Beati Joachinis immo et Beati Franci Senensis Carmelite apud ipsos carmelitas frustra quesita nec italica Beate Julianę Falconeriæ cuius reliquias5 videre distulimus in diem sabbathicum quando illic essemus ad imaginem miraculosam annuntiate sacrum facturi.
54.
hic etiam Patrem Generalem Ordinis auctorem epitomes Jtalicæ in historiam Concilij Tridentini Cardinalis Pallauicini virum sane humanißimum conuenimus qui ordinis sui Beatos commendans etiam rogauit vt aliqua occasione6 imaginis suæ miraculorumque ad eam factorum vellemus meminiße. visusque est Martius quod in eum annuntiationis dies incidat ad hoc conuenientißimus. litteras etiam quales alij dederant Generales commendatitias obtulit.
1
monasterij] ss., infra templi exp.
2
et due ... iste vero] ss., infra qui exp.
3
quam] e corr.
4
vita] e vite corr.
5
reliquias] post nobis osten exp.
6
occasione] post mira exp.
236
Florentiae eiusque in agro
55.
apud Camaldulenses multa quidem manuscripta reperimus sed quod in rem faceret1 nostram omnino nihil.
56.
nec pretereundum quod ante prandium adiuerimus Apostolicum nuntium2 cum libello3 supplici petierimusque vt qua facultate nobis per pontificem in bibliothecis Romanis vti licuit ad efferendos libros describendos non obstante contrario sub excommunicatione prefecto eadem in bibliothecis nuntiature ipsius subiectis cum bona prefectorum gratia vti liceret: id enim benedictini Dominicanique vt faceremus suggesserant prompti ad libros exhibendos.
57.
Cathedrale quoque templum et Baptisterium sub Vesperam vidimus quorum augustißime fabrice describendę nec non ei vicinæ turris alias erit opportunitas maior. -/- [pag. 210]
58.
20 Octobris Feria V Dominus Antonius extra vrbem nos duxit ad Abbatiam Fesulanam quam Canonicis Regularibus Sancti Saluatoris Cosmus dux Hetrurię pater patrię appellatus exstruxit in cuius bibliotheca multa quidem manuscripta nec nulla ad rem nostram facientia sunt reperta
59.
sub altari ex candido marmore cui insititium opus minutius intercurrit elegans4 ac grandis est lipsanotheca in qua trium sanctorum recondita corpora de quibus quidquid haberi ex archiuio poterit: nam per Abbatis absentiam eo non patebat accessus curaturum se Dominus Antonius promisit
1
faceret] ex feceret corr.
2
nuntium] nunctium
3
libello] e corr.
4
elegans] post maxima/ exp.
Florentiae eiusque in agro
237
60.
Adhæret templo vetus sacellum rotundum in quo crucifixus Beato Romulo vt creditur et Beato Philippo Benizio locutus ante hoc1 puteus vnde vetus loco nomen poggio sancto2 in quo latere creditur corpus Sancti Romuli primi Episcopi Fesulani: quidam certe episcopus dum hic oraret annulus ei in puteum decidit, quem inde cruentum extractum cum deportaret ad proximum altare aliquot sanguinis gutte in gradus cecidere quapropter lapis ea parte crate3 est ferrea ne temere calcetur munitus4 monstratur ibidem antiqua tabula indulgentiarum locum eum visitantibus concessarum5.
61.
Sita est hæc Abbatia vno fere ab vrbe miliari extra eam portam quæ nunc ob ingressum per eam nouæ nupte porta Aurelianensis vocatur ad pedem6 eius montis7 supra quem Fesulæ olim fuere nunc inter vtrumque montis iugum ecclesia cernitur collegio canonicorum et episcopali titulo adhuc gaudens ex qua idem Dominus Antonius curaturum se quoque si qua essent monumenta promisit.
62.
Post meridiem ipse rursum adfuit cum Domino Andrea Caualcanti viro egregio nobili et litterato qui vitas Beatorum aliquot familię suę promittens comes nobis ad vesperam vsque fuit primum ad nuntium vnde desideratam facultatem abstulimus deinde ad Sanctam Mariam nouellam8 atque ad Abbatiam vnde tamen propter superiorum absen-
1
hoc] hunc e corr.
2
sancto] post ubi reco exp.
3
crate] ex cratibus corr.
4
munitus] munitis
5
concessarum] post P exp.
6
pedem] post eorum exp.
7
montis] montes
8
Sanctam Mariam nouellam] Sancte Mariæ nouelle
238
Florentiae eiusque in agro
tiam nihil eorum quæ desiderabamus auferre licuit. euntibus deinde etiam Dominus Spanhemius occurrit domumque deduxit commendatitias ad Patrem Kircherum litteras postulans à Patre Godefrido. 63.
21 Octobris Feria VI Totum tempus matutinum perijt ad Sanctam Mariam Nouellam exspectantibus Patrem Priorem vt cum eius bona gratia auferre liceret manuscripta quedam1 iuxta Nuntij Apostolici facultatem qui demum domum rediens negauit in ea re quidquam se posse absque Patrum Consiliariorum consensu qui ab Vrbe absentes exspectandi essent ad dies aliquot.
64.
post meridiem absoluimus examen librorum Græcorum aliorumque manuscriptorum in Sancti Marci conuentu inter quæ reperta2 menologij pars dimidia forte eadem cum menæis excusis. quod reliquum diei fuit impendimus in Bibliotheca Medicea Sancti3 Laurentij.
65.
22 Octobris sabbatum celebrauimus ad miraculosam Annuntiate Virginis imaginem in templo Seruitarum quod veteri4 structum opere vtrimque sex habet sacella5 sub arcubus infraque coronidem geminum abacum per totam nauim circumductum plenum votiuis statuis ad viuum expressis: chorus rotundus est intrinsecus6 atque vastißimus sub cuius coronide 97 arcus sub ijsque sacella seu altaria circumeunt8 supra coronidem vero fenestre sunt. altare annuntiate1 ingredi-
1
quedam] post ad exp.
2
reperta] ex repertam corr.
3
Sancti] Sanctorum
4
veteri] post p exp.
5
sacella] post inter exp.
6
intrinsecus] post extrinsecus exp.
7
9] 7
8
circumeunt] circumeant
Florentiae eiusque in agro
239
entibus ad sinistram est ad imaginem olim in pariete pictam ornatus omnis altaris argenteus2. 66.
ante sacrum exhibitę nobis fuere reliquie Beatæ Julianę Falconeriæ in capsa inaurata caputque similiter in statua pectorali: pro cuius canonizatione, et alterius ex primis institutoribus eiusdem nominis Dominus < ......... > Falconerius 20 millia scutorum legauit ad annos 20 legitimis augenda fructi- -/- [pag. 211] bus intra quod tempus si nihil Romæ effectum fuerit capitalis summa conuertetur in marmoreum altare seu sacellum quo dictę reliquie honestius collocentur quod proximo anno futurum aiunt.
67.
post sacrum benignißime datę sunt tum eę quas petebamus vitę describendę tum dono annales alijque libri spectantes ad ordinem cum litteris ab Reuerendissimo Generali ad omnes suos commendatitijs.
68.
templo præstructum est atrium porticu circumductum quarum arcus militaria arma3 tropheorum instar composita ornant amplißima deinde4 ante atrium patet area quam tam ex parte templi quam ex vtroque latere 13 arcuum porticus cingit: in medio duos fontes habens labris ex ęre egregie laboratis instructos equestremque ex ære statuam
69.
Postmeridiani5 temporis partem6 in bibliotheca Sancti Laurentij egimus.
70.
23 Octobris Dominica tota domi mansimus7 scriptione occupati.
1
annuntiate] post versus exp.
2
argenteus] ex argentius corr.
3
arma] post to exp.
4
deinde] post vtrim exp.
5
Postmeridiani] ex Postmeridianum corr.
6
partem] ex partum corr.
7
mansimus] ex mansibus corr.
240
71.
Florentiae eiusque in agro
24 Octobris Feria II Rhedam ab amico sumptam adduxere nobis Dominus Antonius et Dominus Michael Arminius qua sumus ad Carthusiam vecti 3 o milliario dißitam ab vrbe super collem1 ad duorum riuulorum confluxum P
P
72.
primo ingressis offertur spatiosum atrium ex vtroque tam2 templi3 quam porte4 interioris latere porticum in latum habens nouem arcuum sed clausorum5 cuius atrij triplo6 minor profunditas hinc inde 7 apertis arcubus continetur.
73.
templum vetus sed venustißime instauratum prima sui parte crucem constituit æquilateram reductis introrsum quatuor angulis sub quibus proportionata loco altaria sunt:
74.
per alam sinistram ingressus in monasterium datur per dextram in sacellum Acciaiolorum quod ipso templo maius ac latius perfecte crucis formam habet tribus instructum7 altaribus.
75.
chorus pretioso stratus marmore picturis insignibus exornatus sub fornice elegantißime picto est ad tres arcus cruciformes protenso: sub tertio eorum altare est ex candido marmore cui frontale ex ligno inaurato aptatum quod tamquam si phrygij operis foret sectum cuiusuis post se coloris fundum admittit pari ornatu altaris et vsus8 facilitate:
1
collem] post inter exp.
2
tam] ss.
3
templi] post latere porticum sed clam primæ exp.
4
quam porte] porte
5
clamorum] post atrij exp.
6
triplo] ex driplo corr.
7
instructum] instructam
8
vsus] post varietate exp.
Florentiae eiusque in agro
241
76.
ad dextram sacellum erat magnifice nitidum supra altare loco tabule duabus valuis clausę reliquiariæ erant thecæ pulcherrimo disposite ordine1: in his 4 grandes veteris operis hermę quarum vna integrum Sancti Joannis Chrysostomi caput continebat: altera2 vnius ex societate Sancte Vrsule duae3 cæterae4 caluarias Sancti Syluestri Pape et Sancti Dionysij Areopagitę: his accedebant 4 herme minores recentioris operis et Diui Brunonis pectoralis statua grandis5 in medio cæterarum constituta: inter cæteras quoque reliquias 4 de6 corona domini spine in cruce argentea, et crinium Beate Virginis coloris castanei floccum modicum elegantißime inclusum thece cuius basim7 Protoplasti sub arbore noxia sedentes occupabant: 4 item argenteis in brachijs claudebantur ossa brachialia Sanctorum Basilij, Theodori, Barbare, Timothei. index preterea Sancti Joannis Damasceni aut medius digitus suis adhuc neruis vngui ac pelli herens.8 et in alio vaso pars ingentis maxille medium pedem longę cum 4 molaribus totam occupantibus quam volebant Sancti Christophori esse addebantque iudicatos fuiße humanos à medicis quod tamen difficulter crediderim
77.
hæ alięque plures reliquie ab monasterij fundatore9 hic repositę fuerunt accepte Athenis vbi ex Acciaiolorum familia 7 continui princi-
1
ordine] ss., infra opere exp.
2
altera] alterum
3
duae] duo
4
cæterae] cætera
5
grandis] grandio; s ss.
6
de] post sp exp.
7
basim] post Ad exp.
8
hereris] post et pars exp.
9
fundatore] post acce exp.
242
Florentiae eiusque in agro
patum tenuerant sub imperio Latinorum -/- [pag. 212] capsa in qua vna cum alijs1 cimelijs grecis deportate fuere reliquiæ adhuc monstratur2 in sacristia ad sinistram chori conformata in valuas armarij3 sacri intrinsecus quidem 4 sanctorum pictis distinctas4 imaginibus extrinsecus vero ex argento inaurato laminis vestitas. 78.
sub templo aliud est eiusdem formæ templum vbi ad dextrum altaris eductum alte monumentum Fundatoris Nicolai Acciaioli Siciliæ et calabriæ seneschalli cum priscis inscriptionibus, cuius æterna salus Dive Birgitte reuelata legitur. ante altare vero tres ex candido marmore lapides sepulcrales quorum alteri filij alteri sororis insculpta imago.
79.
hic etiam conditum est corpus Beati Nicolai Albergati, sed locus nullo indicio signatur: cultum eum aliquem habere Bononiæ vbi quotannis à quadam confraternitate imago eius processionaliter circumferatur docuere: monumenta manuscripta et impressa omnia Romam mißa ad Cardinalem Ludouisium
80.
summa nos charitate Boni illi patres excepere: monasterium quod nobis ostendere vlterius non5 describo quod huius modi descriptionibus haud facile deinceps inuenturus6 sim tempus:7 iam enim de rerum agendarum statu et modo vsu ipso edoctus tam multa cœpi per me solus agere vt quam diu Florentiæ substitimus nunquam habue-
1
alijs] alij
2
monstratur] ex demonstratur corr.
3
armarij] e corr.
4
pictis distinctas] ss., infra depictis hab exp.
5
non] nos
6
inuenturus] euenturus
7
tempus] post ex exp.
Florentiae eiusque in agro
243
rim tempus ab1 alia et in rem nostram vtiliori occupatione vacuum, ne vnius quidem dimidiæ horæ2: ergo simpliciter deinceps itinerum3 et rerum precipuarum conscribemus indicem nec quidquam addemus aliud nisi quæ circa memoriam cultumue beatorum visa audita obseruata adnotanda fuerint ne dentur obliuioni. 81.
25 octobris mane nos contulimus ad bibliothecam Sancti Laurentij vt scriptori greco nobis ad aliquot dies oblato materiam designaremus. obtulit illum Dominus Franciscus Redi Patricius Aretinus4 Medicus Duci carißimus Hetrusco Latinoque sermone cultißimus et Grece bene doctus. qui deinceps summo nos fauore prosequutus quidquid monumentorum sacrorum Aretio aut aliunde habere potuit suis impensis nobis describendum curauit, et quidquid Latine scriptum ei obtulimus: tamquam suam rem nostram agens et affectum suum honorario vino bellarijsque mißis testatur sæpius. Cæterum in Bibliotheca materiam et occupationem inuenimus pro pluribus mensibus et monumenta Greca etiam quam Romæ pulchriora5.
82.
post meridiem exercitia Spiritualia inchoauimus.
83.
1 o Nouembris bene mane in templo nostro 4 votorum professionem emisi in manibus Patris Lidani Colanelli tunc rectoris deinde ad regendum Nouitiatum translati substituto in locum Rectoris donec ille veniret Laureto Patre Antenorio. fuerat hic dies vtpote omnibus sanctis sacer tamquam omnium auspicatißimus à me optatus. P
P
1
ab] post m exp.
2
horæ] hora
3
itinerum] ex itineram corr.; post terminos exp.
4
Aretinus] e corr.
5
pulchriora] pulcrhriora
244
Florentiae eiusque in agro
84.
2 Nouembris cœpimus in Bibliotheca Sancti Laurentij scribere et vsque ad 29 Decembris continuauimus scriptionem1 et grecam quidem vsque ad 15 Decembris semper à mane in vesperam quinis dumtaxat diebus exceptis ibidem occupati: quo propter vicinitatem in toga et bireto ibamus clauibus à custode acceptis aperientes ipsi nobis claudentesque. -/- [pag. 213]
85.
4 Nouembris inuitati ad villam suburbanam2 iuimus aut domum potius nam3 fundos adiunctos Pater Mastrilius Prouincialis nimia facilitate cessit hæredibus legatoris fideiussum cuius nullum afferre poterant iudicium pretendentibus. ibidem 9a huius recreationem communitati curauimus ratione professionis meę.
86.
21 Nouembris ipso Presentationis Mariane festo apud annuntiatam4 celebrauimus vbi nobis ex sacrario ostensus liber Manuscriptus elegantißime in membrana5 argenteis celaturis pretiosus continens omnia monumenta Beati Philippi: quem nobis deinde humanißime per suos describendum curarunt. inter reliquias etiam nobis monstratas vidimus maxillam6 seu mentum inscriptum nomine Beate Elisabethæ Senensis sed nihil7 aliud de ea nos docere poterant8:
1
scriptionem] post ex quibus Greca exp.
2
suburbanam] suburrbanam
3
nam] post villas exp.
4
annuntiatam] annuntiataM ex annuntiatas corr.
5
membrana] post aureis exp.
6
maxillam] post infe exp.
7
nihil] ss., infra nullum exp.
8
poterant] post eodem die varia à Domni Caroli Strozzi manu Manuscripta accepi-
mus. in Diui Petri Maioris templo venerati sumus corpora Sancti Benedicti monachi et Beati Joannis exp.
Florentiae eiusque in agro
245
87.
27 Decembris sacrum fecimus ad corpus Divi Antonini1 in templo Diui Marci initium daturi descriptioni vitarum2 istic repertarum3 nisi abfuißet domo Pater Magister Becuci penes quem clauis erat capse in quam necessarios nobis codices reposueramus.
88.
post meridiem Domino Carolo Strozzi retulimus Manuscripta quæ ab eo plura habebamus eodem deducente ad bibliothecam Sancte Crucis monstranteque Beate Humiliane vitam omnia disposuimus vt postridie istic4 inciperemus necessaria describere5 prout factum est celebratis ibidem 28 sacris summo mane.
89.
Anno 1662.6 Kalendis Januarij post meridiem petijmus monasterium Sancti Saluij 2 o ab vrbe lapide extra portam Crucis, vbi Sanctus Bernardus7 Parmensis Abbas olim nunc eiusdem Vallumbrosanæ Congregationis moniales degunt: totę tunc turbatę propterea quod abdicatis monachis iuberentur e clero confessarium admittere: P
90.
P
et memoriam quidem Latinam de Beata Margarita que extat Jtalice apud Rassium non reperimus vti sperabamus: sed antiquam vitam Latinam Sancte Humilitatis8 cuius ibi corpus super altari proprio integrum: subtus autem capsella continens Beatę Margaritę ossa. quam vitam Abbatißa promittebat Florentiam se mißuram ad aliquem ex
1
Antonini] post al exp.
2
vitarum] vitam
3
repertarum] post si (nisi ss. et exp.) domi fuis exp.
4
istic] isthic
5
describere] ex descrifere corr.
6
1662] post 1 exp.
7
Bernardus] Bernardas
8
Humilitatis] ex Felicitatis corr.
246
Florentiae eiusque in agro
nostris sibi notum postea tamen à capitulo efferri prohibente1 impedita inuitauit vt ad monasterium denuo rediremus que vellemus descripturi. 91.
2 a Januarij summo mane egressi adiuimus Abbatiam de Ripolis sperantes illic à nobis inueniendum Generalem ordinis Vallumbrosani: sed is in ciuitatem pridie venerat retulimus autem inde vitam Sancti Joannis Gualberti scriptam per Andream Januensem2 ex Beato3 Attone presertim et Beato Andrea de Strumis.
92.
ibidem Venerati4 sumus corpus Beati Benedicti Abbatis olim istius monasterij quod in sacello ad chorum sinistro sub altari collocatum inspeximus ligneę arce operculo sublato integrum in habitu monachali solebat ea arca 20 Junij aperiri frequenti populo accedente: quem diem annuo ieiunio etiam nunc monachi ibidem preueniunt nunc solis paschalibus festis id fit
93.
arcę ex parte interiori hæc verba inscripta hic iacet corpus Beati Benedicti Abbatis sub altari quod nouum5 est aureis litteris hæc inscriptio legitur. Deo Optimo Maximo in hoc altari priuilegiato corpus Beati Benedicti Abbatis anno Domini 1205 defuncti pietatis et deuotio- -/[pag. 214] nis ergo recondi fecit6 Fecit sepulcrum venture mortis memor Pater Dominus Anthimus Martellus de Ripolis Preses Generalis Vallumbrosę anno Domini MDCXXIII
P
P
1
prohibente] post p exp.
2
Januensem] Ganuensem
3
Beato] in marg.
4
Venerati] Veneratis
5
nouum] post hæ exp.
6
fecit] exp.
Florentiae eiusque in agro
247
94.
3 Januarij Passinianum profecti pedites1 sub occasum solis2 peruenimus singulari caritate ab religiosis excepti3:
95.
vbi postridie peractis ad corpus Sancti Joannis Gualberti sacris cum in archiuio instrumentorum civilium locupletißimo nihil in rem nostram inueniretur derepente consilium cepimus reduertendi in vrbem et vsque ad oppidum Sancti Cassiani pedites euntes istic equos sumpsimus confectis ea ratione infra quinque horas sedecim Jtalicis milliaribus.
96.
6 Januarij renouata sunt in collegio vota: post meridiem Domini Giraldi locupletem libris et omni alia raritate ornatißimam bibliothecam domumque lustrauimus Patre Glarea Rhetorices professore4 eo nos iam pridem inuitatos ducente:
97.
quomodo etiam 8 Januarij deducente Domino Antonio vidimus bibliothecam alteram Marchionis Caponij et ipsam à libris instructißimam.
98.
9 Januarij ad villam5 quam Soldo nominant inuitati iuimus: quod reliquum fuit temporis6 ab initio anni relegendis Grecis scriptis impendimus.7 hunc eundem diem Florentina ciuitas festum habebat ob Ducatum in mediceam familiam populi voluntate stabilitum electo Cosmo maximi ingenij et rare virtutis iuuene post eius qui per vim populo impositus fuerat miseram cædem à consanguineo perpetratam
1
pedites] post ser exp.
2
solis] post ad exp.
3
excepti] excerpti
4
professore] professores
5
villam] post quod exp.
6
temporis] e temporibus corr.
7
impendimus] post hoc eodem die exp.
248
Florentiae eiusque in agro
99.
Pridie que erat Dominica infra octauam epiphanię precipua templi nostri solennitas fuit ratione sodalitij per Patrem Ottonelli multis ab hinc annis instituti1 sub titulo Sanctæ Conuersationis Jesu Marię et Josephi luminaribus2 plusquam quadringentis in altari et per templum ardentibus.
100.
11 Januarij Absoluimus in bibliotheca Sancte Crucis et post meridiem exorsi sumus scribere in bibliotheca Sancti Marci Fatrum Predicatorum vbi inter cætera complures de Sanctis ordinis illustres vitę presertim3 per Franciscum Castilionensem.
101.
Deinde cancellariam quam vocant operę id est fabricę ecclesiæ cathedralis deducente Carolo Strozzio adiuimus ibique excussis varijs legendarijs nihil inuenimus quod4 describi oporteret preter translationem Brachij Sancti Philippi Apostoli quam postridie à prandio descripsimus5 in cubiculo ad id nobis parato ibidem cuius et clauem nobis dederant vt quandocumque vellemus eodem vteremur:
102.
absoluißemusque ante vesperam nisi Domini Caualcantius ac Magliabechius inde nos abduxißent inspecturos lusum pilę ob natalem Serenissime Duciße eo die annuatim institui solitum in area Sancte Crucis amplißima, qui et locum nobis in vna domuum super ipsam aream prospectum habente preparauerant.
103.
sequenti ergo die expedito quod supererat in cancellaria vix aliud nobis circa6 ciuitatem supererat quam Sancti Saluij monasterium: sed
1
instituti] ex institute corr.
2
luminaribus] e corr.
3
presertim] e corr.
4
quod] post indig exp.
5
descripsimus] e corr.
6
circa] ss., infra intra exp.
Florentiae eiusque in agro
249
multa adhuc greca relegenda1 in bibliotheca Laurentiana huic ergo rei incubuimus donec Dominus Antonius facultatem eius monasterij adeundi nobis expediret: hoc autem dum lentius agitur et gelu continuatur resoluimus tandem dilatam diu in montes peregrinationem exordiri. -/- [pag. 215] 104.
15 Jgitur Januarij Domenica die licet2 resolutum in nebulam densißimam gelu celum obscuraßet egressi vrbe sumus Vallumbrosam versus quo iter primum facile fuit secundum Arnum deinde per milliaria 5 difficillimus in arduos montes ascensus sed singularis Patrum Vallumbrosanorum charitas presertim Domini Laurenti Foresterarij fecit vt ab lassitudine cito respiraremus3: noctem hanc in eodem cubiculo duximus et in eodem lecto Pater Henschenius in quo Sanctus Carolus Borromæus fuit exceptus hospitio:
105.
monasterium ipsum situm4 in amena planitie5 multisque irrigua fontibus ac lacubus (vnde magnus quotannis ex glacie probatißima prouentus) bis exustum eleganter ac splendide fuerat restitutum. templum antiquum sed vsibus monachorum accommodum.
106.
in quo postridie sacra fecimus ijsque absolutis ab optimo sene loci Abbate cum precipuis religiosis nostrum e sacrario egressum prestolantibus fuimus salutati: deinde ad bibliothecam ducti legendaria istic antiqua examinauimus: post meridiem sacrarij reliquias6 et templi ornamenta vidimus: ac deinde cepimus que inueneramus describere.
1
relegenda] post super exp.
2
licet] post mutat exp.
3
respiraremus] e corr.
4
situm] ss.
5
planitie] ss.
6
reliquias] post vi exp.
250
Florentiae eiusque in agro
107.
17 Consilium erat paternum vbi archiuium totius ordinis precipuum adire: sed quia Procurator religiosus illic1 propter Sancti Antonij festum vicino aliquo in oppido celebrandum domo abfuturus erat alio vertimus cogitationes assumptoque duce Puppium descendimus vnius fere diei itinere:
108.
qui locus in colle planitiem magnam vndique habente situs translato illuc è Strumis Sancti Fidelis monasterio ornatur et corpore Beati Torelli in istius monasterij ecclesia celebri apud indigenas culte quiescente.
109.
Fuimus hic excepti benignißime2 eo3 magis quod veluti hospitalitatis nobis solennius exhibende tesseram sex turdos ab Foresterario ad Priorem dono ferremus: quibus pluribusque adiunctis ferculis cena instructa. hic noctem eam fere insomnem duxi propter dolorem dentium: vt ne ergo frustra vigilarem perrexi describere quam vesperi precedente inchoaueram Beati Torelli antiquam vitam in primo4 statim5 congressu nobis oblatam ab Abbate: qua absoluta inspectisque post dicta postridie sacra templi reliquijs6 expediti fuimus ad discessum.
110.
18. ducem è monasterij famulis nobiscum sumpsimus Aluernie montem petituri verum is non satis intellecta mente nostra nihil minus opinantes stitit nos ante fores camaldulensis monasterij paulo post meridiem:
1
illic] illic degunt
2
benignissime] post max exp.
3
eo] eo quod
4
primo] ss., infra ipso exp.
5
statim] post ad exp.
6
reliquijs] post f exp.
Florentiae eiusque in agro
251
111.
spatiandi causa plerique religiosi aberant: et tarde omnia agebantur tandem exhibitum nobis prandium fuit post1 vesperas religiosum vnum reperimus istic Namurcensem qui per monasterium nos circumduxit tandemque sed serius intelleximus bibliothecam non hic sed in superiori asceterio id est ipsa sacra eremo Camaldulensi esse2 cuius loci potissimum veneratione ducti huc accederent peregrini:
112.
quibus hic in -/- [pag. 216] valle exstructum hospitium in magnum deinde monasterium excreuißet vbi senes debilesque monasticam3 in commune vitam viuant ceteris superius sigillatim eremiticam exercentibus quorum priori esset hic locus subiectus.
113.
19. Sursum ascendimus et in ornatißimo istic4 templo sacrificauimus: ducti ad bibliothecam5 bene instructam coniectos in vnius lateris scrinia codices manuscipti sigillatim excußimus omnes: in quibus tamen nihil repertum sed intra libros impressos inuenta fortuito est multarum vitarum manuscripta collectio: inter quas complures à nobis desideratę: hanc vna cum libro Greco, in quo Domnę et sociorum vitam non agnoscebamus primum eam6 esse que sub titulo Jnde et Domnes paßim extat in metaphraste, obtinuimus vt deorsum ferendam curarent:
114.
quo et ipsi descendentes à prandio accessimus ad archiuium7: quod admodum copiosum scriptis an aliquid in rem nostram contineret
1
post] post me exp.
2
esse] post cum locum priori exp.
3
monasticam] e corr.
4
istic] isthic
5
bibliothecam] post conge exp.
6
eam] post ee exp.
7
archiuium] post sed ad exp.
252
Florentiae eiusque in agro
scire nequiuimus: propterea quod nullus adesset index1 et2 qui monstrare debuißet cancellarius tyro etiamnum cæterum huius fratri per plures in eo archiuio annos versato commißa erat cura inuentarij conficiendi quod dum fieret promittebant facturos se vt idem notam nobis suo tempore mittendam sumeret eorum3 scriptorum que ad sanctos forte pertinere inuenirentur. sub vesperam coepimus4 allatos iam libros5 excutere diligentius inuenimusque in illo latino codice non paucorum dierum opus: sed quod octiduum facile requireret 115.
20 igitur Januarij: solus ego sursum ascendi vna ante solis ortum hora ad lucem stellarum albescentisque paulatim aurore quanta potui celeritate: factoque sacrificio in sacello Pontificio ita dicto quod Gregorius ix illic ante Pontificatum spiritum exercuerit cardinalis iunctam cellam habitans ipsumque magnis indulgentijs honestauerit (in quo et corpus6 Conuersi, qui ibidem ei ministrans Pontificatum ipsi predixit, requiescit)
116.
Priorem conueni virum toto vultu moribusque Angelicum et Beato Francisco Salesio totius faciei compositione serenitateque simillimum qui benigne annuit petitioni meę vt liber iste latinus (nam Grecum referebam) Florentiam mitteretur maiori commoditate describendus: omniumque que in sacristia asseruantur Beatorum corpora mihi iussit exhiberi:
117.
quibus ex voto peractis cursim descendi ad Patrem Godefridum qui et ipse iam sacrificauerat sumptoque raptim ientaculo in iter nos de-
1
index] post nec exp.
2
et] ss., infra nec exp.
3
eorum] ex earum corr.
4
coepimus] post ex exp.
5
libros] post describere aliqua sed exp.
6
corpus] post qui ibi exp.
Florentiae eiusque in agro
253
dimus Aluerniam versus in quo ter1 à recta via exerrauimus maximo cum laboris impendio vltima presertim vice quamuis tunc oppidi apud quem vini hausti gratis refecti fueramus curatus nos aliquo vsque viam ostenturus humaniter deduxißet: ascendimus enim in montem vnde descendendum nobis transmittendi fluminis causa fuit in preceps sursumque in accliue connitendum in quo transitu Pater Godefridus2 non satis pleno saltu vsus fluminis impetu auferente baculum quo temere nitebatur in aquas cecidit minori suo quam3 optimi rustici qui nos in viam reducendos susceperat dolore 118.
ac tandem sero vespere in oppido fatigati ad monasterium peruenimus vbi honestißimo quo viros primarios -/- [pag. 217] dumtaxat introducere consueuerunt excepti cubiculo et luculento igne recreati omnia ad votum habuimus preter cœnam in qua sola piscium salsamenta apposita cum aselli arefacti oleo conspersi frusto4.
119.
21 Januarij5 Sacrificauimus eo ipso in loco vbi seraphico Francisco sacra diuinitus impressa stigmata memorantur qua de causa in singulis quæ6 eo de misterio in sacro recitantur orationibus signanter7 additur aduerbium Hic.
120.
reliquias deinde super altari proprio magnifice collocatas vidimus atque inter eas ossa Beati Joannis de Aluernia et alterius Beati Mariani8
1
ter] tertio
2
Godefridus] post fallente exp.
3
quam] post oppi exp.
4
frusto] frustro
5
21 Januarij ... atque ornatu] cit. in ActaSS, Aug., II, pag. 454.
6
quæ] e corr.
7
signanter] ex signantur corr.
8
Mariani] post p exp.
254
Florentiae eiusque in agro
per plures diuisa lipsanothecas pari omnino quo reliquiæ cætere cultu atque ornatu: 121.
causas1 cur nulle antiquę scripturę ostenderentur precipuas aiebat Guardianus2 primum quod Conuentuales cum locum illum recollectis cederent propter nimiam asperitatem victusque duritiem secum pleraque abstulißent: deinde quod predecessorum suorum aliquis quidquid forte supererat combußißet inutilia ratus que nec ipse nec suorum quispiam posset legere:
122.
sumpto deinde ientaculo nihilo quam cena hesterna fuerat3 delicatiori viam iniuimus Vallumbrosam redituri commodeque in via inuentis ouis pransi sero vespere ad burgum della collina peruenimus declinato de industria Poppio primum quod mappe Geographice descriptione decepti4 crederemus notabile nos facere vię compendium cum5 tamen nobis secundum pedem montis in quo situm est oppidum esset transeundum: deinde quod formidaremus difficillimum per tot milliaria ascensum.
123.
in Burgo tenues sed officiosos hospites nacti hilarem pro ea quæ aderat copia cœnam finiebamus cum subito pater Godefridus colore, viribus, sensu destitui ægreque pro stomachi luctantis inquietudine spiritum angustiato pectore ducere6 donec reddito quem sumpserat cibo7, eum, vt vt potui1, in lectum componerem:
1
causas] ex causam corr.
2
Guardianus] ex Guadianus corr.
3
fuerat] post aptiori exp.
4
decepti] ex becepti corr.
5
cum] cum esset
6
ducere] post ad saepta exp.
7
cibo] in marg.
Florentiae eiusque in agro
255
124.
in quo quietam noctem sat commode duxit vsque in posterum diem quo sumptis ibidem post sacra peracta equis per densißimam nebulam ad summos vsque montes peruenimus2 itinere 8 milliarium ad hospitium quod consumma vocatur: vbi prandiolum sumpsimus vixque à barbaro hospite quoniam pluuiam3 minabatur4 celum impetrare potuimus vt nos in uiam aliquousque deduceret Vallumbrosam versus5 iamque paucis à monasterio milliaribus aberamus cum cepimus decidente pluuia madefieri:
125.
sed6 tanta fuit monachorum tamque prompta caritas vt vix intro pedem posuerimus et statim pileos chlamydes, calceos tibilia aquis madentia ante luculentum ignem ablata vidimus atque cum alijs mutata internamque laßitudinem egregij vini haustu depulsam cui mox cena successit.
126.
23 Januarij die Lune que nobis describenda restabant absoluimus et circa solis occasum vno ex religiosis deducente Paternum, insignem monasterij vallumbrosani uillam adiuimus: atque ante cœnam quidquid circa Sanctos Divum Joannem Gualberti presertim in archiuio erat examinauimus nec quidquam reperimus quod mora istic diuturniori dignum esset: ergo postridie peractis ibidem sacrificijs Florentiam pedi- -/- [pag. 218] ter redire perreximus eoque aduenimus mature satis salui atque incolumes.
1
potui] e corr.
2
peruenimus] post ad exp.
3
pluuium] ex pluuiam corr.
4
minabatur] ss., infra erat exp.
5
versus] post qua accedentibus nobis exp.
6
sed] post e exp.
256
Florentiae eiusque in agro
127.
25 Januarij: die mercurij redire cepimus ad bibliothecam Sancti Laurentij: et post octiduum1 descriptis integre Sancti Joannis Gualberti miraculis nonnullisque que supererant2 grecis3 die quodam4 cum Sanctae5 Trinitatis monasterium adiuißemus, intelleximus Ordinis Generalem sollicite de nobis quæsijsse. optauiße certiorem fieri quo die essemus ad illum accessuri ne denuo non frustra venire contingeret:
128.
ergo quoniam religiosus iste6 ad ipsum redibat ipsa illa vespera condiximus nos in crastinum affuturos quod et fecimus sacrisque ibidem peractis eidem cum gratiarum actione retulimus quanta per omnia que adieramus ordinis monasteria7 fuißemus excepti caritate. Post hæc perreximus descripta relegere varia hinc inde tractare negotia paulatimque nos ad discessum disponere.
129.
128 Februarij9 Domenica die ex facultate per Jllustrissimum Nuntium nobis facta adiuimus monasterium Sancti Saluij ibique illo et sequenti quo similiter rediuimus die descripsimus Latinas vitas Sanctae Humilitatis ac Beatae Margharitae ipsumque Sancte corpus integrum super altari vidimus vtroque die illo honesti in eadem in qua scribebamus sacristia prandio refecti
1
post octiduum] ex post prandium corr., infra circa vesperam quidem exp.
2
supererant] post gec exp.
3
grecis] grecis cum
4
post octiduum ... die quodam] in marg.
5
Sanctissimae] S.
6
iste] post eo exp.
7
monasteria] monisteria ex ministeria corr.
8
12] post J exp.
9
Februarij] post Jllustrissimum exp.
Florentiae eiusque in agro
257
130.
14 Februarij vetustam Sancti Miniatis ecclesiam arci noue nunc inclusam ideoque desolatam pulcherrimam alias perlustrauimus deducentibus Dominis Andrea atque Antonio.
131.
bibliopolorum deinde circumiuimus officinas1 nullo fere alio opere pretio quam quod inuenerimus antiqui breuiarij ac diurnalis fragmentum quadragesimale quo per iter vteremur ad officij canonici recitationem: quod istam Breuiarij partem iam pridem Roma misißimus Mediolanum nihil minus cogitantes quam adeo diuturnam futuram moram nostram Florentię festinauimus etiam amicis valedicere
132.
16 Februarij die Jouis post meridiem ducti fuimus ad Galleriam vt vocant magni ducis in qua omnis generis2 raritates artisque et nature congesta miracula nec non antiquitatis omnigene veneranda cimelia per varias aulas ordinatißime disposita: hic primum nobis notitia inita cum Capitaneo de l’arena viro antiquitatis presertim genealogiæ3 scientißimo et vario in rebus sacris profanisque versato nec non circa veterem Hetruscam linguam ex reliquijs inscriptionum antiquarum proferendam in his esse varia meditanti
133.
postereo die ad hortos ducali palatio4 adiunctos inspiciendos deduxit nos Dominus Magliabechius demum apud Dominum Carolum Strozzium varia annotauimus ex eius collectaneis
134.
sub noctem valedicendi causa ad nos confluxerunt Andreas Caualcantius Antonius Magliabechius Carolus Dati Franciscus Redi sincerum affectum suum ipsis etiam testati lacrymis quibus post extremum colloquium discedentium à nobis oculi innatabant.
1
officinas] e corr.
2
generis] post artif exp.
3
genealogiæ] post iurium exp.
4
palatio] ss., infra aule exp.
Pistorij 1.
18 Februarij Die Sabbathi cum Patre Castracani Lucam ad habendas ibi per quadragesimam1 conciones discedenti rheda discessimus. venimusque pistorium vbi collegium exiguum numero sed rectoris industria extra debita constitutum domo et templo nouo instructum habemus omniumque ciuium affectum: qui rhetoricam et humanitatem docebat -/- [pag. 219] recens ex Philosophia magister
2.
per vrbis nos templa postridie circumduxit: et ne in cognoscendis Pistoriensium rebus multum laboraremus datus est nobis à Patre Rectore liber à quodam Cappuccino iam prelo paratus inscriptusque2 Italice la piete di Pistoia ex quo desumptam rerum pro nobis querendarum notam Patri Rectori tradidimus eodem die expositioni repositionique Venerabilis Sacramenti Linteati interfuimus.
1
quadragesimam] quadragesima
2
inscriptusque] e corr.
Lucae 1.
20 Februaris: die Lunę in comitatu Prioris atque Lectoris Monasterij Sancti Fridioni Canonicorum Regularium Lucam equitauimus: eoque mature ante solis occasum aduecti inuenimus vniuersam ciuitatem confluxiße ad moenia ad inspiciendum pilę lusum in quo supra centenos vtrimque hinc albis inde rubris vestibus sericis vniformiter vestiti certabant:
2.
vnde ad hospitium regressi sumus coenam ac deinde quietem sumpturi: sed mihi cui sub ipsum discessum florentia defluens in molarem cauum humor molestus esse ceperat genamque vehementer inflauerat non permisit vt ea nocte dormirem nisi modicum sub auroram 1: quam vigiliam collecta impudicorum iuuenum manus vicino in cubiculo domestice, vt videbatur, meretricis2 post bacchanales epulas Veneri indulgentium multo etiam molestiorem mihi fecit.
3.
21 Februaris: die Martis ante solis ortum adiuimus domum Domini Francisci Marię Florentini nobilis Lucensis Medicique et in omni litteratura versatißimi, quem vt omnino adiremus antequam discederemus3 ex Italia ipse nobis Pontifex auctor fuerat: et is relictis heri à nobis litteris præmonitus prestolabatur aduentum nostrum: obtulit autem non modo quidquid habebat in scriptis: sed etiam vt apud se vellemus hospitari rogauit nec abnuimus:
4.
ducti deinde ab eius filio Mario ad Sancti Fridioni ædem istic celebrauimus Pater Godefridus ad corpus Sancti Richardi ego ad corpus Sancte Sitę quod deinde nobis retegi curauit prior ornatißime collo-
1
auroram] e aurore corr.
2
meretricis] e meretrices corr.
3
discederemus] accederemus
260
Lucae
catum super altare in arca inaurata1 ad mensuram corporis adhuc integri per cristallinam fenestram spectabilis: 5.
vt textum originalem miraculorum haberemus frustra exusti archiuij reliquas lustrauimus tandemque reperimus eum in Faytinellorum familia asseruari eorum ergo vicinam domum iuxta quam aqua in vinum conuersa memorabilis, adiuimus: vnde postridie satisfactum desiderio nostro per Faytinellum de Faytinellis nobilem iuuenem qui membranaceum codicem ad nos detulit vitam et miracula Sancte Sitę continentem: His alijsque que Dominus Franciscus Maria suggerebat describendis impendimus sex solidos dies. nec non excutiendis Ecclesiæ cathedralis legendarijs
6.
27 Februaris die Lunę ędem Diui Michaelis adiuimus concionatorem istic2 nostrum audituri, cuius eloquentia et vere structuosa dicendi ratio omnibus mire probabatur: ibidem deinde sacrificauimus sursumque ad Reuerendum Dominum Decanum qui nos adesse nouerat vocati ab eodem ad prandium detenti fuimus.
7.
post prandium adiuimus in palatio Fratrem Patris Pauli Ottolini tunc ex octo Ancianis vnum qui ex magno nobilium virorum numero sorte ducti cum Potestate summum per men -/- [pag. 220] ses aliquot in republica obtinent magistratum: ac denique menia Antuerpiensibus multum similia vrbemque et monasteria obambulauimus Domino Mario deducente pridie in monasterio Sanctę Clarę coram hospitibus nostris Pater Godefridus celebrauerat; quod illi ibidem filiam haberent cuperentque ex eius manibus ambo communicare
1
inaurata] in aurata
2
istic] isthic
Luca Genuam 1.
28 die Serenato1 cælo quod prioribus diebus crebras ingentesque pluuias effuderat equites Sarzanam petijmus2 transiuimusque Massam Carrararię honestam et ornatißimam vrbem domibus vbique amene pictis cuius3 Dominus4 nonagenario maior5 filio quadragesimum6 egresso annum multamque7 iam prolem habenti hactenus Massæ solius Principi, tandem per mortem cesserat titulum Marchionis Carrarię celebri vrbe à candidi marmoris fodinis vnde templum nostrum Antuerpie extractum. post primam noctis horam ad hospitium Sarzanense peruenimus ibique noctem duximus.
2.
1a Martij vrbem ingressi per unicam que8 nunc patet portam id volentibus Genuensibus ne presidio numerosiori istic9 impensis10 suis contra hetrurię ducem habenti eorum grauetur respublica cui æquis conditionibus Sarzanensis se Vrbs coniunxit, apud Patres Minimos sacrum fecimus
3.
ducti deinde ad Domini Fauoriti ædes, a cuius filio Augustino litteras habebamus et iam pridem fueramus singulariter commendati, accessimus et continuo per Dominum Vincentium Augustini fratrem ad
1
Serenato] post aura exp.
2
petijmus] post extraque exp.
3
cuius] post pri/// exp.
4
Dominus] post octo exp.
5
maior] post tandem exp.
6
quadragesimum ] sexagesimum
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multamque] e corr.
8
que] que 4
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istic] isthic
10
impensis] e corr.
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Luca Genuam
Auunculum Nicolaum Casoni1 ampliores ædes in foro habitantem ducti inuenimus hospitium nobis nobiliter adornatum plenamque2 nostri exspectatione familiam à qua ad Episcopum Spinolam introducti fuimus excepti humanißime: concionatorem deinde sane egregium audiuimus ex Somaschorum familia: 4.
post prandium ducti fuimus ad sacrarium ædis Cathedralis inspiciendum quod post altare Sanctorum Martyrum sane ornatißimum visitur in quo plures insignes reliquię argenteis thecis inclusę ac preterea caput bonaque pars corporis Sancti Eutychiani Papę origine Lunensis3 quod Roma singulari fauore obtentum Dominus Nicolaus Casoni Clero populoque Sarzanensi donauit, cuius solemnis translatio4 differtur donec argenteam bustum vt vocant, insigne confectum fuerit.
5.
sub ipso altari tria corpora Marini scilicet et duorum sociorum iacent ex sardinia sub Episcopi Calaritani testimonio allata quorum ossa suis restituta compagibus filoque argenteo colligata militari habitu pretioso induta conspiciuntur super lectum holosericum remotaque lignea5 valua qui altari pro frontali est per cristallinam fenestram integre videntur.
6.
2a Martij Vrbis Lunensis reliquias equites inspecturi abiuimus post meridiem quæ vasta fertilique in planitie ad modum paucæ supersunt interim inquisitum in commoditatem discedendi: sed mari nimium inquieto equi demum conducti sunt 3a martij qui mulis deinde commutandi essent atque ita segestrim eo die veniendum, quod
1
Casoni] Cazoni
2
plenamque] e corr.
3
Lunensis] Luensis
4
translatio] post ap exp.
5
lignea] post vala exp.
Luca Genuam
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si consequuti fuißemus postridie intra paucas horas secundißimus ventus nos Genuam -/- [pag. 221] appulißet: sed nempe serius discesseramus Sarzana mulasque nacti imbecilliores eramus quam vt Segestrim possemus pertingere vijs presertim per aspera montium tam difficilibus atque preruptis vt non semel necesse fuerit pedibus per vnum alterumue milliare e summis montibus in ima descendere quo Lucis1 licet plene lumen haudquaquam suffecißet: 7.
ergo2 alto adhuc sole tribus dumtaxat confectis postis subsistendum nobis fuit minori cum incommodo quod in transitu Macre3 fluminis socium se nobis iunxisset Pater Ferdinandus Spinola4 Carmelita discalceatus, Pretorie in Belgio equitum turmæ quæ ex quinque turmis Marchionis Spinole posteritati addictis in vnam conflata fuerat per quinquennium ductor5, cuius reuerentia à barbaro hospite honesto pretio honeste habiti reliquum etiam iter securiores confecimus non tamen absque armatorum presidio aduersus grassatores, qui ex ipsis plerumque indigenis nihilo minus quam ipsi quos inhabitant scopuli inductis6 timendi7 dicebantur.
8.
Idem Pater interim dum sacris8 apud Capucinos operamur 4a Marti circa meridiem nauim nobis conduxit: quam ieiuni ingressi spe9
1
Lucis] e corr.
2
ergo] post necdum inclinanter exp.
3
Macre] Arni
4
Spinola] post olim exp.
5
ductor] e corr.
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inductis] indultis ex indultus corr.
7
timendi] post sunt exp.
8
sacris] e sacrum corr.
9
spe] post sp exp.
264
Luca Genuam
bona cito Genuam perueniendi breui nos doluimus secundo, imo omni penitus destitutos vento incumbente in mare imbre denso quo perpluti nautę proximam in littore stationem petiere nosque in cymbam1 translatos destituere in Rapalo transuehendos vnde medij adhuc diei iter Genuam superest, ipsi Segestrim repetiere fide non optima et exacto vltra dimidium eius pretij quod pacti eramus Genuam deuehendi. 9.
1
5a Martij Domenica die equos, quod ignorabamus reductitios genuam vsque conduximus maiori quam par erat pretio pacti vt liceret.
cymbam] post e exp.
Anhang I Papebrochs Bericht über die Reise im Nachruf auf Jean Bolland 1 (…) tertio die Octobris discesserunt ex Vrbe: & biduo post, quia in Bibliotheca Latini Latinij, Ecclesiæ Cathedrali Viterbiensi legata, nihil erat quod ipsos Viterbij detineret; post honorem incorrupto S. Rosæ corpori ibidem exhibitū, processere Senas; vbi eos pridem præstolabatur Illustrissimus Eques, idemque templi Cathedralis Ædilis, Ludouicus de Vecchijs, Pontificis consanguineus. Ad hunc suus in Belgio frater, Apostolicus pro Alexandro VII Internuntius, ipsa Sanctorum Acta transmiserat, futura ornamento amplissimæ ipsius Bibliothecæ, & commendationi Bollandi Socijs. Et fuerunt sane tum apud Illustrissimum ex Picolominea gente Archiepiscopum, tum apud Serenissimum Principem Matthiam, Magni Hetruriȩ Ducis fratrem: quibus fauentibus, ipsoque per omnia deducente Equite, mora nulla fuit, vt quidquid in publicis priuatisue archiuijs erat, circa Sanctorum, maxime Senensium, gesta inspiceretur, & Florentiam transmittendum notaretur. Sed hoc postremum vt fieret, multis deinde litteris curandum fuit. Itaque considerantes Socij, & simul quam difficulter impetrarentur ea, quæ Romam euntes post tergum reliquerāt (locum & codicem notasse contenti, ex quo describi iuberent quæ Romæ non reperissent) magis etiam quia nihil iam reliquum eis spei erat, ad quam se reseruarent; decreuerunt aliquo impendio temporis, quo in ipsis vbi moræ pretium foret locis manerent, redimere ingentes scribendarum perpetuo litterarum molestias; quando nemo est aptior curator negotiorum, quam is cuius ea propria sunt. Scripsere igitur ad Bollandum eoque ipsorum consilium probante a die XIV Octobris anni currentis vsque ad XVIII Februarij anni proximi permansere Florentiæ a mane in vesperam occupati transcribendis sua fere manu Sanctorum Actis. Nemo enim istic inueniebatur, qui operam
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PAPEBROCH 1668, S. xxxiii-xxxiv.
268
Anhang
mercenariam aut vellet aut posset commodare, vetustorum characterum & præcipue Græcorum peritus; sed viri nobiles in ijsdem versati plures quam alibi vspiam, cum Serenissimi Duces omnibus scientijs instructissimi ipsi præbeant se egregios hominum litteratorum Mæcenates, neque alia via facilior quam per eruditionem vulgari maiorem ad ipsorum intimiorem amicitiam accessus pateat. Ergo Florentina nobilitas, quæ officiosa in hospites vndecumque aduectos humanitate omnes Europæ superat nationes, acrius etiam stimulata amore operis inter ipsos notissimi de Sanctorum Actis, ambitiose eam profudit in Socios Bollandi vsque adeo, vt ex ea duo, Andreas Caualcantius & Antonius Magliabechius, quasi ad obsequia eorum conducti iugiter adessent. Propter insignem rerum hominumque tota vrbe peritiam & suum erga Sanctos eorumque Acta zelum studia vincentes amicorum, obsequia famulorum. Etenim disponebant ipsi inter se, quo, quando, quomodo ducendi ad sacram venationem Patres forent; & vt in rem præparatam venirent ac statim possent operi admouere manum, efficiebant per amicos. Quo factum est, vt quatuor mensium spatio plus effectum Florentiæ sit, quam anno integro confici Romæ potuisset, nisi suos istic amanuenses habuissent. Multum etiam proderat Bibliothecæ Laurentianæ, vnde præstantissimus Græcarum Vitarum thesaurus est erutus, ad collegium nostrum vicinia tanta, vt, cum ibi signum daretur ad prandium, inde regredientes ac per posticum admissi in domum benedicendæ cum reliquis mensæ sat mature adessent. Fauit etiam expediendę scriptioni cælum adeo clementem indulgens hyemem, vt nullius fomenti egerent in loco alias frigidissimo, sed a prima in vltimam lucem continuare possent scriptionem modica dimidiæ horulæ quiete per tempus sumendi prandij interpolatam. Sed vt libera esset describendi facultas, agendum apud Magnum Ducem fuit. Cui visendo dum tempus idoneum & commodæ fandi expectantur horæ, Illustrissimus Senator Carolus Strozzi obtulit ex sua Manuscriptorum librorum supellectile copiosa, in quo vtiliter occuparentur ab ipso statim primo, quo aduenerant, die. Apud hunc enim longissimæ ætatis eruditum
Anhang
269
senem summo eius labore & studio collectum erat, quidquid sacram profanamque historiam spectans ex publicis priuatisque tabularijs tota poterat ciuitate haberi, vt propterea ad ipsum tamquam commune oraculum ciuitas tota concurreret siue memoriæ veteres illustrium familiarum, seu Vrbis Senatusque iura ac priuilegia, seu Sanctorum cultus notitiaque requireretur. Habebat etiam antiquos Legendariorum codices non paucos vili pretio olim ab ijs redemptos, qui sali piperique dilaceranda destinauerant æstimandæ antiquitatis imperiti. In his itaque ceterisque eius scriptis cum aliquid temporis noui hospites posuissent & bonam Medicæorum codicum partem scrutati adnotassent ex ijs describenda, ad Serenissimum Ducem Ferdinandum ac Leopoldum Fratrem eius induxit ipsos Franciscus Redi, Patricius Aretinus, vir ob singularem medicæ artis peritiam, Linguæ Hetruscæ elegantiam, politioris Litteraturæ historiæque ac physices scientiam magnam & cultissimos mores gratiosissimus in aula. Itaque non modo benigne auditi sunt de Bollando & opere illius loquentes (quod ipsi magno Duci ex fama, fratri eius etiam ex lectione innotuerat), sed insuper amplissimam potestatem obtinuerunt, quidquid vellent, describendi ex quibusuis seu Latinis seu Græcis Codicibus. Fuit forte inter hos vnus Sanctorum Mensis Maij Acta continens a die XV ad finem, in epitome quidem, sed longe quam in Menæis aut Synaxarijs inueniri solet prolixiori. Cumque eorum Sanctorum essent multi, quorum hactenus primogenia Acta nulla reperta essent, sed nomen solum breuisque memoria in prædictis Græcorum ecclesiasticis libris, Sociorum vnus non nulla spe ductus reliquam istius collectionis partem in aliqua Basilianorum apud siculos monachorum Bibliotheca reperiendi Bollandum consuluit, an illuc nauigaret, interim dum Florentiæ subsistit senior & Medicæis codicibus transcribendis intendit, celerem promittens ante Pascha regressum. Sed ille prudentiori consilio vetuit separari ab inuicem; qui, si quid alteri humanitus accidisset, mutuo erant auxilio conseruandi. Cumque nec mare tutum esset a tempestatibus & a piratis toto Mediterraneo liberius vagantibus
270
Anhang
formidolosum, respondit morte ipsa sibi futurum grauius, si permissu suo in eiusmodi discrimen alteruter incidisset. Terrestre igitur prosequerentur iter & ad se per absentiam ipsorum duplici grauatum pondere & multitudine negotiorum redire quantocyus festinarent; modo nihil, quod agi deberet ac posset, infectum relinquerent in ijs, per quę erant transituri, locis. Tali mandato accepto cum strenue inchoatum vrsissent opus &, quidquid tota vrbe in monasterijs templisque fuit Sacrorum monumentorum, excepissent ipsi, Aretij vero per modo dictum Franciscum Rhedi, Pisis per Ambrosium Chimentellum in ea Academia Professorem eruditissimum, per alios alibi describenda curassent, Vallumbrosam quoque, Camaldulum atque in Aluerniæ montem pietatis & doctrinæ causa pedites excurrerunt. Sumpserunt deinde abeundi licentiam ab amicis tanto affectu tum seorsim singulis tum simul omnibus ad valedicendum confluentibus, vt nemo eorum potuerit continere lacrymas indices minime simulati amoris. Pistorium autem Sancti Attonis Episcopi sedem, dein Lucam progressi sunt, vbi Franciscus Maria Florentinus morabatur, expertissimus Medicus idemque sacra ac profanæ historiæ sciens adeo, vt ipse Sanctissimus Dominus Alexander VII censuerit Patres non posse ex Italia absque insigni iactura discedere, priusquam virum illum conuenissent. Præbuit hic vtrique liberale hospitium, & ex Musęo suo aut aliunde conquisitis Codicibus fructuosæ materiam scriptionis vsque ad Februarij mensis finem. Martium Sarzanæ auspicati sunt, in amplissimis Nicolai Cazoni ædibus magnificè excepti ab illustrissimo illo viro, Augustini Fauoriti auunculo; eius qui Consistorij Cardinalium Romæ, & priuatim ipsius Cardinalis Chisij Secretarius, Bollandi opera faciebat maximi, & Socios tum istic laborantes iuuerat multis in rebus, tum hìc voluerat suo loco haberi. Vbi postquàm triduum expectassent nauigandi commoditatem, eâ tandem propter continuam maris ventorumque inclementiam desperatâ, equites per asperas ac penè inuias rupes profecti sunt Genuam. *
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271
(…) Am 3. Oktober verließen sie [Henschen und Papebroch] Rom und reisten zwei Tage später, weil sie in der Bibliothek des Latino Latini, die dem Dom von Viterbo vermacht worden war, nichts fanden, was sie in Viterbo hätte halten können, nachdem sie dem dort ausgestellten unverwesten Leib der Heiligen Rosa ihre Verehrung erwiesen hatten, weiter nach Siena. Dort erwartete sie schon der Hochwohlgeborene Cavaliere Ludovico de Vecchi, Dombaumeister und ein Verwandter des Bischofs. Sein Bruder, der apostolische Pronuntius Alexanders VII. in Belgien, hatte ihm die Bände der Acta Sanctorum geschickt, damit sie eine Zierde seiner reichhaltigen Bibliothek würden und die beiden Bollandisten empfählen. Und sie hielten sich dann bei seiner Exzellenz Erzbischof Piccolomini auf, dann bei seiner Durchlaucht Fürst Mattias, dem Bruder des Großherzogs der Toskana. Mit deren Unterstützung und unter der Führung des Cavaliere machten sie sich sofort daran, alle Aufzeichnungen über die Heiligen, speziell in Siena, in den öffentlichen und privaten Archiven einzusehen und anzumerken, was nach Florenz geschickt werden sollte. Das Letzte musste aber noch durch viele spätere Briefe auf den Weg gebracht werden. Deshalb machten sich die Reisegefährten aus diesem Anlass auch Gedanken darüber, wie schwierig sie das bekämen, was sie bei ihrer Abreise aus Rom hinterlassen hatten (sie hatten sich damit begnügt, Buch und Stelle dessen aufzuschreiben, was abgeschrieben werden sollte, weil sie es in Rom nicht gefunden hatten), mehr noch, dass sie keine Hoffnung mehr hatten, auf die sie bauen könnten, und beschlossen, an den Orten, an denen es sich zu bleiben lohnen würde, die gewaltige Schwierigkeit, mit viel Zeitaufwand alles abzuschreiben, auf sich zu nehmen, da niemand ein Geschäft besser besorgt als der, dessen eigenes Geschäft es ist. Also schrieben sie an Bolland, und da er ihrem Vorschlag zustimmte, blieben sie vom 14. Oktober dieses Jahres [1661] bis zum 18. Februar des nächsten in Florenz und waren von morgens bis abends damit beschäftigt, Abschriften, in der Regel mit eigener Hand, für die Acta Sanctorum anzufertigen. Denn niemand, der mit alten und vor allem griechischen Schreibschriften Erfahrung gehabt hätte und der sich gegen Bezahlung an diese
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Anhang
Arbeit machen wollte oder konnte, war dort zu finden. Aber Männer aus dem Adel, die in der Beschäftigung mit solchen Gegenständen geübt waren, gab es dort mehr als anderenorts, da hier die Durchlauchten Herzöge in allen Wissenschaften wohlbewandert sind und sich als herausragende Förderer gebildeter Zeitgenossen zeigen und da am ehesten Personen, die auf einem höheren als dem allgemeinen Bildungsniveau stehen, einen Zugang zu ihrem engeren Freundeskreis gewinnen können. Und so überschütteten Angehörige des Adels von Florenz, dessen Freundlichkeit gegen Fremde, die von überallher kommen, die Freundlichkeit in allen Nationen Europas übertrifft und die in diesem Falle auch noch zusätzlich von der Liebe zu dem ihnen gut bekannten Werk der Acta Sanctorum getrieben waren, die Bollandisten mit diensteifrigster Freundlichkeit, die so weit ging, dass zwei Persönlichkeiten aus dem Adel, nämlich Andrea Cavalcanti und Antonio Magliabechi, ihnen beständig zu Diensten waren, als ob sie dafür bezahlt würden. Mit ihrer hervorragenden Kenntnis der Dinge und der Menschen in der ganzen Stadt und dem Eifer, den sie für die Heiligen und deren Lebensbeschreibungen hegten, waren sie engagierter denn Freunde und arbeitswilliger denn Angestellte. Sie vereinbarten sogar untereinander, wann und wie die Patres wohin zu ihrer „Heiligen Jagd“ geführt werden sollten, und sorgten durch ihre Freunde dafür, dass die Patres auf vorbereitete Arbeitsmöglichkeiten stießen und sofort Hand ans Werk legen konnten. So kam es, dass vier Monate in Florenz mehr Ergebnisse brachten, als ein ganzes Jahr in Rom hätte bringen können, wenn man dort keine Hilfskräfte zur Verfügung gehabt hätte. Viel brachte auch die Nähe der Biblioteca Laurentiana, aus der der besondere Schatz an griechischen Viten gehoben wurde, zu unserem Kolleg. Sie lag so nahe, dass beim Läuten zum Mittagessen die Patres von dort zurückkamen, durch den Hintereingang ins Kolleg gingen und noch rechtzeitig zum gemeinsamen Tischgebet anwesend waren. Die Abschreibearbeiten wurden auch durch das Wetter begünstigt, das einen so milden Winter bescherte, dass der Raum, in dem sie abschrieben und der sonst sehr kalt war, nicht beheizt werden musste, so dass sie vom ersten Tageslicht bis zum An-
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bruch der Nacht Abschriften anfertigen konnten, mit einer kleinen Pause von einer halben Stunde zum Mittagessen. Um aber freien Zugang zu den Texten zu erhalten, um sie abschreiben zu können, musste man beim Großherzog vorstellig werden. Während sie auf Tag und Stunde warteten, ihm ihre Aufwartung zu machen und mit ihm zu genehmer Zeit ins Gespräch zu kommen, brachte Se. Exzellenz, der Senator Carlo Strozzi, aus seinem reichhaltigen Handschriftenapparat Stücke, mit denen sie sich nutzbringend beschäftigen konnten, und zwar gleich vom ersten Tag ihrer Ankunft an. Dieser gebildete alte Herr hatte im Laufe seines langen Lebens in seinem Hause mit großem Eifer und Engagement gesammelt, was man an Kirchen- und Profangeschichtlichem aus öffentlichen und privaten Archivaliensammlungen der ganzen Stadt bekommen konnte, so dass deshalb alle Bürger zu ihm wie zu einem öffentlichen Orakel hineilten, wenn alte Zeugnisse von berühmten Familienmitgliedern oder Rechtstitel und Privilegien von Stadt und Senat oder eine Information über die Verehrung von Heiligen gesucht wurden. Er besaß auch eine ganze Anzahl alter Handschriften mit Legendensammlungen, die er preiswert von Leuten gekauft hatte, die sie zur Herstellung von Salz- und Pfeffertüten auseinandernehmen wollten, weil sie ihren antiquarischen Wert nicht einzuschätzen wussten. So hatten sich seine neuen Gäste also damit und mit seinen übrigen Büchern eine Zeitlang beschäftigt und einen großen Teil der Medicihandschriften durchgesehen und notiert, was aus ihnen abgeschrieben werden sollte, als sie Francesco Redi, ein Patrizier aus Arezzo, bei Sr. Durchlaucht, dem Herzog Ferdinando, und seinem Bruder Leopoldo vorstellte, Francesco Redi, der wegen seiner einzigartigen medizinischen Kenntnisse, wegen seiner gewählten toskanischen Sprache, wegen seiner großen Kenntnisse der schönen Literatur und der Geschichte und der Naturwissenschaft und wegen seiner sehr gepflegten Umgangsformen am Hofe gern gesehen war. Es wurde also nicht nur wohlwollend zur Kenntnis genommen, was sie über Bolland und sein Werk berichteten, von dem der Großherzog schon ge-
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hört und in dem dessen Bruder schon gelesen hatte, sondern sie erhielten obendrein eine umfassende Erlaubnis abzuschreiben, was sie wollten, aus allen lateinischen oder griechischen Handschriften. Darunter gab es zufällig eine mit den Viten der Heiligen, die vom 15. bis 31. Mai ihre Festtage hatten; es handelte sich um Kurzfassungen, die aber viel ausführlicher waren als die Texte in den üblichen Menaien 1 und Synaxarien 2 , und weil unter diesen Heiligen viele waren, deren ursprüngliche Viten bisher nicht zu finden waren und von denen es nur den Namen gab oder eine kurze Erwähnung in den genannten griechischen Kirchenschriften, fragte einer der beiden Reisenden, weil er die Hoffnung hatte, den fehlenden Teil dieser Sammlung in einer Basilianer3-Bibliothek auf Sizilien zu finden, bei Bolland an, ob er dorthin fahren solle; der ältere der beiden bliebe inzwischen in Florenz und widme sich dem Abschreiben der Medici-Handschriften, und er selbst würde schnell und noch vor Ostern zurücksein. Bolland verbot aber weise, dass man sich trenne, denn wenn einem der beiden etwas Menschliches zustieße, sollte ihm der andere hilfreich zur Seite stehen. Und da das Meer unsicher war wegen der Stürme und zu fürchten wegen der im ganzen Mittelmeer gar zu frei operierenden Piraten, so sagte er in seiner Antwort, würde er eine Heidenangst ausstehen, wenn sich mit seiner Erlaubnis einer der beiden in eine solche Gefahr begeben hätte. Sie sollten also zu Lande weiterreisen und möglichst bald zu ihm zurückkehren, der in ihrer beider Abwesenheit doppelt durch die Last und Vielfalt der anstehenden Aufgaben zu tragen habe, aber sie sollten nichts, das getan werden müsse und könne, ungetan lassen, dort, wo sie hinkämen.
1
Ostkirchliche Sammlungen von Nachrichten über Heilige für alle Monate des Jahres.
2
Ostkirchliche Sammlungen von Nachrichten über Heilige.
3
Ein orientalischer Orden für ostkirchliche ebenso wie für lateinische Mönche,
die nach der „Regel“ Basileios’ des Großen leben (bald auf die lange Zeit oströmischen Gebiete Süditaliens und Siziliens beschränkt).
Anhang
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Auf diesen Brief hin führten sie fleißig und mit großem Nachdruck die begonnene Arbeit zuende und exzerpierten alles, was es in der ganzen Stadt in Klöstern und Kirchen an Berichten über Heilige gab, und hatten durch Vermittlung des genannten Francesco Redi arrangiert, dass alles, was es in Arezzo gab, durch Helfer abgeschrieben wurde, und durch Vermittlung des hochgelehrten Pisaner Akademie-Professors Ambrogio Chimentelli 1 , was es dort gab, und sie hatten ähnliche Arrangements für andere Orte getroffen. Auch nach Vallombrosa und Camaldoli und auf den Monte La Verna begaben sie sich, und zwar aus Ehrfurcht und aus Lernbegier zu Fuß. Schließlich nahmen sie Abschied von ihren Freunden, die zusammenkamen, um - jeder einzelne dem anderen und alle allen zugleich - unter so viel Rührung Lebewohl zu sagen, dass keiner die Tränen zurückhalten konnte, die bewiesen, dass man sich wirklich liebgewonnen hatte. Und so reisten die Jesuitenpatres weiter nach Pistoia, dem Bistum des Heiligen Atto 2 , und dann nach Lucca, wo sich Francesco Maria Fiorentini 3 aufhielt, ein begnadeter Arzt, der aber auch in der Kirchen- und Profangeschichte so beschlagen war, dass sogar Seine Heiligkeit, Papst Alexander VII., die Meinung äußerte, die beiden Patres könnten nicht ohne großen Verlust aus Italien abreisen, wenn sie nicht vorher diesen Mann getroffen hätten. Der nahm beide großzügig auf und brachte ihnen aus seiner Bibliothek und auch von anderswoher Handschriften mit einer Fülle Material herbei, aus dem sie bis Ende Februar wertvolle Abschriften anfertigten. Den März begannen sie in Sarzana, wo sie in dem großartigen Palazzo des Niccolò Casoni hochherzig von jenem vornehmen Herrn aufgenommen worden waren, dem Onkel jenes Agostino Favoriti, der Sekretär des Kardi-
1
Gemeint ist Valerio Chimentelli.
2
Der auch im Tagebuch (Florenz, § 91) erwähnte Heilige Atto war nach seiner
Zeit in Vallombrosa Bischof von Pistoia. 3
Francesco Maria Fiorentini (* Lucca 1603, † ebd. 1673), Arzt und gelehrter Hu-
manist, ein Freund des Francesco Redi; siehe auch Lucca, § 3.
276
Anhang
nalkonsistorium in Rom und der Privatsekretär des Kardinal Chigi selbst war. Er schätzte Bollands Werk sehr, und so wie er den Gefährten bei ihrer Arbeit dort 1 vielfach geholfen hatte, so wollte er, dass man sie hier 2 behandle wie ihn selbst. Nachdem sie dort drei Tage auf ein Schiff gewartet hatten, mit dem sie hätten weiterfahren können, gaben sie schließlich den Gedanken daran auf, weil Meer und Winde dauernd stürmisch waren, und brachen zu Pferd durch ein schwieriges und beinahe wegloses Gelände in Richtung Genua auf.
Anhang II Über den Besuch von San Miniato (Florenz) in den Acta Sanctorum 3 (…) Quid dicam quomodo Florentiæ anno MDCLXII die XIV Februarii in amplam pulchramque Sancti Miniatis ecclesiam, sed, quia arci nunc includitur, desolatam intromißi a præsidiariis militibus & arbitrio nostro cuncta lustrantes intromißis sub aras ornatu omni nudas capitibus manibusque, viderimus ac tetigerimus arculas marmoreas plures, ex quibus arte aliqua reseratis facillimum fuisset educere lipsana intus deposita, si cui fuisset animus, qualem habuit Tolosanus ille clericus, ad furtum abuti libertate ea, quam dabat vitæ ecclesiasticæ profeßio apud militares viros talium incuriosos extra suspicionem posita? Hæc placuit adducere exempli causa, ut cum in urbibus adeo nobilibus tales contingat offerri commoditates subducendi sanctorum corporum ali-
1
In Sarzana.
2
In seinem Haus.
3
Aus der Vita des San Giovenale di Narni (ActaSS, Mai., I, pag. 422).
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Anhang
nalkonsistorium in Rom und der Privatsekretär des Kardinal Chigi selbst war. Er schätzte Bollands Werk sehr, und so wie er den Gefährten bei ihrer Arbeit dort 1 vielfach geholfen hatte, so wollte er, dass man sie hier 2 behandle wie ihn selbst. Nachdem sie dort drei Tage auf ein Schiff gewartet hatten, mit dem sie hätten weiterfahren können, gaben sie schließlich den Gedanken daran auf, weil Meer und Winde dauernd stürmisch waren, und brachen zu Pferd durch ein schwieriges und beinahe wegloses Gelände in Richtung Genua auf.
Anhang II Über den Besuch von San Miniato (Florenz) in den Acta Sanctorum 3 (…) Quid dicam quomodo Florentiæ anno MDCLXII die XIV Februarii in amplam pulchramque Sancti Miniatis ecclesiam, sed, quia arci nunc includitur, desolatam intromißi a præsidiariis militibus & arbitrio nostro cuncta lustrantes intromißis sub aras ornatu omni nudas capitibus manibusque, viderimus ac tetigerimus arculas marmoreas plures, ex quibus arte aliqua reseratis facillimum fuisset educere lipsana intus deposita, si cui fuisset animus, qualem habuit Tolosanus ille clericus, ad furtum abuti libertate ea, quam dabat vitæ ecclesiasticæ profeßio apud militares viros talium incuriosos extra suspicionem posita? Hæc placuit adducere exempli causa, ut cum in urbibus adeo nobilibus tales contingat offerri commoditates subducendi sanctorum corporum ali-
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In Sarzana.
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In seinem Haus.
3
Aus der Vita des San Giovenale di Narni (ActaSS, Mai., I, pag. 422).
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quod, nemo credere cunctetur id fieri potuisse in aliquo forsitan ignobili aut desolato pago, ubi istius, qui nunc Fossani Patronus meritißimo colitur, Sancti Juvenalis corpus æque indiligenter custoditum detinebatur. (…) * (…) Nun denn. In Florenz wurden wir am 14. Februar 1662 in die große und schöne Kirche von San Miniato, die heute Bestandteil der Festung und daher profaniert ist, von Gardesoldaten eingelassen und konnten alles nach Belieben durchstöbern. Wir streckten unsere Köpfe und Hände unter Altäre, die all ihres Schmuckes beraubt waren, und sahen und betasteten viele Marmorgefäße, die man mit etwas Geschick hätte öffnen können, so dass es jemandem, dem wie dem Kleriker aus Toulouse der Sinn danach stand, ein Leichtes gewesen wäre, die darin verwahrten Reliquien herauszunehmen und zu stehlen, wenn er die Privilegien seines geistlichen Standes, der ihn über jeden Verdacht erhaben machte, missbrauchte - bei Soldaten, denen derlei ohnehin egal war. Ich wollte dies als Beispiel dafür berichten, dass, wenn sich in hochangesehen Städten wie Florenz eine Gelegenheit bietet, Heiligenreliquien zu entwenden, sich niemand darüber zu wundern braucht, dass das auch in einem vielleicht weniger angesehenen oder verlassenen Gebiet geschehen konnte, wo der Leib von San Giovenale 1 , der heute zu Recht als Schutzheiliger von den Bewohnern von Fossano im Piemont verehrt wird 2 , in ähnlicher Weise sorglos bewacht wurde. (…)
1
San Giovenale di Narni, heilig (Fest am 3. Mai), der erste Bischof von Narni in
Umbrien; siehe ActaSS, Mai., I, S. 386-422, und MERKT 1996. 2
Im Dom Santa Maria e San Giovenale in Fossano (Cuneo).
Anhang III Antonio Magliabecchis Förderung der hagiographischen Recherchen in Florenz 1 Daniel Papebrochius, De Sancto Antonio seu Antonino, Archiepiscopo Florentino in Hetruria, Ordinis Prædicatorum. Epistola dedicatoria. Clarißimo & Eruditißimo viro, Antonio Magliabechi, Daniel Papebrochius æterna cum Sanctis in gloria numerari.
D
aturus vitam Sanctißimi Florentinorum Præsulis Antonii, a quo Tibi nomen Christiano ritu datum sic meministi, ut ipsum habeas excitamentum virtutis, ommittere nolui, quin primo in limine propositi operis palam facerem, quantum me Tibi obstrictum agnoscam. Non tamen multa tua in me privatim officia ac beneficia recensebo, quorum in animo meo recondi memoriam pro tua singulari modestia mavis quam enumerationem audire. Vnum dicam, quod neque dißimulare tu vis neque ego debeo occultare: Inter plurimos, quos hoc de Actis Sanctorum opus toto orbe Christiano fautores habet adjutoresque, neminem esse, cui de propensißimo erga profectum ejus affectu primas cedere velis aut debeas. Neque sterilis hic Tuus affectus est: extendit sese per omnes operis hujus partes. Postquam enim Reverendo Patri Godefrido Henschenio mihique sub annum MDCLXI Florentiam appulsis omnes publicarum ac privatarum bibliothecarum aditus patere fecisti, ex quibus ingens collectus fructus tum aliis mensibus tum hoc potißimum Majo proponitur, non desisti promptißi-
1
ActaSS, Mai., I, pag. 310-311.
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ma semper voluntate addere beneficiis beneficia, & quoties de Etruriæ Tuæ Sanctis occurrebat requirendum quidpiam, voluisti, ad Te ut recurrerem, recurrentem vero ea, quam ipse dederas, libertate ac fiducia juvisti solicite industrieque maximam, qua apud bonos omnes & doctos patriæ Tuæ viros vales, auctoritatem ac gratiam sic impendens ad singula, quæ desiderari a me contigit, monumenta litterarum varie abditarum per amicos ubicumque positos investiganda, quasi nulla urgentior tibi cura incumberet. Igitur dum eximiam tuam in omni disciplinarum cultiorum genere eruditionem commendant alii, dum beneficam erga homines ex quacumque natione aut profeßione litteratos humanitatem extollunt laudibus, dum stupendam prorsus librorum auctorumque notitiam in capacißimæ memoriæ tuæ sinu velut in vivente bibliotheca digestam admirantur, dum collectam apud Serenißimos Patronos tuos gratiam suspiciunt velut ipsa superiorem invidentia, quia meritorum evidentia fultam, dum omni ex regione deferuntur Florentiam eruditißimi libri nomini tuo tamquam communis eruditorum Mæcenatis inscripti, ego prætendo manibus Sanctorum plurium Vitas a Te nobis submissas atque imprimis hanc Sancti Antonii, nominis ac patriæ communione Tui, ipsum & omnes Sanctos obtestans, ut Te nobis ad sua Acta illustranda adjutorem tam strenuum diu servent incolumem, & post multos demum felicesque annos, suorum gloriam meritorum, quorum sic gaudes eruderare ac propalare insignia, faciant coram intueri in cælesti beatitudine, quo aspiras quamque Tibi differri patereris ægrius, nisi eam quadamtenus prælibare Te legendis his nostris commentationibus crederes. Vale, Amicorum Amicißime, atque, ut facis, studia pro Sanctis suscepta, amare perge ac juvare. Ex Musæo nostro Antverpiensi MDCLXXVII, Idibus Augusti. *
Daniel Papebroch, Zum Heiligen Antonio oder Antonino, Erzbischof von Florenz in der Toskana, Ordinis Praedicatorum. Widmungsbrief. Daniel Papebroch wünscht dem hochwohlgeborenen Gelehrten Antonio Magliabechi einst die Gemeinschaft mit den Heiligen im Himmel.
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m Begriffe, das Leben des Heiligen Florentiner Bischofs Antonio herauszugeben, dessen Namen als eines christlichen Taufnamen Du dadurch richtig gedenkst, dass Du ihn Dir zum Vorbild in der Tugend nimmst, will ich es nicht unterlassen, ganz am Anfang dieses Buches öffentlich zu bekennen, wie sehr ich mich in Deiner Schuld weiß. Aber ich werde nicht Deine vielen freundlichen Gefälligkeiten mir persönlich gegenüber aufzählen, weil Du in Deiner einzigartigen Bescheidenheit lieber möchtest, dass ich sie fest in meinem Gedächtnis behalte, als dass Du sie jetzt aufgezählt hören müsstest. Einen Punkt nur will ich benennen, den weder Du verschwiegen haben möchtest noch ich zu verschweigen brauche: dass unter den sehr vielen Förderern und Helfern, die das Werk der Acta Sanctorum in der ganzen Christenheit hat, es keinen gibt, dem Du in der großen Liebe zu dessen Fortschritt nachstehen möchtest oder müsstest, und diese Deine Liebe bringt Frucht, denn sie erstreckt sich auf alle Aspekte dieses Werkes. Denn nachdem Du dem hochwürdigen Pater Gotfrid Henschen und mir, als wir im Jahre 1661 nach Florenz gekommen waren, den Zugang zu allen öffentlichen und privaten Bibliotheken eröffnet hattest, aus denen unendlich viele Ergebnisse sowohl für die anderen Monate der Acta Sanctorum als auch ganz besonders für diesen Mai-Band gewonnen und veröffentlicht werden konnten, hast Du nicht nachgelassen, bereitswilligst Geschenke auf Geschenke zu häufen, und so oft es etwas gab, was über die Heiligen der
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Toskana nachgeforscht werden musste, wolltest Du, dass ich mich an Dich wendete, und wenn ich mich dann an Dich wandte, hast Du mir sorgfältig und emsig in Deiner bekannten Großzügigkeit und Zuverlässigkeit geholfen. Dabei hast Du das gewaltige Ansehen und die gewaltige Beliebtheit, die Du bei allen angesehenen und gelehrten Bürgern Deines Vaterlandes genießt, darauf verwendet, die einzelnen an unterschiedlichen Orten verborgenen literarischen Denkmale, die ich gerade brauchte, durch Deine Freunde, die Du überall hast, aufzuspüren, als ob Du keine dringenderen Sorgen gehabt hättest. Während daher andere Deine außergewöhnliche Bildung in allen kulturbezogenen Wissenschaften preisen mögen, während sie Deine großzügige Menschlichkeit gegenüber wissenschaftlich arbeitende Menschen aller Nationen und Bekenntnisse rühmen mögen, während sie Deine stupende Kenntnis aller Bücher und Autoren, die in Deinem außergewöhnlich großen Gedächtnis wie in einer lebendigen Bibliothek geordnet sind, bestaunen mögen, und während sie die Gunst, die Du bei Deinen Durchlauchtesten Patronen gewonnen hast, bewundern müssen, da sie über allen Neid erhaben ist, weil sie sich auf Deine offensichtlichen Verdienste gründet, und während aus allen Ländern hochgelehrte Bücher nach Florenz geschickt werden, die Dir wie einem Mäzen aller Gebildeten gewidmet sind, während dem allem so ist, widme ich Dir die Lebensbeschreibungen mehrerer Heiliger, die Du uns geschickt hast, und insbesondere die des Heiligen Antonio, der Dein Namensvetter und Landsmann ist, und flehe dabei ihn und alle Heiligen an, dass sie Dich uns lange gesund erhalten als den so fleißigen Mithelfer bei unserem Vorhaben, ihre Heilstaten ans Licht zu bringen, und dass sie Dich nach dermal einst vielen und glücklichen Jahren die Glorie ihrer Verdienste, die Du so gerne auszugraben und weithin kenntlich zu machen Dich freust, mit eigenen Augen sehen lassen in der Seligkeit des Himmels, in die Du zu kommen strebst und über deren zeitliche Ferne Du Dich noch mehr grämen würdest, wenn Du nicht meintest, dass die Lektüre unserer Heiligenviten Dir nicht davon schon irgendwie einen Vorgeschmack gäbe.
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Liebster Freund, sei gegrüßt und begleite mit Deiner Liebe und Hilfe weiterhin, wie bisher, unsere Arbeit an den Heiligenleben. Aus unserer Bibliothek in Antwerpen im Jahre 1677, an den Iden des August.
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Literatur
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Index A
Antiporto di Camollia (Siena) 87 Antonius der Große, Hl. 164
Ablativ 38, 39
Antonius von Padua 48
Accentus circumflexus 39
Antwerpen 12, 16, 20, 44, 62, 67, 100,
Acciaiuoli (Familie) 147
183
Acciaiuoli, Lapa 148
Anziani 184
Acciaiuoli, Lorenzo 148
Apodemiken 15
Acciaiuoli, Niccolò 147, 148
Apparizione della Madonna (Siena) 90,
Acquapendente 14, 63 Acta Sanctorum (Vorgeschichte der Reise) 11
91 Arbeitsbedingungen in den Bibliotheken 27, 112, 151, 152, 160
Acuto (Berg) siehe Monte Acuto
Arbia (Fluss) 67
Ado von Vienne 124
Archaismen 40
Adverbien 39
Argaeus, Hl. 53, 54
Agostino Novello 92, 93
Assisi 12
Akzente 39
Athanasius der Große, Hl. 89
Albergati, Niccolò 149
Atto, Hl. 156
Alberico I Cybo-Malaspina 185
Augsburg 12
Alessandro de’ Medici 159
Azzolini, Isidoro Ugurgiere 85, 86, 100
Alessandro Pietro (Capocci) 127
B
Alexander VII. (Papst) 81, 135, 181, 275 Alexander von Edessa 124, 125
Baccano 47, 48
Alfonso, Giovanni 51
Badia a Ripoli 155
Ämter 39, siehe auch Famulus, Rektor,
Badia Fiesolana 136
Guardianus, Foresterarius, Pater
Badia Fiorentina 24, 122, 123, 139
Minister, Nuntius usw.
Ballspiel siehe Calcio in Costume,
Andreas aus Sturmi (Andreas von Parma) 156
Pallone al Calcio Bamberg 12
Andreas von Genua 155
Barbara, Hl. 147
Antiphon Coelorum candor 171
Barberino (Val d’Elsa) 104
312
Index
Basilica dell’Osservanza (Siena) 99
Bologna 149
Basilius, Hl. 146
Bolsena 63
Battistero di San Giovanni (Florenz) 25,
Bonzi, Sabino 165
136
Borboni, Francesco 67
Battistero di San Giovanni (Siena) 72
Borgantes, Fermo 91, 92
Becucci (Bibliothekar) 122, 152
Borgo alla Collina 172, 173
Beke, Willem van der 118
Borromäus, Karl 37, 162
Benedetto da Cerreto 156
Botti, Villana de’ 126
Benizi, Filippo 137, 152
Bozen 12
Bernhard von Clairvaux 125
Brancacci, Stefano 135, 139, 175
Bernhard von Parma 154
Brancaccio, Francesco Maria 55
Bernhardin von Siena 87, 99
Brandano siehe Carosi, Bartolomeo
Bettini, Antonio 95
Brevier 28, 48, 176
Biblioteca di S. Maria Assunta (Siena)
Briefwechsel mit den Bollandisten 20
71, 89
Brixen 12
Biblioteca di San Lorenzo (Florenz) 119
Bruchmauerwerk 41, 106
Biblioteca di San Marco (Florenz) 121
Brücken von Florenz 106
Biblioteca di Santa Croce (Florenz) 124
Bruderschaft 73, 77, 149, 159, 160
Biblioteca di Santa Maria Novella
Bruno der Kartäuser 146
(Florenz) 126 Biblioteca di Santissima Annunziata (Florenz) 133 Bibliothekar 122 Bibliotheken 21, 24, 26, 27, siehe auch Inventare, Arbeitsbedingungen
Buchhandlungen 24, 28, 90, 176 bugnato a punta di diamante 59
C Calcio in Costume (Florenz) 35, 161 Calendario, Niccolò 51
Bigot, Emery 17, 110, 118
Camaldoli 28, 166, 275
Bildungsreisen 14
Campanile di Giotto (Florenz) 25, 136
Birgitta von Schweden 148
Capitano del Popolo 177
Boboli-Garten 177
Capocci siehe Alessandro Pietro
Bolland, Jean 11, 12, siehe auch Nachruf
Cappella di Piazza (Siena) 69
auf Jean Bolland Bollandisten 17, 20
Capponi, Vincenzio 19, 22, 158 Carlo I Cybo-Malaspina 185
Index
313
Carosi, Bartolomeo 94
Dombauhütte siehe Opera del Duomo
Casoni, Niccolò 186, 187, 275
Dominikus von Caleruega 126
Castello di Vico 50
Domna, Hl. 167
Castracani, Camillo 178
Dondori, Giuseppe 178
Cavalcanti, Andrea 17, 19, 36, 139,
E
161, 175, 177, 272 Cerchi, Umiliana de’ 153
E caudata 39
Certosa del Galluzzo 105, 106, 143, 144
Eigennamen 38
Cestello (Florenz) 125
Elisabeth von Siena 151
Chiesa del Crocifisso (Siena) 77
Emmerix, Johannes 48, 49
Chigi (Familie) 92
Empfehlungsschreiben 19, 21, 110,
Chimentelli, Valerio 275
113, 134, 139, 142, 186
Christophorus, Hl. 147
Ercole e il centauro Nesso 108
Cobelluzzi, Scipione 59
Ermini, Michele 18, 19, 143
Coelorum candor siehe Antiphon
Essen 32, 48, 63, 66, 101, 170, 175
Colanelli, Lidano 114, 150
Eutychianus, Hl. 187
Colle Falisco 60
F
Colonna della Giustizia (Florenz) 108 Coltellini, Agostino 19, 129
Falconieri, Alessio 142
Consuma 173
Falconieri, Francesco Augustino 142
Corridoio Vasariano 107
Falconieri, Giuliana 134, 141
Corsini, Andrea 130
Famulus 67
Cosimo I de’ Medici 36, 159
Farnese, Odoardo 49, 50
Cosimo III de’ Medici 113, 138
Fatinelli, Fatinello 182
D
Favoriti, Agostino 186, 275 Favoriti, Giacomo 186
Dagobert (Könige) 121
Ferdinando I de’ Medici 143
Dante da Castiglione, Francesco 160
Ferdinando II de’ Medici 64, 112
Dati, Carlo Roberto 19, 110, 118, 119,
Ficherelli, Vinzenzo 178
177 deukalionische Flut 116 Dionysios Areopagites 145
Fiorentini, Francesco Maria 181, 182, 275 Fiorentini, Mario 181, 183
314
Index
Florenzbild 35, 36, et passim
Grancia di Cuna 67
Foligno 12
Gregor IX. (Papst) 34, 168, 169
Fontana grande (Viterbo) 58
Gualberto, Giovanni 155, 157, 174
Fonte grande (Radicofani) 63, 64
Guardianus 171
Fonte papale (Viterbo) 55
Gustav II. Adolf (König von Schweden) 88
Foresterarius 39 Franz von Assisi 49, 66, 169, 170, 171
H
Franz von Sales 169 Franz von Siena 97
Hauptklöster 23
Franz Xaver 66
Heiligenkult 23, 101, 102
Führer 30, 35, 101, 129, 164, 166
Henschen, Gotfrid passim
Fußmarsch 34, 101, 157, 174, 188
Hilarius (Diakon) 52
G
Historia Austrialis 89 Hitze 47
Galleria Palatina 176
Hochadel 35
Gallo di Siena 81, 91
Hugo von Tuszien 123
Galluzzo siehe Certosa del Galluzzo
Hugolin von Ostia 34
Gartenarchitektur 25, 115
Humiliana, Hl. siehe Cerchi, Umiliana
Gelübde 158, siehe auch Profess Generalprior 134
de' Humilitas, Hl. 154
Gevartius, Caspar 89
I
Gewitter 32 ghiacciaie 163
I Torrioni 49
Giardino di Boboli Siehe Boboli-Garten
Indes und Domna siehe Domna, Hl.
Gioacchino da Siena 95, 134
Internuntius 69, 89, 90
Giovanni da Salerno 126
Inventare 27, 168, siehe auch
Giovanni della Verna 171
Bibliotheken
Giovenale di Narni 277
Isola Bisentina 61
Giraldi, Vincenzio 21, 158
Isola Martana 61
Glaria, Vincenzio 158
Italianismen 41, 106
Glas (Fenster) 106 Gomer 116
Index
J Jesuitenkolleg (Florenz) 105 Jesuitenkolleg (Pistoia) 178 Jesuitenkolleg (Viterbo) 59 Jesuitenkorrespondenz 12 Johannes I. Chrysostomos 145 Johannes von Alverna 171 Johannes von Damaskus 145, 147
K Karl II. (König von England) 88 Kartause von Galluzzo siehe Certosa del Galluzzo Kataloge siehe Inventare Katharina von Siena 76 Kircher, Athanasius 21, 139 Kollation (zweite) der Handschriften 159, 161, 174 Kolleg siehe Jesuitenkolleg
315 Lastpferde 105 Latein als Kommunikationssprache 30, 88, 121 Latini, Latino 54 Leoni, Giandomenico 128 Lexik 40 Ligaturen 39 Lippi, Franco 90, 91, 133, 134 Literarizität 25 Loggia dei Papi siehe Palazzo Papale (Viterbo) Loggia del Mercato Nuovo (Florenz) 108 Lombardelli, Gregorio 91 Longarelli, Giovan Domenico 94, 101 Lucca 180 Ludovisi, Ludovico 149 Luni 188 Lyon 12
Köln 12
M
Konzil von Ferrara-Florenz 127 Korrekturen in der Handschrift 42 Kutsche 31, 87, 88, 115
L La Rocca (Ronciglione) 49 La Verna 28, 275 Lago di Bolsena 14, 61, 62, 63 Lago di Cimino 50 Lago di Vico 49, 50 Landkarten 29, 30, 104, 172 Landschaftswahrnehmung 34
maceria siehe Bruchmauerwerk, Italianismen Magliabechi, Antonio 17, 18, 20, 22, 110, 118, 121, 158, 161, 175, 177, 272, et passim Magliabechi, Jacopo 118 Mailand 28, 176 Mandler, Christoph 113, 115 Marcellinus (Märtyrer) 53 Marescotti, Niccolò 92, 93, 101 Margarete von Antiochien 61
316
Index
Margarete von Faenza 154
Nebel 49, 65, 162, 173
Marinus, Hl. 188
Negusanti, Rosanna di siehe Humilitas,
Massa Carrara 185
Hl.
Massio, Francesco 51
Netzwerk, wissenschaftliches 18
Mastrilli, Carlo 151
Nikolaus IV. (Papst) 55
Mattarana 189
Nikolaus von Tolentino 93, 103
Maultier 47, 48, 49, 188
Novizenhaus (Florenz) 114, 115
Mäzene 19
Nuntius 135, 139, 140, 175, siehe auch
Medici 20, 112, 113, 121, 138, 159, 177, siehe auch Alessandro, Cosimo,
Internuntius, Pronuntius Nürnberg 12
Ferdinando
O
Medici, Leopoldo de’ 20, 121 Medici, Mattias de’ 14, 20, 30, 83, 84, 87, 88
Ognisanti (Florenz) 129 ogygische Flut 116
Menaien 140
Opera del Duomo (Florenz) 160
Menologion 140
Opera del Duomo (Siena) 69
Metaphrastes, Symeon 167
Ordensniederlassungen, kleinere 23
Meurs, Jacob van 113
Orléans, Marguerite Louise d’ 113, 138
Michelangelo 119
Orthographie 38
Miracolo del cero del Beato Gioacchino
Osimo 12, 116
(Siena) 96
Ospedale Santa Maria della Scala (Siena)
Monosyllaba 39
73
Monte Acuto 105, 144
Otto III. 123
Montefiascone 14, 60, 295
Ottolini, Lelio 183
Monterosi 13, 47, 48
Ottolini, Paolo 183
Moronti, Bartolommeo 101
Ottonelli, Giovanni Domenico 159,
München 12
160
N
P
Nachruf auf Jean Bolland 17, 44, 267
Palazzo Comunale (Siena) 70
Narcissus, Hl. 53
Palazzo Papale (Viterbo) 54
Neapel 12
Palazzo Pitti (Florenz) 107
Index
317
Palazzo Pretorio (Siena) 69
Pierozzi, Antonino 44, 152
Palazzo Pubblico (Siena) 70
Pietra Serena 110
Palazzo Vecchio (Florenz) 107
Pistoia 178
Pallavicino, Pietro Sforza 134
Pius II. (Papst) 71, siehe auch Historia
Pallone al Calcio 180
Austrialis
Pallone al Calcio (Lucca) 180
Poele, Laurens van de 67, 90
Papebroch, Daniel passim
Ponte Santa Trinita (Florenz) 106
Parataxe 42
Ponte Vecchio (Florenz) 107
Paris 12
Poppi 28, 164, 172
Partizip Perfekt 40
Porta a Pinti (Florenz) 115
Passerini, Caterina Angela 155
Porta Camollia (Siena) 87
Passignano 157
Porta d’Orléans (Florenz) 138
Pater Minister 67
Porta della Croce (Florenz) 153
Paterno 28, 174
Porta Fiesolana siehe Porta a Pinti
Perfekt 40
(Florenz)
Perugia 12
Porta Romana (Ronciglione) 49, 50
Pferd 31, 60, 62, 63, 66, 103, 105, 157,
Porta San Gallo (Florenz) 138
173, 185, 188, 190
Postrouten 13, 47
Pferdewechselstation 64, 65
Pozzo Santo (Badia Fiesolana) 137
Philippus (Apostel) 160
Präfekt 19
Piazza del Campo (Siena) 69
Privatbibliotheken 21, 22, 113
Piazza della Santissima Annunziata
Profess 37, 150
(Florenz) 143 Piccolomini, Ascanio II. 14, 79, 84, 85
Pronuntius 69, 78 Puccinelli, Callisto 21, 134, 142
Piccolomini, Chiaramonte siehe
R
Gioacchino da Siena Piccolomini, Enea Silvio siehe Pius II. (Papst)
Rader, Georg 47 Radicofani 63, 64, 202
Piccolomini, Ottavio 85
Raffael (Maler) 71
Piccolomini-Bibliothek siehe Biblioteca
Randüberschriften 43
di S. Maria Assunta (Siena) Piemont 12
Rapallo 190
318
Index
Redi, Francesco 19, 27, 149, 150, 177, 273, 275
San Francesco (Siena) 98 San Frediano (Lucca) 181
Regen 31, 64, 173, 190
San Giovanni Evangelista (Florenz) 24, 108, 109
Reiseroute 12, 13 Reisevorschriften der Jesuiten 30 Rektor 51, 78, 114, 150, 178
San Giovannino degli Scolopi siehe San Giovanni Evangelista (Florenz)
Relationen siehe Jesuitenkorrespondenz
San Girolamo (Siena) 95
Rena, Cosimo della 19, 176, 177
San Lorenzo (Certosa del Galluzzo) 144
Ricci, Caterina de’ 128
San Lorenzo (Florenz) 24
Ricci, Ludovico 78
San Lorenzo (Viterbo) 52
Richard von Wessex 181
San Lorenzo Vecchio 14, 63
Rimini 12
San Marco (Florenz) 24, 152
Ripoli siehe Badia a Ripoli
San Martino (Siena) 94
Rocca dei Papi (Montefiascone) 60, 61
San Michele (Lucca) 183
Rocca di Radicofani 64
San Miniato (Florenz) 175, 276
Rocca di Vico 50
San Niccolò del Carmine (Siena) 90
Roermond 12
San Romolo (Fiesole) 138
Rom 12, 16, 118, 141, 149, 271
San Salvatore (Lecceto) 101
Romanelli, Marcellino 92, 93, 99
San Vigilio (Siena) 68
Romulus von Fiesole 137, 138
Sant’Ignazio di Loyola (Pistoia) 178
Ronciglione 13, 49
Santa Croce (Florenz) 124
Rosa von Lima 128
Santa Croce dei Mercanti (Viterbo) 59
Rosa von Viterbo 54, 56, 57
Santa Margherita (Montefiascone) 61
Rosweyde, Heribert 11
Santa Maria Assunta (La Badia, Florenz)
S
123 Santa Maria Assunta (Sarzana) 187
San Agostino (Siena) 92
Santa Maria Assunta (Siena) 70, 79
San Casciano in Val di Pesa 31, 105,
Santa Maria degli Angioli (Florenz) 135
157 San Clemente (Siena) 95 San Domenico (Siena) 86 San Fedele (Poppi) 164
Santa Maria del Carmine (Florenz) 130 Santa Maria del Fiore (Florenz) 25, 109, 136 Santa Maria del Suffragio (Viterbo) 56
Index
319
Santa Maria della Pace (Viterbo) 57
Sprache 38
Santa Maria della Verità (Viterbo) 57
Stadtbesichtigung 24
Santa Maria Novella (Florenz) 24, 126
Stadtmauern 51, 63, 180, 183
Santa Rosa (Viterbo) 56
Statuen siehe Colonna della Giustizia
Santa Trinita (Florenz) 111, 174
(Florenz) usw.
Santi Giuseppe e Teresa (Viterbo) 58
Stil 42
Santissima Annunziata (Florenz) 24,
Straßenpflaster in Siena 67
140, 151 Santissima Annunziata (Siena) 73
Strozzi, Carlo 19, 21, 110, 113, 114, 153, 160, 176, 177, 273, et passim
Santo Spirito (Florenz) 24, 131
T
Santuario di Santa Caterina (Siena) 76 Sarzana 185
Tamburini, Ascanio 21, 111
Satzanfänge 38
Tavarnelle (Val di Pesa) 104
Satzlänge 42
Teatro dei Rinnovati (Siena) 88
Schatteneffekte auf Vergoldung 71
Terni 12
Schlußsilben 39
Theodorus, Hl. 146
Schreiber 16, 19, 26, 27, 151
Timotheus, Hl. 146
Schrieck, Antoine Jules van 118
Tolomei (Familie) 92
Selbststilisierung des erzählenden Ichs
Tolomei, Tobia dei 100
15, 37
topographische Angaben 25, 33, 34
Sersali, Daniele 35, 155, 174
Torello da Poppi 165
Siena 14, 40, 67, 85, 93, 102, 285, 289,
Torre del Mangia (Siena) 69, 85
et passim Silvester I. (Papst) 146 Simoneschi, Francesco 51, 52, 54, 195
Torrenieri 65 Totenbruderschaft 73, siehe auch Bruderschaft
Soldo 159
Totenvesper 73
Sorore, Sel. 73
Transportmittel 31, siehe auch Kutsche,
Spanheim, Friedrich 132, 133, 139
Pferd, Maulesel, Fußmarsch
Spinola, Ambrosio 189
Trient 12
Spinola, Ferdinando 189
Turnhout 12
Spinola, Prospero 186 Spoleto 12
320
Index
U Ughelli, Ferdinando 110, 113, 114, 125 Umberti, Bernardo degli siehe Bernhard von Parma
Vecchi, Ludovico de 14, 69, 78, 86, 88, 104 Veneto 12 Vergleich mit Belgien 16, 106 Vergoldung 71
Umbrien 12 Unterkünfte 31, 37 Unterstützung der Archiv-Reise 19 Urban VIII. (Papst) 129 Ursula, Hl. 145, 146
V
Verpflegung siehe Essen Via Aurelia 14, 189 Via Cassia 14, 47, 48, 49, 65, 67 Via Francigena 14, 74 Viterbo 13, 51 Vorgeschichte der Reise 11
W
Vajari, Elisabeth siehe Elisabeth von Siena Valle di Faul 54 Vallentin von Viterbo 52, 53 Vallombrosa 28, 162, 163, 173, 275
Wetter 31, siehe auch Nebel, Gewitter, Hitze, Regen Wicht, Hypolitus van 112
Valois, Adrien de 118
Z
Valois, Henri de 118 Vanni, Francesco 82
Zahnschmerzen 33, 165, 180
Vecchi, Girolamo de 69, 78, 89, 90
Zeitrechnung 105 Zita von Lucca 181, 182
Summary The two Jesuits Gotfrid Henschen and Daniel Papebroch left Antwerp on 22 July 1660 for a journey through Italy that would last two years. Pope Alexander VII had invited them to come to Rome to collect material for a printed edition of the lives of the saints spanning all centuries (the Acta Sanctorum). The contemporary scholarly world was thrilled because, for the first time, the historical-critical method was to be applied to objects of veneration. On their way home, Henschen and Papebroch stopped at Viterbo and Siena; they spent four months in Florence and visited famous monasteries in Tuscany, such as Certosa del Galluzzo, Vallombrosa, Camaldoli and San Fedele in Poppi. They looked for manuscripts and other evidence of veneration and met a number of famous people: Leopoldo and Ferdinando de’ Medici, Michele Ermini, Francesco Redi, Agostino Coltellini, Carlo Strozzi, Antonio Magliabechi, Andrea Cavalcanti and Vincenzio Capponi, who all helped the two Jesuits to compile their work. Papebroch gives a detailed report on their activities in Lazio and Tuscany in his diary. His unbiased view and plain style of writing make this text an important source for cultural studies, offering a rare view of 17th century Italy that differs from that of the lay humanists of late Renaissance times. This volume includes not only the edition of the Latin text, but also an introduction and a German translation with notes.
Dr Susanne Daub is Professor of Medieval and Neolatin Literature at the University of Jena, Germany.
Sinossi Il 22 luglio 1660 due gesuiti, Gotfrid Henschen e Daniel Papebroch, lasciano Anversa per un viaggio di due anni attraverso l’Italia. Il papa Alessandro VII li ha invitati a Roma allo scopo di raccogliere materiale per la stampa di un’edizione delle vite di tutti i santi dal titolo Acta Santorum. Il progetto suscita scalpore negli ambienti eruditi del XVII secolo poiché i gesuiti intendono applicare il metodo storico-critico alle vite dei santi. Sulla via del ritorno a casa, Henschen e Papebroch visitano fra l'altro Viterbo e Siena, e si trattengono quattro mesi a Firenze alla ricerca di manoscritti e di altro materiale conservato in biblioteche pubbliche e private. Si rechano in famosi monasteri della Toscana come la certosa di Galluzzo, Vallombrosa, Camaldoli, e San Felice a Poppi, e incontrano alcune fra le più eminenti personalità fiorentine: Leopoldo e Ferdinando de’ Medici, Michele Ermini, Francesco Redi, Agostino Coltellini, Carlo Strozzi, Antonio Magliabechi, Andrea Cavalcanti e Vincenzo Capponi; saranno questi ad aiutare i due gesuiti nel loro lavoro. Nel diario Paperbroch fornisce un rapporto dettagliato sulle sue attività a Firenze. Grazie al suo sguardo limpido e alla sua scrittura semplice il testo diventa una fonte importante per gli studi culturali poiché offre un punto di vista unico sulla Firenze del XVII secolo, diverso da quello proposto dai laici umanisti del tardo Rinascimento. Acclusa all’edizione vi è anche un’introduzione e una traduzione in tedesco con note al testo.
Susanne Daub è docente titolare della cattedra di Latino Medievale e Moderno presso l’Università di Iena, Germania.